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German Pages [275] Year 2020
Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht Band 165 herausgegeben von
Rolf Stürner
Simon Jobst
Das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren zwischen Privatautonomie und Verfahrensgarantien Ein deutsch-italienischer Rechtsvergleich über Beschlussmängelstreitigkeiten vor Schiedsgerichten
Mohr Siebeck
Simon Jobst, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaften an der LMU München und der Université Panthéon-Assas (Paris II); 2013 Licence en droit in Paris; 2016 Maîtrise en droit in Paris; 2016 Erstes Juristisches Staatsexamen; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der LMU München; 2019 Promotion; seit 2018 Rechtsreferendariat am OLG München. orcid.org/0000-0001-8674-2344
Gedruckt mit Unterstützung der Johanna und Fritz Buch Gedächtnisstiftung, Hamburg ISBN 978-3-16-159002-3 / eISBN 978-3-16-159003-0 DOI 10.1628/978-3-16-159003-0 ISSN 0722-7574 / eISSN 2568-7255 (Veröffentlichungen zum Verfahrensrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.
Meinen Eltern und Martina
Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Zitierte Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand von November 2019. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten und geschätzten akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Peter Kindler für die fachlich exzellente Betreuung der Arbeit und den menschlich respekt- und vertrauensvollen Umgang. Er hat mir die Anregung zu dem Thema gegeben und die Erstellung der Dissertation durch seine Diskussionsbereitschaft und Hinweise vorbildlich unterstützt und gefördert. Herrn Professor Dr. Mathias Habersack danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Am Institut für Internationales Recht der Ludwig-Maximilians-Universität habe ich ein wissenschaftliches und kollegiales Umfeld vorgefunden, das wesentlich zu Gelingen des Projektes beigetragen hat. Besonders profitiert habe ich von der Hilfsbereitschaft und Unterstützung meiner, zum Teil ehemaligen, Kollegen und Freunde Herrn Dr. David Paulus, Herrn Dr. Samy Sakka und Herrn cand. jur. Peter Moser. Auch ohne einen Forschungsaufenthalt an der Università degli Studi di Napoli Federico II wäre die Arbeit in der vorliegenden Form nicht möglich gewesen. Ich bedanke mich für den herzlichen Empfang und die Gastfreundschaft, die ich in Italien erfahren durfte. Herrn Prof. Dr. Dres. h.c. Rolf Stürner und dem Verlag Mohr Siebeck möchte ich für die Aufnahme der Dissertation in die Schriftenreihe meinen Dank aussprechen. Hervorzuheben ist ferner die großzügige Unterstützung der Johanna und Fritz Buch-Gedächtnisstiftung, Hamburg, bei der Drucklegung. Meinen Eltern danke ich von Herzen dafür, dass sie meine Ausbildung ermöglicht und gefördert und, noch wichtiger, mich in jeder Lebenslage bedingungslos unterstützt haben. Mein herzlicher und persönlicher Dank gilt schließlich Frau Regierungsrätin Martina Mittelhammer, die jede Seite des Manuskripts gelesen und kritisch hinterfragt hat. Ihr und meinen Eltern sei diese Arbeit gewidmet. München, im Herbst 2019
Simon Jobst
Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ XXI
Vorbemerkung .......................................................................................... 1 § 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung ................................................... 1 § 2 Gang der Untersuchung........................................................................... 6
Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens nach deutschem und italienischem Recht ....... 7 § 3 Rechtsgrundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens .......... 7 A. Quellen des Schiedsverfahrens in der deutschen Rechtsordnung .............. 7 B. Quellen des Schiedsverfahrens in der italienischen Rechtsordnung .......... 8 I. Gesetze zur Neuregelung der Schiedsgerichtsbarkeit 1983 und 1994 ........................................................................ 9 II. Gesetzesverordnung Nr. 40/2006 zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts .................................................................... 10 III. Gesetzesverordnung Nr. 5/2003: Regelungen über das gesellschaftsrechtliche Zivilverfahren ............................................... 11 1. Regelungsbereiche und teilweise Abschaffung ............................ 11 2. Titel V der Gesetzesverordnung über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren ......................................................................... 12 3. Gesetzesvorschläge der ADR-Kommission v. 18.1.2017 ............. 13 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit ...................................................... 14
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Inhaltsverzeichnis
§ 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit .............. 15 A. Verfassungsrechtliche Grundlagen der deutschen Schiedsgerichtsbarkeit ........................................................................... 15 B. Verfassungsrechtliche Grundlagen der italienischen Schiedsgerichtsbarkeit ........................................................................... 16 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit ...................................................... 19 § 5 Vorteile der Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und Italien ...................................... 21 A. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens .................................................... 21 B. Sachkunde der Schiedsrichter................................................................. 23 C. Prozessdauer in der Schiedsgerichtsbarkeit ............................................ 24
Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund: Beschlussmängelrecht in deutschen und italienischen Handelsgesellschaften ................. 26 § 6 Die gesetzliche Ausgangslage in Kapitalgesellschaften ......................... 26 A. Beschlussmängel in deutschen Kapitalgesellschaften ............................. 26 I. Aktienrecht als Grundtypus .............................................................. 27 1. Typologie der aktienrechtlichen Beschlussmängel ...................... 27 2. Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg .............................. 28 a) Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage ...................................... 28 b) Drittwirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils ............. 29 II. Analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften auf die GmbH ................................................................................... 30 B. Beschlussmängel in italienischen Kapitalgesellschaften ......................... 30 I. Beschlussmängelrecht der s.p.a......................................................... 30 1. Typologie der aktienrechtlichen Beschlussmängel ...................... 30 2. Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg .............................. 31 II. Teilweise autonomes Beschlussmängelrecht der s.r.l. ....................... 32 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit ...................................................... 33 § 7 Die gesetzliche Ausgangslage in Personenhandelsgesellschaften .......... 34 A. Beschlussmängel in deutschen Personenhandelsgesellschaften .............. 34 B. Beschlussmängel in italienischen Personenhandelsgesellschaften .......... 36 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit ...................................................... 37
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 3: Freiheit der Parteien zur Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsfähigkeit) .................................................................... 38 § 8 Die Rechtslage in Deutschland .............................................................. 39 A. Die Schiedsfähigkeit im engeren Sinne .................................................. 39 I. Die Schiedsfähigkeit nach altem Recht: Anknüpfung an die Vergleichsfähigkeit ........................................................................... 39 1. Objektive Vergleichsfähigkeit ..................................................... 39 2. Subjektive Vergleichsfähigkeit .................................................... 40 II. Neudefinition des Begriffs der Schiedsfähigkeit in der Reform von 1997 .............................................................................. 41 1. Vermögensrechtliche Natur des Anspruchs ................................. 41 2. Beschlussmängelklagen als vermögensrechtlicher Anspruch ....... 41 B. Die Schiedsfähigkeit im weiteren Sinne ................................................. 42 I. Recht der GmbH ............................................................................... 42 1. Traditionelle Einwände gegen die schiedsgerichtliche Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH ........ 43 a) Ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts .................... 43 b) Gestaltungswirkung des Urteils .............................................. 43 2. Rechtskrafterstreckung und Verfahrensgarantien ........................ 44 a) BGH Urteil v. 29.3.1996 – „Schiedsfähigkeit I“ .................... 44 b) BGH Urteil v. 6.4.2009 – „Schiedsfähigkeit II“ ..................... 45 II. Recht der Aktiengesellschaft ............................................................ 47 1. Satzungsstrenge und ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts ................................................................................ 47 2. Prozessrechtliche Einwände ........................................................ 48 III. Personengesellschaftsrecht ............................................................... 49 1. Anerkennung der Schiedsfähigkeit ohne Vorbehalt ..................... 49 2. BGH Beschluss v. 6.4.2017 – „Schiedsfähigkeit III“ ................... 50 § 9 Die Rechtslage in Italien ....................................................................... 52 A. Vorbemerkung zum anwendbaren Recht: allgemeines Schiedsverfahrensrecht der Zivilprozessordnung vs. gesellschaftsrechtliche Sondervorschriften der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003......................... 53 I. Sachlicher Anwendungsbereich des Schiedsverfahrensrechts nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 .......................................... 55 1. Regelungsort der Schiedsvereinbarung ........................................ 55 2. Bezug zum Gesellschaftsverhältnis (rapporto sociale) ................ 57
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Inhaltsverzeichnis
II. Persönlicher Anwendungsbereich des Schiedsverfahrensrechts nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 .......................................... 58 1. Ausschluss großer Aktiengesellschaften ...................................... 58 a) Definition der ausgeschlossenen Aktiengesellschaften ........... 59 b) Sperrwirkung für das ordentliche Schiedsverfahren ............... 61 c) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ...................................... 62 2. Anwendbarkeit auf Personengesellschaften ................................. 63 a) Beschränkung auf Handelsgesellschaften ............................... 63 b) Fehlerhafte Gesellschaften ..................................................... 65 c) Statthaftigkeit des ordentlichen Schiedsverfahrens ................. 66 III. Zwischenergebnis ............................................................................. 66 B. Schiedsfähigkeit nach allgemeinem und besonderem Schiedsverfahrensrecht .......................................................................... 67 I. Gemeinsames Merkmal: Verfügbarkeit der Rechte (diritti disponibili) ...................................................................... 68 1. Negative Abgrenzungen .............................................................. 69 2. Materiellrechtliche Theorie ......................................................... 70 3. Prozessrechtliche Theorie ............................................................ 71 4. Theorie der autonom schiedsverfahrensrechtlichen Auslegung .... 73 II. Ausschluss der Schiedsfähigkeit bei Teilnahme der Staatsanwaltschaft im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren ..... 73 1. Die Rolle der Staatsanwaltschaft im italienischen Zivilprozess ... 74 2. Die Bedeutung des Ausschlusses ................................................. 74 a) Erste Ansicht: Erweiterung des Kreises schiedsfähiger Streitigkeiten .................................................. 75 b) Zweite Ansicht: beispielhafter Charakter des Ausschlusses der Schiedsfähigkeit bei Teilnahme der Staatsanwaltschaft .... 75 c) Zwischenergebnis .................................................................. 76 C. Anwendung auf Beschlussmängelstreitigkeiten ...................................... 77 I. Rechtslage vor der Gesellschaftsrechtsreform 2003 .......................... 77 1. Abgrenzung nach den betroffenen Interessen zur Bestimmung der schiedsfähigen Beschlussmängelstreitigkeiten ....................... 78 2. Kritik an der traditionellen Abgrenzung ...................................... 79 II. Das Meinungsspektrum zur Frage der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten nach Einführung des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrensrechts ............................... 80 1. Vermittelnde Ansichten ............................................................... 81 a) Erste Ansicht: Abgrenzung nach der Abdingbarkeit der Normen ............................................................................ 81 b) Zweite Ansicht: Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Mängeln ........................................................ 83 c) Dritte Ansicht: Abgrenzung zwischen Mängeln mit Anfechtbarkeits- oder Nichtigkeitsfolge........................... 83
Inhaltsverzeichnis
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d) Vierte Ansicht: Unterscheidung nach der Heilbarkeit des Mangels ......................................................... 84 e) Fünfte Ansicht: Unterscheidung nach dem Bestehen einer Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Beschlussmangels .. 85 f) Zusammenfassung .................................................................. 86 2. Schiedsfähigkeit sämtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten ......... 87 3. Stellungnahme ............................................................................. 89 D. Schiedsfähigkeit im freien Schiedsverfahren (arbitrato irrituale) .......... 90 I. Natur des freien Schiedsverfahrens ................................................... 91 II. Zulässigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten ................................ 92 1. Anwendbare Normen .................................................................. 93 2. Schiedsfähigkeit im freien Schiedsverfahren ............................... 94 E. Zwischenfazit ......................................................................................... 96 I. Kritik an der aktuellen Rechtslage .................................................... 96 II. Ausblick: Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission v. 18.1.2017 .... 97 § 10 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit .................................................... 99 A. Schutz der Rechte verfahrensunbeteiligter Gesellschafter ...................... 99 B. Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaftsform ................................................................................ 102 I. Einfluss der Unterschiede im Beschlussmängelrecht ...................... 102 II. Besonderheiten der Aktiengesellschaft ........................................... 103
Kapitel 4: Vertragsfreiheit bei Begründung der Schiedsgerichtsbarkeit: die Anforderungen an Schiedsvereinbarungen nach deutschem und italienischem Recht ...................................... 105 § 11 Die Rechtslage in Deutschland .......................................................... 105 A. Außervertragliche Schiedsklausel (§ 1066 ZPO) .................................. 106 I. Sachlicher Anwendungsbereich: körperschaftliche Satzung ............ 106 II. Persönliche Bindungswirkung ........................................................ 107 1. Bindung neuer Gesellschafter .................................................... 108 2. Bindung des ausscheidenden Gesellschafters ............................ 108 III. Formelle Voraussetzungen .............................................................. 109 1. Form der Schiedsklausel............................................................ 109 2. Formerfordernis bei Verweisung auf Verfahrensordnungen ...... 110 3. Einführung durch Satzungsänderung ......................................... 111 a) Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel ................... 111 b) Anpassung unwirksamer Schiedsklauseln ............................ 113
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Inhaltsverzeichnis
IV. Materielle Voraussetzungen: die Gleichwertigkeitskautelen ........... 114 1. Informationsgebot ..................................................................... 115 2. Mitwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter .............................. 116 a) Schiedsrichterbenennung ..................................................... 116 b) Nebenintervention oder Beitritt im Schiedsverfahren ........... 117 3. Verfahrenskonzentration ........................................................... 118 V. Rechtsfolge von Verstößen: Nichtigkeit der Schiedsklausel............ 118 VI. Exkurs: Einhaltung der BGH-Mindeststandards durch die DIS-ERGeS .......................................................................... 121 B. Individualvertragliche Schiedsklausel (§ 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO) ....... 122 I. Sachlicher Anwendungsbereich: gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel in Personengesellschaften ....................................... 122 II. Persönliche Bindungswirkung ........................................................ 123 III. Formelle Voraussetzungen .............................................................. 124 1. Anwendbarkeit der Formvorschrift des § 1031 ZPO.................. 124 2. Neueinführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag........................................................................ 125 IV. Materielle Voraussetzungen: Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen („Schiedsfähigkeit III“) ......................... 126 1. Erste Ansicht: keine (generelle) Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen ......................................................... 127 2. Zweite Ansicht: Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen ..... 128 3. Stellungnahme ........................................................................... 128 4. Zwischenfazit und Ausblick ...................................................... 129 C. Schiedsabrede (§ 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO) ........................................... 130 I. Ad hoc-Vereinbarungen aus Anlass des Beschlussmängelstreits ..... 130 II. Satzungsergänzende Nebenabreden in der Aktiengesellschaft......... 130 § 12 Die Rechtslage in Italien ................................................................... 131 A. Gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ........................................................... 132 I. Persönliche Bindungswirkung ........................................................ 132 1. Bindung neuer Gesellschafter .................................................... 132 a) Rechtslage vor der Reform ................................................... 133 b) Praktische Auswirkungen des alten Meinungsstreits ............ 134 c) Ausdrückliche Anordnung der Bindungswirkung in der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ........................................... 135 2. Bindung des ausgeschlossenen Gesellschafters ......................... 135 II. Formelle Voraussetzungen .............................................................. 136 1. Form der Klausel ....................................................................... 136 2. Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel: qualifizierte Mehrheit und Austrittsrecht ....................................................... 136
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a) Gesetzliche Abweichung vom Zustimmungserfordernis in Personengesellschaften ........................................................ 137 b) Gesetzliche Verschärfung der Mehrheitsanforderungen in Kapitalgesellschaften ....................................................... 138 c) Anwendbarkeit bei Abänderung bestehender Schiedsklauseln.................................................................... 139 d) Satzungsmäßige Abweichungen von den gesetzlichen Mehrheitsanforderungen ...................................................... 140 e) Austrittsrecht abwesender und dissentierender Gesellschafter ...................................................................... 140 III. Objektive Reichweite der Schiedsklausel ........................................ 143 IV. Materielle Voraussetzungen: Verbot der Schiedsklauseln mit Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien (Art. 34 Abs. 2 D.lgs. Nr. 5/2003)................................................... 144 1. Zweck der Norm ....................................................................... 145 2. Zulässige Benennungsinstitutionen ........................................... 147 V. Rechtsfolge von Verstößen der Schiedsklausel gegen das vorgeschriebene Benennungsverfahren ........................................... 148 1. Erste Ansicht: Abdingbarkeit der Vorschriften über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren .................................... 149 2. Zweite Ansicht: Teilnichtigkeit nur in Hinblick auf das Verfahren der Schiedsrichterbenennung .................................... 150 3. Dritte Ansicht: Nichtigkeit der Schiedsklausel .......................... 151 a) Unheilbare Nichtigkeit nach Normzweck und Wortlaut ....... 152 b) Anwendung der Nichtigkeitsfolge auf Altklauseln ............... 153 c) Anwendung der Nichtigkeitsfolge auf Schiedsklauseln über ein freies Schiedsverfahren .......................................... 154 d) Sonderfall: Schiedsklausel ohne Benennungsmechanismus .................................................... 155 4. Exkurs: Pflichtverletzung des Notars bei Beurkundung einer Schiedsklausel mit Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien..................................................... 155 5. Zwischenfazit ............................................................................ 156 B. Sonstige Schiedsvereinbarungen .......................................................... 157 I. Außersatzungsmäßige Schiedsklausel (Art. 808 c.p.c.) ................... 157 II. Ah hoc-Schiedsvertrag (Art. 807 c.p.c.) .......................................... 158 § 13 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit und Perspektiven: Bindungswirkung und inhaltliche Ausgestaltung rechtswirksamer Schiedsklauseln ......................................................................................... 159 A. Auswirkungen von Änderungen im Gesellschafterbestand ................... 159 B. Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung ........... 160
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I. Austrittsmöglichkeiten nach deutschem Recht ................................ 162 II. Grenze der Zumutbarkeit ................................................................ 163 C. Inhaltliche Wirksamkeitsanforderungen an Schiedsklauseln ................ 164 I. Die Gleichwertigkeitskautelen des BGH ......................................... 164 II. Verbot der Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 .......................... 165 III. Rechtsfolgen von Verstößen nach deutschem und italienischem Recht .................................................................. 165
Kapitel 5: Parteiautonomie bei der Durchführung des Schiedsverfahrens über Beschlussmängelstreitigkeiten ............. 167 § 14 Verfahrenseinleitung und Bildung des Schiedsgerichts ...................... 168 A. Anwendung der Gleichwertigkeitskautelen im Einzelfall (Deutschland).................................................................. 168 I. Verfahrenseinleitung....................................................................... 168 II. Schiedsrichterbenennung ................................................................ 169 1. Beschlussmängelstreit als Mehrparteienschiedsverfahren .......... 169 2. Einigungszwang und Mehrheitsentscheidung ............................ 170 III. Verfahrenskonzentration vor einem Schiedsgericht ........................ 172 B. Zwingende Verfahrensvorschriften nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 (Italien) .............................................................................. 172 I. Veröffentlichung des Antrags auf Verfahrenseinleitung.................. 173 II. Verfahren der Schiedsrichterbenennung ......................................... 175 1. Schiedsrichterbenennung in allgemeinen Mehrparteiensituationen ............................................................ 176 2. Schiedsrichterbenennung bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ............ 176 a) Anforderungen an die Schiedsrichterbenennung .................. 177 b) Rechtsfolgen bei Untätigkeit des mit der Schiedsrichterbenennung betrauten Außenstehenden ........... 177 III. Verfahrenskonzentration mehrerer Beschlussmängelklagen vor einem Schiedsgericht ................................................................ 178 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: vertragliche vs. gesetzliche Konkretisierung der Verfahrensgarantien .................................................. 179 § 15 Klagefrist und Verweisung bei Unzuständigkeit ................................. 180 A. Fristwahrung trotz fehlender Verweisungsmöglichkeit nach deutschem Recht .......................................................................... 181
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B. Fristwahrung und Verweisungsmöglichkeit nach italienischem Recht .............................................................................. 182 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit .................................................... 183 § 16 Beteiligung Dritter am Verfahren ...................................................... 184 A. Parteiautonome Garantie der Mitwirkungsrechte (Deutschland) ........... 184 B. Interventionsmöglichkeit als gesetzliches Verfahrensrecht (Italien) ..... 186 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: vertragliche vs. gesetzliche Ausgestaltung des Beteiligungsrechts Dritter ....................................... 188 § 17 Der Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren ............................. 189 A. Der Schiedsspruch nach deutschem Recht ............................................ 189 I. Wirkung des Schiedsspruchs .......................................................... 190 II. Keine Nichtigkeit des Schiedsspruchs bei fehlender Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen ......................................................... 191 III. Aufhebungsverfahren...................................................................... 191 1. Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach § 138 BGB ........ 192 a) Verstoß der Schiedsklausel gegen die Gleichwertigkeitskautelen als Aufhebungsgrund .................. 192 b) Antragsbefugnis verfahrensunbeteiligter Gesellschafter ....... 193 2. Verstoß gegen die Verfahrensgarantien im Einzelfall ................ 194 B. Der Schiedsspruch nach italienischem Recht ....................................... 195 I. Entscheidung nach Billigkeit .......................................................... 196 II. Entscheidung über Vorfragen ......................................................... 197 III. Wirkung des Schiedsspruchs .......................................................... 197 1. Gesetzliche Anordnung der urteilsgleichen Wirkung des Schiedsspruchs .......................................................................... 197 2. Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs bei Beschlussmängelverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ................................................................................. 198 IV. Veröffentlichung des Schiedsspruchs.............................................. 199 V. Aufhebung des Schiedsspruchs ....................................................... 200 1. Im allgemeinen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung .................................................................. 200 a) Anfechtungsklage ................................................................ 200 b) Restitutionsklage und Drittwiderspruchsklage ..................... 201 2. Besonderheiten im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 .................................. 202 3. Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission v. 18.1.2017............. 203 VI. Der Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren ............................... 204
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C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: Sicherstellung der gesellschaftsinternen Bindungswirkung des Schiedsspruchs ................ 206 § 18 Zulässigkeit und Grenzen des Eilrechtsschutzes im Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten ........................................... 207 A. Erfordernis der Vollziehbarerklärung nach deutschem Recht ............... 207 B. Schiedsgerichtlicher Eilrechtschutz nach italienischem Recht .............. 208 I. Eilrechtsschutz im allgemeinen Schiedsverfahren ........................... 208 II. Eilrechtsschutz im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ........................................ 209 1. Anordnung der Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses... 209 2. Teilweise konkurrierende Zuständigkeit von Schiedsgericht und staatlichen Gerichten .......................................................... 210 3. Wirkung der schiedsgerichtlichen Eilmaßnahme ....................... 211 4. Schicksal der Maßnahme bei Fortführung des Verfahrens vor einem staatlichen Gericht .......................................................... 212 III. Eilrechtsschutz im freien Schiedsverfahren..................................... 213 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: (Un-)Entbehrlichkeit der Mitwirkung staatlicher Gerichte am schiedsgerichtlichen Eilrechtsschutz ..................................................................................... 213
Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung: Plädoyer für eine Kodifikation der Verfahrensrechte Dritter im schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren ................... 215 § 19 Gemeinsame Grundlagen: Qualifikation der Schiedsgerichtsbarkeit, sachrechtlicher Hintergrund und Wirkung des Schiedsspruchs ................. 215 § 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren nach deutschem und italienischem Recht ........................................................... 216 A. Grundsätzliche Schiedsfähigkeit des innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreits ........................................................................ 216 B. Unterscheidung nach der konkreten Gesellschaftsform: (teilweiser) Ausschluss der Aktiengesellschaften .................................................... 217 C. Inhaltliche Anforderungen an rechtswirksame Schiedsvereinbarungen ........................................................................ 218 D. Neueinführung einer Schiedsvereinbarung und persönliche Reichweite.................................................................. 219 E. Ablauf des Schiedsverfahrens über einen Beschlussmängelstreit ......... 220
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XIX
§ 21 Abwägung von privatautonomer Regelungsfreiheit und Schutz der Verfahrensrechte Dritter ........................................................................... 222 § 22 Perspektiven für das deutsche Schiedsverfahrensrecht: teilweise Kodifikation des schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahrens ........... 224 Anhang 1: Gesetzliche Bestimmungen ...................................................... 227 Anhang 2: Musterschiedsklauseln ............................................................. 232 Literaturverzeichnis ................................................................................... 234 Sachregister ............................................................................................... 247
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.F. ABl. Abs. AEUV AG AktG AnwBl. App. Aufl. Az. Banca borsa BayObLG BB Bd. Bearb. BeckRS Begr. BeurkG BGB BGBl. BGH BGHZ Brüssel Ia-VO
BT-Drs. bzw. Cass. Cass. civ. Cass. S.U. c.c. Contr. Corr. giur. Corte cost. Cost.
andere Ansicht alte Fassung Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft, auch: Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Anwaltsblatt Corte d’Appello Auflage Aktenzeichen Banca, borsa e titoli di credito Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Band Bearbeiter Elektronische Entscheidungsdatenbank in Beck online Begründer Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2012 Nr. L 351, S. 1. Bundestagsdrucksache beziehungsweise Corte di Cassazione (Kassationsgerichtshof) Corte di Cassazione, sezioni civili (Zivilsenat des Kassationsgerichtshofs) Corte di cassazione, sezioni unite (Vereinigte Senate des Kassationsgerichtshofs) codice civile I Contratti Il Corriere giuridico Corte costituzionale Costituzione della Repubblica Italiana
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Abkürzungsverzeichnis KSzW L. L. cost. Leggi d’Italia LG Lit. Lodo arb. m.w.N. MDR n. NJW NJW-RR Nuova giur. civ. comm. NZG Obbl. e Contr. OGH OHG Rass. arb. Rep. Foro it. RDS RGZ Riv. arb. Riv. dir. comm. Riv. dir. proc. Riv. trim. dir. proc. civ. Riv. soc. RIW Rn. RNotZ Rs. S. SchiedsVZ sez. Società s.p.a. s.r.l. Trib. T.U.F. UNCITRAL UNÜ v. Verf. vs. Vorb. WM
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Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht legge legge costituzionale Elektronische Entscheidungsdatenbank Leggi d’Italia Landgericht Littera (Buchstabe) Lodo arbitrale mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht numero Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtssprechungs-Report La nuova giurisprudenza civile commentata Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Obbligazioni e contratti Oberster Gerichtshof (Österreich) Offene Handelsgesellschaft Rassegna dell’arbitrato Repertorio del Foro italiano Rivista di diritto societario Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rivista dell’arbitrato Rivista del diritto commerciale e del diritto generale delle obbligazioni Rivista di diritto processuale Rivista trimestrale di diritto e procedura civile Rivista delle società Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Rechtssache Seite(n); Satz Zeitschrift für Schiedsverfahren sezione Le Società società per azioni società a responsabilità limitata Tribunale Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria United Nations Commission on International Trade Law (Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht) New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 vom Verfasser versus Vorbemerkung Wertpapier-Mitteilungen
XXIV WuB z.B. ZEuP ZGR ZHR ZIP ZPO ZVglRWiss ZZPInt
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Vorbemerkung „Die Rechtsvergleichung befruchtet das Schiedsverfahrensrecht und dient ihm als Methode in allen ihren Zielen“1
§ 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung § 1 Gegenstand und Ziel der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der schiedsgerichtlichen Beilegung von gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten aus rechtsvergleichender Perspektive. Untersucht werden die Entwicklung sowie die aktuelle Rechtslage in deutschen und italienischen Handelsgesellschaften. Die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen derartige Streitigkeiten einem Schiedsgericht zur Entscheidung übertragen werden können, wird in der deutschen2 und italienischen3 Literatur seit Jahrzehnten lebhaft diskutiert. Auch die Gerichte beider Länder befassen sich seit Langem mit dieser Problematik. Gleichwohl wurde bis heute kein umfassender Vergleich der Rechtslage in Deutschland und Italien vorgenommen. Schiedsklauseln sind im Gesellschaftsrecht bei weitem kein modernes Phänomen. Pier Giusto Jaeger wies darauf hin, dass nach der ursprünglichen Fassung des Napoleonischen Handelsgesetzbuchs von 1807 sämtliche Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern zwingend auf dem schiedsgerichtlichen Weg beigelegt werden mussten.4 Auch in der deutschen und italienischen Kautelarpraxis erfreut sich die Schiedsgerichtsbarkeit seit Langem größter Beliebtheit, wenn die Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten in Rede steht. Bereits in einem Kommentar zum BGB des Königreichs Sachsen aus dem Jahr 1865 wird angemerkt, dass Schiedsklauseln „nicht selten“ in Statuten und Gesellschaftsverträgen enthalten seien.5 Aktuelle Statistiken zum Rückgriff auf die Schiedsgerichtsbarkeit in deutschen Gesellschaften – und insbesondere im Zusammenhang mit Beschlussmängelstreitigkeiten – finden sich leider kaum.
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Schütze, ZVglRWiss 110 (2011), 89, 97. Z.B. Schopp, DB 1958, 591, 593. 3 Z.B. Andrioli, Riv. dir. comm. 1942, II, 36. 4 Jaeger, Giur. comm. 1990, II, 219; diese Regelung wurde noch im 19. Jahrhundert wieder abgeschafft. 5 Pöschmann, BGB Sachsen Kommentar, § 1417. 2
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Vorbemerkung
Im Schrifttum wird aber fortwährend die besondere Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit auf diesem Gebiet betont.6 Bereits 1996 wurde festgestellt, dass sich Schiedsklauseln „sehr häufig“ in Gesellschaftsverträgen befänden, bei Personengesellschaften sogar „nahezu die Regel“ seien.7 Auch in der jüngeren Literatur wird häufig die besondere Beliebtheit der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung im Gesellschaftsrecht hervorgehoben.8 Ein ähnliches Bild zeichnet sich in der italienischen Streitbeilegungspraxis ab. In der Literatur wird auf satzungsmäßige Schiedsklauseln aus dem 17. Jahrhundert hingewiesen.9 Es darf davon ausgegangen werden, dass die Beliebtheit der Schiedsgerichtsbarkeit auf diesem Gebiet seither nur gestiegen ist. Eine Studie aus dem Jahr 1979 zeigt die schon damals große Verbreitung von Schiedsklauseln in italienischen Kapitalgesellschaften. Untersucht wurden die Gesellschaftsverträge aller zwischen 1942 und 1974 gegründeten s.p.a., s.r.l. und Genossenschaften mit Sitz in der Provinz Modena. Dabei stellte sich heraus, dass in 2.156 der 2.928 analysierten Statuten Schiedsklauseln enthalten waren (also in ca. 73,6 %).10 In Genossenschaften lag der Anteil sogar bei 92,2 %, in Kapitalgesellschaften immerhin bei 50,9 %. Nahezu alle Schiedsklauseln waren dabei allgemein formuliert, sodass – die gesetzliche Zulässigkeit vorausgesetzt – auch Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen in den Kompetenzbereich des Schiedsgerichts fielen.11 Ähnliche Ergebnisse lieferte eine 2010 veröffentlichte Studie über die Gesellschaftsverträge aller zwischen 2000 und 2007 in den Provinzen Rom und Mailand gegründeten Aktiengesellschaften. In über der Hälfte (55,77 %) der 2.121 untersuchten Gesellschaften befand sich eine Schiedsklausel zur Beilegung der
6 Wenn oft nur pauschal von „gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten“ gesprochen wird, ist doch zu beachten, dass Beschlussmängelstreitigkeiten den weitaus wichtigsten Teil der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen ausmachen, vgl. etwa Lutz, Gesellschafterstreit, S. 347. 7 Weber, in: DIS Schriftreihe Band 11, S. 49. 8 Gentzsch/Hauser/Kapoor, SchiedsVZ 2019, 64; Westermann, ZGR 2017, 38, 39; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2; Müller, GmbHR 2010, 729; Borris, NZG 2010, 481; Raeschke-Kessler/Wiegand, AnwBl. 2007, 396; Mehrbrey/Pörnbacher/Baur, HdB GesR Streitigkeiten, § 2 Rn. 26; zu einem anderen Ergebnis kommt (mit Blick auf die GmbH) allein eine Erhebung von Wedemann aus dem Jahr 2011. Untersucht wurden die Gesellschaftsverträge der zwischen 1.8. und 31.10.2011 in den Handelsregistern der Amtsgerichte Augsburg, Bayreuth, Regensburg und Würzburg eingetragen GmbHs, vgl. Wedemann, Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Kapitalgesellschaften, S. 523. Von den 200 analysierten Gesellschaftsverträgen enthielt lediglich einer eine Schiedsklausel. 9 Siehe Art. 23 der Satzung der Compagnia di negozio per il commercio con il Portogallo ed il Brasile von 1681, abgedruckt bei Stella Richter jr., in: FS Corapi, S. 2017. 10 Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 8 f. 11 Nur 22 der untersuchten Schiedsklauseln (ca. 1 %) schlossen Beschlussmängelstreitigkeiten ausdrücklich vom Anwendungsbereich aus, vgl. Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 75.
Vorbemerkung
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innergesellschaftlichen Streitigkeiten.12 Leider geht aus der Studie nicht hervor, ob die Schiedsklauseln auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassten. Dafür spricht aber eine jüngst veröffentlichte Studie der Associazione fra le Società Italiane per Azioni (assonime), die sich mit der Ausgestaltung gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln befasst. Sämtliche untersuchten Klauseln waren weit formuliert, sodass Beschlussmängelstreitigkeiten ohne weiteres erfasst wurden; einige schlossen Beschlussmängelstreitigkeiten sogar ausdrücklich mit ein.13 Umgekehrt stellen gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten auch den bedeutendsten Anteil aller Schiedsverfahren dar. Eine neue Statistik der Camera Arbitrale di Milano zeigt, dass mehr als ein Drittel der dort im Jahr 2017 durchgeführten Verfahren gesellschaftsrechtliche Fragen betrafen.14 Gegenstand der Arbeit ist ausschließlich die Statthaftigkeit und die Durchführung eines Schiedsverfahrens über gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten nach deutschem und italienischem Recht. Das Verfahren verfolgt grundsätzlich das Ziel, die Streitigkeit endgültig und umfassend beizulegen. Nicht untersucht wird daher zum einen die Frage, ob einzelne Elemente bzw. die konkrete Ausgestaltung der Pflichten der Parteien durch ein sogenanntes Schiedsgutachten (arbitraggio) verbindlich festgelegt werden können. Dabei handelt es sich um kein umfassendes Verfahren, das selbstständig und endgültig über die Streitigkeit entscheiden könnte.15 Ebenfalls von der Untersuchung ausgeschlossen bleiben andere Formen alternativer Streitbeilegung, die, wie die Mediation oder die Streitschlichtung, darauf abzielen, eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu erreichen, ohne streitentscheidende Tätigkeit auszuüben.16 Der Ausschluss der öffentlich-rechtlichen und völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit vom Untersuchungsgegenstand folgt schließlich bereits aus dem analysierten Klagegegenstand. Die der Fragestellung zugrundeliegenden gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten werden zwischen Rechtssubjekten des Privatrechts – den Gesellschaftern und (teilweise) der Gesellschaft – ausgetragen. Bei der Untersuchung verfolgt die Arbeit einen rechtsvergleichenden Ansatz. Ziel ist es, über die bloße Darstellung der Rechtslage in den untersuchten
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ISDACI, in: L’impatto della riforma societaria sulle clausole statutarie, S. 3. Assonime, L’arbitrato societario nella prospettiva delle imprese (2017), S. 16, abrufbar unter: www.assonime.it (Abrufdatum: 16.11.2019). 14 Camera Arbitrale di Milano, Statistiche Arbitrato 2017, abrufbar unter: www.cameraarbitrale.it (Abrufdatum: 16.11.2019). 15 Vgl. zur Abgrenzung Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 74 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 12 ff.; zur Abgrenzung im italienischen Recht Zucconi Galli Fonseca, Diritto dell’Arbitrato, Kap. 2 § 6. 16 Vgl. hierzu Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 45 ff.; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 17 ff.; zum italienischen Recht Zucconi Galli Fonseca, Diritto dell’Arbitrato, Kap. 2 § 1. 13
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Rechtsordnungen hinaus, die unterschiedlichen Lösungen auf die Fragestellung nach dem Funktionalitätsprinzip zu bewerten.17 Das bedeutet konkret, dass nicht nur die Statthaftigkeit bzw. die Voraussetzungen der Übertragung von Streitigkeiten über fehlerhafte Beschlussfassungen in den verschiedenen Gesellschaften nach deutschem und italienischem Recht analysiert werden, sondern dabei untersucht wird, inwieweit die privatautonome Regelungsfreiheit der Parteien und der Schutz der Verfahrensrechte aller Gesellschafter in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden. Gerade die italienische Rechtsordnung erscheint aus verschiedenen Gründen für die vergleichende Betrachtung besonders interessant. Sie folgt als wichtige Rechtsordnung aus dem romanischen Rechtskreis einer anderen Rechtstradition als die deutsche Rechtsordnung. Wenngleich das heutige Schiedsverfahrensrecht beider Länder in dem Institut des privaten Schiedsrichters nach antikem römischen Recht (arbiter ex compromisso) wurzelt,18 haben sich die Regelungskomplexe der Rechtsordnungen doch in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Dies gilt selbst in Zeiten eines verstärkten internationalen Bestrebens nach Rechtsvereinheitlichung, die längst auch weite Teile das Zivilverfahrensrecht erreicht haben. Mit dem Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) vom 21. Juni 1985 wurden den Vertragsstaaten zwar Regelungen zur Vereinheitlichung der nationalen Schiedsverfahrensvorschriften empfohlen. Dieses Modellgesetz hat in der italienischen Rechtsordnung indes weit weniger Beachtung gefunden, als in der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts. Auch die EU-rechtlichen Harmonisierungsbestrebungen auf Ebene des Verfahrensrechts haben das Schiedsverfahrensrecht bisher ausgespart. Die Schiedsgerichtsbarkeit wird nach Art. 1 Abs. 2 lit. d und Erwägungsgrund 12 ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Brüssel Ia-Verordnung ausgenommen.19 Vorschläge über eine (teilweise) Regelung der Schiedsgerichtsbarkeit scheiterten am fehlenden Konsens der Vertragsstaaten.20 Bis heute bleiben somit in einzelnen Bereichen zum Teil große Unterschiede bestehen, deren Analyse gerade auf dem Gebiet innergesellschaftlicher Streitigkeiten fruchtbare Ergebnisse verspricht: die italienische Rechtspraxis verfügt über eine längere Erfahrung bei der schiedsgerichtlichen Beilegung kapitalgesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten. Während entsprechende Verfahren in Deutschland erst seit einem Urteil des BGH als zulässig erachtet werden,21 dürfen italienische Schiedsgerichte – je nach dem konkreten 17
Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 33 ff. Vgl. Lukits, SchiedsVZ 2013, 269; Punzi, Arbitrato, Vol. 1, S. 57. 19 Vgl. zur Auslegung und Reichweite der Bereichsausnahme Kindler, in: FS Geimer, S. 321 ff. 20 Vgl. Paulus/Peiffer/Peiffer, EuGVVO, Art. 1 Rn. 98 f.; Kindler, in: FS Geimer, S. 321 (323). 21 BGHZ 180, 221 = NJW 2009, 1962 („Schiedsfähigkeit II“). 18
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Streitgegenstand – bereits seit den 1960er Jahren über einige Beschlussmängel entscheiden.22 Als „ausdiskutiert“23 kann die Thematik bis heute auch im rein nationalen Kontext in keiner der untersuchten Rechtsordnungen bezeichnet werden. Trotz unzähliger gerichtlicher Entscheidungen und wissenschaftlicher Abhandlungen bleiben im Einzelnen bis heute viele Fragen offen. Erst jüngst hat der BGH mit einer Entscheidung zur „Schiedsfähigkeit“ von Beschlussmängelverfahren in Personengesellschaften erneut für Diskussionsstoff gesorgt, und dabei, wie sich zeigen wird, die bestehenden Unsicherheiten eher vergrößert, als endlich für Klarheit zu sorgen.24 Auch in Italien herrscht trotz – oder wegen – der Fülle an gerichtlichen Entscheidungen zu verschiedenen Aspekten des innergesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens bis heute viel Unsicherheit. Rechtspolitische Brisanz erlangte die Frage zuletzt durch die Reformbestrebungen des italienischen Justizministeriums, die auch das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren einschließen.25 Eine Untersuchung der gesellschaftsrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit ist schließlich nicht nur von rechtswissenschaftlicher Relevanz. Auch im deutschitalienischen Wirtschaftsalltag kommt ihr Bedeutung zu. Die enge wirtschaftliche Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien und die große Bedeutung der wirtschaftlichen Beziehungen für beide Länder sind bekannt. Allein im Jahr 2018 lag das Exportvolumen nach Italien bei 69 980 Mill. EUR.26 Damit zählt Italien weltweit zu den wichtigsten Handelspartnern der Bundesrepublik. Das hohe Volumen (unmittelbarer oder mittelbarer) deutscher Direktinvestitionen in Italien (34 998 Mill. EUR am Jahresende 2017)27 zeigt, dass deutsche Unternehmer nicht selten Betriebsstätten oder Tochterunternehmen in Italien errichten, italienische Unternehmen erwerben oder sich an ihnen mit einem Anteil beteiligen, der einen entscheidenden Einfluss auf die Unternehmensleitung ermöglicht. Oft werden diese Investitionen die Gründung einer Gesellschaft nach italienischem Recht erforderlich machen, etwa dann, wenn ein Tochterunternehmen einer deutschen Gesellschaft auf dem italienischen Markt tätig werden soll oder ein gemeinsames Joint-Venture-Projekt mit einem italienischen Unternehmen in Form einer italienischen Kapitalgesellschaft realisiert werden soll. In letzterer Konstellation spielen Schiedsklauseln aufgrund des Wunsches nach schneller und effektiver Streitbeilegung ohnehin eine besonders wichtige Rolle,28 die im Rechtsverkehr mit 22 Cass. civ., sez. I, 10.10.1962, n. 2910, Giust. civ. 1963, I, 29; Cass. civ., sez. I, 24.5.1965, n. 999, Giust. civ. 1965, I, 1575. 23 So zum deutschen Recht bereits vor geraumer Zeit Roth, in: FS Nagel, S. 318 (319). 24 BGH NJW-RR 2017, 876 („Schiedsfähigkeit III“). 25 Vgl. hierzu unten § 3 B. III. 3. 26 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, 16.2.1 (S. 429). 27 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2019, 17.4.2 (S. 450). 28 Hohmuth, ZIP 2017, 658, 661.
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Vorbemerkung
Italien – mit Blick auf die langsame staatliche Justiz29 – nur noch gesteigert werden kann. Es mag daher auch im deutsch-italienischen Rechtsverkehr von Interesse sein, sich mit der innergesellschaftlichen Schiedsgerichtsbarkeit nach italienischem Recht zu befassen.
§ 2 Gang der Untersuchung § 2 Gang der Untersuchung
Die Untersuchung folgt einem „verzahnten“ Aufbau. Dabei wird die Fragestellung in verschiedene Teilaspekte untergliedert, die abschnittsweise jeweils aus dem Blickwinkel der deutschen und der italienischen Rechtsordnung beleuchtet und anschließend verglichen werden.30 Die Arbeit beginnt mit Ausführungen zur Entwicklung der Rechtsquellen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens, den verfassungsrechtlichen Grundlagen der (gesellschaftsrechtlichen) Schiedsgerichtsbarkeit in den jeweiligen Rechtsordnungen, sowie den spezifischen Vorteilen, die sich für Gesellschaften nach deutschem und italienischem Recht aus der Entscheidung für die schiedsgerichtliche Streitbeilegung ergeben (Kapitel 1). Anschließend werden der sachrechtliche Hintergrund von Beschlussmängelstreitigkeiten in deutschen und italienischen Kapital- und Personengesellschaften und die prozessuale Ausgangslage bei einem Verfahren vor den staatlichen Gerichten erläutert (Kapitel 2), wurzeln doch gerade hier einige der Kernprobleme der Untersuchung. Damit ist der Boden bereitet für eine Untersuchung der Statthaftigkeit der schiedsgerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse (Kapitel 3). Ein vorangestellter Teil zum Erfordernis der Schiedsfähigkeit nach deutschem und italienischem Recht soll das Verständnis erleichtern. Ist die abstrakte Frage der Schiedsfähigkeit (im weiteren Sinne) von Beschlussmängelstreitigkeiten geklärt und – zumindest teilweise – bejaht, kann sodann untersucht werden, welche Hürden den Parteien bei der Begründung der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit auf dem Gebiet gestellt werden (Kapitel 4). Nicht nur auf dieser Stufe, sondern auch beim Schiedsverfahren über einen Gesellschafterbeschluss selbst stellen sich spezifische Schwierigkeiten, die in einem anschließenden Kapitel beleuchtet werden (Kapitel 5). Die Kapitel des Hauptteils enden stets mit einem deutsch-italienischen Rechtsvergleich. Die darin gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage der abschließenden rechtsvergleichenden Gesamtbewertung (Kapitel 6).
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Vgl. dazu unten § 5 C. Vgl. zu diesem methodischen Vorgehen Kischel, Rechtsvergleichung, § 3 Rn. 242.
Kapitel 1
Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens nach deutschem und italienischem Recht Zunächst soll ein Überblick über die geschichtliche Entwicklung und die wesentlichen Rechtsquellen der (gesellschaftsrechtlichen) Schiedsgerichtsbarkeit nach geltendem deutschen und italienischen Recht gegeben werden. Über die Rechtsnatur des Schiedsverfahrens und insbesondere die Funktion des Schiedsgerichts als echte Gerichtsbarkeit wurde über die Jahre viel diskutiert. Da sich diese Debatten bis heute auf einzelne Aspekte der Schiedsgerichtsbarkeit auswirken, werden in diesem Kapitel auch die verfassungsrechtlichen Grundlagen dieser alternativen Streitbeilegungsmethode aufgezeigt. Aus praktischer Perspektive stellt sich schließlich die Frage, welche Motive eine Gesellschaft in Deutschland und Italien dazu veranlassen, innergesellschaftliche Streitigkeiten unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zu übertragen.
§ 3 Rechtsgrundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens § 3 Rechtsgrundlagen
A. Quellen des Schiedsverfahrens in der deutschen Rechtsordnung Das 10. Buch der ZPO (§§ 1025–1066) enthält die wesentlichen Vorgaben über ein Schiedsverfahren nach deutschem Recht. Es gliedert sich in zehn Abschnitte und geht in seiner heutigen Form auf das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22. Dezember 1997 zurück.1 Im Rahmen dieser Reform wurden die bis dahin weitestgehend unveränderten Regelungen der Zivilprozessordnung von 1879 erstmals vollständig überarbeitet.2 Durch die Reform sollte das veraltete deutsche Schiedsverfahrensrecht den Bedürfnissen der modernen Wirtschaft angepasst werden mit dem Ziel, die Attraktivität des
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BGBl. 1997 I, S. 3224 ff. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 188; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 116. 2
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
Schiedsgerichtsstandortes Deutschland auch für ausländische Parteien zu fördern und zugleich die staatliche Gerichtsbarkeit zu entlasten.3 Die Neuregelungen orientieren sich weitestgehend an dem Modellgesetz der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) vom 21. Juni 1985, dessen Berücksichtigung den UN-Mitgliedstaaten in der Vollversammlung am 11. Dezember 1985 empfohlen wurde.4 Das reformierte 10. Buch der ZPO ist einheitlich auf nationale und internationale Schiedsverfahren anwendbar und geht damit über den Anwendungsbereich des UNCITRAL-Modellgesetzes hinaus, das sich auf die Regelung internationaler Schiedsverfahren beschränkt.5 Von der Einführung spezieller Regeln, die den Besonderheiten des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens gerecht werden, wurde in der Reform bewusst abgesehen. Mit Blick auf die gesellschaftsrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen verweist der Gesetzgeber ausdrücklich darauf, dass diese Frage „weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles überlassen bleiben“ solle.6 Es liegt daher auf der Hand, dass den Urteilen des BGH bis heute überragende Bedeutung auf dem Gebiet des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrens zukommt. In seiner „Schiedsfähigkeit-Trilogie“ hat der BGH allgemeingültige Grundsätze entwickelt, die das Rechtsgebiet weiterhin maßgeblich prägen.7 B. Quellen des Schiedsverfahrens in der italienischen Rechtsordnung Die Kodifizierung des italienischen Schiedsverfahrensrechts kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts – somit vor der Entstehung des italienischen Einheitsstaates – wurden unter Einfluss des Napoleonischen Code de procédure civile Regelungen über das Schiedsverfahren in die Zivilprozessordnungen verschiedener italienischer Königreiche aufgenommen.8 In der ersten gesamtitalienischen Zivilprozessordnung aus dem Jahr 1865 fand das Schiedsverfahrensrecht einen prominenten Platz in den Artt. 8–34.9 Als Inspiration diente auch dem ersten gesamtitalienischen Parla-
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BT-Drs. 13/5274, S. 24 f. BT-Drs. 13/5274, S. 23 ff. 5 BT-Drs. 13/5274, S. 25. 6 BT-Drs. 13/5274, S. 35. 7 BGHZ 132, 278 = NJW 1996, 1753 („Schiedsfähigkeit I“); BGHZ 180, 221 = NJW 2009, 1962 („Schiedsfähigkeit II“); BGH NJW-RR 2017, 876 („Schiedsfähigkeit III“); vgl. allgemein zur Bedeutung von Richterrecht für die Rechtsfindung Möllers, Juristsiche Methodenlehre, § 3 Rn. 22 ff. 8 Punzi, Arbitrato, Vol. 1, S. 79; Alpa/Vigoriti/Alpa, Arbitrato, Teil I Kap. 1, S. 20. 9 Text abgedruckt in: Picardi/Giuliani, Codice di procedura civile del Regno d’Italia, S. 227 ff. 4
§ 3 Rechtsgrundlagen
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ment der französische Code de procédure civile sowie die genferische Zivilprozessordnung.10 Wenngleich die ausdrückliche Zulassung von vertraglichen Schiedsklauseln (vgl. Art. 8) zur damaligen Zeit im europäischen Vergleich fortschrittlich gewesen sein mag, blieben doch erhebliche Hürden im Hinblick auf die einzuhaltenden Verfahrens- und Formvorschriften bestehen.11 Heute ist das italienische Schiedsverfahrensrecht im Wesentlichen im VIII. Titel („Dei procedimenti speciali“) des vierten Buchs („Dell’arbitrato“) der italienischen Zivilprozessordnung von 1942 geregelt (Artt. 806–840 c.p.c.). Die Vorschriften waren in ihrer ursprünglichen Form weiterhin von einer überwiegend ablehnenden Haltung gegenüber dem Schiedsverfahren geprägt, die vom Rückgriff auf diese alternative Form der Streitbeilegung abschrecken konnten.12 So verlor der Schiedsspruch etwa nach Art. 825 Abs. 5 c.p.c. a.F. automatisch seine Wirkung, wenn er nicht innerhalb einer fünftägigen Frist beim Gericht niedergelegt wurde.13 In seiner heutigen Gestalt wird das italienische Schiedsverfahrensrechts durch die Reformen der Zivilprozessordnung 1983, 1994 und 2006 geprägt. Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit sind außerdem die speziellen Regelungen über den gesellschaftsrechtlichen Zivilprozess, die im Rahmen der Gesellschaftsrechtsreform 2003/2004 mit der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 vom 17. Januar 2003 eingeführt wurden und Sonderreglungen über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren enthalten (Artt. 34–37). I. Gesetze zur Neuregelung der Schiedsgerichtsbarkeit 1983 und 1994 Die Reformen 198314 und 199415 reihen sich in einen europaweiten Trend der Neuregelung der nationalen Schiedsverfahrensregeln ein, der dem Streben nach Modernisierung und Verpflichtungen aus internationalen Verträgen geschuldet war.16 Die „Mini-Reform“17 1983 brachte zunächst nur kleine Änderungen. Insbesondere sollte die Anerkennungsfähigkeit italienischer Schiedssprüche im Ausland gesteigert werden, um den Schiedsgerichtsstandort Italien attraktiver zu machen.18 So wurden erstmals auch Ausländer als Schiedsrichter zugelassen (Art. 812 c.p.c. a.F.). Art. 823 Abs. 4 c.p.c. a.F. verlieh dem Schiedsspruch erstmals ab dem Tag der letzten Unterzeichnung Bindungswir-
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Punzi, Arbitrato, Vol. 1, S. 80. Vgl. Bernardini, Diritto dell’arbitrato, S. 10. 12 Vgl. Bonomi, in: JbItalR 9 (1996), S. 99. 13 Bernardini, Diritto dell’arbitrato, S. 11 f. 14 L. n. 28 vom 9.2.1983, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 44 vom 15.2.1983. 15 L. n. 25 vom 5.1.1994, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 12 vom 17.1.1994. 16 Walter, RIW 1995, 445. 17 Vgl. Bonomi, in: JbItalR 9 (1996), S. 99, Fn. 3. 18 Rubino-Sammartano, Diritto dell’arbitrato, Bd. 1, S. 89 f. 11
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
kung zwischen den Parteien (efficacia vincolante). Ein staatliches Hilfsverfahren ist seither nur noch nötig, um die Vollstreckbarkeit eines inländischen Schiedsspruchs zu erreichen.19 Wesentlich bedeutender war der zweite Teil der Reform im Jahr 1994. Im Rahmen dieser Reform wurden weite Teile des Titels über das Schiedsverfahren neugefasst bzw. ergänzt. Die Modernisierungsbestrebungen der Reform 1983 wurden aufgegriffen und durch zwei Maßnahmen umgesetzt: zum einen wurden die Fälle unwirksamer Schiedsvereinbarungen eingeschränkt, zum anderen wurde die Rolle der staatlichen Gerichte im Verfahren eingeschränkt.20 Eine beachtliche Neuerung brachte die erstmalige Abschaffung der Hinterlegungsfrist des Schiedsspruchs. Nach der ursprünglichen Regelung des c.p.c. verlor der Schiedsspruch automatisch seine Wirkung, wenn er nicht innerhalb von fünf Tagen bei der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts hinterlegt wurde. Durch die Reform 1983 wurde die Frist bereits auf ein Jahr erhöht und 1994 völlig abgeschafft. Für Aufsehen sorgte daneben auch die Neueinführung eines Kapitels über das internationale Schiedsverfahren (Artt. 832–838 c.p.c.).21 Es enthielt eine Definition über die Internationalität des Schiedsverfahrens, sowie einige Sondervorschriften über die Schiedsvereinbarung, das anzuwendende Recht und den Verfahrensablauf. Art. 823 Abs. 1 c.p.c. a.F. erklärte die allgemeinen Vorschriften für anwendbar, soweit sich aus dem Kapitel über das internationale Schiedsverfahren kein anderes ergab. Nur 12 Jahre später wurden die Vorschriften im Rahmen der Reform 2006 allerdings wieder abgeschafft und teilweise in den Titel über das nationale Schiedsverfahren integriert. Das Leitmotiv des italienischen Gesetzgebers, die Attraktivität des Schiedsstandortes Italien zu erhöhen, spiegelt sich in den Regelungen deutlich wider. Bereits durch die Reform 1994 konnte ein wesentlich schiedsgerichtsfreundlicheres Umfeld geschaffen werden.22 II. Gesetzesverordnung Nr. 40/2006 zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts Durch Gesetz vom 14.5.200523 wurde die Regierung ermächtigt, das italienische Schiedsverfahrensrecht abermals effizienter zu gestalten (Art. 3 lit. a). Gestützt auf diese Ermächtigung wurde am 2.2.2006 die Gesetzesverordnung
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Vgl. dazu unten § 17 B. III. 1. Bonomi, in: JbItalR 9 (1996), S. 99 (100). 21 Dazu Maglio, IPRax 1996, 217; Bonomi, in: JbItalR 9 (1996), S. 99 (106 ff.); Walter, RIW 1995, 445, 450 f. 22 Vgl. Walter, RIW 1995, 445, 452; Maglio, IPRax 1996, 217, 221. 23 L. n. 80 vom 14.5.2005, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 111 vom 14.3.2005. 20
§ 3 Rechtsgrundlagen
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Nr. 4024 erlassen, durch die der Titel über das Schiedsverfahren nahezu vollständig reformiert wurde.25 Die neuen Vorschriften zielen auf eine weitere Stärkung des Schiedsverfahrens in Italien. Sinnbildlich dafür ist an erster Stelle der neue Art. 824-bis c.p.c. zu nennen, wonach dem Schiedsspruch ab dem Tag seiner letzten Unterzeichnung – abgesehen von der nach Art. 825 c.p.c. erforderlichen Vollstreckbarerklärung – urteilsgleiche Wirkung zukommt.26 Beachtung gefunden haben außerdem die Neudefinition des Begriffs der Schiedsfähigkeit in Art. 806 c.p.c., Neuerungen im Rechtsverhältnis zwischen Parteien und Schiedsrichtern (Benennung, Haftung und Ablehnung) und in der Verfahrensdurchführung. Außerdem wurde das bisher nur gewohnheitsrechtlich anerkannte Institut des sogenannten freien Schiedsverfahrens (arbitrato irrituale) erstmals in Art. 808-ter c.p.c. gesetzlich geregelt. Schließlich wurden die Sondervorschriften über das internationale Schiedsverfahren abgeschafft (Artt. 832–838 c.p.c.). Wie nach deutschem Recht findet nunmehr auch in Italien ein einheitliches Schiedsverfahrensrecht gleichermaßen auf nationale wie auf internationale Schiedsverfahren Anwendung. Entsprechend den Vorgaben der Ermächtigungsnorm (Art. 3 lit. a L. n. 80 vom 14.5.2005) wurden die Sondervorschriften weitestgehend in das nationale Schiedsverfahrensrecht integriert. III. Gesetzesverordnung Nr. 5/2003: Regelungen über das gesellschaftsrechtliche Zivilverfahren Für Schiedsverfahren bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten ist in Italien vor allem die Gesetzesverordnung Nr. 5 vom 17.1.2003 von Bedeutung.27 Die Novelle wurde im Rahmen der als Riforma Vietti bekannten italienischen Kapitalgesellschaftsrechtsreform von 2003 verabschiedet.28 Grundlage für die Reform ist Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 366 vom 3.10.2001,29 wonach die Regierung ermächtigt wurde, das italienische Kapitalgesellschaftsrecht zu reformieren und zugleich prozessuale Vorschriften in dem Bereich zu erlassen. 1. Regelungsbereiche und teilweise Abschaffung Die Gesetzesverordnung gliedert sich in fünf Titel: Anwendungsbereich (Titel I), Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht (Titel II), Eilrechtsschutz (Titel 24
D.lgs. n. 40 vom 2.2.2006, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 38 vom 15.2.2006. Vgl. dazu Catania, in: JbItalR 20 (2007), 291; Corsini, Contr. 2006, 515; Bernardini, Dir. comm. int. 2006, 227. 26 Corsini, Contr. 2006, 515. 27 D.lgs. n. 5 vom 17.1.2003, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 17 vom 22.1.2003. 28 Siehe zu den wichtigsten materiellrechtlichen Änderungen der Reform Kindler, ZEuP 2012, 72, 73 ff. 29 L. n. 366 vom 3.10.2001, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 17 vom 22.1.2003. 25
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
III), nichtöffentliches Verfahren (Titel IV), Schiedsverfahren (Titel V), Güteverfahren (Titel VI) und Schluss- und Übergangsvorschriften (Titel VII). Inhaltlich wurde durch die Verordnung ein zweistufiges Verfahren (außergerichtliches Vorverfahren und gerichtliches Erkenntnisverfahren) und ein besonderes Eilverfahren eingeführt (Artt. 2–19). Artt. 20–22 sehen Abweichungen im Berufungsverfahren vor. Artt. 23–24 modifizieren die Regel des c.p.c. über das Sicherstellungsverfahren. Artt. 25–33 erweitern die Fälle, in denen auf das nichtöffentliche Verfahren („procedimento in camera di consiglio“) zurückgegriffen werden kann. Artt. 34–37 enthalten schließlich Regelungen über das Schiedsverfahren bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Durch Artt. 38–40 wurde außerdem ein besonderes Güteverfahren in dem Bereich geschaffen. Ein Großteil der Gesetzesverordnung ist heute nicht mehr in Kraft. Artt. 1– 33, 41 Abs. 1 und 42 wurden bereits 2009 durch Art. 54 Abs. 5 des Gesetzes Nr. 6930 abgeschafft. Nur ein Jahr später wurden durch Art. 23 Abs. 1 der Gesetzesverordnung Nr. 2831 die verbleibenden Artt. 38–40 gestrichen. Aufgrund der „Leistungsschwäche“ der Novelle wurde somit nach nur sieben Jahren nahezu ihr gesamter Regelungsgehalt wieder abgeschafft.32 Das Scheitern der Reform wird auf zwei Gründe zurückgeführt: zum einen sei das Hauptziel – die Beschleunigung der Prozesse im Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts – nicht erreicht worden, zum anderen haben die Vorschriften unter erheblichen redaktionellen Mängeln gelitten.33 Auch in Praxis und Lehre konnten sich die Vorschriften keiner großen Beliebtheit erfreuen, sodass die Abschaffung einhellig begrüßt wurde.34 2. Titel V der Gesetzesverordnung über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren Nach der Abschaffung der restlichen Titel ist heute von der Gesetzesverordnung nur noch der – für die vorliegende Arbeit zentrale – Titel V („Dell’arbitrato“) über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren (Artt. 34–37) in Kraft. Der Titel findet seine Grundlage in Art. 12 Abs. 3 der Ermächtigungsnorm, wonach die Regierung vorsehen durfte, „dass die Statuten der Handelsgesellschaften auch in Abweichung der Artt. 806 und 808 der Zivilprozessordnung Schiedsklauseln für alle oder einige der in Abs. 1 genannten gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten beinhalten“.35 Unabhängig vom Inhalt ist bereits der Erlass der Vorschriften an sich ein bedeutendes Zeichen: erstmals beschäftigen 30
L. n. 69 vom 18.6.2009, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 140 vom 19.6.2009. D.lgs. n. 28 vom 4.3.2010, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 53 vom 5.3.2010. 32 Lettieri, EuZW 2009, 556. 33 Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 79 f. 34 Vgl. Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77. 35 Freie Übersetzung des Verf. 31
§ 3 Rechtsgrundlagen
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sich der italienische Gesetzgeber mit dem gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren, mit dem ausdrücklichen Ziel, den Rückgriff auf dieses Institut bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zu steigern.36 Zwei im Gesellschaftsrecht besonders umstrittene Fragen haben den Gesetzgeber zur Schaffung der Spezialregelungen bewogen: die Bestimmung der schiedsfähigen Streitigkeiten (insbesondere in Hinblick auf Beschlussmängelstreitigkeiten) und die Besonderheiten des Mehrparteienschiedsverfahrens.37 In Art. 34 wird das Kriterium der Schiedsfähigkeit neu definiert. Außerdem werden verschiedene Wirksamkeitsanforderungen an gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln gestellt. Artt. 35–36 beinhalten Abweichungen von den Regelungen der Zivilprozessordnung im Bereich des Verfahrens und der schiedsgerichtlichen Entscheidung, die im Laufe dieser Arbeit ausführlich untersucht werden. 3. Gesetzesvorschläge der ADR-Kommission v. 18.1.2017 Heute ist die Bedeutung des d.lgs. n. 5/2003 gesunken. Zum einen konnten – wie sich noch zeigen wird – auch die Neuregelungen viele der seit jeher bestehenden Unsicherheiten nicht (vollständig) beseitigen, sodass weiter die – teils sehr uneinheitliche – Rechtsprechung in der Materie maßgebend ist. Zum anderen wurden wesentliche Neuerungen aus der Gesetzesverordnung im Rahmen der Reform 2006 in die Zivilprozessordnung übernommen (etwa die Definition der Schiedsfähigkeit in Art. 806 c.p.c.) bzw. zumindest die Regelungen der Zivilprozessordnung an die (moderneren) Vorschriften des d.lgs. n. 5/2003 angeglichen. Auf der anderen Seite wurde es aber versäumt, auch die Normen des d.lgs. n. 5/2003 an das reformierte Schiedsverfahrensrecht anzupassen, sodass zusätzliche Abstimmungsschwierigkeiten entstanden sind.38 Aus diesem Grund wurde in der Literatur bereits vorgeschlagen, die „überflüssigen“ Regelungen zu streichen und die verbleibenden Besonderheiten in die Zivilprozessordnung aufzunehmen.39 Dieser Linie folgen auch jüngere Reformbestrebungen. Durch Erlass des Justizministers vom 7.3.2016 wurde eine Expertenkommission zur Erarbeitung einer Reform im Bereich der alternativen Streitbeilegungsmethoden unter Vorsitz von Guido Alpa eingesetzt. Im Ernennungsdekret hat der Justizminister ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Harmonisierung und Vereinfachung des Rechtsrahmens auf dem Gebiet hingewiesen. Die sogenannte ADR-Kom-
36
Siehe die Begründung zu d.lgs. n. 5/2003, abgedruckt in: Vietti (Hrsg.), La riforma del diritto societario, S. 89, 95 f. 37 Bove, Giustizia privata, S. 325. 38 Vgl. nur Alpa/Vigoriti/Montalenti, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1009. 39 Dalmotto, Giur. it. 2014, 1528, 1530; Dalmotto, Riv. trim. dir. proc. civ. 2015, 981, 995.
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
mission beschäftigte sich in der Folgezeit umfänglich mit Modernisierungsmöglichkeiten des geltenden Schiedsverfahrensrechts, und ließ dabei auch Titel V des d.lgs. n. 5/2003 nicht unbeachtet. In ihrem Abschlussbericht vom 18.1.2017 schlägt sie vor, die Verordnung Nr. 5/2003 endgültig gänzlich abzuschaffen und die verbliebenen Regelungen in die Zivilprozessordnung einzugliedern.40 Dazu sollen vier neue Artikel (Artt. 832-bis - 832-quinquies) an Art. 832 c.p.c. angefügt werden.41 Inhaltlich entsprechen die neuen Regelungen weitestgehend den Artt. 34–37 d.lgs. n. 5/2003.42 Ziel des Vorschlags ist es laut dem Vorsitzenden der Kommission insbesondere, durch die Integration der Vorschriften in die Zivilprozessordnung endlich ein klares Verhältnis zwischen dem speziellen gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrensrecht und den später reformierten allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung zu schaffen.43 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit Bei einem Vergleich der Rechtsgrundlagen des (gesellschaftsrechtlichen) Schiedsverfahrens sticht zweierlei ins Auge: zum einen haben sowohl Deutschland als auch Italien bei den jeweiligen Schiedsrechtsreformen das UNCITRAL Modellgesetz berücksichtigt, wenn auch aber in völlig unterschiedlichem Ausmaß. Während der deutsche Gesetzgeber die Regelungen des Modelgesetztes weitestgehend direkt übernommen hat,44 ist im italienischen Schiedsverfahrensrecht nur stellenweise eine „Inspiration“ an den Vorschriften zu erkennen. Das deutsche Vorgehen bringt den Vorteil höherer Rechtssicherheit und steigert daher sicherlich die Attraktivität des Schiedsgerichtsortes. Zum anderen besteht in Italien anders als in Deutschland ein gesondertes Schiedsverfahren für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten. In Deutschland bleibt der Rechtsanwender in diesem Bereich allein auf die allgemeinen Regeln der ZPO und die Rechtsprechung angewiesen. Spezialregelungen über innergesellschaftliche Streitigkeiten können auf diesem für die Schiedsgerichtsbarkeit besonders wichtigen Gebiet die dort bestehenden Besonderheiten berücksichtigen und für Rechtssicherheit sorgen. Inwiefern dies in Italien aber tatsächlich gelungen ist, bleibt zu untersuchen.
40 Vgl. den Abschlussbericht v. 18.1.2017, in: Alpa, Un progetto di riforma delle ADR, S. 18 (39). 41 Vgl. den Abschlussbericht v. 18.1.2017, in: Alpa, Un progetto di riforma delle ADR, S. 18 (87 f.). 42 Soweit sich Änderungen ergeben, werden diese in den jeweiligen Abschnitten dieser Arbeit untersucht. 43 Alpa, Dir. comm. int. 2017, 259, 265. 44 BT-Drs. 13/5274, S. 26 f.
§ 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur
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§ 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit § 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur
Ein Vergleich der verfassungsrechtlichen Einordnung des Schiedsverfahrens nach deutschem und italienischem Recht erlaubt es, Rückschlüsse auf die Grundhaltung gegenüber der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung in der jeweiligen Rechtsordnung zu ziehen. A. Verfassungsrechtliche Grundlagen der deutschen Schiedsgerichtsbarkeit Die verfassungsmäßige Zulässigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit wird heute kaum mehr in Frage gestellt. Seine Wurzeln findet das Schiedsverfahren nach allgemeiner Meinung in der Privatautonomie als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.45 Sie erlaubt es allen Rechtssubjekten, ihre Geschäfte im Rahmen des verfassungsmäßig Zulässigen durch eigene Willensmacht zu gestalten.46 Funktional betrachtet handelt es sich um die Möglichkeit privater Rechtsetzung in eigenen Angelegenheiten.47 Daneben beinhaltet die Privatautonomie aber auch eine prozessuale Dimension. Sie erfasst nicht nur die materiellrechtliche Regelung der Rechtsverhältnisse an sich, sondern gibt den Parteien die Freiheit, im Fall von Uneinigkeit über Auslegung oder Durchführung ihrer Verträge selbst die Mechanismen zur Streitbeilegung zu wählen.48 Nach diesem Grundsatz kann der Staat auch kein Interesse daran haben, Rechtssubjekte daran zu hindern, ihre zivilrechtlichen Streitigkeiten auf anderem Wege beizulegen, als durch Anrufen der staatlichen Gerichte.49 Staatlicher Rechtsschutz darf den Parteien also nicht aufgezwungen werden, zugleich aber auch nicht gegen ihren Willen entzogen werden. Voraussetzung ist daher immer, dass der Verzicht auf staatlichen Rechtsschutz auf einer freien Entscheidung aller Parteien beruht.50 Daneben ist anerkannt, dass die verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien dem Grunde nach – also zumindest „gefiltert“ über das Rechtsstaatsprinzip – auch im Schiedsverfahren Beachtung finden müssen.51 Auf dieser Linie hat der BGH auch im Bereich der schiedsgerichtlichen Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten in seiner prominenten „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung über
45 Vgl. nur BGH NJW 2000, 1713; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 2; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 3; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, Vor § 1025 Rn. 3. 46 Isensee/Kirchhof, HStR VII, § 150 Rn. 6 ff. 47 Isensee/Kirchhof, HStR VII, § 150 Rn. 6 ff. 48 Stober, NJW 1979, 2001, 2005. 49 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1 Rn. 7; Zöller/Geimer ZPO, Vor § 1025 Rn. 3. 50 Zöller/Geimer ZPO, Vor § 1025 Rn. 4; vgl. auch Kindler, NZG 2014, 961, 966. 51 Geimer, in: Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, S. 115 (135 ff.).
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
das Einfalltor des § 138 BGB eine Kontrolle rechtsstaatlicher Mindeststandards vorgenommen.52 Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit hängt eng zusammen mit der Bestimmung ihrer Rechtsnatur. Nach der früher vertretenen privatrechtlichen Theorie handelt es sich um eine rein privatrechtliche Institution, die ihre Legitimation allein aus dem Parteiwillen ableitet.53 Danach treten die Schiedsrichter gleichsam als Vertreter der Parteien auf und fällen einen rein materiellrechtlichen Schiedsspruch.54 Diese Ansicht ist heute überholt. Der BGH hat schon früh anerkannt, dass auch Schiedsgerichte (materielle) Rechtsprechung ausüben.55 Auch der Gesetzgeber sah die Schiedsgerichtsbarkeit schon vor der letzten großen Reform im Jahr 1997 als „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ an.56 Durch die Reform wurde die Stellung der Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere durch Erweiterung des Kreises der schiedsfähigen Streitigkeiten, zusätzlich gestärkt. Nach der heute völlig herrschenden prozessualen Theorie stellt sie daher echte, also der staatlichen ebenbürtige, Gerichtsbarkeit dar.57 Normativ lässt sich diese Einordnung vor allem an § 1055 ZPO festmachen, wonach der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. B. Verfassungsrechtliche Grundlagen der italienischen Schiedsgerichtsbarkeit Auch in der italienischen Rechtsprechung und Literatur wird die Möglichkeit der Parteien, eine Streitigkeit einem Schiedsgericht zu übertragen grundsätzlich aus der verfassungsrechtlichen Garantie der Privatautonomie (Art. 41 Cost.) abgeleitet.58 Seine Grundlage findet jedes Schiedsverfahren in der freien und übereinstimmenden Entscheidung der Parteien, auf staatlichen Rechtschutz zu verzichten und die Streitigkeit einem Schiedsgericht zu übertragen. Als verfassungsmäßig unzulässig wird daher ein gesetzlich vorgeschriebenes,
52
BGH NJW 2009, 1962 Rn. 17; dazu unten § 8 B. I. 2. b). Dazu Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 3; zur früher vertretenen materiellrechtlichen Qualifikation der Schiedsvereinbarung Mayr, Schiedsvereinbarung, S. 22 ff. 54 Dazu Stein/Jonas/Schlosser, vor § 1025 Rn. 3. 55 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 1969, 750; BGH NJW 1971, 139; BGH NJW 1986, 3027; BGH NJW-RR 2016, 892. 56 Vgl. BT-Drs. 13/5274, S. 34. 57 Geimer, in: Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, S. 115 (148); Habscheid, JZ 1998, 445, 446; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 1 Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, Vor § 1025 Rn. 1; zur prozessrechtlichen Qualifikation der Schiedsvereinbarung Mayr, Schiedsvereinbarung, S. 44 ff. 58 Corte cost., 14.7.1977, n. 127, Foro it. 1977, I, 1859; Verde, Lineamenti di diritto dell'arbitrato, S. 4. 53
§ 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur
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zwingendes Schiedsverfahren (sogenanntes arbitrato obbligatorio) angesehen.59 Welche Schlüsse daraus bezüglich der Rechtsnatur des Instituts zu ziehen sind, war allerdings bis in jüngste Zeit höchst umstritten. Auch in der – selbst höchstrichterlichen – Rechtsprechung konnte sich lange Zeit keine einheitliche Linie herausbilden. Vertreten wurden – neben vermittelnden Positionen – insbesondere die privatrechtliche Theorie (teoria negoziale) und die prozessrechtliche Theorie (teoria processuale). Die Theorien wurden bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt60 und haben seitdem viele Variationen erfahren. Bedeutsam ist dieser Theorienstreit für viele Einzelaspekte des Schiedsverfahrens, etwa für die Bestimmung der Wirkung des Schiedsspruchs, seiner Vollstreckbarkeit oder der Aufhebungsmöglichkeiten. Nach der privatrechtlichen Theorie sind Schiedsverfahren und Schiedsspruch als Rechtsgeschäft einzuordnen.61 Die Schiedsrichter handeln nach dieser Konzeption mit Vertretungsmacht der Parteien, um Streitigkeiten aus ihrem Rechtsverhältnis in ihrem Namen beizulegen. Weitergehende Wirkungen als die eines einfachen Rechtsgeschäfts (z.B. materielle Rechtskraft) kann der Schiedsspruch immer nur durch staatliche Mithilfe – also einen wie auch immer gearteten Anerkennungsakt – erlangen. Der Schiedsspruch führt an sich nur zur schuldrechtlichen Verpflichtung der Parteien, die Entscheidung zu akzeptieren und ihr zu folgen. Auf einer entgegengesetzten Grundidee basiert die prozessuale Theorie.62 Nach dieser Konzeption übt auch das Schiedsgericht echte Gerichtsbarkeit (giurisdizione) aus, die der staatlichen Gerichtsbarkeit im Wesentlichen gleichgestellt ist. Die Wirkungen des Schiedsspruchs entsprechen – abgesehen von der fehlenden Vollstreckbarkeit – denen eines staatlichen Urteils. Seit den ersten Urteilen zu der Frage ist die Rechtsprechung von Verfassungsgerichtshof und Kassationsgerichtshof lange Zeit uneinheitlich geblieben. In einem Urteil aus dem Jahr 1963 hatte der Verfassungsgerichtshof infolge einer Richtervorlage die Verfassungsmäßigkeit des Titel VIII der Zivilprozessordnung über das Schiedsverfahren zu prüfen.63 Der Gerichtshof sah in den Vorschriften keinen Verstoß gegen Art. 102 Abs. 1 Cost. (Ausübung der Rechtsprechung durch ordentliche Richter) und Art. 25 Abs. 1 Cost. (Recht auf den gesetzlichen Richter). Da der Schiedsspruch nur durch Mitwirkung eines 59
Corte cost., 14.7.1977, n. 127, Foro it. 1977, I, 1859; Fazzalari, L’arbitrato, S. 35. Vgl. dazu die Nachweise in Barbieri/Bella, Il nuovo diritto dell’arbitrato, S. 53 f., Fn. 2, 3. 61 Z.B. Fazzalari, L’arbitrato, S. 15 ff.; Ruffini, Riv. arb. 2005, 711, 722; Punzi, Riv. dir. proc. 2005, 965, 976; Punzi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2007, 395, 430 ff. 62 Z.B. E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 1994, 809, 818 f.; E.F. Ricci, ZZPInt 8 (2003), 261 ff.; Bove, Riv. dir. proc. 1999, 688, 735; G.F. Ricci, in: FS Verde, S. 699 (713 f.); Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 15 ff. 63 Corte cost., 12.2.1963, n. 2, Giur. it. 1963, I, 566. 60
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
staatlichen Richters urteilsgleiche Wirkungen erlangen könne, werde weder der staatliche Richter entzogen noch Rechtsprechung im Sinne von Art. 102 Cost. durch private Richter ausgeübt.64 Die Verfassungsmäßigkeit des italienischen Schiedsverfahrensrechts wurde folglich mithilfe der privatrechtlichen Theorie begründet. Bestätigung erhielt diese Konzeption in jüngerer Zeit auch durch das Urteil Nr. 527 des Kassationsgerichtshofs aus dem Jahr 2000.65 Das Gericht hatte über einen Antrag nach Art. 41 c.p.c. zu entscheiden. Danach kann jede Partei in einem laufenden Verfahren die Feststellung des zulässigen Rechtswegs durch den Kassationsgerichtshof beantragen, solange der Rechtstreit nicht bereits in erster Instanz entschieden ist. In dem der Entscheidung zugrundeliegende Fall wurde der Antrag im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens gegen einen Schiedsspruch vor dem Berufungsgericht gestellt. Der Kassationsgerichtshof erklärte den Antrag für unzulässig. Es fehle schon an einem Gerichtsbarkeitskonflikt im Sinne der Vorschrift. Nach dem Gericht stellen sich Bedenken an der Zuständigkeit des Schiedsgerichts als rein materiellrechtliche Frage nach der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung dar. Es bestünden seit der Reform 1984 keine Zweifel daran, dass der Schiedsspruch als Rechtsgeschäft einzuordnen sei und Schiedsgerichte nicht als Organ der Gerichtsbarkeit (organo giurisdizionale) angesehen werden können.66 Dieser Standpunkt wurde in den folgenden Jahren in zahlreichen Entscheidungen des Kassationsgerichtshofs bestätigt.67 Eine völlig entgegengesetzte Botschaft ging allerdings nur kurze Zeit später von einem viel beachteten Urteil des Verfassungsgerichtshofs aus.68 Ein Schiedsgericht hatte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer im Verfahren anzuwendenden Gesetzesverordnung. Die inzidente Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm obliegt nach Art. 134 Cost. dem Verfassungsgerichtshof.69 Ein Normkontrollverfahren kann bzw. muss gem. Art. 1 L. cost. 9 febbraio 1948, n. 1 und Art. 23 L. 11 marzo 1953, n. 87 von einem Gericht (autorità giurisdizionale) im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens (giudizio) angestrebt werden, sofern der Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist. Es stellte sich somit die Frage, ob das schiedsgerichtliche Verfahren unter
64
Corte cost., 12.2.1963, n. 2, Giur. it. 1963, I, 566. Cass. S.U., 3.8.2000, n. 527, Giust. civ. 2001, I, 761. 66 Cass. S.U., 3.8.2000, n. 527, Giust. civ. 2001, I, 761, 762. 67 Vgl. Cass. civ., sez. I, 4.6.2001, n. 7533, Corr. giur. 2001, 1448; Cass. S.U., 11.6.2001, n. 7858, Foro it. 2001, I, 2381; Cass. civ., sez. I, 26.3.2004, n. 6069, Foro it. 2005, I, 1511; Cass. civ., sez. II, 12.10.2009, n. 21585, Foro pad. 2010, 228. 68 Corte cost., 28.11.2001, n. 376, Giust. civ. 2001, I, 2883. 69 Dazu Kindler, Einf. it. Recht, § 4 Rn. 73–78. 65
§ 4 Verfassungsrecht und Rechtsnatur
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diese Begriffe subsumiert werden könne. In der Entscheidung hat sich der Verfassungsgerichtshof von seiner ursprünglich ablehnenden Haltung70 abgewendet und erstmals die Vorlageberechtigung eines Schiedsgerichts anerkannt. Auch das Schiedsverfahren stelle ein objektives Streitbeilegungsverfahren dar, in dem die für die staatliche Gerichtsbarkeit charakteristischen Verfahrensgrundsätze anzuwenden seien. Folglich bestünden keine wesentlichen Unterschiede zwischen staatlichem Verfahren und Schiedsverfahren.71 Aus der Anerkennung der Vorlageberechtigung der Schiedsrichter und dem Hinweis auf die Gleichwertigkeit von staatlichem Verfahren und Schiedsverfahren darf geschlossen werden, dass der Verfassungsgerichtshof nunmehr der prozessrechtlichen Theorie folgt und demnach auch staatliches Urteil und Schiedsspruch als im Wesentlichen gleichwertig ansieht.72 Fortgesetzt wurde diese Linie im Urteil Nr. 223 aus dem Jahr 2013.73 In der Entscheidung erklärt der Gerichtshof eine Norm für verfassungswidrig, die das Institut der Verweisung bei Unzuständigkeit zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht ausschließt.74 Dieses Mal hat die Reaktion des Kassationsgerichtshofs nicht lange auf sich warten lassen. In einem grundlegenden Urteil von 2013 schlossen sich die Vereinigten Senate schließlich dem Verfassungsgerichtshof an.75 Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kehrt sich das Kassationsgericht ausdrücklich von der durch das erwähnte Urteil Nr. 527/2000 begründeten Rechtsprechung ab. Es führt aus, dass auch das Schiedsverfahren eine echte Gerichtsbarkeit (natura giurisdizionale) darstelle, welche die staatliche (ordentliche) Gerichtsbarkeit ersetze.76 Mittlerweile hatte das Gericht bereits mehrere Möglichkeiten, diese Neuorientierung zu bestätigen.77 Es darf daher angenommen werden, dass die Unsicherheiten über die Einordnung des Schiedsverfahrens nun auch in Italien überwunden sind. C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit Heute wird die Einordnung des Schiedsverfahrens als echte Gerichtsbarkeit in Deutschland und Italien weder von der (herrschenden) Literatur noch von der Rechtsprechung bezweifelt. Anders als in Deutschland, wo die Ausübung echter Gerichtsbarkeit durch das Schiedsgericht schon seit geraumer Zeit kaum mehr in Frage gestellt wird, konnte sich in Italien erst in jüngster Zeit eine klare 70
So noch Corte cost., 17.12.1997, n. 410, Giur. cost. 1997, 3781. Corte cost., 28.11.2001, n. 376, Giust. civ. 2001, I, 2883. 72 E.F. Ricci, Riv. dir. proc. 2002, 351, 352 f. 73 Corte cost., 19.7.2013, n. 223, Corr. giur. 2013, 1107. 74 Ausführlich dazu unten § 15 B. 75 Cass. S.U., 25.10.2013, n. 24153, Foro it. 2013, I, 3407. 76 Cass. S.U., 25.10.2013, n. 24153, Foro it. 2013, I, 3407. 77 Cass. S.U., 26.3.2015, n. 10800, Giur. it. 2016, 1196; Cass S.U., 6.7.2016, n. 13722, Nuova giur. civ. comm. 2017, 14; Cass. S.U., 13.6.2017, n. 14649, Leggi d’Italia. 71
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
Linie herausbilden. Dies erklärt sich vor allem vor dem Hintergrund der späten Anerkennung der urteilsgleichen Wirkung des Schiedsspruchs durch den italienischen Gesetzgeber. Während in Deutschland schon § 866 der CPO von 1877 vorsah, dass der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat, ließ eine entsprechende Regelung in Italien bis zur Reform von 2006 auf sich warten. Seitdem regelt Art. 824-bis c.p.c., dass der Schiedsspruch ab dem Zeitpunkt seiner letzten Unterzeichnung zwischen den Parteien die Wirkung eines staatlichen Urteils hat. Die bis dahin unklare Rechtslage gab Anlass und Raum für Diskussionen über die Rechtsnatur des Instituts. So ergibt es sich, dass Italien als letztes europäische Land gilt, in dem noch die Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit hinterfragt wurde.78 Italien lief damit Gefahr, in eine „weltweite Isolierung“ zu geraten: während in den meisten Rechtsordnungen die urteilsgleiche Wirkung des Schiedsspruchs bereits gesetzlich (oder zumindest von Rechtsprechung und Lehre) anerkannt war, vertrat der Kassationsgerichtshof weiter die Theorie von der vertraglichen Natur des Schiedsspruchs.79 In der Lehre wurde selbst die Anerkennung der urteilsgleichen Wirkung des Schiedsspruchs durch die Reform von 2006 für verfassungswidrig gehalten oder in dem Sinne ausgelegt, dass nur eine materiellrechtliche Wirkung gemeint sein könne.80 Angesichts dieser Debatten lässt sich unschwer erkennen, welch schwere Stellung das Schiedsverfahren in Italien über lange Zeit hinweg hatte bzw. wieviel Misstrauen ihm lange entgegengebracht wurde. In den letzten Jahren konnte die italienische Schiedsgerichtsbarkeit jedoch stark aufholen. Inzwischen scheint es sogar so, als würde das Postulat der Gleichwertigkeit von staatlichem Verfahren und Schiedsverfahren in Italien besonders ernst genommen. Die erwähnte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, die Schiedsgerichte als im Normkontrollverfahren vorlageberechtigt ansieht, hat in der Reform 2006 in Art. 819-bis Abs. 1 Nr. 3 c.p.c. Niederschlag gefunden. In Deutschland sind Schiedsgerichte dagegen nach allgemeiner Auffassung nicht als Gerichte i.S.d. Art. 100 Abs. 1 GG anzusehen und daher nicht im Rahmen des konkreten Normkontrollverfahrens antragsbefugt.81 Dasselbe gilt für die Möglichkeit der Verweisung wegen Unzuständigkeit von staatlichen Gerichten zu Schiedsgerichten und andersherum. Anders
78
So G.F. Ricci, in: FS Verde, S. 699 (702). E.F. Ricci, ZZPInt 8 (2003), 261, 267 ff. 80 Fazzalari, in: La riforma della disciplina dell’arbitrato, S. 3 (5); Punzi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2007, 395, 430. 81 Vgl. Münch/Kunig/Meyer, GG, Art. 100 Rn. 11; Sachs/Detterbeck, GG, Art. 100 Rn. 4; ebenso lehnt auch der EuGH die Vorlagebefugnis (privater) Schiedsgerichte im Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ab, vgl. EuGH, Urteil v. 23.3.1982, Rs. C102/81 (Nordsee/Reederei Mond), ECLI:EU:C:1982:107 = NJW 1982, 1207. 79
§ 5 Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
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als in der deutschen Rechtsordnung wurde sie in Italien mittlerweile von der Rechtsprechung anerkannt.82 Es zeigt sich also, dass die Gleichwertigkeit von staatlichem Verfahren und Schiedsverfahren, die aus der Einordnung des Schiedsverfahrens als echte Gerichtsbarkeit folgt inzwischen in der italienischen Rechtsordnung teilweise konsequenter umgesetzt wird als in Deutschland, wo der Grundsatz schon seit jeher anerkannt ist. Die schiedsgerichtsfeindlichen Strömungen dürften damit endgültig der Vergangenheit angehören.
§ 5 Vorteile der Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland und Italien § 5 Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
Im Bereich des Gesellschaftsrechts bedienen sich die Akteure besonderes gerne der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung. Die verschiedenen Vor- und Nachteile eines Schiedsverfahrens (im Vergleich zum staatlichen Verfahren über denselben Streitgegenstand) können hier nicht in ihrer gesamten Breite erörtert werden.83 Beleuchtet werden sollen lediglich die spezifischen Vorteile, die ein Schiedsverfahren bei gesellschaftsrechtlichen (Beschlussmängel-) Streitigkeiten in Deutschland mit sich bringt und inwiefern sie sich in gleicher Weise auch bei innergesellschaftlichen Schiedsverfahren nach italienischem Recht stellen. A. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens Der wohl wichtigste Beweggrund, eine innergesellschaftliche Streitigkeit nicht vor den staatlichen Gerichten auszutragen, sondern einem Schiedsgericht zu übertragen, liegt in der dort gewährleisteten Vertraulichkeit.84 Im schiedsgerichtlichen Verfahren gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz aus § 169 GVG nicht, das Verfahren ist nur „parteiöffentlich“.85 Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann für eine Gesellschaft einen enormen Vorteil darstellen. Gesellschaftsinterne Streitigkeiten ziehen leicht mediale Aufmerksamkeit auf sich. Die Öffentlichkeit des staatlichen Verfahrens führt dazu, dass das Medieninteresse voll bedient werden kann und Einzelheiten der Streitigkeit oder sogar Unter-
82
Dazu unten § 15. Ausführlich dazu Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 120–183; Raeschke-Kessler/ Berger, Schiedsverfahren, Rn. 16–58. 84 Kindler, NZG 2014, 961, 965; Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2; Heinrich, NZG 2016, 1406, 1407; Raeschke-Kessler/Wiegand, AnwBl. 2007, 396, 398; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 144. 85 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 144. 83
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
nehmensinterna an die Öffentlichkeit gelangen. Das wiederum kann der Gesellschaft gewaltige Imageschäden zufügen, der Geschäftstätigkeit schaden und unter Umständen auch den Börsenkurs der Aktien drücken.86 Auch im italienischen Schrifttum wird die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens als wichtiges Motiv der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit genannt.87 In einem Verfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 stellt sich dieser Vorteil aber in geringerem Ausmaß. Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist im italienischen Zivilprozess in Art. 128 c.p.c. verankert. Danach kann die Öffentlichkeit nur in sehr begrenzten Fällen ausgeschlossen werden. Freilich ist aber auch in Italien anerkannt, dass sich der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht auf das schiedsgerichtliche Verfahren übertragen lässt und dort also nicht anwendbar ist.88 In diesem Sinne sehen auch die Schiedsordnungen verschiedener italienischer Schiedsgerichtsinstitutionen ausdrücklich vor, dass Schiedsgericht und Parteien verpflichtet sind, die im Verfahren erlangten Informationen vertraulich zu behandeln (z.B. Art. 8 der Schiedsordnung der Camera Arbitrale di Milano89, Art. 33 der Schiedsordnung der Associazione Italiana per l’Arbitrato90). Innerhalb des Anwendungsbereichs des d.lgs. n. 5/2003 erfährt der Grundsatz aber starke Einschränkungen. In der Literatur wurde sogar angemerkt, dass das sog. arbitrato societario nach d.lgs. n. 5/2003 einen Angriff auf den Grundsatz der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens darstelle.91 Hintergrund der Kritik sind Art. 35 Abs. 1 und Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003, die die Veröffentlichung sowohl des Antrags auf Einleitung eines Schiedsverfahrens, als auch des Tenors eines späteren Schiedsspruchs im Bereich von Beschlussmängelstreitigkeiten im Handelsregister vorschreiben.92 Der Umstand, dass eine gesellschaftsinterne Streitigkeit vor einem Schiedsgericht ausgetragen wurde kann also nach italienischem Schiedsverfahrensrecht – anders als in Deutschland – nicht vor der Öffentlichkeit verborgen werden. Aus der Veröffentlichung des Antrags auf Verfahrenseinleitung und des Tenors allein gehen aber keine Einzelheiten der Streitigkeit hervor. Das mediale Interesse wird sich daher im Vergleich zu einem vor den staatlichen Gerichten ausgetragenen Rechtsstreit stark in Grenzen halten.
86
Vgl. Schwerdtfeger/S.Eberl/W.Eberl, GesR, Kap. 7, Rn. 2. Teti, Riv.arb. 1993, 297; Alpa/Vigoriti/Montalenti, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 997. 88 Vgl. Laudisa, Riv. arb. 2004, 23, 31. 89 Abrufbar unter www.camera-arbitrale.it (Abrufdatum: 16.11.2019). 90 Abrufbar unter www.arbitratoaia.com (Abrufdatum: 16.11.2019). 91 Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1108. 92 Ausführlich dazu unten § 17 B. IV. 87
§ 5 Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
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B. Sachkunde der Schiedsrichter Gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten werfen oftmals komplizierte Rechtsfragen auf, deren fachgerechte Lösung besondere Sachkunde des Richters auf dem Gebiet erfordert. Diese Sachkunde kann dem nach dem Geschäftsplan zugeteilten staatlichen Richter fehlen, der vielleicht soeben erst „von der Staatsanwaltschaft kommend in eine Zivilkammer gewechselt hat“.93 Es mag daher im Interesse aller Parteien liegen, die Streitigkeit einem Experten auf dem Gebiet zu übertragen und es nicht dem Zufall des Geschäftsverteilungsplans (§ 21e GVG) zu überlassen, wer die Beurteilung der Rechtsstreitigkeit übernimmt. Um dem Rechnung zu tragen, wurde 2005 zwar die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen ausgeweitet, die nunmehr nach § 246 Abs. 3 S. 2 AktG i.V.m. § 95 Abs. 2 GVG für Beschlussmängelstreitigkeiten in Handelsgesellschaften ausschließlich zuständig sind – sofern beim zuständigen Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet wurde. Es wird aber weiter davon ausgegangen, dass ein Schiedsverfahren – bei entsprechender Wahl der Schiedsrichter – sachkundiger abläuft als das Verfahren vor der Kammer für Handelssachen.94 Auch in Italien wird die höhere Sachkunde der Schiedsrichter traditionell als gewichtiges Argument für die Übertragung gesellschaftlicher Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit gesehen.95 Im Anwendungsbereich des arbitrato societario entfaltet sich dieser Vorteil aber nicht in gleicher Weise wie in Deutschland. Gerade im Bereich innergesellschaftlicher Streitigkeiten ist die Auswahlfreiheit der Parteien stark beschränkt; nach Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 können die Parteien die Schiedsrichter grundsätzlich nicht selbst frei wählen, sondern müssen die Entscheidung einem außenstehenden Dritten übertragen.96 Die Parteien haben also keine Garantie, an einen qualifizierten Schiedsrichter zu gelangen (wenngleich es sicherlich auch im Interesse des Benennungsorgans liegen wird, fachkundige Schiedsrichter zu wählen). Es liegt daher nahe, dass durch die Einführung spezialisierter Spruchkörper im Jahr 2012, den sog. Tribunale delle imprese, die gem. Art. 2 Abs. 2 L. n. 27/2012 auch über Beschlussmängelstreitigkeiten entscheiden, im Hinblick auf die Sachkunde der Richter eine echte Konkurrenz zu den Schiedsgerichten entstanden ist. Beobachter sehen das allerdings kritisch. Zu groß sei der Zuständigkeitsbereich der Kammern, zu klein zugleich das Verfahrensaufkommen in entwicklungsschwachen Gegenden, als dass sich eine echte Expertise der Richter entwickeln könnte.97 93
Goette, AnwBl. 2012, 33; vgl. auch Kindler, NZG 2014, 961, 964. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 93 GVG, Rn. 2. 95 So z.B. Alpa/Vigoriti/Montalenti, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 997; Bernardini, in: La riforma del diritto societario, S. 295. 96 Dazu ausführlich § 14 B. II. 97 Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 101. 94
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Kapitel 1: Grundlagen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens
C. Prozessdauer in der Schiedsgerichtsbarkeit Ein entscheidendes Argument für die Wahl der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung kann – gerade im Wirtschaftsverkehr – auch die meist erheblich kürzere Verfahrensdauer sein.98 Zweifel an der Wirksamkeit einer Beschlussfassung stellen für die Gesellschaft eine Ungewissheit dar, die sich leicht negativ auf die Geschäfte auswirkt. Im Gegensatz zum staatlichen Gericht muss das Schiedsgericht zwar erst konstruiert werden, bevor es sich mit der Sache beschäftigen kann. Das kann durchaus einige Zeit in Anspruch nehmen.99 Ist das Schiedsgericht aber einmal konstruiert, ergibt sich die kurze (Gesamt-)Prozessdauer vor allem aus dem fehlenden Instanzenzug.100 Im Einzelfall kann auch der schiedsgerichtliche Weg viel Zeit in Anspruch nehmen. Wird etwa erst gegen die Zusammensetzung des Schiedsgerichts vorgegangen und später auch noch der Schiedsspruch im Aufhebungsverfahren angegriffen, kann das Schiedsverfahren in Deutschland (im Extremfall) sogar länger dauern als ein vor den staatlichen Gerichten durchgeführtes Beschlussmängelverfahren.101 In Italien ist dagegen unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensdauer vor den staatlichen Gerichten generell zur Vereinbarung einer Schiedsklausel zu raten. Italien befindet sich seit Jahren in einer „Justizkrise“, das italienische Justizsystem wird teils sogar als „völlig ineffizient“ beschrieben.102 Obwohl dieses Problem in Italien schon seit Jahrzehnten bekannt ist und bereits im Mittelpunkt vieler Reformen der Zivilprozessordnung stand,103 konnte die Effizienz bis heute nicht spürbar gesteigert werden. Sinnbildlich dafür lässt sich anführen, dass von jährlich 950.000 neuen erstinstanzlichen Verfahren (mittlerweile) zwar ebenso viele pro Jahr erledigt werden, aber dennoch am Jahresende über zwei Millionen Zivilverfahren unerledigt bleiben. Ein italienischer Zivilrichter muss im Jahr durchschnittlich 435 erstinstanzliche Verfahren abfertigen. Vor den Berufungsgerichten bleiben am Jahresende ca. 380.000 Verfahren unerledigt, vor dem Kassationsgerichtshof weitere 100.000.104 Nach dem Bericht des Präsidenten des italienischen Kassationshofes über das Gerichts–
98
Vgl. Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2; Heinrich, NZG 2016, 1406, 1408 f. Gesprochen wird von einer Zeitspanne von mindestens zehn Wochen, vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 156. 100 Schwerdtfeger/S.Eberl/W.Eberl, GesR, Kap. 7, Rn. 2; die Vereinbarung eines Instanzenzuges zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit ist unzulässig, vgl. nur Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 6; Zöller/Geimer, ZPO, § 1029 Rn. 29. 101 Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 821. 102 von Hase/Krolovitsch, RIW 2009, 836, 837 f. 103 Vgl. Winkler, in: JbItalR 6 (1993), S. 137; Caponi, in: JbItalR 11 (1998), S. 81 (89); Laimer, in: JbItalR 19 (2006), S. 213. 104 Vgl. die Zahlen bei Proto Pisani, Riv. dir. proc. 2016, 926, 959. 99
§ 5 Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit
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jahr 2017 dauert ein erstinstanzlicher Zivilprozess in Italien im Durchschnitt 1.120 Tage.105 Vor diesem Hintergrund ist die Vereinbarung einer Schiedsklausel ein wichtiges Mittel, um jahrelange Prozesse vor den staatlichen Gerichten zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, als das italienische Recht Höchstfristen für Schiedsverfahren vorsieht. Sofern keine abweichende Regelung vereinbart wurde, müssen die Schiedsrichter nach Art. 820 Abs. 2 c.p.c. den Schiedsspruch innerhalb von 240 Tagen ab dem Tag der Annahme der Ernennung zum Schiedsrichter sprechen. Die tatsächliche durchschnittliche Verfahrensdauer hält diese Frist fast ein. Eine Studie aus dem Jahr 2015 ergab, dass administrierte Schiedsverfahren in Italien durchschnittlich 256 Tage benötigen; dabei war allerdings im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der Verfahrensdauer um 30 % zu verzeichnen.106 Seit 2014 wird das Schiedsverfahren auch gezielt als Mittel gegen die Überlastung der italienischen staatlichen Gerichtsbarkeit eingesetzt. Art. 1 d.l. n. 132/2014 sieht vor, dass die Parteien eines Zivilverfahrens die Streitigkeit – bei Erhalt der Wirkungen der Klageerhebung – an ein Schiedsgericht übertragen können. Ziel des Gesetzgebers ist es, so die Anzahl der vor den staatlichen Gerichten anhängigen Verfahren zu reduzieren. Auch wenn diesem neuen Instrument in der Literatur zwar keine großen Erfolgschancen eingeräumt werden,107 zeigt es doch auf bemerkenswerte Weise, dass selbst der italienische Gesetzgeber denjenigen, die an einem schnellen Verfahren interessiert sind, vom staatlichen Verfahren abrät und empfiehlt, der Schiedsgerichtsbarkeit den Vorzug zu geben.
105
Giovanni Mammone, Corte Suprema di Cassazione, Relazione sull’amministrazione della giustizia nell’anno 2017 v. 26.1.2018, S. 26 (Fn. 3), abrufbar unter: www.cortedicassazione.it (Abrufdatum: 16.11.2019). 106 Bonsignore, in: nono rapporto sulla diffusione della giustizia alternativa in Italia, S. 7 (55). 107 Vgl. Boccagna, Riv. arb. 2016, 581, 583.
Kapitel 2
Sachrechtlicher Hintergrund: Beschlussmängelrecht in deutschen und italienischen Handelsgesellschaften Gegenstand der Arbeit ist das Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten in deutschen und italienischen Handelsgesellschaften. Die Beschäftigung mit dieser Thematik muss ihren Ausgangspunkt in der Untersuchung des materiellen Beschlussmängelrechts und der Geltendmachung dieser Mängel vor den staatlichen Gerichten finden. Erst danach lässt sich die Möglichkeit der Übertragung der Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit analysieren. Das staatliche Verfahren dient dem Schiedsverfahren als Vorbild. Viele der Probleme, die sich bei der schiedsgerichtlichen Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten nach deutschem und italienischem Recht stellen, wurzeln im gesetzlichen Grundtypus des Beschlussmängelstreits vor einem staatlichen Gericht. Zur Veranschaulichung bietet sich dabei die Einteilung in Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften an.1 Grund dafür ist, dass die Beschlussmängel in Personen- und Kapitalgesellschaften über lange Zeit hinweg jeweils einer eigenen Systematik folgten. In Deutschland gilt diese Einteilung (noch) uneingeschränkt. In Italien ist sie wohl seit einer neuen Entscheidung des Kassationsgerichtshofs nicht mehr zwingend erforderlich.
§ 6 Die gesetzliche Ausgangslage in Kapitalgesellschaften § 6 Kapitalgesellschaften
A. Beschlussmängel in deutschen Kapitalgesellschaften Zu den Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht zählen die Aktiengesellschaft (AG), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Letztere bedarf keiner gesonderten Darstellung, da auf die KGaA gem. § 278 Abs. 3 AktG die Vorschriften über
1 Zu dieser Unterscheidung Kindler, GK Handels- und GesR, § 9 Rn. 17; zur Abgrenzung im italienischem Gesellschaftsrecht Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 20.
§ 6 Kapitalgesellschaften
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die AG entsprechende Anwendung finden, soweit sich aus den §§ 278–290 AktG nichts anderes ergibt.2 I. Aktienrecht als Grundtypus Die Hauptversammlung ist der Ort der „Aktionärsdemokratie“3, die sich in Beschlussfassungen ausdrückt. Die Zuständigkeiten der Hauptversammlung ergeben sich aus § 119 AktG und einigen Sonderschriften. Daneben können auch in der Satzung weitergehende Kompetenzen auf die Hautversammlung übertragen werden. Von Bedeutung ist besonders die Zuständigkeit für die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrats, sowie die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, § 119 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 AktG. Zur Geschäftsführung ist die Hauptsammlung dagegen grundsätzlich nicht befugt; sie obliegt allein dem Vorstand in eigener Verantwortung.4 Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, fasst die Hauptversammlung ihre Beschlüsse gem. § 133 Abs. 1 AktG mit einfacher Mehrheit, d.h. mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Eine qualifizierte Mehrheit wird bei besonders wichtigen Beschlüssen (sog. Grundlagenbeschlüssen) verlangt (z.B. bei einer Satzungsänderung, § 179 Abs. 2 S. 1 AktG). 1. Typologie der aktienrechtlichen Beschlussmängel Das Beschlussverfahren von Einberufung der Hauptversammlung durch den Vorstand bis zur Beschlussfassung und der Veröffentlichung im Handelsregister ist im Aktienrecht streng formalisiert. Neben inhaltlichen Mängeln kann der Beschluss daher auch an einer Vielzahl formeller Fehler leiden. Nach der Gesetzessystematik ist zwischen Mängeln die zur Nichtigkeit des Beschlusses führen (§ 241 AktG) und solchen, die nur die Anfechtbarkeit mit sich bringen (§ 243 AktG), zu unterscheiden. Die Nichtigkeitsgründe sind abschließend („nur“) in § 241 AktG (und einigen Sondervorschriften) aufgezählt. Ungeschriebene Nichtigkeitsgründe kommen daneben nach überwiegender Auffassung nicht in Betracht.5 Die Nichtigkeit kann aus formellen Mängeln (z.B. der nicht ordnungsgemäßen Einberufung der Hauptversammlung, § 241 Nr. 1 AktG) und materiellen Mängeln (z.B. Unvereinbarkeit mit dem Wesen der AG oder Verstoß gegen die guten Sitten,
2 Zu den (wenigen) Besonderheiten des Beschlussmängelrechts der KGaA Mehrbrey/ Meißner, HdB GesR Streitigkeiten, § 12 Rn. 27–30; Waclawik, Prozessführung im GesR, Rn. 387 ff. 3 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV. 1. 4 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 IV. 1. 5 Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 241 Rn. 7; Grigoleit/Ehmann AktG, § 241 Rn. 9; Hölters/Englisch, AktG, § 241 Rn. 2; Windbichler, GesR, § 29 Rn. 41; a.A. MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 241 Rn. 7.
28
Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund
§ 241 Nr. 3 und 4 AktG) folgen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sieht § 242 AktG in bestimmten Fällen die Möglichkeit der Heilung vor. Alle sonstigen formellen und materiellen Rechtsverstöße führen zur Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 243 Abs. 1 AktG. Bei Verfahrensfehlern gilt das nach heutiger Ansicht grundsätzlich nur, wenn der Fehler eine gewisse Relevanz für das Beschlussergebnis hat.6 Die Verfahrens- und Inhaltsmängel können sich aus Verstößen gegen die Satzung oder gesetzliche Vorschriften ergeben. Die wichtigste Gruppe der Verfahrensmängel bilden verschiedene Fehler im Abstimmungsvorgang; Inhaltsmängel ergeben sich u.a. aus Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Treupflicht.7 Da die im Raum stehende Anfechtbarkeit Rechtsunsicherheit für die Gesellschaft bedeutet, gibt § 244 AktG der Hauptversammlung die Möglichkeit, einen anfechtbaren Beschluss zu bestätigen. Zu beachten ist außerdem, dass die Anfechtung nach § 243 Abs. 3 und 4 AktG in bestimmten Fällen ausdrücklich ausgeschlossen ist. 2. Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg a) Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage Das Aktienrecht kennt mit der Nichtigkeitsklage (§ 249 AktG) und der Anfechtungsklage (§ 246 AktG) zwei spezielle Klagen zur gerichtlichen Geltendmachung von Beschlussmängeln. Daneben hat die Rechtsprechung dem Kläger die Möglichkeit eröffnet, im Fall eines ablehnenden Beschlusses seine Klage mit einer sogenannten positiven Beschlussfeststellungsklage zu verbinden, um so das positive Beschlussergebnis herbeizuführen. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage können gem. § 246 Abs. 3 S. 1 AktG (i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG) ausschließlich beim Landgericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, erhoben werden. Die Klage ist gegen die Gesellschaft zu richten, die durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird, § 246 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG. Anfechtungsberechtigt ist nach § 245 AktG jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, wenn er die Aktien schon vor der Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte und gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Ein nicht erschienener Aktionär kann nur ausnahmsweise den Beschluss anfechten (z.B., wenn er zu Unrecht nicht zur Hauptversammlung zugelassen worden ist). Daneben ist der Vorstand (in seiner Gesamtheit) anfechtungsbefugt (Nr. 4), sowie die einzelnen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, wenn sie durch die Ausführung des Beschlusses eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatz-
6 7
MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 243 Rn. 31. Windbichler, GesR, § 29 Rn. 45 f.
§ 6 Kapitalgesellschaften
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pflichtig werden würden (Nr. 5). Die Klage muss gem. § 246 Abs. 1 AktG innerhalb der materiellrechtlichen Ausschlussfrist von einem Monat ab der Beschlussfassung erhoben werden. Versäumt der Kläger die Frist, verliert er sein (materielles) Anfechtungsrecht.8 Eine verspätete Anfechtungsklage ist daher als unbegründet abzuweisen.9 Die Nichtigkeitsklage kann gem. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG von jedem Aktionär, dem Vorstand (in seiner Gesamtheit) und jedem einzelnen Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats erhoben werden. Anders als bei der Anfechtungsklage müssen keine zusätzlichen Voraussetzungen – wie Anwesenheit in der Hauptversammlung oder Widerspruch – erfüllt sein.10 Die Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist nicht auf die Nichtigkeitsklage übertragbar.11 Daneben kann die Nichtigkeit bei vorliegendem Feststellungsinteresse auch von jedem Außenstehenden mittels einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) geltend gemacht werden.12 b) Drittwirkung der materiellen Rechtskraft des Urteils Nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG (i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 AktG) wirkt das Urteil, das den Beschluss für nichtig erklärt, für und gegen alle Aktionäre sowie die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, auch wenn sie nicht Partei des Verfahrens sind. Nach allgemeiner Ansicht regelt § 248 AktG nicht die Frage der materiellrechtlichen Wirkung des Urteils, sondern die prozessrechtliche Frage des Umfangs der Rechtskraft.13 Die Veränderung der materiellen Rechtslage, die automatisch jedermann trifft, folgt schon aus der Natur des Gestaltungsurteils und ist für den Fall der aktienrechtlichen Anfechtungsklage ausdrücklich in § 241 Nr. 5 AktG geregelt. Aus der in § 248 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung folgt darüber hinaus, dass der erfasste Personenkreis keine neue Klage über den für nichtig erklärten Hauptversammlungsbeschluss anstreben kann, die demnach schon unzulässig wäre. Außerdem ist der Inhalt der Entscheidung – nach der herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie – für Gericht und Gesellschafter in einem späteren Verfahren bindend.14
8
BGH NJW 1998, 3344. MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 246 Rn. 36; Spindler/Stilz/Dörr AktG, § 246 Rn. 12; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 246 Rn. 20; Grigoleit/Ehmann, AktG, § 246 Rn. 6; a.A. Schmidt/Lutter/Schwab, AktG, § 246 Rn. 8. 10 Grigoleit/Ehmann, AktG, § 249 Rn. 5. 11 BGH NJW 1995, 260. 12 Vgl. Spindler/Stilz/Dörr AktG, § 249 Rn. 25; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 249 Rn. 6; Mehrbrey/Bussian, HdB GesR Streitigkeiten, § 8 Rn. 297. 13 Großkomm AktG/Schmidt, § 248 Rn. 13; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, § 248 Rn. 18; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 248 Rn. 8; Grigoleit/Ehmann, AktG, § 248 Rn. 6; Waclawik, Prozessführung im GesR, Rn. 124; Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 269 ff. 14 MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 248 Rn. 26. 9
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Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund
II. Analoge Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften auf die GmbH Regelungen über die Kompetenzen der GmbH-Gesellschafterversammlung und das Abstimmungsverfahren finden sich in §§ 45–47 GmbHG.15 Zur Problematik der fehlerhaften Gesellschafterbeschlüsse schweigt das GmbH-Recht dagegen völlig. Es hat sich daher schon früh die Meinung herausgebildet, dass das aktienrechtliche Beschlussmängelsystem jedenfalls insoweit entsprechend auf die GmbH anzuwenden ist, als die Besonderheiten der GmbH keine Abweichung gebieten.16 Wie bei der AG ist also zu unterscheiden zwischen Mängeln, die nur zur Anfechtbarkeit führen (Regelfall) und solchen, die die Nichtigkeit zur Folge haben. Auch die prozessuale Geltendmachung der Mängel folgt in der GmbH dem aktienrechtlichen Vorbild. B. Beschlussmängel in italienischen Kapitalgesellschaften Italienische Kapitalgesellschaften sind die Aktiengesellschaft (società per azioni, Artt. 2325–2461 c.c.), die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (società a responsabilità limitata, Artt. 2462–2483 c.c.) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (societa in accomandita per azioni, Artt. 2452–2461c.c). Auf letztere finden nach Art. 2454 c.c. weitestgehend die Vorschriften über die s.p.a. Anwendung. I. Beschlussmängelrecht der s.p.a. Die Aktiengesellschaft ist die wichtigste Gesellschaftsform in der italienischen Rechtsordnung. Sie ist im Wirtschaftsalltag weit verbreitet und wird nicht nur als Trägerin großer und mittlerer Unternehmen gewählt, sondern erfreut sich auch unter kleinen Familienunternehmen größter Beliebtheit.17 Die Kompetenzen der Hauptversammlung ergeben sich aus Artt. 2364– 2365 c.c. Die Zuständigkeit für die Genehmigung des Jahresabschlusses (Art. 2364 Abs. 1 Nr. 1 c.c.) zeigt, dass die Stellung der Hauptversammlung (in der monistischen s.p.a.) tendenziell stärker ist als in der deutschen AG.18 1. Typologie der aktienrechtlichen Beschlussmängel Das kapitalgesellschaftliche Beschlussmängelrecht wurde grundlegend durch die sogenannte Riforma Vietti aus 2003 erneuert.19 Die Unterscheidung zwischen nichtigen Beschlüssen (delibere nulle) und anfechtbaren Beschlüssen 15
Dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 36 III.; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 13–16. Vgl. dazu Hüffer, ZGR 2001, 833, 864; Windbichler, GesR, § 22 Rn. 17; Lutter/ Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 1. 17 Vgl. Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 113. 18 Kindler, Einf. it. Recht, § 18 Rn. 21. 19 Siehe zu den wichtigsten materiellrechtlichen Änderungen der Reform Kindler, ZEuP 2012, 72, 73 ff. 16
§ 6 Kapitalgesellschaften
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(delibere annullabili) war zwar auch zuvor schon bekannt. Im Zuge der Reform wurden die Kategorien aber schärfer abgegrenzt und insbesondere die Anfechtbarkeit als Regelfall normiert. Nach Art. 2377 Abs. 2 c.c. sind alle Beschlüsse, die gegen das Gesetz oder den Gesellschaftsvertrag verstoßen, anfechtbar. Nichtigkeit tritt dagegen gem. Art. 2379 Abs. 1 c.c. nur in drei abschließend aufgezählten Fällen ein. Dazu zählen neben dem unmöglichen oder unerlaubten Beschlussgegenstand erstmals auch zwei Verfahrensfehler: die unterbliebene Einberufung sowie das Fehlen der Niederschrift. Ziel war es, der von Rechtsprechung und Teilen der Lehre für besonders schwere Verfahrensfehler ins Leben gerufenen – inhaltlich höchst umstrittenen – Kategorie der Scheinbeschlüsse (delibere inesistenti) ein Ende zu setzen.20 Durch Bestätigung des fehlerhaften Beschlusses kann die Hauptversammlung den Mangel nach Art. 2377 Abs. 8 (i.V.m. 2379 Abs. 4 c.c.) beseitigen. 2. Geltendmachung im ordentlichen Rechtsweg Das Anfechtungsverfahren ist in Artt. 2377, 2378 c.c. geregelt. Zuständig ist das Landgericht am Sitz der Gesellschaft, Art. 2378 Abs. 1 c.c. Anfechtungsbefugt sind nach Art. 2377 Abs. 2 c.c. die Aktionäre, der Vorstand, der Aufsichtsrat und der Überwachungsrat. Anders als nach deutschem Recht sind die Aktionäre der s.p.a., die bei der Hauptversammlung anwesend waren und für den Beschluss gestimmt haben von der Anfechtung ausgeschlossen. Um missbräuchliche Klagen auszuschließen, müssen Aktionäre zudem (gemeinsam) einen Mindestanteil von 5 % am Gesellschaftskapital (bzw. 0,1 % bei börsennotierten AGs) nachweisen.21 Den übrigen Gesellschaftern wird nach dem Grundsatz „Dulde & liquidiere“22 lediglich ein Schadensersatzanspruch zugesprochen, sofern ihnen durch den rechtswidrigen Beschluss ein Schaden entstanden sein sollte, Art. 2377 Abs. 4 c.c. Der Beschluss muss gem. Art. 2377 Abs. 6 c.c. innerhalb von 90 Tagen ab der Beschlussfassung (bzw. falls erforderlich ab der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister) angefochten werden. Die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses kann dagegen von jedem geltend gemacht werden, der daran ein berechtigtes Interesse hat, Art. 2379 Abs. 1 c.c. Die Hürde ist nicht hoch: nach ständiger Rechtsprechung ist das Feststellungsinteresse anzunehmen, wenn der möglicherweise rechtswidrige Beschluss eine eigene Rechtsposition des Gesellschafters oder des Dritten verletzen kann.23 Nach Art. 2379 Abs. 2 c.c kann die Nichtigkeit sogar von Amts wegen festgestellt werden. Im Zuge der Gesellschaftsrechtsreform von 2003 wurde erstmals auch für die Nichtigkeitsklage eine Frist eingeführt. 20
Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, VIII.10. (S. 345). Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, VIII.10. (S. 347). 22 Kindler, ZEuP 2012, 72, 80. 23 Z.B. Cass. civ., sez. I, 9.3.2008, n. 11554, Giur. comm. 2009, II, 1110; Cass. civ., sez. I, 21.2.2003, n. 2637, Foro it. 2003, I, 2768. 21
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Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund
Die Klage muss nunmehr gem. Art. 2379 Abs. 1 c.c. innerhalb von drei Jahren ab der Beschlussfassung (bzw. falls erforderlich ab der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister) erhoben werden. Nach allgemeiner Ansicht handelt es sich dabei um eine materielle Ausschlussfrist.24 Ausgenommen sind Beschlüsse, die den Gesellschaftszweck ändern und eine unerlaubte oder unmögliche Tätigkeit vorsehen, Art. 2379 Abs. 1 S. 2 c.c.; sie können weiter zeitlich unbegrenzt angegriffen werden. Das Urteil, das die Nichtigkeit des Beschlusses erklärt bzw. feststellt, wirkt gem. Art. 2377 Abs. 7 c.c. (i.V.m. Art. 2379 Abs. 4 c.c.) gegenüber allen Gesellschaftern und verpflichtet Vorstand und Aufsichtsrat, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Aus dem Wortlaut der Norm („effetto rispetto a tutti i soci“) ergibt sich nicht, ob (nur) die materiellrechtliche Gestaltungswirkung des Urteils gemeint ist, oder ob die Norm darüber hinaus auch die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf die nicht am Verfahren beteiligten Gesellschafter anordnet. Nach allgemeiner Ansicht wird die Vorschrift aber als gesetzliche Ausnahme zu Art. 2909 c.c. (Begrenzung der Rechtskraft auf die Verfahrensbeteiligten) verstanden, die zur Bindung aller, d.h. auch am Verfahren nicht beteiligter, Gesellschafter an das Urteil führt.25 II. Teilweise autonomes Beschlussmängelrecht der s.r.l. Die s.r.l. wurde erst 1942 eingeführt und orientiert sich stark an der Aktiengesellschaft. Verweisungen auf die aktienrechtlichen Regelungen finden sich an vielen Stellen.26 Insbesondere aufgrund des ungleich geringeren Mindestkapitals ist die s.r.l. heute die am weitesten verbreitete Kapitalgesellschaft.27 Die Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung sind in Art. 2479 Abs. 2 c.c. geregelt. In Art. 2479-bis c.c. finden sich eigenständige Vorschriften über Einberufung und Ablauf der Versammlung. Das Beschlussmängelrecht der s.r.l. ist seit der Gesellschaftsrechtsreform von 200328 nach dem „Kombinationsmodell“29 teilweise eigenständig in Art. 2479-ter c.c. geregelt; ergänzend verweist Art. 2479-ter Abs. 4 c.c. auf das Recht der s.p.a.30 Anders als in der s.p.a. wird nicht ausdrücklich zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen unterschieden; die Überschrift der 2003 neu eingeführten Norm
24
Cendon/Terrusi, s.p.a., Art. 2379, Ziff. 11, S. 443 m.w.N. Santosusso/Di Girolamo, Delle società, Art. 2377, Ziff. 8, S. 1743; Cendon/Terrusi, s.p.a., Art. 2377, Ziff. 22, S. 325; Sacchi, in: FS Zanarone, S. 555 (563); Terrusi, L’invalidità delle delibere assembleari, S. 301 f. 26 Dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 229. 27 Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, XVIII.1. (S. 556). 28 Zuvor verwies Art. 2486 c.c. a.F. pauschal auf das Beschlussmängelrecht der s.p.a. 29 Fleischer, GmbHR 2013, 1289, 1298. 30 Zu den Abweichungen vom Aktienrecht im Einzelnen Zanarone, s.r.l., Art. 2479-ter, Ziff. 2. 25
§ 6 Kapitalgesellschaften
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spricht lediglich pauschal von der „Ungültigkeit der Entscheidungen der Gesellschafter“. Nach allgemeiner Ansicht wird aber aufgrund der Systematik und der Verweisungen auf die s.p.a. auch in der s.r.l. eine Unterscheidung zwischen anfechtbaren (Art. 2479-ter Abs. 1 c.c.) und nichtigen Beschlüssen (Art. 2479-ter Abs. 3 c.c.) vorgenommen.31 Anfechtbar ist der Gesellschafterbeschluss, wenn er aufgrund des Verfahrens, der Form oder des Inhalts gegen eine gesetzliche Vorschrift oder den Gesellschaftsvertrag verstößt. Nichtigkeit liegt vor, wenn der Gegenstand der Entscheidung unerlaubt oder unmöglich ist oder die Entscheidung ohne vorangegangene Information (insbesondere Ladung) getroffen wurde. Daneben führt auch das Fehlen einer Niederschrift analog Art. 2379 Abs. 1 c.c. zur Nichtigkeit.32 Die Geltendmachung der Mängel im ordentlichen Rechtsweg läuft aufgrund der Verweisung in Art. 2479-ter Abs. 4 c.c. weitestgehend parallel zum Recht der s.p.a. Ein nennenswerter Unterschied liegt darin, dass gem. Art. 2479-ter Abs. 1 c.c. alle Gesellschafter, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben, unabhängig von ihrem Anteil am Kapital anfechtungsbefugt sind. C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit Das materielle Beschlussmängelrecht weist in deutschen und italienischen Kapitalgesellschaften keine fundamentalen Unterschiede auf. Insbesondere die Unterscheidung von anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen ist beiden Systemen bekannt. Aufgrund der weiteren Zuständigkeiten der Gesellschafterversammlung kommt dem Beschlussmängelrecht in Italien tendenziell eine (noch) höhere Bedeutung zu. Auf prozessualer Seite ist der Ausschluss von Aktionären mit geringen Kapitalanteilen von der Anfechtungsklage in der s.p.a. als Schutz vor sogenannten räuberischen Aktionären nennenswert. Im deutschen Aktienrecht wird dieses Ziel erst durch die Hintertür des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG erreicht. Die Rechtskraft eines gerichtlichen Urteils erstreckt sich in beiden Rechtsordnungen auf alle – also auch nicht am Verfahren beteiligte – Gesellschafter.
31
Vgl. Zanarone, s.r.l., Art. 2479-ter, Ziff. 1, S. 1389 ff.; Santosusso/Arcidiacono, Delle società, Art. 2479-ter, Ziff. 3, S. 840 ff.; Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, XVIII.1. (S. 576); a.A. Rordorf, Società 2007, 270. 32 Santosusso/Arcidiacono, Delle società, Art. 2479-ter, Ziff. 7.1., S. 871.
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Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund
§ 7 Die gesetzliche Ausgangslage in Personenhandelsgesellschaften § 7 Personengesellschaften
A. Beschlussmängel in deutschen Personenhandelsgesellschaften Nach dem Prinzip der Einzelgeschäftsführungsbefugnis kann in der OHG grundsätzlich jeder Gesellschafter allein Geschäfte für die Gesellschaft tätigen (§ 115 Abs. 1 HGB). Bei einigen Entscheidungen ist aber ein Zusammenwirken aller Gesellschafter erforderlich. Eine bestimmte Form ist dabei nicht einzuhalten; selbst eine Gesellschafterversammlung – die in BGB und HGB ohnehin nicht als eigenständiges Gesellschaftsorgan geregelt ist – muss nicht durchgeführt werden.33 Dazu zählen insbesondere außergewöhnliche Geschäfte (§ 116 Abs. 2 HGB), sowie weitere im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Fälle oder die Änderung des Gesellschaftsvertrags.34 Soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält, gilt für Beschlüsse das Einstimmigkeitsprinzip (§ 119 HGB). Zur Problematik mangelhafter Gesellschafterbeschlüsse schweigt das Gesetz völlig. Nach ständiger Rechtsprechung und weiten Teilen der Literatur führen Verstöße gegen Gesetz oder Gesellschaftsvertrag daher zur Nichtigkeit des Beschlusses, soweit es sich nicht um die Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften handelt.35 Verfahrensmängel führen zudem nur dann zur Unwirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses, wenn sie möglicherweise für das Abstimmungsergebnis kausal waren.36 Dies wirkt sich auch auf Ebene der gerichtlichen Geltendmachung von Beschlussmängeln aus. Nach traditioneller Auffassung ist Rechtsschutz durch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses nach § 256 ZPO zu suchen, die – anders als im Recht der Kapitalgesellschaften – grundsätzlich nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die (widersprechenden) Mitgesellschafter zu richten ist.37 Mangels gesetzlicher Anordnung der Rechtskrafterstreckung auf alle Gesellschafter wirkt das Urteil nach allgemeinen Grundsätzen nur zwischen den am Verfahren beteiligten Gesellschaftern (§ 325 Abs. 1 ZPO). Eine von Karsten Schmidt begründete Gegenauffassung kritisiert dieses Modell seit langem. Zur Stärkung der Rechtssicherheit sei die aus dem Kapitalgesellschaftsrecht bekannte Unterscheidung zwischen anfechtbaren und 33
Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 119 Rn. 6. Zu den weiteren Fällen vgl. Kindler, GK Handels- und GesR, § 11 Rn. 77. 35 Vgl. BGH NJW 1999, 3113; Windbichler, GesR, § 13 Rn. 13; Baumbach/Hopt/Roth HGB, § 119, Rn. 31; Schäfer, in: FS Schmidt, Bd. II, S. 323 (324 ff.). 36 Vgl. aus jüngerer Zeit BGH NZG 2013, 57 Rn. 47; BGH NZG 2014, 621 Rn. 13. 37 Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, vgl. etwa BGH WM 1966, 1036; BGH NJW 1967, 2159; BGH NJW-RR 1992, 227; BGH NJW 1999, 3113; BGH NZG 2011, 544; BGH NJW 2017, 1467. Grundsätzlich reicht es aus, die Feststellungsklage gegen die Gesellschafter zu richten, die sich der Rechtsauffassung nicht angeschlossen haben, vgl. OLG Hamburg NZG 2000, 421. 34
§ 7 Personengesellschaften
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nichtigen Beschlüssen auf das Personengesellschaftsrecht zu übertragen.38 Ein bloß anfechtbarer Beschluss solle auch in Personengesellschaften solange wirksam bleiben, bis er infolge einer gegen die Gesellschaft zu richtenden Anfechtungsklage durch rechtsgestaltendes Urteil mit Wirkung für alle Gesellschafter für unwirksam erklärt wird.39 Die Ungleichbehandlung von Personenund Kapitalgesellschaften sei schließlich nicht sachlich begründet, sondern allein durch „gesetzeshistorische Zufälligkeit“ bedingt.40 Zuspruch hat diese Auffassung zuletzt auf dem 71. Deutsche Juristentag erhalten, der sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen hat, dass Beschlussmängel bei (rechtsfähigen) Personengesellschaften nicht automatisch zur Nichtigkeit führen sollten, sondern durch eine befristete Anfechtungsklage gegenüber der Gesellschaft geltend zu machen seien.41 Auf dem 72. Deutschen Juristentag hat sich erneut eine große Mehrheit für den Vorschlag einer rechtsformübergreifenden Reform des Beschlussmängelrechts ausgesprochen, deren Bestandteil auch die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Gesellschafterbeschlüssen und die Bestimmung der Gesellschaft als Klagegegnerin sein soll.42 Ein dem Kapitalgesellschaftsrecht zumindest angenähertes Modell lässt sich bereits heute durch entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelungen erreichen. So können die Gesellschafter zulässigerweise im Gesellschaftsvertrag festlegen, dass Beschlussmängelklagen gegen die Gesellschaft zu richten sind.43 Die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich zwar auch in diesem Fall nicht auf die unbeteiligten Gesellschafter. Die Rechtsprechung nimmt aber an, dass die Regelung nach Sinn und Zweck zumindest zu einer schuldrechtlichen Bindung der Gesellschafter an das Urteil führt.44
38 K. Schmidt, in: FS Stimpel, S. 217 (228 ff.); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 47 V.2.c.; K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 26 f.; MünchKommHGB/Enzinger, § 119, Rn. 98 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Freitag, HGB, § 119 Rn. 82; Grunewald, Gesellschaftsrecht, § 1 Rn. 97, zumindest für Publikumsgesellschaften; dafür (de lege ferenda) jüngst Bayer/ Möller, NZG 2018, 801, 808; vgl. auch Schäfer, in: FS Schmidt, Bd. II, S. 323 (326 ff.). 39 K. Schmidt, ZGR 2008, 1, 26. 40 K. Schmidt, in: FS Stimpel, S. 217 (228 f.). 41 Nach dem Beschluss sollte eine entsprechende gesetzliche Regelung im Zuge einer Reform des gesamten Beschlussmängelrechts erfolgen, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 104. 42 Vgl. dazu die Beschlüsse im Rahmen der Diskussion der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 72. Deutschen Juristentages zur Frage „Empfiehlt sich eine Reform des Beschlussmängelrechts im Gesellschaftsrecht?“, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 131 ff. 43 Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 105 Rn. 37; BGH WM 1966, 1036; BGH NJW 1983, 1056. 44 BGH WM 1966, 1036.
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Kapitel 2: Sachrechtlicher Hintergrund
B. Beschlussmängel in italienischen Personenhandelsgesellschaften Die einfache Gesellschaft (società semplice, Artt. 2251–2290 c.c.) stellt den Grundtyp der italienischen Personengesellschaften dar.45 Der Abschnitt über die società semplice ist über entsprechende Verweisungsnormen grundsätzlich auf die Personenhandelsgesellschaften – die offene Handelsgesellschaft (società in nome collettivo) und die Kommanditgesellschaft (società in accomandita semplice) – ergänzend anwendbar. Nach Art. 2257 Abs. 1 c.c. gilt in Personengesellschaften der Grundsatz der Einzelgeschäftsführungsbefugnis. Ein Zusammenwirken aller oder mehrerer Gesellschafter wird aber erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag die gemeinsame Geschäftsführung vorschreibt (Art. 2258 Abs. 1 c.c.). Für bestimmte Entscheidungen verlangt das Gesetz zudem die Mitwirkung aller Gesellschafter. Bei Beschlussverfahren und Beschlussfassung sind die Gesellschafter an keine Vorgaben gebunden. Insbesondere ist keine Gesellschafterversammlung durchzuführen.46 Zum Quorum äußert sich das Gesetz nur in Einzelfällen, insbesondere bei der Änderung des Gesellschaftsvertrags nach Art. 2252 c.c. (Einstimmigkeit) und der Entscheidung über den Widerspruch gegen eine Geschäftsführungsmaßnahme in der Einzelverwaltung nach Art. 2257 Abs. 3 c.c. (Mehrheit). Daraus wird ein allgemeines Prinzip abgeleitet, wonach – mangels gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen – grundlegende Geschäfte Einstimmigkeit erfordern, Geschäfte der alltäglichen Geschäftsführung dagegen mehrheitlich beschlossen werden können.47 Vorschriften über die Behandlung fehlerhafter Beschlüsse von Personengesellschaften finden sich im italienischen Zivilgesetzbuch ebenso wenig wie in der deutschen Rechtsordnung. Es war lange umstritten, wie diese Lücke zu füllen sei. Der Kassationsgerichtshof wendete bei fehlerhaften Beschlüssen traditionell die Regeln über nichtige Verträge (Artt. 1418 ff. c.c.) an.48 In der Literatur wird diese Lösung seit langem kritisiert. Auch im Personengesellschaftsrecht herrsche eine besondere Interessenlage, für die in den allgemeinen Regeln über nichtige Rechtsgeschäfte keine angemessenen Lösungen bereitstünden.49 Es wurde daher empfohlen, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung des differenzierten Beschlussmängelrechts der Aktiengesellschaften zu schließen. Als besonders passend werden dafür die Regeln des
45
Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 35. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, II.24. (S. 104) m.w.N.; es steht den Gesellschaftern aber frei, die Durchführung einer Hauptversammlung im Gesellschaftervertrag zu vereinbaren, Cass. civ., sez. I, 7.6.2002, n. 8276, Giur. comm. 2004, II, 129. 47 Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, II.24. (S. 103). 48 Cass. civ., sez. I, 16.7.1976, n. 2815, Giust. civ. 1976, 1580; Cass. civ., sez. I, 7.6.2002, n. 8276, Giur. comm. 2004, II, 129. 49 Cian/Pisani, Diritto commerciale, § 35 II.2. (S. 313 f.). 46
§ 7 Personengesellschaften
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Art. 2479-ter c.c. über die s.r.l. als den Personengesellschaften nächste Kapitalgesellschaft angesehen.50 In einem Urteil von 2015 ist nun auch der Kassationsgerichtshof (ausdrücklich) von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen.51 Um der Vielzahl unterschiedlicher Interessen, die das Innenleben der Personenhandelsgesellschaften prägen, gerecht zu werden, sei das Beschlussmängelrecht der Kapitalgesellschaften auf Personenhandelsgesellschaften entsprechend anzuwenden. Mangels zeitlicher Anwendbarkeit des Beschlussmängelrechts der s.r.l. musste sich das Gericht auf einer Übertragung der Regeln der s.p.a. beschränken, auch wenn in dem Urteil Sympathien für die analoge Anwendung des Art. 2479-ter c.c. zu erkennen sind.52 Mit der Übertragung des Beschlussmängelrechts der Kapitalgesellschaften auf die Personenhandelsgesellschaften gehen auch die Vorschriften über prozessuale Geltendmachung der Mängel einher; so kommt jetzt auch dem Urteil im Personengesellschaftsrecht entsprechend Art. 2377 Abs. 7 c.c. Wirkung für und gegen alle Gesellschafter zu. C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit Im Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften besteht also seit der jüngsten Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs ein grundlegender Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Lösung. Während in Deutschland die Übertragung des kapitalgesellschaftsrechtlichen Systems (noch) abgelehnt wird, ist dieses Modell in Italien nunmehr grundsätzlich auf alle Handelsgesellschaften anwendbar.
50 Cian/Pisani, Diritto commerciale, § 35 II.2. (S. 313 f.); Cottino, Diritto societario, IV.31., S. 102 f.; Cottino/Cerrato, Diritto commerciale, IV.4., S. 222; Brizzi, Corr. giur. 2016, 240, 248. 51 Cass. civ., sez. I, 28.1.2015, n. 1624, Società 2015, 803. 52 Vgl. auch Brizzi, Corr. giur. 2016, 240, 248.
Kapitel 3
Freiheit der Parteien zur Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit (Schiedsfähigkeit) Entscheiden sich die Gesellschafter, ihre Streitigkeiten nicht den staatlichen Gerichten zu überlassen, sondern einem Schiedsgericht zur Entscheidung zu übertragen, stellt sich zunächst die Frage, ob das nationale Recht ein Schiedsverfahren über den jeweiligen Streitgegenstand überhaupt zulässt. Wie bereits erwähnt, wird die Zulässigkeit schiedsgerichtlicher Streitbeilegung grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen.1 Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann der Staat aber zum Schutz wichtiger Rechtsgüter Schiedsverfahren über bestimmte Streitigkeiten untersagen. Traditionell wird vom Gesetzgeber das Kriterium der Schiedsfähigkeit verwendet, um zu bestimmen, ob ein Schiedsverfahren über den Streitgegenstand statthaft ist. Daneben bestehen (oder bestanden) aber besonders im deutschen Gesellschaftsrecht noch weitere gesetzliche Hürden, die ein Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten lange als unstatthaft erscheinen ließen. Im Folgenden sollen alle Hindernisse beleuchtet werden, die eine Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten deutscher und italienischer Handelsgesellschaften auf die Schiedsgerichtsbarkeit verhindern können. Untersucht werden daher neben der gesetzlich definierten Schiedsfähigkeit (im engeren Sinne) auch alle weiteren Argumente, die sich gegen die Zulässigkeit von Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten in den verschiedenen Handelsgesellschaften anführen lassen (Schiedsfähigkeit im weiteren Sinne).2
1 2
Siehe dazu oben § 4. Terminologie nach Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 71,75.
§ 8 Die Rechtslage in Deutschland
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§ 8 Die Rechtslage in Deutschland § 8 Die Rechtslage in Deutschland
A. Die Schiedsfähigkeit im engeren Sinne I. Die Schiedsfähigkeit nach altem Recht: Anknüpfung an die Vergleichsfähigkeit Bis zur Reform des Schiedsverfahrensrechts von 1997 war eine Schiedsvereinbarung nach § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. nur insoweit rechtlich wirksam, als die Parteien berechtigt waren, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen. Hierzu wurde zwischen objektiver und subjektiver Vergleichsfähigkeit unterschieden.3 1. Objektive Vergleichsfähigkeit Nach der traditionellen materiellrechtlichen Theorie wurde die objektive Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit direkt an die materielle Vergleichsfähigkeit gekoppelt. Demnach konnte eine Schiedsvereinbarung nur dann geschlossen werden, wenn Streitgegenstand und der spätere Schiedsspruch auch Gegenstand eines Vertrags sein konnten.4 Der Schiedsspruch müsste inhaltsgleich auch als hypothetischer materieller Vergleich wirksam geschlossen werden können. So sollte sichergestellt werden, dass durch einen Schiedsspruch nur solche Rechtsfolgen herbeigeführt werden konnten, die die Parteien auch auf vertraglicher Ebene vereinbaren konnten. Es wurde befürchtet, dass die Parteien anderenfalls über den Umweg des Schiedsgerichts Rechtsgeschäfte in Bereichen schließen könnten, in denen ihnen die Verfügungsbefugnis gesetzliche entzogen war.5 Dagegen stellte sich eine neuere Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, wonach die sogenannte objektive Verfügbarkeit des Rechtsverhältnisses ausreichen sollte. Die Schiedsfähigkeit war danach nur dann abzulehnen, wenn sich der Staat zum Schutz wichtiger Rechtsgüter auf dem Gebiet der Entscheidung ein Rechtsprechungsmonopol vorbehalten hat und keine privaten Personen in der Lage sein sollten, überhaupt – also unabhängig vom konkreten Inhalt des Schiedsspruchs – in dem betreffenden Bereich verbindliche Rechtsfolgen herbeizuführen.6 In frühen Urteilen des BGH sowie in der älteren Literatur wurde zwar unter Anwendung der materiellrechtlichen Theorie noch häufig die Vergleichsfähig-
3
Vgl. etwa Bork, ZZP 100 (1987), 249. Vgl. dazu Bork, ZZP 100 (1987), 249, 253 ff., K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 528 m.w.N.; Mayr, Schiedsvereinbarung, S. 55. 5 MünchKommZPO/Münch, § 1030 Rn. 5. 6 Bork, ZZP 100 (1987), 249, 272; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., § 1025 Rn. 37; BGH NJW 1991, 2215, 2216; BGH NJW 2004, 2898, 2899. 4
40
Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
keit der Parteien über Beschlussmängelstreitigkeiten in AG und GmbH abgelehnt.7 Diese Ansicht hat das Gericht aber in seinem Grundsatzurteil „Schiedsfähigkeit I“ aus dem Jahr 1996 verworfen.8 Entgegen dem insoweit missverständlichen Leitsatz der Entscheidung wurde bereits damals nicht mehr die objektive Schiedsfähigkeit im Sinne des § 1025 Abs. 1 ZPO a.F. in Abrede gestellt, sondern allein die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs abgelehnt.9 2. Subjektive Vergleichsfähigkeit Die subjektive Vergleichsfähigkeit setzte als Gegenstück zur objektiven Vergleichsfähigkeit voraus, dass gerade die Verfahrensbeteiligten befugt waren, über den Streitgegenstand (als richtige Parteien) einen Vergleich zu schließen.10 Auch mit Blick auf dieses – nicht ganz klare – Kriterium wurde in der älteren Rechtsprechung die Übertragung von Beschlussmängelverfahren auf Schiedsgerichte abgelehnt. Schließlich sei die beklagte Gesellschaft nicht berechtigt, durch den Vergleich Einfluss auf einen Gesellschafterbeschluss zu nehmen, dessen Zustandekommen allein der Gesellschafterversammlung unterliege.11 Nach der Gegenauffassung war dagegen allein auf die subjektive Vergleichsfähigkeit der Parteien der Schiedsvereinbarung abzustellen, die jedenfalls bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln gegeben war, da alle Gesellschafter an die Schiedsvereinbarung gebunden waren.12 Auch in der „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung des BGH von 1996 wurde in der subjektiven Schiedsfähigkeit kein unüberwindbares Hindernis zur schiedsgerichtlichen Beilegung von Beschlussmängelverfahren mehr gesehen, wenn auch mit anderer Begründung: die subjektive Schiedsfähigkeit sei gegeben, da auch die Gesellschaft nach verbandsrechtlichen Grundsätzen an die Schiedsvereinbarung gebunden sei.13
7
BGH MDR 1951, 674; BGH WM 1966, 1132, 1133; Schopp, DB 1958, 591, 593 m.w.N. BGH NJW 1996, 1753, 1754. 9 Vgl. Bork, ZHR 160 (1996), 374, 378; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1858; siehe zum Problem der Rechtskrafterstreckung sogleich unten § 8 B. I. 2. 10 Vgl. dazu Bork, ZHR 160 (1996), 374, 378 m.w.N. aus der älteren Literatur. 11 OLG Hamm NJW-RR 1987, 1319, 1320; vgl. dazu auch Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 76 f. m.w.N. 12 Bork, ZHR 160 (1996), 374, 378 f. m.w.N. 13 BGH NJW 1996, 1753, 1754. Die Bindung der Parteien an die Schiedsvereinbarung bleibt freilich auch nach heutiger Rechtslage weiter zu prüfen, vgl. dazu unten § 11 A. II. und § 11 B. II. 8
§ 8 Die Rechtslage in Deutschland
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II. Neudefinition des Begriffs der Schiedsfähigkeit in der Reform von 1997 1. Vermögensrechtliche Natur des Anspruchs Seit der Reform von 1997 bestimmt § 1030 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass jeder vermögensrechtliche Anspruch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein kann. Der Reformgesetzgeber wollte so zum einen den Kreis der schiedsfähigen Streitigkeiten erweitern und zum anderen – am Vorbild von Art. 177 Abs. 1 des schweizerischen IPRG – ein klares Abgrenzungskriterium schaffen.14 Eine Anknüpfung an die Vergleichsfähigkeit des Streitgegenstands erfolgt nach Satz 2 nur noch bei nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten.15 Die tatbestandliche Voraussetzung des vermögensrechtlichen Anspruchs ist weit auszulegen.16 Der Begriff des Anspruchs ist dabei nicht im materiellen Sinne (§ 194 Abs. 1 BGB), sondern im prozessrechtlichen Sinn zu verstehen und meint den Streitgegenstand.17 Gestaltungs- bzw. Feststellungsklagen im gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreit sind davon also ohne weiteres erfasst. Ein Anspruch hat vermögensrechtlichen Charakter im Sinne der ZPO, wenn er entweder direkt auf Geld bzw. geldwerte Leistungen gerichtet ist oder aus einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis abgeleitet wird.18 An einem irgendwie gearteten vermögensrechtlichen Bezug des Anspruchs fehlt es nur ausnahmsweise, etwa bei Ehesachen oder Abstammungsfeststellungen.19 2. Beschlussmängelklagen als vermögensrechtlicher Anspruch Innergesellschaftliche Streitigkeiten werden nach überwiegender Auffassung generell als vermögensrechtliche Ansprüche im Sinne des § 1030 Abs. 1 ZPO angesehen.20 Da jedenfalls Handelsgesellschaften per definitionem auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sind (vgl. § 105 Abs. 1 HGB) und damit regelmäßig entgeltlich am Markt tätig werden,21 haben sämtliche Streitigkeiten aus dem handelsgesellschaftlichen Innenleben wenigstens mittelbar ihren Ursprung in einem vermögensrechtlichen Rechtsverhältnis.
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BT-Drs. 13/5274, S. 34 f. Hier kann weiter auf die Rechtsprechung zu § 1025 ZPO a.F. zurückgegriffen werden, vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 Rn. 1. 16 Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1030 Rn. 5. 17 Stein/Jonas/Schlosser, § 1030 Rn. 2; MünchKommZPO/Münch, § 1030 Rn. 13. 18 MünchKommZPO/Münch, § 1030 Rn. 13; Bayer, ZIP 2003, 881, 883; BGH WM 2017, 1111 Rn. 15. 19 Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 Rn. 6. 20 K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 271; Trittmann, ZGR 1999, 340, 348; Bayer, ZIP 2003, 881, 883; Schröder, Schiedsgerichtliche Konfliktbeilegung, S. 92 f.; Stein/Jonas/ Schlosser, § 1030 Rn. 2; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 79; Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 839; Mehrbrey/Pörnbacher/Baur, HdB GesR Streitigkeiten, § 2 Rn. 33; Servatius/ Rieder, Corporate Litigation, Rn. 562; a.A. Zilles, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 15 f. 21 Vgl. nur Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Kindler, HGB, § 1 Rn. 27. 15
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Auch die Einordnung eines Beschlussmängelstreits als vermögensrechtlicher Anspruch im Sinne des § 1030 Abs. 1 ZPO kann nach dem Gesagten nicht bezweifelt werden.22 In der Entscheidung „Schiedsfähigkeit II“ aus dem Jahr 2009 bestätigt der BGH ausdrücklich, dass das Kriterium der Schiedsfähigkeit sowohl nach altem (§ 1025 ZPO a.F.), wie auch nach neuem Recht (§ 1030 ZPO n.F.) einer Übertragung von GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit nicht entgegenstehe.23 B. Die Schiedsfähigkeit im weiteren Sinne Trotz der heute mit Blick auf § 1030 ZPO klaren Rechtslage wird die Diskussion über die Statthaftigkeit von Beschlussmängelklagen vor Schiedsgerichten in weiten Teilen der Literatur – wohl auch aufgrund der Bezeichnung des BGH seiner Entscheidungen als „Schiedsfähigkeit II“ und „Schiedsfähigkeit III“ – noch immer unter dem Schlagwort der „Schiedsfähigkeit“ geführt. Dies erscheint zumindest auf den ersten Blick als „trügerisch“24, da sich die vertretenen Argumente nicht mehr auf die objektive Schiedsfähigkeit i.S.d. § 1030 ZPO stützen, die Debatte somit – besonders aus heutiger Sicht – „unter falscher Flagge“ geführt wird.25 Der Begriff der Schiedsfähigkeit muss im Kontext von Beschlussmängelstreitigkeiten folglich weit verstanden werden. Darunter fallen jenseits von § 1030 Abs. 1 ZPO (bzw. § 1025 Abs. 1 a.F.) alle gesetzliche Vorschriften sowie sämtliche praktische Erwägungen, die sich gegen die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit in den verschiedenen Handelsgesellschaften anführen lassen (Schiedsfähigkeit im weiteren Sinne). Da sich die gesetzliche Ausgangslage und die Entwicklung der Rechtsprechung in den verschiedenen Gesellschaftsformen teilweise unterscheiden, werden im Folgenden die Einwände gegen ein Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten in GmbH, AG und Personenhandelsgesellschaften gesondert untersucht. I. Recht der GmbH Einige (ältere) Einwände gegen GmbH-rechtliche Beschlussmängelklagen konnten bereits vor geraumer Zeit entkräftet werden. Für die verbleibende Hürde der (fehlenden) Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs wurde in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung eine Lösung gefunden. 22 Wolff, NJW 2009, 2021; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4 Rn. 4; Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 224; Filker, Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 25. 23 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 12. 24 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 4. 25 So K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (101); a.A. jüngst aber Otto, ZGR 2019, 1082, 1085 ff., der sich für eine „dogmatische Neuausrichtung“ ausspricht und drei der vier Gleichwertigkeitskautelen des BGH als Kriterien der Schiedsfähigkeit ansieht.
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1. Traditionelle Einwände gegen die schiedsgerichtliche Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH a) Ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Besonders in der älteren Rechtsprechung wurde oft vertreten, dass bereits die in § 246 Abs. 3 S. 1 AktG26 angeordnete ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts für Beschlussmängelklagen ein Schiedsverfahren in dem Bereich ausschließe.27 Dabei wurde freilich übersehen, dass diese Norm überhaupt keine Aussage über die Frage der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung treffen will und kann. § 246 Abs. 3 AktG regelt (nur) die sachliche und örtliche Zuständigkeit innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit. Unzulässig ist daher zum Beispiel eine gesellschaftsvertragliche Gerichtsstandsvereinbarung, nach der eine Klage im Beschlussmängelstreit vor einem an sich nicht zuständigen (staatlichen) Gericht zu erheben wäre.28 In der Literatur wurde schon früh erkannt, dass der vollständige Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit mittels einer Schiedsvereinbarung nicht unterbunden werden soll.29 Dieser Ansicht schloss sich schließlich auch der BGH an. In seiner „Schiedsfähigkeit-I“-Entscheidung aus dem Jahr 1996 führt er aus, dass jedenfalls die Zuständigkeitsregelung des § 246 AktG nicht gegen die Schiedsfähigkeit einer Beschlussmängelklage spreche.30 b) Gestaltungswirkung des Urteils Das Urteil eines staatlichen Gerichts in einem Beschlussmängelprozess verändert – jedenfalls bei der Anfechtungsklage – die vorherige Rechtslage (vgl. § 241 Nr. 5 AktG); ihm kommt also Gestaltungswirkung zu. Früher wurde teilweise bezweifelt, dass auch ein Schiedsgericht die erforderliche Gestaltungswirkung herbeiführen kann.31 Das ist heute nach allgemeiner Auffassung zu bejahen.32 Schiedsgerichte können genau wie staatliche Gerichte über Gestaltungsklagen entscheiden. Einzige Hürde auf dem Weg zur Übertragung einer Streitigkeit auf ein Schiedsgericht muss § 1030 ZPO darstellen. Wenn aber eine Streitigkeit nach dieser Vorschrift statthafterweise Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein kann, solle der Parteiwille nicht dadurch konterkariert werden, dass es dem Schiedsgericht an der Befugnis, Entscheidungen mit 26
Zur analogen Anwendung des Beschlussmängelrechts der AG auf die GmbH siehe § 6
A. II. 27 Z.B. BGH WM 1966, 1132 (1133); OLG Hamm NJW-RR 1987, 1319; zur AG BGH MDR 1951, 674. 28 Vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. 29 Vgl. Kronmeier, DB 1980, 193, 194 f.; K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 526 f.; Henze, ZGR 1988, 542, 550 f. 30 BGH NJW 1996, 1753, 1754. 31 Nachweise bei Kronmeier, DB 1980, 193, 195. 32 Vgl. nur Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 Rn. 4; Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1046 Rn. 8.
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rechtsgestaltender Wirkung zu erlassen, fehle.33 Dieser Ansicht hat sich der BGH bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1996 ausdrücklich angeschlossen.34 2. Rechtskrafterstreckung und Verfahrensgarantien Von der Gestaltungswirkung zu unterscheiden ist die Rechtskraftwirkung des Urteils.35 Die fehlende gesetzliche Befugnis der Schiedsrichter zur Herbeiführung der Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs (entsprechend § 248 Abs. 1 S. 1 AktG) für und gegen alle Gesellschafter ist das letzte und wohl stärkste Argument, dass gegen die Möglichkeit einer schiedsgerichtlichen Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH vorgetragen wurde. Das Problem der (fehlenden) Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs im Beschlussmängelstreit wurde in der deutschen Literatur zwar vereinzelt auch schon zuvor gesehen,36 aber erst im Anschluss an die BGH-Entscheidungen „Schiedsfähigkeit I“ (1996) und „Schiedsfähigkeit II“ (2009) ausführlich diskutiert.37 Während in der ersten Entscheidung noch der Standpunkt vertreten wurde, die Rechtskrafterstreckung stelle ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zur Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit dar, sah sich das Gericht infolge der Untätigkeit des Gesetzgebers in der zweiten Entscheidung imstande, diese Hürde durch die Formulierung bestimmter Mindeststandards an den Inhalt innergesellschaftlicher Schiedsvereinbarungen zu passieren. a) BGH Urteil v. 29.3.1996 – „Schiedsfähigkeit I“ Ausgangspunkt der Argumentation ist die Annahme, dass ein Schiedsverfahren die Streitigkeit über einen fehlerhaften Gesellschafterbeschluss nur dann sinnvollerweise beenden kann, wenn sich die Rechtskraft des Schiedsspruchs gleich der Rechtskraft des staatlichen Urteils (§ 248 Abs. 1 S. 1 AktG) auf alle – also auch auf die nicht am Verfahren beteiligten – Gesellschafter erstreckt.38 Dazu fehlte es nach Auffassung des BGH aber an einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift, die die Rechtskrafterstreckung eines Schiedsspruchs auf Verfahrensdritte zulässt. Das Gericht stellte sich folglich die Frage, ob eine entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschrift im 33 Kronmeier, DB 1980, 193, 195; K. Schmidt, AG 1995, 551 f.; Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 84. 34 BGH NJW 1996, 1753, 1754. 35 Zur Urteilswirkung im staatlichen Verfahren oben § 6 A. I. 2. b). 36 Z.B. Henze, ZGR 1988, 542, 556 f.; Kronmeier, DB 1980, 193, 195; weitere Nachweise bei Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 85. 37 BGH NJW 1996, 1753 („Schiedsfähigkeit I“); BGH NJW 2009, 1962 („Schiedsfähigkeit II“). 38 BGH NJW 1996, 1753, 1755 f.
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Schiedsverfahren möglich sei. Im Jahr 1996 lehnte der BGH eine analoge Anwendung von § 248 Abs. 1 AktG noch ab. Es handele sich bei dieser Norm um eine gesellschaftsrechtliche Spezialvorschrift, die nicht ohne weiteres aus dem Zusammenhang gelöst auf ein Schiedsverfahren übertragen werden könne.39 Die Grundlage bzw. Rechtfertigung der Rechtskrafterstreckung gem. § 248 Abs. 1 AktG sah das Gericht in zwei Erwägungen. Zum einen müsse die Vorschrift im Zusammenhang mit der Konzentration aller Klagen vor demselben Gericht gesehen werden (§ 246 Abs. 3 S. 1 AktG), durch welche die Gefahr widersprechender Entscheidungen gebannt werde.40 Zum anderen wurzele die gesetzliche Anordnung der Rechtskrafterstreckung in dem besonderen Vertrauen auf die Einhaltung der Verfahrensgarantien, die eine Bindung Dritter an das Urteil als hinnehmbar erscheinen lasse.41 Im Schiedsverfahrensrecht fehle es aber an entsprechenden Vorschriften, um die Konzentration der Streitigkeit vor einem Schiedsgericht und die Wahrung der Rechte und Interessen von am Verfahren nicht beteiligten Gesellschaftern sicherzustellen. Nehme man zum Beispiel zur Sicherung der Verfahrenskonzentration die ausschließliche Zuständigkeit des zuerst einberufenen Schiedsgerichts an, so stelle sich das Folgeproblem, dass spätere Kläger nicht an der Bildung des Schiedsgerichts mitwirken konnten.42 Aufgrund dieser unterschiedlichen Interessenslage und in Hinblick auf die damals bevorstehende Schiedsverfahrensrechtsreform sah sich der BGH nicht in der Lage, die Rechtskrafterstreckung des § 248 Abs. 1 AktG durch einen Analogieschluss auf den Schiedsspruch auszuweiten.43 Ohne Möglichkeit der Rechtskrafterstreckung hielt das Gericht das Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten in der GmbH allgemein für unstatthaft. b) BGH Urteil v. 6.4.2009 – „Schiedsfähigkeit II“ Im Jahr 2009 hatte der BGH erneut die Gelegenheit, sich mit der Statthaftigkeit der Übertragung von GmbH-Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit zu befassen. Unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung sah sich der BGH nicht gehindert, die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs auf alle Gesellschafter – aufgrund der weiterhin fehlenden gesetzlichen Anordnung – aus einem Analogieschluss zu § 248 Abs. 1 AktG herzuleiten.44 Im Hinblick auf die Grundlage des § 248 Abs. 1 AktG sei eine Übertragung der Norm auf das Schiedsverfahren aber nur dann gerechtfertigt, wenn sichergesellt werde, dass ein aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteter Mindeststandard an Rechtsschutzgewähr für den erfassten Personenkreis besteht.45 39
BGH NJW 1996, 1753, 1755. BGH NJW 1996, 1753, 1755. 41 BGH NJW 1996, 1753, 1755. 42 BGH NJW 1996, 1753, 1755. 43 BGH NJW 1996, 1753, 1756. 44 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 10 ff. 45 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 13. 40
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Der BGH belässt es nicht bei diesem allgemeinen Grundsatz, sondern formuliert fünf konkrete Vorgaben, die erfüllt sein müssen, damit die Rechtsschutzgewährung im Einzelfall für alle Gesellschafter sichergestellt ist.46 Zunächst müsse die Zustimmung aller Gesellschafter zur Übertragung der Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit vorliegen. Über eine Verfahrenseinleitung sei jeder Gesellschafter zu informieren. Ihm müsse die Möglichkeit gegeben werden, sich am Verfahren als Nebenintervenient zu beteiligen. Daneben habe jeder Gesellschafter das Recht, sich an der Auswahl der Schiedsrichter zu beteiligen. Schließlich müsse sichergesellt werden, dass alle Klagen über denselben Streitgegenstand vor einem Schiedsgericht konzentriert werden. Nach dem BGH handelt es sich bei diesen Mindeststandards um materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsvereinbarung. Sie sind im Rahmen des § 138 BGB zu prüfen, der ein Einfallstor für die Geltung des Rechtsstaatsprinzips zwischen Privatpersonen darstellt.47 Diese Herleitung bringt mit sich, dass die Einhaltung der Mindeststandards bereits ex ante durch eine entsprechende Formulierung der Schiedsklausel sichergestellt werden muss. Genügt die Schiedsklausel den Anforderungen nicht, ist sie sittenwidrig und gem. § 138 BGB nichtig.48 Diese dogmatische Einordnung ist keinesfalls zwingend und wurde in der Literatur kritisch gesehen, da sie deutlich über das erklärte Ziel, einen ausreichende Rechtsschutzrahmen für alle Gesellschafter zu gewähren, hinausschieße.49 Trotz der Kritik hat der BGH seine Ansicht zuletzt wieder in der „Schiedsfähigkeit III“-Entscheidung bestätigt.50 In der Praxis lassen sich die Schwierigkeiten, die sich bei der Formulierung rechtswirksamer Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten stellen, durch die Bezugnahme auf ein Regelungswerk abfedern, das seinerseits die Anforderungen des BGH umsetzt.51 Hierzu empfehlen sich in erster Linie die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS-ERGeS), die eigens in Reaktion auf die „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung geschaffen wurden und, soweit ersichtlich, das einzige Regelwerk darstellen, welches die Mindeststandards des BGH umsetzt.52
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BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. BGH NJW 2009, 1962 Rn. 17. 48 Vgl. auch Goette GWR 2009, 103, 104; Habersack, JZ 2009, 797; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 251. 49 Nach Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 252, „hantiert der BGH […] mit einer Axt, wo auch ein Skalpell bereit gelegen hätte“; kritisch auch Wolff, NJW 2009, 2021, 2022; Münch, ZZP 123 (2010), 3, 19 ff.; K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (120 ff.); RaeschkeKessler, in: FS Goette, S. 381 (389 ff.). 50 BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 24; zuvor haben sich bereits mehrere instanzgerichtliche Entscheidungen der Linie des BGH angeschlossen, vgl. OLG Frankfurt a. M. SchiedsVZ 2010, 334; OLG Bremen NGZ 2010, 230; LG Köln SchiedsVZ 2018, 275. 51 Siehe zur Einbeziehung von Schiedsgerichtsordnungen unten § 11 A. III. 2. 52 Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 247; vgl. hierzu unten § 11 A. VI. 47
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Der Streit über die richtige Verortung der Gleichwertigkeitskautelen wirkt sich freilich nicht auf die Schiedsfähigkeit (im weiteren Sinne) von Beschlussmängelstreitigkeiten aus.53 Es wird nicht mehr in Frage gestellt, dass sich auch die Rechtskraft des Schiedsspruchs analog § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auf alle GmbH-Gesellschafter erstrecken kann. Die generelle Statthaftigkeit der Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit lässt sich im Recht der GmbH nicht mehr bezweifeln. II. Recht der Aktiengesellschaft Die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit wirft in der AG besondere Schwierigkeiten auf, die in aktienrechtlichen und prozessrechtlichen Erwägungen wurzeln. Die besprochenen traditionellen prozessrechtlichen Einwände gegen die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte in der GmbH können daneben freilich auf die AG übertragen werden (oder wurden teilweise sogar im Aktienrecht entwickelt), lassen sich aber auch hier aus den genannten Gründen überwinden.54 1. Satzungsstrenge und ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Eine andere rechtliche Ausgangslage bietet sich in der AG besonders im Hinblick auf den in § 23 Abs. 5 AktG geregelten Grundsatz der Satzungsstrenge. Um die Verkehrsfähigkeit der Aktien zu sichern, sollen sich auch zukünftige Aktionäre darauf verlassen können, dass die Satzung der AG keine überraschenden Regelungen enthält.55 Nach § 23 Abs. 5 AktG darf die Satzung einer AG daher nur insoweit von den Vorschriften des AktG abweichen, als dies ausdrücklich gesetzlich zugelassen ist. Nun schreibt aber § 246 Abs. 3 S. 1 AktG für Beschlussmängelklagen die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft vor, sodass zumindest satzungsmäßig vereinbarte Schiedsverfahren nach traditioneller Auffassung eine unzulässige Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften und damit einen Verstoß gegen das Gebot aus § 23 Abs. 5 AktG darstellen.56 Diese Ansicht setzt voraus, dass dem Aktionär in jedem Fall der Weg zu den staatlichen Gerichten garantiert werden sollte. Dagegen lässt sich aber – parallel zur Argumentation im GmbHRecht57 – anführen, dass § 246 Abs. 3 AktG ohnehin nur greift, wenn staatliche 53 Zur dogmatischen Einordnung und den Voraussetzungen im Einzelnen siehe daher erst unten § 11 A. IV. 54 Vgl. dazu oben § 8 B. I. 1. 55 Grigoleit/Vedder, AktG, § 23 Rn. 36. 56 MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 246 Rn. 33; Hölters/Englisch, AktG, § 246 Rn. 62; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 246 Rn. 18; Spindler/Stilz/Dörr, AktG, § 246 Rn. 10; MünchHdB GesR IV/Austmann, § 42 Rn. 11; K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 537 f.; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 282 f.; K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (128 f.); Reichert, in: FS Ulmer, S. 511 (530 f.); Heskamp, RNotZ 2012, 415, 424 f. 57 Vgl. oben § 8 B. I. 1. a).
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Gerichte überhaupt zuständig sind, die Norm im Gegenzug aber keine Aussage über die Statthaftigkeit von Schiedsverfahren auf dem Gebiet treffen kann und will.58 Etwas anderes kann sich auch nicht aus der Kombination mit dem Grundsatz der Satzungsstrenge ergeben. Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht zu der Frage geäußert. Aus dem Schweigen des BGH in der Entscheidung von 2009 darf aber keinesfalls geschlossen werden, er sei gegen die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte in der AG.59 2. Prozessrechtliche Einwände Wird also richtigerweise in der Satzungsstrenge kein Hindernis für Schiedsverfahren in der AG gesehen,60 stellt sich ein weiteres Problem praktischer bzw. prozessualer Natur. Die vom BGH an gesellschaftsrechtliche Schiedsklauseln über Beschlussmängelklagen gestellten Mindeststandards müssen auch auf die AG angewendet werden.61 Sie wurden schließlich entwickelt, um die Rechtskrafterstreckung gem. § 248 Abs. 1 S. 1 AktG zu rechtfertigen; dieses Bedürfnis besteht im Recht der AG grundsätzlich in gleicher Weise. Die Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen stellt den Rechtsanwender in der AG aber vor besondere Schwierigkeiten. Die Zustimmung aller Aktionäre kann nach vorzugswürdiger Auffassung zwar auch in der AG in Form einer satzungsmäßigen Schiedsklausel eingeholt werden. Problematischer sind die vom BGH geforderte Information aller Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung und die Eröffnung von Beteiligungsmöglichkeiten an Schiedsrichterbenennung und Verfahren. Ein Verfahren, in dem die Rechte aller Aktionäre in dem von BGH geforderten Ausmaß garantiert werden, scheint zwischen dem unüberschaubar großen und anonymen Kreis von Aktionären in der börsennotierten AG (§ 3 Abs. 2 AktG) tatsächlich nur schwer vorstellbar. Das Schiedsverfahren ist konzeptuell nicht als „Massenverfahren“ ausgelegt.62 Im staatlichen Verfahren gelten diese strengen Anforderungen nicht; so kann der Vorstand
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Vgl. Habersack BB 2003, Heft 33, I; Habersack, JZ 2009, 797, 798 f.; Habersack/ Wasserbäch, AG 2016, 2, 9; Borris, NZG 2010, 481, 482 f.; Saenger/Splittgerber, DZWiR 2010, 177, 181 f.; von Hase, BB 2011, 1993, 1994 f.; Schröder, Schiedsgerichtliche Konfliktbeilegung, S. 134 ff.; Papmehl, Schiedsfähigkeit, S. 102 ff.; MünchHdB GesR VII/ Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 9 ff.; Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 Rn. 9; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 4 Rn. 4. 59 So ausdrücklich Goette, GWR 2009, 103, 105. 60 Auch ein Großteil der Autoren, die in einer satzungsmäßigen Schiedsklausel einen Verstoß gegen § 23 Abs. 5 AktG sehen, hält zumindest eine Schiedsvereinbarung mittels satzungsbegleitender Nebenabrede zwischen allen Aktionären für zulässig und kommt daher zum selben Problem, vgl. z.B. K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (128 f.); Spindler/Stilz/Dörr AktG, § 246 Rn. 11; Hölters/Englisch, AktG, § 246 Rn. 63; Heskamp, RNotZ 2012, 415, 425. 61 Vgl. nur Borris, NZG 2010, 481, 483; Otto, ZGR 2019, 1082, 1107. 62 Borris, NZG 2010, 481, 486; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 92.
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seiner Informationspflicht über die Klageerhebung durch schlichte Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern nachkommen, vgl. § 246 Abs. 4 S. 1 AktG. Nach fast einhelliger Auffassung kommt ein Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten (mit Einhaltung der BGH-Mindeststandards) daher nur in kleinen (insbesondere nicht börsennotierten) AGs in Betracht.63 Bemerkenswert ist, dass diese Argumente gegen die Statthaftigkeit von Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten in börsennotierten Aktiengesellschaften nicht (primär) in gesetzlichen Hindernissen wurzeln, sondern ausschließlich in der fehlenden Übertragbarkeit richterrechtlicher Grundsätze, die im Recht der GmbH entwickelt wurden. Dies beruht aber auf der – freilich nicht unbestreitbaren – Prämisse, dass die Gleichwertigkeitskautelen des BGH tatsächlich ohne Modifikation auf die (börsennotierte) Aktiengesellschaft anzuwenden sind. Gewiss müsste auch in der börsennotierten Aktiengesellschaft ein Schiedsspruch mit Rechtskrafterstreckung auf alle Aktionäre ergehen und – im Gegenzug – die Verfahrensrechte der unbeteiligten Aktionäre geschützt werden. Ob dabei aber tatsächlich die gleichen Maßstäbe anzulegen sind wie in der GmbH, erscheint zweifelhaft. Jüngst wurde nun auch auf dem 72. Deutsche Juristentag mit großer Mehrheit der Vorschlag angenommen, dass zukünftig „bei allen Gesellschaften (einschließlich börsennotierter Aktiengesellschaften) Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten geführt werden können“ sollen.64 III. Personengesellschaftsrecht Die andere rechtliche Ausgangssituation hat dazu geführt, dass die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften nie bezweifelt wurde. Neuerdings spricht sich der BGH aber für eine Übertragung seiner Legitimationsanforderungen aus dem GmbH-Recht auch auf Personengesellschaften aus. 1. Anerkennung der Schiedsfähigkeit ohne Vorbehalt Die im Kapitalgesellschaftsrecht diskutierten Argumente gegen die Schiedsfähigkeit (im weiteren Sinn) von Beschlussmängelstreitigkeiten lassen sich grundsätzlich nicht auf das Personengesellschaftsrecht übertragen. Sie wurzeln 63 Goette GWR 2009, 103, 105; Habersack, JZ 2009, 797, 799; Borris, NZG 2010, 481, 485 f.; Borris, SchiedsVZ 2018, 242, 245; Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 748 f.; MünchHdB GesR IV/Austmann, § 42 Rn. 11; Hölters/Englisch, AktG, § 246 Rn. 63; Spindler/ Stilz/Dörr AktG, § 246 Rn. 11; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 282; a.A. MünchHdB GesR VII/Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 12, die sich für die Statthaftigkeit von Schiedsverfahren in sämtlichen Aktiengesellschaften aussprechen. 64 Abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 134; den Beschluss begrüßend Lieder, NZG 2018, 1321, 1331.
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in den Besonderheiten des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts (§§ 241 ff. AktG), das – zumindest nach überwiegender Auffassung – auf Personengesellschaften keine Anwendung findet.65 Rechtsschutz gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse von Personengesellschaften ist durch Feststellungsklage gegen die (widersprechenden) Gesellschafter zu suchen.66 In einem Schiedsverfahren stellt sich das Problem der Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs folglich nicht, da die (widersprechenden) Gesellschafter ohnehin als Verfahrensbeteiligte an den Schiedsspruch gebunden sind (§ 1055 ZPO). Da verfahrensunbeteiligte Gesellschafter dagegen nicht von der Rechtskraft betroffen sind, besteht grundsätzlich auch kein Bedürfnis, ihre Verfahrensrechte in der Schiedsklausel zu garantieren. Vor diesem Hintergrund billigen Rechtsprechung und Literatur im Recht der Personengesellschaften schon lange die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte.67 Auch im Anschluss an das „Schiedsfähigkeit-II“-Urteil des BGH wurde angenommen, dass sich die neue Rechtsprechung nicht auf Schiedsverfahren in Personengesellschaften auswirke und die geforderten Mindeststandards von Schiedsklauseln aufgrund der spezifisch kapitalgesellschaftsrechtlichen Argumentation des Gerichts grundsätzlich nicht beachtet werden müssen.68 Eine Übertragung wurde allenfalls für die Konstellation angeregt, dass die Beschlussmängelklage aufgrund einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung gegen die Gesellschaft zu richten ist, da die Gesellschafter in diesem Fall zumindest auf schuldrechtlicher Ebene an den Schiedsspruch gebunden sind.69 2. BGH Beschluss v. 6.4.2017 – „Schiedsfähigkeit III“ Wider Erwarten hat der I. Zivilsenat nun aber jüngst in Fortsetzung der „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung des II. Zivilsenats entschieden, dass die an Schiedsklauseln zu stellenden Mindestanforderungen grundsätzlich auch im Personengesellschaftsrecht gelten.70 Der Entscheidung liegt ein Antrag gem. § 1040 Abs. 3 ZPO auf gerichtliche Entscheidung über die schiedsgerichtliche Zuständigkeit zugrunde. Unter Berufung auf eine gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel wurde vor einem Schiedsgericht gegen die Wirksamkeit des 65
Siehe dazu oben § 7 A. Siehe dazu oben § 7 A. 67 OLG Hamm, DB 1992, 2180; Ebbing, NZG 1998, 281, 284; Sackmann, NZG 2016, 1041, 1042 f.; Baumbach/Hopt/Hopt, HGB, Einleitung vor § 1, Rn. 88; Mehrbrey/Löwe, HdB GesR Streitigkeiten, § 34 Rn. 50; mit anderer Begründung auch K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 538 f. 68 Siehe etwa von Hase, BB 2011, 1993, 1996; Sackmann, NZG 2016, 1041, 1043; Mehrbrey/Löwe, HdB GesR Streitigkeiten, § 34 Rn. 50. 69 Zu dieser gesellschaftsvertraglichen Gestaltung oben § 7 A.; befürwortend Sackmann, NZG 2016, 1041, 1044; MünchHdB GesR VII/Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 41. 70 BGH NJW-RR 2017, 876 („Schiedsfähigkeit III“). 66
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Beschlusses über den Gesellschafterausschluss in einer Kommanditgesellschaft geklagt. Die beklagten Gesellschafter rügten die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Das in der Vorinstanz befasste OLG Oldenburg war – ganz auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung – noch der Ansicht, dass Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften ohne weiteres schiedsfähig seien und auch die Anforderungen des BGH an Schiedsklauseln im GmbH-Recht in Personengesellschaften nicht eingehalten werden müssen.71 Dem folgt der I. Zivilsenat nicht. Die Gleichwertigkeitskautelen seien aus den Maßstäben des § 138 BGB und des Rechtsstaatsprinzips abgeleitet worden. Insofern gelten sie „jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind“.72 Die Entscheidung verwundert insofern, als in ihr zum einen ein Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung zur schiedsgerichtlichen Feststellungsklage liegt und sie zum anderen nicht mit der Herleitung der Mindeststandards aus dem „Schiedsfähigkeit-II“-Urteil vereinbar ist.73 Grund für die erhöhten Anforderungen an Schiedsklauseln in Kapitalgesellschaften ist, dass ein Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten laut BGH nur zweckmäßig ist, wenn sich die Rechtskraft des Schiedsspruchs entsprechend § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auf alle Gesellschafter erstreckt und der Rechtsstreit so endgültig beendet ist; im Gegenzug müssen aber die Rechte der verfahrensunbeteiligten Gesellschafter gewahrt werden.74 Wie erwähnt, stellt sich dieses Problem bei Personengesellschaften aber nicht, da der Beschlussmängelstreit in Ermangelung einer abweichenden gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung (eine solche lag auch im dem Beschluss zugrunde liegenden Fall nicht vor) mittels Feststellungsklage zwischen den Gesellschaftern auszutragen ist.75 Die Rechtskraft des Urteils (bzw. des Schiedsspruchs) trifft nur die am Verfahren beteiligten Gesellschafter. Dementsprechend hatte der BGH noch im Jahr 2015 entschieden, dass selbst in einer GmbH bei Feststellungsklagen in Zusammenhang mit Gesellschafterbeschlüssen die Mindestanforderungen zur Wirksamkeit der Schiedsklauseln nicht eingehalten werden müssen, da der Schiedsspruch nur
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OLG Oldenburg, Beschluss v. 1.3.2016, Az. 8 SchH 2/16, BeckRS 2016, 120213. BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 26. 73 In der Literatur ist die Entscheidung daher fast einhellig auf Ablehnung gestoßen, vgl. Borris, NZG 2017, 761, 763 ff.; Bryant, SchiedsVZ 2017, 196, 197; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993, 1995 ff.; Göz/Peitsmeyer, SchiedsVZ 2018, 7, 11 ff.; Nolting, ZIP 2017, 1641, 1642 ff.; Römermann, GmbHR 2017, 761, 762; Heinrich, ZIP 2018, 411, 413 f.; Kilian, WuB 2018, 157, 158 f.; Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (44); Schäfer, in: FS Schmidt, Bd. II, S. 323; Otto, ZGR 2019, 1082, 1108 f.; Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 841; Saenger/Eberl/Eberl, § 1030 ZPO, Rn. 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 119 Rn. 20; Oetker/Lieder, HGB, § 119 Rn. 76. 74 Siehe dazu oben § 8 B. I. 2. 75 Vgl. dazu oben § 7 A. 72
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die Verfahrensbeteiligten binde.76 Wenn der I. Zivilsenat nun ausführt, dass die Kommanditisten der KG „ebenso wie die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung vor Benachteiligung und Entziehung des notwendigen Rechtsschutzes bewahrt werden [müssen]“, kehrt er en passant die Herleitung der Mindeststandards des II. Zivilsenats unter den Tisch.77 Stringent wäre die Gleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften allenfalls dann, wenn damit, wie inzwischen vielerseits gefordert,78 zugleich die Anwendbarkeit des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts auf Personengesellschaften erklärt würde. Ob eine so weitreichende Entscheidung durch – stillschweigende – richterliche Rechtsfortbildung getroffen werden sollte, darf freilich bezweifelt werden.79 Begrüßt wird das Ergebnis jedenfalls von den Autoren, die sich schon lange für eine Übertragung des kapitalgesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrechts auf die Personengesellschaften aussprechen.80 Auch wenn in der Praxis eine Vielzahl von Schiedsklauseln in Personengesellschaften von Unwirksamkeit bedroht sein könnte, ändert die Entscheidung jedenfalls nichts an der generellen Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Personengesellschaftsrecht.81
§ 9 Die Rechtslage in Italien § 9 Die Rechtslage in Italien
Im Folgenden wird die Frage der Schiedsfähigkeit (compromettibilità in arbitri) von Beschlussmängelstreitigkeiten in italienischen Handelsgesellschaften beleuchtet. Die Bestimmung der Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten ruft die Auseinandersetzung mit zwei Normen auf den Plan: der allgemeinen Vorschrift des Art. 806 c.p.c. und der gesellschaftsrechtlichen Regelung des Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003. Daher muss zunächst untersucht werden, in welchen Fällen sich die Schiedsfähigkeit nach dem ordentlichen Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) richtet und in welchen Fällen das spezielle gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahrensrecht (Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003) Vorrang hat. Sodann soll abstrakt geklärt werden, nach welchen Kri-
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BGH NZG 2015, 1242 Rn. 15 f. Bryant, SchiedsVZ 2017, 196, 197; Nolting, ZIP 2017, 1641, 1644; Heinrich, ZIP 2018, 411, 413 f.; Kilian, WuB 2018, 157, 159; Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (42 ff.). 78 Siehe hierzu oben § 7 A. 79 Nolting, ZIP 2017, 1641, 1645; Borris, NZG 2017, 761, 765; Schlüter, DZWiR 2018, 251, 258. 80 Wenngleich mit Zweifeln K. Schmidt, NZG 2018, 121, 126. 81 Inwiefern die Mindeststandards tatsächlich sinnvollerweise auf Personengesellschaften übertragen werden können, bleibt noch zu klären, siehe dazu unten § 11 B IV. 77
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terien im italienischen Schiedsverfahrensrecht entschieden wird, ob eine Streitigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden kann, um sie einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Schließlich bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit Beschlussmängelstreitigkeiten von Handelsgesellschaften nach italienischem Recht diese Kriterien erfüllen und demnach einem Schiedsgericht zur Entscheidung übertragen werden können. A. Vorbemerkung zum anwendbaren Recht: allgemeines Schiedsverfahrensrecht der Zivilprozessordnung vs. gesellschaftsrechtliche Sondervorschriften der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Die Suche nach dem Verhältnis von Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 zu Artt. 806– 840 c.p.c.82 wirft einige der schwierigsten und wohl am meisten diskutierten Fragen auf dem Gebiet des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens nach italienischem Recht auf. Die Regelungskomplexe sind schlecht aufeinander abgestimmt, gesetzliche Kollisionsnormen fehlen völlig. Da die anwendbaren Verfahrensvorschriften bei einem gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 auf der einen und einem allgemeinen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung auf der anderen Seite zum Teil stark voneinander abweichen, kann eine Abgrenzung der anwendbaren Vorschriften nicht unterbleiben. Wichtige Unterschiede ergeben sich vor allem bei der Schiedsrichterernennung83 und den Beteiligungsmöglichkeiten Dritter84 am Schiedsverfahren. Für die Untersuchung ist zunächst nur das abstrakte Verhältnis der Normen zueinander von Interesse. Davon zu trennen sind zwei weitere Problemfelder, namentlich die Frage, ob Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 innerhalb ihres Anwendungsbereichs zwingendes Recht darstellen oder durch entsprechende Regelungen abbedungen werden können (Sperrwirkung innerhalb des Anwendungsbereichs),85 sowie die Frage, ob ein Schiedsverfahren aufgrund der Wertungen der Verordnung ausnahmsweise außerhalb des Anwendungsbereichs auszuschließen ist und demnach nicht nach allgemeinem Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) durchgeführt werden darf (Sperrwirkung außerhalb des Anwendungsbereichs)86. 82 Die maßgeblichen Normen sind im Anhang 1 in italienischer Originalfassung und deutscher Übersetzung abgedruckt. 83 Nach Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 müssen die Schiedsrichter durch einen außenstehenden Dritten ernannt werden, vgl. dazu unten § 14 B. II. Im allgemeinen Schiedsverfahren behalten die Parteien das Recht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. 84 Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 sieht weitreichende Beteiligungsrechte vor, vgl. dazu unten § 16 B. 85 Relevanz erlangt diese Frage insbesondere in Gegenwart einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel, die entgegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 die klassische Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien vorsieht, dazu unten § 12 A. V. 86 Dazu unten § 9 A. II. 1. b).
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Im Zuge der Reform des Schiedsverfahrensrechts im Jahr 200687 wurde Art. 806 c.p.c. zwar an Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 angepasst. Dennoch muss auch heute noch eine Abgrenzung der Normen erfolgen. Zum einen verbleiben auch in Hinblick auf die Bestimmung der Schiedsfähigkeit Unterschiede. Insbesondere enthalten die Art. 34 ff. d.lgs. n. 5/2003 weitere Einschränkungen, aber auch wichtige (implizite) Erweiterungen des Kreises der schiedsfähigen Streitigkeiten. Zum anderen finden sich in Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 besondere Anforderungen an die Schiedsklausel und das Schiedsverfahren.88 Nach allgemeiner Ansicht enthält Titel V der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Sondervorschriften im Verhältnis zum allgemeinen Schiedsverfahrensrecht der Zivilprozessordnung, die als leges speciales innerhalb ihres Anwendungsbereichs Vorrang haben.89 Unklar ist allerdings, ob die Vorschriften über das Schiedsverfahrensrecht in der Zivilprozessordnung daneben ergänzend angewendet werden können. Der Verordnungsgeber nimmt zwar anscheinend an, mit Titel V der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ein in sich geschlossenes gesellschaftsrechtliches Schiedsverfahrensrecht geschaffen zu haben.90 Davon kann aber bis heute keine Rede sein. Die Einzelheiten des Schiedsverfahrens sind in Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 nur fragmentarisch geregelt. Teilweise finden sich ausdrückliche Verweise ins allgemeine Schiedsverfahrensrecht.91 An anderen Stellen bleiben die Sonderregelungen des Titel V gänzlich lückenhaft. Es führt daher kein Weg daran vorbei, die Regelungen der Zivilprozessordnung (Artt. 806–840 c.p.c.) auf Schiedsverfahren innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung ergänzend anzuwenden, soweit sich aus der Verordnung nichts anderes ergibt.92 Zur Abgrenzung der Normenkomplexe wird im Folgenden untersucht, wann der Anwendungsbereich der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 eröffnet ist. Ist dies nicht der Fall, finden grundsätzlich die allgemeinen Artt. 806–840 c.p.c. Anwendung. Nach Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 kann der Gründungsakt (atto costitutivo) einer Gesellschaft, mit Ausnahme der Gesellschaften i.S.v. Art. 2325-bis c.c., die am Risikokapitalmarkt teilnehmen, mittels Schiedsklau-
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Siehe oben § 3 B. II. Dazu unten § 12 und Kap. 5. 89 Vgl. Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1286; E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 529; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 1, S. 556 f.; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.1, S. 1156. 90 Vgl. dazu die Begründung der Verordnung, abgedruckt in: Vietti (Hrsg.), La riforma del diritto societario, S. 89, 96 („una compiuta species arbitrale“). 91 Siehe etwa den Verweis in Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 auf Art. 820 Abs. 2 c.p.c. 92 Bove, Giustizia privata, S. 321; dafür sprach auch die Regelung des – inzwischen von der schrittweisen Abschaffung der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 betroffen (vgl. oben § 3 B. III. 1.) – Art. 1 Abs. 4, wonach die Zivilprozessordnung auf die in der Verordnung geregelten Verfahren ergänzend anwendbar war, soweit sich aus der Verordnung kein anderes ergab. 88
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sel vorsehen, dass bestimmte oder sämtliche Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft, die verfügbare Rechte mit Bezug zu Gesellschaftsverhältnis (rapporto sociale) zum Gegenstand haben, einem Schiedsgericht übertragen werden. I. Sachlicher Anwendungsbereich des Schiedsverfahrensrechts nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Zur Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs knüpft die Gesetzesverordnung in erster Linie an den Regelungsort der Schiedsvereinbarung an. Daneben wird auch ein Bezug der Streitigkeit zum Gesellschaftsverhältnis verlangt. Bei diesem Kriterium handelt es sich allerdings eher um eine Frage der objektiven Reichweite der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel. 1. Regelungsort der Schiedsvereinbarung Die Verordnung erfasst nur solche Schiedsvereinbarungen, die im Gründungsakt der Gesellschaft (atto costitutivo) bzw. in der Satzung enthalten sind.93 Schiedsverträge, die erst aus Anlass einer bereits entstandenen Streitigkeit geschlossen werden (Art. 807 c.p.c.), fallen nicht in den Anwendungsbereich der Sondervorschriften. Entscheiden sich etwa alle Gesellschafter eines Familienunternehmens erst bei Aufkommen von Zweifeln an der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zur Übertragung der Streitigkeit auf ein Schiedsgericht, so findet auf Schiedsvereinbarung und -verfahren allgemeines Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) Anwendung.94
93 Die Überschrift des Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 spricht von satzungsmäßigen Schiedsklauseln (clausole compromissorie statutarie); in der Vorschrift selbst wird der Gründungsakt (atto costitutivo) als Regelungsort der Schiedsvereinbarung genannt. Seit der Gesellschaftsrechtsreform von 2003 werden die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen, die die innergesellschaftlichen Beziehungen regeln in der s.p.a. als statuto bezeichnet (Teil des Gründungsakts, vgl. Art. 2328 Abs. 3 c.c.), in der s.r.l. als atto costitutivo (vgl. Art. 2463 Abs. 2 c.c.). Diese terminologische Unterscheidung wird in der Literatur (und sogar vom Gesetzgeber) aber nicht strikt eingehalten; oft werden die Begriffe synonym verwendet, vgl. Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 2, S. 559. Es ist daher irrelevant, ob die Schiedsklausel einer s.p.a. in die Satzung oder in den Gründungsakt selbst aufgenommen wird, vgl. Sangiovanni, Notariato 2010, 393, 398. 94 Sali, Nuova giur. civ. comm. 2004, II, 114, 116.
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Vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind ferner Schiedsvereinbarungen, die in Gesellschaftervereinbarungen (patti parasociali)95 aufgenommen werden.96 Das folgt nicht nur aus dem (insoweit) eindeutigen Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003, sondern auch aus dem Umstand, dass an diese Abreden nur die teilnehmenden Gesellschafter gebunden sind, an die satzungsmäßige Schiedsklausel dagegen sämtliche Gesellschafter aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Gesellschaft.97 Schiedsverfahren, die durch eine Gesellschaftervereinbarung legitimiert werden, richten sich also nach den allgemeinen Vorschriften der Artt. 806–840 c.p.c. Die Anknüpfung an den Regelungsort der Schiedsvereinbarung zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 wird in der Literatur teilweise kritisiert. Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung innergesellschaftlicher Schiedsverfahren je nach dem Regelungsort der Schiedsvereinbarung sei es vorzugswürdig, die Anwendung der Sondervorschriften allein von der (innergesellschaftlichen) Natur der Streitigkeit abhängig zu machen.98 Dagegen lässt sich einwenden, dass Verfahren, die aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel durchgeführt werden, gerade wegen ihres Regelungsortes potentiell eine Vielzahl von Interessen berühren können und daher das Eingreifen der Schutzmechanismen der Artt. 34 ff. d.lgs. n. 5/200399 in besonderem Maße geboten ist. Die Regelungen der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 sind auf die spezifischen Bedürfnisse des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrens zugeschnitten. Selbstverständlich können Schiedsvereinbarungen auch in anderen Dokumenten – insbesondere in den bereits erwähnten Gesellschaftervereinbarungen (patti parasociali)100 – enthalten sein oder erst aus Anlass einer Streitigkeit geschlossen werden. Insoweit entfaltet Art. 34
95 Dabei handelt es sich um Verträge zwischen mehreren (oder allen) Gesellschaftern außerhalb der Satzung, in denen sich die Gesellschafter zu einem bestimmten Verhalten verpflichten (z.B. ein Stimmbindungsvertrag), vgl. Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 30; Sauter, Mitveräußerungspflichten, S. 263 ff.; Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, I.16. (S. 50). 96 Trib. Pescara, 19.10.2009, Notariato 2010, 393; Trib. Prato, 15.6.2010, Società 2010, 1504; Trib. Trieste, 6.10.2017, Giur. it. 2018, 2170; E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 523; Sangiovanni, Notariato 2010, 393, 397 f.; Tabellini, Giur. it. 2018, 2171, 2173; Alpa/Vigoriti/Cerrato, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1028; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 2, S. 557; a.A. Sali, Nuova giur. civ. comm. 2004, II, 114, 118 f.; Briguglio, in: Conciliazione e arbitrato, S. 27 (28); nicht damit zu verwechseln ist die Frage, ob eine wirksame gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel auch Streitigkeiten über die Pflichten aus der Gesellschaftervereinbarung erfasst, dazu unten § 12 A. III. 97 Sangiovanni, Notariato 2010, 393, 398. 98 Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 83. 99 Etwa die Schiedsrichterbenennung durch einen Außenstehenden gem. Art. 34 Abs. 2 (dazu unten § 12 A. III.) oder die Informationspflichten und Beteiligungsmöglichkeiten der Mitgesellschafter nach Art. 35 (dazu unten § 14 B. I. und § 16 B.). 100 Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 30.
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Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 keine Sperrwirkung.101 Es wäre aber nicht gerechtfertigt, in dieser Konstellation den Regelungskomplex der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 anzuwenden. Wie sich im Laufe der Untersuchung noch zeigen wird, schränken die Vorschriften die privatautonomen Regelungsmöglichkeiten tendenziell stärker ein als das allgemeine Schiedsverfahrensrecht, um allen Gesellschaftern ein hohes Schutzniveau zu sichern. Das ist nicht gerechtfertigt, wenn sich nur einzelne Gesellschafter (und die Gesellschaft) außerhalb der Satzung auf die schiedsgerichtliche Beilegung ihrer Streitigkeiten einigen.102 Diese Abrede bindet nur die (ausdrücklich) daran beteiligten Personen. Das Schiedsverfahren richten sich dann nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (Artt. 806–840 c.p.c.).103 2. Bezug zum Gesellschaftsverhältnis (rapporto sociale) Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 legt außerdem fest, dass die Streitigkeit einen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis aufweisen muss (diritti relativi al rapporto sociale). Dabei handelt es sich indes weniger um eine Frage der Anwendbarkeit der Verordnung als um eine Festlegung der objektiven Reichweite gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln.104 Weist die Streitigkeit keinen spezifischen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis auf, ist nicht (nur) die Anwendbarkeit der Sondervorschriften in Frage gestellt, die Streitigkeit wird vielmehr schlichtweg nicht von der allgemein formulierten gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel erfasst. Die Parteien können dann zwar eine Schiedsabrede aus Anlass der Streitigkeit schließen, die sich wiederum nach allgemeinem Schiedsverfahrensrecht richtet, da die Gesetzesverordnung, wie erwähnt, nur satzungsmäßige Schiedsklauseln erfasst. Eigenständige Bedeutung erlangt das Merkmal des Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 (nur) dann, wenn die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel ausdrücklich auch Streitigkeiten ohne spezifischen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis erfasst (etwa solche über die Pflichten aus einer Gesellschaftervereinbarung zwischen einzelnen Gesellschaftern). Insoweit findet allgemeines Schiedsverfahrensrecht Anwendung.105
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Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 416. Vgl. Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 577; Dalmotto, Arbitrato societario, S. 128 f. 103 Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 58 f.; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 416; Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 124 f.; vgl. Trib. Prato, 15. 6. 2010, Società 2010, 1504, zur Unanwendbarkeit des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 auf die Schiedsklausel in einer Gesellschaftervereinbarung, sowie Cass. civ., sez. I, 30.4.2018, n. 10399, Leggi d’Italia, zur Unanwendbarkeit derselben Vorschrift auf eine Schiedsabrede aus Anlasse der Streitigkeit. 104 Vgl. hierzu unten § 12 A. III. 105 Trib. Trieste, 6.10.2017, Giur. it. 2018, 2170, 2171. 102
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II. Persönlicher Anwendungsbereich des Schiedsverfahrensrechts nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Zu untersuchen bleibt, auf welche Gesellschaftsformen die Verordnung Anwendung findet. Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 trifft hierzu keine konkrete positive Aussage. Der ursprüngliche Vorschlag, die neuen Vorschriften nur auf die s.r.l. anzuwenden, hat im Verordnungstext jedenfalls keinen Niederschlag gefunden.106 Den einzigen Anhaltspunkt enthält die Vorschrift des Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003, wonach die Gründungsakte „der Gesellschaften“ Schiedsklauseln enthalten können. Darunter fallen nach italienischem Verständnis grundsätzlich nur diejenigen Verbände, die im V. Titel des 4. Buchs des Codice civile geregelt sind („Delle società“).107 Gleichwohl ist der Begriff zur Bestimmung des Anwendungsbereichs der Verordnung weiter auszulegen. So wird nach der italienischen Rechtsprechung etwa auch die Genossenschaft (Artt. 2511–2545 c.c.) von den Regelungen erfasst.108 Nicht anwendbar ist das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren dagegen auf Kartelle (Artt. 2602–2617 c.c.), sofern sie nicht gem. Art. 2615-ter c.c. als Handelsgesellschaft gegründet wurden.109 1. Ausschluss großer Aktiengesellschaften Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 schließt ausdrücklich die Gesellschaften, die sich gem. Art. 2325-bis c.c. des Risikokapitalmarktes bedienen, vom Anwendungsbereich des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens aus. Darunter fallen insbesondere die sogenannten offenen Aktiengesellschaften.110 Diese Einschränkung war in der Ermächtigungsnorm noch nicht vorgesehen. Wegen dieser (angeblichen) Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung sowie einer Ungleichbehandlung der Aktionäre offener Aktiengesellschaften auf der einen und kleiner Aktiengesellschaften (die nicht unter Art. 2325-bis c.c. fallen) auf der anderen Seite wird die Norm in der Literatur vereinzelt für verfassungswidrig gehalten.111 Welches Motiv den Gesetzgeber zum Ausschluss der offenen Aktiengesellschaften aus dem Anwendungsbereich der Verordnung bewogen hat, ist unklar. Überwiegend wird der Zweck der Norm primär im Schutz der Privatanleger 106
Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 1.3, S. 329 f. Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 5 f. 108 Trib. Verona, 27.9.2004, Giur. mer. 2005, I, 91. 109 Cass. civ., sez. VI, 22.9.2017, n. 22233, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. VI, 31.10.2018, n. 27736, Leggi d’Italia. 110 Daneben können auch die Genossenschaften auf Aktien unter die Norm fallen und vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sein, vgl. Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 334. Da sie aber nicht zu den italienischen Gesellschaften zählen (vgl. Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 6), werden sie in dieser Darstellung nicht berücksichtigt. 111 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1291; Salvaneschi, in: Arbitrato, ADR, S. 201 f.; der Verfassungsgerichtshof hat bisher nicht die Gelegenheit, über diese Frage zu entscheiden. 107
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gesehen, die häufig Aktien offener Aktiengesellschaften als reine Vermögensanlage kaufen.112 Für sie sei es besonders schwierig, vor dem Kauf (meist über einen Finanzintermediär) in Erfahrung zu bringen, ob sich in der Satzung der Gesellschaft eine Schiedsklausel befindet. Von einer freiwilligen Unterwerfung unter die Schiedsklausel könne daher keine Rede sein. Anteile kleiner Aktiengesellschaften würden dagegen hauptsächlich von professionellen Anlegern erworben, die über die erforderlichen Mittel verfügen, um von einer Schiedsklausel Kenntnis zu erhalten.113 Diese Begründung erscheint allerdings zweifelhaft. Sie basiert auf dem mittlerweile überholten Gedanken, das Schiedsverfahren biete im Vergleich zum staatlichen Verfahren minderwertigen Rechtsschutz.114 Wer die Schiedsgerichtsbarkeit als gleichwertiges Rechtsschutzsystem ansieht, muss auch Privatanleger nicht vor ihr schützen. Außerdem zeigt sich in der Unkenntnis der Privatanleger einer Schiedsklausel bloß die typische Informationsasymmetrie des Kapitalmarktes, deren Ausgleich primär Aufgabe kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutzmechanismen ist (z.B. durch die zwingende Information über Schiedsklausel als Mindestinhalt des Prospekts).115 a) Definition der ausgeschlossenen Aktiengesellschaften Nach der Legaldefinition des Art. 2325-bis Abs. 1 c.c. sind unter „Gesellschaften, die sich des Risikokapitalmarktes bedienen“ diejenigen Aktiengesellschaften zu verstehen, die in geregelten Märkten notiert sind oder deren Aktien in der Öffentlichkeit in einem relevanten Maß verbreitet sind. Schwierigkeiten bereitet besonders die zweite Alternative des Art. 2325-bis Abs. 1 c.c. Zur Bestimmung des erforderlichen Ausmaßes der Verbreitung der Aktien bedient sich der Gesetzgeber einer komplexen Kettenverweisung: Art. 111-bis Abs. 1 disp. att. c.c. verweist auf Art. 116 des Einheitstextes über den Finanzmarkt (T.U.F.)116, der die Begriffsbestimmung schließlich der italienischen Börsenaufsichtsbehörde Consob117 überantwortet. Eine Definition findet sich in der Consob-Verordnung n. 11971/1999 (Regolamento emittenti,
112
Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 707; Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 126 f.; Boggio, Giur. it. 2018, 1942, 1943; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 6.1, S. 1191 ff.; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 1, S. 249 f.; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 105. 113 Vgl. Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 126 f. 114 Dazu oben § 4 B. 115 In diese Richtung auch Sangiovanni, Riv. arb. 2007, 313, 320 ff.; Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 340. 116 Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria (d.lgs. n. 58/1998). 117 Näheres zur Commissione nazionale per le società e la borsa in Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, XII.4. (S. 438 ff.).
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
R.E.)118, die im Laufe der Jahre mehrfach abgeändert wurde. Es stellt sich daher die Frage, ob der Verweis in Art. 111-bis Abs. 1 disp. att. c.c. statisch oder dynamisch zu verstehen ist.119 Die Auslegung als statischen Verweis führt zu dem Ergebnis, dass die Consob durch eine zukünftige Änderung der Definition auch für die Vergangenheit auf den Anwendungsbereich aktienrechtlicher Vorschriften einwirken kann – und so Entscheidungen trifft, die eigentlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen.120 Klarheit hat schließlich eine Änderung des Art. 111-bis Abs. 1 disp. att. c.c. im Jahr 2012 geschaffen. Durch Art. 3 d.lgs. n. 184/2012 wurde im Verweis von Art. 111-bis Abs. 1 disp. att. c.c. auf Art. 116 T.U.F. der Beisatz „in der Fassung vom 1. Januar 2004“ gestrichen. Daraus muss geschlossen werden, dass die Norm seit 2012 als dynamischer Verweis auf die jeweils gültige Fassung des R.E. auszulegen ist, zuvor aber als statischer Verweis zu verstehen war.121 Nach der heutigen Fassung des Art. 2-bis Abs. 1 R.E. ist das erforderliche Ausmaß der Verbreitung der Aktien einer s.p.a. grundsätzlich beim Vorliegen zweier kumulativer Voraussetzungen erreicht, die auf die Anzahl der Aktionäre und auf die Größe des Unternehmens zielen. Die s.p.a. muss erstens ohne Mehrheitsaktionäre aus mehr als 500 Gesellschaftern bestehen, die gemeinsam einen Anteil von mindestens 5 % am Gesellschaftskapital halten. Zweitens darf die s.p.a. nicht zu den Gesellschaften zählen, die nach Art. 2435-bis c.c. zur Abfassung eines verkürzten Jahresberichts berechtigt sind; es dürfen also nicht die in der Vorschrift genannten Höchstgrenzen an Aktivvermögen (4,4 Millionen EUR), Erlöse aus Verkäufen und Leistungen (8,8 Millionen EUR) und durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten in einem Geschäftsjahr (50) überschritten werden.122 Außerdem sollen nur diejenigen Aktiengesellschaften erfasst werden, die sich willentlich bzw. zumindest wissentlich des Risikokapitalmarktes bedienen.123 Um dies sicherzustellen, enthält Art. 2-bis Abs. 2 R.E. Anforderungen an die Art der Ausgabe oder des Handels der Aktien.124
118
Abrufbar unter www.consob.it (Abrufdatum: 16.11.2019). Vgl. dazu Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (215 f.); Abbadessa/Portale/ Campobasso/Sciuto, s.p.a., Art. 2325-bis, Ziff. 6, S. 143 f. m.w.N. 120 So Abbadessa/Portale/Campobasso/Sciuto, s.p.a., Art. 2325-bis, Ziff. 6, S. 143 f. 121 Trib. Catania, 18.7.2013, Giur. comm. 2014, II, 85; Abbadessa/Portale/Campobasso/ Sciuto, s.p.a., Art. 2325-bis, Ziff. 6, S. 144. 122 Diese Grenzen entsprechen in etwa der Definition kleiner Kapitalgesellschaften nach § 267 Abs. 1 HGB. 123 Vgl. Abbadessa/Portale/Campobasso/Sciuto, s.p.a., Art. 2325-bis, Ziff. 6, S. 143 f. 124 Die Aktien müssen entweder (1) Gegenstand eines öffentlichen Übernahme- oder Tauschangebots oder (2) eines Platzierungsgeschäfts gewesen sein oder (3) in außerbörslichen multilateralen Handelssystemen oder (4) im Wege des OTC-Handels gehandelt werden. 119
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Nach Art. 2-bis Abs. 3 R.E. sind schließlich Gesellschaften ausgenommen, deren Aktien gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen unterliegen oder deren Gesellschaftszweck in der Ausübung einer nichtgewerblichen Tätigkeit liegt. Die schiedsgerichtliche Streitbeilegung ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft selbst die Kriterien der Vorschrift erfüllt. Ist die Gesellschaft Teil eines Konzerns, steht dem innergesellschaftlichen Schiedsverfahren nicht entgegen, dass ihre Muttergesellschaft eine große Aktiengesellschaft im Sinne von Art. 2325-bis Abs. 1 c.c. ist, sofern sie selbst unter der Schwelle der Vorschrift bleibt.125 b) Sperrwirkung für das ordentliche Schiedsverfahren Aus Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 geht nicht klar hervor, ob nur das besondere gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahrensrecht (Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003) auf offenen Aktiengesellschaften keine Anwendung finden soll, oder ob der Ausschluss darüber hinaus auch Sperrwirkung für das ordentliche Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) entfaltet und Schiedsklauseln über innergesellschaftliche Streitigkeiten in diesen Gesellschaften generell nichtig sind. Teilweise wird behauptet, offene Aktiengesellschaften können Schiedsklauseln in ihre Satzung aufnehmen, die sich nach allgemeinem Schiedsverfahrensrecht richten.126 Mit dem Zweck der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 lässt sich diese Auffassung freilich kaum vereinbaren. Im Vergleich zum ordentlichen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung bietet das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten ein höheres Schutzniveau für (Minderheits-)Gesellschafter.127 Wenn sogar das Verfahren nach der Verordnung in großen Aktiengesellschaften – nach überwiegender Ansicht zum Schutz der Privatanleger – unstatthaft ist, muss ein Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung folglich erst recht ausgeschlossen sein. Der Zweck des Ausschlusses offener Aktiengesellschaften würde bei einem Rückgriff auf das allgemeine Schiedsverfahren völlig unterlaufen.128 Es ist daher anzunehmen, dass Schiedsklauseln über Beschlussmängelklauseln in diesen Gesellschaften stets nichtig sind.129 125
Trib. Milano, 18.1.2018, Giur. it. 2018, 1941, 1942; gegen eine entsprechende Anwendung des Ausschlusses in Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 spricht, dass die Gesellschafter in diesem Fall nicht in gleichem Maße schutzbedürftig sind, vgl. Boggio, Giur. it. 2018, 1942, 1944 f. 126 Galletto, Nuova giur. civ. comm. 2010, II, 483, 489; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 17 f.; Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 4, S. 337. 127 Man denke nur an die Informationspflichten (dazu unten § 14 B. I.) oder die Interventionsmöglichkeiten der Mitgesellschafter (dazu unten § 16 B.). 128 Donativi, L’arbitrato societario, S. 187. 129 Vgl. Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 127; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (243); Salvaneschi, in: Arbitrato, ADR, S. 201 f.; Donativi, L’arbitrato societario, S. 186 f.
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Nach überwiegender Auffassung gilt der Ausschluss nicht für Schiedsvereinbarungen, die erst aus Anlass der Streitigkeit geschlossen werden.130 Zumindest aus praktischer Sicht hilft das jedenfalls bei Beschlussmängelstreitigkeiten nicht weiter. Um die Aussetzung der Sperrwirkung zu rechtfertigen, müsste hier schließlich ein den Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 vergleichbares Schutzniveau geschaffen werden. Bei einer Gesellschaft im Sinne des Art. 2325-bis c.c. mit einem regelmäßig unüberschaubar großen Aktionärskreis wird das schon daran scheitern, dass sich nicht die Zustimmung aller Aktionäre zu dem Verfahren einholen lassen wird. c) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt Die Grenzen des Art. 2325-bis Abs. 1 c.c. können im Laufe der Zeit – etwa durch einen Börsengang (Alt. 1) oder eine Veränderung der Aktionärszahl (Alt. 2) – leicht überschritten (und ebenso unterschritten) werden. Es stellt sich dann die Frage, welcher Zeitpunkt bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs von Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 maßgeblich ist. In Betracht kommen der Moment der Aufnahme der Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag oder der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens (oder erst die Verkündung des Schiedsspruchs selbst). Gerade bei Gesellschaften, die sich größenmäßig an der Grenze der Consob bewegen, kann sich die Einordnung häufig ändern. Ein Aktionär, der gegen einen Hauptversammlungsbeschluss vorgehen möchte, kann in solchen Grenzfällen kaum beurteilen, wie die Gesellschaft im Zeitpunkt der Antragstellung zu qualifizieren ist. Verlässt er sich nun auf die satzungsmäßige Schiedsklausel und stellt einen Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens zur Überprüfung der Wirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, kann es sich ergeben, dass die Klausel inzwischen nichtig ist und er erneut Klage vor den staatlichen Gerichten erheben muss. Ein Abstellen auf den Zeitpunkt des Einfügens der Schiedsklausel würde den Vorteil höherer Rechtssicherheit bringen, da sich objektiv für die Zukunft die Anwendbarkeit der Verordnung und die Statthaftigkeit von Schiedsverfahren über innergesellschaftliche Streitigkeiten in der Gesellschaft feststellen ließe. Andererseits spricht der Schutzweck des Ausschlusses der offenen Aktiengesellschaften dafür, die Beurteilung im spätmöglichsten Zeitpunkt vorzunehmen. Auf dieser Linie wird ein Schiedsverfahren in der Literatur für unstatthaft gehalten, wenn die Schiedsklausel in eine kleine Aktiengesellschaft eingefügt wurde, vor Verfahrenseinleitung aber die Grenze des Art. 2325-bis c.c. überschritten wird.131 Aber auch im umgekehrten
130
Vgl. Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 64; Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 337 f.; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 106. 131 Bove, Giustizia privata, S. 324; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 69; Carpi/ Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 106;
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Fall (offene Aktiengesellschaft bei Einfügen der Klausel, vor Verfahrenseinleitung aber Unterschreiten der Grenze) wird ein Schiedsverfahren überwiegend für unstatthaft gehalten; die Klausel sei wegen des Verstoßes gegen Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 nichtig und kann auch nicht durch das Unterschreiten der Schwelle geheilt werden.132 In diesem Fall stehe es der Gesellschaft zudem frei, eine neue Schiedsklausel in die Satzung aufzunehmen.133 Wird die Schiedsklausel dagegen in eine kleine Aktiengesellschaft aufgenommen, die anschließend die Grenze des Art. 2325-bis c.c. überschreitet, aber vor Einleitung des Schiedsverfahrens wieder als kleine Aktiengesellschaft zu qualifizieren ist, kann zulässigerweise ein Schiedsverfahren auf Grundlage der Schiedsklausel durchgeführt werden.134 Die Schiedsklausel ist in diesem Fall also nur vorübergehend in ihrer Wirksamkeit gehemmt. Einigkeit besteht schließlich auch weitestgehend darüber, dass eine Überschreitung der Schwelle nach Einleitung des Schiedsverfahrens sich nicht auf das laufende Verfahren auswirkt.135 2. Anwendbarkeit auf Personengesellschaften Abgesehen von dem Ausschluss der offenen Aktiengesellschaften unterscheidet die Verordnung nicht nach der Gesellschaftsform. Es ist daher in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Vorschriften zumindest dem Grunde nach auch auf Personengesellschaften anwendbar sind.136 Bei einzelnen Personengesellschaften ergeben sich allerdings aus anderen Erwägungen Bedenken. a) Beschränkung auf Handelsgesellschaften Art. 12 Abs. 3 L. n. 366/2001 ermächtigt die Regierung, in Handelsgesellschaften (società commerciali) satzungsmäßige Schiedsklauseln auch in Abweichung von Artt. 806 und 808 c.p.c. zuzulassen. Ausgenommen ist demnach die
D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, S. 249 f.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (243 ff.). 132 Bove, Giustizia privata, S. 324; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 69; Carpi/ Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 106; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, S. 249 f.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (243 ff.). 133 Bove, Giustizia privata, S. 324. 134 Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 335. 135 Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 335; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 106; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 69; a.A. aber Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (246 f.). 136 Vgl. nur Trib. Salerno, 12.4.2007, Giur. comm. 2008, II, 865; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 18 f.
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einfache Gesellschaft bürgerlichen Rechts (società semplice), die auf die Ausübung einer nichtgewerblichen Tätigkeit gerichtet ist.137 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Handelsgesellschaften hat sich im Verordnungstext allerdings nicht (direkt) niedergeschlagen; dem Wortlaut nach werden alle (Personen-)Gesellschaften gleichermaßen erfasst, d.h. auch diejenigen, die auf die Ausübung einer nichtgewerblichen Tätigkeit gerichtet sind. Gestützt auf diesen (scheinbar eindeutigen) Wortlaut wird teilweise vertreten, dass die einfache Gesellschaft in den Anwendungsbereich der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 falle.138 Gewichtige Argumente sprechen aber gegen eine Erstreckung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf die einfache Gesellschaft. Bedenken ergeben sich in erster Linie aus verfassungsrechtlichen Erwägungen; so geht mit der wortlautgetreuen Auslegung (Einbeziehung der einfachen Gesellschaft) eine Überschreitung der Grenzen der Ermächtigungsgrundlage durch den Verordnungsgeber und damit ein Verstoß gegen Art. 77 Cost. einher.139 Vor diesem Hintergrund wird teilweise dafür plädiert, die Beschränkung aus der Ermächtigungsnorm im Wege einer verfassungskonformen Auslegung in die Verordnung hineinzulesen und die società semplice aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen.140 Ein Anhaltspunkt für diese Auslegung findet sich aber auch in der Verordnung selbst. Dies gilt nicht schon – wie teilweise angenommen – für Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003, wonach der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens im Handelsregister zu veröffentlichen ist.141 Schließlich ist auch die società semplice in das Handelsregister einzutragen, wenngleich der Eintragung nur deklaratorische Wirkung zukommt.142 Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 knüpft aber an das Gesellschaftskapital (capitale sociale) an, ein Institut, das der einfachen Gesellschaft fremd ist.143 Mittlerweile hat sich auch die Rechtsprechung für den Ausschluss der einfachen Gesellschaft aus dem Anwendungsbereich der Gesetzesverordnung ausgesprochen.144 137
Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 36. Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 570; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (212 f.); D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Titel V, Ziff. 7, S. 236 f.; dafür jedenfalls bis zu einer Verfassungswidrigerklärung durch den Verfassungsgerichtshof auch Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 76. 139 Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 79 f.; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 75. 140 Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 6.1, S. 1193; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 20 f.; Donativi, L’arbitrato societario, S. 21 f. 141 Näheres zu diesem Erfordernis unter f.; so aber Corapi, Riv. dir. comm. 2015, 1, 13 f. 142 Siehe dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 39; so auch D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Titel V, Ziff. 7, S. 236 f. 143 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 21. 144 App. Roma, 7.2.2013, Riv. dir. comm. 2014, II, 425; Trib. Roma, 4.7.2007, Giur. comm. 2008, II, 900. 138
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b) Fehlerhafte Gesellschaften Zweifelhaft ist, ob die Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren auch auf sog. faktische (Personen-)Gesellschaften Anwendung finden.145 Zu unterscheiden ist zwischen Gesellschaften, bei denen der Gesellschaftsvertrag durch bloßes konkludentes Verhalten geschlossen wurde (società di fatto) und solchen, bei denen zwar ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vorliegt, die (deklaratorische) Eintragung im Handelsregister aber unterblieben ist (società irregolare).146 Im ersten Fall liegt die Antwort auf der Hand: die Verordnung ist nach Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 nur auf gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln anwendbar; fehlt es schon an einem (schriftlichen) Gesellschaftsvertrages und damit auch an einer satzungsmäßigen Schiedsklausel, kann das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren von vornherein keine Anwendung finden.147 Schwieriger ist die Frage nach der Anwendbarkeit der Vorschriften auf die società irregolare. Hier liegt ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vor, in den eine Schiedsklausel aufgenommen werden kann. Der Anwendung der Verordnung steht damit – zumindest bei Gesellschaften, die eine gewerbliche Tätigkeit verfolgen – auf den ersten Blick nichts im Weg.148 Ein Anderes gilt aber dann, wenn der Anwendungsbereich auf Gesellschaften zu beschränken ist, die im Handelsregister eingetragen sind. Art. 35 d.lgs. n. 5/2003 setzt an mehreren Stellen eine Handelsregistereintragung der Gesellschaft voraus: sowohl der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens, als auch der Schiedsspruch sind im Handelsregister zu veröffentlichen. Nach der Überschrift der Norm handelt es sich dabei um „unabdingbare Verfahrensvorschriften“. In der Vorstellung des Gesetzgebers sollte ein Schiedsverfahren im Sinne der Verordnung nicht ohne Einhaltung dieser Verfahrensvorschriften durchgeführt werden, die für diesen Bereich wesensprägend sind. Fehlt es nun aber – wie bei der società irregolare – bereits an der Handelsregistereintragung der Gesellschaft, spricht vieles dafür, diese Gesellschaften schon vom Anwendungsbereich der Verordnung auszuschließen.149 Sie könnten schließlich bei Anwendung des arbitrato societario niemals die zwingenden Verfahrensvorschriften einhalten.
145
Zum Begriff siehe Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 41. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, II.2. (S. 57). 147 Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (212); Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 19; a.A. noch Trib. Trento, 8.4.2004, Riv. arb. 2004, 738. 148 Eine Anwendung der Verordnung auf die società irregolare befürworten daher etwa Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (212); Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 71. 149 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Titel V, Ziff. 7, S. 237; La China, Arbitrato, S. 322. 146
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
c) Statthaftigkeit des ordentlichen Schiedsverfahrens Auch bei den Personengesellschaften, die vom Anwendungsbereich der Gesetzesverordnung ausgeschlossen sind, stellt sich schließlich die Frage, ob auf innergesellschaftliche Streitigkeiten das ordentliche Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) Anwendung findet, oder ob das Schiedsverfahren in diesen Personengesellschaften allgemein als unstatthaft anzusehen ist. Die Interessenslage stellt sich hier anders dar als in der offenen Aktiengesellschaft.150 Anders als beim Ausschluss der offenen Aktiengesellschaft kann der Zweck der Beschränkung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf im Register eingetragene Handelsgesellschaften nämlich nicht im Schutz von Privatanlegern bzw. in den praktischen Schwierigkeiten eines Schiedsverfahrens mit großem Teilnehmerkreis gesehen werden. Die einfache Gesellschaft, sowie die nicht im Register eingetragene Handelsgesellschaft bestehen regelmäßig aus einem kleinen Gesellschafterkreis, der oft aktiv an der Geschäftsführung beteiligt ist. Es spricht folglich nichts gegen eine Beilegung innergesellschaftlicher (Beschlussmängel-)Streitigkeiten im Rahmen eines Schiedsverfahrens nach der Zivilprozessordnung.151 III. Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass schon die Bestimmung des anwendbaren Schiedsverfahrensrechts schwierige Fragen nach dem Verhältnis der Regelungskomplexe aufwirft, die in Literatur und Rechtsprechung höchst umstritten waren und bis heute nicht vollständig geklärt werden konnten. Im Laufe dieser Arbeit wird das Verhältnis der beiden Regelungskomplexe zueinander noch an mehreren Stellen von Bedeutung sein. An dieser Stelle kann schon Folgendes festgehalten werden: das besondere Verfahren nach Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 ist auf gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln in der kleinen s.p.a., der s.r.l., sowie den Personenhandelsgesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind, anwendbar. Wird die schiedsgerichtliche Streitbeilegung in diesen Gesellschaften an einer anderen Stelle vereinbart, findet das ordentliche Schiedsverfahrensrecht (Artt. 806–840 c.p.c.) Anwendung. In der einfachen Gesellschaft, sowie der società di fatto und der società irregolare richtet sich das Schiedsverfahren – unabhängig vom Regelungsort der Schiedsvereinbarung – immer nach der Zivilprozessordnung. Dagegen sind satzungsmäßige Schiedsvereinbarungen über innergesellschaftliche Streitigkeiten in offenen Aktiengesellschaften (Art. 2325-bis c.c.) nach allgemeiner Ansicht unzulässig. Anderweitige Schiedsvereinbarungen können zwar auch in diesen Aktiengesellschaften geschlossen werden, kommen bei Beschlussmängelstreitigkeiten aus praktischen Erwägungen aber kaum in Betracht. 150 151
Siehe dazu oben § 9 A. II. 1. b). Donativi, L’arbitrato societario, S. 205 f.
§ 9 Die Rechtslage in Italien
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Wichtig ist die Abgrenzung des besonderen gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens vom allgemeinen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung vor allem im Hinblick auf unterschiedlichen Verfahrensvorgaben, namentlich die Modalitäten der Schiedsrichterernennung152 und die Beteiligung Dritter153 an einem Schiedsverfahren. B. Schiedsfähigkeit nach allgemeinem und besonderem Schiedsverfahrensrecht Je nach dem anwendbaren Schiedsverfahrensrecht bestimmt sich die Schiedsfähigkeit (compromettibilità) innergesellschaftlicher Streitigkeiten nach der gesellschaftsrechtlichen Spezialregelung in Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 oder der allgemeinen Vorschrift des Art. 806 c.p.c. Im Zuge der Reform des Schiedsverfahrensrechts im Jahr 2006154 wurde Art. 806 c.p.c. an Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 angeglichen. Nach Art. 806 Abs. 1 c.p.c. a.F. durfte eine Streitigkeit einem Schiedsgericht nur dann übertragen werden, wenn sie Gegenstand eines Vergleichs sein konnte. Einen Vergleich können die Parteien nach Art. 1966 Abs. 1 c.c. schließen, wenn sie die Fähigkeit haben, über die Rechte zu verfügen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind. Mit der Reform 2006 ist die Kopplung von Schiedsfähigkeit und Vergleichsfähigkeit weggefallen. Nach Art. 806 S. 1 c.p.c. können die Parteien Schiedsrichter über die zwischen ihnen aufgetretenen Streitigkeiten, die keine unverfügbaren Rechte (diritti indisponibili) zum Gegenstand haben, entscheiden lassen, es sei denn es besteht ein gesetzliches Verbot. Auf den ersten Blick mag die Neufassung belanglos erscheinen; entscheidendes Merkmal zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit ist schließlich nach wie vor die Verfügbarkeit der strittigen Rechte. Dennoch sorgt sie für mehr Klarheit, indem alten Diskussionen über weitere Grenzen der Schiedsfähigkeit (neben der Verfügbarkeit der Rechte) ein Riegel vorgeschoben wird. Dies gilt in erster Linie für die unter altem Recht vieldiskutierte Frage, ob zur Bestimmung der Vergleichsfähigkeit i.S.v. Art. 806 Abs. 1 c.p.c. a.F. nur die entsprechende Vorschrift aus dem Zivilgesetzbuch heranzuziehen war (Art. 1966 c.c.), oder ob darüber hinaus der gesamte Abschnitt über den Vergleich (Artt. 1965–1976 c.c.) – und damit insbesondere auch die Vorschrift des Art. 1972 c.c. – in Bezug genommen wurde. Nach Art. 1972 c.c. ist ein Vergleich über einen unerlaubten Vertrag (contratto illecito) nichtig.155 Ein Vergleich über die Nichtigkeit aus sonstigen (weniger gravierenden) Gründen ist 152
Siehe dazu unten § 14 B. II. Siehe dazu unten § 16 B. 154 Siehe oben § 3 B. II. 155 Ein Vertrag ist unerlaubt, wenn sein Rechtsgrund unerlaubt ist, weil er gegen zwingende Vorschriften, die Grundwertungen der Rechtsordnung oder die guten Sitten verstößt (Art. 1343 c.c.) oder der Umgehung zwingender Vorschriften dient (Art. 1344 c.c.). Der 153
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
dagegen nur anfechtbar. Nach überwiegender Auffassung war diese Abgrenzung auf die Bestimmung der Schiedsfähigkeit zu übertragen.156 Ein unerlaubter Vertrag konnte demnach nicht zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemacht werden. Über sonstige Nichtigkeitsgründe konnte auch ein Schiedsgericht entscheiden. Seit der Reform von 2006 besteht für diese Abgrenzung kein Anhaltspunkt mehr.157 Aus der negativen Formulierung der Norm („controversie che non abbiano ad oggetto diritti indisponibili“) wird außerdem geschlossen, dass die Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit nunmehr den Regelfall darstellt, deren Vorliegen nur ausnahmsweise widerlegt werden kann.158 Auch der ältere Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 knüpfte bereits drei Jahre zuvor direkt an die Verfügbarkeit der Rechte an. Er bestimmt, dass Streitigkeiten unter den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft, die verfügbare Rechte zum Gegenstand haben, einem Schiedsgericht übertragen werden können. Diese Beschränkung der Schiedsfähigkeit auf verfügbare Rechte fand sich noch nicht in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Durch Art. 12 Abs. 3 L. n. 366/2001 wurde die Möglichkeit geschaffen, die Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten gänzlich vom Kriterium der Verfügbarkeit der betroffenen Rechte loszulösen.159 Diesen Schritt hat der Verordnungsgeber im Jahr 2003 nicht gewagt. So ergibt es sich, dass heute sowohl Art. 806 Abs. 1 c.p.c., als auch Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit an die Verfügbarkeit der Rechte anknüpfen. Daneben enthält Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 aber eine zusätzliche Einschränkung (sowie eine implizite Erweiterung) der Schiedsfähigkeit. I. Gemeinsames Merkmal: Verfügbarkeit der Rechte (diritti disponibili) Das Merkmal der Verfügbarkeit der strittigen Rechte wird auch auf anderen Gebieten des italienischen Zivil- und Prozessrechts verwendet, etwa in Art. 114 c.p.c.160, in Art. 2934 Abs. 2 c.c.161 oder in Art. 4 Abs. 2 L. n. 218/1995 (IPRG)162. Ein Blick über die Grenzen zeigt zudem, dass nicht nur die beiden hier untersuchten Rechtsordnungen zur Bestimmung der schiedsfähigen Streitigkeiten auf die Verfügbarkeit der Rechte abstellen bzw. abgestellt Vertrag ist außerdem unerlaubt, wenn sich die Parteien zum Abschluss ausschließlich aus einem gemeinsamen unerlaubten Beweggrund entschlossen haben (Art. 1345 c.c.). 156 So bereits Andrioli, Commento al c.p.c., IV, Art. 806, S. 756. 157 Chiarloni/Nela, recenti riforme, Art. 806, Ziff. 5, S. 1597; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 6, S. 22 f. 158 La China, Arbitrato, S. 45 f. 159 Bove, Giustizia privata, S. 326 f. 160 Die Entscheidung nach Billigkeit (auf Parteiantrag) erfolgt gem. Art. 114 c.p.c. nur über verfügbare Rechte. 161 Unverfügbare Rechte unterliegen nach Art. 2934 Abs. 2 c.c. nicht der Verjährung. 162 Internationale Gerichtsstandvereinbarung sind gem. Art. 4 Abs. 2 L. n. 218/1995 nur über verfügbare Rechte zulässig.
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haben (indirekt über § 1025 Abs. 1 ZPO a.F.), sondern auch in anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen an dasselbe Merkmal angeknüpft wird.163 Was aber ist unter einem verfügbaren Recht zu verstehen? Wo genau verläuft also die Grenze zwischen schiedsfähigen Streitigkeiten und solchen, die zwingend der staatlichen Gerichtsbarkeit überlassen werden müssen? Die Antwort auf diese Fragen ist leider alles andere als eindeutig. Im Bereich der Nichtigkeit eines Vergleichs unterscheidet Art. 1966 Abs. 2 c.c. zwei Arten unverfügbarer Rechte: solche, bei denen die Unverfügbarkeit gesetzlich angeordnet ist und solche, bei denen sie aus der Natur des Rechts selbst folgt. Auch wenn Art. 806 c.p.c. nicht mehr (ausdrücklich) an Art. 1966 c.c. anknüpft, wird diese Differenzierung grundsätzlich weiter auf das Schiedsverfahrensrecht übertragen.164 Probleme bereitet dabei besonders die zweite Kategorie, also die Fälle, in denen sich die Unverfügbarkeit aus der Natur des Rechts ergibt.165 Was genau darunter verstanden werden kann, ist in der italienischen Literatur bis heute höchst umstritten. Einigkeit besteht (mittlerweile) nur in Hinblick auf einige negative Abgrenzungen. 1. Negative Abgrenzungen Die Verfügbarkeit der Rechte im Sinne des Schiedsverfahrensrechts ist ein rein objektives Konzept, sodass allein auf den Inhalt des strittigen Rechtsverhältnisses abgestellt werden darf. Anerkannt ist daher, dass die etwa aus der Rechtsinhaberschaft oder einer entsprechenden Ermächtigung abzuleitende Verfügungsbefugnis der Parteien über die Rechte an dieser Stelle keine Rolle spielen kann.166 Des Weiteren darf ein unverfügbares Recht nach allgemeiner Ansicht nicht aus der Unabdingbarkeit der anwendbaren Vorschriften abgeleitet werden.167 Unabdingbar ist eine Rechtsnorm dann, wenn sie – etwa zum Schutz wichtiger Rechtsgüter – zwingend auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis Anwendung finden soll. Aus dem unabdingbaren Charakter der Norm folgt aber nicht, dass 163 Z.B. Artt. 2059, 2060 Code civil (Frankreich) oder Art. 2 Abs. 1 Ley de Arbitraje (Spanien). 164 Vgl. nur Menchini/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 4, S. 6. 165 Zucconi Galli Fonseca bezeichnet die Suche nach einer Definition der unverfügbaren Rechte als „eine der schwersten Aufgaben für den Rechtswissenschaftler“, Menchini/ Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 4, S. 6 (Freie Übersetzung des Verf.). 166 Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 28. 167 Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Licci, c.p.c., Art. 806, Ziff. 5, S. 29 f.; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 26 f.; Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 806, Ziff. IV Rn. 11; Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 6, S. 14 f.; Bove, Giustizia privata, S. 10; Verde/Verde, Arbitrato, S. 93; a.A. aber Cass. S.U., 30.6.1999, n. 369, Foro it. 2000, I, 1255, der eine internationale Schiedsklausel über den Handelsvertreterausgleich für nichtig hält, da der Anspruch nach Art. 1751 c.c. unabdingbar ist.
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die Streitigkeiten aus dem Rechtsverhältnis per se nicht schiedsfähig sind. Entscheidend ist nur, dass die Norm im Rahmen der Streitbeilegung Anwendung findet (und nicht etwa eine Billigkeitsentscheidung getroffen wird). Das kann vor einem Schiedsgericht aber ebenso gut erfolgen wie vor einem staatlichen Gericht. Sollte das Schiedsgericht unabdingbare Normen übersehen, kann der Schiedsspruch schließlich nach Art. 829 c.p.c. angefochten werden. Einigkeit herrscht in italienischer Rechtsprechung und Literatur inzwischen auch darüber, dass aus der gesetzlichen Anordnung der ausschließlichen Zuständigkeit eines bestimmten staatlichen Gerichts nicht auf die Unverfügbarkeit eines Rechtsverhältnisses geschlossen werden kann.168 Der Zweck einer gesetzlichen Vorschrift über die ausschließliche Zuständigkeit liegt darin, einem bestimmten Gericht innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit den Vorzug zu sichern. Eine Aussage über die Möglichkeit schiedsgerichtlicher Streitbeilegung ergibt sich daraus nicht.169 Schließlich folgt die Verfügbarkeit eines Rechts auch nicht aus dem vermögensrechtlichen Charakter eines Anspruchs (vgl. § 1030 Abs. 1 ZPO).170 Nicht jeder vermögensrechtliche Anspruch ist auch automatisch verfügbar im Sinne von Art. 806 c.p.c. bzw. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 (auch wenn sich die Kategorien oft überschneiden können). 2. Materiellrechtliche Theorie Auf der Suche nach einer positiven Definition der verfügbaren Rechte gibt die vorherrschende Ansicht einer materiellrechtlichen Auslegung des Begriffs den Vorzug. Sie stützt sich auf den Gedanken des Gleichlaufs von materiellrechtlicher und prozessualer Ebene: wenn die Parteien im materiellen Recht über ein bestimmtes Rechtsverhältnis nicht verfügen können, soll ihnen auch die Verfügungsbefugnis auf prozessualer Seite entzogen sein.171 Für jene Autoren, die die Zulässigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit mithilfe der privatrechtliche Theorie begründen, folgt das schon aus der Natur des Instituts selbst; durch einen Schiedsspruch dürfen schließlich keine weiterreichenden Rechtsfolgen herbeigeführt werden als durch ein Rechtsgeschäft (bzw. Vergleich) zwischen den Parteien.172 In der älteren Literatur wurde das Institut der verfügbaren Rechte konsequenterweise mit dem privatautonomen Handlungsspielraum der Parteien gleichgesetzt: verfügbar sind demnach diejenigen Rechtsverhältnisse, 168 Cass. civ., sez. III, 23.2.2006, n. 3989, Rep. Foro it. 2006, Stichwort „Arbitrato“ (n. 103); Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 27 f.; Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 6, S. 15 f. 169 Siehe zu § 246 AktG im deutschen Recht oben § 8 B. I. 1. a). 170 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 806, Ziff. IV Rn. 4; E.F. Ricci, Riv. dir. proc. 2005, 951, 955. 171 Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 5; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 29. 172 Dazu oben § 4 B.
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über die ein Rechtssubjekt im Rahmen seiner privatautonomen Handlungsfreiheit rechtsgeschäftlich tätig werden kann.173 Diese sehr abstrakte Definition führt tendenziell zu einem großen Bereich unverfügbarer Rechte: an der Verfügbarkeit – und damit der Schiedsfähigkeit – fehlt es schließlich immer dann, wenn die rechtsgeschäftliche Freiheit der Parteien – auf welche Art auch immer – eingeschränkt wird. Dazu muss ein bestimmtes Rechtsgeschäft nicht ausgeschlossen sein; es reicht schon aus, dass zwingende Normen anzuwenden sind, von denen die Parteien nicht abweichen können. Daraus ergab sich die prinzipielle – heute freilich überholte174 – Übereinstimmung unverfügbarer Rechte und unabdingbarer Normen.175 In der neueren Literatur lässt sich ein Bestreben nach konkreteren Definitionen erkennen, indem der Fokus auf den Ausschluss bestimmter Rechtsgeschäfte gelegt wird, die zur Unverfügbarkeit führen. Verde schließt die Verfügbarkeit im Sinne von Art. 806 Abs. 1 c.p.c. lediglich dann aus, wenn ein Schuldverhältnis nicht durch vertragliche Abrede aufgehoben werden kann bzw. der Rechtsinhaber nicht auf das strittige Recht verzichten kann; ein bloßes Veräußerungsverbot soll dagegen nicht ausreichen, um ein Recht als unverfügbar einzustufen.176 Nach einer anderen Ansicht ist ein Recht sogar erst dann unverfügbar, wenn sämtliche Verfügungen untersagt sind, das Recht also insbesondere (kumulativ) nicht veräußert, aufgehoben und darauf verzichtet werden darf.177 3. Prozessrechtliche Theorie Andere Autoren wollen den Begriff der Verfügbarkeit im Sinne von Art. 806 c.p.c. dagegen rein prozessrechtlich auslegen.178 Abzustellen ist danach also nicht auf die Freiheit, über die materielle Rechtsposition zu verfügen, sondern auf die prozessuale Durchsetzung des materiellen Rechts. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungsmäßigkeit der Schiedsgerichtsbarkeit. Nach dem Verfassungsgerichtshof stellt die Eröffnung der Möglichkeit schiedsgerichtlicher Streitbeilegung jedenfalls dann keinen Verstoß gegen die Justizgrundrechte dar, wenn die Übertragung der Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit (und damit der
173 Vgl. Andrioli, Commento al c.p.c., IV, Art. 806, S. 755 ff.; Satta, c.p.c., Art. 806, Ziff. 10, S. 198 f. 174 Vgl. Briguglio/Capponi/Motto, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 5, S. 477. 175 Noch im Jahr 1999 hielt der Kassationshof etwa eine internationale Schiedsklausel über den Handelsvertreterausgleich für nichtig, da der Anspruch nach Art. 1751 c.c. unabdingbar sei, vgl. Cass. S.U., 30.6.1999, n. 369, Foro it. 2000, I, 1255. 176 Verde/Verde, Arbitrato, S. 93. 177 Zucconi Galli Fonseca, Riv. trim. dir. proc. civ. 2005, 453, 471. 178 Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 5, S. 9 ff.; in diese Richtung auch Caponi, in: FS Verde, S. 123 (130 f.); Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 131.
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Verzicht auf eine Klage vor den staatlichen Gerichten) auf einer freien Entscheidung der Parteien beruht.179 Das Festhalten am Kriterium der Verfügbarkeit lasse sich nur vor dem Hintergrund dieser Entscheidung verstehen: es spiegele sich darin offensichtlich die Angst des Gesetzgebers wider, dass die Norm anderenfalls einer Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof nicht standhalte.180 „Verfügt“ werde – aus Sicht des Verfassungsgerichtshofs – durch die Schiedsvereinbarung jedoch nicht über die materielle Rechtsposition an sich, sondern nur über die Möglichkeit, ebendiese Rechtsposition mithilfe der staatlichen Gerichte durchzusetzen; folglich könne zur Bestimmung der Verfügbarkeit auch nicht auf das materielle Recht abgestellt werden, sondern nur auf die Klagemöglichkeit (im Sinne der Prozessführungsbefugnis der Parteien).181 Schiedsfähig ist eine Streitigkeit also immer dann, wenn die Betroffenen im eigenen Namen einen Rechtsstreit über das behauptete bzw. streitige Recht als richtige Parteien führen können. In diesem Fall können sie genauso gut darauf verzichten oder eben einem Schiedsgericht die Entscheidung über die Streitigkeit überlassen. Gestärkt wird diese Theorie durch eine jüngere Entscheidung des Kassationshofs. Das Gericht führt darin aus, dass sich die Privatautonomie der Parteien im Schiedsverfahren nicht als Verfügung über das Recht zeige, sondern als Verfügung über die Klagemöglichkeit, die mit dem Recht verbunden ist.182 Überwiegend wird in der prozessrechtlichen Theorie eine ungerechtfertigte Ausweitung des Kreises der schiedsfähigen Streitigkeiten gesehen; schließlich behielten die Parteien auch über Rechtspositionen, die materiell als unverfügbar qualifiziert werden, das „Durchsetzungsmonopol“ – abgesehen von den wenigen Fällen, in denen der Staatsanwaltschaft ein zivilrechtliches Klagerecht zustehe.183 Auch der Kassationshof hat inzwischen wieder betont, dass die Verfügungsmöglichkeit über eine Klage nicht mit der Verfügbarkeit der materiellen Rechtsposition verwechselt werden dürfe – nur letzteres Kriterium wurde zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit herangezogen.184
179
Corte cost., 14.7.1977, n. 127, Foro it. 1977, I, 1859; siehe dazu oben § 4 B. Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 5, S. 9 f. 181 Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 5, S. 11. 182 Cass. S.U., 25.10.2013, n. 24153, Foro it. 2013, I, 3407. 183 Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 5; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 333 ff. 184 Cass. civ., sez. VI, 13.10.2016, n. 20674, Rep. Foro it. 2016, Stichwort „Arbitrato“ (n. 101). 180
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4. Theorie der autonom schiedsverfahrensrechtlichen Auslegung Eine neuere Theorie will dem Begriff der Verfügbarkeit schließlich eine autonome Bedeutung auf dem Gebiet des Schiedsverfahrensrechts beimessen.185 Der Gleichlauf von materieller Verfügbarkeit und Schiedsfähigkeit ist nach dieser Ansicht abzulehnen, da er auf der – inzwischen überholten – privatrechtlichen Konzeption der Schiedsgerichtsbarkeit beruht.186 Auch ein Schiedsgericht übt nach inzwischen überwiegender Ansicht in der italienischen Rechtsprechung und Literatur echte Gerichtsbarkeit aus und ersetzt insoweit die staatliche Gerichtsbarkeit.187 Einigen sich die Parteien, eine Streitigkeit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, könne demnach nicht mehr davon gesprochen werden, dass über das strittige Rechtsverhältnis im materiellrechtlichen Sinne verfügt wird. Schließlich übt auch das Schiedsgericht materielle Rechtsprechung aus – und schließt nicht etwa im Namen der Parteien einen Vergleich. Der Umstand, dass über ein bestimmtes Recht (von Gesetzes wegen oder nach seiner Natur) im materiellen Sinn nicht verfügt werden darf, reicht demnach alleine noch nicht aus, um eine schiedsgerichtliche Streitbeilegung auszuschließen.188 Vielmehr muss aus der Norm, die materiellrechtliche Verfügungen über ein Recht untersagt, folgen, dass eine schiedsgerichtliche Entscheidung über das Rechtsverhältnis an sich missbilligt wird.189 Auf diesem Weg lasse sich etwa berücksichtigen, dass ein Anspruch vermögensrechtliche Natur hat; er sei dann grundsätzlich als verfügbar einzustufen, auch wenn Allgemeininteressen berührt würden.190 II. Ausschluss der Schiedsfähigkeit bei Teilnahme der Staatsanwaltschaft im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren Nach Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 dürfen gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, für die das Gesetz die Verfahrensteilnahme der Staatsanwaltschaft (pubblico ministero) vorschreibt, nicht zum Gegenstand einer satzungsmäßigen Schiedsklausel gemacht werden. 185 Briguglio/Capponi/Motto, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 6, S. 480 ff.; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 30 f.; Menchini/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 4, S. 10; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 339 ff. 186 Briguglio/Capponi/Motto, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 5, S. 479 f. 187 Siehe dazu oben § 4 B. 188 Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 30 f. 189 Briguglio/Capponi/Motto, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 6, S. 482; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 359. 190 Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 7, S. 30 f.; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 359 f.; hier zeigen sich Parallelen zur Theorie der objektiven Verfügbarkeit, die unter Geltung des alten deutschen Schiedsverfahrensrechts vertreten wurde. Danach war die Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit nur dann abzulehnen, wenn sich der Staat zum Schutz wichtiger Rechtsgüter auf dem Gebiet der Entscheidung ein Rechtsprechungsmonopol vorbehalten hat, vgl. dazu die Nachweise in Kap. 3 Fn. 6.
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1. Die Rolle der Staatsanwaltschaft im italienischen Zivilprozess Die italienische Staatsanwaltschaft gehört – anders als nach deutschem Verständnis – nicht der Exekutive an, sondern ist (weisungsunabhängiger) Teil der Richterschaft (Magistratura).191 Ihre Tätigkeit ist auch nicht auf die Strafgerichtsbarkeit beschränkt, sondern erstreckt sich in bestimmten Fällen auf Zivilverfahren. Die Rolle der Staatsanwaltschaft im Zivilprozess ist in Artt. 69–73 c.p.c. geregelt. In gesetzlich geregelten Fällen kann sie gem. Art. 69 c.p.c. ausnahmsweise – in Abweichung von der Dispositionsmaxime192 – das zivilrechtliche Klagerecht ausüben. Daneben listet Art. 70 c.p.c. verschiedene Fälle auf, in denen die Staatsanwaltschaft einem (Zivil-)Rechtsstreit beitreten muss. Unterbleibt die Teilnahme der Staatsanwaltschaft, ist das im Verfahren ergangene Urteil nichtig (Art. 158 c.p.c.). Der Zweck der Vorschriften wird darin gesehen, durch die Teilnahme einer öffentlichen Partei an bestimmten Zivilverfahren einen korrekten Verfahrensablauf und insbesondere eine umfassende Aufarbeitung des Sachverhaltes sicherzustellen.193 Die Übertragung einer von Artt. 69 f. c.p.c. erfassten zivilrechtlichen Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit würde dieses Ziel gefährden; die Teilnahme der Staatsanwaltschaft an einem Schiedsverfahren scheint kaum realisierbar.194 Vor diesem Hintergrund wird auch im ordentlichen Schiedsverfahrensrecht – trotz der Abwesenheit einer dem Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 entsprechenden Regelung – vertreten, dass sämtliche Streitigkeiten, an denen die Staatsanwaltschaft zu beteiligen ist, nicht schiedsfähig sind.195 2. Die Bedeutung des Ausschlusses Auf den ersten Blick erscheint die Auswirkung der Norm gering. Eigenständige Bedeutung kann ihr nur dann zukommen, wenn um verfügbare Rechte gestritten wird. Die Teilnahme der Staatsanwaltschaft ist aber oft dadurch bedingt, dass im Rahmen des Verfahrens besonders schutzwürdige Interessen betroffen werden. Dann handelt es sich aber meist ohnehin um unverfügbare Rechte, über die bereits nach Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 kein Schiedsverfahren durchgeführt werden darf.196 Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft im gesellschaftsrechtlichen Zivilverfahren ohnehin nur eine geringe Rolle spielt. Sie ist in erster Linie in verschiedenen familien- bzw. eherechtlichen Streitigkeiten und in Fragen des Personenrechts am Verfahren zu beteiligen. Es finden sich dagegen nur wenige Fälle, in denen das Gesetz die notwendige
191
Vgl. Kindler, Einf. it. Recht, § 6 Rn. 11 sowie § 7 Rn. 1. Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 69 Ziff. I, Rn. 1. 193 Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 75. 194 Vgl. Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 77. 195 La China, Arbitrato, S. 49. 196 Bove, Giustizia privata, S. 326. 192
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Intervention der Staatsanwaltschaft bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten vorschreibt.197 Auf dem Hintergrund dieser normativen Ausgangslage stellt sich die Frage, ob der Regelung in Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 im Verhältnis zu Absatz 1 der Norm überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt. In der italienischen Literatur werden hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten. a) Erste Ansicht: Erweiterung des Kreises schiedsfähiger Streitigkeiten Teilweise wird angenommen, Absatz 5 sei als Einschränkung von Absatz 1 zu verstehen.198 Einer Streitigkeit über unverfügbare Rechte i.S.v. Absatz 1 fehlt demnach nur dann die Schiedsfähigkeit, wenn das Gesetz zusätzlich die Beteiligung der Staatsanwaltschaft vorschreibt. Ist dies nicht der Fall, können sämtliche Streitigkeiten – gleich ob über verfügbare oder unverfügbare Rechte – auf die Schiedsgerichtsbarkeit übertragen werden.199 b) Zweite Ansicht: beispielhafter Charakter des Ausschlusses der Schiedsfähigkeit bei Teilnahme der Staatsanwaltschaft Überwiegend wird dagegen vertreten, dass die Verfügbarkeit der Rechte nach Absatz 1 im Verhältnis zu Absatz 5 grundsätzlich weiterhin das maßgebliche Abgrenzungsmerkmal darstellt. Die Rolle des Absatzes 5 ist aber auch innerhalb der Vertreter dieser Ansicht umstritten. Nach einer ersten Ansicht bringt Absatz 5 nichts Neues im Verhältnis zu Absatz 1.200 Streitigkeiten, an denen die Staatsanwaltschaft zu beteiligen ist, fielen bereits unter Absatz 1, da regelmäßig unverfügbare Rechte i.S.v. Absatz 1 involviert seien, sodass es sich lediglich um eine beispielhafte Beschreibung eines Teils des Anwendungsbereichs von Absatz 1 handele. Der Norm komme allenfalls klarstellende Funktion zu, da deutlich werde, dass bei zwingender Teilnahme der Staatsanwaltschaft regelmäßig unverfügbare Rechte i.S.v. Absatz 1 vorlägen und die Rechtsanwendung erleichtert werde.201 Andere Autoren sprechen sich dafür aus, das Kriterium der Verfügbarkeit der Rechte zwar grundsätzlich weiterhin als Abgrenzungsmerkmal zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit heranzuziehen, sehen aber in Absatz 5 eine weitere Begrenzung der schiedsfähigen Streitigkeiten.202 Die zwingende Beteiligung der Staatsanwaltschaft sei nicht auf Streitigkeiten über unverfügbare Rechte 197
Vgl. hierzu Donativi, Arbitrato sociatrio, S. 59 ff. Fazzalari, Riv. arb. 2002, 443, 444. 199 Fazzalari, Riv. arb. 2002, 443, 444. 200 Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 75 f.; Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 710; Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 477; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 420. 201 Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 76. 202 Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 502; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 4, S. 1176; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 144. 198
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beschränkt. Aus dem Zusammenspiel aus Absatz 1 und Absatz 5 folge also, dass eine Streitigkeit nur dann schiedsfähig ist, wenn verfügbare Rechte betroffen sind und keine Teilnahme der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. c) Zwischenergebnis Die erste Ansicht bringt eine enorme Erweiterung des Kreises der schiedsfähigen (gesellschaftsrechtlichen) Streitigkeiten mit sich und schließt insbesondere sämtliche Beschlussmängelstreitigkeiten ein. Das fördert zwar die Attraktivität der italienischen Schiedsgerichtsbarkeit. Mit der Systematik der Vorschriften ist diese weite Auslegung allerdings kaum vereinbar; die in Absatz 1 vorgesehene Abgrenzung wäre hinfällig.203 Aufgrund der geringen Bedeutung der Staatsanwaltschaft bei innergesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten, wären ohnehin sämtliche Streitigkeiten schiedsfähig. Die einzige Einschränkung der Schiedsfähigkeit (Beteiligung der Staatsanwaltschaft gem. Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003) beschränkt sich auf Situationen, in denen ein Schiedsverfahren bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen ist. Dazu zählt die Anzeige an das Landgericht wegen des Verdachts schwerwiegender Unregelmäßigkeiten seitens der Geschäftsführer, die gem. Art. 2409 Abs. 7 c.c. in Gesellschaften, die sich des Risikokapitalmarktes bedienen, auch von der Staatsanwaltschaft gestellt werden kann. Diese Gesellschaften sind aber bereits nach Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen.204 Betroffen sind daneben die Handelsregistereintragung des Beschlusses über eine Satzungsänderung, die gem. Art. 2436 Abs. 4 c.c. nach Anhörung der Staatsanwaltschaft durch Verfügung des Landgerichtes angeordnet wird, sowie die Kapitalherabsetzung infolge von Verlusten, die gem. Art. 2446 Abs. 2 c.c. ebenfalls nach Anhörung der Staatsanwaltschaft durch Verfügung des Landgerichtes angeordnet wird. Diese Verfügungen werden aber nicht in streitigen Verfahren, sondern im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erlassen. Ein Schiedsverfahren kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht.205 Als letzter Fall der Beteiligung der Staatsanwaltschaft an einem gesellschaftsrechtlichen Zivilverfahren bleibt Art. 2487 Abs. 4 c.c. Danach können die Liquidatoren in Kapitalgesellschaften bei Vorliegen eines wichtigen Grundes u.a. auf Antrag der Staatsanwaltschaft abberufen werden. Auch hier handelt es sich aber um ein Verfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.206 Dem Ausschluss der Streitigkeiten mit Teilnahme der Staatsanwaltschaft ist folglich bei den in Reden stehenden innergesellschaftlichen Streitigkeiten
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Vgl. Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 143. Siehe oben § 9 A. II. 1. 205 Donativi, Arbitrato sociatrio, S. 60; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 19, S. 294 f. 206 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 19, S. 295. 204
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keine (über den Wortlaut hinausgehende) eigenständige Bedeutung beizumessen. Insbesondere kann – jedenfalls aus dieser Norm – nicht die generelle Statthaftigkeit schiedsgerichtlicher Streitbeilegung von innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreitigkeiten abgeleitet werden. C. Anwendung auf Beschlussmängelstreitigkeiten Auf dem Hintergrund dieser normativen Ausgangslage gilt es nun zu untersuchen, ob gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten nach italienischem Recht der Schiedsgerichtsbarkeit übertragen werden können. Die Frage wird in der italienischen Literatur seit Jahrzenten kontrovers diskutiert und ist Gegenstand zahlloser Gerichtsentscheidungen und Schiedssprüche. Mit der Verordnung Nr. 5/2003 vom 17.1.2003 hat sich erstmals eine Rechtsvorschrift mit dem Problem beschäftigt. Trotz der – zumindest impliziten – Anerkennung der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten (vgl. Art. 35 Abs. 5 und Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003) konnte jedoch kein Schlussstrich unter die Debatte gezogen werden, die bis heute in Rechtsprechung und Literatur fortgesetzt wird. Dabei wird teilweise noch auf Argumentationslinien zurückgegriffen, die schon lange vor der Reform 2003 – also unter Geltung von Art. 806 Abs. 1 c.p.c. a.F., wonach zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit direkt an die Vergleichsfähigkeit angeknüpft wurde207 – entwickelt wurden. Es ist daher notwendig, zunächst den Streitstand vor der Reform darzustellen, um anschließend auf die heute vertretenen Positionen in Literatur und Rechtsprechung einzugehen. I. Rechtslage vor der Gesellschaftsrechtsreform 2003 Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde die Statthaftigkeit der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten von der Rechtsprechung gänzlich abgelehnt.208 Begründet wurde diese restriktive Haltung mit der fehlenden Befugnis der Gesellschafter, über ihr Anfechtungsrecht aus Art. 163 Codice di commercio209 zu verfügen. Die Möglichkeit, fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse anzufechten, solle die Rechtmäßigkeit innerhalb der Gesellschaft getroffener Entscheidungen sicherstellen und diene insofern nicht (nur) dem individuellen Interesse der einzelnen Gesellschafter, sondern dem Schutz des kollektiven Gesellschaftsinteresses, sowie den Interessen (sonstiger) Dritter.210 207
Siehe oben § 9 B. Siehe etwa Cass. civ., sez. I, 24.1.1933, Foro it. 1933, I, 413; Cass. civ., sez. I, 23.6.1936, n. 2209, Foro it. 1936, I, 809; App. Milano, 30.1.1913, Foro it. 1913, I, 316; App. Torino, 24.1.1947, Foro it. 1947, I, 756. 209 Heute Artt. 2377, 2379 c.c.; die Regelungen des ehemaligen Codice di commercio wurden in das Zivilgesetzbuch von 1942 aufgenommen, vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 1. 210 Cass. civ., sez. I, 23.6.1936, n. 2209, Foro it. 1936, I, 809, 810. 208
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Eine Abgrenzung nach dem Ursprung des gerügten Mangels wurde nicht vorgenommen. Nach Ansicht der damaligen Rechtsprechung stand es dem einzelnen Gesellschafter – unabhängig vom konkreten Beschlussgegenstand – nicht frei, über sein Klagerecht zu verfügen, sodass ein Vergleich und damit auch eine Schiedsabrede über die Streitigkeit als unzulässig angesehen wurden. Bemerkenswert ist aber, dass die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft für Beschlussmängelklagen – anders als in frühen Entscheidungen des BGH211 – vom Kassationsgerichtshof schon damals nicht als Argument gegen die Schiedsfähigkeit angeführt wurde.212 Somit wurde die Tür zu einer schiedsgerichtlichen Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten jedenfalls nicht völlig verschlossen. 1. Abgrenzung nach den betroffenen Interessen zur Bestimmung der schiedsfähigen Beschlussmängelstreitigkeiten Wegweisend für das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren waren zwei Entscheidungen des Kassationsgerichtshofs aus den Jahren 1962 und 1965, in denen sich das Gericht erneut mit der Statthaftigkeit eines Schiedsverfahrens über Beschlussmängelstreitigkeiten zu befassen hatte.213 Auf einer Linie mit der früheren Rechtsprechung stellte das Gericht zur Bestimmung der Verfügbarkeit der betroffenen Rechte und damit zugleich der Vergleichsfähigkeit und der Schiedsfähigkeit der Streitigkeit (Art. 806 Abs. 1 c.p.c. a.F., Art. 1966 c.c.) zwar weiter auf die durch den Beschluss berührten Interessen ab. Die abstrakte Gefahr, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung das kollektive Gesellschaftsinteresse betreffen können, wird allerdings nicht mehr als ausreichend angesehen, um das Anfechtungsrecht der Gesellschafter generell als unverfügbar einzustufen.214 Es müsse vielmehr anhand des konkreten Beschlussgegenstandes ermittelt werden, ob der gefasste Gesellschafterbeschluss das kollektive Gesellschaftsinteresse berührt oder ob lediglich individuelle Interessen des einzelnen (klagenden) Gesellschafters betroffen sind. Beschlussmängelstreitigkeiten, die nur individuelle Interessen des Gesellschafters betreffen bzw. nur zum Schutz seiner persönlichen Interessen angestrengt wurden, können ohne Einschränkung einem Schiedsgericht unterbreitet werden; betrifft die Streitigkeit dagegen kollektive Gesellschaftsinteressen oder wird die Klage auf Normen gestützt, die dem Schutz des Gesellschaftsinteresses dienen, kann nur ein staatliches Gericht entscheiden.215 Die Unverfügbarkeit des Anfechtungsrechts
211
Siehe etwa BGH WM 1966, 1132 (1133). So aber Teile der älteren Literatur, vgl. etwa Vecchione, L’arbitrato, S. 249 f. 213 Cass. civ., sez. I, 10.10.1962, n. 2910, Giust. civ. 1963, I, 29; Cass. civ., sez. I, 24.5.1965, n. 999, Giust. civ. 1965, I, 1575. 214 So ausdrücklich Cass. civ., sez. I, 10.10.1962, n. 2910, Giust. civ. 1963, I, 29, 31. 215 Cass. civ., sez. I, 24.5.1965, n. 999, Giust. civ. 1965, I, 1575, 1578. 212
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kann demnach sowohl aus dem konkreten Gegenstand des Gesellschafterbeschlusses selbst folgen, als auch aus den Normen, auf die der klagende Gesellschafter die Anfechtung des Beschlusses stützt. So wurde etwa eine Streitigkeit über die fehlende Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung, die über die Kapitalherabsetzung infolge einer überbewerteten Sacheinlage (Art. 2343 Abs. 4 c.c.) entschieden hatte, aus zwei Gründen als nicht schiedsfähig angesehen. Zum einen schütze die Anfechtung aufgrund mangelnder Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung das kollektive Gesellschaftsinteresse. Zum anderen berühre aber auch der konkrete Beschlussgegenstand (die Kapitalherabsetzung infolge einer überbewerteten Sacheinlage) kollektive Gesellschaftsinteressen, sowie Interessen Dritter.216 Dagegen betreffe der Beschluss über den Ausschluss eines Gesellschafters allein die individuellen Interessen des ausgeschlossenen Gesellschafters mit der Folge, dass der Beschluss statthafterweise vor einem Schiedsgericht angefochten werden kann.217 Bis in jüngere Zeit bestätigte die Rechtsprechung immer wieder, dass sich die Frage nach der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeit nicht abstrakt beantworten lassen, sondern im Einzelfall anhand der involvierten Interessen zu lösen sei.218 2. Kritik an der traditionellen Abgrenzung Die Abgrenzung nach den involvierten Interessen führt dazu, dass sich die Gesellschafter nicht auf eine satzungsmäßige Schiedsklausel verlassen können, sondern im Einzelfall vor Klageerhebung prüfen müssen, ob der angegriffene Gesellschafterbeschluss allein ihre persönlichen Interessen betrifft, oder ob auch Kollektivinteressen betroffen werden. Nur in Fällen, in denen der Beschlussgegenstand allein ihre individuellen Interessen betrifft (und auch der Anfechtungsgrund allein dem Schutz persönlicher Interessen dient), können sie einen Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens stellen. Abgesehen von diesen praktischen Schwierigkeiten ist aber schon fraglich, ob überhaupt ein kollektives Gesellschaftsinteresse – losgelöst von der Summe der Interessen der Gesellschafter – existiert. Andersherum scheint es kaum vorstellbar, dass ein Gesellschafterbeschluss einzig und allein die Interessen eines einzelnen Gesellschafters betrifft.219 Innergesellschaftliche Entscheidungen befinden sich regelmäßig im Spannungsfeld unterschiedlicher (gegenläufiger) Interessen (z.B. Minderheitsgesellschafter gegen Mehrheitsgesellschafter, Gesellschaftsgläubiger gegen Gesellschafter etc.); welche Interessen von einer bestimmten Entscheidung betroffen sein können, wird sich im Einzelfall aber 216
Cass. civ., sez. I, 24.5.1965, n. 999, Giust. civ. 1965, I, 1575, 1578. Cass. civ., sez. I, 10.10.1962, n. 2910, Giust. civ. 1963, I, 29, 31. 218 Siehe aus jüngerer Zeit etwa Cass. civ., sez. I, 19.9.2000, n. 12412, Giust. civ. 2001, I, 405. 219 Teti, Riv. arb. 1993, 297, 303. 217
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kaum mit Sicherheit feststellen lassen.220 Der klagende Gesellschafter greift den Gesellschafterbeschluss jedenfalls nicht zum Schutz des Gesellschaftsinteresses, sondern allein aus persönlichen Interessen an.221 Es ist also nur schwer verständlich, warum er nach der traditionellen Rechtsprechung in manchen Fällen frei über sein Klagerecht verfügen kann – und demnach zulässigerweise ein Schiedsgericht über seine Klage entscheiden lassen darf – in anderen Fällen dagegen auf die staatliche Gerichtsbarkeit verwiesen bleibt. II. Das Meinungsspektrum zur Frage der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten nach Einführung des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrensrechts Seit Inkrafttreten der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 lässt sich nicht mehr in Abrede stellen, dass im Anwendungsbereich der Sondervorschriften jedenfalls gewisse Beschlussmängelstreitigkeiten schiedsfähig sind. Die Statthaftigkeit entsprechender Schiedsvereinbarungen wird an zwei Stellen (zumindest implizit) anerkannt. Nach Art. 35 Abs. 5 sind die Schiedsrichter bei der Entscheidung über eine Streitigkeit, welche die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zum Gegenstand hat, befugt, durch die Anordnung der Aussetzung des Vollzugs des Beschlusses Eilrechtsschutz zu gewähren.222 Daneben bestimmt Art. 36 Abs. 1, dass eine Schiedsvereinbarung auf Beschlussmängelstreitigkeiten insoweit unanwendbar ist, als sie eine Billigkeitsentscheidung zulässt oder die Möglichkeit, den Schiedsspruch gem. Art. 829 Abs. 2 c.p.c. anzufechten, ausschließt. Aus der Systematik der Normen ergibt sich eindeutig, dass grundsätzlich auch Beschlussmängelstreitigkeiten von Schiedsvereinbarungen erfasst werden können. Unklar bleibt allerdings, ob nunmehr sämtliche Beschlussmängelklagen – unabhängig vom konkreten Gegenstand des angegriffenen Gesellschafterbeschlusses oder von der Art des Mangels – schiedsfähig sind, oder ob weiterhin Differenzierungen vorzunehmen sind. Letzteres wäre der Fall, wenn Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 auch auf Beschlussmängelverfahren Anwendung fände und diese Streitigkeiten nicht per se als verfügbar im Sinne der Norm angesehen würden. Die Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind über diese Fragen bis heute uneins. Seit Inkrafttreten der neuen Vorschriften sind bereits hunderte Gerichtsentscheidungen zu der Frage ergangen. Die Anzahl wissenschaftlicher Abhandlungen, in denen die unterschiedlichsten Ansichten vertreten werden, steht dem nicht nach. Eine besondere Rolle spielt dabei die Frage nach der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten über die Feststel-
220
Schizzerotto, Dell’arbitrato, S. 102; Vecchione, L’arbitrato, S. 250; aus der jüngeren Literatur Donativi, Arbitrato societario, S. 143 m.w.N. 221 Satta, c.p.c., Art. 806, Ziff. 10, S. 206. 222 Siehe dazu unten § 18 B. II.
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lung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung in der Aktiengesellschaft ohne Aufsichtsrat (vgl. Art. 2364 Abs. 1 Nr. 1 c.c.); aufgrund der Vielzahl der involvierten Interessen und der großen praktischen Bedeutung ist sie Gegenstand eines Großteils der jüngeren Entscheidungen zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten. Neben „Myriaden vermittelnder Positionen“223 befindet sich inzwischen auch die Ansicht im Aufschwung, die ohne jegliche Differenzierung sämtliche Beschlussmängelstreitigkeiten für schiedsfähig erachtet. Im Folgenden soll der aktuelle Diskussionsstand dargestellt und bewertet werden. 1. Vermittelnde Ansichten Einigkeit herrscht innerhalb der Vertreter vermittelnder Ansichten insoweit, als die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten – trotz ihrer ausdrücklichen Erwähnung in der Verordnung – nach dem Kriterium der Verfügbarkeit zu bestimmen ist. Der Verordnung wird kaum eigenständige Bedeutung beigemessen. Schwierigkeiten ergeben sich in der Folge daraus, dass konsequenterweise – wie schon nach altem Recht – weiterhin die diffizile Abgrenzung zwischen verfügbaren und unverfügbaren Beschlussmängelklagen vorgenommen werden muss. Die zur Bestimmung unverfügbarer Rechte entwickelten Theorien helfen hier aber kaum weiter, da ein Gesellschafterbeschluss kein klassisches Rechtsgeschäft darstellt. Insofern suchen die vermittelnden Ansichten nach anderen Abgrenzungskriterien. Auch wenn ein Großteil der Theorien noch in der Tradition der Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs aus den 1960er Jahren steht, wird eine allein auf die Interessen des konkreten Falls abstellende Einzelfallentscheidung heute kaum noch befürwortet.224 Vielmehr sind zur Erhöhung der Rechtssicherheit Bemühungen erkennbar, diese Abgrenzung in greifbare Kategorien zu fassen. Komplexität gewinnt die Analyse der vertretenen Ansichten aber dadurch, dass selbst die Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs nicht immer einheitlich ist – und noch weniger die der Instanzgerichte. So werden je nach Fallkonstellation unterschiedliche Abgrenzungsmethoden gewählt oder auch in einer Entscheidung kombiniert. a) Erste Ansicht: Abgrenzung nach der Abdingbarkeit der Normen Auch in den zahlreichen jüngeren Entscheidungen weist der Kassationsgerichtshof – oftmals unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung aus den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – weiter darauf hin, dass die Schiedsfähigkeit einer Beschlussmängelstreitigkeit anhand der involvierten Interessen zu bestimmen sei.225 Neu ist allerdings, dass der Gerichtshof diese Abgrenzung 223
Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 89 (freie Übersetzung des Verf.). Dafür aber wohl Terrusi, Giust. civ. 2011, II, 525, 532 f. 225 Cass. civ., sez. I, 23.2.2005, n. 3772, Società 2006, 637; Cass. civ., sez. I, 12.9.2011, n. 18600, Riv. dir. proc. 2012, 1379; Cass. civ., sez. VI, 5.2.2018, n. 2692, Leggi d’Italia. 224
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konkretisiert: ein Interesse sei dann als unverfügbar anzusehen, wenn sein Schutz durch unabdingbare Vorschriften garantiert wird, deren Verletzung unabhängig von jeglicher Parteiinitiative eine Reaktion der Rechtsordnung verlangt.226 Auf diese Weise lässt sich abstrakt-generell bestimmen, ob Beschlussmängelstreitigkeiten schiedsfähig sind: immer dann, wenn sich der Gesellschafter auf die Verletzung unabdingbarer Normen durch den Gesellschafterbeschluss oder bei der Beschlussfassung beruft, bleibt die Streitigkeit den staatlichen Gerichten vorbehalten. Unabdingbar ist eine Vorschrift, wenn ihr Regelungsgehalt zwingend auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis Anwendung finden soll.227 Wichtigster Anwendungsbereich dieser Rechtsprechung ist die Beurteilung der Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten über die Feststellung des Jahresabschlusses, die sowohl mit Verfahrensfehlern (mit der Folge der Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit des Beschlusses gem. Artt. 2377, 2379 c.c.), als auch mit inhaltlichen Fehlern behaftet sein kann. Der bedeutendste materielle Mangel ist der Verstoß gegen den Grundsatz der Klarheit, Wahrheit und Richtigkeit des Jahresabschlusses (Art. 2423 Abs. 2 c.c).228 Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationsgerichtshofs sind Beschlussanfechtungen, die auf die Verletzung dieser Grundsätze gestützt werden, nicht schiedsfähig, da die Normen zum Schutz der Klarheit, Wahrheit und Richtigkeit des Jahresabschlusses unabdingbar seien.229 Ob dies auch gilt, wenn die Anfechtung des Jahresabschlusses auf Verfahrensfehler gestützt wird, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden.230 Aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf die inhaltlichen Anforderungen an den Jahresabschluss darf aber davon ausgegangen werden, dass hier nicht anders entschieden würde als im Fall von Verfahrensfehlern mit Nichtigkeitsfolge bei anderen Beschlussgegenständen – also im Sinne der Schiedsfähigkeit der Streitigkeit.231 226
So Cass. civ., sez. I, 23.2.2005, n. 3772, Società 2006, 637. Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 475. 228 Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Grundsätze ist nicht gesetzlich geregelt. Nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur führt er zur Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses, vgl. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, XIII.9. (S. 479). 229 Cass. civ., sez. I, 23.2.2005, n. 3772, Società 2006, 637; Cass. civ., sez. VI, 10.9.2015, n. 17950, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. VI., 6.11.2017, n. 26300, Giur. it. 2017, 2567; Cass. civ., sez. VI, 5.2.2018, n. 2692, Leggi d’Italia; ; vgl. auch Trib. Milano, 21.3.2019, Società 2019, 907. 230 Ein turinisches Schiedsgericht geht von der Schiedsfähigkeit der Anfechtung des Jahresabschlusses aus, die auf die unterbliebene Ladung des Gesellschafters zur Hauptversammlung gestützt wurde. Anders als die Normen über die Grundsätze der Klarheit, Wahrheit und Richtigkeit des Jahresabschlusses stehe die Ladungspflicht allein im Interesse der Gesellschafter, vgl. Lodo arb. Torino, 31.5.2010, Giur. comm. 2011, II, 1433. Das Schiedsgericht folgt zur Bestimmung der schiedsfähigen Beschlussmängelstreitigkeiten aber der Abgrenzung zwischen formellen und materiellen Mängeln. 231 Vgl. Cass. civ., sez. VI, 20.9.2012, n. 15890, Società 2013, 871. 227
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b) Zweite Ansicht: Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Mängeln Teile der älteren – auch schiedsgerichtlichen – Rechtsprechung lenken den Fokus zur Bestimmung der schiedsfähigen Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Art des Mangels. Danach dürfen Klagen, in denen Fehler im Beschlussverfahren oder sonstige formelle Mängel gerügt werden, uneingeschränkt vor Schiedsgerichten erhoben werden. Beruft sich der Kläger dagegen auf inhaltliche Fehler des Beschlusses, bleibt nur der Weg zu den staatlichen Gerichten.232 Die Theorie ist dem Bestreben nach einer Konkretisierung der Interessenstheorie des Kassationshofs geschuldet und beruht auf der Vorstellung, dass formelle Fehler in der Regel nur einzelne Gesellschafter betreffen (etwa bei mangelhafter Ladung zur Versammlung), inhaltliche Mängel eines Beschlusses dagegen auch das Gesellschaftsinteresse bzw. Interessen Dritter berühren können. c) Dritte Ansicht: Abgrenzung zwischen Mängeln mit Anfechtbarkeits- oder Nichtigkeitsfolge Nach einer dritten – insbesondere von Teilen der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen – Ansicht ist zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit eines Beschlussmängelverfahrens auf die Rechtsfolge des Mangels233 abzustellen, auf den sich der klagende Gesellschafter beruft.234 Schiedsfähig ist die Klage nach dieser Lehre dann, wenn der angeführte Mangel lediglich zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses nach Art. 2377 c.c. (s.p.a.) bzw. Art. 2479-ter Abs. 1 c.c. (s.r.l.) führt. Hat der Mangel dagegen gem. Art. 2379 c.c. (s.p.a.) bzw. Art. 2479-ter Abs. 3 c.c. (s.r.l.) die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge, bleibt die Streitigkeit trotz Schiedsklausel der staatlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Die Theorie wurde bereits lange vor der Reform 2003 als Konkretisierung der Interessenstheorie des Kassationsgerichtshofs entwickelt.235 Sie beruht auf der Überlegung, dass die Anfechtungsgründe nach der Konzeption des Gesetzgebers regelmäßig nur einen kleinen Personenkreis schützen sollen, während Mängel mit Nichtigkeitsfolge so schwerwiegend sind, dass das kollektive Gesellschaftsinteresse bzw. Interessen Dritter betroffen sind.236 Zudem hatte die 232 Lodo arb. Torino, 31.5.2010, Giur. comm. 2011, II, 1433; Lodo arb. Siracusa, 31.3.2007, Società 2007, 1418; so wohl auch schon Trib. Arezzo, 2.3.2004, Riv. arb. 2005, 311 (allerdings zu Art. 806 c.p.c. a.F.). 233 Siehe zur Typologie der Beschlussmängel in den italienischen Handelsgesellschaften oben § 6 B. 234 Trib. Napoli, 25.10.2006, Giur. it. 2007, 1445; Trib. Pescara, 10.3.2008, Giur. mer. 2008, 2251; Trib. Prato, 19.3.2009, Società 2010, 194. 235 Siehe bereits Andrioli, Commento al c.p.c., IV, Art. 806, S. 763 f. 236 Vgl. Capelli, in: FS Zanarone, S. 151 (201).
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Abgrenzung zumindest vor der Reform des Schiedsverfahrensrechts von 2006 einen normativen Anhaltspunkt in Art. 1972 c.c.; nach altem Recht wurde teilweise vertreten, dass Schiedsverfahren über unerlaubte Rechtsgeschäfte unstatthaft seien, da auch die Vergleichsfähigkeit eingeschränkt sei. Mit der Entkopplung von Schiedsfähigkeit und Vergleichsfähigkeit in Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 (und später auch Art. 806 c.p.c.) ist dieses Argument weggefallen, sodass diese Theorie heute jeglicher Grundlage entbehrt.237 d) Vierte Ansicht: Unterscheidung nach der Heilbarkeit des Mangels Eine ähnliche Abgrenzung ist nach einer vierten Theorie vorzunehmen, die in der Literatur entwickelt wurde, inzwischen aber auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden hat. Auch hier wird zwischen anfechtbaren und nichtigen Gesellschafterbeschlüssen unterschieden. Streitigkeiten über Mängel, die zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen, sind stets schiedsfähig; bei Mängeln mit Nichtigkeitsfolge ist ein Schiedsverfahren außerdem dann statthaft, wenn die Nichtigkeit geheilt werden kann.238 Art. 2379-bis c.c. unterscheidet zwei Fälle, in denen die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses aufgrund von Verfahrensfehlern ausgeschlossen ist: die fehlende Einberufung zur Hauptversammlung (Art. 2379 Abs. 1 S. 1 Fall 1 c.c.) wird geheilt, wenn die Gesellschafter ihre Zustimmung zur Abhaltung der Hauptversammlung erteilen; der Mangel der fehlenden Protokollierung (Art. 2379 Abs. 1 S. 1 Fall 2 c.c.) ist geheilt, wenn die Protokollierung vor der nächsten Versammlung nachgeholt wird.239 Die mit der Schaffung von Heilungsmöglichkeiten auch in Fällen per se nichtiger Beschlüsse getroffene gesetzgeberische Wertung spreche dafür, dass die betroffenen Nichtigkeitsgründe seit der Gesellschaftsrechtsreform von 2003 nicht mehr als so bedeutsam eingestuft werden, dass sie als unverfügbare Rechte i.S.v. Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 qualifiziert werden müssten.240 Schließlich könnten die Gesellschafter sogar durch ihren autonomen Willen die Heilung eines nichtigen Gesellschafterbeschlusses herbeiführen; ein Schiedsverfahren über den Beschluss muss dann erst recht möglich sein. Die Geltendmachung von inhaltlichen Beschlussmängeln mit Nichtigkeitsfolge (Art. 2379 Abs. 1 S. 1 Fall 3 und Abs. 1 S. 2 c.c.) kann dagegen nach der Ansicht – mangels Heilungsmöglichkeit i.S.v. Art. 2379-bis c.c. – nur vor staatlichen Gerichten erfolgen. 237
Siehe dazu auch die Nachweise in Kap. 3 Fn. 157. Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 419; Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1289; Cass. civ., sez. VI, 20.9.2012, n. 15890, Società 2013, 871. 239 Gem. Art. 2479-ter Abs. 4 c.c. findet Art. 2379-bis c.c. auf die s.r.l. entsprechend Anwendung. 240 Vgl. Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1289; Cass. civ., sez. VI, 20.9.2012, n. 15890, Società 2013, 871. 238
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In jüngerer Zeit wurde die Theorie auch von einigen Instanzgerichten aufgegriffen, die dabei aber zu einem anderen Ergebnis kommen als der Kassationshof: auch Streitigkeiten über die Nichtigkeit aus materiellen Gründen werden für schiedsfähig gehalten.241 Dies erklärt sich dadurch, dass die Gerichte – trotz teilweise ausdrücklichem Verweis auf die Entscheidung des Kassationshofs von 2012242 – ein anderes (weiteres) Verständnis des Instituts der Heilung nichtiger Gesellschafterbeschlüsse zugrunde legen. Nicht nur die in Art. 2379-bis c.c. mit „Heilung der Nichtigkeit“ titulierten Fälle werden darunter gefasst, sondern sämtliche Nichtigkeitsgründe, die einer gesetzlichen Ausschlussfrist unterliegen.243 Dies ist bei der Bilanzanfechtung aus materiellen Gründen der Fall (vgl. Art. 2434-bis c.c.), die folglich von den Gerichten als schiedsfähig angesehen wurde. Der Kassationshof hat indes erneut klargestellt, dass er diese Ansicht nicht teilt und auch seine Entscheidung, in der zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Beschlussmängelstreitigkeit zwischen heilbarer und nicht heilbarer Nichtigkeit unterschieden wird, nicht in dem Sinne zu verstehen sei, dass Streitigkeiten über sämtliche Nichtigkeitsgründe, die einer gesetzlichen Ausschlussfrist unterliegen, durch Schiedsgerichte entschieden werden dürften.244 e) Fünfte Ansicht: Unterscheidung nach dem Bestehen einer Ausschlussfrist zur Geltendmachung des Beschlussmangels Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit schlagen schließlich die Vertreter einer fünften Ansicht vor: entscheidend sei, ob die Geltendmachung des Mangels einer Ausschlussfrist unterliege. Ist dies der Fall, kann das Verfahren einem Schiedsgericht übertragen werden. Darf der Beschlussmangel dagegen zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden, muss ein staatliches Gericht mit der Sache betraut werden.245 Hinter dieser Theorie steht die Überlegung, dass der Reformgesetzgeber durch die erstmalige Einführung von Ausschlussfristen auch im Bereich nichtiger Gesellschafterbeschlüsse eine neue „abgeschwächte“ Kategorie der Nichtigkeit geschaffen hat, die nicht mehr dem klassischen Konzept nichtiger
241 Trib. Napoli, 9.6.2010, Società 2011, 335; Trib. Milano, 23.7.2013, Giur. it. 2014, 635; Trib. Firenze, 8.9.2016, n. 2906, arbitratoinitalia.it; Trib. Firenze, 3.7.2017, n. 2416, arbitratoinitalia.it. 242 Z.B. Trib. Firenze, 8.9.2016, n. 2906, arbitratoinitalia.it. 243 Im Ergebnis entspricht die von den Instanzgerichten vertretene Auffassung also der fünften Ansicht. 244 Vgl. Cass. civ., sez. VI, 13.10.2016, n. 20674, Rep. Foro it. 2016, Stichwort „Arbitrato“ (n. 101). 245 Zucconi Galli Fonseca, Riv. trim. dir. proc. civ. 2005, 453, 484; in der Rechtsprechung z.B. Trib. Verona, 7.11.2006, Giur. mer. 2008, 409; Trib. Modena, 11.1.2012, Giur. it. 2013, 1355.
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
Rechtsgeschäfte entspricht. Daraus wird gefolgert, dass die betroffenen Situationen nicht mehr als unverfügbar einzustufen sind.246 Für die Praxis bedeutet das, dass so gut wie alle Beschlussstreitigkeiten vor Schiedsgerichte gebracht werden können, insbesondere auch der umstrittene Fall der Bilanzanfechtung.247 Gem. Art. 2379 Abs. 1 S. 2 c.c. unterliegen allein die Beschlüsse, die den Gesellschaftszweck ändern und eine unerlaubte oder unmögliche Tätigkeit vorsehen, keiner Ausschlussfrist – ein Fall, der in der Schiedsgerichtspraxis wohl ohnehin kaum von Bedeutung ist.248 Insofern besteht – jedenfalls aus praktischer Sicht – kaum ein Unterschied zur Ansicht, wonach seit Einführung der Verordnung Nr. 5/2003 sämtliche Klagen schiedsfähig sind. f) Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass nach allen Abgrenzungstheorien jedenfalls Streitigkeiten über diejenigen Mängel, die zur bloßen Anfechtbarkeit des Beschlusses führen (Art. 2377 c.c. bzw. Art. 2479-ter Abs. 1 c.c.) schiedsfähig sind.249 Wird dagegen die Nichtigkeit des Beschlusses geltend gemacht, gelangen die verschiedenen Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach den Vertretern der dritten Ansicht ist die Schiedsfähigkeit diese Streitigkeiten per se ausgeschlossen. Nach der ersten Ansicht fehlt es an der Schiedsfähigkeit nur dann, wenn unabdingbare Normen involviert sind. Nach der vierten Ansicht können Schiedsgerichte über die Nichtigkeitsgründe entscheiden, für die Art. 2379-bis c.c. die Möglichkeit der Heilung vorsieht. Schließlich fehlt es nach der fünften Ansicht nur dann an der Schiedsfähigkeit, wenn für die Geltendmachung der Nichtigkeit keine materielle Ausschlussfrist besteht, d.h. wenn der Gesellschaftszweck zu einer rechtswidrigen oder unmöglichen Tätigkeit geändert wird, Art. 2379 Abs. 1 S. 2 c.c. Es überwiegen demnach die Ansichten, wonach jedenfalls auch Streitigkeiten über formelle Mängel mit Nichtigkeitsfolge (Art. 2379 Abs. 1 S. 1 c.c.) vor Schiedsgerichten ausgetragen werden dürfen. Das entspricht auch der Linie des Kassationshofs, der sich einer Kombination aus erster und vierter Theorie bedient, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Besonders umstritten bleibt unter den Vertretern der vermittelnden Ansichten die Behandlung der Nichtigkeit, die einer materiellen Ausschlussfrist unterliegt – hierzu zählt auch die Bilanzanfechtung aus inhaltlichen Gründen (vgl. Art. 2379 Abs. 1 S. 1 Fall 3 c.c. und 246
Zucconi Galli Fonseca, Riv. trim. dir. proc. civ. 2005, 453, 484. Trib. Modena, 11.1.2012, Giur. it. 2013, 1355. 248 Siehe zu den Ausschlussfristen oben § 6 B. I. 2. 249 Eingeschränkt gilt das freilich für die zweite Ansicht, wonach zwischen formellen und materiellen Fehlern unterschieden wird; schließlich sieht Art. 2379 Abs. 1 c.c. auch im Fall zweier formeller Fehler die Nichtigkeit des Beschlusses vor, vgl. oben § 6 B. I. 1. Soweit ersichtlich, wird diese Abgrenzung in jüngerer Zeit aber ohnehin nicht mehr vertreten. 247
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Art. 2434-bis c.c.). Einigkeit herrscht dagegen im Fall der Nichtigkeit, die zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden kann (Art. 2379 Abs. 1 S. 2 c.c.): hier bleibt nach allen Theorien nur der Weg zu den staatlichen Gerichten. 2. Schiedsfähigkeit sämtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten Der Reformgesetzgeber hätte den vermittelnden Ansichten durch eine klare Regelung leicht den Boden entziehen können. Schließlich wurde die Regierung durch Art. 12 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 366 vom 3.10.2001 ermächtigt, Schiedsverfahren über gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten in Abweichung von Art. 806 c.p.c. auch im Bereich unverfügbarer Rechte zuzulassen. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber jedoch nicht (ausdrücklich) Gebrauch gemacht: in Art. 34 Abs. 1 wird weiter die Verfügbarkeit der Rechte für die Schiedsfähigkeit der Streitigkeit vorausgesetzt. Gleichwohl drängt sich die nach der (noch) herrschenden Ansicht in Schrifttum und Rechtsprechung vorzunehmende Differenzierung zwischen schiedsfähigen und nicht schiedsfähigen Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse seit der Reform 2003 nicht mehr zwingend auf. Es sprechen vielmehr gute Argumente dafür, im Sinne einer besonders im Schrifttum im Aufschwung befindlichen Ansicht Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten als generell schiedsfähig einzustufen. Zu diesem Ergebnis gelangt ohne weiteres – d.h. schon unter direkter Anwendung von Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 – wer Beschlussmängelstreitigkeiten generell unter den Begriff der verfügbaren Rechte fasst. Dafür spricht neben der Möglichkeit der Bestätigung anfechtbarer und nichtiger Beschlüsse (Art. 2377 Abs. 8 i.V.m. 2379 Abs. 4 c.c.) auch die gesetzlich vorgesehene Anregung eines Schlichtungsverfahrens durch den Richter, in dessen Rahmen der Beschluss abgeändert werden kann (Art. 2378 Abs. 4 S. 2 c.c.).250 Neuerdings wird auch vertreten, dass dem Begriff der verfügbaren Rechte im Anwendungsbereich der Verordnung eine autonome Bedeutung beizumessen sei. „Verfügbar“ im Sinne der Verordnung seien alle Rechtsverhältnisse, die im Innenverhältnis der Gesellschaft wurzeln – und damit sämtliche Beschlussmängelstreitigkeiten.251 Überwiegend wird allerdings angenommen, dass zwar auch Beschlussmängelstreitigkeiten unverfügbare Rechtsverhältnisse i.S.v. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 betreffen können, dies allerdings kein Ausschlusskriterium für die
250 So Costi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2011, Beilage zu Heft 1, 129, 135 ff.; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 382; nach dem Tribunale di Belluno folgt die generelle Verfügbarkeit u.a. daraus, dass der Gesellschafter eine bereits erhobene Klage zurücknehmen kann, Trib. Belluno, 8.5.2008, Giur. mer. 2008, 2252. 251 Donativi, Arbitrato societario, S. 140 f.
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Schiedsfähigkeit dieser Streitigkeiten sei, da Art. 34 Abs. 1 insoweit keine Anwendung finde.252 Begründen lässt sich diese Ansicht mit Wortlaut und Systematik der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003. Die Verordnung enthält zwei Sonderregelungen für Streitigkeiten, die die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen zum Gegenstand haben (Art. 35 Abs. 5 und Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003). Dabei sieht der Verordnungstext von jeglicher Differenzierung ab. Schon aus diesem Umstand könne geschlossen werden, dass die Streitigkeiten nicht unter Art. 34 Abs. 1 fallen und also unabhängig von der Verfügbarkeit des Rechtsverhältnisses schiedsfähig seien.253 Das entscheidende Argument sei aber in der Regelung des Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 zu sehen. Danach müssen Schiedsverfahren, in denen inzident über unverfügbare Rechte entschieden wird, sowie solche, die Beschlussmängel zum Gegenstand haben, zwingend nach Regeln des Rechts (secondo diritto) ablaufen, auch wenn die Schiedsklausel das Schiedsgericht ermächtigt, nach Billigkeit zu entscheiden (secondo equità).254 Außerdem darf die Möglichkeit der Anfechtung nicht ausgeschlossen werden. Der Verordnungsgeber hat damit in einem beschränkten Bereich besondere Anforderungen an das Rechtschutzniveau gestellt. Der mit einer Erhöhung der Rechtsschutzstandards einhergehende Eingriff in die Privatautonomie der Parteien ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn in dem Verfahren über besonders sensible Rechtsgüter entschieden wird – was regelmäßig der Fall ist, wenn unverfügbare Rechte involviert sind. Wären Schiedsverfahren gem. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 nur über verfügbare Beschlussmängelstreitigkeiten – d.h. über solche, die tendenziell nur die Interessen eines kleineren Personenkreises betreffen – zulässig, ließe sich nicht erklären, warum ausgerechnet in diesem Bereich zusätzliche Anforderungen an das Rechtsschutzniveau gestellt würden.255 Aus systematischer Sicht spricht für dieses Ergebnis außerdem die Wertung des Art. 114 c.p.c. Danach kann auch das staatliche Gericht (sowohl in erster Instanz als 252 Vgl. Fazzalari, Riv. arb. 2002, 443 f.; E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 523; Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 517, 521 ff.; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 3, S. 565; Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 75; Bove, Giustizia privata, S. 329; Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 91; Salvaneschi, in: FS Tarzia, S. 2207 (2215); Salvaneschi, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 10, S. 25 ff.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (227 f.); Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Della Pietra, Dir. arb., Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. VII Rn. 5; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 160 ff. 253 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 523; Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 517, 521 ff. 254 Schon Art. 12 Abs. 3 der Ermächtigungsgrundlage (Gesetzes Nr. 366 vom 3.10.2001) schrieb vor, dass der Verordnungsgeber Schiedsklauseln über nicht vergleichsfähige Rechtsverhältnisse (Art. 806 c.p.c. a.F.) nur dann zulassen durfte, wenn die Streitigkeit zwingend nach den Regeln des Rechts (secondo diritto) entschieden wurde. 255 Vgl. Salvaneschi, in: FS Tarzia, S. 2207 (2215); Salvaneschi, in: FS Verde, S. 741 (745); Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 92 f.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (227 f.).
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auch in der Berufungsinstanz) auf Antrag der Parteien nach Billigkeit entscheiden. Ausgeschlossen ist diese Möglichkeit aber, wenn Rechte betroffen sind, über welche die Parteien nicht verfügen können. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum eine Billigkeitsentscheidung im Schiedsverfahren auch über bestimmte verfügbare Rechtsverhältnisse untersagt sein sollte.256 Auch italienische Instanzgerichte haben sich vereinzelt der Ansicht angeschlossen, dass sämtliche Beschlussmängelstreitigkeiten schiedsfähig sind. Sie verwiesen dabei auf die ausdrückliche Erwähnung der Streitigkeiten in Art. 35 Abs. 5 und Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003.257 Nach den Vertretern dieser Auffassung ist konsequenterweise auch die umstrittene Fallgruppe der Streitigkeiten über die Feststellung des Jahresabschlusses schiedsfähig.258 3. Stellungnahme Zu begrüßen ist zwar, dass die Rechtssicherheit – und damit die Attraktivität von Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten – erheblich gesteigert werden konnte, indem Theorien entwickelt wurden, um die Schiedsfähigkeit anhand von leicht handhabbaren objektiven Kriterien im Voraus bestimmen zu können. Gleichwohl sind die differenzierenden Ansichten nicht zielführend. Insbesondere leuchtet die vom Kassationshof vertretene Theorie, wonach die Schiedsfähigkeit abzulehnen ist, wenn unabdingbare Normen anwendbar sind, nicht ein. In der Literatur herrscht weitestgehend Einigkeit, dass dieses Kriterium zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit völlig ungeeignet ist.259 Der Schiedsrichter kann unabdingbare Normen schließlich ebenso gut und richtig anwenden wie ein staatliches Gericht. Hinzu kommt, dass gerade bei Beschlussmängelstreitigkeiten mit Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 ein besonderer Schutzmechanismus greift: wie gesehen, dürfen Beschlussmängelstreitigkeiten nicht nach Billigkeit, sondern nur nach den Regeln des Rechts entschieden werden. Die Anwendung unabdingbarer Vorschriften ist also auch im Schiedsverfahren sichergestellt.260
256 257
Vgl. Salvaneschi, in: FS Tarzia, S. 2207 (2216 f.). Trib. Como, 29.9.2006, Società 2007, 1278; Trib. Napoli, 8.3.2010, Società 2010,
1510. 258
Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 384 ff. Siehe dazu die Nachweise in Kap. 3 Fn. 167. 260 Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 245; Donativi, Arbitrato societario, S. 148 ff. 259
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Bemerkenswert ist insofern auch, dass die Reform von 2003 am Kassationshof quasi unbeachtet vorbeigezogen ist. Sinnbildlich hierfür lässt sich anführen, dass ein noch unter Anwendung des alten Rechts ergangenes Urteil261 auch in der Folgezeit weiter zitiert wird, um die mangelnde Schiedsfähigkeit der Streitigkeiten über unabdingbare Normen zu rechtfertigen – angepasst wurden allein die zitierten Normen.262 Eine Auseinandersetzung mit dem möglichen Einfluss der neuen prozessualen Regelungen (Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003) auf die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten ist nie erfolgt. Das verwundert umso mehr, wenn man die Ablehnung von Schiedsverfahren über unabdingbare Rechtsvorschriften mit dem Kassationshof als Konkretisierung seiner Interessenstheorie263 versteht. Mit der Einführung der Artt. 34– 35 d.lgs. n. 5/2003 wurden besondere Mechanismen geschaffen, um die Rechte und Interessen am Schiedsverfahren nicht Beteiligter zu schützen. In erster Linie zu nennen ist die Interventionsmöglichkeit Dritter gem. Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003.264 Durch die Veröffentlichung des Antrags auf Einleitung eines Schiedsverfahrens im Handelsregister werden alle Gesellschafter über das Schiedsverfahren informiert. Auch vor diesem Hintergrund scheint der Ausschluss von Schiedsverfahren über Beschlussmängelverfahren, die Kollektivinteressen berühren können (bzw. Verfahren, in denen unabdingbare Normen anzuwenden sind), jedenfalls im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 5/2003 zum Schutz der Rechte Dritter nicht mehr zwingend geboten.265 Schließlich wird im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren ein mit dem staatlichen Verfahren vergleichbares Schutzniveau gewährleistet. D. Schiedsfähigkeit im freien Schiedsverfahren (arbitrato irrituale) Neben dem gesetzlichen Regelfall des förmlichen Schiedsverfahrens (arbitrato rituale) kennt das italienische Recht eine weitere Art der Schiedsgerichtsbarkeit: das sog. freie bzw. nicht förmliche Schiedsverfahren (arbitrato libero/irrituale). Eine Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten kommt auch auf diesem Wege in Betracht.
261 Cass. civ., sez. I, 23.2.2005, n. 3772, Società 2006, 637 (Die neuen Normen finden gem. Art. 41 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 keine Anwendung auf Verfahren, die bereits vor Inkrafttreten der Verordnung anhängig waren). 262 Etwa in Cass. civ., sez. I, 12.9.2011, n. 18600, Riv. dir. proc. 2012, 1379. 263 Dazu oben § 9 C. I. 264 Vgl. zur Beteiligung Dritter am gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren unten § 16. 265 Vgl. Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 75.
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I. Natur des freien Schiedsverfahrens Die Besonderheit des freien Schiedsverfahrens lässt sich historisch erklären: bis in jüngere Zeit war die italienische Zivilprozessordnung von einer überwiegend schiedsgerichtsfeindlichen Haltung geprägt.266 Außerdem gingen mit dem zur Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs nötigen Anerkennungsverfahren steuerliche Nachteile und der Verlust der Vertraulichkeit des Verfahrens einher.267 In der Praxis bestand daher der Wunsch nach einem flexibleren Verfahren, das den Notwendigkeiten des Wirtschaftsalltags gerecht wurde. So wurde schon früh gewohnheitsrechtlich ein „freies“ – d.h. nicht an den Regeln der Zivilprozessordnung zu messendes – Schiedsverfahren anerkannt.268 Mit der Reform des Schiedsverfahrensrechts von 2006 hat das freie Schiedsverfahren erstmals Eingang in die Zivilprozessordnung gefunden. Gegenstück zum größeren Spielraum für parteiautonome Regelungen im Verfahren ist die geringere Bedeutung des Schiedsspruchs im freien Schiedsverfahren (lodo irrituale): ihm kommt ausschließlich vertragliche Wirkung zu. Der Schiedsrichter handelt gleichsam als Vertreter der Parteien, um in ihrem Namen einen Vergleich abzuschließen, der zwischen den Parteien bindende Wirkung entfaltet. Der Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren hat demnach – anders als im regelmäßigen Schiedsverfahren – nicht die Wirkung eines staatlichen Urteils, sondern stellt ein Rechtsgeschäft dar und ist als solches nicht vollstreckbar.269 Hält sich eine Partei nicht an die Entscheidung, muss die obsiegende Partie demnach den lodo irrituale im staatlichen Erkenntnisverfahren (in der Regel mit Hilfe einer Leistungsklage) geltend machen.270 Auch der BGH hatte bereits die Gelegenheit, sich mit dem Institut des freien Schiedsverfahrens aus deutscher Perspektive zu befassen.271 In einem Revisionsverfahren war zu prüfen, ob der Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren nach italienischem Recht unter das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 fiel und damit nach § 1044 ZPO a.F. in Deutschland vollstreckbar war. Dies lehnte der
266 Punzi, Riv. dir. proc. 2019, 1, 12 f.; vgl. zur Entwicklung des italienischen Schiedsverfahrensrechts oben § 3 B. 267 Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 12. 268 Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 117; Bonomi, in: JbItalR 9 (1996), S. 99 (114). 269 Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 118; Catania, in: JbItalR 20 (2007), 291 (294 f.); zwar wurde auch dem Schiedsspruch im regelmäßigen Schiedsverfahren lange nur vertragliche Natur beigemessen (siehe oben § 4 B.). Allerdings war hier seit jeher – d.h. schon vor der gesetzlichen Anerkennung der urteilsgleichen Wirkung des Schiedsspruchs (Art. 824-bis c.p.c.) – die Möglichkeit eines Anerkennungsverfahrens vorgesehen, durch das der Schiedsspruch Wirkung eines staatlichen Urteils erhielt. Dies war (und ist) bei freien Schiedsverfahren gerade nicht möglich. 270 Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 206 f. 271 BGH NJW 1982, 1224.
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BGH in seiner Entscheidung ab. Schon der Wortlaut des englischen („arbitration“) bzw. französischen Textes („arbitrage“) lege nahe, dass nur solche Streitbeilegungsmechanismen erfasst seien, bei denen ein privater Richter endgültig anstelle der staatlichen Gerichte über eine Streitigkeit entscheide – an dieser Voraussetzung fehle es aber bei einem Schiedsspruch mit rein schuldrechtlicher Wirkung wie dem lodo irrituale.272 Seit der Reform von 2006 hat das Institut des freien Schiedsverfahrens mit Art. 808-ter c.p.c. eine gesetzliche Verankerung gefunden. Danach haben die Parteien die Möglichkeit, durch ausdrückliche Bestimmung zu vereinbaren, dass die Schiedsrichter die Streitigkeit in Abweichung von Art. 824-bis c.p.c. durch einen Rechtsakt vertraglicher Natur beilegen sollen. Die Vereinbarung eines freien Schiedsverfahrens ist nur dann anzunehmen, wenn dies ausdrücklich aus der Schiedsvereinbarung hervorgeht. Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass die Parteien ein Verfahren vereinbaren wollen, bei dem der Schiedsspruch die Wirkung eines gerichtlichen Urteils erlangt, sodass ein regelmäßiges Schiedsverfahren als vereinbart gilt.273 II. Zulässigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten Aufgrund der höheren Flexibilität kann auch zur Beilegung von gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten die Vereinbarung eines freien Schiedsverfahrens in Betracht kommen. Eine 2010 veröffentlichte Erhebung zeigt, dass sich entsprechende Schiedsklauseln auch in der Rechtspraxis hoher Beliebtheit erfreuen: mehr als die Hälfte der Satzungen der zwischen 2000 und 2007 in den Provinzen Rom und Mailand gegründeten Aktiengesellschaften enthielten eine Schiedsklausel; davon sahen immerhin ca. 20 % die Durchführung eines freien Schiedsverfahrens vor.274 Die grundsätzliche Zulässigkeit dieser Form der Streitbeilegung im Bereich gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten lässt sich kaum in Abrede stellen und folgt heute schon aus der ausdrücklichen Erwähnung des freien Schiedsverfahrens in Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003.275
272 BGH NJW 1982, 1224, 1225; vgl. dazu aber auch die a.A. des italienischen Kassationshofs, der das Übereinkommen auf den freien Schiedsspruch für anwendbar hält, Cass.civ., sez. I, 18.9.1978, n. 4167, Giust. civ. 1979, I, 302. 273 Ständige Rechtsprechung des Kassationshofs (auch vor der Reform von 2006), siehe etwa Cass. civ., sez. I, 7.4.2015, n. 6909, Giur. it. 2015, 1467. 274 ISDACI, in: L’impatto della riforma societaria sulle clausole statutarie, S. 17; siehe zu den Ergebnissen der Studie bereits oben § 1. 275 Nach Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 schließt die Übertragung einer Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit Eilrechtschutz nach Art. 669-quinquiens c.p.c. nicht aus (dazu unten § 18 B.). Dies gilt ausdrücklich auch beim freien Schiedsverfahren.
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1. Anwendbare Normen Gleichwohl hatte der Verordnungsgeber offensichtlich bei Erlass der Verordnung primär das regelmäßige Schiedsverfahren vor Augen – viele Regelungen passen nur auf diese Art des Schiedsverfahrens bzw. lassen sich mit der Natur des freien Schiedsverfahrens kaum vereinbaren. So würde etwa ein Schiedsspruch mit rein vertraglicher Wirkung (der lodo irrituale), der aber dennoch Unbeteiligte bindet (vgl. Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003), einen Systembruch darstellen.276 Aber auch die Existenz unabdingbarer Verfahrensvorschriften (vgl. den Titel des Art. 35 d.lgs. n. 5/2003) ist dem freien Schiedsverfahren auf den ersten Blick fremd – aus der vertraglichen Natur folgt schließlich, dass die Parteien auch den Verfahrensablauf frei bestimmen können. Aus diesem Grund wurden die Spezialvorschriften in der Literatur zunächst überwiegend als unvereinbar mit dem freien Schiedsverfahren angesehen.277 Auch Teile der Rechtsprechung hielten die Spezialvorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren (abgesehen von Art. 35 Abs. 5) auf das freie Schiedsverfahren für unanwendbar.278 Da sich die Verordnung (abgesehen von Art. 35 Abs. 5) nicht mit dem freien Schiedsverfahren beschäftigt, sei diese Art der Streitbeilegung für innergesellschaftliche Konflikte zwar weder ausgeschlossen noch beschränkt.279 Ein freies Schiedsverfahren richte sich auf diesem Gebiet aber ausschließlich nach der Zivilprozessordnung, d.h. (insbesondre) nach Art. 808-ter c.p.c. Dieser Ansicht stellt sich der Kassationshof in mehreren jüngeren Entscheidungen entgegen, in denen die Vorschrift über die Art der Schiedsrichterbenennung (Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003) auch auf satzungsmäßige Schiedsklauseln über freies Schiedsverfahren (in Personengesellschaften) angewendet wird.280 Das folgert der Gerichtshof aus der Gleichbehandlung von freiem und regelmäßigem Schiedsverfahren in Art. 35 Abs. 5. Nicht abschließend geklärt ist bisher, welche der Vorschriften über das gesellschafts-
276
Consolo, Giur. it. 2017, 1934; Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 76 f. Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 412 f.; Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1297; Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 124. 278 Cass. civ., sez. 1, 4.6.2010, n. 13664, Giur. it. 2011, 2306; App. Napoli, 27.1.2011, Giur. comm. 2011, II, 1080; App. Torino, 8.3.2007, Giur. it. 2007, 906. 279 So ausdrücklich Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1287 f. 280 Cass. civ., sez. I, 28.10.2015, n. 22008, Giur. it. 2016. 663; Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033; sämtliche Urteile hatten Schiedsklauseln in Personengesellschaften zum Gegenstand. Überzeugende Argumente für eine andere Bewertung der Rechtslage in Kapitalgesellschaften lassen sich aber nicht finden; a.A. aber Consolo, Giur. it. 2017, 1934, 1936, der gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln über ein freies Schiedsverfahren in Kapitalgesellschaften für unstatthaft hält. Dort könne die Durchführung eines freien Schiedsverfahrens allenfalls durch einen Schiedsvertrag außerhalb der Satzung vereinbart werden. 277
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rechtliche Schiedsverfahren gleichermaßen auf beide Arten des Schiedsverfahrens anzuwenden sind.281 Grundsätzlich gilt, dass eine Übertragung nur insoweit in Betracht kommt, als die Normen mit der Natur des freien Schiedsverfahrens vereinbar sind.282 Insbesondere erstreckt sich die Sperrwirkung der Verordnung Nr. 5/2003 auch auf das freie Schiedsverfahren: ist eine Gesellschaft von der Gesetzesverordnung ausgeschlossen und darf aufgrund der Sperrwirkung der Normen auch kein ordentliches Schiedsverfahren nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung durchgeführt werden (wie etwa die offenen Aktiengesellschaften283), so kann sie zur Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten auch nicht auf das freie Schiedsverfahren zurückgreifen.284 2. Schiedsfähigkeit im freien Schiedsverfahren Zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit im arbitrato irrituale gilt der Grundsatz des Gleichlaufs von regelmäßigem und freiem Schiedsverfahren.285 Wenn eine Streitigkeit nach Art. 806 Abs. 1 c.p.c. bzw. Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 schiedsfähig ist, kann sie ebenso gut in einem regelmäßigen Schiedsverfahren wie in einem freien Schiedsverfahren behandelt werden. Ist eine Streitigkeit dagegen nicht schiedsfähig, so kann auch kein freies Schiedsverfahren vereinbart werden. Demnach gelten die Ausführungen zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im regelmäßigen Schiedsverfahren grundsätzlich entsprechend.286 Teilweise wird dennoch – auch von Autoren, die Beschlussmängelstreitigkeiten grundsätzlich für schiedsfähig halten – behauptet, die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen dürfe nur von einem regelmäßigen Schiedsgericht beurteilt werden. Diese Beschränkung wird aus der Wertung des Art. 36 Abs. 1 der Verordnung Nr. 5/2003 abgeleitet.287 Die Norm sieht vor, dass Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten zwingend nach den Regeln des 281 Aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung wird in der Literatur eine Entscheidung der Vereinigten Senate des Kassationshofs erhofft, Cerrato, Giur. comm 2011, II, 1084, 1090. 282 Vgl. Salvaneschi, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 13, S. 186; ebenso gilt umgekehrt der Grundsatz, dass neben Art. 808-ter c.p.c. die Vorschriften des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts auf das freie Schiedsverfahren Anwendung finden, mit Ausnahme der Normen, die der spezifischen Natur des freien Schiedsverfahrens widersprechen, Comoglio/Consolo/ Sassani/Vaccarella/Sassani, c.p.c., Art. 808-ter, D. Ziff. 3, S. 117 f.; zur Vereinbarkeit der Vorschriften des arbitrato societario mit dem freien Schiedsverfahren im Einzelnen Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 66 ff. 283 Siehe oben § 9 A. II. 1. 284 Corsini, Riv. arb. 2017, 333, 336; Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 66 f. 285 La China, Arbitrato, S. 45. 286 Oben unter § 9 C. II. 287 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 538; Maruffi, Riv. arb. 2018, 803, 815 f.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (253); Bove, Gisutizia privata, S. 355.
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Rechts (secondo diritto) entschieden werden. Dies lasse sich im freien Schiedsverfahren aber nicht garantieren. Vielmehr sei es charakteristisch für diese Art der Schiedsgerichtsbarkeit, dass die Parteien sich auf eine Billigkeitsentscheidung einigen.288 Es wird befürchtet, dass andernfalls der Umweg über das freie Schiedsverfahren genommen würde, um die zwingende Vorschrift des Art. 36 Abs. 1 zu umgehen.289 Dem hat sich inzwischen auch der Kassationshof angeschlossen. Das Gericht hat jüngst ein Urteil des Tribunale di Roma insoweit bestätigt, als dort mit Blick auf Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 die Unanwendbarkeit einer Schiedsklausel über ein freies Schiedsverfahren auf eine Beschlussmängelstreitigkeit festgestellt wurde und insoweit die Durchführung eines regelmäßigen Schiedsverfahrens angezeigt war.290 Diese Ansicht impliziert, dass Art. 36 Abs. 1 zum einen auf das freie Schiedsverfahren anwendbar und zum anderen dort nicht durchsetzbar ist. Beide Thesen lassen sich allerdings in Frage stellen. So hält etwa das Tribunale di Prato Art. 36 Abs. 1 auf das freie Schiedsverfahren für anwendbar, sieht darin aber kein Hindernis.291 Offenbar geht das Gericht davon aus, dass auch bei Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die freie Schiedsgerichtsbarkeit eine Entscheidung nach den Regeln des Rechts garantiert werden könne. Das erscheint jedoch insoweit zweifelhaft, als eine Überprüfung in der Sache bei einem freien Schiedsspruch nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen ist.292 Es wäre aber auch möglich, Art. 36 Abs. 1 aufgrund der spezifischen Natur der freien Schiedsgerichtsbarkeit auf diese Verfahren schlichtweg nicht anzuwenden und damit Billigkeitsentscheidungen über Beschlussmängelklagen (im freien Schiedsverfahren) zuzulassen.293 Die Gefahr, dass unabdingbare Normen bei der Beurteilung der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses unbeachtet bleiben, wird schließlich durch die geringere Bedeutung des Schiedsspruchs kompensiert, der seiner Natur nach einem Rechtsgeschäft gleicht. Insofern ist seine Wirkung – anders als im regelmäßigen Schiedsverfahren nach der Verordnung Nr. 5/2003 – auch auf die Parteien des Verfahrens beschränkt. Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003 gilt nicht.294
288 Aus diesem Grund hält der Kassationshof die Regel des Art. 822 c.p.c., wonach im Zweifel ein Schiedsspruch nach den Regeln des Rechts als vereinbart gilt, auf das freie Schiedsverfahren für unanwendbar, Cass. civ., sez. I, 10.10.2003, n. 15150, Rep. Foro it. 2003, Stichwort „Arbitrato“ (n. 85). 289 Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Sassani, c.p.c., Art. 808-ter, H., S. 135; Capo/ Cassano/Freni/Risso, Arbitrato, Kap. XII, S.606. 290 Cass. civ., sez. VI, 21.1.2016, n. 1101, Giur. it. 2016, 2709. 291 Trib. Prato, 19.3.2009, Società 2010, 194. 292 Siehe dazu unten § 17 B. VI. 293 So Zucconi Galli Fonseca, Giur. comm. 2007, II, 935, 957. 294 Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 76 f.
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
E. Zwischenfazit I. Kritik an der aktuellen Rechtslage Schiedsverfahren über innergesellschaftliche Streitigkeiten können nach italienischem Recht statthafterweise in der kleinen s.p.a., der s.r.l., sowie in den Personengesellschaften durchgeführt werden. Bei Personengesellschaften, die keine Handelsgesellschaften sind, richtet sich das Verfahren nach überwiegender Ansicht nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (Artt. 806–840 c.p.c.). In den anderen Gesellschaften haben die besonderen Vorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren nach der Verordnung Nr. 5/2003 Vorrang. Offenen Aktiengesellschaften im Sinne des Art. 2325-bis c.c. bleibt der Weg zu den Schiedsgerichten zur Beilegung interner Streitigkeiten verwehrt. All das ist freilich nicht unumstritten. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Gesellschafter, die Wirksamkeit ihrer Beschlüsse von Schiedsrichtern beurteilen zu lassen, herrscht wenig Einigkeit. Praktische Relevanz erlangt der Theorienstreit dadurch, dass die Ansichten je nach dem konkreten Beschlussgegenstand oder dem Klagegrund zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. In der Rechtspraxis muss hoher Aufwand betrieben werden, um zu prognostizieren, ob eine konkrete Streitigkeit von den Gerichten als schiedsfähig angesehen wird – und damit ohne die Gefahr einer späteren Aufhebung des Schiedsspruchs bzw. einer erfolgreichen Unzuständigkeitsrüge einem Schiedsgericht übertragen werden kann. Der betroffene Gesellschafter kann sich kaum auf die satzungsmäßige Schiedsklausel verlassen, auch wenn diese nach ihrem Wortlaut sämtliche Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen erfasst. Eine zutreffende Beurteilung der Rechtslage wird in der Praxis zusätzlich dadurch erschwert, dass die Instanzgerichte nur selten der Linie des Kassationshofs zu folgen scheinen – und auch das oberste Gericht selbst nicht immer seiner Linie treu bleibt. Sinnbildlich für das Ausmaß der derzeit bestehenden Unsicherheit ist zu erwähnen, dass sogar innerhalb eines Gerichts, dem Tribunale di Milano, bei der Frage nach der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten keiner einheitlichen Linie gefolgt wird, sondern immer wieder unterschiedliche Standpunkte vertreten werden.295 Es liegt auf der Hand, dass diese Situation einer – angesichts der Überlastung der staatlichen Gerichte durchaus sinnvollen296 – weiteren Verbreitung der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten nicht zuträglich ist.
295
In Trib. Milano, 3.6.2010, Corr. giur. 2011, 1137 wird ein Bilanzanfechtungsstreit für schiedsfähig gehalten; in Trib. Milano, 10.12.2010, Società 2011, 715, wird die Schiedsfähigkeit desselben Streitgegenstandes dagegen abgelehnt, um in einem späteren Urteil, Trib. Milano, 23.7.2013, Giur. it. 2014, 635, wieder bejaht zu werden; siehe dazu auch Cerrato, Riv. arb. 2015, 611, 618. 296 Siehe hierzu bereits oben § 5 C.
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Festzuhalten ist, dass nach überwiegender Auffassung jedenfalls Bilanzanfechtungen (aus inhaltlichen Gründen) bis heute den staatlichen Gerichten vorbehalten bleiben. Dasselbe gilt für den – wohl selten praxisrelevanten – Fall der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses, der den Gesellschaftszweck zu einer unerlaubten oder unmöglichen Tätigkeit ändert. Über alle sonstigen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen können nach überwiegender Auffassung auch (regelmäßige) Schiedsgerichte entscheiden. Ist in der Schiedsklausel die Durchführung eines freien Schiedsverfahrens vorgesehen, sind Beschlussmängelstreitigkeiten davon nach verbreiteter Ansicht jedoch ausgeschlossen. Dem klagenden Gesellschafter bleibt zudem stets das Risiko, dass von dem angerufenen Gericht bzw. Schiedsgericht eine andere Auffassung vertreten wird. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde in der Literatur bereits seit längerem auf die Notwendigkeit einer Reform des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrensrechts hingewiesen. In einigen Bereichen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrensrechts bestünde so große Rechtsunsicherheit, dass nur ein Eingriff des Gesetzgebers für Klarheit sorgen könne.297 Dies betreffe – neben dem vieldiskutierten Problem des Verhältnisses zur allgemeinen Schiedsgerichtsbarkeit – insbesondere die Frage, auf welche Gesellschaften die Normen anwendbar sind, sowie die Bestimmung der schiedsfähigen Streitigkeiten.298 Das Reformbedürfnis wurde auch vom Gesetzgeber erkannt. Tatsächlich hat sich die durch Erlass des Justizministers vom 7.3.2016 eingesetzte Expertenkommission zur Erarbeitung einer Reform im Bereich der alternative Streitbeilegungsmethoden (sog. ADR-Kommission) in ihrem Endbericht vom 18.1.2017 auch mit Fragen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens befasst und entsprechende Gesetzesvorschläge vorgelegt.299 Es bleibt zu beurteilen, welche praktischen Änderungen die Vorschläge im Endbericht der Kommission vom 18.1.2017 mit sich bringen und inwiefern die Vorschläge geeignet sind, die bestehenden Unsicherheiten im Bereich der Schiedsfähigkeit gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten zu beseitigen. II. Ausblick: Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission v. 18.1.2017 In ihrem Endbericht schlägt die ADR-Kommission vor, die Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren aus der Verordnung Nr. 5/2003 (Artt. 34–36) zu streichen und in die Zivilprozessordnung zu integrieren. Dazu sollen vier neue Artikel an Art. 832 c.p.c. angehängt werden (Artt. 832-bis–832-quinquies). Die neuen Regelungen entsprechen zwar weitestgehend den Vorschriften der Verordnung, enthalten aber auch sechs inhaltliche
297
Cerrato, Riv. arb. 2015, 611, 614. Cerrato, Riv. arb. 2015, 611, 614. 299 Siehe dazu oben § 3 B. III. 3. 298
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
Neuerungen, sowie kleinere, primär redaktionelle, Änderungen, die der Anpassung der alten Regeln der Verordnung (von 2003) an das 2006 reformierte Schiedsverfahrensrecht geschuldet sind. Die Bestimmung der schiedsfähigen gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten richtet sich in dem Entwurf nach Art. 832-bis Abs. 1 c.p.c., der im Wesentlichen Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 entspricht. Der geplante Art. 832-bis Abs. 1 c.p.c. sieht vor, dass die Gründungsakte der Gesellschaften, die im Handelsregister eingetragen sind – mit Ausnahme derer, die sich im Sinne des Art. 2325-bis c.c. des Risikokapitalmarktes bedienen – mittels entsprechender Schiedsklauseln sämtliche oder bestimmte Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern oder den Gesellschaftern und der Gesellschaft, die verfügbare Rechte zum Gegenstand haben, Schiedsgerichten übertragen werden können. Im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich soll demnach trotz verbreiteter Kritik300 der Ausschluss der offenen Aktiengesellschaften aufrechterhalten bleiben.301 Neu ist dagegen, dass nunmehr ausdrücklich sämtliche im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften erfasst werden. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen bleiben damit die fehlerhaften Gesellschaften. Dies wird zwar bereits überwiegend unter geltendem Recht vertreten. Dennoch sorgt die Klarstellung für mehr Sicherheit in der Frage.302 Das Anknüpfen an die Handelsregistereintragung führt außerdem dazu, dass sich eine Beschränkung des Anwendungsberichts der Sondervorschriften auf Handelsgesellschaften – und insbesondere der Ausschluss der einfachen Gesellschaft303 – nicht mehr rechtfertigen lässt. Schließlich ist auch die einfache Gesellschaft im Handelsregister einzutragen,304 wenn auch nur mit deklaratorischer Wirkung.305 Zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit wird auch in dem Entwurf des neuen Art. 832-bis Abs. 1 c.p.c. weiter auf die Verfügbarkeit der Rechte abgestellt. Diese Entscheidung überrascht angesichts der großen Unsicherheit, zu der dieses Kriterium bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten geführt hat. Es ist zu erwarten, dass die Diskussion um die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten im Fall einer Verabschiedung des Art. 832-bis c.p.c. in der von der ADR-Kommission vorgeschlagen Fassung unverändert fortgesetzt wird. Keinem der bisher vertretenen Standpunkte wird schon durch
300
Siehe oben unter § 9 A. II. 1. Dazu oben § 9 A. II. 1.; kritisch dazu Cerrato, Giur. arb. 2017, 170, 172. 302 Vgl. auch Zucconi Galli Fonseca, Giur. arb. 2017, 126, 128; Salvaneschi, Giur. arb. 2017, 131, 137 f. 303 Siehe zur heute vorherrschenden Auffassung, wonach die società semplice nicht unter Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 fällt bereits oben § 9 A. II. 2. 304 Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 D.p.r. vom 14.12.1999, n. 558, veröffentlicht in der Gazz. Uff. n. 272 vom 21.11.2000. 305 Siehe Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 39. 301
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die bloße Eingliederung der Vorschriften in die Zivilprozessordnung der Boden entzogen. Die weiteren Neuerungen betreffen Änderungen im Verfahrensablauf, auf die noch im Laufe dieser Untersuchung einzugehen sein wird.306 Außerdem sorgt die Eingliederung der Spezialregelungen in die Zivilprozessordnung möglicherweise für ein klareres Verhältnis zum allgemeinen Schiedsverfahrensrecht.307
§ 10 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit § 10 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit
Die Analyse der Rechtsordnungen hat ergeben, dass Beschlussmängelstreitigkeiten in beiden Ländern (zumindest teilweise) schiedsfähig sind, sich bei der Übertragung dieser Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit aber bis heute verschiedene Hürden stellen. Aktiengesellschaften bleiben die Vorzüge der Schiedsgerichtsbarkeit bei Innenstreitigkeiten in Deutschland und Italien weitestgehend verwehrt. A. Schutz der Rechte verfahrensunbeteiligter Gesellschafter Während zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit nach deutschem Recht seit der Schiedsverfahrensrechtsreform von 1997 primär der vermögensrechtliche Charakter des Anspruchs entscheidend ist, muss nach italienischem Recht untersucht werden, ob dem strittigen Rechtsverhältnis unverfügbare Rechte zugrunde liegen. Die Anknüpfung an die vermögensrechtliche Natur der Ansprüche führt tendenziell zu einem größeren Kreis schiedsfähiger Streitigkeiten; die Unverfügbarkeit eines Rechts schließt nicht aus, dass ein vermögensrechtlicher Anspruch damit einhergeht.308 Wie die bisherigen Darstellungen gezeigt haben, handelt es sich bei diesem Kriterium außerdem um ein schwer zu handhabendes Merkmal, das – gerade auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts – zu größten Auslegungsschwierigkeiten geführt hat. Es wird daher bedauert, dass der italienische Gesetzgeber nicht die Chance genutzt hat,
306
Siehe an den jeweiligen Punkten unter Kap. 5. Einige Unstimmigkeiten sollen beseitigt werden, die sich aus der fehlenden Anpassung der Verordnung von 2003 an die Reform des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts von 2006 ergeben hatten. Das betrifft etwa die Streichung des Art. 35 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 (vgl. hierzu unten § 17 B. II.). 308 So sind etwas Unterhaltsansprüche zweifelsohne vermögensrechtlicher Natur und damit nach deutschem Recht schiedsfähig, vgl. nur OLG München NJW-Spezial 2012, 646. In Italien werden dieselben Ansprüche aufgrund des Abtretungsverbots in Art. 447 c.c. für unverfügbar gehalten und sind damit nicht schiedsfähig, vgl. statt aller Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 806, Ziff. 8, S. 33. 307
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
sich am deutschen Vorbild zu orientieren und im Zuge der Schiedsverfahrensrechtsreform ebenfalls an den vermögensrechtlichen Charakter des Rechtsverhältnisses anzuknüpfen.309 So ergibt es sich, dass die Diskussion über die Statthaftigkeit der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland nicht mehr an der Schiedsfähigkeit im engeren Sinn aufgehängt wird – vermögensrechtlichen Charakter haben diese Streitigkeiten allemal. In Italien wurzeln die Vorbehalte gegen die Austragung dieser Streitigkeiten vor Schiedsgerichten weiter im Erfordernis der Verfügbarkeit – wenngleich im Bereich gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten neue Kriterien zur Konkretisierung des Begriffs auf dem Gebiet entwickelt wurden. Bis heute wird demnach die Schiedsfähigkeit im engeren Sinn bezweifelt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die Hürden, die sich in beiden Rechtsordnungen bei der Übertragung gesellschaftsrechtlicher Streitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit stellen, in ähnlichen Problemen wurzeln. Ein Gesellschafterbeschluss kann – besonders in größeren Kapitalgesellschaften – eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtspositionen betreffen, die durch entsprechende Mechanismen (insbesondere Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage) in beiden untersuchten Rechtsordnungen auf ähnliche Weise geschützt werden.310 Um für die Zukunft eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen, ist es aber wichtig, dass Urteile in Beschlussmängelverfahren endgültig für Rechtsfrieden sorgen. Das wiederum ist nur dann gewährleistet, wenn sämtliche an der Entscheidung interessierten Rechtsubjekte an das Urteil gebunden sind. Aus diesem Grund sehen beide Rechtsordnungen (zumindest in Kapitalgesellschaften) die Rechtskrafterstreckung eines staatlichen Urteils über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses auf alle Gesellschafter vor.311 Korrelat der Rechtskrafterstreckung auf verfahrensunbeteiligte Gesellschafter ist der Schutz ihrer (Verfahrens-)Rechte. Sowohl die deutsche als auch die italienische Rechtsordnung halten daher verschiedene Interventionsmöglichkeiten für Dritte bereit, die am Verfahren teilnehmen und ihre Interessen vertreten können. Genau hier liegt eines der Kernprobleme der Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte: wie kann ein Schiedsspruch zustande kommen, der für Rechtsfrieden sorgt, aber zugleich verfahrensunbeteiligte Gesellschafter vor Ergebnissen schützt, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten? 309 So E.F. Ricci, Riv. dir. proc. 2005, 951, 955; aufgrund der beschriebenen Nachteile hält der Autor die Verwendung des Abgrenzungsmerkmals für „nicht ratsam“ in einer modernen Rechtsordnung, E.F. Ricci, ZZPInt 8 (2003), 261, 284; ähnlich kritisch zuletzt auch Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 236. Dennoch ist eine entsprechende Änderung in näherer Zukunft nicht zu erwarten. Wie gesehen hält auch der jüngste Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission vom 18.1.2017 an dem Abgrenzungsmerkmal fest. 310 Siehe dazu oben § 6. 311 Siehe oben § 8 B. I. 2.
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Diese Problematik wird in den untersuchten Rechtsordnungen nicht nur auf verschiedene Weise, sondern auch mit unterschiedlichen Ergebnissen gelöst. In Deutschland wurde die Übertragung von kapitalgesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelklagen auf Schiedsgerichte bis 2009 aufgrund fehlender Schutzmechanismen für verfahrensunbeteiligte Gesellschafter von der Rechtsprechung gänzlich abgelehnt.312 Die italienische Rechtsprechung hat schon früh einen anderen Weg eingeschlagen – in Italien werden Schiedsverfahren auf dem Gebiet immerhin schon seit den 1960er Jahren zugelassen, allerdings nur in einem begrenzten Bereich. Schiedsverfahren durften grundsätzlich nur über solche Gesellschafterbeschlüsse durchgeführt werden, die lediglich die individuellen Interessen des (klagenden) Gesellschafters betreffen. Werden dagegen kollektive Gesellschaftsinteressen berührt, fehlt der Streitigkeit die Schiedsfähigkeit. Auf diese Weise wurden Dritte vor der Bindung an unliebsame Ergebnisse eines Schiedsspruchs geschützt, auf dessen Zustandekommen sie keinen Einfluss nehmen konnten. Waren dagegen ausschließlich Individualinteressen des klagenden Gesellschafters betroffen, wurde die Streitigkeit für schiedsfähig gehalten – in diesem Fall war schließlich keine Verschlechterung der Rechtslage Dritter durch die Bindung an den Schiedsspruch zu befürchten. Nur so lässt sich verstehen, weshalb die Rechtskrafterstreckung italienischer staatlicher Urteile im Verfahren über Beschlussmängel nicht als Hindernis für die Schiedsfähigkeit (im weiteren Sinn) gesehen wurde. Das Modell des Kassationshofs stellt schon von vorneherein sicher, dass die Verfahrensrechte Dritter nicht beeinträchtigt werden können: Streitigkeiten, die potentiell die Interessen Dritter berühren, bleiben grundsätzlich den staatlichen Gerichten vorbehalten. Die frühere Ablehnung der Schiedsfähigkeit durch den BGH aufgrund mangelnder Fähigkeit zur Rechtskrafterstreckung eines Schiedsspruchs ist folglich demselben Gedanken geschuldet wie die Interessenstheorie des italienischen Kassationshofs (bzw. wie die heutigen Konkretisierungen dieser Theorie): im Fokus stand jeweils der Schutz verfahrensunbeteiligter Gesellschafter. Allein in der Umsetzung dieses Ziels wichen die Lösungen der untersuchten Rechtsordnungen deutlich voneinander ab. Inzwischen ist der BGH von seiner alten Rechtsprechung abgewichen. Er hat in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung von 2009 ein neues Mittel zum Schutz verfahrensunbeteiligter Gesellschafter gefunden: ihre Verfahrens- und Mitwirkungsrechte sollen mithilfe allgemeingültiger Mindeststandards an die Schiedsklausel garantiert werden.313 Zugleich hat der Kassationshof inzwischen seine Interessenstheorie deutlich konkretisiert, sodass sich leichter vorhersehen lässt, ob eine bestimmte Streitigkeit durch ein Schiedsgericht beigelegt werden darf oder nicht.314 312
Vgl. zur Entwicklung der deutschen Rechtsprechung oben § 8 B. I. 2. Siehe dazu oben § 8 B. I. 2. b). 314 Siehe dazu oben § 9 C. II. 313
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
Heute stehen sich also zwei fundamental unterschiedliche Lösungsansätze gegenüber: in der einen Rechtsordnung dürfen bei Einhaltung bestimmter Wirksamkeitsanforderungen an die satzungsmäßige Schiedsklausel sämtliche Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte übertragen werden (Deutschland); in der anderen Rechtsordnung erfolgt eine selektive Auswahl bestimmter Gesellschafterbeschlüsse, die typischerweise eine Vielzahl verschiedener Interessen betreffen und daher nicht schiedsfähig sind (Italien). B. Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Gesellschaftsform I. Einfluss der Unterschiede im Beschlussmängelrecht Die Unterschiede bei der Geltendmachung von Beschlussmängeln in Kapitalgesellschaften (Klage gegen die Gesellschaft) und Personengesellschaften (Klage gegen die widersprechenden Mitgesellschafter) haben dazu geführt, dass zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit in der deutschen Rechtsprechung traditionell zwischen Kapital- und Personengesellschaften zu unterscheiden war. Diese inzwischen möglicherweise überholte Unterscheidung war der italienischen Rechtspraxis schon immer fremd. Dies gilt insbesondere nicht erst seit Einführung der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003, die gleichermaßen auf sämtliche (erfassten) Kapital- und Personengesellschaften Anwendung finden. Auch schon zuvor hat sich die Rechtsprechung zu sämtlichen Gesellschaftsformen parallel entwickelt, ohne dabei die Eigenheiten der betroffenen Gesellschaften in den Fokus zu rücken – das überrascht umso mehr, als das kapitalgesellschaftsrechtliche Beschlussmängelrecht erst seit neuester Rechtsprechung entsprechend auf Personenhandelsgesellschaften angewendet wird.315 Dies mag daran liegen, dass die Interessenstheorie des Kassationshofs – anders als die alten Einwände der deutschen Rechtsprechung gegen Schiedsverfahren in Kapitalgesellschaften – nicht an der Rechtskrafterstreckung eines Urteils (bzw. Schiedsspruchs) im technischen Sinn anknüpft, sondern die verfahrensunbeteiligten Gesellschafter vor sämtlichen negativen Auswirkungen schützen will. Dies überzeugt vom Ergebnis her: für den einzelnen Gesellschafter wird es wohl meist kaum einen Unterschied machen, ob er infolge der Rechtskrafterstreckung an das Urteil (bzw. den Schiedsspruch) gebunden ist oder ihn die Folgen als Mitglied der Gesellschaft nur faktisch treffen. Durch den jüngsten Beschluss des BGH vom 6.4.2017 ist womöglich auch in Deutschland keine Differenzierung mehr erforderlich.316
315
Vgl. Cass. civ., sez. I, 28.1.2015, n. 1624, Società 2015, 803; siehe dazu bereits oben
§ 7 B. 316 Siehe dazu oben § 8 B. III. 2.; inwieweit sich die Wirksamkeitsanforderungen des BGH an Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten tatsächlich sinnvollerweise auf Personengesellschaften übertragen lassen, bleibt zu untersuchen, vgl. dazu unten § 11 B. IV.
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II. Besonderheiten der Aktiengesellschaft Im Recht der Aktiengesellschaft ist der Handlungsspielraum für privatautonome Regelungen nach deutschem Recht erheblich geringer als in der italienischen Rechtsordnung. Bis heute wird von vielen Stimmen in der Literatur vertreten, dass satzungsmäßige Schiedsklauseln zur Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten in der deutschen AG aufgrund der Zuständigkeitsregelung in § 246 Abs. 3 AktG einen Verstoß gegen das Gebot der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG darstellen.317 Dieses Problem stellt sich nach italienischem Recht von vornherein nicht; der Grundsatz der Satzungsstrenge ist dem (liberaleren) italienischen Aktienrecht fremd.318 Selbst Autoren, die in § 23 Abs. 5 AktG kein Argument gegen satzungsmäßige Schiedsklauseln sehen, wollen Schiedsverfahren aus praktischen Erwägungen nur in kleineren Aktiengesellschaften zulassen. Aufgrund der unischeren Rechtslage wird in der Beratungspraxis bisher von satzungsmäßigen Schiedsklauseln abgeraten.319 In der italienischen Praxis sind satzungsmäßige Schiedsklauseln hingegen auch in der s.p.a. schon seit Jahrzehnten Wirklichkeit.320 Auffällig ist aber, dass sich die im deutschen Schrifttum verbreiteten Vorbehalte gegen Schiedsverfahren in großen – insbesondere börsennotierten – Aktiengesellschaften auch in der italienischen Gesetzgebung wiederfinden. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 verwehrt Gesellschaften, die sich des Risikokapitalmarktes bedienen (Art. 2325-bis c.c.), das Mittel der Schiedsgerichtsbarkeit zur Beilegung ihrer internen Streitigkeiten. Die vom Schiedsverfahren ausgeschlossenen Aktiengesellschaften lassen sich nach italienischem Recht mithilfe einer komplexen Verweisungskette genau bestimmen. Es werden bestimmte Grenzen in Hinblick auf Anzahl der Aktionäre, Art der Bilanzierungspflicht (Aktivvermögen und Umsatz, Arbeitnehmerzahl), sowie Art der Ausgabe oder des Handels der Aktien gestellt.321 Gerade die Orientierung an der Anzahl der Aktionäre könnte dem deutschen Gesetzgeber (bzw. der Rechtsprechung) bei Bestimmung der Statthaftigkeit von Schiedsverfahren in der AG als Vorbild dienen. Die Vorbehalte gegen Schiedsverfahren in der deutschen AG wurzeln schließlich – abgesehen von § 23 Abs. 5 AktG – in den praktischen Schwierigkeiten, die ein 317
Siehe oben unter § 8 B. II. 1. Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 113. 319 Vgl. etwa Mehrbrey/Pörnbacher/Baur, HdB GesR Streitigkeiten, § 2 Rn. 34. 320 Vgl. die Untersuchung von Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 8 f.; sicherlich muss dabei auch der andere Stellenwert der italienischen s.p.a. im Vergleich zur deutschen AG berücksichtigt werden, insbesondere die hohe Verbreitung dieser Gesellschaftsform unter kleineren (Familien-)Unternehmen, vgl. Kindler, It. Handelsund Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 113. 321 Betroffen sind Gesellschaften, die (1) ohne Mehrheitsaktionäre aus mehr als 500 Aktionären bestehen, die gemeinsam einen Anteil von mindestens 5 % am Gesellschaftskapital haben, (2) nicht bestimmte Höchstgrenzen an Aktivvermögen, Umsatz und Anzahl der Beschäftigten überschreiten und (3) sich willentlich die Instrumente des Risikokapitalmarktes zu eigen machen, vgl. dazu oben § 9 A. II. 1. a). 318
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Kapitel 3: Schiedsfähigkeit
Schiedsverfahren mit einer unüberschaubar großen Anzahl an (potentiellen) Teilnehmern mit sich bringt. Sofern daher Schiedsverfahren (nur) in kleinen Aktiengesellschaften als zulässig angesehen werden322 und damit auf die Börsennotierung oder die Kriterien des § 267 Abs. 1 HGB abgestellt wird, bleibt die zulässige Höchstanzahl an Aktionären unbestimmt. Werden Schiedsverfahren über mangelhafte Gesellschafterbeschlüsse nur in bestimmten – kleineren – Aktiengesellschaften zugelassen, ergibt sich zudem ein in der deutschen Debatte, soweit ersichtlich, kaum berücksichtigtes Folgeproblem im Fall der Über- oder Unterschreitung der Schwellenwerte nach Einführung der Schiedsklausel.323 Auch hier könnte auf die Erkenntnisse aus der italienische Diskussion zurückgegriffen werden324 und möglicherweise eine Lösung bereits in eine entsprechende gesetzliche Regelung aufgenommen werden. Überzeugend erscheint es, hier auf die Größe der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Einleitung des Schiedsverfahrens – und nicht schon zum Zeitpunkt des Einfügens der Schiedsklausel – abzustellen.325
322
Vgl. die Nachweise in Kap. 3 Fn. 63. Hingewiesen wird hierauf aber in MünchHdB GesR VII/Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 12. 324 Siehe dazu oben § 9 A. II. 1. c). 325 Vgl. dazu oben § 9 A. II. 1. c). 323
Kapitel 4
Vertragsfreiheit bei Begründung der Schiedsgerichtsbarkeit: die Anforderungen an Schiedsvereinbarungen nach deutschem und italienischem Recht Die Entscheidungskompetenz eines Schiedsgerichts setzt die freie und bewusste Entscheidung aller Parteien voraus, eine Streitigkeit auf diesem Weg beizulegen. Grundlage und Grenze der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit ist die von den Parteien durch übereinstimmende Willenserklärungen ins Leben gerufene Schiedsvereinbarung. Inwieweit dies auch bei der Beilegung innergesellschaftlicher (Beschlussmängel-)Streitigkeiten gilt bzw. welche besonderen Anforderungen hier an die Schiedsvereinbarung gestellt werden, wird im Folgenden untersucht. Gerade dann, wenn Schiedsvereinbarungen in Gesellschaftsverträgen verankert sind stellt sich nämlich die Frage, wie sich gesellschaftsrechtliche Grundsätze mit den Anforderungen des Schiedsverfahrensrechts vereinbaren lassen. Zu analysieren gilt es hier, inwieweit in den untersuchten Rechtsordnungen Raum für privatautonome Regelungen der Gesellschafter bleibt bzw. wann die Vertragsfreiheit mit Blick auf organisationsrechtliche Bedürfnisse beschränkt wird. Die Legitimation eines Schiedsgerichts zur Entscheidung über Beschlussmängelverfahren wird sich in erster Linie aus gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln ergeben. Im Folgenden soll analysiert werden, welche (Wirksamkeits-)Anforderungen die beiden untersuchten Rechtsordnungen an entsprechende Klauseln stellen. Fehlt es an einer (wirksamen) Schiedsklausel, kommt daneben – zumindest in kleineren Gesellschaften – auch der Abschluss eines Schiedsvertrags aus Anlass der Streitigkeit in Betracht.
§ 11 Die Rechtslage in Deutschland § 11 Die Rechtslage in Deutschland
Die ZPO unterscheidet drei Arten von Schiedsvereinbarungen. Individualvertragliche Schiedsvereinbarungen können nach der Legaldefinition des § 1029 Abs. 2 ZPO in Form einer selbstständigen Vereinbarung (Schiedsabrede) oder einer Klausel in einem Vertrag (Schiedsklausel) geschlossen werden. Daneben sieht § 1066 ZPO die entsprechende Geltung der Vorschriften des Zehnten
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
Buchs der ZPO für Schiedsgerichte vor, die durch „nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen“ angeordnet werden. Im Folgenden wird untersucht, welche Regelungsorte zur Vereinbarung eines Schiedsverfahrens über gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelklagen in den verschiedenen Gesellschaften nach deutschem Rechts in Betracht kommen und unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Klausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen bzw. eine Schiedsabrede getroffen werden kann. Dabei muss insbesondere die Rechtsprechung des BGH beachtet werden, die den Spielraum für privatautonome Regelungen bereits beim Abfassen einer Schiedsklausel begrenzt. In der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung wurden sogenannte Gleichwertigkeitskautelen entwickelt, an denen die außervertragliche Schiedsklausel einer GmbH (§ 1066 ZPO) gemessen wurde.1 Zumindest nach Auffassung des I. Zivilsenats sind diese Mindeststandards nunmehr auch bei individualvertraglichen Klauseln in Personengesellschaften einzuhalten.2 A. Außervertragliche Schiedsklausel (§ 1066 ZPO) I. Sachlicher Anwendungsbereich: körperschaftliche Satzung Schiedsgerichte, die nicht durch eine Parteivereinbarung eingesetzt werden, sondern durch ein einseitiges (privatrechtliches) Rechtsgeschäft legitimiert sind, fallen unter § 1066 ZPO.3 Dies ist bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln in Vereinen und Körperschaften der Fall. Sie stellen keine individualvertraglichen Klauseln im Sinne von § 1029 Abs. 2 ZPO dar, sondern werden nach überwiegender Ansicht als „andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen“ von § 1066 ZPO erfasst.4 Diese Einordnung lässt sich mit der Rechtsnatur körperschaftlicher Satzungen begründen. Sie sind nicht als bloßer Vertrag zu qualifizieren, sondern fungieren als objektives Normensystem, das durch den Errichtungsvertrag geschaffen wird und nach Errichtung der Gesellschaft unabhängig vom Willen der Gründungsgesellschafter sämtliche Mitglieder der Körperschaft bindet.5 1
BGH NJW 2009, 1962. BGH NJW-RR 2017, 876. 3 Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 1. 4 Vgl. nur Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 4; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 8; Saenger/Eberl/Eberl, § 1066, Rn. K5; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 275; Ebbing, NZG 1998, 281; so auch die ständige Rechtsprechung, etwa RGZ 88, 395, 397 f.; BGH MDR 1951, 674; BGH NJW 1980, 1049; a.A. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 32 Rn. 5; kritisch (aber inzwischen im Ergebnis zustimmend) auch Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 19 ff.; in der Begründung zu § 1066 ZPO wurde die Frage bewusst offengelassen, vgl. BT-Drs. 13/5274, S. 66. 5 Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 2 Rn. 12; MünchKommAktG/Heider, § 2 Rn. 35 ff. m.w.N.; zur objektiven Reichweite statutarischer Schiedsklauseln s. von Jhering, Die Wirkung von Schiedsvereinbarungen, S. 97 ff. Beschlussmängelstreitigkeiten werden ohne weiteres von allgemein gehaltenen Schiedsklauseln erfasst, vgl. MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 18. 2
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Nach traditioneller Auffassung steht der Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) satzungsmäßigen Schiedsklauseln in der AG insoweit entgegen, als sie auch Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse erfassen. Schließlich schreibe § 246 Abs. 3 AktG für diese Streitigkeiten die ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte vor.6 Wie bereits gesehen, wird dadurch indes keine Aussage über die Übertragung der Streitigkeit auf ein nicht staatliches Gericht getroffen.7 Auch in der Satzung einer AG können zulässigerweise Schiedsklauseln im Sinne des § 1066 ZPO enthalten sein. Wird eine satzungsmäßige Schiedsklausel für Beschlussmängelstreitigkeiten trotz der überzeugenden Gegenargumente in der AG weiter für unstatthaft gehalten, bleibt nur die Möglichkeit, ein Schiedsgericht im Rahmen einer satzungsbegleitenden Nebenabrede für zuständig zu erklären. Dabei handelt es sich allerdings um keine außervertragliche „Verfügung“ im Sinne von § 1066 ZPO. Die satzungsbegleitende Nebenabrede stellt sich vielmehr als bloße individualvertragliche Schiedsabrede dar.8 Auch Schiedsklauseln im Gesellschaftsvertrag von Personengesellschaften stellen nach noch überwiegender Auffassung keine Anordnung im Sinne des § 1066 ZPO dar, sondern sind als vertragliche Schiedsklauseln gem. § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO einzuordnen.9 II. Persönliche Bindungswirkung Die AG bzw. GmbH ist nach § 246 Abs. 2 S. 1 AktG Klagegegnerin der Beschlussanfechtung. Auch wenn sie am Abschluss der satzungsmäßigen Schiedsklausel nicht als Partei teilgenommen hat, ist sie nach verbandsrechtlichen Grundsätzen als juristische Person unmittelbar an die satzungsmäßige Schiedsgerichtsanordnung gebunden.10 Dasselbe gilt für die Gesellschafter, die kraft ihrer Mitgliedschaft in der Gesellschaft an die Satzung, und damit auch an die darin enthaltene Schiedsklausel, gebunden sind.11 Unbeachtlich ist dabei, ob sie bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme der Schiedsklausel Mitglied in
6
Siehe dazu die Nachweise in Kap. 3 Fn. 56. Dazu bereits oben § 8 B. II. 1. 8 Näheres zu den Rechtsfolgen (und Nachteilen) dieser dogmatischen Verortung unter § 11 C. 9 Hierzu unten § 11 B. I. 10 Siehe dazu bereits die Ausführung in der „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung, BGH NJW 1996, 1753, 1754; früher wurde die Bindung der Gesellschaft an die Schiedsklausel teilweise unter dem (unklaren) Gesichtspunkt der „subjektiven Vergleichsbefugnis“ diskutiert und – aufgrund ihrer fehlenden Beteiligung am Abschluss der Schiedsvereinbarung – überwiegend abgelehnt, vgl. dazu Bayer, ZIP 2003, 881, 884 ff. m.w.N. 11 MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 16. 7
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der Gesellschaft waren oder erst später in die Gesellschaft aufgenommen wurden. Auch ausscheidende Gesellschafter bleiben grundsätzlich an die Schiedsklausel gebunden.12 1. Bindung neuer Gesellschafter Aufgrund ihres verbandsrechtlichen Charakters bindet die Schiedsklausel nicht nur die Gründungsgesellschafter oder – im Fall der späteren Aufnahme einer Schiedsklausel – diejenigen Gesellschafter, die an dem satzungsändernden Beschluss beteiligt waren, sondern auch sämtliche Gesellschafter, die der Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt beitreten.13 Dies gilt unabhängig davon, ob ein neuer Gesellschafter kraft Rechtsnachfolge oder originär (etwa durch Übernahme von Stammeinlagen infolge einer Kapitalerhöhung) beitritt. Schließlich unterwirft sich jeder neue Gesellschafter durch seinen Beitritt dem geltenden Innenrecht der Gesellschaft, sodass nicht nur bei Übernahme von Geschäftsanteilen im Wege der Abtretung (mit Übergang der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten auf den Erwerber), sondern auch im Fall des originären Beitritts – ohne besondere Zustimmung des neuen Gesellschafters – eine Bindung an die Schiedsklausel erfolgt.14 Positive Kenntnis des neuen Gesellschafters von der Klausel ist nicht erforderlich.15 2. Bindung des ausscheidenden Gesellschafters Gesellschafter bleiben grundsätzlich auch nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft jedenfalls mit Blick auf die Rechtsverhältnisse, die vor ihrem Austritt begründet wurden, an die Schiedsklausel gebunden.16 Greift ein Gesellschafter also beispielsweise den Beschluss an, durch den er aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird, bleibt er insoweit auf die Schiedsgerichtsbarkeit verwiesen.17
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In der Praxis wird eine entsprechende Klarstellung in der Schiedsvereinbarung empfohlen, vgl. Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 99. 13 Habersack, JZ 2009, 797, 798; Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 253; Müller, GmbHR 2010, 729, 731; Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 9; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 16. 14 Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 9; MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 67. 15 Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 24. 16 Stein/Jonas/Schlosser, § 1066 Rn. 18; Schwerdtfeger/S.Eberl/W.Eberl, GesR, Kap. 7, Rn. 63; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 32 Rn. 12. 17 Vgl. etwa MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 166, zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts in der GmbH nicht nur für die Ausschließungsklage (bei entsprechender Schiedsvereinbarung), sondern auch zur Überprüfung der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung.
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III. Formelle Voraussetzungen Bei der Einfügung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag müssen bestimmte Formvorschriften beachtet werden. Sofern die Schiedsklausel auch Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse erfassen soll, werden außerdem besondere Anforderungen an die Zustimmung der Gesellschafter gestellt. 1. Form der Schiedsklausel Von der Verweisung des § 1066 ZPO auf die Vorschriften des Zehnten Buchs der ZPO ist die Vorschrift des § 1031 ZPO nach verbreiteter Auffassung ausgenommen.18 Zu beachten sind demnach nur die gesellschaftsrechtlichen Formvorschriften an eine satzungsmäßige Schiedsklausel. Einer (gesonderten) Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern in der Form des § 1031 ZPO bedarf es nicht. In Hinblick auf die Anforderungen des § 1031 Abs. 1 ZPO (abgeschwächte Schriftform bei Schiedsvereinbarungen ohne Verbraucherbeteiligung) bzw. des § 1031 Abs. 5 ZPO (Schiedsvereinbarung in eigenständiger, eigenhändig unterzeichneter Urkunde bei Verbraucherbeteiligung) bringt die Ausnahme damit jedenfalls bei Schiedsklauseln, die schon bei Gründung der Gesellschaft in die Satzung aufgenommen werden, keinen Vorteil. In diesem Fall sind nach den jeweiligen kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorschriften ohnehin notarielle Beurkundung und Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags durch alle Gesellschafter erforderlich.19 Den formellen Anforderungen der ZPO wird damit – auch bei Beteiligung von Verbrauchern20 – entsprochen. Anders beurteilt sich die Situation bei späterer Aufnahme der Schiedsklausel im Wege einer Satzungsänderung. Zwar bedarf auch die Satzungsänderung gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG bzw. § 130 Abs. 1 AktG der notariellen Beurkundung. Dadurch wird aber keine besondere Unterzeichnung durch die Gesellschafter garantiert.21 Nach § 1031 Abs. 5 S. 3 Hs. 2 ZPO ersetzt die notarielle Urkunde zwar das Erfordernis der Eigenständigkeit der Urkunde; die eigenhändige Unterzeichnung des Verbrauchers bleibt aber erforderlich.22 Teilweise wird daher empfohlen, die Schiedsklausel bei nachträglicher Aufnahme in die Satzung in
18 Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 2; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 14; Reichert, in: FS Ulmer, S. 511 (529); Habersack/Wasserbäch, AG 2016, 2, 6; a.A. Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 32 Rn. 5 f. 19 Vgl. § 2 Abs. 1 GmbHG, § 23 Abs. 1 S. 1 AktG. 20 Nach der Rechtsprechung können grundsätzlich auch GmbH-Gesellschafter Verbraucher sein, vgl. nur BGH NJW 1996, 2156, 2158; BGH NJW 2007, 759 Rn. 13. 21 Nach allgemeiner Ansicht muss bei einer Satzungsänderung grundsätzlich nur die Beschlussfassung gem. § 36 BeurkG beurkundet werden, nicht dagegen die einzelnen Stimmen der Gesellschafter als Willenserklärung gem. §§ 8 ff. BeurkG, vgl. statt aller Lutter/ Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 53 Rn. 16. 22 K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 275.
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einem besonderen Dokument von den Gesellschaftern unterzeichnen zu lassen.23 Aus Praktikabilitätserwägungen erscheint es vorzugswürdig, mit der herrschenden Meinung24 bei Schiedsklauseln im Sinne von § 1066 ZPO von diesem Erfordernis abzusehen. Andernfalls droht die Klausel bei jedem Gesellschafterwechsel der Verlust ihrer Bindungswirkung. In der Praxis bleiben hier freilich Unsicherheiten bestehen. 2. Formerfordernis bei Verweisung auf Verfahrensordnungen Vereinbaren die Parteien die Durchführung des Schiedsverfahrens vor einem institutionellen Schiedsgericht, so wird die Verfahrensordnung der jeweiligen Schiedsgerichtsorganisation Bestandteil der Schiedsvereinbarung.25 Für die Beilegung von Binnenstreitigkeiten deutscher Gesellschaften bietet sich besonders die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) an, die mit den Ergänzende Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (DISERGeS) in Reaktion auf die „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung des BGH ein eigenes Regelwerk auf dem Gebiet geschaffen hat.26 In formeller Hinsicht stellt sich hierbei die Frage, ob auch die Verfahrensordnung selbst den Formvorschriften der satzungsmäßigen Schiedsklausel entsprechen muss und damit – wie die Satzung der Kapitalgesellschaften27 – der notariellen Beurkundung bedarf.28 Für die Anwendung der Formvorschriften des materiellen Hauptvertrages auf die prozessualen (Neben-)Vereinbarungen spricht, dass Schiedsvereinbarung und Verfahrensabreden aus wirtschaftlicher Sicht eine Einheit bilden und aufgrund der Bedeutung der prozessualen Geltendmachung der Rechte die Warnfunktion der Formvorgaben auch für diesen Teil der Vereinbarung greift.29 Es scheint daher nicht sinnvoll, zwischen Schiedsvereinbarung und der in Bezug genommenen Schiedsgerichtsordnung zu differenzieren, da nicht nur die schiedsgerichtliche Zuständigkeit an sich, sondern auch der vereinbarte Verfahrensablauf für die Parteien von großer Bedeutung sein können.30 Gleichwohl hat sich die Rechtsprechung inzwischen mit Blick auf die Übertragung von Geschäftsanteilen einer GmbH gegen die Beurkundungsbedürftigkeit (§ 15 GmbHG) von Schiedsvereinbarung und 23
Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919; Müller, GmbHR 2010,729, 732. Vgl. die Nachweise in Kap. 4 Fn. 18. 25 Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 16. 26 Vgl. dazu Borris, SchiedsVZ 2009, 299; abgedruckt sind die (neuen) DIS-ERGeS in SchiedsVZ 2018, 238. 27 Vgl. §§ 2 Abs. 1, 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG bzw. §§ 23 Abs. 1 S. 1, 130 Abs. 1 AktG 28 Keine Probleme bereitet hier dagegen die prozessuale Formvorschrift des § 1031 ZPO, der nach allgemeiner Auffassung nur die Schiedsvereinbarung an sich unterliegt, nicht aber Vereinbarungen über die Durchführung des Verfahrens, vgl. Kindler, NZG 2014, 961, 964. 29 Vgl. Kindler, NZG 2014, 961, 964 f.; zur Anwendung des Beurkundungserfordernisses nach § 2 Abs. 1 GmbHG auf Schiedsordnungen Heskamp, RNotZ 2012, 415, 426. 30 Kindler, NZG 2014, 961, 965. 24
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Schiedsordnung ausgesprochen.31 Der BGH beruft sich hierbei in erster Linie auf § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO, wonach die Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln ist.32 Nach dem Parteiwillen sei eine Anwendung der Formvorschriften des Hauptvertrags auf die Schiedsvereinbarung nicht gewollt.33 Eine Entscheidung zur Beurkundungsbedürftigkeit von Schiedsordnungen, auf die in einer satzungsmäßigen Schiedsklausel verwiesen wird, liegt zwar nicht vor. Aufgrund der vergleichbaren Sachlage ist aber davon auszugehen, dass die Rechtsprechung wie bei der Geschäftsanteilsabtretung auch hier keine Beurkundung der Schiedsordnung – etwa der DIS-ERGeS – nach den kapitalgesellschaftsrechtlichen Vorschriften fordern wird.34 Für dieses Ergebnis wird schließlich auch angeführt, dass der Verweis auf eine Schiedsordnung – aufgrund ausdrücklichen Hinweises oder mittels Auslegung – regelmäßig dynamisch, das heißt als Verweis auf die jeweils gültige Fassung der Schiedsordnung, zu verstehen sei.35 Dann komme eine Beurkundung aber ohnehin nicht in Betracht, da die zum Zeitpunkt der Streitbelegung gültige Schiedsordnung bei Beurkundung der Satzung unter Umständen noch nicht einmal bekannt sei.36 3. Einführung durch Satzungsänderung Sofern die Schiedsklausel von Anfang an in der Satzung enthalten ist, stellt sich die Frage nach den erforderlichen Mehrheitsverhältnissen nicht. Der Satzung (und der darin enthaltenen Schiedsklausel) müssen ohnehin sämtliche Gründungsgesellschafter zustimmen. a) Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel Wurde bei Gründung der Gesellschaft keine Schiedsklausel in die Satzung aufgenommen, kann die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit aber auch nachträglich durch eine entsprechende Satzungsänderung begründet werden. Unklar ist, ob in diesem Fall ein Mehrheitsbeschluss ausreicht, oder ob sämtliche Gesellschafter der Änderung zustimmen müssen. 31
BGH NJW 2014, 3652; so zum alten Schiedsverfahrensrecht bereits BGH NJW 1978,
212. 32
BGH NJW 2014, 3652 Rn. 18. BGH NJW 2014, 3652 Rn. 17. 34 So bereits Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 210. 35 In diesem Sinne OLG München SchiedsVZ 2013, 287, 291 (Vorinstanz zu BGH NJW 2014, 3652). 36 Herrler/Blath/Gömer/Haines, GesR in der Notar- und Gestaltungspraxis, § 6 Rn. 209; OLG München SchiedsVZ 2013, 287, 291; dagegen lässt sich anführen, dass die Möglichkeit zukünftiger Vertragsänderungen nicht davon befreit, den aktuellen Vertragsinhalt – mithin die Schiedsordnung in der aktuellen Fassung – zu beurkunden, vgl. Kindler, NZG 2014, 961, 965. 33
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Satzungsändernde Beschlüsse bedürfen in GmbH und AG gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG bzw. § 179 Abs. 2 S. 1 AktG grundsätzlich der Dreiviertelmehrheit. Führt die Änderung allerdings zu einer Vermehrung der den Gesellschaftern nach dem Gesellschaftsvertrag obliegenden Leistungen, ist in der GmbH nach § 53 Abs. 3 GmbHG die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erforderlich.37 Die wohl überwiegende Auffassung stellte sich schon lange auf den Standpunkt, dass Schiedsklauseln nur durch Zustimmung aller Gesellschafter rechtswirksam in eine Satzung aufgenommen werden können.38 Die Zustimmung wird dabei konkludent mit der (positiven) Stimmabgabe erteilt, kann aber auch – insbesondere bei Abwesenheit des Gesellschafters – vor der Gesellschafterversammlung oder im Nachhinein erfolgen.39 Zur Begründung des Zustimmungserfordernisses werden unterschiedliche dogmatische Ansätze vertreten. Der BGH stützt sich auf verfassungsrechtliche Grundsätze: er hält das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, sowie das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG für betroffen. Ein Mitglied könne nicht ohne seine Zustimmung durch Mehrheitsbeschluss der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit unterworfen werden.40 In der Literatur wird dagegen teilweise für eine entsprechende Anwendung des § 53 Abs. 3 GmbHG plädiert.41 Das impliziert allerdings, dass die Einführung einer satzungsmäßigen Schiedsklausel mit der Vermehrung der den Gesellschaftern obliegenden Leistungen vergleichbar ist. In seiner Entscheidung zum Vereinsrecht ließ der BGH offen, ob dem widersprechenden Mitglied ein Austritt zugemutet werden kann, um sich der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit zu entziehen – und somit in Einzelfällen doch eine Mehrheitsentscheidung zur Einführung der Klausel ausreichen
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Das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter geht über das Einstimmigkeitserfordernis hinaus, da im letzteren Fall grundsätzlich nur die notwendige Mehrheit der anwesenden Gesellschafter heraufgesetzt wird, vgl. zum Recht der GmbH MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 61. 38 K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 531; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 278 f.; Chr. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 300 f.; Bayer, ZIP 2003, 881, 890; Reichert, in: FS Ulmer, S. 511 (533); Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 7; MünchKommGmbHG/Merkt, § 13 Rn. 68; so nun auch der OGH (Urteil v. 21.12.2017) bei vergleichbarer Ausgangslage im österreichischen GmbH-Recht, OGH SchiedsVZ 2018, 372 Rn. 40; a.A. Musielak/Voit, ZPO, § 1066 Rn. 8; Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2003, 145, 153 f.; BGH NJW 2000, 1713 (zur Vereinssatzung). 39 Vgl. zum Recht der GmbH MünchKommGmbHG/Drescher, § 47 Rn. 62. 40 BGH NJW 2000, 1713 (zur Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung eines Vereins). 41 K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 531; Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 7.
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kann.42 Jedenfalls bei Einführung von Schiedsklauseln, die auch Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen, gilt seit der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung, dass eine Satzungsänderung nur mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen kann. Schließlich fordert der BGH ausdrücklich, dass die Klausel „mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter in der Satzung verankert“ wurde.43 Daraus ist zu schließen, dass nach Auffassung des Gerichts auch nachträgliche Satzungsänderungen nicht nur einstimmig erfolgen müssen, sondern einem Zustimmungserfordernis unterliegen.44 Kritisieren lässt sich, dass die Verweigerung der Satzungsänderung durch Mehrheitsbeschluss aus praktischer Sicht dazu führt, dass in – insbesondere größeren – Kapitalgesellschaften eine nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel kaum möglich sein dürfte, da sie von Minderheitsgesellschaftern dauerhaft blockiert werden kann.45Aber auch die verfassungsrechtliche Herleitung des Zustimmungserfordernisses durch den BGH überzeugt nicht gänzlich, stellt die Schiedsgerichtsbarkeit doch nach inzwischen unbestrittener Auffassung ein der staatlichen Gerichtsbarkeit gleichwertiges Rechtsschutzsystem dar.46 Dann kann es aber nicht verfassungsmäßig geboten sein, Gesellschafter vor der Schiedsgerichtsbarkeit „zu schützen“.47 Ihre Rechte können in einem Schiedsverfahren ebenso gut gewahrt werden, wie in einem Beschlussmängelverfahren vor den staatlichen Gerichten.48 b) Anpassung unwirksamer Schiedsklauseln Sofern eine Schiedsklausel im Sinne von § 1066 ZPO in der Satzung enthalten ist, die aber nicht den inhaltlichen Anforderungen der „Schiedsfähigkeit II“Entscheidung genügt,49 stellt sich die Frage, ob auch eine Anpassung der Klausel an die Mindeststandards des BGH nur durch Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erfolgen kann. Aufgrund der anderen Interessenlage darf angenom-
42 Aufgrund der Monopolstellung des Vereins wurde ein Austritt nicht als zumutbare Alternative zum Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten gesehen, BGH NJW 2000, 1713. 43 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. 44 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 19; Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (394); K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (117); Böttcher/Helle, NZG 2009, 700 f. 45 Saenger/Splittgerber, DZWiR 2010, 177, 179. 46 Siehe dazu bereits oben § 4. 47 Wolff, NJW 2009, 2021, 2022; Saenger/Splittgerber, DZWiR 2010, 177, 179 f. 48 Insofern erscheint es auch inkonsequent (im Ergebnis aber zutreffend), wenn die (qualifizierte) Mehrheit ausreichen soll, um eine Schiedsklausel aus einer GmbH-Satzung zu streichen, so aber LG Düsseldorf, Urteil v. 25.9.2012, Az. 35 O 105/11, BeckRS 2013, 03593. Wer zur Einführung der Schiedsklausel Einstimmigkeit verlangt, muss dieselbe Anforderung an das Streichen der Klausel stellen, so etwa Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 7; Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 361. 49 Siehe hierzu unten § 11 A. IV.
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men werden, dass ein Mehrheitsbeschluss zur Anpassung der Klausel ausreicht.50 Hier geht es nicht darum, dem Gesellschafter die staatliche Gerichtsbarkeit zu entziehen, sondern ihn an einer bereits getroffenen Entscheidung (für die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit) festzuhalten. Nach verbreiteter Ansicht können die Gesellschafter außerdem im Einzelfall aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zur Mitwirkung an der Nachbesserung einer unwirksamen Klausel gehalten sein.51 IV. Materielle Voraussetzungen: die Gleichwertigkeitskautelen Schiedsvereinbarungen können – neben der Entscheidung für eine Streitbeilegung im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit an sich – die unterschiedlichsten Verfahrensregelungen enthalten und bieten damit tendenziell großen Spielraum für privatautonome Regelungen der Parteien.52 Ihr Fehlen führt aber in der Regel nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, Lücken werden vielmehr durch die Vorschriften des Zehnten Buchs der ZPO geschlossen.53 Zwingender Mindestinhalt der Schiedsvereinbarung ist demnach allein der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit.54 Ausgenommen von diesem Grundsatz sind nach dem BGH indes Schiedsvereinbarungen, die Streitigkeiten über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse erfassen sollen. Neben der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter stellt der BGH in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung hier auch inhaltliche Anforderungen, die eine Schiedsklausel erfüllen muss, um einen Schiedsspruch mit Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschafter im Beschlussmängelverfahren zu legitimieren.55 Nach den insoweit eindeutigen Vorgaben des BGH handelt es sich dabei um echte materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen der Schiedsvereinbarung. Entspricht die Schiedsklausel nicht den Mindeststandards, ist sie nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.56 50 K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1862; Böttcher/Helle, NZG 2009, 700, 701; Saenger/Splittgerber, DZWiR 2010, 177, 180; Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (394); Schwerdtfeger/S.Eberl/W.Eberl, GesR, Kap. 7, Rn. 68; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 98; a.A. Münch, ZZP 123 (2010), 3, 19. 51 Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 98; Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (394); Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 744 ff.; auch der BGH hat die Möglichkeit erwähnt, aber offengelassen, ob eine entsprechende Pflicht besteht, BGH NJW 2009, 1962 Rn. 39. 52 Gem. § 1042 Abs. 3 ZPO können die Parteien – vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften des Zehnten Buchs der ZPO – das Verfahren selbst regeln; zur Einbeziehung von Verfahrensordnungen siehe bereits § 11 A. III. 2. 53 MünchKommZPO/Münch, § 1029 Rn. 101. 54 MünchKommZPO/Münch, § 1029 Rn. 93. 55 BGH NJW 2009, 1962, Rn. 20. 56 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 19; siehe zur Kritik an dieser Verortung der Mindeststandards unten § 11 A. V.
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1. Informationsgebot Nach den Vorgaben des BGH muss bereits die Schiedsklausel durch entsprechende Mechanismen sicherstellen, dass alle Gesellschafter über den Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens über eine mangelhafte Beschlussfassung, sowie den Verfahrensverlauf informiert werden.57 Wie dieses Informationsgebot konkret umgesetzt wird und wem die Informationspflicht auferlegt wird, bleibt den Gesellschaftern beim Verfassen der Schiedsklausel überlassen. Naheliegend ist es, den Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft (bzw. den Vorstand in der AG) mit der Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung zu betrauen.58 Denkbar ist es aber auch, die Informationspflicht (zumindest in kleineren Gesellschaften) dem klagenden Gesellschafter59 oder dem Versammlungsleiter60 aufzuerlegen. Besonders in größeren Gesellschaften können schon an dieser Stelle leicht Fehler entstehen, die unter Umständen den späteren Schiedsspruch angreifbar machen. Um das zu vermeiden, kann die Durchführung eines institutionellen Schiedsverfahrens vereinbart werden.61 In diesem Fall darf die Gesellschaft nämlich auch ihre Informationspflicht zulässigerweise in der Satzung der Schiedsgerichtsorganisation übertragen, um die Anforderungen des BGH zu erfüllen.62 Noch praktischer und weniger fehleranfällig wäre zwar eine Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung in den Gesellschaftsblättern. Im Beschlussmängelverfahren vor den staatlichen Gerichten werden die Aktionäre gem. § 246 Abs. 4 S. 1 AktG auf diese Weise vom Vorstand über die Klageerhebung informiert. Unklar ist, ob eine entsprechende Vorgabe in der satzungsmäßigen Schiedsklausel der AG die Anforderungen des BGH erfüllen würde. Dafür spricht die Gleichwertigkeit von Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit: die Informationspflicht kann im Schiedsverfahren nicht weitergehen als im staatlichen Verfahren über Beschlussmängel.63 Die Veröffentli-
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BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. Vgl. Müller, GmbHR 2010,729, 732; Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1738. 59 Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1738 f. 60 Goette, GWR 2009, 103, 105; Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1739. 61 Vgl. hierzu auch oben § 11 A. III. 2. 62 Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919. 63 Borris, NZG 2010, 481, 484; von Hase, BB 2011, 1993, 1995; Mehrbrey/Pörnbacher/ Baur, HdB GesR Streitigkeiten, § 8 Rn. 401; vgl. auch den Gesetzesvorschlag im Referat von Jessica Schmidt auf dem 72. Deutschen Juristentages, wonach die Übermittlung des Antrags auf Einleitung eines Schiedsverfahrens in Textform bei Aktiengesellschaften durch die unverzügliche Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern ersetzt werden kann, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 124 f. 58
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
chung in den Gesellschaftsblättern kann freilich die Vertraulichkeit des Verfahrens gefährden, da auch Dritte von der Verfahrenseinleitung Kenntnis erlangen.64 Anders beurteilt sich die Situation in der GmbH. Die Vorschrift des § 246 Abs. 4 S. 1 AktG ist nach überwiegender Ansicht nur insoweit entsprechend auf das Beschlussmängelverfahren in der GmbH anwendbar, als dem Geschäftsführer die Pflicht obliegt, die GmbH-Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung zu informieren. Eine Veröffentlichung in den Gesellschaftsblättern wird hier aber nicht als geeigneter Kommunikationsweg gesehen, da gem. § 51 Abs. 1 S. 1 GmbHG auch die Ladung zur Gesellschafterversammlung mittels eingeschriebenem Brief zu erfolgen hat.65 Insofern kann in der GmbH auch im Rahmen des Schiedsverfahrens eine Bekanntmachung der Verfahrenseinleitung in den Gesellschaftsblättern nicht den Anforderungen des BGH genügen.66 2. Mitwirkungsmöglichkeit der Gesellschafter Eine weitere inhaltliche Anforderung des BGH an die Schiedsklausel betrifft die Teilnahmemöglichkeiten der Mitgesellschafter. Nach der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung muss bereits die Schiedsklausel geeignete Mechanismen beinhalten, die es sämtlichen Gesellschaftern ermöglichen, an der Schiedsrichterauswahl mitzuwirken (§§ 1034 ff. ZPO) und im schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren zu intervenieren.67 Dadurch soll auch im Schiedsverfahren echte Waffengleichheit hergestellt werden, die im Beschlussmängelverfahren vor den staatlichen Gerichten durch die Vorschriften der ZPO und der §§ 246–249 AktG gewährleistet wird. a) Schiedsrichterbenennung Die Schiedsklausel muss so formuliert sein, dass jeder Gesellschafter die Chance erhält, sich an der Schiedsrichterauswahl zu beteiligen. Die Mitwirkungsmöglichkeit ist nicht nur auf Klägerseite einzuräumen, sondern gilt auch im Fall des Beitritts eines Gesellschafters auf Seiten der beklagten Gesellschaft.68 Eine Ausnahme kann nach dem BGH (nur) dann gemacht werden,
64 Siehe zur Vertraulichkeit als entscheidendem Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten bereits oben § 5 A. 65 Vgl. Rensen, NZG 2011, 569 f.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 33; BGH NJW 1986, 2051, 2052. 66 Bayer, ZIP 2003, 881, 888; Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919; Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1739; Filker, Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 89; a.A. wohl Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 290. 67 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. 68 Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1741; a.A. MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anhang § 47 Rn. 435; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 104, jeweils mit
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wenn die Schiedsrichterbenennung einer neutralen Stelle übertragen wird.69 In Betracht kommen hierzu etwa der Präsident des örtlich zuständigen Landgerichts, eine Handelskammer oder – im Rahmen eines institutionellen Schiedsverfahrens – die jeweilige Schiedsgerichtsorganisation.70 In der Praxis wird die Benennung durch eine neutrale Stelle allenfalls subsidiär zur Vermeidung von Blockadesituationen vereinbart, falls auf einer Seite keine – fristgerechte71 – Einigung erfolgt.72 Die Auswahl der Schiedsrichter durch die Parteien stellt schließlich einen der wesentlichen Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit dar.73 Für den Fall der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite, die sich nicht (fristgerecht) auf einen Schiedsrichter einigen können, hat der BGH außerdem – fakultativ – die Vereinbarung der Benennung nach dem Mehrheitsprinzip gebilligt.74 Diese Vorgehensweise trägt zwar zur Gewährleistung einer raschen und reibungslosen Bildung des Schiedsgerichts bei, stößt indes vor dem Hintergrund des Gebots prozessualer Waffengleichheit auf Bedenken. Schließlich können insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten auch auf derselben Seite unterschiedliche Interessen verfolgt werden, die durch eine Mehrheitsentscheidung im Benennungsverfahren teilweise unbeachtet bleiben.75 b) Nebenintervention oder Beitritt im Schiedsverfahren Zum Schutz der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens können sich Dritte grundsätzlich nur dann an einem Schiedsverfahren beteiligen, wenn bereits die Schiedsvereinbarung hierzu eine Grundlage schafft.76 Soll die Schiedsvereinbarung auch Beschlussmängelverfahren erfassen, müssen die Gesellschafter zwingend die Möglichkeit erhalten, am Schiedsverfahren über den fehlerhaften Gesellschafterbeschluss teilzunehmen, das heißt – nach der Formulierung des
Verweis auf die Mitwirkungsmöglichkeit im Rahmen eines (hypothetischen) Gesellschafterbeschlusses über die Schiedsrichterernennung. 69 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. 70 Münch, ZZP 123 (2010), 3, 21; Müller, GmbHR 2010, 729, 773; Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1920. 71 Im Interesse der zügigen Durchführung des Schiedsverfahrens kann in der Klausel zulässigerweise eine Frist zur Benennung der Beisitzer bestimmt werden, vgl. Goette, in: VGRJahresband 2009, S. 1 (30); Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1920; Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1741. 72 Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254 f. 73 Siehe dazu bereits oben § 5 B. 74 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. 75 Kritisch daher Albrecht, NZG 2010, 486, 488; Wolff, NJW 2009, 2021, 2022 f.; Schmidt/Lutter/Schwab, AktG, § 246 Rn. 53; dem BGH aus Praktikabilitätserwägungen zustimmend Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 254. 76 Vgl. Stein/Jonas/Schlosser, § 1042 Rn. 92.
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BGH – dem Schiedsverfahren „zumindest als Nebenintervenient beizutreten“.77 Dieser Anforderung gerecht wird jedenfalls eine Schiedsklausel, die den übrigen Gesellschaftern ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, als Partei oder Nebenintervenient beizutreten.78 3. Verfahrenskonzentration Schließlich muss nach den Vorgaben des BGH schon in der Schiedsklausel dafür Sorge getragen werden, dass nicht verschiedene Schiedsgerichte mit der Streitigkeit betraut werden, sondern alle Klagen vor einem Schiedsgericht konzentriert werden.79 Ebenso wie im Verfahren vor den staatlichen Gerichten (§ 246 Abs. 3 S. 1 AktG) soll auch im Schiedsverfahren sichergestellt werden, dass nicht durch die Betrauung unterschiedlicher Schiedsgerichte mit derselben Sache sich widersprechende Schiedssprüche ergehen. Diese Anforderung lässt sich dadurch erfüllen, dass in der Schiedsklausel dem ersten gebildeten Schiedsgericht die Zuständigkeit für sämtliche spätere Anträge zugesprochen wird.80 Um daneben auch parallele Verfahren vor den staatlichen Gerichten auszuschließen, muss die beklagte Gesellschaft nach verbreiteter Auffassung in der Schiedsklausel verpflichtet werden, in sämtlichen staatlichen Verfahren die Schiedseinrede (§ 1032 Abs. 1 ZPO) zu erheben.81 V. Rechtsfolge von Verstößen: Nichtigkeit der Schiedsklausel Wie bereits erwähnt, leitet der BGH die dargestellten Mindeststandards für Schiedsklauseln, die Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen, aus § 138 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ab.82 Daraus folgt, dass sämtliche Anforderungen des BGH zur Legitimation der Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs bereits ex ante durch die Schiedsklausel erfüllt werden müssen. Die Möglichkeit der ergänzenden Vertragsauslegung zur Rettung einer unvollständigen Schiedsklausel lehnt der BGH ausdrücklich ab.83
77
BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1741; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 100; diese Möglichkeiten der Teilnahme sind auch in Art. 2.1 DIS-ERGeS vorgesehen. 79 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20. 80 Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1741; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, Anhang § 47 Rn. 436. 81 Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1920; Goette, in: VGR-Jahresband 2009, S. 1 (30); Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1741; a.A. Filker, Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 112 f., der eine entsprechende Pflicht der Gesellschaft schon aus der allgemeinen Verfahrensförderungspflicht ableitet. 82 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 17. 83 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 35 f.; kritisch zur Ablehnung ergänzender Vertragsauslegung K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (120); Versin, GmbHR 2015, 969, 974. 78
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Ein solches Vorgehen hält das Gericht für „freie richterliche Rechtsschöpfung“, die mit dem Grundsatz der Privatautonomie nicht vereinbar sei. Schließlich wurden die Gleichwertigkeitskautelen erst in der Entscheidung entwickelt und konnten den Verfassern der (Alt-)Klausel nicht bekannt sein.84 Auch „heilt“ die Einhaltung der Verfahrensgarantien im Einzelfall nicht den Verstoß der Schiedsklausel gegen die Anforderungen des BGH.85 Werden im konkreten Fall etwa alle Gesellschafter ordnungsgemäß über die Einleitung eines Schiedsverfahrens informiert, hilft das nicht darüber hinweg, dass die Informationspflicht nicht schon in der Schiedsklausel festgeschrieben ist. Die Schiedsvereinbarung ist nichtig. Die im Verfahren vor den staatlichen Gerichten nach § 1032 Abs. 1 ZPO erhobene Schiedseinrede wäre folglich unbegründet. Umgekehrt müsste das auf Grundlage der nichtigen Schiedsvereinbarung angerufene Schiedsgericht nach § 1040 Abs. 1 ZPO seine Unzuständigkeit feststellen und die Schiedsklage als unzulässig abweisen.86 Vor diesem Hintergrund lässt sich die dogmatische Verortung der Mindeststandards des BGH, die ein rechtsstaatliches Schiedsverfahren garantieren und damit die Rechtskrafterstreckung auf unbeteiligte Gesellschafter legitimieren sollen, kritisieren. Schließlich steht auch in Präsenz einer Schiedsvereinbarung, die den Anforderungen des BGH nicht genügt, doch der Wille fest, die Streitigkeit zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit den staatlichen Gerichten zu entziehen. Diese (satzungsmäßige) Grundsatzentscheidung fällt wie gesehen bei Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf die Schiedsvereinbarung unter den Tisch. In der Literatur wurden daher alternative Lösungen vorgeschlagen, um die Entscheidung der Gesellschaft für die Schiedsgerichtsbarkeit aufrechtzuerhalten und zugleich ein rechtsstaatliches Beschlussmängelverfahren vor dem Schiedsgericht unter Einhaltung der Gleichwertigkeitsanforderungen des BGH zu garantieren.
84 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 35 f.; teilweise wird daraus geschlossen, dass bei neuen Schiedsvereinbarungen eine ergänzende Auslegung in Betracht kommt, da die Gleichwertigkeitsanforderungen nun bekannt seien. Allerdings müsse sich der Parteiwille erkennen lassen, durch die Klausel Beschlussmängelstreitigkeiten der Schiedsgerichtsbarkeit zu übertragen Riegger/Wilske, ZGR 2010, 733, 744; ähnlich auch Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (390 f.). 85 Vgl. BGH NJW 2009, 1962 Rn. 28: „Ob eine Schiedsklausel wirksam ist oder nicht und damit die Schiedseinrede eröffnet ist oder nicht, darf nicht nachträglich von Fall zu Fall entschieden werden“. 86 MünchKommZPO/Münch, § 1040 Rn. 4.
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Auf den Fall der fehlenden Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen könnte die Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO entsprechend angewendet werden.87 Danach kann eine Partei, die in der Schiedsvereinbarung bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts benachteiligt wird, bei Gericht beantragen, den oder die Schiedsrichter abweichend von der erfolgten Ernennung oder der vereinbarten Ernennungsregelung zu bestellen. Dieser Gedanke lasse sich entsprechend auf die fehlende Umsetzung der Gleichwertigkeitsstandards in der Schiedsklausel anwenden. Auf Rechtsfolgenseite sei das Gericht in diesem Fall nicht nur für die Schiedsrichterbestellung zuständig, sondern müsse die Einhaltung sämtlicher Verfahrensgarantien überwachen.88 Karsten Schmidt plädiert dafür, die Einhaltung der Verfahrensgarantien erst ex post in einem Vollstreckbarkeitsverfahren (§ 1060 ZPO analog) zu überprüfen.89 Das kommt freilich nur dann in Betracht, wenn die Vollstreckbarerklärung bei einem rechtsgestaltenden Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren überhaupt für notwendig gehalten wird.90 Eine weitere hypothetische ex post Kontrolle der Gleichwertigkeitsstandards des BGH könnte im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens vorgenommen werden.91 Nach dieser Ansicht wäre eine Verletzung der Verfahrensrechte im Einzelfall aufgrund der Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip als Verletzung der öffentlichen Ordnung anzusehen und würde demnach eine Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO ermöglichen.92 Diese alternativen Lösungen haben keinen Eingang in die Rechtsprechung gefunden. Trotz der Kritik hat der BGH den Weg über § 138 Abs. 1 BGB zuletzt wieder in seiner „Schiedsfähigkeit III“-Entscheidung bestätigt.93 Nach Auffassung der Rechtsprechung müssen Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten alle Gleichwertigkeitsanforderungen umsetzen; andernfalls sind sie nichtig.94
87 Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 252; für eine direkte Anwendung der Norm auf Schiedsvereinbarungen, die entgegen der BGH-Vorgaben keine Mitwirkungsrechte bei der Konstituierung des Schiedsgerichts garantieren Münch ZZP 123 (2010), 3, 21. 88 Hilbig, SchiedsVZ 2009, 247, 252. 89 K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (121). 90 Dafür K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1860; siehe hierzu auch unten § 17 A. I. 91 Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (390). 92 Siehe zur Aufhebung von Schiedssprüchen unten § 17 A. III. 93 BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 24. 94 Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich infolge der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung dieser Auffassung angeschlossen, OLG Frankfurt a. M. SchiedsVZ 2010, 334, 335; OLG Bremen NGZ 2010, 230; LG Köln SchiedsVZ 2018, 275; nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die Nichtigkeitsfolge auch sonstigen Streitigkeiten betrifft und den Gesellschaftern folglich bei sämtlichen innergesellschaftlichen Streitigkeiten nur der Weg zu den staatlichen Gerichte bleibt. Nach der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung ist die Schiedsklausel bei Verstößen gegen die Gleichwertigkeitskautelen „jedenfalls insoweit nichtig, als sie Beschlussmängelstreitigkeiten in ihren Anwendungsbereich einbezieht“, vgl.
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VI. Exkurs: Einhaltung der BGH-Mindeststandards durch die DIS-ERGeS Um den Schwierigkeiten zu entgehen, die sich in der Kautelarpraxis bei der Formulierung rechtswirksamer Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten stellen,95 kann es sich anbieten, auf eine Schiedsgerichtsordnung Bezug zu nehmen, die ihrerseits die Gleichwertigkeitskautelen des BGH umsetzt.96 Dazu empfehlen sich in erster Linie die Ergänzenden Regeln für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS-ERGeS), die in Reaktion auf die in diesem Abschnitt dargestellten Mindeststandards des BGH aus der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung erstellt wurden.97 Ziel war es, eine rechtssichere Grundlage für die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf die Schiedsgerichtsbarkeit zu schaffen.98 An verschiedenen Stellen des Regelungswerks werden die Anforderungen des BGH bezüglich der Information aller Gesellschafter (Artt. 2.1, 5.1 DISERGeS),99 ihrer Mitwirkungsrechte bei der Schiedsrichterbenennung (Artt. 7 f. DIS-ERGeS)100 und am Verfahren selbst (Artt. 3.1, 4.3 DIS-ERGeS),101 sowie die Konzentration vor einem Schiedsgericht (Art. 9 DIS-ERGeS)102 umgesetzt und konkretisiert. Das Landgericht Köln hat inzwischen geurteilt, dass die genannten Vorschriften des DIS-Regelungswerks den Mindeststandards des BGH an Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten gerecht werden.103 In der Satzung einer GmbH befand sich eine Schiedsklausel, wonach alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag oder über seine Gültigkeit ergaben, nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung und der DIS-ERGeS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig zu entscheiden waren. Das gleichwohl in einer Beschlussmängelstreitigkeit angerufene Landgericht befand, dass durch den Verweis auf die DIS-ERGeS rechtswirksam die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausgeschlossen wurde.104 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 21. Aus der Formulierung lässt sich schließen, dass Schiedsverfahren über andere Streitgegenstände grundsätzlich möglich bleiben. In der Literatur wird dieses Ergebnis mit der Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit der Schiedsklausel nach § 139 BGB oder zumindest einer Umdeutung (§ 140 BGB) der allumfassenden Schiedsklausel in eine solche, die Beschlussmängelstreitigkeiten ausschließt, begründet, vgl. Gentzsch/ Hauser/Kapoor, SchiedsVZ 2019, 64, 67 ff. 95 Vgl. etwa K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (132); Borris, SchiedsVZ 2018, 242, 244. 96 Vgl. zu den Formanforderungen bei der Verweisung auf eine Schiedsgerichtsordnung oben § 11 A. III. 2. 97 Abgedruckt z.B. in NZG 2009, 1296; neue Fassung in SchiedsVZ 2018, 238. 98 Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 303. 99 Vgl. hierzu unten § 14 A. I. 100 Vgl. hierzu unten § 14 A. II. 2. 101 Vgl. hierzu unten § 16 A. 102 Vgl. hierzu unten § 14 A. III. 103 LG Köln SchiedsVZ 2018, 275; so auch Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 310 f.; Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281, 1285; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 142. 104 LG Köln SchiedsVZ 2018, 275, 276.
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Wählen die Gesellschafter diesen Weg, reicht demnach ein einfacher Verweis in der Satzung auf die entsprechende Schiedsgerichtsordnung zur Begründung der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit aus. Die einzelnen Verfahrensgarantien müssen nicht in der Schiedsvereinbarung selbst wiederholt werden.105 B. Individualvertragliche Schiedsklausel (§ 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO) Zur Begründung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kommt neben der außervertraglichen Anordnung nach § 1066 ZPO auch eine vertragliche Schiedsklausel im Sinne des § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO in Betracht. Einen wichtigen gesellschaftsrechtlichen Anwendungsbereich haben vertragliche Schiedsklauseln im Personengesellschaftsrecht. In Hinblick auf die formellen Anforderungen bestehen erhebliche Unterschiede zur Schiedsklausel gem. § 1066 ZPO. Für die inhaltlichen Anforderungen gilt das bei Klauseln, die Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen, seit jüngster Rechtsprechung möglicherweise nicht mehr. I. Sachlicher Anwendungsbereich: gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel in Personengesellschaften Bis heute herrscht Uneinigkeit über die Qualifikation gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln von Personengesellschaften. Dabei handelt es sich nicht nur um eine theoretische Frage. Die Einordnung der Schiedsklausel wahlweise unter § 1066 ZPO oder § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO wirkt sich nämlich auf die anwendbaren Formvorschriften, aber auch auf die Bindung neuer Gesellschafter an die Schiedsvereinbarung aus. Nach Rechtsprechung und Teilen der Literatur sind Schiedsklauseln in Gesellschaftsverträgen von Personengesellschaften anders als in Körperschaften als vertragliche Schiedsvereinbarungen im Sinne von § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO einzustufen.106 Begründen lässt sich diese Einordnung mit der schuldrechtlichen Natur des Gesellschaftsvertrags der Personengesellschaften.107 Dagegen stellen sich inzwischen Teile der Literatur, die auch personengesellschaftliche Schiedsklauseln als Anordnungen im
105 Vgl. etwa die im dem Urteil des Landgerichts zugrundeliegenden Fall verwendete Schiedsklausel, LG Köln SchiedsVZ 2018, 275. Eine ähnliche Klausel empfiehlt auch die DIS zu Verweisung auf die DIS-ERGeS (abgedruckt z.B. in NZG 2009, 1296). 106 BGH NJW 1980, 1049; BGH NZG 2002, 955; OLG Oldenburg NZG 2002, 931; Ebbing, NZG 1998, 281, 282; MünchKommZPO/Münch, § 1066 Rn. 20; Wieczorek/ Schütze, ZPO, § 1066 Rn. 20; Musielak/Voit, ZPO, § 1066 Rn. 7; Saenger/Eberl/Eberl, § 1066 ZPO, Rn. K8. 107 BGH NJW 1980, 1049; siehe zur (umstrittenen) Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrags K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 I.1.
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Sinne von § 1066 ZPO sehen.108 Sinn dieser Vorschrift sei es, die Bindung an die Schiedsklausel unabhängig von der persönlichen Unterwerfung zu ermöglichen, sofern dies in „gesetzlich statthafter Weise“ erfolgt. Diese Frage beurteile sich aber nicht nach den Vorschriften des Zehnten Buchs der ZPO, sondern ausschließlich nach den anwendbaren gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Inzwischen ist anerkannt, dass auch in Personengesellschaften Geschäftsanteile durch Abtretung übertragen werden können und damit auch Anteilserwerber (und nicht nur originär beitretende Gesellschafter) an den Gesellschaftsvertrag gebunden werden können. Somit erfüllt auch der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft die Anforderungen des § 1066 ZPO.109 Auf die Rechtsnatur des Gesellschaftsvertrages kommt es nach dieser Auffassung also nicht an.110 Da die Rechtsprechung allerdings Schiedsklauseln in Personengesellschaften bis heute vertraglich einstuft, werden in der weiteren Darstellung die Anforderungen an Schiedsklauseln im Sinne von § 1029 Abs. 2 Alt. 2 ZPO erläutert, deren Einhaltung zur Vermeidung von Formverstößen empfohlen wird.111 II. Persönliche Bindungswirkung Wie gesehen bindet die satzungsmäßige Schiedsklausel in Kapitalgesellschaften zukünftige Gesellschafter automatisch, und zwar unabhängig davon, ob sie die Gesellschaftsanteile originär oder derivativ erworben haben. Dies ist im Personengesellschaftsrecht nicht der Fall. Die vertragliche Einstufung von Schiedsklauseln im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft durch die Rechtsprechung bringt mit sich, dass die Bindung sämtlicher (zukünftiger) Gesellschafter nicht allein mit der Verbandsmitgliedschaft begründet werden kann. Schiedsklauseln im Sinne von § 1029 ZPO erfassen nach allgemeinen Grundsätzen nur die daran Beteiligten,112 das heißt bei anfänglicher Aufnahme der Schiedsklausel insbesondere die Gründungsgesellschafter. Gleichwohl besteht auch hier das Bedürfnis zukünftige Gesellschafter, die durch nachträglichen Beitritt oder Rechtsnachfolge die Mitgliedschaft erwerben, an die Klausel zu binden. Nur so kann die Effektivität der Entscheidung der Altgesellschafter für die Schiedsgerichtsbarkeit gesichert werden, die vor der Rückkehr in die staatliche Gerichtsbarkeit zu schützen sind.
108 Zöller/Geimer, ZPO, § 1066 Rn. 13; K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1081 f.; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 277 ff.; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1862; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241, 243 f.; Heskamp, RNotZ 2012, 415, 416 f. 109 K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1081 f.; Habersack, SchiedsVZ 2003, 241, 243. 110 Vgl. K. Schmidt, JZ 1989, 1077, 1079; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1862. 111 So K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (129 f.); Heskamp, RNotZ 2012, 415, 417. 112 Vgl. statt aller MünchKommZPO/Münch, § 1029 Rn. 44; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 501.
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
Bei originärem Beitritt eines neuen Gesellschafters – in der Regel durch Vertrag der Altgesellschafter mit dem eintretenden Gesellschafter113 – unterwirft sich der eintretende Gesellschafter ohnehin den Regelungen des Gesellschaftsvertrags. Im Fall der Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung von Geschäftsanteilen lässt sich die Bindung des neuen Gesellschafters nach der Rechtsprechung und Teilen der Literatur über eine entsprechende Anwendung von § 401 BGB erreichen. Die Schiedsklausel sei als „Eigenschaft“ des übertragenen Rechts zu behandeln und gehe demnach – sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen wurde – gleichsam einem Nebenrecht auf den Erwerber über.114 Eine ausdrückliche Zustimmung des eintretenden Gesellschafters in der Form des § 1031 ZPO ist auf diesem Weg auch in Personengesellschaften nicht erforderlich.115 Ebenso wie bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln in Körperschaften bleibt auch der ausscheidende Gesellschafter einer Personengesellschaft (jedenfalls in Hinblick auf Streitigkeiten über Rechtsverhältnisse, die vor seinem Austritt begründet wurden) an die Schiedsklausel gebunden.116 Grundsätzlich sind Beschlussmängelklagen in Personengesellschaften gegen die widersprechenden Gesellschafter zu richten.117 Im Gesellschaftsvertrag kann aber vereinbart werden, dass die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Beschlusses gegen die Gesellschaft zu richten ist. Die Bindung der Gesellschaft an die Schiedsvereinbarung ergibt sich in diesem Fall schon aus der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, die jedenfalls nach dem Grundsatz der Selbstorganschaft die Gesellschaft verpflichten können.118 III. Formelle Voraussetzungen 1. Anwendbarkeit der Formvorschrift des § 1031 ZPO Die vertragliche Einordnung gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln in Personengesellschaften durch die Rechtsprechung führt dazu, dass – anders als bei Schiedsklauseln im Sinne von § 1066 ZPO – die Formvorschriften des § 1031 ZPO beachtet werden müssen. Diesen Anforderungen wird grundsätzlich durch die Aufnahme der Schiedsklausel in einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag entsprochen.119 Auf Schiedsklauseln, die vor dem 1.1.1998 eingeführt
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Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 105 Rn. 57. BGH NJW 1978, 1585; BGH NJW 1998, 371; BGH NZG 2002, 955; MünchKommZPO/Münch, § 1029 Rn. 46; Musielak/Voit, ZPO, § 1029 Rn. 8; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 522; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 110. 115 BGH NJW 1978, 1585; BGH NJW 1998, 371; BGH NZG 2002, 955. 116 Zöller/Geimer, ZPO, § 1029 Rn. 74; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 7 Rn. 32; zur parallelen Situation bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln § 11 A. II. 2. 117 Siehe hierzu oben § 7 A. 118 Heskamp, RNotZ 2012, 415, 419. 119 Ebbing, NZG 1998, 281, 282; Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 835. 114
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wurden, findet allerdings gem. § 33 Abs. 1 EGZPO weiter die strengere Vorschrift des § 1027 ZPO a.F. Anwendung. Danach muss die Schiedsvereinbarung zwingend außerhalb des Gesellschaftsvertrags in einem gesonderten Dokument enthalten sein.120 Bei Beteiligung von Verbrauchern muss die Schiedsvereinbarung gem. § 1031 Abs. 5 ZPO auch heute noch in einer eigenständigen, eigenhändig unterzeichneten Urkunde enthalten sein. Als Verbraucher handelt, wer die Schiedsvereinbarung nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit abschließt.121 Die Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft schließt die Verbrauchereigenschaft der Gesellschafter nach verbreiteter Auffassung nicht per se aus.122 So kann die Mitgliedschaft in der Gesellschaft im Einzelfall auch der bloßen privaten Vermögensverwaltung dienen. Jedenfalls Kommanditisten einer KG werden überwiegend als Verbraucher angesehen, sodass hier die Form des § 1031 Abs. 5 ZPO zu wahren ist.123 Die Schiedsvereinbarung darf demnach nicht (nur) im schriftlichen Gesellschaftsvertrag enthalten sein, sondern muss sich in einer gesonderten Urkunde befinden, die von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet wird.124 Vor diesem Hintergrund wird in der Beratungsliteratur vielfach empfohlen, die Schiedsvereinbarungen in Personengesellschaften generell in ein gesondertes Dokument aufzunehmen, auf das im Gesellschaftsvertrag Bezug genommen wird.125 2. Neueinführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag Sofern bei Gründung der Gesellschaft keine Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurde, kann die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auch nachträglich durch eine entsprechende Abänderung des Gesellschaftsvertrags begründet werden. Anders als in Kapitalgesellschaften, bedürfen die Beschlüsse gem. § 709 Abs. 1 BGB bzw. § 119 Abs. 1 HGB grundsätzlich der Zustimmung aller Gesellschafter. Die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips ist zwar gem. § 119 Abs. 2 HGB möglich, unterliegt indes nach der
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Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 834. Zöller/Geimer, ZPO, § 1031 Rn. 34. 122 Stein/Jonas/Schlosser, § 1031 Rn. 26; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 337; Westermann, in: FS Goette, S. 601 (613); Ebbing, NZG 1998, 281, 282; a.A. Zöller/Geimer, ZPO, § 1031 Rn. 35b; Musielak/Voit, ZPO, § 1031 Rn. 9 (jeweils aber immerhin auch mit Ausnahme der Kommanditisten einer KG). 123 Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 338; Heinrich, NZG 2016, 1406, 1410; Zöller/ Geimer, ZPO, § 1031 Rn. 35b; Musielak/Voit, ZPO, § 1031 Rn. 9. 124 Heinrich, NZG 2016, 1406, 1410; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 102. 125 Formularbuch Recht und Steuern/Hund-von Hagen, A. 13.00 Rn. 5; Westermann/ Wertenbruch/Heckschen, Handbuch Personengesellschaften, Muster M 42, § 22 (Lieferung 66); vgl. auch die im dem Beschluss des BGH v. 6.4.2017 zugrundeliegenden Fall verwendete Schiedsvereinbarung, BGH NJW-RR 2017, 876. 121
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
Rechtsprechung verschiedenen Schranken.126 Nach traditioneller Auffassung könnte die Aufnahme einer Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss schon als Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft widersprechender Gesellschafter unzulässig sein.127 In jüngerer Zeit hat sich der BGH zwar von der Kernbereichslehre distanziert.128 Das ändert aber nichts daran, dass jedenfalls bei der Neueinführung einer Schiedsklausel die Zustimmung aller Gesellschafter zu fordern ist. Schließlich hat der BGH zuletzt in Fortsetzung der „Schiedsfähigkeit-Rechtsprechung“ entschieden, dass die Mindeststandards an satzungsmäßige Schiedsklauseln der GmbH auf Personengesellschaften Anwendung finden.129 Zu den Gleichwertigkeitskautelen zählt auch das Erfordernis der Zustimmung aller Gesellschafter zur Schiedsvereinbarung.130 IV. Materielle Voraussetzungen: Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen („Schiedsfähigkeit III“) Grundsätzlich gelten auch für vertragliche Schiedsklauseln in Personengesellschaften keine besonderen inhaltlichen Anforderungen. Notwendig ist allein, dass der Wille hervortritt, zukünftige Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu übertragen.131 Die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel unterliegt zudem grundsätzlich keiner Inhaltskontrolle. Besonderheiten ergeben sich seit der jüngsten Rechtsprechung des BGH nunmehr auch in Personengesellschaften bei Schiedsklauseln, die Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen sollen. Im Anschluss an die „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung des II. Zivilsenats wurde die Einhaltung der neuen Wirksamkeitsvoraussetzungen bei gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln in Personengesellschaften aufgrund der abweichenden prozessualen Ausgangslage noch überwiegend für nicht erforderlich gehalten.132 Dieser Auffassung hat der I. Zivilsenat des BGH nun überraschenderweise133 eine Absage erteilt. Schließlich seien die Mindeststandards mit § 138 BGB und dem Rechtsstaatsprinzip 126
Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 119 Rn. 11 f. Vgl. BGH NJW 2000, 1713, zur Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung eines Vereins. Hier konnte allerdings ein Austritt aufgrund der Monopolstellung des Vereins nicht als zumutbare Alternative zum Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten gesehen werden; Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 119 Rn. 12; K. Schmidt, ZHR 162 (1998), 265, 278 f.; Salger/Trittmann/Borris, § 28 Rn. 109; a.A. Habersack, SchiedsVZ 2003, 241, 245, der in der Einführung der Schiedsklausel keinen Eingriff in die mitgliedschaftlichen Rechte sieht und sich für eine Prüfung der Zumutbarkeit der Kündigung des der Einführung widersprechenden Gesellschafters ausspricht; Lieder, NZG 2018, 1321, 1332. 128 BGH NJW 2015, 859 Rn. 19. 129 BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 26. 130 Vgl. auch Borris, NZG 2017, 761, 765. 131 Hierzu bereits oben § 11 A. IV. 132 Siehe hierzu oben § 8 B. III. 133 Siehe zur Kritik an der Begründung der Übertragung der Grundsätze auf Personengesellschaften bereits oben § 8 B. III. 127
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begründet worden und gelten daher „jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften, sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind“.134 Die Formulierung zeigt, dass der BGH nicht durch die Nähe der im entschiedenen Fall involvierten GmbH & Co. KG zum GmbH-Recht zu der Übertragung der Mindeststandards bewogen wurde, sondern dass vielmehr allgemeingültige Anforderungen für sämtliche Personengesellschaften aufgestellt werden sollten.135 Auf den ersten Blick mag die Aussage der Entscheidung klar erscheinen. Die Übertragung der Mindeststandards für Schiedsklauseln auf Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften wirft indes zahlreiche Fragen auf, die im strukturellen Unterschied zwischen kapitalgesellschaftsrechtlichem und personengesellschaftsrechtlichem Beschlussmängelrecht wurzeln.136 Inwieweit die Übertragung der einzelnen Gleichwertigkeitskautelen tatsächlich geboten ist, bleibt aber unklar. 1. Erste Ansicht: keine (generelle) Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen Ob Gesellschaftern, die nicht von der Rechtskraft des Feststellungsurteils (bzw. des entsprechenden Schiedsspruchs) betroffen sind, tatsächlich aus rechtsstaatlichen Gründen ein Mitwirkungsrecht bei der Schiedsrichterbenennung eingeräumt werden muss (oder sogar darf), kann bezweifelt werden.137 Auch die Pflicht zur Information der unbeteiligten Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung lässt sich zwar möglicherweise in Einzelfällen aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ableiten, ist aber – mangels drohender rechtlicher Nachteile – jedenfalls nicht verfahrensrechtlich geboten.138 Dasselbe gilt für die Möglichkeit der Intervention unbeteiligter Gesellschafter im Schiedsverfahren, die zwar ohne entsprechende Klausel tatsächlich nur mit Zustimmung der Parteien möglich ist, indes aufgrund der fehlenden Rechtskrafterstreckung des Feststellungsurteils ohnehin nicht zwingend geboten ist.139 Die Gefahr widersprüchlicher Feststellungsurteile ergibt sich schließlich aus der Natur der Sache und besteht ohnehin nur ausnahmsweise und zudem auch in gleicher Weise vor den staatlichen Gerichten.140 134
BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 26. Vgl. auch Römermann, GmbHR 2017, 759, 761. 136 Siehe hierzu oben § 7 A. 137 So Nolting, ZIP 2017, 1641, 1644, der hier einen „unzulässige[n] Eingriff in die Privatautonomie“ sieht; vgl. auch Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (44). 138 Vgl. Nolting, ZIP 2017, 1641, 1644; Borris, NZG 2017, 761, 765; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993, 1996. 139 Nolting, ZIP 2017, 1641, 1644; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993, 1996; Göz/ Peitsmeyer, SchiedsVZ 2018, 7, 12. 140 Nolting, ZIP 2017, 1641, 1644; Borris, NZG 2017, 761, 766; Göz/Peitsmeyer, SchiedsVZ 2018, 7, 12. 135
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
Überwiegend befürwortet wird dagegen eine Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen bei gesellschaftsvertraglicher Nachbildung des aktienrechtlichen Beschlussmängelverfahrens – das heißt bei Vereinbarung der Klageerhebung gegen die Gesellschaft. Die daraus folgende schuldrechtliche Bindung an den Schiedsspruch rechtfertige es, bereits die Verankerung entsprechender Verfahrensgarantien in der Schiedsklausel vorzuschreiben, deren Einhaltung anderenfalls nicht garantiert sei.141 Nach einer anderen Ansicht ist die Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen sogar bei gesellschaftsvertraglicher Übernahme des aktienrechtlichen Beschlussmängelverfahrens – das heißt bei Klage gegen die Gesellschaft – abzulehnen. Da die Gesellschafter hier nur schuldrechtlich an die Entscheidung gebunden seien, reiche es aus, ihnen materiellrechtliche Einwendungen gegen die Bindung an den Schiedsspruch einzuräumen, wenn im Einzelfall ihre Verfahrensrechte nicht eingehalten wurden.142 2. Zweite Ansicht: Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen Die Beschränkung der Gleichwertigkeitskautelen auf Gesellschaftsverträge, die eine Klage gegen die Gesellschaft vorsehen, entspricht mit Blick auf die dem „Schiedsfähigkeit III“-Beschluss zugrundeliegende Fallkonstellation indes nicht der Vorstellung des I. Zivilsenats. Der Entscheidung lag schließlich die übliche Austragung der Streitigkeiten zwischen den Gesellschaftern zugrunde. Eine abweichende gesellschaftsvertragliche Regelung wurde nicht getroffen.143 Demnach erlauben die strukturellen Unterschiede zwischen kapitalgesellschaftsrechtlichem und personengesellschaftsrechtlichem Beschlussmängelrecht nach der Rechtsprechung des I. Zivilsenats für sich genommen keine Abweichungen. Begrüßt wird die Entscheidung – zwar nicht in ihrer dogmatischen Herleitung, wohl aber im Ergebnis – von denjenigen Autoren, die ohnehin für die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 246 ff. AktG auf Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften plädieren.144 3. Stellungnahme Gewichtige Argumente sprechen dafür, eine pauschale Übertragung der Gleichwertigkeitskautelen auf Personengesellschaften nach derzeitiger 141 Borris, NZG 2017, 761, 765; Baumann/Wagner, BB 2017, 1993, 1996; Göz/ Peitsmeyer, SchiedsVZ 2018, 7, 12 f. (unter Ausnahme des Gebots der Verfahrenskonzentration); Lieder, NZG 2018, 1321, 1330; Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (45); für die Übertragung der Mindeststandards bereits vor der „Schiedsfähigkeit III“-Entscheidung Sackmann, NZG 2016, 1041, 1044; MünchHdB GesR VII/Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 41; siehe zu dieser Gestaltungsmöglichkeit oben § 7 A. 142 Nolting, ZIP 2017, 1641, 1645 f.; Otto, ZGR 2019, 1082, 1113 ff. 143 Vgl. auch Heinrich, ZIP 2018, 411, 414; Schlüter, DZWiR 2018, 251, 256 f. 144 K. Schmidt, NZG 2018, 121, 125; für die Übertragung auf Personengesellschaften auch BeckOK HGB/Klimke, § 119 Rn. 83.1.
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Rechtslage nur dann zu verlangen, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag die Gesellschaft (und nicht die Mitgesellschafter) Klagegegnerin im Beschlussmängelverfahren ist. Aufgrund der schuldrechtlichen Bindung an das Urteil sind die Gesellschafter in ähnlichem Maße schutzbedürftig, wie die Mitglieder einer Kapitalgesellschaft, die nach § 248 Abs. 1 S. 1 AktG an die Entscheidung gebunden sind. Wird das Verfahren dagegen nur zwischen den Gesellschaftern geführt, sind keinen schutzwürdigen Interessen ersichtlich, welche die vom I. Zivilsenat geforderte Übertragung der Mindeststandards rechtfertigen würden. 4. Zwischenfazit und Ausblick Derzeit lässt sich kaum sagen, inwieweit die einzelnen Kriterien tatsächlich von Schiedsklauseln in Personengesellschaften eingehalten werden müssen bzw. wann die Besonderheiten des Personengesellschaftsrechts „Abweichungen“ gestatten. Sofern in Zukunft das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht auch auf Personengesellschaften angewendet wird – sei es im Wege richterlicher Rechtsfortbildung oder eher infolge eines vielerseits erwarteten bzw. erwünschten Einschreitens des Gesetzgebers145 – wäre die anfängliche Irritation über die „Schiedsfähigkeit III“-Entscheidung sicher schnell vergessen. Die Entscheidung würde sich optimal in diesen Rahmen einfügen. Aber auch wenn es sich bei der Schiedsfähigkeit III-Entscheidung möglicherweise nur um ein Versehen des I. Zivilsenats handelt,146 ist einstweilen mit Blick auf die Herleitung über § 138 BGB in der Praxis Vorsicht geboten: wie auch in Kapitalgesellschaften müssen sämtliche Mindeststandards nämlich bereits ex ante durch die Schiedsklausel erfüllt werden, die anderenfalls nichtig ist.147 Den Gesellschaftern bleibt dann nur der Weg zu den staatlichen Gerichten. Um das zu vermeiden, wird teilweise empfohlen, auch in Personengesellschaften die Mindeststandards des BGH an rechtswirksame Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten einzuhalten.148
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Vgl. hierzu oben § 7 A. Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (44); vgl. auch Schäfer, in: FS Schmidt, Bd. II, S. 323; Otto, ZGR 2019, 1082, 1111. 147 Borris, NZG 2017, 761, 765; Römermann, GmbHR 2017, 761, 762; Heinrich, ZIP 2018, 411, 415; Saenger/Eberl/Eberl, § 1030 ZPO, Rn. 12; Oetker/Lieder, HGB, § 119 Rn. 76; zur parallelen Rechtslage bei satzungsmäßigen Schiedsklauseln in GmbH und AG oben § 11 A. V. 148 Kilian, WuB 2018, 157, 159; Oetker/Lieder, HGB, § 119 Rn. 77; keinen Handlungsbedarf sehen Habersack, in: FS Graf-Schlicker, S. 37 (47), der die Entscheidung für einen „Irrläufer“ hält und Borris, SchiedsVZ 2018, 242, 246, der zwar auf erhebliche Unsicherheiten in der Praxis hinweist, die Zweifel aber für unbegründet hält; vgl. zur Umsetzung der Mindeststandards in der Schiedsklausel im Einzelnen oben § 11 A. IV. 146
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
C. Schiedsabrede (§ 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO) Schließlich lässt sich die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit auch durch eine individualvertragliche Schiedsabrede im Sinne von § 1029 Abs. 2 Alt. 1 ZPO herstellen. Das kann insbesondere in zwei gesellschaftsrechtlichen Konstellationen von Interesse sein. I. Ad hoc-Vereinbarungen aus Anlass des Beschlussmängelstreits Falls der Gesellschaftsvertrag im Einzelfall keine Schiedsklausel enthält oder die Schiedsklausel über Beschlussmängelstreitigkeiten – insbesondere infolge der Rechtsprechung des BGH – nichtig ist, bleibt den Gesellschaftern die Möglichkeit, die Streitigkeit einem Schiedsgericht zu übertragen. Sofern sie sich nämlich zumindest darauf einigen können, dass das Verfahren nicht vor den staatlichen Gerichten durchgeführt werden soll, können sie eine ad hoc-Vereinbarungen im Sinne von § 1029 ZPO noch aus Anlass der konkreten Streitigkeit abzuschließen.149 Das setzt allerdings voraus, dass nicht nur die klagenden, sondern sämtliche Gesellschafter sowie – in Kapitalgesellschaften – die beklagte Gesellschaft der Schiedsabrede zustimmen.150 Die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit wird zudem nur für die konkrete Streitigkeit begründet. II. Satzungsergänzende Nebenabreden in der Aktiengesellschaft Daneben können individualvertragliche Schiedsabreden auch in der Aktiengesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Sofern man der Auffassung folgt, dass satzungsmäßige Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten mit dem Gebot der Satzungsstrenge unvereinbar sind,151 kann die Zuständigkeit der Schiedsgerichte für diese Streitigkeiten nach überwiegender Auffassung immerhin mittels einer entsprechenden satzungsbegleitenden Nebenabrede begründet werden.152 Dabei handelt es sich um schuldrechtliche Abreden zwischen einzelnen oder sämtlichen Gesellschaftern zur Regelung ihrer rechtlichen Beziehungen, die nicht der Form und den Grenzen des § 23 AktG unterliegen.153 Der Zweck des § 23 Abs. 5 AktG widerspricht nicht der Aufnahme einer Schiedsklausel in eine schuldrechtliche Nebenabrede zwischen sämtlichen Gesellschaftern.154 Anders als die Satzung selbst vermag der Inhalt der satzungs149 Vgl. Chr. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 301; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1859; Bayer, ZIP 2003, 881, 891. 150 Chr. Berger, ZHR 164 (2000), 295, 301; Bayer, ZIP 2003, 881, 891. 151 Hierzu oben § 8 B. II. 1. 152 Vgl. die Nachweise in Kap. 3 Fn. 60. 153 Spindler/Stilz/Limmer, AktG, § 23 Rn. 41; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 23 Rn. 46. 154 Schwerdtfeger/S.Eberl/W.Eberl, GesR, Kap. 7, Rn. 59.
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begleitenden Nebenabrede jedoch keine verbandsrechtliche Wirkung zu entfalten. Sie verpflichtet lediglich die daran beteiligten Gesellschafter, nicht dagegen neue Gesellschafter oder Rechtsnachfolger, die ihre Geschäftsanteile im Wege der Abtretung erhalten.155 Neue Gesellschafter sind also nur dann an die Schiedsvereinbarung gebunden, wenn sie sich ausdrücklich daran beteiligen. Die Legitimationsanforderungen des BGH für GmbH-rechtliche Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten gelten hierbei entsprechend.156 Schließlich ist mit Blick auf § 248 Abs. 1 S. 1 AktG auch in der AG die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs auf alle Gesellschafter zu rechtfertigen.
§ 12 Die Rechtslage in Italien § 12 Die Rechtslage in Italien
Die italienische Zivilprozessordnung unterscheidet nach dem Zeitpunkt des Abschusses zwischen zwei Arten von Schiedsvereinbarungen.157 Durch Abschluss eines ad hoc-Schiedsvertrags im Sinne von Art. 807 c.p.c. (compromesso) können die Parteien bereits entstandene Streitigkeiten einem Schiedsgericht übertragen. Mithilfe einer Schiedsklausel im Sinne von Art. 808 c.p.c. (clausola compromissoria) wird die schiedsgerichtliche Entscheidungskompetenz dagegen für zukünftige Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis begründet.158 Die rechtliche Qualifikation einer Schiedsvereinbarung als Schiedsklausel ist also nicht der Regelung im Zusammenhang mit einem bestimmten vertraglichen Verhältnis geschuldet, sondern ergibt sich allein aus dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Entscheidend ist, ob die Vereinbarung vor oder nach Entstehen der Streitigkeit abgeschlossen wurde. Als Legitimationsgrundlage für die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit eignen sich auf dem Gebiet innergesellschaftlicher Streitigkeiten besonders Schiedsklauseln, die in den Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung aufgenommen werden. Bei der Abfassung solcher Klauseln sind die Gesellschaften innerhalb des Anwendungsbereichs des besonderen gesellschaftsvertraglichen Schiedsverfahrensrechts159 an die Vorgaben des Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 gebunden. In Einzelfällen kommen daneben auch außergesellschaftervertragliche Schiedsklauseln oder der Abschluss eines Schiedsvertrags aus Anlass der Streitigkeit in Betracht. 155 Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 23 Rn. 46; MünchKommAktG/Pentz, § 23 Rn. 198; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5 II 5. 156 K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (129); Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 246 Rn. 14. 157 Die zentralen Normen des italienischen Schiedsverfahrensrechts sind im Anhang 1 abgedruckt. 158 Zu dieser Abgrenzung Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 108; Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 58; Verde, Lineamenti di diritto dell’arbitrato, S. 63 f. 159 Vgl. zum Anwendungsbereich der Vorschriften oben § 9 A.
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
A. Gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Mit der Aufnahme einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel wird regelmäßig das Ziel verfolgt, die schiedsgerichtliche Zuständigkeit für die Zukunft verbindlich festzulegen. Im Folgenden wird untersucht, inwieweit die Regelungen des Art. 34 d.lgs. n. 5/2003 dies ermöglichen. Außerdem stellt sich die Frage, wie Schiedsvereinbarungen nachträglich in einen Gesellschaftsvertrag eingefügt werden können. Aus inhaltlicher Perspektive ist bei Schiedsklauseln nach der Gesetzesverordnung schließlich insbesondere die strenge Vorschrift des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 zu beachten. I. Persönliche Bindungswirkung Das italienische Schiedsverfahrensrecht kennt keine § 1066 ZPO vergleichbare Vorschrift. Die Schiedsgerichtsbarkeit kann also nicht durch einseitiges Rechtsgeschäft angeordnet werden, sondern muss grundsätzlich immer auf entsprechenden Willensäußerungen der Parteien beruhen. In Hinblick auf die Gründungsgesellschafter ergeben sich daraus keine Schwierigkeiten. Sie sind nach allgemeiner Ansicht nämlich schon als Vertragspartner des Gründungsvertrags an die satzungsmäßige Schiedsklausel gebunden.160 Dasselbe gilt für die Gesellschaft als Klagegegnerin im Schiedsverfahren. Sie entsteht zwar erst nach Abschluss des Gründungsvertrages, ist aber sämtlichen darin enthaltenen Regelungen – und damit auch der Schiedsklausel – unterworfen.161 Höheren dogmatischen Begründungsaufwand erfordert nach italienischem Recht dagegen die Bindung der Gesellschafter, die ihre Mitgliedschaft erst nach Einführung der Schiedsklausel erworben haben. Hier kollidieren Zustimmungserfordernis bei Schiedsklausel und verbandsrechtliche Grundsätze. 1. Bindung neuer Gesellschafter Auch wenn in Rechtsprechung und Literatur bis heute umstritten ist, wie sich die Bindung der Gesellschafter, die ihre Mitgliedstellung erst nach Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit als Methode der innergesellschaftlichen Streitbeilegung erwerben, erreichen lässt, konnte durch Einführung der Verordnung Nr. 5/2003 in dieser Frage doch mehr Klarheit geschaffen werden.
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Nigro, Riv.soc. 1968, 175, 187; Zucconi Galli Fonseca, La convenzione arbitrale ritual rispetto ai terzi, S. 499; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 88. 161 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 11, S. 274; Carpi/ Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 9, S. 107.
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a) Rechtslage vor der Reform Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Vorschrift des Art. 1341 Abs. 2 c.c. Danach müssen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Schiedsklausel enthalten, zwingend in einem gesonderten Dokument unterzeichnet werden. Wird diese Norm auf Gesellschaftsverträge angewendet, ist der neue Gesellschafter nur dann an die Schiedsklausel gebunden, wenn seine schriftliche Zustimmung gesondert eingeholt wird. Eine Bindung nach verbandsrechtlichen Grundsätzen ist ausgeschlossen. Die Anwendung dieser Vorschrift auf satzungsmäßige Schiedsklauseln scheint aber nicht zwingend geboten. Die Regelungen des Gesellschaftsvertrags müssten sich schließlich als von einer Partei vorformulierte allgemeine Vertragsbedingungen im Sinne von Art. 1341 Abs. 1 c.c. darstellen. Das kann mit Blick auf die Natur des Gesellschaftsvertrags bezweifelt werden. Schließlich steht bei einem Gesellschaftsvertrag – anders als bei einem Austauschvertrag – das Zusammenwirken im Mittelpunkt, sodass die Vertragspartner von vorneherein weniger schutzbedürftig sind. Der Kassationshof spricht sich aus diesem Grund in ständiger Rechtsprechung gegen die Anwendbarkeit des Art. 1341 c.c. auf Gesellschaftsverträge aus.162 Für diese Ansicht spricht auch, dass es mit dem Grundsatz der Gleichheit der Gesellschafter unvereinbar wäre, dem neu eintretenden Gesellschafter ein Wahlrecht über die Schiedsgerichtsbarkeit einzuräumen.163 Die Klausel kann schließlich nicht für einige Gesellschafter wirksam, für andere dagegen unwirksam sein.164 Der Beitritt eines neuen Gesellschafters, der nicht in der Form des Art. 1341 c.c. gesondert der Schiedsklausel beitritt, würde demnach zur Nichtigkeit der gesamten Klausel führen. Aus praktischer Sicht führt die Anwendung des Art. 1341 c.c. damit zu einer starken Einschränkung der Operativität satzungsmäßiger Schiedsklauseln. Die Ansicht des Kassationshofs ist auf Widerstand in der Literatur gestoßen. Zweifeln an der Anwendbarkeit des Art. 1341 c.c. wurde mit dem Argument begegnet, dass sich auch der neu beitretende Gesellschafter einem bereits abgefassten Regelwerk gegenübersehe, auf dessen Zustandekommen er keinen Einfluss nehmen konnte.165 Außerdem könne die Schiedsklausel auch als völlig selbständiges Rechtsgeschäft gesehen werden, das nur formal in den Gesellschaftsvertrag eingefügt wurde.166 162 Vgl. nur Cass. civ., sez. I, 11.10.1960, n. 2640, in Giust. civ. 1960, I, 1725; Cass. civ., sez. I, 21.10.1980, n. 5631, in Foro it., 1980, I, 2694. 163 Rescigno, Riv. arb. 1991, 13, 24 f.; zum Aktienrecht Pisani Massamormile, Riv. soc. 2000, 265, 280. 164 Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 34 f. 165 Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 104; Schizzerotto, Dell’arbitrato, S. 175 ff.; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 94; Teti, Riv. arb. 1993, 297, 300 f. m.w.N. 166 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 96 f.
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
b) Praktische Auswirkungen des alten Meinungsstreits Zu unterschiedlichen Ergebnissen führen die verschiedenen Ansichten nur in einzelnen Fällen des Beitritts neuer Gesellschafter. Zu unterscheiden ist zum einen zwischen originärem und derivativem Erwerb von Geschäftsanteilen und zum anderen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften. Weniger problematisch beurteilt sich zunächst der originäre Beitritt zu einer Personengesellschaft. Er kann ohnehin nur durch Änderung des Gesellschaftsvertrages gem. Art. 2252 c.c. erfolgen, an der sowohl die ursprünglichen, als auch der neue Gesellschafter zu beteiligen sind.167 Damit liegt jedenfalls eine neue ausdrückliche Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zur Schiedsklausel vor. Es besteht kein Unterschied zur Situation der Gründungsgesellschafter. Bei der Aufnahme eines neuen Gesellschafters in eine Kapitalgesellschaft im Wege der Zeichnung neuer Anteile wäre dagegen bei Anwendung des Art. 1341 c.c. eine gesonderte schriftliche Beitrittserklärung des neuen Gesellschafters zur Schiedsklausel erforderlich.168 Davon sieht der Kassationshof, der die Einhaltung der gesellschaftsrechtlichen Vorschriften für ausreichend erachtet, freilich schon lange ab.169 Im Fall des derivativen rechtsgeschäftlichen Erwerbs durch Abtretung von Geschäftsanteilen wurde schon vor der Reform überwiegend kein gesonderter schriftlicher Beitritt zur Schiedsklausel verlangt. Die Begründung entspricht der Rechtsprechung des BGH zur Bindung von Rechtsnachfolgern an Schiedsklauseln in Personengesellschaften.170 Auch im italienischen Schrifttum wird argumentiert, dass die Abtretung eines Geschäftsanteils ebenso wie die Abtretung sonstiger Rechte zum Übergang aller verbundener Rechte und Pflichten – und damit zum automatischen Übergang der Bindung an die Schiedsklausel auf den neuen Gesellschafter – führe.171 Im Fall des Übergangs von Geschäftsanteilen durch Vererbung ist der automatische Eintritt des Erben schon lange in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.172 Die Bindung an die Schiedsvereinbarung wird aus erbrechtlichen Grundsätzen abgeleitet. Es spielt daher keine Rolle, dass der Rechtsnachfolger in Personengesellschaften gem. Art. 2284 c.c. nicht automatisch in die Gesellschafterstellung einrückt.173 167
Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 9, S. 107. 168 Dafür Andrioli, Commento al c.p.c., IV, Art. 808, S. 788 f.; Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 104; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 94 ff. m.w.N. 169 Vgl. Cass. civ., sez. I, 11.10.1960, n. 2640, in Giust. civ. 1960, I, 1725. 170 Vgl. dazu oben § 11 B. II. 171 Pisani Massamormile, Riv. soc. 2000, 265, 280 (zum Aktienrecht); Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 104 ff.; so bereits Andrioli, Riv. dir. comm. 1942, II, 36, 38; Nigro, Riv.soc. 1968, 175, 188; a.A. Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 481. 172 Vgl. nur Cass. civ., sez. I, 22.6.1982, n. 3784, in Rass. arb. 1982, 328; Teti, Riv. arb. 1993, 297, 299; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 102 f. m.w.N. 173 Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 79.
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c) Ausdrückliche Anordnung der Bindungswirkung in der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Die Verordnung Nr. 5/2003 sorgt für mehr Klarheit, indem die liberale Auffassung des Kassationshofs nunmehr einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt findet. Nach Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 bindet die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel ausdrücklich die Gesellschaft und sämtliche Gesellschafter. Diese Norm wird überwiegend so verstanden, dass nunmehr sämtliche – gegenwärtige und zukünftige – Gesellschafter unabhängig von ihrer persönlichen Zustimmung oder Kenntnis der Klausel der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen sind.174 Einzige Voraussetzung ist, dass die Klausel zu irgendeinem Zeitpunkt wirksam nach den anwendbaren gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zustande gekommen ist.175 Die Schiedsklausel muss demnach nicht im Beitrittsakt in Bezug genommen werden. Insoweit verdrängen die verbandsrechtlichen Regeln vollständig die Anforderungen des Schiedsverfahrensrechts. Auch die Art des Erwerbs der Geschäftsanteile spielt nach der neuen Vorschrift keine Rolle mehr.176 2. Bindung des ausgeschlossenen Gesellschafters Die Schiedsklausel bindet gem. Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 auch Personen, deren Gesellschafterstellung Gegenstand der Streitigkeit ist. Demnach ist der Gesellschafter auch nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft jedenfalls insoweit weiter der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen, als seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft bezweifelt wird.177 So kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft die Rechtmäßigkeit des Gesellschafterbeschlusses über seinen Ausschluss nicht gem. Art. 2287 Abs. 2 c.c. durch das zuständige Landgericht überprüfen lassen. Ihm bleibt nur der Weg zu den Schiedsgerichten.178 Aber auch im Fall der Anfechtung eines Beschlusses aus sonstigen Gründen ist der Gesellschafter nach seinem Austritt weiter an die Schiedsklausel gebunden.179
174
E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 524; Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 515; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (222); Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 4, S. 568; Alpa/Vigoriti/Irrera/Catalano, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1071; a.A. Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 480. 175 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 524. 176 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 11, S. 274. 177 Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 713; Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 514 f.; Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 578 f. 178 Cass. civ., sez. I, 3.8.1988, n. 4814, in Foro it. 1989, I, 2042; Cass. civ., sez. VI, 11.6.2019, n. 15697, in Giur. it. 2019, 1035; Trib. Milano, 21.11.2019, arbitratoinitalia.it; Soldati, Le clausole compromissorie nelle società commerciali, S. 72. 179 So Trib. Milano, 27.9.2005, Giur. comm. 2006, II, 1128, sogar bei einer Schiedsklausel, die erst nach Ausscheiden des klagenden Gesellschafters eingeführt wurde.
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II. Formelle Voraussetzungen Die bei gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln einzuhaltende Form ergibt sich in erster Linie aus den jeweils anwendbaren gesellschaftsrechtlichen Vorschriften. Eine bemerkenswerte Regelung enthält die Verordnung Nr. 5/2003 aber zu den erforderlichen Mehrheitsverhältnissen bei der nachträglichen Einführung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel. 1. Form der Klausel Die Schiedsklausel bedarf nach Art. 808 Abs. 1 c.p.c. der Schriftform, die aber zumindest bei Schiedsklauseln im Gesellschaftsvertrag in der Regel ohnehin gewahrt ist bzw. sogar von strengeren Vorschriften verdrängt wird.180 Der Gesellschaftsvertrag einer Personenhandelsgesellschaft ist gem. Art. 2296 c.c. im Handelsregister zu veröffentlichen. In Kapitalgesellschaften muss der Gründungsakt nach Artt. 2328 Abs. 2, 2463 Abs. 2 c.c. in Form einer öffentlichen Urkunde abgefasst werden. Die Schriftform muss beim Eintritt eines neuen Gesellschafters nicht „erneuert“ werden. Nach den oben dargestellten Grundsätzen überwinden die verbandsrechtlichen Vorschriften nicht nur die Anwendung des Art. 1341 c.c., sondern auch die Einhaltung der Form des Art. 808 c.p.c. bei Aufnahme neuer Gesellschafter. Schließlich wurde dem Verordnungsgeber in der Ermächtigungsnorm ausdrücklich die Befugnis eingeräumt, von Art. 808 c.p.c. abzuweichen.181 2. Nachträgliche Einführung einer Schiedsklausel: qualifizierte Mehrheit und Austrittsrecht Die Schiedsklausel muss nicht schon bei Gründung der Gesellschaft in der Satzung verankert sein, sondern kann auch später durch eine entsprechende Satzungsänderung aufgenommen werden. Mit Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 besteht heute eine Sonderregelung über die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse. Danach müssen Änderungen des Gesellschaftsvertrags, durch die eine Schiedsklausel eingeführt oder gestrichen wird, von den Gesellschaftern, die mindestens zwei Drittel des Gesellschaftskapitals halten, beschlossen werden. Im Gegenzug können Gesellschafter, die bei der Versammlung abwesend waren oder gegen den Beschluss gestimmt haben, innerhalb der folgenden neunzig Tage den Austritt aus der Gesellschaft erklären. Auf eine Differenzierung nach der Gesellschaftsform wird verzichtet. Die Vorschrift bringt eine bemerkenswerte Ausnahme vom Grundsatz mit sich, dass die Legitimation des Schiedsgerichts auf der freiwilligen Unterwer-
180 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 65; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 34 f. 181 Vgl. Art. 12 Abs. 3 L. n. 366/2001.
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fung aller Parteien beruhen muss. Schließlich ist auch den dissentierenden Gesellschaftern künftig der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten versperrt. Trotz ihrer fehlenden Zustimmung zur Einführung der Schiedsklausel müssen sie sich zur Überprüfung innergesellschaftlicher Rechtsverhältnisse an das Schiedsgericht wenden. Vor diesem Hintergrund wurden in der Literatur vereinzelt Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung geäußert.182 Dieser Einwand wurde vom Verordnungsgeber antizipiert und durch einen entsprechenden Ausgleichsmechanismus entschärft: dem widersprechenden Gesellschafter wird nach Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 ein Austrittsrecht eingeräumt, sodass er sich auf diese Weise der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit entziehen kann, ihr also nicht gänzlich unfreiwillig unterworfen ist.183 Mit Blick auf die strukturellen Unterschiede bei der Beschlussfassung bleibt offen, ob die Norm auch auf Personengesellschaften Anwendung findet. Daneben gilt es zu untersuchen, ob die Vorschrift auch die Abänderungen einer bestehenden Schiedsklausel erfasst und ob privatautonom von der vorgesehenen Mehrheitsregelung abgewichen werden kann. a) Gesetzliche Abweichung vom Zustimmungserfordernis in Personengesellschaften In Personengesellschaften bedarf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags nach dem Grundsatz des Art. 2252 c.c. der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde. Mehrheitsklauseln greifen nach verbreiteter Auffassung zudem nur insoweit, als keine essentiellen Entscheidungen getroffen werden bzw. den Gesellschaftern keine neuen Verpflichtungen auferlegt werden.184 Auf dem Hintergrund dieser normativen Ausgangslage wird die Anwendbarkeit der Mehrheitsregelung in Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 teilweise in Abrede gestellt. Hier gelte auch bei Einführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag das Einstimmigkeitsprinzip.185 Ziel des Verordnungsgebers, dem in erster Linie die Situation in Kapitalgesellschaften vorgeschwebt habe, sei es zudem gewesen, den Schutz der Gesellschafter durch strengere 182 Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 516; vgl. zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit bereits oben § 4 B. 183 Trib. Milano, 18.7.2005, Giur. it. 2006, 313; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3.1., S. 1173 f.; vgl. dazu auch die parallele Argumentation in BGH NJW 2000, 1713: hier deutet der BGH an, dass eine Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung zulässig sein kann, wenn der Austritt aus dem Verein eine zumutbare Alternative darstellt. 184 Vgl. dazu Santosusso/Nigro, Delle società, Art. 2252, Ziff. 2, S. 135 f.; a.A. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, II.23. (S. 101). 185 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1292; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 2, S. 562; Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 482 (Fn. 36); Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 86.
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Mehrheitserfordernisse zu erhöhen, nicht aber in Personengesellschaften abzusenken.186 Konkrete gesetzliche Anhaltspunkte für diese Differenzierung lassen sich nicht finden. Vorzugswürdig erscheint es, die Norm im Hinblick auf Personengesellschaften als gesetzliche Erleichterung der Einführung von Schiedsklauseln zu verstehen.187 Schließlich weicht das Gesetz seit der Reform von 2003 auch an anderen Stellen vom Einstimmigkeitsgrundsatz in Personengesellschaften ab.188 b) Gesetzliche Verschärfung der Mehrheitsanforderungen in Kapitalgesellschaften In Kapitalgesellschaften bedeutet die Norm dagegen eine Verschärfung der gesetzlichen Mehrheitsregelungen. Die Satzungsänderung einer s.p.a. fällt gem. Artt. 2365 Abs. 1 c.c. grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der außerordentlichen Gesellschafterversammlung. Ihre Beschlüsse bedürfen gem. Art. 2368 Abs. 2 c.c. in geschlossenen Aktiengesellschaften189 bei erster Einberufung der Stimmen der Gesellschafter, die mehr als die Hälfte des Gesellschaftskapitals vertreten, sofern die Satzung keine höhere Mehrheit verlangt. In der zweiten Einberufung beschließt sie mit den Stimmen von mindestens zwei Dritteln des in der Versammlung vertretenen Kapitals, bei einer Anwesenheit von mindestens einem Drittel des Gesellschaftskapitals. Der Satzungsänderung einer s.r.l. müssen gem. Art. 2479-bis Abs. 3 c.c die Gesellschafter, die mindestens die Hälfte des Kapitals vertreten, zustimmen. Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 verlangt nun die Zustimmung zur Satzungsänderung der Gesellschafter, die mindestens zwei Dritteln des Gesellschaftskapitals halten – also nicht nur des in der Versammlung vertretenen Kapitals. Damit geht die Vorschrift deutlich über die Anforderungen an sonstige Satzungsänderungen in s.p.a. und s.r.l. hinaus. Da das Gesetz insoweit nicht differenziert, besteht diese Anforderung im Fall einer erneuten Einberufung fort.190
186
Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1292. Alpa/Vigoriti/Irrera/Catalano, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1062 f.; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3.2., S. 1174 f.; Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 10, S. 121; Soldati, Le clausole compromissorie nelle società commerciali, S. 61. 188 Soldati, Le clausole compromissorie nelle società commerciali, S. 60, unter Hinweis auf Art. 2500-ter Abs. 1 c.c. (Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft durch Mehrheitsbeschluss) und Art. 2502 Abs. 1 c.c. (Mehrheitsbeschluss über die Verschmelzung). 189 Andere Mehrheitsregeln gelten in einer börsennotierten s.p.a., deren Satzung aber ohnehin keine Schiedsklausel enthalten darf, siehe hierzu oben § 9 A. II. 1. 190 Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 89. 187
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c) Anwendbarkeit bei Abänderung bestehender Schiedsklauseln Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 erfasst nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die Einführung oder Streichung einer satzungsmäßigen Schiedsklausel. Nach Art. 41 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 sind die Mehrheitsanforderungen bei der bloßen Anpassung einer Altklausel an Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 innerhalb der Übergangszeit nicht einzuhalten.191 Unklar ist aber, ob sonstige Abänderungen einer bereits bestehenden Schiedsklausel unter die Norm fallen oder ob in diesem Fall die regelmäßigen Mehrheitsverhältnisse gelten. Für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften spricht neben dem Wortlaut der Norm, dass bei bloßer Abänderung einer Schiedsklausel eine Erhöhung der erforderlichen Mehrheit zum Schutz der Gesellschafter nicht mehr geboten erscheint.192 Schließlich wurde die grundsätzliche Entscheidung für die Schiedsgerichtsbarkeit bereits getroffen. In der Literatur wird dennoch überwiegend befürwortet, die Vorschrift grundsätzlich – zumindest entsprechend – auf die Abänderungen einer bestehenden Schiedsklausel anzuwenden.193 Auch formal kleine Anpassungen der Schiedsklausel können potentiell zu bedeutenden Änderungen des Rechtsschutzes der Gesellschafter führen. Der Gleichlauf von Einführung und Streichung der Klausel zeige zudem, dass durch die Norm nicht der verfassungsrechtlich garantierte Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten geschützt werde, sondern der geltende Streitbeilegungsmechanismus innerhalb der Gesellschaft an sich.194 Schließlich lässt sich für dieses Ergebnis auch die Vorschrift des Art. 41 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 anführen. Danach findet Art. 34 Abs. 6 auf Abänderungen, die der Anpassung einer Schiedsklausel innerhalb der Übergangszeit an die neuen Vorschriften dienen, keine Anwendung. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn Abänderungen ohnehin nicht unter Art. 34 Abs. 6 fielen.195 Teilweise wird die (entsprechende) Anwendbarkeit der Norm immerhin auf solche Änderungen beschränkt, die dem Streitbeilegungsmechanismus eine strukturell neue Form verleihen. Aufgrund der zur Neueinführung einer Schiedsklausel vergleichbaren Interessenlage seien zum Schutz der Gesell-
191 Zur (umstrittenen) Frage, ob die Anpassung zwingend erfolgen muss bzw. das Unterbleiben der Anpassung zur Nichtigkeit der Altklausel führt und sich die Anpassung der Klausel nach Ablauf der Übergangszeit insofern als Neueinführung einer Schiedsklausel darstellt siehe unten § 12 A. V. 3. b). 192 Salafia, Società 2004, 1457, 1459 f. 193 Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 421; Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1292 (Fn. 82); Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 707; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (219 ff.); Soldati, Le clausole compromissorie nelle società commerciali, S. 56; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 89. 194 Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (220). 195 Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (220 f.).
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schafter auch in diesem Fall die – zumindest in Kapitalgesellschaften – erhöhten Anforderungen des Art. 34 Abs. 6 maßgeblich.196 Dies sei etwa dann der Fall, wenn Beschlussmängelstreitigkeiten durch Satzungsänderung aus dem Anwendungsbereich der Schiedsklausel ausgenommen würden.197 Rein prozessuale Anpassungen wie die Anzahl der Schiedsrichter können dagegen auch auf Grundlage der – in Kapitalgesellschaften geringeren – regelmäßigen Mehrheitsverhältnisse erfolgen.198 Auch wenn diese Differenzierung dogmatisch zu überzeugen vermag, führt sie im Einzelfall doch zu enormen Abgrenzungsschwierigkeiten. Vorzugswürdig erscheint – jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität – die undifferenzierte Anwendung der Mehrheitsanforderungen des Art. 34 Abs. 6 auf Einführung, Streichung und Abänderung von Schiedsklauseln. Dies gilt erst recht auch in Personengesellschaften. Dort würden anderenfalls an eine Abänderung höhere Hürden gestellt, als an eine Neueinführung. d) Satzungsmäßige Abweichungen von den gesetzlichen Mehrheitsanforderungen Die Abweichung von Mehrheitsanforderungen für die Einführung einer Schiedsklausel durch eine Satzungsbestimmung wird nur im Fall einer weiteren Verschärfung für zulässig gehalten, die in der s.r.l. bis zur Einstimmigkeit gehen kann.199 In der s.p.a. darf nach allgemeiner Auffassung ein einstimmiger Beschluss nicht verlangt werden.200 Nach überzeugender Ansicht ist eine Abweichung von Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 stets unzulässig. Zweck der Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren ist es nämlich auch, die weitere Verbreitung dieser Streitbeilegungsmethode bei innergesellschaftlichen Konflikten zu fördern. Die Möglichkeit der Einführung einer Schiedsklausel solle daher nicht durch einzelne Minderheitsgesellschafter blockiert werden.201 e) Austrittsrecht abwesender und dissentierender Gesellschafter Gesellschafter, die bei der Versammlung abwesend waren oder gegen den Beschluss über die Einführung bzw. Streichung der Schiedsklausel gestimmt haben, räumt Art. 34 Abs. 6 S. 2 d.lgs. n. 5/2003 das Recht ein, den Austritt aus 196 Vgl. Montalenti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 1275, 1285. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 2, S. 254; Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/ Boccagna/Izzo, Dir. arb., Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. XV Rn. 9. 197 Montalenti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 1275, 1285. 198 Montalenti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 1275, 1285. 199 Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 5.1., S. 339; Soldati, Le clausole compromissorie nelle società commerciali, S. 61; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 90 f. 200 Statt aller Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, VIII.4. (S. 318). 201 Vgl. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 2, S. 255.
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der Gesellschaft zu erklären. In Abweichung vom Grundsatz der Vertragstreue erhält der Gesellschafter also die Möglichkeit, durch einseitiges Verlangen gegen eine Abfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den Fall der Abänderung bestehender Schiedsklauseln umfasst auch das Recht zum Austritt aus der Gesellschaft.202 Daneben wird sogar für eine Übertragung des Austrittsrechts auf den Fall des neu eintretenden Gesellschafters, der erst nach seinem Eintritt von der Schiedsklausel erfährt, plädiert.203 Diese Ansicht konnte sich zu Recht nicht durchsetzen. Wie gesehen, unterwirft sich der neu eintretende Gesellschafter – unabhängig von seiner Kenntnis – den geltenden innergesellschaftlichen Regeln.204 Die Zubilligung eines Austrittsrechts würde sich als zufälliges Geschenk erweisen. In Personengesellschaften ist die Bedeutung der Norm gering. Zum einen ergibt sich ein Anwendungsbereich für die Norm nur dann, wenn in Abweichung von Art. 2252 c.c. richtigerweise die (qualifizierte) Mehrheitsentscheidung über die Einführung einer Schiedsklausel zugelassen wird.205 Zum anderen steht den Gesellschaftern in Personengesellschaften, die für unbegrenzte Zeit eingegangen sind, ohnehin gem. Art. 2285 Abs. 1 c.c. jederzeit ein ordentliches Kündigungsrecht zu. Eigenständige Bedeutung erlangt Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 demnach nur in Personengesellschaften, die für bestimmte Zeit eingegangen wurden. Dort setzt die Kündigung nach Art. 2285 Abs. 2 c.c. das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Auch im italienische Kapitalgesellschaftsrecht wurde mit Artt. 2437 c.c. (s.p.a.) und 2473 c.c. (s.r.l.), anders als im deutschen Recht,206 ein allgemeines Austrittsrecht der Gesellschafter kodifiziert, das Minderheitsgesellschaftern ein effektives Schutzmittel gegen negative Auswirkungen strukturändernder Mehrheitsentscheidungen an die Hand zu geben soll.207 Im Recht der s.r.l. sieht Art. 2473 c.c. nur das Bestehen eines Austrittsrechts vor und überlässt die Modalitäten weitestgehend der Satzung. Im Aktienrecht regeln Artt. 2437–2437sexies c.c. dagegen detailliert die Austrittsgründe und Modalitäten. Die Abstimmung des Austrittsrechts bei Einführung einer Schiedsklausel nach Art. 34 202
Trib. Verona, 12.4.2005, Giur. comm. 2007, II, 633; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 89; a.A. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 2, S. 254, der insoweit Artt. 2437, 2473 c.c. als vorrangig ansieht. 203 Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 482 f. 204 Dazu oben § 12 A. I. 1. 205 Dazu oben § 12 A. II. 2. a). 206 Das deutsche Recht sieht ein Austrittsrecht von Kapitalgesellschaftern nur in einigen – insbesondere umwandlungsrechtlichen – Sonderfällen vor (etwa § 29 Abs. 1 S. 1 UmwG im Fall der Verschmelzung). Daneben ist jedenfalls in der GmbH ein außerordentliches Austrittsrecht aus wichtigem Grund als allgemeines Rechtsinstitut anerkannt, vgl. BGH NJW 1953, 780; BGH NZG 2014, 541; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 34 Rn. 70. In der AG ist die Rechtslage umstritten, vgl. dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, S. 80 ff. 207 Abbadessa/Portale/Campobasso/Piscitello, s.p.a., Art. 2437, Ziff. 1, S. 2498 f.; zur s.r.l. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, XVIII.7. (S. 570 f.).
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Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 auf diese allgemeinen Vorschriften hat teilweise zu Schwierigkeiten geführt. Das Recht zum Austritt nach Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 erhalten nur die bei der Versammlung abwesenden, sowie die dissentierenden Gesellschafter. Das allgemeine Austrittsrecht steht dagegen allen Gesellschaftern zu, die dem Beschluss nicht zugestimmt haben.208 Um die Wertung der Verordnung nicht zu unterlaufen, ist ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften insoweit aber ausgeschlossen.209 Der Austritt kann gem. Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 innerhalb der folgenden neunzig Tage210 durch Erklärung gegenüber der Gesellschaft erfolgen. Fristauslösendes Ereignis ist, sofern erforderlich, die Eintragung des Beschlusses im Handelsregister, anderenfalls der Zeitpunkt der Beschlussfassung.211 Dabei hat der Gesellschafter auch die Möglichkeit, den Austritt nur im Hinblick auf einen Teil seiner Anteile zu erklären. Er setzt sich in diesem Fall nicht dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens aus.212 Die Bestimmung der Abfindung der austretenden Gesellschafter richtet sich (in der nicht börsennotierten s.p.a.) nach den objektiven Kriterien des Art. 2437-ter Abs. 2 c.c., die auf den Vermögensbestand der Gesellschaft und ihre Ertragsaussichten, sowie den Marktwert der Anteile Bezug nehmen. Der Vorteil eines Austritts gegenüber der Veräußerung der Anteile auf dem Markt liegt darin, dass die Abfindung demnach auch über dem Marktwert zum Zeitpunkt der Versammlung liegen kann. Die Abfindung muss bereits im Vorfeld der Versammlung bekanntgegeben werden, anderenfalls ist der satzungsändernde Beschluss über die Einführung bzw. Abänderung einer Schiedsklausel nichtig.213 Nach Art. 2437-bis Abs. 3 c.c. erlischt das Austrittsrecht, wenn die Gesellschaft den Beschluss innerhalb der Rücktrittsfrist widerruft (oder die Auflösung der Gesellschaft beschlossen wurde). Diese Vorschrift ist im Fall des Widerrufs der Einführung einer satzungsmäßigen Schiedsklausel entsprechend anzuwenden.214
208 Erfasst werden demnach auch Gesellschafter, die sich enthalten haben oder denen bei der Beschlussfassung das Stimmrecht entzogen war. 209 Vgl. Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 92; a.A. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 3, S. 256. 210 Hier geht die Verordnung weit über das allgemeine (aktienrechtliche) Austrittsrecht hinaus, das gem. Art. 2437-bis Abs. 1 c.c. nur innerhalb einer Austrittsfrist von 15 Tagen ausgeübt werden kann. 211 Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 92. 212 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 3, S. 257. 213 App. Milano, 13.2.2013, Giur. it. 2014, 358. 214 Lodo arb. Verona, 14.3.2008, Corr. giur. 2009, 1547.
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III. Objektive Reichweite der Schiedsklausel Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 stellt klar, dass dem Schiedsgericht nicht pauschal sämtliche innergesellschaftliche Streitigkeiten übertragen werden müssen, sondern bereits in der Schiedsvereinbarung eine selektive Wahl der erfassten Streitigkeiten getroffen werden kann („la devoluzione ad arbitri di alcune ovvero di tutte le controversie“). Da solche Klauseln im Einzelfall besonders anfällig für Auslegungsstreitigkeiten sind, ist eine allgemeine Formulierung der Schiedsklauseln aber vorzuziehen.215 In diesem Fall sind gem. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 sämtliche Streitigkeiten unter den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft von der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit erfasst, sofern sie einen spezifischen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis aufweisen (diritti relativi al rapporto sociale). Dieses Merkmal wird weit verstanden. Der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit unterliegen nicht nur die Streitigkeiten über das Gesellschaftsverhältnis selbst, sondern auch sämtliche Streitigkeiten, die im Gesellschaftsverhältnis wurzeln.216 Nicht erfasst wird etwa die Geltendmachung eines Drittgläubigeranspruchs (z.B. aus einem Darlehen) durch einen Gesellschafter gegen die Gesellschaft.217 Auch Streitigkeiten im Rahmen der Abtretung von Gesellschaftsanteilen zwischen zwei Gesellschaftern fehlt der spezifische Bezug zum Gesellschaftsverhältnis.218 Nicht entschieden wurde bisher, ob eine gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel auch Streitigkeiten zwischen einzelnen Gesellschaftern über die Pflichten aus einer Gesellschaftervereinbarung erfasst. Überwiegend wird das in der Literatur verneint.219 Es handelt sich dabei um rein schuldrechtliche Beziehungen zwischen einzelnen Gesellschaftern, die sich allenfalls indirekt auf die Gesellschaft auswirken.220 Beschlussmängelstreitigkeiten werden dagegen ohne weiteres von der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel erfasst. Das gilt auch dann, wenn diese Streitigkeiten in einer allgemein formulierten Schiedsklausel nicht ausdrücklich genannt werden.221 Die Gesellschafterversammlung ist das wichtigste Organ der gesellschaftsinternen Willensbildung, ihre Beschlüsse – und damit auch die Streitigkeiten über deren Wirksamkeit – weisen daher von Natur aus einen Bezug zum Gesellschaftsverhältnis auf. Das gilt gleichermaßen für den 215
Vgl. Sali, Nuova giur. civ. comm. 2004, II, 114, 119. Alpa/Vigoriti/Cerrato, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1086 f. 217 Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 4, S. 1176 f. 218 Cass. civ., sez. I, 26.6.2008, n. 17328, Società 2009, 1403. 219 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1290; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 20, S. 296; a.A. Zucconi Galli Fonseca, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 929, 935; Montalenti, Riv. arb. 2017, 231, 236 f.; Tabellini, Giur. it. 2018, 2171, 2172. 220 Vgl. Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1290. 221 So ausdrücklich Cass.civ., sez. VI, 28.8.2015, n. 17283, Foro it. 2015, I, 3089; a.A. noch Salvaneschi, in: Conciliazione e arbitrato, S. 133 (134), unter Verweis auf den Wortlaut des Art. 35 Ab 5 d.lgs. n. 5/2003 („…ma se la clausola consente la devoluzione in arbitrato di controversie aventi ad oggetto la validità di deliberazioni assembleari…“). 216
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Schadensersatzanspruch der Gesellschafter aus Art. 2377 Abs. 4 c.c., die aufgrund des geringen Kapitalanteils von der Anfechtungsklage ausgeschlossen sind.222 Auch dieser Anspruch kann ausschließlich vor dem Schiedsgericht geltend gemacht werden. IV. Materielle Voraussetzungen: Verbot der Schiedsklauseln mit Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien (Art. 34 Abs. 2 D.lgs. Nr. 5/2003) Die materielle Wirksamkeit der Schiedsklausel ist gem. Art. 808 Abs. 2 c.p.c. – wie auch im deutschen Schiedsverfahrensrecht223 – unabhängig von den sonstigen Vertragsbestandteilen zu beurteilen. Die Nichtigkeit des Vertrages führt demnach in Ausnahme zu Art. 1419 Abs. 1 c.c. grundsätzlich nicht zugleich zur Nichtigkeit der darin enthaltenen Schiedsklausel.224 Abgesehen davon finden die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Verträge auch auf die Schiedsklausel Anwendung.225 Daneben stellen verschiedene Sondervorschriften inhaltliche Wirksamkeitsanforderungen an Schiedsklauseln. Bei Schiedsklauseln über innergesellschaftliche Streitigkeiten ist die Vorschrift des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 von besonderer Bedeutung. Danach muss die Schiedsklausel die Anzahl der Schiedsrichter und die Benennungsmodalitäten vorsehen. Das Benennungsrecht muss zwingend einem Außenstehenden (soggetto estraneo alla società) übertragen werden. Andernfalls ist die Schiedsklausel nach Art. 34 Abs. 2 nichtig. Die Nichtigkeitsfolge bezieht sich ausschließlich auf das Benennungsrecht, tritt also nicht im Fall der unterbliebenen Bestimmung der Anzahl der Schiedsrichter ein.226 Aufgrund der einschneidenden Rechtsfolge hat diese Regelung in der Folgezeit der Reform zweifellos die größte Aufmerksamkeit der Literatur auf sich gezogen. In ihr wurde von Beginn an das „wesentliche Merkmal“ des neugeschaffenen gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrensrechts gesehen.227 Bis heute wird die Tragweite der Vorschrift in Rechtsprechung und Literatur diskutiert. Kritik hat die Vorschrift hervorgerufen, da die Schiedsrichterbenennung durch die Parteien als Kernbereich der privatautonomen Regelungsfreiheit im Bereich der Verfahrensdurchführung – und damit zugleich als entscheidender Vorteil der Schiedsgerichtbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit – gesehen wird.228 222
Vgl. Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 4,
S. 86. 223
Vgl. § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO. Menchini/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 808, Ziff. 4, S. 50 f. 225 Menchini/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrato, Art. 808, Ziff. 4, S. 51. 226 Carpi/Zucconi Galli Fonseca, Arbitrati speciali, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 11, S. 128 f. 227 So Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 714. 228 Siehe dazu bereits oben § 5 B. 224
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1. Zweck der Norm Mit der zwingenden Übertragung der Schiedsrichterbenennung auf einen Außenstehenden verfolgt der Verordnungsgeber das Ziel, die Schwierigkeiten der Benennung der Schiedsrichter durch die Parteien bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten zu lösen und zugleich durch ein neutrales Benennungsverfahren die Unparteilichkeit der Schiedsrichter sicherzustellen.229 Hier haben sich seit jeher verschiedene Fragen gestellt, die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert wurden. Zum einen betreffen innergesellschaftliche Streitigkeiten – und insbesondere solche über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen230 – regelmäßig mehr als zwei Parteien, sodass sich das bekannte Problem der Gleichbehandlung der Parteien im Rahmen der Schiedsrichterbenennung in einem Mehrparteienverfahren stellt.231 Auch die italienische Rechtsprechung und Literatur beschäftigen sich seit Langem mit einer sachgerechten Behandlung des Spannungsfelds zwischen prozessualer Waffengleichheit bei Bildung des Schiedsgerichts und der Vermeidung einer impraktikabel großen Anzahl an Schiedsrichtern.232 Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der Konzeption der – nicht nur im italienischen Rechtsraum – klassischen Schiedsklausel, die sich so auch in der gesetzlichen Auffangregelung des Art. 810 c.p.c. widerspiegelt. Danach wird in der Regel jeder Partei das Recht zur Benennung eines Schiedsrichters eingeräumt. Die so bestimmten Schiedsrichter (oder die Verfahrensparteien) müssen sich anschließend auf einen (dritten) vorsitzenden Schiedsrichter verständigen (sogenannte clausola binaria).233 Im Fall der Beteiligung von mehr als zwei Parteien an einem Schiedsverfahren ist diese Benennungsverfahren in der Regel nicht zielführend; Voraussetzung wäre schließlich, dass sich immerhin die Beteiligten auf beiden Seiten der Auseinandersetzung auf einen gemeinsamen Schiedsrichter einigen können.234 Vor diesem Hintergrund wurden entsprechende Schiedsklauseln zur Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten in frühen instanzgerichtlichen Entscheidungen noch als nichtig erachtet.235 Der Kassationshof legte sich indes auf eine differenzierende Linie fest, an der das Gericht bis heute festhält: sofern sich die involvierten Interessen im Einzelfall in der ex-post Betrachtung in zwei homogene Gruppen einteilen lassen, kann die Klausel ihre Wirksamkeit auch
229
Vgl. etwa Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 171 ff. Pisani Massamormile, Riv. soc. 2000, 265, 283. 231 Vgl. dazu Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2002, 458, 460 ff. 232 Vgl. Bove, Gisutizia privata, S. 338. 233 La China, Arbitrato, S. 85 ff. 234 Zur Eignung dieser Klauseln im Mehrparteienverfahren Bonato, in: Studi sul processo societario, S. 423 (470 f.). 235 App. Torino, 14.1.1951. Giust. civ. 1951, 494; Trib. Cuneo, 16.1.1952, Foro it. 1952, I, 660. 230
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in einem Mehrparteienverfahren entfalten.236 Der Begriff der Partei wird in der Schiedsklausel demnach nicht im engen (zivilverfahrensrechtlichen) Sinne ausgelegt, sondern ist als einfache Bündelung gleichläufiger Interessen zu verstehen.237 Praktische Probleme folgen aber daraus, dass diese Einteilung in zwei homogene Gruppen freiwillig erfolgen muss – und nicht nach Ermessen des Gerichts vorgenommen werden darf.238 Außerdem ist der – vordergründig freiwillige – Zusammenschluss in zwei Gruppen nach der Rechtsprechung im Fall der notwendigen Streitgenossenschaft ausgeschlossen, da sich in dieser Konstellation regelmäßig eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen gegenüberstehen.239 Der Anwendungsbereich der Klausel mit klassischem Benennungsverfahren ist daher bei Mehrparteienstreitigkeiten gering.240 Wohl vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten ist es in gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln nach italienischem Recht schon lange üblich, die Benennung der Schiedsrichter einem Außenstehenden zu übertragen.241 Auch in der Literatur wurde eine entsprechende Schiedsklausel bereits vor Einführung der Verordnung Nr. 5/2003 als einzig gangbarer Weg bei Mehrparteienverfahren gesehen.242 Der Kassationshof hat diese Lösung als zulässige Benennungsmethode gebilligt.243 Zum anderen lässt sich die radikale Lösung des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 vor dem Hintergrund der früheren Praxis innergesellschaftlicher Streitbeilegung verstehen. In älteren gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln wurde die Entscheidung über die Schiedsrichterbenennung häufig der Gesellschafterversammlung überlassen.244 Es entsprach außerdem gängiger Praxis, in der Schiedsklausel die schiedsgerichtliche Entscheidung einem Gesellschaftsorgan oder einem ständigen gesellschaftsinternen Streitbeilegungsorgan zu
236 Cass. S.U., 11.10.1957, n. 3758, Giust. civ. 1958, I, 66; Cass. civ., sez. I, 23.10.1996, n. 4831, Riv. arb. 1997, 743; Cass. civ., sez. I, 20.1.2014, n. 1090, Rep. Foro it. 2014, Stichwort „Arbitrato“ (n. 88). 237 Muroni, Riv. arb. 1998, 137, 140; Luiso, Riv. arb. 2001, 605, 608. 238 Bonato, in: Studi sul processo societario, S. 423 (471). 239 Cass. civ., sez. I, 15.3.1983, n. 1900, Foro it., 1983, I, 883, 885 ff. 240 Bonato, in: Studi sul processo societario, S. 423 (471). 241 Bereits eine Studie aus dem Jahr 1979 hat ergeben, dass über 30 % der untersuchten gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln die Ernennung des Schiedsrichters durch einen Außenstehenden vorsahen, vgl. Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 125. 242 Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2002, 458, 469. 243 Cass. civ., sez. I, 16.3.2000, n. 3044, Rep. Foro it. 2001, Stichwort „Arbitrato“ (n. 173). 244 In der erwähnten Studie aus dem Jahr 1979, sahen mehr als 60 % der untersuchten Schiedsklauseln die Ernennung zumindest eines, häufig auch aller Schiedsrichter durch die Gesellschafterversammlung vor, vgl. Silingardi, Il compromesso in arbitri nelle società di capitali, S. 131 ff.
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übertragen.245 Beide Methoden sind unter den Gesichtspunkten der Unparteilichkeit der Schiedsrichter und der prozessualen Waffengleichheit bedenklich, sodass entsprechende Klauseln auch von der – insoweit allerdings uneinheitlichen – Rechtsprechung teilweise für nichtig erklärt wurden.246 Durch die ausnahmslose Übertragung der Schiedsrichterbenennung auf einen Außenstehenden in Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 wurden diese Hindernisse, die in der Vergangenheit die Effektivität der Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmethode bei innergesellschaftlichen Konflikten gefährden konnten – freilich unter Inkaufnahme einer starken Einschränkung der Privatautonomie der Parteien – aus dem Weg geräumt.247 Trotz Kritik an der Vorschrift soll sie nach dem Endbericht der ADR-Kommission im Rahmen der geplanten Reform mit unverändertem Wortlaut in einen Art. 832-bis Abs. 2 c.p.c. aufgenommen werden.248 2. Zulässige Benennungsinstitutionen Das Gesetz beschränkt sich darauf, die Schiedsrichterbenennung durch einen Außenstehenden (soggetto estraneo alla società) vorzuschreiben. Weitere Angaben über diese Benennungsinstitution bleiben aus. In Betracht kommen daher nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen oder sonstige Vereinigungen.249 Obwohl die Vorschrift von Außenstehendem in der Einzahl spricht, ist es nicht ausgeschlossen, in der Klausel verschiedene Benennungsinstitutionen zu bezeichnen, die jeweils einen Schiedsrichter benennen.250 Unklar ist aber, ob die Qualifikation als Außenstehender nach rein formalen Kriterien zu bestimmen ist oder ob darüber hinaus im Sinne eines absoluten Neutralitätsgebots auch sonstige Verbindungen zur Gesellschaft, die sich negativ auf die Unparteilichkeit bei der Schiedsrichterbenennung auswirken können, zu berücksichtigen sind. Nach einer formalen Betrachtungsweise sind jedenfalls Mitglied oder Organ der Gesellschaft – also in erster Linie Gesellschafter, Geschäftsführer, Vorstand bzw. Vorstandsmitglieder, Aufsichtsrat bzw. Aufsichtsratsmitglieder oder die Gesellschafterversammlung – keine Außenstehenden im Sinne der Vorschrift. Für die Berücksichtigung sonstiger Beziehungen zur Gesellschaft wird in der Literatur vorgebracht, dass die von Art. 34 Abs. 2 verfolgten Ziele nur dann gewährleistet seien, wenn jegliche 245 Etwa dem Aufsichtsrat oder – in der Genossenschaft – dem sogenannten collegio dei probiviri, vgl. Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 35 ff.; Pisani Massamormile, Riv. soc. 2000, 265, 287 ff. 246 Vgl. etwa Cass. civ., sez. I, 14.9.1991, n. 9604, Giur. comm. 1993, II, 42 (zum collegio dei probiviri); Cass. civ., sez. I, 3.5.1984, n. 2680, Giur. comm. 1986, II, 26 (zu Aufsichtsratsmitgliedern als Schiedsrichter). 247 Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 232. 248 Siehe zu dem Reformprojekt bereits oben § 3 B. III. 3. 249 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 128. 250 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 7, S. 264.
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Verbindung der Benennungsinstitution zur Gesellschaft untersagt sei, die eine unabhängige und unparteiische Schiedsrichterbenennung gefährden kann.251 Die Rechtsprechung scheint indes eine formale Betrachtungsweise zu bevorzugen. So wurde in einer Entscheidung des Tribunale di Milano die Übertragung des Benennungsrechts auf den Präsidenten eines Wirtschaftsverbandes, dem die Gesellschaft angehört, für zulässig gehalten.252 Einem erhöhten Maß an Rechtssicherheit ist diese Auffassung zweifellos zuträglich, indem im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen vermieden werden. In der Literatur wird häufig die Benennung durch den Präsidenten des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft vorgeschlagen.253 Die Statthaftigkeit dieser Benennungsmethode wurde bereits von der – schiedsgerichtlichen – Rechtsprechung bestätigt.254 Daneben kommt insbesondere die Bezeichnung einer Schiedsgerichtsorganisation oder einer Handelskammer, die häufig eigene Schiedskammern betreiben,255 in Betracht. V. Rechtsfolge von Verstößen der Schiedsklausel gegen das vorgeschriebene Benennungsverfahren Auf den ersten Blick scheint die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Anforderung des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 eindeutig, ordnet die Vorschrift doch ausdrücklich die Nichtigkeit der Schiedsklausel an. Gleichwohl stellt die Rechtsfolge der Norm eine der bis heute umstrittensten Fragen des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens nach italienischem Recht dar. Der Grund liegt auf der Hand: auch wenn das Ziel der Vorschrift durchaus verständlich sein mag, verwundert doch die enorm strenge Rechtsfolge.256 Die Anordnung der Nichtigkeit der gesamten Schiedsklausel hat im Einzelfall einschneidende Folgen. Sie führt dazu, dass die privatautonome Entscheidung der Gesellschafter für die Schiedsgerichtsbarkeit völlig unter den Tisch fällt und ihnen allein aufgrund der Vereinbarung eines unzulässigen Verfahrens der Schiedsrichterbenennung nur noch der Weg zu den staatlichen Gerichten bleibt – ein Weg der nach dem eindeutigen und übereinstimmenden Willen aller Parteien ausgeschlossen sein sollte. Insofern verwundert es nicht, dass von Beginn an Wege gesucht wurden, die Nichtigkeit der Klausel abzuwenden und Klauseln, die gegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 verstoßen, zu retten.
251 Vgl. Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 68 f.; Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 716; Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 232; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7.3., S. 1206. 252 Trib. Milano, 18.7.2005, Giur. comm. 2007, II, 171. 253 Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 176; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 128. 254 Lodo arb. Verona, 14.3.2008, Corr. giur. 2009, 1547. 255 Z.B. Camera Arbitrale di Milano, Camera Arbitrale del Piemonte. 256 Vgl. Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 232.
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Die in der Literatur vertretenen Lösungsansätze reichen von der vollen Wirksamkeit der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel mit Schiedsrichterbenennung durch die Parteien bis zur unheilbaren Nichtigkeit der gesamten Klausel. Die Frage ist auch Gegenstand vieler – uneinheitlicher – Gerichtsentscheidungen geworden. In jüngerer Zeit scheint sich dort indes die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass Schiedsklauseln innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung bei einem Verstoß gegen Art. 34 Abs. 2 unrettbar nichtig sind. 1. Erste Ansicht: Abdingbarkeit der Vorschriften über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren Nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung können auch gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln, die in den Anwendungsbereich des besonderen gesellschaftsvertraglichen Schiedsverfahrensrechts nach Art. 34 ff. d.lgs. n. 5/2003 fallen,257 zulässigerweise die klassische Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien vorschreiben.258 Auch Teile der – instanzgerichtlichen – Rechtsprechung gingen besonders in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 5/2003 von der Wirksamkeit satzungsmäßiger Schiedsklauseln, die nicht den Anforderungen des Art. 34 Abs. 2 entsprachen, aus.259 Die Entscheidungen beziehen sich nicht nur auf Altklauseln, sondern teilweise auch auf Schiedsklauseln, die erst nach Inkrafttreten der Verordnung neu in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wurden.260 Die Ansicht basiert auf der Annahme, dass der neue Regelungskomplex über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren keineswegs zwingender Natur sei, sondern vielmehr auch Art. 34 Abs. 2 ohne weiteres durch eine entsprechende Regelung der Parteien abbedungen werden könne. Dabei wird in erster Linie die Begründung der Verordnung261 verwiesen, wonach die Artt. 34–36
257
Siehe zum Anwendungsbereich der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 oben § 9 A. I. Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 1.2., S. 328; Chiarloni/ Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.2.1., S. 1157 ff.; Salafia, Società 2004, 1457 f.; Zoppini, Riv. soc. 2004, 1173, 1183; Boggio, Riv. arb. 2005, 199, 217 f.; Galletto, Nuova giur. civ. comm. 2010, II, 483, 488 f.; Miranda, Società 2010, 288, 302; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 130 ff., m.w.N. 259 Z.B. Trib. Genova, 7.3.2005, Giur. comm. 2006, II, 500; Trib. Bari, 2.11.2006, Giur. it. 2007, 2237; Trib. Bologna 2008, Giur. comm. 2009, II, 1004; App. Napoli, 14.1.2009, Banca borsa 2010, II, 335; jüngst (zu einer Altklausel) auch wieder Trib. Napoli, 19.4.2016, arbitratoinitalia.it. 260 App. Torino, 29.3.2007, Giur. it. 2007, 2237; App. Torino, 4.4.2007, Giur. it. 2007, 2238. 261 Abgedruckt in: Vietti (Hrsg.), La riforma del diritto societario, S. 89, 96: „La formulazione del testo contribuisce alla creazione di una compiuta species arbitrale, che si sviluppa senza pretesa di sostituire il modello codicistico (naturalmente ultrattivo anche in materia societaria) (…)“. 258
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d.lgs. n. 5/2003 das allgemeine Schiedsverfahrensrecht nach der Zivilprozessordnung nicht „ersetzen“ sollen.262 Es bleibe demnach den Gesellschaftern überlassen, ob sie sich für das besondere Schiedsverfahren nach der Verordnung Nr. 5/2003 oder das allgemeine Schiedsverfahren nach Artt. 806–840 c.p.c. entscheiden. Wird in die Satzung in Abweichung von Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 eine Schiedsklausel mit Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien eingefügt, drücke sich darin der Wille aus, die Anwendung des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts zu vereinbaren.263 In diesem Fall sei die Klausel – sowie auch das spätere Verfahren – allein an den Regeln der Artt. 806–840 c.p.c. zu messen. Die Vorschriften der Verordnung Nr. 5/2003 finden keine Anwendung. Als Nachweis für den dispositiven Charakter der Vorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren wird auch der Wortlaut des Art. 34 Abs. 1 angeführt, wonach die Satzungen der erfassten Gesellschaften Schiedsklauseln enthalten „können“ – aber eben nicht müssen.264 Die auf die fakultative Formulierung der Norm gestützte Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Hier drückt sich allein der Grundsatz aus, dass die Legitimation des Schiedsgerichts auf einer freien Entscheidung der Gesellschafter beruhen muss und nicht durch gesetzliche Anordnung erfolgen darf.265 Durch eine freie Wahlmöglichkeit der Gesellschafter zwischen allgemeinem und besonderem Schiedsverfahren würde der Zweck des Art. 34 Abs. 2 gänzlich unterlaufen.266 2. Zweite Ansicht: Teilnichtigkeit nur in Hinblick auf das Verfahren der Schiedsrichterbenennung Nach einer vermittelnden Auffassung ist die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel nur insoweit (teil-)nichtig, als ein unstatthaftes Verfahren zur Schiedsrichterbenennung vorgesehen wird, die Benennung also nicht gem. Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 einem Außenstehenden überlassen wird. Nicht betroffen von der Nichtigkeitsfolge der Vorschrift ist demnach die grundsätzliche
262
Vgl. Salafia, Società 2004, 1457 f.; Salafia, Società 2005, 97, 99; Galletto, Nuova giur. civ. comm. 2010, II, 483, 488; Trib. Bari, 2.11.2006, Giur. it. 2007, 2237. 263 Vgl. Miranda, Società 2010, 288, 302. 264 Vgl. Salafia, Società 2005, 97, 99; App. Napoli, 14.1.2009, Banca borsa 2010, II, 335, 337; für diese Auslegung der Vorschriften sprach sich auch der Gesetzesentwurf eines Senators aus dem Jahr 2009 aus, wonach die Vorschriften der Artt. 34–37 d.lgs. n. 5/2003 in dem Sinne zu verstehen seien, dass sie es den Parteien nicht verwehren, Schiedsklauseln nach allgemeinem Schiedsverfahrensrecht der Zivilprozessordnung abzufassen (vgl. Art. 1 d.d.l. n. 1702 vom 21.7.2009, www.senato.it). Der Entwurf konnte sich freilich nicht durchsetzen (vgl. dazu Montalenti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 1275, 1283). 265 Vgl. Punzi, Arbitrato, Vol. 1, S. 289; Donativi, Arbitrato societario, S. 194 f.; Bove, Gisutizia privata, S. 324 f. 266 Punzi, Arbitrato, Vol. 1, S. 289.
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Entscheidung der Gesellschafter für die schiedsgerichtliche Beilegung der innergesellschaftlichen Konflikte.267 Für diese Lösung wird in erster Linie der Rechtsgedanke des Art. 1419 Abs. 2 c.c. herangezogen. Danach führt die Nichtigkeit einzelner Vertragsklauseln nicht zur Unwirksamkeit eines gesamten Vertrages, wenn die nichtigen Klauseln kraft Gesetzes von zwingenden Vorschriften ersetzt werden. Als lückenfüllende Regelungen kommen Artt. 809 Abs. 3, 810 c.p.c.268 und Art. 34 Abs. 2 S. 2 d.lgs. n. 5/2003269 in Betracht.270 Im allgemeinen Schiedsverfahrensrecht nach der Zivilprozessordnung sind die Schiedsrichter in Ermangelung einer Vereinbarung der Parteien durch den Präsidenten des Landgerichts am Sitz des Schiedsgerichts oder am Ort, an dem die Schiedsvereinbarung geschlossen wurde. Art. 34 Abs. 2 S. 2 d.lgs. n. 5/2003 sieht – freilich für den Fall, dass ein Außenstehender überhaupt bezeichnet wurde, der aber die Schiedsrichterbenennung nicht (fristgerecht) vornimmt – subsidiär die Benennung durch den Präsidenten des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft vor. Im Ergebnis kann also Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 seinen Schutzzweck voll entfalten, und auch die (sonstigen) Normen der Verordnung bleiben – anders als bei Annahme der Abdingbarkeit des Regelungskomplexes – anwendbar. Zugleich wird die Entscheidung der Gesellschafter für die Schiedsgerichtsbarkeit aufrechterhalten. 3. Dritte Ansicht: Nichtigkeit der Schiedsklausel Trotz der genannten Vorteile konnte sich die Lehre von der Teilnichtigkeit nicht durchsetzen. Nach einer Reihe von Entscheidungen des Kassationshofs muss heute vielmehr davon ausgegangen werden, dass sämtliche Schiedsklauseln, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen und gegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 verstoßen, unrettbar nichtig sind – unabhängig vom ihrem Entstehungszeitpunkt und der Art des vereinbarten Schiedsverfahrens (frei oder regelmäßig). Die Klausel kann demnach weder durch das gesetzliche Be-
267 Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 717; Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 489; Sangiovanni, ZZPInt 10 (2005), 53, 72 f.; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 34, Ziff. 7, S. 576; Chiarloni/Dalmotto, processo societario, Art. 41 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7., S. 1339 ff.; Alpa/ Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1131; Lodo arb. Lucca, 17.9.2004, Riv. arb. 2005, 595; Trib. Torino, 29.9.2004, Società 2005, 899. 268 Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 717. 269 Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1131. 270 Gegen eine (direkte) Anwendung von Art. 1419 Abs. 2 c.c. spricht indes, dass die zitierten Normen gerade keine zwingenden Vorschriften darstellen, vgl. dazu Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 489 (Fn. 55), der für eine Anwendung von Art. 1419 Abs. 1 c.c. plädiert. Diese Norm entspricht in etwa § 139 BGB und stellt darauf ab, ob die Parteien das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil abgeschlossen hätten.
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
nennungsverfahren ausgefüllt werden, noch kann sie als allgemeines Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung Wirksamkeit entfalten.271 Nur so kann nach Auffassung des Gerichts die Unparteilichkeit der Schiedsrichter als Teil der öffentlichen Ordnung sichergestellt werden. Den Gesellschaftern bleibt allein der Weg zu den staatlichen Gerichten. a) Unheilbare Nichtigkeit nach Normzweck und Wortlaut Der Kassationshof stützt seine Haltung in erster Linie auf den eindeutigen Wortlaut des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 („bei sonstiger Nichtigkeit“), der in Hinblick auf die Rechtsfolge keinen Auslegungsspielraum lasse.272 Sowohl der Normzweck, als auch die zwingende Formulierung der Vorschrift schließen die Abdingbarkeit der Norm aus. Dafür spreche zudem auch der mit „unabdingbare Regelung über das Schiedsverfahren“ titulierte Art. 35 d.lgs. n. 5/2003. In der ersten Entscheidung des Kassationshofs zu Art. 34 Abs. 2 wurde die Möglichkeit der Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit nach Art. 1419 Abs. 1 bzw. Abs. 2 c.c. bemerkenswerterweise noch angedeutet.273 Ein Rückgriff auf die gesetzlichen Benennungsmechanismen schien daher zunächst nicht völlig ausgeschlossen, um die Durchführung des Schiedsverfahrens auch im Falle eines Verstoßes gegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 zu ermöglichen.274 In einer späteren Entscheidung wurde die Theorie der bloßen Teilnichtigkeit aber ausdrücklich abgelehnt. Die Schiedsvereinbarung könne nicht in einen Teil über die grundsätzliche Entscheidung für die schiedsgerichtliche Streitbeilegung und einen Teil über die Modalitäten der Schiedsrichterbenennung aufgeteilt werden, sondern lasse sich nur als Ganzes beurteilen.275 Das Tribunale di Roma weist zudem darauf hin, dass den Parteien durch die Ausfüllung einer Schiedsklausel mit dem gesetzlichen Benennungsmechanismus unter Umständen eine nicht gewollte Form des Schiedsverfahrens aufgezwungen werde.276
271 Der Kassationshof verfolgt diese Linie seit Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033. Die Auffassung wurde inzwischen in zahlreichen Entscheidungen verschiedener Kammern bestätigt, vgl. etwa Cass. civ., sez. VI, 13.10.2011, n. 21202, Società 2012, 211; Cass. civ., sez. VI, 10.10.2012, n. 17287, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. II, 9.10.2017, n. 23550, Riv. arb. 2017, 751; Cass. civ., sez. I, 12.10.2018, n. 25610, Società 2018, 1450. 272 Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033. 273 Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033 (mangels Entscheidungsrelevanz wurde die Frage aber offengelassen). 274 Vgl. Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 149. 275 Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia. 276 Trib. Roma, 4.11.2016, giurisprudenzadelleimprese.it.
§ 12 Die Rechtslage in Italien
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b) Anwendung der Nichtigkeitsfolge auf Altklauseln Die ersten Entscheidungen des Kassationshofs betrafen nur Schiedsklauseln, die nach Inkrafttreten des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 abgefasst wurden. Schlüsse auf die Haltung des Gerichts gegenüber Altklauseln – also solchen Klauseln, die bereits vor Inkrafttreten der Reform in Gesellschaftsverträgen enthalten waren – konnte daraus nicht gezogen werden. Aufgrund der anderen Rechtslage wurde vielmehr überwiegend angenommen, dass diese Klauseln nach Inkrafttreten der Verordnung auch ohne Anpassung an die Vorgaben des Art. 34 Abs. 2 nicht von der Nichtigkeitsfolge bedroht seien.277 Nach dem allgemeinen Rückwirkungsverbot zivilrechtlicher Normen in Art. 11 Abs. 1 disp. prel. c.c. müsse auch die Wirksamkeit einer Schiedsklausel anhand der Rechtslage zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung beurteilt werden.278 Eine erst später in Kraft getretene Vorschrift sei nur dann zu berücksichtigen, wenn sie – zulässigerweise – rückwirkende Geltung beanspruche oder aufgrund entsprechender Übergangsvorschriften eine Anpassung alter Rechtsgeschäfte verlange.279 Entsprechende Regelungen wurden in der Verordnung Nr. 5/2003 aber nicht vorgesehen. Die in den Übergangsvorschriften der Gesellschaftsrechtsreform von 2003 enthaltene Pflicht, Gesellschaftsverträge anzupassen (Art. 223-bis disp. att. c.c.), betreffen zum einen nur Kapitalgesellschaften und zum anderen – nach Wortlaut und Systematik – nur materiellrechtliche Änderungen des Zivilgesetzbuchs.280 Auch der Verweis in Art. 41 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 auf Art. 223-bis disp. att. c.c. könne nicht zur rückwirkenden Nichtigkeit führen. Nach verbreiteter Auffassung soll dadurch lediglich die Anpassung einer Schiedsklausel durch Absenkung der Mehrheitsverhältnisse erleichtert werden, falls die Klausel in Kapitalgesellschaften abgeändert wird; umgekehrt kann die Norm aber keine entsprechende Pflicht begründen.281 Wider Erwarten wendet der Kassationshof seine Rechtsprechung zur Rechtsfolge des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 in jüngeren Entscheidungen gleichwohl auch auf Altklauseln an. Wurde die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel nicht an das Erfordernis der Schiedsrichterbenennung durch einen Außenstehenden angepasst, kann sie nach Auffassung des Gerichts nicht
277 Donativi, Arbitrato societario, S. 190; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 152 ff.; Cerrato, Giur. comm. 2011, II, 1084, 1090 f.; App. Bologna, 26.3.2012, Società 2012, 1362. 278 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 155. 279 Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 155, mit Verweis auf Cass. S.U., 10.12.2001, n. 15608, Giur. it., 2002, 1715. 280 Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 1.2., S. 328 (Fn. 3); Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 156; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (248 f.); a.A. Bove, Gisutizia privata, S. 341. 281 Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.2.2., S. 1160 f.
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mehr die Durchführung eines Schiedsverfahrens legitimieren.282 Mangels Übergangsvorschriften gelte das in Personengesellschaften seit Inkrafttreten der Verordnung, das heißt gem. Art. 43 d.lgs. n. 5/2003 seit dem 1. Januar 2004.283 Inzwischen hatte der Kassationshof die Möglichkeit, die Wirksamkeit einer nicht angepassten Altklausel in der Satzung einer s.r.l. zu beurteilen und kam auch hier zum Ergebnis der Unwirksamkeit.284 In Kapitalgesellschaften greift eine satzungsmäßige Schiedsklausel mit Schiedsrichterbenennung durch die Parteien demnach jedenfalls seit Ablauf der Übergangszeit (30. September 2004, vgl. Art. 223-bis disp. att. c.c.) nicht mehr. Der Kassationshof beruft sich darauf, dass nach seiner Rechtsprechung von der Einführung eines Verbotsgesetzes auch die Abwicklung bereits geschlossener Verträge betroffen ist, die zumindest insoweit keine Wirkung mehr entfalten können.285 Das Gericht zieht eine Parallele zur Einführung der Pflicht aus Art. 1938 c.c., einen Haftungshöchstbetrag bei Bürgschaften für zukünftige Forderungen vorzusehen. Hier wurde eine Bürgschaft für alte Forderungen als wirksam angesehen; ab Inkrafttreten der Norm sei die Bürgschaft ex nunc nichtig und könne neue Forderungen nicht mehr decken.286 Diese Begründung zeigt, dass nach Auffassung des Kassationshofs Schiedsklauseln ab Inkrafttreten der Verordnung (in Personengesellschaften) bzw. ab Ablauf der Übergangszeit (in Kapitalgesellschaften) für zukünftige Verfahren mangels Anpassung unwirksam sind, gleichwohl aber für die Vergangenheit als Legitimationsgrundlage etwaiger bereits durchgeführter Schiedsverfahren bestehen bleiben. c) Anwendung der Nichtigkeitsfolge auf Schiedsklauseln über ein freies Schiedsverfahren Die Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren finden zumindest insoweit auf das freie Schiedsverfahren Anwendung, als sie mit dessen Natur nicht unvereinbar sind.287 Dies wurde vom Kassationshof in einer vielbeachteten Entscheidung von 2010 für das Benennungsverfahren in Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 zunächst abgelehnt, das auf das freie Schiedsverfahren nicht anzuwenden sei.288 Begründet wurde diese Ausnahme mit dem starken 282 Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. I, 28.7.2015, n. 15841, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. VI, 24.10.2016, n. 21422, Riv. arb. 2016, 353; Cass. civ., sez. II, 9.10.2017, n. 23550, Riv. arb. 2017, 751. 283 Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia. 284 Cass. civ., sez. II, 9.10.2017, n. 23550, Riv. arb. 2017, 751; Cass. civ., sez. VI, 9.10.2017, n. 23485, Leggi d’Italia; in diesem Sinne bereits zuvor Trib. Roma, 4.11.2016, giurisprudenzadelleimprese.it. 285 Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia. 286 Cass. civ., sez. I, 9.2.2007, n. 2871, Obbl. e Contr. 2008, 317. 287 Siehe hierzu bereits oben § 9 D. II. 1. 288 Cass. civ., sez. 1, 4.6.2010, n. 13664, Giur. it. 2011, 2306; so auch Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 67 f.
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Eingriff der Norm in die privatautonome Regelungsfreiheit, die gerade für das freie Schiedsverfahren charakteristisch sei.289 In der Folgezeit hat das Gericht seine Auffassung indes geändert und spricht sich nunmehr regelmäßig für eine undifferenzierte Anwendung der Vorschrift sowohl auf das freie als auch auf das regelmäßige Schiedsverfahren aus.290 Die „völlig isolierte“ entgegengesetzte Entscheidung von 2010 wurde dabei ausdrücklich abgelehnt.291 d) Sonderfall: Schiedsklausel ohne Benennungsmechanismus Ausgenommen bleiben von der Rechtsfolge des Art. 34 Abs. 2 dagegen wohl bereits de lege lata solche Schiedsklauseln, die sich auf die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit zur Streitbeilegung beschränken und zu den Benennungsmodalitäten der Schiedsrichter völlig schweigen. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel wurde vom Kassationshof, soweit ersichtlich, bisher nicht beurteilt. Nach dem insoweit klaren Wortlaut der Norm wird diese Konstellation indes nicht von Art. 34 Abs. 2 erfasst, sodass der subsidiäre gesetzliche Ernennungsmechanismus nach Artt. 809, 810 c.p.c. eingreift.292 Im Zuge der geplanten Reform des italienischen Schiedsverfahrensrechts soll diese Lösung gesetzlich kodifiziert werden. In ihrem Endbericht schlägt die ADR-Kommission vor, vier neue Artikel an Art. 832 c.p.c. anzuhängen (Artt. 832-bis - 832-quinquies), die das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren regeln.293 Nach dem geplanten Art. 832-bis Abs. 2 c.p.c. greift die ErsatzBenennung durch das Gericht nicht nur im Fall, dass der außenstehende Dritte die Schiedsrichterbenennung nicht vornimmt, sondern auch dann, wenn die Klausel keine Person mit der Schiedsrichterbenennung betraut.294 Daraus darf geschlossen werden, dass entsprechende Klauseln jedenfalls nicht unwirksam sind. 4. Exkurs: Pflichtverletzung des Notars bei Beurkundung einer Schiedsklausel mit Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien Ein Großteil der Entscheidungen zur Wirksamkeit von Altklauseln ist im Rahmen der Überprüfung von Disziplinarverfahren gegen Notare ergangen, die durch das Abfassen unwirksamer gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln
289
Siehe zur Natur des freien Schiedsverfahrens oben § 9 D. I. Cass. civ., sez. VI, 10.10.2012, n. 17287, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. II, 9.10.2017, n. 23550, Riv. arb. 2017, 751; so auch Trib. Trieste, 6.10.2017, Giur. it. 2018, 2170. 291 Cass. civ., sez. I, 27.2.2014, n. 3665, Leggi d’Italia. 292 Corsini, Giur. comm. 2005, I, 809, 826 f. 293 Vgl. hierzu bereits oben § 3 B. III. 3. und § 9 E. II. 294 Dazu Salvaneschi, Giur. arb. 2017, 131, 136. 290
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ihre Pflichten verletzten.295 Nach Art. 28 Nr. 1 des Notariatsgesetzes296 darf ein Notar keine Rechtsgeschäfte beurkunden, die ausdrücklich gesetzlich untersagt sind.297 Die Beurkundung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 5/2003 fällt und gleichwohl die (klassische) Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien vorsieht, stellt nach Auffassung des Kassationshofs grundsätzlich einen Verstoß gegen die Pflichten des Notars dar.298 Vor dem Hintergrund der – jedenfalls bis zu den ersten Entscheidungen des Kassationshofs – unklaren Rechtslage und der Vielzahl verschiedener Auslegungsmöglichkeiten konnte indes kaum von einem „ausdrücklichen“ gesetzlichen Verbot im Sinne von Art. 28 des Notariatsgesetzes gesprochen werden.299 Diese Bedenken spiegeln sich in einer späteren Entscheidung des Gerichts wider. Danach soll eine Pflichtverletzung des Notars nur dann vorliegen, wenn die Nichtigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts allgemein anerkannt ist und keine Auslegungsschwierigkeiten bestehen.300 Davon sei jedenfalls im Anschluss an die Veröffentlichung dieser Entscheidung auszugehen. Als Stichtag für die Frage der disziplinarrechtlichen Haftung des Notars für die Beurkundung von Schiedsklauseln, die gegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 verstoßen, wurde schließlich der 1. September 2011 festgelegt.301 5. Zwischenfazit Nach langen Jahren der Unsicherheit konnte der Kassationshof mit einer bedeutenden Entscheidungsreihe seit 2010 Licht ins Dunkel bringen.302 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 5/2003 fallen303 und eine Schiedsrichterbenennung durch die Parteien vorsehen, nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung nichtig sind. Dies gilt – seit Inkrafttreten der Verordnung – gleichermaßen für neu eingefügte Schiedsklauseln, wie für Altklauseln. Keine Rolle spielt ferner, ob die Parteien die Durchführung eines freien 295
Vgl. Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033; Cass. civ., sez. III, 20.7.2011, n. 15892, Riv. dir. proc. 2012, 765; Cass. civ., sez. VI, 13.10.2011, n. 21202, Società 2012, 211. 296 L. n. 89 vom 16.2.1913. 297 Ein Verstoß führt gem. Art. 138 Abs. 2 zur vorübergehenden Entfernung aus dem Amt. 298 Cass. civ., sez. III, 9.12.2010, n. 24867, Giur. it. 2011, 2033. 299 Vgl. Piccolo, Notariato 2011, 140, 146 f. 300 Cass. civ., sez. III, 20.7.2011, n. 15892, Riv. dir. proc. 2012, 765, 771. 301 Cass. civ., sez. VI, 13.10.2011, n. 21202, Società 2012, 211. 302 Es ist aber darauf hinzuweisen, dass auch heute noch instanzgerichtliche Entscheidungen von der Linie des Kassationshofs abweichen. Jüngst hat etwa das Landgericht Neapel nach den oben erwähnten Grundsätzen die Wirksamkeit einer Altklausel trotz Verstoßes gegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 bejaht, vgl. Trib. Napoli, 19.4.2016, arbitratoinitalia.it. 303 Siehe zum Anwendungsbereich der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 oben § 9 A.
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oder regelmäßigen Schiedsverfahrens vereinbart haben. Die Anforderungen des Art. 34 Abs. 2 sind in beiden Fällen zu beachten. Da die Vorschriften über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren nach der Rechtsprechung unabdingbar sind, können die Gesellschafter der Nichtigkeit auch nicht durch die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens nach allgemeinem Recht entkommen. Sofern keine Anpassung der Klausel erfolgt ist, bleibt den Gesellschafter nur die Möglichkeit, eine Klage vor den staatlichen Gerichten zu erheben. Damit liegen nunmehr klare Leitlinien vor, an denen sich die rechtsberatende Praxis orientieren kann. Die unklare Rechtslage hatte dazu geführt, dass oft nicht klar war, zu welchen Klauseln geraten werden sollte bzw. ob bestehende Klauseln unwirksam waren und daher etwa eine Schiedseinrede mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden konnte.304 Gleichwohl erscheint die Lösung der Rechtsprechung insofern nicht förderlich für die Verbreitung der Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts, als die Vereinbarung eines rechtswidrigen Benennungsverfahrens die Durchführung des gesamten Schiedsverfahrens verhindern kann. Bedauerlich erscheint daher die Ablehnung der Annahme einer bloßen Teilnichtigkeit (in Hinblick auf das Benennungsverfahren). Dieser Weg hätte die privatautonome Entscheidungsfreiheit der Parteien in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu den zwingenden Verfahrensgarantien nach italienischem Recht gebracht. B. Sonstige Schiedsvereinbarungen I. Außersatzungsmäßige Schiedsklausel (Art. 808 c.p.c.) Schiedsvereinbarungen über zukünftige innergesellschaftliche Streitigkeiten können auch außerhalb des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zwischen einzelnen Gesellschaftern (etwa in Gesellschaftervereinbarungen) oder allen Gesellschaftern und der Gesellschaft abgeschlossen werden. Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 finden, wie bereits erwähnt, in diesem Fall keine Anwendung.305 Ein Schiedsspruch über eine Beschlussmängelstreitigkeit mit Wirkungserstreckung auf alle Gesellschafter ist demnach allenfalls dann möglich, wenn sämtliche Gesellschafter an der Abrede teilnehmen.306 Mit Blick auf einen Wechsel im Gesellschafterbestand stellt sich bei außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossenen Schiedsvereinbarungen zusätzlich das Problem, dass mangels Anwendbarkeit der Gesetzesverordnung keine automatische Bindung nach Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 eintritt. Grundsätzlich sind nur die ursprünglichen Vertragspartner an diese Vereinbarung gebunden.307 304
Vgl. Montalenti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 1275, 1279; Cerrato, La clausola compromissoria nelle società, S. 134. 305 Vgl. oben § 9 A. I. 1. 306 Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 124 f.; vgl. auch Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 393 (Fn. 313). 307 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. VI, Rn. 6.
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II. Ah hoc-Schiedsvertrag (Art. 807 c.p.c.) Fehlt es im Einzelfall an einer (wirksamen) gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel, kann die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit auch erst aus Anlass einer Streitigkeit durch den Abschluss eines Schiedsvertrages im Sinne von Art. 807 c.p.c. begründet werden. Die Wirksamkeit des Vertrags und die Durchführung des Schiedsverfahrens richten sich in diesem Fall allein nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung, Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 finden auf einen ad hoc-Schiedsvertrag keine Anwendung.308 Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Parteien – anderes als bei Anwendung des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 – die Schiedsrichter zulässigerweise selbst benennen können.309 Voraussetzung ist allerdings, dass sich sämtliche Parteien im Streitfall wenigstens auf die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit einigen können. Der Schiedsvertrag nach Art. 807 c.p.c. bindet nach allgemeinen Grundsätzen nur die Vertragsparteien. Eine verbandsrechtliche Wirkung für alle Mitglieder ist hier von vorneherein ausgeschlossen. Auch eine Mehrheitsentscheidung über den Abschluss eines ad hoc-Schiedsvertrages ist nicht zulässig; Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 kann nicht (entsprechend) angewendet werden.310 Folglich kann ein Schiedsspruch, der auf einem Schiedsvertrag zwischen klagendem Gesellschafter und der Gesellschaft basiert, nicht unbeteiligte Gesellschafter binden.311 Die von Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003 angeordnete Wirkung des Schiedsspruchs für Gesellschaft und Gesellschafter kommt nicht zur Geltung.312 Eine umfassende gesellschaftsinterne Bindungswirkung des Schiedsspruchs lässt sich im Beschlussmängelverfahren demnach nur dann erreichen, wenn sämtliche Gesellschafter (sowie die Gesellschaft) dem ad hoc-Schiedsvertrag zustimmen.313 Insbesondere in größeren Gesellschaften wird sich der Abschluss eines Schiedsvertrages unter Beteiligung aller Gesellschafter indes kaum realisieren lassen.
308 So zuletzt Cass. civ., sez. I, 30.4.2018, n. 10399, Leggi d’Italia; vgl. auch E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 524; Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 124; Salvaneschi, in: Arbitrato, ADR, S. 201 (202); Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1028 f.; Bove, Gisutizia privata, S. 324; Donativi, Arbitrato societario, S. 203 f. 309 Vgl. Cass. civ., sez. I, 30.4.2018, n. 10399, Leggi d’Italia. 310 Donativi, Arbitrato societario, S. 204 f.; nach a.A. kann die Zustimmung aller Gesellschafter durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über den Schiedsvertrag ersetzt werden, vgl. Vgl. Zucconi Galli Fonseca, La convenzione arbitrale ritual rispetto ai terzi, S. 580. 311 Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 125; ; Romano, Riv. arb. 2019, 62, 76 ff. 312 Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1028 f. 313 Vgl. zu dieser Möglichkeit Chiarloni, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 123, 125.
§ 13 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit und Perspektiven
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§ 13 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit und Perspektiven: Bindungswirkung und inhaltliche Ausgestaltung rechtswirksamer Schiedsklauseln § 13 Rechtsvergleichendes Zwischenfazit und Perspektiven
Die formellen Anforderungen, die in den untersuchten Rechtsordnungen an die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen (über Beschlussmängelstreitigkeiten) gestellt werden, unterscheiden sich zum Teil stark. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn einer Gesellschaft neue Gesellschafter beitreten oder die Schiedsklausel erst nach Gründung der Gesellschaft neu in die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird. Das Spannungsfeld zwischen individueller Vertragsfreiheit der einzelnen Gesellschafter auf der einen und Praktikabilität der Schiedsgerichtsbarkeit als alternative Streitbeilegungsmethode auf der anderen Seite wird auf unterschiedliche Weise gelöst. Auch in inhaltlicher Sicht weichen die Wirksamkeitsanforderungen für gesellschaftsvertragliche Schiedsklauseln, die Streitigkeiten über Gesellschafterbeschlüsse erfassen sollen, voneinander ab. A. Auswirkungen von Änderungen im Gesellschafterbestand Wird von jedem neu eintretenden Gesellschafter eine ausdrückliche Zustimmung zu der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel verlangt, gefährdet das im Laufe der Jahre natürlich die Operativität der Klausel. Schließlich könnte jeder Gesellschafter, der im Nachhinein kraft originären oder derivativen Erwerbs der Gesellschaft beitritt, die Schiedsklausel zu Fall bringen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auf diese Weise zwar die Vertragsfreiheit der (neuen) Gesellschafter optimal geschützt wird. Schaden bringt die Lösung dagegen der Praktikabilität schiedsgerichtlicher Streitbeilegung bei innergesellschaftlichen Konflikten. Hier stehen die untersuchten Rechtsordnungen vor derselben Herausforderung. Schließlich verlangt § 1031 ZPO zumindest bei Beteiligung von Verbrauchern deren ausdrückliche (gesonderte) Zustimmung. Zu vergleichbaren Problemen führt im italienischen Recht die teilweise befürwortete Anwendung von Art. 1341 c.c. auf Gesellschaftsverträge, wonach Schiedsklauseln in vorformulierten Verträgen ausdrücklich zugestimmt werden muss.314 Beide Regelungen können bei Anwendung auf Gesellschaftsverträge potentiell eine automatische Bindung neuer Gesellschafter verhindern. In der deutschen Rechtsordnung kann die Vorschrift des § 1066 ZPO partiell – und zwar nur in Gegenwart körperschaftlicher Satzungen – über das Problem hinweghelfen. Die Bindung sämtlicher Gesellschafter ergibt sich aus verbandsrechtlichen Grundsätzen.315 Die Formvorschrift des § 1031 ZPO findet 314 315
Vgl. hierzu oben § 12 A. I. 1. Vgl. hierzu oben § 11 A. II. 1.
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
dabei keine Anwendung.316 Im Recht der Personengesellschaft wird diese Lösung dagegen noch überwiegend abgelehnt, sodass der Übergang der Bindung an die Schiedsklausel überwiegend mit abtretungsrechtlichen Grundsätzen begründet wird.317 Bei Verbraucherbeteiligung muss formell ein gesonderter Beitritt zur Schiedsvereinbarung erfolgen. Diese Regelungen führen dazu, dass die Operativität einer Schiedsklausel besonders in Personengesellschaften im Laufe der Zeit nur mit hohem Aufwand gewährleistet werden kann. Mit ebendieser Problematik hat sich der italienische Verordnungsgeber bei Einführung der Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren befasst. Unsicherheiten ergaben sich in der italienischen Rechtsordnung in erster Linie daraus, dass in der Literatur bei derivativem Anteilserwerb überwiegend in Anwendung von Art. 1341 Abs. 2 c.c. ein gesonderter Beitritt des neuen Gesellschafters zur Schiedsvereinbarung gefordert wurde.318 Dieser Auffassung konnte mit Einführung der Verordnung der Boden entzogen werden. Nach Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 bindet die Klausel ausdrücklich neben der Gesellschaft auch sämtliche Gesellschafter.319 Damit besteht nun eine gesetzliche Anordnung der Wirkungserstreckung der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel unabhängig von Art und Form des Beitritts und der Gesellschaftsform. Entscheidend ist allein die Gesellschafterstellung der betroffenen Personen. Damit kommt der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel im Anwendungsbereich der Verordnung eine Wirkung zu, die der einseitig angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit des § 1066 ZPO nach deutschem Schiedsverfahrensrecht entspricht. Der entscheidende Vorteil gegenüber der deutschen Lösung liegt aber darin, dass die Vorschrift auf Personengesellschaften gleichermaßen wie auf Kapitalgesellschaften Anwendung findet.320 B. Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung Ähnliche Fragen wirft die Neueinführung einer Schiedsklausel in eine bereits gegründete Gesellschaft auf. Hier gilt es, das Spannungsfeld zwischen den Interessen der (Minderheits-)Gesellschafter und der Praktikabilität der Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmechanismus bei innergesellschaftlichen Konflikten zu lösen. Nach Auffassung des BGH bedarf die Einführung einer Schiedsklausel nach Gründung der Gesellschaft jedenfalls dann der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter, wenn sie Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen soll.321 Begründet wurde dieses Erfordernis ursprünglich mit der Rechtskrafterstreckung des 316
Vgl. hierzu oben § 11 A. III. Vgl. hierzu oben § 11 B. III. 1. 318 Vgl. hierzu oben § 12 A. I. 1. 319 Vgl. hierzu oben § 12 A. I. 1. c). 320 Zum persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung oben § 9 A. II. 321 Vgl. hierzu oben § 11 A. III. 3. a). 317
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Schiedsspruchs auf alle Gesellschafter, die nur dann gerechtfertigt sei, wenn alle Gesellschafter der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung zugestimmt haben. Die Anforderung führt allerdings dazu, dass zumindest in größeren Gesellschaften in der Praxis die Einführung einer Schiedsklausel quasi unmöglich ist. Eine ausgewogenere Lösung bietet in dieser Frage die italienische Rechtsordnung seit Einführung der Verordnung Nr. 5/2003. Nach Art. 34 Abs. 6 der Verordnung muss die Neueinführung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel von den Gesellschaftern, die mindestens zwei Drittel des Gesellschaftskapitals halten, beschlossen werden.322 Im Gegenzug erhalten abwesende oder widersprechende Gesellschafter die Möglichkeit, aus der Gesellschaft auszutreten.323 Eine entsprechende gesetzliche Regelung könnte sich auch in der deutschen Rechtsordnung empfehlen, um bereits gegründeten Gesellschaften die Wahl der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung zu vereinfachen.324 Aus verfassungsrechtlichen Gründen scheint diese Lösung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Der BGH hat bereits in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 angedeutet, dass sich die fehlende Zustimmung eines (Vereins-)Mitglieds zur Einführung einer Schiedsklausel durch die Austrittsmöglichkeit nach § 39 BGB aufwiegen lässt, sofern ihm der Austritt zugemutet werden kann.325 Diese Argumentation lässt sich auf die Einführung einer Schiedsklausel in sonstige Körperschaften und (Personen-)Gesellschaften übertragen. Durch einen Austritt könnte sich der Gesellschafter schließlich der schiedsgerichtlichen Entscheidungszuständigkeit entziehen und auf diese Weise selbst einem Verlust des Zugangs zu den staatlichen Gerichten vorbeugen. Verbleibt er dagegen trotz zumutbarer Austrittsmöglichkeit in der Gesellschaft, kann jedenfalls nicht von einer aufgezwungenen Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen werden. Voraussetzung ist demnach, dass überhaupt ein Austrittsrecht besteht und der Austritt dem Gesellschafter zumutbar ist.
322
Vgl. hierzu oben § 12 A. II. 2. Vgl. hierzu oben § 12 A. II. 2. e). 324 Auf dem 72. Deutschen Juristentag hat sich jüngst eine knappe Mehrheit für den Vorschlag ausgesprochen, dass die Aufnahme einer Schiedsklausel in die Satzung jedenfalls bei der Aktiengesellschaft mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann, vgl. die Beschlüsse im Rahmen der Diskussion der wirtschaftsrechtlichen Abteilung des 72. Deutschen Juristentages zur Frage „Empfiehlt sich eine Reform des Beschlussmängelrechts im Gesellschaftsrecht?“, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 134; den Beschluss begrüßend Lieder, NZG 2018, 1321, 1331 f.; anders aber der Gesetzesvorschlag von Jessica Schmidt im Referat zum Thema „Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten“. Nach diesem Vorschlag bedarf die nachträgliche Aufnahme einer Schiedsklausel der Zustimmung aller Gesellschafter, vgl. die Thesen zum Referat von Jessica Schmidt, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 128 ff. 325 BGH NJW 2000, 1713; vgl. hierzu bereits oben § 11 A. III. 3. a). 323
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
I. Austrittsmöglichkeiten nach deutschem Recht Die Einführung eines – an Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 angelehnten – Austrittsrechts der Gesellschafter empfiehlt sich in der deutschen Rechtsordnung nur dann, wenn es den Gesellschaftern nicht bereits de lege lata offensteht, die Gesellschaft im Fall der Neuaufnahme einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag gegen Abfindung zu verlassen. In der OHG sieht § 132 HGB für Gesellschaften, die auf unbestimmte Zeit eingegangen sind ein ordentliches Kündigungsrecht vor. Die Kündigung kann allerdings nur für den Schluss eines Geschäftsjahrs erfolgen und muss mindestens sechs Monate zuvor ausgeübt werden. Daneben ist auch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund anerkannt.326 Ein wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn dem Gesellschafter ein Verbleiben in der Gesellschaft schlichtweg unzumutbar ist.327 Ob dies bei Einführung einer Schiedsklausel durch Mehrheitsbeschluss der Fall wäre, lässt sich bezweifeln. Schließlich bindet das Urteil bzw. der Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren einer Personengesellschaft nach überwiegender Auffassung ohnehin nur die beteiligten Gesellschafter.328 Auch im Recht der GmbH ist gesetzlich kein (allgemeines) außerordentliches Austrittsrecht vorgesehen. Der außerordentliche Austritt aus wichtigem Grund ist aber auch in der GmbH als allgemeines Rechtsinstitut anerkannt.329 Das Vorliegen eines wichtigen Grundes setzt wiederum voraus, dass dem Gesellschafter nach einer Gesamtabwägung ein Verbleiben in der Gesellschaft unzumutbar ist.330 Eine Fallgruppe, in der den Gesellschaftern ein Austrittsrecht zugesprochen wird, stellen tiefgreifende Änderungen des Gesellschaftsverhältnisses dar, die den Anteil des einzelnen Gesellschafters in einem anderen Licht erscheinen lassen, als zum Zeitpunkt seines Beitrittsentschlusses.331 Ob dieses Kriterium bei Einführung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel über Beschlussmängelverfahren erfüllt wäre, erscheint zweifelhaft. Zwar wären auch widersprechende Gesellschafter an die Rechtskraft zukünftiger Schiedssprüche über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse gebunden und könnten ihrerseits keine Klage vor einem staatlichen Gericht erheben.332 Diese Änderung war für sie zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs nicht absehbar. Allerdings würde hier nicht – wie etwa bei einer Umwandlung – die Struktur der Gesellschaft geändert, sondern allein der Streitbeilegungsmechanismus. Dane-
326
MünchKommHGB/Schmidt, § 132, Rn. 37. MünchKommHGB/Schmidt, § 132, Rn. 41. 328 Vgl. hierzu oben § 7 A. und § 8 B. III. 329 BGH NJW 1953, 780; BGH NZG 2014, 541; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 34 Rn. 70; MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 178; vgl. dazu bereits Fn. 206. 330 MünchKommGmbHG/Strohn, § 34 Rn. 180. 331 Vgl. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, S. 55 m.w.N. 332 Siehe hierzu oben § 8 B. I. 2. 327
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ben ist aber auch der Missbrauch der Mehrheitsmacht als weiteres ein Austrittsrecht der Minderheitsgesellschafter begründetes Ereignis anerkannt.333 Das setzt allerdings ein rechtswidriges Verhalten der Mehrheit voraus, an dem es – bei der hier unterstellten gesetzlichen Zulassung von Mehrheitsentscheidungen über die Einführung von Schiedsklauseln in einen Gesellschaftsvertrag – fehlen würde. Ob also de lege lata ein Austrittsrecht der GmbH-Gesellschafter bestünde, ist zu bezweifeln. Umso mehr gilt das im Recht der Aktiengesellschaft, wo sogar die Existenz eines Austrittsrechts an sich umstritten ist.334 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob die widersprechenden Gesellschafter im Fall der Einführung einer gesetzlichen Regelung, die Mehrheitsbeschlüsse über Schiedsklauseln zuließe, bereits de lege lata zum Austritt berechtigt sind. Das scheint aber aus verfassungsrechtlicher Perspektive geboten. Insofern empfiehlt es sich auch in der deutschen Rechtsordnung, de lege ferenda die Zulassung von Mehrheitsentscheidungen über die Einführung gesellschaftsvertraglicher Schiedsklauseln entsprechend der italienischen Regelung des Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 mit einem Austrittsrecht zugunsten der Gesellschafter, die dem Beschluss nicht zustimmen, zu verbinden. Regelungen über den Vollzug des Austritts und die Abfindung der austretenden Gesellschafter müssten dagegen nicht getroffen werden. Hier kann auf die allgemeinen Vorschriften zurückgegriffen werden.335 II. Grenze der Zumutbarkeit Nach der erwähnten Entscheidung des BGH kann ein Austrittrecht zudem nur dann den aufgezwungenen Charakter der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit abwenden, wenn der Austritt den Mitgliedern im Einzelfall zumutbar ist.336 Dies wurde bei der Einführung einer Schiedsklausel in die Satzung eines Vereins aufgrund dessen Monopolstellung abgelehnt. Ein Austritt konnte daher nicht als zumutbare Alternative zum Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten gesehen werden.337 333
Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, S. 57 ff. m.w.N. Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, S. 80 ff. 335 In Personengesellschaften wächst der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen gem. § 738 Abs. 1 S. 1 BGB den übrigen Gesellschaftern an. Im Gegenzug erhält er nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB einen Abfindungsanspruch. In GmbH und AG kann das Austrittsrecht durch einseitige Erklärung gegenüber der Gesellschaft ausgeübt werden. Der austretende Gesellschafter erhält einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Übernahme des Geschäftsanteils und auf Zahlung einer Abfindung. Die Übernahme kann durch Einziehung der Anteile oder Abtretung an die Gesellschaft oder einen Dritten erfolgen, vgl. dazu Schindler, Das Austrittsrecht in Kapitalgesellschaften, S. 80 ff. und S. 93 ff. m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur. 336 BGH NJW 2000, 1713; vgl. hierzu bereits oben § 11 A. III. 3. a). 337 BGH NJW 2000, 1713. 334
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
In den hier untersuchten Handelsgesellschaften dürfte sich unter diesem Gesichtspunkt indes kaum ein Problem stellen, ist die Mitgliedschaft hier doch überwiegend von wirtschaftlichen Motiven geprägt. Es überrascht daher nicht, dass sich in Art. 34 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 keine entsprechende Grenze findet. Gleichwohl empfiehlt sich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen die Aufnahme der Zumutbarkeitsgrenze. Ist nach einer umfassenden Gesamtabwägung den widersprechenden Gesellschaftern nach Einführung der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel ein Austritt aus der Gesellschaft nicht zumutbar, kann die – eben nur rechtlich, aber nicht faktisch bestehende – Austrittsmöglichkeit den Verlust des Zugangs zu den staatlichen Gerichten nicht aufwiegen. In diesem Sonderfall muss die Wirksamkeit der Schiedsklausel von der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter abhängig bleiben. C. Inhaltliche Wirksamkeitsanforderungen an Schiedsklauseln In beiden untersuchten Rechtsordnungen werden besondere Wirksamkeitsanforderungen an gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel über Beschlussmängelverfahren gestellt, die sich inhaltlich allerdings deutlich unterscheiden. I. Die Gleichwertigkeitskautelen des BGH Im deutschen Recht muss die Schiedsklausel – sowohl in Kapital-, also auch in Personengesellschaften – nach der „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung des BGH Mechanismen enthalten, welche die Information der Mitgesellschafter über das Verfahren, Mitwirkungsrechte bei der Schiedsrichterbenennung und im Verfahren, sowie die Verfahrenskonzentration vor einem Schiedsgericht sicherstellen.338 Vergleichbare Anforderungen an Schiedsklauseln finden sich in der italienischen Rechtsordnung nicht wieder. Zu beachten ist hier aber, dass das Recht zur Schiedsrichterbenennung gem. Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 nicht den Parteien überlassen werden darf, sondern zwingend einem Außenstehenden zu übertragen ist.339 Begründet wurden die vom BGH aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen ursprünglich mit der – aus seiner Sicht notwendigen – Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs in Kapitalgesellschaften.340 Sie sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfahrensrechte der Mitgesellschafter hinreichend geschützt werden. Mangels entsprechender gesetzlicher Vorschriften müssen diese Garantien bereits in der Schiedsklausel enthalten sein. Wie noch zu zeigen sein wird, besteht diese Notwendigkeit in der italienischen Rechtsordnung nicht. Der italienische Verordnungsgeber hat in Art. 35 d.lgs. n. 5/2003 unabdingbare
338
Vgl. hierzu im Einzelnen oben § 11 A. IV. und § 11 B. IV. Vgl. hierzu oben § 12 A. III. 340 Vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. 339
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Verfahrensgarantien niedergeschrieben341 und damit im Wesentlichen den Lösungsweg beschritten, für den der BGH bereits in der „Schiedsfähigkeit I“Entscheidung plädiert hatte.342 Ein Vorteil der italienischen Lösung liegt aus praktischer Sicht darin, dass die Abfassung rechtmäßiger Schiedsklauseln erheblich vereinfacht wird. Die hohen Inhaltsanforderungen des BGH haben es der deutschen Kautelarpraxis schließlich enorm schwergemacht, wirksame Schiedsklauseln, die Beschlussmängelstreitigkeiten erfassen, zu formulieren.343 II. Verbot der Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 In der italienischen Rechtsordnung hat indes die Inhaltsanforderung des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003, wonach die Schiedsrichterbenennung nicht den Parteien, sondern nur einem Außenstehenden übertragen werden darf, die Praxis vor Probleme gestellt.344 Die Übernahme dieser Vorschrift – die ohnehin aufgrund der starken Einschränkung der Parteiautonomie im Schiedsverfahren auch in der italienischen Literatur auf erhebliche Kritik gestoßen ist345 – in die deutsche Rechtsordnung empfiehlt sich nicht. Schließlich liegt gerade in der Freiheit der Parteien, die Schiedsrichter unter Berücksichtigung deren Fachkunde selbst zu bestimmen, einer der wesentlichen Vorteile eines Schiedsverfahrens gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit.346 Die Regelung lässt sich ohnehin nur vor dem Hintergrund der früher gängigen Praxis innergesellschaftlicher Schiedsverfahren verstehen, bei denen häufig gesellschaftseigene Organe als Schiedsrichter fungierten oder zumindest die Schiedsrichterwahl übernahmen.347 Dieses Vorgehen, das zweifellos eine Gefahr für die Unparteilichkeit des Schiedsgerichts darstellt, war aber in der deutschen Praxis, soweit ersichtlich, ohnehin nicht verbreitet. III. Rechtsfolgen von Verstößen nach deutschem und italienischem Recht Auf Rechtsfolgenseite entsprechen sich die Lösungen der untersuchten Rechtsordnungen im Wesentlichen. Der BGH leitet die Gleichwertigkeitskautelen aus § 138 BGB in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ab. Ein Verstoß der Schiedsklausel gegen die Anforderungen führt demnach
341
Vgl. zu den Verfahrensvorschriften im Einzelnen unten Kap. 5. BGH NJW 1996, 1753, 1756. 343 Vgl. etwa K. Schmidt, in: VGR-Jahresband 2009, S. 97 (132). 344 Vgl. hierzu oben § 12 A. III. 345 Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 232; vgl. hierzu oben § 12 A. III. 346 Vgl. hierzu oben § 5 B. 347 Vgl. hierzu oben § 12 A. IV. 1. 342
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Kapitel 4: Anforderungen an Schiedsvereinbarungen
zwingend zur Nichtigkeit der Klausel.348 Den Parteien bleibt nur der Weg zu den staatlichen Gerichten. Eine entsprechende Auffassung vertritt der italienische Kassationshof mit Blick auf Schiedsklauseln, die entgegen Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 die Schiedsrichterbenennung durch die Verfahrensparteien zulassen. Diese Klauseln sind – im Anwendungsbereich der Verordnung – nach der italienischen Rechtsprechung im Einklang mit dem Wortlaut der Norm nichtig.349 Hier empfiehlt es sich in beiden Rechtsordnungen, flexiblere Lösungen vorzusehen, die zugleich dem übereinstimmenden Willen der Parteien eine größere Bedeutung beimessen. Mit Blick auf die italienische Rechtsordnung überzeugt die Auffassung in der Literatur, wonach die Vereinbarung eines rechtswidrigen Benennungsverfahrens nur zur Teilnichtigkeit führt und zur Lückenfüllung die gesetzlichen Vorschriften über die Schiedsrichterbenennung anzuwenden sind.350 In der deutschen Rechtsordnung kann dieser Ansatz indes nicht fruchtbar gemacht werden. Die Gleichwertigkeitskautelen wurden schließlich gerade deshalb entwickelt, weil entsprechende gesetzliche Regelungen, die den Schutz der Verfahrensgarantien – insbesondere der Mitwirkungsrechte – aller Gesellschafter vorsehen, fehlten. In Betracht kommt insofern aber die Kodifizierung der Gleichwertigkeitskautelen durch den Gesetzgeber.
348
Vgl. hierzu oben § 11 A. V. Vgl. hierzu oben § 12 A. V. 350 Vgl. hierzu oben § 12 A. V. 2. 349
Kapitel 5
Parteiautonomie bei der Durchführung des Schiedsverfahrens über Beschlussmängelstreitigkeiten Wie bereits erwähnt, müssen die Parteien sich grundsätzlich nur auf die schiedsgerichtliche Streitbeilegung an sich verständigen. Weitere Regelungen über das Verfahren können zwar getroffen werden; ihr Fehlen hindert indes nicht die schiedsgerichtliche Zuständigkeit.1 Bei Schweigen der Parteien greifen insoweit die gesetzlichen Verfahrensregelungen ein. Sie sind grundsätzlich aber nicht zwingender Natur, sondern können von den Verfahrensparteien nach Belieben abgeändert werden. Hat das Schiedsverfahren innergesellschaftliche (Beschlussmängel-)Streitigkeiten zum Gegenstand, sind allerdings in beiden Rechtsordnungen einige zwingende Verfahrensvorschriften zu beachten. Es handelt sich hier regelmäßig um Mehrparteienverfahren. Aus dieser prozessualen Situation ergeben sich bei einem Schiedsverfahren einige Besonderheiten. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass nach deutschem Recht bei Schiedsverfahren über Beschlussmängelverfahren bestimmte Verfahrensregelungen schon zwingend in der Schiedsklausel enthalten sein müssen. In der italienischen Rechtsordnung sind die Verfahrensgarantien der Parteien eines gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens dagegen überwiegend einfachgesetzlich kodifiziert. Ihre Einhaltung muss also im konkreten Fall überprüft werden. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal der Schiedsgerichtsbarkeit zu den anderen alternativen Streitbeilegungsmethoden liegt in der Wirkung des Schiedsspruchs. Das Schiedsgericht übt echte streitentscheidende – und nicht nur vermittelnde – Tätigkeit aus, das heißt der Rechtsstreit soll durch den Schiedsspruch endgültig entschieden werden.2 Die Zweckmäßigkeit eines Schiedsverfahrens über Beschlussmängelstreitigkeiten setzt voraus, dass auch hier nach den jeweiligen Vorschriften eine dauerhafte Streitbeilegung erfolgt. Zu untersuchen bleibt außerdem das Zusammenspiel von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsverfahren. Um die Effektivität der privatautonomen Entscheidung der Parteien für die Schiedsgerichtsbarkeit zu gewährleisten, müssen nicht nur sämtliche Verfahren über denselben Streitgegenstrand vor 1
Teilweise wird daher in der deutschen Rechtslehre terminologisch zwischen der eigentlichen Schiedsvereinbarung und den Verfahrensvereinbarungen unterschieden, vgl. etwa Stein/Jonas/Schlosser, § 1029 Rn. 12. 2 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 17.
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
einem Schiedsgericht konzentriert werden, sondern auch parallele Verfahren vor den staatlichen Gerichten unterbunden werden. Häufig erfordert die Erreichung des Rechtsschutzziels des klagenden Gesellschafters eine zeitnahe Entscheidung, um nachteilige Folgen der Umsetzung eines Gesellschafterbeschlusses zu verhindern. Hier stellt sich die Frage, inwieweit das in der Hauptsache zuständige Schiedsgericht auch einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren vermag.
§ 14 Verfahrenseinleitung und Bildung des Schiedsgerichts § 14 Verfahrenseinleitung und Bildung des Schiedsgerichts
A. Anwendung der Gleichwertigkeitskautelen im Einzelfall (Deutschland) Gem. § 1042 Abs. 3 ZPO können die Parteien vorbehaltlich der zwingenden Vorschriften des Zehnten Buchs der ZPO das Verfahren selbst gestalten. Ergänzende gesetzliche Verfahrensvorschriften finden sich in §§ 1043–1050 ZPO. Alternativ kann nach § 1042 Abs. 3 ZPO auch auf eine schiedsrichterliche Verfahrensordnung Bezug genommen werden. Die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) bietet mit den DIS-ERGeS ein eigenes Regelwerk für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten. Aufgrund der hohen praktischen Bedeutung dieser Regelungen wird im Folgenden auch untersucht, wie die einzelnen Verfahrensvorgaben des BGH bei Durchführung eines DISSchiedsverfahrens umgesetzt werden.3 I. Verfahrenseinleitung Soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, beginnt das Schiedsverfahren über die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses gem. § 1044 ZPO mit dem Tag, an dem der Beklagte, das heißt in Kapitalgesellschaften die Gesellschaft bzw. in Personengesellschaften die widersprechenden Gesellschafter,4 den Antrag, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, empfangen hat. Nach den Gleichwertigkeitskautelen des BGH sind die Mitgesellschafter bei Streitigkeiten über fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse über die Verfahrenseinleitung zu informieren.5 Die Informationspflicht der Gesellschaft muss aber nicht nur in der Klausel verankert sein, sondern auch im Einzelfall erfüllt
3
Vgl. hierzu auch Borris, SchiedsVZ 2009, 299; Schwedt/Lilja/Schaper, NZG 2009, 1281; von Hase, BB 2011, 1993; Wolff, SchiedsVZ 2018, 246; siehe zu den Formerfordernissen bei Einbeziehung einer Schiedsgerichtsordnung, sowie der materiellrechtlichen Wirksamkeit der Verweisung auf die DIS-ERGeS oben § 11 A. III. 2. bzw. § 11 A. VI. 4 Vgl. hierzu oben § 6 A. I. 2. bzw. § 7 A. 5 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20.
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werden. Der Träger der Pflicht kann in der Schiedsklausel bestimmt werden.6 In Ermangelung einer Vereinbarung sind die Gesellschafter von den gesetzlichen Vertretern der Gesellschaft über die Verfahrensleitung zu unterrichten. Ist die Durchführung eines institutionellen Schiedsverfahrens nach den DISRegeln vereinbart, wird die Klage gem. Art. 3.1 DIS-ERGeS durch die DIS dem Schiedsbeklagten und allen Betroffenen – das heißt bei Beschlussmängelstreitigkeiten allen Mitgesellschafter, die gem. Art. 2.1 DIS-ERGeS durch den Kläger zu benennen sind 7 – übermittelt. Die Betroffenen, die dem Verfahren nicht als Partei beitreten, sind zudem gem. Art. 5.1 DIS-ERGeS durch das Schiedsgericht – durch Übersendung von Kopien von Schriftsätzen der Parteien oder Nebenintervenienten sowie schiedsgerichtlichen Entscheidungen und Verfügungen – über den Fortgang des Verfahrens zu unterrichten. Durch diese Regelungen wird die Einhaltung der Gleichwertigkeitskautelen des BGH im Einzelfall sichergestellt.8 II. Schiedsrichterbenennung Grundsätzlich können die Parteien die Anzahl der Schiedsrichter gem. § 1034 Abs. 1 ZPO frei vereinbaren. Haben sie hierzu keine Regelung getroffen, besteht das Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern, von denen gem. § 1035 Abs. 3 ZPO je ein Schiedsrichter von den Parteien benannt wird. Die Auswahl des dritten (vorsitzenden) Schiedsrichters obliegt dann den benannten Schiedsrichtern. Bei Untätigkeit einer Partei, kann der Schiedsrichter auf Antrag der anderen Partei durch das Gericht benannt werden, §§ 1035 Abs. 3, 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. 1. Beschlussmängelstreit als Mehrparteienschiedsverfahren Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass an einem Beschlussmängelverfahren regelmäßig mehrere Parteien auf Kläger- oder Beklagtenseite am Verfahren beteiligt sind (sogenanntes Mehrparteienschiedsverfahren). Für den Fall sieht das Gesetz jedoch keine besonderen Regelungen über die Schiedsrichterbenennung vor, um die Waffengleichheit der Parteien zu garantieren.9 Nach den Vorgaben des BGH muss bereits die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel sicherstellen, dass sämtliche Gesellschafter die Möglichkeit haben, an der Benennung der Schiedsrichter mitzuwirken.10 Im Hinblick auf diejenigen Gesellschafter, die sich als Partei am Verfahren beteiligen, ergibt sich das Mitwirkungsrecht an der Schiedsrichterbenennung schon aus allgemeinen
6
Vgl. hierzu oben § 11 A. IV. 1. Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 251 f. 8 Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 305 ff. 9 Vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 197. 10 Vgl. hierzu bereits oben § 11 A. IV. 2. a). 7
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
Grundsätzen.11 Der BGH verlangt indes, auch den Gesellschaftern, die sich als Nebenintervenient beteiligen – und damit mangels Parteistellung grundsätzlich kein Mitwirkungsrecht haben12 – oder am Schiedsverfahren überhaupt nicht teilnehmen, eine Einflussnahme auf die Schiedsrichterbestellung zu ermöglichen.13 Unklar bleibt aber, wie dieses Mitwirkungsrecht im Einzelfall umzusetzen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Schiedsklausel – entsprechend den Vorgaben des BGH14 – zwar generell ein Mitwirkungsrecht der Gesellschafter vorschreibt, zur konkreten Ausgestaltung aber schweigt. Bereits aus Praktikabilitätserwägungen wäre es jedenfalls nicht zweckmäßig, jedem – interessierten – Gesellschafter die Benennung eines „eigenen“ Schiedsrichters zu gewähren.15 Diese Lösung bringt schließlich auch die Gefahr einer asymmetrischen Besetzung des Schiedsgerichts zwischen Kläger- und Beklagtenseite.16 Um dies zu vermeiden, kann auch in Mehrparteiensituation ein Dreierschiedsgericht berufen werden, wobei den beiden Lagern das Benennungsrecht „ihres“ Schiedsrichters jeweils zusammen zusteht. Zur Wahrung der Verfahrensgrundrechte der einzelnen Gesellschafter ist allerdings grundsätzlich nur eine einstimmige Entscheidung über die Person des Schiedsrichters zulässig.17 2. Einigungszwang und Mehrheitsentscheidung Probleme ergeben sich dann, wenn die Einigung auf einen Schiedsrichter in einem der Lager nicht zustande kommt. Mehrere Parteien bilden auf einer Seite des Beschlussmängelverfahrens in GmbH und AG eine notwendige Streitgenossenschaft aus prozessrechtlichen Gründen, da die Entscheidung aufgrund der Rechtskrafterstreckung notwendig einheitlich ergehen muss (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO).18 Jedenfalls in dieser Konstellation wird – bei Bestellung eines Dreierschiedsgerichts – überwiegend ein Einigungszwang der beiden Lager auf einen gemeinsamen Schiedsrichter befürwortet.19 Kommt eine Einigung trotz Einigungszwang auf einer Seite nicht zustande, verlieren aus Gründen der Waffengleichheit nach traditioneller Auffassung – in Anlehnung an die Ducto11
Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 196 ff. Stein/Jonas/Schlosser, § 1034 Rn. 38. 13 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20: „Sämtliche Gesellschafter müssen an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können, sofern nicht die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt …“; teilweise wird die Entscheidung indes so verstanden, dass zumindest ein Beitritt als Nebenintervenient erforderlich ist, vgl. Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2275; Wolff, NJW 2009, 2021, 2022. 14 Vgl. hierzu oben § 11 A. IV. 2. 15 Hilbig, SchiedsVZ 2003, 247, 253; Müller, GmbHR 2010, 729, 733. 16 Filker, Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 94 f.; Hilbig, SchiedsVZ 2003, 247, 253. 17 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rn. 14. 18 Vgl. statt aller Zöller/Vollkommer, ZPO, § 62 Rn. 3. 19 Stein/Jonas/Schlosser, § 1034 Rn. 34; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rn. 14. 12
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Entscheidung des französischen Kassationsgerichtshofs20 – beide Lager ihr Ernennungsrecht.21 Die Ernennung sämtlicher Schiedsrichter ist folglich gem. § 1035 ZPO auf Antrag durch das Gericht vorzunehmen.22 Einen neuen Weg hat der BGH nunmehr in seiner „Schiedsfähigkeit II“Entscheidung aufgezeigt. Im Fall der Beteiligung mehrerer Gesellschafter auf einer Seite könne grundsätzlich eine Mehrheitsentscheidung über die Schiedsrichterbenennung erfolgen.23 Wenngleich durch dieses Vorgehen möglichweise einzelne Interessen unbeachtet bleiben, bringt die Zulassung von Mehrheitsentscheidungen den Vorteil einer zügigen Konstituierung des Schiedsgerichts und ist somit aus Praktikabilitätserwägungen zu begrüßen.24 Um sicherzustellen, dass die Verfahrensrechte der Minderheitsgesellschaftern nicht unterlaufen werden können, sollte indes nur eine Mehrheitsentscheidung nach Köpfen – und nicht nach Anteilen – zugelassen werden.25 In seiner Entscheidung vom 6.4.2017 hat der I. Zivilsenat des BGH die Grundsätze inzwischen auf Beschlussmängelstreitigkeiten in Personengesellschaften übertragen.26 Auch hier kann nunmehr eine Mehrheitsentscheidung über die Schiedsrichterbestimmung auf beiden Seiten des Rechtsstreits erfolgen. Aufgrund der prozessualen Ausgangssituation ist dies im Recht der Personengesellschaften von besonderer Bedeutung. Anders als in den kapitalgesellschaftlichen Beschlussmängelverfahren bilden mehrere Parteien auf Kläger- oder Beklagtenseite hier keine notwendige Streitgenossenschaft,27 sodass kein Einigungszwang der beiden Lager besteht. Wurde die Durchführung eines Schiedsverfahrens nach den DIS-Regeln vereinbart, ist die Schiedsrichterbenennung nach dem Mehrheitsprinzip bei einem Dreierschiedsgericht indes ausgeschlossen.28 Können sich mehrere Beteiligte auf einer Seite des Verfahrens nicht auf einen Schiedsrichter einigen, erfolgt die Ernennung vielmehr gem. Art. 8.3 DIS-ERGeS durch den DIS-Ernennungsausschuss.29 20 Cour de Cassation, 7.1.1992, Sociétés BKMI et Siemens c/ Société Ducto, Revue de l’arbitrage 1992, 470. 21 Stein/Jonas/Schlosser, § 1034 Rn. 28 f.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 10 Rn. 14; a.A. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 203; Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1034 Rn. 14 f. 22 Stein/Jonas/Schlosser, § 1034 Rn. 29. 23 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20; vgl. dazu bereits oben § 11 A. IV. 2. 24 Hilbig, SchiedsVZ 2003, 247, 253; kritisch dagegen Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2276 f. 25 Vgl. Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2277; a.A. Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1920; Müller, GmbHR 2010, 729, 733. 26 BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 26; vgl. hierzu bereits § 8 B. III. 2. und § 11 B. IV. 27 BGH NJW 1959, 1683; Lutz, Gesellschafterstreit, Rn. 633. 28 Vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 307. 29 Bei Bestellung eines Einzelschiedsrichters müssen sich gem. Art. 7.1 DIS-ERGeS ohnehin alle Beteiligten auf den Schiedsrichter einigen. Kommt keine fristgemäße Einigung zustanden, erfolgt die Ernennung auch hier gem. Art. 7.3 DIS-ERGeS durch den DIS-Ernennungsausschuss.
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III. Verfahrenskonzentration vor einem Schiedsgericht Nach den Anforderungen des BGH müssen alle Beschlussmängelstreitigkeiten, die denselben Streitgegenstand betreffen, vor demselben Schiedsgericht verhandelt werden.30 Dabei gilt das Prioritätsprinzip. Der erste Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens entfaltet „Sperrwirkung“ für spätere Anträge.31 Im konkreten Verfahren ist diese in der Schiedsvereinbarung zu verankernde Vorgabe32 im Zusammenhang mit der zwingenden Information aller Gesellschafter über die Einleitung des ersten Schiedsverfahrens zu sehen. Alle Gesellschafter wurden – zumindest bei rechtmäßigem Verfahrensablauf – über die Schiedsklage in Kenntnis gesetzt und haben die Möglichkeit, sich diesem Verfahren anzuschließen. Da das infolge des ersten Antrags gebildete Schiedsgericht ausschließlich zuständig ist für die Entscheidung über den Gesellschafterbeschluss, wäre ein selbstständiger Antrag auf Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens gegen denselben Beschluss unzulässig. Bei Durchführung eines DIS-Schiedsverfahrens wird die Verfahrenskonzentration in den DIS-ERGeS sichergestellt. Nach Art. 9.2 sperrt das zeitlich vorrangig eingeleitete Verfahren die Durchführung eines zeitlich nachrangig eingeleiteten Verfahrens, das infolgedessen unzulässig ist.33 B. Zwingende Verfahrensvorschriften nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 (Italien) Nach italienischem Zivilverfahrensrecht haben die Parteien die Möglichkeit, den Ablauf des Schiedsverfahrens im Schiedsvertrag oder im Rahmen späterer Vereinbarungen frei zu gestalten. Seit der Reform von 2006 ist dieser Grundsatz ausdrücklich in Art. 816-bis Abs. 1 c.p.c. niedergeschrieben. Als Grenze der Regelungsfreiheit fungieren auch in der italienischen Rechtsordnung die unabdingbaren Verfahrensgarantien, von denen in der Schiedsvereinbarung und bei Durchführung des konkreten Verfahrens nicht abgewichen werden darf.34 Dazu zählt in erster Linie die Pflicht zur Gewährleistung eines kontradiktorischen Verfahrens.35
30 Die Verfahrenskonzentration ist geboten, wenn derselbe Beschluss angegriffen wird, unabhängig von den angeführten Anfechtungsgründen, vgl. MünchKommAktG/Hüffer/ Schäfer, § 246 Rn. 75 zur Verbindung mehrerer (staatlicher) Verfahren nach § 246 Abs. 3 S. 6 AktG. 31 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 25. 32 Vgl. dazu oben § 11 A. IV. 3. 33 Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 208 f. 34 Punzi, Arbitrato, Vol. 2, S. 20 ff.; Menchini/Ghirga, Arbitrato, Art. 816-bis, Ziff. 2, S. 192. 35 Vgl. aus jüngerer Zeit etwa Cass. civ., sez. I, 16.11.2015, n. 23402, Giur. it. 2016, 1184; Cass. civ., sez. I, 21.1.2016, n. 1099, Giur. it. 2016, 1185.
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Daneben gelten im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 5/200336 die speziellen Verfahrensvorschriften des Art. 35 für innergesellschaftliche Streitigkeiten. Nach der Überschrift der Norm handelt es sich dabei um zwingendes Recht (disciplina inderogabile del procedimento arbitrale).37 Die Vorschrift regelt den Verfahrensablaufs nicht umfassend, sodass – in Ermangelung entsprechender Vereinbarungen in der Schiedsklausel – ergänzend die allgemeinen schiedsverfahrensrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung Anwendung finden.38 Schließlich haben die Gesellschafter beim Abfassen der Schiedsklausel auch nach italienischem Recht die Möglichkeit, gem. Art. 832 Abs. 1 c.p.c. eine Schiedsgerichtsordnung einzubeziehen. Wählen die Parteien diesen Weg, ist gem. Art. 832 Abs. 3 c.p.c. im Zweifel von einem dynamischen Verweis auf die zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung gültige Fassung der Schiedsordnung auszugehen.39 Im Fall eines Widerspruchs zwischen den Regelungen der Schiedsgerichtsordnung und den individuellen (Verfahrens-)Vereinbarungen der Schiedsklausel gelten letztere (Art. 832 Abs. 2 c.p.c.). I. Veröffentlichung des Antrags auf Verfahrenseinleitung Der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens über die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses ist an den Klagegegner, das heißt an die Gesellschaft, sowie an den gem. Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 in der Schiedsklausel zu benennenden Außenstehenden, der mit der Bestellung des Schiedsgerichts betraut wurde, zu richten.40 Nach Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 wird der Antrag im Handelsregister veröffentlicht und ist den Gesellschaftern zugänglich (accessibile ai soci). Sämtliche Gesellschafter sollen über die Einleitung eines Schiedsverfahrens informiert werden. Nur so können sie entscheiden, ob sie gem. Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 am Verfahren teilnehmen möchten.41 Aus Wortlaut und Systematik wird geschlossen, dass der Eintragung dabei allerdings nur deklaratorische Wirkung zukommt. Unterbleibt sie, hindert das nicht die Wirksamkeit des Antrags auf Einleitung eines Schiedsverfahrens.42 36
Vgl. zum Anwendungsbereich der Verordnung oben § 9 A. Vgl. auch D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 1, S. 300. 38 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 1, S. 300; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 1, S. 149; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 1, S. 1212. 39 Vgl. auch Menchini/Caponi, Arbitrato, Art. 832, Ziff. 3, S. 481 f. 40 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 3, S. 302. 41 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 531; Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 718; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 425; Sassani/Auletta, La riforma delle società, Art. 34–37, Ziff. 11.1., S. 344. 42 Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 718; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.1., S. 1212 f. 37
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Die Veröffentlichung im Handelsregister ist durch den Kläger zu veranlassen.43 Eine gesetzliche Frist ist hierfür nicht vorgesehen. In Ermangelung einer Parteivereinbarung ist sie daher im Rahmen des schiedsgerichtlichen Ermessens durch die Schiedsrichter zu bestimmen.44 Aus dem Zweck der Norm, die Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung zu informieren, folgt, dass der Antrag im Handelsregister am Sitz der Gesellschaft veröffentlicht werden muss – und nicht, bei Auseinanderfallen der beiden Orte, am Sitz des Schiedsgerichts.45 Die Veröffentlichung des Antrags tritt augenscheinlich in Konflikt mit dem Grundsatz der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens.46 Das Handelsregister ist öffentlich (Art. 2188 Abs. 3 c.c.) und kann in Einklang mit der sogenannten Publizitätsrichtlinie der EU47 von jedermann eingesehen werden.48 Wird der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens nun im Handelsregister veröffentlicht, lässt sich nicht vermeiden, dass die Öffentlichkeit von der Streitigkeit innerhalb der Gesellschaft erfährt. Um dies zu verhindern und den Zugang zu den entsprechenden Auszügen doch auf die Gesellschafter zu beschränken, wird teilweise der Wortlaut des Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 bemüht.49 Danach wird der Antrag im Handelsregister veröffentlicht und ist „den Gesellschaftern“ zugänglich. Der zweite Teil der Vorschrift lasse sich als Einschränkung verstehen, sodass der Antrag zwar im Handelsregister veröffentlicht wird, aber nur von den Gesellschaftern eingesehen werden dürfe.50 Diese Auslegung kommt dem Bedürfnis der Integrität des Schiedsverfahrens nach und garantiert zugleich auf objektive Weise die Möglichkeit der Kenntnisnahme aller Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung. Gleichwohl lässt sich die Beschränkung des Rechts auf Einsichtnahme auf die Mitglieder der betroffenen Gesellschaft in der Praxis kaum umsetzen.51 Das italienische Handelsregisterrecht
43
D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 2, S. 303. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 2, S. 303. 45 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1294; siehe zur Zuständigkeit der Industrie- und Handelskammern für die Registerführung Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 26. 46 Vgl. Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2, S. 152; siehe hierzu bereits oben § 5 A. 47 Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009, ABl. 2009 Nr. L 258 S. 11, zuletzt aufgegangen in Artt. 13–28 der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. 2017 Nr. L 169 S. 46. 48 Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 43. 49 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1294; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 425. 50 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1294; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 425; Luiso/Luiso, processo societario, Art. 35, Ziff. 1, S. 579 f.; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.1., S. 1213. 51 Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1134; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2, S. 152; vor diesem Hintergrund kritisch auch Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 425. 44
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kennt nämlich nicht die Möglichkeit, die Einsichtnahme an besondere persönliche Anforderungen (etwa die Gesellschafterstellung des Antragsstellers) zu knüpfen. Entsprechende Einschränkungen wären auch nicht mit den europarechtlichen Vorgaben über die Publizität des Handelsregisters vereinbar.52 Wird der Antrag nicht im Handelsregister veröffentlicht, sieht die Vorschrift allerdings keine Sanktionen vor. Insbesondere stellt die unterbliebene Veröffentlichung nach allgemeiner Auffassung keinen Verfahrensmangel dar, der sich auf den späteren Schiedsspruch auswirken würde.53 Lediglich die Intervention Dritter soll – entgegen Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/200354 – bei unterbliebener Veröffentlichung auch nach der ersten Verhandlung zulässig sein.55 Ob diese gesetzliche Lösung einen effektiven Rechtsschutz unbeteiligter Gesellschafter zu garantieren vermag, erscheint fragwürdig. Es wurde schließlich beobachtet, dass in der Praxis – wohl aufgrund der fehlenden Sanktion und des Wunsches nach Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens – die Veröffentlichung des Antrags im Handelsregister in so gut wie allen Fällen unterbleibt.56 II. Verfahren der Schiedsrichterbenennung Die Anzahl der Schiedsrichter und das Benennungsverfahren können grundsätzlich von den Parteien in der Schiedsvereinbarung festgelegt werden (Artt. 809 c.p.c.). Zur Vermeidung von Blockadesituationen muss die Zahl der Schiedsrichter ungerade sein (Art. 809 Abs. 1 c.p.c.). Unterlässt eine Partei die Benennung „ihres“ Schiedsrichters, ist er gem. Art. 810 Abs. 2 c.p.c. auf Antrag der anderen Partei durch das Gericht zu ernennen. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn in der Schiedsklausel ein klassisches Dreierschiedsgericht vereinbart wurde (sogenannte clausola binaria), im Einzelfall aber mehr als zwei Parteien an dem Verfahren beteiligt sind.57 In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung stand auch die italienische Rechtsprechung vor der Herausforderung, die Entscheidung der Parteien für die schiedsgerichtliche Streitbeilegung aufrechtzuerhalten und zugleich die Waffengleichheit der Parteien bei der Schiedsrichterbenennung zu garantieren.58
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Vgl. Artt. 13–28 der Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. 2017 Nr. L 169 S. 46. 53 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1294; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 3, S. 303; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2, S. 152 (Fn. 26). 54 Zur Teilnahme Dritter am gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren unten § 16 B. 55 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 2, S. 303; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2.4., S. 1216 f.; a.A. Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 2, S. 152 (Fn. 26). 56 Cerrato, Riv. trim. dir. proc. civ. 2016, 223, 225 (Fn. 4). 57 Vgl. hierzu bereits oben § 12 A. IV. 1. 58 Vgl. dazu Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2002, 458, 460 ff.
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Inzwischen wurden mit den Reformen von 2003 und 2006 spezielle Vorschriften – Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 bzw. Art. 816-quater c.p.c. – für diese Konstellation eingeführt. 1. Schiedsrichterbenennung in allgemeinen Mehrparteiensituationen Nach dem im Zuge der Reform von 2006 eingeführten Art. 816-quater Abs. 1 c.p.c. kann das Schiedsverfahren mit mehreren Parteien in drei Konstellationen durchgeführt werden. Keine Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die Schiedsrichterbenennung bereits in der Schiedsvereinbarung einem Dritten übertragen wurde. Ist dies nicht erfolgt, kann das Verfahren gleichwohl durchgeführt werden, wenn die Schiedsrichter entweder mit Zustimmung aller Parteien ernannt werden oder wenn nach Benennung des Schiedsrichters durch den Kläger die anderen Parteien einstimmig ihren Schiedsrichter benennen oder die Benennung einem Dritten übertragen. Kommt in einer Mehrparteienkonstellation keine Schiedsrichterbenennung nach den in Absatz 1 vorgeschriebenen Methoden zustande, muss das Schiedsverfahren grundsätzlich gem. Art. 816-quater Abs. 2 c.p.c. getrennt werden. Im Fall der notwendigen Streitgenossenschaft ist das freilich nicht möglich, da zwingend eine einheitliche Entscheidung ergehen muss.59 Den Parteien bleibt folglich nur der Weg zu den staatlichen Gerichten.60 2. Schiedsrichterbenennung bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Das Lösungsmodell des Art. 816-quater c.p.c. wurde in den bereits drei Jahre zuvor in Kraft getretenen Vorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren noch nicht gewählt. Gem. Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 muss die Benennung der Schiedsrichter – unabhängig von der Anzahl der Parteien – zwingend einem außenstehenden Dritten übertragen werden.61 Um dieser Person ein Tätigwerden zur Schiedsrichterbenennung zu ermöglichen, muss sie zunächst über die Einleitung des Schiedsverfahrens informiert werden. Aus diesem Grund ist die Klageschrift im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Verordnung Nr. 5/2003 nicht nur dem Beklagten, sondern auch dem Außenstehenden, der nach der Schiedsklausel mit der Schiedsrichterbenennung betraut wurde, zuzustellen.62
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Alpa/Vigoriti/Dimundo, Arbitrato, Teil III Kap. 1, S. 498. Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Gradi, c.p.c., Art. 816-quater, C. Ziff. 7, S. 386 f. 61 Vgl. zur Qualifikation des Dritten im Sinne der Vorschrift bereits oben § 12 A. III. 62 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 3, S. 302. 60
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a) Anforderungen an die Schiedsrichterbenennung Der Dritte ist verpflichtet, die Bestellung vorzunehmen, sofern die Verfahrenseinleitung von einer an die Schiedsvereinbarung gebundenen Partei beantragt wurde. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schiedsklausel oder der Klagebefugnis des Antragstellers – etwa bei Beschlussanfechtungen in einer s.p.a. der Voraussetzungen des Art. 2377 Abs. 2 und 3 c.c.63 – ist er dagegen nicht berechtigt.64 Über die weiteren Einzelheiten der Schiedsrichterbenennung enthält die Verordnung keine Vorgaben. Die Auswahl der Schiedsrichter muss unter besonderer Berücksichtigung der Grundsätze der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erfolgen.65 Als Schiedsrichter kommen daher nur Personen in Betracht, die keine Verbindung zu den Gesellschaftern, der Gesellschaft und ihren Organen haben, die ihre Neutralität in Frage stellen würde und außerdem nicht bereits die Rolle des Schiedsrichters bei vergangenen Streitigkeiten derselben Gesellschaft übernommen haben.66 Schließlich liegt gerade in der Garantie der Unparteilichkeit einer der Gründe für den Ausschluss der Schiedsrichterbenennung durch die Parteien bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten.67 Die Ernennung darf nicht abstrakt für sämtliche zukünftige Streitigkeiten, die der Schiedsvereinbarung unterfallen, erfolgen, sondern muss aus Anlass der konkreten Streitigkeit vorgenommen werden.68 b) Rechtsfolgen bei Untätigkeit des mit der Schiedsrichterbenennung betrauten Außenstehenden Nimmt der Außenstehende die Schiedsrichterbenennung nicht vor, sind die Schiedsrichter nach Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 durch den Präsidenten des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft – und nicht, wie in Art. 810 Abs. 1 c.p.c. am Ort des Schiedsgerichts – zu ernennen.69 Die Vorschrift enthält keine Frist, innerhalb derer die Benennung vorzunehmen ist. Teilweise wird daher für eine entsprechende Anwendung der zwanzigtägigen Frist des Art. 810 Abs. 1 c.p.c. plädiert, innerhalb derer der Gegner im Schiedsverfahren seinen Schiedsrichter
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Vgl. hierzu oben § 6 B. I. 2. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 8, S. 268. 65 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 8, S. 268. 66 Bonato, in: Studi sul processo societario, S. 423 (486). 67 Vgl. zum Normzweck des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 oben § 12 A. IV. 1. 68 Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (234 f.). 69 Im Zuge der geplanten Reform des italienischen Schiedsverfahrensrechts (vgl. dazu oben § 3 B. III. 3.) soll die Ersatz-Benennung gem. Art. 832-bis Abs. 2 c.p.c. dem Vorsitzenden der auf Unternehmensrecht spezialisierten Kammer am Sitz der Gesellschaft übertragen werden, vgl. dazu Salvenschi, Giur. arb. 2017, 131, 136. 64
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benennen muss.70 Zur Übertragung dieser Frist auf die Benennung der Schiedsrichter durch einen Dritten fehlt es indes schon an der vergleichbaren Interessenslage. Der Dritte muss schließlich – anders als im Fall des Art. 810 Abs. 1 c.p.c. – nicht nur „seinen“ Schiedsrichter benennen, sondern das gesamte Schiedsgericht. Eine zwanzigtägige Frist dürfte hierzu kaum ausreichen.71 Um eine zeitnahe Konstituierung des Schiedsgerichts sicherzustellen, ist es daher empfehlenswert, eine Frist in die Schiedsvereinbarung aufzunehmen.72 Ist keine Frist vereinbart, kann die Benennung der Schiedsrichter durch das Gericht erst dann beantragt werden, wenn der Dritte im Einzelfall schriftlich zum Tätigwerden aufgefordert wurde und eine angemessene Frist zur Konstituierung des Schiedsgerichts gesetzt wurde.73 III. Verfahrenskonzentration mehrerer Beschlussmängelklagen vor einem Schiedsgericht Die Auswahl der Schiedsrichter durch einen Dritten ermöglicht schließlich die Konzentration verschiedener Beschlussmängelklagen vor einem Schiedsgericht. Im Verfahren vor den staatlichen Gerichten sind mehrere Beschlussanfechtungsprozesse gem. Art. 2378 Abs. 5 c.c. zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung vor dem ausschließlich zuständigen Landgericht am Sitz der Gesellschaft zu verbinden (Artt. 273 f. c.p.c.). Dies lässt sich im Rahmen des (allgemeinen) Schiedsverfahrens nur schwer umsetzen, da grundsätzlich jede Partei – also auch spätere Kläger – ihren Schiedsrichter benennen kann und somit ein neues Schiedsgericht über die Wirksamkeit desselben Beschlusses entscheiden könnte. Mithilfe der Schiedsrichterbenennung durch einen Dritten wird die Gefahr paralleler Verfahren über denselben Gesellschafterbeschluss zumindest verringert. Wie gesehen, kennt der mit der Konstituierung des Schiedsgerichts betraute Dritte die Anträge des Klägers. Zur Sicherstellung der Verfahrenskonzentration vor einem Schiedsgericht (Art. 2378 Abs. 5 c.c.) muss er bei Vorliegen mehrerer Anträge bezüglich desselben Gesellschafterbeschlusses zweckmäßigerweise dieselben Schiedsrichter ernennen bzw. spätere Klagen dem bereits konstituierten Schiedsgericht übertragen.74 Das Schiedsgericht ist dann verpflichtet, die von verschiedenen Klägern separat eingeleiteten 70 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 34, Ziff. 8, S. 268; für die Orientierung an der Frist zumindest als Anhaltspunkt Salvaneschi, Riv. arb. 2017, 245, 260. 71 Vgl. Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 34 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7.4., S. 1209. 72 Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (235 f.). 73 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1294. 74 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 10, S. 321; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 214 f.; aus eben diesem Grund wurde teilweise auch schon vor Einführung des Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 empfohlen, die Schiedsrichterbenennung bei Beschlussmängelstreitigkeiten generell einem Dritten zu übertragen, vgl. Salvaneschi, L’arbitrato con pluralità di parti, S. 243.
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Schiedsverfahren in entsprechender Anwendung des Art. 2378 Abs. 5 c.c. zu verbinden.75 Um die Verbindung nicht zu vereiteln, sollte das Schiedsgericht erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist mit der Verhandlung beginnen.76 Probleme ergeben sich dann, wenn der Dritte gleichwohl – entgegen Art. 2378 Abs. 5 c.c. – verschiedene Schiedsrichter mit der Entscheidung über denselben Gesellschafterbeschluss betraut.77 In diesem Fall ist die Gesellschaft verpflichtet, auf das zeitlich frühere Schiedsverfahren hinzuweisen. Der Kläger muss folglich die Schiedsklage zurücknehmen und kann dem zeitlich früheren Schiedsverfahren beitreten.78 Nicht möglich ist dagegen die Verbindung von Verfahren vor verschiedenen Schiedsgerichten.79 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: vertragliche vs. gesetzliche Konkretisierung der Verfahrensgarantien Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich die einzuhaltenden Vorschriften über die Information der Mitgesellschafter, die Ernennung der Schiedsrichter und die Zuständigkeitskonzentration bei einem schiedsgerichtlichem Beschlussmängelverfahren nach deutschem Recht vorwiegend aus der Schiedsvereinbarung ergeben, die idealerweise die inhaltlichen Vorgaben des BGH aus der „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung umsetzt. In einem innergesellschaftlichen Beschlussmängelverfahren nach italienischem Recht ist der Weg dagegen durch die (unabdingbaren) Anforderungen des Art. 35 d.lgs. n. 5/2003 vorgegeben. Wie sich noch zeigen wird, führt das indes nicht zwangsläufig zu einem höheren Schutzniveau für die Mitgesellschafter.
75 Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 428; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 213 f.; dementsprechend sieht beispielsweise § 22.3 der Schiedsordnung der Camera Arbitrale di Milano vor, dass in Zusammenhang stehende Klagen verbunden werden können (abrufbar unter: www.camera-arbitrale.it, Abrufdatum: 16.11.2019). 76 Salvaneschi, in: Conciliazione e arbitrato, S. 133 (135). 77 Vgl. Zucconi Galli Fonseca, La convenzione arbitrale ritual rispetto ai terzi, S. 567. 78 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 10, S. 321; zur Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren siehe unten § 16; vor Einführung der Artt. 34–36 d.lgs. n. 5/2003 wurde vertreten, dass aus Gründen der Gleichheit der Parteien bei parallel eingeleiteten Schiedsverfahren gegen denselben Beschluss eine Einigung aller Kläger auf ein gemeinsames Schiedsgericht erforderlich sei; ansonsten seien die einzelnen Klagen als unzulässig abzuweisen und der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet, vgl. Salvaneschi, L’arbitrato con pluralità di parti, S. 243. Da die Gesellschafter inzwischen aber ohnehin keinen Einfluss auf die Schiedsrichterbenennung nehmen können (Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003), dürfte es dem zeitlich späteren Kläger zumutbar sein, sich der ersten Klage anschließen zu müssen. 79 Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 428; Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 520.
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
§ 15 Klagefrist und Verweisung bei Unzuständigkeit § 15 Klagefrist und Verweisung bei Unzuständigkeit
Die (kapitalgesellschaftsrechtlichen) Beschlussmängelklagen unterliegen in den untersuchten Rechtsordnungen bestimmten – teils knappen – Ausschlussfristen.80 Diese Fristen gelten zumindest im Grundsatz auch im Schiedsverfahren.81 Daneben vereinbaren die Parteien oftmals in der Schiedsabrede besondere Ausschlussfristen für die Geltendmachung von Beschlussmängeln. Ergeben sich nun Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsklausel82 oder an der Schiedsfähigkeit der konkreten Streitigkeit,83 stehen die Mitglieder von Gesellschaften nach deutschem und italienischem Recht vor demselben Dilemma.84 Erheben sie eine Schiedsklage, besteht die Gefahr, dass sich das Schiedsgericht für unzuständig erklärt85 und eine spätere Klage vor den staatlichen Gerichten zwischenzeitlich verfristet ist. Wenden sich die Gesellschafter dagegen direkt an die staatlichen Gerichte und halten diese die Schiedsklausel wider Erwarten doch für wirksam, wird die Klage abgewiesen.86 Unter Umständen ist zwischenzeitlich die Frist zur Erhebung der Schiedsklage abgelaufen. In beiden Konstellationen würde der Gesellschafter keinen Rechtsschutz gegen den Beschluss erhalten. Vermeiden ließe sich diese Situation dadurch, dass auch durch Erhebung der Klage vor der falschen Gerichtsbarkeit die Frist gewahrt wird oder das Rechtsinstitut der Verweisung auch zwischen der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit Anwendung finden kann.
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Vgl. hierzu oben § 6. Vgl. zum deutschen Recht Schneider, GmbHR 2005, 86, 90 f.; Gehrlein, GmbHR 2016, 329, 335; für die Anwendung der gesetzlichen Klagefristen auf das Schiedsverfahren hat sich inzwischen auch der italienische Kassationshof ausgesprochen: Cass. civ., S.U., 6.7.2016, n. 13722, Nuova giur. civ. comm. 2017, 14 (zur Anwendbarkeit der Klagefristfrist des Art. 2533 Abs. 3 c.c. bei einem Ausschließungsbeschluss in der Genossenschaft). Früher wurde bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung noch auf einen impliziten Ausschluss der gesetzlichen Klagefristen geschlossen (so etwa Cass. civ., sez. I, 12.11.1998, n. 11436, Foro it. 1998, I, 3692). 82 Mit Blick auf die „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung des BGH bestehen besonders nach deutschem Recht hohen Anforderung an die Abfassung rechtswirksamer Schiedsvereinbarungen, vgl. dazu oben § 11 A. IV. 83 Besonders bei Beschlussmängelstreitigkeiten nach italienischem Recht ist umstritten, welche Kriterien zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit heranzuziehen sind. Im Einzelfall kann es für den klagenden Gesellschafter schwierig sein, diese Abgrenzungsfragen zu lösen, vgl. dazu oben § 9 C. 84 Vgl. Schneider, GmbHR 2005, 86, 90 f.; Gehrlein, GmbHR 2016, 329; zum italienischen Recht Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2013, 1151, 1153 f.; Dalmotto, Riv. trim. dir. proc. civ. 2015, 981, 983. 85 Das Schiedsgericht entscheidet nach § 1040 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 817 c.p.c. über seine Zuständigkeit. 86 Zur Überprüfung kommt es jedenfalls dann, wenn der Beklagte gem. 1032 Abs. 1 ZPO bzw. Art. 819-ter Abs. 1 c.p.c. die Schiedseinrede erhebt. 81
§ 15 Klagefrist und Verweisung bei Unzuständigkeit
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A. Fristwahrung trotz fehlender Verweisungsmöglichkeit nach deutschem Recht Bei einer kapitalgesellschaftsrechtlichen Anfechtungsklage wird die einmonatige Ausschlussfrist des § 246 Abs. 1 AktG nach allgemeiner Ansicht gewahrt, wenn die Klage fristgemäß vor einem unzuständigen staatlichen Gericht erhoben wird und der Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das zuständige (staatliche) Gericht verwiesen wird.87 Ob das auch dann gilt, wenn ein schiedsgerichtliches Beschlussmängelverfahren eingeleitet wurde, die Schiedsvereinbarung sich aber als unwirksam herausstellt, wurde von der Rechtsprechung bisher nicht entschieden. Zweifel ergeben sich vor allem daraus, dass eine Verweisung zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten nach allgemeiner Ansicht ausgeschossen ist, da § 281 ZPO nur echte staatliche Gerichte erfasst.88 Die fehlende Möglichkeit der Verweisung spricht gegen die Fristwahrung, wenn zunächst trotz unwirksamer Schiedsklausel das Schiedsgericht angerufen wird – oder andersherum trotz wirksamer Schiedsklausel vor dem staatlichen Gericht geklagt wird.89 Dieses Ergebnis bürdet dem Kläger einseitig das Risiko der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auf. Der Gedanke der § 204 Abs. 2 BGB, § 17b GVG, wonach dem Kläger bei Anrufung des falschen Gerichts keine prozessualen Nachteile entstehen sollen, lässt sich auch auf die unzulässige Schiedsklage übertragen.90 Nach überwiegender Auffassung kann der Kläger zumindest bei Abweisung der Schiedsklage weiterhin das zuständige staatliche Gericht mit der Sache betrauen.91 Der Verweisung einer Beschlussmängelklage zwischen staatlichen Gerichten sei daher die unverzügliche Klageerhebung vor dem staatlichen Gericht nach Abweisung der Schiedsklage gleichzustellen.92 Auch andersherum können diese Grundsätze Anwendung finden, sofern der Kläger berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung hatte, das staatliche Gericht gleichwohl der Schiedseinrede stattgibt.
87 Schmidt/Lutter/Schwab, AktG, § 246 Rn. 12; Grigoleit/Ehmann, AktG, § 246 Rn. 8; Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 246 Rn. 24; MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 246 Rn. 41; Gehrlein, GmbHR 2016, 329, 333. 88 MünchKommZPO/Prütting, § 281 Rn. 11; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, § 281 Rn. 2; in diesem Sinne auch BT-Drs. 13/5274, S. 38. 89 So BeckOK GmbHG/Leinekugel, Systematische Darstellung Beschlussanfechtung, Rn. 172; vgl. auch Hüffer/Koch/Koch, AktG, § 246 Rn. 18, der Schiedsverfahren über Beschlussmängel in der AG allerdings grundsätzlich für unstatthaft hält. 90 Gehrlein, GmbHR 2016, 329, 335. 91 Großkomm AktG/Schmidt, § 246 Rn. 19; Schneider, GmbHR 2005, 86, 92; Gehrlein, GmbHR 2016, 329, 335. 92 Schneider, GmbHR 2005, 86, 92.
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B. Fristwahrung und Verweisungsmöglichkeit nach italienischem Recht Mit Blick auf die Fristen zur Geltendmachung der Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses (Artt. 2377 Abs. 6, 2379 Abs. 1 c.c) stellt sich dasselbe Problem in der italienischen Rechtsordnung. Wird die Klage fristgemäß vor einem unzuständigen staatlichen Gericht erhoben, muss das Gericht von Amts wegen seine Unzuständigkeit feststellen.93 Der klagende Gesellschafter ist in diesem Fall aber nicht dem Risiko der zwischenzeitlichen Verfristung der Klage ausgesetzt. Das Verfahren kann vielmehr gem. Art. 50 Abs. 1 c.p.c. unter Aufrechterhaltung der Wirkungen der ursprünglichen Klage vor dem nach Art. 44 c.p.c. für zuständig erklärten Gericht fortgeführt werden.94 Dieser Weg schien indes zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichtsbarkeit versperrt, da die Anwendung des Art. 50 c.p.c. im Verhältnis zwischen Schiedsverfahren und staatlichem Verfahren nach Art. 819-ter Abs. 2 c.p.c. ausdrücklich ausgeschlossen war.95 Trotz des undifferenzierten Wortlauts der Norm hat der Kassationshof den Ausschluss des Art. 50 c.p.c. auf die Verweisung von einem Schiedsgericht an ein staatliches Gericht beschränkt.96 Möglich war dagegen eine Fortführung des staatlichen Verfahrens – unter Aufrechterhaltung der prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen der ursprünglichen Klage – vor dem Schiedsgericht.97 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Art. 50 c.p.c. im Schiedsverfahren äußerte das Tribunale di Catania, das ein Beschlussmängelverfahren an ein Schiedsgericht verweisen wollte und ein inzidentes Normkontrollverfahren beim Verfassungsgerichtshof einleitete.98 In dem Verfahren erklärt der Verfassungsgerichthof Art. 819-ter c.p.c. insoweit für verfassungswidrig, als die Anwendbarkeit des Art. 50 c.p.c. von dem Ausschluss erfasst wird.99 Entgegen der Auslegung des Kassationshofs sei die Norm so zu verstehen, dass eine Verweisung zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit in beiden Richtungen unterbunden sind. Das widerspreche dem
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Santosusso/Corea, Delle società, Art. 2378, Ziff. 1, S. 1766 f.; Iannicelli, Profili processuali, S. 162 f. 94 Iannicelli, Profili processuali, S. 172. 95 Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Norm äußerte mit Blick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes bereits Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2013, 1151, 1154 f. 96 Cass. civ., sez. VI, 6.12.2012, n. 22002, Riv. dir. proc. 2013, 1151. 97 Cass. civ., sez. VI, 6.12.2012, n. 22002, Riv. dir. proc. 2013, 1151. 98 Trib. Catania, 21.6.2012, Riv. dir. proc. 2013, 467. Dem Verfahren schloss sich ein Schiedsgericht mit Sitz in Bologna in einem Beschlussmängelverfahren, das zuvor aufgrund der Schiedsklausel von einem staatlichen Gericht abgewiesen wurde (Art. 819-bis Abs. 1 Nr. 3 c.p.c.), vgl. Gazz. Uff. n. 10 vom 6.3.2012; vgl. zum Normkontrollverfahren Kindler, Einf. it. Recht, § 4 Rn. 73 ff. 99 Corte cost., 19.7.2013, n. 223, Corr. giur. 2013, 1107.
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Gebot der Gleichwertigkeit von Schiedsverfahren und staatlichem Verfahren.100 Verletzt würde zudem ein aus der Rechtsschutzgarantie (Artt. 24, 111 Cost.) abgeleiteter Grundsatz, wonach die Wahl des falschen Richters durch den Kläger nicht dazu führen dürfe, dass ihm eine Entscheidung in der Sache verwehrt bleibe.101 Die vor der falschen Gerichtsbarkeit erhobene Beschlussmängelklage kann nunmehr vor dem zuständigen staatlichen Gericht bzw. Schiedsgericht fortgeführt werden. Dabei bleiben die prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen der ursprünglichen Klage bestehen, sodass keine Gefahr der Verfristung besteht.102 Das staatliche Gericht kann freilich nicht das – in der Regel nicht einmal konstituierte – zuständige Schiedsgericht benennen, sondern erklärt lediglich seine Unzuständigkeit zugunsten der Zuständigkeit eines (unbestimmten) Schiedsgerichts.103 Ebenso hat auch das Schiedsgericht nicht das zuständige staatliche Gericht zu ermitteln, sondern lediglich seine Unzuständigkeit festzustellen.104 Diese Regeln gelten indes nicht im Rahmen des sogenannten freien Schiedsverfahrens.105 Aufgrund der vertraglichen Natur dieses Schiedsverfahrens kommt eine Verweisung von oder auf das freie Schiedsgericht nicht in Betracht.106 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit Nach deutschem Recht wird eine Schiedsklage zwar nach überzeugender Auffassung für fristwahrend gehalten, wenn sich später die Unwirksamkeit der Schiedsklausel herausstellt. Gleichwohl fehlt es hier an einem rechtssicheren Boden, sodass die Kautelarpraxis im Zweifelsfall zur Lösung der parallelen Klageerhebung vor dem Schiedsgericht und dem staatlichen Gericht rät.107 Entsprechende Probleme bestanden auch in der italienischen Rechtsordnung, konnten aber durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von 2013 beseitigt werden. Seitdem wird das Rechtsinstitut der Verweisung unter Aufrechterhaltung der Wirkung der ursprünglichen Klage zwischen Schiedsgericht und staatlichen Gerichten angewendet. Dies bringt den Vorteil, dass sich Zweifel an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung oder an der Schiedsfähigkeit der konkreten Streitigkeit nicht zulasten des klagenden Gesellschafters auswirken. Schließlich ist eine parallele Klage vor dem Schiedsgericht und
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Corte cost., 19.7.2013, n. 223, Corr. giur. 2013, 1107. Corte cost., 19.7.2013, n. 223, Corr. giur. 2013, 1107 f. 102 Vgl. dazu nun auch Cass. civ., sez. VI, 21.1.2016, n. 1101, Giur. it. 2016, 2709. 103 Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2014, 384, 390 f. 104 Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2014, 384, 390 f. 105 Siehe dazu oben § 9 D. I. 106 Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Sassani, c.p.c., Art. 808-ter, I, S. 138. 107 Vgl. Bryant/Dehne, KSzW 2013, 152, 158. 101
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dem staatlichen Gericht aus prozessökonomischer Sicht nicht zweckmäßig und den Gesellschaftern unzumutbar.108
§ 16 Beteiligung Dritter am Verfahren § 16 Beteiligung Dritter am Verfahren
Da potentiell eine Vielzahl von Personen an dem Ausgang eines Beschlussmängelverfahrens interessiert sein können, stellt sich in beiden Rechtsordnungen die Frage, wie sich Dritte an einem solchen Verfahren beteiligen können. A. Parteiautonome Garantie der Mitwirkungsrechte (Deutschland) Das deutsche Schiedsverfahrensrecht kennt keine Möglichkeit der Beteiligung Dritter an einem Schiedsverfahren.109 Gerade hierin wurde in der älteren Rechtsprechung des BGH noch eines der wesentlichen Argumente gegen die Austragung kapitalgesellschaftsrechtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten vor einem Schiedsgericht gesehen.110 Schließlich folgt doch aus der Notwendigkeit der Rechtskrafterstreckung des Urteils, dass die Betroffenen auch an dem Verfahren mitwirken können müssen.111 Das Fehlen gesetzlicher Vorschriften schließt nicht aus, dass die Parteien in der Schiedsvereinbarung die Beteiligung Dritter am Verfahren zulassen. Wie gesehen, ist das bei Beschlussmängelstreitigkeiten sogar zwingend geboten, da die Klausel anderenfalls nicht den Wirksamkeitsanforderungen des BGH entspricht.112 Es empfiehlt sich dabei, bereits in der Schiedsklausel eine (angemessene) Frist für den Beitritt weiterer Gesellschafter vorzusehen.113 Zwar können die Gesellschafter auch nach Ablauf der Frist weiter dem laufenden Schiedsverfahren als Nebenintervenient beitreten.114 Sie können sich dann aber gegebenenfalls nicht mehr an der Schiedsrichterbenennung beteiligen und sind an ein 108
Vgl. auch Gehrlein, GmbHR 2016, 329, 335. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2826 ff. 110 Vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. a). 111 Aus diesem Umstand ergibt sich auch das rechtliche Interesse im Sinne von § 66 ZPO, dass den Mitgesellschaftern in AG und GmbH den Beitritt zu einem Beschlussmängelverfahren ermöglicht, vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, § 66 Rn. 11. Inzwischen hat sich der BGH aber auch im Recht der Personengesellschaften für die Möglichkeit der Beteiligung aller Gesellschafter am Schiedsverfahren über einen fehlerhaften Gesellschafterbeschluss ausgesprochen, wenngleich das Urteil hier – nach überwiegender Auffassung – keine Rechtskrafterstreckung entfaltet, vgl. dazu oben § 11 B. IV. 2. 112 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 19 f.; vgl. hierzu auch oben § 11 A. IV. 2. b). 113 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 26; Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919. 114 Die Beitrittsfrist ist insofern von der Anfechtungsfrist zu trennen. Mit Ablauf der Anfechtungsfrist ist die Klage präkludiert, sodass sie folglich nach überwiegender Auffassung als unbegründet abzuweisen ist, vgl. dazu bereits oben § 6 A. I. 2., sowie die Nachweise in Kap. 2. Fn. 9. 109
§ 16 Beteiligung Dritter am Verfahren
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ohne ihre Mitwirkung konstituiertes Schiedsgericht gebunden.115 Wurde der Beitritt in der Schiedsvereinbarung an keine Frist gekoppelt, kann die Mitwirkung an der Konstituierung des Schiedsgerichts gleichwohl im Sinne einer beschleunigten Verfahrensdurchführung nicht zeitlich unbegrenzt verlangt werden. Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wird teilweise eine zweiwöchige Beitrittsfrist ab Zustellung der Mitteilung über die Einleitung des Schiedsverfahrens vorgeschlagen.116 Andere Autoren plädieren für eine einmonatige Beitrittsfrist.117 Für die Übernahme der Monatsfrist spricht, dass die Aktionäre auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten gem. § 246 Abs. 4 S. 2 AktG nur innerhalb eines Monats nach Bekanntmachung der Klage ihre Beteiligung als Nebenintervenient erklären können.118 Vereinbaren die Parteien die Durchführung eines DIS-Schiedsverfahrens, ergeben sich die Beteiligungsmöglichkeiten der Gesellschafter aus Artt. 2–4 DIS-ERGeS. Nach Art. 3.1 DIS-ERGeS müssen die Betroffenen119 innerhalb eines Monats ab Zugang der Klage gegenüber der Geschäftsstelle erklären, ob sie dem Verfahren auf Kläger- oder Beklagtenseite als Partei120 oder Nebenintervenient beitreten möchten.121 Erklärt ein Gesellschafter seinen Beitritt nicht fristgemäß, kann er gem. Art. 4.3 DIS-ERGeS weiter dem Verfahren beitreten, wenn er sich mit der Zusammensetzung des Schiedsgerichts einverstanden erklärt und das Verfahren in der Lage annimmt, in der es sich zur Zeit des Beitritts befindet (oder das Schiedsgericht den Beitritt nach seinem freien Ermessen zulässt).122
115 Entsprechend § 67 ZPO muss der Beitretende das Schiedsverfahren in der Lage annehmen, in der es sich zur Zeit seines Beitritts befindet, vgl. Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919; in diesem Sinne auch Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2276; Müller, GmbHR 2010, 729, 732; Versin, GmbHR 2015, 969, 978. 116 Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2274. 117 Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919; Versin, GmbHR 2015, 969, 978. 118 Göz/Peitsmeyer, DB 2009, 1915, 1919. 119 Bei Beschlussmängelverfahren sind alle anderen Gesellschafter als Betroffene im Sinne von Art. 2.1 DIS-ERGeS zu benennen, vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 306; Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 251 f. 120 Ein Beitritt als Partei kommt in Kapitalgesellschaften nur auf Klägerseite in Betracht, da ein Gesellschafter mangels Passivlegitimation nicht auf Beklagtenseite stehen kann, vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 305; Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 252. 121 Wer dem Verfahren als Partei beitritt, erhält dadurch alle Rechte und Pflichten einer Verfahrenspartei. Der Beitritt als Nebenintervenient bringt dem Gesellschafter die Rechtsstellung eines streitgenössischen Nebenintervenienten (§ 69 ZPO); er hat demnach im Wesentlichen dieselben Rechte, wie die unterstützte Partei, vgl. Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 306. 122 Vgl. dazu Borris, SchiedsVZ 2009, 299, 306; von Hase, BB 2011, 1993, 1997; Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 253.
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
B. Interventionsmöglichkeit als gesetzliches Verfahrensrecht (Italien) In der italienischen Rechtsordnung wurden die Beteiligungsmöglichkeiten Dritter an einem Schiedsverfahren erstmals im Rahmen der Verordnung Nr. 5/2003 gesetzlich geregelt.123 Nach Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 können Dritte einem gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren, das in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, bis zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung gem. Art. 105 c.p.c. beitreten. Nach diesem Vorbild wurde im Rahmen der Reform des Schiedsverfahrensrechts von 2006 mit Art. 816-quinquies c.p.c. auch im allgemeinen Schiedsverfahren ein Beitrittsrecht Dritter kodifiziert.124 Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 unterscheidet zwischen drei verschiedenen Beteiligungsformen: der (freiwilligen) Nebenintervention im Sinne von Art. 105 c.p.c. (intervento volontario), dem Beitritt infolge einer Streitverkündung gem. Art. 106 c.p.c. (intervento su istanza di parte), sowie dem Beitritt aufgrund richterlicher Anordnung gem. Art. 107 c.p.c. (intervento per ordine del giudice). In Abweichung von den allgemeinen Grundsätzen des Schiedsverfahrensrechts verlangt Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 zur Intervention nicht die Zustimmung der bisherigen Parteien und des Schiedsgerichts.125 Damit wird jedenfalls sämtlichen Gesellschaftern die Beteiligung an einem schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren als Nebenintervenient ermöglicht.126 Unklar bleibt, ob die Möglichkeit der Beteiligung am Schiedsverfahren auch Personen eröffnet ist, die nicht Partei der Schiedsvereinbarung sind. Überwiegend bejaht wird dies für den Fall der (freiwilligen) Nebenintervention im Sinne des Art. 105 c.p.c.127 Voraussetzung der Intervention im Schiedsverfah-
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Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1144. Nach Art. 816-quinquies Abs. 1 c.p.c. ist ein Beitritt grundsätzlich nur mit Zustimmung des Beitretenden, der ursprünglichen Verfahrensparteien und der Schiedsrichter zulässig. Der Beitritt eines notwendigen Streitgenossen oder als unselbstständiger Streithelfer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 c.p.c. kann gem. Art. 816-quinquies Abs. 2 c.p.c. ohne Zustimmung erfolgen. 125 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. II, Rn. 13. 126 Insoweit hat die Reform allerdings nur klarstellende Bedeutung; auch vor Einführung des Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 war nämlich bereits anerkannt, dass die Gesellschafter dem Beschlussmängelverfahren vor einem Schiedsgericht, anders als nach deutschem Schiedsverfahrensrecht, ohne Zustimmung der ursprünglichen Parteien beitreten können, vgl. Dalmotto, Giur. it. 2014, 1528, 1532. 127 Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 154; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 5, S. 307; Alpa/Vigoriti/ Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1150; teilweise wird Dritten (ohne Zustimmung der ursprünglichen Parteien) indes nur die Teilnahme als unselbstständiger Streithelfer im Sinne von Art. 105 Abs. 2 c.p.c. gewährt, vgl. etwa Luiso/Luiso, processo societario, Art. 35, Ziff. 2, S. 582 f.; Bove, Gisutizia privata, S. 345. 124
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ren ist, dass der Dritte ein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens hat.128 Zulässig ist daher beispielsweise die Intervention der Versicherung in einem Schiedsverfahren, welches die Haftung eines Geschäftsführers zum Gegenstand hat.129 Mit Blick auf Beschlussmängelstreitigkeiten kommt gegebenenfalls ein Beitritt der Aufsichtsbehörden130 zum Schiedsverfahren in Betracht, die in Einzelfällen ein eigenes Klagerecht haben.131 Ein Beitritt nach Streitverkündung und aufgrund richterlicher Anordnung (Artt. 106 f. c.p.c.) kann dagegen ausweislich des klaren Wortlauts der Norm nur durch andere Gesellschafter vollzogen werden.132 Im Hinblick auf die Beteiligung anderer Gesellschafter an einem Beschlussmängelverfahren stellt sich nicht die Frage, ob sie als Dritte am Verfahren teilnehmen können. Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 gilt nur bei Schiedsverfahren, die durch eine gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel legitimiert werden.133 An diese Klausel sind aber ohnehin sämtliche Gesellschafter, sowie die Gesellschaft gebunden.134 Vor dem Hintergrund der zwingenden Schiedsrichterbenennung durch einen Außenstehenden gem. Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 ergeben sich im Fall des Beitritts weiterer Gesellschafter zum Verfahren auch dann keine Bedenken mit Blick auf die Verfahrensrechte dieser Personen, wenn das Schiedsgericht bereits gebildet wurde.135 Die Parteien haben schließlich ohnehin nicht die Möglichkeit, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken. Gem. Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 kann der Beitritt zum Schiedsverfahren bis zum Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung erfolgen.136 Der Beitritt ist gegenüber dem Schiedsgericht und – außer im Fall des Beitritts als unselbstständiger Streithelfer – den ursprünglichen Verfahrensparteien zu erklären.137
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Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 154. Vgl. die Beispiele bei Dalmotto, Giur. it. 2014, 1528, 1532 und Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 155. 130 Etwa der Banca d’Italia oder der italienische Versicherungsaufsichtsbehörde IVASS (Istituto per la vigilanza sulle assicurazioni), vgl. Campobasso, Diritto commerciale, Vol. 2, VIII.10. (S. 347). 131 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1295. 132 Die Streitverkündung gegenüber einer Person, die sich nicht zuvor freiwillig der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen hat, wäre auch aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig, vgl. Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 153. 133 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. II, Rn. 4. 134 Vgl. Zucconi Galli Fonseca, La convenzione arbitrale ritual rispetto ai terzi, S. 512; siehe zur Bindung der Gesellschafter an die Schiedsvereinabrung oben § 12 A. I. 135 Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1146. 136 Die Vorschrift legt implizit fest, dass Schiedsverfahren im Anwendungsbereich der Verordnung nicht ausschließlich schriftlich durchgeführt werden dürfen, sondern zumindest eine mündliche Verhandlung anberaumt werden muss, vgl. E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 531; Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 524. 137 Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 3, S. 156. 129
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C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: vertragliche vs. gesetzliche Ausgestaltung des Beteiligungsrechts Dritter Nach italienischem Recht wird die Möglichkeit der nicht klagenden Gesellschafter, einem schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren beizutreten jedenfalls seit Einführung der Verordnung Nr. 5/2003 gesetzlich garantiert. Dabei handelt es sich ausweislich der Überschrift des Art. 35 um eine unabdingbare Regelung. Es erscheint daher weder geboten, noch erforderlich, das Interventionsrecht der Mitgesellschafter (zusätzlich) in der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklausel zu vereinbaren. Anders stellt sich die Situation in der deutschen Rechtsordnung dar. Die Beteiligung Dritter ist nicht gesetzlich geregelt und wird allenfalls dann für statthaft gehalten, wenn die ursprünglichen Verfahrensparteien und die Schiedsrichter dem Beitritt zustimmen.138 Die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs ist aber unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Betroffenen am Verfahren beteiligen können. Vor diesem Hintergrund fordert der BGH, dass die Beteiligungsmöglichkeit der Mitgesellschafter an einem Beschlussmängelverfahren in der Schiedsklausel vereinbart wird.139 Der italienische Verordnungsgeber hat mit Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 genau den Weg beschritten, den der BGH mit Blick auf die damals anstehende Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts in der „Schiedsfähigkeit-I“Entscheidung vom deutschen Gesetzgeber gefordert hatte: die Schaffung abstrakt genereller Regelungen, die die Verfahrensrechte der Mitgesellschafter garantieren und die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs im Beschlussmängelstreit rechtfertigen.140 Bekanntermaßen blieb dieser Ruf ungehört, sodass der Schutz der Verfahrensgarantien bis heute der Kautelarpraxis überlassen bleibt. Der Vorteil der italienischen Lösung liegt auf der Hand: indem die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter bereits abstrakt gesetzlich garantiert werden, wird es der Praxis erheblich vereinfacht, rechtmäßige Schiedsklauseln zu entwerfen.
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Vgl. hierzu oben § 16 A. Vgl. hierzu oben § 11 A. IV. 2. b). 140 BGH NJW 1996, 1753, 1756; vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. a). 139
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§ 17 Der Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren § 17 Der Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren
Wird das Schiedsverfahren nicht durch einen Beschluss beendigt,141 ergeht ein endgültiger Schiedsspruch (vgl. im deutschen Recht § 1056 Abs. 1 ZPO). Grundsätzlich kommt dem Schiedsspruch in den untersuchten Rechtsordnungen die Wirkung eines staatlichen Urteils zu. Eine (beschränkte) staatliche Überprüfung kann im Rahmen der Vollstreckbarkeitserklärung oder eines Aufhebungsverfahrens erfolgen. A. Der Schiedsspruch nach deutschem Recht Grundsätzlich können die Parteien nach § 1051 Abs. 1 S. 1 ZPO frei bestimmen, welche Rechtsordnung das Schiedsgericht der Entscheidung zugrunde legen soll. Da die Rechtswahl im Schiedsverfahren allerdings nur dann möglich ist, wenn die Parteien auch sonst das auf ihre Rechtsbeziehungen anwendbare Recht bestimmen können, kommt § 1051 ZPO bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten kaum Bedeutung zu; die Rechtsverhältnisse bestimmen sich nämlich auch auf Ebene der Streitbeilegung ausschließlich nach dem Gesellschaftsstatut.142 Daneben eröffnet § 1051 Abs. 3 ZPO den Parteien die Möglichkeit, das Schiedsgericht zu einer Entscheidung nach Billigkeit zu ermächtigen. Diese – in der Schiedsgerichtspraxis unübliche143 – Option räumt dem Gericht einen großen Beurteilungsspielraum ein und soll sachadäquate Einzelfallentscheidungen ermöglichen.144 In der Literatur wird von dieser Wahlmöglichkeit überwiegend abgeraten, stelle sich die Ermächtigung zur Entscheidung nach Billigkeit doch als Freischein für unpräzise schiedsgerichtliche Arbeit dar.145 Andererseits kann die Einräumung eines großen gerichtlichen Ermessens womöglich einer dauerhaften Beilegung der Streitigkeit über einen Gesellschafterbeschluss zuträglich sein, da das Gericht nicht an die starren gesetzlichen Rechtsfolgen gebunden ist.146
141 Grundlage für einen verfahrensbeendigenden Beschluss kann etwa die Rücknahme der Klage oder ein Vergleich sein. Nach einer Schätzung enden 60 % aller deutscher Schiedsverfahren mit einem Vergleich, vgl. Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 820; auch bei den zum 1.6.2018 abgeschlossenen DIS-ERGeS-Verfahren erging in weniger als einem Drittel eine Entscheidung in der Sache, vgl. Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 248. 142 Stein/Jonas/Schlosser, § 1051 Rn. 7. 143 Vgl. Wedemann, Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Kapitalgesellschaften, S. 528 f. 144 MünchKommZPO/Münch, § 1051 Rn. 52. 145 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 404; Wieczorek/Schütze, ZPO, § 1051 Rn. 38. 146 Wedemann, Gesellschafterkonflikte in geschlossenen Kapitalgesellschaften, S. 527 f.; a.A. Bork, ZHR 160 (1996), 374, 380, der eine Entscheidung nach Billigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten für unvorstellbar hält.
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I. Wirkung des Schiedsspruchs Nach § 1055 ZPO hat der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. Wird durch den Schiedsspruch ein Gesellschafterbeschluss für nichtig erklärt, findet nach der Rechtsprechung des BGH (zumindest in Kapitalgesellschaften) § 248 Abs. 1 S. 1 AktG entsprechende Anwendung. Die Ermöglichung der Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs auf alle Gesellschafter war schließlich der Anlass für die Aufstellung der Gleichwertigkeitskautelen.147 Der Schiedsspruch kann nicht wie das Urteil eines staatlichen Gerichts durchgesetzt werden, sondern bedarf zur Zwangsvollstreckung der vorherigen Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ZPO. Sie kann beim OLG im Bezirk des Schiedsgerichts beantragt werden (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Im Rahmen des Verfahrens prüft das Gericht grundsätzlich nur, ob ein nach Form und Inhalt wirksamer Schiedsspruch vorliegt (§ 1054 ZPO) und keine Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO gegeben sind.148 Mit Blick auf den Schiedsspruch im Beschlussmängelverfahren stellt sich die Frage, ob es bereits zur Herbeiführung der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung in AG und GmbH (vgl. § 241 Nr. 5 AktG) der gerichtlichen Vollstreckbarerklärung bedarf. Das Erfordernis könnte unter dem Gesichtspunkt der Drittschutzgewährung geboten sein. Da die Gestaltungswirkung nach der Natur der Sache auch gegenüber Dritten eintritt, wird teilweise die vorherige Vollstreckbarerklärung gefordert, um zumindest eine gewisse staatliche Kontrolle zu ermöglichen.149 Überwiegend wird die Vollstreckbarerklärung dagegen zwar für möglich,150 wenngleich nicht für erforderlich gehalten.151 Nach § 1055 ZPO ist der Schiedsspruch schließlich einem gerichtlichen Urteil gleichgestellt, das seine rechtsgestaltende Wirkung automatisch ab Eintritt seiner formellen Rechtskraft entfaltet.152
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Vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. Aufhebungsgründe sind freilich nur dann zu berücksichtigen, wenn die Frist zur Geltendmachung im Rahmen des Aufhebungsverfahrens (§ 1059 Abs. 3 ZPO) nicht verstrichen ist, vgl. dazu Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 661. 149 K. Schmidt, ZGR 1988, 523, 536; K. Schmidt, BB 2001, 1857, 1860; dafür auch BayObLG MDR 1984, 496; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 1055, Rn. 7. 150 Etwa zur Absicherung gegen ein Aufhebungsverfahren, vgl. Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 664; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2408. 151 Lüke/Blenske, ZGR 1998, 253, 275 f.; Filker, Beschlussmängelstreitigkeiten, S. 164 ff.; Zöller/Geimer, ZPO, § 1055 Rn. 2; Musielak/Voit, ZPO, § 1055 Rn. 11; OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 13.6.2013, Az. 26 SchH 6/13, BeckRS 2013, 10147. 152 MünchKommAktG/Hüffer/Schäfer, § 248 Rn. 12. 148
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Nicht erforderlich ist die Vollstreckbarerklärung dagegen in Beschlussmängelverfahren der Personengesellschaften, da dort nach überwiegender Ansicht durch einen feststellenden Schiedsspruch entschieden wird.153 II. Keine Nichtigkeit des Schiedsspruchs bei fehlender Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen Ebenso wie staatliche Urteile können auch Schiedssprüche nichtig sein und folglich keine Wirkung entfalten.154 Eine unterbliebene oder mangelhafte Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen führt indes nicht zur Nichtigkeit eines dennoch ergangenen Schiedsspruchs im Beschlussmängelverfahren.155 Nach der Auffassung des BGH ist die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs zwar Voraussetzung der Statthaftigkeit von Schiedsverfahren über Beschlussmängelverfahren.156 Sie ist nach der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung nur dann gerechtfertigt, wenn in der Schiedsklausel die Verfahrensgarantien aller Gesellschafter gewährleistet werden.157 Mit Blick auf diese Herleitung ließe sich argumentieren, dass dem Schiedsspruch, der aufgrund einer nicht den Mindeststandards entsprechenden Vereinbarung ergangen ist, keine Rechtskrafterstreckung zukomme und ihm damit eine der wesentlichen Voraussetzungen zur Durchführung des Schiedsverfahrens über Beschlussmängelstreitigkeiten fehle. Das wiederum könnte die Nichtigkeit des Schiedsspruchs begründen. Dagegen spricht allerdings, dass die Nichtigkeit extremen Ausnahmefällen vorbehalten ist. Selbst schwerste ordre public-Verstöße führen nur zur Anfechtbarkeit des (wirksamen) Schiedsspruchs.158 Vorzugswürdig erscheint es daher, die Gesellschafter auch in der hier untersuchten Konstellation auf das Aufhebungsverfahren zu verweisen.159 III. Aufhebungsverfahren Eine Überprüfung des Schiedsspruchs kann das zuständige OLG (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) auf Antrag im Rahmen des Aufhebungsverfahrens nach § 1059 ZPO vornehmen. Antragsberechtigt ist, wer durch den Schiedsspruch
153 Vgl. zur prozessualen Ausgangslage in Personengesellschaften nach deutschem Recht oben § 7 A.; gleichwohl sind auch feststellende Schiedssprüche dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung zugänglich, vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2408. 154 Stein/Jonas/Schlosser, § 1059 Rn. 7; Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 15. 155 Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 321. 156 BGH NJW 1996, 1753, 1755 ff.; BGH NJW 2009, 1962, Rn. 15; vgl. dazu oben § 8 B. I. 2. 157 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 15 ff. 158 Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 15. 159 Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 321.
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beschwert ist.160 Das ist in erster Linie die unterlegene Verfahrenspartei. Erstreckt sich die Rechtskraft des Schiedsspruchs auf Dritte, können auch sie beschwert und damit antragsberechtigt sein.161 Daher sind nach den dargestellten Grundsätzen bei Beschlussmängelverfahren (in Kapitalgesellschaften) auch die Gesellschafter antragsberechtigt, die nicht am Verfahren teilgenommen haben. Der Antrag kann nur auf einen der in § 1059 Abs. 2 ZPO abschließend aufgelisteten Aufhebungsgründe gestützt werden. Nicht vorgesehen ist insbesondere eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der schiedsgerichtlichen Sachentscheidung.162 Bei der Entscheidung über gesellschaftsrechtliche Beschlussmängelstreitigkeiten sind mit Blick auf die „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung des BGH163 zwei Konstellationen von Interesse. Zum einen kommt ein Aufhebungsverfahren in Betracht, wenn das Schiedsverfahren auf Grundlage einer Schiedsvereinbarung durchgeführt wird, die nicht den Anforderungen des BGH entspricht. Wird die Schiedsvereinbarung den Gleichwertigkeitskautelen gerecht, kann der Schiedsspruch zum anderen dann angreifbar sein, wenn die Verfahrensgarantien im Einzelfall nicht eingehalten werden. Die mangelnde Schiedsfähigkeit (im engeren Sinne) der Beschlussmängelstreitigkeit (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. a ZPO) kann dagegen nicht als Aufhebungsgrund angeführt werden.164 Sie wird – entgegen der insoweit missverständlichen Bezeichnung der Leitentscheidungen des BGH – schon lange nicht mehr in Abrede gestellt.165 1. Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach § 138 BGB a) Verstoß der Schiedsklausel gegen die Gleichwertigkeitskautelen als Aufhebungsgrund Nach der Rechtsprechung des BGH führt die mangelnde Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen zur Nichtigkeit der Schiedsklausel nach § 138 BGB.166 Ein aufgrund der unwirksamen Schiedsvereinbarung angerufenes Schiedsgericht kann nach § 1040 Abs. 1 ZPO seine Unzuständigkeit feststellen und die Schiedsklage als unzulässig abweisen.167 Wird das Schiedsverfahren gleichwohl durchgeführt, kann der Schiedsspruch gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO wegen Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung aufgehoben werden. 160
Stein/Jonas/Schlosser, § 1059 Rn. 5; Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 3. MünchKommZPO/Münch, § 1059 Rn. 55; Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 3. 162 Vgl. nur BGH NJW 2014, 1597 Rn. 5 f.; MünchKommZPO/Münch, § 1059 Rn. 7; auch eine dahingehende Parteivereinbarung wäre unwirksam, vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2166. 163 Vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. und § 8 B. III. 2. 164 S. nun aber Otto, ZGR 2019, 1082, 1085 ff. 165 Vgl. hierzu oben § 8 A. 166 Vgl. hierzu oben § 11 A. V. 167 MünchKommZPO/Münch, § 1040 Rn. 4. 161
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Der Einwand präkludiert allerdings grundsätzlich, wenn die Unzuständigkeit im Schiedsverfahren nicht gerügt wurde oder das Schiedsgericht durch Zwischenentscheid seine Zuständigkeit festgestellt hat und kein (fristgerechter) Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO gestellt wurde.168 Aufgrund der dogmatischen Herleitung der Mindeststandards für Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten aus § 138 BGB ist eine Heilung infolge Präklusion indes ausgeschlossen.169 Schließlich können die Parteien auch durch rügeloses Einlassen nicht auf eine Prüfung des § 138 BGB verzichten.170 Eine Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ZPO bleibt demnach möglich.171 b) Antragsbefugnis verfahrensunbeteiligter Gesellschafter Fraglich ist, ob der Antrag in diesem Fall auch von Gesellschaftern gestellt werden kann, die – infolge der fehlerhaften Schiedsklausel – nicht am Verfahren beteiligt wurden. Dabei stellt sich ein von der Rechtsprechung bisher nicht gelöstes Dilemma. Die verfahrensunbeteiligten Gesellschafter sind als Dritte nach allgemeinen Grundsätzen nur dann antragsbefugt, wenn sie von der Rechtskraft des Schiedsspruchs erfasst werden.172 Nach der dogmatischen Herleitung des BGH ist die Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen aber Voraussetzung der Rechtskrafterstreckung.173 Würde die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs nun vor dem Hintergrund der fehlerhaften Schiedsklausel abgelehnt, wären die unbeteiligten Gesellschafter im Aufhebungsverfahren nicht antragsbefugt.174 Dieses Ergebnis widerspricht zum einen dem Bestreben des BGH, allen Gesellschafter im Schiedsverfahren über Gesellschafterbeschlüsse effektiven Rechtsschutz zu sichern. Zum anderen droht eine Aufspaltung in eine Gesellschaftergruppe, die an den Schiedsspruch gebunden ist und eine andere, die nicht von der Rechtskraft erfasst wird, was wiederum offensichtlich dem Anliegen des BGH widerspräche, nach dem gesetzlichen Vorbild des § 248 Abs. 1 S. 1 AktG die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs zu gewährleisten.175
168 Vgl. MünchKommZPO/Münch, § 1059 Rn. 17; Musielak/Voit, ZPO, § 1059 Rn. 9; Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 39; Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2187; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 770. 169 Vgl. Musielak/Voit, ZPO, § 1040 Rn. 13. 170 Vgl. Musielak/Voit, ZPO, § 1040 Rn. 13; nach a.A. kann der Verstoß gegen die Mindeststandards durch rügeloses Einlassen geheilt werden, sodass die verfahrensbeteiligten Gesellschafter insoweit präkludiert sind, vgl. Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 318 ff. 171 Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1742. 172 MünchKommZPO/Münch, § 1059 Rn. 55; Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 3. 173 Vgl. dazu oben § 8 B. I. 2. 174 Vgl. dazu Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 321. 175 Vgl. auch Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 321.
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Vorzugswürdig ist es daher, die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs in Kauf zu nehmen, damit die unbeteiligten Gesellschafter ein Aufhebungsverfahren anstreben können.176 Die Frist des § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO beginnt gegenüber den verfahrensunbeteiligten Gesellschaftern erst dann zu laufen, wenn auch sie von dem Schiedsspruch in der Form des § 1054 Abs. 1 ZPO Kenntnis erlangt haben. 2. Verstoß gegen die Verfahrensgarantien im Einzelfall Unabhängig von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung kommt daneben eine Aufhebung des Schiedsspruchs in Betracht, wenn die Verfahrensgarantien der Gesellschafter im konkreten Verfahren nicht eingehalten werden. Verfahrensverstöße können verschiedene Aufhebungsgründe auf den Plan rufen. Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO ist der Schiedsspruch angreifbar, wenn die Beteiligten von der Bestellung der Schiedsrichter oder von dem Verfahren unzureichend in Kenntnis gesetzt wurden oder aus einem sonstigen Grund ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnten. Dies ist etwa der Fall, wenn – entgegen den Vorgaben der Schiedsklausel – nicht sämtliche Gesellschafter über die Verfahrenseinleitung informiert wurden oder ihnen nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, an der Konstituierung des Schiedsgerichts mitzuwirken.177 Bei einem DIS-ERGeS-Verfahren kommt eine Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO in Betracht, wenn entgegen Art. 2.1 DIS-ERGeS nicht alle Mitgesellschafter durch den Schiedskläger als Betroffene benannt wurden und daher nicht durch die DIS über die Verfahrenseinleitung informiert werden konnten.178 Die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs führt indes nur dann zur Aufhebung des Schiedsspruchs, wenn die Verletzung entscheidungserheblich war. Der Antragsteller muss demnach darlegen, was konkret er bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht hätte und wie sich das auf die Entscheidung des Schiedsgerichts ausgewirkt hätte.179 Verstöße gegen die Verfahrensvorschriften der ZPO oder der Schiedsvereinbarung können gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO gerügt werden. Dies ist möglich, wenn die Vorgaben des BGH zwar in der Schiedsklausel umgesetzt sind, aber im konkreten Verfahren missachtet werden, etwa weil die Gesellschafter nicht laufend über den Gang des Verfahrens informiert werden.180 Die
176 So im Ergebnis auch Triebel/Hafner, SchiedsVZ 2009, 313, 321; Witte/Hafner, DStR 2009, 2052, 2057. 177 Niemeyer/Häger, BB 2014, 1737, 1743. 178 Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 256; siehe zur Information über die Verfahrenseinleitung in einem DIS-ERGeS-Verfahren oben § 14 A. I. 179 Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 40; Musielak/Voit, ZPO, § 1059 Rn. 13; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 774. 180 Vgl. Böttcher/Helle, NZG 2009, 700, 702; Nietsch, ZIP 2009, 2269, 2274; Riegger/ Wilske, ZGR 2010, 733, 746.
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Entscheidung muss auf dem Verstoß beruhen. Dies ist der Fall, wenn bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften möglicherweise anders entschieden worden wäre.181 Anders als die vorgenannten Aufhebungsgründe ist ein ordre public-Verstoß nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. Darunter fallen gravierende Verletzungen des materiellen Rechts und besonders schwere Verfahrensmängel.182 Die Aufhebung ist nur dann möglich, wenn die Hinnahme des rechtswidrigen Schiedsspruchs schlichtweg unerträglich wäre.183 Das lässt sich zumindest bei schweren Verstößen gegen die Umsetzung der Mindeststandards im Einzelfall nicht ausschließen. Schließlich leitet der BGH die Anforderungen an Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip ab, das auch für zivilrechtliche Streitigkeiten die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes gebiete.184 Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Einhaltung der Verfahrensrechte der Gesellschafter im Einzelfall eine vergleichbare Bedeutung beizumessen ist und – zumindest schwerere – Verstöße gegen die Mindeststandards im Einzelfall eine stets zu berücksichtigende Aufhebung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO nach sich ziehen.185 B. Der Schiedsspruch nach italienischem Recht Das Schiedsgericht entscheidet durch schriftlichen Schiedsspruch (lodo arbitrale). Form und Inhalt richten sich nach Art. 823 c.p.c. Der Schiedsspruch ist den Parteien gem. Art. 824 c.p.c. innerhalb von zehn Tagen nach Unterzeichnung zu übermitteln. Zur Frage des anwendbaren Rechts enthält die Zivilprozessordnung seit Abschaffung der Vorschriften über das internationale Schiedsverfahren durch die Reform 2006 keine eigene Regelung mehr.186 Innergesellschaftliche Streitigkeiten sind indes ohnehin ausschließlich nach dem Gesellschaftsstatut zu beurteilen.187 Auch im Rahmen der schiedsgerichtlichen Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten von Gesellschaften nach italienischem Recht ist demnach ausschließlich italienisches Recht anwendbar.188
181 Stein/Jonas/Schlosser, § 1059 Rn. 48; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 780. 182 Musielak/Voit, ZPO, § 1059 Rn. 25. 183 Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 47. 184 BGH NJW 2009, 1962 Rn. 17; vgl. dazu oben § 8 B. I. 2. b). 185 Raeschke-Kessler, in: FS Goette, S. 381 (390). 186 Zuvor hatten die Parteien nach Art. 834 c.p.c. a.F. die Möglichkeit, das anwendbare Recht zu bestimmen, vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 129. 187 Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 43. 188 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 36, Ziff. 6, S. 329.
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I. Entscheidung nach Billigkeit Nach Art. 822 c.p.c. ergeht der Schiedsspruch grundsätzlich unter Anwendung des geltenden Rechts, es sei denn, die Parteien haben vereinbart, dass die Schiedsrichter nach Billigkeit entscheiden („ex aequo et bono“).189 Wurde eine Billigkeitsentscheidung vereinbart, sind sie – nach der Formulierung des Kassationshofs – bei der Entscheidungsfindung von der strikten Einhaltung der Regeln des objektiven Rechts befreit und haben die Möglichkeit, Erwägungen der Zweckmäßigkeit anzustellen, die nach ihrer Überzeugung am besten zu einer gerechten Lösung des Falles führen.190 Eine Untersuchung der Gesellschaftsverträge der zwischen 2000 und 2007 in den Provinzen Rom und Mailand gegründeten Aktiengesellschaften zeigt die im Vergleich zur deutschen Praxis wesentlich höhere Bedeutung dieser Gestaltungsoption in Italien. In ca. 22,3 % der gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln wurde eine Billigkeitsentscheidung bei der Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten vereinbart.191 Im Zuge der Einführung der Sondervorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren durch die Verordnung Nr. 5/2003 wurde der Anwendungsbereich der Billigkeitsentscheidung erheblich verkleinert. Gem. Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 müssen die Schiedsrichter zwingend unter Anwendung des geltenden Rechts entscheiden, wenn das Schiedsverfahren die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zum Gegenstand hat.192 Diejenigen Autoren, die sich für die undifferenzierte Schiedsfähigkeit sämtlicher Beschlussmängelstreitigkeiten aussprechen,193 sehen den Zweck der Norm darin, durch die Schaffung eines objektivierten Rechtsschutzstandards einen Ausgleich für die Schiedsfähigkeit unverfügbarer Rechtsverhältnisse zu schaffen.194 Eine Schiedsklausel, die entgegen dieser Bestimmung die Entscheidung nach Billigkeit über sämtliche Streitigkeiten zulässt, ist gleichwohl nicht unwirksam, sondern bleibt nur insoweit unanwendbar.195 Das Schiedsgericht
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Vgl. dazu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 132; auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten können die Parteien den Richter gem. Art. 114 c.p.c. ermächtigen, nach Billigkeit über verzichtbare Rechtsverhältnisse zu entscheiden. 190 Cass. civ., sez. I, 4.7.2013, n. 16755, Leggi d’Italia. 191 Vgl. ISDACI, in: L’impatto della riforma societaria sulle clausole statutarie, S. 3 (4 ff.). 192 Für die Unzulässigkeit von Billigkeitsentscheidungen über Beschlussmängelstreitigkeiten haben sich auch vor der Reform schon Teile der Rechtsprechung ausgesprochen, vgl. etwa Trib. Torino, 6.10.1980, Giur. comm., 1981, II, 635 zum Ausschluss eines Gesellschafters. 193 Vgl. hierzu oben § 9 C. II. 2. 194 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 527; Salvaneschi, in: FS Verde, S. 741 (745); Graziosi, Riv. trim. dir. proc. civ. 2014, 77, 92 f.; Della Pietra, in: FS Campobasso, S. 209 (227 f.). 195 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 36 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. I, Rn. 6.
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bleibt demnach zuständig, hat aber entgegen der Vereinbarung nach den Regeln des Rechts zu entscheiden. II. Entscheidung über Vorfragen Art. 35 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 erklärt Art. 819 Abs. 1 c.p.c. im Schiedsverfahren für unanwendbar, der – in seiner Fassung vor der Reform 2006 – die Aussetzung des Verfahrens anordnete, wenn nicht schiedsfähige Zwischenfragen aufkamen. Das Schiedsgericht kann demnach inzident etwa über die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrags entscheiden, obwohl diese Frage grundsätzlich mangels Schiedsfähigkeit nach Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit entzogen ist.196 Durch die Reform des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts ist die Bedeutung der Vorschrift gesunken. Nach neuer Fassung des Art. 819 Abs. 1 c.p.c. entscheidet das Schiedsgericht ohne Rechtskraft über alle entscheidungsrelevanten Vorfragen, auch wenn sie grundsätzlich nicht schiedsfähig sind.197 Verlangt das Gesetz eine rechtskräftige Entscheidung über die Vorfrage, ist das Schiedsverfahren gem. Art. 819-bis Abs. 1 Nr. 2 c.p.c. auszusetzen. Art. 35 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 wurde auf die Reform des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts nicht abgestimmt und enthält heute keinen eigenständigen Regelungsgehalt mehr.198 Aus diesem Grund findet sich die Vorschrift auch nicht mehr im Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission vom 18.1.2017 wieder.199 III. Wirkung des Schiedsspruchs 1. Gesetzliche Anordnung der urteilsgleichen Wirkung des Schiedsspruchs Nach Art. 824-bis c.p.c. hat der Schiedsspruch ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung die Wirkung eines gerichtlichen Urteils. Durch die Einführung dieser Vorschrift sollte ein Schlussstrich unter die alte Diskussion über die Rechtsnatur des Schiedsspruchs gezogen werden.200 Dem Schiedsspruch kommen damit grundsätzlich dieselben Wirkungen zu wie dem Urteil eines (staatlichen) Gerichts: er erwächst in Rechtskraft und entfaltet damit zwischen den Parteien ebenso wie ein staatliches Urteil (vgl.
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Vgl. zu diesem Beispiel E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 532. Im Schiedsverfahren nach deutschem Recht ist die Kognitionsbefugnis des Schiedsgerichts über nicht schiedsfähige Vorfragen zwar nicht (ausdrücklich) gesetzlich geregelt, aber in der Literatur anerkannt, vgl. Raeschke-Kessler/Berger, Schiedsverfahren, Rn. 211; Zöller/Geimer, ZPO, § 1030 Rn. 6a. 198 Vgl. Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 5, S. 161. 199 Vgl. Salvaneschi, Giur. arb. 2017, 131, 140. 200 Carpi/Carpi, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 2, S. 727; vgl. dazu auch oben § 4 B. 197
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Art. 2909 c.c.) Bindungswirkung für die Zukunft.201 Auch dem italienischen Schiedsspruch fehlt indes die Titelwirkung.202 Die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs setzt eine gerichtliche Vollstreckbarerklärung nach Art. 825 c.p.c. voraus. Sie wird durch Niederlegung des Schiedsspruchs (gemeinsam mit der Schiedsvereinbarung) beim Landgericht, in dessen Bezirk sich das Schiedsgericht befindet, beantragt. Im Rahmen des Verfahrens der Vollstreckbarerklärung prüft das Gericht gem. Art. 825 Abs. 1 c.p.c. nur, ob ein Schiedsspruch in der Form des Art. 823 c.p.c. vorliegt. Darüberhinausgehende inhaltliche Überprüfungen darf das Gericht nicht anstellen.203 Nicht erforderlich ist die Vollstreckbarerklärung zur Herbeiführung der Gestaltungswirkung des Schiedsspruchs. Sie tritt automatisch mit der materiellen Rechtskraft ein.204 Demnach bedarf der rechtsgestaltende Schiedsspruch über die Nichtigerklärung eines Gesellschafterbeschlusses nicht der Vollstreckbarerklärung, um die materielle Rechtslage zu ändern. 2. Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs bei Beschlussmängelverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Im staatlichen Verfahren ordnet Art. 2377 Abs. 7 c.c. an, dass die Nichtigerklärung alle – also auch nicht am Verfahren beteiligte – Gesellschafter bindet.205 Ob Schiedssprüche in solchen Konstellationen ebenso wie das gerichtliches Urteil Rechtskrafterstreckung auf Dritte haben können, ist seit jeher umstritten.206 Im Anwendungsbereich des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens ist die Vorschrift des Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003 zu beachten. Danach bindet der Schiedsspruch die Gesellschaft. Im Beschlussmängelstreit ergeben sich daraus zumindest auf den ersten Blick keine Besonderheiten, da die Gesellschaft ohnehin als Beklagte an dem Verfahren beteiligt ist. Allerdings wird der Norm eine vom Wortlaut abweichende Bedeutung beigemessen. Bei wortlautgetreuer Auslegung geht Art. 35 Abs. 4 nach allgemeiner Auffassung zugleich in einigen Bereichen zu weit und erscheint in anderen dagegen zu eng. Es lässt sich etwa kaum begründen, weshalb die Gesellschaft an den Schiedsspruch gebunden sein sollte, der ohne ihre Beteiligung in einem Verfahren zwischen zwei 201 Vgl. Luiso, Riv. arb. 2010, 235, 238 ff.; Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/ Marinucci, c.p.c., Art. 824-bis, C. Ziff. 3.1., S. 655 f.; Briguglio/Capponi/D’Alessandro, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 7, S. 976 f.; Menchini/Auletta, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 2, S. 422; Motto, La compromettibilità in arbitrato, S. 164 f. 202 Briguglio/Capponi/D’Alessandro, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 1, S. 966. 203 Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Occhipinti, c.p.c., Art. 825, C. Ziff. 5., S. 701 f. 204 Briguglio/Capponi/D’Alessandro, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 3, S. 972. 205 Vgl. hierzu oben § 6 B. I. 2. 206 Zucconi Galli Fonseca, in: FS Carpi, S. 461; Briguglio/Capponi/D’Alessandro, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 7, S. 973 ff.; Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Marinucci, c.p.c., Art. 824-bis, C. Ziff. 3.3.7., S. 681.
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Gesellschaftern ergangen ist.207 Über den Wortlaut hinaus wird die Norm andererseits überwiegend so verstanden, dass nicht nur die Gesellschaft, sondern auch sämtliche Mitglieder an den Schiedsspruch gebunden sind, sofern einem gerichtlichen Urteil eine entsprechende Wirkung zukommt.208 Mit Blick auf Art. 2377 Abs. 7 c.c. kann daher insbesondere bei Schiedssprüchen, die einen Gesellschafterbeschluss für nichtig erklären, aus Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003 die Rechtskraftwirkung für alle Gesellschafter abgeleitet werden.209 Trotz des unklaren Wortlauts der Norm schlägt die ADR-Kommission210 in ihrem Endbericht vom 18.1.2017 vor, die Vorschrift über die Wirkung des Schiedsspruchs unverändert in einen Art. 832-ter Abs. 4 c.p.c. aufzunehmen. IV. Veröffentlichung des Schiedsspruchs Der Tenor des Schiedsspruchs, sowie etwaige einstweilige Verfügungen über die Aussetzung der Durchführung des Beschlusses211 sind nach Art. 35 Abs. 5bis d.lgs. n. 5/2003 auf Veranlassung der Geschäftsführer im Handelsregister einzutragen.212 Zweck der Vorschrift ist es, auch hier einen Gleichlauf zum staatlichen Verfahren herzustellen.213 Dort ist der Tenor des Urteils, das einen Gesellschafterbeschluss für nichtig erklärt, nach Art. 2378 Abs. 5 c.c. im Handelsregister einzutragen.214
207 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. V, Rn. 11; bei einer entsprechenden Auslegung wird die Norm teilweise sogar für verfassungswidrig gehalten, vgl. Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 485; Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1172. 208 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 527; Carpi, Riv. arb. 2003, 411, 429; Bove, Giust. civ. 2003, II, 473, 484; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 6, S. 164; Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Boccagna/Izzo, Dir. arb., Art. 35– 36 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. V, Rn. 2. 209 E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 527; Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 588; Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. V, Rn. 9; nach Salvaneschi folgt die Möglichkeit der Rechtskrafterstreckung auf Dritte bereits aus der Gleichstellung von Schiedsspruch und staatlichem Urteil in Art. 824-bis c.p.c., vgl. Salvaneschi, Arbitrato, Art. 824-bis, Ziff. 7, S. 811 f. 210 Vgl. hierzu oben § 3 B. III. 3. 211 Vgl. hierzu unten § 18 B. II. 1. 212 Die Vorschrift wurde erst nachträglich durch Art. 4 der Gesetzesverordnung Nr. 37 vom 6.2.2004 eingefügt. 213 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 12, S. 323; Carpi/ Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 9, S. 171 f. 214 Die Eintragungsflicht gilt nicht in Personengesellschaften, vgl. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 12, S. 324. Wenngleich der Kassationshof sich inzwischen für die entsprechende Anwendung des kapitalgesellschaftlichen Beschlussmängelrechts auf Personengesellschaften ausspricht (vgl. oben § 7 B.), sind davon wohl keine Eintragungspflichten umfasst.
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V. Aufhebung des Schiedsspruchs 1. Im allgemeinen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung Das italienische Schiedsverfahrensrecht unterscheidet in Art. 827 Abs. 1 c.p.c. drei verschiedene Rechtsbehelfe, die gegen einen Schiedsspruch eingelegt werden können: die Anfechtungsklage nach Art. 828 c.p.c. (Impugnazione per nullità), die Restitutionsklage nach Art. 831 Abs. 1 c.p.c. (Revocazione), sowie die Drittwiderspruchsklage nach Art. 831 Abs. 3 c.p.c. (Opposizione di terzo).215 a) Anfechtungsklage Die Anfechtungsklage kann nach Art. 828 Abs. 1 c.p.c. innerhalb von 90 Tagen ab Zustellung des Schiedsspruchs beim Oberlandesgericht (Corte d’appello),216 in dessen Bezirk das Schiedsgericht seinen Sitz hat, erhoben werden. Art. 828 Abs. 2 c.p.c. legt eine absolute Ausschlussfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt der letzten Unterschrift fest.217 Anfechtungsbefugt ist nur, wer formell Partei des schiedsrichterlichen Verfahrens ist.218 Die Anfechtungsgründe sind abschließend219 in Art. 829 c.p.c. aufgezählt. Sie umfassen in erster Linie verschiedene prozessuale Mängel im Schiedsverfahren sowie die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung (Nr. 1). Unter letzteren Anfechtungsgrund fällt auch die fehlende Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit, die aufgrund einer allgemeinen (per se wirksamen) Schiedsklausel durchgeführt wurde.220 Ein ordre public-Verstoß des Schiedsspruchs kann nach Art. 829 Abs. 3 S. 2 c.p.c. gerügt werden. Grundsätzlich nicht mehr überprüfbar ist dagegen seit der Reform 2006 die inhaltliche Richtigkeit der schiedsgerichtlichen Sachentscheidung. Gem. Art. 829 Abs. 3 S. 1 c.p.c. wird die Ent-
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Terminologie nach Walter, RIW 1995, 445, 448; vgl. hierzu auch Kindler, It. Handelsund Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 137 ff.; Catania, in: JbItalR 20 (2007), 291 (301 f.). 216 Der Entwurf der ADR-Kommission eines neuen Art. 829 Abs. 2 c.p.c. sieht vor, dass die Parteien – sofern keine inhaltliche Überprüfbarkeit der schiedsgerichtlichen Sachentscheidung zugelassen wurde – aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung den Aufhebungsantrag unmittelbar beim Kassationsgericht stellen können. 217 In ihrem Endbericht vom 18.1.2017 schlägt die ADR-Kommission vor, die Anfechtungsfrist auf 60 Tagen ab Zustellung und die absolute Ausschlussfrist auf sechs Monate zu verkürzen. 218 Cass. civ., sez. I, 28.5.2003, n. 8545, Giust. civ. 2004, I, 401. 219 Vgl. Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Ruffini/Boccagna/De Propris, Dir. arb., Art. 829, Ziff. II, Rn. 1; Cass. civ., sez III, 14.3.2006, n. 5466, Rep. Foro it. 2006, Stichwort „Arbitrato“ (n. 192). 220 Salvaneschi, Arbitrato, Art. 829, Ziff. 2, S. 881 f.; der Einwand der fehlenden Schiedsfähigkeit kann nicht präkludieren (vgl. Art. 817 Abs. 2 c.p.c.).
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scheidung in der Sache nur dann überprüft, wenn es von den Parteien ausdrücklich zugelassen wurde221 oder durch ein spezielles Gesetz vorgesehen ist.222 Die falsche Anwendung des Rechts kann gem. Art. 829 Abs. 4 c.p.c. außerdem bei nicht schiedsfähigen Vorfragen gerügt werden, die das Gericht nach Art. 819 Abs. 1 c.p.c. klären durfte.223 b) Restitutionsklage und Drittwiderspruchsklage Anders als in der deutschen Rechtsordnung kann jede Partei bei bestimmten besonders gravierenden Rechtsbrüchen nach Art. 831 Abs. 1 c.p.c. Restitutionsklage im Sinne von Art. 395 Nr. 1, 2, 3 und 6 c.p.c. gegen den Schiedsspruch erheben, um die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen.224 Das gilt für Schiedssprüche, die auf arglistigem Verhalten einer Partei (Nr. 1) oder des Schiedsrichters (Nr. 6) beruhen, bei Zugrundelegung falscher Beweise (Nr. 2), sowie im Fall des nachträglichen Auftauchens entscheidungsrelevanter Urkunden, die aufgrund höherer Gewalt oder durch Zutun des Gegners nicht im Verfahren vorgelegt werden konnten (Nr. 3). Zwar kennt auch das deutsche Zivilverfahrensrecht in § 580 ZPO das Institut der Restitutionsklage.225 Die Restitutionsgründe im Sinne von § 580 ZPO stellen immer auch einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO (ordre-public-Verstoß) dar,226 sodass mithilfe der Restitutionsklage die Dreimonatsfrist des Aufhebungsverfahrens (§ 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO) umgangen werden könnte. Zur Stärkung der Bestandskraft von Schiedssprüchen wird § 580 ZPO daher nicht entsprechend auf Schiedssprüche angewendet.227 Seit der Schiedsverfahrensrechtsreform von 1994 unterliegt der Schiedsspruch nach italienischem Recht gem. Art. 831 Abs. 3 c.p.c. außerdem der Drittwiderspruchsklage im Sinne des Art. 404 c.p.c.228 Diese Klage kann jeder erheben, der nicht am Schiedsverfahren teilgenommen hat, unabhängig davon, 221 Eine entsprechende Vereinbarung wäre nach deutschem Recht unwirksam, vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2166. 222 Durch die Reform von 2006 wurde das Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten der Schiedsgerichtsbarkeit umgekehrt. Nach Art. 829 Abs. 2 a.F. war die Überprüfung der richtigen Anwendung des Rechts nur dann ausgeschlossen, wenn die Parteien in der Schiedsvereinbarung darauf verzichtet hatten oder auf Verlangen der Parteien eine Billigkeitsentscheidung ergangen ist. 223 Vgl. hierzu oben § 17 B. II. 224 Vgl. hierzu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 142; La China, Arbitrato, S. 274. 225 Die Restitutionsgründe nach § 580 ZPO entsprechen dabei im Wesentlichen denen des Art. 395 c.p.c. 226 Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 67. 227 Zöller/Geimer, ZPO, § 1059 Rn. 78. 228 Die Frage der Anwendbarkeit des Art. 404 c.p.c. auf den Schiedsspruch war zuvor Gegenstand ausführlicher Debatten in der Literatur, vgl. Comoglio/Consolo/Sassani/ Vaccarella/Ruggieri, c.p.c., Art. 831, Ziff. 5, S. 915.
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ob er – wie der nicht klagende Mitgesellschafter – an die Schiedsvereinbarung gebunden ist oder nicht.229 Der Kläger muss geltend machen, durch den Schiedsspruch in einer eigenen materiellen Rechtsposition beeinträchtigt zu sein. Bloße Verfahrensfehler können im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nicht gerügt werden.230 Demzufolge kann der Drittwiderspruch im Anwendungsbereich des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrensrechts etwa nicht auf die unterlassene Veröffentlichung der Eintragung der Schiedsklage ins Handelsregister nach Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 gestützt werden.231 Die Verletzung eines am Verfahren nicht beteiligten Gesellschafters in eigenen Rechten ist bei einem Schiedsverfahren über einen Gesellschafterbeschluss freilich nur dann denkbar, wenn nicht der (strengen) Interessenstheorie gefolgt wird, wonach es an der Schiedsfähigkeit entsprechender Streitigkeiten fehlt, sobald Drittinteressen involviert sind.232 2. Besonderheiten im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 Zur Festlegung der Rechtsbehelfe im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren verweist der Verordnungsgeber an mehreren Stellen auf die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung. Problematisch ist dabei aus heutiger Sicht, dass die Vorschriften über das gesellschaftsrechtliche Schiedsverfahren der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 nicht an die Reform des allgemeinen Schiedsverfahrensrechts von 2006 angepasst wurden. Im Rahmen dieser Reform wurden aber gerade auch die Vorschriften, auf die Artt. 35 und 36 d.lgs. n. 5/2003 verweisen, grundlegend geändert, sodass die Verweisungen inzwischen entweder irreführen oder leerlaufen. Nach Artt. 35 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 unterliegt der Schiedsspruch zwingend der Anfechtung nach Art. 829 Abs. 1 c.p.c., sowie der Restitutions- und Drittwiderspruchsklage nach Art. 831 c.p.c.233 Zudem wird Art. 838 c.p.c. für unanwendbar erklärt, der seinerseits die Anfechtung nach Artt. 829 Abs. 2 und
229 Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Ruffini/Boccagna/Mastantuono, Dir. arb., Art. 831, Ziff. IV, Rn. 2; Comoglio/Consolo/Sassani/Vaccarella/Ruggieri, c.p.c., Art. 831, Ziff. 5, S. 916 f.; Barbieri/Bella, Il nuovo diritto dell’arbitrato, S. 390; nach a.A. sind die Parteien der Schiedsvereinbarung keine Dritten im Sinne des Art. 404 c.p.c. und können demnach gem. Art. 828 c.p.c. Anfechtungsklage gegen den Schiedsspruch erheben. Wurde das Verfahren ohne ihr Wissen durchgeführt, kann ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 829 Abs. 1 Nr. 9 c.p.c.) vorliegen, vgl. La China, Arbitrato, S. 280. 230 So zum Drittwiderspruch gegen ein staatliches Urteil Cass. civ., sez. I, 10.4.2012, Rep. Foro it. 2012, Stichwort „Opposizione di terzo“ (n. 6). 231 Vgl. D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 3, S. 303 f. 232 Vgl. zur Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten und den vertretenen Theorien oben § 9 C. 233 Das gilt – trotz der systematischen Stellung – nicht nur im Fall der nach dem ersten Halbsatz zulässigen inzidenten Entscheidungen über per se nicht schiedsfähige Vorfragen.
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831 c.p.c. in internationalen Schiedsverfahren ausschließt. Dieser Verweis läuft heute ins Leere, da die Vorschriften über das internationale Schiedsverfahren im Zuge der Reform 2006 abgeschafft wurden.234 Übrig bleibt also nur die zwingende Anwendung von Artt. 829 Abs. 1 und 831 c.p.c. Insoweit bestehen indes keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Schiedsverfahrensrecht, da bei einem nationalen Schiedsverfahren die Anfechtung nach Artt. 829 Abs. 1 und 831 c.p.c. ohnehin unabdingbar ist.235 Gem. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 kann der Schiedsspruch über Beschlussmängelstreitigkeiten, sowie der Schiedsspruch, der inzident über per se nicht schiedsfähige Vorfragen entschieden hat,236 außerdem zwingend mithilfe der Anfechtungsgründe des Art. 829 Abs. 2 c.p.c. a.F. (heute Absatz 3) angegriffen werden. Demnach können diese Schiedssprüche im Aufhebungsverfahren vollständig durch das staatliche Gericht auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden. Eine entgegenstehende Vereinbarung der Parteien ist insoweit unwirksam.237 3. Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission v. 18.1.2017 Der Endbericht der ADR-Kommission vom 18.1.2017238 sieht vor, die Anfechtung von gesellschaftsrechtlichen Schiedssprüchen einheitlich in Art. 832-ter Abs. 3 c.p.c. zu regeln. Danach sollen Schiedssprüche im Anwendungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Sondervorschriften immer vollständig in der Sache überprüfbar sein. Die Sonderregelung über die Anfechtung von Schiedssprüchen in Beschlussmängelverfahren (Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003) wird damit überflüssig (bzw. im Entwurf des Art. 832-ter Abs. 3 c. c. auf sämtliche Schiedssprüche ausgeweitet) und findet sich daher nicht in der geplanten Nachfolgevorschrift (Art. 832-quater c.p.c.) wieder.239 De lege ferenda soll folglich für sämtliche Schiedssprüche im Anwendungsbereich der gesellschaftsrechtlichen Sondernormen eine vollständige Überprüfbarkeit in der Sache zugelassen werden – und somit wieder die Rechtslage vor der Reform von 2006 hergestellt werden.240 Darunter würde in erster Linie die (Gesamt-)Verfahrensdauer leiden, die doch oft das maßgebliche EntscheiAnderenfalls wäre die Vorschrift des Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003, die ebendiesen Fall regelt, überflüssig, vgl. Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 723. 234 Vgl. hierzu oben § 3 B. II. 235 Vgl. Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. VI, Rn. 5; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 5, S. 162. 236 Vgl. dazu oben § 17 B. II. Dieser Grundsatz gilt allerdings seit der Reform von 2006 auch im allgemeinen Schiedsverfahrensrecht (Art. 829 Abs. 4 Nr. 2 c.p.c.). 237 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 36 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. II, Rn. 3. 238 Vgl. hierzu bereits oben § 3 B. III. 239 Vgl. Salvaneschi, Giur. arb. 2017, 131, 141 f. 240 Kritisch daher Cerrato, Riforma Adr, sull’arbitrato un passo indietro, in: Il Sole 24 Ore v. 27.1.2017; Salvaneschi, Giur. arb. 2017, 131, 141 f.
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dungskriterium für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten bildet.241 Mit Blick auf Beschussmängelstreitigkeiten ändert sich nichts. Sie sind, wie gesehen, bereits heute in der Sache voll überprüfbar. VI. Der Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren Über Beschlussmängelstreitigkeiten kann nach Teilen der Literatur auch im Wege des sogenannten freien Schiedsverfahrens (Art. 808-ter c.p.c.) entschieden werden.242 Im Hinblick auf seine Wirkung weicht der Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren grundlegend von den oben dargestellten Grundsätzen des regelmäßigen Schiedsverfahrens ab. Art. 808-ter c.p.c. erklärt Art. 824-bis c.p.c. im freien Schiedsverfahren ausdrücklich für unanwendbar. Der Schiedsspruch hat demnach nicht die Wirkung eines staatlichen Urteils, sondern bindet die Parteien ausschließlich auf schuldrechtlicher Ebene.243 Ihm kommt somit auch keine Titelwirkung zu, die sich nur im Wege des staatlichen Erkenntnisverfahrens herbeiführen lässt.244 Die in Artt. 827 ff. c.p.c. geregelten Rechtsbehelfe gelten ausschließlich im regelmäßigen Schiedsverfahren und können nicht (entsprechend) gegen einen Schiedsspruch im freien Schiedsverfahren eingelegt werden.245 Aufgrund der Rechtsnatur des freien Schiedsspruchs sind allein die Rechtsbehelfe statthaft, die gegen fehlerhafte Rechtsgeschäfte erhoben werden können, mithin die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (Art. 1421 f. c.c.) und die Anfechtungsklage (Artt. 1441–1446 c.c.).246 Die Anfechtungsklage unterliegt dabei der Fünfjahresfrist nach Art. 1442 Abs. 1 c.c, die Nichtigkeitsklage kann zeitlich unbegrenzt erhoben werden (Art. 1422 c.c.).247 Die sachliche und örtliche Zuständigkeit bestimmt sich gem. Art. 808-ter Abs. 1 c.p.c. nach den allgemeinen Regeln des ersten Buchs der Zivilprozessordnung. 241
Vgl. hierzu oben § 5 C. Vgl. hierzu oben § 9 D. II. 243 Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 118; vgl. auch oben § 9 D. I. 244 Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 206 f. 245 Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Ruffini/Boccagna/Porcelli, Dir. arb., Art. 827, Ziff. V, Rn. 2; Menchini/Bove, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 90 f.; wird gleichwohl ein Rechtsbehelf im Sinne von Art. 827 c.p.c. gegen einen freien Schiedsspruch eingelegt, muss er selbst dann als unzulässig abgewiesen werden, wenn irrtümlicherweise eine gerichtliche Vollstreckbarerklärung im Sinne von Art. 825 c.p.c. erwirkt wurde, vgl. Cass. civ., sez. I, 20.7.2006, n. 16718, Rep. Foro it. 2006, Stichwort „Arbitrato“ (n. 124). 246 Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Bertoldi, Dir. arb., Art. 808-ter, Ziff. X, Rn. 6; die Rechtsfolgen der Anfechtung können nach italienischem Recht – anders als in der deutschen Rechtsordnung – nicht durch rechtsgestaltende Erklärung der Parteien, sondern nur mithilfe der Anfechtungsklage durch das Gericht herbeigeführt werden, vgl. Kindler, Einf. it. Recht, § 9 Rn. 31. 247 Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 207. 242
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Nach überwiegender – wenn auch bereits vor der Reform nicht unumstrittener – Ansicht unterlag der freie Schiedsspruch auch in materiellrechtlicher Hinsicht den Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe des Zivilgesetzbuchs (Artt. 1418 ff. bzw. Artt. 1425 ff.).248 Zur Konkretisierung wurden in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Fallgruppen entwickelt, die im Wesentlichen vom Reformgesetzgeber aufgegriffen wurden und in Art. 808-ter Abs. 2 Nr. 1– 5 c.p.c. eine gesetzlicher Verankerung erhalten haben.249 Die Vorschrift regelt nach ihrem Wortlaut („il lodo contrattuale è annullabile“) lediglich die Anfechtungsgründe abschließend.250 Daneben unterliegt der Schiedsspruch nach verbreiteter Ansicht weiterhin den Nichtigkeitsgründen nach Art. 1418 c.c.251 Auf das freie Schiedsverfahren im Anwendungsbereich der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 ist schließlich Art. 36 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 jedenfalls insoweit nicht anwendbar, als die Norm die zwingende Überprüfbarkeit des Schiedsspruchs in der Sache vorschreibt.252 Aus der vertraglichen Natur des Schiedsspruchs folgt, dass die falsche Anwendung des materiellen Rechts durch die Schiedsrichter grundsätzlich als Fehlvorstellung über die Rechtslage unbeachtlich ist.253 Bei Verstößen gegen zwingendes Recht ist der Schiedsspruch nach Art. 1418 Abs. 1 c.c. nichtig. Wird das freie Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten zugelassen, ergeht – entgegen der gesetzlichen Konzeption nach Art. 2377 Abs. 7 c.c. – ein Schiedsspruch, der (schuldrechtlich) nur die Verfahrensparteien bindet.254 Das lässt sich in Kaufen nehmen, da der freie Schiedsspruch nur vertragliche Wirkung hat und demnach die materielle Rechtslage unverändert lässt. Rechtsgestaltende Wirkung lässt sich nach den dargestellten Grundsätzen nur im Wege eines späteren Verfahrens vor den staatlichen Gerichten erreichen, an dem die Mitgesellschafter beteiligt werden können.
248 Vgl. etwa Cass. civ., sez. I, 15.9.2004, n. 18577, Rep. Foro it. 2004, Stichwort „Arbitrato“ (n. 230); siehe zu den Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen von Rechtsgeschäften Kindler, Einf. it. Recht, § 9 Rn. 30 f. Andere Autoren plädierten dagegen schon vor der Reform 2006 für eine Annäherung an die Anfechtungsgründe des regelmäßigen Schiedsspruchs, vgl. etwa Fazzalari, L’arbitrato, S. 129 f. 249 Vgl. Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 206. 250 Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 207; Menchini/Bove, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 91 f. 251 Vgl. Carpi/Biavati, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 207; Menchini/Bove, Arbitrato, Art. 808-ter, Ziff. 5, S. 91 f.; Trib. Salerno, 14.9.2019, arbitratoinitalia.it; nach a.A. wurde mit Art. 808-ter c.p.c. über den Wortlaut hinaus ein eigenständiges Regime von Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen geschaffen, vgl. Alpa/Vigoriti/Alpa, Arbitrato, Teil I Kap. 4, S. 334 f. 252 Boggio, RDS 2007, Heft 4, 58, 63. 253 Cass. civ., sez. I, 19.1.2016, n. 813, Leggi d’Italia; Cass. civ., sez. II, 29.5.2013, n. 13418, Leggi d’Italia. 254 Vgl. hierzu bereits oben § 9 D. II.
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C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: Sicherstellung der gesellschaftsinternen Bindungswirkung des Schiedsspruchs Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein Schiedsverfahren über einen fehlerhaften Gesellschafterbeschluss in beiden untersuchten Rechtsordnungen mit einem Schiedsspruch beendet werden kann, der in Rechtskraft erwächst, die materielle Rechtslage ändert und sämtliche Gesellschafter – unabhängig von ihrer Beteiligung am konkreten Verfahren – sowie die Gesellschaft in zukünftigen Verfahren bindet. Während diese Lösung in Italien in Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003 eine gesetzliche Grundlage gefunden hat, muss in der deutschen Rechtsordnung weiter auf richterrechtliche Grundsätze des BGH zurückgegriffen werden. Aus diesem vordergründig formalen Unterschied ergeben sich indes weitreichende Konsequenzen. Die Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs auf alle Gesellschafter wird in der italienischen Rechtsordnung dadurch gerechtfertigt, dass den Betroffenen gesetzlich weitreichende Informations- und Mitwirkungsrechte eingeräumt werden. Einen solchen verfahrensrechtlichen Rahmen konnte der BGH nicht schaffen, ohne sich zu einem „Ersatzgesetzgeber“ aufzuschwingen.255 Infolge der Untätigkeit des Gesetzgebers sah das Gericht nur den Ausweg, die Aufgabe der Sicherstellung verfahrensrechtlicher Mindeststandards den Parteien beim Abfassen der Schiedsvereinbarung anzuvertrauen.256 Die Statthaftigkeit des Verfahrens steht und fällt folglich mit der ordnungsgemäßen Abfassung der Schiedsvereinbarung durch die Parteien, denen somit eine „Verfahrensschutzobliegenheit“ auferlegt wird. Kleinste Fehler führen zur Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung.257 Ergeht jedoch trotz Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung ein Schiedsspruch, bindet er nach überzeugender Auffassung gleichwohl alle Gesellschafter.258 Daran zeigt sich, dass der einmal in einem Beschlussmängelverfahren gesprochene Schiedsspruch sich in seiner Wirkung doch kaum von dem (regelmäßigen) Schiedsspruch nach italienischem Recht unterscheidet. Freilich können die infolge der fehlerhaften Schiedsklausel nicht beteiligten Gesellschafter nach deutschem Recht ein Aufhebungsverfahren anstreben. Dieselbe Möglichkeit steht aber auch in der italienischen Rechtsordnung den Gesellschaftern zu, die allerdings nur die Verletzung materieller Rechtspositionen rügen können.
255 Vgl. dazu die in der „Schiedsfähigkeit I“-Entscheidung formulierten Bedenken des Gerichts (BGH NJW 1996, 1753, 1754 ff.). 256 Vgl. hierzu oben § 8 B. I. 2. b). 257 Vgl. hierzu oben § 11 A. V. 258 Vgl. hierzu oben § 17 A. III. 1. b).
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§ 18 Zulässigkeit und Grenzen des Eilrechtsschutzes im Schiedsverfahren über Beschlussmängelstreitigkeiten § 18 Eilrechtsschutz
Von besonderer praktischer Relevanz ist schließlich die Frage nach einstweiligem Rechtsschutz im schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren. Häufig lässt sich das Rechtsschutzziel des klagenden Gesellschafters nämlich nur dann erreichen, wenn die Durchführung des Gesellschafterbeschlusses – bei eintragungspflichtigen Beschlüssen insbesondere die Eintragung im Handelsregister – unterbunden wird.259 A. Erfordernis der Vollziehbarerklärung nach deutschem Recht In einem Beschlussmängelverfahren vor den staatlichen Gerichten wird die Durchführung eines Gesellschafterbeschlusses einstweilig untersagt, wenn die Klage in der Hauptsache hinreichend Aussicht auf Erfolg hat und dem Kläger bei Durchführung des Beschlusses schwerwiegende Nachteile drohen (§ 940 ZPO).260 Unstatthaft ist die Nichtigerklärung des Beschlusses selbst, da dieser Maßnahme bereits rechtsgestaltende Wirkung zukäme, die im Hauptverfahren nicht rückgängig gemacht werden kann.261 Nach § 1033 ZPO schließt die schiedsgerichtliche Zuständigkeit nicht aus, dass vorläufige oder sichernde Maßnahmen von einem staatlichen Gericht angeordnet werden. Gem. § 1041 Abs. 1 ZPO kann aber auch das Schiedsgericht Eilrechtsschutz gewähren, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Auf den schiedsgerichtlichen Eilrechtsschutz finden §§ 915 ff. ZPO grundsätzlich entsprechend Anwendung.262 Zu ihrer Vollziehung bedarf die einstweilige Anordnung des Schiedsgerichts allerdings gem. § 1041 Abs. 2 S. 1 ZPO einer staatlichen Vollziehbarerklärung. Das gilt unabhängig von der Natur der Maßnahme; auch grundsätzlich selbstvollziehende gestaltende Maßnahmen – wie die Aussetzung der Wirkung des Gesellschafterbeschlusses – müssen vom Gericht für vollziehbar erklärt werden.263 Die Erwirkung schiedsgerichtlichen Eilrechtsschutzes kann sich da-
259 Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anhang § 47 Rn. 89; Mehrbrey/Bussian, HdB GesR Streitigkeiten, § 8 Rn. 340; Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1, 2 f. 260 Vgl. nur Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1, 2 f.; Großkomm AktG/Schmidt, § 246 Rn. 129; in Betracht kommt umgekehrt auch eine einstweilige Verfügung zur Beschlussvollziehung (in der AG ist das Freigabeverfahren nach § 246a AktG vorrangig), vgl. MünchKommZPO/Drescher, § 935 Rn. 48. 261 Liebscher/Alles, ZIP 2015, 1, 2; MünchKommZPO/Drescher, § 935 Rn. 48. 262 Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 623; Zöller/Geimer, ZPO, § 1041 Rn. 1. 263 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2893; Stein/Jonas/Schlosser, § 1041 Rn. 28.
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
her unter Umständen entgegen seinem Zweck als sehr zeitintensiv und uneffektiv erweisen.264 Eine einstweilige Aussetzung der Durchführung des Beschusses durch das Schiedsgericht ist daher – sofern das Schiedsgericht überhaupt schon konstituiert wurde – nur in Ausnahmefällen in Erwägung zu ziehen. B. Schiedsgerichtlicher Eilrechtschutz nach italienischem Recht Der einstweilige Rechtsschutz gegen Gesellschafterbeschlüsse in s.p.a. und s.r.l. ist in Art. 2378 Abs. 3 c.c. (i.V.m. Art. 2479-ter Abs. 4 c.c.) geregelt.265 Danach kann der Kläger beim Gericht die Aussetzung der Durchführung des Beschlusses beantragen. I. Eilrechtsschutz im allgemeinen Schiedsverfahren Nach Art. 818 c.p.c. können Schiedsrichter grundsätzlich keinen Arrest oder andere Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes treffen, sofern es nicht gesetzlich zugelassen ist.266 Auch bei Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung kann Eilrechtsschutz gem. Art. 669-quinquies c.p.c. grundsätzlich nur durch das staatliche Gericht gewährt werden, das in der Hauptsache zuständig wäre. Nach klassischem Verständnis folgt die fehlende Befugnis der Schiedsrichter zur Gewährung von Eilrechtsschutz daraus, dass sie nicht über Zwangsmittel zur Durchsetzung der Anordnungen verfügen.267 Eine einstweilige Maßnahme darf danach nur derjenige anordnen, der zugleich ihre Befolgung garantieren kann.268 Inzwischen wurde auf einigen Gebieten – implizit oder explizit – von diesem Grundsatz abgewichen.269 In ihrem Endbericht schlägt die ADR-Kommission270 zudem vor, in Abweichung von Art. 818 c.p.c. Eilrechtschutz in institutionellen Schiedsverfahren zu gewähren, sofern die Schiedsgerichtsordnung dies zulässt (Entwurf des Art. 832 Abs. 5 c.p.c.).271 Die Entscheidung des
264 Vgl. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2937; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, Rn. 620; Servatius/Rieder, Corporate Litigation, Rn. 619; MünchHdB GesR VII/Benedict/Gehle/Schmidt, § 146 Rn. 50. 265 Die Norm findet trotz ihrer systematischen Stellung gleichermaßen auf Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen Anwendung, vgl. Salafia, Società 2003, 1177, 1180 f.; Iannicelli, Profili processuali, S. 328. 266 Vgl. hierzu Kindler, It. Handels- und Wirtschaftsrecht, § 7 Rn. 127. 267 Biavati, Riv. arb. 2013, 329, 333; Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/ Boccagna/De Santis, Dir. arb., Art. 818, Ziff. II, Rn. 2 m.w.N. 268 Vgl. dazu Biavati, Riv. arb. 2013, 329, 333 f. 269 Vgl. zu den Ausnahmen Biavati, Riv. arb. 2013, 329, 334 ff. 270 Vgl. hierzu oben § 3 B. III. 3. 271 Kritisch zur Beschränkung auf institutionelle Schiedsverfahren Biavati, Giur. arb. 2017, 121, 122 f.
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Schiedsgerichts ist nach dem Entwurf nicht anfechtbar, bedarf jedoch gegebenenfalls der gerichtliche Vollstreckbarerklärung nach Art. 825 c.p.c.272 II. Eilrechtsschutz im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 1. Anordnung der Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses Die Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 enthält mit Art. 35 Abs. 5 eine Sonderregel über den Eilrechtsschutz im gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahren. Zunächst bestätigt die Vorschrift zwar auch im Anwendungsbereich der Verordnung den Grundsatz, dass Eilrechtsschutz gem. Art. 669-quinquies c.p.c. durch die staatlichen Gerichte zu gewähren ist. Falls die Schiedsklausel allerdings die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf das Schiedsgericht zulässt, haben die Schiedsrichter in Ausnahme zu Art. 818 c.p.c. die Möglichkeit, mittels unanfechtbaren Beschlusses die Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses anzuordnen („la sospensione dell’efficacia della delibera“). Damit entspricht der schiedsgerichtliche Eilrechtsschutz auf diesem Gebiet in etwa den Befugnissen, die dem staatlichen Richter in Art. 2378 Abs. 3 c.c. eingeräumt werden.273 Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 stellt nach seinem Wortlaut („sempre“) eine unabdingbare Vorschrift dar, sodass die Gesellschafter den Schiedsrichtern die Befugnis zur Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses nicht entziehen können, sobald Beschlussmängelstreitigkeiten von der Schiedsvereinbarung erfasst sind.274 Die Vorschrift findet gleichermaßen auf schiedsgerichtliche Anfechtungsund Nichtigkeitsklagen Anwendung.275 Auch in Personengesellschaften, die in den Anwendungsbereich der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 fallen,276 können die Schiedsrichter die Aussetzung des Gesellschafterbeschlusses anordnen.277 Die Schiedsrichter müssen eine Abwägung zwischen dem Interesse des klagenden Gesellschafters an der Aussetzung der Durchführung und dem Interesse der Gesellschaft an der sofortigen Durchführung des Gesellschafterbeschlusses vornehmen.278
272
Biavati, Giur. arb. 2017, 121, 123. Vgl. E.F. Ricci, Riv. trim. dir. proc. civ. 2003, 517, 532. 274 Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 267. 275 Villa, Arbitrato rituale e sospensione delle decisioni sociali, S. 92 ff. 276 Vgl. hierzu oben § 9 A. II. 2. 277 Villa, Arbitrato rituale e sospensione delle decisioni sociali, S. 115 ff.; D’Alessandro/ Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 8, S. 314; Dalmotto, L’arbitrato nelle società, S. 269 f.; a.A. Trib. Trento, 14.2.2004, Riv. arb. 2004, 737. 278 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1298. 273
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2. Teilweise konkurrierende Zuständigkeit von Schiedsgericht und staatlichen Gerichten Von hoher praktischer Relevanz ist die Frage, ob Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 bei Vorliegen einer (wirksamen) Schiedsvereinbarung die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Erlass von Eilmaßnahmen in Beschlussmängelverfahren anordnet, oder ob daneben nach Art. 669-quinquies c.p.c. auch das (hypothetisch zuständige) staatliche Gericht angerufen werden kann. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn dem Kläger bei (weiterer) Durchführung des Beschlusses schwerwiegende Nachteile drohen, das Schiedsgericht, das nach Art. 35 Abs. 5 der Gesetzesverordnung Eilrechtsschutz gewähren könnte, aber noch nicht gebildet bzw. noch nicht handlungsfähig ist. Teilweise wird vertreten, dass die besondere Eilmaßnahme des Art. 35 Abs. 5 bei Vorliegen einer Schiedsklausel immer nur durch das Schiedsgericht angeordnet werden könne und die Zuständigkeit des Landgerichts nach Art. 2378 c.c. gänzlich verdrängt werde.279 Für die Annahme der alleinigen Zuständigkeit des Schiedsgerichts wird der Wortlaut der Vorschrift angeführt, wonach den Schiedsrichtern bei Beschlussmängelverfahren immer („sempre“) die Aussetzung anordnen können.280 Die gemeinsame Zuständigkeit von staatlichem Gericht und Schiedsgericht bringe außerdem die Gefahr der Anordnung widersprüchlicher Eilmaßnahmen mit sich und sei schon daher auszuschließen.281 Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass das staatliche Gericht nicht erst gebildet werden muss und dem Kläger bei ausschließlicher Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Zeitraum bis zu dessen Konstituierung jeglicher Rechtsschutz entzogen wäre.282 Aus diesem Grund erscheint es vorzugswürdig, die Gewährung staatlichen Eilrechtsschutzes jedenfalls im Zeitraum zwischen Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens und Bildung des Schiedsgerichts zuzulassen.283 Nur so lässt sich vermeiden, dass ein (Minderheits-)Gesellschafter
279 Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 590 f.; Iannicelli, Profili processuali, S. 395 f.; Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7.4., S. 1247; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 8, S. 315; Trib. Catania, 14.10.2005, Giur. it. 2006, 1475; Trib. Napoli, 10.11.2014, Giur. it. 2015, 1960. 280 Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 590. 281 Danovi, Dir. giur. 2004, 561, 590 f.; Iannicelli, Profili processuali, S. 396; Chiarloni/ Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7.4., S. 1247; D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 8, S. 315. 282 Dazu jüngst Trib. Milano, 7.3.2018, Società 2018, 996, 997; Trib. Roma, 22.4.2018, Riv. arb. 2019, 99, 101 f.; vgl. auch Bove, Giustizia privata, S. 352; Villa, Arbitrato rituale e sospensione delle decisioni sociali, S. 187. 283 Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 724 f.; Ruffini, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 495, 529; Alpa/Vigoriti/Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1187; Trib. Napoli, 6.2.2012, Società 2012, 563; Trib. Napoli, 30.9.2005, Foro it. 2006, I, 2246, 2252.
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schutzlos gestellt wird.284 Ab dem Zeitpunkt der Bildung des Schiedsgerichts kann nach überwiegender Auffassung nur noch das Schiedsgericht die Aussetzung des Gesellschafterbeschlusses anordnen; ein Antrag zum staatlichen Gericht wäre insoweit unzulässig.285 Voraussetzung ist freilich, dass die Schiedsrichter nicht nur benannt wurden, sondern das Schiedsgericht auch voll handlungsfähig ist.286 3. Wirkung der schiedsgerichtlichen Eilmaßnahme Der schiedsgerichtliche Beschluss, durch den die Aussetzung der Durchführung des Gesellschafterbeschlusses angeordnet wird, wirkt unmittelbar auf materiellrechtlicher Ebene, sodass der Gesellschafterbeschluss automatisch keine juristische Wirkung mehr entfaltet.287 Insoweit handelt es sich um eine selbstvollziehende Maßnahme, die keiner Mitwirkung der staatlichen Gerichte bedarf.288 Probleme ergeben sich dann, wenn gleichwohl mit der Durchführung des Beschlusses fortgefahren wird, da das Schiedsgericht keine weiterreichenden Maßnahmen anordnen kann. In diesem Fall kann der klagende Gesellschafter das staatliche Gericht anrufen, damit gem. 700 c.p.c. geeignete Zwangsmaßnahmen angeordnet werden.289 Dabei ist das Gericht strikt an die schiedsgerichtliche Anordnung gebunden, die weder überprüft, noch abgeändert werden kann.290 Die einstweilige Entscheidung des Schiedsgerichts über die Aussetzung der Wirkung des Gesellschafterbeschlusses ist gem. Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 284 Das Tribunale di Roma hat jüngst befunden, dass die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte in diesem Zeitraum schon mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes geboten sei, Trib. Roma, 16.4.2018, Società 2018, 998. 285 Ferrari, Società 2018, 998, 1001; Villa, Arbitrato rituale e sospensione delle decisioni sociali, S. 191; Trib. Napoli, 8.3.2010, Società 2010, 1510; Trib. Milano, 17.3.2009, Riv. arb. 2009, 311; Trib. Napoli, 30.9.2005, Foro it. 2006, I, 2246, 2252; a.A. Trib. Roma, 22.4.2018, Riv. arb. 2019, 99, 102 (konkurrierende Zuständigkeit der staatlichen Gerichte auch nach Bildung des Schiedsgerichts), kritisch dazu Tota, Riv. arb. 2019, 103, 105 ff. 286 In dem der erwähnten Entscheidung des Tribunale di Milano zugrundeliegenden Fall waren die Schiedsrichter zwar schon ernannt. Nach der anwendbaren Schiedsgerichtsordnung der Camera Arbitrale di Milano müssen sie innerhalb von zehn Tagen aber ihrer Ernennung eine Unabhängigkeitserklärung bei der Geschäftsstelle hinterlegen. Die Geschäftsstellt übermittelt die Erklärung den Parteien, die innerhalb der folgenden zehn Tage Anmerkungen machen können. Da dieser Vorgang noch nicht abgeschlossen war, erklärte sich das Landgericht für zuständig, vgl. Trib. Milano, 7.3.2018, Società 2018, 996, 997. 287 Villa, Arbitrato rituale e sospensione delle decisioni sociali, S. 173. 288 Carpi/Taruffo/Zucconi Galli Fonseca, c.p.c., Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. VII, Rn. 13; Carpi/Biavati, Arbitrati speciali, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 8, S. 168; vor diesem Hintergrund wird auch vertreten, dass es sich bei Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 um keine echte Eilmaßnahme handelt und folglich auch in der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 nicht vom Grundsatz des Art. 818 c.p.c. abgewichen wird, wonach Schiedsrichter keinen Eilrechtsschutz gewähren können, vgl. Auletta, Società 2018, 1296, 1298 f. 289 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 8, S. 316. 290 Chiarloni/Nela, processo societario, Art. 35 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. 7.4., S. 1249.
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
unanfechtbar („ordinanza non reclamabile“). Durch den Ausschluss von Rechtsbehelfen soll die Effektivität der schiedsgerichtlichen Maßnahme gestärkt werden; eine zeitintensive Überprüfung durch das staatliche Gericht wird ausgeschlossen.291 Ebenso wie der Schiedsspruch selbst, muss auch die Aussetzung des Gesellschafterbeschlusses nach Art. 35 Abs. 5-bis d.lgs. n. 5/2003 auf Veranlassung der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen werden. 4. Schicksal der Maßnahme bei Fortführung des Verfahrens vor einem staatlichen Gericht Eine vor der falschen Gerichtsbarkeit erhobene Beschlussmängelklage kann heute zulässigerweise unter Aufrechterhaltung der Wirkungen der ursprünglichen Klage vor dem zuständigen staatlichen Gericht bzw. dem Schiedsgericht fortgeführt werden.292 Hat das zunächst mit der Sache betraute Gericht bereits durch einstweilige Verfügung die Wirkung des Gesellschafterbeschlusses ausgesetzt, stellt sich die Frage, ob diese Maßnahme bei Fortführung des Verfahrens vor dem zuständigen Schiedsgericht bzw. dem zuständigen staatlichen Gericht fortwirkt.293 Die Aufrechterhaltung der Eilmaßnahme des staatlichen Gerichts ergibt sich schon daraus, dass dieses – zumindest nach überwiegender Auffassung – auch bei eindeutiger Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bis zum Zeitpunkt dessen Konstituierung Eilmaßnahmen aussprechen kann.294 Aber auch im umgekehrten Fall, dass ein Schiedsverfahren vor dem staatlichen Gericht fortgeführt wird, soll die schiedsgerichtliche Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses fortwirken.295 Die Befugnis des Schiedsrichters zur Anordnung dieser Eilmaßnahme ist schließlich nicht an das Vorliegen aller Sachurteilsvoraussetzungen geknüpft, sondern folgt aus der bloßen Anhängigkeit des Beschlussmängelverfahrens.296 Dem staatlichen Gericht bleibt es freilich unbenommen, die schiedsgerichtliche Anordnung gem. Art. 669-decies Abs. 1 c.p.c. abzuändern oder zu widerrufen.297
291 D’Alessandro/Cabras, comm. romano (Vol. 1), Art. 35, Ziff. 8, S. 316; Alpa/Vigoriti/ Dalmotto, Arbitrato, Teil VII Kap. 1, S. 1183; das Fehlen von Rechtsbehelfen hat indes Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hervorgerufen, vgl. etwa Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 725. 292 Vgl. hierzu oben § 15 B. 293 Vgl. Consolo, Corr. giur. 2013, 1109, 1112. 294 Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2014, 384, 391 f.; Consolo, Corr. giur. 2013, 1109, 1112. 295 Salvaneschi, Riv. dir. proc. 2014, 384, 392; Bove, Giustizia privata, S. 354. 296 Bove, Giustizia privata, S. 354. 297 Bove, Giustizia privata, S. 354.
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III. Eilrechtsschutz im freien Schiedsverfahren Nach älterer Rechtsprechung bestand bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung über ein sogenanntes freies Schiedsverfahren298 nicht die Möglichkeit, Eilrechtsschutz vor einem staatlichen Gericht zu suchen.299 In Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 wurde erstmals gesetzlich zugelassen, dass staatlicher Eilrechtsschutz auch neben einem freien Schiedsverfahren gesucht werden kann. Inzwischen liegt hier aber keine Besonderheit des gesellschaftsrechtlichen Schiedsverfahrens mehr vor, da Art. 669-quinquies c.p.c. nun dieselbe Regelung für das allgemeine (freie) Schiedsverfahren enthält. Sofern die Beilegung von Beschlussmängelstreitigkeiten im Rahmen des sogenannten freien Schiedsverfahrens überhaupt für statthaft gehalten wird,300 stellt sich die Frage, ob auch in diesem Verfahren die einstweilige Aufhebung der Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses angeordnet werden kann. Der Wortlaut der Norm gibt hierauf keine Antwort, da nicht zwischen freiem und regelmäßigem Schiedsverfahren differenziert wird. Gleichwohl spricht vieles gegen die Befugnis zur Gewährung von Eilrechtsschutz im Rahmen des freien Schiedsverfahrens. Die Befugnis zur Anordnung der Eilmaßnahme wird als Ausdruck der Ausübung echter Gerichtsbarkeit durch die (regelmäßige) Schiedsgerichtsbarkeit gesehen.301 Das freie Schiedsgericht hat keine vergleichbare Stellung inne, sondern handelt auf rein schuldrechtlicher Ebene.302 Die Anordnung einer Maßnahme im Sinne von Art. 35 Abs. 5 d.lgs. n. 5/2003 ist folglich mit der Natur des freien Schiedsverfahrens unvereinbar.303 C. Rechtsvergleichendes Zwischenfazit: (Un-)Entbehrlichkeit der Mitwirkung staatlicher Gerichte am schiedsgerichtlichen Eilrechtsschutz Im Ergebnis ist festzuhalten, dass dem Schiedsgericht bei einem Beschlussmängelverfahren nach deutschem Recht zwar die gesamte Bandbreite an Eilmaßnahmen offensteht, seine Anordnungen aber nur durch Mithilfe eines staatlichen Gerichts Wirkung entfalten können. Umgekehrt kann der Schiedsrichter in einem Verfahren nach italienischem Recht nur eine gezielte Maßnahme anordnen, namentlich die Aussetzung der Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses, die aber unmittelbar (ohne staatliche Hilfe) auf materiellrechtlicher Ebene Wirkung entfaltet und nicht vor einem staatlichen Gericht angegriffen 298
Vgl. zum freien Schiedsverfahren oben § 9 D. I. Vgl. etwa Trib. Catania, 13.9.1999, Giur. comm. 2000, II, 507; Trib. Napoli, 7.8.1997, Giur. it. 1998, 2070. 300 Vgl. hierzu oben § 9 D. II. 2. 301 Corsini, Giur. it. 2003, 1285, 1297. 302 Vgl. hierzu oben § 9 D. I. 303 Benedettelli/Consolo/Radicati di Brozolo/Boccagna/Izzo, Dir. arb., Art. 35–36 d.lgs. n. 5/2003, Ziff. IX, Rn. 8; Capo/Cassano/Freni/Del Regno, Arbitrato, Kap. XIII, S.652; a.A. wohl Luiso, Riv. dir. proc. 2003, 705, 723. 299
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Kapitel 5: Durchführung des Schiedsverfahrens
werden kann. Für weitergehende Maßnahmen – etwa wenn die Geschäftsführer trotz Aussetzung der Wirksamkeit die Durchführung des Beschlusses fortsetzt – müssen sich die Gesellschafter auch in einem italienischen Schiedsverfahren an das staatliche Gericht wenden. Somit führt die italienische Lösung nur dann zu einem Zeit- (und Kosten-) Ersparnis, wenn sich die Beteiligten auch tatsächlich an die Anordnung halten.
Kapitel 6
Rechtsvergleichende Schlussbewertung: Plädoyer für eine Kodifikation der Verfahrensrechte Dritter im schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren Im Folgenden sollen die oben in ausführlicher Darstellung gewonnenen Ergebnisse in einer Gesamtbetrachtung auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht und abschließend bewertet werden. Abschließend bleibt darzulegen, weshalb und inwieweit eine Kodifikation des schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahrens am Vorbild der Regelungen der italienischen Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren in der deutschen Rechtsordnung gewinnbringend wäre.
§ 19 Gemeinsame Grundlagen: Qualifikation der Schiedsgerichtsbarkeit, sachrechtlicher Hintergrund und Wirkung des Schiedsspruchs § 19 Gemeinsame Grundlagen
Die dogmatische Qualifikation der Schiedsgerichtsbarkeit weicht zumindest seit jüngerer Zeit in den beiden untersuchten Rechtsordnungen nicht mehr wesentlich voneinander ab. Da inzwischen sowohl in Deutschland als auch in Italien anerkannt ist, dass das Schiedsverfahren eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Wesentlichen gleichwertige Streitbeilegungsmethode darstellt, besteht hier ein gemeinsamer Ausgangspunkt.1 Auch die sachrechtliche Ausgangslage der Problemstellung der Arbeit, der schiedsgerichtlichen Beilegung von gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelstreitigkeiten, unterscheidet sich in weiten Teilen nur unwesentlich. Dies gilt in besonderem Maße im Recht der Kapitalgesellschaften. Hier ist beiden Rechtsordnungen die Unterscheidung zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen bekannt. In prozessualer Hinsicht sind Mängel durch Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen die Gesellschaft geltend zu machen. Das Urteil bindet alle Gesellschafter unabhängig davon, ob sie am Verfahren teilgenommen haben.2
1 2
Vgl. hierzu oben § 4. Vgl. hierzu oben § 6.
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
Ebenso kann heute in beiden untersuchten Rechtsordnungen im schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahren ein verbindlicher Schiedsspruch ergehen, dessen Rechtskraft nicht nur die am Verfahren beteiligten Gesellschafter und die Gesellschaft bindet, sondern sich darüber hinaus auf sämtliche Mitglieder der Gesellschaft erstreckt.3
§ 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren nach deutschem und italienischem Recht § 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren
A. Grundsätzliche Schiedsfähigkeit des innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreits Im Ergebnis wird die zentrale Frage nach der Statthaftigkeit einer schiedsgerichtlichen Entscheidung über innergesellschaftliche Beschlussmängelstreitigkeiten in beiden Ländern überwiegend positiv beantwortet. Im Einzelnen verbleiben hier dennoch Unterschiede. Zurückführen lässt sich das auf die Kriterien, die nach deutschem und italienischem Schiedsverfahrensrecht zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit heranzuziehen sind. In der deutschen Rechtsordnung setzt die Schiedsfähigkeit einer Streitigkeit lediglich voraus, dass über einen vermögensrechtlichen Anspruch entschieden werden soll (§ 1030 ZPO). Innergesellschaftliche Streitigkeiten lassen sich regelmäßig unter dieses Merkmal fassen.4 Nach italienischem Zivilverfahrensrecht wird dagegen zur Bestimmung der Schiedsfähigkeit nach wie vor auf die Verfügbarkeit der in Rede stehenden Rechtsverhältnisse abgestellt (Art. 806 c.p.c. bzw. Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003).5 Über die Anwendung dieses Merkmals auf Beschlussmängelstreitigkeiten konnte sich in italienischer Rechtsprechung und Literatur bis heute keine einheitliche Linie herausbilden, sodass eine Vielzahl verschiedener Theorien existiert, die im Einzelfall zur Konkretisierung herangezogen werden.6 Entschärft wird dieses Problem zumindest aus praktischer Sicht dadurch, dass sämtliche Theorien in den meisten Fällen zum gleichen Ergebnis gelangen: der unbedingten Schiedsfähigkeit des Beschlussmängelstreits. In Einzelfällen besteht aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung gleichwohl bis heute Unsicherheit.7
3
Vgl. hierzu oben § 17. Vgl. hierzu oben § 8 A. II. 5 Vgl. hierzu oben § 9 B. I. 6 Vgl. zu den verschiedenen Theorien im Einzelnen oben § 9 C. II. 7 Dies gilt in erster Linie für die Anfechtung der Feststellung des Jahresabschlusses, vgl. oben § 9 E. I. sowie für Nachweise aus der (uneinheitlichen) Rechtsprechung Kap. 3 Fn. 295. 4
§ 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren
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B. Unterscheidung nach der konkreten Gesellschaftsform: (teilweiser) Ausschluss der Aktiengesellschaften Unterschiede bestehen teilweise (noch) im Hinblick auf die Gesellschaftsformen, in denen statthafterweise ein Schiedsverfahren zur Beilegung der innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreitigkeiten durchgeführt werden kann. In Personengesellschaften und der GmbH bzw. s.r.l. sind entsprechende Schiedsvereinbarungen nach allgemeiner Ansicht bzw. geltendem Recht (Italien) zulässig. Komplizierter stellt sich die Lage in deutschen und italienischen Aktiengesellschaften dar. Nach wohl (noch) überwiegender Ansicht steht zumindest einer satzungsmäßigen Schiedsklausel in der deutschen AG der Grundsatz der Satzungsstrenge entgegen. Selbst wenn hierin vorzugswürdigerweise kein Hindernis gesehen wird, müssen doch die Mindestanforderungen des BGH an wirksame Schiedsklauseln über Beschlussmängelstreitigkeiten auch im Aktienrecht Anwendung finden. Dort stellen sie aber nach verbreiteter Auffassung – jedenfalls in offenen Aktiengesellschaften – ein kaum zu überwindendes Hindernis dar.8 Freilich könnte diese Hürde durch eine entsprechende Anpassung der Gleichwertigkeitskautelen auch in börsennotierten Aktiengesellschaften überwunden werden.9 Anders beurteilt sich die Lage in Aktiengesellschaften nach italienischem Recht. Hier sind Schiedsvereinbarungen gesetzlich zugelassen und längst in der Praxis weit verbreitet. Hinsichtlich der Aktiengesellschaften ergeben sich in der italienischen Rechtsordnung keine rechtsformspezifischen Besonderheiten, da der Grundsatz der Satzungsstrenge dem italienischen Aktienrecht fremd ist und die Verfahrensgarantien Dritter bereits gesetzlich derart ausgeformt sind, dass sie auf alle Gesellschaftsformen gleichermaßen Anwendung finden können. Bemerkenswert ist aber, dass auch nach italienischem Recht seit Erlass der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 große (börsennotierte) Aktiengesellschaften aus Gründen des Anlegerschutzes vom Anwendungsbereich des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrensrechts ausgenommen sind. Den Aktionären ist der Weg zu den Schiedsgerichten zur Beilegung innergesellschaftlicher Streitigkeiten verschlossen.10
8
Vgl. hierzu oben § 8 B. II. Nach Jessica Schmidt sind die Gleichwertigkeitskautelen des BGH „mit geringfügigen rechtsformspezifischen Modifikationen“ auf die Aktiengesellschaft zu übertragen, vgl. die Thesen zum Referat von Jessica Schmidt, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 128 ff. 10 Vgl. zur Definition der ausgeschlossenen Aktiengesellschaften oben § 9 A. II. 1. 9
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
C. Inhaltliche Anforderungen an rechtswirksame Schiedsvereinbarungen Auch die Anforderungen, die in inhaltlicher Hinsicht an rechtswirksame Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten gestellt werden, unterscheiden sich nach deutschem und italienischem Recht zum Teil stark. In der italienischen Rechtsordnung finden sich zu diesen Fragen präzise Regelungen in der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003, die einheitlich auf sämtliche (erfasste) Gesellschaftsformen Anwendung finden. In der deutschen Rechtsordnung ergeben sich die Anforderungen dagegen in erster Linie aus richterrechtlichen Grundsätzen. Zudem muss zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften unterschieden werden: die inhaltlichen Anforderungen an Schiedsvereinbarungen über Beschlussmängelstreitigkeiten gelten – jedenfalls nach traditioneller Auffassung11 – grundsätzlich nur für letztere. Zum zwingenden Mindestinhalt einer entsprechenden Schiedsvereinbarung zählen nach den Grundsätzen des BGH verschiedene Verfahrensgarantien zugunsten unbeteiligter Gesellschafter, die von der Rechtskraft des Schiedsspruchs erfasst werden (sollen), namentlich das Informationsgebot, die Einräumung von Mitwirkungsrechten an der Schiedsrichterbenennung und am Verfahren, sowie die Verfahrenskonzentration verschiedener Beschlussmängelklagen vor einem Schiedsgericht.12 All diese Vorgaben müssen bereits zwingend in der Schiedsvereinbarung enthalten sein, die anderenfalls nach § 138 BGB nichtig ist.13 Entsprechende Schwierigkeiten stellen sich in der italienischen Rechtsordnung nicht: da die Verfahrensrechte unbeteiligter Gesellschafter bereits gesetzlich gesichert sind, wäre es überflüssig, sie in der Schiedsvereinbarung zu wiederholen. Gleichwohl findet sich auch im italienischen (innergesellschaftlichen) Schiedsverfahrensrecht eine inhaltliche Vorgabe, die im Einzelfall zur Undurchführbarkeit des Schiedsverfahrens führen kann: nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 muss die Schiedsrichterbenennung in der Schiedsklausel einem außenstehenden Dritten übertragen werden.14 Den Gesellschaftern darf nicht die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Bildung des Schiedsgerichts eingeräumt werden. Ein Verstoß führt – ebenso wie die Nichtbeachtung der Gleichwertigkeitskautelen im deutschen Recht – zur unheilbaren Nichtigkeit der Schiedsklausel. Diese Bestimmung ist dem deutschen Schiedsverfahrens-
11 Unsicherheit hat eine jüngere Entscheidung des I. Zivilsenats des BGH hervorgerufen, wonach die inhaltlichen Anforderungen „jedenfalls im Grundsatz auch für Personengesellschaften wie Kommanditgesellschaften [gelten], sofern bei diesen gegenüber Kapitalgesellschaften keine Abweichungen geboten sind“, BGH NJW-RR 2017, 876 Rn. 26. Inwieweit sich daraus tatsächliche Änderungen ergeben, bleibt aber unklar, vgl. dazu oben § 11 B. IV. 12 Vgl. dazu im Einzelnen oben § 11 A. IV. 13 Vgl. zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Mindeststandards oben § 11 A. V. 14 Vgl. dazu oben § 12 A. IV.
§ 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren
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recht wiederum fremd. Allerdings taucht die hinter dieser Vorschrift des italienischen Schiedsverfahrensrechts stehende Wertungsentscheidung15 auch in der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung des BGH auf. Danach kann auf eine Beteiligung sämtlicher Gesellschafter an der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter dann verzichtet werden, wenn die Auswahl durch eine neutrale Stelle erfolgt.16 D. Neueinführung einer Schiedsvereinbarung und persönliche Reichweite Die formellen Anforderungen, die nach deutschem und italienischem Recht an Schiedsvereinbarungen über innergesellschaftliche Beschlussmängelstreitigkeiten gestellt werden, weichen zum Teil stark voneinander ab. Dies zeigt sich primär bei der Frage nach der Bindung an die Schiedsvereinbarung von Gesellschaftern, die erst später in die Gesellschaft aufgenommen werden. Zur Bestimmung der persönlichen Reichweite der Schiedsvereinbarung bei Aufnahme neuer Gesellschafter muss in der deutschen Rechtsordnung zwischen Kapital- und Personengesellschaften unterschieden werden. Zumindest in Personengesellschaften mit Verbraucherbeteiligung wird aufgrund der Formvorschrift des § 1031 ZPO ein gesonderter Beitritt des Gesellschafters zur Schiedsvereinbarung verlangt.17 In Kapitalgesellschaften ergibt sich die Bindung aller Gesellschafter hingegen aus § 1066 ZPO, da satzungsmäßige Schiedsklauseln hier überwiegend als einseitige Verfügung i.S.v. § 1066 ZPO eingeordnet werden.18 Eine vergleichbare Rechtslage konnte im italienischen Schiedsverfahrensrecht im Rahmen der Einführung der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 erreicht werden, ohne dass dabei allerdings nach der konkreten Gesellschaftsform unterschieden werden muss. Gem. Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003 bindet die gesellschaftsvertragliche Schiedsklausel in sämtlichen Gesellschaftsformen ausdrücklich alle Mitglieder allein aufgrund ihrer Gesellschafterstellung.19 Aber auch bei der Neueinführung einer Schiedsklausel in eine bereits gegründete Gesellschaft konnten im Hinblick auf die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse Unterschiede zwischen den untersuchten Rechtsordnungen festgestellt werden. Nach den Grundsätzen des BGH bedarf die Neueinführung einer Schiedsvereinbarung jedenfalls insoweit der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter als Beschlussmängelstreitigkeiten erfasst werden sollen.20 Dies gilt auch dann, wenn eine Änderung des Gesellschaftsvertrags nach gesetzlichen bzw. gesellschaftsvertraglichen Regelungen unter niedrigeren Anforderungen 15
Vgl. dazu oben § 12 A. IV. 1. BGH NJW 2009, 1962 Rn. 20; vgl. dazu oben § 11 A. IV. 2. a). 17 Vgl. hierzu oben § 11 B. III. 18 Vgl. hierzu oben § 11 A. II. 1. 19 Vgl. hierzu oben § 12 A. I. 1. 20 Vgl. hierzu oben § 11 A. III. 3. a). 16
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
möglich wäre. Nach italienischem Schiedsverfahrensrecht bedarf ein Beschluss über die Neueinführung einer Schiedsklausel in den Gesellschaftsvertrag hingegen – unabhängig von der Gesellschaftsform – lediglich der qualifizierten Mehrheit.21 Dissidierende Gesellschafter erhalten das Recht, aus der Gesellschaft auszutreten. E. Ablauf des Schiedsverfahrens über einen Beschlussmängelstreit Die Besonderheiten des Ablaufs eines schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahrens ergeben sich in der deutschen Rechtsordnung vor allem aus den in der Schiedsvereinbarung umzusetzenden Gleichwertigkeitskautelen des BGH. Im italienischen Schiedsverfahrensrecht sind hingegen seit Einführung der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 einige Abweichungen vom allgemeinen Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung nunmehr gesetzlich geregelt. Abgesehen vom Regelungsort der (besonderen) Verfahrensanforderungen (Richterrecht vs. Gesetzesverordnung) bestehen auch inhaltliche Unterschiede bei der konkreten Ausgestaltung der Verfahrensgarantien. Nach der Schiedsklausel über innergesellschaftliche Beschlussmängelstreitigkeiten, die den Gleichwertigkeitsanforderungen des BGH entspricht, müssen alle Mitgesellschafter – in der Regel durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft – über die Einleitung eines Schiedsverfahrens informiert werden.22 In der italienischen Rechtsordnung wird der Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gem. Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003 im Handelsregister veröffentlicht.23 Somit haben sämtliche Gesellschafter jedenfalls die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme. Eine darüberhinausgehende Information der Mitgesellschafter ist nicht vorgesehen. Diese Lösung ist sicherlich weniger fehleranfällig als die Umsetzung der Anforderungen des BGH, die sich gerade in größeren Gesellschaften in der Praxis als schwierig erweisen kann. Auf der anderen Seite wird die tatsächliche Kenntnisnahme der Gesellschafter von der Verfahrenseinleitung nicht in gleichem Maße gewährleistet. Hinzu kommt, dass die Veröffentlichung des Antrags im Handelsregister aufgrund fehlender Sanktionen in der Praxis oft unterbleibt, um die Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens zu schützen.24 Die Kenntnisnahme der Gesellschafter von der Verfahrenseinleitung ist essentiell, da sie auf diese Weise in die Lage versetzt werden, sich am weiteren Verfahren zu beteiligen. Nach den Mindeststandards des BGH erhalten alle Gesellschafter die Möglichkeit, an der Konstituierung des Schiedsgerichts teilzunehmen, entweder durch Benennung eines eigenen Schiedsrichters oder – sofern zulässig – durch Teilnahme an der Abstimmung über die Wahl 21
Vgl. hierzu oben § 12 A. II. 2. Vgl. hierzu oben § 14 A. I. 23 Vgl. hierzu oben § 14 B. I. 24 Vgl. hierzu oben § 14 B. I. 22
§ 20 Unterschiede im innergesellschaftlichen Schiedsverfahren
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des Schiedsrichters auf ihrer Seite des Verfahrens.25 Unabhängig davon haben alle Mitgesellschafter das Recht, dem eigentlichen Schiedsverfahren über den Beschlussmängelstreit beizutreten.26 Im italienischen Schiedsverfahrensrecht stellt sich die Frage nach der Beteiligung der Mitgesellschafter an der Schiedsrichterbenennung nicht. Wie gesehen müssen bei einem innergesellschaftlichen Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 sämtliche Schiedsrichter durch einen neutralen Dritten benannt werden.27 Für die Verfahrensparteien besteht hier keine Möglichkeit der Einflussnahme. Dem Schiedsverfahren selbst können die Mitgesellschafter nach Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003 auch ohne Zustimmung der ursprünglichen Verfahrensparteien bis zum Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung beitreten.28 Um schließlich die Konzentration sämtlicher Beschlussmängelklagen vor einem Schiedsgericht sicherzustellen, entfaltet der erste Antrag nach der Rechtsprechung des BGH Sperrwirkung für spätere Anträge. Somit ist für sämtliche Klagen ausschließlich das Schiedsgericht des ersten Antrags zuständig.29 Eine entsprechende Regelung findet sich in den italienischen Vorschriften über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 nicht. Aber auch in der italienischen Lehre wurde die Notwendigkeit gesehen, alle Klagen über denselben Beschluss vor einem Schiedsgericht zu verhandeln, um widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern. Abhilfe schafft die Art der Schiedsrichterbenennung. Der außenstehende Dritte, der nach der Schiedsklausel mit der Schiedsrichterbenennung betraut wird, hat die Pflicht, für spätere Anträge, die sich gegen einen bereits angegriffenen Beschluss richten, dasselbe Schiedsgericht zu benennen, um eine Zusammenlegung der Verfahren zu ermöglichen.30 Unterschiedlich beantwortet wird schließlich auch die Frage, ob durch Klageerhebung vor dem unzuständigen Schiedsgericht (bei unwirksamer Schiedsklausel) bzw. dem unzuständigen staatlichen Gericht (bei wirksamer Schiedsklausel) die Frist zur Geltendmachung von Beschlussmängeln gewahrt werden kann.31 Im deutschen Schiedsverfahrensrecht wird zwar überwiegend von der fristwahrenden Wirkung der Schiedsklage bei Unwirksamkeit der Schiedsklausel ausgegangen. Da es aber an einer gesetzlichen Verankerung fehlt, ist diese Ansicht nicht unumstritten. In der italienischen Rechtsordnung wird hingegen seit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von 2013 das Rechtsinstitut der Verweisung unter Aufrechterhaltung der Wirkung der ursprünglichen Klage zwischen Schiedsgericht und staatlicher Gerichtsbarkeit angewendet. 25
Vgl. hierzu oben § 14 A. II. Vgl. hierzu oben § 16 A. 27 Vgl. hierzu oben § 14 B. II. 2. 28 Vgl. hierzu oben § 16 B. 29 Vgl. hierzu oben § 14 A. III. 30 Vgl. hierzu oben § 14 B. III. 31 Vgl. hierzu oben § 15. 26
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
Der Vorteil dieser Lösung liegt auf der Hand: im Einzelfall kann es – auch vor dem Hintergrund der „Schiedsfähigkeit“-Rechtsprechung des BGH – schwierig sein, die Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung zu beurteilen. Es wäre unbillig, diese Unsicherheiten einseitig dem klagenden Gesellschafter aufzubürden. Eilrechtsschutz gegen fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse können die Schiedsrichter in beiden Rechtsordnungen gewähren.32 Nach deutschem Schiedsverfahrensrecht bedarf die Eilmaßnahme allerdings immer einer staatlichen Vollziehbarerklärung. Nach der italienischen Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 kann hingegen zumindest die Aussetzung der Wirksamkeit des angegriffenen Gesellschafterbeschlusses durch unanfechtbare Anordnung des Schiedsgerichts herbeigeführt werden.
§ 21 Abwägung von privatautonomer Regelungsfreiheit und Schutz der Verfahrensrechte Dritter § 21 Regelungsfreiheit und Schutz der Verfahrensrechte
Die Darstellungen haben gezeigt, dass bei Schiedsverfahren über innergesellschaftliche Beschlussmängelstreitigkeiten stets ein Ausgleich zwischen der privatautonomen Regelungsfreiheit der Gesellschafter auf der einen Seite und dem Schutz der Verfahrensrechte Dritter auf der anderen Seite gesucht werden muss. Grundsätzlich können die Gründungsgesellschafter bzw. die Gesellschafterversammlung als wichtigstes Entscheidungsorgan der Gesellschaft ihre Rechtsverhältnisse im Rahmen ihrer privatautonomen Regelungshoheit frei gestalten.33 Darunter fällt nicht nur die Entscheidung, innergesellschaftliche Streitigkeiten unter Ausschluss des staatlichen Rechtswegs einem Schiedsgericht zu übertragen und die Konkretisierung der erfassten Streitigkeiten, sondern auch die Festlegung des Verfahrensablaufs. Gerade bei innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreitigkeiten ist indes zu beachten, dass durch das Schiedsverfahren regelmäßig eine Vielzahl verschiedener – gegenläufiger – Interessen berührt werden kann. Die schiedsgerichtliche Entscheidung wirkt – ebenso wie das staatliche Urteil – rechtsgestaltend. Über die bloße Feststellung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Beschlusses hinaus ändert sie die Rechtslage. In den untersuchten Rechtsordnungen herrscht Einigkeit, dass diese Entscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit einheitlich für alle Betroffenen ergehen soll und auch in Zukunft nicht für einzelnen Gruppen – durch eine widersprechende Entscheidung – abgeändert werden können soll. Die Entscheidung muss daher auch prozessual alle Gesellschaftsmitglieder binden. Nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen ist dies aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Einhaltung entsprechender Verfahrensgarantien 32 33
Vgl. hierzu oben § 18. Vgl. zur Privatautonomie als Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit oben § 4.
§ 21 Regelungsfreiheit und Schutz der Verfahrensrechte
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gewährleistet wird. Eben unter diesem Gesichtspunkt wird die privatautonome Gestaltungsfreiheit der Gesellschafter im Schiedsverfahren doch wieder eingeschränkt. Es handelt sich jeweils um Rechtsgüter von Verfassungsrang, zwischen denen ein angemessener Ausgleich geschaffen werden muss.34 Die Gewichtung ist dabei in der deutschen und der italienischen Rechtsordnung teilweise unterschiedlich ausgefallen, sodass in manchen Fragen der Schutz der Verfahrensgarantien der Gesellschafter dominiert, in anderen hingegen der Parteifreiheit mehr Spielraum gewährt wird. Verschiedene Abweichungen der italienischen Rechtsordnung stechen unter diesem Blickwinkel besonders ins Auge. So muss bei der Bestimmung der Schiedsfähigkeit einer Beschlussmängelstreitigkeit zum Schutz der Verfahrensrechte der Mitgesellschafter nach italienischem Schiedsverfahrensrecht jedenfalls im Grundsatz untersucht werden, ob Interessen Dritter betroffen sind. Anders als in der deutschen Rechtsordnung wird hier die Freiheit der Parteien schon bei der Wahl der Streitigkeiten, die (abstrakt) einem Schiedsgericht übertragen werden können, eingeschränkt. Außerdem werden zum Schutz privater Anleger Schiedsverfahren in offenen Aktiengesellschaften völlig ausgeschlossen. Auch bei der Konstituierung des Schiedsgerichts dominiert in der italienischen Rechtsordnung der Aspekt des Schutzes der Verfahrensrechte Dritter. Die zwingende Schiedsrichterbenennung durch einen neutralen Dritten bei innergesellschaftlichen Streitigkeiten stellt einen starken Einschnitt in die schiedsverfahrensrechtliche Parteiautonomie zugunsten des Schutzes der Mitgesellschafter dar. Ob dieser Eingriff angesichts der überragenden Bedeutung der Mitwirkung der Verfahrensparteien an der Konstituierung des Schiedsgerichts gerechtfertigt ist, kann indes bezweifelt werden. Schließlich lässt sich durch die Vorschrift in der Praxis ohnehin nur im Idealfall, dass der mit der Schiedsrichterbenennung betraute Dritte auch tatsächlich neutral agiert, Waffengleichheit zwischen den Gesellschaftern herstellen. Weniger Gewicht wird dem Minderheitenschutz in der italienischen Rechtsordnung bei der Neueinführung einer Schiedsklausel beigemessen, die nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 durch (qualifizierten) Mehrheitsbeschluss erfolgen kann. Die Durchführung eines Schiedsverfahrens über einen Gesellschafterbeschluss auf Grundlage einer Schiedsvereinbarung, der nicht sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben, würde nach dem BGH in der deutschen Rechtsordnung gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Aufgrund dieser bedeutsamen Abweichung drängt sich die Frage auf, ob die Anerkennung eines italienischen Schiedsspruchs, der auf Grundlage einer entsprechenden Schiedsklausel ergangen ist, möglicherweise unter dem Gesichtspunkt eines ordre public Verstoßes ausgeschlossen ist (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 lit. b UNÜ). Ein ordre public Verstoß wäre gegeben, wenn die Einführung einer 34 Im Verfassungsrecht wird hier auch von „praktischer Konkordanz“ gesprochen, vgl. etwa Sachs/Sachs GG, Einf. Rn. 50.
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
Schiedsklausel durch Mehrheitsentscheidung nach Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003 fundamentalen Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung zuwiderläuft.35 Dafür spricht, dass nach verfassungsrechtlichen Grundsätzen den Parteien staatlicher Rechtsschutz nicht gegen ihren Willen entzogen werden darf, sondern die schiedsgerichtliche Entscheidungszuständigkeit auf einer freien Entscheidung beruhen muss.36 Dies ist nach italienischem Recht aber gerade nicht gewährleistet, da auch widersprechende und bei der Beschlussfassung abwesende Gesellschafter an eine neu eingeführte innergesellschaftliche Schiedsklausel und die auf ihrer Grundlage ergehenden Schiedssprüche gebunden sind. Dabei muss aber beachtet werden, dass die Mehrheitsentscheidung nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 mit einem Austrittsrecht zugunsten dissidierender Gesellschafter verknüpft wird. Sofern dem Gesellschafter ein Austritt nicht völlig unzumutbar erscheint, kann nicht von einer aufgezwungenen Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen werden. Mithin ist auch ein Schiedsspruch nicht schlichtweg unvereinbar mit den Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechtsordnung.
§ 22 Perspektiven für das deutsche Schiedsverfahrensrecht: teilweise Kodifikation des schiedsgerichtlichen Beschlussmängelverfahrens § 22 Perspektiven für das deutsche Schiedsverfahrensrecht
Eingangs wurde bereits festgestellt, dass ein offensichtlicher Unterschied zwischen den untersuchten Rechtsordnungen darin liegt, dass in der einen gesetzliche Spezialregelungen bestehen, die in einem innergesellschaftlichen Schiedsverfahren Anwendung finden (Italien), während in der anderen bis heute die Rechtsprechung auf dem Gebiet maßgeblich ist (Deutschland). Im Laufe der Untersuchung hat sich gezeigt, dass es sich hierbei nicht bloß um eine theoretische Frage nach der Natur der Rechtsquellen handelt. Gerade aus dem Fehlen gesetzlicher Regelungen ergeben sich nämlich Schwierigkeiten, welche die Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit37 auf dem Gebiet innergesellschaftlicher Streitigkeiten einschränken können bzw. die Durchführung eines Schiedsverfahrens im Einzelfall sogar ganz vereiteln können. Ein wesentlicher Vorteil des italienischen Modells liegt darin, dass das Abfassen rechtswirksamer Schiedsvereinbarungen über innergesellschaftliche Streitigkeiten erheblich vereinfacht wird, da die Verfahrensgarantien nicht mehr zusätzlich in die Schiedsklausel aufgenommen werden müssen. Auf diesem Weg könnten auch nach aktueller deutscher Rechtslage unwirksame Schiedsklauseln für die Zukunft geheilt werden. 35
Stein/Jonas/Schlosser, Anhang zu § 1061 Rn. 326. Vgl. hierzu bereits oben § 4 A. 37 Vgl. hierzu oben § 5. 36
§ 22 Perspektiven für das deutsche Schiedsverfahrensrecht
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Es lässt sich freilich argumentieren, dass die Vorteile einer Kodifikation des innergesellschaftlichen Schiedsverfahrensrechts nicht den Nachteil einer weiteren Zunahme an Regelungsmaterial im bisher „kompakten“ Schiedsverfahrensrecht und möglicherweise einer Erosion der Systematik überwiegen. Auch könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass eine Kodifikation nun nicht mehr geboten ist; seit der „Schiedsfähigkeit II“-Entscheidung ist schließlich fast ein Jahrzehnt vergangen, sodass die Kautelarpraxis ausreichend Zeit hatte, sich an den vom BGH vorgegebenen Rechtsrahmen anzupassen.38 Beide Einwände treffen nicht zu. Der Beschluss des BGH aus dem Jahr 2017 – und die in der Folge erneut entflammten Diskussionen im Schrifttum – zeigen beispielhaft, wie große Unsicherheit bis heute in vielen Teilen der Materie herrscht. Es spricht insgesamt viel dafür, eine gesetzliche Regelung über die schiedsgerichtliche Beilegung von innergesellschaftlichen Beschlussmängelstreitigkeiten zu schaffen.39 Neben der Grundsatzentscheidung für eine Kodifikation kann die italienische Gesetzesverordnung auch verschiedene inhaltliche Anstöße für eine mögliche Reform des deutschen Rechts auf diesem Gebiet geben. Dies gilt insbesondere für die Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren (Art. 35 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003), die Art und Weise der Information der Mitgesellschafter über die Verfahrenseinleitung (Art. 35 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003), die ausdrückliche Anordnung der Bindungswirkung der Schiedsklausel für alle Gesellschafter (Art. 34 Abs. 3 d.lgs. n. 5/2003), die Anordnung der Rechtskrafterstreckung des Schiedsspruchs (Art. 35 Abs. 4 d.lgs. n. 5/2003) und möglicherweise auch die Legalisierung der Einführung einer Schiedsklausel durch (qualifizierten) Mehrheitsbeschluss in Verbindung mit einem Austrittsrecht zugunsten dissidierender Gesellschafter (Art. 34 Abs. 6 d.lgs. n. 5/2003). Die Untersuchung der italienischen Rechtsordnung hat zwar auch gezeigt, dass sich durch eine Kodifikation (allein) nicht zwangsläufig alle Probleme lösen lassen. So konnte die Einführung der italienischen Spezialvorschriften insbesondere nicht sämtliche Unsicherheiten über die Bestimmung der Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten aus dem Weg räumen. Allerdings sind hier die Voraussetzungen in Deutschland besser als in Italien vor Einführung der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003. Die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelstreitigkeiten wird schließlich längst nicht mehr in Zweifel gezogen. Daneben wurden durch die Einführung der Gesetzesverordnung auch 38 Gegen eine entsprechende Gesetzesänderung aus diesen Gründen etwa Wolff, SchiedsVZ 2016, 293, 300. 39 Gleichwohl kann bereits davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die 2016 eingesetzte Arbeitsgruppe des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zur Überprüfung des deutschen Schiedsverfahrensrechts (§§ 1025 ff. ZPO) keine gesetzliche Regelung über schiedsgerichtliche Beschlussmängelverfahren vorschlagen wird, vgl. Wolff, SchiedsVZ 2018, 246, 257; siehe aber jüngst den Gesetzesvorschlag von Jessica Schmidt im Referat auf dem 72. Deutschen Juristentag, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 72. Deutschen Juristentages, Band II/1, S. O 129 f.
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Kapitel 6: Rechtsvergleichende Schlussbewertung
neue Hürden geschaffen. Dies gilt in erster Linie für die zwingende Schiedsrichterbenennung durch einen neutralen Dritten bei sonstiger Nichtigkeit der Schiedsklausel (Art. 34 Abs. 2 d.lgs. n. 5/2003). Von der Übernahme entsprechender Vorschriften wäre abzusehen. Auf diese Weise könnte die Kombination aus Teilen der italienischen Vorschriften über das innergesellschaftliche Schiedsverfahren und des Status quo der deutschen Rechtslage bzw. Rechtsprechung zu einem ausgewogenen innergesellschaftlichen Schiedsverfahrensrecht führen, das der Regelungsfreiheit der Gesellschafter einen hohen Stellenwert einräumt, ohne dabei den Schutz der Verfahrensrechte Dritter aus den Augen zu verlieren.
Anhang 1
Gesetzliche Bestimmungen Codice civile
Zivilgesetzbuch1
Art. 1966 Capacità a transigere e disponibilità dei diritti
Art. 1966 Fähigkeit zum Vergleichsabschluss und Verfügbarkeit der Rechte
(1) Per transigere le parti devono avere la capacità di disporre dei diritti che formano oggetto della lite. (2) La transazione è nulla se tali diritti, per loro natura o per espressa disposizione di legge, sono sottratti alla disponibilità delle parti.
(1) Um einen Vergleich abzuschießen, müssen die Parteien die Befugnis haben, über die Rechte zu verfügen, die Gegenstand des Rechtsstreits sind. (2) Der Vergleich ist nichtig, wenn die betroffenen Rechte nach ihrer Natur oder kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung der Verfügung der Parteien entzogen sind.
Art. 2377 Annullabilità delle deliberazioni
Art. 2377 Anfechtbarkeit von Beschlüssen
[…] (7) L’annullamento della deliberazione ha effetto rispetto a tutti i soci ed obbliga gli amministratori, il consiglio di sorveglianza e il consiglio di gestione a prendere i conseguenti provvedimenti sotto la propria responsabilità. […]
[…] (7) Die Nichtigerklärung des Beschlusses wirkt gegenüber allen Gesellschaftern und verpflichtet die Geschäftsführer, den Aufsichtsrat und den Vorstand, die daraus folgenden Maßnahmen bei eigener Haftung zu unternehmen. […]
Art. 2378 Procedimento d’impugnazione
Art. 2378 Anfechtungsverfahren
(1) L’impugnazione è proposta con atto di citazione davanti al tribunale del luogo dove la società ha sede. (2) Il socio o i soci opponenti devono dimostrarsi possessori al tempo dell’impugnazione del numero delle azioni previsto dal terzo comma dell’articolo 2377. […]
(1) Die Anfechtung ist durch Klage beim Landgericht des Ortes anhängig zu machen, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat. (2) Der oder die sich widersetzenden Gesellschafter müssen im Zeitpunkt der Anfechtung darlegen, dass sie die in Art. 2377 Absatz 3 vorgesehene Anzahl an Aktien halten. […] (5) Alle gegen denselben Beschluss gerichteten Anfechtungsklagen sind, auch wenn sie
(5) Tutte le impugnazioni relative alla medesima deliberazione, anche se separatamente proposte ed ivi comprese le domande proposte
1 Die Übersetzung der Normen des Codice civile ist angelehnt an Patti, Salvatore (Hrsg.), Italienisches Zivilgesetzbuch, Verbrauchergesetzbuch/ Codice civile, Codice del consumo.
228
Anhang 1
ai sensi del quarto comma dell’articolo 2377, devono essere istruite congiuntamente e decise con unica sentenza. […]
getrennt oder nach Art. 2377 Absatz 4 erhoben wurden, gemeinsam zu verhandeln und in einem einzigen Urteil zu entscheiden. […]
Codice di procedura civile
Zivilprozessordnung2
Art. 806 Controversie arbitrabili
Art. 806 Schiedsfähige Streitigkeiten
(1) Le parti possono far decidere da arbitri le controversie tra di loro insorte che non abbiano per oggetto diritti indisponibili, salvo espresso divieto di legge. […]
(1) Die Parteien können ihre Streitigkeiten, die keine unverfügbaren Rechte zum Gegenstand haben, durch Schiedsrichter entscheiden lassen, es sei denn es besteht ein ausdrückliches gesetzliches Verbot. […]
Art. 807 Compromesso
Art. 807 Schiedsabrede
Il compromesso deve, a pena di nullità, essere fatto per iscritto e determinare l’oggetto della controversia. […]
Die Schiedsabrede muss bei sonstiger Nichtigkeit schriftlich erfolgen und den Streitgegenstand bestimmen. […]
Art. 808 Clausola compromissoria
Art. 808 Schiedsklausel
(1) Le parti, nel contratto che stipulano o in un atto separato, possono stabilire che le controversie nascenti dal contratto medesimo siano decise da arbitri, purché si tratti di controversie che possono formare oggetto di convenzione d’arbitrato. La clausola compromissoria deve risultare da atto avente la forma richiesta per il compromesso dall’articolo 807. […]
(1) Die Parteien können im Vertrag oder in einem gesonderten Dokument vorsehen, dass Streitigkeiten, die sich aus dem Vertragsverhältnis ergeben, von Schiedsrichtern entschieden werden, sofern es sich um Streitigkeiten handelt, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein können. Das die Schiedsklausel enthaltende Rechtsgeschäft muss die Form des Art. 807 einhalten. […]
Art. 808-ter Arbitrato irrituale
Art. 808-ter Freies Schiedsverfahren
(1) Le parti possono, con disposizione espressa per iscritto, stabilire che, in deroga a quanto disposto dall’articolo 824-bis, la controversia sia definita dagli arbitri mediante determinazione contrattuale. Altrimenti si applicano le disposizioni del presente titolo. […]
(1) Die Parteien können durch ausdrückliche schriftliche Vereinbarung festlegen, dass die Streitigkeit in Abweichung von den Regelungen des Artikels 824-bis von den Schiedsrichtern durch Vertrag beigelegt wird. Im Übrigen gelten die Bestimmungen dieses Titels. […]
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Freie Übersetzung des Verf.
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Anhang 1 Art. 824-bis Efficacia del lodo
Art. 824-bis Wirkung des Schiedsspruchs
Salvo quanto disposto dall’articolo 825, il lodo ha dalla data della sua ultima sottoscrizione gli effetti della sentenza pronunciata dall’autorità giudiziaria.
Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 825 hat der Schiedsspruch ab dem Zeitpunkt seiner letzten Unterzeichnung die Wirkung eines gerichtlichen Urteils.
Decreto legislativo n. 5/2003
Gesetzesverordnung Nr. 5/20033
Art. 34 Oggetto ed effetti di clausole compromissorie statutarie
Art. 34 Gegenstand und Wirkung satzungsmäßiger Schiedsklauseln
(1) Gli atti costitutivi delle società, ad eccezione di quelle che fanno ricorso al mercato del capitale di rischio a norma dell’articolo 2325-bis del codice civile, possono, mediante clausole compromissorie, prevedere la devoluzione ad arbitri di alcune ovvero di tutte le controversie insorgenti tra i soci ovvero tra i soci e la società che abbiano ad oggetto diritti disponibili relativi al rapporto sociale.
(1) Gesellschaftsverträge können, mit Ausnahme der Gesellschaften die sich im Sinne des Art. 2325-bis des Zivilgesetzbuchs des Risikokapitalmarkts bedienen, mittels Schiedsklauseln die Übertragung bestimmter oder sämtlicher Streitigkeiten, die zwischen den Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft entstehen und verfügbare Rechte mit Bezug zum Gesellschaftsverhältnis zum Gegenstand haben, auf Schiedsrichter vorsehen. (2) Die Klausel muss die Anzahl der Schiedsrichter und die Benennungsmodalitäten vorsehen und dabei in jedem Fall das Ernennungsrecht sämtlicher Schiedsrichter, bei sonstiger Nichtigkeit, einem im Verhältnis zur Gesellschaft Dritten übertragen. Sofern der Dritte nicht tätig wird, ist die Benennung beim Präsidenten des Landgerichts am Sitz der Gesellschaft zu beantragen. (3) Die Klausel bindet die Gesellschaft und sämtliche Gesellschafter unter Einbezug derer, deren Gesellschafterstellung Gegenstand der Streitigkeit ist. (4) Der Gründungsvertrag kann vorsehen, dass die Klausel für Streitigkeiten von oder gegen Geschäftsführer, Insolvenzverwalter und Mitglieder des Aufsichtsrats gilt und in diesem Fall nach Annahme ihrer Bestellung für sie verbindlich ist. (5) Streitigkeiten, bei denen die zwingende Teilnahme der Staatsanwaltschaft gesetzlich vorgeschrieben ist, können nicht Gegenstand einer Schiedsklausel sein.
(2) La clausola deve prevedere il numero e le modalità di nomina degli arbitri, conferendo in ogni caso, a pena di nullità, il potere di nomina di tutti gli arbitri a soggetto estraneo alla società. Ove il soggetto designato non provveda, la nomina è richiesta al Presidente del Tribunale del luogo in cui la società ha la sede legale. (3) La clausola è vincolante per la società e per tutti i soci, inclusi coloro la cui qualità di socio è oggetto della controversia. (4) Gli atti costitutivi possono prevedere che la clausola abbia ad oggetto controversie promosse da amministratori, liquidatori e sindaci ovvero nei loro confronti e, in tale caso, essa, a seguito dell’accettazione dell’incarico, è vincolante per costoro. (5) Non possono essere oggetto di clausola compromissoria le controversie nelle quali la legge preveda l’intervento obbligatorio del pubblico ministero.
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Freie Übersetzung des Verf.
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Anhang 1
(6) Le modifiche dell’atto costitutivo, introduttive o soppressive di clausole compromissorie, devono essere approvate dai soci che rappresentino almeno i due terzi del capitale sociale. I soci assenti o dissenzienti possono, entro i successivi novanta giorni, esercitare il diritto di recesso.
(6) Änderungen des Gesellschaftsvertrags, durch welche eine Schiedsklausel eingeführt oder gestrichen wird, müssen von den Gesellschaftern, die mindestens zwei Drittel des Gesellschaftskapitals halten, beschlossen werden. Abwesende oder widersprechende Gesellschafter können innerhalb der folgenden neunzig Tage das Austrittsrecht ausüben.
Art. 35 Disciplina inderogabile del procedimento arbitrale
Art. 35 Unabdingbare Vorschriften über das schiedsgerichtliche Verfahren
(1) La domanda di arbitrato proposta dalla società o in suo confronto è depositata presso il registro delle imprese ed è accessibile ai soci. (2) Nel procedimento arbitrale promosso a seguito della clausola compromissoria di cui all’articolo 34, l’intervento di terzi a norma dell’articolo 105 del codice di procedura civile è ammesso fino alla prima udienza di trattazione, nonché l’intervento di altri soci a norma degli articoli 106 e 107 dello stesso codice. Si applica l’articolo 820, comma secondo, del codice di procedura civile.
(1) Der von der Gesellschaft oder gegen sie gestellte Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens wird im Handelsregister veröffentlicht und ist den Gesellschaftern zugänglich. (2) In Schiedsverfahren, die aufgrund einer Schiedsklausel im Sinne des Artikels 34 durchgeführt werden, ist die Teilnahme Dritter im Sinne von Art. 105 der Zivilprozessordnung bis zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung, sowie die Teilnahme anderer Gesellschafter gemäß der Artikel 106 und 107 desselben Gesetzbuchs zulässig. Artikel 820 Absatz 2 der Zivilprozessordnung findet Anwendung. (3) Artikel 819 Absatz 1 der Zivilprozessordnung ist im Schiedsverfahren nicht anwendbar; gleichwohl ist der Schiedsspruch immer nach den Artikeln 829 Absatz 1 und 831 desselben Gesetzbuchs anfechtbar, auch in Abweichung dessen, was Artikel 838 der Zivilprozessordnung für das internationale Schiedsverfahren vorsieht. (4) Der Schiedsspruch ist für die Gesellschaft bindend. (5) Die Übertragung einer Streitigkeit auf die Schiedsgerichtsbarkeit schließt auch im Fall eines freien Schiedsverfahrens Eilrechtsschutz nach Artikel 669-quinquies der Zivilprozessordnung nicht aus, jedoch haben die Schiedsrichter immer die Befugnis mittels unanfechtbaren Beschlusses die Aussetzung der Wirksamkeit des Beschlusses anzuordnen, falls die Schiedsklausel die Übertragung von Beschlussmängelstreitigkeiten auf Schiedsgerichte zulässt.
(3) Nel procedimento arbitrale non si applica l’articolo 819, primo comma, del codice di procedura civile; tuttavia il lodo è sempre impugnabile, anche in deroga a quanto previsto per l’arbitrato internazionale dall’articolo 838 del codice di procedura civile, a norma degli articoli 829, primo comma, e 831 dello stesso codice. (4) Le statuizioni del lodo sono vincolanti per la società. (5) La devoluzione in arbitrato, anche non rituale, di una controversia non preclude il ricorso alla tutela cautelare a norma dell’articolo 669-quinquies del codice di procedura civile, ma se la clausola compromissoria consente la devoluzione in arbitrato di controversie aventi ad oggetto la validità di delibere assembleari agli arbitri compete sempre il potere di disporre, con ordinanza non reclamabile, la sospensione dell’efficacia della delibera.
Anhang 1
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(5-bis) I dispositivi dell’ordinanza di sospensione e del lodo che decide sull’impugnazione devono essere iscritti, a cura degli amministratori, nel registro delle imprese.
(5-bis) Der Tenor des Aufhebungsbeschlusses und des Schiedsspruchs, der über die Anfechtung entscheidet, müssen auf Veranlassung der Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen werden.
Art. 36 Decisione secondo diritto
Art. 36 Entscheidung nach den Regeln des Rechts
(1) Anche se la clausola compromissoria autorizza gli arbitri a decidere secondo equità ovvero con lodo non impugnabile, gli arbitri debbono decidere secondo diritto, con lodo impugnabile anche a norma dell’articolo 829, secondo comma, del codice di procedura civile quando per decidere abbiano conosciuto di questioni non compromettibili ovvero quando l’oggetto del giudizio sia costituito dalla validità di delibere assembleari.
(1) Auch wenn es die Schiedsklausel den Schiedsrichter erlaubt, nach Billigkeit oder durch unanfechtbaren Schiedsspruch zu entscheiden, müssen die Schiedsrichter nach den Regeln des Rechts und durch auch nach Artikel 829 Absatz 2 der Zivilprozessordnung anfechtbaren Schiedsspruch entscheiden, wenn sie zur Entscheidung auch über nicht schiedsfähige Fragen erkannt haben oder wenn das Verfahrens die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zum Gegenstand hat. (2) Diese Vorschrift findet auch auf den Schiedsspruch im internationalen Schiedsverfahren Anwendung.
(2) La presente disposizione si applica anche al lodo emesso in un arbitrato internazionale.
Anhang 2
Musterschiedsklauseln Empfohlene Musterschiedsklauseln im Sinne des Art. 34 Abs. 1 d.lgs. n. 5/2003, die in den Gesellschaftsvertrag einer Handelsgesellschaft nach italienischem Recht aufgenommen werden können, um die schiedsgerichtliche Zuständigkeit für (Beschlussmängel-)Streitigkeiten zu begründen. Musterschiedsklausel für ein ad hoc-Schiedsgericht:1 Tutte le controversie che dovessero sorgere tra i soci o tra questi e la società, relative al rapporto sociale ed aventi ad oggetto diritti disponibili, nonché quelle riguardanti la validità delle delibere assembleari saranno devolute ad un Collegio Arbitrale composto da tre arbitri, da nominarsi da ... (indicazione di un terzo estraneo) entro e non oltre il termine di ... dalla richiesta della parte più diligente, da farsi pervenire al suddetto ... (terzo estraneo) a mezzo di ... . Nel caso in cui detto soggetto non vi provveda entro il termine sopra indicato, la nomina sarà richiesta dalla parte più diligente al Presidente del Tribunale del luogo in cui ha sede la società. Gli arbitri dovranno decidere entro il termine di ... dalla nomina, in via rituale e secondo diritto. Il lodo sarà impugnabile nei casi e modi previsti dalla legge. Le spese dell’arbitrato saranno a carico della parte soccombente, salva motivata e diversa decisione degli arbitri. S’intendono, in ogni caso, escluse dalla competenza arbitrale le controversie per le quali la legge preveda l’intervento obbligatorio del Pubblico Ministero. Per tutto quanto qui non previsto si rinvia agli artt. 34 e ss. D.Lgs. n. 5/2003. Musterschiedsklausel der Camera Arbitrale di Milano für ein administriertes Schiedsverfahren:2 Tutte le controversie aventi ad oggetto rapporti sociali, comprese quelle relative alla validità delle delibere assembleari, promosse da o contro i soci, da o contro la società, da o contro gli amministratori, da o contro i sindaci, da o contro i liquidatori, saranno risolte mediante arbitrato secondo il Regolamento della Camera Arbitrale Nazionale e Internazionale di Milano. Il Tribunale Arbitrale sarà composto da un arbitro unico/tre arbitri**, nominato/i dalla Camera Arbitrale. L’arbitrato sarà rituale e gli arbitri decideranno secondo diritto. Musterschiedsklausel der Associazione Italiana per l’Arbitrato (A.I.A.) für ein administriertes Schiedsverfahren:3 Qualsiasi controversia che insorga tra i soci o tra i soci e la società (1), sarà decisa secondo il Regolamento di arbitrato dell’A.I.A. da un arbitro unico nominato dalla Corte di arbitrato 1
Liotti, Notariato 2013, 410, 425. Abrufbar unter www.camera-arbitrale.it (Abrufdatum: 16.11.2019). 3 Abrufbar unter www.arbitratoaia.com (Abrufdatum: 16.11.2019). 2
Anhang 2
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dell’A.I.A. in conformità al predetto Regolamento (2). L’arbitrato avrà sede in … . La decisione sarà adottata secondo diritto (3). (1) La clausola potrà essere integrata dalle parti con l’inserimento delle seguenti parole: „o che sia proposta da e nei confronti degli amministratori, dei sindaci e dei liquidatori“, se le parti stabiliscono che anche tali ulteriori controversie siano decise mediante arbitrato. (2) Le parti possono optare per un collegio arbitrale composto di tre arbitri. In tale caso, gli arbitri dovranno essere nominati dalla Corte di arbitrato dell’A.I.A. ovvero designati da altro soggetto estraneo alla società a tal fine indicato dalla Corte di arbitrato dell’A.I.A. (3) Le parti possono stabilire che l’arbitro o gli arbitri decidano secondo equità.
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Sachregister ADR-Kommission 13 f., 97 ff., 147, 155, 197, 199, 203 f., 208 f. Aktiengesellschaft i.S.v. Art 2325-bis c.c. 58 ff. – Überschreitung der Grenzwerte 62 f. – Schiedsverfahren nach allgemeinem Recht 61 f. – Zweck des Ausschlusses 58 f. Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen (s. Beschlussmängel) Anfechtungsbefugnis 28 f., 31 Anfechtungsklage – gegen den Schiedsspruch (s. Aufhebung des Schiedsspruchs) – in deutschen Kapitalgesellschaften 28 f. – in italienischen Kapitalgesellschaften 31 f. Antragsbefugnis des Schiedsgerichts im Normkontrollverfahren 20 arbitraggio 3 arbitrato libero/irrituale 11, 90 ff. – anwendbare Vorschriften 93 f. – Rechtsnatur 91 f. – Statthaftigkeit bei Beschlussmängelstreitigkeiten 94 f. – Verbreitung in der Praxis 92 – Vollstreckbarkeit im Ausland 91 f. arbitrato obbligatorio 16 f. arbitrato societario nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 – Abdingbarkeit 149 f. – Anwendung auf Altklauseln 153 f. – Einführung und Abschafftung der Gesetzesverordnung 11 ff. – Persönlicher Anwendungsbereich 58 ff. – Sachlicher Anwendungsbereich 55 ff.
– Verhältnis zum allgemeinen Schiedsverfahrensrecht 14, 52 ff. Associazione fra le Società Italiane per Azioni 3 Aufhebung des Schiedsspruchs – Anfechtungsklage 200 f. – bei nichtiger Schiedsklausel 192 f. – bei Verstoß gegen Verfahrensgarantien 194 f. – Drittwiderspruchsklage 201 f. – im arbitrato societario 202 f. – im Gesetzesvorschlag der ADR-Kommission 203 f. – Restitutionsklage 201 f. Ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts 23, 28, 31, 43, 47 f., 78 Austrittsrecht 140 ff., 162 ff., 224, 225 Außervertragliche Schiedsklausel (s. Schiedsvereinbarung) Beschlussfeststellungsklage 28 Beschlussmängel – in deutschen Kapitalgesellschaften 27 f. – in deutschen Personengesellschaften 34 f. – in italienischen Kapitalgesellschaften 30 ff. – in italienischen Personengesellschaften 36 f. Bestellung des Schiedsgerichts 169 ff., 175 ff. – durch Dritte 23, 144, 146 ff., 176 – Einigungszwang 170 f. – im Mehrparteienverfahren 169 f., 176 – zulässige Benennungsinstitutionen 147 f., 171, 177
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Sachregister
Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren 184 f., 186 f. Bindungswirkung der Schiedsvereinbarung 107 ff., 123 f., 132 ff., 157 ff. – ausscheidender Gesellschafter 108, 124, 135 – Nebenabreden 130 f., 157 f. – neuer Gesellschafter 108, 123 f., 132 ff. – Rechtsvergleichung 159 f., 219 f., 225 clausola binaria 145, 175 Codice di commercio 77 compromesso 131, 158 f. compromettibilità – nach dem codice di procedura civile 68 ff. – nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 73 ff. – Abgrenzung nach den betroffenen Interessen 78 f. – Abgrenzung nach der Abdingbarkeit der Normen 69 f., 81 f. – Abgrenzung zwischen Mängeln mit Anfechtbarkeits- oder Nichtigkeitsfolg 83 f. – Unterscheidung zwischen formellen und materiellen Mängeln 83 – Unterscheidung nach dem Bestehen einer Ausschlussfrist 85 f. – Unterscheidung nach der Heilbarkeit des Mangels 84 f. – von Streitigkeiten über die Feststellung des Jahresabschlusses 80 f., 82, 89 Consob 59 f. dritti disponibili 67 ff. – Materiellrechtliche Theorie 70 f. – Prozessrechtliche Theorie 71 f. – Theorie der autonom schiedsverfahrensrechtlichen Auslegung 73 diritti relativi al rapporto sociale 57, 143 f. DIS-ErGeS 46, 110 f., 118, 121 f., 122, 168 f., 171, 172, 185, 194 – inhaltliche Ausgestaltung 168 f., 171, 172, 185, 194
– Umsetzung der Gleichwertigkeitskautelen 121 f. Drittwiderspruchsklage (s. Aufhebung des Schiedsspruchs) Eilrechtsschutz – im freien Schiedsverfahren 213 – im Schiedsverfahren nach dem codice di procedura civile 208 f. – im Schiedsverfahren nach der Gesetzesverordnung Nr. 5/2003 209 ff. – nach deutschem Schiedsverfahrensrecht 207 f. – Rechtsvergleichung 213 f., 222 Einführung von Schiedsvereinbarungen – Anpassung unwirksamer Klauseln 113 f., 139 f. – Austrittsrecht (s. dort) – durch Satzungsänderung 109, 111 ff., 125, 137 f. – Mehrheitserfordernis 136 ff. – Zustimmungserfordernis 113 – Rechtsvergleichung 161 ff. Entscheidung des Schiedsgerichts über Vorfragen 197 EuGVVO 4 faktische Gesellschaft (s. società di fatto) fehlerhafte Gesellschaft 65 Feststellungsklage – in Kapitalgesellschaften 29 – in Personengesellschaften 34 f., 51 f. formelle Voraussetzungen der Schiedsvereinbarung 109 f., 110 f., 124 f., 136, 159 ff., 219 f. Frankreich 69, 171 freies Schiedsverfahren (s. arbitrato libero) Freigabeverfahren 33, 207 funktionaler Vergleich 3 f. Gleichwertigkeitskautelen des BGH 47, 48 f., 114 ff. Gestaltungswirkung – des Schiedsspruchs 190, 197 f. – des staatlichen Urteils 29, 32, 43 f.
Sachregister Haftung des Notars 155 f. Handelsregister – Rechtsfolgen unterbliebener Veröffentlichungen im 175 – Veröffentlichung des Antrags auf Einleitung eines Schiedsverfahrens im 173 ff. – Veröffentlichung des Schiedsspruchs im (s. Schiedsspruch) Handelsregistereintragung – als Voraussetzung für die Statthaftigkeit von Schiedsverfahren 63 ff. – deklaratorische Wirkung bei der società semplice 64 Informationsgebot 46, 115 f. Jahresabschluss/Bilanz – Fehler bei der Feststellung 82 – Zuständigkeit für die Feststellung 30 – Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten über die Feststellung (s. compromettibilità) Justizkrise 24 Kammer für Handelssachen 23 Klagefrist – im Schiedsverfahren 180 – im staatlichen Verfahren 28 f., 31 f. Konzernmitgliedschaft 61 Musterschiedsvereinbarung 232 f. Napoleonische Gesetzbücher 1, 8 Nebenintervention (s. Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren) New Yorker Übereinkommen 91 f. Nichtigkeit – der Schiedsvereinbarung 118 ff., 148 ff. – des Schiedsspruchs 191 – von Gesellschafterbeschlüssen (s. Beschlussmängel) Nichtigkeitsklage 28 f. Nichtvermögensrechtliche Ansprüche 41 notarielle Beurkundung 109, 110, 156
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Parteiöffentlichkeit (s. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens) patto parasociale 56 f. Privatautonomie 15, 16, 57, 70 f., 88, 91, 114, 119, 144, 147, 148, 154 f., 165, 222 ff. Prozessdauer (s. Verfahrensdauer) Publizitätsrichtlinie (EU) 174 Rechtskrafterstreckung – des staatlichen Urteils 29, 32, 34 f., 100 ff. – des Schiedsspruchs 44, 102, 188, 190 ff., 198 f. Rechtskreis 4 Rechtsnatur 16, 17 ff. Rechtsquellen 7 f., 8 ff. Rechtsvergleichung 3 f. Reform – ADR-Kommission (s. dort) – Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts 7 – Gesetzesverordnung Nr. 40/2006 10 f. – Reformen 1983 und 1994 9 f. – Riforma Vietti 11, 30 Reichweite der Schiedsvereinbarung – objektiv 106, 143 f. – persönlich (s. Bindungswirkung) Restitutionsklage (s. Aufhebung des Schiedsspruchs) Sachkunde im Schiedsverfahren 23 Satzungsstrenge – im Aktienrecht 47 f. – in Italien 103 Schiedsfähigkeit 39 ff. – im Aktienrecht 47 ff., 103 f. – im Personengesellschaftsrecht 49 ff. – im Recht der GmbH 42 ff. – nach italienischem Recht (s. compromettibilità) „Schiedsfähigkeit“-Entscheidungen des BGH – „Schiedsfähigkeit I“ 44 f. – „Schiedsfähigkeit II“ 45 ff., 114 ff. – „Schiedsfähigkeit III“ 50 ff., 126 ff. Schiedsgerichtsbarkeit – Abgrenzung 3 – Harmonisierung 4
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Sachregister
– Rechtsnatur (s. dort) Schiedsrichterbestellung (s. Bestellung des Schiedsgerichts) Schiedsspruch – Gestaltungswirkung (s. dort) – im freien Schiedsverfahren 204 f. – nach Billigkeit 189, 196 f. – Rechtsbehelfe (s. Aufhebung des Schiedsspruchs) – Rechtskrafterstreckung (s. dort) – Rechtsvergleichung 206 – Veröffentlichung 199 Schiedsvereinbarung – aus Anlass der Streitigkeit 130, 158 f. – außervertraglich 157 f. – individualvertraglich 122 ff. – satzungsergänzende Nebenabrede 107, 130 f., 157 società di fatto 65 società irregolare 65 Spanien 69 Sperrwirkung des arbitrato societario – außerhab des Anwendungsbereichs 53, 61 f. – innerhalb des Anwendungsbereichs 53, 149 f. Staatsanwaltschaft – im italienischen Zivilprozess 72, 74 – im Schiedsverfahren 74 ff. teoria processuale (s. Rechtsnatur) teoria negoziale (s. Rechtsnatur) Treuepflicht 114, 127 Tribunale delle imprese 23 Übertragung des aktienrechtlichen Beschlussmängelrechts – auf die GmbH 30
– auf die s.r.l. 32 f. – auf Personengesellschaften 34 f., 36 f. Unabdingbare Normen 69 f., 81 f., 89 Unabdingbarkeit (siehe unabdingbare Normen) UNCITRAL 8 Verbraucherbeteiligung 109, 125, 160 Verbreitung von gesellschaftsvertraglichen Schiedsklauseln 1 ff. Verfahrensdauer 24 f. Verfahrenseinleitung 168 f., 173 Verfahrenskonzentration 172, 178 f. Verfassungsrechtliche Grundlagen – deutsches Verfassungsrecht 15f. – italienisches Verfassungsrecht 16 ff. Verfügungsbefugnis (s. diritti disponibili) Vergleichsfähigkeit – objektiv 39 f. – subjektiv 40 Vermögensrechtliche Ansprüche 41 f., 70, 73, 99 f. Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens 21 f., 174 f. Verweisung – zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht 19, 181, 182 f. – der Schiedsklausel auf eine Verfahrensordnung 110 f., 122 Vollstreckbarkeitsverfahren 120, 198 Vollziehbarerklärung 207 f. Vorlagebefugnis des Schiedsgerichts (Art. 267 AEUV) 20 Vorläufiger Rechtsschutz (s. Eilrechtsschutz) Wirkung des Schiedsspruchs (s. Gestaltungswirkung und Rechtskrafterstreckung)