Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung: Zugleich eine Analyse des Systems der gesetzlichen vermögens- und personenrechtlichen Kindeszuordnung [1 ed.] 9783428471065, 9783428071067


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German Pages 224 Year 1991

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Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung: Zugleich eine Analyse des Systems der gesetzlichen vermögens- und personenrechtlichen Kindeszuordnung [1 ed.]
 9783428471065, 9783428071067

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 139

Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung Zugleich eine Analyse des Systems der gesetzlichen vermögens- und personenrechtlichen Kindeszuordnung

Von

Norbert Mansees

Duncker & Humblot · Berlin

NORBERT MANSEES

Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 139

Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung Zugleich eine Analyse des Systems der gesetzlichen Vermögens- und personenrechtlichen Kindeszuordnung

Von

Norbert Mansees

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Mansees, Norbert: Das Erbrecht des Kindes nach künstlicher Befruchtung: zugleich eine Analyse des Systems der gesetzlichen vermögensund personenrechtlichen Kindeszuordnung / von Norbert Mansees. - Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 139) Zugl.: Marburg, Univ., Diss., 1990 ISBN 3-428-07106-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07106-9

Vorwort Die vorgelegte Untersuchung wurde im Juli 1989 abgeschlossen. Soweit dies möglich war, wurden die Anmerkungen auf den Stand August 1990 aktualisiert. Bei Drucklegung war das Embryonenschutzgesetz noch nicht verabschiedet und konnte infolgedessen keine Berücksichtigung finden. Zu danken habe ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Olaf Werner, für die wohlwollende Betreuung während der Doktorandenzeit sowie Herrn Prof. Dr. Dieter Werkmüller für die äußerst zügige und gleichwohl gründliche und hilfreiche Zweitbegutachtung. Danken möchte ich auch Herrn Assessor Behle für die wertvolle Hilfe beim Korrekturlesen. Die Erstellung der Arbeit, die dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg im Sommersemester 1990 als Dissertation vorgelegen hat, wurde ermöglicht durch ein Promotionsstipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Holzgerlingen, im September 1990 Norbert Mansees

Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Probleme bei den gegenwärtig praktizierten Arten der Befruchtung auf nicht-natürlichem Wege § 1 Einleitung

23

§ 2 Die Bedeutung des Erbrechts für die Beteiligten

27

I. Der Inhalt des Erbrechts

27

Π. Beispiele

28 Zweites Kapitel

Anwendungsbereiche der Befruchtung auf nicht-natürlichem Wege § 3 Die innerkörperliche Befruchtung I. Medizinische Vorgehensweise A. Artifizielle Insemination 1. Spenderaus wähl bei heterologer Insemination (AID) a) Allgemeine Auswahl b) Individuelle Auswahl 2. Spermagewinnung und -aufbereitung 3. Spermakonservierung 4. Insemination B. Intratubarer Gametentransfer C. Surrogat-Embryonen-Technik (SET) Π. Anwendungsmöglichkeiten der intrakorporalen Befruchtung A. Medizinische Gründe 1. Für die homologe Insemination (AIH) und quasi-heterologe Insemination 2. Für die heterologe Insemination (AID) 3. Für den intratubaren Gametentransfer 4. Für die SET B. Persönliche Gründe 1. Für die artifizielle Insemination 2. Für den intratubaren Gametentransfer 3. Für die SET

32 32 32 33 33 33 34 35 35 36 37 37 37 37 39 39 39 39 39 41 42

8

nsverzeichnis

ΙΠ. Patientenberatung und -auswahl in der Praxis

42

A. Bei artifizieller Insemination

42

1. Psychosomatische Besonderheiten der Sterilität

42

2. Patienenauswahl

43

B. Bei intratubarem Gametentransfer

46

C. Bei Uteruslavage mit anschließendem Fremdembryonentransfer ..

46

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem Embryonentransfer (ivF/ET)

46

I. Medizinische Vorgehensweise

47

A. Maßnahmen bis zur Befruchtung; Durchführung der Befruchtung ...

47

1. Gewinnung der Keimzellen

47

2. Keimzellenkonservierung

48

3. Die Befruchtung

49

4. Heranreifen der Embryonen B. Kryokonservierung von befruchteten Eizellen (Embryonen)

50 ;

1. Anwendungsbereiche 2. Technik der Embryokonservierung C. Embryotransfer II. Anwendungsmöglichkeiten der außerkörperlichen Befruchtung A. Medizinische Gründe 1. Für die ivF/ET im homologen System

50 50 51 51 52 52 52

a) Organische Sterilität der Wunschmutter

52

b) Organische Sterilität des Mannes

53

c) Idiopathische Sterilität

53

2. Für die ivF/ET im heterologen System

54

a) Ovarektomie

54

b) Unfähigkeit, befruchtungsfähige Eier heranzubilden

54

c) Tubenanomalie kombiniert mit Sterilität des Ehemannes ... B. Persönliche Gründe 1. Für die ivF/ET im homologen System a) Zur Vermeidung der Geburt erbkranken Nachwuchses

54 55 55 55

b) Zur Geschlechtsbestimmung

55

c) Zur Familienplanung mittels Embryokonservierung

55

d) Zur Familienplanung mit Hilfe von Keimzellkonservierung ..

56

2. Für die ivF/ET im heterologen System a) Zur „Rettung" eines „verwaisten" oder „übriggebliebenen" Embryos b) Zwecks Tragemutterschaft

56 56 56

nsverzeichnis

III. Patientenberatung und -auswahl in der Praxis A. Beschränkung auf die ivF/ET im erweiterten homologen System bei medizinischer Indikation B. Individuelle Auswahl und Beratung 1. Indikationen 2. Eingriffsvoraussetzungen

57 57 58 58 59

Drittes Kapitel Grundlagen des Erbrechts § 5 Das gesetzliche Familienerbrecht I. Darstellung A. Allgemeine Grundlagen B. Probleme der gesetzlichen Erbfolge bei künstlicher Befruchtung . 1. Erben erster Ordnung 2. Erben zweiter Ordnung II. Verfassungsrechtliche Verankerung des Erbrechts A. Testierfreiheit B. Familienerbrecht

60 60 60 61 61 61 61 61 62

§ 6 Der Anfall der Erbschaft

63

I. Erbfähigkeit

63

Π. Auslegung des Begriffs „Erzeugung" des § 1923 Abs. 2 BGB

63

III. Keine Ausweitung der Erbfähigkeit auf postmortal Erzeugte

65

IV. Erbanfall bei pränatalem Erbfall

68

Viertes Kapitel Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB § 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes I. Personenrechtliche Zuordnung A. Status 1. Grundlagen a) Primärstatus b) Sekundärstatus 2. Erläuterungen a) Erwerb und Bestimmung des Primärstatus aa) Status als eheliches Kind bb) Status als nichteheliches Kind aaa) Durch Anerkennung eines Mannes, § 1600 a S.l erste Alt. BGB bbb) Durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ..

70 71 71 71 71 72 72 72 72 73 74 75

nsverzeichnis

10

B.

C.

D.

E.

b) Beseitigung des Primärstatus aa) Anfechtung der Ehelichkeit aaa) Anfechtung durch den Ehemann der Mutter und dessen Eltern bbb) Anfechtung durch das Kind bb) Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft eines nichtehelichen Kindes c) Begründung eines Sekundärstatus aa) Adoption bb) Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters cc) Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes dd) Legitimation durch nachfolgende Ehe Elterliche Sorge 1. Grundlagen 2. Erwerb der Inhaberschaft der elterlichen Sorge 3. Beendigung der elterlichen Sorge a) Beendigung durch gerichtlichen Beschluß b) Beendigung durch Tod des Sorgeberechtigten c) Ruhen der elterlichen Sorge Namensrecht 1. Namensrecht bei Primärstatus a) Name des ehelichen Kindes b) Name des nichtehelichen Kindes aa) Geburtsname bb) Einbenennung 2. Namensrecht bei Sekundärstatus Staatsangehörigkeit 1. Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft a) Bei Primärstatus b) Bei Sekundärstatus aa) Adoption bb) Ehelicherklärung cc) Legitimation durch Heirat 2. Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft Zusammenfassung

Π. Vermögensrechtliche Zuordnung A. Inhalt des Unterhaltsrechts B. Gesetzliche Unterhaltsgrundtatbestände 1. Gesetzliche Bestimmungen 2. Der Inhalt des Begriffs »Abstammung" in § 1589 S. 1 BGB .. a) Denkbare Möglichkeiten der Auslegung b) Folgen für die Unterhaltspflicht c) Problemlösung 3. Zusammenfassung

75 75 75 76 77 79 79 79 80 80 80 80 81 82 82 82 83 83 83 83 83 83 83 84 84 84 84 85 85 85 85 85 86 86 87 87 87 88 88 88 89 91

nsverzeichnis

Fünftes Kapitel Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung § 8 Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung im homologen System .

92

I. Die Zuordnung bei Reproduktionsmethoden ohne Kryokonservierung des Embryos

92

II. Zuordnungsprobleme bei Verwendung der Kryokonservierungstechnik

92

§ 9 Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung nach Samenspende I. Personenrechtliche Zuordnung A. Ehelichkeitsanfechtung durch den Wunschvater und dessen Eltern ..

93 93 93

1. Unverzichtbarkeit des Anfechtungsrechts

94

2. Rechtsmißbräuchlichkeit des Anfechtungsrechts?

95

a) Interesse des Kindes an der Beibehaltung des Primärstatus ....

96

b) Berücksichtigung der Interessen des Kindes

96

c) Abwägung

97

3. System Widrigkeit einer Anfechtung des konsentierenden Ehemannes B. Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind II. Vermögensrechtliche Zuordnung

99 100 100

A. Gesetzliche Zuordnung

100

1. Unterhaltsrecht

100

2. Erbrecht B. Rechtsgeschäftlich hergestellte Zuordnung

101 101

1. Unterhaltsrecht

101

2. Erbrecht

102

§10 Zuordnungsprobleme bei extrakorporaler Befruchtung nach Eispende und heterologem Transfer sowie heterologer Insemination mit anschließender Uteruslavage und Transfer in den Uterus der Ehefrau des Samenspenders I. Personenrechtliche Zuordnung A. Argumente für und Einwände gegen die Zuordnung zur Eispenderin

103 103 104

Β. Argumente für und Einwände gegen die Zuordnung zur biologischen Mutter 106 C. Argumente für und Einwände gegen eine Doppelzuordnung II. Vermögensrechtliche Zuordnung A. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur Eispenderin

107 108 108

B. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur biologischen Mutter

109

C. Bei statusrechtlicher Doppelzuordnung

109

12

nsverzeichnis

§11 Zuordnungsprobleme nach Fremdembryonentransfer I. Personenrechtliche Zuordnung II. Vermögensrechtliche Zuordnung

109 109 110

A. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur genetischen Mutter

110

B. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur biologischen Mutter

110

C. Bei personenrechtlicher Doppelzuordnung

111

§12 Zuordnungsprobleme bei Fremdmutterschaft

111

I. Bei Ersatzmutterschaft

111

II. Bei Tragemutterschaft

112

Sechstes Kapitel Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie §13 Das Recht des Kindes auf optimale Entwicklung nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG 115 I. Unterscheidung der Begriffe „Entwicklung eines Kindes" und „Entfaltung der Persönlichkeit" — Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG II. Herleitung eines Rechts des Kindes auf optimale Entwicklung III. Umfang des Entwicklungsrechts

115 118 121

§14 Die natürliche Zuordnung als Voraussetzung der optimalen Entwicklung eines Kindes

122

I. Bedeutung der verschiedenen Bestimmungskomponenten für die Entwicklung des Kindes

123

A. Bedeutung der genetischen Faktoren Β. Bedeutung des Schwangerschaftsverlaufs (pränatale Entwicklung)..

123 125

1. Pränatale Einflüsse physischer Art

126

2. Pränatale Einflüsse psychischer Art

126

C. Bedeutung der sozialen Elternschaft für die postnatale Entwicklung

128

D. Ergebnis

130

II. Mögliche Beeinträchtigungen durch reproduktionsmedizinisch bedingte Zuordnungsabweichungen 130 A. Heterologe Insemination und Eispende

130

B. Fremdmutterschaft

132

C. Fremdembryonentransfer

133

nsverzeichnis

III. Folgerung für das Recht des Kindes A. Anknüpfung der Zuordnung an die Konzeption B. Keine Zuordnungsabweichung ohne Rechtfertigung

134 134 134

§15 Voraussetzungen der Rechtfertigung von Zuordnungsabweichungen

134

I. Das Kindeswohl als immanente Beschränkung des Rechts des Kindes auf natürliche Zuordnung A. Der Begriff „Kindeswohl"

135 135

B. Die Bedeutung des Kindeswohls für die Zuordnungsabweichungen

135

II. Beschränkende Grundrechte Dritter A. Kein Recht auf freie Fortpflanzung B. Gleichbehandlungsgrundsatz §16 Aussagen einer allgemeinen Zuordnungstheorie I. Transformation der grundrechtlich garantierten Zuordnung auf das geltende bürgerlichrechtliche Zuordnungssystem A. Keine Drittwirkungsproblematik B. Personenrechtliche Zuordnung C. Vermögensrechtliche Zuordnung D. Anwendung auf die Zuordnungsgegenstände II. Thesen der allgemeinen Zuordnungstheorie

136 136 136 137 137 137 138 138 139 140

Siebtes Kapitel Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie auf die Zuordnung künstlich erzeugter Kinder §17 Personenrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder I. Primärstatus A. Zuordnungskorrektur durch ein heterolog erzeugtes Kind B. Statusrechtliche Zuordnung bei Verschiedenheit von genetischer und biologischer Mutter 1. Begründung des Primärstatus durch Geburt 2. Keine Beseitigung der statusrechtlichen Zuordnung zur biologischen Mutter durch Anfechtung der Ehelichkeit bzw. der Mutterschaft II. Sekundärstatus §18 Vermögensrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder I. Unterhaltsrecht A. Ausschluß der Geltendmachung der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung zum nicht festgestellten Erzeuger des Kindes ... 1. Geltende Rechtslage 2. Rechtfertigung der Schlechterstellung

141 141 142 143 143 145 147 148 148 148 148 150

nsverzeichnis

14

a) Schlechterstellung bei Anerkennung durch einen anderen als den Erzeuger b) Schlechterstellung bei Tod des „Scheinvaters" 3. Ergebnis B. Kein Ausschluß der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung zur Eispenderin C. Ausschluß der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung bei Adoption Π. Gesetzliches Erbrecht A. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts des Kindes nach einem Mann 1. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts eines nichtehelichen Kindes nach seinem festgestellten Vater 2. Ausschluß der Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts eines Kindes zum nicht festgestellten Vater B. Ausschluß bei Adoption C. Kein Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts nach der genetischen Mutter bei Ei- und Embryonenspende §19 Die Erbfähigkeit des noch nicht transferierten Embryos

150 151 151 151 152 153 153 153 154 154 154 155

Achtes Kapitel Die gesetzliche Erbenstellung des auf nicht natürlichem Wege erzeugten Kindes § 20 Erbenstellung bei innerkörperlicher Befruchtung

157

I. Homologe Insemination

157

Π. Heterologe Insemination

157

A. Bei Geburt des ehelichen Kindes B. Bei Geburt als nichteheliches Kind 1. Der Regelfall bei gewöhnlicher heterologer Insemination 2. Der Regelfall bei quasi-heterologer Insemination

157 158 158 159

ΙΠ. Intratubarer Gametentransfer A. Homologer Gametentransfer B. Heterologer Gametentransfer 1. Gametentransfer nach Samenspende 2. Gametentransfer nach Eispende C. Präkonzeptionell begründete Fremdmutterschaft

159 159 160 160 160 160

IV. Ersatzmutterschaft

160

V. Surrogat-Embryonen-Technik (SET) A. SET nach Eispende B. SET nach Samenspende

161 161 161

nsverzeichnis

§21 Erbenstellung bei außerkörperlicher Befruchtung I. Homologe ivF mit autologem ET II. Heterologe ivF A. ivF nach Samenspende mit anschließendem autologen Transfer .. B. ivF nach Eispende C. ivF nach Ei- und Samenspende 1. Erbenstellung nach den genetischen Eltern 2. Erbenstellung nach den statusrechtlichen Eltern D. Tragemutterschaft

161 161 161 161 162 162 162 162 162

§ 22 Erbenstellung bei artifizieller Befruchtung mit kryokonservierten Keimzellen Verstorbener 163 I. Postmortale Insemination II. ivF und intratubarer Gametentransfer mit der Eizelle der verstorbenen Eispenderin § 23 Erbenstellung bei autologem Transfer kryokonservierter Embryonen

163 163 164

§ 24 Erbenstellung bei Fremdembryonentransfer kryokonservierter Embryonen nach dem Tod der genetischen Eltern 164 Neuntes Kapitel Mögliche gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen der Vermögensnachfolge § 25 Testamentarische Verfügungen I. Maßnahmen anläßlich einer künstlichen Befruchtung im homologen System A. Bei homologer Insemination B. Vor ivF/ET im homologen System 1. Ermöglichung der Auseinandersetzung bei Erhalt der wertmäßigen Zuwendungen 2. Erbfolgeausschluß Π. Maßnahmen anläßlich einer Keimzellspende A. Möglichkeiten für den Spender B. Möglichkeiten für das Kind 1. Nach Eispende 2. Nach Samenspende

166 167 167 167 167 168 169 169 169 169 170

ΙΠ. Maßnahmen anläßlich eines geplanten Fremdembryonentransfers und einer präkonzeptionellen Tragemutterschaft 170 A. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts nach dem Gametenspender ... 170 B. Interessengerechte Gestaltung bei Tragemutterschaft 170 IV. Maßnahmen anläßlich einer Ersatzmutterschaft 171 V. Maßnahmen angesichts einer Eientnahme oder Samenprobe

172

16

nsverzeichnis

VI. Bei postmortaler Insemination A. Erbeinsetzung vor postmortaler Insemination B. Keine Veranlassung einer postmortalen Insemination durch Bestimmungen des Samenspenders § 26 Vertragliche Vereinbarungen

173 173 174 175

I. Bei Auseinanderfallen von genetischer und biologischer Mutterschaft... II. Bei Samenspende (heterologer Insemination)

175 176

Zehntes Kapitel Die Nachlaßsicherung bei Existenz kryokonservierter Embryonen zwischenzeitlich verstorbener Keimzellspender § 27 Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Wirksamkeit von Verfügungen über den Nachlaß vor Geburt ehemals kryokonservierter Abkömmlinge 178 I. Vermögensnachfolge bei Vorhandensein kryokonservierter Embryonen A. Existenz keines weiteren Erben B. Existenz nur eines weiteren Erben 1. Tod eines verheirateten Samenspenders 2. Tod einer verheirateten Eispenderin 3. Tod eines unverheirateten Samenspenders mit nur einem nichtehelichen Kind 4. Tod einer unverheirateten Eispenderin mit einem noch lebenden, bereits geborenen Kind C. Existenz mehrerer gleichrangiger Erben 1. Tod einer verheirateten Eispenderin mit einem oder mehreren bereits geborenen und noch lebenden Kindern 2. Tod eines unverheirateten Samenspenders mit mehreren nichtehelichen Kindern 3. Tod einer unverheirateten Eispenderin D. Existenz nur nachrangiger Erben 1. Tod eines unverheirateten Samenspenders 2. Tod einer unverheirateten Eispenderin II. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft A. Entstehung einer Erbengemeinschaft B. Beendigung einer Erbengemeinschaft 1. Bedeutung der Auseinandersetzung 2. Herbeiführung der Auseinandersetzung 3. Aufschub der Auseinandersetzung 4. Möglichkeiten der Erleichterung der Auseinandersetzung a) Bestellung eines Pflegers b) Testamentarische Verfügung

178 179 179 179 179 180 180 180 180 181 181 181 181 182 182 182 183 183 183 183 184 184 185

nsverzeichnis

III. Wirksamkeit von Verfügungen Nichtberechtigter über Nachlaßgegenstände A. Fälle der Verfügungen Nichtberechtigter 1. Wegfall der Alleinerbenstellung 2. Verfügungen einer unvollständigen Erbengemeinschaft 3. Verfügungen einer ex tunc wegfallenden Erbengemeinschaft .. B. Wirksamkeitsvoraussetzungen 1. Gutglaubenserwerb a) Gutglaubenserwerb nach §§ 932 - 934 BGB b) Gutglaubenserwerb aufgrund öffentlichen Glaubens des Grundbuchs c) Gutglaubenserwerb kraft öffentlichen Glaubens des Erbscheins 2. Erbscheinerteilung 3. Nachträgliche Wirksamkeit § 28 Wahrnehmung der Rechte des nasciturus I. Elterliche Fürsorge

185 185 185 185 185 186 186 186 188 188 188 190 190 190

II. Pflegschaft für die Leibesfrucht III. Nachlaßpflegschaft A. Bestellung eines Nachlaßpflegers B. Aufgaben des Nachlaßpflegers C. Beendigung der Nachlaßpflegschaft

191 191 191 192 193

§ 29 Die Haftung des Erbschaftsbesitzers bei Geburt eines zuvor kryokonservierten Erben

193

I. Bei Entstehung einer Erbengemeinschaft durch die Geburt eines Miterben oder Eintritt eines später geborenen Miterben in die Erbengemeinschaft A. Schaden B. Haftungsumfang 1. Haftung als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer 2. Haftung als gutgläubiger Erbschaftsbesitzer

193 193 194 194 195

II. Bei Verdrängung von Erbprätendenten III. Verjährung

195 195

Elftes Kapitel Möglichkeiten gesetzlicher Neugestaltung des Erbrechts § 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung und deren instrumenteile Umsetzung

197

I. Orientierung an der Beibehaltung oder Ausweitung der Möglichkeiten heterologer Befruchtungsmethoden 197 2 Mansees

nsverzeichnis

18

Α. Mittelbare Regelungen 1. Bei Samenspende a) Änderungen des Statusrechts aa) Ausschluß des Anfechtungsrechts des Scheinvaters .... bb) Ausschluß des Anfechtungsrechts des Kindes b) Zusicherung der Anonymität 2. Bei Eispende a) Statusrechtliche Regelungen b) Zusicherung der Anonymität B. Unmittelbare Regelungen 1. Ausschluß der vermögensrechtlichen natürlichen Zuordnung .. 2. Kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung a) Bei Eispende b) Bei Samenspende 3. Unvereinbarkeit eines Ausschlusses mit Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG II. Orientierung am Interesse des Kindes A. Kein Wegfall des § 1600 a S. 2 BGB Β. Ausweitung des § 1596 BGB III. Rechtspolitischer Ausblick

198 198 198 198 198 199 200 200 200 201 201 201 201 201 203 204 204 204 205

Zwölftes Kapitel Vorschläge zur künftigen Rechtsgestaltung §31 Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche durch das Kind I. Personenstandsrechtliche Registrierung der ivF II. Personenstandsrechtliche Vorkehrungen bei innerkörperlicher Befruchtung

207 208 209

III. Mögliche Einwände gegen die Registrierung von ivF-Versuchen, Embryotransfers und heterologen Inseminationen 209 IV. Bußgeldbewehrung

210

Glossar

211

Literaturverzeichnis

213

Abkürzungsverzeichnis Α. a. a. Ο. Abs. AcP a. F. AG AID AIH Alt. Anm. arg. ARSP Art. ArztR AT BAG Bearb. BGB BGH BGHZ BMFT BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. C DÄB1. DÄT ders. d. h. d. i. Diss. DJT DM DMW Dr. Einl. ErbR 2*



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Auflage am angegebenen Ort Absatz Archiv für civilistische Praxis alte Fassung Amtsgericht artificial insemination with semen, derived from a donor artificial insemination with semen, derived from the husband Alternative Anmerkung argumentum Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Artikel Arztrecht Allgemeiner Teil Bundesarbeitsgericht Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Der Bundesminister für Forschung und Technologie Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Celsius Deutsches Ärzteblatt Deutscher Ärztetag derselbe das heißt das ist Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Deutsche medizinische Wochenschrift Doktor Einleitung Erbrecht

20

Abkürzungsverzeichnis

ET et al. EuGRZ Ev. f. ff. FamR FamRZ F.A.Z. Festschr. FET FGG

= = = = = = = = = = = =

Fn. FNS F.R. GBO gem. GG ggf. GK Halbb. Halbs. Hess. HGB Hrsg. IPR i. S. i. S. d. ivF ivF / ET ivi i. V. m. J. JA JuS JW JZ Kap. KG MD MDR med. Diss. Med. Klinik MedR

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Embryotransfer et aliter Europäische Grundrechte-Zeitschrift Evangelisch(e) folgende Seite, -r Paragraph folgende Seiten, Paragraphen Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Fremdembryonentransfer Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Friedrich-Naumann-Stiftung Frankfurter Rundschau Grundbuchordnung gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Halbband Halbsatz Hessisch(e / er / es) Handelsgesetzbuch Herausgeber Internationales Privatrecht im Sinne im Sinne der/des in vitro-Fertilisation in vitro-Fertilisation mit anschließendem Embryotransfer in vivo-Insemination in Verbindung mit Johannes Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft Maunz/Dürig; s. Literaturverzeichnis Monatsschrift für Deutsches Recht medizinische Dissertation Medizinische Klinik Medizinrecht

Abkürzungsverzeichnis

MK ml m. w. N. Nachtr. NJW Nr. Oberhess. Presse o. g. OWiG Pal. PStG RG RGRK RuStAG Rz. s. S. s. a. sc. SET s. 0. Sp. Staud. StAZ StGB s. u. u. u. a. USA usw. V.

V. Var. VerschG v. Chr. vgl. Vol. Vorbemerk. WDR WS z.B.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Münchener Kommentar Milliliter mit weiteren Nachweisen Nachtrag Neue Juristische Wochenschrift Nummer Oberhessische Presse oben genannte / er / es) Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Palandt; s. Literaturverzeichnis Personenstandsgesetz Reichsgericht Reichsgerichtsräte-Kommentar; s. Literaturverzeichnis Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Randziffer siehe Satz, Seite siehe auch scilicet Surrogatembryonentechnik siehe oben Spalte v. Staudinger; s. Literaturverzeichnis Zeitschrift für Standesamtswesen Strafgesetzbuch siehe unten und und andere; unter anderem United States of America und so weiter von Vers Variante Verschollenheitsgesetz vor Christi Geburt vergleiche Volume Vorbemerkung Westdeutscher Rundfunk Wintersemester zum Beispiel

22

ZDF ZfJ zit. ZPO ZRP

Abkürzungsverzeichnis

= = = = =

Zweites Deutsches Fernsehen Zentralblatt für Jugendrecht zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik

Erstes Kapitel

Probleme bei den gegenwärtig praktizierten Arten der Befruchtung auf nicht-natürlichem Wege* § 1 Einleitung Das Interesse der Öffentlichkeit an den mit der künstlichen Befruchtung zusammenhängenden Fragen hat seit Beginn der achtziger Jahre stetig zugenommen. Ursache hierfür waren erste Berichte über die Geburt sogenannter Retortenkinder. 1 Im Gefolge wurden dann auch die Probleme der künstlichen Befruchtung im Mutterleib, insbesondere solche der heterologen Insemination, in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt. Das wachsende Interesse ist wohl nicht nur auf die steigende Zahl der infertilen bzw. sterilen Ehepaare zurückzuführen, die einen starken Kinderwunsch haben.2 Vielmehr ist ein Unbehagen und zugleich ein Staunen hinsichtlich der medizinisch-technischen Möglichkeiten in einem Grenzbereich menschlichen Lebens festzustellen. Das Entstehen eines Menschen ist ein solcher Grenzbereich ebenso, wie das viel diskutierte Ende eines Menschen im Zusammenhang mit den Fragen der Euthanasie (Sterbehilfe). 3 Anfang und Ende menschlichen Lebens haben stets eine besondere Faszination auf den Menschen ausgeübt. Sind dies doch die Schnittpunkte menschlicher Existenz, an denen das Geworfensein des Menschen in die Welt besonders deutlich wird. Denn zu seiner Entstehung wie zu seiner Geburt hat der Mensch ebensowenig selbst beigetragen wie zu seinem eigenen Tod. 4 Diese Unverfügbarkeit und ausschließliche Abhängigkeit von natürlichen Begebenheiten (Schicksalhaftigkeit) wird durch die artifizielle Reproduktionstechnik in Frage gestellt.5 Die Befruchtung selbst, d. h. die Verschmelzung der *Die in diesem Kapitel verwendeten medizinischen Fachbegriffe werden im zweiten Kapitel erläutert. 1 Die Geburt des ersten in vitro erzeugten Kindes wurde von Steptoe und Edwards 1978 in: The Lancet 1978, Vol. II, S. 366, angezeigt. 2 Die Zahl der Ehen, die ungewollt kinderlos sind, wird gegenwärtig auf 15 % geschätzt, vgl. Ranner, in: Bernât, S. 23 f. und Stauber, S. 13 m. w. N. 3 Bezeichnenderweise wurden auf dem 56. DJT 1986 die Komplexe „Sterbehilfe" und „Künstliche Befruchtung" in zwei Abteilungen gleichzeitig behandelt. 4 Wenn man vom Sonderfall der Selbsttötung absieht. 5 E. Daub, Witten Herdecke 1984, Nr. 3/4, S. 13 (13): „Die Schwangerschaft wird eine Situation, die in Abhängigkeit von den subjektiven Bedürfnissen der Beteiligten herbeigeführt und auch aktiv unterlassen werden kann."

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Kap. 1 : Probleme bei gegenwärtig praktizierter künstlicher Befruchtung

Keimzellen, und insbesondere die Auswahl der Samenzelle, die das jeweilige Ei befruchtet, vollzieht sich zwar natürlich. Dennoch kann von künstlicher Befruchtung die Rede sein, da die Handlung, die bei der in vivo-Insemination (ivi) wie bei der in vitro-Fertilisation (ivF) vorgenommen wird, unmittelbar auf die Konzeption gerichtet ist. Die Zeugung eines Kindes wird dabei von der Sexualität der geschlechtlichen Vereinigung gelöst6 und damit verfügbar gemacht.7 Daran ändert auch nichts, daß einem z. B. die ivF durchführenden Arzt das Gelingen der Befruchtung als Wunder erscheint. 8 Das liegt allein an der gegenwärtigen Begrenztheit der Steuerung der einzelnen Befruchtungsvorgänge. Daß die Verfahren künstlicher Befruchtung direkt auf die Entstehung menschlichen Lebens zielen, unterscheidet sie von herkömmlichen Sterilitätsbehandlungen, bei denen nicht unmittelbar die Befruchtung und damit die Entstehung eines neuen Menschen hervorgerufen wird. Die herkömmlichen Sterilitätsbehandlungen erstrecken sich lediglich auf den jeweiligen Patienten bzw. die Patientin. Dies gibt Anlaß, daran zu zweifeln, ob es sich z. B. bei der in vitro-Fertilisation im homologen System um eine Heilbehandlung handelt, die von der gesetzlichen Krankenkasse bzw. dem Sozialhilfeträger oder der privaten Krankenversicherung zu tragen ist. 9 Bereits bei dieser Einzelfrage, auf die in dieser Abhandlung nicht näher eingegangen werden kann, zeigt sich die gesellschaftliche Relevanz der Möglichkeiten künstlicher Befruchtung. Ist der Kinderwunsch ein hinreichender Grund für die Inanspruchnahme medizinischer Techniken, die unmittelbar das Entstehen eines Menschen zur Folge haben?10 Bereits die in vitro-Fertilisation im homologen System ohne Kryokonservierung, die keine familien- und erbrechtlichen Probleme aufwirft, berührt das Verständnis von Ehe und Familie in unserer Gesellschaft und damit deren Gestalt selbst. So werden von den Skeptikern die Methoden künstlicher Reproduktion als Marksteine uferlosen Strebens nach Beseitigung natürlicher, schicksalhafter Hindernisse verstanden. 11 Dies seien Symptome eines ungehemmten Anspruchs6 Für die ivF mit nachfolgendem ET so auch Eibach, Experimentierfeld werdendes Leben, S. 151 f. Gegen die Unterscheidung natürliche Zeugung einerseits — technische Reproduktion andererseits wendet sich Bayertz in ARSP 1985 (71), S. 524 (529-531), der dabei bereits die Ehe als künstliches Element der Fortpflanzung bezeichnet. 7 Gerhard Amenât in „Um Leben hervorzubringen, wird das Lebendige zerstört", Frankfurter Rundschau vom 20. 5. 1986, S. 14, bezeichnet diese Wirkung der Reproduktionsmedizin als Eingriff in die conditio humana. Aufgrund dessen stelle diese medizinische Sparte eine „Institution der Kulturveränderung dar." s So Maleika in seinem Vortrag am 18. 4. 1986 auf der Tagung der Ev. Akademie in Bad Boll vom 18.-20. 4. 1986. 9 Im einzelnen hierzu Mansees, FamRZ 1987, S. 653-658. 10 H. Piechowiak, Wiener klinische Wochenschrift 1984, S. 271 (273): „ . . . ist für die Medizin nur das subjektive Leidgefühl der Patienten, die sich durch den Gang zum Arzt als solche definieren, maßgebend?" h Hierzu Laubach in: Unterwegs 1986, Heft 2, S. 34 (36 f.) und Blechschmidt in: Informationsbrief Nr. 108 der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium", Februar 1985, S. 16-18. Die nachfolgend angeführten Aspekte beruhen auf Ausführungen des Vorsitzenden der Ev. Allianz, Laubach, in einem persönlichen Gespräch am 24. 6. 1985.

§ 1 Einleitung

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denkens. Teilweise wird gesagt, die künstliche Befruchtung stehe der Motivation nach, vorgegebene Schranken der Selbstverwirklichung zu überwinden, auf einer Stufe mit der „Abtreibungsmentalität". Das Kind sei Gegenstand eines allein maßgeblichen Wunsches, der darüber entscheide, ob man ein Kind auf jeden Fall haben wolle, oder es nicht wolle und dann mangels Interesses unter Ausnutzen der verfassungswidrigen Handhabung der Notlagenindikation des § 218 a Abs. 2 Nr. 3 StGB „wegmachen" lasse. Bei der sozialethischen Beurteilung der künstlichen Befruchtung ist auch zu bedenken, daß die Art der Reaktion eines Paares auf ungewollte Kinderlosigkeit nicht allein von der Stärke des natürlichen emotionalen Kinderwunsches bestimmt wird, sondern auch davon, wie hoch die gesellschaftliche Akzeptanz der Kinderlosigkeit ist. Wird wegen mangelnder Akzeptanz von der Umgebung zusätzlich Druck auf ein kinderloses Paar ausgeübt, so wird deren Bereitschaft, sich mit ihrem Schicksal abzufinden, geringer sein, als wenn ein derartiger Druck nicht besteht. Ein solcher Druck wird jedoch ausgeübt, wenn sich die Methoden der artifiziellen Befruchtung weiter etablieren und dies vom Staat, und sei es durch zivilrechtliche Regelungen, gefördert wird. Denn dann würde den ungewollt Kinderlosen von Bekannten und Freunden sicher oft gesagt: „Weshalb nehmt ihr nicht die modernen Methoden künstlicher Befruchtung in Anspruch? Das ist doch heutzutage ganz normal. Und das Kind braucht davon später ja nichts zu wissen." Einem Ehepaar, das wegen seiner Kinderlosigkeit unglücklich ist und sich deswegen in einer Krise befindet, würde damit der Entschluß, sich mit der Kinderlosigkeit abzufinden und die Ehe anders als geplant zu gestalten, nicht gerade erleichtert. Stand bis vor kurzem immer wieder die Forderung im Mittelpunkt, unsere Gesellschaft solle kinderfreundlicher werden, insbesondere solle der Staat dafür bessere Voraussetzungen schaffen, so ist hier zu fragen: wird nicht möglicherweise auf Ehepaare ein gesellschaftlicher Druck dergestalt ausgeübt, zur erfüllten Ehe „gehörten" Kinder? Mit der Folge, daß kinderlose Ehepaare in ein soziales Abseits mit geringerem Ansehen geraten. Diese Gefahr wird um so größer, je mehr die artifizielle Reproduktion üblich wird und Verbreitung findet. Diese gesellschaftliche und insbesondere sozialethische Problematik kann und braucht hier nicht vertieft zu werden. Das Zivilrecht soll nicht primär gesellschaftliche Prozesse steuern. Es hat auch nicht die Aufgabe, Gewissensentscheidungen von Einzelnen zu bestrafen oder hervorzurufen. 12 Allerdings hat jede zivilrechtliche Regelung der vermögensrechtlichen Verhältnisse zwischen Keimzellspender, biologischer Mutter, sozialen Eltern einerseits und dem auf künstlichem Wege erzeugten Kind andererseits unweigerlich steuernde Wirkung. Besteht ζ. B. die Möglichkeit, daß Keimzellspender erb- und unterhaltsrechtlich von den aus ihren Gameten stammenden Kindern in Anspruch genommen werden, so wird die „Spendenfreudigkeit" 13 gewiß abnehmen. Haftet der Arzt bei von ihm verursach12 Darauf weist besonders Coester-Waltjen in ihrem Gutachten Β zum 56. DJT, S. Β 119 f., und FamRZ 1984, S. 230 (234 f.), hin.

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ter Anonymität des Samenspenders bzw. der Eispenderin dem Kind gegenüber in Höhe der Nachteile, die vermögensrechtlich aus der Anonymität erwachsen, so wird die „Hilfsbereitschaft" mancher Reproduktionsmediziner abnehmen. Wird das Zivilrecht hingegen so gestaltet, daß die Gametenspender in jedem Fall keine vermögensrechtlichen Folgen hinsichtlich ihrer genetischen Abkömmlinge zu befürchten haben, so wird damit die heterologe Insemination und die Ei- bzw. Embryonenspende in praxi ermöglicht und gefördert. Diese Auswirkungen zivilrechtlicher Regelungen müssen bei der Gesetzgebung beachtet werden. Ein „Dulden" der artifiziellen Reproduktion mit Gametenspender durch das Gesetz ohne Folgen ist unmöglich. Es ist denkbar, daß diese Kernfrage (Fördern oder Hemmen der Gametenspende?) keine für den Gesetzgeber frei disponible Entscheidung erlaubt. Nämlich dann nicht, wenn verfassungsrechtlich ein bestimmtes Handeln ge- bzw. verboten ist. Dies wird im 11. Kapitel in § 30 behandelt. Zuvor aber wird das gegenwärtige familien- und erbrechtliche Zuordnungssystem des BGB zu untersuchen sein. Bereits hierbei muß auf vorrechtliche Gegebenheiten zurückgegriffen werden, da das Gesetz zur Zuordnung eines Kindes bei Auseinanderfallen von genetischer, biologischer und sozialer Elternschaft mit wenigen Ausnahmen, namentlich der Adoption, keine unmittelbaren Aussagen macht und das Recht an natürliche Gegebenheiten gebunden ist. Dabei liegt allerdings ein Problem darin, daß die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen bei Ratlosigkeit von Nachbardisziplinen eindeutige Handlungsweisungen erwarten: die Mediziner von den Juristen, die Juristen von den Philosophen (Ethik, Anthropologie). Die Reaktion der befragten Nachbarwissenschaften ist dann aber regelmäßig nur das Aufzeigen von weiteren Problemen, Risiken, Fragen. Dies mag bei den Juristen an der mangelnden Einigkeit der Meinungen und daran liegen, daß niemand vorhersagen kann, wie ein Unter- oder Obergericht demnächst entscheiden wird. Bei den Philosophen ist es darin begründet, daß sie sich zumeist in erster Linie als diejenigen ansehen, die Fragen stellen, vertiefen, ihrerseits in Frage stellen und auf ihre Ursprünge zurückzuführen suchen. Wobei diese Ursprünge, je nach Denkausrichtung und Grundposition des jeweiligen Philosophen, durchaus unterschiedlich angegeben werden. Mitunter wird gar in skeptischer oder idealistischer Manier bezweifelt, ob man überhaupt Wahrheit erkennen könne. 14 13 Dieser Ausdruck stammt von A. Hölscher, „Die Grauzonen zwischen Recht und ärztlichem Mitleid", Frankfurter Rundschau vom 9. 9. 1986, S. 6. 14 Gemeint ist hier nicht die metaphysische Wahrheit, von der beispielsweise Pilatus in Joh. 18. V. 38 spricht, sondern die erkenntnistheoretische. Diese Wahrheit definiert der Begründer des Wiener Kreises, Moritz Schlick, in seinem grundlegenden Werk „Allgemeine Erkenntnislehre", Frankfurt 1979, zuerst erschienen in Berlin 1925, S. 79, als „ein Urteil, das einen Tatbestand eindeutig bezeichnet." Bereits Gorgias (483 - 375 v. Chr.) jedoch behauptete: „Es existiert nichts; und wenn etwas existiert, so ist es für den Menschen unbegreiflich; wäre es aber auch begreiflich, so könnte man es doch einem anderen nicht mitteilen oder erklären." (3. Fragment, zit. „Die Vorsokratiker", S. 186). Dies bedeutet die Verneinung jeder Erkenntnis und damit jeder Wissenschaft.

§ 2 Die Bedeutung des Erbrechts für die Beteiligten

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Und was Wahrheit ist, wollen bei allem Pragmatismus Ärzte und Juristen schon wissen, um sich entsprechend schadlos verhalten zu können. Gerade im Erbrecht bedarf es eindeutiger Aussagen, geht es doch hierbei um möglichst schnelle Klärung der Vermögensnachfolge Verstorbener. Dies ist bei bestimmten Methoden der Fortpflanzungstechnologie deswegen schwierig, weil es dabei möglich ist, daß ein Kind bis zu fünf „Eltern" hat: die beiden Keimzellspender (genetische Eltern), die austragende Frau (biologische Mutter) und die „Wunscheltern" (soziale Eltern). Welcher Eltern Kind ist solch ein Mensch? Hinzu kommt die Möglichkeit einer zeitlichen Dimensions Verschiebung: Bei der Kryokonservierung ist es denkbar, daß ein Embryo lange Jahre „gelagert" wird, bevor er zur Implantation in eine „Wunschmutter" gelangt und schließlich geboren wird. Wie soll hier noch eine zügige Abwicklung der Vermögensnachfolge ohne Benachteiligung des vorübergehend tiefgekühlten Embryos erfolgen? Hierzu wird im 9. Kapitel in § 25 sowie im 10. Kapitel in § 27 Stellung genommen. Man mag zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Technisierung der Fortpflanzung noch so ablehnend stehen, ja sie sogar, anders als der Verfasser, als strafrechtlich zu verfolgendes Unrecht betrachten: die personen- und vermögensrechtlichen Verhältnisse des auf nicht-natürlichem Wege erzeugten Kindes müssen wissenschaftlich geklärt werden. Diese Kinder dürfen nicht vor ungelöste oder gar unauflösbare rechtliche Probleme gestellt werden, die ihren Status oder ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse betreffen. Dies wäre aber der Fall, wenn man in jeder Beschäftigung mit dieser Materie oder gesetzlichen Regelung eine unerwünschte Rechtfertigung der Reproduktionsmethoden sieht. Auf den Inhalt kommt es an!

§ 2 Die Bedeutung des Erbrechts für die Beteiligten I. Der Inhalt des Erbrechts Stirbt ein Mensch (Erblasser), so geht dessen Vermögen nicht unter, sondern auf eine oder mehrere andere Personen über (§ 1922 Abs. 1 BGB). Auf welche Personen sein Vermögen übergehen und unter welchen Modalitäten die VermöFür die Idealisten sei auf Kant verwiesen: „Die Ordnung und Regelmäßigkeit also an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst herein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt." (Kritik der reinen Vernunft, S. A 125). Danach wäre objektive Erkenntnis von Gegenständen unmöglich. Ein gutes Beispiel für das Nichtbeantworten von Fragen und lediglich radikalisierendes Weiterfragen stellt die Marburger Vorlesung Martin Heideggers im WS 1925/26 dar, in der zunächst die gängigen Lehren des Skeptizismus und des Psychologismus scharfsinnig als untauglich für die Frage nach der Wahrheit entlarvt werden und die ganzen weiteren Ausführungen allein darin bestehen, falsche Fragestellungen abzuwehren unter der Überschrift: „Die radikalisierte Frage: Was ist Wahrheit? Wiederholung der Analyse der Falschheit auf ihre Temporalität." (S. 197).

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Kap. 1 : Probleme bei gegenwärtig praktizierter künstlicher Befruchtung

gensnachfolge belastet sein soll (Auflagen, Vermächtnisse, Nacherbfolge), bestimmt im Rahmen des Gesetzes der Erblasser zu seinen Lebzeiten selbst. Diese Regelung der Vermögensnachfolge durch den Erblasser (gewillkürte Erbfolge) erfolgt mittels einseitiger rechtsgeschäftlicher Erklärung in Form eines Testaments oder durch Erbvertrag. Welchen Inhalt Testament und Erbvertrag haben können und welche Formen bei deren Errichtung zu beachten sind, ist im dritten und vierten Abschnitt des fünften Buches des BGB bestimmt (§§ 2064-2302 BGB). Liegt im Zeitpunkt des Todes kein wirksames Testament bzw. kein wirksamer Erbvertrag vor oder wird ein Testament wirksam angefochten (§§ 2078 Abs. 1 und 2, 2079 S. 1 i. V. m. § 142 Abs. 1 BGB), so tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Die gesetzliche Erbfolge ist in §§ 1924-1931, 1936 BGB geregelt. Das Erbrecht sieht nicht nur die Reihenfolge und die Modalitäten der Vermögensnachfolge im Todesfall vor, sondern dient auch der Versorgung der Abkömmlinge. Dies zeigt ζ. B. das vom Gesetz im fünften Abschnitt des fünften Buches des BGB (§§ 2303-2338 BGB) eingeräumte Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge des Erblassers, die durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurden (§ 2303 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein nichteheliches Kind kann von seinem Vater sogar bereits zu dessen Lebzeiten vorzeitigen Erbausgleich verlangen, wenn die Voraussetzungen des § 1934 d BGB gegeben sind. Für den Erblasser bedeuten Pflichtteilsrecht und vorzeitiger Erbausgleich Einschränkungen seiner Dispositionsfreiheit. Zwar kann er bestimmen, wer die Erbschaft antreten soll, doch muß er dabei einkalkulieren, daß die von ihm eingesetzten Erben an die Pflichtteilberechtigten Geldzahlungen zu leisten haben und das Erbe insofern schuldrechtlich belastet ist. Für die Abkömmlinge des Erblassers hingegen kann das Bestehen eines gesetzlichen Erbrechts oder eines sie begünstigenden Pflichtteils einen erheblichen finanziellen Vorteil bedeuten. Wie dies im Einzelfall aussehen kann, sei an drei Beispielen illustriert.

I I . Beispiele Erstes Beispiel: Frau A stirbt am 1. 1. 1996. Sie ist verwitwet und hat zwei Söhne, den fünfundzwanzigjährigen Studenten Β und den zehnjährigen Schüler C. C wurde nach in vitro-Fertilisation (ivF) im homologen System erzeugt 1 und von ihr geboren. Bei der damaligen ivF wurden drei weitere Eier der Frau A befruchtet, die ihr jedoch nicht eingepflanzt, sondern kryokonserviert wurden. Da Frau A bereits beim ersten Versuch der ivF mit anschließendem Embryotransfer (ET) schwanger geworden war und schließlich C geboren hatte, bestimmte sie, daß die übrigen kryokonservierten Embryonen nicht ihr, sondern einer anderen Frau implantiert werden sollten. Und zwar einer Fau, die keine befruchtungsfähigen Oozyten ι Dies bedeutet: Das Ei stammt von Frau A, der Samen vom damals noch lebenden Ehegatten, Herrn A.

§ 2 Die Bedeutung des Erbrechts für die Beteiligten

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produziere und dennoch ein Kind haben wolle. Auf diesem Wege kamen schließlich drei weitere Kinder zur Welt, die genetisch von Herrn und Frau A abstammen, aber von anderen Frauen geboren wurden. Bei einer späteren Laparoskopie wurden Frau A fünf befruchtungsfähige Oozyten entnommen, die sie zur Eispende zur Verfügung stellte, aus Dankbarkeit dafür, daß ihr C im Wege der ivF geschenkt worden war. Aus diesen fünf Oozyten gingen nach Befuchtung mit fremdem Samen fünf weitere Kinder hervor, die wiederum von anderen Frau geboren wurden. Frau A war im Zeitpunkit ihres Todes Komplementärin einer KG. Der Wert ihrer Beteiligung betrug am 1. 1. 1996 D M 1.000.000,—. Ihr übriges Vermögen hat einen Wert von D M 1.000.000,—. Im Gesellschaftsvertrag ist durch gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklausel bestimmt, daß Β nach dem Tod seiner Mutter an deren Stelle in die Gesellschaft eintreten solle. Im von der A errichteten Testament bestimmt Frau A den Β als Alleinerben und gewährt C ein Vermächtnis in Höhe von D M 1.000.000,—. Β tritt das Erbe an. Die acht weiteren von Frau A abstammenden Kinder erfahren von deren Tod. Sie machen bei Β ihren Pflichtteil geltend. Dies würde ihnen gemäß § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB zustehen, wenn sie als „Abkömmlinge" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind und sie nicht wirksam gem. § 2079 S. 1 BGB das Testament angefochten haben. Letzteres ist wegen § 2079 S. 2 BGB ausgeschlossen, da anzunehmen ist, daß Frau A auch bei Kenntnis der Existenz der acht Kinder und der erbrechtlichen Situation diese vom Erbrecht ausgeschlossen hätte. Nunmehr stellt sich die Lage folgendermaßen dar: Β ist als Gesellschafter der KG Inhaber eines Komplementäranteils mit einem gegenwärtigen Wert in Höhe von D M 1.000.000,—. Gleichzeitig ist er aufgrund des Vermächtnisses verpflichtet, C D M 1.000.000,— zu zahlen. Das kann er aus dem übrigen Vermögen der A tun. Woraus aber soll er den acht anderen Kindern deren Pflichtteil in Höhe von insgesamt 8 χ D M 100.000,— = D M 800.000,—2 zahlen? Entweder er findet Darlehensgeber, die ihm D M 800.000,— zur Verfügung stellen, oder er versucht die übrigen Komplementäre zu bewegen, ihm die Zustimmung zum Verkauf seines Anteils zu geben. Dabei wäre daran zu denken, daß die weiteren Gesellschafter den Anteil übernehmen oder jemand gefunden wird, der neu in die Gesellschaft eintritt. Beides sollte aber gerade mit der Nachfolgeklausel vermieden werden. Gelingt keine dieser Möglichkeiten, so kann Β die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten nicht erfüllen. Sie können daher einen vollstreckbaren Titel gegen Β erwirken und sich den Auseinandersetzungsanspruch des Β gegen die Gesellschaft gem. §§ 857 Abs. I 3 , 829 Abs. 1, 835 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 2 HGB und §§ 717, 731 S. 1 und 2, 734 BGB pfänden 2 Die Berechnung des Pflichtteils ergibt sich aus §§ 2303 Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB. Der Wert der Erbschaft beträgt DM 2.000.000,—. Es existieren 10 Abkömmlinge. Also betrüge der Wert des gesetzlichen Erbteils jedes Kindes DM 2.000.000,— : 10 = DM 200.000,—, der Pflichtteil besteht nach § 2303 Abs. 1 BGB folglich in Höhe von DM 200.000,— : 2 = DM 100.000,— pro Kind. 3 Vgl. Ulmer in HGB-GK § 135 Anm. 9.

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und überweisen lassen. Nunmehr könnten sie gem. § 135 HGB die Gesellschaft kündigen. Entweder wird daraufhin die Gesellschaft gem. § 131 Nr. 6 HGB aufgelöst oder sie bleibt gem. § 141 Abs. 1 S. 1 HGB bestehen. In letzterem Fall scheidet dann Β nach § 141 Abs. 1 S. 2 HGB aus. Daraufhin muß die Gesellschaft als Drittschuldnerin den Pflichtteilsberechtigten das Auseinandersetzungsguthaben des Β auszahlen. Ob das gepfändete und überwiesene Auseinandersetzungsguthaben überhaupt zur Befriedigung der Pflichtteilsberechtigten in Höhe von D M 800.000,— ausreicht, ist fraglich. Schließlich könnte die Auszahlung sogar zum Stillstand des Unternehmens führen, gerade dann, wenn dessen Kapital zum größten Teil aus Anlagevermögen (Grundstücke, Maschinen) besteht. Ohne das zur Auszahlung des Β aufgewendete Kapital ließe sich eine solche Firma möglicherweise nicht fortführen. Dies Beispiel zeigt, daß im Fall der Ei- und Embryonenspende das Schicksal von Unternehmen durch das Erbrecht gefährdet ist, falls den im Wege der Gametenspende Erzeugten ein Erbrecht bzw. ein Pflichtteil nach der genetischen Mutter zusteht. Diese Situation kann nur dann vermieden werden, wenn entweder keine Ei- bzw. Embryonenspende vorgenommen, oder ein bestehendes Erbrecht der aus einer solchen Spende entstandenen Kinder ausgeschlossen wird. Ob ein solches Erbrecht besteht und ob es gegebenenfalls ausgeschlossen werden kann, wird in den §§21, 23 und 30 untersucht. Zweites Beispiel: Der Medizinstudent D hat 1960 mehrmals Ejakulat gespendet, um dafür teure Bücher für sein Studium zu kaufen. Aus einer Samenspende gehen 10 Kinder hervor. Zwei dieser Kinder, deren Eltern inzwischen geschieden wurden, fechten ihre Ehelichkeit gem. § 1596 Abs. 1 Nr. 2 BGB an. D wird als nichtehelicher Vater festgestellt. Er hat inzwischen geheiratet und 1980 eine gutgehende Spezialpraxis aufgebaut. Seine Frau hat einen Sohn geboren. Die beiden nichtehelichen Kinder des D verlangen 1982 vorzeitigen Erbausgleich nach § 1934 d Abs. 1 BGB. Da sie als nichteheliche Kinder des D festgestellt sind, muß D ihnen daraufhin einen nach § 1934 d Abs. 2 BGB zu bestimmenden Geldbetrag auszahlen und ist insoweit gehindert, seine Praxis weiter auszubauen. Bei seinem Tod hinterläßt D ein Vermögen in Höhe von D M 1.000.000,—. Daraufhin lassen drei weitere der zehn mit seinem Samen erzeugten Kinder postmortal die Abstammung von D feststellen und beanspruchen, da D kein Testament hinterlassen hat, von Frau D und deren ehelichem Sohn einen Erbersatzanspruch in Höhe von 3 χ D M 125.000,— = D M 375.000,—. Am Ende stellt sich die Finanzierung der Bücher als eine sehr teure Angelegenheit heraus. Selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, daß D durch sie die Kenntnisse erworben hat, die ihm zum Aufbau einer florierenden Praxis verholfen haben! Eine solche Situation könnte künftig vermieden werden, wenn der Gesetzgeber das gesetzliche Erbrecht nach dem Samenspender ausschließen würde. Ob das verfassungsrechtlich zulässig ist, wird in § 30 untersucht.

§ 2 Die Bedeutung des Erbrechts für die Beteiligten

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Drittes Beispiel: 4 Herr und Frau E haben einen gemeinsamen, auf natürlichem Wege gezeugten Sohn F. Da Frau E nach der Geburt des F einen sekundären Tubenverschluß erworben hat, das Ehepaar aber weitere Kinder haben will, unterziehen sie sich einer ivF. Am 1.3. 1984 gelingt der Eingriff. Drei Eier werden befruchtet und kryokonserviert, um sie nach dem nächsten Zyklus in den Uterus der Frau E zu transferieren. Am 5.3. 1984, bevor der Embryonentransfer vorgenommen werden sollte, kommen Herr und Frau E bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nun verlangt F vom zuständigen Amtsgericht die Ausstellung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Ein Testament besteht nicht. Der zuständige Rechtspfleger gibt dem Begehren des F nicht statt. Stattdessen setzt das Nachlaßgericht gem. § 1960 Abs. 1 und 2 BGB einen Nachlaßpfleger ein. Begründet wird dies damit, daß es denkbar wäre, daß eines oder mehrere der kryokonservierten Embryonen einer anderen Fau implantiert und diese Kinder schließlich geboren würden. Tatsächlich werden alle drei Embryonen einer Frau G eingepflanzt und von ihr am 1. 1. 2000 geboren. Ficht der Ehemann von Frau G die Ehelichkeit des Kindes an und adoptieren es anschließend er und Frau G, so beerben die im Jahre 2000 Geborenen Herrn und Frau E als gesetzliche Erben in gleicher Höhe wie F. 5 Jetzt, erst 16 Jahre nach dem Tod seiner Eltern, könnte F ein Erbschein ausgestellt werden. Der allerdings weist ihn nicht als Alleinerben, sondern als Miterben zu lA aus. Eine genaue Analyse der erbrechtlichen Verhältnisse nach Fremdembryonenspende erfolgt in § 24. Bereits diese drei Beispiele zeigen, welche auf den ersten Blick befremdlich anmutenden erbrechtlichen Folgen die verschiedenen Arten der Erzeugung eines Kindes auf nicht-natürlichem Wege haben können. Damit ist die Erforderlichkeit einer gründlichen Analyse dieser Materie erwiesen.

4 Dieses Beispiel wurde von einem realen Fall angeregt, der sich 1984 in Australien zugetragen hat, Oberhess. Presse vom 18. 6. 1984, S. 3 und F.A.Z. vom 25. 4. 1984. 5 Vgl. Mansees, FamRZ 1986, S. 756 (758 f.).

Zweites Kapitel

Anwendungsbereiche der Befruchtung auf nicht-natürlichem Wege Um die Anwendungsbereiche der reproduktionstechnischen Verfahren abstekken zu können, bedarf es zunächst einer kurzen Darstellung der gegenwärtigen medizinischen Möglichkeiten. Nach ihnen richtet sich, welche Wünsche erfüllt werden können1 und welche Personenkonstellationen denkbar sind. Bei den Anwendungsbereichen sind auch diejenigen anzuführen, die gegenwärtig überwiegend auf Widerspruch stoßen, aber nach den heutigen medizinischen Möglichkeiten durchführbar sind. Bei den darzustellenden Techniken ist als erstes Unterscheidungsmerkmal anzuführen, ob die Befruchtung innerhalb oder außerhalb des Körpers einer Frau stattfindet. Findet sie innerhalb des Körpers statt, so beschränkt sich das ärztliche Handeln auf das Einführen des Spermas in die Frau (artifizielle Insemination) und gegebenenfalls den Transport eines Eies in den Eileiter der Frau (intratubarer Gametentransfer). Bei der außerkörperlichen (extrakorporalen) Befruchtung mit anschließendem Embryotransfer (ivF/ET) hingegen findet die Konzeption in einer Petrischale statt und bedarf es, um eine Schwangerschaft herbeizuführen, der nachfolgenden Implantation des Embryos durch ärztliche Hilfe.

§ 3 Die innerkörperliche Befruchtung I . Medizinische Vorgehensweise A. Artifizielle Insemination Artifizielle Insemination ist die instrumentelle Einführung von befruchtungsfähigem Sperma in die Vagina, die Zervix oder den Uterus einer Frau, die nicht durch Geschlechtsverkehr erfolgt. Stammt das verwendete Sperma vom Ehemann der inseminierten Frau, so wird das als homologe Insemination (AIH) 1 bezeichnet, stammt das Sperma von einem anderen Mann, nennt man dies heterologe Insemi1 Petersen, S. 26: „Die Eigendynamik unserer Fruchtbarkeitstechniken (der Mittel) determinieren Ergebnisse (Zwecke) ...". 1 AIH: artificial insemination with semen, derived from the husband; Ranner in: Bernât, S. 23 (23).

§

Die

erkörperliche Befruchtung

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nation (AID). 2 Wird Samen des Lebenspartners der nichtverheirateten Patientin oder Samen des im Zeitpunkt der Insemination verstorbenen Ehemannes (postmortale Insemination) verwendet, kann von quasi-heterologer Insemination gesprochen werden. Die medizinische Technik ist zwar unabhängig vom Herkommen des verwendeten Samens, doch macht sich der Unterschied beider Formen künstlicher Besamung für das Handeln des Arztes bereits bei Beginn seines Tätigwerdens bemerkbar. Nämlich darin, daß der Arzt bei A I D mit Ausnahme der quasi-heterologen Insemination im Gegensatz zur A I H den zu verwendenden Samen auswählen muß. Die artifizielle Insemination erfolgt entweder nach sofortiger Aufbereitung frisch gewonnenen Samens oder nach Auftauen und Aufbereitung tiefgekühlten (kryokonservierten) Spermas. Das unmittelbare Einführen des Samens erfolgt im Regelfall durch den Arzt, kann aber auch ambulant von der Frau selbst zuhause durchgeführt werden. 3

1. Spenderauswahl bei heterologer Insemination (AID) a) Allgemeine Auswahl Für die heterologe Insemination werden nur Spender herangezogen, die körperlich und geistig gesund sind. 4 Das Sperma muß befruchtungsfähig und hinreichend beweglich sein, die Samenanzahl pro ml Ejakulat soll 10 Millionen nicht unterschreiten. Im Sperma dürfen keine Krankheitserreger enthalten sein, die zu AIDS, Lues oder ähnlichem führen könnten.5 Teilweise wird auf Rhesusfaktorkompatibilität geachtet.6 b) Individuelle

Auswahl

Für die jeweilige Patientin sucht der Arzt meist einen Spender aus, der vom Äußeren möglichst große Ähnlichkeit mit dem Ehemann hat. 7 Dies wird von den Patientinnen deswegen gewünscht, weil sie später nicht an die Tatsache 2 AID: artificial insemination with semen, derived from a donor; Ranner in: Bernat, S. 23 (23) und Vasterling in: Rippmann, S. 27 (29). 3 D.B., Ambulante künstliche Insemination, DMW 1984, S. 278; Semm in: Rippmann, S. 77-79. 4 Darstellung nach Ranner in: Bernat, S. 23 (32). Heiss, S. 142, fordert darüber hinaus, der Spender müsse „überdurchschnittliche physische, psychische und charakterliche Eigenschaften besitzen." 5 Grossgebauer in: Schill / Bollmann, S. 14 (21); Ranner in: Bernat, S. 23 (32), vgl. a. Heiss, S. 143. Es hat bereits vier Fälle in Sydney gegeben, bei denen sich die Inseminierten mit Aids-behaftetem Sperma infiziert hatten, F.A.Z. vom 26. 7. 1985, S. 7. 6 Baierna et al. in: Schill / Bollmann, S. 23 (26). 7 Geissmacher in: Gynäkologie und Geburtshilfe, Band I. S. 669 (672); Silber, S. 181; Heiss, S. 146, fordert außerdem mit Weismann, der „ideale" Samenspender solle u. a. die gleiche Religion wie der Ehemann haben und Wissenschaftler oder Arzt sein. 3 Mansees

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

erinnert werden wollen, daß das Kind nicht vom Ehepartner abstammt. In zumindest einer Klinik 8 wird weiterhin darauf geachtet, daß der Spender mindestens derselben sozialen Schicht wie der Ehemann der Patientin angehört, wenn nicht einer höheren. Offenbar liegt dem die Vorstellung zugrunde, es gäbe schichtenspezifische genetische Merkmale, die sich vererbten. Obwohl doch später von den Wunscheltern gern die Bedeutung der genetischen Herkunft heruntergespielt wird und sie das Kind als ihr Kind betrachten. 9 An dieser Stelle ist abschließend festzustellen, daß der Wunsch der Patientin der Auswahlmaßstab für das verwendete Sperma ist. Die konkrete Bestimmung des Samenspenders nimmt der Arzt vor. Die Patientin erfährt dessen Name, Aussehen, Beruf usw. nicht. 10

2. Spermagewinnung und -aufbereitung Das zur Insemination erforderliche Sperma wird durch Masturbation des Spenders gewonnen, die Flüssigkeit wird in ein sauberes Gefäß ejakuliert. 11 Dem Sperma, gleich, ob frisch gewonnen oder kryokonserviert und aufgetaut, kann vor der Insemination ein Antibioticum und ggf. Kallikrein zur Verbesserung der Motilität des Samens zugesetzt werden. 12 Will man die Wahrscheinlichkeit erhöhen, daß das erzeugte Kind ein bestimmtes Geschlecht hat, ζ. B. ein Junge werden soll, so muß das Sperma durch Zentrifugieren fraktioniert werden. 13 Im Ausland gibt es Ärzte, die das Sperma nach X-chromosomalem einerseits und Y- chromosomalem andererseits trennen, je nachdem, ob ein Junge oder ein Mädchen gewünscht wird. 1 4 In Deutschland ist jedoch, soweit bekannt, eine solche Selektierung noch nicht vorgenommen worden. Ob bei heterologer Insemination die s Es handelt sich dabei um eine Spezialpraxis in Bad Pyrmont; Uschi Bub u. a.: Ein Kind um jeden Preis? Möglichkeiten und Probleme der künstlichen Befruchtung, Hess. Rundfunk, 2. Hörfunkprogramm, 14. 7. 1984, 12.00 - 12.30 Uhr, Manuskript, S. 11. 9 Auf die Frage eines Interviewers, ob die Befruchtung mit fremdem Samen Probleme bereite, antwortete eine betroffene, heterolog inseminierte Frau: „Das ist unser Kind dann, unser, unseres. Nich, nich — das hat überhaupt nix mit dem Spender zu tun oder so." Uschi Bub u. a, a. a. O. (Fn. 8), S. 5. 10 Silber, S. 182; Sporken, S. 105 unter Bezug auf Levie; Vasterling in: Rippmann, S. 27 (31). Rieben in: Rippmann, S. 11 (14): „Die Anonymität von Spender und Empfänger muß auf jeden Fall gewahrt bleiben." Rose / Schaad in: Rippmann, S. 34 (36): „Wir müssen... betonen, daß das Verfahren mit dem Schutz der Anonymität und der Deckung der Ehepaare, Kinder und Samenspender durch die ärztliche Schweigepflicht steht und fällt." π Heiss, S. 148 f.; Silber, S. 181. 12 Kaden et al. in: Schill / Bollmann, S. 92 (92); Ranner in: Bernât, S. 23 (33). 13 In Neapel erfreut sich eine Klinik, an der ivF / ET auf Wunsch nach geschlechtsspezifizierendem Zentrifugieren vorgenommen wird, großer Nachfrage, Frankfurter Rundschau vom 4. 12. 1986, S. 32, „Das Reagenzglasbaby gewinnt an Beliebtheit". 14 „Geschlecht von Retortenbabys in Japan auf Bestellung", F.A.Z. vom 2. 7. 1986, S. 27.

§ 3 Die innerkörperliche Befruchtung

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Herstellung sog. Samencocktails, d. h. die Verwendung eines Gemisches von Ejakulaten verschiedener Spender, auch in der Bundesrepublik erfolgt, ist unklar. 15 3. Spermakonservierung Soll der Samen nicht sofort inseminiert, sondern vorerst gelagert werden, so wird das Ejakulat bei -196° C tiefgekühlt (kryokonserviert). 16 Zuvor wird es zweifach verdünnt und kann mit verschiedenen Substanzen versetzt werden, die zu einem höheren Anteil befruchtungstauglicher Spermatozoen nach dem späteren Auftauen führen sollen. 17 Die Kryokonservierung ermöglicht die Anlage sog. Samenbanken, d. h. Samendepots, die sowohl für die AIH, als auch für die AID angelegt werden. In der Bundesrepublik gibt es etwa 20 Humanspermabanken. 18 Die Kryokonservierung hat nur eine geringfügige Einbuße der Befruchtungsfähigkeit des gelagerten Spermas, namentlich der Motilität, zur Folge. 19 Die maximale Lagerzeit mit Fertilisierungschance wird mit 6 Jahren angegeben.20 Das Kollektiv der aufgrund einer Insemination mit aufgetautem Kryosperma erzeugten Kinder weist nicht in höherem Maße genetische Aberrationen auf, als das der auf natürlichem Wege gezeugten Kinder. 21 Das Auftauen von Kryosperma dauert etwa 30 Minuten. 22

4. Insemination Das aufbereitete Sperma wird entweder in die Vagina, die Zervix oder das Uteruscavum eingeführt. 23 Zur Einführung wird eine spezielle Spritze verwendet, die mit einer Kanüle versehen ist. 24 In der Regel wird dieser Vorgang vollständig 15 Stauber in: Gentechnologie 9, S. 29 (36), spricht davon, es gäbe „durchaus Ärzte, die Samencocktails einsetzen ...". Auch bei Vasterling in: Rippmann, S. 27 (32), findet im Katalog des zur Durchführung der Übertragung von Spendersamen verwendeten Spermas unter 2.5. das „Vermischen mehrerer Ejakulate von verschiedenen Spendern" Erwähnung. 16 Baierna et al. in: Schill/Bollmann, S. 23-29 und Propping /Katzorke in: Schill/ Bollmann, S. 124 (125). 17 van der Vet ι et al. in: Schill / Bollmann, S. 69 (73). is Tauber in: Schill / Bollmann, S. 151 (151). 19 Ranner in: Bernat, S. 23 (29); differenzierend jedoch Schill et al. in: Schill/Bollmann, S. 35 (48). 20 Szalmay in: Schill / Bollmann, S. 155 (158). Ranner in: Bernat, S. 23 (29), berichtet von einem Fall, in dem Spermien über 8 Jahre befruchtungsfähig gehalten wurden. 21 Litschgi in: Schill / Bollmann, S. 141 (143 f.). 22 Bollmann et al. in: Schill / Bollmann, S. 145 (146). 23 Zu den Indikationen der Lokalität der Deponierung des Samens, ob intravaginal, -zervikal oder -uterin, Heiss, S. 162-171. 24 Guttmacher in: Gynäkologie und Geburtshilfe, Band I, S. 669 (672).

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von dem konsultierten Arzt vorgenommen. Er kann aber auch, nach ärztlicher Einweisung und Bereitstellung der erforderlichen Gerätschaften, zuhause und ohne Beisein des Arztes erfolgen. 25 Die ambulante Insemination hat den Vorteil, daß die Atmosphäre der Befruchtungsbehandlung in der heimischen Wohnung angenehmer ist als diejenige, die in einer Arztpraxis oder einer Klinik vorgefunden wird. Außerdem kann so die Gefahr vermindert werden, daß eine zu enge emotionale Fixierung der Patientin an den die Insemination durchführenden Arzt erfolgt, wie dies auch nach homologer Insemination gelegentlich festgestellt wird. 2 6 Sie ermöglicht zudem eine stärkere Beteiligung des Partners; dies kann psychologisch hilfreich sein. 27 Teilweise wird auch vor bzw. nach Verbringen der Samenflüssigkeit in den Körper der Frau eine speziell hierfür entwickelte Portiokappe verwendet. 28 Nach dem Deponieren des Spermas in den Körper der Patientin bleibt diese noch etwa 20 Minuten liegen und kann danach ihren normalen Tätigkeiten nachgehen.29 In der Regel führt nicht bereits der erste Inseminationsversuch zur Gravidität, auch wenn versucht wird, die Insemination zu dem menstruationszyklisch günstigsten Zeitpunkt vorzunehmen. 30 Im Durchschnitt muß eine Frau 3 Monate inseminiert werden, bis der gewünschte Erfolg, die Schwangerschaft, eintritt. Dabei werden pro Monat (Zyklus) bis zu 3 Inseminationen an der Patientin vorgenommen. 31 Insgesamt bedeutet die artifizielle Insemination eine psychische Belastung gerade für die besamte Frau. Das manifestiert sich in Zyklusanomalien, die während der Inseminationszyklen häufig beobachtet werden. 32 Diese endokrinologisch pathologischen Zustände werden auf die mit der Insemination verbundene Streßsituation zurückgeführt.

B. Intratubarer Gametentransfer Neuerdings wird in Deutschland ein weiterer Weg innerkörperlicher artifizieller Befruchtung beschritten. 33 Dazu wird bei der Frau die Ovulation hormonell angeregt. Zum menstruationszyklisch günstigsten Zeitpunkt werden dann mittels Bauchspiegelung (Laparoskopie) zwei bis vier reife Eizellen entnommen und 25 D.B., Ambulante künstliche Insemination, DMW 1984, S. 278; Semm in: Rippmann, S. 77-79. 26 Stauber, S. 57. 27 D.B. a. a. O. (Fn. 25). 28 Ranner 'm: Bernât, S. 23 (33) m. w. Ν.; Semm in: Rippmann, S. 77 (79); Guttmacher in: Gynäkologie und Geburtshilfe, Band I, S. 669 (673). 29 Guttmacher in: Gynäkologie und Geburtshilfe, Band I, S. 669 (673). 30 Gigon / Haldemann, Med. Klinik 74 (1979), S. 1375 (1378). 31 Heiss, S. 171 f. 32 Gigon ! Haldemann, Med. Klinik 74 (1979), S. 1375 (1378). 33 „Neues Verfahren bei Unfruchtbarkeit", F.A.Z., 29. 1. 1986, S. 7. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, das von einer Arbeitsgruppe der Universitätsklinik München seit Juni 1985 durchgefühlt wird.

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sogleich in die Eileiter transferiert. Zusätzlich werden ausgewählte Spermatozoen in den Eileiter verbracht. Die Befruchtung findet dann — genau wie nach natürlicher Zeugung oder artifizieller Insemination — im Eileiter statt. Die an der Frau vorgenommene Operation dauert etwa eine dreiviertel Stunde.

C. Surrogat-Embryonen-Technik (SET) Vor der Nidation eines innerkörperlich erzeugten oder gezeugten Kindes ist es möglich, den Embryo auszuspülen und in die Gebärmutter einer anderen Frau zu transferieren (Fremdembryonentransfer). 34 Dies in den USA angewandte Verfahren wird als Surrogat-Embryonen-Technik (SET) bezeichnet.

I I . Anwendungsmöglichkeiten der intrakorporalen Befruchtung Die artifizielle Insemination und der intratubare Gametentransfer können aus medizinischen oder nichtmedizinischen, persönlichen Gründen in Anspruch genommen werden. Medizinische Gründe sind die Sterilität einer Frau oder eines Paares. Sterilität ist die Unfähigkeit, ein Kind zu zeugen bzw. zu empfangen. 35 Persönliche Gründe sind solche, die keine medizinischen sind, also nicht auf Sterilität der behandelten Frau oder deren Partners beruhen, sondern auf anderen Faktoren. A. Medizinische Gründe 1. Für die homologe Insemination (AIH) und quasi-heterologe Insemination Die artifizielle Befruchtung mit dem Samen des Ehemannes36 kann in folgenden Fällen zur Befruchtung und Gravidität der Frau führen, vorausgesetzt, die Frau kann ein Kind empfangen und austragen: a) Impotentia coeundi, d. h., bei Unfähigkeit des Ehemannes, den ehelichen Geschlechtsverkehr so auszuführen, daß es zum Samenerguß in der Vagina der Frau kommt. Dies kann ζ. B. an mangelndem sexuellen Interesse liegen, an einer 34 Hepp in: Marquard / Staudinger, S. 12; Selb, S. 5, 12, 94, 100; Coester-Waltjen, in: 56. DJT, S. Β 19. 35 Im Gegensatz zur Infertilität der Frau, d. h. der Unfähigkeit, ein empfangenes Kind auszutragen und lebend zu gebären. Beide Bezeichnungen werden jedoch sogar im medizinischen Schrifttum nicht immer auseinandergehalten; vgl. nur den Sprachgebrauch bei Heiss, S. 10. 36 Wenn hier im folgenden vom Ehemann die Rede ist, gilt das aus medizinischer Sicht entsprechend für den Lebenspartner einer nicht verheirateten Frau. Es handelt sich dann um eine quasi-heterologe Insemination aus medizinischen Gründen.

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Verletzung, Entzündung oder Mißbildung des Penis, an mangelnder Erektionsfähigkeit, an ejaculatio praecox (vorzeitigem Samenerguß).37 b) Impotentia generandi, d. h. befruchtungsunfähigem Ejakulat aufgrund schlechter Samenqualität, ζ. B. zu geringe Samenzahl pro ml Ejakulat, schlechte Motilität, Unfähigkeit der Flüssigkeit, die „Zervixschranke" erfolgreich zu passieren. 38 Bei diesen beiden Störungen kann Nativsperma verwendet werden, d. h. frisch gewonnener und aufbereiteter Samen des Ehemannes. Die Kryokonservierung von Sperma eröffnet jedoch in weiteren Fällen die Möglichkeit, einer sterilen Ehe zu einem Kind zu verhelfen: c) Nach einer Vasektomie, d. i. die Sterilisation des Mannes mittels Durchtrennen der Samenleiter. Wird vor einer Vasektomie Sperma kryokonserviert, kann noch nach Jahren eine Befruchtung durch aufgetauten, vor der Vasektomie gewonnenen Samen erfolgen. 39 d) Bei Hodentumor. Weist das Spermiogramm eine hinreichende Spermaqualität auf und ist bis zur eigentlichen Tumorbehandlung noch genügend Zeit, so ist die Anlage eines Samendepots mit Spermien des Erkrankten mit anschließender Kryokonservierung möglich. 40 Die Behandlung solcher Tumore hat mitunter Fertilitätsverlust zur Folge, der auch anhält, wenn die Therapie erfolgreich war. 41 Nach einer solchen Behandlung können sich dann die Eheleute überlegen, ob ein Inseminationsversuch bei der Frau unternommen werden soll. Ist der Patient zwischenzeitlich gestorben, kann dessen Witwe erwägen, ob sie sich postmortal inseminieren lassen soll, falls die Kryobank sich zur Herausgabe des Spermas bereiterklärt. e) Möglich ist auch das Einfrieren des Spermas von Patienten, die exogenen Noxen ausgesetzt sind, 42 ζ. B. Personen, die mit starker Radioaktivität rechnen müssen, wie Arbeiter in einem Atomkraftwerk oder Radiologen für den Fall eines Betriebsunfalls. 43 Sie könnten dann im Falle einer zur Befruchtungsunfähigkeit führenden äußeren Einwirkung mit dem gelagerten Sperma einen Inseminationsversuch an ihrer Frau vornehmen lassen.

37 Heiss, S. 17 f., 44 f. 38 Ranner in: Bernât, S. 23 (27). 39 Vgl. Litschgi in: Schill / Bollmann, S. 141 (141). 40 Propping / Katzorke in: Schill / Bollmann, S. 124 (129); Lunglmayr et al. in: Schill / Bollmann, S. 121 (121). Campana et al. in: Schill / Bollmann, S. 99 (99, 104). 42 Propping I Katzorke in: Schill / Bollmann, S. 124 (130). 43 Dies hat anläßlich der möglichen genetischen Schädigung der Keimzellen, die bei Personen beobachtet wurden, die nach dem Atomkraftwerksunglück in Tschernobyl sich in der Nähe des Meilers aufgehalten haben, besondere Aktualität erlangt, vgl. F.A.Z. vom 22. 2. 1986, S. 9: „Im Blut genetische Veränderungen nach Tschernobyl-Unfall".

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2. Für die heterologe Insemination (AID) Liegt der Grund für die Sterilität eindeutig beim Mann, ist die Frau also empfangs- und austragungsfähig, so kommt aus medizinischer Sicht stets eine heterologe Insemination in Frage.

3. Für den intratubaren Gametentransfer Der intratubare Gametentransfer findet Anwendung bei ungeklärter Sterilität, also, wenn kein organischer Befund feststellbar ist, weder beim Mann, noch bei der Frau, die sich ein Kind wünscht, und bei Oligospermie, d. h. zu geringer Anzahl von Samenfäden pro ml Ejakulat. Denkbar wäre auch die Verwendung von Spendereiern, wenn die Frau lediglich unfähig ist, sprungreife Follikel zu produzieren oder ihr die Ovarien entfernt wurden. 44 Allerdings ist, anders als bei der extrakorporalen Befruchtung, Voraussetzung, daß wenigstens ein Eileiter durchgängig ist. Andernfalls kann das befruchtete Ei nicht in den Uterus gelangen und damit keine Schwangerschaft erfolgen. 45

4. Für die SET Medizinische Indikationen für eine Embryoausspülung und einen Fremdembryonentransfer nach innerkörperlicher Befruchtung gibt es keine. Einziger Anwendungsbereich ist die Ermöglichung einer Tragemutterschaft. Dies ist aber ein nichtmedizinischer, persönlicher Grund.

B. Persönliche Gründe 1. Für die artifizielle Insemination Obwohl die Methoden artifizieller Insemination ursprünglich zur Überwindung der Sterilität innerhalb einer Ehe entwickelt wurden, sind sie auch Grundlage für die Erzeugung von Kindern geworden, ohne daß die Ehe der besamten Frau steril ist. a) Zur Vermeidung der Zeugung erbkranken Nachwuchses wegen Erbkrankheiten auf Seiten der Familie des Mannes wird zuweilen AID erwogen. 46

44 „Künstlich übertragene Keimzellen verschmelzen im Eileiter", Bericht der F.A.Z vom 5. 2. 1986, S. 29. Zur Definition des Begriffs „Oligospermie" Heiss, S. 48 f. 45 Bericht der F.A.Z a. a. Ο (Fn. 44). 46 Heiss, S. 60 f.

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b) Die heterologe Insemination kann benutzt werden, um einer Frau zu einem Kind zu verhelfen, die es ablehnt, sich von einem Mann ein Kind zeugen zu lassen.47 Sei es, daß sie aus Gründen der Selbstverwirklichung einmal das Gefühl erleben will, schwanger zu sein, sei es, weil sie ein Kind als Gegenüber in ihrem sonst tristen Alltag wünscht. Es gibt Ärzte, die Inseminationen auch an ledigen Frauen durchführen, die nicht mit einem Mann zusammenleben, ζ. B. an Lesben.48 c) Die heterologe Insemination ist weiterhin Grundlage für die Ersatzmutterschaft, also einer Form der Fremdmutterschaft. Fremdmutterschaft ist die Zurverfügungstellung einer Frau zur Austragung und Geburt eines Kindes für eine andere Person oder ein Paar (Wunscheltern) in der Absicht, es nach der Geburt an die Wunscheltern abzugeben.49 Ersatzmutterschaft ist eine Fremdmutterschaft, bei der sich eine Frau mit dem Sperma eines Mannes befruchten läßt, der und ggf. auch dessen Ehefrau (Wunscheltern) das Kind nach der Geburt erhalten sollen. 50 Eine Ersatzmutterschaft ist in folgenden Sachverhaltsgestaltungen denkbar: 51 aa) Ein Paar möchte ein Kind bekommen, die Frau verfügt jedoch nicht über intakte Eierstöcke. Trotz hormoneller Intervention erfolgt keine Entwicklung sprungreifer Follikel, es wird auch keine Eispende in Erwägung gezogen. bb) Eine Frau ist infertil, d. h., sie kann ζ. B. wegen mangelnder Ausbildung von Gebärmutterschleimhaut oder fehlender Gebärmutter kein Kind austragen, möchte aber auch keinen zur Eientnahme erforderlichen Eingriff über sich ergehen lassen. cc) Ein Mann möchte ein Kind haben, ohne eine geschlechtliche Beziehung zu einer Frau zu unterhalten, etwa, weil er homosexuell ist. In diesen Fällen ist nicht die Ersatzmutter, sondern entweder die Wunschmutter steril oder der Samenspender ist ledig und wünscht sich für sich ein Kind aus seinem Keimmaterial. Auch im ersten Fall handelt es sich deshalb um eine persönliche und nicht um eine medizinisch begründete Insemination, weil die Sterilität nicht in der Ehe oder der Partnerschaft der Ersatzmutter, sondern bei einer anderen Person (der Wunschmutter) liegt.

47 Hornstein in: Arditti et al., S. 145 (145): „Künstliche Befruchtung stellt für alleinstehende, insbesondere lesbische Frauen eine Wahlmöglichkeit in der Reproduktion dar — und eine, die unter unserer Kontrolle bleiben kann." 4 8 Der Gynäkologe Dr. H. Mutke, München, hat sich in der vom WDR am 4. 8. 1985, 17.15 Uhr - 17.45 Uhr ausgestrahlten Sendung „Ratgeber Recht" ausdrücklich dazu bekannt. 49 Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (496). so s. Fn. 49. 5i Die angeführten Sachverhaltsgestaltungen sind weitgehend von Mansees, a. a. Ο (Fn. 49) übernommen.

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2. Für den intratubaren Gametentransfer Der intratubare Gametentransfer wird gegenwärtig nur an einer Münchener Klinik durchgeführt und dort allein zur Überwindung der Sterilität, also aus medizinischen Gründen. 52 a) Denkbar wäre aber auch, bei dieser Methode Eier zu verwenden, die von einer anderen Frau stammen. Der intratubare Gametentransfer ist daher als Grundlage einer präkonzeptionell begründeten Tragemutterschaft geeignet. Präkonzeptionell begründete Tragemutterschaft ist eine Fremdmutterschaft, bei der die Fremdmutter ein oder mehrere Eier der Wunschmutter in den Eileiter transferiert bekommt, die dort befruchtet werden. Diese Form der Fremdmutterschaft gleicht in den Auswirkungen der Tragemutterschaft. Tragemutterschaft ist eine Fremdmutterschaft, bei der einer Frau ein befruchtetes Ei einer anderen Frau eingepflanzt wird (Fremdembryonentransfer) und das Kind nach Geburt an die Eispenderin und ggf. deren Ehemann (Wunscheltern) abgegeben werden soll. 53 Der Unterschied der präkonzeptionell begründeten zur herkömmlichen, auf i v F / E T beruhenden Tragemutterschaft wäre hier nur der, daß nicht ein bereits befruchtetes Ei, sondern eine unbefruchtete Eizelle verwendet wird und die Befruchtung (Konzeption) erst im Eileiter stattfindet. Dabei kann die Befruchtung mit dem Sperma des Ehemannes (Wunschvater) der Eispenderin (Wunschmutter), mit dem des Ehemannes der Fremdmutter oder mit dem Samen eines Dritten erfolgen. Eine präkonzeptionell begründete Fremdmutterschaft ist in folgenden Fällen denkbar: aa) Ein Ehepaar bekommt deswegen keine Kinder, weil die Frau infertil ist, d. h., sie zwar befruchtungsfähige Eier produziert, aber keine Schwangerschaft bis zur erfolgreichen Geburt auszutragen vermag. Diese Situation liegt etwa nach einer Entfernung der Gebärmutter vor. bb) Die Wunschmutter ist weder steril noch infertil, möchte aber aus beruflichen oder kosmetischen Gründen keine Schwangerschaft austragen. Ist die Wunschmutter verheiratet, kann der Samen des Ehemannes der Wunschmutter verwendet werden, andernfalls (oder bei Sterilität des Ehemannes) muß auf den Samen des Ehemannes der Fremdmutter oder eines Dritten zurückgegriffen werden. b) Denkbar ist auch, daß Eier und Samen nicht von den Wunscheltern, sondern von Dritten stammen, die dann in den Eileiter der Fremdmutter eingeführt werden und nach der Geburt an die Wunscheltern abgegeben werden sollen. Dies wäre gewissermaßen der Versuch einer präkonzeptionell inszenierten Adoption eines genetisch fremden Kindes. Eine solche Sachverhaltsgestaltung könnte von Wunscheltern in Betracht gezogen werden, wenn beide Partner organisch oder 52 Bericht der F.A.Z., a. a. O. (Fn. 44). 53 s. Fn. 49.

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idiopathisch (aus ungeklärter Ursache) steril sind, sie ein Kind adoptieren wollen und eine Fremdmutter finden, die zwar bereit ist, ein Kind für die Wunscheltern auszutragen, aber nicht die genetische Elternschaft übernehmen möchte. Etwa, weil die Fremdmutter und deren Ehemann die Möglichkeit einer finanziellen Inanspruchnahme als genetische Eltern befürchten.

3. Für die SET Die Ausspülung eines Embryos aus einer Frau und anschließende Einbringung in den Körper einer anderen Frau kann erfolgen, um eine Tragemutterschaft zu verwirklichen. Zur Tragemutterschaft gilt das bereits zu 2. a) Ausgeführte.

I I I . Patientenberatung und -auswahl in der Praxis A. Bei artifizieller Insemination Vor jeder Behandlung fragt sich ein Arzt, ob sie geeignet ist, dem Patienten zu helfen, d. h., den Zustand zu erreichen, den der Patient wünscht und der ihm zuträglich ist. Entsprechendes muß auch für die künstliche Befruchtung als ärztliches Handeln sui generis gelten. 54

1. Psychosomatische Besonderheiten der Sterilität Dabei ist zu beachten, daß eine große Zahl von Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch eine depressiv-narzißtische Persönlichkeitsstruktur aufweist. 55 Die insbesondere bei idiopathischer Sterilität zu beobachtenden primären Persönlichkeitsstörungen sind nicht in der Nichterfüllung eines Kinderwunsches begründet, sondern waren schon zuvor vorhanden und liegen tiefer. 56 Der nicht erfüllte Kinderwunsch läßt eine solche Persönlichkeits- oder Beziehungsstörung, die z. B. in einer symbiotisch anklammernden Partnerschaft zum Ausdruck kommt, nur deutlicher zu Tage treten. 57 Die Heftigkeit des Kinderwunsches ist dann lediglich Ausdruck der damit verbundenen Kränkung und des dadurch zusätzlich verminderten, ohnehin schwachen Selbstwertgefühls. Mit Erfüllung des Kinderwunsches 54

Da auch das ärztliche Handeln bei artifizieller Insemination unmittelbar auf die Erzeugung eines Menschen ausgerichtet ist, stellt es genauso wie die ivF/ET eine ärztliche Handlung sui generis und keine Behandlung dar. 55 Stauber, S. 155 f., 160, 182 f. 56 Vgl. Petersen, S. 59, 62. Stauber, S. 156: „Es i s t . . . zu berücksichtigen, daß man bei vielen Patientinnen mit extrem starkem Kinderwunsch bereits eine präformierte Störung im narzistischen System nachweisen kann." 57 Vgl. Stauber, S. 99, 146, 156.

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würde solchen Patienten nicht geholfen, sondern es bestände die Gefahr, daß die unglückliche Lage sich nach Ankunft des Kindes noch verstärkt und vor allem auf das Kind nachteilig auswirkt. So tritt nach schlußendlicher Erfüllung des Kinderwunsches häufig eine Desillusionierung auf: die „Messiaserwartung", die an das Kind gerichtet war, hat sich nicht erfüllt. Wie anders ist es erklärlich, daß bei Kinderwunschpatientinnen mehr Aborte vorkommen, als beim Gesamtkollektiv von Schwangeren-Beratungs-Patientinnen (35 % im Vergleich zu 19 %; darin sind etwa 20 % gewollte, artifizielle Abbrüche enthalten).58 Auffallend bei Kinderwunschpatientinnen ist weiterhin, daß die Stillrate geringer ist. D. h., weniger Frauen mit schließlich erfülltem Kinderwunsch stillen nach der Geburt ihre Kinder, als andere Mütter. 59 Ein weiteres Phänomen ist zu bedenken: 53 % der Ehepaare mit frustranem Kinderwunsch 60 erwartet von einem Kind eine Verbesserung ihrer Eheharmonie. Paare mit schließlich erfülltem Kinderwunsch geben hingegen nur zu 9 % an, das Kind habe einen günstigen Einfluß auf ihre Ehe gehabt; bei 17 % hat sich die Ankunft eines Kindes als ungünstig herausgestellt. 61 Zur Illustration dazu, daß in solchen Fällen eine Kinderwunscherfüllung durch künstliche Befruchtung unangebracht sein sollte, führt Petersen folgendes Bild an: „Das Kind wirkt wie eine Krücke bei amputiertem Bein der Mutter — die Gehbehinderung wird zwar gemindert, aber die Tatsache der Amputation bleibt bestehen. Dabei wird allerdings das Kind als „Krücke" zweckentfremdet benutzt." 62 Die Kluft zwischen Erwartung und Erfüllung wird bereits bei herkömmlichen Sterilitätsbehandlungen und bei homologen Inseminationen beobachtet. 6 3 Die angesprochene Problematik verstärkt sich bei heterologer Insemination. 64 Hierbei besteht zudem die Gefahr, daß der Ehemann der Inseminierten fortwährend seine Unfähigkeit, ein Kind zu zeugen, demonstriert bekommt. Im Gegenzug dazu sagt er möglicherweise in einer Krisensituation: „Das ist ja nicht mein Kind!" 2. Patientenauswahl Um die vorgenannten Risiken im Einzelfall rechtzeitig zu erkennen und die Geeignetheit der Patientin für eine Insemination dementsprechend zu beurteilen, 58 Ralf Becker, Berliner med. Diss. 1980, S. 131. 59 Ralf Becker, a. a. Ο. (Fn. 58), S. 137. 60 Unter „frustranem Kinderwunsch" versteht Becker, a. a. Ο. (Fn. 58), S. 142, hierbei die von ihm untersuchte „Auswahl deutscher verheirateter Paare mit primärer Sterililät, bei denen die Diagnostik und Therapie weitgehend abgeschlossen ist, ohne daß jemals eine Schwangerschaft eintrat." 61 Ralf Becker, a. a. O. (Fn. 58), S. 137. 62 Petersen, S. 59. 63 Nach Wolkinger unter Bezug auf Kemeter in: Bernat, S. 89 (98), „ . . . stellt ein überwertiger Kinderwunsch, der ähnlich der Messiaserwartung die Lösung aller selbstwertvermindernden Persönlichkeitsprobleme erhofft, bereits für die homologe Insemination eine deutliche Kontraindikation dar." 64 Petersen, S. 79; Stauber, S. 57 f.

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

bedarf es einer gründlichen sozio-psychologischen Exploration des Ehepaares vor Durchführung einer Insemination.65 Dabei steht die artifizielle Insemination in der Regel am Ende einer erfolglosen Sterilitätsbehandlung im Rahmen der „Kinderwunschsprechstunde." 66 Sie wird meist erst dann in Erwägung gezogen, wenn 67 die Wunscheltern mindestens drei Jahre verheiratet sind, sie trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs entgegen ihrem Willen kein Kind bekommen haben und die Diagnose entweder keinen organischen Befund zutage gefördert hat oder eine Sterilitätsbehandlung im wahrsten Sinne des Wortes fruchtlos geblieben ist. Liegt die Sterilitätsursache in der schlechten Qualität des Spermas des Mannes, so wird eine homologe Insemination versucht. Erst wenn auch dies nicht fruchtet, wird von ärztlicher Seite eine heterologe Insemination erwogen. Dies jedoch wegen der oben dargelegten Risiken erst dann, wenn (1) beide Partner gemeinsam eine heterologe Insemination wünschen, (2) das Wunschelternpaar verheiratet ist oder wenigstens eine enge Partnerschaft besteht, (3) die Ehe (Partnerschaft) so gefestigt erscheint, daß das Paar die mit der Durchführung und dem Ergebnis (genetisch teilweise nicht eigenes Kind) verbundenen seelischen Belastungen voraussichtlich meistern wird, und (4) die Erfüllung des Kinderwunsches nicht über das Schicksal der Ehe (Partnerschaft) entscheidet; das erzeugte Kind soll nicht als Mittel zum Zweck des Kittens einer ansonsten zerrütteten Ehe mißbraucht werden. 68 Die Berücksichtigung der o. g. Faktoren ist auch deswegen angezeigt, weil die heterologe Insemination als ungeeignet anzusehen ist, eine belastete Ehe wieder mit positivem Inhalt zu füllen. 69 Hiergegen kann nicht überzeugend angeführt werden, bei natürlicher Zeugung fände auch keine Selektion danach statt, ob das Kind gute Bedingungen vorfindet. 70 Die Zeugung als natürlicher Vorgang 71 nach einem Geschlechtsverkehr bedarf keiner Rechtfertigung. 72 Die Vornahme 65 Ranner in: Bernât, S. 23 (31). 66 Heiss, S. 42. 67 Die nachfolgende Darstellung bis vor Fn. 68 fußt auf der Darstellung Ranners in: Bernât, S. 23 (30-32). 68 Gigon / Haldemann, Med. Klinik 74 (1979), S. 1375 (1377). 69 Ranner in: Bernât, S. 23 (31). 70 Dieser Ansatz liegt jedoch den Äußerungen Mutkes in: Medical Tribune Nr. 7/ 1986 vom 15. 2. 1986 „Warum denn die Aufregung?" zugrunde, mit denen er die Leihmutterschaft befürwortet. 71 Auch wenn die Zeugung in der Regel von der Betätigung des menschlichen Willens abhängt, ist das Zusammentreffen von Ei- und Samenzelle sowie die daraufhin erfolgende Befruchtung nicht von menschlichem Handeln inszeniert und deshalb nicht künstlich, sondern natürlich. 72 Low, S. 140: „Die Natur ist weder rechtfertigungsbedürftig noch rechtfertigungsfähig — rechtfertigungsbedürftig sind die Handlungen des Menschen, und zwar gerade insofern, als sie keine Naturereignisse sind". Ders., „Technologie und Verantwortung", F.A.Z. vom 3. 1. 1985, S. I der Beilage „Natur und Wissenschaft", führt folgendes

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einer unmittelbar und ausschließlich auf die Befruchtung gerichteten Handlung zudem unter Mitwirkung eines Dritten (des Arztes) hingegen bedarf einer Rechtfertigung. Das bedeutet, daß mögliche Folgen des Handelns zuvor bedacht werden müssen, denn es werden natürliche Schranken durchbrochen. Für diese Folgen ist der handelnde Mensch verantwortlich — hier also der Arzt. Macht er sich dabei allein zum Instrument der ihm gegenüber unmittelbar geäußerten Wünsche seiner Patienten, wird er dieser Verantwortung nicht gerecht. 73 Er kann sich dabei auch nicht auf die Therapiefreiheit berufen, wenn hinter dem geäußerten Wunsch möglicherweise ein tieferliegendes Problem liegt, das mit der gewünschen „Therapie" nicht zu beheben ist. Ungeachtet der zuvor angeführten, grundsätzlich bedenklich stimmenden Risiken wird die heterologe Insemination nicht nur bei sterilen Ehepaaren, sondern gelegentlich auch bei unverheirateten Frauen, die ein Zusammenleben mit einem Mann ablehnen, sowie zwecks Ersatzmutterschaft durchgeführt. 74 In der Ärzteschaft wird dies zwar weitgehend aus Gründen des Kindeswohls abgelehnt.75 Dabei stellen die von der Bundesärztekammer beschlossenen Richtlinien, 76 insbesondere das darin enthaltene „Verbot" des Einsatzes der Methoden der künstlichen Befruchtung für Fremdmutterschaft lediglich eine standesrechtliche Empfehlung dar. 77 Ein dem widersprechendes ärztliches Handeln hat keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen für den betreffenden Arzt. 7 8 Deshalb ist damit zu rechnen, daß solche Fälle dennoch vorkommen. Beispiel an: „Zwei Spaziergänger werden von zwei Dachziegeln tödlich getroffen. Das eine Mal hat es die Natur — eine Windböe z. B. — gemacht, das andere Mal hat ein Mensch den Ziegel gezielt herabgeschleudert. Vor dem Richter sagt dieser Mensch, er sei gerechtfertigt, weil es die Natur auch gemacht habe." 73 So auch die Präsidentin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Frau Dr. I. Retzlaff in: Gentechnologie 5, S. 3 (4). Der die ivF/ET durchführende Arzt Dr. Maleika, Ev. Akademie Bad Boll, S. 3 (9), versteht sich indessen mehr als jemand, „der seine oft bescheidenen Möglichkeiten zur Verfügung stellt, um den Kinderwunsch zu ermöglichen. Ich bin auch in der Zwischenzeit zur tiefsten Überzeugung gekommen, daß nur jeder Mensch selbst . . . bestimmen kann, wann und mit wem er sich reproduzieren möchte ...". Er lehne es ab, zu entscheiden, was ein berechtigter Kinderwunsch sei {ders., a. a. O., S. 13). 74 So vom Münchener Frauenarzt Dr. Mutke, a. a. O. (Fn. 48 u. 70). 7 5 Retzlaff in: Gentechnologie 9, S. 3 (4 f., 11). 76 „Richtlinien zur Durchführung von in vitro-Fertilisation (ivF) und Embryotransfer als Behandlungsmethoden der menschlichen Sterilität", abgedruckt in: Gentechnologie 3, S. 354-357, Nr. 3.2.2., letzter Satz (S. 356): „Leihmutterschaft, nämlich das Austragen des Kindes einer anderen genetischen Mutter mit dem Ziel, es dieser oder einer anderen Frau zu überlassen, ist abzulehnen." Der 88. Deutsche Ärztetag hat am 15. Mai 1985 in Lübeck-Travemünde ebenfalls beschlossen, den Einsatz von „Leihmüttern" abzulehnen (abgedruckt in: Gentechnologie 3, S. 364 (365)). Zwar beziehen sich diese Beschlüsse expressis verbis nur auf die extrakorporale Befruchtung, doch kann hierin auch eine Willensbekundung der Ärzteschaft gegen die Fremdmutterschaft in toto gesehen werden, auch insoweit sie auf intrakorporalem Wege erfolgt. 77 Hess, MedR 1986, S. 240 (241). 7 « Werden die Richtlinien Bestandteil des Berufsrechts, sind die Ärztekammern lediglich ermächtigt, berufsrechtlich gegen die betreffenden Ärzte vorzugehen (Verwarnung

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

B. Bei intratubarem Gametentransfer Über die klinische Praxis der Anwendung des intratubaren Gametentransfers ist lediglich bekannt, daß er gegenwärtig nur erwogen wird, wenn die Unfruchtbarkeit nicht auf einem Eileiterschaden beruht. Er wird angewandt bei länger andauernder idiopathischer Sterilität und bei Unfruchtbarkeit aufgrund mangelnder Samenqualität des Partners der Behandelten; beides im Rahmen einer Ehe. 79

C. Bei Uteruslavage mit anschließendem Fremdembryonentransfer Ob die Methode der Embryoausspülung und Fremdtransferierung in der Bundesrepublik gegenwärtig durchgeführt wird, ist nicht bekannt. Berichte hierüber gibt es bislang nicht.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem Embryonentransfer (ivF/ET) Wie bei der artifiziellen Insemination als einer Form innerkörperlicher Befruchtung, ist auch bei der ivF / ET zwischen homologer und heterologer Befruchtung zu unterscheiden. Homologe ivF ist die extrakorporale Befruchtung eines Eies mit dem Samen des Ehemannes der Eispenderin. Jede andere Befruchtung ist eine heterologe. Bei der heterologen Befruchtung sind folgende drei Kombinationen möglich: ivF nach Samenspende, ivF nach Eispende sowie ivF nach Ei- und Samenspende. (1) ivF nach Samenspende ist die Befruchtung eine Eies der Frau, in deren Uterus es später transferiert werden soll, mit dem Sperma eines anderen als ihres Ehemannes. Bei Befruchtung nach dem Tod des Ehemannes oder mit Sperma des Lebenspartners einer unverheirateten Patientin kann — entsprechend der artifiziellen Insemination — von quasi-heterologer ivF gesprochen werden. (2) ivF nach Eispende ist die Befruchtung des Eies einer von der Wunschmutter verschiedenen Frau mit dem Samen des Ehemannes der Wunschmutter. (3) ivF nach Ei- und Samenspende ist die Befruchtung von Keimzellen, die von anderen Personen als der Wunschmutter bzw. dem Wunschvater stammen. Wunschvater und -mutter bzw. -eitern sind die Personen, die das Kind nach der Geburt haben wollen. Zudem ist zwischen autologem und heterologem Transfer sowie Fremdembryonentransfer zu unterscheiden. durch Geldbuße, schlimmstenfalls Feststellung der Berufsunwürdigkeit), Hess, MedR 1986, S. 240 (243). 7 9 „Künstlich übertragene Zellen verschmelzen im Eileiter", F.A.Z. vom 5. 2. 1986, S. 29.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

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(4) Autologer Transfer ist die Einführung eines Embryos in den Uterus der Frau, von der das Ei stammt (genetische Mutter). (5) Heterologer Transfer ist die Einführung des Embryos in den Uterus einer von der genetischen Mutter verschiedenen Frau. Bei einer Eispende erfolgt daher stets ein heterologer Transfer. (6) Fremdembryonentransfer ist die Einführung eines Embryos in den Uterus einer Frau nach Ei- und Samenspende. Eine homologe ivF mit anschließendem autologen Transfer wird als i v F / E T im homologen System bezeichnet, alle anderen Varianten als ivF / ET im heterologen System.

I. Medizinische Vorgehensweise Die i v F / E T bedarf in noch viel größerem Maße ärztlichen Handelns als die innerkörperliche Befruchtung.

A. Maßnahmen bis zur Befruchtung; Durchführung der Befruchtung 1. Gewinnung der Keimzellen Zusätzlich zur Gewinnung befruchtungsfähigen Samens1 besteht das Erfordernis, befruchtungsfähige Eier zu gewinnen. Dies stellt ein medizinisch nicht ganz einfaches Unterfangen dar. Denn zunächst ist die Frau zu veranlassen, zu einem berechenbaren Zeitpunkt sprungreife Follikel hervorzubringen. Dazu wird bei Beginn des Zyklus zumeist eine hormonelle Behandlung der Frau mit dem Ziel einer Superovulation vorgenommen. 2 Damit soll erreicht werden, daß in den Ovarien mehrere sprungreife Follikel gleichzeitig heranreifen, um im Zeitpunkt unmittelbar vor dem zu erwartenden Eisprung möglichst mehrere befruchtungsfähige Eier absaugen zu können.3 Denn statistisch gesehen ist bei einem Eigewinnungsversuch die Ausbeute an geeigneten präovulatorischen Eiern deutlich geringer als die Zahl der insgesamt vorzufindenden sprungreifen Follikel. 4 Der Zeit1 Zur Spermagewinnung s. o. § 31. A. 2.; zur Samengewinnung vor einer ivF Lehmann et al. in: Schill / Bollmann, S. 169 (179) und Winter in: Bernât, S. 41 (54 f.). 2 Winter (Fn. 1), S. 45 u. 47-53; Trotnow in: BMFT, S. 51 (52); Hepp in: Marquard/ Staudinger, S. 9 (10). 3 Winter (Fn. 1), S. 45; Bräutigam I Mettler, S. 53 f.; Mettler in: Jüdes, S. 45 (53). 4 Von 1 911 bis Mai 1984 in deutschen Arbeitsgruppen durchgeführten Eigewinnungsversuchen per Laparoskopie wurden insgesamt 5 300 Eizellen gewonnen, von denen nur 1 128 (21 %) nach einem Befruchtungsversuch transferiert werden konnten. Pro Laparoskopie betrug die Eiausbeute durchschnittlich 2,8 (Zahlen nach Lehmann et al. (Fn. 1), S. 185). Deshalb bedarf es nach Maleika, Ev. Akademie Bad Boll, S. 3 (5), der Gewinnung mehrerer Eizellen „aus rein statistischen Probabilitäts- und aus Chancengründen" — „die Mehrfachovulation wird also herbeigeführt, um Chancen zu erhöhen, damit der

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

punkt des voraussichtlichen Eisprungs und damit der Vornahme der Eigewinnung wird nicht allein kalendarisch, sondern genauer mittels Ultraschalluntersuchung der Ovarien und mehrmaliger Hormonuntersuchung ermittelt. 5 Soll die ivF in einem Spontanzyklus erfolgen, so erfordert dies ein Team, das Tag und Nacht, auch am Wochenende, einsatzbereit ist. 6 Die Gewinnung der präovulatorischen Eizellen erfolgt entweder per Laparoskopie 7 oder mittels ultraschallkontrollierter Follikelpunktion. 8 Die letzere Methode hat den Vorteil, daß hierfür keine Vollnarkose der Eispenderin erfolgen muß. 9 Die Laparoskopie gilt jedoch nach wie vor als die zuverlässigere und sicherere Methode. 10 Die aufgefundenen präovulatorischen Eizellen werden zunächst in einem Wärmeschrank aufbewahrt. 11 Befinden sich Ei und Samen außerhalb des Körpers, kann unmittelbar nach deren Gewinnung die Befruchtung (Fertilisation) vorgenommen werden. Es kann aber auch eine Kryokonservierung der Keimzellen erfolgen.

2. Keimzellenkonservierung Wie oben (§ 3) bereits dargestellt, ist die Tiefkühlkonservierung männlicher Keimzellen, der Samen, schon längere Zeit möglich und Praxis. 12 In jüngster Zeit wurde jedoch mit Erfolg auch eine Kryokonservierung von Oozyten vorgenommen. 1 3 Wegen der komplizierten spezifischen Struktur der Eizellen im Vergleich Eingriff nicht umsonst gemacht wird und natürlich auch, um Mehrfachtransfers durchführen zu können." 5 Feichtinger / Kemeter in: Bernat, S. 59 (64 f.); Winter (Fn. 1), S. 47 f. Das Follikelwachstum wird ab dem 10. Zyklustag täglich durch Ultraschallmessungen und Hormonuntersuchungen kontrolliert, Hepp (Fn. 2), S. 10. Zum gegenwärtigen Stand der Technik der Bestimmung des Ovulationszeitpunkts Lehmann et al. (Fn. 1), S. 177 f. Dabei kann nach Mettler (Fn. 3), S. 55 „eine negative Beeinflussung der Eizellen durch den Ultraschall nicht ausgeschlossen werden." 6 Mettler (Fn. 3), S. 53. Dies ist ein weiterer primär ökonomischer Grund dafür, daß in der Regel die ivF nicht in einem spontan-, sondern in einem hormonstimulierten Zyklus vorgenommen wird, Winter (Fn. 1), S. 48. 7 Winter (Fn. 1), S. 53 f.; zur Eizellgewinnung durch Follikelpunktion per pelviskopiam Mettler (Fn. 3), S. 56-58. s Winter (Fn. 1), S. 54. 9 Zur Erforderlichkeit einer Allgemeinanästhesie bei Laparoskopie / Pelviskopie Winter (Fn. 1), S. 53; Mettler (Fn. 3), S. 56. Deswegen sollte eine laparoskopische Follikelpunktion nicht mehr als 4-6 mal pro Patientin erfolgen, Mettler (Fn. 3), S. 64. 10 Retzlaff in: Gentechnologie 9, S. 3 (6). Sie ist immer noch „die Standardmethode für die in vitro-Fertilisation", Lehmann et al. (Fn. 1), S. 178. n Diedrich / Krebs in: Jüdes, S. 25 (30 f.). 12 Speziell zur Samenkonservierung vor einer ivF Schill / Trotnow in: Schill / Bollmann, S. 191-195. 13 F.A.Z. 31. 12. 1985, S. 29: „Menschliche Eizellen aus dem Gefrierschrank". In Adelaide (Australien) wurden Mitte 1986 zum ersten Male Zwillinge geboren, die aus konservierten Eizellen stammten, F.A.Z. 5. 7. 1986, S. 16: „Erste Retorten-Zwillinge". In der Bundesrepublik wurde im Februar 1987 zum ersten Mal ein Kind geboren, das

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

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zu Spermien, insbesondere der osmotischen Verhältnisse, ist dieses Verfahren wesentlich aufwendiger und problematischer, als das der Konservierung von Samenzellen oder befruchteten Eizellen (Embryonen). 14 Insbesondere ist noch nicht geklärt, ob beim Kühl- und insbesondere beim Auftauvorgang die Eizelle derart in Mitleidenschaft gezogen wird, daß genetische Schäden des Keimlings die Folge sein können. 15

3. Die Befruchtung Die frisch gewonnenen oder aufgetauten Keimzellen (Eier und Spermien) werden einige Stunden nach der Eigewinnung in einer Petrischale zusammengeführt. In der Praxis werden regelmäßig gleichzeitig alle gewonnenen präovulatorischen Oozyten mit dem Sperma zusammengeführt, 16 sofern nicht einzelne Eier zur Kryokonservierung aufbewahrt werden sollen. Ob es zu einer Keimzellverschmelzung gekommen ist und wenn ja, wie viele Eizellen befruchtet wurden, kann erst etwa 12-23 Stunden nach Fertilisation festgestellt werden, 17 also nach der Imprägnation, 18 aber vor der ersten Zellteilung. 19 Von einem neuen Lebewesen kann die Rede sein ab der Chromosomenverschmelzung von Ei- und Samenzelle (Konjugation). 20 Diese erfolgt nach der Vorkernbildung, aber vor der ersten Zellteilung. 21 Wenn im folgenden vereinfachend von „befruchteter Eizelle" die Rede ist, so ist damit die Eizelle nach erfolgter Konjugation gemeint. aus einer (drei Monate) tiefgefrorenen Eizelle stammte, F.R. 19. 2. 1987, S. 23: „Erstes bundesdeutsches Baby aus tiefgefrorenen Eizellen". Dadurch wird erstens das Risiko einer Mehrlingsgeburt verringert, da nicht zwecks Vermeidung eines weiteren Eigewinnungsversuchs alle Eizellen befruchtet werden müssen. Außerdem läßt sich so der Embryotransfer auf den natürlichen Zyklus der Frau abstimmen; es braucht nicht ein Transfer bereis im hormonstimulierten, künstlich gesteuerten Zyklus vorgenommen zu werden, F.A.Z. 14. 5. 1986, S. 33: „Retortenbabys aus Tiefkühl-Eizellen". ι* Bopp, Mit Frostschutz und Hormonen ins Leben, in: Die Zeit, 27. 2. 1987, S. 48. !5 Bopp (Fn. 14); „Retortenbabys aus Tiefkühl-Eizellen" (Fn. 13). 16 Nach der von Lehmann et al. (Fn. 1), S. 185, veröffentlichten Statistik für die Bundesrepublik wurden im Schnitt pro Laparoskopie 2,7 Eier gewonnen, nach Hanns Peter Wolff in: Gentechnologie 3, S. 346 (348), „gebietet die Risiko-Abwägung eine begrenzte Uberproduktion von Embryonen, um . . . die Zahl der Wiederholungseingriffe zu vermindern. Solche überzähligen Embryonen können nicht immer am Leben erhalten werden". 17 Diedrich / Krebs (Fn. 11), S. 36; Winter (Fn. 1), S. 56; Lehmann et al. (Fn. 1), S. 180; Mettler (Fn. 3), S. 60. is Imprägnation ist das Eindringen einer Samenzelle in das Ei, vgl. Moore, S. 34 f. und Diedrich I Krebs (Fn. 11), S. 36. 19 Die erste Teilung der befruchteten Eizelle erfolgt bei (natürlicher oder künstlicher) innerkörperlicher Befruchtung etwa 30 Stunden nach der Imprägnation, Moore, S. 37. Bei ivF hingegen erfolgen die Teilungen verzögert, Diedrich / Krebs (Fn. 11), S. 36. Die erste Zellteilung erfolgt daher etwas später. 20 Pap, S. 244 f. 21 Moore, S. 36. 4 Mansees

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

4. Heranreifen der Embryonen Nach dem Befruchtungsversuch werden die Eizellen in einem Kulturmilieu unter Wärme aufbewahrt. 22 Sie sollen sich außerhalb des Körpers bis etwa zum Vier- oder Achtzellstadium (Blastomerenei) weiterentwickeln. 23 B. Kryokonservierung von befruchteten Eizellen (Embryonen) 1. Anwendungsbereiche Nach der Befruchtung einer Eizelle kann aus mehreren Gründen eine Tiefkühlkonservierung der soeben erzeugten Embryonen erfolgen. Es empfiehlt sich hierbei, zu unterscheiden zwischen medizinisch indizierter Konservierung einerseits und nichtmedizinisch indizierter Konservierung andererseits. a) Unter medizinisch indizierter Konservierung ist dabei eine Tiefkühlung des Embryos zu verstehen, die deshalb vorgenommen wird, um der Eispenderin eine Schwangerschaft unter medizinisch besseren Bedingungen zu ermöglichen, als dies bei sofortigem Embryotransfer der Fall wäre. Die medizinischen Gründe hierfür können folgende sein: (1) Eine Frau erkrankt unmittelbar nach der Eientnahme und Fertilisation dergestalt, daß ein sofortiger Embryotransfer unmöglich oder doch wenigstens die Wahrscheinlichkeit, daß eine vollständige Austragung der Schwangerschaft erfolgt, sehr gering ist. 24 (2) Der Eigewinnung ging eine Hormonstimulation zwecks Superovulation voraus. Dann kann es wegen der Bildung eines die Implantation und Schwangerschaft ermöglichenden Endometriums angezeigt sein, den ET erst in einem späteren, natürlichen Zyklus vorzunehmen. Dadurch soll nach medizinischer Erkenntnis die Chance, daß es zu einer Geburt kommt, höher sein, als bei sofortiger Rückführung des Blastomereneies. 25 (3) Es wurden erfolgreich nach einer Eigewinnung mehr Eier befruchtet, als der betreffenden Frau bei einem einzigen Transfer sinnvoll zurückgeführt werden können. Dabei wird es als sinnvoll erachtet, möglichst mehrere, höchstens vier Embryonen in einem Versuch zu transferieren. 26 Die übrigen Embryonen können 22

Im einzelnen zur Embryokultivierung Winter (Fn. 1), S. 55 f.; Lehmann et al. (Fn. 1), S. 180 f.; Diedrich / Krebs (Fn. 1), S. 35-37; Trotnow (Fn. 2), S. 54 f. 23 Trotnow (Fn. 2), S. 55; Lehmann et al. (Fn. 1), S. 180; Winter (Fn. 1), S. 56; Mettler (Fn. 3), S. 60; Diedrich ! Krebs (Fn. 11), S. 40. 24 Insbesondere für solche Fälle befürwortet Trotnow in: FNS, S. 52, die Embryokonservierung. Vgl. a. Siebzehnrübl et al. in: Schill / Bollmann, S. 230 (236). 25 Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 236; Trotnow (Fn. 24), S. 52. 2 6 Trotnow (Fn. 2), S. 56: „Besonders bei der Stimulation mit Gonadotropinen entstehen gelegentlich mehr als 3 - 4 Embryonen. Wegen der Gefahr von Mehrlingsschwangerschaften sollten aber nicht mehr als 3-4 Embryonen transferiert werden."

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

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danach tiefgekühlt werden, um bei Fehlschlagen des ersten Transferversuchs einen weiteren vornehmen zu können, ohne eine erneute Eientnahme zu veranlassen, die für die Frau besonders belastend ist. 27 Als medizinisch indiziert können die aus diesen Gründen vorgenommenen Embryokonservierungen deshalb angesehen werden, weil sie erfolgen, um einer sterilen Wunschmutter zu einem genetisch „eigenen" Kind zu verhelfen. Dies Verfahren ist in solchen Fällen Bestandteil einer medizinisch indizierten ivF / ET. Hierbei steht das Motiv im Vordergrund, der Wunschmutter zu einem Kind zu verhelfen. b) Ein nicht-medizinischer Grund für Embryokonservierung ist die Wahrung des Lebensrechts des Embryos, wenn „überzählige" Embryonen vorhanden sind. Nicht medizinisch indiziert ist auch die Konservierung, die aus Gründen der Familienplanung erfolgt. Dies wird bei B. 1. c) dargestellt. 2. Technik der Embryokonservierung Die Kryokonservierung der etwa im Achtzellstadium befindlichen Embryonen erfolgt durch Einfrieren bis auf-196° C und nachfolgender Lagerung in flüssigem Stickstoff. 28 Die Lagerzeit ist unbegrenzt. 29 Soll ein Transfer des tiefgekühlten Embryos vorgenommen werden, wird ein schonender Auftauprozeß in einem +15° C warmen Wasserbad eingeleitet.30 Aussagekräftige wissenschaftliche Statistiken darüber, wie hoch die Überlebensrate tiefgekühlter Embryonen ist und ob durch die Konservierung genetische Schäden hervorgerufen werden, liegen bislang nicht vor. 31 C. Embryotransfer Der letzte Schritt der i v F / E T ist der Transfer des vor etwa 20-72 Stunden (je nach Team) 32 frisch erzeugten oder zwischenzeitlich konservierten Blastome27 Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 236: „Die Kryokonservierung wird routinemäßig eingesetzt, wenn mehr als drei gute Embryonen zum Transfer zur Verfügung stehen ...". Vgl. a. F.A.Z. 13. 3. 1985: „Embryo war tiefgefroren — Geburt in England" und F.A.Z. 26. 2. 1985: „In Australien Zwillinge aus der Tiefkühltruhe." 28 Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 230. 29 Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 235. 30 Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 235. 31 Lediglich für die Kryokonservierung von Mäuseembryonen liegen verwertbare Ergebnisse vor, vgl. Siebzehnrübl et al. (Fn. 24), S. 234. Danach weisen 90 % der eingefrorenen Embryonen nach dem Auftauen eine intakte Motologie auf. Nach dem Bericht der F.A.Z. 1. 3. 1986 „Geburt nach Embryo-Tiefkühlung" wurden der Frau, die als erste ein als Embryo tiefgekühltes Kind geboren hat, zunächst 9 Eizellen entnommen. Acht davon konnten befruchtet werden, 5 von ihnen wurden konserviert. Dabei überstanden nach 14 Monaten nur 3 den Auftauprozeß — zwei jedoch nicht. 32 Diedrich I Krebs (Fn. 11), S. 40: 40-44 Stunden; Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 65: am nächsten Tag; Stauber in: Gentechnologie 9, S. 29 (39): 2 Tage; Hepp (Fn. 2), S. 10: 48-72 Stunden; vgl. a. Lehmann et al. (Fn. 1), S. 181. 4*

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

reneies in den Uterus der Wunschmutter. Der Embryotransfer erfolgt ohne Narkose transzervikal mittels eines Transferkatheters. 33 Dabei werden in der Regel mehrere Embryonen (bis zu vier) transferiert, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß es zu einer Schwangerschaft kommt. 34 Dennoch kommt es nur bei etwa 20 % der durchgeführten Transfers zu einer Schwangerschaft. 35 Nach dem Transfer muß die Patientin noch etwa 24 Stunden ruhen. 36 Da in den wenigsten Fällen bereits der erste Versuch zum erwünschten Erfolg führt, müssen die meisten Patientinnen mehrmals einen ET durchführen lassen.37 Insgesamt ist festzustellen, daß die ivF / ET ein medizinisch sehr aufwendiges Verfahren der Kinderwunschbehandlung ist, das hohe Anforderungen an die psychische Belastbarkeit der betroffenen Frauen stellt. 38 Dabei verlangen die Eigewinnung und der Embryotransfer der Patientin am meisten ab, besonders dann, wenn sie öfter durchgeführt werden müssen.

I I . Anwendungsmöglichkeiten der außerkörperlichen Befruchtung Wie bei der artifiziellen Insemination und dem intratubaren Gametentransfer kann auch die ivF / ET aus medizinischen und nichtmedizinischen, persönlichen Gründen in Anspruch genommen werden. 39 A. Medizinische Gründe 1. Für die ivF / ET im homologen System a) Organische Sterilität

der Wunschmutter

aa) Der Hauptanwendungsbereich der ivF / ET ist die durch eine Tubenanomalie (Eileiterverschluß oder -Verwachsung) bedingte Unfruchtbarkeit der Frau. 40 33 Zur Technik des ET's Winter (Fn. 1), S. 56 f.; Mettler (Fn. 3), S. 60 f.; Diedrich l Krebs (Fn. 11), S. 38-41; Trotnow (Fn. 2), S. 55. 34 Winter (Fn. 1), S. 57; Diedrich / Krebs (Fn. 11), S. 40; Mettler (Fn. 3), S. 53; Hepp (Fn. 2), S. 11. 35 Trotnow (Fn. 2), S. 56; Diedrich / Krebs (Fn. 1), S. 40: 10-15 %; Mettler (Fn. 3), S. 63: 20-25 %; Stauber (Fn. 32), S. 39: 20-30 %. Im Mai 1984 lag die Quote der in den 12 bundesdeutschen Arbeitsgruppen bis dahin zu Schwangerschaften führenden ET's bei 15,4 %, Lehmann et al. (Fn. 1), S. 185. Kritisch zur Aussagekräftigkeit dieser Statistiken Maleika (Fn. 4), S. 6 f.; er schätzt die Zahl der intakten Schwangerschaften pro ET um die 10 %. 36 Lehmann et al. (Fn. 1), S. 182; Diedrich I Krebs (Fn. 11), S. 40; Mettler (Fn. 3), S. 61. 37 Vgl. Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 66. 38 Stauber (Fn. 32), S. 42, meint, die psychische Belastung durch die ivF/ET sei größer als die organische. 39 Zur Definition medizinische und persönliche Indikation s. o. § 3.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

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Eine Tubenanomalie kann etwa durch eine Entzündung verursacht worden sein oder auf früheren Eileiterschwangerschaften beruhen. 41 Sie kann aber auch Folge eines früher einmal vorgenommenen ärztlichen Eingriffs, einer Interruptio (Abtreibung) oder Eileiterunterbindung (Sterilisation) sein. 42 bb) Eine Funktionsbeeinträchtigung der Eileiter kann auch durch eine Endometriose, einer Anomalie der Gebärmutterschleimhaut, bedingt sein. 43 Die ivF / ET kann in diesen Fällen deshalb eine Schwangerschaft ermöglichen, weil die Eileiterpassage dadurch überbrückt wird, daß die Befruchtung nicht im Eileiter, sondern außerhalb des Körpers erfolgt. Das befruchtete Ei muß nicht in der Tube zum Uterus wandern, sondern wird per ET intravaginal in die Gebärmutter transportiert. Auch bei Fehlen beider Tuben nach einer operativen Entfernung oder mehreren Eileiterschwangerschaften ist ivF / ET in Betracht zu ziehen.44 b) Organische Sterilität

des Mannes

Gelegentlich wird ivF / ET auch angewandt, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege deshalb nicht eintritt, weil die Spermaqualität nicht ausreicht, um die Zervixschranke zu passieren und eine Befruchtung herbeizuführen. Dann kann — falls auch eine homologe Insemination in vivo ergebnislos bleibt — in Einzelfällen eine Reagenzglasbefruchtung zum Erfolg führen. 45

c) Idiopathische Sterilität Etwa 28 % der Kinderwunsch-Patientenpaare sind steril, obwohl keine organisch-pathologische Ursache feststellbar ist. 46 Eine derartige Unfruchtbarkeit 40

Nach Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170, sind 70-80 % der Frauen, die sich einer ivF/ ET unterziehen, tubar bedingt steril. Vgl. a. Hepp (Fn. 2), S. 9: „Hauptindikation" und Winter (Fn. 1), S. 46: „Klassische Indikation". 41 Mettler (Fn. 3), S. 50; Maleika (Fn. 4), S. 4 f. 42 Trotnow nach Gisela Friedrichsen: Ist das „Retortenkind" ein Segen?, F.A.Z. 15. 2. 1985, S. 9. « Maleika (Fn. 4), S. 5; Winter (Fn. 1), S. 46; Trotnow (Fn. 2), S. 51 f. Nach Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170, stellt die Endometriose 8-10 % der Indikationen einer ivF/ET dar. Mettler (Fn. 3), S. 50, beschreibt, daß bei 50 % ihrer Sterilitätspatientinnen diese Krankheit vorkommt. 44 Trotnow (Fn. 2), S. 51. 45 Winter (Fn. 1), S. 47. Nach Schirren in: FNS, S. 42, gibt es eine solche andrologische Indikation für die ivF/ET hingegen nicht. Nach Spielmann in: FNS, S. 42 (43), ist „die Chance für einen Erfolg bei der ivF bei nichtoptimalen Spermien schlecht." Lehmann et al. (Fn. 1), S. 171: „Die Hoffnungen haben sich kaum erfüllt." Nach einer Meldung der F.A.Z. vom 7. 1. 1987, S. 25: „Retortenbabys für unfruchtbare Männer", werden in Melbourne (Australien) und vom englischen Team Steptoe / Edwards neue Techniken der Reagenzglasbefruchtung erprobt, mit denen speziell andrologene Befruchtungshindernisse überwunden werden sollen.

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

wird als idiopathische Sterilität bezeichnet. Eine idiopathische Sterilität ist zumeist psychisch bedingt. 47 Die funktional blockierten Reproduktionsvorgänge können mitunter durch i v F / E T überbrückt und daher auch Schwangerschaften herbeigeführt werden. 48

2. Für die ivF / ET im heterologen System a) Ovarektomie Falls einer Frau die Eierstöcke entfernt wurden, könnte bei ihr durch außerkörperliche Befruchtung des Eies einer anderen Frau (Eispenderin) mit dem Samen des Ehemannes der Wunschmutter eine Schwangerschaft erreicht werden. 49 Dabei handelt es sich dann um eine ivF nach Eispende mit heterologem Transfer. b) Unfähigkeit,

befruchtungsfähige

Eier heranzubilden

Sind bei der Wunschmutter zwar die Ovarien vorhanden, erfolgt jedoch der präovulatorische Eireifungsprozeß auch trotz hormoneller Intervention nicht, so kann ebenfalls wie bei a) dargestellt verfahren werden. c) Tubenanomalie kombiniert mit Sterilität

des Ehemannes

Liegt neben einer eileiterbedingten Sterilität der Wunschmutter eine Sterilität ihres Ehemannes vor, die weder durch homologe Insemination in vivo noch durch eine ivF / ET im homologen System umgangen werden kann, kommt eine ivF nach Samenspende mit autologem Transfer in Betracht. 50

46 Diese Zahl beruht auf einer Untersuchung Staubers (Fn. 32), S. 29 (36). Ähnlich Auhagen-Stephanos in: Gentechnologie 9, S. 18 (22). Nach Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170, leiden 15 % der Paare, bei denen eine ivF/ET versucht wird, an idiopathischer Sterilität. 47 Stauber (Fn. 32), S. 36. 48 Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170; Winter (Fn. 1), S. 47. 49 Hepp (Fn. 2), S. 12; so bereits in Israel, Österreich und Australien geschehen, F.A.Z. 16. 10.1985, S. 8: „Frau ohne Eierstöcke wurde schwanger." so Dies wurde bereits 1985 in Brüssel praktiziert, F.A.Z. 20. 2. 1985, „Mutter eines völlig fremden Kindes." Nach Dewey , a. a. Ο., hätten nunmehr nur noch Frauen als unfruchtbar zu gelten, die keine Gebärmutter haben.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

55

B. Persönliche Gründe 1. Für die ivF / ET im homologen System a) Zur Vermeidung der Geburt erbkranken Nachwuchses Es ist denkbar und wird auch erwogen, 51 in Familien, bei denen Erbkrankheiten vorgekommen sind, eine außerkörperliche Befruchtung mehrerer Eier vorzunehmen und sie dann frühzeitig vor dem Transfer genetisch zu untersuchen. Danach sollen diejenigen Embryonen, die eine ungünstige, krankhafte Erbanlage aufweisen, vernichtet werden. Eine derart motivierte i v F / E T erfolgt nicht aufgrund der Sterilität der Wunscheltern, ist also nicht medizinisch indiziert. b) Zur Geschlechtsbestimmung Genauer als mittels innerkörperlicher Insemination bietet die i v F / E T der Wunschmutter Gelegenheit, nur Kinder eines bestimmten Geschlechts auszutragen und zu gebären. 52 Wie bei a) könnte nach außerkörperlicher Befruchtung untersucht werden, ob der Embryo XX- oder XY-chromosomal ist. Eine Geschlechtsbestimmung kann auch eugenisch veranlaßt sein. Und zwar dann, wenn es sich um eine Krankheit handelt, die an das X-Chromosom gebunden ist und die nur an männliche Nachkommen weitergegeben wird. 53 c) Zur Familienplanung mittels Embryokonservierung Denkbar ist es auch, die ivF / ET in Kombination mit der Kryokonservierung von Embryonen zwecks genauer Familienplanung vornehmen zu lassen. Dies könnte so ablaufen, daß die Wunschmutter sich möglichst viele Eier entnehmen und befruchten läßt. Die extrakorporal erzeugten Embryonen werden danach tiefgekühlt und die Frau sterilisiert. 54 Dies Verfahren bietet folgende Vorteile: (1) Die Erzeugung kann schon in jungen Jahren erfolgen, etwa kurz nach der Heirat der Wunschmutter. Sie kann dann länger mit einer Schwangerschaft warten, als sie es möglicherweise sonst getan hätte. (2) Unerwünschte Schwangerschaften würden vermieden, ohne daß es unmöglich geworden wäre, weitere Kinder zu bekommen.

51 Von Hobom in: Reiter / Theile, S. 28 (44 f.) und van den Daele, S. 32 f.; vgl. LanzZumstein in: Gentechnologie 9, S. 93 (98 f.). Zur Rechtswidrigkeit einer derartigen Selektion erbgesunder Embryonen Mansees in: Meilinghoff / Trute, S. 129 (153 f.). 52 van den Daele, S. 33 f. 53 van den Daele, S. 33. 54 van den Daele, S. 34; ablehnend Hepp (Fn. 2), S. 17.

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

d) Zur Familienplanung mit Hilfe von Keimzellkonservierung Ebenso ist es möglich, aus denselben Gründen wie bei c), eine i v F / E T in Kombination mit der Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen vorzunehmen. Die Befruchtung würde dann jeweils erst bei akutem Kinderwunsch durchgeführt, Ei- und Samengewinnung dagegen schon zu einem früheren Zeitpunkt. Dies hätte den Vorzug gegenüber der bei c) dargestellten Verfahrensweise, daß das Problem „überzähliger" Embryonen nicht auftreten würde.

2. Für die ivF / ET im heterologen System a) Zur „Rettung" eines „verwaisten"

oder „übriggebliebenen"

Embryos

Es ist möglich, einen tiefgekühlten Embryo, dessen genetische Mutter ihn entweder nicht austragen kann oder will, in den Uterus einer anderen Frau einzuführen. Dabei handelt es sich um einen Fremdembryonentransfer. Die Austragung durch die genetische Mutter kann etwa deswegen unmöglich geworden sein, weil sie gestorben oder ihr eine Schwangerschaftsaustragung dauernd unmöglich geworden ist. 55 Es ist aber auch denkbar, daß die Frau, von der das Ei stammt, sich schlicht weigert, sich den übriggebliebenen Embryo transferieren zu lassen. b) Zwecks Tragemutterschaft Aus den gleichen Gründen, die bereits bei der innerkörperlichen Befruchtung (§ 3 II. B. 2. a)) dargelegt wurden, kann eine ivF, evtl. nach Samenspende, mit heterologem Transfer vorgenommen werden. Ziel ist, daß die Frau, von der das Ei stammt (Wunschmutter), das Kind nach der Geburt durch die Fremdmutter erhält. Wie beim intratubaren Gametentransfer bedarf es hierzu zunächst einer Eigewinnung bei der Wunschmutter. Der Embryotransfer wird dann nicht bei der Wunschmutter, von der das Ei stammt, vorgenommen, sondern bei der Fremdmutter, die es austragen soll.

55 Dies erwähnt Hanns Peter Wolffian. 16), unter Bezug auf Anlage 16. der Richtlinien der Bundesärztekammer, abgedruckt in: Gentechnologie 3, S. 354 (361 f.); ebenso Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 68.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

57

I I I . Patientenberatung und -auswahl in der Praxis A. Beschränkung auf die ivF / ET im erweiterten homologen System bei medizinischer Indikation Nach Aussagen der Ärzteschaft, insbesondere der die ivF / ET praktizierenden Teams, wird die extrakorporale Befruchtung in der Bundesrepublik ausschließlich im homologen und quasi-heterologen System vorgenommen. 56 Dies entspricht auch dem Beschluß des 88. Deutschen Ärztetages (DÄT) in Travemünde, 57 der inzwischen von den Landesärztekammern übernommen worden ist und damit für die Ärzte verbindliches Standesrecht darstellt. 58 Gemäß diesen Richtlinien beschränkt sich die Praxis der i v F / E T auf die „Behandlung" von Ehepaaren, und zwar nur solchen Ehepaaren, bei denen die extrakorporale Befruchtung medizinisch indiziert ist und die auf anderem, einfacherem Wege kein genetisch von ihnen abstammendes, „eigenes" Kind bekommen können. 59 Gelegentlich wird allerdings erwogen, auch Paare, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben, in diese Form der „Sterilitätsbehandlung" einzubeziehen.60 Uneinheitlich ist das Verfahren, wenn bei einer Fertilisation mehr Emryonen erzeugt werden, als nach ärztlicher Beurteilung bei einem Transfer in den Uterus der Wunschmutter eingeführt werden können. Grundsätzlich wird versucht, alle befruchteten Eizellen auf einmal zu transferieren, so daß es von vornherein nicht zu „überzähligen" Embryonen kommt. 61 Andere Teams praktizieren in solchen Fällen die Kryokonservierung zwecks autologen Transfers zu einem späteren Zeitpunkt, also entweder nach Geburt eines oder mehrerer der sogleich transferierten Embryonen oder nach dem Scheitern des ersten Transfers. 62 Zu verbrauchenden Experimenten werden nach Angabe der praktizierenden Ärzte „überzählige" 56 Mettler (Fn. 3), S. 51; Stauber (Fn. 32), S. 37; Retzlaff (Fn. 10), S. 7. Maleika (Fn. 4), S. 12, meint, die heterologen Varianten der ivF/ET seien „eigentlich keine Realität... Sie mögen vorkommen und sind bestimmt auch schon vorgekommen, aber sie sind keine Realität." Vgl. a. Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 17. 57 Namentlich Abschnitt 3.3.3. in: Gentechnologie 3, S. 354 (356), und Anhang I.2., 5. 359. 58 Vgl. § 3 Fn. 77-79. 59 Richtlinie 3.2.1. und 3.2.2. (Fn. 55), S. 356. 60 Dies ist in der Ärzteschaft umstritten. Für eine Ausweitung auf nicht verheiratete Paare: Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 63; Mettler in: Jüdes, S. 45 (51); dagegen Krebs in: 56. DJT, S. Κ 27. 61 Vgl. Retzlaff (Fn. 10), S. 13; Stauber (Fn. 32), S. 37; Spielmann in: FNS, S. 43; Hepp (Fn. 2), S. 17. Nach Maleika (Fn. 4), S. 6, tritt bei „maßvollen Stimulationen . . . im Prinzip die Gefahr überzähliger Embryonen nicht auf ...". Dennoch gibt es nach Michelmann, zit. nach Noack: „An der Schraube des Weltgeschehens", Der Spiegel, 6. 4. 1987, S. 258 (260-263), Situationen, in denen Embryonen nicht transferiert wurden. So habe er sich in „ein, zwei Fällen" dazu entschlossen, die „überzähligen Embryonen in den Ausguß zu kippen." So sprechen denn auch Feichtinger I Kemeter (Fn. 5), S. 67, von einem „tatsächlich vorhandenen Problem der sogenannten ,spare embryos4 ". 62 Trotnow (Fn. 2), S. 57.

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Kap. 2: Anwendungsbereiche künstlicher Befruchtung

Embryonen nicht verwendet. 63 Erst recht erfolgt keine Erzeugung von Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken. 64 B. Individuelle Auswahl und Beratung 1. Indikationen Die ivF / ET wird in allererster Linie bei inoperablen Tubenanomalien erwogen. 65 Über 70 % aller Patientinnen weisen Eileiterverschlüsse auf. 66 Vereinzelt findet die extrakorporale Befruchtung bei bestimmten Arten der Sterilität des Ehemannes der Patientin Anwendung. 67 In der Ärzteschaft umstritten ist jedoch, ob auch bei idiopathischer Sterilität eine ivF / ET versucht werden soll. 68 Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß das Verfahren der extrakorporalen Befruchtung nicht nur technisch-personell besonders aufwendig und auch mit höheren Risiken als andere Sterilitätsbehandlungen behaftet ist, sondern in besonderem Maße eine psychische Belastung der Patientinnen, aber auch deren Ehemänner bedeutet.69 Diese Belastungen sind kaum geeignet, die negative psychische Konstellation, die der idiopathischen Sterilität häufig zugrundeliegt, zu entschärfen. Vielmehr besteht die Gefahr, daß durch die ivF / ET die seelischen Probleme sich verlagern und verschärfen, selbst wenn sie Erfolg hat. 70 Hinsichtlich der Geeignetheit der künstlichen Erzeugung eines Kindes mit ärztlicher Hilfe bei psychosomatischidiopathischer Sterilität sei auf das oben bei § 3 III. A. 1. Gesagte verwiesen. 63 F.A.Z 14. 4. 1986, S. 8: „Wie weit darf die Forschung mit Embryonen gehen?"; Wolff (Fn. 16), S. 353, der allerdings erwartet, „daß derartige Forschungen in Zukunft auch hier geplant und durchgeführt werden." Mettler fragt anläßlich eines Interviews des F.A.Z-Magazins vom 31.5. 1985, S. 74 (75): „Warum eigentlich sollte ein Ehepaar nicht einen Vierzeiler abgeben dürfen, damit daraus Knochenmarkszellen gezüchtet werden?" Zur Rechtswidrigkeit jeglicher Forschung und „Verwertung" von Embryonen Mansees (Fn. 51), S. 155. 64 Für die Zukunft befürchtet jedoch Lanz-Zumstein (Fn. 51), S. 101, daß aufgrund des Forschungsinteresses „die Forscher verstärkt die künstliche Erzeugung von Embryonen fordern werden, da sie sie benötigen". 65 Winter (Fn. 1), S. 46; Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 63; Roemer -Hoffmann, DÄB1., 1978, S. 2795 (2808); Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170. 66 Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170. 67 Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 64. 68 Für die ivF / ET auch bei idiopathischer Sterilität Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 64; Lehmann et al. (Fn. 1), S. 170; Winter (Fn. 1), S. 46 f. Skeptisch Retzlaff(Fn. 10), S. 8. Nach den Richtlinien (Fn. 55), 3.2.1., letzter Abs., S. 356, gilt die „psychogene Sterilität" als „eingeschränkte Kontraindikation". 69 Vgl. den Bericht von Gisela Friedrichsen (Fn. 42), in dem eine Patientin vermutet, daß sie vielleicht schon längst Mutter geworden wäre, wenn sie nicht nach den ivF/ ET-Versuchen solche Angst hätte, daß es diesmal wiederum nicht klappen würde. Nach Stauber (Fn. 32), S. 42, ist die psychische Belastung durch ivF/ET größer als die körperliche. 70 Hierzu näher Mansees, FamRZ 1987, S. 653 (655 f.), mit Nachweisen einschlägiger psychosomatischer Literatur.

§ 4 Die außerkörperliche Befruchtung mit anschließendem ET

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2. Eingriffsvoraussetzungen Ist die psychosomatische Seite der Sterilitätsproblematik eines Kinderwunschpaares abgeklärt 71 und besteht insofern nach Ansicht des Arztes keine Kontraindikation im Sinne der Nr. 3.2.1. der Richtlinien der Bundesärztekammer, so müssen organisch für eine ivF / ET folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 72 (1) Die Patientin muß befruchtungsfähige, präovulatorische Eier hervorbringen können (intakte Eierstockfunktionen). (2) Die Patientin muß fertil, d. h. in der Lage sein, eine Schwangerschaft erfolgreich auszutragen. (3) Der männliche Partner muß befruchtungsfähigen Samen produzieren können.

Zu diesem Erfordernis Kemeter I Feichtinger in: Schill / Bollmann, S. 204 (209211) und in (Fn. 1),S. 63; Stauber (Fn. 32), S. 37-41. Besonders bedarf es einer Untersuchung, ob die Sterilitätsursache seelisch oder nervös bedingt ist, Feichtinger / Kemeter (Fn. 5), S. 64; Retzlaff (Fn. 10), S. 8. 72 Vgl. Winter (Fn. 1), S. 46; Lehmann et al. (Fn. 1), S. 169; Trotnow (Fn. 2), S. 52; Mettler (Fn. 3), S. 51; Pap (Fn. 20), S. 52 f. m. w. N.

Drittes Kapitel

Grundlagen des Erbrechts § 5 Das gesetzliche Familienerbrecht I . Darstellung A. Allgemeine Grundlagen Das Erbrecht des BGB ist so konzipiert, daß das Vermögen des Erblassers, soweit er kein wirksames Testament hinterlassen oder Erbverträge geschlossen hat, in der „Familie" bleibt. 1 Dabei sind unter Familie die Abkömmlinge (§ 1924 Abs. 1 BGB), die Vorfahren und deren Abkömmlinge (§§ 1925 Abs. 1, 1926 Abs. 1, 1928 Abs. 1, 1929 BGB) sowie die Ehefrau des Erblassers (§§ 1931 und 1371 Abs. 1 BGB) zu verstehen. In welcher Rangfolge und zu welchem Teil die Familienangehörigen erben, ist in den §§ 1924 bis 1935 und 1371 BGB geregelt. Sind durch Verfügung von Todes wegen ein Abkömmling, die Eltern oder der Ehegatte von der Erbfolge ausgeschlossen, so steht ihnen gem. § 2303 Abs. 1 nach Maßgabe der §§ 2304 bis 2338 BGB ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils als schuldrechtlicher Anspruch zu. Grundgedanke dieser Konzeption eines Familienerbrechts ist, daß das Vermögen eines Menschen nach dessen Tod nicht dem Staat, sondern den Menschen zufließen soll, denen der Erblasser zu Lebzeiten am nächsten stand.2 Dies sind in der Regel seine Verwandten und sein Ehepartner. Ist das im Einzelfall nicht so, hat der Erblasser die Möglichkeit, die Erbfolge durch letztwillige Verfügungen individuell zu bestimmen. 3 1

Kipp / Coing, § 2 IV (S. 18). Zum grundsätzlichen Vorzug der gewillkürten vor der gesetzlichen Erbfolge Staud.l Werner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 1. 2 Leipold, ErbR Rz. 55. Lange I Kuchinke, § 10 I 1. d) (S. 180), spricht von einem „mutmaßlichen Berufungswillen des Erblassers", der „in typisierter und objektiver Form" im Verwandtenerbrecht zum Ausdruck komme. Ähnlich Staud.l Werner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 1. Kritisch dazu, ob das geltende Verwandtschaftserbrecht den geltenden familiensoziologischen Gegebenheiten noch gerecht wird, Leipold, AcP 180, S. 160 (173-190). 3 Deshalb ist es, soweit nicht ein Tatbestand der Erbunwürdigkeit (§ 2339 Abs. 1 BGB) vorliegt, unbeachtlich, wie eng die Beziehungen zwischen gesetzlichem Erbe und Erblasser tatsächlich waren, Lange I Kuchinke, § 9 ΠΙ. 2. (S. 179). Ρ all Edenhof er, Einl. v. § 1922 Anm. 2, hingegen meint im Anschluß an MKI Leipold, Band 6 Einl. Rz. 10, es handle sich um „allgem. Gerechtigkeitsüberzeugungen."

§ 5 Das gesetzliche Erbrecht

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B. Probleme der gesetzlichen Erbfolge bei künstlicher Befruchtung 1. Erben erster Ordnung Im Zusammenhang mit dem Erbrecht des auf nicht-natürlichem Wege erzeugten Kindes interessiert zunächst das Erbrecht des Kindes als Abkömmling. Ein Abkömmling ist nach § 1924 Abs. 1 BGB Erbe erster Ordnung. Neben ihm erben gem. §§ 1930,1931 Abs. 1 S. 1 erste Var. BGB nur noch die übrigen Abkömmlinge mit Ausnahme der in § 1924 Abs. 2 BGB Benannten und der Ehegatte des Erblassers. Unter Abkömmlingen sind diejenigen Personen zu verstehen, die vom Erblasser abstammen, d. h., miteinander in familienrechtlichem Sinne verwandt sind. 4 Also verweist § 1924 Abs. 1 BGB auf § 1589 S. 1 BGB. 5 Es bleibt die Frage, was mit Abstammung gemeint ist. Ist es die genetische Herkunft oder die statusrechtliche Zuordnung oder sind beide nur Arten einer allgemeinen Abstammung, die in § 1589 S. 1 BGB angeführt wird? Dies erweist sich als das Kernproblem der erbrechtlichen Zuordnung dann, wenn natürliche Herkunft und statusrechtliche Zuordnung auseinanderfallen, wie dies bei Ei- und Samenspende sowie bei Fremdembryonentransfer der Fall ist. 2. Erben zweiter Ordnung Dieselbe Problematik tritt auf bei der Frage, was unter „Eltern" in § 1925 Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Der Begriff „Eltern" ist der Umkehrbegriff des Begriffs „Kinder" als Unterbegriff von „Abkömmling" des § 1924 Abs. 1 BGB. 6 Er verweist also auch auf § 1589 S. 1 BGB. Wer von einem auf nicht-natürlichem Wege erzeugten Kind erbt, hängt also bei gesetzlicher Erbfolge davon ab, was mit „Abstammung" gemeint ist. Wie der Begriff „Abstammung" des § 1589 S. 1 BGB auszulegen ist, kann nur im Zusammenhang mit dem gesamten Zuordnungssystem des BGB beantwortet werden. Dies erfolgt im sechsten Kapitel.

I I . Verfassungsrechtliche Verankerung des Erbrechts A. Testierfreiheit Das Erbrecht ist Bestandteil der freiheitlichen, individualistischen Grundordnung des Grundgesetzes. Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist das Erbrecht grundrechtlich gewährleistet. Grundlage jeder verfassungsmäßigen Erbrechtsgestaltung muß 4 StaudJ Werner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 11; Kipp ! Coing, § 3 I. 2. (S. 19); Lange / Kuchinke, § 10 II. 1. (S. 182); Schlüter, § 9 II. 1. a) (S. 50); Bausch, FamRZ 1980, S. 413-418. 5 Erman/Schlüter, § 1924 Rz. 1; vgl. StaudJ Werner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 12; RGRK / Kregel, § 1924 Rz. 2; Leipold, ErbR Rz. 58; MK / Leipold, § 1924 Rz. 3; Brox, Rz. 39. 6 Vgl. StaudJ Werner, § 1925 Rz. 3; Brox, Rz. 39.

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Kap. 3: Grundlagen des Erbrechts

demnach die Testierfreiheit sein.7 Dies stellt eine Beschränkung des Gesetzgebers dar. Der Staat darf die Vermögensnachfolge einer Privatperson nicht vollständig ausschließen. Eine nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zulässige Schranke der Testierfreiheit stellt das gesetzliche Pflichtteilsrecht dar. 8

B. Familienerbrecht Der Staat muß nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eine Regelung auch für den Fall vorsehen, daß ein Erblasser keine letztwilligen Verfügungen getroffen hat. Andernfalls käme es dazu, daß bei Fehlen einer gewillkürten Erbfolge das Vermögen unterginge oder dem Fiskus zufiele. Dies wiederum widerspräche der grundgesetzlich in Art . 14 Abs. 1 S. 1 GG verankerten Institutsgarantie einer Vermögensnachfolge von Todes wegen. Deshalb ist die Einrichtung einer gesetzlichen Erbfolge ein essentielles, grundrechtlich garantiertes Ordnungsprinzip des Erbrechts. Aber auch in der inhaltlichen Ausgestaltung der gesetzlichen Erbfolge ist der Gesetzgeber nicht frei, sondern insbesondere an Art. 6 Abs. 1 und 5 GG gebunden. Zum einen gehört das Familienerbrecht zum Kernbestand des bürgerlichrechtlichen Erbrechts und ist bereits damit vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG umfaßt. Darüber hinaus gebietet aber auch Art. 6 Abs. 1 GG, daß bei der Gestaltung der gesetzlichen Erbfolge die Familie als wirtschaftliche Solidargemeinschaft zu berücksichtigen ist. Diese Garantie des Familienerbrechts besteht allerdings in Anbetracht der heutigen Kleinfamilien lediglich für Ehepaare, Eltern und Kinder. 9 Wenn zuvor davon die Rede war, daß das Familienerbrecht zum Kernbereich des Erbrechts gehört, so bleibt die Frage, welche Eltern und Kinder dabei zur Familie gehören. Sind es die genetischen oder die statusrechtlich einander Zugeordneten? Da die grundgesetzliche Regelung des Art. 14 Abs. 1 GG an die Kernelemente des gegenwärtigen bürgerlichrechtlichen Erbrechtssystems, die Abkömmlinge in der ersten und die Eltern in der zweiten Ordnung anknüpft und hierzu das gesetzliche Erbrecht der Abkömmlinge in den ersten und der Eltern in der zweiten Ordnung gehört, bleibt auch dies eine Frage des Inhalts des Begriffs „Abkömmling". 7 MD! Papier, Art. 14 Rz. 244 und 247; Bryde in: v. Münch, Art. 14 Rz. 45; BKI Kimminich, Art. 14 (Drittbearb.) Rz. 95; Erman / Schlüter, Einl. § 1922 Rz. 12; Boehmer, S. 407, 418. s MD / Papier, Art. 14 Rz. 246; Bryde in: v. Münch, Art. 14 Rz. 46. 9 Und zwar wird sie begrenzt durch das auch von Art. 6 Abs. 1 GG Geforderte, Bryde in: v. Münch, Art. 14 Rz. 46; MD / Papier, Art. 14 Rz. 245; vgl. Boehmer, S. 417; Leipold, AcP 180, S. 160 (173 f.). Ob sich darüber hinaus auch die Berücksichtigung nichtehelicher Lebensgemeinschaften anbietet, wird de lege ferenda zwar diskutiert (etwa von Goetz, FamRZ 1985, S. 987-991), ist aber nicht durch Art. 6 Abs. 1 GG geboten.

§ 6 Der Anfall der Erbschaft

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§ 6 Der Anfall der Erbschaft Das Vermögen des Erblassers (Erbschaft) geht § 1922 BGB zufolge mit dessen Tod (Erbfall) auf den- oder diejenigen über, die im Zeitpunkt des Erbfalls zur Erbschaft berufen und erbfähig waren. Wer zur Erbschaft berufen ist, richtet sich nach den letztwilligen Verfügungen des Erblassers, bei Fehlen einer gewillkürten Erbfolge nach der gesetzlichen Erbfolge. Für die postmortale Insemination ist zu untersuchen, ob als erzeugt i. S. d. § 1923 Abs. 2 BGB auch derjenige anzusehen ist, der zwar postmortal erzeugt, aber gem. § 1593 BGB als eheliches Kind des Erblassers zu behandeln ist.

I. Erbfähigkeit Die zu Erben Berufenen erben gem. § 1923 Abs. 1 BGB nur dann, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers (Erbfall) lebten. Dabei ist unter „Leben" in Ansehung des § 1 BGB die Existenz eines Menschen von seiner Geburt bis zu seinem Tod gemeint. Der nasciturus lebt in diesem gesetzlichen Sinne also nicht. Obschon dem ungeborenen menschlichen Leben das gleiche Lebensrecht wie dem geborenen zukommt, ist doch dieses Lebensrecht etwas anderes als die allgemeine Rechts- und die Erbfähigkeit. Zwar lebt auch das Ungeborene, doch ist es nach dem System des BGB noch kein Inhaber von Rechten und Pflichten. Allein die Rechtsfähigkeit ist aber mit dem Begriff „Leben" des § 1923 Abs. 1 BGB gemeint. Das läßt sich auch daran erkennen, daß in § 1923 Abs. 2 BGB fingiert wird, 1 ein erzeugter, aber noch nicht geborener Mensch gelte hinsichtlich der Erbfähigkeit als geboren. 2 Wenn also die Erbfähigkeit nach § 1923 Abs. 2 BGB bereits mit der Erzeugung gegeben ist, ist ein innerkörperlich ge- oder erzeugter Embryo bereits ab der Konjugation erbfähig, sofern er später geboren wird. Wie es mit der Erbfähigkeit des außerkörperlich Erzeugten insbesondere vor der Transferierung in den Uterus aussieht, ist mittels Auslegung des Begriffs „Erzeugung" des § 1923 Abs. 2 BGB zu ermitteln.

I I . Auslegung des Begriffs „Erzeugung" des § 1923 Abs. 2 BGB Die Bezeichnung „bereits erzeugt" des § 1923 Abs. 2 BGB läßt ihrem Wortlaut nach an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Erzeugung ist die Neuentstehung 1 Zur konstruktiven Bedeutung dieser Fiktion Fabricius, FamRZ 1963, S. 403 (404, 410); Diederichsen, NJW 1965, S. 671 (673-675); MKILeipold, § 1923 Rz. 21; StaudJ Otte / Marotzke, § 1942 Rz. 8; Schlüter, § 30 Π. 1. c) (S. 202). 2 Mit dieser Regelung wurde ein römisch-rechtlicher Satz im Erbrecht des BGB positiviert: „Nasciturus pro iam nato habetur, quotiens de commodis ipsius partus quaeritur", v. Lübtow, ErbR, 2. Halbband, 3. Hauptteil, 1. Kap., § 4 B. (S. 644) m. w. N.

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Kap. 3: Grundlagen des Erbrechts

eines menschlichen Lebewesens, also die Konjugation. 3 Ab diesem Zeitpunkt kann von einem nasciturus die Rede sein. Eine dem Wortlaut entsprechende Gleichsetzung von Konjugation und Erzeugung i. S. d. § 1923 Abs. 2 BGB ist jedoch von Teilen des Schrifttums abgelehnt worden. 4 Begründen ließe sich diese Ablehnung damit, daß dem historischen Gesetzgeber nicht bekannt gewesen war, daß einmal die Möglichkeit bestehen wird, einen Embryo einer anderen Frau einzupflanzen oder ihn tiefzukühlen. Diese Argumentation überzeugt jedoch allenfalls dann, wenn davon ausgegangen werden könnte, der Gesetzgeber hätte bei Kenntnis dieser Möglichkeit nicht die Erzeugung, sondern beispielsweise die Implantation des Embryos als Anknüpfungspunkt gewählt. Abgesehen davon, daß dies reine Spekulation wäre, muß auch gesehen werden, daß § 1923 Abs. 2 BGB deswegen eingeführt wurde, um dem Ungeborenen gegenüber seinen geborenen Geschwistern keinen Nachteil daraus entstehen zu lassen, daß er nicht bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers geboren war. 5 Man wollte also die vom Erblasser bzw. gesetzlich berufenen Kinder erbrechtlich möglichst günstig stellen. Dabei wurde der Faktor der Gleichzeitigkeit der (postnatalen) Existenz von Erblasser und Erbe zugunsten der Bestimmtheit des Erben im Zeitpunkt des Erbfalls zurückgestellt. Eine Abgrenzung besteht also lediglich zu den vom Erblasser berufenen noch nicht Erzeugten: diese können nur gem. § 2101 Abs. 1 BGB als Nacherben eingesetzt werden, denn beim Erbfall sind sie weder bestimmt noch bestimmbar. Gegen diese Abgrenzung ließe sich einwenden, der noch nicht Erzeugte könne vor allem deshalb nicht unmittelbar erben, weil sonst solange ungewiß sei, wer Erbe ist, wie die Möglichkeit besteht, daß der Berufene erzeugt wird. Um diese Schwebezeit der Ungewißheit nicht zu lange auszudehnen, sei der Berufene nur dann Erbe, wenn er bereits bei Tod des Erblassers „erzeugt" war. Genau dieser Gedanke der Absehbarkeit der Schwebezeit aber erfordere es auch, den kryokonservierten Embryo als noch nicht erzeugt anzusehen, denn bei ihm sei ebensowenig absehbar, wann er geboren wird, wie beim noch nicht Erzeugten, aber zum Erben Berufenen. 6 Außerdem kann die biologische Mutter beeinflussen, ob 3

Der Wortlaut „Erzeugung" ist noch deutlicher als der der „Empfängnis", der grundsätzlich ebenfalls mit der Konjugation gleichzusetzen ist, vgl. Pap, S. 243-245. 4 MK / Leipold (1. Α.), § 1923 Rz. 15 unter Berufung auf das Erfordernis der Rechtsklarheit sowie den Sinn und Zweck des Gesetzes. An dieser Auffassung hält Leipold allerdings inzwischen nicht mehr fest, Leipold, Festschr. f. Kralik, S. 468 (477) u. MK I Leipold, § 1923 Rz. 15. Sie wird aber weiter aufrechterhalten von Schlüter, § 6 V. 2. (S. 40); Brox, Rz. 9; Lange I Kuchinke, § 4 III. 2. b) a) (S. 65). Gegen die Erbfähigkeit befruchteter, aber noch nicht im Mutterleib befindlicher Eizellen auch Staud.l Otte, § 1923 Rz. 27 a. E. 5 v. Lübtow, ErbR, 2. Halbb., 3. Hauptteil, 1. Kap. § 4 B. (S. 644). 6 Brox, Rz. 9: „Vor der Einpflanzung kann es nicht einer bestimmten Familie zugeordnet werden; abgesehen davon könnten Erbfälle lange Zeit nicht abgewickelt werden, wenn man auf einen früheren Zeitpunkt abstellte." Ebenso argumentierend Staud.l Otte, § 1923 Rz. 27.

§ 6 Der Anfall der Erbschaft

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sie einem „Erben" etwa dadurch zur Geburt verhilft, daß sie einen kryokonservierten Embryo auftauen und sich transferieren läßt. Diese Möglichkeit wäre vergleichbar derjenigen einer künftigen Mutter eines noch nicht erzeugten, als Erben Berufenen: Sie kann die Geburt eines Erben veranlassen oder verhindern. Wäre diese Argumentation überzeugend, so böte es sich allerdings an, das Tatbestandsmerkmal „bereits erzeugt" des § 1923 Abs. 2 BGB teleologisch zu reduzieren und als Anknüpfungspunkt für die Erbfähigkeit die Nidation zu nehmen. Anders wäre jedoch zu entscheiden, falls es verfassungsrechtlich geboten ist, daß die erbrechtliche Zuordnung bereits mit der Konjugation einsetzt.7 Dann könnte eine mit der Erzeugung erfolgende erbrechtliche Zuordnung höchstens wegen eines Rechts der übrigen Erben auf zügige Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft beschränkt sein. Dagegen spricht jedoch die Argumentation des BVerfG in Zusammenhang mit der Nichtigerklärung des § 1934 c BGB. 8 Dort wurde die Präklusionsvorschrift des § 1934 c Abs. 1 BGB auch nicht deshalb für gerechtfertigt gehalten, weil die Nachlaßregelung mit unzumutbaren Ungewißheiten belastet wird. Begründet wurde die Ablehnung dieser Argumentation vom Bundesverfassungsgericht damit, daß bei Gutgläubigkeit die Erbschaftsbesitzer bereits eine Haftungsbegrenzung erfahren und sie bei Bösgläubigkeit ohnehin nicht schutzwürdig seien. Gäbe es also ein verfassungsrechtliches Recht des Erzeugten, bereits ab Konjugation erbrechtlich zugeordnet zu werden, würde eine verfassungskonforme Auslegung des § 1923 Abs. 2 BGB die Gleichsetzung von „Erzeugung" i. S. d. § 1923 Abs. 2 BGB mit der Konjugation gebieten und gäbe es keinen Raum für eine teleologische Reduktion. Die verfassungsrechtliche Untersuchung erfolgt im sechsten Kapitel, deren Anwendung im siebten Kapitel.

I I I . Keine Ausweitung der Erbfähigkeit auf postmortal Erzeugte Neben einer Begrenzung des Erbrechts postmortal geborener, aber prämortal erzeugter Kinder im Wege der teleologischen Reduktion ist vorgeschlagen worden, als erzeugt i. S. d. § 1923 Abs. 2 BGB alle diejenigen anzusehen, die gem. § 1593 BGB als eheliche Kinder des Erblassers behandelt werden. 9 Das hätte 7 Dann würde auch die Argumentation von Lange / Kuchinke, § 4 III. 2. b) a) (S. 65) an Überzeugungskraft verlieren, vor der Implantation sei „der Fortbestand der Existenz der befruchteten Eier noch derart ungesichert, daß es nicht gerechtfertigt erscheint, hieran schon erbrechtliche Folgen zu knüpfen." s BVerfGE 74, 33 (42). 9 StaudJ Otte, § 1923 Rz. 20; Schünemann in: 56. DJT, S. Κ 152; Leipold, Festschr. f. Kralik, S. 468 (472 f.), der sogar soweit geht, dem außerhalb der Frist des § 1593 BGB postmortal mit dem Samen des früheren Ehemannes der Mutter Erzeugten „erbrechtlich im Wege der Analogie die Stellung eines ehelichen Kindes des verstorbenen Vaters einzuräumen." Für eine derartige analoge Anwendung des § 1923 Abs. 2 BGB auch Soergel/ Stein, l l . A . (Nachtr.), § 1923 Rz. 6 mit der Begründung, das entspreche 5 Mansees

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Kap. 3: Grundlagen des Erbrechts

zur Folge, daß auch postmortal erzeugte Kinder, die innerhalb von 302 Tagen nach dem Tode des Erblassers von dessen Witwe geboren werden, den Erblasser als gesetzliche Erben erster Ordnung gem. § 1924 Abs. 1 BGB beerben würden, soweit die gesetzliche Erbfolge nicht rechtsgeschäftlich ausgeschlossen ist. Begründet wird diese Auffassung damit, daß solche Kinder statusrechtlich gem. § 1593 BGB so gestellt werden, als seien sie vom Erblasser erzeugt worden. Dann müßten sie aber auch so angesehen werden, als seien sie vor dem Tod des Erblassers erzeugt worden. 10 Diese Argumentation ist aber keineswegs zwingend. Klammert man nämlich die erbrechtliche Stellung des Kindes aus, hat die statusrechtliche Zuordnung zum verstorbenen Ehemann der Mutter ausschließlich öffentlichrechtliche bzw. absolute privatrechtliche Wirkungen: Die Statusbezeichnung des Kindes als ehelich, die Staatsbürgerschaft und der Name des Kindes werden von der statusrechtlichen Zuordnung bestimmt. Als einziges relatives Recht des Kindes aufgrund statusrechtlicher Zuordnung käme nach dem Tode des statusrechtlichen Vaters das gesetzliche Erbrecht in Frage. Ob es besteht, ist daher eine eigenständige Problematik der erbrechtlichen Stellung des Kindes, die von dessen absoluten Rechten und öffentlichrechtlichen Verhältnissen aufgrund statusrechtlicher Zuordnung zum Verstorbenen zu trennen ist. Anders gesagt: Weshalb soll das gesetzliche Erbrecht des nach dem Tod des Ehemannes der Mutter Erzeugten nicht ein anderes Schicksal erfahren, als die unmittelbar nach außen in Erscheinung tretenden Zuordnungsgegenstände des Kindes? Schließlich brauchen Außenstehende von der Erbschaft oder Nichterbschaft des Kindes, anders als von dessen Namen, Staatsbürgerschaft und Statusbezeichnung, nichts zu erfahren. Die These, als erzeugt i. S. d. § 1923 Abs. 2 BGB sei auch derjenige anzusehen, der zwar postmortal erzeugt, aber eheliches Kind des Verstorbenen ist, bedarf also einer speziellen erbrechtlichen Begründung. Für die Anwendung des § 1593 BGB bei der Erbfähigkeit nach § 1923 Abs. 2 BGB wird angeführt, dies erfordere die Wertungsgleichheit im Hinblick auf die erbrechtliche Stellung der nach dem Erbfall geborenen Abkömmlinge des Erblassers. Es sei ungerechtfertigt, daß nach dem Erbfall von einem Dritten erzeugte eheliche Kinder des Erblassers diesen mangels Erbfähigkeit nicht beerben sollten, obwohl sie genausowenig natürlich von ihm abstammen, wie von einem anderen vor dem Tode erzeugte, aber ebenfalls danach geborene Kinder. 11 Bei dieser Argumentation wird zunächst übersehen, daß § 1593 BGB ausschließlich die statusrechtliche Zuordnung des Kindes betrifft und lediglich im Zusammenhang mit § 1924 Abs. 1 BGB zur Berufung als gesetzlicher Erbe führt. Die Berufung zum Erben, mit der die Person einer erbrechtlichen Zuordnung bestimmt wird, reicht aber nicht dafür aus, daß jemand den Erblasser beerbt. „einem mutmaßlichen Erblasserwillen und insoweit einer genetisch ausgerichteten Erbfolge." Das allerdings hat zunächst zur Voraussetzung, daß eheliche Kinder auch bei postmortaler Erzeugung den statusrechtlichen Vater beerben. Dazu sogleich im Text. io Staud.l Otte, § 1923 Rz. 20 m. w. N. u Staud. / Otte, § 1923 Rz. 19.

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Hinzukommen muß das Eintreten des Erbfalls und die Erbfähigkeit: (1) Berufung zum Erben, (2) Erbfall, (3) Erbfähigkeit müssen kumulativ vorliegen, damit eine Person die erbrechtliche Vermögensnachfolge eines anderen antritt. Diese drei Voraussetzungen sind voneinander unabhängig. Ein zum Erbe Berufener wird kein Erbe, wenn er vor dem Erblasser stirbt und deshalb ein Erbfall nicht eintritt. Ebensowenig, wie aus der Berufung zum Erben und der Erbfähigkeit das Eintreten des Erbfalls folgt, folgt aus der Berufung und dem Erbfall das Vorhandensein der Erbfähigkeit. Nur so aber ließe sich die Hinzuziehung der 302-Tage-Frist des § 1593 BGB für die Bestimmung der Erbfähigkeit nach § 1923 Abs. 2 BGB begründen. Das Gleichbehandlungsargument im Hinblick auf alle ehelichen und „scheinehelichen" Abkömmlinge des Erblassers versagt letztlich aus dem sachlichen Grund, der oben bereits angeführt wurde und die Ursache für den § 1923 Abs. 2 BGB darstellt: Mit der Abgrenzung Erzeugter von den noch nicht Erzeugten soll erreicht werden, daß die Erben bereits beim Erbfall bestimmbar sind. Das ist es jedoch bei postmortaler Erzeugung nicht. Selbst wenn man sich für die mit § 1923 Abs. 2 BGB intendierte Abgrenzung allein darauf beruft, damit solle eine Manipulation der Erbfolge verhindert werden, die dadurch eintreten könnte, daß die Mutter nach dem Erfall ein Kind erzeugen lasse, spricht dies gegen die Möglichkeit der Erbfähigkeit postmortal Erzeugter. 12 Das gleiche gilt, wenn die Ungleichbehandlung postmortal erzeugter, aber gem. § 1593 BGB als ehelich zu behandelnden Abkömmlinge des Erblassers mit nach § 1924 Abs. 3 BGB erbenden Enkeln oder mit Erben eines gem. § 9 oder § 4 VerschG für tot Erklärten angeführt wird: 1 3 Immer ist strikt zu trennen zwischen der Berufung zum Erben und der Erbfähigkeit. Das eine kann nicht zur Begründung des anderen herangezogen werden. Hinzu kommt folgendes: Würde ein Kind kurz nach dem Erbfall unter Verwendung kryokonservierten Spermas des Erblassers oder eines Dritten erzeugt und von der Witwe des Erblassers innerhalb von 302 Tagen nach dem Erbfall geboren, würde es der den § 1923 Abs. 2 BGB erweiternden Ansicht zufolge den Erblasser als statusrechtlichen Vater infolge gesetzlicher Erbfolge gem. § 1924 Abs. 1 BGB beerben. Würde hingegen eine bei und in den letzten 302 Tagen vor der Geburt nicht verheiratete Frau ein Kind gebären, das postmortal erzeugt wurde, würde das Kind den gem. § 1600 η Abs. 1 BGB festzustellenden statusrechtlichen Vater nicht beerben können. Denn die Vaterschaftsvermutung, für die auch gem. § 1600 ο Abs. 2 S. 1 und 3 i. V. m. § 1592 Abs. 1 BGB eine 302-Tage-Frist ausschlaggebend ist, gilt nicht, wenn der Erzeuger entweder der Mutter während der Empfängniszeit nicht beigewohnt hat oder „wenn nach Würdigung aller Umstände schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bleiben" (§ 1600 ο Abs. 2 S. 3 BGB). Zweifel bleiben regelmäßig, wenn der Erzeuger während der Emp12 Das führt eigenartigerweise sogar StaudJ Otte, § 1923 Rz. 27 für die übrigen, nicht unter § 1593 BGB zu subsumierenden Fälle postmortaler Insemination an. 13 StaudJ Otte, § 1923 Rz. 19. 5*

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fängniszeit verstorben ist. Außerdem bedarf es im Falle der Samenspende stets des positiven Nachweises der Abstammung. 14 Ein postmortal gem. § 1593 BGB eheliches Kind könnte seinen statusrechtlichen Vater also beerben, ein nichteheliches Kind hingegen nicht. Somit würde die Anwendung der Frist des § 1593 BGB auf die Erbfähigkeit zu einer Art. 6 Abs. 5 GG widersprechenden Benachteiligung nichtehelicher Kinder führen, die sich bezüglich der Erbfähigkeit nicht auf eine Frist berufen können. Auch der mögliche Einwand, der Gleichbehandlungsgrundsatz gebiete es, postmortal Erzeugten ebenso wie anderen Kindern ein gesetzliches Erbrecht zu ihrem Vater einzuräumen, 15 verfängt nicht. Denn ebensowenig wie ihnen eine sorgerechtliche und unterhaltsrechtliche Zuordnung zum Vater verschafft werden kann, kann ihnen gegen das Gesetz zu einer erbrechtlichen Zuordnung verholfen werden. Daß ein Erbrecht bei Geburt des Kindes nicht besteht, ist eine Folge der geplant bei der Erzeugung herbeigeführten Zuordnungsabweichung. Damit ist die postmortale Insemination aus den gleichen Gründen wie die artifiziellen Befruchtungstechniken im heterologen System rechtswidrig. 16 Die für das Kind negativen zuordnungsrechtlichen Folgen der Rechtswidrigkeit können nicht gegen die Entscheidung des Gesetzes in § 1923 Abs. 2 BGB beseitigt werden. Diese Entscheidung besteht darin, hinsichtlich der Erbfähigkeit nicht Erzeugte von den Erzeugten wegen der fehlenden Bestimmbarkeit beim Erbfall abzugrenzen. Die Erbfähigkeit der im Wege postmortaler Insemination Erzeugten würde eine gleichheitswidrige Bevorzugung nach dem Tode des Vaters Erzeugter gegenüber anderen beim Erbfall (etwa des Großvaters gem. § 1924 Abs. 3 BGB) noch nicht Erzeugter darstellen. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß nach dem Tod des Erblassers befruchtete Eizellen in keinem Fall erbfähig sind.

IV. Erbanfall bei pränatalem Erbfall Das Vermögen des Erblassers geht nicht sofort mit seinem Tod auf den ungeborenen, aber bereits erzeugten, zur Erbschaft Berufenen über. Der Anfall der Erbschaft erfolgt erst mit der Geburt des Erben. 17 14 Soergel / Gaul, § 1600 ο Rz. 13 m. w. N. 15 Leipold, Festschr. für Kralik, S. 467 (472): Der „Schutzzweck" des § 1923 Abs. 2 BGB, der darin bestehe, das Kind als gesetzlichen Erben am Nachlaß des Vaters teilnehmen zu lassen „greift aber auch dann ein, wenn der Vater den Zeugungsakt durch Samenspende begonnen hat und erst nach seinem Ableben die Insemination erfolgt." Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß bei einer Insemination keine Zeugung erfolgt; die Erzeugung beginnt erst mit der artifiziellen Befruchtung und nicht bereits mit der Zurverfügungstellung des Samens bei der Samenbank. 16 Zur Rechtswidrigkeit der heterologen Insemination Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497). 17 v. Lübtow, ErbR, 2. Halbb., 3. Hauptteil, 1. Kap. § 4 B. (S. 644 f.). Nach MKI Leipold, § 1923 Rz. 20 besteht zwischen Erbfall und Geburt ein Schwebezustand. Vgl. a. Staud.l Otte / Marotzke, § 1942 Rz. 8 und Erman / Schlüter, § 1942 Rz. 2.

§ 6 Der Anfall der Erbschaft

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Die erbrechtliche Stellung des nasciturus ist somit rechtstechnisch folgendermaßen zu verstehen: Der frühere nasciturus wird mit seiner Geburt Erbe und dabei so gestellt, als sei er bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers dessen Erbe gewesen. Wird der Berufene nicht geboren, so tritt an seine Stelle der Ersatzerbe. Wurde kein Ersatzerbe bestimmt, wächst sein Anteil den übrigen Erben zu. Wäre er Alleinerbe geworden, so treten an seine Stelle die nächstrangigen gesetzlichen Erben, d. h. die Erben der nächst niedrigeren Ordnung.

Viertes Kapitel

Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB Das Familienerbrecht des BGB knüpft an die Abstammung, die Verwandtschaft an.1 Es ist damit Element des verwandtschaftlichen Zuordnungssystems des BGB. Deswegen bedarf es zur Klärung des gesetzlichen Erbrechts des auf nicht-natürlichem Wege erzeugten Kindes einer Analyse dieses Zuordnungssystems. Die Verfasser des BGB gingen selbstverständlich von der natürlichen Zeugung eines Menschen aus. Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB ist deshalb auf die natürliche Zeugung von Kindern ausgelegt. Aus diesem Grund erfolgt zunächst eine knappe Darstellung der Grundzüge der verwandtschaftlichen Zuordnung des auf natürlichem Wege gezeugten Kindes (§ 7). 2 Anschließend werden die Zuordnungsprobleme aufgezeigt, die nicht ohne weiteres aus dem gegenwärtigen gesetzlichen System heraus zu beantworten sind. Danach wird versucht, diese Probleme von der Wurzel her anzugehen. Dies soll dadurch geschehen, daß das gegenwärtige zivilrechtliche Zuordnungssystem verfassungskonform aus seinen eigenen Grundgedanken heraus fortentwickelt wird. Das Ergebnis ist ein umfassendes, geschlossenes, anthropologisch begründetes Zuordnungssystem. Dies erst ermöglicht eine klare, widerspruchsfreie Lösung der Fragen erbrechtlicher Zuordnung des auf nicht-natürlichem Wege erzeugten Kindes.

§ 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes Jedes Kind wird mit der Geburt in mehrfacher Hinsicht ohne weiteres Zutun kraft Gesetzes, in Einzelfällen kraft Rechtsgeschäfts und gerichtlichen Beschlusses, anderen Menschen zugeordnet. Zuordnungssubjekte sind dabei auf der einen Seite das Kind, auf der anderen Seite die genetischen Eltern oder andere Personen. Die Zuordnungsgegenstände sind entweder personenrechtlicher oder vermögensrechtlicher Art. Solche personenrechtlicher Art sind Status, Personensorge, ι Kipp / Coing , § 3 I. 2. (S. 19); Lange / Kuchinke, § 10 II. 1. (S. 182); Brox, Rz. 39 f. Ein Überblick über die allgemeine Zuordnung findet sich bei Mansees, FamRZ 1986, S. 756 (756 f.). Dort wurden die in § 7 angeführten Zuordnungsbezeichnungen eingeführt. 2

§ 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes

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Namensrecht und Staatsangehörigkeit. Solche vermögensrechtlicher Art sind Unterhalts- und Erbrecht. Die Zuordnung knüpft entweder an den Status oder an die Abstammung an. Die Zuordnungsarten

sind die natürliche und die hergestellte Zuordnung.

Natürliche Zuordnung ist die Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft. Alle von der natürlichen abweichenden Zuordnungen sind hergestellte Zuordnungen. Eine Zuordnungsabweichung ist eine von der natürlichen abweichende Zuordnung. Sie wird mit Ausnahme der tatsächlichen Zuordnungsabweichung hergestellt durch Gesetz und in bestimmten, vom Gesetz zugelassenen Fällen durch Rechtsgeschäft. Eine tatsächliche Zuordnungsabweichung ist eine Zuordnungsabweichung, die nicht unmittelbar durch Rechtsgeschäft oder Gesetz erfolgt, ζ. B. ein Fremdembryonentransfer. Eine besondere Art der Zuordnungsabweichung stellt die Zuordnungsveränderung dar. Eine Zuordnungsveränderung stellung einer neuen Zuordnung. Eine Zuordnungskorrektur Zuordnung.

ist die Beendigung einer früheren und die Her-

ist die rückwirkende Beseitigung einer hergestellten

Einer derartig ausdifferenzierten Begrifflichkeit bedarf es deshalb, weil anders der Inhalt des familienrechtlichen Zuordnungssystems nicht erkannt und dargestellt werden kann. Ohne Erkenntnis dieses Systems und seiner Grundlagen aber können anläßlich moderner Reproduktionstechniken auftretende Zuordnungsprobleme nicht gelöst werden. Die Analyse des familienrechtlichen Zuordnungssystems konzentriert sich vor allem darauf, aus welchen Gründen vom Gesetz Zuordnungsabweichungen und -korrekturen zugelassen werden.

I. Personenrechtliche Zuordnung A. Status 1. Grundlagen Status ist die durch Geburt, gerichtliche Feststellung oder einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung (Anerkennung) begründete Zuordnung eines Kindes zu einer Frau und / oder zu einem Mann. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Primärund Sekundärstatus. a) Primärstatus ist die durch Geburt vermittelte Zuordnung eines Kindes zu seiner Mutter, sowie entweder (1) bei Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 1591, 1592 BGB zu deren Ehemann (Statusbezeichnung: eheliches Kind), oder

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Kap. 4: Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB

(2) zu seinem festgestellten Vater (Statusbezeichnung: nichteheliches Kind). Ist die Mutter weder verheiratet noch ein Mann als Vater festgestellt, ist das Kind statusrechtlich nur der Frau zugeordnet, die es geboren hat (Statusbezeichnung: nichteheliches Kind). b) Sekundärstatus ist die den Primärstatus beendende Zuordnung eines Kindes entweder (1) nach Adoption zu dem bzw. den Annehmenden, oder (2) nach Ehelicherklärung zum festgestellten Vater oder zur Mutter, oder (3) nach Heirat der Eltern eines nichtehelichen Kindes. Die Begründung eines Sekundärstatus beendet den Primärstatus des Kindes. Eine statusrechtliche Zuordnung kann jeweils gleichzeitig nur zwischen dem Kind und einer Frau (Mutter) und / oder einem Mann (Vater) bestehen.

2. Erläuterungen a) Erwerb und Bestimmung des Primärstatus aa) Status als eheliches Kind Ein Kind, das in einer bestehenden Ehe gezeugt und geboren wird, ist gem. § 1591 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB ein eheliches Kind der Frau, die es geboren hat, und ihres Ehemannes. Dabei wird vermutet, daß das Kind vom Ehemann gezeugt wurde. Ob das Kind tatsächlich vom Ehemann gezeugt wurde, ist für den Erwerb des Status als eheliches Kind unbeachtlich. Es sei denn, die Beiwohnungsvermutung des § 1591 Abs. 2 S. 1 BGB wird widerlegt oder es liegen gem. §1591 Abs. 1 S. 2 BGB Umstände vor, nach denen es offenbar „unmöglich ist, daß die Frau das Kind von dem Manne empfangen hat". Ist das Kind entweder erst nach der Auflösung der Ehe geboren oder wurde es vor der Eheschließung gezeugt, so gelten die Sonderregelungen der §§ 1591 Abs. 1 S. 1, letzter Halbs., Abs. 2 S. 2 BGB. War die Mutter bei der Zeugung des Kindes mit einem anderen Mann verheiratet als im Zeitpunkt der Geburt, so ist das Kind nach § 1600 Abs. 1 BGB ein eheliches Kind des letzten Ehemannes. Jedes Kind, das in der Ehe oder innerhalb von 302 Tagen nach der Ehe geboren wurde, wird gem. § 1593 BGB als eheliches Kind behandelt,1 solange seine Ehelichkeit nicht wirksam angefochten wird. 1 Dölle, FamR Band 2, § 88 Π. (S. 69) spricht in diesem Zusammenhang nicht von Scheinehelichkeit, sondern von „vernichtbarer Ehelichkeit" und von „virtueller Unehelichkeit" (S. 70), während bei Gernhuber, § 45 I. 2. (S. 647) undeutlich die Rede davon ist, ehelich sei „(jedenfalls zunächst) jedes Kind", auf das die Voraussetzungen des § 1593 BGB zutreffen. Widersprüchlich StaudJ Göppinger, § 1591 Rz. 2, der zunächst behauptet, ein Kind „ist nur dann nicht ehelich, wenn seine Nichtehelichkeit rechtskräftig

§ 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes

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Für die Wirkungen des Ehelichkeitsstatus ist es daher gleichgültig, von welchem Mann das Kind gezeugt wurde, es sei denn, die Ehelichkeit wird wirksam nach der Geburt angefochten und die Nichtehelichkeit festgestellt. Daß die Frau, die das Kind geboren hat (biologische Mutter) auch die genetische Mutter ist, ist bei natürlicher Befruchtung stets gegeben und wird im BGB vorausgesetzt. Die Möglichkeit des Abweichens der statusrechtlichen Abstammung eines ehelichen Kindes von seiner natürlichen Abstammung vom genetischen Vater hat ihre Begründung in der Aufrechterhaltung des Familienfriedens im Interesse des Kindes. 2 Es soll nicht stets von Amts wegen bei Geburt nachgeforscht werden, ob das in der Ehe geborene Kind tatsächlich vom Ehemann natürlich abstammt. Oft weiß ein Mann nicht, daß das von seiner Ehefrau geborene Kind von einem Dritten abstammt, mitunter weiß es gar die Mutter selbst nicht. Wissen es beide und will der Ehemann dennoch das Kind wie ein eigenes akzeptieren, so ist davon auszugehen, daß es auch das Beste für das Kind ist, wenn es auch rechtlich wie ein eigenes Kind des Ehemannes seiner Mutter behandelt wird. Regelmäßig ist das Aufwachsen eines Kindes innerhalb der Ehe der genetischen und biologischen Mutter für dessen gedeihliche Entwicklung förderlicher, als das Geltendmachen der tatsächlichen genetischen Herkunft ohne oder gegen den Willen des Ehemannes der Mutter. Die Begründung der von der natürlichen abweichenden, hergestellten statusrechtlichen Zuordnung des Kindes und insbesondere die Präklusion der Geltendmachung der Vaterschaft des genetischen Vaters (§ 1593 BGB) liegt damit im Kindeswohl. bb) Status als nichteheliches Kind Liegen bei der Geburt eines Kindes die Voraussetzungen für eine eheliche Abstammung nicht vor (vgl. § 1593 BGB) oder wird der Status des ehelichen Kindes später beseitigt, so ist es ein nichteheliches Kind seiner Mutter. Die statusrechtliche Zuordnung zur Mutter wird im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, aber vorausgesetzt. Also ist ein nichteheliches Kind, das natürlich gezeugt wurde, statusrechtlich seiner Mutter zugeordnet. Wird vor (§ 1600 b Abs. 2 BGB) oder nach der Geburt des Kindes die Vaterschaft eines Mannes festgestellt, so

festgestellt ist (§ 1593 BGB)", dann aber meint, ein solches Kind sei vor der Feststellung lediglich „als ehelich zu behandeln". Am besten läßt sich der Zustand, den § 1593 BGB hervorruft, folgendermaßen beschreiben: Bei einem Kind, das während der Ehe oder innerhalb von 302 Tagen nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren ist, wird widerleglich vermutet, daß es ein eheliches Kind einer Mutter und deren Ehemann ist. Widerlegbar ist diese Vermutung allein durch eine Ehelichkeitsanfechtung. So verstanden treten die Probleme, die Mikosch, FamRZ 1967, S. 129 f. im Zusammenhang mit der Rechtsstellung des scheinehelichen Kindes aufwirft, nicht auf. Denn die Widerlegung einer widerlegbaren Vermutung beseitigt die Vermutung ex tunc. 2 Dölle, FamR, Band 2 § 88 (S. 67). § 1591 BGB zielt darauf ab, daß bereits bei Geburt klar ist, welchen Primärstatus das Kind hat, Soergel / Gaul, § 1591 Rz. 2.

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Kap. 4: Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB

ist das Kind diesem statusrechtlich zugeordnet. Dabei kann die Vaterschaft auf zweierlei Art festgestellt werden: aaa) Durch Anerkennung eines Mannes, § 1600 a S. 1 erste Alt. BGB Diese Anerkennung kann vor oder nach der Geburt (§ 1600 b Abs. 2 BGB) in einem gesetzlich geregelten Verfahren durch einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des Anerkennenden erfolgen. Sie wird wirksam, wenn die Anerkenntniserklärung in der in den §§ 1600 e Abs. 1 BGB und 641 c ZPO vorgeschriebenen Form erfolgt und das Kind der Anerkennung zustimmt, § 1600 c Abs. 1 BGB. Die Zustimmung des Kindes wird, wenn es geschäftsunfähig oder noch nicht vierzehn Jahre alt ist, gem. § 1600 d Abs. 2 BGB durch dessen gesetzliche Vertreter innerhalb einer in § 1600 e Abs. 3 BGB bestimmten Frist vorgenommen. Bei beschränkter Geschäftsfähigkeit des Anerkennenden oder des Kindes sowie bei Geschäftsunfähigkeit des Anerkennenden gelten die besonderen Erfordernisse des § 1600 d Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 BGB. Die Erklärung des Anerkennenden ist nach § 1600 d Abs. 3 BGB höchstpersönlich abzugeben. Das Kind erhält den Status eines nichtehelichen Kindes seiner Mutter und des Anerkennenden. Der anerkennende Mann braucht nicht der Erzeuger des Kindes zu sein. Bezüglich des statusrechtlichen Vaters können also natürliche Abstammung und statusrechtliche Zuordnung auseinanderfallen. Die Möglichkeit des Abweichens von der natürlichen Abstammung kann dabei auf Folgendem beruhen: (1) Der Anerkennende und das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter gehen irrig davon aus, der Anerkennende sei der Erzeuger des Kindes. Diese Möglichkeit könnte nur dadurch ausgeschlossen werden, daß bei jeder Anerkennung die genetische Herkunft des Kindes von Amts wegen untersucht wird. Das aber wäre für das Kind insofern abträglich, als die Vorteile des Anerkennungsverfahrens gegenüber dem Feststellungsverfahren, 3 die auch dem Kind zugute kommen, wegfielen: die Einfachheit und Schnelligkeit einer statusrechtlichen Vaterschaftszuordnung. (2) Der Anerkennende und das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter wissen, daß das Kind von einem Dritten abstammt. Eine derartige Konstellation ist etwa denkbar, wenn die Frau mit dem Anerkennenden nichtehelich zusammenlebt und das Kind in einer früheren Partnerschaft der Mutter gezeugt wurde. Die Berücksichtigung des Kindeswohls wird dadurch gewährleistet, daß das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter der Anerkennung zustimmen muß, wenn sie wirksam werden soll. Ist das Kind unbeschränkt geschäftsfähig, weiß es selbst am besten, was für es gut ist. Ist das Kind nicht unbeschränkt geschäftsfähig, so ist der gesetzliche Vertreter gehalten, zu gewährleisten, daß die statusrechtliche Zuordnung zum Anerkennenden für das Kind besser ist als die mögliche status3 Zu den Vorteilen der Anerkennung gegenüber einer obligatorischen gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung MK / Mutschier, § 1600 a Rz. 11.

§ 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes

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rechtliche Zuordnung zum Erzeuger des Kindes. Also beruht die durch Vaterschaftsanerkennung von der natürlichen abweichende Zuordnung auf Kindeswohlgründen. bbb) Durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft Ist keine Vaterschaftsanerkennung erfolgt oder eine Vaterschaftsanerkennung wirksam angefochten worden, so wird die statusrechtliche Zuordnung des Kindes gem. § 1600 η Abs. 1 BGB gerichtlich festgestellt. Dabei besteht die Möglichkeit, daß die festgestellte statusrechtliche Vaterschaftszuordnung von der natürlichen Abstammung abweicht. Dies kann dann der Fall sein, wenn die Feststellung aufgrund der Vermutung des § 1600 ο Abs. 2 S. 1 BGB erfolgt und der Ausnahmetatbestand des Satzes 2 nicht vorliegt, weil das Gericht die Zweifel an der Vaterschaft eines Geschlechtspartners der Mutter nicht für schwerwiegend genug hält. Dann beruht die Abweichung von der natürlichen Abstammung auf einer rechtlichen Unmöglichkeit: aufgrund der für alle verbindlichen Entscheidung des Gerichts ist eine statusrechtliche Zuordnung gem. der natürlichen Abstammung nicht möglich. Eine solche, materiell falsche Entscheidung kann nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Restitutionsklage gem. § 641 i Abs. 1 ZPO beseitigt werden. b) Beseitigung des Primär status Der von der natürlichen Abstammung abweichende Primärstatus kann mit ex tunc-Wirkung wieder beseitigt werden. Dies erfolgt durch Anfechtung der Ehelichkeit bzw. der Vaterschaft. Ehelichkeits- und Vaterschaftsanfechtungen sind keine Zuordnungsveränderungen, sondern Zuordnungskorrekturen. Im Gegensatz zu Zuordnungsveränderungen beseitigt die Zuordnungskorrektur lediglich ex tunc eine von der natürlichen abweichende Zuordnung, ohne daß mit ihr bereits eine neue, veränderte Zuordnung hergestellt wird. Von der Beseitigung des Primärstatus ist dessen Beendigung zu unterscheiden. Letztere erfolgt durch die Begründung eines Sekundärstatus.

aa) Anfechtung der Ehelichkeit aaa) Anfechtung durch den Ehemann der Mutter und dessen Eltern Der Ehemann kann die Ehelichkeit eines ihm als ehelich statusrechtlich zugeordneten Kindes wirksam anfechten, wenn er die Frist- und Formvorschriften der §§ 1594, 1595, 1599 BGB einhält. Ist der Mann gestorben, bevor er von der Geburt des Kindes Kenntnis erlangt hatte, geht sein Anfechtungsrecht nach § 1595 a Abs. 1 BGB auf seine Eltern über. Das gleiche gilt nach Abs. 2 dieser Bestimmung, wenn er gestorben ist, als das Kind noch keine zwei Jahre alt war,

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Kap. 4: Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB

er von dessen Geburt wußte, jedoch ohne seinen Willen dessen Ehelichkeit nicht angefochten hat. Die mit der wirksamen Ehelichkeitsanfechtung durch den Scheinvater bzw. dessen Eltern erfolgende Zuordnungskorrektur des Kindes hat ihre Begründung nicht unbedingt im Kindeswohl. Denn für sie ist weder eine Zustimmung des betroffenen Kindes oder seines Vertreters erforderlich, noch muß sie in jedem Fall unbedingt deshalb erfolgen, um eine gedeihliche Entwicklung des Kindes auch ferner zu ermöglichen. Vielmehr liegt der Grund für die Anfechtbarkeit darin, daß die hergestellte Zuordnung des Kindes zu dem Anfechtenden erfolgt ist, ohne daß er für dessen Entstehung eine Bedingung gesetzt hat. Er hat weder an der Zeugung noch an der statusrechtlichen Zuordnung mitgewirkt. Das Recht eines Ehemannes, ohne seinen Willen kein Kind „untergeschoben" zu bekommen, ist in seiner Ausübung allerdings durch § 1594 BGB zeitlich begrenzt, dies wiederum aus Kindeswohlgründen: Eine Zuordnungskorrektur sollte wenn, dann möglichst bald erfolgen, damit das Kind Klarheit über seine endgültige statusrechtliche Zuordnung hat. 4 bbb) Anfechtung durch das Kind Das Kind selbst kann eine Statuskorrektur hin zum genetischen Vater nur in besonderen, gesetzlich abschließend bestimmten Fällen herbeiführen. Die hierfür einschlägige Bestimmung ist § 1596 Abs. 1 BGB. Die in § 1596 Abs. 1 BGB angeführten Anfechtungsgründe liegen sämtlich in der Person des Ehemannes der Mutter oder deren Ehe. Es fragt sich, weshalb die Zuordnungskorrektur durch das Kind im Gesetz auf wenige Fälle beschränkt ist. Zunächst ist an eine Begrenzung durch das Kindeswohl zu denken. Betrachtet man § 1596 Abs. 1 BGB im Gesamtgefüge der statusrechtlichen Zuordnung eines Kindes, so ist zu erkennen, daß dieser Regelung ein Grundsatz vorausgesetzt ist. Und zwar der, daß die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zum Ehemann seiner Mutter für die Entwicklung des Kindes regelmäßig förderlich ist, wenn der Ehemann mit der Zuordnung einverstanden ist. Es wird davon ausgegangen, daß das Kind für seine Entfaltung die besten Voraussetzungen vorfindet, wenn es statusrechtlich so zugeordnet wird, als stamme es auch natürlich vom Ehemann seiner Mutter ab. Das bedeutet aber auch, daß eine Zuordnungskorrektur durch das Kind diesem nur dann zuträglich ist, wenn die vorherige Zuordnung ihm überwiegend zum Nachteil gereicht. Insoweit ist die Begrenzung des Anfechtungsrechts des Kindes durch das Kindeswohl begründet. Dies ist allerdings als alleinige Begründung für die restriktive Regelung des § 1596 Abs. 1 BGB wenig tragfähig. Eine Berücksichtigung des Kindeswohls wäre nämlich wegen § 1597 Abs. 1 BGB auch dann gewährleistet, wenn das Anfechtungsrecht nicht auf bestimmte Anfechtungsgründe beschränkt wäre. Denn das Vormundschaftsgericht muß ohnehin bei einem minderjährigen Kind die Anfechtung der Ehelichkeit 4 Erman / Küchenhoff (7. Α.), § 1594 Rz. 1 m. w. N.

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durch dessen gesetzlichen Vertreter auf die Kindeswohlverträglichkeit überprüfen. Das Vormundschaftsgericht muß also überlegen, ob die Anfechtung wirklich dem Interesse des Kindes dient und darf nur dann die erforderliche Genehmigung erteilen. Ist das anfechtende Kind volljährig, bedarf es zwar keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Doch ist in diesem Fall — das Kind ist immerhin ein geschäftsfähiger Mensch — gewährleistet, daß die Anfechtung im Interesse des Kindes liegt, sonst hätte es die Anfechtung ja nicht erklärt. Deshalb wäre es wenig verständlich, wenn die Beschränkung des Anfechtungsrechts des Kindes durch das Gesetz auf wenige, in der Person des Ehemannes der Mutter bzw. deren Ehe liegende Gründe ausschließlich zur Wahrung des Kindeswohls bestehen würde. Daher muß dieser Beschränkung neben dem Kindeswohl noch ein anderer Gedanke zugrundeliegen: Das Interesse der gegenwärtigen statusrechtlichen Eltern an der Wahrung des Familienfriedens. 5 Dabei ist unter Familienfrieden ein Zustand zu verstehen, in dem die statusrechtliche Zuordnung unangetastet bleibt. Der Familienfrieden wäre gefährdet, 6 wenn das Kind uneingeschränkt die Möglichkeit hätte, sich einseitig durch Anfechtung aus der bisherigen Familie zu lösen. Für die Berücksichtigung des Familienfriedens als tragenden Grund für § 1596 Abs. 1 BGB spricht auch, daß das Kind nach Erreichen der Volljährigkeit gem. § 1598 letzter Halbs. BGB außer in den Fällen des § 1596 Abs. 1 Nr. 4 u. 5 BGB nur innerhalb von zwei Jahren anfechten kann.7 Ob das Interesse der statusrechtlichen Eltern am Erhalt der Familie jedoch eine verfassungsrechtlich hinreichende Begründung für die Beschränkung des Anfechtungsrechts des Kindes auf die in § 1596 Abs. 1 BGB angeführten Fälle darstellt, wird noch an anderer Stelle (§ 17 I. A.) zu untersuchen sein. Für die Wahrnehmung des Anfechtungsrechts sind in jedem Fall bestimmte Modalitäten zu beachten, die in den §§ 1597-1599 BGB geregelt sind.

bb) Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft eines nichtehelichen Kindes Auch die statusrechtliche Zuordnung eines nichtehelichen Kindes zu einem Mann kann durch Anfechtung beseitigt werden. Die Anfechtung kann gem. § 1600 g Abs. 1 BGB ausgeübt werden. Sie erfolgt nach den Vorschriften der 5 Es soll nicht zu zahlreichen, den Familienfrieden gefährdenden Prozessen kommen, BT-Drs. III/530, S. 15. So auch Gernhuber, § 45 V. 1. (S. 658); Soergel / Gaul, § 1596 Rz. 1. 6 „Die Ehe der Mutter könnte durch die Anfechtung zerstört werden", BT-Drs. III/ 530 (S. 15). Insoweit geht der Ehefrieden den Kindesinteressen vor, Beitzke in Festschr. f. Müller-Freienfels, S. 31 (45). ι Ob die Anfechtungsfrist erst mit der Kenntnis des Volljährigen von den Tatsachen, aus denen sich seine anderweitige Abstammung ergibt, zu laufen beginnt, ist umstritten. Dafür Erman / Küchenhoff (7. Α.), § 1598 Rz. 2. Dagegen spricht freilich der Wortlaut des Gesetzes, vgl. PalJDiederichsen, § 1598 Anm. 1. Für eine „berichtigende Auslegung" entgegen dem Wortlaut setzen sich Soer gel / Gaul, § 1598 Rz. 4; MK / Mutschier, § 1598 Rz. 1; Gernhuber, § 45 V. 7. (S. 661) ein.

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§§ 1600 g Abs. 2-1600 m BGB. Beachtlich sind dabei einige Unterschiede zur Ehelichkeitsanfechtung: (1) Der Grund, weshalb dem Anerkennenden ein Anfechtungsrecht eingeräumt wird, ist ein anderer, als der für die Ehelichkeitsanfechtung durch den Ehemann der Mutter eines scheinehelichen Kindes maßgebliche. Denn die Zuordnung zu dem Kind hat der Anerkennende im Gegensatz zum Ehemann eines scheinehelichen Kindes selbst gesetzt. Daß dem Anerkennenden dennoch ein Anfechtungsrecht eingeräumt wird, ist die notwendige Kehrseite der Leichtigkeit des Anerkennungsverfahrens. Durch das Institut der Vaterschaftsanerkennung soll die Möglichkeit geschaffen werden, einem nichtehelichen Kind möglichst unkompliziert und schnell zu einem statusrechtlichen Vater zu verhelfen. Würde es kein Anfechtungsrecht des Anerkennenden geben, wäre die Hemmschwelle für einen Mann, die Vaterschaft anzuerkennen, wesentlich höher, als dies mit Einräumung einer Anfechtungsmöglichkeit der Fall ist. Da die Erleichterung einer Vaterschaftsanerkennung letztlich dem Kindeswohl dient, ist mittelbar auch das Anfechtungsrecht des Anerkennenden durch das Kindeswohl gerechtfertigt. (2) Die Mutter des Kindes ist anfechtungsberechtigt. Die Mutter soll deswegen anfechten können, weil auch sie die Zuordnung ihres Kindes mittelbar betrifft 8 und bei einer Anerkennung ihre Zustimmung nicht erforderlich ist. Ihr könnte daher ohne ihren Willen „angehängt" werden, das Kind stamme von dem ab, der die Vaterschaft anerkannt hat, obwohl sie weiß, daß das Kind nicht vom Anerkennenden, sondern von einem Dritten gezeugt wurde. Dem kann sie mit einer Anfechtung entgegenwirken. (3) Das Kind kann die Vaterschaft ohne besondere Begründung anfechten. Sein Anfechtungsrecht ist nicht, wie bei § 1596 Abs. 1 BGB, auf bestimmte, enumerativ aufgeführte Tatbestände beschränkt. Dies deshalb, weil der Vorteil des Anerkennungsverfahrens, die Leichtigkeit und Schnelligkeit im Vergleich zum Feststellungsverfahren, dem Kind im Falle des Irrtums über die genetische Abstammung vom Anerkennenden nicht zum Nachteil gereichen soll. Ein Grund für diese Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten ist auch darin zu sehen, daß die statusrechtliche Zuordnung zu einem anderen als dem Erzeuger oft nicht in dem Maße dem Kindeswohl entspricht, als daß sie aufrecht erhalten werden müßte. Auch braucht kein Familienfrieden berücksichtigt zu werden, da die statusrechtlichen Eltern nicht miteinander verheiratet sind. 9 Insbesondere hat die s Rechte der Mutter, für die die Person des statusrechtlichen Vaters von Bedeutung ist, sind etwa in den §§ 1615 k-o, 1711 Abs. 1 S. 1 BGB enthalten, vgl. MK/ Mutschier, § 1600 g Rz. 4. Die statusrechtliche Vaterschaft eröffnet auch die Möglichkeit, das Kind gem. § 1723 BGB für ehelich erklären zu lassen, gegebenenfalls ohne Zustimmung der Mutter (§ 1727 Abs. 1 BGB). Die Ehelicherklärung aber beendet die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zur Mutter und berührt diese damit in ihren Rechten. Vgl. hierzu auch Soergel / Gaul, § 1600 g Rz. 4; RGRK / Böckermann, § 1600 g Rz. 1; Gernhuber, § 57 IV. 2. (S. 894). 9 Gernhuber, § 57 IV. 2. (S. 893 f.): „Das nichteheliche Kind kann keine Elternehe gefährden." Soergel / Gaul, § 1600 g Rz. 5 spricht sogar davon, daß das Anfechtungsrecht

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Zuordnungskorrektur keine Auswirkungen auf das Sorgerecht, da der Vater eines nichtehelichen Kindes nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist. c) Begründung eines Sekundär status aa) Adoption Wird ein Kind von einem anderen angenommen, so wird damit ein statusrechtliches Verhältnis zwischen dem Kind und dem oder den Annehmenden begründet (Statusbezeichnung: eheliches Kind), § 1754 BGB. Die Annahme beendet § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB zufolge den Primärstatus des Kindes. Sie kann durch eine einzelne Person oder durch ein Ehepaar erfolgen, § 1741 Abs. 2 und 3 BGB. Die Annahme als Kind wird gem. § 1752 Abs. 1 BGB durch gerichtlichen Beschluß vollzogen (Dekretsystem). Maßgebliche Voraussetzung für eine Adoption ist, „daß sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-KindVerhältnis entsteht", § 1741 Abs. 1 BGB. Eine Adoption ist also eine Zuordnungsveränderung, die durch das Kindeswohl begründet ist. Auch der nichteheliche Vater oder die nichteheliche Mutter können jeweils ihr Kind annehmen, allerdings nach § 1741 Abs. 3 S. 1 BGB nicht gemeinsam. In diesem Fall endet der Primärstatus des Kindes als nichteheliches des Annehmenden und wird in einen Sekundärstatus als eheliches Kind des Annehmenden umgewandelt. Die statusrechtliche Zuordnung zum anderen Elternteil des nichtehelichen Kindes erlischt mit der Annahme. Da die Annahme eines Kindes eine Zuordnungsveränderung auch des Sorgerechts der früheren statusrechtlichen Eltern darstellt, das mit dem Primärstatus endet, bedarf sie der Einwilligung der bisherigen Eltern bzw. der Mutter und des Kindes, §§ 1747 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1746 Abs. 1 S. 1 BGB. In besonders gelagerten Fällen können diese Zustimmungen ersetzt werden, §§ 1746 Abs. 3, 1748 BGB. bb) Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters Wird ein nichteheliches Kind vom Vormundschaftsgericht für ehelich erklärt, so endet damit gem. § 1736 BGB dessen Primärstatus und wird ein Sekundärstatus als eheliches Kind des zuvor festgestellten Vaters begründet. Die Ehelicherklärung kann nach § 1723 BGB vom Vater beantragt werden. Sie bedarf der Einwilligung des Kindes und bei Minderjährigkeit auch dessen Mutter, § 1726 Abs. 1 S. 1 BGB, sowie der Ehefrau des Vaters, § 1726 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie erfolgt nur dann, wenn sie dem Wohl des Kindes dient, § 1723 zweiter Halbs. BGB. des nichtehelichen Kindes in dessen „Recht auf Feststellung der wahren Abstammung begründet" sei.

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Es handelt sich hierbei also stets um eine durch das Kindeswohl begründete Zuordnungsveränderung. cc) Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes Ist ein Elternteil eines nichtehelichen Kindes gestorben und waren die Eltern im Zeitpunkt des Todes des betreffenden Elternteils verlobt, so kann das Kind gem. § 1740 a Abs. 1 S. 1 BGB beantragen, für ehelich erklärt zu werden. Der Antrag kann gem. § 1740 e Abs. 2 BGB erst dann erfolgen, wenn der Verlobte der Mutter als nichtehelicher Vater festgestellt oder das Kind zuvor die Feststellung der Vaterschaft des Verlobten in der gesetzlich bestimmten Frist begehrt hat. Außerdem ist nach § 1740 b Abs. 1 S. 1 BGB die Einwilligung des überlebenden Elternteils erforderlich. Die Ehelicherklärung darf dann nicht erfolgen, wenn sie nicht dem Kindes wohl entspricht, § 1740 a Abs. 1 S. 2 BGB. Es handelt sich also auch hierbei um eine durch das Kindeswohl begründete Zuordnungsveränderung. Das Kind wird mit der Ehelicherklärung eheliches Kind des überlebenden Elternteils. Der Primärstatus als nichteheliches Kind der Verlobten wird dadurch beendet, vgl. § 1740 f Abs. 2 BGB. Hinsichtlich der Rechtswirkungen des Status wird das Kind so behandelt, als hätten seine Eltern nach seiner Geburt geheiratet, § 1740 f Abs. 1 BGB, vgl. § 1719 S. 1 BGB. dd) Legitimation durch nachfolgende Ehe Heiratet die Mutter eines nichtehelichen Kindes dessen festgestellten Vater, so wird es mit der Heirat gem. § 1719 S. 1 BGB eheliches Kind. Der Primärstatus als nichteheliches Kind wird damit beendet, an seine Stelle tritt der Sekundärstatus als eheliches Kind. Die Zuordnungssubjekte bleiben dabei gleich. Auch hierbei ist es möglich, daß hinsichtlich des Vaters statusrechtliche Zuordnung und natürliche Abstammung auseinanderfallen, und zwar dann, wenn der vor der Eheschließung festgestellte Vater nicht der Erzeuger des Kindes war. Diese Abweichung ist dann allerdings nicht erst mit der Zuordnungsveränderung durch Legitimation eingetreten. Diese verändert lediglich die Qualität der Zuordnung und begründet ein Sorgerecht des Vaters, sie ändert aber nicht die Zuordnungssubjekte.

B. Elterliche Sorge 1. Grundlagen Jedes minderjährige Kind (vgl. § 2 BGB) steht mit der Geburt unter der elterlichen Sorge entweder seiner Mutter (§ 1705 S. 1 BGB) oder, bei Ehelichkeit,

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seiner Eltern (§ 1626 Abs. 1 S. 1 BGB). Dabei sind Eltern die Personen, denen das Kind als eheliches statusrechtlich zugeordnet ist. Elterliche Sorge ist nach der Legaldefinition des § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB „das Recht und die Pflicht, für das Kind zu sorgen". Die elterliche Sorge besteht aus zwei Komponenten: der Personensorge und der Vermögenssorge (§ 1626 Abs. 1 S. 2 BGB). Wesentliches Element der elterlichen Sorge ist die gesetzliche Vertretungsmacht der Sorgeberechtigten, vgl. § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB, sowie im Rahmen der Personensorge „das Recht und die Pflicht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen", § 1631 Abs. 1 BGB. Zur Personensorge gehört auch das Umgangsbestimmungsrecht, § 1632 Abs. 2 BGB.

2. Erwerb der Inhaberschaft der elterlichen Sorge Grundsätzlich kommt das Personensorgerecht denjenigen zu, denen das Kind statusrechtlich zugeordnet ist mit Ausnahme des Vaters des nichtehelichen K i n des. a) Bei Ehelichkeit sind die statusrechtlichen Eltern die Inhaber des Sorgerechts, § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB. aa) Eheliche Kinder sind zunächst diejenigen, die mit der Geburt den Primärstatus als eheliches Kind erwerben. Weiterhin sind dies mit Eintritt des Sekundärstatus die legitimierten und die von einem Ehepaar oder Ehegatten adoptierten Kinder (§§ 1719 S. 1, 1754 Abs. 1 BGB). In diesen Fällen sind Vater und Mutter (im statusrechtlichen Sinne) gemeinschaftlich Inhaber des Sorgerechts, §§ 1626 Abs. 1 S. 1, 1627 BGB. In den Fällen der Ehelicherklärung und der Adoption durch einen Einzelnen wird mit Eintritt des Sekundärstatus die betreffende Einzelperson grundsätzlich Alleininhaber der elterlichen Sorge, §§ 1754 Abs. 2, 1736, 1740 f Abs. 1 i. V. m. § 1626 Abs. 1 S. 1 BGB. Bei Ehelicherklärung auf Antrag des Vaters ergibt sich dies daraus, daß das Kind allein in bezug auf den Antragsteller eheliches Kind wird (§ 1736 BGB). Das Sorgerecht der Mutter wird dadurch nicht beendet; sie ist allerdings nach § 1738 Abs. 1 BGB gehindert, es auszuüben. Soweit die Mutter Inhaberin des Sorgerechts bleibt, wirkt die statusrechtliche ZuordnungsVeränderung sich nicht auf die sorgerechtliche Zuordnung aus. Dies deshalb, damit bei Verhinderung des Vaters i. S. d. § 1738 Abs. 2 BGB die Mutter als Zuordnungssubjekt bezüglich des Zuordnungsgegenstandes „elterliche Sorge" erhalten bleibt. Bei der Ehelicherklärung auf Antrag des Kindes ist der überlebende Elternteil allein Inhaber der elterlichen Sorge, §§ 1740 a Abs. 2, 1733 Abs. 3, 1681 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach einer Adoption durch einen Alleinstehenden ergibt sich die Alleininhaberschaft der elterlichen Sorge aus §§ 1754 Abs. 2, 1626 Abs. 1 S. 1 BGB.

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bb) Mit Beschluß des Familiengerichts kann dem Elternteil das Sorgerecht übertragen werden, dem es gem. §§ 1671, 1672 BGB nach Getrenntleben oder Scheidung entzogen worden ist, § 1681 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der zuvor Sorgeberechtigte gestorben ist. Einer Frau, die ihr Ausübungsrecht gem. § 1738 Abs. 1 BGB nach der Ehelicherklärung des Kindes verloren hat, kann dieses Recht zurückübertragen werden, wenn der Tatbestand des § 1738 Abs. 2 BGB vorliegt. b) Ist ein Kind nichtehelich, so hat allein die Mutter das Sorgerecht, § 1705 S. 1 BGB. Sie ist in der Ausübung der elterlichen Sorge allerdings weitgehender beschränkt als die Eltern eines ehelichen Kindes, vgl. § 1706 BGB. Die Inhaberschaft der elterlichen Sorge folgt also bei Nichtehelichkeit nur hinsichtlich der Mutter, nicht bezüglich des festgestellten Vaters der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes. 3. Beendigung der elterlichen Sorge a) Beendigung durch gerichtlichen Beschluß aa) Die elterliche Sorge kann einem oder beiden Elternteilen ganz oder teilweise entzogen werden, wenn dies erforderlich ist, um eine Gefahr für das Kind abzuwenden, § 1666 Abs. 1 S. 1 BGB. Dabei ist der Entzug der gesamten Personensorge nur als ultima ratio zulässig, § 1666 a Abs. 2 BGB. Die Vermögenssorge kann bereits entzogen werden, wenn der Sorgeberechtigte seine Unterhaltspflichten vernachlässigt hat und künftige Unterhaltsgefährdungen zu besorgen sind, § 1666 Abs. 3 BGB. Die Beendigung des Sorgerechtsverhältnisses erfolgt dabei stets aus Kindeswohlgründen. bb) Die elterliche Sorge kann bei dauerndem Getrenntleben auf Antrag eines Elternteiles (§ 1672 BGB) und nach Scheidung bzw. Nichtigerklärung (§ 1671 Abs. 6 BGB) der Ehe der Eltern einem Elternteil vom Familiengericht entzogen werden, § 1671 Abs. 1 BGB. Bei der Sorgerechtsregelung hat das Gericht die Entscheidung zu treffen, „die dem Wohl des Kindes entspricht", § 1671 Abs. 2 erster Halbs. BGB. Ausnahmsweise kann das Sorgerecht nach der Ehescheidung bei beiden Elternteilen belassen werden. Die entgegenstehende Bestimmung des § 1671 Abs. 4 S. 1 BGB ist nichtig. 10 b) Beendigung durch Tod des Sorgeberechtigten Stirbt der Personensorgeberechtigte und stand zuvor die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinschaftlich zu, wird der überlebende Elternteil Alleininhaber der Sorge, § 1681 Abs. 1 S. 1 BGB.

io Vgl. BVerfG FamRZ 1982, S. 1179.

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c) Ruhen der elterlichen Sorge Von der Entziehung der elterlichen Sorge ist das Ruhen des Sorgerechts zu unterscheiden. Bei letzterem bleibt der Betroffene Inhaber des Sorgerechts, er kann jedoch vorübergehend nicht wirksam davon Gebrauch machen, § 1675 BGB. Das Ruhen des Sorgerechts erfolgt durch gerichtlichen Beschluß, der auf § 1666 Abs. 1 S. 1 BGB gestützt ist oder tritt gem. § 1751 Abs. 1 S. 1 erste Alt. BGB mit der Einwilligung des Sorgerechtsinhabers in die Annahme des Kindes durch einen Dritten ein. Des weiteren ruht die Sorge bei Geschäftsunfähigkeit des betreffenden Elternteils, § 1673 Abs. 1 BGB, oder wenn der Inhaber nach Feststellung des Vormundschaftsgerichts die Sorge auf längere Zeit tatsächlich nicht ausüben kann, § 1674 Abs. 1 BGB. Ebenfalls an der Ausübung der elterlichen Sorge ist die Mutter eines Kindes gehindert, das auf Antrag seines nichtehelichen Vaters für ehelich erklärt wird, § 1738 Abs. 1 BGB.

C. Namensrecht Der Name eines Kindes richtet sich nach dessen statusrechtlicher Zuordnung und nicht nach der natürlichen Abstammung.

1. Namensrecht bei Primärstatus a) Name des ehelichen Kindes Bei Geburt als eheliches Kind erhält das Kind den Ehenamen seiner statusrechtlichen Eltern, § 1616 BGB. b) Name des nichtehelichen Kindes aa) Geburtsname Das nichteheliche Kind erhält mit seiner Geburt den Namen seiner Mutter, §1617 Abs. 1 S. 1 BGB. Wird der eheliche Primärstatus durch Ehelichkeitsanfechtung beseitigt, ändert sich der Name des Kindes nicht, da bei Geburt als Name der Mutter deren Familienname gilt, § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB. bb) Einbenennung Das Kind kann den späteren Ehenamen der Mutter oder den Namen des Vaters erhalten, wenn die Voraussetzungen des § 1618 BGB erfüllt sind. Die Einbenennung bedarf nach § 1618 Abs. 1 S. 1 erster Halbs. BGB der Einwilligung des 6*

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Kindes mit den in Abs. 2 gegebenen Modalitäten. Damit ist gewährleistet, daß die Einbennnung nur aus Kindeswohlgründen erfolgt. Sie ist also eine kindeswohlbedingte Zuordnungsveränderung. Eine Einbenennung ändert am nichtehelichen Status des Kindes jedoch nichts, sie dient vielmehr dazu, ihn zu verdecken. 11 Spätere Namensänderungen der Eltern eines ehelichen Kindes oder der Mutter bzw. bei Vorliegen des Tatbestandes des § 1618 Abs. 4 BGB, des Vaters eines nichtehelichen Kindes, wirken sich in gesetzlich bestimmten Fällen auf den Namen des Kindes aus. 2. Namensrecht bei Sekundärstatus a) Nach der Adoption eines Minderjährigen erhält dieser aufgrund seines Status als eheliches Kind des bzw. der Annehmenden den Ehenamen der bzw. den Namen des Annehmenden, § 1757 Abs. 1 S. 1 BGB. b) Nach der Ehelicherklärung erhält das Kind den Namen desjenigen, dem es statusrechtlich zugeordnet wird, §§ 1737 S. 1, 1740 f Abs. 2 S. 1 BGB. c) Nach Verheiratung der Eltern erhält ein nichteheliches Kind gem. § 1719 S. 1 erster Halbs, i. V. m. § 1616 BGB grundsätzlich den Ehenamen seiner Eltern, sofern es ihn nicht bereits vor der Legitimation geführt hat.

D. Staatsangehörigkeit Auch die Staatsangehörigkeit eines Kindes ist gebunden an dessen statusrechtliche Zuordnung. 1. Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft a) Bei Primär status aa) Ist das Kind bei Geburt ein eheliches Kind, so erwirbt es die deutsche Staatsangehörigkeit dann, wenn mindestens ein Elternteil Deutscher ist, § 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG. bb) Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 RuStAG erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit auch dann, wenn es nichteheliches Kind ist und seine Mutter Deutsche ist. Das nichteheliche Kind einer Ausländerin hat einen Anspruch auf Einbürgerung, wenn der festgestellte Vater die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und n Soergel / Strätz, § 1618 Rz. 2; Erman / Michalski, § 1618 Rz. 2. Mit der Einbenennung soll die tatsächliche Einheit der neuen Familie auch namensrechtlich erfolgen, ohne daß gleich eine statusrechtliche Zuordnungsveränderung vorgenommen werden muß.

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die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 RuStAG vorliegen. Mit seiner Einbürgerung erwirbt das Kind die deutsche Staatsbürgerschaft, § 3 Nr. 5 RuStAG. b) Bei Sekundärstatus aa) Adoption Auch bei der Annahme eines Kindes richtet sich die Staatsangehörigkeit gem. § 6 S. 1 RuStAG nach der statusrechtlichen Zuordnung des Annehmenden. Ist der Annehmende Deutscher, erwirbt auch das bis dahin ausländische Kind die deutsche Staatsbürgerschaft. Auf die natürliche Abstammung kommt es nicht an. bb) Ehelicherklärung Mit der Ehelicherklärung erwirbt das Kind einer ausländischen Mutter die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn der festgestellte Vater Deutscher ist, §§ 1736, 1740 f Abs. 1 BGB i. V. m. § 5 RuStAG. cc) Legitimation durch Heirat Heiraten die Eltern eines nichtehelichen Kindes, so erwirbt das Kind mit der Legitimation die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn die Mutter Ausländerin und der festgestellte Vater Deutscher ist, § 1719 S. 1 erster Halbs. BGB i. V. m. § 5 RuStAG. 2. Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft Ein Kind verliert seine Staatsbürgerschaft nur in zwei Fällen: a) Das Kind hat eine verheiratete ausländische Muter und einen deutschen Vater. Es wird innerhalb des in § 1593 BGB angegebenen Zeitraums geboren und seine Ehelichkeit wirksam angefochten. Dann hatte das Kind bei seiner Geburt aufgrund seines zunächst ehelichen Status gem. § 4 Nr. 1 RuStAG die deutsche Staatsbürgerschaft erworben, diese fällt jedoch mit der wirksamen Anfechtung und Feststellung der Nichtehelichkeit ex tunc weg. Damit ist das Kind so zu behandeln, als habe es von Geburt an die Staatsbürgerschaft seiner Mutter. Die deutsche Staatsbürgerschaft kann das Kind in diesem Fall nur mit Einbürgerung oder bei Legitimation durch einen Deutschen gem. § 5 RuStAG erwerben. b) Das Kind wird von einem Ausländer angenommen. Dann verliert es seinen Primärstatus und infolge dessen auch seine deutsche Staatsbürgerschaft, §§17 Nr. 4, 27 S. 1 RuStAG.

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E. Zusammenfassung (1) Sämtliche personenrechtlichen Zuordnungen eines Kindes erfolgen gemäß der statusrechtlichen Zuordnung. Dies liegt darin begründet, daß es sich dabei um absolute Rechte handelt, die jeweils einheitlich geregelt und eindeutig erkennbar sein müssen. Mit ihnen wird die Beziehung des Kindes in der Öffentlichkeit geregelt, d. h. nicht nur gegenüber den Zuordnungssubjekten, sondern auch zum Staat und allen anderen Menschen, die auf das Kind und dessen Rechte einwirken könnten. (2) Die statusrechtliche Zuordnung erfolgt grundsätzlich gemäß der natürlichen Abstammung. (3) Eine Zuordnungsabweichung erfolgt nur dann, wenn das Kindeswohl dies erfordert. (a) Soweit das Kindeswohl bereits bei Geburt oder nach Beseitigung (Anfechtung) des Primärstatus eine abweichende Zuordnung erfordert (nämlich beim nichtehelichen und beim scheinehelichen Kind), ist dies im Gesetz allgemein geregelt, ohne daß eine individuelle Kindeswohlüberprüfung erfolgt. (b) Eine Zuordnungsveränderung (Adoption, Ehelicherklärung, Einbenennung) erfolgt nur mit Zustimmung des betroffenen Kindes bzw. seines gesetzlichen Vertreters. Sie bedarf zudem der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, außer bei der Einbenennung, die lediglich den Namen des Kindes betrifft. (4) Zuordnungskorrekturen (Anfechtung der Ehelichkeit bzw. der Vaterschaft) sind im Gegensatz zu Zuordnungsabweichungen nicht davon abhängig, ob sie dem Kindeswohl zuträglich sind oder nicht. Daß die Zuordnungskorrektur keiner Rechtfertigung durch das Kindeswohl bedarf, liegt zum einen daran, daß mit ihr lediglich ein Primärstatus beseitigt wird, der nicht der natürlichen Zuordnung entsprach. Hauptgrund für das Fehlen des Kindeswohlerfordernisses ist jedoch, daß mit Zuordnungskorrekturen, die nicht durch das Kind erfolgen, regelmäßig Zuordnungen beseitigt werden, an deren Zustandekommen der Anfechtende nicht mitgewirkt hat. Anders ist es allein bei der Anfechtung der Vaterschaft durch den Anerkennenden. Dies liegt daran, daß die Einräumung eines Anfechtungsrechts seinerseits durch das Kindeswohl gerechtfertigt ist, weil anderenfalls die Leichtigkeit und Einfachheit des Anerkennungsverfahrens beeinträchtigt wäre. Die Leichtigkeit des Anerkennungsverfahrens aber dient gerade dem Kindeswohl.

I I . Vermögensrechtliche Zuordnung Die vermögensrechtliche Zuordnung gliedert sich in zwei Zuordnungsgegenstände: in das Unterhalts- und das Erbrecht. Hier interessieren zunächst nur das gesetzliche Unterhaltsrecht und das gesetzliche Erbrecht des Kindes, also nicht

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der rechtsgeschäftlich übernommene Unterhalt und das gewillkürte Erbrecht. Zum Erbrecht wurden bereits im vorigen Paragraphen Ausführungen gemacht, so daß hier nur noch die Grundlagen der gesetzlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung eines Kindes darzulegen sind.

A. Inhalt des Unterhaltsrechts Grundsatz: Besteht zwischen zwei Personen ein Unterhaltsverhältnis, so hat der Unterhaltsberechtigte gegen den Unterhaltsverpflichteten einen Anspruch auf regelmäßige Zahlung eines angemessenen Geldbetrages zur Lebensführung. Ein Unterhaltsverhältnis besteht dann, wenn erstens ein Unterhaltsgrundtatbestand existiert und zweitens der danach Berechtigte bedürftig sowie der Verpflichtete leistungsfähig ist, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Ausnahmetatbestände sind in den §§ 1602 Abs. 2,1603 Abs. 2 BGB enthalten. Bedürftig ist, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, § 1602 Abs. 1 BGB. Leistungsfähig ist, wer nicht „bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren", § 1603 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für ein Unterhaltsverhältnis ist zunächst ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Unterhaltsgrundtatbestand. Im Zusammenhang der Untersuchung des familienrechtlichen Zuordnungssystems des BGB bedarf es lediglich einer Analyse der gesetzlichen Unterhaltsgrundtatbestände.

B. Gesetzliche Unterhaltsgrundtatbestände 1. Gesetzliche Bestimmungen Gesetzlich zur Unterhaltsgewährung sind verpflichtet (1) Ehegatten während der Ehe (Familienunterhalt), § 1360 S. 1 BGB, während des Getrenntlebens (Getrenntlebendenunterhalt), § 1361 Abs. 1 S. 1 BGB, und nach Beendigung der Ehe durch Scheidung, § 1569 BGB; (2) Verwandte in gerader Linie, § 1601 BGB sowie (3) der Vater eines nichtehelichen Kindes dessen Mutter, § 1615 1 BGB. Hier interessiert lediglich die Zuordnung des Kindes, also der Begründungstatbestand des § 1601 BGB. Zu untersuchen ist, was unter dem Begriff „Verwandte in gerader Linie" zu verstehen ist. Hierzu enthält § 1589 S. 1 BGB eine Legaldefinition. Danach sind „Personen, deren eine von der anderen abstammt,... in gerader Linie verwandt."

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2. Der Inhalt des Begriffs „Abstammung" in § 1589 S. 1 BGB a) Denkbare Möglichkeiten der Auslegung Es sind vier Möglichkeiten denkbar, was der Begriff „Abstammung" beinhaltet: (1) Ausschließlich die sogenannte Blutsverwandschaft, d. h. die genetische Herkunft (natürliche Abstammung). (2) Ausschließlich die statusrechtliche Zuordnung, d. h. die im zweiten Titel des 2. Abschnitts des vierten Buches des BGB unter der Überschrift „Abstammung" gesetzlich bestimmte Eltern-Kind-Zuordnung (gesetzliche Abstammung). (3) Ausschließlich die mit der natürlichen übereinstimmende gesetzliche Abstammung. (4) Sowohl die natürliche als auch die gesetzlich bestimmte Abstammung. b) Folgen für die Unterhaltspflicht Jede dieser vier Möglichkeiten hätte unterschiedliche Auswirkungen auf die gesetzliche Unterhaltspflicht. (1) Wäre mit Abstammung ausschließlich die natürliche Abstammung gemeint, so würden ausschließlich genetisch voneinander abstammende Personen einander unterhaltsverpflichtet sein, ohne daß es auf ihre statusrechtliche Zuordnung ankäme. (2) Wäre hingegen mit Abstammung lediglich die statusrechtliche Zuordnung gemeint, so würden auch diejenigen einander unterhaltspflichtig sein, die nicht natürlich voneinander abstammen, aber einander statusrechtlich zugeordnet sind. Natürlich voneinander Abstammende, die einander nicht statusrechtlich zugeordnet sind, wären hingegen nicht unterhaltspflichtig. (3) Wäre die dritte Möglichkeit zutreffend, so ständen unverheiratete, als Minderjährige Adoptierte in keinem gesetzlichen Unterhaltsverhältnis. Denn mit der Annahme erlöschen die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse und die Sekundärzuordnung wäre, wenn die Annehmenden nicht zugleich die genetischen Eltern sind, mit der natürlichen Abstammung nicht identisch. Auch hätten scheineheliche Kinder, deren Ehelichkeit nicht wirksam angefochten wird, keinen Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann ihrer Mutter. Auch nichteheliche Kinder, deren Vaterschaft von einem anderen als dem Erzeuger anerkannt worden ist und die nicht wirksam angefochten wird, hätten keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren statusrechtlichen Vater. (4) Wäre die vierte Möglichkeit gemeint, so würde ein Kind sowohl von seinem genetischen als auch, falls davon verschieden, von seinen statusrechtlichen Eltern Unterhalt verlangen können. Ebenso könnten bei eigener Bedürftigkeit

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und Leistungsfähigkeit des Kindes sowohl die genetischen wie die statusrechtlichen Eltern von ihrem Kind Unterhalt verlangen. c) Problemlösung Bei natürlicher Befruchtung, und nur dies ist in diesem Abschnitt Gegenstand der Untersuchung, läßt sich dieses Problem durch folgende Überlegung lösen: (1) Wäre die erste Möglichkeit zutreffend, so wäre es unverständlich, weshalb es für den Unterhalt gegenüber nichtehelichen Kindern in den §§ 1615a — 1615 ο BGB gesonderte Vorschriften gibt. Diese Bestimmungen knüpfen gerade an den Status an, so daß die statusrechtliche Zuordnung, insbesondere die Statusbezeichnung (ehelich bzw. nichtehelich) für die Unterhaltspflicht nicht ohne Belang sein kann. Insbesondere wäre § 1615 d gegenstandslos, der die Anwendbarkeit des § 1600 a S. 2 BGB auf das Unterhaltsrecht voraussetzt. § 1600 a S. 2 BGB jedoch enthält eine Regelung der Geltendmachung von Rechtswirkungen der statusrechtlichen Zuordnung eines nichteheliches Kindes. Damit wird vom Gesetz anerkannt, daß zumindest auch die statusrechtliche Zuordnung Einfluß auf das Entstehen eines Unterhaltsgrundtatbestandes hat. Folglich muß bereits der gesetzliche Begründungstatbestand des Verwandtenunterhalts die hergestellte, von der natürlichen abweichende statusrechtliche Zuordnung umfassen. Der gesetzliche Grundtatbestand für den Verwandtenunterhalt hat aber allein die Abstammung zur Voraussetzung. Also kann der Begriff „Abstammung" sich wenigstens nicht ausschließlich auf die natürliche Abstammung beziehen. (2) Gegen die zweite Möglichkeit, daß ausschließlich die statusrechtliche Zuordnung maßgeblich für die Abstammung und damit für das Verwandtenunterhaltsrecht ist, spricht § 1600 a S. 2 BGB. Wäre die genetische Abstammung nicht grundsätzlich hinreichend zur Begründung eines Abstammungs- und damit gem. §1601 BGB eines Verwandtenunterhaltsverhältnisses, so bedürfte es des Präklusionstatbestandes des § 1600 a S. 2 BGB nicht. Diese Regelung ist nur dann sinnvoll, wenn vorausgesetzt wird, daß die natürliche Abstammung von einem Mann die Zuordnung des Kindes zu diesem (Vaterschaft) hervorruft 12 und mit dieser natürlichen Zuordnung Ansprüche und andere Rechtspositionen (ζ. B. Erbrecht) begründet werden. Denn wenn die Geltendmachung von Rechtswirkungen, die sich aus der Vaterschaft ergeben, erst mit der Feststellung der Vaterschaft erfolgen kann, muß bereits zuvor die Möglichkeit bestanden haben, daß die 12 Soergel ! Gaul, § 1600 a Rz. 5. Wie hier auch MK / Mutschier, § 1600 a Rz. 12: Die Rechtswirkungen der Vaterschaft bestehen von Geburt des Kindes an, allein deren Geltendmachung ist hinausgeschoben. Ebenso RGRK / Böckermann, § 1600 a Rz. 32, der aus § 1600 a S. 2 und § 1615 d BGB folgert, daß „Rechtsgrund für die Ansprüche aus der Vaterschaft die biologische Abstammung bleibt." Unklar hingegen Gernhuber, § 57 I. 2. (S. 874), der meint, die Zuordnung sei Folge der Vaterschaftsfeststellung, andererseits aber sagt, zuvor seien die Rechtswirkungen der Vaterschaft „suspendiert".

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Kap. 4: Das verwandtschaftliche Zuordnungssystem des BGB

betreffenden Rechtswirkungen begründet waren. Sonst müßte § 1600 a S. 2 BGB lauten: „Die Rechtswirkungen der Vaterschaft entstehen, soweit sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt dieser Feststellung an." Außerdem geht § 1615 d BGB expressis verbis davon aus, daß bereits vor der Feststellung der Vaterschaft Unterhaltsleistungen fällig geworden sind. Also kann das Entstehen eines Unterhaltsanspruchs zumindest nicht allein Folge der mit der Feststellung erfolgenden statusrechtlichen Zuordnung eines nichtehelichen Kindes sein. Der Unterhaltsgrundtatbestand muß bereits zuvor bestanden haben. Dann kann er aber nur an die natürliche Abstammung anknüpfen. Nun ist es aber immerhin noch denkbar, daß mit § 1600 a S. 2 BGB nur eine deklaratorische Feststellung getroffen werden sollte des Inhalts, daß die Rechtswirkungen der Zuordnung des Kindes zu einem Mann (Vaterschaft) erst mit der förmlichen Feststellung entstehen. Allerdings stets dergestalt, daß der Festgestellte so behandelt wird, als sei die Vaterschaft bereits bei der Geburt festgestellt worden (Rückwirkung der statusrechtlichen Zuordnung). Dann wäre für den Unterhaltsgrundtatbestand ausschließlich die statusrechtliche Zuordnung maßgeblich. Es kann also an dieser Stelle der Analyse noch nicht festgestellt werden, daß in dem die gesetzliche Verwandtenunterhaltspflicht begründenden Tatbestand des §1601 BGB zumindest auch von der natürlichen Abstammung eines Kindes ausgegegangen wird. Auf jeden Fall besteht diese Möglichkeit. (3) Gegen die Möglichkeit, nur bei Überschneidung von natürlicher und statusrechtlicher Zuordnung liege ein Abstammungsverhältnis vor, das eine gesetzliche Unterhaltspflicht zur Folge hat, spricht § 1751 Abs. 4 BGB. Hierin ist die Rangfolge und der Zeitpunkt des Entstehens der Unterhaltspflicht bei Adoption geregelt. Diese Bestimmung setzt also bereits die Unterhaltspflicht des Annehmenden mit Entstehen des Sekundärstatus der Adoption (§ 1754 BGB) voraus. Zwischen dem Annehmenden und dem Angenommenen besteht jedoch mit Ausnahme der Adoption durch den genetischen Vater oder die Mutter kein natürliches Abstammungsverhältnis. Also begründet bereits die statusrechtliche Zuordnung eines angenommenen Kindes die gesetzliche Unterhaltspflicht des Annehmenden.13 (4) Damit bleibt es neben der zweiten bei der letzten Möglichkeit: Mit Abstammung i. S. d. § 1589 BGB ist sowohl die natürliche Abstammung als durch die statusrechtliche, davon abweichende hergestellte Zuordnung gemeint. Demnach stände ein Kind in einem Abstammungsverhältnis sowohl zu seinen genetischen als auch zu seinen statusrechtlichen Eltern. An das Abstammungsverhältnis knüpft dann gem. § 1601 BGB unmittelbar der gesetzliche Unterhaltsgrundtatbestand des § 1601 BGB an, soweit nicht ein gesetzlicher Ausschlußtatbestand besteht. Dabei wäre als ein solcher Ausschlußtatbestand beispielsweise § 1600 a S. 2 BGB anzusehen.14 Die Rechtswirkungen der Zuordnung eines Mannes zu seinem 13 Einhellige Meinung, s. nur MK! Lüderitz, §§ 1754, 1755 Rz. 2. 14 § 1600 a S. 2 BGB stellt eine Rechtsausübungssperre dar, Staud.lGöppinger, § 1600 a Rz. 5; RGRK / Böckermann, § 1600 a Rz. 31; Gernhuber, § 57 I. 7. (S. 876).

§ 7 Die Zuordnung eines natürlich gezeugten Kindes

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Kind (Vaterschaft) treten — dieser Betrachtung zufolge — grundsätzlich sofort mit der Geburt ein, und zwar aufgrund der natürlichen Zuordnung automatisch aufgrund des § 1589 BGB bzw. bei ehelicher Abstammung aufgrund der Geburt innerhalb des Zeitraums des § 1593 BGB. Sie können bei einem nichtehelichen Kind allerdings erst mit der statusrechtlichen Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden, § 1600 a S. 2 BGB. Bei der Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen als den Erzeuger treten die Rechtswirkungen ausnahmsweise erst mit der Wirksamkeit der Anerkennung ein. Der Anerkennende wird jedoch behandelt, als sei er der Erzeuger des Kindes. Damit steht fest: Als Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs „Abstammung" des § 1589 BGB kommen nach dem soeben zum Verwandtenunterhalt Gesagten nur noch folgende infrage: Entweder ist damit ausschließlich die statusrechtliche oder sowohl die statusrechtliche als auch die natürliche Eltern-Kind-Zuordnung gemeint. Gegen die Einengung der Abstammung auf die statusrechtliche Zuordnung und damit deren Wirkung im Unterhalts- und Erbrecht spräche Folgendes: Gäbe es ein grundrechtlich verankertes Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft (natürliche Zuordnung), wäre es verfassungsrechtlich geboten, das Kind neben der statusrechtlichen auch an der davon abweichenden natürlichen Zuordnung teilhaben zu lassen, soweit sie nicht ausnahmsweise gesetzlich ausgeschlossen ist. Dann wäre der letzten Möglichkeit im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Vorzug zu gewähren. Es wird daher zu untersuchen sein, ob es ein solches Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung gibt. Dies erfolgt in § 16.

3. Zusammenfassung (1) Das gesetzliche Unterhaltsrecht des Kindes knüpft wie das gesetzliche Erbrecht an die Abstammung an. (2) Ob unter „Abstammung" allein die statusrechtliche oder auch zusätzlich die natürliche Zuordnung zu verstehen ist, läßt sich erst sagen, wenn feststeht, ob es ein grundrechtlich verankertes Recht auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft gibt.

Fünftes Kapitel

Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung § 8 Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung im homologen System I. Die Zuordnung bei Reproduktionsmethoden ohne Kryokonservierung des Embryos Wird ein Kind im homologen System inner- oder außerkörperlich erzeugt und trägt es die Frau aus, von der das Ei stammt, so ist das Kind mit seiner Geburt grundsätzlich ein eheliches Kind seiner Mutter und deren Ehemann, § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Ehelichkeit kann nicht deswegen wirksam angefochten werden, weil das Kind nicht aus einer Beiwohnung des Ehemannes hervorgegangen ist. 1 Folglich ist das Kind mit seiner Geburt statusrechtlich den Personen zugeordnet, von denen es genetisch abstammt. Natürliche Abstammung und statusrechtliche Zuordnung fallen dabei nicht auseinander. Damit ist das Kind sowohl personen- als auch vermögensrechtlich natürlich zugeordnet, so daß sich bei dieser Form der künstlichen Reproduktion keine erbrechtlichen Probleme hinsichtlich der Zuordnungssubjekte ergeben.

I I . Zuordnungsprobleme bei Verwendung der Kryokonservierungstechnik Etwas anderes als bei I. ergibt sich jedoch dann, wenn der homolog erzeugte Embryo kryokonserviert und der Frau autolog transferiert wurde, falls die Frau bei Geburt länger als 302 Tage vom Erzeuger geschieden war oder dieser früher verstorben ist. In diesen Fällen hat das Kind den Status eines nichtehelichen Kindes seiner Mutter und des Erzeugers; letzteres setzt allerdings gem. § 1600 a S. 2 BGB die Feststellung der Vaterschaft voraus. Die Nichtehelichkeit des Kindes ergibt sich daraus, daß der Tatbestand des § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorliegt. Denn die Frau hat das Kind nicht vor oder während der Ehe empfangen. Von Empfängnis kann nämlich bei einer ivF / ET erst im Zeitpunkt des Embryo1 Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 24-26; RG JW 1908, S..485 f.; Trautmann, Das Recht 1909, S. 762-765. Bernat in: Bernat, S. 125 (128), nimmt bei fehlender Beiwohnung eine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke an.

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transfers gesprochen werden. Zwar ist die Befruchtung bereits während der Ehe erfolgt, jedoch außerhalb des Körpers der Frau. Erst mit der Transferierung des befruchteten Eies in den Uterus der Wunschmutter empfängt diese etwas. Deshalb tritt die Empfängnis i. S. d. § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB bei extrakorporaler Befruchtung nicht bereits bei Befruchtung, sondern erst nach der Durchführung des Embryotransfers ein. Aufgrund der Nichtehelichkeit ist das Kind personenrechtlich allein der Mutter zugeordnet. Vermögensrechtlich entspricht hinsichtlich der Zuordnungssubjekte die statusrechtliche der natürlichen Zuordnung, soweit die Vaterschaft des Erzeugers festgestellt ist. Das Kind ist damit gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung sowohl seiner Mutter als auch seines Vaters. Anders sieht es dann aus, wenn die Frau bei Geburt des Kindes mit einem anderen als dem Erzeuger verheiratet ist. Dann ist das Kind gem. §§ 1591 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 1593 BGB als eheliches Kind der Gebärenden und des Mannes anzusehen, mit dem sie im Zeitpunkt der Geburt verheiratet war. In diesem Fall entspricht die statusrechtliche solange nicht der natürlichen Zuordnung, bis die mit der Geburt erfolgte statusrechtliche Zuordnung mit einer Anfechtung der Ehelichkeit beseitigt und durch Feststellung des genetischen Vaters geändert wird. Erst dadurch kann wegen §§ 1593, 1600 a S. 2 BGB eine der natürlichen bezüglich der Zuordnungssubjekte entsprechende hergestellte Zuordnung erreicht werden. Dies zeigt: Ohne Kryokonservierung ist die künstliche Befruchtung im homologen System zuordnungsrechtlich unproblematisch. Erfolgt eine Kryokonservierung des Embryos, ergeben sich Probleme, wenn die Ehe mit dem Erzeuger im Zeitpunkt der Geburt mehr als 302 Tage nicht besteht.

§ 9 Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung nach Samenspende I. Personenrechtliche Zuordnung Die statusrechtliche Primärzuordnung entspricht bei heterologer Insemination sowie bei ivF nach Samenspende und nachfolgendem autologen Transfer der bei natürlicher Zeugung durch einen anderen als den Ehemann der Mutter. 1

A. Ehelichkeitsanfechtung durch den Wunschvater und dessen Eltern Problematisch ist jedoch, ob die Ehelichkeit eines nach Samenspende erzeugten Kindes auch dann vom Ehemann der Gebärenden wirksam angefochten werden kann, wenn dieser der heterologen Befruchtung zugestimmt hat. 1 s. o. § 7 I. A. 2. a).

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Kap. 5: Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung

1. Unverzichtbarkeit des Anfechtungsrechts Anknüpfungspunkt derjenigen Auffassungen, die ein Anfechtungsrecht des konsentierenden Ehemannes de lege lata verneinen, 2 ist die Zustimmung des Mannes zur heterologen Insemination seiner Ehefrau. Zunächst könnte man daran denken, daß in der Zustimmung bereits die Erklärung eines Anfechtungsverzichts enthalten ist. Abgesehen davon, ob die Zustimmung zur heterologen Befruchtung überhaupt Rechtswirksamkeit entfalten kann, 3 und wenn ja, ob sie einen Anfechtungsverzicht beinhaltet, stellt sich vor allem die Frage, ob ein Anfechtungsverzicht wirksam sein kann. Das Gesetz sieht eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht ausdrücklich vor. Der Ehemann hat vielmehr gem. § 1594 Abs. 1 und 2 BGB die Möglichkeit, mindestens innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes frei zu entscheiden, ob er es bei der gesetzlichen Zuordnung des Kindes zu ihm als eheliches Kind beläßt, oder eine Zuordnungskorrektur vornimmt. 4 Eine frühere Regelung im BGB (§ 1598 a. F.), in der die Möglichkeit einer ausdrücklichen Ehelichkeitsanerkennung durch den Ehemann vorgesehen war mit der Folge, daß er die Ehelichkeit künftig nicht mehr anfechten konnte, ist bereits 1938 abgeschafft worden. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß der Gesetzgeber dem Ehemann der Mutter eines nicht von ihm gezeugten Kindes die uneingeschränkte Möglichkeit belassen wollte, innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes zu überlegen, ob er es bei der ehelichen Zuordnung des Kindes beläßt, oder diese Zuordnung beseitigt.5 Für einen rechtsgeschäftlichen Anfechtungsverzicht ist demzufolge kein Raum. 6 Damit kann auch in der Zustimmung zur heterologen Insemination ein wirksamer Anfechtungsverzicht nicht enthalten sein. Dem ist allerdings entgegengehalten worden, auf den Wegfall des Anerkennungsrechts des § 1598 a. F. BGB könne man sich für die Unwirksamkeit eines Anfechtungsverzichts in diesen Fällen nicht berufen, weil der Gesetzgeber die Besonderheiten der heterologen Befruch2 Benecke, S. 32; Kollhosser, JA 1985, S. 553 (554 f.); Harder , JuS 1986, S. 505 (507); Zimmermann, FamRZ 1981, S. 929 (931); StaudJ Göppinger, § 1591 Rz. 40; Giesen, S. 188 f. und JZ 1983, S. 552 (553); Brenner, S. 134; Deutsch, ArztR Rz. 257; Gernhuber, § 45 X 4 (S. 679); PalJDiederichsen, § 1593 Anm. 4 b), allerdings nur für den Fall, daß der künstlichen Befruchtung „besondere ernsthafte Vorbereitungsgespräche mit dem Arzt" vorausgingen; Schwab, Rz. 409; AG Lüdenscheid NJW 1986, S. 784 (785); Bernat in: Bernat, S. 125 (139). 3 Dies ist dann zu verneinen, wenn man, wie Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497), der Auffassung ist, die heterologe Insemination sei rechtswidrig. Gernhuber, § 45 III. 2. (S. 653) hält die Zustimmung des Ehemannes zur heterologen Insemination für sittenwidrig. 4 BGHZ 87, 169 (174, 176); Bernat MedR 1986, S. 245 (247); Selb, S. 56; CoesterWaltjen in: Gentechnologie 9, S. 80 (82); Gernhuber, § 45 III. 2. (652). 5 BGHZ 87, 169 (174 f.); Dölle in: Festschr. für Rabel, S. 187 (200 f.). 6 BGHZ 87,169 (174 f.); Dölle in: Festschr. für Rabel, S. 187 (201); Erman / Holzhauer, § 1594 Rz. 16 u. 17; Erdsiek, NJW 1960, S. 23 (24); Gernhuber, § 45 III. 2. (S. 652); Soergel / Gaul, § 1594 Rz. 18; MK / Mutschier, § 1594 Rz. 14.

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tungstechniken nicht bedacht habe.7 Gegen diese Argumentation spricht jedoch, daß bereits zu der Zeit, als dem Ehemann noch die Möglichkeit der Anerkennung der Ehelichkeit mit der Wirkung eines Anfechtungsverzichts eingeräumt wurde, die Anerkennung nur dann wirksam war, wenn sie nach der Geburt des Kindes erfolgte. 8 Dies hatte seinen Grund darin, daß der Ehemann erst nach der Geburt entscheiden sollte, ob er das Kind als seines akzeptiert oder nicht. Erst, wenn er gewissermaßen das Kind „vor Augen" hatte, sollte er sich festlegen können, ob er das Kind als sein eheliches Kind anerkennt oder nicht. Damit wurde eine pränatale Anerkennung für unwirksam gehalten. Ein im Rahmen einer heterologen Insemination abgegebener Anfechtungsverzicht aber würde bereits vor der Geburt, ja sogar vor der Erzeugung des Kindes erklärt. Wenn aber bereits nach früherem Recht eine pränatale Anerkennung unwirksam war, kann erst recht heute ein präkonzeptioneller Anfechtungsverzicht keine Wirksamkeit entfalten, da noch nicht einmal ein postnatales Anerkenntnis möglich ist. Somit ist in der Zustimmung des Ehemannes zur Vornahme einer heterologen Insemination seiner Frau kein wirksamer Anfechtungsverzicht zu erkennen und kann ein Anfechtungsverzicht auch nicht wirksam gesondert erklärt werden.

2. Rechtsmißbräuchlichkeit des Anfechtungsrechts? Diejenigen, die dem konsentierenden Ehemann ein Anfechtungsrecht absprechen, berufen sich dabei vor allem auf die Rechtsmißbräuchlichkeit einer solchen Anfechtung. 9 Eine Anfechtung, obwohl dem Gesetz (§ 1594 BGB) zufolge auch im Falle der heterologen Insemination uneingeschränkt möglich, stellt dieser Auffassung zufolge ein venire contra factum proprium dar. Das widersprüchliche Verhalten des Mannes besteht danach darin, daß er zunächst die Entstehung des Kindes und damit auch dessen Zuordnung zu sich bewußt herbeigeführt habe, da die Befruchtung erst aufgrund seiner Zustimmung durchgeführt wurde. Folglich habe das Kind seine Entstehung und damit auch die Zuordnung als eheliches Kind dem Ehemann zu verdanken. 10 Einen Zustand, den er selbst geschaffen habe — die Zuordnung des Kindes zu sich —, könne der Ehemann aber nicht mit der Anfechtung wieder beseitigen, ohne sich damit zu seinem früheren 7 Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 49 und NJW 1983, S. 2059; Giesen, JZ 1983, S. 552 (553); Laufs, JZ 1986, S. 769 (776). 8 Darauf weist Dölle in: Festschr. für Rabel, S. 187 (201) unter Bezug auf Kipp und RG JW 1926, S. 1955 Nr. 7 hin. 9 Staud.lGöppinger, § 1591 Rz. 40; Bernat in: Bernât, S. 125 (139); Giesen, S. 188 f. und JZ 1983, S. 552 (553); Zimmermann, FamRZ 1981, S. 929 (931); Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555); Harder , JuS 1986, S. 505 (507); Deutsch, ArztR Rz. 257; Pal.l Diederichsen, § 1593 Anm. 4 b); Pal.l Heinrichs, § 242 Anm. 4 c) h). Brenner, S. 134 spricht von „Verwirkung". 10 Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555); Bernat in: Bernat, S. 125 (136-139); Giesen, S. 188 und JZ 1983, S. 552 (553); Staud.l Göppinger, § 1591 Rz. 40.

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Kap. 5: Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung

Verhalten in Widerspruch zu setzen. Nun hat allerdings die zur Unwirksamkeit eines Gestaltungsrechts führende Rechtsmißbräuchlichkeit wegen eines venire contra factum proprium neben dem Widerspruch zu früherem Verhalten auch zur Voraussetzung, daß der von dem Gestaltungsrecht Betroffene ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtausübung des Rechts hat. 11 Infolgedessen kommt eine Unwirksamkeit der Anfechtung nur dann in Betracht, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen des Kindes in die Beibehaltung des ehelichen Primärstatus besteht. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen setzt zum einen ein Interesse des Kindes an der Unveränderlichkeit des Status voraus (a). Außerdem muß das Kind darauf vertraut haben können, daß diese Interessen vom Ehemann der Mutter berücksichtigt werden (b). Und letztlich muß eine Abwägung des grundsätzlich dem Anfechtenden eingeräumten Rechts zur Statuskorrektur einerseits und des wegen des Vertrauens des Kindes zu berücksichtigenden Interesses des Kindes andererseits eindeutig zugunsten des letzteren ausfallen (c). Denn grundsätzlich hat jemand, dem ein Gestaltungsrecht zukommt, auch das Recht, es gegen die Interessen des davon Betroffenen auszuüben. a) Interesse des Kindes an der Beibehaltung des Primär status Ficht der Ehemann der Mutter des Kindes und damit dessen Wunschvater die Ehelichkeit an, so läßt dies darauf schließen, daß das Eltern-Kind-Verhältnis des Mannes zum Kind nicht sonderlich ausgeprägt ist. Dann aber besteht auch in der Regel kein besonderes Interesse des Kindes an der Beibehaltung der personenrechtlichen Zuordnung zum früheren Wunschvater. Insofern ist die Primärzuordnung eine „leere Hülle". 1 2 Die Interessen des Kindes werden damit vornehmlich vermögensrechtlicher Art sein. Sie können bestehen in der Aufrechterhaltung der durch den ehelichen Status begründeten Unterhalts- und erbrechtlichen Zuordnung zum Ehemann der Mutter, die mit der Anfechtung wegfallen würde. Ist nämlich der Erzeuger des Kindes inzwischen entweder verstorben oder vermögenslos und außerstande, dem Kind Unterhaltsleistungen zu erbringen, die dem ehelichen Unterhalt entsprechen, so ist die Anfechtung der Ehelichkeit für das Kind von Nachteil. In diesen Fällen hat das Kind ein Interesse an der Beibehaltung des Primärstatus auch dann, wenn für die personenrechtliche Komponente der Zuordnung zum Ehemann weniger spricht. b) Berücksichtigung

der Interessen des Kindes

Die Interessen des Kindes können für ein venire contra factum proprium nur dann berücksichtigt werden, wenn das Kind überhaupt darauf vertrauen konnte, u Vgl. Erman / Sirp, § 242 Rz. 79; PaUHeinrichs, § 242 Anm. 4 B. e); MK I Roth, § 242 Rz. 289, 292, 295; Staud.lJ. Schmidt, § 242 Rz. 599. 12 Coester-Waltjen, 56. DJT, S. Β 52, 54.

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als eheliches Kind dem Ehemann zugeordnet zu werden und zu bleiben. Gegen ein solches Vertrauen spricht jedoch, daß kein Kind einen Anspruch gegen seine natürlichen Eltern hat, ihnen als eheliches Kind zugeordnet zu werden und zu bleiben. 13 So bleibt auch ein Kind nichtehelich, das im Versprechen gezeugt wurde, daß der Vater die Mutter vor der Geburt heiratet, wenn die an der Zeugung Beteiligten sich an dieses Versprechen nicht halten. Entsprechend kann ein Kind, das von einem anderen als dem Ehemann der Mutter gezeugt wurde, nicht auf das Versprechen des Ehemannes vertrauen, er werde die Ehelichkeit nicht anfechten. Es müßte also bei der heterologen Erzeugung eines Kindes eine Besonderheit vorliegen, die ein Vertrauen des Kindes in den Erwerb und die Beibehaltung des ehelichen Status rechtfertigt. Allenfalls könnte man in dem Umstand eine solche Besonderheit sehen, daß das Kind in dem Vertrauen darauf erzeugt und darin bis zur Anfechtung belassen wurde, es werde in die Ehe der Wunscheltern hineingeboren. 14 Das widerspräche freilich dem bei 1. Ausgeführten, daß die Zustimmung des Ehemannes zur heterologen Insemination keine anfechtungsverzichtende Wirkung zu entfalten vermag. 15 Damit bestehen erhebliche Zweifel daran, daß die Interessen des Kindes schutzwürdig und ein Vertrauen in das Bestehenbleiben des Primärstatus zu begründen geeignet sind. c) Abwägung Selbst, wenn man die Schutzwürdigkeit der Interessen des Kindes bejaht, ist noch für ein anfechtungsausschließendes venire contra factum proprium eine Abwägung des gesetzlichen Rechts des Ehemannes einerseits und der Interessen des Kindes andererseits zu treffen. Ob es verbindliche, rational nachvollziehbare Kriterien für eine solche Abwägung gibt und geben kann, ist zu bezweifeln. Welche Gründe vom jeweiligen Gericht für maßgeblich gehalten werden, ist nicht vorhersehbar. Das beginnt bereits mit der Auswahl der Interessen, die abzuwägen sein sollen, und geht weiter mit der Gewichtung dieser Interessen. Beide können zweifelhaft sein. So hat das AG Dieburg 16 für die Rechtsmißbräuchlichkeit einer Anfechtungsklage nach heterologer Insemination vor allem zwei Momente sprechen lassen: Zum einen, daß die Mutter nach einer Anfechtung mit dem Makel behaftet sei, ein nichteheliches Kind zu haben, nachdem bislang der Umgebung verborgen geblieben war, daß das Kind nicht von ihrem (inzwischen von ihr geschiedenen) Mann abstammt. Zum anderen, daß das Kind nach Anfechtung der Ehelichkeit bis zum 18. Lebensjahr vaterlos sei 17 und mit der 13 Beitzke in: Festschr. für Müller-Freienfels, S. 31 (36). 14 Darauf beruft sich Giesen, JZ 1983, S. 552 (553). is So auch MK! Mutschier, § 1594 Rz. 15; Soergel! Gaul, § 1594 Rz. 18. 16 NJW 1987, S. 713 (714 f.). 17 Noch einschneidender der der Entscheidung des AG Lüdenscheid NJW 1986, S. 784 zugrundeliegende Fall. Darin gab der inseminierende Arzt zu erkennen, der Erzeuger könne nicht mehr festgestellt werden. Aus diesem Grund hält das Gericht die 7 Mansees

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Kap. 5: Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung

Anfechtung in sein Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung eingegriffen würde, weil vor Erreichen des 18. Geburtstages der inseminierende Arzt die Auskunft über den leiblichen Vater verweigere. Zum ersten Argument ist zu sagen, daß es sich dabei nicht um Interessen des Ehemannes oder des Kindes, sondern einer Dritten handelt, die nicht Partei des Rechtsstreits ist. Das Interesse der Mutter mag bei einer Statuskorrektur zwar auch berücksichtigt werden, weil der Status des Kindes mittelbar auch sie betrifft, doch überzeugt es wenig, wenn dies als für die Abwägung entscheidendes Interesse anzusehen sein soll. Maßgeblich sollten die Interessen des Kindes und des Anfechtenden bleiben. Das zweite Argument ist nicht nachvollziehbar. Denn die Unwirksamkeit der Anfechtung ändert am Recht des Kindes auf Kenntnis der genetischen Herkunft und an dessen Durchsetzbarkeit nichts. Das Kind würde auch ohne Anfechtung der Ehelichkeit vom die Insemination durchführenden Arzt freiwillig die Daten des Samenspenders nicht vor dem Erreichen des 18. Lebensjahres mitgeteilt bekommen. Dabei ist die Weigerung des Arztes, diese Daten bereits früher herauszugeben, rechtswidrig. Das aber hat das Gericht 18 nicht erkannt und infolgedessen auch nicht die vermögensrechtlichen Folgen der Anfechtung bedacht. Diese bestehen darin, daß das Kind dem Samenspender vermögensrechtlich zugeordnet wird und von ihm nach der Statuskorrektur Unterhalt verlangen kann. Weigert sich der inseminierende Arzt, die Daten des Spenders herauszugeben, würde der Arzt verpflichtet sein, für den Unterhalt des Kindes so aufzukommen, wie es der Spender wäre. 19 Diese Entscheidung des AG Dieburg zeigt, mit welch zweifelhaften Argumenten eine Rechtsmißbräuchlichkeit zuweilen angenommen wird. Außerdem wird einer Entscheidung wegen der vor einer Abwägung zu ermittelnden Interessen der Parteien oft eine umfangreiche Beweisaufnahme vorausgehen müssen.20 Die in einem solchen Verfahren angelegte lange Prozeßdauer und Ungewißheit über den Ausgang widerspricht jedoch dem Anliegen des Statusrechts, die Statuskorrektur durch einen anderen als das Kind möglichst schnell abzuwickeln. Nicht zuletzt aus diesem Grund bedürfen Statuskorrekturen durch den Ehemann und dessen Eltern bzw. durch die Mutter oder den Anerkennenden (bei Anfechtung der Anerkennung eines nichtehelichen Kindes) keines Anfechtungsgrundes, der vom Gericht zu überprüfen wäre. Wenn nun bei einer Anfechtung für rechsmißbräuchlich, da die Beklagte (das Kind) „durch eine Anfechtung ihren Vater verlieren (würde), ohne die Möglichkeit zu haben, ihren tatsächlichen Erzeuger ermitteln zu können." (S. 785). is Ebensowenig wie das AG Lüdenscheid NJW 1986, S. 784. 19 Mansees, NJW 1988, S. 2984 (2987). Dies verkennt auch die Entscheidung des AG Lüdenscheid NJW 1986, S. 784, die damit letztlich die Durchführung einer heterologen Insemination mit Anonymitätszusicherung erst ermöglicht und das Recht des Kindes auf Kenntnis der genetischen Herkunft unberücksichtigt läßt. 20 Dies zeigt die Darstellung der dem Urteil des AG Dieburg NJW 1987, S. 713, vorausgehenden Beweisaufnahme.

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Anfechtung durch den konsentierenden Ehemann das Gericht doch in jedem Einzelfall eine Berechtigung der Anfechtung überprüfen müßte, widerspräche das dem System des Rechts der Statuskorrekturen. Aus diesem Grund und wegen der Bedenken gegen das Bestehen eines schutzwürdigen Vertrauens des Kindes in die Beibehaltung des Primärstatus ist die Unwirksamkeit einer Ehelichkeitsanfechtung durch den Mann wegen Rechtsmißbräuchlichkeit allgemein abzulehnen. 2 1 3. Systemwidrigkeit einer Anfechtung des konsentierenden Ehemannes Im Zusammenhang mit der Untersuchung des gegenwärtigen Zuordnungssystems des BGB wurde festgestellt, daß eine Zuordnungskorrektur durch einen anderen als das Kind deshalb keiner Kindeswohlbegründung bedarf, weil derjenige, dem das Kind ohne dessen Zutun statusrechtlich zugeordnet wurde, diese Zuordnung korrigieren können soll. Das Gesetz ist für den Fall konzipiert, daß ohne Wissen des Ehemannes dessen Ehefrau ein Kind von einem anderen Mann empfangen hat. 22 In den Fällen heterologer Insemination ist es jedoch so, daß der Ehemann selbst die Erzeugung des Kindes mitveranlaßt und damit die Zuordnung zu sich selbst herbeigeführt hat. Dieser grundlegende Unterschied zu allen anderen Fällen, bei denen eine Anfechtung durch den Ehemann in Frage kommt — auch zum konsentierten Ehebruch —, macht die Anfechtungsmöglichkeit nach konsentierter heterologer Insemination zu einem Fremdkörper im System der Zuordnungskorrekturen des BGB. 2 3 Das Gesetz läßt jedoch keine andere Auslegung zu, als daß dem Ehemann stets ungeschmälert ein Anfechtungsrecht zumindest innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes verbleibt. Die festgestellte Systemwidrigkeit kann daher allein vom Gesetzgeber beseitigt werden. 24 Es bleibt festzuhalten, daß nach gegenwärtigem Recht auch der Ehemann, der der heterologen Insemination zugestimmt hat, die Ehelichkeit des Kindes gem. § 1594 Abs. 1 und 2 BGB jedenfalls innerhalb von zwei Jahren nach der Geburt des Kindes anfechten kann. Da das Anfechtungsrecht der Eltern des Mannes gem. § 1595 a Abs. 1 S. 1 BGB an das Anfechtungsrecht des Mannes anknüpft, steht ihnen das Recht ebenfalls im Rahmen der Fristen der S. 4 - 6 dieser Vorschrift zu, es sei denn, der Mann hat die Ehelichkeit nicht anfechten wollen (Abs. 2 21 Im Ergebnis ebenso Soergel / Gaul, § 1591 Rz. 33; Selb, S. 57; einschränkend MK / Mutschier, § 1594 Rz. 15. 22 Darauf weisen Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 49, und Giesen, JZ 1983, S. 552 (553) hin. Ihnen folgend StaudJ Göppinger, § 1592 Rz. 40 und Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555). 23 Bernat in: Bernat, S. 125 (139), spricht davon, daß der Fall der konsentierten heterologen Insemination „planwidrig ungeregelt geblieben" sei. 24 BGHZ 87, 169 (176); Dölle in: Festschr. für Rabel, S. 187 (201 f.) und FamR, Band 2 § 87 I. 3. (S. 46). 7*

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S. 2). Letzteres ist, wie in den Fällen natürlicher Zeugung, im Einzelfall zu ermitteln. Besonderheiten aufgrund der heterologen Insemination bestehen insoweit nicht.

B. Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind Dem Kind steht gem. § 1596 Abs. 1 BGB nur in bestimmten Fällen die Ehelichkeitsanfechtung zu. Hier kommen insbesondere in Frage die Anfechtung nach einer Beendigung der Ehe der Mutter und die Anfechtung aufgrund einer schweren Erbkrankheit des Mannes (die möglicherweise den Anstoß für die heterologe Insemination gegeben hat). Im letztgenannten Fall hat das Kind zeitlich unbeschränkt das Recht, die Ehelichkeit anzufechten (arg. e § 1598 BGB); zur Anfechtung wegen der Scheidung seiner bisherigen statusrechtlichen Eltern ist es nach Erreichen der Volljährigkeit nur zwei Jahre lang berechtigt, § 1596 Abs. 2 S. 1 BGB. Dabei kommt es für das Laufen der Anfechtungsfrist nicht auf die Kenntnis von der Abstammung von einem anderen als dem Ehemann der Mutter an. 25 Ob es de lege ferenda angezeigt ist, einem heterolog erzeugten Kind auch ohne Vorliegen eines der Anfechtungsgründe des § 1596 Abs. 1 BGB ein Anfechtungsrecht einzuräumen, wird im elften Kapitel untersucht. Eine solche Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten für das Kind könnte vor allem verfassungsrechtlich geboten sein, wenn es ein Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft gibt.

I I . Vermögensrechtliche Zuordnung A. Gesetzliche Zuordnung 1. Unterhaltsrecht Da die statusrechtliche Zuordnung zu einem gesetzlichen Abstammungsverhältnis gem. § 1589 S. 1 BGB führt, steht das Kind zu seinen statusrechtlichen Eltern in einem Unterhalts Verhältnis. Ob darüber hinaus auch ein Unterhalts Verhältnis zwischen dem Erzeuger und dem Kind besteht, kann erst nach endgültiger Klärung der Frage beantwortet werden, ob die natürliche Abstammung neben der gesetzlichen den Unterhaltsgrundtatbestand gem. § 1601 BGB ausfüllt. Jedenfalls ist der genetische Vater dann gem. § 1601 BGB unterhaltsverpflichtet, wenn die Ehelichkeit wirksam angefochten und die Vaterschaft des Samenspenders festgestellt worden ist.

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s. o. § 7 Fn. 7.

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2. Erbrecht Das zum Unterhaltsrecht Gesagte gilt entsprechend hinsichtlich des Erbrechts. Das Kind ist jedenfalls gesetzlicher Erbe erster Ordnung seiner statusrechtlichen Eltern. Ob darüber hinaus ein gesetzliches Erbrecht nach dem Samenspender auch vor Feststellung seiner Vaterschaft aufgrund natürlicher Zuordnung besteht, ist bis zur Klärung des Inhalts des § 1589 S. 1 BGB nicht zu beantworten.

B. Rechtsgeschäftlich hergestellte Zuordnung 1. Unterhaltsrecht In Schrifttum 26 und Rechtsprechung 27 wird erwogen, bereits in der Zustimmung des Ehemannes zur Vornahme einer heterologen Insemination bei seiner Frau einen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) zwischen der zu inseminierenden Frau (Versprechensempfängerin) und deren Ehemann (Versprechender) zugunsten des zu erzeugenden Kindes (Begünstigter) zu sehen. Dieser Vertrag soll zum Inhalt haben, daß der Ehemann bei Beseitigung der Ehelichkeit des Kindes diesem gegenüber verpflichtet ist, den Unterhalt zu gewähren, der diesem zustände, wenn es weiterhin ehelich wäre. Dies hätte zur Folge, daß für den die Ehelichkeit des Kindes anfechtenden konsentierenden Ehemann die statusrechtliche Änderung keine vermögensrechtliche Veränderung brächte, außer, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht in eine rechtsgeschäftliche umgewandelt würde. Dann wäre nach wirksamer Ehelichkeitsanfechtung die statusrechtlich begründete gesetzliche Unterhaltspflicht des Ehemannes mit ex tunc-Wirkung beseitigt. Anstelle des gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses träte eine einseitige vertragliche Unterhaltspflicht des Ehemannes gegenüber dem Kind. Damit hätte die Statuskorrektur für das Kind keine unterhaltsrechtlich nachteiligen Folgen, sondern wäre nur vorteilhaft. Das Kind ist seinem früheren Scheinvater seinerseits nicht mehr unterhaltsverpflichtet und kann bei dessen Tod den Samenspender aus dessen gesetzlicher Unterhaltspflicht in Anspruch nehmen. Ist der Samenspender finanziell erheblich leistungsfähiger als der Ehemann der Mutter, so kann das Kind ergänzend den gesetzlichen Unterhalt von seinem festgestellten Vater (Samenspender) verlangen. 28 Es ist nicht verpflichtet, nur den Ehemann seiner Mutter in Anspruch zu nehmen. Damit hätte die Statuskorrektur für das Kind unterhaltsrechtlich keine nachteiligen Folgen, sondern wäre nur vorteilhaft. Folgte man der Auffassung, daß ein solches Unterhaltsversprechen in jeder Zustimmung des 26 PaUDiederichsen, § 1593 Anm. 4 b); Benecke, S. 109 f. Vorsichtiger Dölle in: Festschr. für Rabel, S. 187 (204), der lediglich meint, es könne oft angenommen werden, daß der einer heterologen Insemination zustimmende Ehemann damit auch eine Alimentation des zu zeugenden Kindes übernehme. 27 LG Duisburg NJW 1987, S. 1485 f. 28 Darauf weist Holzhauer, FamRZ 1986, S. 1162 (1164), hin.

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Ehemannes zur heterologen Insemination enthalten ist, so wäre es jedem verantwortlichen „Scheinvater" nur anzuraten, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten! Dadurch würde eine optimale vermögensrechtliche Stellung des Kindes herbeigeführt. Allerdings ist zweifelhaft, ob bereits in der Konsentierung der Samenspende ein derart folgenschwerer Vertragsschluß des Ehemannes mit seiner Frau zu erkennen ist. Die Absprache eines Mannes mit seiner Ehefrau, ein Kind heterolog erzeugen zu lassen, ist geprägt allein vom Wunsch, ein Kind zu bekommen. Darin bereits eine Vereinbarung enthalten zu sehen, daß der Mann über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus haften will, würde eine Überstrapazierung der Zustimmungserklärung des Ehemannes bedeuten. Die gegenteilige Ansicht mißt der Befruchtungsvereinbarung der Wunscheltern eine Wirkung bei, die von den Vertragsschließenden regelmäßig nicht bedacht und damit auch nicht gewollt ist. Schon gar nicht überzeugt es, den ausdrücklichen Ausschluß einer Haftung gegenüber dem Kind als protestatio facto contrario für unwirksam zu halten. 29 Einem vermeintlich existierenden, konkludent geschlossenen Vertrag würde dabei eine größere Bedeutung zuerkannt als dem ausdrücklich erklärten Rechtsgeschäft. Folglich schuldet der Ehemann einer heterolog befruchteten Frau deren Kind trotz Anfechtung der Ehelichkeit nur dann Unterhalt, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Dazu empfiehlt sich ein schriftliches Versprechen des Ehemannes gegenüber seiner Frau. Am besten wäre es, ein Arzt würde, wenn er schon eine heterologe Insemination vornehmen will, dies von der Vorlage eines solchen schriftlichen Versprechens abhängig machen.30 2. Erbrecht Erlischt durch Anfechtung der Ehelichkeit die Primärzuordnung des Kindes zum Ehemann seiner Muter, so ist das Kind damit auch nicht mehr dessen Erbe erster Ordnung gem. § 1924 Abs. 1 BGB. Diesen Nachteil versucht CoesterWaltjen 31 dadurch auszugleichen, daß sie in der Zustimmung zur heterologen Insemination die Einräumung einer Nachlaßverbindlichkeit zugunsten des Kindes durch den Ehemann in Höhe des Pflichtteils enthalten sieht, das dem Kind gem. § 2303 Abs. 1 BGB zustehen würde, wenn es im Zeitpunkt des Erbfalls noch sein eheliches Kind gewesen wäre. Die Einräumung soll auch hierbei im Wege eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) mit dem Ehemann als Versprechendem, der Mutter als Versprechensempfängerin und dem Kind als begünstigtem Dritten erfolgen. Abgesehen davon, ob in der Zustimmung zur heterologen Insemination ein erklärter Wille des Ehemannes zu einer solchen Rechtswirkung überhaupt erkannt werden kann, ist diese Konstruktion wegen 29 Ebenso Holzhauer, FamRZ 1986, S. 1162 (1164), der sich heftig gegen diese Konstruktion vertraglicher Verpflichtungen des konsentierenden Ehemannes bereits aus der Zustimmungserklärung wendet. 30 Dies fordert auch Bernat in: Bernat, S. 125 (145). 31 Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 58.

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des erbrechtlichen numerus clausus fehlerhaft. 32 Denn eine Belastung der Erbschaft durch eine Vermögenszuwendung des Erblassers an einen anderen ist per definitionem (§ 1939 BGB) ein Vermächtnis. Ein Vermächtnis bedarf jedoch gem. § 1939 BGB der Form eines Testamentes. Die Konstruktion, daß jemand aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter einen Anspruch gegen die Erbengemeinschaft erwirbt, der nicht bereits gegen den Erblasser, sondern erst gegen die Erben des Versprechenden entsteht,33 stellte einen unwirksamen Vertrag zu Lasten Dritter dar. Denn er verpflichtete allein die Erben und nicht den Versprechenden. Die Erben sind jedoch vom Erblasser verschiedene Personen, auch wenn sie dessen Vermögensnachfolge antreten. Also kann in der Zustimmung zur heterologen Insemination keine Zuwendung des Ehemannes an das Kind für den Todesfall enthalten sein.

§ 10 Zuordnungsprobleme bei extrakorporaler Befruchtung nach Eispende und heterologem Transfer sowie heterologer Insemination mit anschließender Uteruslavage und Transfer in den Uterus der Ehefrau des Samenspenders Wird ein Kind geboren, das genetisch von einer anderen Frau abstammt als von der, die es geboren hat, so fallen biologische und genetische Mutterschaft auseinander.

I. Personenrechtliche Zuordnung Wem das Kind statusrechtlich zuzuordnen ist, wenn genetische und biologische Mutterschaft auseinanderfallen, ist nicht umittelbar dem Gesetz zu entnehmen. Zwar knüpft das geltende Familienrecht bei der statusrechtlichen Zuordnung in erster Linie an die Geburt an, doch ist damit noch nicht gesagt, daß allein die biologische Mutter dem Kind statusrechtlich zuzuordnen ist. Denn das BGB geht von der Identität von biologischer und genetischer Mutter aus. Die Möglichkeit einer Abweichung von der natürlichen Abstammung war dem Gesetzgeber unbekannt. Für die statusrechtliche Zuordnung zu einer Frau sind folgende Möglichkeiten denkbar:

32 Beitzke in: Festschr. für Müller-Freienfels, S. 31 (38), hält ebenfalls allein eine Zuwendung in Form einer letztwilligen Verfügung für möglich. 33 Darin unterscheidet sich diese Konstruktion von einem zulässigen Vertrag zugunsten Dritter von Todes wegen, für den § 331 Abs. 1 BGB anwendbar wäre. Denn bei derartigen Verträgen ist der Verstorbene Versprechensempfänger gewesen, während hier der Verstorbene Versprechender sein soll.

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(a) Das Kind ist der Frau statusrechtlich zuzuordnen, von der es genetisch abstammt, also der Eispenderin. (b) Das Kind ist der Gebärenden zuzuordnen. (c) Das Kind ist statusrechtlich sowohl der Gebärenden als auch der Eispenderin zuzuordnen (Doppelzuordnung). A. Argumente für und Einwände gegen die Zuordnung zur Eispenderin Für die Anknüpfung an die genetische Herkunft spricht, daß sie dem Grundsatz des Familienrechts entsprechen würde, daß statusrechtliche Zuordnung und natürliche Herkunft zusammenfallen. 1 Gegen diese Auffassung spricht zunächst, daß die statusrechtliche Zuordnung auch der Rechtsklarheit dient und sie bereits möglichst früh erkennbar sein soll, 2 damit jeder wissen kann, „wo das Kind hingehört." Bei einer Zuordnung mütterlicherseits ausschließlich nach der Eispenderin müßte in jedem Fall, in dem ein Kind mittels einer ivF erzeugt wurde, sofort nach Geburt von Amts wegen die genetische Herkunft des Kindes ermittelt werden. Dabei dürfte man sich nicht allein auf ärztliche Dokumente verlassen; immerhin ist es denkbar, daß eine Eizellenverwechslung vorgelegen hat. Auch könnte man sich nicht damit begnügen, nur dann die genetische Herkunft eines Kindes zu erforschen, wenn durch Mitteilung der biologischen Mutter oder durch andere bekannt wird, daß eine Eispende vorgelegen hat. Denn dies könnte dazu führen, daß die Anzeigepflichtigen nur dann die Eispenderin benennen, wenn entweder die genetische Mutter an der Mutterschaft interessiert ist, oder die biologische Mutter das Kind nicht behalten möchte. Diese Schwierigkeiten versucht eine Ansicht zu vermeiden, nach der die statusrechtliche Zuordnung zwar eigentlich zur genetischen Mutter erfolgen, aber zugleich eine „tatsächliche Vermutung" für die Abstammung von der Frau bestehen soll, die das Kind geboren hat. 3 Diese Vermutung führe zu einer „tatsächlichen Zuordnung". 4 Sie könne jedoch jederzeit im Wege einer Klage auf Feststellung der Mutterschaft nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO 5 sowohl von der gebärenden Frau ι Bilsdorfer, MDR 1984, S. 803 (805 f.); im Ergebnis auch Ostendorf in: Jüdes, S. 177 (191) und in: Gentechnologie 7, S. 56 (57). 2 Bernat in: Bernat, S. 125 (164); Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 111 f., sowie FamRZ 1984, S. 230 (232) und in: Gentechnologie 9, S. 80 (83); Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555). 3 Soer gel I Gaul, § 1591 Rz. 39, der an gleicher Stelle darauf hinweist, „tatsächliche Abstammung" sei eine von der statusrechtlichen Zuordnung zur Mutterseite „streng zu trennende Frage". Gaul führt mit seiner Ansicht über die statusrechtliche Zuordnung zur Eispende jedoch selbst die Vermengung der Begriffe „statusrechtliche Zuordnung" und „Abstammung" herbei, auf deren Unterscheidung er zuvor hingewiesen hat. 4 Soer gel ! Gaul, § 1591 Rz. 43. 5 Auch eine negative Feststellungsklage der Gebärenden mit der Folge, daß „das Kind vorerst völlig ohne Eltern wäre", hält Soer gel / Gaul, § 1591 Rz. 45 für möglich, obschon sich daraus eine „für das Kind unerträgliche Situation ergibt."

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wie von der genetischen Mutter beseitigt werden. 6 Nach einer solchen gerichtlichen Feststellung sei das Kind, falls die Eispenderin verheiratet ist, gem. §§ 1591, 1593 BGB eheliches Kind der genetischen Mutter und deren Ehemann,7 letzterer könne jedoch die Ehelichkeit gem. § 1594 BGB anfechten. Eine „tatsächliche Vermutung" führt jedoch — und das ist gegen diese Ansicht einzuwenden — keine Rechtsklarheit herbei. Sie vermag keine materiellen Rechtswirkungen zu erzeugen, sondern führt, da bei Eispende die Vermutung mit der wirklichen Sachlage nicht in Übereinstimmung steht, zu einer Behandlung des Kindes, die der materiellen Rechtslage widerspricht. Das Kind würde von Eltern erzogen, denen materialiter das Sorgerecht nicht zusteht, es bekäme Unterhalt von Personen, die ihm dazu nicht verpflichtet sind, es wäre bei Antritt der Erbschaft der „Eltern" aufgrund gesetzlicher Erbfolge (§ 1924 Abs. 1 BGB) nur Scheinerbe. Das alles sind untragbare Folgen, die dem Prinzip der Statusklarheit widersprechen. Außerdem ist zu bedenken, welchem Mann das Kind unter welcher Statusbezeichnung (ehelich oder nichtehelich) zuzuordnen ist, wenn die genetische Mutter auch die statusrechtliche sein soll. Der Ehemann der genetischen Mutter kann es nicht sein, denn er wäre dem Kind nur dann primärstatusrechtlich zugeordnet, wenn sich dies aus § 1591 Abs. 1 BGB ergäbe. Die Frau, von der das Ei stammt, hat das Kind aber nicht geboren, im Fall der Eispende und anschließendem ivF mit heterologem Transfer noch nicht einmal empfangen. Dabei ist unter Empfängnis die Befruchtung eines im Körper der Frau befindlichen Eies bzw. das Gelangen eines befruchteten Eies in den Körper der Frau zu verstehen.8 Andererseits kann das Kind nicht eheliches Kind des Mannes sein, dessen Frau das Kind geboren hat (der zugleich der genetische Vater ist). Denn § 1591 Abs. 1 BGB könnte bei statusrechtlicher Zuordnung zur genetischen Mutter keine Empfängnisvermutung zugunsten der Frau enthalten, die das Kind geboren hat, da anderenfalls das Kind bei bestehender Ehe der biologischen Mutter gem. §§ 1591, 1593 BGB eheliches Kind auch dieser Frau wäre, der es aber doch gerade nicht zugeordnet sein soll. Folglich könnte es bei einer Zuordnung mütterlicherseits gemäß der genetischen Herkunft keine im Wege der Eispende erzeugten Kinder 6 Anders insoweit MK I Mutschier, § 1592 Rz. 50, der die Feststellung von einer vorherigen Mutterschaftsanfechtung durch die gebärende Frau abhängig machen möchte. Wiederum anders StaudJ Göppinger, § 1591 Rz. 45, der bei einer unverheirateten biologischen Mutter sogar eine personenstandsrechtliche Berichtigung gem. § 47 Abs. 1 S. 1 PStG ohne vorherige gerichtliche Statusfeststellung gem. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Betracht zieht mit dem Ziel einer Eintragung der genetischen Mutter. 7 Soergel ! Gaul, § 1591 Rz. 43. 8 Vgl. § 8 II. Deshalb hat bei einer heterologen Insemination mit anschließender Uteruslavage und Transfer in den Uterus der Ehefrau des Samenspenders diese das Kind empfangen. Anders jedoch Harder, JuS 1986, S. 505 (509) unter Bezug auf Lauff! Arnold, ZRP 1984, S. 279 (282), die sich darauf berufen, der Gesetzgeber habe unter Empfängnis nicht den Empfang fremder befruchteter Eizellen verstanden. Das konnte der Gesetzgeber mangels Kenntnis der Möglichkeit einer Eispende allerdings nicht. Deshalb ist es jedoch nicht ausgeschlossen, daß man unter Empfängnis auch das Gelangen fremder Embryonen in den Körper einer Frau verstehen kann.

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geben, die einen ehelichen Primärstatus haben. Das Kind wäre mit der Geburt nichteheliches Kind der Eispenderin und des festgestellten Vaters. Also müßte selbst dann, wenn die Gebärende verheiratet ist, die Vaterschaft festgestellt werden. Dies widerspricht aber § 1593 BGB, der an die Geburt anknüpft. Wäre für die statusrechtliche Mutterschaft die genetische Herkunft maßgeblich, müßte von Amts wegen nicht nur die natürliche Abstammung eines im Weg der ivF erzeugten Kindes mütterlicherseits, sondern darüber hinaus die genetische Herkunft jedes Kindes untersucht werden. Nur so könnte vermieden werden, daß es möglicherweise zahlreiche Kinder gibt, deren Status fehlerhaft im Personenstandsregister eingetragen ist und die ihre materiellrechtliche Zuordnung erstens nie erfahren und zweitens vor allem stets fehlerhaft zugeordnet werden. Letztes hätte erhebliche Konsequenzen gerade hinsichtlich der vermögensrechtlichen Zuordnung. Diese gegen die Anknüpfung der statusrechtlichen Zuordnung zur Mutter an die genetische Herkunft vorgebrachten Überlegungen sind allerdings verfahrensrechtlicher Art und in erster Linie solche der Zweckmäßigkeit, der Praktikabilität. Sie mögen für sich genommen schon ausreichen, diese Anknüpfung zu verneinen. Letztlich können jedoch für die Frage der personenrechtlichen Zuordnung nur materiellrechtliche Erwägungen entscheidend sein. Deshalb kann hier noch nicht abschließend beantwortet werden, ob es trotz des Einwandes der fehlenden Rechtsklarheit angezeigt ist, ein im Wege der Eispende erzeugtes Kind der genetischen Mutter zuzuordnen. Dies ist erst dann möglich, wenn geklärt ist, ob es ein Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung gibt und aus diesem Grunde im Wege einer verfassungskonformen Auslegung die statusrechtliche Zuordnung trotz der Kompliziertheit des personenstandsrechtlichen Zuordnungsverfahrens gemäß der genetischen Herkunft erfolgen muß.

B. Argumente für und Einwände gegen die Zuordnung zur biologischen Mutter Für die Anknüpfung des Primärstatus an die Geburt spricht zunächst, daß im Gesetz in § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB bei der „ehelichen Abstammung" von der Frau die Rede ist, die das Kind geboren hat. 9 Allerdings konnte sich damit der Gesetzgeber bislang auch begnügen, wie eingangs bereits bemerkt. 10 Also reicht dieser Hinweis allein nicht dafür aus, nur die Geburt, die biologische Mutterschaft für maßgeblich zu halten, zumal bei der Mutter eines nichtehelichen Kindes im 9 Laufs, JZ 1986, S. 769 (776). 10 Der Gesetzgeber konnte von dem Satz „mater semper certa est" ausgehen. Deshalb könnte man auch daran denken, daß dem Statusrecht des BGB eine Mutterschaftsvermutung zugunsten der Gebärenden vorausgesetzt ist, so Hohloch, StAZ 1986, S. 153 (157) und Mansees, FamRZ 1986, S. 756 (758) und in: 56. DJT, S. Κ 185. Simon in: Gentechnologie 7, S. 91 (92), hält insoweit eine „behutsame Fortbildung" des geltenden Rechts unter Beachtung dieses Rechtsgrundsatzes für erforderlich.

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Zusammenhang mit der personenrechtlichen Zuordnung in § 1705 S. 1 BGB nicht ausdrücklich die Anknüpfung an die Geburt erwähnt wird. Die Gebärende wird jedoch vor allem deshalb als statusrechtliche Mutter angesehen, weil mit ihr das Kind aufgrund der Schwangerschaft und der Geburt enger verbunden sei, als mit der genetischen Mutter. 11 Als Argument kann weiterhin angeführt werden, daß mit der Anknüpfung der Mutterschaft an die Geburt in jedem Fall bereits mit der Geburt eine statusrechtliche Zuordnung zu einer Frau möglich ist. Damit wäre der Rechtsklarheit gedient, einer Aufgabe des Statusrechts. 12 Entscheidet man sich für diese Möglichkeit, ist allerdings zu bedenken, daß sich dann das schwierige Folgeproblem der Anfechtbarkeit der Mutterschaft stellt. 13 Sollte es jedoch ein Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft geben, so käme die Anknüpfung an die Geburt möglicherweise nur dann in Frage, wenn diese Zuordnungsabweichung aus Kindeswohlerwägungen geboten ist. Das kann erst im Zusammenhang mit der Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie geklärt werden.

C. Argumente für und Einwände gegen eine Doppelzuordnung Für die Möglichkeit einer statusrechtlichen Doppelzuordnung wird angeführt, nur so werde vermieden, die undurchführbare Entscheidung zu treffen, welche Frau für das Kind den größeren Beitrag geleistet habe: die genetische Mutter mit ihren Erbanlagen, die das Kind zu dem machte, was es ist, oder die biologische Mutter, die die neun ersten und besonders wichtigen Monate der Entwicklung des Kindes in ihrem Körper ermöglicht hat und damit eine engere Beziehung zu dem Kind habe als die genetische Mutter. 14 Wer eine Doppelzuordnung ablehne, maße sich damit an, eine Abwägung unter den einzelnen Bestimmungskomponenten des Menschwerdens zu treffen. Dies aber sei ein aussichtsloses Unterfangen und deshalb „schlicht abwegig." 15 Dieser Auffassung ist zunächst ebenso wie der bei A. dargestellten entgegenzuhalten, daß sie einer wesentlichen Aufgabe des Statusrechts, nämlich der Rechtsklarheit, nicht genügt. Sie widerspricht auch dem statusrechtlichen Grundsatz, daß jedes Kind nur einem Mann und einer Frau gleichzeitig zugeordnet sein kann. 16 Außerdem führt dies zu kaum π Knöpfel, FamRZ 1983, S. 317 (322); Leipold, Festschr. für Kralik, S. 467 (474 f.). 12 Dies Argument halten für entscheidend Laufs, JZ 1986, S. 769 (776); CoesterWaltjen in: 56. DJT, S. Β 111, sowie FamRZ 1984, S. 230 (232) und in: Gentechnologie 9, S. 80 (83); Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555). 13 So spricht MK ! Mutschier, § 1589 Rz. 1 davon, daß das Kind „verwandtschaftsrechtlich zunächst der Frau zuzurechnen ist, die es geboren hat." Im Einzelnen zur Mutterschaftsanfechung s. § 17 I. B. 2. 14 Selb, S. 76. is Selb, S. 77. 16 Vgl. § 71. Bernat in: Bernat, S. 125 (163), hält eine „Doppelmutterschaft" ebenfalls für familienrechtlich „völlig systemfremd".

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lösbaren Problemen: Welche Statusbezeichnung hat das Kind? Es könnte zugleich das eheliche Kind der biologischen Mutter und ihres Ehemannes sowie das nichteheliche Kind der Eispenderin sein. Dies aber widerspräche § 1593 BGB. Da das Sorgerecht an den Status anknüpft, stände das Kind unter der elterlichen Sorge von zwei Frauen (Müttern) und möglicherweise eines Vaters. Hiergegen kann nicht eingewendet werden, Status und Sorgerecht seien streng voneinander zu trennen. 17 Das Sorgerecht ist im deutschen Recht in seinem Entstehen stets unmittelbare Folge des Status.18 Auseinanderfallen können Status und elterliche Sorge nur infolge gerichtlichen Beschlusses, wenn dies um das Kindeswohls Willen erforderlich ist (§§ 1666, 1671 Abs. 1, 1672 S. 1 BGB). Auch wie eine doppelte personenrechtliche Zuordnung in namensrechtlicher Hinsicht und bezüglich der Staatsangehörigkeit des Kindes aussehen soll, bleibt unklar. Doch kann auch diese Zuordnungsmöglichkeit erst dann angemessen beurteilt werden, wenn die allgemeine Zuordnungstheorie entwickelt worden ist.

I I . Vermögensrechtliche Zuordnung Die vermögensrechtliche Zuordnung folgt zunächst der statusrechtlichen, möglicherweise außerdem der natürlichen Abstammung.

A. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur Eispenderin Legt man die Auffassung zugrunde, das Kind sei der Eispenderin statusrechtlich zuzuordnen, so besteht ein gesetzliches Unterhaltsverhältnis zwischen dem Kind und einerseits der Eispenderin aufgrund der statusrechtlichen Zuordnung sowie andererseits dem festgestellten Vater. Ob bei Auseinanderfallen von festgestellter und genetischer Vaterschaft ein Unterhaltsverhältnis auch zum genetischen Vater besteht, kann erst mittels der allgemeinen Zuordnungstheorie ermittelt werden. Das gilt in diesem Fall auch für das gesetzliche Erbrecht nach dem genetischen Vater. Ansonsten wäre das Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung der Eispenderin und des festgestellten Vaters. Nach der biologischen Mutter erbt es als gesetzlicher Erbe nicht, besteht zwischen ihr und dem Kind doch weder eine statusrechtliche Beziehung, noch stammt es natürlich von ihr ab.

17 So aber Selb, S. 76. ι» Dies wurde in § 7 I. B. 2. nachgewiesen.

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B. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur biologischen Mutter Folgte man der Ansicht, statusrechtliche Mutter sei die biologische Mutter, so besteht aufgrund statusrechtlicher Zuordnung ein Unterhaltsverhältnis zwischen ihr und dem Kind. Bei Ehelichkeit bestünde darüber hinaus ein statusrechtlich begründetes Unterhaltsverhältnis zwischen dem Kind und dem Ehemann der Mutter bzw. bei Nichtehelichkeit zwischen dem Kind und dem festgestellten Vater. Deren gesetzlicher Erbe erster Ordnung wäre deshalb gem. § 1924 Abs. 1 BGB auch das Kind. Daneben besteht dann auch ein Unterhaltsverhältnis und ein gesetzliches Erbrecht des Kindes in bezug auf die Eispenderin, wenn die natürliche Abstammung ein Abstammungsverhältnis nach § 1589 S. 1 BGB begründen würde. 19 Das aber kann erst nach der Erörterung in § 16 entschieden werden. C. Bei statusrechtlicher Doppelzuordnung Käme es zu einer Doppelzuordnung, so bestünde aufgrund statusrechtlicher Zuordnung, die hinsichtlich der genetischen Mutter und des festgestellten Vaters auch der natürlichen Abstammung entspräche, ein Unterhaltsverhältnis und eine erbrechtliche Zuordnung zwischen dem Kind einerseits und der biologischen Mutter, der genetischen Mutter 20 und dem Erzeuger des Kindes anderererseits. Eine statusrechtlich nicht berücksichtigte natürliche Abstammung gäbe es dann nicht.

§ 11 Zuordnungsprobleme nach Fremdembryonentransfer Bei einem Fremdembryonentransfer fallen, wie bei der Eispende, genetische und biologische Mutterschaft auseinander. Außerdem stammt das Kind genetisch nicht vom Ehemann der biologischen Mutter ab.

I. Personenrechtliche Zuordnung Die denkbaren Möglichkeiten der status- und personenrechtlichen Zuordnung des Kindes zu einer Frau entsprechen denen bei einer Eispende.1 Darüber hinaus wird im Schrifttum vertreten, bei einer Doppelzuordnung (Doppelmutterschaft) 19 Für eine Unterhalts- und erbrechtliche Zuordnung des Kindes zur Eispenderin Lauff! Arnold, ZRP 1984, S. 279 (282), und Deutsch, ArztR Rz. 261. 20 Selb, S. 78. 1 Allerdings spricht Soergel I Gaul, § 1591 Rz. 46 in diesem Zusammenhang von einer „vorläufigen Zuordnung" des Kindes zur Gebärenden, nachdem er zuvor (Rz. 43) lediglich von einer „tatsächlichen Zuordnung" gesprochen hat. Sollte er damit doch der statusrechtlichen Primärzuordnung zur biologischen Mutter das Wort geredet haben?

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Kap. 5: Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befrchtung

wäre das Kind in zwei Ehen hineingeboren: in die der Eispenderin und in die der biologischen Mutter. 2 Dies würde bedeuten, daß das Kind sowohl eheliches Kind der Eispenderin als auch der biologischen Mutter wäre. Das ist jedoch aus den soeben in § 10 A. und C. angeführten Gründen nicht denkbar, weil selbst bei Doppelmutterschaft die §§ 1591-1593 BGB im Hinblick auf die genetische Mutter nicht anwendbar sind. Zur Ehelichkeit gehört das Geborensein des Kindes während oder nach der Ehe. Folglich kann das Kind kein eheliches Kind der Eispenderin sein. Denkbar wäre allenfalls, daß das Kind eheliches Kind der biologischen Mutter und gleichzeitig nichteheliches Kind der Eispenderin ist. Dagegen spricht allerdings § 1593 BGB. Danach ist auch eine Zuordnung des Kindes zum Ehemann der Eispenderin als dessen Erzeuger nicht möglich, solange es zugleich als eheliches der gebärenden Frau und deren Ehemannes anzusehen ist. Hier ließe sich allenfalls argumentieren, § 1593 sei deshalb nicht anwendbar, weil mit der Geltendmachung der statusrechtlichen Zuordnung zur Eispenderin und deren Mann als nichteheliches Kind nicht die Ehelichkeit des Kindes bezüglich der biologischen Mutter und deren Ehemann berührt werde. Folgt man diesem Gedanken, so wäre das Kind eheliches Kind der biologischen Mutter und deren Ehemannes sowie nichteheliches Kind der Eispenderin und, nach dessen Feststellung, des Samenspenders. Das Kind wäre demzufolge vierfach statusrechtlich zugeordnet. Inhaber des Sorgerechts wären die ehelichen Eltern des Kindes und die genetische Mutter. Welchen Namen und, bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit der biologischen und genetischen Eltern, welche Staatsangehörigkeit das Kind dann hätte, bleibt dabei unklar. Eine letzte sachgerechte Beurteilung ist allerdings auch hier erst mit der allgemeinen Zuordnungstheorie möglich.

I I . Vermögensrechtliche Zuordnung A. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur genetischen Mutter Ist man der Auffassung, daß die genetische Mutter auch die statusrechtliche ist, so ist das Kind Unterhalts- und erbrechtlich der genetischen Mutter und dem festgestellten Vater zugeordnet. Weicht die festgestellte Vaterschaft von der natürlichen ab, so ist fraglich, ob auch die letztere vermögensrechtlich relevant ist. B. Bei statusrechtlicher Zuordnung zur biologischen Mutter Sieht man die biologische Mutter als die statusrechtlich maßgebliche an und ist diese verheiratet, so ist das Kind vermögensrechtlich der Frau, die es geboren 2 Selb, S. 96.

§12 Zuordnungsprobleme bei Fremdmutterschaft

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hat, und deren Ehemann zugeordnet. Ob darüber hinaus eine der natürlichen Zuordnung entsprechende vermögensrechtliche und damit auch das gesetzliche Erbrecht des Kindes begründende Zuordnung zu seinen genetischen Eltern erfolgt, ist abhängig von der Auslegung des Begriffs »Abstammung" des § 1589 S. 1 BGB.

C. Bei personenrechtlicher Doppelzuordnung Sollte trotz der bereits oben angeführten Einwände eine Doppelmutterschaft gegeben sein, so würde das Kind aufgrund seiner statusrechtlichen Zuordnung vermögensrechtlich sowohl der biologischen Mutter und deren Ehemann als auch der genetischen Mutter und dem festgestellten Vater zugeordnet sein. Ist der festgestellte Vater nicht der Erzeuger, so fragt sich, ob darüber hinaus das Kind wegen seiner natürlichen Abstammung dem genetischen Vater vermögensrechtlich zugeordnet wird und diesen beerben kann.

§ 12 Zuordnungsprobleme bei Fremdmutterschaft Jede Form der Fremdmutterschaft bedarf zu ihrer planmäßigen Verwirklichung einer Adoption des Kindes durch die Wunscheltern. 1 Nur so ist es möglich, daß das Kind vollständig den Wunscheltern zugeordnet wird. Mit der Adoption erlöschen gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB die früheren verwandtschaftlichen Verhältnisse, so daß das Kind mit ihr Vermögens- und personenrechtlich ausschließlich den Wunscheltern zugeordnet ist. Es kann jedoch durchaus vorkommen, daß eine Adoption nicht erfolgt. Etwa deshalb, weil die Fremdmutter das Kind doch behalten will und sie die erforderliche Einwilligung verweigert oder weil das Jugendamt und das Vormundschaftsgericht eine Adoption durch die Fremdmutter verhindern. 2 Dann liegen folgende Konstellationen vor:

I. Bei Ersatzmutterschaft Bei Ersatzmutterschaft handelt es sich vor einer Adoption durch die Wunscheltern um eine heterologe Insemination. Hinsichtlich der personenrechtlichen und der gesetzlichen vermögensrechtlichen Zuordnung gilt das hierzu in § 9 Gesagte.

ι Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 87. Sie hält allerdings darüber hinaus bei Tragemutterschaft eine Zuordnungskorrektur hin zur genetischen Mutter mittels Mutterschaftsanfechtung für möglich, 56. DJT, S. Β 116 f. Hiergegen bereits Mansees, 56. DJT, S. Κ 185 f. Zur Mutterschaftsanfechtung ausführlich § 17 I. B. 2. 2 Vgl. Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (499-501).

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Kap. 5: Zuordnungsprobleme bei künstlicher Befruchtung

I I . Bei Tragemutterschaft Bei einer Tragemutterschaft wird ein Fremdembryonentransfer vorgenommen. Folglich liegt bis zu einer Adoption durch die Wunscheltern die in § 11 dargelegte Situation vor. Die in diesem Kapitel offenbleibenden Fragen lassen sich sämtlich erst nach Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie beantworten.

Sechstes Kapitel

Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie Im vierten Kapitel wurde aufgezeigt, in welchen Fällen eine von der natürlichen abweichende Zuordnung gegeben ist und weshalb eine Zuordnungsabweichung, insbesondere eine Zuordnungsveränderung, erfolgt. Im fünften Kapitel wurde untersucht, welche Möglichkeiten einer hergestellten Zuordnung bei Auseinanderfallen von genetischer, biologischer und sozialer Elternschaft de lege lata denkbar sind. Die Zuordnungsprobleme, die sich auf die gesetzliche Erbenstellung des Kindes auswirken, lassen sich dabei auf folgende Fragen zurückführen: (1) Gibt es ein Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung? (2) Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zuordnungsabweichung gerechtfertigt? Gäbe es ein grundrechtlich verankertes Recht des Kindes auf vollständige Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft, so wäre unter den beiden in § 7 II. B. 2. d) aufgezeigten Möglichkeiten, den Begriff „Abstammung" des § 1589 S. 1 BGB auszulegen, diejenige vorzuziehen, die diesem Recht am meisten entspricht. Diesem Recht entspräche die Auslegung am meisten, welche sowohl die natürliche Abstammung als auch die statusrechtliche Verwandtschaft umfaßt. Für das Erbrecht gälte es dann zu untersuchen, ob es Ausschlußgründe für eine Erbenstellung gemäß der natürlichen Zuordnung gibt, soweit sie sich nicht mit der statusrechtlichen überschneidet. Der Ausschluß des Erbrechts des Kindes nach den genetischen Eltern wäre dann eine Zuordnungsabweichung. Jede Zuordnungsabweichung bedürfte aber einer Rechtfertigung gegenüber dem Kind, wenn es ein grundrechtlich verankertes Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft geben sollte. Dafür ist allerdings nicht, wie man zunächst annehmen könnte, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG der geeignete Anknüpfungspunkt. Zwar ist darin die Rede von einem natürlichen Recht der Eltern auf Erziehung und Pflege ihrer Kinder. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ist aber vornehmlich ein Abwehrrecht der Eltern gegenüber dem Staat sowie ein Bestimmungsrecht der Eltern gegenüber dem Kind. 1 Es ist aber nicht etwa ein Grundrecht des Kindes, auch wenn diese Regelung ihm und seiner Entwicklung zugutekommt, ja dies die Zielrichtung des Elternrechts ist. 2 Art. 6 ι MD / Dürig, Art. 6 Rz. 25 e. 8 Mansees

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

Abs. 2 S. 2 GG gibt entgegengesetzt dem Staat die Möglichkeit, bei Mißbrauch der elterlichen Verantwortung in das Elternrecht einzugreifen. 3 In jedem Fall ist jedoch bei Art. 6 Abs. 2 GG, sowohl in Satz 1 wie in Satz 2, Gegenstand das Verhältnis Eltern-Staat. Das Verhältnis Eltern-Kind wird dabei vorausgesetzt. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG trifft nämlich keine Aussage darüber, wer die Eltern sind, sondern besagt allein, daß Eltern gegenüber den Kindern Rechte und Pflichten zukommen.4 Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt also nicht die Zuordnungssubjekte, sondern lediglich die Rechtsposition der (nach anderen Bestimmungen) dem Kind zugeordneten Eltern. Bereits die Bezeichnung „Eltern" weist darauf hin, daß damit die statusrechtlich dem Kind Zugeordneten gemeint sind. Wer die statusrechtlichen Eltern sind, richtet sich aber nach den statusrechtlichen Bestimmungen des BGB. Wollte man also mit Hilfe Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG feststellen wollen, wie die Zuordnung eines Kindes in Zweifelsfällen bei verfassungskonformer Auslegung des § 1589 S. 1 BGB aussieht, so würde man einen Zirkelschluß vornehmen. Gleichwohl wird angenommen, aus Art. 6 Abs. 2 GG folge, daß statusrechtliche und vermögensrechtliche Zuordnung zusammenfallen müßten. So sei die natürliche unterhaltsrechtliche Zuordnung des Kindes zur genetischen Mutter bei Eispende aus diesen Erwägungen heraus ausgeschlossen.5 Eine solche Schlußfolgerung wird aufgrund eines generalisierenden Verständnisses des Art. 6 Abs. 2 GG gezogen. Nach diesem Verständnis soll dem Gesetzgeber aus Art. 6 Abs. 2 GG die allgemeine Pflicht erwachsen, „die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind". 6 Eine solche Betrachtungsweise hat allerdings wenig Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, daß es in Art. 6 Abs. 2 GG lediglich um das Verhältnis Staat-Eltern geht. Doch selbst, wenn man eine allgemeine Pflicht des Staates aus Art. 6 Abs. 2 GG herleiten sollte, spräche dies allenfalls für eine verfassungsrechtliche Garantie der vermögensrechtlichen Zuordnung gemäß dem Status eines Kindes. Daraus ließe sich jedoch nicht zwingend folgern, daß die natürliche vermögensrechtliche Zuordnung, wenn sie von der statusrechtlichen abweicht, ausgeschlossen ist. Weshalb sollen Kindeswohlerwägungen, soweit sie in Art. 6 Abs. 2 GG enthalten 2 Undeutlich MD / Dürig, Art. 6 Rz. 25 h., demzufolge dem Individualgrundrecht der Eltern „das Kindesrecht an die Seite gestellt" werde, diesem „aber nicht entgegengesetzt" sei. 3 Es handelt sich bei Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG also um eine Grundrechtsschranke des Elternrechts, MD / Dürig, Art. 6 Rz. 26. 4 MD / Dürig, Art. 6 Rz. 14, 16 a) und vor allem 25. 5 Starck in: 56. DJT, S. A 37 f. 6 Starck in: 56. DJT, S. A 19 f. Soweit sich Starck hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruft, muß gesehen werden, daß das Gericht die Inhaltsbestimmung des Art. 6 Abs. 2 GG wiederum unter Heranziehung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG vornimmt: die Aufgabe des Staates besteht darin, das in Art. 1 Abs. 1 . GG enthaltene Kindeswohl zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 24, 119 (144); 56, 363 f (384); 72, 155 (171)). In BVerfGE 57, 361 (382) wird auf „ A r t . 6 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG" verwiesen.

§13 Das Recht des Kindes auf opitmale Entwicklung

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sind, dagegen sprechen, daß ein Kind zusätzlich zur hergestellten vermögensrechtlichen Zuordnung abweichend vom Status natürlich zugeordnet wird? Also müssen andere Grundrechte zu Rate gezogen werden, um zu ermitteln, ob es ein verfassungsrechtlich verankertes Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung gibt. Mangels spezieller, das Kindeswohl garantierender verfassungsrechtlicher Normen kommt hierfür allein Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, die Menschenwürdegarantie, in Betracht. 7 Ein grundrechtlich verankertes Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung gäbe es also dann, wenn der Staat die optimale Entwicklung von Kindern nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zu gewährleisten hat und eine optimale Entwicklungsmöglichkeit eines Kindes nur gegeben ist, falls es natürlich zugeordnet wird. Deshalb ist zunächst festzustellen, ob die Menschenwürdegarantie ein derartiges Gebot staatlichen Handelns beinhaltet. Danach muß untersucht werden, ob die natürliche Zuordnung zur Optimierung der Entwicklung des Kindes gewährleistet sein muß.

§ 13 Das Recht des Kindes auf optimale Entwicklung nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 G G I. Unterscheidung der Begriffe „Entwicklung eines Kindes46 und „Entfaltung der Persönlichkeit" — Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG Wenn untersucht wird, ob jedes Kind ein Recht auf optimale Entwicklung hat, so ist dies zu unterscheiden von dem allgemeinen Freiheitsgrundrecht, das in Art. 2 Abs. 1 GG die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. Diese Differenzierung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil Art. 2 Abs. 1 GG der Schrankentrias 1 unterliegt, die Menschenwürdegarantie hingegen nur durch die praktische Konkordanz 2 der Grundrechte anderer begrenzt ist. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist allerdings zu beobachten, daß die Schutzbereiche der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG nicht klar getrennt werden,3 sondern im Gegenteil gerade im Zusammenhang mit dem sog. allgemeinen Persönlichkeitsrecht jede Trennschärfe vermieden wird. Das „allgemeine Persön7 Nach Nipperdey in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, S. 1 (15), ist Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 1 Abs. 1 GG, daß sich das betreffende Recht nicht aus der Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts in anderen Grundrechten ergibt. ι Zur Schrankentrias Model I Müller, Art. 2 Rz. 12-18. 2 Grundlegend zur praktischen Konkordanz ansonsten schrankenloser Grundrechte Hesse, Rz.71, 72, 312, 317. 3 Nach BVerfG NJW 1989, S. 519 (520), bedarf das Kind „des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit . . . zu entwickeln", weil es ein Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht „auf Entfaltung seiner Persönlichkeit i. S. der Art. 1 I und 2 I GG" sei.

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

lichkeitsrecht" wird dabei aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet, das als „unbekanntes" Freiheitsrecht die speziellen Freiheitsrechte des Grundgesetzes ergänze.4 „Seine Aufgabe ist es, im Sinne des obersten Konstitutionsprinzips der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten." 5 Den Inhalt des geschützten Rechts hat das Bundesverfassungsgericht nach eigenen Worten „wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts... nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet." 6 Weshalb eine genaue Inhaltsbestimmung erstens der Schutzbereiche der Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und zweitens des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dabei nicht erfolgt, liegt auf der Hand: Grund dafür ist nicht etwa ein objektives Erkenntnishindernis bezüglich der Inhalte dieser Rechte im Sinne einer „juristischen Unschärferelation". Vielmehr steht dahinter die Absicht, sich später beliebige Entscheidungen offenzuhalten und nicht etwa durch Begriffsbestimmungen festgelegt zu sein. Im neuesten Schrifttum wird dies auch gesehen und begrüßt. So habe man „eine Skala möglicher Weitungen zur Verfügung, die, je nach den Umständen des Falles bis zum absoluten, ohne weitere Abwägung zu gewährenden Schutz führen kann, dabei jedoch die zur Herstellung der praktischen Konkordanz nötige Flexibilität nicht vermissen läßt." 7 Noch deutlicher Jarass: „Wäre Art. 1 I GG die eigentliche Grundlage, könnte das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerlich durch Gesetz beschränkt werden . . . Eine Beschränkung durch Gesetz muß aber möglich sein . . ." 8 Bei einer solchen Betrachtung des „allgemeinen Persönlichkeitsrechts" hat es den Anschein, als wolle man bewußt Eingriffe, die eigentlich die Menschenwürde betreffen, der Schrankenlosigkeit des Art. 1 Abs. 1 GG entziehen. Sie werden statt dessen in das Belieben des Bundesverfassungsgerichts gestellt, das jeweils festlegt, welche Stufe des Persönlichkeitsrechts gerade erreicht ist: von der Absolutheit des Art. 1 Abs. 1 GG bis hin zum allgemeinen Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG stehen dann viele Abstufungen zur Verfügung. Im Gegensatz zur Vorgehens weise des Bundes verfassunsgerichts beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht soll hier untersucht werden, ob nicht zwischen dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG und des Art. 1 Abs. 1 GG wenigstens eine Trennlinie dort zu ziehen ist, wo es um das Recht des Kindes auf optimale Entwicklungsbedingungen geht. Dabei liegt es nahe, die Entwicklung eines Kindes dem Schutzbereich der Menschenwürdegarantie und die Persönlichkeitsentfaltung des Erwachsenen dem Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG zuzurechnen.

4 BVerfGE 54, 148 (153); 72, 155 (170); BVerfG NJW 1989, S. 891 (891). 5 BVerfG NJW 1989, S. 891 (891) m. w. N. 6 BVerfG NJW 1989, S. 891 (891) m. w. N. 7 Enders, NJW 1989, S. 881 (882). s Jarass, NJW 1989, S. 857 (857).

§13 Das Recht des Kindes auf opitmale Entwicklung

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Entwicklung und Enfaltung lassen sich folgendermaßen skizzieren: Entwicklung bezieht sich auf etwas, das zwar bereits angelegt, aber noch nicht soweit herangereift ist, daß es bereits in Erscheinung getreten wäre. 9 Entfaltung hingegen bezieht sich auf etwas, das bereits potentiell vorhanden (entwickelt) ist, aber sich erst in bezug auf aktuelle Situationen vollzieht und dadurch in Erscheinung tritt. Auf die Entwicklung und Entfaltung des Menschen bezogen bedeutet dies: Mit der Entwicklung eines Kindes ist das Heranwachsen eines Menschen zu einer entschließungsfähigen Persönlichkeit gemeint. Sie ist ein Element der allgemeinen Entwicklung eines Menschen. Letztere findet erst mit dem Tode ihr Ende. 10 Die Entwicklung eines Kindes zur entschließungsfähigen Persönlichkeit hingegen ist abgeschlossen, wenn es erwachsen geworden ist, also die Tragweite eigener Entschlüsse überblicken kann und fähig ist, sein Leben selbst zu gestalten. 11 Dann beginnt die Entfaltung der nunmehr entwickelten Persönlichkeit. Die Persönlichkeitsentfaltung setzt eine bereits abgeschlossene Entwicklung voraus. Die Möglichkeit einer optimalen Entwicklung läßt sich auch als Kindeswohl bezeichnen. Bei dieser Unterscheidung der kindlichen Entwicklung von der Entfaltung eines bereits zur Persönlichkeit entwickelten Menschen ist allerdings zu bedenken, daß sich jedes Menschsein in kontinuierlicher Weise, also ohne qualitative Sprünge vollzieht. 12 Infolgedessen ist auch kein Sprung von der Entwicklung eines Menschen als entschließungsfähige Persönlichkeit zur Entfaltung des sich bereits entschließenden Menschen festzustellen. Die Entschließungsfähigkeit ist vollständig dann entwickelt, wenn das Kind aufgrund seiner persönlichen Reife fähig ist, die Tragweite seiner eigenen Entscheidungen zu überblicken. Wann

9 Die hier gewählte Begriffsbestimmung ist allgemeiner, als die heute noch in der Entwicklungspsychologie übliche (Oerter / Montada, S. 4) von Hans-Dieter Schmidt, S. 20: „Wir bezeichnen solche psychophysischen Veränderungsreihen als Entwicklung, deren Glieder existentiell auseinander hervorgehen (...), sich Orten in einem ZeitBezugssystem zuordnen lassen und deren Übergänge von einem Ausgangszustand in einen Endzustand mit Hilfe von Wertkriterien zu beschreiben sind." 10 Nach Oerter I Montada, S. 59, wird in der modernen Entwicklungspsychologie darauf hingewiesen, „daß entwicklungsmäßige Veränderungen von der Empfängnis bis zum Tod möglich sind." Hierzu ausführlich Baltes in: Montada, S. 42-60. 11 Bergius in: Handbuch der Psychologie, 3. Band, S. 104 (177 f.):, Als normgerechtes Ende der Reifezeit gelten die Stabilisierung der Persönlichkeit, die Übernahme der Geschlechts- und Berufsrollen, und damit die »Eingliederung' in die Gesellschaft (...). Insofern ist die Entwicklung abgeschlossen, der Mensch wandelt sich aber noch weiterhin." Mit Abschluß der Kindheit und Jugend als erster Entwicklungsphase des Lebens ist die zweite Phase erreicht, die durch den Versuch charakterisiert ist, „sich selbständig zu entscheiden, und durch erste Übernahme von Verantwortung" (S. 184). Diese zweite Lebensphase ist zugleich die erste Erwachsenenphase (S. 186). 12 Das ist ein anthropologisch grundlegender Sachverhalt, Mansees in: Mellinghoff / Trute, S. 129 (147). Die Entwicklung eines Menschen, beginnend mit der symbiotischen Verbindung zur Mutter, führt schließlich zur Bewußtwerdung des Selbst und damit zum Ich, Pannenberg, S. 213-224, insbes. S. 216 und 219.

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

die kindliche Entwicklung abgeschlossen ist, läßt sich nur individuell sagen und zudem nur schwer erkennen. 13

I I . Herleitung eines Rechts des Kindes auf optimale Entwicklung Zur Herleitung eines Rechts des Kindes auf optimale Entwicklung aus Art. 1 Abs. 1 GG muß zunächst der Inhalt dieser Vorschrift bestimmt werden. In herkömmlichen Versuchen, den Inhalt des Art. 1 Abs. 1 GG zu bestimmen, wird vorwiegend negativ vorgegangen. 14 Es wird festgestellt, welche staatlichen Verhaltensweisen nicht mit der Menschenwürde vereinbar sind. Dies mag zwar ausreichen, soweit Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht 15 in Form eines Abwehrrechtes enthält. Bedenklich ist es jedoch, wenn Art. 1 Abs. 1 GG im Wege der negativen Inhaltsbestimmung restriktiv ausgelegt wird. So wird im Blick auf die Probleme der Reproduktionsmedizin und der Gentechnologie darauf verwiesen, der Rekurs auf die Menschenwürdegarantie könne hier nur äußerst eingeschränkt weiterhelfen, da Art. 1 Abs. 1 GG lediglich der Abwehr „negativer Großlagen" diene und vor Angriffen auf das „allseits Konsentierte" bewahren solle. 16 Die Menschenwürde sei dabei „nur eine Formel, mittels der ein bestehender Konsens benannt" 17 werde, oder anders ausgedrückt, eine „konsensverkörpernde Fundamentalnorm." 18 Indes sind derartige Versuche, den Inhalt des Art. 1 Abs. 1 GG zu bestimmen und zugleich einzuschränken, wenig überzeugend. 19 Denn wie sollte ermittelt werden können, was „allgemeiner Konsens" innerhalb der Gesellschaft ist? Es ist bereits zu bezweifeln, ob es überhaupt in einer rechtspolitischen Frage einen generellen Konsens geben kann. Jedenfalls erscheint es bei Fragen der Reproduktionsmedizin und ihren Folgeproblemen in Anbetracht der gegen13

In der Sozialpsychologie wird nach Ber gius in: Handbuch der Psychologie, 3. Band, S. 104 (175) deshalb sogar die Auffassung vertreten, es gebe keine einheitlichen allgemeinen Stufen und Phasen der Entwicklung, denn die Entwicklung verlaufe „streng kontinuierlich ohne merkliche Stufungen und vor allem sehr individuell verschieden." Soweit dennoch heute Entwicklungsstufen angenommen werden, erfolgen Oerter, S. 59, zufolge keine Altersangaben hinsichtlich der Phasen der Reifezeit, „weil starke individuelle Schwankungen auftreten und weil die Phasen offenbar mehr ineinander übergehen als früher." 14 Nachweise und Kritik an diesen Bestimmungsversuchen bei Mansees in: Mellinghoff / Trute, S. 129 (131 f.). 15 Dafür, daß Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht beinhaltet, sei auf Krawietz in: Gedächtnisschrift für Friedrich Klein, S. 245 (279 f.) verwiesen. 16 Vitzthum, ZRP 1987, S. 33 (34). π Kaufmann, JZ 1987, S. 837 (841). ι» Riedel, EuGRZ 1986, S. 469 (475). Ähnlich Vitzthum in: Gentechnologie 13, S. 263 (284): Die Menschenwürdegarantie schütze nur „die eiserne Ration der Verfassung, das Evidente, allgemein Konsentierte." Bezugspunkt sei dabei das „Unbezweifelbare, Unbestrittene." 19 Eingehend zur Ungeeignetheit der Konsenstheorie zur Inhaltsbestimmung der Menschenwürdegarantie Mansees in: Mellinghoff /Trute, S. 129 (134-136).

§13 Das Recht des Kindes auf opitmale Entwicklung

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wältigen Diskussion äußerst unwahrscheinlich; dafür sind die betroffenen Interessen der Ärzte, Forscher und Kinderlosen einerseits und etwa der Kirchen 20 und derjenigen, die wissenschaftliche Ethik betreiben, andererseits, zu unterschiedlich. Letztlich soll doch gerade mit Art. 1 Abs. 1 GG die Gesellschaft, besonders aber die Schwachen, vor einem Konsens bewahrt werden, der das Wesen des Menschen unberücksichtigt läßt. Zwar muß darauf geachtet werden, daß die Menschenwürdegarantie nicht unbedacht bei jeder Gelegenheit, und sei sie noch so geringfügig, 21 dann ins Feld geführt wird, wenn vernünftige Begründungen für eine Ansicht anders nicht vorgebracht werden können. 22 Doch kann im Zusammenhang mit Fragen der personen- und vermögensrechtlichen Zuordnung eines Kindes in Anbetracht der beträchtlichen Probleme, die im Gefolge der Möglichkeiten artifizieller Erzeugung auftreten, nicht von einer leichtfertigen Herabminderung der Menschenwürde die Rede sein, wenn keine andere Möglichkeit besteht, diese Probleme zu lösen. Damit bleibt der Weg offen, zu klären, ob Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG nicht über die Abwehrrichtung hinaus eine für die hier in Frage stehende Problematik bedeutsame Wirkung entfaltet. Immerhin heißt es in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, daß der Staat verpflichtet ist, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Damit sind auch staatliche Handlungen gefordert. Infolgedessen enthält die Menschenwürdegarantie auch einen Gewährleistungsanspruch jedes Menschen.23 Um diesen zu bestimmen, muß man sich auf den positiven Inhalt der Menschenwürdegarantie besinnen.24 Dieser besteht darin, daß mit Menschenwürde das Wesen eines einzelnen Menschen gemeint ist. 25 Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG besagt also, daß jeder Mensch positiv einen Anspruch darauf hat, daß der Staat sich so verhält, wie es dem Wesen des jeweiligen Menschen entspricht. 26 Unter Mensch ist dabei ein 20 Man denke hier nur an die „Instruktion über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung" der Kongregation für die Glaubenslehre (der katholischen Kirche) vom 22. 2. 1987 in: Gentechnologie 14, S. 25 f., in der sogar die homologe Insemination verworfen und den Gläubigen aufgegeben wird, bei der Gestaltung staatlichen Rechts die Instruktion zu befolgen (S. 30). 21 Zahlreiche Beispiele dafür aus der Rechtsprechung finden sich bei I. v. Münch in: v. Münch, Art. 1 Rz. 4. 22 Zu Recht warnt etwa Diepgen in: 56. DJT, S. 116, vor einem inflationären Gebrauch des Begriffs Menschenwürde und davor, diesen Begriff allein als Vehikel für die Transformation einer partikularen Weltanschauung in unabänderliches staatliches Recht zu gebrauchen. Zu stark von dieser Besorgnis getragen Wassermann in: 56. DJT, S. Κ 113 (114): Menschenrechtsschutz könne nur bedeuten, „die elementaren Lebensbedingungen des Menschen als Gattungswesen zu schützen." Dient nicht vielmehr Art. 1 Abs. 1 GG dem einzelnen Menschen und dem Schutz seiner Individualität? 2 3 Mansees in: Mellinghoff/Trute, S. 129 (138). 24 Holzhauer, FamRZ 1986, S. 1162. 2 5 Ähnlich Benda in: Altner / Benda / Fülgraff, S. 41 (49): „Die Würde des Menschen ist das, was für seine physische, psychische und seelische Existenz wesentlich ist." * Mansees in: Mellinghoff/Trute, S. 129 (138). Für eine in Art. 1 Abs. 1 GG enthaltene positive Leistungspflicht des Staates auch Benda in: Benda / Maihofer / Vogel, S. 107 (115). Ebenso BK / Zippelius, Art. 1 Rz. 33 (S. 24) (subjektives Recht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde).

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

Lebewesen mit der Anlage zur Entschließungsfähigkeit zu verstehen. 27 Anders ausgedrückt: Allen vom Menschen (genetisch) abstammenden ge- oder erzeugten Lebewesen kommt Menschenwürde zu. 28 Das bedeutet für die öffentliche Rechtsgestaltung in Form der Gesetzgebung und verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen, daß der Staat jeden Menschen vor Eingriffen bewahren muß, die seine Wesenheit beeinträchtigen würden. Ist ein Mensch nicht imstande, selbst seine Wesenheit zu behaupten, um sich gegen Eingriffe von außen zu wehren, so ist der Staat nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet, sich schützend vor den betreffenden Menschen zu stellen und nicht-schicksalhafte Fremdbestimmungen zu verhindern. 29 Der Staat hat also Kinder vor ungerechtfertigten, willkürlichen Eingriffen in ihre Entwicklung zu bewahren, da sie selbst dazu mangels voll entwickelter Entschließungsfähigkeit nicht imstande sind. 30 Positiv gewendet bedeutet das, daß jedes Kind ein subjektives öffentliches Recht auf optimale Entwicklung zur entschließungsfähigen Persönlichkeit hat.

27 Wolf, AT § 3 Α. I. (S. 174) und I. b) (S. 177); vgl. Härle, S. 215. So wird heute allgemein angenommen, daß der Menschenwürdeschutz bereits dem erzeugten, aber noch nicht geborenen Menschen zukommt. Siehe nur Giesen in: 56. DJT, S. Κ 58 f. m. w. N.; anders, allerdings ohne nachvollziehbare Begründung, Fechner, JZ 1986, S. 653 (658). Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung BVerfGE 39, 1 (37); hierzu Giesen in: 56. DJT, S. Κ 58 m. w. Ν. Verfehlt ist deshalb die von Häberle in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band 1, § 20 Rz. 85, und Lanz-Zumstein in: Gentechnologie 9, S. 93 (107) vertretene Ansicht, die Abtreibungsgesetzgebung weise darauf hin, daß die Menschenwürdegarantie dem Ungeborenen in geringerem Maße als dem Geborenen zukomme. Andererseits bedarf es weder einer Ausweitung des Schutzbereichs des Art. 1 GG auf noch nicht befruchtete Keimzellen (so Benda in: Gentechnologie 3, S. 205 (210)), noch der Zuhilfenahme einer vermeintlichen „objektiven Wertordnung" (so Lanz-Zumstein in: Gentechnologie 9, S. 93 (105)) oder gar der „Menschheit als Gattung" (so Birnbacher in: Gentechnologie 13, S. 77 (79)). Hierzu Mansees in: Meilinghof/Trute, S. 129 (136, 151 f.). 28 Ralf Peters, S. 240 m. w. N. 29 BVerfGE 49, 286 (298): „Art. 1 Abs. 1 GG schützt die Würde des Menschen, wie er sich in seiner Individualität selbst begreift und seiner selbst bewußt wird. Hierzu gehört, daß der Mensch über sich selbst verfügen und sein Schicksal eigenverantwortlich gestalten kann." Verstärkt muß dies dann gelten, wenn ein nicht voll entschließungsfähiger Mensch (Kind) sich seiner selbst noch nicht in vollem Umfang bewußt ist. Dann muß der Staat erst recht Eingriffe wirksam unterbinden. Ebenso ist der Staat unmittelbar nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet, Manipulationen an menschlichen Keimzellen sowie die Selektion des Keimmaterials vor der Befruchtung zu verhindern, Mansees in: Meilinghoff / Trute, S. 129 (151-154). Denn die Menschenwürde „besteht in der Fähigkeit, sein Leben in eigener Selbstverantwortung zu bestimmen und zu gestalten", Benda in: Benda/Maihofer/Vogel, S. 107 (122). 30 Mansees in: Meilinghoff/Trute, S. 129 (149).

§ 13 Das Recht des Kindes auf opitmale Entwicklung

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I I I . Umfang des Entwicklungsrechts Das in Art. 1 Abs. IS. 2 GG enthaltene Recht des Kindes auf ungestörte, optimale Entwicklung bedeutet nicht, daß allein die Herausbildung der Entschließungsfähigkeit isoliert unter den Schutzbereich des Art. 1 GG fällt. Denn ein Mensch entwickelt sich als Ganzes. Die Entwicklung der Entschließungsfähigkeit ist nicht von der übrigen Entwicklung eines Kindes abzutrennen. Ein Eingriff in die kindgemäße Entwicklung liegt also nicht erst dann vor, wenn die Heranbildung der Entschließungsfähigkeit eines Kindes behindert oder gar verhindert wird. Dies wäre eine anthropologisch unzutreffende Einengung des Entwicklungsrechts des Kindes auf einen Aspekt der vollständigen Heranbildung einer Persönlichkeit. Zur Persönlichkeit, zu dem einzelnen Menschen, der sich als Kind entwickelt und als Erwachsener entfaltet, gehören zahlreiche Faktoren; schließlich ist der Mensch eine Leib-Seele-Geist-Einheit.31 Wenn hier also in einem umfassenden Sinn von der Gewährleistung optimaler Bedingungen die Rede ist, so ist damit nicht gemeint, der Staat habe etwa jede Familie finanziell großzügigst zu alimentieren oder gar eine allgemein als optimal angesehene Erziehungsform auch gegen die Eltern durchzusetzen. Das erste verstieße gegen die Etatfreiheit der Parlamente (Art. 109 und 110 GG) und wäre eine verfassungsrechtlich nicht vertretbare Ausweitung der in Art. 1 Abs. 1 GG enthaltenen Gewährleistungsvorschrift in ein allgemeines Leistungsgrundrecht. 32 Das zweite bedeutete eine Mißachtung des Elterngrundrechts nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, das auch im Interesse und zum Wohl des Kindes besteht33 und gerade deshalb staatliche Eingriffe beschränkt. 34 Eine derartige Einbeziehung des Staates in die elterliche Erziehung wäre auch kaum förderlich für die Entwicklung des Kindes, mögen die angestrebten staatlichen Erziehungsziele auch noch so humanistisch sein. 31 Nach Eibach, S. 141, ist das Leben des Menschen eine Ganzheit, „dessen Innenaspekt wir,Seele' oder,Subjekt' nennen. Dieses findet im Körper allererst sein Ausdrucksfeld; es hat nur Wirklichkeit und tritt nur in Erscheinung, sofern es sich verleiblichen kann. Ontologisch ursprünglicher als die inneranthropologische Differenz von Leib und Seele, Natur und Geist ist die im Vollzug des Lebens gegebene Ganzheit, die wir Leib nennen können. Als solche Ganzheit findet sich der Mensch gesetzt vor, ehe er die Differenz von Natur und Geist wahrnimmt; und nicht als leibloser Geist, sondern als leibhaftes Ich tritt er in Beziehung zur Mit- und Umwelt." 32 Art. 1 Abs. 1 GG enthält kein subjektives öffentliches Recht auf Verschaffung der materiellen Güter, die zu einem menschenwürdigen Leben erforderlich sind, MD / Dürig, Art. 1 Rz. 43. Eine finanzielle Fürsorgepflicht des Staates besteht — in engen Grenzen {MD / Herzog, Art. 20 Abs. VIII Rz. 22) — aufgrund des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG). Auch das Familiengrundrecht des Art. 6 Abs. 1 GG läßt einen weiten gesetzgeberischen Getaltungsspielraum, MD / Maunz, Art. 6 Rz. 17 c), 21. 33 BVerfGE 24, 119 (144): „Die Anerkennung der Elternverantwortung . . . findet . . . ihre Rechtfertigung darin, daß das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf." 34 MD / Maunz, Art. 6 Rz. 25 e) und f). Der Staat ist lediglich berechtigt, im Rahmen seines Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) in das Elternrecht einzugreifen.

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Festzuhalten bleibt, daß der Staat nach Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet ist, für die Entwicklung eines Kindes zur entschließungsfähigen Persönlichkeit optimale Bedingungen zu setzen, soweit nicht Grundrechte Dritter entgegenstehen. Zu den Faktoren, die für die Entwicklung des Kindes von Bedeutung sind, gehört auch dessen vermögensrechtliche Zuordnung. 35

§ 14 Die natürliche Zuordnung als Voraussetzung der optimalen Entwicklung eines Kindes Erfolgt bei einem Kind keine Zuordnungsabweichung, so sind genetische, biologische und soziale Eltern identische Personen. Eine Zuordnungsabweichung aufgrund künstlicher Befruchtung wäre in Ansehung des Art. 1 Abs. 1 GG unbeachtlich, falls eine optimale Entwicklungsmöglichkeit des Kindes auch dann gegeben ist, wenn diese Einheit aufgespalten wird. Anderenfalls bedürfte die Aufspaltung in Form der Zuordnungsabweichung als Beeinträchtigung der Entwicklungsmöglichkeit des Kindes diesem gegenüber einer Rechtfertigung. Zu den Bedingungen der Entwicklung eines Menschen gehören neben seiner individuellen genetischen Struktur die Prägungen, die er im Verlauf seines Lebens erfährt. 1 Zu den Prägungen zählen pränatale und postnatale Umwelteinflüsse sowohl äußerer, materieller als auch — ganz wesentlich — innerer, personaler Art. Letztere äußern sich in dem Verhältnis von Bezugspersonen, vornehmlich der Eltern, zu dem Kind. Und zwar in den Beziehungen sowohl vor wie nach der Geburt sowie in der Erziehung des Kindes. Diese drei Komponenten: Veranlagung, vorgeburtliche und nachgeburtliche Verhältnisse sind es, die später das Selbstbild des betroffenen Menschen ausmachen und die die weitere produktive Gestaltung seiner Entwicklung bestimmen.2 Deshalb ist zunächst zu klären, welche Bedeutung genetische Faktoren sowie die prä- und postnatalen Bedingungen für die Entwicklung des Kindes haben. Danach ist zu untersuchen, welche Auswirkungen geplante Zuordnungsabweichungen bei den verschiedenen Varianten der künstlichen Reproduktion auf das Kind haben können.

35 Im Ergebnis ebenso BVerfGE 57,361 (382), wonach der Staat verfassungsrechtlich gehalten ist, bei der Getaltung des Unterhaltsrechts jede Regelung zu vermeiden, „die sich für die Entwicklung der Kinder nachteilig auswirken könnte." Dies deshalb, weil der Gesetzgeber verpflichtet ist, „die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind." (S. 383). ι Mansees in: Mellinghoff/Trute, S. 129 (148). 2 Montada in: Oerter / Montada, S. 1 (53 f.).

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I. Bedeutung der verschiedenen Bestimmungskomponenten für die Entwicklung des Kindes A. Bedeutung der genetischen Faktoren Die Existenz eines Menschen beginnt mit der genetischen Neukombination, die Folge der Konjugation von Ei und Samenzelle nach der Befruchtung ist. 3 Ab diesem Zeitpunkt existiert ein befruchtetes Ei mit individuellen spezifischen Eigenschaften. 4 Es ist nicht etwa Teil des Organismus der Eltern oder Keimzellspender bzw. der biologischen Mutter, sondern ein von ihnen genetisch verschiedenes Wesen.5 Mit der Konjugation beginnt das individuelle Leben eines neuen Menschen.6 Daran ändert sich auch dann nichts, wenn aus einem befruchteten Ei später eineiige Zwillinge hervorgehen. 7 Schließlich ist die Zwillingsbildung Folge der Entwicklung des befruchteten, individualspezifischen Eies. 8 Die Zellteilung, die die Zwillingsbildung zutage treten läßt, geschieht — im Gegensatz zur Befruchtung — ohne Hinzufügung einer qualitativen Essenz. Eineiige Zwillinge haben zwar einen kurzen Abschnitt ihres Lebens gemeinsam, sind aber nicht erst mit der zwillingsbildenden Blastomerenteilung ex nihilo entstanden. Also beginnt die Entwicklung eines jeden Menschen mit der Konjugation 9 aufgrund der einzigartigen genetischen Neukombination. Dabei versteht man unter einem Gen die Einheit der Erbsubstanz, die ein bestimmtes Merkmal des betreffenden Lebewesens bewirkt. 10 Ein Gen ist ein Bestandteil eines Chromosoms.11 Die genetischen Anlagen eines Menschen bestimmen zunächst seine Möglichkeiten, auf Außenreize zu reagieren. 12 Die Gene enthalten aber nicht 3 Eibach, Arzt und Christ 1984, S. 178 (180); Pap, S. 239 f. mit Nachweisen aus dem medizinischen Schrifttum. Zum genauen Zeitpunkt der Konjugation Pap, S. 243 f. Ab dann kann von einem menschlichen Lebewesen als geistiger leib-seelischer Einheit die Rede sein, Blechschmidt, Sein und Werden, S. 10. 4 Blechschmidt, Wie beginnt das menschliche Leben, S. 30, 39. 5 Eibach, S. 20, 22. 6 Eibach, S. 22. 7 Nach Gründet in: Marquard / Staudinger, S. 78 (88) hat die Möglichkeit der Mehrlingsbildung bis etwa zum 14. Tag post fertilisationem zur Folge, daß bis zu diesem Zeitpunkt „anthropologisch im strengen Sinne noch nicht von einem individuellen real existierenden Menschen" gesprochen werden könne. Gegen diese Argumentation Blechschmidt, Wie beginnt das menschliche Leben, S. 159 f. und Eibach, S. 18 f. Gegen das „Individuationsargument" auch Pap, S. 215-218. 8 Vgl. Blechschmidt, Wie beginnt das menschliche Leben, S. 39 f., 160 f. 9 Moore, S. 1, 15. 10 Zerbin-Rüdin, S. 6. Die meisten Merkmale eines Menschen sind allerdings nicht auf ein einziges Gen zurückzuführen, sondern werden polygen vererbt, Montada in: Oerter/Montada, S. 1 (24). u Zerbin-Rüdin, S. 6. ι 2 Blechschmidt, Humanembryologie, S. 9; ders., Wie beginnt das menschliche Leben, S. 32: „Die Gene sind nicht die Motoren der Entwicklung", S. 37: „Eine Fülle von »Eingängen4, die alle direkt oder indirekt den Stoffwechsel von außen treffen, löst das

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etwa ein im Mutterleib sich realisierendes Muster (Abbild) der späteren Einzeldifferenzierungen bis hin zur vollständig ausgebildeten menschlichen Gestalt bei der Geburt. 13 Vielmehr bestimmen sie die Art und Weise der Reaktion der befruchteten Eizelle auf von außen einwirkende chemische wie physikalische Umstände im Mutterleib. 14 Deshalb ist die körperliche Differenzierung (z.B. Organbildung) des befruchteten Eies zum Fötus Folge der genetisch fixierten Reaktion des Eies auf Einwirkungen, denen es ausgesetzt ist. 15 Die genetische Struktur eines Menschen (Veranlagung), die sich nach der Konjugation nicht mehr ändert, steckt den Rahmen der Möglichkeiten der weiteren Entwicklung des Menschen ab. 16 Sie ist mit ursächlich für dessen körperliche, geistige und seelische Konstitution. Die Bedeutung für die körperliche Beschaffenheit zeigt sich beispielsweise darin, daß zahlreiche anatomische Fehlentwicklungen und Stoffwechselstörungen auf Chromosomenanomalien beruhen. 17 Daß die geistige Verfassung eines Menschen, ζ. B. seine Intelligenz, auch auf Veranlagung zurückzuführen ist, kann als erwiesen gelten. 18 Aber auch Persönlichkeitseigenschaften und psychische Dispositionen weisen genetische Komponenten auf. 19 Dabei ist zu bedenken, daß die Veranlagung nur ein Faktor für die jeweilige körperliche, geistige und seelische Befindlichkeit eines Menschen und dessen Entwicklung ist; genetische Bedingungen sind also dafür mitverantwortlich. 20 Vererbung ist keine absolute Determination. 21 Jeder Mensch „ist das Ergebnis eines außerorWachstum aus . . . Im Verhältnis zu diesem" (sc. Wachstums-) „Prozeß sind die Wirkungen von seiten der Zellkerne immer sekundär . . . Das Genom (die Summe der Gene einer Zelle) wird immer erst indirekt betroffen." 13 Blechschmidt, Humanembryologie, S. 9; der sWie beginnt das menschliche Leben, S. 44. 14 Blechschmidt, Humanembryologie, S. 9; ders., Wie beginnt das menschliche Leben, S. 39. Nach Blechschmidt, Sein und Werden, S. 44, sind die Gene „als chemische Konstanten des Stoffwechsels" anzusehen „und nicht als die zureichende Anlage für die Differenzierungen des Organismus." Ihre Aufgabe sei vielmehr, entsprechend ihrer individualspezifischen chemischen Struktur zu re agieren (S. 43). 15 Blechschmidt, Wie entsteht das menschliche Leben, S. 39-42, sowie Sein und Werden, S. 41. 16 Zerbin-Rüdin, S. 7; Eibach, S. 19. 17 Zu den genetisch verursachten kongenitalen (angeborenen) Mißbildungen Moore, S. 159-171. is Zur Anlagebedingtheit der Intelligenz und bestimmter Formen geistiger Behinderung Zerbin-Rüdin, S. 89-92 und 99-101, sowie Montada in: Oerter / Montada, S. 1 (28 f.). Gegenstand entwicklungspsychologischer Untersuchungen ist deshalb vor allem, wie anlagebedingte geistige Kompetenz gefördert werden kann, vgl. Montada in: Oerter / Montada, S. 1 (34) und Schmidt-D enter in: Oerter / Montada, S. 814-830; Oerter, S. 49. 19 Zu den genetischen Faktoren bei der Ausprägung von Persönlichkeitsmerkmalen wie Ängstlichkeit, Aktivität, Impulsivität, Geselligkeit, Extroversion / Introversion Oerter, S. 44-48. Zur Erblichkeit psychischer Eigenschaften Zerbin-Rüdin, S. 15. Nach F.A.Z. vom 4. 3. 1987, S. 29, werden heute die Erbanlagen für manisch-depressive Erkrankungen auf Chromosom 11 lokalisiert. 20 Zerbin-Rüdin, S. 7 f. 21 Zerbin-Rüdin, S. 17, 24.

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dentlich komplizierten Wechselspiels von Erbanlage und Umwelt, wobei sich diese beiden Größen nicht einfach summieren, sondern vielfach verflechten und gegenseitig beeinflussen." 22 So kommen umweltbedingte Dispositionen etwa zu bestimmten seelischen Erkrankungen wie Schizophrenie erst unter bestimmten Umwelteinflüssen zum Ausbruch, 23 andererseits werden mitunter nachteilige Umweltfaktoren erst dann bedeutsam, wenn eine genetisch bedingte Anfälligkeit vorliegt. 24 Besonders deutlich wird dieses Wechselpiel mit den sozialen Voraussetzungen, unter denen ein Mensch aufwächst und lebt, bei der Frage der Anlagebedingtheit der Kriminalität, auf die Adoptionsstudien hinweisen.25 Aber auch psycho-physische Phänomene wie Alkoholabhängigkeit 26 und Neigung zu Übergewicht 27 weisen Veranlagungselemente auf. Bei all dem ist zu bedenken, daß der Mensch nicht allein das Ergebnis seiner genetischen Veranlagung und der korrespondierenden Umwelteinflüsse ist, sondern auch willensgesteuerte Reaktionsmöglichkeiten in sich trägt. 28 Festzuhalten bleibt, daß die Befindlichkeit eines Menschen mit von seiner genetischen Struktur abhängt. Die Veranlagung steckt den Rahmen seiner Reaktionen auf Umwelteinwirkungen im Mutterleib unmittelbar von der Konjugation bis hin zum Tode ab. Weil die genetische Struktur eines Menschen mit der Konjugation feststeht und sich danach nicht mehr ändert, 29 seine Entwicklung zugleich mit der Konjugation beginnt, ist die genetische Herkunft eines Menschen ein entscheidender Faktor seiner Entwicklung — und zwar der zeitlich erste.

B. Bedeutung des Schwangerschaftsverlaufs (pränatale Entwicklung) Da die Entwicklung eines Menschen mit der Befruchtung beginnt, sind auch die Bedingungen und Einflüsse, denen der Embryo im Mutterleib ausgesetzt ist, hierfür von Bedeutung. Zumal aufgrund der Wirkungsweise der Gene die Entwicklung im Mutterleib eine Reaktion auf Außenreize darstellt. Die von der 22 Zerbin-Rüdin, S. 22. 23 Montada in: Oerter / Montada, S. 1 (35); Zerbin-Rüdin, S. 26. Die Erbanlage ist keine hinreichende Bedingung für eine schizophrene Psychose, Zerbin-Rüdin, S. 69. 24 Zerbin-Rüdin, S. 26. 25 Hierzu Zerbin-Rüdin, S. 236-241. 26 Hierzu Zerbin-Rüdin, S. 47-58. Zwillings- und Adoptionsstudien haben gezeigt, daß die leibliche Abstammung von einem Alkoholiker deutlich signifikanter ist als die Umgebung, in der der Betreffende auf gewachsen ist, Zerbin-Rüdin, S. 48 f. 27 Die F.A.Z. vom 24. 1. 1986, S. 9, berichtet von einer in den USA durchgeführen Untersuchung mit diesem Ergebnis. Allerdings räumten die Wissenschaftler dabei ein, daß „eine ererbte Veranlagung überwunden werden" könne. 28 Zerbin-Rüdin, S. 73; Montada in: Oerter / Montada, S. 81 f. 29 Wenn man von genmanipulativen Eingriffen von Menschen an befruchteten menschlichen Eizellen absieht. Diese sind aber, da sie die Entfaltungsmöglichkeit des Embryos beeinflussen, rechtswidrig, Mansees in: Mellinghoff / Trute, S. 129 (155).

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austragenden, biologischen Mutter ausgehenden, auf den Embryo und späteren Fötus 30 sich auswirkenden Begebenheiten sind sowohl physischer als auch psychischer Art, da die pränatale Entwicklung ein psychosomatischer Prozeß 31 ist.

1. Pränatale Einflüsse physischer Art Zu den physischen Faktoren gehören der Platz im Uterus, den der Embryo einnehmen kann, 32 und die Gesundheit der biologischen Mutter während der Schwangerschaft. So kann die Entwicklung des Embryos etwa durch Infektionen, Medikamenteneinnahme, bestimmte klinische Behandlungen und Stoffwechselstörungen der Schwangeren beeinträchtigt werden. 33 Tabak-, Alkohol- und Drogenkonsum können toxisch bedingte Fehlentwicklungen, insbesondere Entwicklungsverzögerungen beim Ungeborenen zur Folge haben.34 Bedeutsam für die pränatale Entwicklung ist auch eine ausgewogene und ausreichende Ernährung der Schwangeren. 35 2. Pränatale Einflüsse psychischer Art Von großer Bedeutung für die vorgeburtliche Entwicklung ist die seelische Verfassung der biologischen Mutter während der Schwangerschaft. Ist sie ausgeglichen, sind optimale Voraussetzungen dafür gegeben, daß der Embryo bereits im Uterus eine Geborgenheit verspürt, die sich günstig auch auf seine postnatale Entwicklung, ja sogar auf die Entfaltung als Erwachsener auswirkt. 36 Ist hingegen die Schwangere mit erheblichen seelischen Problemen belastet, hat sie insbesondere anhaltende Schwierigkeiten, das Heranwachsen des Kindes in ihrem Körper als eigenständiges menschliches Wesen zu akzeptieren, kann dies zu bleibenden Irritationen bei dem Kind und späteren Erwachsenen führen. 37 Es ist nachgewie30 Nach dem Benda-Bericht in: Gentechnologie 6, S. 67, bezeichnet man heute als Embryo bereits die befruchtete Eizelle vor der Nidation, die den Beginn der Schwangerschaft (nicht aber der Existenz des neuen Menschen!) darstellt. Anders Moore, S. 6 und Pschyrembel, S. 431, Stichwort: Embryonalperiode, nach denen das Embryonalstadium erst mit der Nidation einsetzt. Mit Fötus meint man den ungeborenen Menschen, bei dem bereits die Organanlagen erkennbar sind, Moore, S. 6; nach anderer Auffassung erst den, bei dem die Organentwicklung (Organogenese) abgeschlossen ist (Pschyrembel, S. 514, Stichwort: Fetus). 31 Hau in: Hau / Schindler, S. 29 (37). 32 Zur Beeinflussung der Entwicklung durch Enge im Uterus aufgrund einer Mehrlingsschwangerschaft Hur lock, S. 50 f. 33 Moore, S. 171-183; Hurlock, S. 48. 34 Hurlock, S. 49; Moore, S. 173, 175, 178. 35 Einseitige Ernährung beeinträchtigt die geistige Entwicklung und kann zu körperlichen Anomalien führen, Hur lock, S. 47 f. 36 Ammon in: Graber, S. 43 (47 f., 64); Biebel in: Hau / Schindler, S. 172 (174). 37 Biebel in: Hau / Schindler, S. 172 (174 f.); Richter in: Hau / Schindler, S. 187 (188). Rottmann in: Graber, S. 68 (70 f.) teilt die Schwangeren in vier Typen ein: die ideale

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sen worden, daß eine ablehnende Einstellung der Mutter zu ihrem Kind sich als negativer emotionaler Streß, als „psychisches Spannungssyndrom" 38 pränatal auf das Kind auswirkt. Da die Schwangerschaft eine ununterbrochene Kommunikation der Schwangeren mit dem Kind darstellt 39 (selbst wenn die biologische Mutter dies nicht erkennt oder eine Kommunikation nicht will), spürt bereits der Embryo mangelnde Geborgenheit. Manche Angespanntheit, permanente Unzufriedenheit und Hyperaktivität von geborenen Kindern und Erwachsenen wird auf derartige pränatale Erfahrungen (Traumen) zurückgeführt. 40 In der pränatalen Psychologie wird die Auffassung vertreten, daß die Entwicklung der primär angelegten, bei der Geburt schon vorhandenen Ich-Funktionen eines Menschen vom „erlebnisbedingten intrauterinen Milieu abhängt."41 Es ist sogar die Rede von einem „intrauterinen Hospitalismus", 42 wenn Kinder schon in der vorgeburtlichen Phase keine optimale Entwicklungssituation wegen fehlender mütterlicher Unterstützung vorfinden. Eine optimale Entwicklungsmöglichkeit besteht nur dann, „wenn entsprechende Einflüsse psychosomatischer Art der Mutter fördernd, das heißt schützend, aber auch im Sinne eines Normal-Streßes auffordernd wirksam werden, so daß der Fötus sich mit äußeren Realitäten im Uterus auseinandersetzen kann, Funktionen trainieren kann, die er für die Geburt und die postnatale Zeit unbedingt braucht.. . " 4 3 Darüber hinaus besteht der Anlaß dazu, anzunehmen, daß die pränatal eingeübten Reaktionsmuster des Fötus auf intrauterine Störungen und Einflüsse auch die späteren Verhaltensweisen des Kindes und des Erwachsenen bestimmen.44 Die für eine optimale pränatale Entwicklung des Kindes erforderliche seelische Ausgeglichenheit und positive Einstellung der Schwangeren zu dem heranwachsenden Embryo bzw. Fötus wird u. a. maßgeblich von ihrer Partnerbeziehung beeinflußt, 45 also auch von der Haltung des Partners zur Schwangerschaft und bevorstehenden Geburt: „Die Einstellung der Mutter auf das Kind geschieht nicht isoliert als ,innerer Dialog 4 , sondern wird von den Reaktionen der Umwelt und vor allem dem Partner beeinflußt." 46 Es wird darauf Mutter (bewußte und unbewußte Annahme der Schwangerschaft), die kühle Mutter (bewußte Ablehnung und unbewußte Annahme), die ambivalente Mutter (bewußte Annahme und unbewußte Ablehnung) und die katastrophale Mutter (unbewußte und bewußte Ablehnung). Zum Ergebnis dieser Untersuchung Rottmann in: Graber, S. 68 (73-75). 38 Rottmann in: Graber, S. 68 (75 f.). 39 Rottmann in: Graber, S. 68 (76 f.). 40 Foresti in: Hau / Schindler, S. 156 (157,161); Ammon in: Graber, S. 43 (64). Dieses Phänomen hat auch eine organische Seite: Die psychische Belastung der Schwangeren führt bei der Mutter zu einer physiologischen Rhythmusstörung und wirkt sich auf die Labilität und Stabilität des Herzrhythmus des Kindes bis in das Erwachsenenalter aus, Rottmann, in: Graber, S. 68 (76). 41 Ammon in: Graber, S. 43 (56). 42 Ammon in: Graber, S. 43 (56 f.). 43 Hau in: Hau / Schindler, S. 29 (37). 44 Milakovic in: Hau / Schindler, S. 124 (128); ders. in: Hau / Schindler, S. 118 (121 123). 45 Biebel in: Hau / Schindler, S. 172 (174).

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hingewiesen, daß bereits die unbewußte Einstellung der Mutter zu dem Erzeuger für die pränatale Entwicklung des Kindes bedeutsam ist und sich „die Entwicklung einer Frau, die den Mann zum Samenspender degradiert, besonders gravierend und schädigend für die Entwicklung des Kindes" auswirkt. 47 Also ist die optimale Entwicklung eines Menschen nur dann gewährleistet, wenn die biologische Mutter und der Erzeuger des Kindes eine positive Einstellung zur Schwangerschaft, zum Heranwachsen des Kindes haben und keinen außergewöhnlichen Streßsituationen ausgesetzt sind. C. Bedeutung der sozialen Elternschaft für die postnatale Entwicklung Die postnatale Entwicklung setzt unmittelbar nach der Geburt ein, die eine dramatische Umweltveränderung 48 für das Kind darstellt. Zunächst ist es für eine ungestörte Entwicklung des Kindes wichtig, daß es eine gleichbleibende Umgebung vorfindet und von bestimmten Bezugspersonen betreut wird. 4 9 Fehlt Kindern in der nachgeburtlichen frühkindlichen Phase die nötige Stimulation und Ansprache durch Bezugspersonen, kann dies zu einem Hospitalismus-Syndrom 50 und damit zu erheblichen Verhaltensstörungen führen. So werden Säuglinge, die in einer emotional sterilen Atmosphäre aufwachsen, apathisch und neigen andererseits zu Wutanfällen; damit verbunden ist eine ungünstige Persönlichkeitsentwicklung. 51 Doch ist es entgegen früherer Annahmen 52 für das Kind nicht gleichgültig, wer die nachgeburtlichen Bezugspersonen sind. So bilden auch Kinder, die halb- oder ganztags von Fremden betreut werden (wie dies ζ. B. mitunter im Kibbuz üblich ist), in erster Linie Bindungen zur Mutter und nicht zur Pflegeperson aus.53 Auch scheint sich an der Mutterbindung nichts zu ändern, wenn die Mutter berufstätig ist und nur relativ wenig Zeit mit dem Kind verbringt. 54 Zwar ist ein Kind erst in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres imstande, eine individuelle Bindung zu einer bestimmten Person zu entwickeln; doch kann es bereits bei Mutterverlust vor diesem Zeitpunkt mit Hospitalismus reagieren. 55 Die Bindung an die biologische Mutter ist deshalb für das Kind besonders wichtig, weil sie allein die Kontinuität einer personalen Interaktion gewährleistet. Die biologische Mutter vermittelt dem Geborenen die gewohnte Wärme, das Kind kennt den der Mutter eigenen Herzschlag und die ihm schon pränatal vertraute 46 Wimmer-Puchinger in: Hau / Schindler, S. 200 (200). 47 Caruso nach Caruso / Rubner in: Hau / Schindler, S. 210 (213). 48 Steiner in: Hau / Schindler, S. 17 (20). 49 Hurlock, S. 204. 50 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (194). 51 Hurlock, S. 204. 52 Hurlock, S. 204. 53 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (199). 54 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (199). 55 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (193).

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Stimme. 56 In Anbetracht der erheblichen Umstellung des Kindes bei der Geburt und den Herausforderungen, denen es im Verlauf seiner frühkindlichen Entwicklung ausgesetzt ist, ist die Aufrechterhaltung der personalen Mutter-Kind-Kontinuität über die Geburt hinaus für eine optimale Anpassung des Kindes an die Umwelt erforderlich. 57 Dies erklärt auch, daß die mütterliche Stimme, so wie sie das Kind im pränatalen Stadium im Mutterleib vernimmt, inzwischen sogar in der Psychotherapie benutzt werden kann. 58 So konnte einer vierzig Jahre alten Frau mit schwerwiegenden Angstzuständen durch das Hören der filtrierten Stimme ihrer Mutter geholfen werden. 59 Aber auch die nachgeburtliche Präsenz des Vaters ist für die Entwicklung des Kindes wichtig. Zunächst verhilft ihm der Kontakt zu mehr als nur einem vertrauten Erwachsenen (im Idealfall der Mutter) zu einer besseren Unterscheidung zwischen sich und der Außenwelt und damit zu einer zutreffenden Vorstellung von sich selbst.60 Daß als diese weitere Bezugsperson zunächst vor allem an den Vater zu denken ist, ergibt sich wiederum aus Kontinuitätserwägungen (wenn das Kind schon vorgeburtlich dessen Stimme wahrgenommen hat), aber auch daraus, daß die ungestörte Mutter-Vater-Beziehung sich unmittelbar günstig auf die Ich- Entwicklung des Kindes auswirkt. 61 Dabei verläuft grundsätzlich die Vater-Kind-Beziehung parallel zur Mutter-KindBeziehung.62 Wichtig für die günstige Entwicklung eines Kindes ist in jedem Fall, daß es spürt, von seinen Eltern angenommen, verstanden und geliebt zu werden. 63 Insbesondere ist zu bedenken, daß frühkindliche Erlebnisse unauslöschliche Eindrücke in der Persönlichkeit hinterlassen. 64 Die Verschiedenheit der genetischen von den sozialen Eltern wirkt sich spätestens dann aus, wenn das Kind davon erfährt, daß es von anderen, ihm bislang fremden Personen abstammt und (erneut) nach seiner Identität suchen muß. Bei Adoptivkindern ist bekannt, daß bei ihnen wegen einer gestörten Identitätsfindung in der Pubertät zuweilen schwerwiegende und mitunter bleibende Persönlichkeitsirritationen auftreten, wenn sie erst als Jugendliche von ihrer Herkunft erfahren. 65 Das wiederum weist besonders deutlich auf die grundlegende Bedeutung der Kontinuität (und die negativen Wirkungen der Diskontinuität) der genetischen und sozialen Elternschaft hin.

56 Steiner in: Hau / Schindler, S. 17 (20); Milakovic in: Hau / Schindler, S. 124 (130). 57 Steiner in: Hau / Schindler, S. 17 (20 f.). 58 Diese von Tomatis entwickelte Methode beschreibt Sarkissoff in: Graber, S. 122 (122 f.). 59 Sarkissoff in: Graber, S. 122 (124). 60 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (195). 61 Biebel in: Hau / Schindler, S. 172 (174 f.); Wimmer-Puchinger, S. 200 (208). 62 Rauh in: Oerter / Montada, S. 131 (199). 63 Hurlock, S. 629. 64 Hurlock, S. 628. 65 Kleineke, S. 264-266 m. w. N. 9 Mansees

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D. Ergebnis Die Betrachtung der Bedeutung der genetischen, biologischen und sozialen Eltern für die mit der Konjugation beginnenden Entwicklung eines Kindes zeigt, daß im Hinblick auf die Zuordnungssubjekte eine ungestörte und damit optimale Entwicklung nur dann gewährleistet erscheint, wenn die genetische, biologische und soziale Elternschaft nicht aufgespalten, sondern durch dieselben Personen repräsentiert wird.

I I . Mögliche Beeinträchtigungen durçh reproduktionsmedizinisch bedingte Zuordnungsabweichungen A. Heterologe Insemination und Eispende Bei der Keimzellspende wird zuvor geplant, daß das erzeugte Kind tatsächlich nach der Geburt nicht dem genetischen Vater bei Samenspende bzw. der Eispenderin bei Eispende, sondern allein den Wunscheltern als sozialen Eltern zugeordnet werden soll. Erfährt das Kind später von der Keimzellspende und kommt es dadurch in die Lage, über sich und seine Herkunft zu reflektieren, gerät es unweigerlich in einen Konflikt: (1) Es erkennt, daß es bereits vor seiner Erzeugung Gegenstand der Planung seiner sozialen Eltern war und daß es Ergebnis der Spenderaus wahl eines Dritten, des inseminierenden oder fertilisierenden Arztes war. Daß es nicht natürlich als Folge einer geschlechtlichen Begegnung seiner statusrechtlichen Eltern gezeugt wurde, kann für das Kind zum Problem werden. 66 Hiergegen wird zum einen eingewandt, daß ein im Wege der Keimzellspende erzeugtes Kind eher ein Wunschkind der Eltern sei, als ein ζ. B. auf unwürdige Art und Weise natürlich gezeugtes Kind. 6 7 Diese Argumentation ist jedoch nicht überzeugend. Denn erstens kann man einen für das Kind unglücklichen Umstand nicht damit rechtfertigen, daß es noch unglücklichere gibt. Zum anderen geht es hier nicht um den Grad der Erwünschtheit des Kindes, sondern um dessen Reflektion über seine Herkunft. 66 Als Frage andeutend Schotsmans in: Gentechnologie 13, S. 167 (174). Nach Kluxen in: Gentechnologie 3, S. 16 (22) „weiß niemand, in welcher Weise sich" das Fehlen der leiblichen Begegnung der Eltern bei der Erzeugung „schon auf dem Embryo oder später auf die Biografie des Kindes auswirken wird." Denn „die auf den zielgerichteten, häufig überwertigen Kinderwunsch basierende artifizielle Insemination (...) unterscheidet sich fundamental vom schöpferischen Akt der menschlichen Zeugung", Petersen, S. 105. — Bereits der objektive Umstand der heterologen Erzeugung birgt für die Entwicklung des Kindes Gefahren. So wurden bei mittels Samenspende erzeugten Kindern „psychopathologische Charakterzüge in Form von Identitätsstörungen und ödipalen Problemen" beobachtet, Stauber in: Gentechnologie 9, S. 29 (34). 67 In diese Richtung argumentierend C Oester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 119 und A. Wolf in: 56. DJT, S. Κ 153.

§ 14 Die nat. Zuordnung als Vorauss. d. optimalen E n t w i c k l u n g 1 3 1

(2) Das Kind erkennt, daß sein Wesen maßgeblich aus einem Faktor entstanden ist, der ihm bislang unbekannt geblieben ist: dem anderen genetischen Elternteil. Befaßt es sich näher mit der Person des Spenders bzw. der Spenderin, kann dies zur Entfremdung von den sozialen Eltern führen und erhebliche Spannungen in der Familie verursachen. 68 Deshalb wurde vereinzelt bei der Beratung des DJT vorgeschlagen, man solle besser dem Kind die Kenntnis des Keimzellspenders bewußt vorenthalten. 69 Nur so könnten anderenfalls vorprogrammierte Spannungen der bisherigen Familie und innere Konflikte des Kindes vermieden werden. 70 Die Vertreter dieser Auffassung gehen offenbar davon aus, daß die anderweitige Herkunft ein sehr schwerwiegender Punkt im Leben eines Menschen ist. Anderenfalls bräuchten keine grundlegenden Konflikte bei Kenntnis des genetischen Ursprungs befürchtet zu werden. Damit wird die Bedeutung der genetischen Herkunft und deren Kenntnis durch das Kind anerkannt. Der befürchtete Konflikt wird zwar durch die Kenntnisnahme des Kindes erst wachgerufen, begründet ist er jedoch in dem Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Elternschaft. Ebenso wie nicht die Kenntnis von einer tödlichen Erkrankung das Leben eines Menschen gefährdet, sondern die Krankheit selbst, gefährdet nicht die Kenntnis der anderweitigen Herkunft den Familienfrieden und die innere Stellung des Kindes, sondern die Tatsache selbst und deren Verschweigen. Hiergegen könnte argumentiert werden, auch Adoptivkinder hätten Probleme mit dem Auseinanderfallen von genetischer Herkunft und sozialer Elternschaft und könnten diese in der Regel gut bewältigen. Dies ist aber deswegen ein ungeeigneter Vergleich, weil bei der Adoption eine Zuordnungsveränderung von den genetischen zu den Adoptiveltern erst nach der Geburt des Kindes und allein aus Kindeswohlgründen erfolgt, während hier eine Zuordnungsabweichung bereits vor der Erzeugung geplant war. Dabei wurde der konfliktbegründende Tatbestand von den Wunscheltern bewußt gesetzt.71 Gelegentlich werden die vorstehenden Erwägungen einer möglichen Beeinträchtigung der Entwicklung eines Kindes damit abgetan, sie seien nicht empirisch hinreichend abgesichert. 72 Dies ist aber auch kaum möglich, da entsprechende Langzeituntersuchungen praktisch undurchführbar sind. 73 Deshalb reicht bereits die naheliegende Möglichkeit einer nachteiligen Wirkung aus, die heterologe Insemination und die Eispende für bedenklich zu halten, so lange das Gegenteil nicht bewiesen ist. 74 Die angeführten Probleme verschärfen sich für das heterolog erzeugte Kind 68 Petersen, S. 80; Broda in: 56. DJT, S. Κ 89. Krebs in: 56. DJT, S. Κ 147, berichtet von Untersuchungen, nach denen die „Situation von seiten des Kindes völlig normal verlief bis zu dem Zeitpunkt, an dem es . . . damit konfrontiert wurde, daß der genetische Vater ein anderer war." 69 Broda in: 56. DJT, S. Κ 89; Wassermann in: 56. DJT, S. Κ 114; Teubner in: 56. DJT, S. K126 f. 70 Wassermann in: 56. DJT, S. Κ 114. 71 Wolkinger in: Bernat, S. 89 (98); Böckle in: 56. DJT, S. Κ 43. 72 Teubner in: 56. DJT, S. Κ 126 f. 73 Giesen in: 56. DJT, S. Κ 74. 9*

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

einer Alleinstehenden, dem bewußt der Vater entzogen wird und das noch nicht einmal einen sozialen Vater hat. 75 Mit der heterologen Insemination und der Eispende werden also gezielt Bedingungen gesetzt, die die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen können. 76

B. Fremdmutterschaft Ein Kind, das Ergebnis der Planung einer Fremdmutterschaft ist, kann in seiner natürlichen Entwicklung in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigt sein: (1) Entwickelt die Fremdmutter während der Schwangerschaft eine positive Einstellung zu dem Kind, empfindet sie ihm gegenüber, als sei es ihr eigenes und verhält sich entsprechend, kann zunächst durchaus eine gute pränatale Entwicklung des Kindes möglich erscheinen. Allerdings dürfte wegen der geplanten Abgabe des Kindes oft eine gegenläufige Tendenz bei der Fremdmutter vorzufinden sein, geht sie doch davon aus, daß sie das Kind abgeben muß, wenn sie das Entgelt erhalten will. Je weniger sie sich das bewußt macht, desto größer ist die Gefahr, daß sich die untergründige, gegenläufige Tendenz nachteilig auf die seelische Entwicklung des Kindes auswirkt. 77 (2) Kommt es nach der Geburt zu einer Abgabe des Kindes an die Wunscheltern, bedeutet dies eine vor der Erzeugung des Kindes bereits geplante Zuordnungsveränderung. Mit ihr würde die pränatal aufgebaute Bindung des Kindes an die biologische Mutter abgebrochen und müßte eine neue zu den Wunscheltern aufgebaut werden. Damit tritt ein Kontinuitätsverlust ein, der für das Kind grundsätzlich von Nachteil ist. 78 (3) Kommt es nicht zur Abgabe des Kindes an die Wunscheltern, sondern bleibt es bei der Fremdmuter, sind weitere Spannungen vorgezeichnet. Besonders dann, wenn das Kind etwa deshalb nicht von den Wunscheltern „abgenommen" wird, weil es behindert ist und die Fremdmutter es unfreiwillig behalten muß. Aber auch dann, wenn es zu einer Adoption deshalb nicht kommt, weil das Vormundschaftsgericht dem Annahmeantrag der Wunscheltern nicht entspricht. 79 74 Benda-Bericht in: Gentechnologie 6, S. 12. Deshalb wurde nach Krebs in: 56. DJT, S. Κ 147, inzwischen an den deutschen Universitätskliniken die heterologe Insemination eingestellt: Es sei einerseits zu respektieren, daß das Kind seinen genetischen Vater kennenlernen können muß; andererseits wirke sich die Kenntniserlangung auf das Kind negativ aus. 75 Selb, S. 67; Benda-Bericht in: Gentechologie 6, S. 26. 76 Zur Rechtswidrigkeit der heterologen Insemination Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497 f.). 77 Die Fremdmutter ist in diesem Fall eine ambivalente Mutter, hierzu Rottmann in: Gräber, S. 68 (73-75). 78 N. Meier, ZfJ 1985, S. 270 (271 f.). Siehe a. oben I. C. 79 Wie dies vom Verfasser in: ZfJ 1986, S. 496 (500) vorgeschlagen wurde.

§14 Die nat. Zuordnung als Vorauss. d. optimalen Entwicklung

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Der einzig denkbare Weg, eine mögliche Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung zu vermeiden ist der, daß eine Fremdmutter das Kind wie ein eigenes austrägt und behält. Dann würde sie aber wahrscheinlich stets ein schlechtes Gewissen begleiten, daß sie sich dem Fremdmutterschaftsvertrag und insbesondere dem Vertrauen der Wunscheltern zuwider verhält. Das aber könnte als innere Spannung sich durchaus auf die pränatale psychische Entwicklung des Kindes nachteilig auswirken. Das gleiche wäre der Fall, falls die Fremdmutter von vornherein bereits ab Abschluß des Fremdmutterschaftsvertrages plant, sich daran nicht zu halten. Dann müßte sie über die innere Bereitschaft verfügen, eine ihren Intimbereich berührende Absprache zum Schein abzugeben. Diese innere Bereitschaft aber läßt es zweifelhaft erscheinen, ob sie auch in anderen persönlichen Angelegenheiten zuverlässig und einfühlsam ist. Dies wiederum könnte für die Entwicklung des Kindes von erheblichem Nachteil sein. Somit bergen auch die geplanten, besonders aber die durchgeführten Zuordnungsabweichungen im Rahmen einer Fremdmutterschaft erhebliche Gefahren für eine ungestörte prä- und postnatale Entwicklung des Kindes. 80

C. Fremdembryonentransfer Beim Fremdembryonentransfer sind zwei Varianten zu unterscheiden: (1) Der Fremdembryonentransfer wird deshalb vorgenommen, um eine Tragemutterschaft zu ermöglichen. Dazu ist auf B. zu verweisen. (2) Die genetische Mutter weigert sich, sich den Embryo transferieren zu lassen oder stirbt vor einem möglichen Transfer. Dann treten die oben bei A. (2) aufgezeigten Probleme für das Kind und dessen sozialen Eltern auf. Auch weiß das Kind dann, daß es aufgrund ärztlicher Handlung bewußt erzeugt wurde und nicht Ergebnis einer geschlechtlichen Begegnung seiner genetischen oder sozialen Eltern ist. Vor allem aber weiß es, daß es nach seiner Erzeugung nicht hätte weiterleben können und nicht geboren worden wäre, wenn es die biologische Mutter sich nicht hätte implantieren lassen. Hier liegt für das Kind die Situation ähnlich, wie bei der Adoption: In beiden Fällen erfolgt die Zuordnungsveränderung allein aus Kindeswohlgründen und war nicht bereits bei der Erzeugung geplant.

so Im Ergebnis ebenso Benda-Bericht in: Gentechnologie 6, S. 22; Eibach, S. 179. Anders Starck in: 56. DJT, S. A 42. Obwohl er die Probleme für die Entwicklung des Kindes sieht (S. A 40 f.), kommt er zu dem Ergebnis, „daß weder Trage- noch Ersatzmutterschaft gegen die Menschenwürde des Kindes verstößt", da die Menschenwürdegarantie „im Bereich der Zeugung keine Garantie für optimale Verhältnisse" darstelle.

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

I I I . Folgerung für das Recht des Kindes A. Anknüpfung der Zuordnung an die Konzeption Die entscheidende Grundtatsache der Entstehung eines Kindes und dessen Menschsein ist mit der Konzeption — genauer: der Konjugation — gesetzt. Folglich muß die Zuordnung an sie anknüpfen.

B. Keine Zuordnungsabweichung ohne Rechtfertigung Für das Kind erscheint eine optimale Entwicklung nur dann gewährleistet, wenn biologische, genetische und soziale Elternschaft zusammenfallen und die Kontinuität nicht unterbrochen wird. Jede Abweichung ist geeignet, einen Nachteil für das Kind herbeizuführen. Das zeigt sich bei der Betrachtung der Risiken, die die Zuordnungsabweichungen anläßlich der heterologen Reproduktion für die Entwicklung der betroffenen Kinder darstellen. Also hat jedes Kind ein Recht auf vollständige Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft. Zuordnungsabweichungen erfolgen regelmäßig vor der Erlangung der Entschließungsfähigkeit des Kindes. Zuordnungsveränderungen werden nach, andere Zuordnungsabweichungen vor der Geburt vorgenommen. Und zwar entweder bei der Erzeugung (heterologe Befruchtung) oder nach der Erzeugung (Fremdembryonentransfer). Nach der Erlangung der Entschließungsfähigkeit erfolgen lediglich Zuordnungskorrekturen (Anfechtung der Ehelichkeit bzw. der Vaterschaft). Da Zuordnungsabweichungen vor dem Abschluß der Entwicklung des Kindes zur Persönlichkeit eintreten, bedarf jede Zuordnungsabweichung, insbesondere jede Zuordnungsveränderung einer Rechtfertigung gegenüber dem Kind, in dessen Recht auf natürliche Zuordnung damit eingegriffen wird.

§ 15 Voraussetzungen der Rechtfertigung von Zuordnungsabweichungen Von der natürlichen Zuordnung kann wegen deren Garantie in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zunächst dann abgewichen werden, wenn es das Kindes wohl erfordert. Dies deshalb, weil das Recht auf natürliche Zuordnung nicht um seiner selbst willen, sondern um des Kindes und seiner Entwicklung willen existiert. Daneben wäre denkbar, daß Grundrechte Dritter das Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung beschränken.

§15 Vorauss. d. Rechtfertigung von Zuordnungsabweichungen

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I. Das Kindeswohl als immanente Beschränkung des Rechts des Kindes auf natürliche Zuordnung A. Der Begriff „Kindeswohl" Kindeswohl ist zu definieren als die Bedingung der Möglichkeit einer dem Kind gemäßen Entwicklung seiner Persönlichkeit. Zu diesen Bedingungen gehören u. a. die vermögensrechtlichen Verhältnisse des Kindes. Auch sie sind damit Gegenstände des Kindeswohls. Das Kindeswohl ist bis zur vollständigen Entwicklung der Entschließungsfähigkeit im Rahmen des Rechts des Kindes auf optimale Entwicklung in Art. 1 Abs. 1 GG enthalten.

B. Die Bedeutung des Kindeswohls für die Zuordnungsabweichungen Zwar stellt grundsätzlich die natürliche Zuordnung und deren Beibehaltung für die Entwicklung des Kindes die beste Voraussetzung dar. 1 Dennoch kommt es bei bestimmten Konstellationen vor, daß eine Zuordnungsabweichung dem Kindeswohl eher dient, als die Beibehaltung der natürlichen Zuordnung. Dies ist ζ. B. bei der Adoption der Fall. Problematischer ist schon der ausnahmelose Ausschluß des Vaters eines nichteheliches Kindes vom Sorgerecht, der ebenfalls eine Zuordnungsabweichung darstellt. Bedenklich ist dies dann, wenn Vater und Mutter das Kind gemeinsam erziehen wollen und können.2 Eine solche Konstellation, die möglicherweise de lege ferenda für ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern eines nichtehelichen Kindes sprechen würde, 3 liegt jedoch bei Samenund Embryonenspende regelmäßig mit Ausnahme der quasiheterologen Form nicht vor. 4 In den sonstigen Fällen der heterologen Reproduktion ist es dem Kindeswohl regelmäßig zuträglich, wenn der Keimzellspender von der elterlichen Sorge ausgeschlossen ist, will er doch lediglich seine Keimzellen zur Verfügung stellen, nicht aber Verantwortung für das Kind übernehmen.5

ι BVerfGE 56, 363 (384); BVerfG NJW 1989, S. 519 (520). 2 Mansees in: 57. DJT, S. I 123-125. 3 Mansees in: 57. DJT, S. I 123-125. Die Mehrheit des Juristentages hat sich sogar für die Einräumung eines gemeinsamen Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern ohne vormundschaftsgerichtliche Überprüfung ausgesprochen (57. DJT, S. 1236). Dies erscheint im Hinblick auf das Kindeswohl allerdings problematisch, Mansees in: 57. DJT, S. I 124, 157. 4 In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine spezielle Frage der artifiziellen Erzeugung, sondern um eine allgemeine Problematik im Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. 5 Deshalb steht und fällt die Praxis der Samenspende mit der Absicherung der Anonymität des Donators für das Kind. Besteht hingegen die Möglichkeit einer Inanspruchnahme (und sei es nur des kognitiven Rechts auf Kenntnis der genetischen Abstammung), gilt nach Hübner in: 56. DJT, S. Κ 132: „Der Markt ist tot."

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

Festzuhalten bleibt, daß bei jeder Zuordnungsabweichung, die vom Gesetz angeordnet oder ermöglicht wird, zu untersuchen ist, ob sie dem Kindeswohl dient. In diesen Fällen ist sie nämlich gerechtfertigt.

I I . Beschränkende Grundrechte Dritter A. Kein Recht auf freie Fortpflanzung Es wird gelegentlich behauptet, der Staat habe deshalb heterologe Befruchtungstechniken zu ermöglichen, weil jeder Mensch ein Recht auf freie Fortpflanzung habe.6 Dieses Recht ist Element der Entfaltung der freien Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG und steht damit unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt der Rechte Dritter. Folglich ist es beschränkt durch Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und kann nicht seinerseits das Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung und Vermeidung von Zuordnungsveränderungen beschränken. Ein Recht auf freie Fortpflanzung zu Lasten der daraus hervorgehenden Kinder gibt es daher nicht.

B. Gleichbehandlungsgrundsatz Allerdings vermag der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundrechtsschranke im Wege der praktischen Konkordanz das Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung zu beschränken. Dabei ist auch an die besondere, das Familienrecht und das Familienerbrecht betreffende Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Art. 6 Abs. 5 GG zu denken.7 Dies bedeutet, daß kein Kind allein deswegen bevorzugt oder benachteiligt werden darf, weil es auf nicht-natürlichem Wege erzeugt wurde, es sei denn, die Ungleichbehandlung beruht auf einem sachlichen Grund, der gerade in der Tasache der artifiziellen Erzeugung liegt. Dieser Aspekt ist deshalb bei jeder nicht kindeswohlbedingten Zuordnungsabweichung zu bedenken.

6 Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 127; Chr. Becker, FamRZ 1986, S. 630 (633); Reilly, DÄB1.1981, S. 621 (690); einschränkend, aber vom Recht auf freie Fortpflanzung ausgehend Schulze in: 56. DJT, S. Κ 104. Wassermann in: 56. DJT, S. Κ 114 f., findet es diskriminierend, dadurch „in die Grundrechte der nichtverheirateten, alleinstehenden Frau einzugreifen", in deren *Recht auf Selbstbestimmung", „Recht auf Privatheit" und „Recht auf Leben", daß man „einer solchen Frau die Möglichkeit verwehrt... sich der Methoden der Reproduktionsmedizin zu bedienen." Eine solche Einbeziehung des Kindeswohls lehnt er ausdrücklich ab. 7 Der Ausdruck „Gleichwertigkeit" in Art. 6 Abs. 5 GG ist eine Kennzeichnung „der besonderen Ausprägung des Gleichheitssatzes", MD / Maunz, Art. 6 Rz. 49.

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u g e i n e r allgemeinen Zuordnungstheorie

§ 16 Aussagen einer allgemeinen Zuordnungstheorie I. Transformation der grundrechtlich garantierten Zuordnung auf das geltende bürgerlichrechtliche Zuordnungssystem A. Keine Drittwirkungsproblematik Das in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG begründete Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung bedeutet, daß jedes Kind einen Anspruch gegen den Staat auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft hat. Die Zuordnung eines Kindes hat zwar privatrechtlichen Charakter, wird aber unmittelbar vom Staat per Gesetz1 oder durch gerichtlichen Beschluß2 herbeigeführt. Die Umsetzung der grundrechtlich garantierten Zuordnung auf das geltende einfachrechtliche Zuordnungssystem bedarf dabei keines Rekurses auf die umstrittene Frage der Drittwirkung der Grundrechte. Denn die Drittwirkungsproblematik befaßt sich ausschließlich damit, ob die Grundrechte „für den Verkehr der Rechtsgenossen untereinander" 3 von Bedeutung sind.Das kann allein die Bereiche betreffen, die der Privatrechtsgestaltung unterliegen (Vertragsrecht) 4 oder sonst das Verhalten eines Privatrechtssubjekts zu einem anderen betreffen (Unterlassungsrecht, Deliktsrecht). 5 Die rechtliche Zuordnung eines Kindes ist aber nicht Gegenstand des Privatrechtsverkehrs der Bürger untereinander. 6 Sie ist in jedem Fall eine Maßnahme des Staates, mit der lediglich rechtliche Verhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten begründet werden (Unterhaltsverhältnisse, Sorgerechtsverhältnisse, gesetzliches Erbrecht, statusrechtliche Zuordnung). Damit ist die rechtliche Zuordnung eines Kindes von vornherein der Privatautonomie entzogen und der Weg frei für eine unvermittelte Grundrechtsüberprüfung des bürgerlichrechtlichen Zuordnungssystems.

ι Aufgrund Gesetzes erfolgen auch Zuordnungen, zu deren Tatbestand rechtsgeschäftliche Erklärungen gehören, etwa die Vaterschaftsanerkennung (§ 1600 a S. 1 i. V. m. § 1600 c Abs. 1 BGB). 2 Nämlich bei Zuordnungsveränderungen, ζ. B. Adoptionsdekret (§ 1752 Abs. 1 BGB), Sorgerechtsentscheidung nach Ehescheidung (§ 1671 Abs. 1 BGB). 3 BAG NJW 1957, S. 1688 (1689), das die unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte befürwortet. 4 Zum Meinungsstand Starck, JuS 1981, S. 237 (243-245); /. v. Münch in: v. Münch, Vorb. Art. 1 -19 Rz. 28-32; grundsätzlich gegen Drittwirkung im vertraglichen Bereich Canaris , JuS 1989, S. 161 (162) und Hesse Rz. 354 f. 5 BVerfGE 7, 198 (205 f.); zum verfassungsrechtlichen sog. allgemeinen Persönlichkeitsrecht Jarass, NJW 1989, S. 857 (858). 6 /. v. Münch in: v. Münch, Vorb. Art. 1 -19 Rz. 28: „Unter Drittwirkung der Grundrechte wird die Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr der Bürger untereinander verstanden".

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

B. Personenrechtliche Zuordnung Die personenrechtliche Zuordnung umfaßt neben der Staatsangehörigkeit Status und Sorgerecht. Status und Sorgerecht entspechen lediglich bei Geburt eines gem. § 1591 Abs. 1 S. 1 BGB ehelichen Kindes, das von beiden Ehepartnern erbzw. gezeugt wurde, der natürlichen Zuordnung. Ist das Kind nichtehelich, so ist selbst bei pränataler Anerkennung des Erzeugers die natürliche Zuordnung nicht vollständig gegeben. Die elterliche Sorge betreffend wird von ihr bezüglich des Erzeugers abgewichen; ihm kommt die elterliche Sorge nicht zu. 7 Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn de lege ferenda den nicht miteinander verheirateten Eltern eines Kindes die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, ein gemeinsames Sorgerecht zu erlangen. Denn dies hätte auf jeden Fall eine Antragstellung durch die Eltern zur Voraussetzung, die erst nach der Erzeugung erfolgen könnte. Die natürliche Zuordnung wäre nicht von Anfang an, sondern erst aufgrund eines späteren autonomen und damit ungewissen Entschlusses der Eltern erreicht. Jedenfalls widerspricht gegenwärtig die Erzeugung eines Kindes außerhalb der Ehe dessen Recht auf vollständige natürliche Zuordnung. Gerade Art. 6 Abs. 5 GG läßt erkennen, daß es für ein Kind besser ist, in einer Ehe als eheliches Kind gezeugt zu werden, denn als nichteheliches Kind außerhalb einer Ehe.8 Würde die Verfassung die statusrechtliche Zuordnung für unbedeutend halten, hätte es einer Unterscheidung in eheliche und nichteheliche Kinder durch das Grundgesetz nicht bedurft. Daß im geltenden Familienrecht bei personenrechtlichen Zuordnungsabweichungen grundsätzlich allein das Kindeswohl ausschlaggebend ist, wurde bereits in § 7 I. E. (3) nachgewiesen.

C. Vermögensrechtliche Zuordnung Die soeben entwickelte verfassungsrechtliche Zuordnungstheorie bezieht sich nicht nur auf die personenrechtliche, sondern auch auf die vermögensrechtliche Zuordnung. Denn das Kindeswohl umfaßt auch die vermögensrechtlichen Verhältnisse.9 Dies wird bestätigt durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. 11. 1986 zur Verfassungswidrigkeit des § 1934 c BGB. 1 0 Hierin wird der partielle Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts bzw. Erbersatzanspruches des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater deswegen für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 5 GG gehalten, weil er allein darauf beruht, Dritte zu begünstigen, nämlich den Erblasser in seiner Dispositionsfreiheit und die übrigen Erben in ihren vermö7 s. o. § 7 I. B. 2. b). 8 s.a. § 15 Fn. 1. 9 s. o. § 13 Fn. 35, § 15 I. A. 10 BVerfGE 74, 33.

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u g e i n e r allgemeinen Zuordnungstheorie

gensrechtlichen Positionen.11 § 1934 c BGB sollte die Erwartungen der übrigen Erben schützen und eine zügige, endgültige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ermöglichen. Das wurde aber vom Bundesverfassungsgericht nicht als hinreichender Rechtfertigungsgrund für einen Erbrechtsausschluß des nichtehelichen Kindes angesehen. Verständlich ist diese Entscheidung nur dann, wenn Ausgangspunkt die natürliche vermögensrechtliche Zuordnung eines Kindes zum Erzeuger ist und jeder Ausschluß einer Rechtfertigung durch das Kindeswohl oder den Gleichbehandlungsgrundsatz bedarf. Denn diesen Anforderungen entsprach § 1934 c BGB nicht. Also ist ein Kind auch vermögensrechtlich stets seinen genetischen Eltern zugeordnet, wenn nicht die natürliche Zuordnung gesetzlich ausgeschlossen ist. Ein gesetzlicher Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung aber ist nur dann verfassungsmäßig, wenn er durch das Kindeswohl oder aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes gerechtfertigt ist. Die eingangs dieses Kapitels aufgeworfene Problematik der Auslegung des § 1589 S. 1 BGB ist demnach dahingehend zu lösen, daß sowohl die statusrechtliche als auch die natürliche Abstammung die Verwandtschaft begründen und beide nur Arten des Allgemeinbegriffs „Abstammung" sind. Ein entsprechendes Erb- und Unterhaltsrecht nach dem Vater besteht aufgrund der Erzeugung bei Geburt. Es kann aber gem. § 1600 a S. 2 BGB erst nach Feststellung der statusrechtlichen Vaterschaft geltend gemacht werden.

D. Anwendung auf die Zuordnungsgegenstände Die Zuordnungssubjekte können bei den einzelnen Zuordnungsgegenständen verschiedene sein. Dies zeigt bereits eine Betrachtung des geltenden Familienrechts: Wäre nur eine gemeinsame Zuordnung hinsichtlich aller Zuordnungsgegenstände möglich, so müßte entweder mit der statusrechtlichen Zuordnung zum festgestellten Vater auch die elterliche Sorge verbunden sein, oder es müßte sowohl die elterliche Sorge als auch das Erb- und Unterhaltsrecht gegenüber dem festgestellten Vater fortfallen. Personensorge und Erbrecht fallen jedoch bei nichtehelichen Kindern hinsichtlich des festgestellten Vaters aus Kindeswohlgründen (und damit gemäß der grundrechtlichen Zuordnungstheorie) auseinander. 12 Jede Abweichung hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstandes bedarf deshalb einer eigenen Rechtfertigung und hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf die übrigen Zuordnungsgegenstände.

π BVerfGE 74, 33 (41-43). ι 2 Zur Kindeswohlbedingtheit des Ausschlusses des Sorgerechts für den nichtehelichen Vater BVerfGE 56, 363 (387 f.).

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Kap. 6: Entwicklung einer allgemeinen Zuordnungstheorie

I I . Thesen der allgemeinen Zuordnungstheorie (1) Jeder Mensch hat ein in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verankertes Recht auf vollständige Zuordnung gemäß seiner genetischen Herkunft (natürliche Zuordnung). Vollständig ist eine Zuordnung aller Zuordnungsgegenstände zu denselben Zuordnungssubjekten. (2) Von der natürlichen Zuordnung kann verfassungsmäßig nur abgewichen werden, wenn dies aus Kindeswohlgründen oder wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich ist. (3) Jede Abweichung hinsichtlich eines Zuordnungsgegenstandes bedarf einer eigenen Rechtfertigung und hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die übrigen Zuordnungsgegenstände. Gemäß diesen Regeln sind geltende Gesetze verfassungskonform auszulegen.13 Künftiges Recht ist daran auszurichten.

!3 Denn nach BVerfGE 8,210 (221) verdient unter mehreren möglichen Auslegungen »diejenige den Vorzug, die einer Wertentscheidung der Verfassung besser entspricht."

Siebtes Kapitel

Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie auf die Zuordnung künstlich erzeugter Kinder § 17 Personenrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder Da die personenrechtliche Zuordnung sich ausnahmslos nach dem Status richtet, reicht es aus, die Auswirkungen der Zuordnungstheorie auf den Status darzustellen.

I. Primärstatus Nach dem im fünften Kapitel Dargelegten bestehen folgende Probleme statusrechtlicher Zuordnung bei Anwendung reproduktionsmedizinischer Verfahren: (1) Die Anfechtbarkeit der Ehelichkeit eines mittels heterologer Insemination erzeugten Kindes durch den konsentierenden Vater. Für die Auslegung des gegenwärtigen Rechts wurde hierzu bereits abschließend in § 9 I. A. Stellung genommen. Eine Einschränkung des Anfechtungsrechts des Ehemannes mag wegen der dort festgestellten Systemwidrigkeit zwar de lege ferenda angebracht erscheinen, ist aber nicht verfassungsrechtlich geboten. Denn Zuordnungskorrekturen sind nach dem familienrechtlichen Zuordnungssystem nicht von der Kindeswohlverträglichkeit abhängig (s. § 7 I. E. (4)). Dies ist auch nach der allgemeinen Zuordnungstheorie nicht geboten, da eine Zuordnungskorrektur keine Zuordnungsabweichung darstellt, sondern lediglich eine der natürlichen nicht entsprechende Zuordnung beseitigt. (2) Die Anfechtbarkeit der Ehelichkeit eines mittels Samenspende erzeugten Kindes durch das Kind (s. o. § 9 I. B.). Zwar ist das Kind nach seiner Volljährigkeit nicht nur bei Vorliegen eines der in § 1596 Abs. 1 BGB enumerativ aufgeführten Gründe anfechtungsberechtigt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes (die insoweit gem. § 31 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft hat) hat das Kind aber nur dann über diese Gründe hinaus von Verfassungs wegen ein Anfechtungsrecht, „wenn eine Gefährdung der Ehe oder des Familienfriedens nicht zu erwarten ist und deshalb der Schutz von Ehe und Familie den Ausschluß des Anfechtungsrechts selbst bei Berücksichtigung eines abstrakten Gefährdungsprinzips nicht trägt." 1 Zu klären bleibt jedoch, ob die Zuordnungsthe1 BVerfG NJW 1989, S. 891 (892).

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

orie nicht auch dann eine Anfechtungsmöglichkeit verfassungsrechtlich gebietet, wenn nach Volljährigkeit des Kindes eine Gefährdung des Familienfriedens bzw. der Ehe der bisherigen statusrechtlichen Eltern nicht auszuschließen ist, insbesondere die bisherigen Eltern mit der Anfechtung nicht einverstanden sind. (3) Die statusrechtliche Zuordnung eines nach Eispende oder Fremdembryonentransfers erzeugten Kindes (s. a. § 10 I.). A. Zuordnungskorrektur durch ein heterolog erzeugtes Kind Die bisherige Anfechtungsmöglichkeit der Ehelichkeit durch das Kind ist in § 1596 Abs. 1 BGB ebenso wie in der Ausweitung durch das Bundesverfassungsgericht 2 beschränkt, um eine Störung des Familienfriedens der bisherigen Eltern zu verhindern und deren Ehe nicht zu gefährden. 3 Die Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit des Kindes stellt allerdings einen Eingriff in dessen Recht auf natürliche Zuordnung dar. Ein der natürlichen Zuordnung entsprechender Zustand hat nämlich nach § 1593 BGB die vorherige Zuordnungskorrektur zur Voraussetzung. Es fragt sich, ob die Anfechtungsbeschränkung der Zuordnungstheorie gemäß durch das Kindeswohl oder den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt ist. Durch das Kindeswohl ist sie nicht gerechtfertigt, denn das anfechtende Kind kann bei Volljährigkeit frei entscheiden, welche ihm gut erscheinenden Möglichkeiten es wählt. Es bedarf dazu kraft voll entwickelter Entschließungsfähigkeit keines Schutzes vor sich selbst. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz vermag die Einschränkung des Anfechtungsrechts nicht etwa mit dem Argument zu rechtfertigen, natürlich gezeugte Kinder hätten oft keine Möglichkeit, ihre Ehelichkeit anzufechten. Die Besonderheit bei der artifiziellen heterologen Befruchtung besteht gerade darin, daß mit ihr geplant eine Zuordnungsabweichung vorgenommen wurde. 4 Das ist bei natürlicher Zeugung regelmäßig nicht der Fall, und wo es der Fall ist, nicht nachweisbar. Schließlich ist Art. 6 Abs. 1 GG, der die Ehe und Familie der (bisherigen) statusrechtlichen Eltern schützt, kein hinreichender Rechtfertigungsgrund für die Versagung der Zuordnungskorrektur durch das Kind. Die bisherigen Eltern haben die sie durch die mögliche Anfechtung belastende Situation selbst bewußt dadurch herbeigeführt, daß sie schon bei, ja vor der Erzeugung des Kindes die Zuordnungsabweichung geplant und die natürliche Zuordnung verhindert haben. Sie können sich deshalb bei dem Vorhaben des Kindes, mittels Zuordnungskorrektur eine der natürlichen entsprechende Zuordnung zu erreichen, nicht zu Lasten des Kindes auf Art. 6 Abs. 1 2 BVerfG NJW 1989, S. 891 (892 f.). 3 BT-Drs. III/530, S. 14 f.; Soergel / Gaul, § 1596 Rz. 1. 4 Mansees in: 56. DJT, S. Κ 121 f. Die Besonderheit der Planung der Zuordnungsabweichung verkennt MK / Mutschier, § 1596 Rz. 1, der meint, ein allgemeines Anfechtungsrecht des Kindes bei heterologer Insemination „liefe . . . auf eine Überbewertung der im Gesetz tendenziell stark betonten biologischen Seite heraus und ist daher abzulehnen."

§ 1

e r n r e c h t l i c h e Zuordnung künstlich erzeugter

K i n d e r 1 4 3

GG berufen. Die betroffenen Eltern können versuchen, die für sie durch die Anfechtung schwierige, aber bereits vor der Erzeugung des Kindes absehbare Situation zu meistern und die Probleme aufzufangen, die sie letztlich selbst verursacht haben. Das Kind hingegen ist von Beginn seiner Existenz an ungefragt, aber von Dritten geplant, der natürlichen Zuordnung entzogen worden. Die Anwendung der Zuordnungstheorie führt damit zu dem Schluß, daß dem heterolog erzeugten Kind in jedem Fall ein Anfechtungsrecht zusteht, das es ab seiner Volljährigkeit selbst ausüben kann.5 Die Beschränkung der Anfechtbarkeit durch § 1596 Abs. 1 BGB ist damit über die vom Bundesverfassungsgericht dargelegten Fälle hinaus insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verfassungswidrig, als sie heterolog erzeugten Kindern nicht in jedem Fall ein Anfechtungsrecht einräumt. Der Gesetzgeber ist deshalb gehalten, den mittels Samenspende erzeugten Kindern etwa durch Erweiterung des Kataloges des § 1596 Abs. 1 BGB eine Zuordnungskorrektur zu ermöglichen.

B. Statusrechtliche Zuordnung bei Verschiedenheit von genetischer und biologischer Mutter 1. Begründung des Primärstatus durch Geburt Das Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft scheint zunächst für die statusrechtliche Zuordnung zur Eispenderin zu sprechen. Da es allerdings, wie bereits in § 101. B. angeführt, gewichtige Gründe für eine statusrechtliche Zuordnung allein zur biologischen Mutter gibt, ist zu überlegen, ob letztere Möglichkeit nicht eher dem Kindeswohl gerecht wird, als die gemäß der genetischen Herkunft. Würde das Kind nach der Geburt der genetischen Mutter zugeordnet werden und sie folglich auch die Personensorge erhalten (§ 1705 S. 1 BGB), so bedeutete dies eine Zuordnungsabweichung für das Kind. Mit der Implantation in den Uterus der biologischen Mutter wurde aber bereits eine tatsächliche Zuordnungsabweichung vorgenommen. Eine nunmehr nach der Geburt erfolgende Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft wäre keine natürliche Zuordnung. Mit ihr würde lediglich eine hinsichtlich der Subjekte der natürlichen entsprechende hergestellte Zuordnung herbeigeführt. Diese Zuordnungsveränderung aber bedürfte einer Rechtfertigung durch das Kindeswohl. Die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zur genetischen Mutter würde nur durch eine Entfernung von der biologischen Mutter nach der Geburt realisiert werden können. Zur biologischen Mutter hat das Kind allerdings während der Schwangerschaft eine innere, seelische Beziehung aufgebaut. 6 Die Aufrechterhaltung dieser perso5

So auch der Beschluß der zivilrechtlichen Abteilung des 56. DJT III. 11. in: 56. DJT, S. Κ 237, mit dem der auf S. Κ 121 f. begründete Antrag des Verfassers angenommen wurde. 6 s. o. § 14 I. B. 2.

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

nalen Beziehung ist für die Entwicklung des Kindes von großer Bedeutung.7 Eine Entfernung von der biologischen Mutter entspricht daher regelmäßig nicht dem Kindeswohl. Damit würde die statusrechtliche Zuordnung zur genetischen Mutter eine Zuordnungsveränderung darstellen, die nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt ist. Auch eine Rechtfertigung aus Gleichbehandlungsgründen ist nicht denkbar. Also erfolgt die statusrechtliche Zuordnung bei Verschiedenheit von genetischer und biologischer Mutterschaft nicht gemäß der genetischen Herkunft. Damit kommt nur noch eine Doppelzuordnung oder alleinige statusrechtliche Zuordnung zur biologischen Mutter in Betracht. Eine Doppelmutterschaft widerspräche mehr noch als die Zuordnung zur genetischen Mutter dem Kindeswohl. Das Kind wäre aufgrund des Sorgerechts sowohl der genetischen, als auch der biologischen Mutter ständig hin- und hergerissen, zumal in der Regel die Interessen der Eispenderin und der biologischen Mutter gegenläufig sein dürften. Also ist das Kind statusrechtlich der biologischen Mutter zuzuordnen. Mit der Entscheidung für die alleinige Zurodnung zur biologischen Mutter wird nicht der grundsätzliche Vorrang der natürlichen Zuordnung geleugnet, sondern allein aus Kindeswohlgründen eine weitere Zuordnungsveränderung für das Kind vermieden. Deswegen ist auch die für eine Doppelmutterschaft angeführte Argumentation, jede einseitige Zuordnung zur genetischen oder biologischen Mutter würde entweder den genetischen oder den pränatalen Faktor bei der Entfaltung des Kindes vernachlässigen, nicht überzeugend.8 Mit der statusrechtlichen Zuordnung wird nicht entschieden, welche der beiden Faktoren, genetische Herkunft oder pränatale Entwicklung, gewichtiger für das Kind ist. Vielmehr wird eine dem Kindeswohl voraussichtlich am ehesten entsprechende Zuordnung ermöglicht. Allein das Kindeswohl kann ausschlaggebend für die gesamte personenrechtliche Zuordnung sein. Also ist nur die Frau, die das Kind geboren hat, die statusrechtliche Mutter des Kindes. 9

7 s. o. § 14 I. C. 8 Selb, S. 76, dagegen auch Bernat in: Bernat, S. 125 (163). 9 Im Ergebnis ebenso Coester-Waltjen in: 56. DJT, S. Β 82 f.; Bernat, MedR 1986, S. 245 (251 f.); Harder, JuS 1986, S. 505 (508); Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555); Benda-Bericht in: Gentechnologie 6, S. 19; Knöpfel, FamRZ 1983, S. 317 (322); MK / Mutschier, § 1589 Rz. 1 a. E.; Soergel / Gaul, § 1589 Rz. 39 spricht von einer „tatsächlichen Vermutung", die beim FET dazu führe, daß das Kind „nach der Geburt vorläufig der austragenden Frau zugeordnet" sei (Rz. 46).

§1

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2. Keine Beseitigung der statusrechtlichen Zuordnung zur biologischen Mutter durch Anfechtung der Ehelichkeit bzw. der Mutterschaft Im Schrifttum wird erwogen, de lege lata analog § 1594 Abs. 1 BGB bei Auseinanderfallen von genetischer und biologischer Mutterschaft eine Anfechtung der Mutterschaft durch die biologische Mutter anzunehmen.10 Damit wäre die Möglichkeit eröffnet, die genetische Mutter auch als statusrechtliche Mutter festzustellen. Dies sei wegen Art. 3 Abs. 1 und 2 GG geboten. Ebenso wie der Scheinvater müsse die „Scheinmutter" die Möglichkeit haben, sich von einem Kind zu trennen, das genetisch nicht von ihr abstammt. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die generelle Möglichkeit einer Mutterschaftsanfechtung für die biologische Mutter die Möglichkeit schaffen würde, sich bei Nichtgefallen vom Kind zu lösen, ohne daß sogleich eine dem Kindeswohl entsprechende neue Zuordnung eintritt. Auch könnten Fremdmutterschaftsvereinbarungen ohne vormundschaftsgerichtliche Überprüfung und Entscheidung allein mittels Anfechtung durch die Fremdmutter und Anerkennung der Mutterschaft durch die genetische Mutter erfolgen. Daß eine solche Zuordnungsveränderung von Kindeswohlerwägungen getragen ist, ist deshalb nicht gewährleistet. Deshalb wird auch von den Befürwortern der Anfechtbarkeit der Mutterschaft dieses Recht auf die Fälle beschränkt, in denen die biologische Mutter nicht der Implantation eines genetisch fremden Embryos bzw. einer fremden Eizelle zugestimmt hat. 11 Ist der biologischen Mutter etwa durch Irrtum des fertilisierenden oder implantierenden Arztes ein Embryo implantiert worden, das aus dem Ei einer anderen Frau stammt, stelle sich die Frage nach der Anfechtbarkeit der Mutterschaft bzw. der Ehelichkeit des Kindes durch die Gebärende. 12 Hier liegt es für die betreffende Frau ähnlich wie für den Mann, dessen Ehefrau ein Kind gebiert, das ohne sein Wissen nicht von ihm stammt. In diesem Fall kann der Ehemann die Ehelichkeit deshalb anfechten, weil er zur Existenz des Kindes nichts beigetragen hat. So könnte es auch hier sein. Der Frau wurde ein Kind „aufgezwungen" und ihr zugeordnet, das nicht von ihr stammt und von dessen fremder genetischer Herkunft sie nichts wußte. Doch ist die Situation insofern anders als die des Scheinvaters, als die biologische Mutter jedenfalls damit eine Bedingung für die Existenz des Kindes gesetzt hat, daß sie den Embryo sich hat einpflanzen lassen, den Fötus ausgetragen und geboren hat. Die Einpflanzung des Embryos aber geschah mit Zustimmung der betroffenen Frau. Sie wußte, daß sie daraufhin möglicherweise ein Kind gebären wird. Der Ehemann eines 10 Coester-Waltjen, FamRZ 1984, S. 230 (233); Knöpfel, FamRZ 1983, S. 317 (322). 11 In den anderen Fällen, also wenn die Frau mit dem FET oder der Einführung einer anderen Einzelle einverstanden war, wird die Ausübung des Anfechtungsrechts für rechtsmißbräuchlich gehalten, Kollhosser, JA 1985, S. 553 (555 f.); Harder, JuS 1986, S. 505 (509); Bernat in: Bernat, S. 125 (166 f.). 12 So noch Mansees in: 56. DJT, S. Κ 185 f.; Bernat in: Bernat, S. 125 (167); letzterer, wie numehr auch der Verfasser, inzwischen ablehnend, MedR 1986, S. 245 (252). 10 Mansees

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

„scheinehelichen" Kindes hingegen hat regelmäßig überhaupt keine Bedingung für die Existenz oder die pränatale Entfaltung des Kindes gesetzt. Nur aus diesem Grund wird auf seinen Antrag hin eine Zuordnungskorrektur vorgenommen. Dies spricht dagegen, eine der Vaterschaftsanfechtung vergleichbare Lage anzunehmen. Hinzu kommt, daß die Mutterschaftsanfechtung für das Kind andere, schwerwiegendere Folgen als die Anfechtung der Vaterschaft hätte. Eine schwerwiegende Folge wäre, daß mit der Beendigung der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes zur biologischen Mutter diese die elterliche Sorge verlieren würde. Da der Ehemann der biologischen Mutter nur aufgrund der Vermutungen des § 1591 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 1593 BGB dem Kind statusrechtlich zugeordnet wird, wäre das Kind nunmehr statusrechtlich niemandem zugeordnet. 13 Diese Situation ist nicht mit der vergleichbar, daß die Mutter eines nichtehelichen Kindes, das keinem Mann zugeordnet ist, oder die Eltern eines ehelichen Kindes sterben. Zwar ist es in diesem Falle auch so, daß das Kind personensorgerechtlich niemandem zugeordnet ist. Es erhält dann gem. § 1773 Abs. 1 BGB einen Vormund. Doch war das Kind in diesen Fällen bei seiner Geburt statusrechtlich zumindest der Mutter zugeordnet und erlischt die Personensorge nicht aufgrund eines Willensentschlusses des Sorgeberechtigten, sondern schicksalhaft durch Tod. Zwar ruht auch die elterliche Sorge der primärstatusrechtlichen Eltern gem. § 1751 Abs. 1 S. 1 BGB aufgrund Willensentschlusses, wenn diese ihr Kind zur Adoption freigeben. Doch dies nur deshalb, um eine Störung durch sie bei der Anbahnung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu verhindern, das eine durch vormundschaftsgerichtliche Entscheidung erfolgende Adoption ermöglicht. Die Auswahl der späteren Annehmenden, die das Kind zunächst in Pflege nehmen, obliegt dabei in der Regel dem Jugendamt. Dabei werden in allererster Linie Kindeswohlgründe berücksichtigt. In diesem zudem staatlich überwachten Verfahren steht das Kindeswohl im Mittelpunkt. Gerade das unterscheidet diese Sorgerechtsausübungssperre von der Beendigung des Sorgerechts, die eine Mutterschaftsanfechtung zur Folge hätte. Letztere erfolgte weder aus Kindeswohlgründen noch ginge sie unbedingt lückenlos in eine Pflegschaft mit anschließender kindeswohlbedinger Adoption über. Eine Beendigung der elterlichen Sorge aufgrund des Entschlusses eines Elternteils ist im Gesetz nur für den Fall der Anfechtung durch den „Scheinvater" vorgesehen. Dabei behält jedoch die Mutter die elterliche Sorge. Sie steht ihr gem. § 1705 S. 1 BGB mit Wirksamkeit der Anfechtung allein zu. Auch bei Einwilligung in die Annahme des Kindes verlieren die Einwilligenden nicht die elterliche Sorge, sie ruht lediglich gem. § 1751 Abs. 1 S. 1 BGB und ist nach § 1751 Abs. 3 BGB ggf. zurückzuübertragen. Also kennt 13 Diese Folge der Mutterschaftsanfechtung sucht Soer gel / Gaul, § 1591 Rz. 45, dadurch zu vermeiden, daß er die Möglichkeit einer isolierten Zuordnungskorrektur im Wege einer negativen Feststellungsklage (oder der Mutterschaftsanfechtung analog §§ 1594 ff. BGB (Rz. 39)) verwirft, und stattdessen nur eine positive „Mutterschaftsfeststellungsklage" der genetischen Mutter für zulässig hält (Rz. 43, 44).

§ 17 Personenrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder

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das Gesetz ein Beenden jeglicher sorgerechtlicher Zuordnung eines Kindes allein bei Tod der Sorgeberechtigten als schicksalbedingtes Ereignis sowie in bestimmten Fällen ein Ruhen der elterlichen Sorge. Eine Ausnahme läßt das Gesetz nur nach § 1666 BGB bei Versagen der Eltern zu. Hierzu bedarf es eines vormundschaftsgerichtlichen Beschlusses. Die Herbeiführung einer Sitution, bei der das Kind sorgerechtlich keinem zugeordnet ist, durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung des zuvor Sorgeberechtigten ist dem Gesetz fremd. Sie entspricht auch nicht dem Kindeswohl. Würde eine Anfechtung der Mutterschaft möglich sein, so müßte auch eine Feststellung der Mutterschaft erfolgen können. Als Mutter wäre dann die Frau festzustellen, die die Mutterschaft anerkennt oder deren Mutterschaft gerichtlich festgestellt würde. Die Anerkennung könnte durch jede Frau erfolgen, allerdings müßte das Kind, vertreten durch den Vormund, der Anerkennung zustimmen. Damit wäre eine Berücksichtigung des Kindeswohls gewährleistet. Müßte allerdings eine Feststellung analog § 1600 η Abs. 1 BGB erfolgen, so wäre das Kind der Frau, von der es genetisch abstammt, statusrechtlich zuzuordnen, ob dies dem Kindeswohl entspricht oder nicht. Damit würde die Anfechtung der Mutterschaft die Möglichkeit eröffnen, eine sorgerechtliche Zuordnungsveränderung herbeizuführen, die nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt wäre. 14 Dies widerspricht dem mit der Zuordnungstheorie entwickelten allgemeinen Zuordnungssystem des geltenden Rechts. Deshalb kann eine Mutterschaftsanfechtung ebensowenig wie eine statusrechtliche Feststellung der Mutterschaft entsprechend der Vaterschaftsanfechtung und -feststellung erfolgen. 15

I I . Sekundärstatus Soweit bei einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme, namentlich der Fremdmutterschaft, eine Ehelicherklärung auf Antrag des Wunschvaters oder eine Adoption durch die Wunscheltern erfolgen, bedürfen sie als Zuordnungsveränderungen einer Rechtfertigung durch das Kindeswohl. Diese aber ist bei einer Fremdmutterschaft regelmäßig nicht gegeben.16 Deshalb hat das Vormundschaftsgericht solchen Anträgen nicht zu entsprechen. 17 Auf keinen Fall besteht seitens der Wunscheltern ein Anspruch darauf.

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Das ist der Konzeption von Soergel I Gaul (s. o. Fn. 13) entgegenzuhalten. Im Ergebnis ebenso Chwolik-Lanfermann in: 56. DJT, S. Κ 184. 16 Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (496-498). π Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (500 f.). 15

10*

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

§ 18 Vermögensrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder I. Unterhaltsrecht Das Unterhaltsrecht folgt zunächst der statusrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung. Darüber hinaus besteht auch ein gesetzliches Unterhaltsverhältnis zwischen dem Kind und dem statusrechtlich nicht festgestellten Vater bzw. der Eispenderin aufgrund natürlicher Zuordnung, soweit es nicht ausgeschlossen ist. Ein gesetzlicher Ausschlußgrund ist nur dann verfassungsmäßig, wenn er aus Gründen des Kindeswohls oder des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten ist.

A. Ausschluß der Geltendmachung der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung zum nicht festgestellten Erzeuger des Kindes Obschon nach der allgemeinen Zuordnungstheorie das Kind gem. §§ 1589 S. 1, 1601 BGB zu seinem Erzeuger aufgrund natürlicher Zuordnung in einem Unterhaltsverhältnis steht, können Ansprüche daraus gem. § 1600 a S. 2 BGB erst nach statusrechtlicher Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden. Davor kann das Kind vom genetischen Vater und ein Mann von einem Kind, das mit seinem Samen erzeugt wurde, keinen Unterhalt verlangen. Es fragt sich jedoch, ob dieser Ausschluß der Geltendmachung der natürlichen Zuordnung dem Kindeswohl entspricht oder aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes geboten ist. Dies ist dann der Fall, wenn entweder das Kind mit einem derartigen Ausschluß der Geltendmachung sich nicht schlechter steht, als ohne diesen Ausschluß, oder die Schlechterstellung gerechtfertigt ist. 1. Geltende Rechtslage Nach der geltenden Rechtslage ist die unterhaltsrechtliche Situation des Kindes aufgrund des § 1600 a S. 2 BGB folgendermaßen: (1) Ist das Kind einem anderen Mann als seinem Erzeuger statusrechtlich zugeordnet, so kann das Kind vom vorläufigen statusrechtlichen Vater bis zur Beendigung der statusrechtlichen Zuordnung Unterhalt gem. § 1601 BGB verlangen. Allerdings ist ihm die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem natürlichen Unterhalts Verhältnis zwischen ihm und dem Erzeuger nach § 1600 b Abs. 3 bzw. § 1593 i. V. m. § 1600 a S. 2 BGB verwehrt. Dies stellt für das Kind eine Schlechterstellung dar. Diese Schlechterstellung wird nur im Falle der Zuordnungskorrektur ausgeglichen. Nach einer erfolgreichen Anfechtung und Feststellung der Vaterschaft des Erzeugers kann das Kind nämlich von diesem nicht nur gem. §1601 BGB Unterhalt für die Zukunft, sondern gem. § 1615 d BGB auch für

§ 18 Vermögensrechtliche Zuordnung künstlich erzeugter Kinder

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die Vergangenheit verlangen. 1 Zwar kann der nunmehr als Vater festgestellte Erzeuger vom Anfechtenden, im Falle der Anfechtung durch das Kind vom Anfechtungsgegner, für den bisher geleisteten Unterhalt gem. § 1615 b Abs. 1 S. 1 BGB in Regreß genommen werden. Doch berührt das inbesondere wegen § 1615 b Abs. 1 S. 2 BGB die vermögensrechtliche Position des Kindes nicht. Folglich führt § 1600 a S. 2 BGB in den Fällen zu einer Schlechterstellung, in denen das Kind einem anderen als dem Erzeuger statusrechtlich zugeordnet wird, ohne daß später eine Zuordnungskorrektur mit anschließender Feststellung des Erzeugers als Vater erfolgt. (2) Ist das Kind bei seiner Geburt keinem Mann statusrechtlich zugeordnet, so kann das Kind nach der Feststellung der Vaterschaft des Erzeugers Unterhalt für die Zukunft verlangen und gem. § 1615 d BGB auch für die Vergangenheit. In diesem Fall ist keine Schlechterstellung des Kindes durch § 1600 a S. 2 BGB zu erkennen. (3) Unterhaltsansprüche des genetischen Vaters gegen das Kind können nur nach Feststellung der Vaterschaft geltend gemacht werden. Die Feststellung kann bei einer Anerkennung der Vaterschaft gem. § 1600 a S. 1 BGB aufgrund einer einseitigen rechtsgeschäftlichen Erklärung des Anerkennenden erfolgen, bedarf aber gem. § 1600 c Abs. 1 BGB der Zustimmung des Kindes. Liegt der Tatbestand des § 1593 BGB vor oder hat bereits ein anderer Mann wirksam die Vaterschaft anerkannt (§ 1600 b Abs. 3 BGB), kann trotz bestehender natürlicher Zuordnung der genetische Vater keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kind geltend machen. Die darin liegende Beschränkung der natürlichen Zuordnung führt zur Vermeidung einer Inanspruchnahme des Kindes sowohl durch den genetischen als auch durch den statusrechtlichen Vater. Die Vermeidung einer doppelten Unterhaltslast aber mindert die vermögensrechtliche Belastung des Kindes. Sie stellt also keine Schlechterstellung für das Kind dar. (4) Stirbt der „Scheinvater", ohne daß die Ehelichkeit bzw. die Vaterschaft angefochten wurde, so erlischt mit dem Tod das Unterhalts Verhältnis. Ansprüche aus dem zwischen dem genetischen Vater und dem Kind bestehenden Unterhaltsverhältnis können vom Kind nur dann geltend gemacht werden, wenn es die Ehelichkeit bzw. die Vaterschaft wirksam anficht. Sind die Anfechtungsfristen bei Tod des statusrechtlichen Vaters (§§ 1596 Abs. 2,1598,1600 i Abs. 1 BGB) abgelaufen, ist dem Kind die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den genetischen Vater für immer verwehrt. Das Kind steht sich dann unterhaltsrechtlich schlechter, als wenn es § 1600 a S. 2 BGB nicht gäbe. Schlechterstellungen des Kindes durch § 1600 a S. 2 BGB sind also gegeben, wenn das Kind einem anderen als dem Erzeuger statusrechtlich zugeordnet ist 1 Allerdings besteht bei Unterhaltsansprüchen des Kindes für die Vergangenheit gem. § 1615 i Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Stundung und gem. Abs. 2 des Erlasses.

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

und keine Zuordnungskorrektur mit Feststellung der Vaterschaft des Erzeugers erfolgt, insbesondere bei Tod des „Scheinvaters" ohne Zuordnungskorrekturmöglichkeit. 2. Rechtfertigung der Schlechterstellung Eine Schlechterstellung ist nach der allgemeinen Zuordnungstheorie nur dann verfassungsmäßig, wenn sie durch das Kindeswohl oder den Gleichbehandlungsgrundsatz gerechtfertigt ist. 2 a) Schlechterstellung

bei Anerkennung durch einen anderen als den Erzeuger

Ist ein nichteheliches Kind kraft Anerkennung der Vaterschaft einem anderen Mann statusrechtlich zugeordnet, so muß es bzw. sein gesetzlicher Vertreter dem gem. § 1600 c Abs. 1 BGB zugestimmt haben. Hat es trotz Abweichung der statusrechtlichen von der natürlichen Zuordnung die Vaterschaft nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (§ 1600 i Abs. 1 BGB) angefochten, so hat das Kind bzw. dessen gesetzlicher Vertreter damit auf die Zuordnung zum genetischen Vater verzichtet, weil ihm an einer solchen zum Anerkennenden mehr lag. Das kann aber nur der Fall gewesen sein, weil dies dem Kindeswohl eher entsprach, als die Zuordnung zum genetischen Vater. Ständen dem Kind jetzt dennoch gleichzeitig zwei Unterhaltsverpflichtete zur Auswahl, ohne daß eine Inanspruchnahme des zweiten (des genetischen) Vaters dadurch gerechtfertigt wäre, daß wegen Irrtums des Kindes bei der Zustimmung zur Anerkennung die statusrechtliche Zuordnung korrigiert werden müßte, verstieße das gegen Art. 6 Abs. 5 GG. 3 Denn in diesem Fall würden nichteheliche den ehelichen Kindern gegenüber bevorzugt: während eheliche Kinder außer bei einer Zuordnungskorrektur gem. § 1596 BGB ihre vermögensrechtliche Zuordnung nicht wählen können, könnten es nichteheliche Kinder hinsichtlich der vermögensrechtlichen Zuordnung zu einem Mann. Folglich ist der Ausschluß der Geltendmachung der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung des Kindes bei Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen als den Erzeuger durch den Gleichheitsgrundsatz gerechtfertigt. b) Schlechterstellung

bei Tod des „Scheinvaters"

Stirbt der Ehemann der Kindesmutter und sind die Fristen für die Anfechtung der Ehelichkeit abgelaufen, ohne daß die Anfechtung wirksam erfolgte, so ist das Kind endgültig (unanfechtbar) eheliches Kind des Verstorbenen. Würde es nun, nachdem es bislang Unterhalt vom nunmehr Verstorbenen erhalten hat, 2 s. o. § 16 II. 3 Zur Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 5 GG s. o. § 15 Fn. 7.

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zukünftig Unterhalt vom Erzeuger erhalten können, stände es sich besser als andere eheliche Kinder. Andere eheliche Kinder können nämlich nach dem Tod ihres statusrechtlichen Vaters nicht auf einen anderen Mann als Unterhaltsverpflichteten zurückgreifen. Eine Bevorzugung „scheinehelicher" gegenüber anderen Kindern widerspräche daher dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Also ist die durch § 1600 a S. 2 BGB eintretende Schlechterstellung des „scheinehelichen" Kindes bei Tod des statusrechtlichen Vaters gerechtfertigt. 3. Ergebnis § 1600 a S. 2 BGB führt in einigen Fällen nicht zu unterhaltsrechtlicher Schlechterstellung des Kindes. In den übrigen Fällen ist der Ausschluß der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung gerechtfertigt. Damit ist § 1600 a S. 2 BGB nicht wegen Unvereinbarkeit mit dem Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung verfassungswidrig. Also gilt auch für auf nicht-natürlichem Wege erzeugte Kinder, daß eine unterhaltsrechtliche Zuordnung zum Vater nur gemäß der statusrechtlichen Zuordnung erfolgt.

B. Kein Ausschluß der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung zur Eispenderin Einen gesetzlichen Ausschlußgrund für das Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses zwischen der Eispenderin und dem von einer anderen Frau geborenen Kind gibt es de lege lata nicht. Auch ist die Geltendmachung des natürlichen Unterhaltsverhältnisses nicht ausgeschlossen. Denkbar wäre allenfalls eine analoge Anwendung des § 1600 a S. 2 BGB. Allerdings nur dann, wenn die Mutterschaft der biologischen Mutter anfechtbar und damit Raum für eine Feststellung der genetischen Mutter gegeben wäre. Das aber ist, wie oben dargelegt wurde, nicht der Fall. Eine Analogie ist auch nicht durch Art. 3 Abs. 1 oder Abs. 2 GG etwa deshalb geboten, weil eine Eispenderin gegenüber dem Samenspender, der dem Kind ebenfalls nicht statusrechtlich zugeordnet ist, in vermögensrechtlicher Hinsicht benachteiligt wird. Denn für die Ungleichbehandlung gibt es einen sachlichen Grund. Dieser liegt darin, daß eine Mutterschaft der genetischen Mutter im Gegensatz zur Vaterschaft nicht festgestellt werden kann, weil eine Primärzuordnung mütterlicherseits ausschließlich zur biologischen Mutter möglich ist. 4 Die natürliche Zuordnung zur genetischen Mutter erfolgt ebenso wie die hergestellte zur biologischen Mutter ohne Zutun des Kindes. Beide sind keiner Zuordnungskorrektur zugänglich.5 Damit liegt die Situation anders als 4 s.o. § 17 I. B. 1. 5 s. o. § 17 I. B. 2.

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bei der unterhaltsrechtlichen Zuordnung des Kindes zu einem Mann: Bei letzterer ist ein Ausschluß der natürlichen Zuordnung, soweit er aufgrund § 1600 a S. 2 BGB erfolgt, deswegen gerechtfertigt, weil das Kind anderenfalls ein Wahlrecht mit der möglichen Folge einer kumulativen unterhaltsrechtlichen Zuordnung erhielte und dies dem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspräche. 6 Bei der unterhaltsrechtlichen Doppelzuordnung zur Eispenderin und zur genetischen Mutter hat das Kind hingegen kein Wahlrecht. Diese Konstellation ergibt sich vielmehr aus der Besonderheit der tatsächlichen Zuordnungsabweichung aufgrund Ei- bzw. Fremdembryonentransfer. 7 Folglich besteht zwischen dem Kind und der genetischen Mutter ein gesetzliches Unterhaltsverhältnis, das auch ohne vorherige statusrechtliche Feststellung geltend gemacht werden kann. Beendet wird es erst gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Adoption durch einen anderen. Dabei kann zwar die unverheiratete biologische Mutter das Kind adoptieren, nicht aber die verheiratete, da das Kind bereits mit der Geburt ihr eheliches Kind ist.

C. Ausschluß der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung bei Adoption Mit dem Annahmebeschluß enden bei der Adoption eines Minderjährigen die Unterhaltsverhältnisse zu seinen früheren statusrechtlichen und auch zu den genetischen Eltern, falls diese von den primär-statusrechtlichen verschieden sind. Dies ergibt sich aus § 1755 Abs. 1 S. 1 und 2 letzter Halbs. BGB. Damit erlöschen, da § 1589 S. 1 BGB die natürliche und die hergestellte Abstammung umfaßt, die natürliche und die primärstatusrechtliche Zuordnung. Doch fragt es sich, ob die Beendigung auch der vermögensrechtlichen natürlichen Zuordnung gerechtfertigt ist. Sie ist es deshalb, weil die Adoption um des Kindeswohles willen erfolgt. Vor allem würden anderenfalls Kinder, die kraft Adoption eheliche Kinder wurden, anderen ehelichen Kindern gegenüber bevorzugt. 8 Mit der Volladoption soll das Kind aber so behandelt werden, als sei es ein ehelich von den Annehmenden geborenes Kind. Dies kommt auch in § 1758 Abs. 1 BGB zum Ausdruck. Somit ist die Beendigung der natürlichen unterhaltsrechtlichen Zuordnung durch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Zudem kann in der Zustimmung des Kindes zur Annahme ein Verzicht auf die vermögensrechtliche natürliche Zuordnung gesehen werden. Denn die Annahme erfolgt regelmäßig in Kenntnis des Erlöschens früherer verwandtschaftlicher Zuordnungen und der daraus resultierenden vermögensrechtlichen Folgen. Hätte das Kind auf keinen Fall auf die natürliche und die primärstatusrechtliche Zuordnung verzichten wollen, so hätte es die Möglichkeit gehabt, der Annahme nicht zuzu6 s. ο. A. 2. 7 Mansees, FamRZ 1986, S. 756 (759). » Erman / Holzhauer, § 1755 Rz. 2.

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stimmen. Also ist die Beendigung der vermögensrechtlichen Zuordnung bei einer Minderjährigenadoption gem. § 1755 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

I I . Gesetzliches Erbrecht Wie das Unterhalts-, so folgt auch das gesetzliche Erbrecht zunächst der statusrechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung. Daneben besteht ein gesetzliches Erbrecht aufgrund natürlicher Zuordnung zu den von den statusrechtlichen verschiedenen Eltern, wenn es nicht gesetzlich ausgeschlossen ist.

A. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts des Kindes nach einem Mann 1. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts eines nichtehelichen Kindes nach seinem festgestellten Vater Aufgrund seiner statusrechtlichen Zuordnung ist ein nichteheliches Kind gesetzlicher Erbe erster Ordnung seines Vaters gem. § 1924 Abs. 1 BGB, es sei denn, auch die Ehefrau oder eheliche Abkömmlinge beerben den Erblasser. Dann ist nach § 1934 a Abs. 1 BGB das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes ausgeschlossen, an seine Stelle tritt ein schuldrechtlicher Erbersatzanspruch gegen den oder die Erben in Höhe des Werte seines Erbteils. In dieser Zurücksetzung als gesetzlicher Erbe ist eine Benachteiligung des nichtehelichen Kindes zu erkennen, dem damit sein statusrechtlich begründetes Erbrecht genommen wird. Allerdings ist diese Benachteiligung nicht wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 GG verfassungswidrig, denn sie ist gerechtfertigt durch die Grundrechte Dritter, und zwar der Familie des Erblassers auf Schutz der Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG. 9 Die Ausgestaltung des gesetzlichen Erbrechts des nichtehelichen Kindes als Erbersatzanspruch stellt für das Kind keinen Vermögensnachteil dar; es ist lediglich seiner Gestaltungs- und Mitwirkungsrechte als Miterbe der Erbengemeinschaft des Erblassers enthoben. Die Wahrnehmung dieser Rechte könnte die Familie des Erblassers stören, für die das Kind ein völlig Fremder ist. 10 Anders als etwa der Samenspender, ist sie nicht verantwortlich für die Existenz des Kindes, so daß sie das Grundrecht des Schutzes ihrer Familie durchaus für sich in Anspruch nehmen kann. Der Ausschluß mancher nichtehelicher Kinder vom gesetzlichen Erbrecht gem. § 1934 a Abs. 1 BGB ist also gerechtfertigt.

9 StaudJ Werner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 29, 30; Erman / Schlüter, § 1934 a Rz.6. Bedenken hingegen äußern Soergel / Stein, Vor § 1934 a Rz. 5 und MK I Leipold, § 1934 a Rz. 7, der jedoch die Benachteiligung nichtehelicher Kinder durch § 1934 a BGB letztlich wegen Art. 6 Abs. 1 GG für gerechtfertigt hält (Rz. 10). 10 StaudJWerner, Vorbem. zu §§ 1924-1936 Rz. 30.

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

2. Ausschluß der Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts eines Kindes zum nicht festgestellten Vater Aufgrund der natürlichen Zuordnung ist ein Kind gesetzlicher Erbe seines Erzeugers, bei heterologer Insemination oder Fremdembryonentransfer also des Samenspenders. Sein Erbrecht kann das Kind allerdings gem. § 1600 a S. 2 BGB erst dann geltend machen, wenn die statusrechtliche Vaterschaft des Erblassers festgestellt wurde. Ob dies vor oder nach dem Tod des Erblassers erfolgt, ist dabei ohne Bedeutung; § 1934 c BGB ist nichtig. 11 Ist das Kind unanfechtbar eheliches Kind des Ehemannes seiner Mutter, kann es sein gesetzliches Erbrecht bzw. seinen Erbersatzanspruch wegen § 1600 a S. 2 BGB überhaupt nicht mehr geltend machen. Dies wirkt sich dann für das Kind wie ein Ausschluß vom gesetzlichen Erbrecht gemäß der natürlichen Zuordnung aus und ist aus den gleichen Gründen gerechtfertigt, wie der Ausschluß der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem natürlichen Unterhaltsverhältnis: 12 Es widerspräche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn nichteheliche bzw. „scheineheliche" Kinder ihre vermögensrechtliche Zuordnung kumulativ mit der Folge eines doppelten gesetzlichen Erbrechts zu zwei Vätern wählen könnten. B. Ausschluß bei Adoption Mit der Adoption erlischt nach § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB auch das gesetzliche Erbrecht des Kindes, das zuvor nach seinen primärstatusrechtlichen und seinen natürlichen Eltern bestand. Sterben diese nach der Adoption, ist das Kind nicht deren gesetzlicher Erbe. Die Begründung hierfür ist die gleiche, wie die für die Beendigung des gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses aufgrund Adoption: die Vermeidung einer Art. 3 Abs. 1 GG widersprechenden Besserstellung der Adoptivkinder gegenüber anderen ehelichen Kindern. 13 C. Kein Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts nach der genetischen Mutter bei Ei- und Embryonenspende Für die vermögensrechtliche Zuordnung des Kindes nach der genetischen Mutter gilt § 1600 a S. 2 BGB nicht analog. 14 Folglich ist das Kind gesetzlicher 11 BVerfGE 74, 33 (43). 12 s. o. I. A. 13 Erman! Holzhauer, § 1755 Rz. 2. Nach BT-Drs. VII/3061 (s. 43) soll mit dem Wegfall der vor der Adoption bestehenden erbrechtlichen Zuordnung vermieden werden, daß Störungen der Harmonie der neuen Familie durch Erbansprüche des Kindes eintreten, die aus der alten Familie erwachsen. 14 s. ο. I. B. (S. 154). Das verkennt Leipold, Festschr. für Kralik, S. 468 (476), der meint, die erbrechtlichen Beziehungen auch des Kindes, bei dem biologische und gesetzliche Mutterschaft auseinanderfallen, hätten ausschließlich der „rechtlich anzuerkennenden Zuordnung" zu folgen.

§ 19 Die Erbfähigkeit des noch nicht transferierten Embryos

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Erbe erster Ordnung der Eispenderin. Gegen dieses Ergebnis ist eingewandt worden, das Erbrecht sei zwar stark an der natürlichen Verwandtschaft orientiert, aber „stets weitgehend mit der familienrechtlichen Lösung harmonisiert worden." 15 Dieser Einwand läßt allerdings unberücksichtigt, daß eine Anpassung des gesetzlichen Erbrechts an die statusrechtliche Zuordnung etwa bei der Volladoption (§ 1755 Abs. 1 S. 1 BGB) stets aus Kindeswohlgründen oder wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgte. Das aber läßt sich, wie oben bereits gezeigt, bei der Ei- und Embryonenspende nicht anführen. Zur Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts des Kindes nach der Eispenderin gem. § 1924 Abs. 1 BGB bedarf es keiner vorherigen Anfechtung der Ehelichkeit oder statusrechtlichen Feststellung der Mutterschaft. Vielmehr reicht eine einfache Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO aus, die darauf gerichtet ist, festzustellen, daß das Kind von der Erblasserin genetisch abstammt. Diese Feststellung kann bereits vor dem Tod der Eispenderin (Erbfall, § 1922 Abs. 1 BGB) begehrt werden. Die erbrechtliche Zuordnung zur Eispenderin berührt die zur statusrechtlichen Mutter aus den bei I. B. angeführten Gründen nicht; das Kind ist gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung beider Frauen.

§ 19 Die Erbfähigkeit des noch nicht transferierten Embryos In § 6 II. war die Auslegung des § 1923 Abs. 2 BGB bezüglich der Erbfähigkeit des noch nicht implantierten, insbesondere künstlich erzeugten und kryokonservierten Embryos offengeblieben. Mit der Zuordnungstheorie wurde inzwischen festgestellt, daß die Zuordnung eines Kindes an die Konjugation anknüpft 1 und gemäß der genetischen Herkunft besteht, es sei denn, daß hinsichtlich des einzelnen Zuordnungsgegenstandes eine Zuordnungsabweichung erfolgt. 2 Ein anderer Anknüpfungspunkt für die Zuordnung entspräche nicht der Tatsache, daß das menschliche Leben mit der Konzeption bereits beginnt und deshalb jedes spätere Einsetzen einer Zuordnung ebeno wie eine Zuordnungsabweichung 3 der argumentativen Rechtfertigung durch das Kindeswohl oder durch Grundrechte Dritter bedarf. Durch das Kindeswohl kann eine erst später einsetzende Erbfähigkeit nicht begründet sein, hat sie doch einen vermögensrechtlichen Nachteil für das Kind zur Folge. Rechte Dritter, etwa des Erblassers hinsichtlich seiner Dispositionsfreiheit oder der übrigen Erben auf ein uneingeschränktes Erbe und baldige Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, vermögen eine Erbfähigkeit des Kindes nicht zu beschränken.4 15 Soergel I Stein, 11. A. (Nachtr.), § 1924 Rz. 18 a. ι s. o. § 14 ΠΙ. A. 2 s. o. § 16 Π. 3 Zur Rechtfertigung von Zuordnungsabweichungen s. § 15. 4 s. o. § 6 II. unter Bezug auf BVerfGE 74, 33 (42).

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Kap. 7: Anwendung der allgemeinen Zuordnungstheorie

Also ist ein Kind schon nach seiner Konzeption und vor seiner Implantation gem. § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig. Es beerbt demnach bei der Geburt nach § 1924 Abs. 1 BGB seine genetischen Eltern als gesetzlicher Erbe erster Ordnung, wenn sie nach seiner Konzeption, aber vor der Geburt gestorben sind und das gesetzliche Erbrecht nicht rechtsgeschäftlich ausgeschlossen haben. Die Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts nach dem genetischen Vater ist allerdings bei Nichtehelichkeit des Kindes gem. § 1600 a S. 2 BGB abhängig von der Feststellung der Vaterschaft. Falls das Kind als gewillkürter Erbe eingesetzt wurde, beerbt es den Erblasser wegen § 1923 Abs. 2 BGB auch dann, wenn es im Zeitpunkt des Erbfalls zwar bereits erzeugt, aber noch nicht implantiert war.

Achtes Kapitel

Die gesetzliche Erbenstellung des auf nicht natürlichem Wege erzeugten Kindes Zunächst erfolgt eine Subsumtion zur Ermittlung der erbrechtlichen Stellung bei Verfahren, bei denen keine Kryokonservierung vorgenommen wird. Hernach wird in § 22 die erbrechtliche Stellung nach Kryokonservierung von Keimzellen, in den §§23 und 24 nach Kryokonservierung von Embryonen behandelt.

§ 20 Erbenstellung bei innerkörperlicher Befruchtung I. Homologe Insemination Bei Geburt eines mit dem Samen des Ehemannes der Mutter innerkörperlich erzeugten Kindes ist das Kind gem. § 1591 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB eheliches Kind der Eheleute. Die gesetzliche Abstammung stimmt mit der natürlichen überein. Das Kind ist folglich gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung seiner genetischen Eltern und diese gem. § 1925 Abs. 1 BGB Erben zweiter Ordnung des Kindes. Stirbt der Erzeuger vor der Geburt des Kindes, beerbt es mit der Geburt gem. §§ 1923 Abs. 2, Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB seinen Vater als Erbe erster Ordnung, wenn keine gewillkürte Erfolge besteht.

I I . Heterologe Insemination A. Bei Geburt des ehelichen Kindes Ist die Mutter bei der Geburt verheiratet oder war sie es innerhalb der 302Tage-Frist des § 1593 BGB, so ist das Kind bei nachfolgendem Tod der Mutter oder deren Ehemann gem. § 1924 Abs. 1 BGB deren gesetzlicher Erbe erster Ordnung, es sei denn, die Ehelichkeit des Kindes wird wirksam angefochten oder das Kind wurde vor dem Tode des Erblassers adoptiert (§ 1755 Abs. 1 S. 1 BGB). Wegen der Präklusion nach § 1600 a S. 2 BGB kann das Kind seine Stellung als gesetzlicher Erbe des Samenspenders nicht geltend machen, solange es als eheliches Kind seiner Mutter und ihres Ehemannes gilt. Eine Feststellung der Nichtehelichkeit kann dann nämlich wegen § 1593 BGB nicht erfolgen.

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Kap. 8: Gesetzliche Erbenstellung des künstlich erzeugten Kindes

Aber auch nach einer Ehelichkeitsanfechtung ist die Geltendmachung der natürlichen Zuordnung des Kindes faktisch unmöglich, wenn es sich um eine anonyme Samenspende gehandelt hat. In diesem Fall kann eine Vaterschaftsfeststellung nicht erfolgen. Bereits aus diesem Grund ist die anonyme Samenspende rechtswidrig: sie beeinträchtigt das Recht des Kindes auf Geltendmachung der natürlichen Zuordnung ohne Rechtfertigung. Als Rechtfertigung käme höchstens die Ermöglichung der Samenspende in Betracht. Da die heterologe Insemination jedoch wegen der von vornherein geplanten Zuordnungsabweichung rechtswidrig ist, 1 ist deren Ermöglichung auch keine Rechtfertigung. Hiergegen kann insbesondere nicht eingewendet werden, daß das Kind möglicherweise nicht erzeugt worden wäre, falls dem Samenspender keine Anonymitätszusage gemacht worden wäre. Denn das Kind existiert nun einmal; damit ist für hypothetische Annahmen kein Raum.

B. Bei Geburt als nichteheliches Kind Wird das Kind als nichteheliches Kind geboren, so ist es zunächst aufgrund natürlicher Zuordnung gem. § 1924 Abs. 1 BGB Erbe erster Ordnung seiner Mutter und des Samenspenders. Stirbt der Samenspender nach der Insemination, aber vor dem Tod des Kindes, so kann das gesetzliche Erbrecht des Kindes nach ihm gem. § 1924 Abs. 1 BGB wegen § 1600 a S. 2 BGB nur geltend gemacht werden, wenn die Vaterschaft festgestellt wird. Die Feststellung kann wegen der Nichtigkeit des § 1934 c BGB 2 zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Geburt des Kindes erfolgen.

1. Der Regelfall bei gewöhnlicher heterologer Insemination Es bietet sich an, daß die Vaterschaftsfeststellung alsbald nach der Geburt des Kindes erfolgt. Dafür hat gem. § 1706 Abs. 1 BGB der Pfleger des Kindes zu sorgen. Zwar kann die Mutter nach § 1707 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB Befreiung von der Pflegschaft beim Vormundschaftsgericht beantragen. Doch ist in der Regel wohl eine Vaterschaftsfeststellung für das Kind nur dadurch zu sichern, daß sie der Pfleger betreibt. Denn die Mutter wird oft kein Interesse daran haben, liegt ihr doch daran, ein Kind ohne Begegnung und soziale Beteiligung eines Mannes zu bekommen und aufzuziehen. Da das Kind aber ein Recht auch auf die vermögensrechtlichen Elemente der natürlichen Zuordnung hat, widerspräche eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, dem Befreiungsantrag der Mutter zu entsprechen, regelmäßig dem Kindeswohl und kann daher nicht erfolgen.

ι Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497). 2 BVerfGE 74, 33 (43).

§ 20 Erbenstellung bei innerkörperlicher Befruchtung

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2. Der Regelfall bei quasi-heterologer Insemination Bei der quasi-heterologen Insemination mit dem Samen des Lebenspartners einer nichtverheirateten Frau wird es regelmäßig so sein, daß der Samenspender die Vaterschaft bereits vor der Geburt des Kindes anerkennt. Dann kann, nach Zustimmung des Pflegers für die Leibesfrucht (§§ 1912 Abs. 1, 1600 c Abs. 1 BGB), einem Befreiungsantrag der Mutter nach der Geburt des Kindes gem. § 1707 Nr. 1 BGB entsprochen werden, ist die statusrechtliche Zuordnung des Kindes doch bei Geburt bereits festgestellt. Eine Zustimmung des Pflegers der Leibesfrucht sollte in diesen Fällen erfolgen, weil damit die natürliche Zuordnung des Kindes hinsichtlich der vermögensrechtlichen Zuordnungsgegenstände gewährleistet ist. Allerdings sollte zuvor geklärt sein, und das ist eine Aufgabe des Leibesfruchtpflegers, ob es sich wirklich um eine Insemination mit dem Samen des Anerkennenden handelt und nicht um eine echte heterologe Insemination mit dem Samen eines Dritten. Denn in letzterem Fall würde der Pfleger dazu beitragen, eine von der natürlichen abweichende hergestellte Zuordnung zu begründen. Das aber entspräche nicht dem Recht des Kindes auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft. Es wäre dann nämlich aufgrund statusrechtlicher Zuordnung gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung des Anerkennenden. Die Geltendmachung des Erbrechts nach dem Samenspender wäre hingegen gem. § 1600 a S. 2 BGB ausgeschlossen. Allerdings könnte eine derartige, von der natürlichen abweichende Zuordnung mitunter dem Kindeswohl eher entsprechen, als die zum Samenspender. Nämlich dann, wenn entweder der Spender bereits vor der Erzeugung gestorben ist oder der Anerkennende in besseren Vermögensverhältnissen lebt, als der Samenspender. In letzterem Fall könnte immerhin das Kind, falls sich später die Zuordnung zum Spender als vorteilhafter erweist, selbst die Anerkennung gem. § 1600 g Abs. 1,1600 k Abs. 4 S. 2 BGB innerhalb von zwei Jahren nach Erlangung der Volljährigkeit anfechten, wenn nicht bereits zuvor sein gesetzlicher Vertreter angefochten hat.

I I I . Intratubarer Gametentransfer A. Homologer Gametentransfer Werden bei einem Gametentransfer das Ei der Frau, von der es gewonnen wurde, und Samen ihres Ehemannes verwendet, so handelt es sich um einen homologen Gametentransfer. Die erbrechtliche Zuordnung entspricht dann der einer homologen Insemination.

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Kap. 8: Gesetzliche Erbenstellung des künstlich erzeugten Kindes B. Heterologer Gametentransfer 1. Gametentransfer nach Samenspende

Wird einer Frau ein eigenes Ei, aber Samen eines anderen Mannes als ihres Ehegatten transferiert, so entspricht das in seinen rechtlichen Auswirkungen der heterologen bzw. quasi-heterologen Insemination. 2. Gametentransfer nach Eispende Wird hingegen der Frau ein fremdes Ei zugeführt, so fallen genetische und biologische Mutterschaft auseinander. Dies hat zur Folge, daß das Kind nach dem in § 18 III. C. Gesagten gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der Eispenderin und der biologischen Mutter ist. a) Wurde Samen des Ehemannes der biologischen Mutter verwendet, ist das Kind aufgrund statusrechtlicher und natürlicher Zuordnung gesetzlicher Erbe des Ehemannes. b) Wurde Spendersamen verwendet, gilt im Hinblick auf die erbrechtliche Zuordnung zu einem Mann das gleiche wie bei der heterologen Insemination.

C. Präkonzeptionell begründete Fremdmutterschaft Eine präkonzeptionell begründete Fremdmutterschaft ist vor einer Adoption durch die Wunscheltern wie ein normaler heterologer Gametentransfer anzusehen und hat die gleichen zuordnungsrechtlichen Auswirkungen. Nach einer Adoption hingegen ist das Kind aufgrund des Erlöschens der früheren verwandtschaftsrechtlichen Zuordnungen und des neu begründeten Status gem. §§ 1924 Abs. 1, 1754, 1755 Abs. 1 S. 1 BGB ausschließlich gesetzlicher Erbe des oder der Anerkennenden.

IV. Ersatzmutterschaft Bei einer Ersatzmutterschaft ist die erbrechtliche Stellung des Kindes bis zu einer Adoption die gleiche wie bei jeder anderen heterologen Insemination. Nach einer Adoption ist das Kind dagegen wie bei III. C. allein gesetzlicher Erbe der bzw. des Annehmenden. Bei einer Ehelicherklärung durch den Wunschvater (§§ 1723, 1736 BGB) ist das Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe des Wunschvaters und der Mutter; an der gesetzlichen Erbfolge nach der Mutter ändert die Ehelicherklärung des Kindes nichts.3 3 Die erbrechtliche Wirkung der Ehelicherklärung ist allein, daß für das Erbrecht nach dem statusrechtlichen Vater die §§ 1934 a-e BGB nicht gelten, Erman / Schlüter, § 1924 Rz. 9.

§21 Erbenstellung bei außerkörperlicher Befruchtung

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V. Surrogat-Embryonen-Technik (SET) A. SET nach Eispende Wurde das Kind mit dem Samen des Ehemannes der empfangenden Frau (biologische Mutter) erzeugt, so ist das Kind aufgrund statusrechtlicher Zuordnung gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der Gebärenden und ihres Ehemannes. Bezüglich letzterem entspricht die statusrechtliche der natürlichen Zuordnung. Daneben besteht gem. § 1924 Abs. 1 BGB ein gesetzliches Erbrecht zur genetischen Mutter, von der das transferierte Ei stammt.4

B. SET nach Samenspende Wurde der Samen eines anderen als des Ehemannes der biologischen Mutter verwendet, so ist das Kind zusätzlich zu den bei A. aufgezeigten erbrechtlichen Zuordnungen gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe des Samenspenders aufgrund der natürlichen Zuordnung. Dieses Erbrecht kann es jedoch nur geltend machen, wenn die Vaterschaft des Samenspenders festgestellt wurde (§ 1600 a S. 2 BGB). Das setzt die wirksame Anfechtung der früheren statusrechtlichen Zuordnung zu einem anderen Mann voraus (wegen §§ 1593,1600 b Abs. 3 BGB). Das Kind kann also sein gesetzliches Erbrecht zwar gegenüber bis zu zwei Frauen, aber höchstens einem Mann geltend machen.

§ 21 Erbenstellung bei außerkörperlicher Befruchtung I. Homologe ivF mit autologem ET Die i v F / E T im homologen System entspricht in ihren zuordnungsrechtlichen Folgen, also auch hinsichtlich der erbrechtlichen Stellung des Kindes, der homologen Insemination.

I I . Heterologe ivF A. ivF nach Samenspende mit anschließendem autologen Transfer Die extrakorporale Befruchtung mit dem Samen eines anderen als des Ehemannes der Eispenderin und späteren biologischen Mutter entspricht in ihren zuordnungsrechtlichen Auswirkungen der heterologen bzw. der quasi-heterologen Insemination. 4 s.o. § 18 II. C. 11 Mansees

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Kap. 8: Gesetzliche Erbenstellung des künstlich erzeugten Kindes

B. ivF nach Eispende Bei ivF nach Eispende und heterologem Transfer fallen genetische und biologische Mutterschaft auseinander. Hinsichtlich des Mannes jedoch fallen natürliche und statusrechtliche Zuordnung zusammen. Aufgrund der natürlichen Zuordnung ist das Kind bei ivF nach Eispende gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der Eispenderin 1 und des genetischen Vaters, dessen gesetzlicher Erbe es auch aufgrund der statusrechtlichen Zuordnung gem. §§ 1591, 1592 BGB ist. Wegen der statusrechtlichen Zuordnung zur biologischen Mutter ist das Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB auch deren gesetzlicher Erbe. Das Kind beerbt allerdings seine genetischen Eltern nicht, wenn sie vor der Erzeugung bereits gestorben waren. 2

C. ivF nach Ei- und Samenspende 1. Erbenstellung nach den genetischen Eltern Bei einem Fremdembryonentransfer nach vorheriger Ei- und Samenspende ist das Kind, falls die genetischen Eltern bei der Erzeugung des Kindes noch leben, gem. § 1924 Abs. 1 BGB deren gesetzlicher Erbe. 3 Hinsichtlich des genetischen Vaters kann die Erbenstellung wegen § 1600 a S. 2 BGB nur geltend gemacht werden, wenn die Vaterschaft festgestellt wurde. Dazu aber bedarf es, wenn die biologische Mutter bei der Geburt verheiratet ist, wegen § 1593 BGB einer vorherigen Anfechtung der Ehelichkeit.

2. Erbenstellung nach den statusrechtlichen Eltern Aufgrund der statusrechtlichen Primärzuordnung ist das Kind auch gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der biologischen Mutter und, falls die Mutter innerhalb von 302 Tagen vor der Geburt verheiratet war, wegen § 1593 BGB deren Ehemannes. Letzteres allerdings nur dann, falls nicht die Ehelichkeit wirksam angefochten wurde. D. Tragemutterschaft Bis zur Adoption des Kindes durch die Eispenderin gem. § 1741 Abs. 1 und 3 S. 1 BGB und gegebenenfalls deren Ehemann, § 1741 Abs. 1 und 2 BGB, ist das Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der Eispenderin aufgrund natürlicher Zuordnung und der biologischen Mutter aufgrund der statusrechtli1 s. o. § 18 II. C. 2 Zur fehlenden Erbfähigkeit bei postmortaler Insemination s. o. § 6 III. 3 Zur erbrechtlichen Zuordnung zur genetischen Mutter s. o. § 18 II. C.

§ 2 Erbenstellung bei p r l e r

Befruchtung

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chen Zuordnung. 4 Nach einer Adoption erlöschen nach § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB die früheren verwandtschaftlichen Beziehungen und besteht ein gesetzliches Erbrecht allein zu den Annehmenden. Ist die biologische Mutter verheiratet, so ist das Kind aufgrund seiner mit der Geburt erfolgenden statusrechtlichen Primärzuordnung zu deren Ehemann5 gem. § 1924 Abs. 1 BGB auch dessen gesetzlicher Erbe. Entspricht die statusrechtliche Zuordnung zum Ehemann der natürlichen, so wird sie allein gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB durch Adoption beendet. Anderenfalls kann sie beseitigt werden, indem die Ehelichkeit des Kindes wirksam angefochten wird. Die Anfechtung kann etwa deshalb durch den Ehemann der biologischen Mutter erfolgen, um sich möglichst schnell von den Auswirkungen der statusrechtlichen Zuordnung des Kindes in vermögensrechtlicher Hinsicht zu befreien.

§ 22 Erbenstellung bei artifizieller Befruchtung mit kryokonservierten Keimzellen Verstorbener I. Postmortale Insemination Wird ein nach dem Tode des Samenspenders erzeugtes Kind geboren, ist es zunächst gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe erster Ordnung seiner Mutter. Den Erzeuger kann es nicht beerben, da es nach § 1923 Abs. 2 BGB beim Erbfall noch nicht erbfähig war. 1 Allerdings kann das Kind dennoch gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe eines Mannes werden, wenn ein anderer die Vaterschaft gem. § 1600 a S. 1 erste Alt. BGB anerkennt und es gem. § 1600 c BGB der Anerkennung zustimmt. Dazu ist, wenn das Kind bei seiner Geburt wegen § 1593 BGB als eheliches Kind anzusehen ist, die vorherige Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind (§ 1596 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder der Eltern des statusrechtlichen Vaters (§ 1595 a Abs. 1 S. 1 BGB) erforderlich.

I I . ivF und intratubarer Gametentransfer mit der Eizelle der verstorbenen Eispenderin Bei Verwendung von Eizellen einer vor der Befruchtung verstorbenen Frau ist das Kind hinsichtlich des gesetzlichen Erbrechts gem. § 1924 Abs. 1 BGB nach einer Frau ausschließlich der biologischen Mutter zugeordnet. Die genetische Mutter kann das Kind mangels Erbfähigkeit (§ 1923 Abs. 2 BGB) nicht beerben. Ansonsten kann auf das zur ivF bzw. zum Gametentransfer in §§20 und 21 Gesagte verwiesen werden. 4 s. o. § 18 II. C. 5 s. o. § 7 I. A. 2. a) aa). 1 Zur fehlenden Erbfähigkeit bei postmortaler Erzeugung s. o. § 6 III. 11*

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Kap. 8: Gesetzliche Erbenstellung des künstlich erzeugten Kindes

§ 23 Erbenstellung bei autologem Transfer kryokonservierter Embryonen Wird einer Frau ein Embryo eingepflanzt, das aus einem ihrer Eier hervorgegangen ist, und wurde der Embryo zwischenzeitlich kryokonserviert, so ist die zuordnungsrechtliche Lage die gleiche wie bei i v F / E T im homologen System. Falls der Samen eines anderen als des Ehemannes verwendet wurde, entspricht sie der bei heterologer ivF mit Samenspende. Insbesondere ist zu bedenken, daß das Kind bei seiner Geburt gem. §§ 1924 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB auch dann gesetzlicher Erbe seines genetischen Vaters ist, falls dieser nach der Erzeugung, aber vor der Geburt gestorben ist. Dies führt insbesondere dann zu erbrechtlichen Problemen, wenn das Kind als Embryo lange kryokonserviert war und der genetische Vater vor der Implantation gestorben ist. Ist dann die Frau bei und 302 Tage vor der Geburt nicht verheiratet gewesen, ist das Kind gem. §§ 1924 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB gesetzlicher Erbe des Erzeugers, 1 kann dieses Recht aber nur geltend machen, wenn die Vaterschaft festgestellt wurde. Denn das Kind ist in diesem Fall nichtehelich, da es sich nicht auf § 1593 BGB berufen kann, so daß § 1600 a S. 2 BGB Anwendung findet. Die Kryokonservierung von Embryonen bringt ganz erhebliche Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften, bei der Haftung vermeintlicher Erben und bei der Erteilung von Erbscheinen mit sich, auf die im zehnten Kapitel eingegangen wird.

§ 24 Erbenstellung bei Fremdembryonentransfer kryokonservierter Embryonen nach dem Tod der genetischen Eltern Wird einer Frau ein Embryo eingepflanzt, der zuvor kryokonserviert wurde, aber nicht aus einem von ihr stammenden Ei hervorgegangen ist und auch nicht aus dem Samen ihres Ehemannes, so handelt es sich um einen Fremdembryonentransfer. Das Kind ist dann, wenn die genetischen Eltern nach seiner Erzeugung, aber vor dem Transfer in den Uterus der biologischen Mutter gestorben sind, bei Geburt gem. §§ 1923 Abs. 2, 1924 Abs. 1 BGB deren gesetzlicher Erbe im Wege natürlicher Zuordnung. 1 Außerdem ist es aufgrund der mit dem Embryonentransfer hergestellten und bei der Geburt zutage tretenden hergestellten statusrechtlichen Zuordnung zu der biologischen Mutter 2 auch deren gesetzlicher Erbe gem. § 1924 Abs. 1 BGB. War die biologische Mutter während oder innerhalb ι Denn die Erbfähigkeit des Kindes beginnt nicht erst nach dem vollzogenen Embryotransfer, sondern bereits mit der Befruchtung, s. o. § 19. ι s. o. § 19. 2 s. o. § 17 I. B.

§ 24 Erbenstellung bei postmortalem Fremdembryonentransfer

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302 Tagen vor der Geburt verheiratet, ist das Kind kraft statusrechtlicher Zuordnung (§ 1593 BGB) auch gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe des Ehemannes der biologischen Mutter. Dann kann das Kind allerdings sein gesetzliches Erbrecht nach dem genetischen Vater wegen §§ 1593, 1600 a S. 2 BGB erst geltend machen, wenn seine Ehelichkeit wirksam angefochten und die Vaterschaft des Erzeugers festgestellt wurde. Dann verliert es jedoch seine gesetzliche Erbenstellung gegenüber seinem früheren statusrechtlichen Vater. Das gesetzliche Erbrecht des Kindes nach seiner genetischen Mutter könnte bei fehlenden letztwilligen Verfügungen der Erblasserin nur gem. § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB mit einer Adoption durch die statusrechtlichen Eltern beendet werden. Ein solches Vorgehen ist jedoch ausgeschlossen, da das Kind bereits mit der Geburt deren eheliches Kind ist.

Neuntes Kapitel

Mögliche gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen der Vermögensnachfolge Die an der künstlichen Reproduktion Beteiligten können, wenn die dargelegte gesetzliche Erbfolge nicht ihren Interessen entspricht, durch Verfügungen von Todes wegen1 und Erbverzichtsverträge 2 das gesetzliche Erbrecht des Kindes ausschließen oder beschränken. Ebenso ist es denkbar, daß sie durch erbrechtliche Gestaltungen auf die Durchführung reproduktionmedizinischer Verfahren Einfluß nehmen.

§ 25 Testamentarische Verfügungen Mit der Errichtung eines Testaments kann der Erblasser eine von der gesetzlichen abweichende Erbfolge begründen (§§ 1937, 1938 BGB), Erben mit Vermächtnissen und Auflagen (§§ 1939, 1940 BGB) belasten, sowie die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft beeinflussen (§§ 2044 Abs. 1 S. 1, 2048 BGB). Untersucht werden soll, welche Möglichkeiten es nach geltendem Recht gibt, eine den Interessen der Wunscheltern und der Keimspender entsprechende Vermögensnachfolge zu gestalten.

1 Der Begriff „Verfügung von Todes wegen" umfaßt Rechtsgeschäfte, zu deren Tatbestand mindestens eine letztwillige Verfügung gehört. Dazu zählen neben Testamenten auch (synallagmatische wie unentgeltliche) Erbverträge. Eine letztwillige Verfügung ist eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Erblassers, durch die ein Erbe eingesetzt (§ 1937 BGB), ein zur gesetzlichen Erbfolge Berufener enterbt (§ 1938 BGB), ein Vermächtnis (§ 1939), eine Auflage (§ 1940 BGB) oder andere den Nachlaß betreffende Maßnahmen (vgl. Erman / Schlüter, § 1937 Rz. 1 m. w. N.) angeordnet werden. Zur Unterscheidung der Begriffe „Verfügung von Todes wegen" und „letztwillige Verfügung" s. a. Lange / Kuchinke, § 16 Π. 1. (S.274f.) 2 Der Erbverzicht ist keine Verfügung von Todes wegen, sondern ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, Lange ! Kuchinke, § 7 I. 2. (S. 125 f.).

§ 25 Testamentarische Verfügungen

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I. Maßnahmen anläßlich einer künstlichen Befruchtung im homologen System A. Bei homologer Insemination Vor einer homologen Insemination bedarf es anläßlich der künstlichen Reproduktionsmaßnahmen keiner besonderen testamentarischer Verfügungen der Frau oder ihres Ehemannes, entspricht doch die Erzeugung in ihren Auswirkungen stets denen einer natürlichen Zeugung des Kindes durch die Eheleute.

B. Vor ivF / ET im homologen System Vor der Durchführung einer ivF / ET hingegen empfiehlt sich die Errichtung eines detaillierten Testamentes.1 Nur so kann verhindert werden, daß dann, wenn die Frau oder auch deren Ehemann nach der Erzeugung, aber vor dem ET sterben, eine Erbengemeinschaft für unabsehbare Zeit nicht auseinandergesetzt werden bzw. ein Alleinerbe die Erbschaft nicht antreten kann. 2 Denn bei vorzeitigem Tod der Patientin kann die Möglichkeit bestehen, daß kryokonservierte Embryonen existieren, die irgendwann später einer anderen Frau eingepflanzt werden.

1. Ermöglichung der Auseinandersetzung bei Erhalt der wertmäßigen Zuwendungen Möchten die Wunscheltern für einen solchen Fall, daß die dann noch geborenen Kinder im Hinblick auf die Höhe der wertmäßigen Zuwendungen sich nicht schlechter stehen, als wenn die gesetzliche Erbfolge eintreten würde, könnten sie folgenden Weg wählen: Sie setzen ein gemeinschaftliches Testament folgenden Inhalts 3 auf:

1 Bei der Errichtung des Testaments eines einzelnen Erblassers sind stets die Vorschriften der §§ 2064 (Höchstpersönlichkeit), 2229, 2230 (Testierfähigkeit) und der §§ 22312251 BGB (Form), bei gemeinschaftlichen Testamenten der §§2265-2267 BGB zu beachten. 2 Zur Problematik der Auseinandersetzung bei Kryokonservierung von Embryonen s. u. § 27 II. 3 Die Wirkung der Nacherbeneinsetzung ist wegen § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB, die Anordnung von Vermächtnissen gem. § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB, jeweils i. V. m. § 1923 Abs. 2 BGB nicht auf dreißig Jahre nach dem Erbfall (Tod der Wunscheltern) begrenzt. Denn es wird eine Regelung nur für bei dem Erbfall bereits Erzeugte getroffen und das Ereignis, von dem der Eintritt der Nacherbfolge bzw. die Zuwendung des Vermächtnisses abhängen soll, ist der Tod des Vorerben bzw. die Geburt des Erzeugten. Es liegt damit in der Person des Vorerben bzw. des Bedachten. Zur Zulässigkeit eines Quotenvermächtnisses Lange / Kuchinke, S. 27 II. 2. a) (S. 424) m. w. N.

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Kap. 9: Gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen

„1. Für den Fall, daß einer von uns vor dem anderen sterben sollte, setzen wir den Überlebenden als Alleinerben ein. Sollte der Überlebende vor der Geburt eines der aus unseren Keimzellen erzeugten Kinder sterben, erbt das erstgeborene Kind als Nacherbe des Überlebenden. 2. Sterben wir beide gleichzeitig, erbt das erstgeborene Kind als Alleinerbe. 3. Den nachfolgend geborenen, beim Tod des zuerst Verstorbenen bereits erzeugten Kindern, stehen gegenüber dem nach 1. und 2. berufenen lebenden Erben folgende Vermächtnisse zu: a) Das als nächstes geborene Kind kann vom Erben ein Vermächtnis in Höhe der Hälfte des Wertes der Erbschaft verlangen. b) Das danach geborene Kind erhält, falls Erbe ein Kind von uns ist, von diesem 1/6 des Wertes der Erbschaft und von dem in a) bezeichneten Kind ein Drittel des Vermächtnisses. Ist Erbe der von uns Überlebende, erhält das Kind, das als nächstes nach dem in a) bezeichneten geboren wird, von diesem die Hälfte des Vermächtnisses. c) Nach der Geburt von weiteren Kindern, die aus zum Zeitpunkt des Todes des von uns zuerst Verstorbenen bereits erzeugten Embryonen hervorgegangen sind, ist entsprechend b) so zu verfahren, daß alle Kinder den selben wertmäßigen Anteil am Erbe haben. 4. Ist das nach 1. oder 2. erbende Kind gestorben, bevor weitere Kinder im vorgenannten Sinne geboren wurden, so ist das als nächstes geborene dessen Nacherbe." Mit dieser sehr kompliziert anmutenden letztwilligen Verfügung wird verhindert, daß Erbengemeinschaften entstehen, die möglicherweise über Jahre oder Jahrzehnte hinweg nicht auseinandergesetzt werden können.4 Zwar ist den danach nicht als Erben eingesetzten Kindern damit die Möglichkeit genommen, die Auseinandersetzung selbst zu betreiben und zu beeinflussen, doch steht ihnen immerhin ein Geldbetrag zu, der dem Wert des gesetzlichen Erbteils entspricht. Zudem hängt die Geltendmachung gegenüber dem genetischen Vater nicht von einer Feststellung der Vaterschaft ab.

2. Erbfolgeausschluß Möchten die Wunscheltern, daß das Kind dann, wenn es nicht von der Wunschmutter geboren wird, auch nicht von ihrem Vermögen dadurch profitiert, daß es die gesetzliche Erbfolge antritt, so genügt ein einfacher Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts (§ 1938 BGB). Das kann etwa durch folgende Sätze innerhalb eines Testaments erfolgen: s. o. Fn. .

§ 25 Testamentarische Verfügungen

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(1) Bei der Frau: „Kinder, die aus meinen Eizellen hervorgehen, aber nicht von mir geboren werden, und deren Abkömmlinge 5 erben nicht." (2) Beim Mann: „Kinder, die aus meinem Samen hervorgehen, aber nicht von meiner Frau geboren werden, und deren Abkömmlinge erben nicht. Ein Erbersatzanspruch steht ihnen nicht zu." Am Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 BGB) der Kinder ändert ein solcher Ausschluß allerdings nichts, da regelmäßig die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entziehung des Pflichtteils nach § 2333 BGB nicht erfüllt sind.

I I . Maßnahmen anläßlich einer Keimzellspende A. Möglichkeiten für den Spender Will ein Keimzellspender (Samenspender oder Eispenderin) nicht, daß er von einem aus seinen Zygoten hervorgegangenen Kind beerbt wird, so kann er ein gesetzliches Erbrecht ausschließen (§ 1938 BGB), in dem er testamentarisch verfügt: „Ein aus meinen Keimzellen aufgrund meiner Samen- (bzw. Ei-)spende hervorgegangenes Kind und dessen Abkömmlinge erben nicht." Bei Samenspende zusätzlich: „Ein Erbersatzanspruch entsteht in diesem Fall nicht." Wie bei I. B. 2. bleiben jedoch die Erben des Spenders verpflichtet, den Kindern den Pflichtteil auszuzahlen, außer, wenn bei Samenspende die Vaterschaft nicht festgestellt wird (§ 1600 a S. 2 BGB). Β. Möglichkeiten für das Kind 1. Nach Eispende Ein aus einer Eispende hervorgegangenes Kind kann seinerseits das gesetzliche Erbrecht seiner genetischen Mutter gem. § 1938 BGB ausschließen und sie damit auf den Pflichtteil (§ 2303 Abs. 1 BGB) setzten, indem es bestimmt: „Meine genetische Mutter und deren Abkömmlinge 6 schließe ich von der Erbfolge aus." 5 Denn die Enterbung eines Kindes berührt das gesetzliche Erbrecht von dessen Abkömmlingen (§ 1924 Abs. 1 BGB) grundsätzlich nicht, Lange / Kuchinke, § 25 VIII. 2. (S. 378 m. w. N.) und § 30 I. 2. a) Fn. 1 (S. 513); Erman / Schlüter, § 1938 Rz. 2 und § 1924 Rz. 17. 6 Diese Erstreckung der Enterbung ist aus den in Fn. 5 angeführten Gründen wegen § 1925 Abs. 3 S. 1 BGB ratsam.

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Kap. 9: Gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen

2. Nach Samenspende Auch das aus einer heterologen Insemination oder einer ivf / ET nach Samenspende hervorgegangene Kind sollte die gesetzliche Erbenstellung seines genetischen Vaters ausschließen, wenn es von ihm nicht beerbt werden will. Und zwar auch, wenn zu Lebzeiten des Kindes die Vaterschaft des Samenspenders nicht festgestellt wird. Zwar ist dann dem Spender nach § 1600 a S. 2 BGB die Geltendmachung seines gesetzlichen Erbrechts ohnehin verwehrt, so daß ein Erbrechtsausschluß auf den ersten Blick überflüssig erscheint. Doch besteht nach dem Tod des Kindes immerhin die Möglichkeit, daß dessen statusrechtliche Mutter einen Antrag nach § 1600 η Abs. 2 BGB stellt, um ihren Enkeln, den Kindern des schon verstorbenen Kindes, einen Anteil am Nachlaß des Samenspenders zu sichern.

I I I . Maßnahmen anläßlich eines geplanten Fremdembryonentransfers und einer präkonzeptionellen Tragemutterschaft Um einen geplanten Fremdembryonentransfer handelt es sich bei folgenden Konstellationen: (1) i v F / E T nach Ei- und Samenspende mit heterologem Transfer (2) heterologer intratubarer Gametentransfer (3) SET mit Samen des Ehemannes der Eispenderin oder eines Dritten (4) Tragemutterschaft einschließlich einer präkonzeptionell begründeten Tragemutterschaft.

A. Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts nach dem Gametenspender Die Spender werden bei (1) bis (3) daran interessiert sein, daß ein Kind nicht nach ihnen erbt. Deshalb empfiehlt es sich für sie, so wie für eine gewöhnliche Keimzellspende unter II. vorgeschlagen zu verfahren.

B. Interessengerechte Gestaltung bei Tragemutterschaft Bei Tragemutterschaften einschließlich der präkonzeptionell begründeten haben die Wunscheltern ein Interesse, daß das Kind sie beerbt, falls sie vor dem Kind sterben. Allerdings wird dieses Interesse meist daran gebunden sein, daß das Kind ihnen nach der Geburt auch personenrechtlich zugeordnet wird. Das aber ist allein mittels Adoption möglich. Mit der Adoption durch die Wunscheltern

§ 25 Testamentarische Verfügungen

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entsteht ein gesetzliches Erbrecht des Kindes nach den Annehmenden bereits aufgrund der statusrechtlichen Zuordnung, § 1924 Abs. 1 i. V. m. § 1754 BGB. Aber auch wenn die Adoption nicht erfolgen sollte, ist das Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe der genetischen Mutter, der Wunschmutter 7 und, nach evtl. erfolgender Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes und anschließender Vaterschaftsfeststellung, des Wunschvaters. Deshalb wäre es vorsorglich für den Fall, daß die geplante Adoption durch die Wunscheltern nicht erfolgen sollte, für diese ratsam, folgendes gemeinschaftliches Testament zu verfassen: „Für den Fall, daß aus unseren Keimzellen Kinder hervorgehen, die nicht von uns adoptiert werden, erben diese Kinder und deren Abkömmlinge 8 nicht. Ein Erbersatzanspruch entsteht nicht." Bei einem solchen Testament entstehen lediglich Pflichtteilsansprüche der Kinder gegen die Erben der genetischen Mutter und des genetischen Vaters. Letzteres wegen § 1600 a S. 2 BGB allerdings nur dann, wenn die Vaterschaft festgestellt wird. Ein solches Feststellungsverfahren kann von der biologischen und damit statusrechtlichen Mutter gem. § 1600 η Abs. 2 BGB eingeleitet werden. Eine solche testamentarische Verfügung ist nicht deswegen unwirksam oder nichtig, weil die Fremdmutterschaft insgesamt rechtswidrig und die zu ihrer Verwirklichung getroffenen Vereinbarungen nichtig sind. 9 Denn sie dient nicht der Durchführung der Fremdmutterschaft, sondern beschränkt in einer vom Gesetz (§ 1938 BGB, Testierfreiheit) ausdrücklich ermöglichten Art und Weise die natürliche erbrechtliche Zuordnung der betreffenden gesetzlichen Erben. Wollen die Wunscheltern, daß die durch die Tragemutter geborenen und von ihnen genetisch abstammenden Kinder, nach ihnen auch dann erben, wenn sie vor oder kurz nach deren Geburt sterben, so kann gem. § 1937 BGB folgende Klausel angefügt werden: „Erfolgt jedoch eine Adoption allein deswegen nicht, 10 weil wir beide verstorben sind, beerben uns diese Kinder."

IV. Maßnahmen anläßlich einer Ersatzmutterschaft Bei einer Ersatzmutterschaft hat der Ehemann der Fremdmutter das Interesse, daß das Kind ihn nicht aufgrund statusrechtlicher Zuordnung beerbt. Dies kann er durch eine Anfechtung der Ehelichkeit erreichen. Sollte er jedoch kurz vor oder nach der Geburt des Kindes sterben, haben seine Eltern noch die Möglichkeit der Ehelichkeitsanfechtung gem. § 1595 a BGB. Leben allerdings seine Eltern 7 s. o. § 21 II. D. s s. o. Fn. 5. 9 Zur Rechtswidrigkeit der Fremdmutterschaft Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (496-498). 10 Also bei NichtVorliegen des Tatbestandes des § 1753 Abs. 2 BGB oder wenn das Vormundschaftsgericht trotz dessen Vorliegen die Annahme nicht ausspricht.

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Kap. 9: Gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen

nicht mehr oder wollen sie die Ehelichkeit nicht anfechten, so kann Anfechtung allein durch das Kind erklärt werden und nach dem Gesetz auch nur, wenn der Tatbestand des § 1596 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorliegt. Selbst wenn es nachfolgend zu einer Adoption durch die Wunscheltern kommen sollte, erbt das Kind sonst zuvor nach dem Ehemann der Fremdmutter. 11 Deshalb ist es für den Ehemann der Fremdmutter ratsam, anläßlich einer geplanten Ersatzmutterschaft folgendes testamentarisch zu verfügen: „Von meiner Frau geborene Kinder, die nicht von mir gezeugt wurden, und deren Abkömmlinge 12 beerben mich nicht. Ein Erbersatzanspruch steht ihnen nicht zu." Dann steht den im Wege der Fremdmutterschaft geborenen Kindern gem. § 2303 Abs. 1 BGB der Pflichtteil zu, es sei denn, die Ehelichkeit wird nach dem Tod des Ehemannes angefochten oder das Kind vor dem Tod adoptiert (dann gilt § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB).

V. Maßnahmen angesichts einer Eientnahme oder Samenprobe Selbst für den Fall, daß allein aus diagnostischen Gründen Eier entnommen oder Samenproben geliefert werden sollen, empfiehlt es sich, daß die betreffenden Patienten testamentarische Verfügungen treffen. Dies gilt auch für Ehemänner, die Samen für eine homologe Insemination, einen homologen Gametentransfer oder eine ivF / ET im homologen System zur Verfügung stellen. Aufgrund von Verwechslungen oder absichtlich falscher Verwendung dieser Keimzellen kann es nämlich dazu kommen, daß ein Kind mit dem Ei einer anderen Frau erzeugt wird. Es handelt sich dann um eine nicht konsentierte Insemination oder ivF. Diese ist zwar auch dem Keimzellspender gegenüber nicht rechtmäßig, da nicht von seiner Einwilligung gedeckt, hat aber dennoch die normalen erbrechtlichen Folgen, auch soweit es um die natürliche Zuordnung nach den Gametenspender geht. Deshalb sollte vor jeder diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme bei der Ei- oder Samenzellen zur Verfügung gestellt werden, folgendes testamentarisch verfügt werden: (1) Bei Zurverfügungstellung von Samen: „Ein Kind, das von mir abstammt, aber nicht von meiner Frau geboren wurde, und dessen Abkömmlinge erben nicht. Ein Erbersatzanspruch entsteht nicht." (2) Bei Eientnahme: „Ein Kind, das zwar von mir abstammt, aber nicht von mir geboren wird, und dessen Abkömmlinge erben nicht." An den Pflichtteilsan11

Die Adoption beendet lediglich ex nunc die natürliche und die bisherige statusrechtliche Zuordnung; bisherige Erbschaften bleiben durch § 1755 Abs. 1 S. 1 BGB unberührt, Erman / Holzhauer, § 1755 Rz. 7. 12 s. o. Fn. 5.

§ 25 Testamentarische Verfügungen

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Sprüchen solcher Kinder gem. § 2303 Abs. 1 BGB vermag eine letztwillige Verfügung allerdings nichts zu ändern.

VI. Bei postmortaler Insemination Ein postmortal erzeugtes Kind beerbt seinen genetischen Vater nicht. Es ist im Zeitpunkt des Erbfalls nicht erbfähig (§ 1923 Abs. 2 BGB) 1 3 .

A. Erbeinsetzung vor postmortaler Insemination Allerdings kann der genetische Vater vor seinem Tod gem. § 2101 Abs. 1 S. 1 BGB durch Einsetzung der nach seinem Tode aus seinen Keimzellen hervorgehenden Kinder als Nacherben der Mutter dafür sorgen, daß sie mittelbar seine Vermögensnachfolge antreten. Das könnte er etwa mit folgender testamentarischer Verfügung bewirken 14 : „Meine Ehefrau soll Alleinerbe werden. Bringt sie Kinder zur Welt, die genetisch von mir abstammen, ist das erstgeborene dieser Kinder mit seiner Geburt ihr Nacherbe. Dann steht meiner Ehefrau ein Vermächtnis in Höhe der Hälfte des Wertes der Nacherbschaft zu. Sollten weitere, genetisch von mir abstammende Kinder geboren werden, stehen ihnen bei Eintritt der Nacherbfolge Vermächtnisse nach folgender Maßgabe zu: a) Das als zweites geborene Kind erhält vom erstgeborenen eine Zahlung in Höhe eines Viertels der Nacherbschaft. b) Das als drittes geborene Kind erhält von den zuvor geborenen Kindern ein Vermächtnis in Höhe von jeweils Vu des Wertes der Nacherbschaft. c) Werden weitere von mir genetisch abstammenden Kinder von meiner Ehefrau geboren, ist entsprechend b) so zu verfahren, daß allen nach den ersten geborenen Kindern der gleiche Vermögensbetrag zur Verfügung steht." Er könnte aber auch die Erbenstellung seiner Frau unberührt lassen, indem er bereits das erste Kind als Vermächtnisnehmer des Ehegatten zur Hälfte des Werts der Erbschaft bestimmt. Das zweitgeborene Kind erhält dann vom erstgeborenen ein Untervermächtnis in Höhe der Hälfte des Wertes des Vermächtnisses des ersten Kindes. Klausel b) und d) können gleichlautend angeführt werden.

13 s. o. § 6 III. 14 Vorausgesetzt ist dabei, daß er verheiratet ist, bisher keine bereits geborenen Kinder hat, und seine Eltern noch leben. — Die Einsetzung des Erstgeborenen als Nacherben — und damit die weiteren Anordnungen in dem vorgeschlagenen Testament — vermögen wegen § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB nur dann Wirkung zu entfalten, wenn das erste Kind innerhalb von 30 Jahren nach dem Erbfall geboren wird. Nach Eintritt der Nacherbfolge bleiben wegen § 2163 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Anordnungen der Vermächtnisse unbegrenzt wirksam.

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Kap. 9: Gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen

B. Keine Veranlassung einer postmortalen Insemination durch Bestimmungen des Samenspenders Von Selb 15 wird eine Möglichkeit angeführt, mit der der Erblasser seine Ehefrau zur Durchführung einer postmortalen Insemination veranlassen könnte: Der Erblasser bestimmt testamentarisch, daß seine Ehefrau nur dann erben soll, wenn sie ihm ein Kind zur Welt bringt. Eine solche letztwillige Verfügung ist gem. § 133 BGB so auszulegen, daß die Frau als Erbin eingesetzt wird unter der aufschiebenden Bedingung, 16 daß sie ein Kind gebiert, das von ihm abstammt und ihm statusrechtlich zugeordnet wird. Hat die Bedachte beim Erbfall bereits ein solches Kind geboren, ist sie Erbin. Sie wird es ebenfalls als Nacherbin (§§ 2105 Abs. 1, 2100 BGB) 1 7 der gesetzlichen Erben, wenn sie nach dem Tode des Erblassers ein von ihm gezeugtes oder prämortal erzeugtes Kind gebiert. Hängt hingegen der Eintritt der testamentarischen Bedingung von der Vornahme einer postmortalen Insemination ab, so ist die Bedingung gem. § 134 BGB (analog) 18 unwirksam, da sie auf die Herbeiführung einer rechtswidrigen Handlung gerichtet ist. 19 Die Bedingung ist zudem deshalb unwirksam, weil sie auf eine höchstpersönliche Entscheidung der Bedachten Einfluß nimmt. 20 Denn die Geburt eines dem Erblasser statusrechtlich zugeordneten Kindes hängt insoweit vom Willen der Frau ab, als eine postmortale Insemination regelmäßig nur mit ihrer Zustimmung durchgeführt wird. Die Unwirksamkeit der Bedingung hat jedoch wegen der Unteilbarkeit einer bedingten Erbeinsetzung 21 die Nichtigkeit der Einsetzung der Ehefrau als Erbin zur Folge. 22 Doch kann das Testament bezüglich der bedingten Erbeinsetzung gem. § 140 BGB 2 3 in eine unbedingte 15 Selb, S. 30. 16 § 2075 BGB ist selbst dann nicht anzuwenden, wenn man die Erzeugung eines Menschen, soweit sie vom Willensentschluß der Frau abhängt, als deren Handlung betrachten würde, weil von der Bedachten weder ein Unterlassen auf unbestimmte Zeit noch ein fortgesetztes Tun verlangt wird. 17 Vgl. Erman / Hense / Schmidt, § 2074 Rz. 4; Staud.l Otte, § 2074 Rz. 56. is Zur analogen Anwendung des § 134 BGB bei Mißachtung des natürlichen Rechts des Kindes auf natürliche Zuordnung Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (498). 19 Zur Rechtswidrigkeit der postmortalen Insemination s. o. § 6 III. 20 Zur Unwirksamkeit von Bedingungen, die auf eine Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit des Bedachten gerichtet und nicht vermögensbezogen sind, MK / Leipold, § 2074 Rz. 14; Keuk, FamRZ 1972, S. 9 (15); Staud.l Otte, § 2074 Rz. 26 für den Fall, daß der Erblasser ungerechtfertigten Druck auf den Bedachten auszuüben versucht. 21 Erman / Hense / Schmidt, § 2074 Rz. 2. 22 § 2085 BGB ist für diese unteilbare Verfügung nicht anwendbar, Lange / Kuchinke, § 30 I. 2. c), Fn. 9 (S. 514) m. w. N., jedoch im Widerspruch zu § 25 V. (S. 372), wo sie die analoge Anwendung des § 2085 BGB annehmen. 23 Palandt / Edenhof er, § 2074 Anm. 1 c); MK / Leipold, § 2074 Rz. 17, der allerdings nicht auf den hypothetischen Willen des Erblassers, sondern auf den Zweck jener Vorschriften bzw. Wertungen, die für die Nichtigkeit der Bedingung verantwortlich sind, abstellt. Dagegen Staud. / Otte, § 2074 Rz. 56, der annimmt, in zahlreichen Fällen ungültiger Bedingungen sei der hypothetische Erblasserwille auf die Aufrechterhaltung der

§ 26 Vertragliche Vereinbarungen

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umgedeutet werden, falls anzunehmen ist, daß der Erblasser seine Ehefrau unbedingt als Erbin eingesetzt hätte, wenn er gewußt hätte, daß die Bedingung nur durch eine postmortale Insemination erfüllt werden kann und die Veranlassung zur postmortalen Insemination rechtswidrig ist. Auf jeden Fall ist das Setzen einer Bedingung durch den Erblasser rechtlich ungeeignet, die Ehefrau zur Durchführung einer postmortalen Insemination zu veranlassen. 24

§ 26 Vertragliche Vereinbarungen Aus Sicht des Kindes, der genetischen Eltern und der Wunscheltern ist eine individuelle Korrektur des gesetzlichen Erbrechts bei Nutzung der Methoden reproduktionsmedizinischer Verfahren vor allem dahingehend erwünscht, bestimmte gesetzliche Erbfolgen auszuschließen, nicht aber neue zu begründen. Ein Erbvertrag kann dabei nicht helfen; in ihm kann der Erblasser nach § 2278 Abs. 2 BGB nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen verfügen. Deshalb ist allein ein Erbverzichtsvertrag (§ 2346 BGB) in Erwägung zu ziehen.

I. Bei Auseinanderfallen von genetischer und biologischer Mutterschaft Möchte die Eispenderin nicht, daß ein genetisch von ihr abstammendes, aber von einer anderen Frau geborenes Kind von ihren Erben den Pflichtteil verlangen kann, sollte sie einen Erbverzichtsvertrag schließen. Dies ist auch dann erforderlich, wenn sie, wie oben vorgeschlagen,1 das Kind von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. In diesem Fall kann der gewünschte Erbverzicht gem. § 2346 Abs. 2 BGB auf den Ausschluß des Pflichtteils beschränkt werden. Dabei dürfte es regelmäßig so sein, daß das Kind nur dann zu einem Erbverzicht zu bewegen ist, wenn die genetische Mutter ebenfalls auf ihr gesetzliches Erbrecht bzw. den Pflichtteil verzichtet. Zudem wird es oft angemessen sein, wenn die Eispenderin dem Kind zusätzlich zu dem eigenen Erbverzicht eine Abfindung anbietet, da ein Erbverzicht stets ein Risikogeschäft darstellt 2 und die Wahrscheinlichkeit des Vorversterbens der genetischen Mutter in der Regel höher als die des Vorversterbens des Kindes ist. Einigen sich genetische Mutter und das Kind auf ein derartiges Vorgehen, empfiehlt es sich, folgende Verträge zu schließen: Verfügung (nunmehr der unbedingten) gerichtet. Lindacher, AcP 175 (1975), S. 257 (259 f.) gar meint, man müsse die Verfügung auch gegen den Willen des Erblassers bei Unwirksamkeit der Bedingung als unbedingte Zuwendung aufrechterhalten. 24 Das gleiche gilt für eine Auflage (§ 1940 BGB), mit der die Frau zur Durchführung einer postmortalen Insemination angehalten werden soll. Hierfür gilt § 2195 BGB, so daß es für die Gültigkeit der Erbeneinsetzung keiner Anwendung des § 140 BGB bedarf. ι s. o. § 25 II. A. 2 Lange! Kuchinke, § 7 V. 1. (S. 141).

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Kap. 9: Gewillkürte Erbfolgen und rechtsgeschäftliche Gestaltungen

(1) Verpflichtungsvertrag zum gegenseitigen Erbverzicht und zur Zahlung einer Abfindung der genetischen Mutter an das Kind. In Anbetracht des Streits in der Literatur über die Formbedürftigkeit eines solchen Verpflichtungsvertrages3 sollte er in der Form des § 2348 BGB (notariell beurkundet) erfolgen. (2) Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 BGB) des Kindes gegenüber der Eispenderin unter der Bedingung,4 daß die Abfindung gezahlt worden ist. (3) Erbverzicht (§ 2346 Abs. 1 BGB) der Eispenderin gegenüber dem Kind. Der Erbverzicht beinhaltet gem. § 2346 Abs. 1 S. 2 letzter Halbsatz BGB den Verzicht auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB) und kann nach § 2346 Abs. 2 BGB auch darauf beschränkt werden. Die Beteiligten sollten sich wegen der Formbedürftigkeit des Erbverzichts (§ 2348 BGB) zum Notar begeben und diese drei Verträge gleichzeitig (evtl. in einem einzigen Dokument) abschließen. In jedem Fall sind die Wirksamkeitserfordernisse des § 2347 BGB zu beachten. Derartige Vereinbarungen haben allerdings zur Voraussetzung, daß die frühere Eispenderin ihr Kind ausfindig gemacht hat. Das dürfte in der Praxis oft unmöglich sein. Die Eispenderin erfährt regelmäßig nicht, welcher Frau ihr Ei eingepflanzt wurde und welches Kind daraus hervorgegangen ist. Auch hat sie keinen Anspruch auf Kenntnis des Kindes.Zwar hat das Kind einen Anspruch auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft 5 und damit der Eispenderin, nicht aber die Eispenderin auf Kenntnis der aus ihren Oozyten hervorgegangenen Kinder. 6 Denn das Kind gehört nicht zur ihrer Entstehungsgeschichte, während sie zur Entstehungsgeschichte des Kindes gehört. Für das Kind ist das Hervorgehen aus der Eizelle der genetischen Mutter schicksalhaft, während die Eispenderin selbst die Möglichkeit der Entstehung des Kindes herbeigeführt hat. Deshalb kann es zum Abschluß von Erbverzichtsverträgen nur dann kommen, wenn sich die genetische Mutter und ihr Kind auf Initiative des Kindes begegnen.

I I . Bei Samenspende (heterologer Insemination) Ein Samenspender kann seinem genetisch von ihm abstammenden im Wege der heterologen Insemination erzeugten Kind unter den gleichen Voraussetzungen, wie unter I. dargelegt, den Abschluß eines entgeltlichen Erbverzichtsvertrages vorschlagen, der auch einen Verzicht des Kindes auf sein gesetzliches Erbrecht oder seinen Erbersatzanspruch sowie das Pflichtteilsrecht umfaßt. Dies 3 Zum Streitstand Lange / Kuchinke, § 7 I. 4. b) (S. 128) mit zahlreichen Nachweisen. Ein Erbverzicht kann als Vertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen werden, Staud.l F erid i desiar, Einl. zu §§ 2346 ff. Rz. 33; MK/Strobel, § 2346 Rz. 27; Lange / Kuchinke, § 7 II. 2. c) (S. 133). 5 Mansees, NJW 1988, S. 2984. 6 So aber Arnade in:56. DJT, S. Κ 129. 4

§ 26 Vertragliche Vereinbarungen

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kann auch dann sinnvoll sein, wenn die Feststellung der Vaterschaft des Samenspenders noch nicht erfolgt, aber noch möglich ist. Denn eine Feststellung kann wegen der Nichtigkeit des § 1934 c BGB 7 noch nach seinem Tod erfolgen. Voraussetzung ist allerdings auch, wie bei der Eispende, daß der Samenspender das mit seinem Samen erzeugte Kind kennt.

7 BVerfGE 74, 33 (43). 12 Mansees

Zehntes Kapitel

Die Nachlaßsicherung bei Existenz kryokonservierter Embryonen zwischenzeitlich verstorbener Keimzellspender Hat der Erblasser eine wirksame letztwillige Verfügung hinterlassen, so treten hinsichtlich der kryokonservierten Embryonen keine Probleme auf, wenn nur bereits Geborene als gewillkürte Erben eingesetzt sind. Kommt es allerdings zur gesetzlichen Erbfolge, so bleibt die endgültige Vermögensnachfolge längere Zeit unklar, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls noch kryokonservierte Embryonen des Erblassers existieren. Denn diese sind, wenn sie geboren werden, als Abkömmlinge des Erblassers gem. § 1924 Abs. 1 BGB Erben erster Ordnung. Damit den später aus den kryokonservierten Embryonen hervorgehenden Kindern bei Geburt ihre erbrechtliche Position, insbesondere die daraus resultierenden Vermögensvorteile, weitgehend ungeschmälert erhalten bleiben, bedarf es Maßnahmen der Nachlaßsicherung. Als nachlaßsichernde Maßnahmen kennt das Gesetz den Aufschub der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, die Unwirksamkeit von Verfügungen eines Scheinerben, die dingliche Surrogation, die Einsetzung von Personen, die die künftigen Rechte des nasciturus wahrnehmen, und letztlich die Haftung des Erbschaftsbesitzers.

§ 27 Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Wirksamkeit von Verfügungen über den Nachlaß vor Geburt ehemals kryokonservierter Abkömmlinge I. Vermögensnachfolge bei Vorhandensein kryokonservierter Embryonen Wie die Vermögensnachfolge eines Erblassers aussieht, wenn bei dessen Tod noch kryokonservierte Abkömmlinge existieren, ist im Zeitpunkt des Erbfalls noch ungewiß. Wer — endgültig — Erbe ist, stellt sich wegen der Fiktion des § 1923 Abs. 2 BGB 1 erst heraus, wenn keiner der Embryonen mehr tiefgekühlt ist, sondern feststeht, welcher nach dem Erbfall noch geboren worden ist und welcher nicht mehr geboren wird. 1

s. o. § 6 Fn. 1.

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

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A. Existenz keines weiteren Erben War der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes nicht verheiratet und hatte er beim Erbfall keine Verwandten außer den kryokonservierten Embryonen, so fällt das Erbe nach § 1936 Abs. 1 BGB an den Staat, falls keiner der Embryonen später noch geboren wird. Wird ein Abkömmling noch geboren, ist dieser gem. § 1924 Abs. 1 BGB Alleinerbe, es sei denn, weitere zuvor kryokonservierte Geschwister würden noch geboren. In diesem Fall werden alle noch geborenen Abkömmlinge gem. § 1924 Abs. 1 und 4 BGB Erben zu gleichen Teilen und bilden eine Erbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1 BGB).

B. Existenz nur eines weiteren Erben 1. Tod eines verheirateten Samenspenders War der Erblasser verheiratet, hatte er aber keine lebenden erbberechtigten Verwandten neben den kryokonservierten Embryonen, so ist seine Witwe Alleinerbin gem. § 1931 Abs. 2 BGB, es sei denn, einer oder mehrere der kryokonservierten Embryonen werden innerhalb von 302 Tagen nach Ende der Ehe noch von ihr geboren. 2 Im letzteren Fall entsteht mit der Geburt des ersten kryokonservierten Embryos eine Erbengemeinschaft aus der Witwe und deren Kind. 3 Anderenfalls hat das Kind höchstens gem. § 1934 a Abs. 1 BGB 4 einen schuldrechtlichen Erbersatzanspruch gegen seine Mutter bzw. die Erbengemeinschaft. Das gleiche gilt für weitere später von der früheren Ehefrau geborene Kinder des Erblassers und für Kinder, die von einer anderen Frau nach einem Fremdembryonentransfer geboren wurden.

2. Tod einer verheirateten Eispenderin War die Erblasserin verheiratet und hatte keine noch lebenden erbberechtigten Verwandten, so ist der Ehemann ebenfalls nach § 1931 Abs. 2 BGB Alleinerbe, soweit keines ihrer kryokonservierten Abkömmlinge noch geboren wird. Werden Abkömmlinge der Verstorbenen geboren, so bilden sie mit dem Witwer gem. §§ 1931 Abs. 1 S. 1, 1924 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. Selbst, wenn erst Jahre nach dem Tod der Eispenderin ein aus ihrem Keimgut 2 Denn nur in diesem Fall sind die Kinder gem. § 1593 BGB als eheliche Abkömmlinge des Erblassers anzusehen und gilt der Erbrechtsausschluß des § 1934 a Abs. Ì BGB (an Stelle des gesetzlichen Erbrechts tritt der Erbersatzanspruch) nicht. 3 Gebiert die Frau innerhalb der 302-Tage-Frist des § 1593 BGB Mehrlinge, so bilden diese mit der Mutter eine Erbengemeinschaft. 4 Der Anspruch kann dann gem. § 1600 a S. 2 BGB nicht geltend gemacht werden, wenn die Vaterschaft des Erblassers nicht festgestellt wird. 12*

180

Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

hervorgehendes Kind geboren werden sollte, ist der frühere Ehemann aufgrund der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2*BGB 5 nie Alleinerbe geworden.

3. Tod eines unverheirateten Samenspenders mit nur einem nichtehelichen Kind Stirbt ein Samenspender und hinterläßt neben den kryokonservierten Embryonen lediglich noch ein nichteheliches Kind, so ist dieses Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB Alleinerbe, wenn die Vaterschaft festgestellt wurde (vgl. § 1600 a S. 2 BGB), soweit nicht eines oder mehrere der Abkömmlinge des Erblassers noch geboren werden und auch bezüglich ihrer die Vaterschaft des Erblassers festgestellt wird. Der bereits beim Erbfall Geborene war dann wegen der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2 BGB zu keinem Zeitpunkt Alleinerbe.

4. Tod einer unverheirateten Eispenderin mit einem noch lebenden, bereits geborenen Kind Stirbt eine Eispenderin und hinterläßt sie neben den noch tiefgekühlten Embryonen lediglich ein bereits geborenes Kind und war sie im Zeitpunkt ihres Todes nicht verheiratet, so ist das geborene Kind gem. § 1924 Abs. 1 BGB Alleinerbe, es sei denn, eines der weiteren Abkömmlinge der Erblasserin würde noch geboren. In diesem Fall würde das Kind mit dem bzw. den später geborenen Kindern gem. §§ 1924 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft bilden, ohne daß es je Alleinerbe geworden wäre.

C. Existenz mehrerer gleichrangiger Erben 1. Tod einer verheirateten Eispenderin mit einem oder mehreren bereits geborenen und noch lebenden Kindern Hinterläßt eine Eispenderin außer ihrem Ehemann noch bereits geborene Kinder, so bilden diese gem. §§ 1924 Abs. 1, 1931 Abs. 1 S. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. In diese Erbengemeinschaft treten mit ihrer Geburt die weiteren Abkömmlinge der Erblasserin ein. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft stehen also erst dann fest, wenn kein Kind mehr geboren werden kann, das aus einem Ei der Verstorbenen hervorgegangen ist und im Zeitpunkt des Todes bereits kryokonserviert war bzw. erzeugt war und noch kryokonserviert werden kann.

5 s. o. § 6 I., VI.

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

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2. Tod eines unverheirateten Samenspenders mit mehreren nichtehelichen Kindern Hat ein im Zeitpunkt seines Todes nicht verheirateter Mann mehrere bereits geborene und noch lebende nichteheliche Kinder und ist seine Vaterschaft hinsichtlich dieser Kinder festgestellt, so bilden sie gem. §§ 1924 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. Zu ihr kommen mit Feststellung der Vaterschaft des Erblassers die später geborenen Abkömmlinge hinzu. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft stehen erst dann fest, wenn (1) kein Kind mehr geboren werden kann, das aus dem Samen des Erblassers hervorgegangen ist und bei seinem Tod bereits als Embryo kryokonserviert war, sowie (2) nicht mehr die Möglichkeit besteht, daß eines der später geborenen Kinder, deren Abstammung vom Erblasser noch nicht statusrechtlich festgestellt wurde, die Vaterschaft des Erblassers noch feststellen läßt. Letzteres hängt wegen der Nichtigkeit des § 1934 c BGB 6 nicht nur davon ab, ob die Ehelichkeit des Kindes noch angefochten werden kann, wenn es bei seiner Geburt zunächst eheliches Kind war, sondern vor allem davon, wann es nach einer eventuellen Anfechtung der Ehelichkeit die Feststellung der Vaterschaft (§ 1600 a S. 1 BGB) des Erblassers betreibt. Ausschlußfristen, innerhalb derer die Feststellung der Vaterschaft begehrt werden muß, gibt es nicht mehr, so daß die Voraussetzung (2) erst dann gegeben ist, wenn entweder die statusrechtliche Zuordnung des Kindes zu einem anderen Mann unanfechtbar geworden oder das Kind und dessen Mutter (wegen § 1600 η Abs. 2 BGB) gestorben ist.

3. Tod einer unverheirateten Eispenderin War die Erblasserin im Zeitpunkt des Erbfalls nicht verheiratet und hinterläßt sie bereits geborene und noch lebende Kinder, so bilden diese gem. § 1924 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. Zu dieser Erbengemeinschaft kommen die später geborenen Abkömmlinge der Erblasserin hinzu.

D. Existenz nur nachrangiger Erben 1. Tod eines unverheirateten Samenspenders Stirbt ein Mann, ohne verheiratet zu sein, und hinterläßt er keine bereits geborenen Abkömmlinge, sondern nur seine Eltern oder andere Verwandte und kryokonservierte Embryonen, so sind die geborenen Verwandten wegen § 1930 6 BVerfGE 74, 33 (43).

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

i. V. m. §§ 1924 Abs. 1, 1923 Abs. 1 und 2 nur dann Erben gem. § 1925 Abs. 1 BGB, wenn nicht noch Abkömmlinge des Erblassers geboren werden, deren statusrechtliche Zuordnung zum Erblasser festgestellt wird. Wird noch ein Abkömmling geboren und dessen statusrechtliche Zuordnung zum Erblasser festgestellt, ist dieser gem. §§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB Alleinerbe. Werden mehrere geboren und die Vaterschaft des Erblassers festgestellt (§ 1600 a BGB), bilden die Kinder gem. §§ 1924 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. In jedem Fall verdrängen die statusrechtlich posthum dem Samenspender zugeordneten Kinder gem. § 1930 BGB wegen der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2 BGB die nachrangigen gesetzlichen Erben ex tunc aus ihrer Erbenstellung.

2. Tod einer unverheirateten Eispenderin Hinterläßt eine Eispenderin außer kryokonservierten Abkömmlingen weder einen Ehegatten noch geborene Kiner, sondern lediglich ihre Eltern oder andere Verwandte, so werden letztere nach § 1930 i. V. m. §§ 1924 Abs. 1, 1923 Abs. 1 und 2 BGB nur dann Erben gem.§ 1925 Abs. 1 BGB, wenn kein kryokonservierter Abkömmling mehr geboren wird. Wird noch ein Abkömmling geboren, ist dieser gem. §§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB Alleinerbe; werden mehrere geboren, sind sie gem. §§ 1924 Abs. 1,2032 Abs. 1 BGB gemeinschaftliche Erben. Dabei verdrängen die Kinder die nachrangigen gesetzlichen Erben aufgrund § 1923 Abs. 2 BGB rückwirkend mit dem Erbfall aus ihrer Erbenstellung.

I I . Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft A. Entstehung einer Erbengemeinschaft Soweit nach dem bei I. Gesagten mehrere Personen Erben sind, entsteht nach § 2032 Abs. 1 BGB eine Erbengemeinschaft. Im Regelfall entsteht eine Erbengemeinschaft bereits im Zeitpunkt des Erbfalls; 7 alle Miterben stehen dann bereits endgültig fest. Bei der Existenz kryokonservierter Abkömmlinge hingegen kann es vorkommen, daß eine Erbengemeinschaft erst lange Zeit nach dem Erbfall entsteht8 und bei Entstehen der Erbengemeinschaft noch nicht feststeht, ob weitere Mitglieder hinzukommen.

7 StaudJ Werner, Vorbem. zu §§ 2032-2057 a Rz. 1; Kipp / Coing , § 114 II. (S. 627). s Und zwar dann, wenn beim Erbfall nur ein gesetzlicher Erbe geboren war und deshalb eine Erbengemeinschaft wegen der späteren Geburt eines zuvor kryokonservierten Embryos nicht schon im Zeitpunkt des Erbfalls, sondern mit dessen Geburt entsteht. Aber auch dann, wenn beim Erbfall nur Erben fernerer Ordnungen vorhanden waren und später mehr als ein vorrangiger Abkömmling geboren wird.

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

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B. Beendigung einer Erbengemeinschaft 1. Bedeutung der Auseinandersetzung Eine Erbengemeinschaft ist als Liquidationsgemeinschaft auf Auseinandersetzung gerichtet 9 und besteht solange fort, bis sie auseinandergesetzt ist. 10 Solange die Auseinandersetzung nicht erfolgt ist, können die Erben nach §§ 2033 Abs. 2 und 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich, d. h. einvernehmlich, über das gesamte Erbe 11 und einzelne Nachlaßgegenstände verfügen. Das Vermögen der Erbengemeinschaft kann in dieser Zeit lediglich nach der Bestimmung des § 2038 BGB verwaltet werden.

2. Herbeiführung der Auseinandersetzung Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt grundsätzlich in Abwicklung eines Vertrages (Auseinandersetzungsvertrag), den die Erben untereinander schließen.12 Dieser Vertrag bedarf der Mitwirkung aller Miterben. 13 Jeder Miterbe hat gem. § 2042 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen die übrigen Miterben auf Abschluß eines Auseinandersetzungsvertrages, soweit die Auseinandersetzung nicht ausgeschlossen ist.

3. Aufschub der Auseinandersetzung Solange die Ungewißheit besteht, daß im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene vom Erblasser abstammende kryokonservierte Embryonen später noch geboren werden, die nach dem bei I. Gesagten mit ihrer Geburt Mitglieder der Erbengemeinschaft werden, ist die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gem. § 2043 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Solange hat den Einschränkungen des § 2042 Abs. 1 BGB zufolge kein Miterbe einen Anspruch auf Abschluß eines Auseinandersetzungsvertrages. Die Ungewißheit ist erst dann behoben, wenn kein ehemals kryokonservierter Embryo mehr geboren werden kann, also keiner mehr tiefgekühlt lagert und keine Frau von einem solchen Embryo schwanger ist. Dieser 9 Staud.l Werner, § 2042 Rz. 1. 10 Kipp / Coing, § 114 II. (S. 627). Sie besteht also solange, wie noch Nachlaßgegenstände ungeteilt vorhanden sind, Lange ! Kuchinke, § 44 I. 3. d) (S. 851); MKIDütz, § 2042 Rz. 45 und § 2032 Rz. 5. 11 Denn „der Nachlaß steht als Sondervermögen im gesamthänderischen Eigentum der Miterben", Kipp l Coing, § 114 ΙΠ. (S. 627). 12 Staud./Werner, Vorbem. zu §§ 2032-2057 a Rz. 17. 13 Wurde einer übergangen, und sei es aus Unkenntnis von seiner Existenz, ist der Auseinandersetzungsvertrag unwirksam, Staud.l Werner, §2042 Rz. 25; Kipp / Coing, § 119 ΠΙ. (S. 665).

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

Zustand kann sich über Jahrzehnte erstrecken. Schließen die bereits geborenen Miterben dennoch einen Auseinandersetzungsvertrag, so ist dieser wirksam, wenn kein kryokonservierter erbberechtigter Abkömmling mehr geboren wird. Werden derartige Kinder noch geboren, so ist der Vertrag nur dann gem. § 185 Abs. 2 BGB wirksam, wenn sämtliche neu zur Erbengemeinschaft hinzukommenden Kinder ihm zustimmen.14 Die in Erfüllung des unwirksamen Auseinandersetzungsvertrages bei Durchführung der Auseinandersetzung erfolgenden Verfügungen über Nachlaßgegenstände sind in gleichem Maße wirksam oder unwirksam, wie die Verfügungen der unvollständigen Erbengemeinschaft im Rahmen der Nachlaßverwaltung vor der Auseinandersetzung. 4. Möglichkeiten der Erleichterung der Auseinandersetzung Um den Aufschub der Auseinandersetzung gem. § 2043 Abs. 1 BGB wegen noch möglicher Geburten erbberechtigter, gegenwärtig noch kryokonservierter Abkömmlinge des Erblassers zu vermeiden, sind zwei Möglichkeiten denkbar: Ein Leibesfrucht- oder Nachlaßpfleger sorgt unter Wahrung der Interessen der noch nicht geborenen möglichen Erben für eine Auseinandersetzung oder der Erblasser sorgt im Wege einer Verfügung von Todes wegen für eine den Aufschub vermeidende Regelung der Nachlaßauseinandersetzung. a) Bestellung eines Pflegers Weder der Pfleger einer Leibesfrucht (§ 1912 Abs. 1 S. 1 BGB) noch ein Nachlaßpfleger 15 (§ 1960 Abs. 2 BGB) sind in Anbetracht des § 2043 BGB berechtigt, eine Auseinandersetzung zu verlangen. Auch umfaßt ihre Vertretungsmacht nicht die Befugnis, an einem Auseinandersetzungsvertrag mitzuwirken oder den Verfügungen im Rahmen der Auseinandersetzung zuzustimmen. Dies ergibt sich daraus, daß ein Pfleger verpflichtet ist, den Nachlaß für den Pflegling zu erhalten. 16 Durch die Mitwirkung bei der Auseinandersetzung würde der Pfleger jedoch die spätere Miterbenstellung des Kindes vernichten, indem er sie beendet, ehe sie beginnt. Also kann die Vermeidung eines jahrelangen Aufschubs der Auseinandersetzung nicht durch die Bestellung eines Pflegers für die kryokonservierten Embryonen erreicht werden. 14 Vgl. LangelKuchinke, §46 II. 2. c) (S. 902). Eine unter Nichtbeachtung des Auseinandersetzungsaufschubs des § 2043 BGB vorgenommene Auseinandersetzung ist also nicht wegen Gesetzesvorstoßes infolge § 134 BGB nichtig, StaudJ Werner, § 2043 Rz. 8. is MK/Leipold, § 1960 Rz. 55; Lange I Kuchinke, § 40 IV. 4. d), e) (S. 775), denn der Nachlaßpfleger ist nicht zur Gestaltung der erbrechtlichen Stellung des Pfleglings befugt. 16 StaudJ Werner, § 2043 Rz. 4; Erman / Schlüter, § 1960 Rz. 23; Lange / Kuchinke, § 40IV. 4. c) (S. 774): „Die Aufgabe des Nachlaßpflegers erschöpft sich in der Ermittlung der Erben unter Sicherung und Erhaltung des Nachlasses."

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

b) Testamentarische

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Verfügung

Die Beseitigung des ansonsten nach § 2043 Abs. 1 BGB erfolgenden Aufschubs der Auseinandersetzung ist nur möglich durch eine testamentarische Bestimmung einer von der gesetzlichen abweichenden Erbfolge, wie sie in § 25 I. B. vorgeschlagen wurde. Die Art und Weise der Auseinandersetzung hingegen kann vom Erblasser gem. §§ 2197 Abs. 1, 2203, 2204 Abs. 1, 2205 S. 1 BGB ohne Beeinflussung der Erbfolge durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers bestimmt werden.

I I I . Wirksamkeit von Verfügungen Nichtberechtigter über Nachlaßgegenstände A. Fälle der Verfügungen Nichtberechtigter 1. Wegfall der Alleinerbenstellung Wäre jemand nach dem in Abschnitt I. Ausgeführten Alleinerbe, falls kein Abkömmling des Erblassers mehr geboren wird und wird noch mindestens ein erbberechtigter Abkömmling geboren, so fällt die Alleinerbenstellung mit der Geburt des Kindes wegen der Fiktion des § 1923 Abs. 2 BGB ex tunc weg. Hat der vermeintliche Alleinerbe bereits über Nachlaßgegenstände Verfügungen getroffen, so hat er als Nichtberechtigter verfügt. Dabei ist es für das Fehlen der Verfügungsberechtigung unbeachtlich, ob der Verfügende mit der Geburt des Kindes völlig als Erbe wegfällt, oder ob er lediglich Miterbe wird. 2. Verfügungen einer unvollständigen Erbengemeinschaft Verfügen alle bereits geborenen Erben gemeinsam als Erbengemeinschaft über einen Nachlaßgegenstand, so ist die Verfügung nur dann sofort wirksam, wenn an ihr ein Nachlaß- oder Leibesfruchtpfleger als Vertreter des später Geborenen mitgewirkt hat. Anderenfalls ist die Verfügung gem. § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich unwirksam, wenn nicht die besonderen, in Abschnitt B. angesprochenen Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind. 3. Verfügungen einer ex tunc wegfallenden Erbengemeinschaft Verfügt eine Mehrheit von Personen über einen Nachlaßgegenstand, die dann eine vollständige Erbengemeinschaft gewesen wäre, wenn nicht noch ein vorrangiger Abkömmling des Erblassers geboren worden wäre, 17 und werden diese 17

Beispielsweise in den unter I. D. dargestellten Fällen.

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

Personen mit der Geburt des Kindes rückwirkend aus ihrer Erbposition verdrängt, so handelt es sich nicht um die Verfügungen einer Erbengemeinschaft. Also haben die Verfügenden als Nichtberechtigte gehandelt.

B. Wirksamkeitsvoraussetzungen Die Verfügung eines Nichtberechtigten ist grundsätzlich unwirksam. Sie hat aber dennoch Erfolg, wenn sie nachträglich wirksam wird oder, falls Verfügungsgegenstand eine Sache ist, ein gutgläubiger Erwerb stattfindet.

1. Gutglaubenserwerb Die Verfügung eines Nichtberechtigten über eine Sache, die zum Nachlaß gehört, ist dann wirksam, wenn die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb vorliegen. a) Gutglaubenserwerb

nach §§ 932-934 BGB

aa) Der Gutglaubenserwerb nach den §§ 932-934 BGB hat zur Voraussetzung, daß der Erwerber hinsichtlich der Eigentümerpositionen des Veräußerers nicht bösgläubig war. Ob der Erwerber dabei annimmt, der Veräußerer sei originär Eigentümer der Sache oder habe sein Eigentum erst aufgrund der Erbschaft erworben, ist unbeachtlich. bb) Allerdings ist der gutgläubige Erwerb nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die veräußerte Sache dem Besitzer abhanden gekommen ist. Abhandengekommen ist eine Sache dem Besitzer dann, wenn diesem der Besitz ohne seinen Willen entzogen wurde. 18 (1) Mit der Geburt wird der zuvor Kryokonservierte nach § 1923 Abs. 2 BGB als Erbe so behandelt, als sei er bereits im Zeitpunkt des Erbfalls gem. § 857 BGB Besitzer der Nachlaßsachen geworden. Diesen Besitz hat der Veräußerer in den Fällen der §§ 929,930 BGB mit der Übernahme der tatsächlichen Sachherrschaft dem Erben entzogen.19 Dies wegen der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2 BGB auch dann, wenn der Erbe in diesem Zeitpunkt noch nicht geboren war. In den Fällen des § 934 BGB wird der Besitz des Erben dem später Geborenen spätestens mit der Inbesitznahme durch den Erwerber entzogen. Die Ergreifung 18 MK/ Quack, § 935 Rz. 5. 19 Anders für die Inbesitznahme durch einen vorläufigen Erben, der später die Erbschaft ausschlägt (§§ 1942-1951 BGB) MK/Leipold, § 1953 Rz. 4. Hierzu näher sogleich unter (2).

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

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der tatsächlichen Sachherrschaft durch den vermeintlichen Erben und späteren Veräußerer bzw. den Erwerber erfolgte ohne Willen des damals noch nicht geborenen Erben. Also ist ein gutgläubiger Erwerb von Nachlaßgegenständen nach den §§ 932-934 BGB wegen § 935 BGB nicht möglich, wenn hernach noch ein anderer, gleich- oder vorrangiger Erbe geboren wird. (2) Denkbar erscheint in diesen Fällen eine Gleichsetzung des Veräußerers mit dem „vorläufigen" Erben, der als berufener Erbe die Erbschaft ausschlägt. Nach verbreiteter Meinung sollen die Nachlaßgegenstände mit der Inbesitznahme durch den vorläufigen Erben dem endgültigen Erben nicht abhanden kommen. 20 Begründet wird diese Auffassung damit, daß der vorläufige Erbe gesetzlich befugt sei, die Gegenstände der Erbschaft in Besitz zu nehmen.21 Eine solche Befugnis kann allenfalls in § 1959 Abs. 1 BGB gesehen werden. Dagegen spricht jedoch, daß Abs. 2 dieser Vorschrift ausdrücklich die Wirksamkeit von dringlichen Verfügungen bestimmt und hierin eine Begrenzung der Wirksamkeit von Verfügungen des vorläufigen Erben zu erkennen ist. Derartige Bedenken werden im Schrifttum jedoch gelegentlich damit abgetan, ein Abhandenkommen anzunehmen, stelle eine „ungesunde Übersteigerung der Rückwirkung", die in § 1953 Abs. 1 BGB bestimmt ist, dar. 22 So würde man den vorläufigen Erben als Eindringling abstempeln, der eine Sache eigenmächtig weggenommen habe.23 Dagegen ist einzuwenden, daß es mit der Ausschlagung der vorläufige Erbe selbst ist, der sich nachträglich zum unberechtigt Handelnden macht. Insoweit zur Begründung der dargestellten Ansicht darauf verwiesen wird, es sei untunlich, den vorläufigen Erben als jemanden zu behandeln, der verbotene Eigenmacht übt, 24 ist dem zu entgegnen, daß die Begriffe „verbotene Eigenmacht" des § 858 Abs. 1 BGB und „abhandenkommen" des § 935 Abs. 1 S. 1 BGB nicht deckungsgleich sind. 25 Mag man es für das NichtVorliegen des Tatbestandes des § 858 Abs. 1 BGB noch als hinreichend erachten, daß der vorläufige Erbe wegen § 1959 Abs. 1 BGB objektiv wie ein Geschäftsführer berechtigt sei, die Sache in Besitz zu nehmen, so ändert das doch nichts an der Tatsache, daß der endgültige Erbe ohne seinen Willen der Sache verlustig gegangen ist. Darauf allein kommt es jedoch für das Vorliegen des Tatbestandes des § 935 Abs. 1 S. 1 BGB an. 26 Den vom vorläufigen Erben 20 Staud. / Otte / Marotzke, § 1959 Rz. 7; Soer gel / Stein, § 1959 Rz. 11 ; Brox, Rz. 280 (§ 857 BGB sei nicht anzuwenden); Schlüter, § 31 V. 3. a) (S. 222 f.); Erman / Werner, § 857 Rz. 6; Erman / Schlüter, § 1593 Rz. 2. 21 Erman / Schlüter, § 1953 Rz. 2; Schlüter, § 31 V. 3. a) (S. 223); Kipp / Coing, § 90 ΠΙ. 1. (S. 509 f.); Soer gel ! Stein, § 1953 Rz. 4. 22 Staud.l Otte! Marotzke, § 1959 Rz. 14. 23 Lüke, JuS 1978, S. 254 (255); Kippt Coing, §90 ΙΠ. 3. d) Fn. 8 (S. 511): Das würde aus der konsequenten Annahme der Rückwirkung der Ausschlagung „unerbittlich folgen". 24 Lüke, JuS 1978, S. 254 (255). 25 Vgl. Erman/Werner, § 858 Rz. 5. Mansfeld ! Moselle, JuS 1979, S. 426 (427) fordern sogar eine Ergänzung des Tatbestandes des § 858 BGB um das Merkmal „Verschulden".

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

veräußerten Besitz als dem endgültigen Erben nicht abhandengekommen anzusehen, stellt somit eine nicht zulässige Durchbrechung der vom Gesetz angeordneten Rückwirkung der Erbausschlagung dar, die im Interesse des endgültigen Erben nicht geboten ist. 27 Erst recht muß dies für denjenigen gelten, der mit der späteren Geburt eines ehemals kryokonservierten Erben zum Nichtberechtigten wird. Denn für diese Fälle gibt es noch nicht einmal einen dem § 1959 BGB vergleichbaren Tatbestand, der dem vorläufigen Erben gewisse Erleichterungen dem endgültigen Erben gegenüber gibt. Zudem stellt § 1959 BGB lediglich für einen im Vergleich zum endgültigen vor- oder gleichrangigen Erben einen Vorteil dar, während hier durch die Möglichkeit eines Gutglaubenserwerbs auch ein nachrangiger Erbe bevorzugt würde. Es bleibt also dabei, daß ein gutgläubiger Erwerb zu Lasten später geborener Erben gem. § 935 Abs. 1 BGB nicht möglich ist, soweit nicht die Unterausnahme des Abs. 2 gegeben ist.

b) Gutglaubenserwerb

aufgrund öffentlichen

Glaubens des Grundbuchs

Sind der oder die Nichtberechtigten als Eigentümer oder anderweit an einem Grundstück dinglich Berechtigte im Grundbuch eingetragen, so hat die Verfügung über das Grundstück bzw. das dingliche Recht dann gem. § 892 Abs. 1 S. 1 BGB Erfolg, wenn im Zeitpunkt des § 892 Abs. 2 BGB kein Widerspruch eingetragen ist und der Erwerber nicht von der Unrichtigkeit des Grundbuches wußte. c) Gutglaubenserwerb

kraft

öffentlichen

Glaubens des Erbscheins

Wurden vom vermeintlichen Alleinerben oder der vermeintlich vollständigen Erbengemeinschaft Verfügungen über Nachlaßgegenstände unter Vorlage eines Erbscheins vorgenommen, in dem der bzw. die Verfügenden als Alleinerbe bzw. als vollständige Erbengemeinschaft aufgeführt sind, so sind die Verfügungen gem. §§ 2365, 2366, 2367 BGB wirksam, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 2366 BGB vorliegen.

2. Erbscheinerteilung Wie soeben dargelegt, ermöglicht die Vorlage eines Erbscheins besonders leicht den gutgläubigen Erwerb eines Nachlaßgegenstandes. Darüber hinaus aber dient er gem. § 35 Abs. 1 S. 1 GBO auch dem Nachweis der Erbfolge zwecks Eintragung des Nichtberechtigten in das Grundbuch mit der Folge, daß dadurch der Gutglaubenserwerb nach § 892 Abs. 1 S. 1 BGB ermöglicht wird. Die Ertei26 Erman / Schmidt, § 935 Rz. 2: „Abhandenkommen ist unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes." 27 Im Ergebnis ebenso Lange ! Kuchinke, § 5 III. 4. (S. 80 f.).

§ 27 Auseinandersetzung und Wirksamkeit von Verfügungen

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lung eines Erbscheins, in dem die Nichtberechtigten als Erben eingetragen sind, kann also für die später geborenen Kinder des Erblassers erhebliche Nachteile bewirken, weil dadurch die Schmälerung des Nachlasses ermöglicht wird. Deshalb ist bei Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge stets vom zuständigen Gericht darauf zu achten, ob noch kryokonservierte potentielle Erben des Erblassers vorhanden sind. Zu einer solchen Nachprüfung von Amts wegen ist das Nachlaßgericht gem. § 2358 Abs. 1 BGB verpflichet (Amtsermittlung gem. § 12 FGG). Das Nachlaßgericht sollte deshalb vor Erteilung des Erbscheins den Antragsteller fragen, ob ihm von der Existenz tiefgekühlter Embryonen, die aus Keimzellen des Erblassers hervorgegangen sind, etwas bekannt ist. Besteht nach Kenntnis des Antragstellers die Möglichkeit der Existenz weiterer, noch kryokonservierter Nachkommen des Erblassers, so hat er dies dem Nachlaßgericht gem. § 2354 Abs. 1 Nr. 3 BGB mitzuteilen. Anderenfalls bezieht sich seine eidesstattliche Versicherung gem. § 2356 Abs. 2 S. 1 BGB auch auf den Umstand, daß ihm nichts von noch tiefgekühlten Embryonen des Erblassers bekannt ist. Zwar ist in § 2354 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Rede von „vorhandenen Personen" und man könnte zunächst annehmen, damit seien lediglich bereits geborene Menschen gemeint, da nur ein bereits geborener Mensch eine Erbschaft antreten kann. Denn auch bei im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geborenen Erben entscheidet sich erst bei Geburt, daß sie erben. Doch würde bei einer derartigen Auslegung des Begriffs „vorhandene Personen" verkannt, daß mit § 2354 Abs. 1 Nr. 3 BGB alle dem Antragsteller bekannten und sein Erbrecht beeinträchtigenden Faktoren berücksichtigt werden sollen, weil anderenfalls durch die Erbscheinserteilung die wahren Erben benachteiligt würden. Wenn aber bei Geburt ehemals kryokonservierter Embryonen des Erblassers das Erbrecht des Antragstellers rückwirkend wegfällt oder sich sein Erbteil mindert, ist bereits die Existenz solcher noch nicht geborenen Menschen ein sein Erbrecht beeinträchtigender Faktor. Also muß bei der Ermittlung der in § 2354 Abs. 1 Nr. 3 BGB genannten Personen das Vorhandensein kryokonservierter Embryonen beachtet werden. Hat das Gericht ermittelt, wo noch kryokonservierte Embryonen lagern könnten, hat es nachzuforschen, ob und wenn ja, wie viele Embryonen des Erblassers noch vorhanden sind. Erst wenn diese Frage nach Ansicht des Nachlaßgerichts geklärt ist, darf es gem. § 2359 BGB dem Antragsteller den Erbschein erteilen. Ist dem Gericht die Existenz und die Anzahl noch lagernder, vom Erblasser genetisch abstammender erbberechtigter Embryonen bekannt geworden, so hat es diese Kenntnis bei der Erteilung des Erbscheins zu berücksichtigen. Das ist natürlich nicht erforderlich, wenn der oder die Embryonen bei ihrer Geburt wegen § 1934 a Abs. 1 BGB allenfalls Erbersatzansprüche geltend machen könnten, also keine Erben wären. Die Berücksichtigung der Embryonen erfolgt dergestalt, daß das Erbrecht und der Erbteil des Antragstellers im Erbschein nur so angegeben wird, als seien bereits alle kryokonservierten Embryonen geboren. Entsprechend ist ein Erbschein zu versagen oder lediglich ein Teilerbschein (§ 2353 2. Fall BGB) zu erteilen. Denn nur so kann verhindert werden, daß Verfügungen eines

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Nichtberechtigten allein deshalb wirksam werden, weil er als bereits Geborener im Gegensatz zu den noch nicht geborenen Erben die Möglichkeit hatte, einen Erbschein zu beantragen.

3. Nachträgliche Wirksamkeit Genehmigen alle später geborenen Erben die Verfügung eines Nichtberechtigten über einen Nachlaßgegenstand, so wird die Verfügung gem. § 185 Abs. 2 S. 1 erste Alt. BGB nachträglich wirksam. Beerben die erst nach der Verfügung geborenen Kinder (bzw. das Kind) den nichtberechtigt Verfügenden, so wird mit diesem Erbfall die Verfügung gem. § 185 Abs. 2 S. 1 zweite Alt. BGB wirksam, wenn die Kinder bzw. das Kind unbeschränkt für die Nachlaßverbindlichkeiten des Verfügenden haften.

§ 28 Wahrnehmung der Rechte des nasciturus I. Elterliche Fürsorge Die Wahrnehmung der Rechte hinsichtlich seiner künftigen erbrechtlichen Stellung nehmen für den nasciturus entweder diejenigen vor, denen er sorgerechtlich zugeordnet wäre, falls er im Zeitpunkt des Erbfalls bereits geboren worden wäre, oder ein Pfleger. Dies ergibt sich aus § 1912 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 BGB. Hat sich der nasciturus bereits bei seiner biologischen Mutter eingenistet, so ist sie gem. § 1912 Abs. 2 i. V. m. § 1705 S. 1 BGB spätestens mit diesem Zeitpunkt Inhaberin der Fürsorge, 1 falls sie nicht verheiratet ist. Ist die biologische Mutter verheiratet, so ist ihr Ehemann gem. § 1912 Abs. 2 i. V. m. §§ 1591 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 1593 BGB gemeinsam mit ihr Inhaberin der Fürsorge. Die Fürsorge umfaßt gem. § 1912 Abs. 1 S. 1 BGB die Wahrnehmung der künftigen Rechte des nasciturus, also auch des Erbrechts des Ungeborenen, 2 das diesem erst mit seiner Geburt anfällt. Ist ein Embryo hingegen noch nicht einer Frau eingepflanzt worden, kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, von wem er geboren worden wäre, falls er im Zeitpunkt des Todes des Erblassers schon geboren worden wäre. Dies könnte die genetische Muter oder eine andere Frau sein. Für eine elterliche Fürsorge gem. § 1912 Abs. 1 BGB ist daher bei kryokonservierten Embryonen inzwischen verstorbener Keimzellspender kein Raum.

1 Zur personen- und damit sorgerechtlichen Zuordnung des Kindes zur biologischen Mutter s. o. § 17 I. B. Nach Ziegltrum, S. 98, steht einer unverheirateten Mutter keine Fürsorge zu; dagegen Soergel I Damrau, § 1912 Rz. 7; MK / Goerke, § 1912 Rz. 4; Erniari / Holzhauer, § 1912 Rz. 2. 2 Soergel ! Damrau, § 1912 Rz. 4.

§ 28 Wahrnehmung der Rechte des nasciturus

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I I . Pflegschaft für die Leibesfrucht Sterben eines oder beide genetischen Eltemteile eines kryokonservierten Embryos nach dessen Erzeugung, erhält der Embryo bei gesetzlicher Erbfolge bzw. gewillkürter Berufung als Erbe gem. § 1912 Abs. 1 BGB einen Pfleger für die Wahrung seines künftigen Erbrechts nach dem bzw. den Verstorbenen, soweit ein Fürsorgebedürfnis besteht. Ein Fürsorgebedürfnis besteht dann nicht, wenn für den Embryo ein Nachlaßpfleger bestellt wird. 3 Wird vom Nachlaßgericht keine Nachlaßpflegschaft angeordnet, so hat das Vormundschaftsgericht einen Pfleger für die erbrechtlichen Belange der (tiefgekühlten) Leibesfrucht zu bestellen. Dabei bietet es sich an, einen gemeinsamen Pfleger für alle kryokonservierten Embryonen des Erblassers zu bestellen. Im Gegensatz zur Nachlaßpflegschaft 4 endet die Leibesfruchtpflegschaft gem. § 1918 Abs. 2 BGB kraft Gesetzes mit der Geburt des Kindes bzw. der Vernichtung des Embryos oder einer Fehlgeburt. 5 Der Leibesfruchtpfleger hat das künftige Erbrecht zu wahren. Dies bedeutet, daß er etwa die Erteilung eines Erbscheins zu verhindern hat, in dem das Erbrecht des Pfleglings unberücksichtigt bleibt. Im Falle des Bestreitens des Erbrechts der Leibesfrucht kann er Feststellungklage erheben. 6

I I I . Nachlaßpflegschaft A. Bestellung eines Nachlaßpflegers Für den im Falle seiner Geburt erbenden Embryo ist nach dem Erbfall gem. § 1960 BGB vom Nachlaßgericht ein Nachlaßpfleger zu bestellen, wenn dies für die Sicherung des Nachlasses erforderlich ist. Ist es erforderlich, so sollte für alle Embryonen des Erblassers ein gemeinsamer Nachlaßpfleger bestellt werden. Grundsätzlich wird ein Fürsorgebedürfnis verneint, wenn bereits ein oder mehrere endgültige oder vorläufige Erben die Erbschaft angetreten haben und verwalten und diese Personen zuverlässig und vertrauenswürdig erscheinen.7 In diesen Fällen ist anzunehmen, daß sie den Nachlaß auch in Hinblick auf den noch 3 Dölle, § 143 II. 2. (S. 960); Er man I Holzhauer, § 1912 Rz. 7; Soergel ! Damrau, § 1912 Rz. 5. Für die gleichzeitige Bestellung eines Leibesfrucht- und eines Nachlaßpflegers Ziegltrum, S. 98; Kipp ! Coing, § 126 Π., III. (S. 706 f.); StaudJ Otte / Marotzke, § 1960 Rz. 24. 4 Die Nachlaßpflegschaft endet gem. § 1919 BGB erst, wenn sie vom Nachlaßgericht (§ 1962 BGB) aufgehoben wird. 5 Letztere Ereignisse werden in Hinblick auf die Beendigung der Leibesfruchtpflegschaft der Geburt gleichgestellt, vgl. Soergel / Damrau, § 1918 Rz. 3 und § 1912 Rz. 10; Ermani Holzhauer, § 1912 Rz. 10. 6 Kipp / Coing, § 126 II. (S. 706). ι Staud. / Otte / Marotzke, § 1960 Rz. 14; MK / Leipold, § 1960 Rz. 20; Erman / Schlüter, § 1960 Rz. 5.

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

unbekannten, zu erwartenden Erben sorgfältig verwalten und nicht etwa verschleudern. Ob allerdings ein solches Verhalten auch stets dann von den — wie sich möglicherweise später herausstellen wird, vermeintlichen — Erben zu erwarten ist, wenn über viele Jahre ungewiß bleibt, ob noch ein Erbe geboren wird oder nicht, ist fraglich. Es kann jedenfalls nicht mit gleicher Sicherheit vorhergesehen werden wie in anderen Fällen der Unbekanntheit von Erben. Denn hier kommt erschwerend noch hinzu, daß lange Zeit ungewiß bleiben kann, wie hoch der Erbteil der bereits beim Erbfall geborenen Erben ist. Deshalb wird das Nachlaßgericht beim Vorhandensein kryokonservierter Embryonen stets nach dem Einzelfall, insbesondere danach, welcher der im Abschnitt I. des § 27 dargestellten Fälle vorliegt, zu überlegen haben, ob es der Nachlaßsicherung zugunsten der kryokonservierten Embryonen bedarf oder nicht. Jedenfalls ist es kein hinreichender Grund für die Bestellung eines Nachlaßpflegers, daß dies die bereits geborenen (möglicherweise vermeintlichen) Erben deshalb wünschen, um einzelne Nachlaßgegenstände versilbern oder anderweitig darüber verfügen zu können. Denn ihre Verfügungen sind ohnehin wirksam, wenn entweder die kryokonservierten Erben nicht geboren werden oder diese die Verfügungen nach ihrer Geburt gem. § 185 Abs. 2 BGB genehmigen. Letzteres werden sie tun, wenn die Verfügungen auch in ihrem Interesse waren, so daß für die Wahrung ihrer Rechte am Nachlaß nicht deshalb ein Fürsorgebedürfnis entsteht.

B. Aufgaben des Nachlaßpflegers Zunächst ist es Aufgabe des Nachlaßpflegers, die Erbschaft in Besitz zu nehmen. 8 Er kann dazu auch die Herausgabe der Nachlaßgegenstände9 von demjenigen verlangen, der Erbe ist, wenn kein kryokonservierter Embryo mehr geboren wird. Insbesondere hat er, ebeno wie der Leibesfruchtpfleger, die Erteilung eines Erbscheins zu verhindern, in dem der Embryo nicht berücksichtigt wird. Weiterhin ist es seine Aufgabe, eine vor der Geburt oder dem Absterben seines Pfleglings entstehende unvollständige Erbengemeinschaft daraufhinzuweisen, daß noch ein Erbe hinzukommen kann. Auch eine Person, die Alleinerbe ist, wenn der Embryo nicht geboren wird, ist zunächst vom Pfleger von der Existenz des nasciturus zu unterrichten. Aufgrund dieser Mitteilung wissen die Betreffenden, daß die Möglichkeit besteht, daß ihr Erbrecht rückwirkend wegfällt oder ihr Erbteil sich vermindert. Also werden sie hinsichtlich ihres Erbrechts bösgläubig. Dies hat für den noch nicht Geborenen positive Auswirkungen in Hinblick auf dessen Haftungsrecht gem. § 2024 BGB. Der Nachlaßpfleger kann bei der Verwaltung des Nachlasses mitwirken und insbesondere auch gemeinsam mit den übrigen s MK/ Leipold, § 1960 Rz. 47; Ziegltrum, S. 146; Erman l Schlüter, § 1960 Rz. 23. 9 Teils wird ein Herausgabeanspruch des Nachlaßpflegers aus § 2018 BGB abgeleitet {Lange / Kuchinke, §42 II. 1. a) (S. 817); Soer gel / Dieckman, §2018 Rz. 1; Staud.l Gursky, § 2018 Rz. 3; vermittelnd Brox, Rz. 548), teils aus eigenem Recht gem. § 1960 BGB {MK! Leipold, § 1960 Rz. 47; Soer gel / Stein, § 1960 Rz. 27).

§ 29 Haftung des Erbschaftsbesitzers

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Miterben über Nachlaßgegenstände wirksam verfügen. Allerdings ist es ihm wegen § 2043 BGB verwehrt, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu verlangen. Ebensowenig ist er dazu ermächtigt, eine Auseinandersetzung durchzuführen. 10

C. Beendigung der Nachlaßpflegschaft Die Nachlaßpflegschaft endet, wenn sie vom Nachlaßgericht aufgehoben wird. Sie ist aufzuheben gem. §§ 1919, 1962 BGB, wenn der Grund der Anordnung der Pflegschaft wegfällt. Der Grund für die Anordnung entfällt, wenn der Embryo vernichtet wird, die Fremdembryonentransplantation erfolglos bleibt, es zur Totgeburt kommt oder er geboren wird und die Erbschaft nicht mehr ausschlagen kann. 11 Existieren mehrere kryokonservierte Embryonen, so fällt der Anordnungsgrund erst weg, wenn keines mehr geboren werden kann, also alle abgestorben oder geboren sind.

§ 29 Die Haftung des Erbschaftsbesitzers bei Geburt eines zuvor kryokonservierten Erben I. Bei Entstehen einer Erbengemeinschaft durch die Geburt eines Miterben oder Eintritt eines später geborenen Miterben in die Erbengemeinschaft A. Schaden Wurden vor der Geburt eines Miterben wirksame Verfügungen über einen Nachlaßgegenstand getroffen, 1 so gehört gem. § 2019 Abs. 1 BGB das anläßlich der Verfügung Erlangte, ζ. B. (im Rahmen der Modifikation der §§2019 Abs. 2, 406-408 BGB) eine Kaufpreisforderung, zum Nachlaß.2 Denn die Verfügung wurde wegen § 2040 Abs. 1 BGB von einem Nichtberechtigten vorgenommen. Da ihm wegen der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2 BGB aufgrund der Geburt eines Miterben nur ein wertmäßig geringeres Erbrecht zusteht, ist der Verfügende als Erbschaftsbesitzer anzusehen.3 Das gilt auch dann, wenn die Erbengemeinio Staud.l Otte I Marotzke, § 1960 Rz. 51; Erman / Schlüter, § 1960 Rz. 23; Soergel I Stein, § 1960 Rz. 29; MK!Leipold, § 1960 Rz. 55. h Spätestens mit der Annahme der Erbschaft ist eine Nachlaßpflegschaft aufzuheben, Ziegltrum, S. 215; vgl. a. StaudJ Otte ! Marotzke, § 1960 Rz. 56. ι s. o. § 27 III. 2 Das Surrogat gilt als Bestandteil der Erbschaft, StaudJ Gursky, § 2019 Rz. 3. 3 Auch der Miterbe, der bei Erlangung des Vermögensvorteils sich objektiv ein zu weit gehendes Miterbenrecht anmaßt, ist Erbschaftsbesitzer, StaudJ Gursky, §2018 13 Mansees

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

schaft erst mit der Geburt eines Miterben, also erst nach der Verfügung, entsteht. Denn in diesem Fall wird der später Geborene kraft der Rückwirkung des § 1923 Abs. 2 BGB so gestellt, als sei er bereits im Zeitpunkt des Erbfalls Miterbe geworden. Durch die vorherige Veräußerung von Nachlaßgegenständen entsteht dem später geborenen Miterben aufgrund der dinglichen Surrogation dann kein Nachteil, wenn das Surrogat mindestens dem Wert des veräußerten Gegenstandes entspricht. Ein Schaden kann allerdings dadurch entstehen, daß Erträge des Nachlasses verbraucht werden. Ist ein Schaden entstanden, so sind die nachgeborenen Erben auf die Haftung des (wegen § 2040 Abs. 1 BGB) nichtberechtigt verfügenden Erbschaftsbesitzers angewiesen. Eine Beschränkung der Haftung auf die eines Geschäftsführers ohne Auftrag, wie sie aufgrund § 1959 Abs. 1 BGB für den vorläufigen Erben angenommen wird, 4 kommt für den wegen der Geburt eines Miterben nichtberechtigt Verfügenden nicht in Betracht. Denn es besteht kein Anlaß, den Verfügenden besser zu stellen als in den Fällen, in denen sein Erbrecht aus anderen Gründen (Anfechtung, Erbunwürdigkeitserklärung) wegfällt. In diesen Fällen wird der zunächst Erbende als Erbschaftsbesitzer behandelt. 5 B. Haftungsumfang 1. Haftung als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer Ein Nichtberechtigter haftet als bösgläubiger 6 Erbschaftsbesitzer gem. §§ 2024 S. 1 u. 2, 2023 BGB, wenn er bei der Verfügung über einen Nachlaßgegenstand davon wußte, daß kryokonservierte Embryonen existierten, die bei Geburt Erben werden. Dabei ist es gleich, ob der Verfügende mit der Geburt des zuvor Kryokonservierten sein Erbrecht ex tunc vollständig verliert oder lediglich Miterbe wird. Als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer haftet er auch für jede von ihm zu vertretende Entreicherung, 7 Verschlechterung oder Untergang eines Nachlaßgegenstandes.8

Rz. 6; MK! Jülicher, § 2018 Rz. 17; Erman I Schlüter, § 2018 Rz. 2; Brox, Rz. 549 a. E.; Lange I Kuchinke, § 42 II. 2. (S. 819). 4 Staud.l Otte / Marotzke, § 1959 Rz. 7; MK! Jülicher, § 2018 Rz. 21; Erman I Schlüter, § 2018 Rz. 2; Staud.l Gursky, § 2018 Rz. 12; Soer gel I Dieckmann, § 2018 Rz. 6; Brox, Rz. 551. 5 Erman I Schlüter, §2018 Rz. 2; Staud.l Gursky, §2018 Rz. 11; Soer gel ! Dieckmann, §2018 Rz. 6; MK! Jülicher, §2018 Rz. 21; Lange ! Kuchinke, §42 II. 2. (S. 819 f.); Brox, Rz. 549. 6 Bösgläubig ist, wer weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß (§ 932 Abs. 2 BGB), daß er nicht (Allein-)Erbe ist, Staud.l Gursky, § 2024 Rz. 2. Das muß auch für das Wissen hinsichtlich der Erbquote bzw. das Hinzukommen weiterer Miterben gelten. 7 Staud.l Gursky, § 2023 Rz. 9; Kipp / Coing, § 108 I. 3. (S. 605). Für einen nicht von ihm zu vertretenden Wegfall der Bereicherung haftet er gem. § 292 Abs. 1 BGB nicht, Erman / Schlüter, § 2023 Rz. 2. s MKI Jülicher, § 2023 Rz. 5; Lange I Kuchinke, § 42 IV. 3. (S. 828).

§ 29 Haftung des Erbschaftsbesitzers

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2. Haftung als gutgläubiger Erbschaftsbesitzer Wußte der Nichtberechtigte bei der Verfügung nicht, daß noch kryokonservierte Erben vorhanden sind, haftet er allein nach § 2021 BGB. Er kann sich also dem endgültigen Erben gegenüber gem. § 818 Abs. 3 BGB auf Entreicherung berufen, selbst, wenn er die Entreicherung zu vertreten hat. 9

II. Bei Verdrängung von Erbprätendenten Liegt einer der in § 27 I. D. angeführten Fälle vor und werden noch ein oder mehrere vorrangige Erben nach dem Erbfall geboren, so können diese gem. § 2018 BGB die Erbschaft und deren Surrogate (§ 2019 BGB) von dem bzw. den vermeintlichen Erben herausverlangen. Ist die Herausgabe unmöglich geworden, haften die Erbprätendenten entsprechend dem in Abschnitt I. Dargelegten. Darüber hinaus haftet der Scheinerbe als deliktischer Erschaftsbesitzer gem. § 2025 S. 1 BGB, wenn er bereits beim Ergreifen der Erbschaft von der Existenz kryokonservierter Emryonen wußte, 10 die an seiner Stelle erben, wenn sie geboren werden. Er hat wegen § 857 BGB verbotene Eigenmacht begangen, weil er gem. §§ 1923 Abs. 2, 1930 BGB rückwirkend als Nichterbe anzusehen ist. Er ist in diesem Fall auch dann zum vollständigen Schadensersatz verpflichtet, wenn ein Nachlaßgegenstand untergegangen ist, ohne daß er den Untergang zu vertreten hat. 11

I I I . Verjährung Die Haftung des nichtdeliktischen Erbschaftsbesitzers verjährt gem. § 195 BGB nach dreißig Jahren. Die Verjährung beginnt gem. § 198 BGB mit Entstehen des Anspruchs, also mit Geburt des endgültigen Erben, soweit sie später als die den Erben beeinträchtigende Handlung erfolgt. Die Haftung des deliktischen Erbschaftsbesitzers verjährt in diesem Fall hingegen gem. § 2025 S. 1 i. V. m. § 852 Abs. 1 BGB bereits drei Jahre 12 nach Kenntnis des endgültigen Erben von der Person des Erbschaftsbesitzers, spätestens aber 30 Jahre nach der Begehung der schädigenden Handlung. So ist es, falls der 9 Soergel I Dieckmann, § 2021 Rz. 4; StaudJ Gursky, § 2021 Rz. 3 und 7; MK ! Jülicher, § 2021 Rz. 5; Erman / Schlüter, § 2021 Rz. 2. 10 Hierin ist das für § 2025 S. 1 BGB auch bei verbotener Eigenmacht erforderliche Verschulden (MK / Jülicher, § 2025 Rz. 4; Staud. / Gursky, § 2025 Rz. 5; Soergel / Dieckmann, § 2025 Rz. 3; Erman / Schlüter, § 2025 Rz. 3) zu sehen. n Dies ergibt sich aus der Anwendbarkeit des § 848 BGB; StaudJ Gursky, § 2025 Rz. 7. 12 StaudJ Gursky, § 2025 Rz. 7; MK! Jülicher, § 2025 Rz. 8; Brox, Rz. 568. Bedenken gegen die Besserstellung des deliktisch Haftenden melden Lange / Kuchinke, § 42 IV. 4. b) Fn. 101 (S. 829) an. 13*

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Kap. 10: Nachlaßsicherung bei kryokonservierten Embryonen

Embryo erst später als 30 Jahre nach der Handlung des Erbschaftsbesitzers geboren wird, möglich, daß der Anspruch bereits vor seiner Entstehung verjährt ist. Das kann jedoch keine Auswirkungen auf die Haftung des deliktischen Erbschaftsbesitzers als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer haben, würde doch anderenfalls ein deliktischer sich besser als ein nur bösgläubiger Erbschaftsbesitzer stehen können. Also haftet in diesem Fall der Nichtberechtigte jedenfalls als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer. 13

13 Die Verjährung des Anspruchs aus § 2025 BGB berührt nicht die Verjährung konkurrierender Ansprüche nach §§ 2023, 2024 BGB, Staud.l Gursky, § 2025 Rz. 7.

Elftes Kapitel

Möglichkeiten gesetzlicher Neugestaltung des Erbrechts § 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung und deren instrumenteile Umsetzung Eine veränderte Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen statusrechtlichen Eltern, Keimzellspendern und artifiziell erzeugten Kindern, die auch das Erbrecht dieser Kinder betreffen, kann an folgende Prämissen anknüpfen: Sie kann getragen sein von der Zielvorstellung, die heterologen Befruchtungstechniken beizubehalten bzw. auszuweiten. Sie kann aber auch dem entgegengesetzt darauf gerichtet sein, artifiziell Erzeugte vermögensrechtlich möglichst gut auszustatten. Das hätte mittelbar eine Einschränkung der Keimzellspende zur Folge.

I. Orientierung an der Beibehaltung oder Ausweitung der Möglichkeiten heterologer Befruchtungsmethoden Vor allem auf dem Deutschen Juristentag sind vereinzelt Stimmen laut geworden, daß es angeraten sei, alle Hemmnisse für Keimzellspender, die das geltende Recht errichte, zu beseitigen. Nur so könne Freiraum dafür geschaffen werden, daß jedes Wunschelternpaar die Möglichkeit habe, sich für die heterologe Erzeugung eines Kindes zu entscheiden.1 Solange allerdings weder die Anonymität der Keimzellspende gesichert noch deren spätere vermögensrechtliche Belastung durch Erb- und Unterhaltsrecht ausgeschlossen sei, behindere der Staat die Wunscheltern in ihrer Entfaltung, soweit sie auf heterologe Befruchtungsmethoden angewiesen seien. Würden die heterologen Methoden der künstlichen Befruchtung faktisch durch die vermögensrechtlichen Folgen der Keimzellspende unterbunden oder doch stark eingeschränkt, so würden viele Kinder gar nicht erst entstehen und Wunscheltern um ihr Glück gebracht. 2 Der Markt wäre tot. 3 Dazu habe der Staat kein Recht, zumal die Schädlichkeit der heterologen Erzeugung für das Kind nicht erwiesen sei. 4 Folgt man dieser Argumentation, so bietet sich eine ι Broda in: 56. DJT, S. Κ 88 f.; Scheller in: 56. DJT, S. Κ 173 f. 2 Scheller in: 56. DJT, S. Κ 173. 3 Hübner in: 56. DJT, S. Κ 132. 4 Solange es kein gesichertes empirisches Material über die Schädlichkeit der Anonymität der Keimzellspende für das betroffene Kind gebe, solle man nicht reglementierend verfahren, Teubner in: 56. DJT, S. Κ 127.

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Kap. 11 : Mögliche gesetzliche Neugestaltung des Erbrechts

Gestaltung der erbrechtlichen Folgen künstlicher Befruchtung dergestalt an, daß nach Keimzellspendern seitens der aus ihren Gameten erzeugten Kinder kein Erbrecht besteht. Dies Ziel ist mittelbar durch statusrechtliche Regelungen sowie Anonymitätszusicherungen und unmittelbar durch die Einführung erbrechtlicher Präklusionsvorschriften zu erreichen.

A. Mittelbare Regelungen 1. Bei Samenspende Bei Samenspende ist die Geltendmachung der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung zum Spender wegen § 1600 a S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die statusrechtliche Zuordnung zum Spender nicht erfolgen kann. Somit bräuchte ein Samenspender die erbrechtliche Zuordnung eines aus seinen Keimzellen hervorgegangenen Kindes nicht zu befürchten, wenn eine statusrechtliche Zuordnung zu ihm unmöglich gemacht wird. a) Änderungen des Statusrechts Wird ein Kind ehelich geboren, kann die statusrechtliche Zuordnung zum Samenspender gem. § 1593 BGB erst erfolgen, wenn die Ehelichkeit erfolgreich angefochten wurde. aa) Ausschluß des Anfechtungsrechts des Scheinvaters Sowohl vom Deutschen Juristentag 5 wie vom Bundesjustizminister 6 wird gefordert, bei konsentierter heterologer Insemination dem Ehemann der Inseminierten das Recht der Ehelichkeitsanfechtung durch eine gesetzliche Ausschlußregelung zu versagen. Eine solche Regelung widerspräche nicht dem Kindeswohl und ist insbesondere wegen der Systemwidrigkeit der gegenwärtigen Anfechtungsmöglichkeit7 des konsentierenden Ehemannes zu begrüßen. bb) Ausschluß des Anfechtungsrechts des Kindes Die Beseitigung der Sperrwirkung des § 1593 BGB kann nach geltendem Recht auch erfolgen, wenn die Ehelichkeit vom Kind nach § 1596 BGB angefochten wird. Der Ausschluß des Anfechtungsrechts des Kindes im Falle der heterolo5 Beschluß ΙΠ. 10. in: 56. DJT, S. Κ 236 f. 6 In: „recht" 1988, S. 86 f. 7 s. o. § 9 I. A. 3.

§ 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung

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gen Insemination ist indes noch von niemandem vorgeschlagen worden. Eine solche Regelung würde auch ohne sachlichen Grund heterolog erzeugte gegenüber natürlich gezeugten Kindern benachteiligen und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Sie wäre nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt und verhinderte ohne sachlichen Grund die Herstellung einer der natürlichen entsprechenden statusrechtlichen Zuordnung durch das Kind. Ein sachlicher Grund ist auch nicht die Ermöglichung der Samenspende. Die heterologe Insemination ist wegen der damit verbundenen geplanten Zuordnungsabweichung rechtswidrig. 8 Würde man die Ermöglichung der Samenspende als Argument für den Ausschluß des Anfechtungsrechts des Kindes anführen, so könnte man das nur tun, indem man sagt: Das betroffene Kind wäre nicht erzeugt worden, wenn der Samenspender gewußt hätte, daß es die Ehelichkeit anfechten kann. Diese Argumentation ist aber ungeeignet, das Recht eines bereits existierenden Kindes zu beschränken, denn es ist schon erzeugt und geboren worden, ohne selbst auf die Geltendmachung der natürlichen Zuordnung verzichtet zu haben. Also wäre ein Ausschluß des Anfechtungsrechts des heterolog erzeugten Kindes (§ 1596 BGB) wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig: Ein Kind, in dessen Recht auf Zuordnung gemäß der genetischen Herkunft bereits bei seiner Erzeugung gezielt eingegriffen wurde, kann nicht schlechter als andere abweichend zugeordnete Kinder gestellt werden, die ihre Ehelichkeit gem. § 1596 BGB anfechten könnten.

b) Zusicherung der Anonymität Ist die Ehelichkeit eines Kindes angefochten, so ist zwar die Sperrwirkung des § 1593 BGB weggefallen. Eine statusrechtliche Feststellung der Vaterschaft könnte gleichwohl nicht erfolgen, wenn der Erzeuger nicht namhaft gemacht werden könnte. Damit wäre auch die Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts bzw. des Erbersatzanspruches des Kindes ausgeschlossen, bestehen beide doch nach geltendem Recht gem. § 1600 a S. 2 BGB nur bei statusrechtlicher Feststellung der Vaterschaft des Spenders. Daher könnte bei zugesicherter Anonymität der Samenspender sicher sein, daß ihn keine vermögensrechtlichen Folgen erbund unterhaltsrechtlicher Art treffen. Würde dem Samenspender rechtswirksam Anonymität zugesichert werden können, entfiele auch die Notwendigkeit, das Anfechtungsrecht des Kindes zu beschränken. Eine gesetzliche Regelung, die eine Anonymität der Samenspende mit der Wirkung zuließe, daß das Kind seine natürliche Herkunft nicht erfahren kann, wäre jedoch verfassungswidrig. Sie verstieße gegen das in Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG enthaltene Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft. 9

s Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497 f.). 9 Mansees, NJW 1988, S. 2984 (2985).

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Kap. 11 : Mögliche gesetzliche Neugestaltung des Erbrechts

2. Bei Eispende a) Statusrechtliche

Regelungen

Von der Bundesregierung 10, insbesondere dem Bundesjustizminister 11, wird erwogen, im BGB eine Bestimmung einzuführen, nach der als Mutter im familienrechtlichen Sinn nur die Frau angesehen wird, die das Kind geboren hat. Einen in diese Richtung gehenden Beschluß hat auch der Deutsche Juristentag gefaßt. 12 Eine solche Regelung würde nach dem in § 18 II. C. Dargelegten allerdings nichts am gesetzlichen Erbrecht des Kindes nach seiner genetischen Mutter ändern. Denn dies hat nicht die statusrechtliche Mutterschaft zur notwendigen Voraussetzung. Vielmehr reicht die genetische Abstammung aus. Würde man hingegen mit einer Neuregelung nicht nur die statusrechtliche Zuordnung des Kindes bestimmen, sondern darüber hinaus eine Verwandtschaft (§ 1589 S. 1 BGB) mit der von der biologischen verschiedenen genetischen Mutter verneinen, hätte das den Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung zur Folge. Dazu wird in Abschnitt B. Stellung genommen. b) Zusicherung der Anonymität Die Eispende ließe sich dadurch fördern, daß man die Anonymität der Spenderin gesetzlich zuläßt. Da in Deutschland zumindest offiziell die Eispende keine Rolle spielt, sie vielmehr abgelehnt wird, fehlen allerdings Erörterungen darüber, ob sie anonym erfolgen soll. In Österreich wird die anonyme Eispende bereits durchgeführt. 13 Die Unmöglichkeit, die Eispenderin ermitteln zu können, ändert zwar an der materiellrechtlichen natürlichen Zuordnung des Kindes nichts. Allerdings wird damit die Durchsetzung auch erbrechtlicher Ansprüche und Positionen des Kindes unmöglich gemacht. Dies läuft faktisch auf einen Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts des Kindes nach seiner genetischen Mutter hinaus. Bei Zusicherung der Anonymität kann daher die Eispenderin sicher davor sein, von einem aus ihrem Ei hervorgegangenen Kind nicht beerbt oder unterhaltsrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Argumentation, die für eine Anonymität angeführt werden könnte, müßte der bei der Samenspende vorgebrachten folgen. Eine durch Gesetz ermöglichte rechtswirksame Zusicherung der Anonymität der Eispende wäre jedoch aus den gleichen Gründen verfassungswidrig, wie die Anonymität der Samenspende. io Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen, BT-Drs. 11/1856, S. 10 f. h In: „recht" 1988, S. 86. 12 Beschluß IV. 1. in: 56. DJT, S. Κ 237; und Beschluß VI. 1. in: 56. DJT, S. Κ 239. 13 Nach Wicke in: „Eltern", Juli 1987 (Heft 7/87), S. 63-67, führen in Wien die weltbekannten Reproduktionsmediziner Feichtinger und Kemeter die ivF mit anonymer Eispende durch; die Spenderinnen erhalten dafür jeweils 14.000 öS (etwa DM 2.000,—) (S. 66).

§ 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung

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B. Unmittelbare Regelungen 1. Ausschluß der vermögensrechtlichen natürlichen Zuordnung Der Gesetzgeber könnte bestimmen, daß die mittels heterologer Insemination und heterologen ivF erzeugten Kinder kein gesetzliches Erbrecht nach ihren genetischen Eltern haben. Ein Ausschluß der vermögensrechtlichen Zuordnung heterolog erzeugter oder nach einem Fremdembryonentransfer geborener Kinder zu ihren genetischen Eltern würde allerdings eine Ungleichbehandlung von natürlich gezeugten und auf künstlichem Wege erzeugten Kindern bedeuten. Eine derartige Ungleichbehandlung wäre gem. Art. 3 Abs. 1 GG nur dann verfassungsmäßig, wenn sie auf einem sachlichen Grund beruhte.

2. Kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung a) Bei Eispende Bei der Eispende wird von der Bundesregierung wohl davon ausgegangen, die familienrechtliche Zuordnung allein zur biologischen Mutter habe neben der eindeutigen statusrechtlichen Zuordnung den Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung zur Eispenderin zur Folge. Für die vollständige Zuordnung eines Kindes zur biologischen Mutter wird angeführt: „Ein Kind soll nur eine Mutter haben; in seinem Interesse darf es keine »gespaltene4 Mutterschaft zwischen der genetischen und der biologischen Mutter geben." 14 Dazu ist jedoch zu sagen, daß sich durch eine gesetzliche Regelung die tatsächlich vorgenommene Aufspaltung von genetischer und biologischer Mutterschaft nicht beseitigen läßt. Insofern verkennt die Bundesregierung den Sein-Sollens-Dualismus. Ein im Wege der Eispende erzeugtes oder nach einem Fremdembryonentransfer geborenes Kind stammt nun einmal von einer anderen Frau natürlich ab, als von der es geboren wird. Diese Besonderheit in der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte im Vergleich zu anderen Kindern kann der Gesetzgeber nicht aufheben. Vielmehr bedarf jeder Ausschluß der natürlichen Zuordnung einer Rechtfertigung gemäß der allgemeinen Zuordnungstheorie. 15 Ein derartiger Rechtfertigungsgrund wird jedoch weder angeführt, noch ist er erkennbar. b) Bei Samenspende Für die Samenspende wird erwogen, Unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche zwischen Samenspender und Kind auszuschließen.16 Begründet wird diese ÜberKabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen in: BT-Drs. 11 /1856, S. 10. is s. o. § 14 ΙΠ. B.

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Kap. 11 : Mögliche gesetzliche Neugestaltung des Erbrechts

legung damit, „daß sich bei einer bestehenbleibenden potentiellen Verantwortung des Samenspenders gegenüber dem Kind . . . generell keine Männer mehr zu einer Samenspende bereitfänden. Dies wiederum könnte zur Folge haben, daß die betroffenen Ehepaare heterologe Inseminationen im Ausland vornehmen lassen."17 Dann aber sei noch nicht einmal das kognitive Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft gewährleistet. Die Befürchtung, ohne Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung würden sich Wunscheltern zur heterologen Befruchtung in das Ausland begeben und damit noch schlechtere Bedingungen für die daraus hervorgehenden Kinder setzen, stellt jedoch keinen beachtenswerten sachlichen Grund dar. Denn ein Ausschluß der natürlichen Zuordnung ist nach der verfassungsrechtlich begründeten allgemeinen Zuordnungstheorie 18 nur gerechtfertigt, wenn er durch das Kindeswohl oder Grundrechte Dritter bedingt ist. Ein Grundrecht der Wunscheltern auf freie Fortpflanzung unter Mißachtung des Rechtes des Kindes auf natürliche Zuordnung gibt es nicht. 19 Auch das Wohl der Erzeugten ist als Begründung für einen Ausschluß seiner vermögensrechtlichen Position ungeeignet. Hierfür könnte allein angeführt werden, daß anderenfalls das im Wege der heterologen Befruchtung erzeugte Kind nicht erzeugt worden wäre, weil der jeweilige Donator sich bei bestehendem Erbrecht nicht zur Keimzellspende bereitgefunden hätte. Das allerdings ist lediglich Spekulation. Jedenfalls ist das betroffene Kind geboren worden und erst jetzt nach Gründen zu suchen, die einen Ausschluß vom Erbrecht gemäß der natürlichen Zuordnung rechtfertigen. Solche Gründe gibt es nicht. Vor allem ist einer derartigen Begründung entgegenzuhalten, daß die mit der heterologen Erzeugung von Kindern verbundene Zuordnungsabweichung rechtswidrig ist 2 0 und damit die Ermöglichung derartiger Methoden künstlicher Befruchtung kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung nicht-natürlich erzeugter Kinder sein kann. Der Verweis auf das Ausland kann sich daher nur auf die Vermeidung der künftigen Erzeugung von Kindern beziehen. Er ist deshalb kein Argument dafür, existierenden Kindern die natürliche vermögensrechtliche Zuordnung zu nehmen. Wenn im Ausland heterologe Befruchtungstechniken großzügig vom Staat durch Gewährleistung der Anonymität der Keimzellspende gefördert werden, kann der deutsche Gesetzgeber das nicht verhindern. Denn sein Einfluß besteht nur so weit, wie das Grundgesetz reicht. Daß ein außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erzeugtes Kind schlechtere Bedingungen vorfindet, als ein in 16 Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin", in: „recht" 1988, S. 88 (90); Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen in: BT-Drs. 11/1856, S. 11. 17 Kabinettbericht zur künstlichen Befruchtung beim Menschen in: BT-Drs. 11 /1856, S. 11. is s. o. § 16 Π. 19 s. o. § 15 II. A. 20 Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497 f.).

§ 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung

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Deutschland erzeugtes, dem verfassungsrechtlich verankerte Positionen vorenthalten werden, ist deshalb keine Rechtfertigung für eben diese Beschränkung eines grundrechtlich garantierten Rechts des Kindes. Mit anderen Worten: Wenn einem Kind in der Bundesrepublik Deutschland das Recht auf natürliche Zuordnung im vermögensrechtlichen Bereich genommen wird, kann das nach der allgemeinen Zuordnungstheorie 21 nur geschehen, wenn dies im Wege der praktischen Konkordanz der Grundrechte gerechtfertigt ist. Als Rechtfertigung kann nicht gelten, daß dieses Kind ohne gesetzliches Erbrecht und ohne gesetzliches Unterhaltsverhältnis gegenüber seinen genetischen Eltern besser dasteht, als wenn es im Ausland erzeugt worden wäre und noch nicht einmal sein Recht auf Kenntnis der genetischen Herkunft durchsetzen könnte. Ein Verfassungsverstoß durch den Gesetzheber wird nicht durch Umstände im Ausland aufgehoben, die noch weniger im Einklang mit unseren Grundrechten stehen, sondern bleibt ein Verfassungsverstoß. Also gibt es für die Ungleichbehandlung natürlich gezeugter und heterolog erzeugter Kinder bei Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung durch ein Gesetz keinen sachlichen, mit dem Grundgesetz zu vereinbarenden Grund. 3. Unvereinbarkeit eines Ausschlusses mit Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG Ein Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts heterolog Erzeugter nach ihren genetischen Eltern widerspräche der in Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 5 GG enthaltenen Garantie des Familienerbrechts. Diese Garantie umfaßt jedenfalls das gesetzliche Erbrecht der Kinder des Erblassers. 22 Ein Kind ist nach gegenwärtigem Recht gem. § 1589 S. 1 BGB, wer (ohne weitere vermittelnde Geburten) von einem anderen natürlich abstammt oder ihm statusrechtlich zugeordnet ist. 23 Würde man künftig im Wege der Keimzellspende Erzeugte nicht mehr wie andere Kinder des Erblassers am gesetzlichen Erbrecht ihres Erzeugers bzw. ihrer genetischen Mutter teilhaben lassen, würde man sie in ihren nach geltendem Recht noch bestehenden familienerbrechtlichen Positionen beschneiden. Das würde einen Eingriff in das verfassungsrechtlich verankerte Familienerbrecht bedeuten, für den es, wie unter 2. bereits angeführt, keinen sachlichen Grund gäbe. Ein Ausschluß der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung eines Kindes zu seinen genetischen Eltern bei Anwendung heterologer Befruchtungstechniken wäre also unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), dem Recht des Kindes auf natürliche Zuordnung (Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG) und 21 s. o. § 16 II. 22 s. o. § 5 II. B. 23 s. o. § 16 II.

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Kap. 11 : Mögliche gesetzliche Neugestaltung des Erbrechts

mit der Garantie des Familienerbrechts (Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und Abs. 5 GG).

I I . Orientierung am Interesse des Kindes Will man den aus einer heterologen Befruchtung hervorgangenen Kindern eine vermögensrechtlich möglichst gute Grundlage mit auf den Weg geben, so kann dies dadurch geschehen, daß man für die Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts nach den genetischen Eltern sorgt. Einen Ausschluß der Geltendmachung gibt es nach jetzigem Recht nur gegenüber dem genetischen Vater.

A. Kein Wegfall des § 1600 a S. 2 BGB Das gesetzliche Erbrecht gemäß der natürlichen Zuordnung kann von den Abkömmlingen eines Samenspenders dann nicht geltend gemacht werden, wenn dessen Kind ihm nicht statusrechtlich zugeordnet ist (§ 1600 a S. 2 BGB). Ein Wegfall des § 1600 a S. 2 BGB wäre also für heterolog erzeugte Kinder bzw. deren Abkömmlinge vorteilhaft. Ein Wegfall des Erfordernisses der statusrechtlichen Zuordnung eines Kindes zu einem Mann zur Geltendmachung der natürlichen vermögensrechtlichen Zuordnung kommt jedoch nicht in Betracht. Würde man nämlich § 1600 a S. 2 BGB für heterolog Erzeugte de lege ferenda ausschließen, bedeutete das eine Ungleichbehandlung gegenüber natürlich gezeugten Kindern und würde daher letztere ohne sachlichen Grund entgegen Art. 3 Abs. 1 GG benachteiligen. Ein Wegfall des § 1600 a S. 2 BGB für alle Kinder (nicht nur für heterolog erzeugte) würde ebenfalls mit Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 5 GG nicht vereinbar sein, weil dann nichteheliche und scheineheliche Kinder gegenüber ehelichen Kindern bevorzugt wären. Jene könnten im Gegensatz zu diesen die vermögensrechtliche Zuordnung nicht nur zu ihrem statusrechtlichen, sondern auch zu ihrem davon verschiedenen genetischen Vater geltend machen.24 Also kommt eine Streichung des § 1600 a S. 2 BGB wegen Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG weder allgemein, noch lediglich für heterolog Erzeugte in Betracht. B. Ausweitung des § 1596 BGB Würde die Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind über den gegenwärtigen Katalog des § 1596 BGB hinaus allen heterolog mittels Samenspende erzeugten Kindern ermöglicht, hätten diese Kinder die Möglichkeit, zu gegebener Zeit (wenn sie volljährig sind), die bisherige statusrechtliche Zuordnung zu einem 24 Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1600 a S. 2 BGB s. ο. § 18 I. Α. 3.

§ 30 Mögliche Grundausrichtung einer Neugestaltung

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„Scheinvater" zu beenden. Sie könnten dann hinsichtlich der status- und vermögensrechtlichen Komponente die der natürlichen entsprechende Zuordnung zum Samenspender herbeiführen. Bereits auf dem 56. Deutschen Juristentag wurde gefordert, 25 dem Kindes wohl heterolog Erzeugter durch eine Erweiterung des § 1596 BGB gerecht zu werden. Ein entsprechender Beschluß wurde daraufhin gefaßt. 26 Danach soll ein Kind auch dann die Ehelichkeit anfechten können, wenn es heterolog erzeugt wurde. Begründen läßt sich dieser Vorschlag damit, daß es dem Kindeswohl am ehesten entspricht, wenn das heterlog erzeugte Kind beizeiten wählen kann, ob es statusrechtlich mit den entsprechenden vermögensrechtlichen Konsequenzen weiterhin dem Ehemann seiner Mutter oder dem Samenspender zugeordnet sein will. Wird dagegen eingewandt, es sei nicht einsichtig, weshalb ein künstlich erzeugtes Kind mehr Wahlmöglichkeiten haben soll, als ein auf natürlichem Wege gezeugtes,27 so wird hierbei ein wesentlicher Punkt übersehen. Und zwar, daß das Kind Ergebnis einer bereits vor seiner Zeugung von den Wunscheltern geplanten rechtswidrigen Zuordnungsabweichung 28 ist. Es gegen seinen Willen an der von der natürlichen abweichend hergestellten Zuordnung zum Ehemann seiner Mutter festzuhalten, ist daher nicht gerechtfertigt. Wer dies dennoch mit der Begründung fordert, so sei der Samenspender auf sehr lange Zeit dem Risiko einer vermögensrechtlichen Inanspruchnahme durch das Kind ausgesetzt, will damit die Samenspende fördern oder doch wenigstens erleichtern. Es kann aber nicht Aufgabe des Staates sein, rechtswidrige Handlungen zu fördern. Die mit der Samenspende intendierte Zuordnungsabweichung ist jedoch rechtswidrig. 29 Somit sind die gegen die Einräumung eines Anfechtungsrechts des Kindes bei heterologer Insemination angeführten Argumente nicht vom Kindeswohl getragen und insofern nicht überzeugend. Deshalb sollte der Katalog der Anfechtungsgründe des § 1596 BGB um eine weitere Nummer erweitert werden, nach der jedes heterolog erzeugte Kind seine Ehelichkeit anfechten kann.

I I I . Rechtspolitischer Ausblick Das Wohl des Kindes, das auch dessen vermögensrechtliche Ausstattung und Versorgung umfaßt, ist verfassungsrechtlich in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG garantiert. Es muß deshalb bei der Rechtsgestaltung Berücksichtigung finden. Das Interesse der Keimzellspender und der die heterologen Befruchtungstechniken durchfüh25 Mansees in: 56. DJT, S. Κ 121. 26 Beschluß III. 11. in: 56. DJT, S. Κ 237. 27 In diese Richtung gehen offenbar die Bedenken von Franzki, MedR 1987, S. 36 (38). 28 Zur Rechtswidrigkeit der geplanten Zuordnungsabweichungen bei heterologer Insemination Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497 f.). 29 Mansees, ZfJ 1986, S. 496 (497 f.).

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Kap. 11 : Mögliche gesetzliche Neugestaltung des Erbrechts

renden Ärzte daran, finanziell nicht belastet zu werden, ist hingegen nicht verfassungsrechtlich geschützt. Es ist vielmehr dem Recht des Kindes auf eine möglichst gute finanzielle Ausstattung nachgeordnet. Auch das Recht der Wunscheltern auf freie Fortpflanzung als Element des Freiheitsgrundrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) geht nicht so weit, daß es eine Beschneidung des Erbrechts des Kindes nach seinen genetischen Eltern rechtfertigen könnte. Ein Recht der Wunscheltern auf heterologe Insemination und Durchführung anderer heterologer Befruchtungstechniken gibt es nicht. Diese Methoden sind vielmehr rechtswidrig. Somit bleibt es dabei, daß Richtschnur für die Gestaltung künftigen Erbrechts die für das Kind vorteilhafteste vermögensrechtliche Ausstattung sein muß. Eine Beschneidung des gesetzlichen Erbrechts nach den genetischen Eltern ist damit auch de lege ferenda verfassungswidrig. Derartige Unternehmungen verstießen gegen die Garantie des Familienerbrechts nach Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 5 GG sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr ist eine Ausweitung des Anfechtungsrechts des Kindes über den gegenwärtigen Katalog des § 1596 BGB hinaus geboten. Damit wäre eine Ausweitung der Geltendmachung des gesetzlichen Erbrechts des heterolog erzeugten Kindes nach seinem Erzeuger verbunden.

Zwölftes Kapitel

Vorschläge zur künftigen Rechtsgestaltung Nach dem im letzten Kapitel Ausgeführten bedarf es zur Verbesserung der erbrechtlichen Stellung des Kindes keiner Erweiterung der materiellen Rechtslage mit Ausnahme der Erweiterung des Katalogs der Anfechtungsgründe des Kindes in § 1596 BGB, die sich mittelbar auch auf die Geltendmachung des Erbrechts nach den genetischen Eltern auswirken kann. Demnach ist nur noch zu untersuchen, inwieweit neue verfahrensrechtliche Möglichkeiten geschaffen werden sollten, die es dem Kind ermöglichen, seine materielle Rechtsposition auch durchzusetzen.

§ 31 Verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche durch das Kind1 Um die Rechte wahrnehmen zu können, die ein heterolog erzeugtes oder im Weg des Fremdembryonentransfers einer anderen Frau eingepflanztes Kind nach seiner Geburt aufgrund seiner genetischen Abstammung hat, muß es um seine genetische Herkunft wissen. Anderenfalls ist es ihm nicht möglich, sein gesetzliches Erbrecht nach dem Versterben seines genetischen Vaters wahrzunehmen, wenn es im Wege der heterologen Insemination erzeugt wurde. Das gleiche gilt, wenn bei einem Kind die biologische Mutter nicht mit der genetischen identisch ist. Die Wunscheltern, die das Kind nach seiner Geburt als seine Eltern kennt, haben zumeist kein Interesse, dem Kind von seiner artifiziellen Entstehung zu erzählen. Sie kennen in der Regel den bzw. die Keimzellspender nicht. Entweder erfährt ein solches Kind nicht von den Umständen seiner Erzeugung oder es kann zumindest nicht ohne fremde Mithilfe seine genetische Herkunft in Erfahrung bringen. Die Geltendmachung der vermögensrechtlichen Ansprüche gegenüber den genetischen Eltern ist unter solchen Umständen erheblich erschwert, wenn nicht unmöglich. Deshalb bedarf es de lege ferenda angesichts der reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten einer Absicherung der Kenntniserlangung des Kindes von seinen genetischen Eltern. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, bei natürlicher Erzeugung durch einen später unbekannten Dritten ζ. B. aufgrund 1

Zur Notwendigkeit einer personenstandsrechtlichen Registrierung der genetischen Eltern s. a. Mansees, NJW 1988, S. 2984 (2987).

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Kap. 12: Vorschläge zur künftigen Rechtsgestaltung

eines Ehebruchs oder einer natürlichen Befruchtung einer Alleinstehenden werde der Erzeuger nicht vor der Geburt personenstandsrechtlich festgehalten. Denn in solchen Fällen ist eine Registrierung überhaupt nicht ohne Eingriff in die sexuelle Intimsphäre möglich, während bei ivF und heterologer Insemination regelmäßig Dritte mitwirken. Auch bei einer ambulanten heterologen Insemination wird ein Arzt regelmäßig zumindest aus seiner Samenbank den Spendersamen zur Verfügung stellen. Infolgedessen empfiehlt es sich, personenstandsrechtliche Maßnahmen zu treffen, die dem Kind später seine genetische Herkunft ermitteln helfen.

I. Personenstandsrechtliche Registrierung der ivF Nach geltendem Recht (§21 Abs. 1 PStG) wird erst nach der Geburt und Anzeige durch eine meldepflichtige Person (§17 Abs. 1 PStG) im Geburtenbuch die Existenz eines neuen Menschen amtlich festgehalten. Dabei werden zunächst die Daten der Mutter (Gebärenden) aufgebührt, danach der Geburtszeitpunkt, das Geschlecht und der Name (§21 Abs. 1 PStG). Ist die Mutter verheiratet oder die Vaterschaft des Kindes bereits vor der Eintragung anerkannt, werden auch Daten des statusrechtlichen Vaters angeführt (§§21 Abs. 1 Nr. 1 erster Halbsatz, 29 Abs. 1 PStG). Die Existenz und Herkunft eines noch nicht geborenen, aber bereits Erzeugten wird hingegen nirgendwo amtlich beurkundet. Um die spätere Geltendmachung von Rechten des Kindes, die auf seiner genetischen Herkunft beruhen, zu ermöglichen, sollte künftig folgendes Verfahren eingerichtet werden: (1) Jede extrakorporale Befruchtung ist vom durchführenden Arzt bzw. Biologen dem Standesbeamten, in dessen Bezirk die Fertilisation erfolgt, mitzuteilen. Dabei ist anzugeben, von wem der Samen gewonnen (genetischer Vater) und wessen Eizellen (genetische Mutter) verwendet wurden. Ferner sind Zeitpunkt und Ort sowie die Anzahl der Eizellen anzugeben, an denen ein ivF- Versuch vorgenommen wurde. (2) Jeder Embryotransfer ist vom durchführenden Arzt dem zuständigen Standesbeamten mit Bezug auf die zuvor entsprechend (1) gemachte Meldung mitzuteilen. Dabei sind die Daten der biologischen Mutter anzugeben und darzulegen, was mit den übrigen Eizellen geschehen ist (fehlgeschlagene Befruchtungsversuche, Vernichtung, Kryokonservierung, Fremdembryonentransfer). (3) Wird ein im Wege der ivF erzeugtes Kind geboren, ist davon dem Standesbeamten, in dessen Bezirk die ivF erfolgte und dem, in dessen Bezirk der Embryonentransfer vorgenommen wurde, Mitteilung zu machen. Beim Eintrag in das Geburtenbuch ist als Randvermerk festzuhalten, wo, unter welchem Datum und welcher Registernummer die Eintragungen über die ivF und den Embryotransfer gemacht wurden.

§ 31 Vorauss. d. Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche

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Die Eintragungen (1) bis (3) sind entsprechend § 61 Abs. 2 S. 1 PStG nur den Behörden, dem betroffenen Kind sowie dessen gesetzlichen Vertretern und den statusrechtlichen Eltern zugänglich zu machen.

I I . Personenstandsrechtliche Vorkehrungen bei innerkörperlicher Befruchtung (1) Wird bei innerkörperlicher Befruchtung heterolog inseminiert oder eine Spendereizelle verwendet, so ist die Vornahme der Insemination bzw. des intratubaren Gametentransfers entsprechend dem bei 1.(1) Dargelegten dem Standesbeamten zu melden und von diesem zu registrieren. (2) Wird eine Uteruslavage vorgenommen und erfolgt anschließend eine Kryokonservierung, ist dies ebenfalls dem Standesbeamten mitzuteilen, wenn die Insemination homolog erfolgte. (3) Wird nach einer Uteruslavage ein Fremdembryonentransfer vorgenommen, ist dies entsprechend I. (2) zu melden und festzuhalten. Nach der Geburt eines innerkörperlich heterolog erzeugten Kindes oder eines solchen, das nach Uteruslavage kryokonserviert oder einer anderen Frau eingepflanzt wurde, ist entsprechend I. (3) zu verfahren.

I I I . Mögliche Einwände gegen die Registrierung von ivF-Versuchen, Embryotransfers und heterologen Inseminationen Gegen diese Vorschläge könnte folgendes eingewendet werden: (1) Die vollständige Registrierung sei ein bürokratisch enormer und nicht gerechtfertigter Aufwand. Ein solches Verfahren sei unpraktikabel. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Führung solcher Register wesentlich durch den Einsatz elektronischer Medien, insbesondere Datenverarbeitung, erleichtert werden kann. Diese Medien ermöglichen ein umfangreiches Speichern von Daten mit verhältnismäßig geringem räumlichen Aufwand und personellen Einsatz. Würde ein solches Verfahren nicht gewählt, würden die heterolog erzeugten Kinder um die Möglichkeit gebracht, ihre genetische Herkunft in Erfahrung zu bringen und daraus resultierende Rechte geltend zu machen. Dies rechtfertigt einen solchen Aufwand, auch wenn viele Aufzeichnungen deswegen später wieder zu löschen wären, weil die ivF, der ET oder die heterologe Insemination erfolglos geblieben bzw. kryokonservierte Embryonen abgestorben sind. (2) Einer solchen detaillierten Regelung bedürfe es nicht, weil kein Handlungsbedarf bestehe. Bislang seien keine Fälle von Eispende in der Bundesrepublik Deutschland bekannt geworden; intratubarer Gametentransfer werde gegenwärtig 14 Mansees

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Kap. 12: Vorschläge zur künftigen Rechtsgestaltung

ausschließlich im homologen System durchgeführt und die heterologe Insemination sei sehr eingeschränkt worden. Dem ist entgegenzuhalten, daß bereits ein Fall ausreichen würde, in dem ein Kind ohne Registrierung seine genetischen Eltern nicht in Erfahrung bringen kann, um eine vollständige Registrierung zu rechtfertigen. Und daß ein solcher Fall trotz entgegenstehender standesrechtlicher Vorschriften vorkommen kann, ist nicht auszuschließen. (3) Die Erfassung aller ivF'en und heterologen Versuche innerkörperlicher Befruchtung würde dahingehend mißverstanden, der Staat schaffe damit den rechtlichen Rahmen für solche Methoden und erlaube sie dadurch ersichtlich. Dem kann jedoch mit eindeutiger Begründung eines derartigen Gesetzesentwurfs entgegengetreten werden. Eine solche Begründung müßte den Hinweis enthalten, daß jedes Kind das Recht hat, seine genetische Herkunft zu erfahren und der Staat deshalb verpflichtet ist, dafür die Möglichkeit zu schaffen, wenn anders es diesen Kindern verwehrt bliebe, ihre natürliche Abstammung aufzuklären. Weiter wäre klarzulegen, daß die heterologen Varianten der Reproduktionsmedizin mit dem Kindeswohl unvereinbar und deshalb rechtswidrig sind. Um dennoch bei vorkommenden Versuchen heterologer Erzeugung dem Kenntnisrecht des Kindes zum Durchbruch zu verhelfen, bedürfe es einer umfassenden Registrierungspflicht.

IV. Bußgeldbewehrung Das schuldhafte Zuwiderhandeln gegen die Registrierungspflicht ist als Ordnungswidrigkeit einzuordnen (vgl. § 68 PStG). Dabei sollte das angedrohte Bußgeld nicht zu gering sein2 und eine effektive Überprüfung bei reproduktionsmedizinisch tätigen Ärzten erfolgen.

2 Ob der in § 17 Abs. 1 OWiG für Geldbußen vorgesehene Höchstsatz von DM 1.000,— ausreicht, um alle Ärzte wirksam zu einer Anzeige entsprechend I., II. anzuhalten, ist zweifelhaft.

Glossar Embryo Verstand man früher unter Embryo die befruchtete menschliche Eizelle nach der zweiten Woche, wenn sich eine Keimscheibe gebildet hat, so wird heute unter Embryo im Zuge der gegenwärtigen Reproduktionsmedizin bereits die befruchtete menschliche Eizelle ab der Befruchtung verstanden. Embryotransfer (ET) Embryotransfer ist das Verbringen des außerkörperlich erzeugten Blastomereneies (Embryos) in den Uterus einer Frau. Ersatzmutterschaft Ersatzmutterschaft ist eine Art der Fremdmutterschaft. Sie ist gegeben, wenn sich eine Frau mit dem Sperma eines Mannes befruchten läßt, der und gegebenenfalls auch dessen Ehefrau (Wunscheltern) das Kind nach der Geburt erhalten sollen. Fremdembryonentransfer (FET) Fremdembryonentransfer ist die Einführung eines Embryos in den Uterus einer Frau nach Ei- oder Samenspende. Fremdmutterschaft Fremdmutterschaft ist die Zurverfügungstellung einer Frau zur Austragung und Geburt eines Kindes für eine andere Person oder ein Paar (Wunscheltern) in der Absicht, es nach der Geburt an die Wunscheltern abzugeben. Gametentransfer, intratubarer Der intratubare Gametentransfer ist eine Art der innerkörperlichen künstlichen Befruchtung. Ei- und Samenzelle werden dabei getrennt voneinander in einen Eileiter verbracht; die Befruchtung findet im Körper der Frau statt. Insemination, artifizielle Artifizielle Insemination ist die instrumentelle Einführung von befruchtungsfähigem Sperma in die Vagina, die Zervix oder den Uterus einer Frau, die nicht durch Geschlechtsverkehr erfolgt. Insemination, heterologe (AID) Heterologe Insemination ist die artifizielle Insemination, bei der das verwendete Sperma von einem anderen als dem Ehemann der Frau stammt. Wird Samen des Lebenspartners der nichtverheirateten Patientin oder Samen des im Zeitpunkt der Insemination verstorbenen Ehemannes (postmortale Insemination) verwendet, kann von quasi-heterologer Insemination gesprochen werden. 14*

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Glossar

Insemination, homologe (AIH) Homologe Insemination ist die artifizielle Insemination, bei der ausschließlich Samen des Ehemannes der Frau verwendet wird. Insemination, postmortale Postmortale Insemination ist die artifizielle Insemination, bei der Samen eines Mannes verwendet wird, der bei der Einführung des Samens in den Körper der Frau bereits verstorben ist. In vitro-Fertilisation (ivF) In vitro-Fertilisation (extrakorporale Befruchtung) ist die außerkörperliche Befruchtung einer Eizelle. Kryokonservierung Kryokonservierung ist die Aufbewahrung von Gameten (Samen und Eizellen) bzw. Embryonen durch Tiefkühlung. Mutter, biologische Biologische Mutter ist die Frau, die ein Kind gebiert. Mutter, genetische Genetische Mutter ist die Frau, aus deren Keimzelle ein Kind hervorgeht. Mutter, soziale Soziale Mutter ist die Frau, der das Kind nach seiner Geburt zugeordnet ist. Nasciturus Nasciturus ist das ungeborene Kind. Surrogatembryonentechnik (SET) Bei der Surrogatembryonentechnik wird ein innerkörperlich erzeugtes oder gezeugtes Kind vor der Nidation ausgespült und in die Gebärmutter einer anderen Frau verbracht (Fremdembryonentransfer). Tragemutterschaft Tragemutterschaft ist eine Fremdmutterschaft, bei der einer Frau ein befruchtetes Ei einer anderen Frau implantiert wird (Fremdembryonentransfer) und das Kind nach seiner Geburt an die Eispenderin und gegebenenfalls an deren Ehemann (Wunscheltern) abgegeben werden soll. Uteruslavage Uteruslavage ist die Ausspülung eines Embryos vor der Nidation aus der Gebärmutter (s. Surrogatembryonentechnik).

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