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German Pages 516 Year 1886
DAS
EISENBAHNTARIFWESEN IM ALLGEMEINEN UND NACH SEINER BESONDEREN ENTWICKELUNG IN
DEUTSCHLAND, ÖSTERREICH-UNGARN, DER SCHWEIZ, ITALIEN, FRANKREICH, BELGIEN, DEN NIEDERLANDEN UND ENGLAND
DARGESTELLT VON
FRANZ ULRICH, KEGIBRUNGSRAT, MITGLIED DER K G L . EISENBAHNDIREKTION
ELBERFELD.
BERLIN UND LEIPZIG, VERLAG
V O N J.
GUTTENTAG
(D. COLLIN).
1886.
VORREDE. D i e Anregung zu der vorliegenden Arbeit hat der ehrenvolle Auftrag gegeben, welcher mir im Jahre 1882 von dem Herrn Minister
der
öffentlichen
Nationalökonomie
in
Arbeiten
wurde,
ihrer Anwendung
auf
Vorlesungen
über
Eisenbahnen
ins-
besondere auch über Eisenbahntarifwesen an der Universität Bonn zu halten
Diese Vorlesungen zwangen mich, das Eisenbahntarif-
wesen, welches ich seit dem Jahre 1873 als Tarifdezernent zunächst bei
der königl. Eisenbahndirektion
zu Münster,
dann bei
der
kaiserl. Generaldirektion der Reichseisenbahnen zu Strafsburg und gegenwärtig
bei
der
königl.
Eisenbahndirektion
zu
Elberfeld
praktisch bearbeitet habe, auch wissenschaftlich durchzuarbeiten und systematisch zusammenzustellen, da es nur durch eine systematische
Ordnung
schwierigen
und
und
Darstellung
verwickelten
möglich
Gegenstand
erschien,
solchen
diesen
verständlich
zu machen, welche nicht praktisch darin Erfahrungen gesammelt hatten.
Diese Arbeit war indes keine leichte, da kein Handbuch
oder Lehrbuch über Eisenbahntarifwesen vorhanden w a r , ich mich hätte anlehnen können.
an das
Je mehr ich mich in die Auf-
gabe vertiefte, desto mehr überzeugte ich mich, dafs, um zu einer wissenschaftlichen und systematischen Darstellung des Eisenbahntarifwesens eine Grundlage zu gewinnen, ich zunächst zurückgehen mufste auf die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, und aus diesen die mafsgebenden Grundsätze für das Eisenbahnwesen *
IV
Vorrede.
im allgemeinen und das Eisenbahntarifwesen im besondern ableiten. Ferner zeigte sich, dafs ich mich nicht beschränken konnte auf die Behandlung und Darstellung des d e u t s c h e n Eisenbahntarifwesens, sondern dafs ich auch das Tarifwesen der andern wichtigern Eisenbahnländer in den Kreis meiner Erörterungen ziehen mufste, um durch Vergleichung die verschiedenen Erscheinungen und Gestaltungen der Eisenbahntarife klarzustellen und sie unter bestimmte Gesichtspunkte zu bringen. Und insofern habe ich selbst den umgekehrten W e g gemacht, wie er dem Leser in diesem Buche geboten wird: Die im zweiten Teil enthaltene Darstellung des Eisenbahntarifwesens verschiedener Länder ist für mich der Stoff und die Unterlage für den ersten Teil gewesen. Aber dieser Stoff ist zu spröde für den Nichtfachmann, als dafs mit demselben begonnen werden könnte; erst die Kenntnis der allgemeinen Grundlagen des Eisenbahntarifwesens kann ihn . geniefsbar und verständlich machen. Inwieweit dies Vorgehen richtig und es mir gelungen ist, die gesteckte Aufgabe zu lösen, mufs ich der wohlwollenden Beurteilung überlassen. Ich glaube auf dies Wohlwollen einigen Anspruch zu haben, nicht nur aus dem Grunde, weil von einem Praktiker, der neben seinen dienstlichen Obliegenheiten eine derartige wissenschaftliche Arbeit unternimmt, nicht dasselbe gefordert werden kann, wie von einem Manne der Wissenschaft, der sich einer solchen Arbeit ungestört mit ganzer Kraft hingeben kann, sondern auch deshalb, weil es sich hier um einen e r s t e n V e r s u c h einer systematischen Darstellung des Eisenbahntarifwesens im allgemeinen und seiner Entwickelung in verschiedenen Ländern im besondern handelt. Dafs das Buch Mängel in verschiedener Beziehung hat, ist mir selbst am besten bewufst und gern hätte ich Besseres geboten. Allein der zuständige Beurteiler, welcher in dem behandelten Gegenstande zu Hause ist, wird gewifs die grofsen Schwierigkeiten nicht verkennen, welche in der Beschaffung des Stoffes sowohl als in seiner Verarbeitung liegen. Insbesondere bezüglich der so wichtigen geschichtlichen Entwickelung des Eisenbahntarifwesens in den verschiedenen Ländern sind die Quellen im allgemeinen aufserordentlich spärlich. Ich habe mich hierüber schon in meinem
Vorrede.
V
Aufsatz: »Zur Geschichte des deutschen Eisenbahntarifwesens« im Archiv für Eisenbahnwesen Jahrgang 1885 S. 162 ff. ausgesprochen. Wenn sich deshalb in meinem Buche Lücken und Ungenauigkeiten finden sollten, so bitte ich das nicht zu hart zu beurteilen. Auch in anderer Hinsicht ist zu meinem Bedauern die vorliegende Arbeit nicht so vollständig, als ich gewünscht hätte, so fehlt z. B. eine Darstellung des wichtigen russischen Eisenbahntarifwesens. Aber meine Kenntnis der russischen Eisenbahntarifverhältnisse war nicht ausreichend, die Versuche, zuverlässiges Material zu erhalten, leider nicht von Erfolg, so dafs ich vorzog, von einer Darstellung des russischen Eisenbahntarifwesens abzusehen. Vielleicht bietet sich später die Möglichkeit, diesen Mangel zu ergänzen. Ein Verzeichnis der einschlägigen bezw. benutzten Schriften ist am Schlüsse des Buches gegeben, die Anführungen aus denselben und die sonstigen Anmerkungen sind durch kleineren Druck bezeichnet. Im allgemeinen habe ich nur da die benutzten Schriften angeführt, wo es mir zum Beweis einer zweifelhaften Behauptung oder Darstellung nötig erschien oder ich mich in meinen Ausführungen nach der Anlage des Buches beschränken mufste und doch dem -Leser die Möglichkeit bieten wollte, sich eingehender über die betreffende Frage zu unterrichten. Im einzelnen möchte ich ferner noch bemerken, dafs diejenige Rechtschreibung zur Anwendung gebracht ist, welche das Kultusministerium zum Gebrauch für die preufsischen Schulen festgesetzt hat. E s gewährt dies wenigstens eine feste Grundlage für die Rechtschreibung, welche sonst leicht einer gewissen Willkür verfällt. Sodann habe ich mich bestrebt, die entbehrlichen Fremdwörter zu vermeiden. Wenn mir dies nicht überall gelungen ist, so mag der Umstand zur Entschuldigung dienen, dafs gerade das Eisenbahntarifwesen mit Fremdwörtern stark durchsetzt ist, welche zum Teil auch deshalb sich nicht ganz vermeiden lassen, weil sie zu technischen Ausdrücken mit bestimmter Bedeutung geworden sind. Zum Schlüsse noch eine Bemerkung: ich werde für jede Kritik, für jede Richtigstellung meiner Angaben und Ausführungen
VI
Vorrede.
dankbar sein, doppelt aber, wenn mir dieselbe mitgeteilt oder mir wenigstens Kenntnis gegeben wird, w o ich sie finden kann. Denn meine Dienstgeschäfte gestatten mir beim besten Willen nicht, die Litteratur in der Weise zu verfolgen, wie ich es gerne möchte,
zumal
mir
auch
nicht alle wissenschaftlichen
Werke,
Zeitschriften u. s. w. zu Gebote stehen. E l b e r f e l d , im Februar 1886.
Der Verfasser.
INHALTS-ÜBERSICHT. EINLEITUNG. Seite §
I.
Die Grundlagen schaftssysteme
der
Volkswirtschaft
und
die
verschiedenen
Wirt-
§ §
2. 3.
Das Eisenbahnwesen ist Sache der Gemeinwirtschaft I. Die Privatwirtschaft baut nur die rentabeln Hauptlinien, nicht die unrentabeln Nebenlinien, befriedigt also das Bedürfnis an Eisenbahnen
3
I
nicht genügend
4
§4.
I I . Eine einheitliche Leitung und planmäfsige Organisation der Anlage und des Betriebes der Eisenbahnen ist eine Notwendigkeit, kann aber nur von der Gemeinwirtschaft, nicht von der Privatwirtschaft herbeigeführt werden
5
§
5.
III. Die Eisenbahn ist ein Monopol und kann deshalb nicht Sache der
§
6.
Die Konkurrenz in den Knotenpunkten
§
7.
Die wirtschaftliche Natur der Privatbahnen
§
8.
Die verschiedenen Verwaltungsgrundsätze
§
9.
Die Anwendung der drei Verwaltungsgrundsätze verwaltung
§10.
Die verschiedenen Grundlagen der Tarifgestaltung
Privatwirtschaft sein
8
ALLGEMEINER Erster
9 14 18 für die Eisenbahn21 24
TEIL.
Abschnitt.
T e c h n i s c h e Vorbegriffe. §11.
Begriff und Einrichtung der Eisenbahntarife
27
§12.
Nebengebühren
29
§ 13.
Direkte Frachtbriefe, direkte Expedition,
§ 14.
direkte Kartierung und Ab-
rechnung, Lokal- und direkte Tarife
31
Eisenbahnverbände, Verkehrsteilung und Verkehrsleitung (Instradierung)
35
VIII
Inhalts-Übersicht. Zweiter
Abschnitt.
Die privatwirtschaftliche Tarifgestaltung. §15. §16.
Die Grundlagen der privatwirtschaftlichen Tarifgestaltung Die Selbstkosten des Eisenbahntransports und das Preisgesetz des Verkehrs § 1 7 . Einflufs der verschiedenen Anlage- und Betriebskosten der Eisenbahnen auf die Tariffestsetzung § 18. Der feste Tarifbestandteil § 1 9 . Die Taraklassifikation § 20. Die Leistungsunterschiede in der Beförderung § 2 1 . Der veränderliche Tarifteil § 22. Zusammenfassung der mafsgebenden Grundlagen für die privatwirtschaftliche Tarifgestaltung § 2 3 . Die Werttarifierung im Güterverkehr § 24. Werttarifierung im Personenverkehr, sowie für Leichen, Fahrzeuge und Vieh § 25. Die différentielle Tarif bildung § 26. Die absolut différentielle Tarif bildung § 27. Die relativ différentielle Tarifbildung § 28. Die Rückvergütungen (Refaktien und Rabatttarife) § 29. Entwickelung der privatwirtschaftlichen Tarifgestaltung Dritter
Seite
38 39 45 48 49 54 55 59 61 66 68 7° 77 85 88
Abschnitt.
Ergebnisse und Kritik, der privatwirtschaftlichen Tarifgestaltung. § 30. §31. § 32. § 33§ 34. § 35. §36.
Ungleichmäfsige und ungerechte Festsetzung der Transportpreise und Folgen derselben 96 Unstetigkeit und Unsicherheit der Frachtverhältnisse und ihre Folgen . 103 Schwierigkeiten in der Handhabung und demoralisierende Wirkungen der privatwirtschaftlichen Tarifgestaltung 105 Verschiedenheit der privatwirtschaftlichen Eisenbahn- und der allgemeinen Interessen, namentlich bezüglich der Höhe der Transportpreise Grundsätzliche Würdigung der Wertklassifikation und differentiellen Tarifbildung Staatliche Vorschriften zur Kontrolle und Beschränkung der privatwirtschaftlichen Tarifgestaltung Schlufsergebnis Vierter
107 110 114 119
Abschnitt.
Die gemein wirtschaftliche Tarifgestaltung. § 37. § 38. §39. § 40.
Die Grundlagen der gemeinwirtschaftlichen Tarifgestaltung 121 Gerechte und für alle gleichmäfsige Festsetzung der Tarife 124 Ordnung des Tarifwesens und der Verkehrsverhältnisse durch staatliche Organe unter Mitwirkung der Verkehrsinteressenten 126 Sicherung der gleichmäfsigen Behandlung 128
Inhalts-Übersicht.
IX Seite
§41.
Gleiche Einheitssätze
§ 42.
Beschränkung der individualisierenden und differentiellen Tarifbildung
129 136
§ 43.
Öffentlichkeit der Tarife
139
§ 44.
Gröfsere Stetigkeit und Einfachheit der Tarife
140
§ 45.
D e r mittelbare Nutzen der Eisenbahnen und seine Folgen für die gemeinwirtschaftliche Tarifgestaltung
§ 46.
142
Einflufs anderer gemeinwirtschaftlicher Interessen auf die gemeinwirtschaftliche Tarifgestaltung
§ 47.
Gültigkeit
149
der privatwirtschaftlichen Tarifierungsgrundlagen auch für
die gemeinwirtschaftliche Tarifgestaltung
150
§ 48.
Der Wagenraumtarif
152
§49.
Der Zonentarif
158
§ 50.
Gemeinwirtschaftliche TarifgestaltuDg im Personenverkehr
161
§51.
Gepäcktarife
170
§52.
Tarife für Leichen, Fahrzeuge, Vieh
171
BESONDERER
TEIL.
Die Entwickelung des Eisenbahntarifwesens in den verschiedenen Kulturstaaten.
A. Deutschland. Erster
Abschnitt.
Gesetzliche, konzessionsmäfsige, s o w i e d u r c h die A u f s i c h t s b e h ö r d e n getroffene B e s t i m m u n g e n ü b e r d a s T a r i f w e s e n . I.
Preufsen.
§53.
Das Gesetz vom 3. November 1838
173
§54.
Das Gesetz vom 1. Juni 1882
179
§ 5"5.
Die Eisenbahn-Konzessionen
186
§56.
Wichtigere Ministerial-Erlasse
193
§ 57.
Gesetzliche
II.
Die übrigen deutschen Staaten.
und konzessionsmäfsige Bestimmungen
wesen
betr.
das
Tarif-
, III.
200 Das Deutsche Reich.
§ 58.
Die Reichsgesetzgebung in Bezug auf das Tarifwesen
204
§ 59.
Erlasse des Reichseisenbahnamtes
210
Zweiter
Abschnitt.
D i e g e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k e l u n g d e s G ü t e r t a r i f w e s e n s u n d die verschiedenen
Gütertarifsysteme.
§ 60.
Die ersten Gütertarife
(561.
Die Eisenbahnverbände und ihr Einflufs auf die Gestaltung der Gütertarife
§ 62.
211 •
215
Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen
215 **
X
Inhalts-Übersicht. Seite
§ 63.
Die Eisenbahn-Tarifverbände
§ 64.
Die ersten Bestrebungen auf Reform des Gütertarifwesens im Verein
221
deutscher Eisenbahnen
225
§ 65.
Der Tarifverband
227
§ 66.
Das natürliche Tarifsystem und der elsafslothringische Wagenraumtarif
230
§ 67.
Ausdehnuhg
des
elsafslothringischen
Wagenraumtarifs
auf
andere
Bahnen und Verkehre
235
§ 68.
Bedeutung und Kritik des elsafslothringischen Wagenraumtarifs . . .
237
§ 69.
Neue Reformbestrebungen im Verein deutscher Eisenbahnen
§ 70.
D a s gemischte Tarifsystem
. . . .
245
242
§71.
Folgen des Nebeneinanderbestehens der drei Tarifsysteme
247
§ 72.
Die allgemeine Tariferhöhung und der daran geknüpfte Versuch der Reichsregierung zur Herbeiführung der Tarifreform
250
§ 73.
Vorgehen der Privatbahnen bezüglich der Tarifreform
253
§ 74.
Die Tarifenquete und ihre Ergebnisse
255
§ 75.
Die Vereinbarung eines einheitlichen deutschen Tarifsystems . . . .
260
Dritter
Abschnitt.
D i e g e g e n w ä r t i g e n Gütertarife. § 76.
Allgemeine Kennzeichnung des deutschen Reformtarifs
262
§ 77.
Die allgemeinen Tarifvorschriften des deutschen Reformtarifs . . . .
263
§ 78.
Die weitere Entwickelung des Reformtarifs durch die Tarif kommission und den Verkehrsausschufs
281
§ 79.
Versuche zur Wiederherstellung des Klassilikationssystems
283
§80.
Versuch der Reichsregierung zur Einführung materieller Tarifeinheit.
288
§81.
Die Einführung materieller Tarifeinheit in Preufsen und Einflufs dieser Mafsregel auf die Entwickelung des deutschen Gütertarifwesens . . .
§ 82.
Die Einheitssätze der gröfseren deutschen Eisenbahnen
291
für die Be-
förderung von Gütern
295 Vierter
Abschnitt.
Tarife für Personen, Gepäck, Leichen, Fahrzeuge und
Vieh.
§ 83.
Personen- und Gepäcktarife
299
§ 84.
Tarifbestimmungen und Einheitssätze im Personenverkehr
303
§85.
Tarife für Leichen, Fahrzeuge und lebende Tiere
314
Fünfter B.
Abschnitt.
Österreich-Ungarn.
§ 86.
Gesetzliche Bestimmungen bezuglich des Tarifwesens
320
§87.
Konzessionsmäfsige und Verwaltungsvorschriften
325 330
§ 88.
Die Entwickelung der Gütertarifsysteme
§ 89.
Der Reformtarif
§ 90.
Kennzeichnung
332 des
österreichisch-ungarischen
Reformtarifs
und
die
neuesten Reformbestrebungen bezüglich des Tarifsystems
351
§91.
Der deutsch-österreichische Tarif . .
353
§92.
Die materielle Tarifgestaltung
354
Inhal ts-Ubersicht.
XI Seite
§ 93. § 94. § 95.
Anfänge einer gemeinwirtschaftlichen Tarifgestaltung Personenverkehr Gemeinschaftliche Abrechnungsstelle Sechster C.
§ § § § § § §
Abschnitt.
Schweiz.
96. Die gesetzlichen Bestimmungen betr. das Tarifwesen 97. Bestimmungen der Eisenbahnkonzessionen über das Tarifwesen . . . 98. Bestimmungen der Aufsichtsbehörde 99. Die Entwickelung des Gütertarifwesens in der Schweiz 100. Die heutigen Gütertarife 101. Die Entwickelung der Personentarife 102. Die Regelung der direkten Verkehrsbeziehungen und des Wettbewerbes im Güterverkehr Siebenter D.
§ 103. § 104. § 105. § 106.
Achter
§ 107. § 108. § 109. § 110. §111.
365 367 371 374 377 381 385
Abschnitt. Italien.
Gesetzliche und konzessionsmäfsige Bestimmungen betr. das Tarifwesen Allgemeine Tarife und Bestimmungen für die Eisenbahntransporte . Einteilung der Gütertarife und die Spezial- und Ausnahmetarife . . Ergänzende Bemerkungen zu den Personentarifen ' . .
E.
358 363 364
388 390 416 422
Abschnitt.
Frankreich.
Die gesetzlichen, konzessionsmäfsigen und von den Aufsichtsbehörden getroffenen Bestimmungen über das Eisenbahntarifwesen Die Entwickelung des franzosischen Eisenbahntarifwesens im allgemeinen Die neuesten Reformen im französischen Tarifwesen Der Lokaltarif der französischen Ostbahn vom I. September 1884 . Der Lokaltarif der Paris-Lyon-Mittelmeerbahn vom 20. September 1885
423 428 432 436 453
Neunter
Abschnitt.
F. Belgien. §112. § 113. §114. §115.
Gesetzliche, konzessionsmäfsige und Verwaltungsvorschriften betr. das Tarifwesen Geschichtliche Entwickelung des TarifiVesens in Belgien Die gegenwärtigen Tarife der belgischen Staatsbahnen für Güter, Leichen, Fahrzeuge und Vieh Die gegenwärtigen Tarife der belgischen Staatsbahnen für die Beförderung von Personen und Reisegepäck
455 458 461 477
Inhalts-Übersicht.
XII
Zehnter
Abschnitt.
G. Niederlande. Seite
§ Ii6.
Gesetzliche Bestimmungen über das Tarifwesen
482
§117.
Allgemeine E n t w i c k l u n g des Tarifwesens
485
§118.
D i e jetzigen Gütertarife
486
§ 119.
D i e gegenwärtigen Personentarife
487
Elfter
H.
Abschnitt.
England.
§ 120.
Gesetzliche und konzessionsmäfsige Vorschriften betr. das Tarifwesen
488
§ 121.
D e r Clearing-house-Verein und die Gestaltung der Gütertarife .
493
§ 122.
D i e Personentarife
. .
498
EINLEITUNG. § i.
Die Grundlagen der Volkswirtschaft und die verschiedenen Wirtschaftssysteme. Vgl. im Näheren Wagner, Allgemeine oder theoretische Volkswirtschaftslehre I. Teil, 3. Kapitel. Leipzig und Heidelberg 1876.
Der Organismus der Volkswirtschaft beruht auf drei verschiedenen Grundlagen, dem E i g e n - I n t e r e s s e , dem G e m e i n - I n t e r e s s e und dem I n t e r e s s e f ü r D r i t t e oder der N ä c h s t e n l i e b e . Diese Grundlagen der volkswirtschaftlichen Organisation verkörpern sich in drei verschiedenen Wirtschafts-Systemen, dem p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n , dem g e m e i n w i r t s c h a f t l i c h e n und dem k a r i t a t i v e n System. Im p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n S y s t e m e erfolgt die Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse durch das E i g e n - I n t e r e s s e der einzelnen Rechts- und Wirtschafts-Subjekte; indem dieselben die wirtschaftlichen Güter beschaffen und verteilen n a c h d e m Grundsatzeder f r e i v e r e i n b a r t e n E n t g e l t l i c h k e i t , d.h. von L e i s t u n g und G e g e n l e i s t u n g . Im g e m e i n w i r t s c h a f t l i c h e n S y s t e m beruht die Bedürfnisbefriedigung auf dem G e m e i n - I n t e r e s s e einer Anzahl von Personen, welche sich entweder f r e i w i l l i g zu einer besonderen Art von Einzelwirtschaften, einer G e m e i n w i r t s c h a f t , verbinden oder z w a n g s w e i s e dazu vereinigt sind. Diese Gemeinwirtschaft übernimmt die Befriedigung ihrer Bedürfnisse bezw. der gemeinsamen Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch gemeinsame Beschaffung und Verteilung der betreffenden wirtschaftlichen Güter, und zwar nicht nach dem Grundsatz der frei vereinbarten Entgeltlichkeit für jede Leistung, sondern indem sie entweder d i e e n t s t a n d e n e n K o s t e n u n t e r a l l e M i t g l i e d e r U l r i c h , Eisenbahntarifwesen.
I
2
Einleitung.
v e r t e i l t , oder f ü r j e d e L e i s t u n g e i n e v o n i h r e i n s e i t i g festgesetzte Gegenleistung einzieht. Zu den durch freie Vereinigung entstandenen f r e i e n G e m e i n w i r t s c h a f t e n gehören Religionsgesellschaften, gesellige und gewerbliche Vereinigungen und Genossenschaften, zu den Z w a n g s - G e m e i n w i r t s c h a f t e n vor allen d e r S t a a t und dessen untergeordnete Glieder, Provinzen, Kreise, Gemeinden. Endlich im karitativen System erfolgt die Beschaffung und Verteilung der'Güter o h n e o d e r o h n e v o l l e E n t g e l t l i c h k e i t a u s I n t e r e s s e f ü r b e d ü r f t i g e D r i t t e , sei es seitens einzelner physischer Personen oder seitens hierzu bestimmter Vereine und vermögensrechtlicher Stiftungen. Eine gedeihliche Entwickelung der Volkswirtschaft ist bedingt durch das Zusammenwirken aller drei Systeme. In welchem Umfange jedes dieser Systeme dabei beteiligt wird, ist verschieden nach der Entwickelungsstufe der Volkswirtschaft und ändert sich mit jeder weiteren Entwickelung derselben. Im allgemeinen kann man sagen, dafs mit dem Fortschreiten zu höheren Entwickelungsstufen das gemeinwirtschaftliche System dem privatwirtschaftlichem gegenüber an Boden gewinnt. Gerade unsere Zeit liefert hierfür den vollgültigsten Beweis, indem der Staat neue Aufgaben, welche er früher nicht oder nicht in diesem Umfang erfafste, zu übernehmen beginnt, z. B. die Verstaatlichung des Eisenbahnwesens, die Sorge für kranke und arbeitsunfähige Arbeiter etc. Falsch ist die Ansicht derer, welche eins dieser Systeme ganz oder nahezu ausschliefslich zur Grundlage der Volkswirtschaft machen wollen, wie dies die S o z i a l i s t e n auf der einen Seite, die sogen. M a n c h e s t e r m ä n n e r auf der andern Seite thun. Die ersteren wollen alle wirtschaftliche Thätigkeit dem Staate uberweisen, die Privatwirtschaft ganz oder beinahe ganz ausschliefsen; die letzteren verlangen umgekehrt, dafs die Gemeinwirtschaft alle wirtschaftlichen Thätigkeiten der Privatwirtschaft überlasse und sich nach einem bekannten Ausspruche auf die Rolle eines Nachtwächters beschränke, d. h. lediglich für die Sicherheit von Vermögen, Leib und Leben sorge. Die Wahrheit liegt wie gewöhnlich in der Mitte, und die zu lösende Aufgabe besteht darin, das Zusammenwirken der drei Wirtschaftssysteme, wie es der Entwickelungsstufe der Volkswirtschaft am besten entspricht, praktisch zu verwirklichen. Am einfachsten ergibt sich das Gebiet des karitativen Systems, welches von minderer Bedeutung überall da e r g ä n z e n d einzutreten hat, wo weder Ge-
Einleitung.
3
meinwirtschaft noch Privatwirtschaft genügend die vorhandenen Bedürfnisse befriedigen. Die Gemeinwirtschaft dagegen hat die Befriedigung derjenigen wirtschaftlichen Bedürfnisse zu übernehmen, welche von der Privatwirtschaft entweder ü b e r h a u p t n i c h t , o d e r n i c h t i n g e n ü g e n d e r u n d z u l ä s s i g e r Weise befriedigt werden, bezw. befriedigt werden können. Das ganze übrige Gebiet der Volkswirtschaft aber verbleibt der Privatwirtschaft, welche auch in der Zukunft wohl noch mehr eingeengt werden kann, aber doch immer Dafs die prakeinen ausgedehnten Wirkungskreis behalten wird. tische Anwendung dieser theoretischen Grundsätze, die thatsächliche Festsetzung der Grenzen der drei Wirtschaftssysteme bezw. die Entscheidung darüber, ob eine volkswirtschaftliche Thätigkeit dem einen oder anderen Systeme angehört, durchaus nicht so einfach ist, wie es nach dieser kurzen Darstellung erscheinen könnte, dafs die Meinungsverschiedenheiten über die Grenzen der drei Systeme vielmehr zum gröfsten Teil den letzten Grund der wirtschaftlichen und politischen Kämpfe aller Zeiten gebildet haben und noch bilden, dafs endlich die richtige Lösung dieser Fragen die höchsten Anforderungen an den Staatsmann und Nationalökonomen stellt, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Auch das E i s e n b a h n w e s e n ist ein derartiges s t r e i t i g e s G r e n z g e b i e t zwischen Privatwirtschaft und Gemeinwirtschaft, und die richtige Gestaltung des E i s e n b a h n t a r i f w e s e n s hängt im letzten Grunde ab von der Lösung der Frage, welche Stellung in der Volkswirtschaft das Eisenbahnwesen einnimmt, bzw. welche Stellung es richtigerweise einzunehmen hat, o b e s d e m p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n oder dem g e m e i n Wirtschaft liehen S y s t e m angehört. § 2.
Das
Eisenbahnwesen ist Sache der
Gemeinwirtschaft.
Vgl. hierüber Sax in Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie 2. Aufl. Teil I S. 522—530.
Das Eisenbahnwesen gehört dem V e r k e h r s w e s e n an. Hieraus kann indes eine sichere Entscheidung darüber, ob das Eisenbahnwesen Sache der Privatwirtschaft oder Gemeinwirtschaft ist, nicht hergeleitet werden. Denn sowohl die V e r k e h r s w e g e als die T r a n s p o r t l e i s t u n g e n auf denselben sind thatsächlich teils in den Händen der Gemeinwirtschaft, teils der Privatwirtschaft, und es läfst sich auch theoretisch die Zugehörigkeit des gesamten Verkehrswesens zur Gemeinwirtschaft nicht begründen. •
,*
4
Einleitung.
Die Frage, ob das Eisenbahnwesen Sache der Gemeinwirtschaft oder der Privatwirtschaft ist, mufs deshalb für das Eisenbahnwesen besonders untersucht und festgestellt werden. Aus den thatsächlichen Verhältnissen läfst sich diese Frage auch beim Eisenbahnwesen nicht entscheiden. Denn thatsächlich befindet sich dasselbe teils in den Händen der Gemeinwirtschaft teils in den Händen der Privatwirtschaft, und es ist bekannt, dafs gerade die Privatunternehmung im Eisenbahnwesen als Pionier vorangegangen ist und die gröfsten Leistungen hervorgebracht hat. Der Fall liegt also nicht vor, dafs die Privatwirtschaft ü b e r h a u p t n i c h t i m s t a n d e s e i , das wirtschaftliche Bedürfnis nach Eisenbahnen zu befriedigen. Wohl aber liegt der andere Fall v o r , d a f s d i e P r i v a t w i r t s c h a f t d i e s B e d ü r f n i s n i c h t in g e n ü g e n d e r u n d z u l ä s s i g e r W e i s e b e f r i e d i g t , und deshalb ist die Gemein Wirtschaft genötigt, das Eisenbahnwesen in ihre Hände zu nehmen. Die Gründe und Beweise hierfür ergeben sich aus der Natur der Eisenbahnen und den bisher gemachten thatsächlichen Erfahrungen und sind im wesentlichen folgende: § 3. I. Die Privatwirtschaft baut nur die rentablen Hauptlinien, nicht die unrentablen Nebenlinien, befriedigt also das Bedürfnis an Eisenbahnen nicht genügend. Die Privatwirtschaft wird und kann verständigerweise nur diejenigen Linien bauen, welche eine u n m i t t e l b a r e R e n t e , d. h. aufser den Betriebskosten mindestens die landesübliche Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals, in Aussicht stellen. Das für die Privatwirtschaft mafsgebende E r w e r b s - I n t e r e s s e weist gebieterisch hierauf hin, und wenn thatsächlich trotzdem von der Privatwirtschaft bisweilen Linien gebaut werden, welche keine unmittelbare Rente abwerfen, so geschieht dies nur infolge einer Täuschung über die Rentabilität dieser Linien oder auf Grund einer dem Staat gegenüber übernommenen" Verpflichtung. Niemals aber wird die P r i v a t w i r t s c h a f t d e n B a u einer L i n i e f r e i w i l l i g ü b e r n e h m e n , v o n d e r es f e s t s t e h t , d a f s sie k e i n e V e r z i n s u n g des A n l a g e k a p i t a l s a u f b r i n g e n wird. Auch zeigt die Eisenbahngeschichte aller Länder, dafs die Privatwirtschaft sich stets zunächst der verkehrsreichen rentabeln Hauptlinien bemächtigt, zu dem Bau der verkehrsarmen nicht rentabeln Nebenlinien aber nicht oder nur dann bereit ist, wenn der Staat durch Unterstützungen oder Zinsgewährleistung sie ' vor Verlusten
Einleitung.
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sichert, bzw. künstlich eine Rentabilität dieser Nebenlinien für die Privatwirtschaft herstellt. Im Interesse der Gesamtheit liegt aber eine g l e i c h m ä f s i g e und v o l l s t ä n d i g e E n t w i c k e l u n g d e r V e r k e h r s m i t t e l , a u c h d e r E i s e n b a h n e n , und deshalb ist der Ausbau auch der Nebenbahnen eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Es liegt also hier der Fall vor, dafs die Privatwirtschaft das wirtschaftliche Bedürfnis an Eisenbahnen n i c h t g e n ü g e n d befriedigt und die Gemeinwirtschaft dafür eintreten mufs. Dieselbe ist hierzu auch wohl befähigt und imstande. Für s i e sind auch die Nebenlinien rentabel, weil, selbst wenn die unmittelbare Rente gleich Null ist, doch durch den mittelbaren Nutzen, die Hebung des Volkswohlstandes, die militärischen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen für den Staat, das aufgewendete Anlagekapital sich verzinst. Wenn aber die Gemeinwirtschaft auf a l l e F ä l l e für den Bau dieser Nebenlinien sorgen mufs, sei es durch Unterstützungen und Zinsgewährleistungen , sei es durch eigenen Bau, dann erscheint das letztere an sich im allgemeinen vorteilhafter, weil sie dadurch Eigentümerin der Bahnen wird und über dieselben frei verfügen kann. Andererseits können die Nebenbahnen nur in Gemeinschaft mit den anschliefsenden Hauptbahnen vorteilhaft verwaltet und betrieben werden, und es erscheint folgeweise richtig, dafs die Gemeinwirtschaft auch die hochrentabeln Hauptlinien baut und nicht deren Ausbeutung der Privatwirtschaft überläfst. Mit dem aus den Hauptlinien gezogenen Gewinn wird die Gemeinwirtschaft um so besser und um so früher in der Lage sein, die Bedürfnisse der abseits der Hauptlinien gelegenen Gegenden und Orte auf Einbeziehung in das Eisenbahnnetz durch Bau von Nebenbahnen zu befriedigen. § 4 . II. Eine einheitliche Leitung und planmafsige Organisation der Anlage und des Betriebes der Eisenbahnen ist eine Notwendigkeit, kann aber nur von der Gemeinwirtschaft, nicht von der Privatwirtschaft herbeigeführt werden. Sowohl für die Anlage als den Betrieb erscheint die e i n h e i t l i c h e L e i t u n g u n d p l a n m ä f s i g e O r g a n i s a t i o n des Eisenbahnwesens von gröfster Erheblichkeit. Diese ist aber nur möglich, wenn die Eisenbahnen in den Händen der Gemeinwirtschaft sind, nicht aber in dem zersplitterten Besitz der Privatwirtschaft. a. Es ist von hoher Wichtigkeit für die A n l a g e eines Eisenbahnnetzes, dafs dieselbe nach einem e i n h e i t l i c h e n , w o h l -
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e r w o g e n e n P l a n e erfolgt. Geschieht dies nicht, wird die Anlage zeitlich und örtlich dem Zufall überlassen bezw. den privatwirtschaftlichen Einzelinteressen, so wird erfahrungsmäfsig nicht nur die Anlage viel theurer, sondern auch den Interessen der Gesamtheit weniger entsprechend. Es werden die einzelnen Linien nicht so und nicht in der Reihenfolge angelegt werden, wie es richtig ist und das Interesse der Gesamtheit es verlangt, sondern lediglich so, wie die Interessen der einzelnen privaten Eisenbahnverwaltungen es mit sich bringen. Diese sind aber mit den I n t e r e s s e n der Volks- und G e m e i n Wirtschaft sehr oft nicht ü b e r e i n s t i m m e n d . Während die letzteren einen a l l m ä h l i c h g l e i c h m ä f s i g f o r t s c h r e i t e n d e n A u s b a u des Eisenbahnnetzes und zwar zunächst der Hauptlinien, dann der Nebenlinien je nach dem Verkehrsbedürfnisse erheischen, sind die einzelnen privaten Eisenbahnverwaltungen wegen ihres Eigeninteresses oft gezwungen Linien zu bauen, die kein oder noch kein Bedürfnis sind, sondern nur dem Wettbewerbe mit anderen Bahnen oder Verkehrsmitteln dienen, und andere Linien, wofür ein Bedürfnis vorliegt, unausgebaut zu lassen. Auch ist es für sie nicht möglich, in gleichmäfsig fortschreitender Weise den Ausbau des Netzes herbeizuführen, sondern abhängig von dem Geldmarkte und dessen Bewegungen überstürzen sie in Zeiten geschäftlichen Aufschwungs die Bauthätigkeit, während sie andererseits in Zeiten geschäftlichen Niedergangs aus Mangel an Mitteln von der dann gerade billigen und für die Volkswirtschaft vorteilhaften Bauthätigkeit absehen müssen. Ferner wird die E i n h e i t l i c h k e i t i n d e n b a u l i c h e n A n l a g e n u n d B e t r i e b s m i t t e l n , welche nicht nur den Betrieb erleichtert und sicherer m a c h t , sondern auch erhebliche Kostenersparnisse mit sich bringt, nur durch die einheitliche Organisation der Gemeinwirtschaft gesichert, während die zersplitterte Privatwirtschaft oft gerade dieser Einheitlichkeit entgegenstehende Interessen hat, jedenfalls wenig geeignet ist, sie herbeizuführen. b. Nicht minder wesentlich ist die e i n h e i t l i c h e L e i t u n g u n d O r g a n i s a t i o n b e i m B e t r i e b e der Eisenbahnen. Je mehr der Transportdienst einer Verkehrsanstalt aus der regelmäfsigen Wiederholung einer grofsen Anzahl gleicher einzelner Thätigkeiten besteht und sich auf ziemlich feste mechanische Regeln zurückführen läfst, also nach gewissen Schablonen geführt werden kann und mufs,
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destomehr ist eine Einheit in der Leitung, eine einheitliche Organisation möglich und vorteilhaft. Wagner, Finanzwissenschaft 3. A u f l . Bd. I S. 655.
Sie bewirkt, dafs mit erheblich geringeren Mitteln und Kosten besseres geleistet wird, als bei einer grofsen Zahl von selbständigen privaten Verwaltungskörpern mit höheren Kosten. Denn im letzteren Falle wird durch die bei den verschiedenen Interessen unausbleiblichen Reibungen viel K r a f t und Material wirkungslos vergeudet. U n d nie wird es möglich selbst beim besten Willen der verschiedenen Verwaltungen, der aber oft genug fehlt, den Betrieb so ineinandergreifend, so sparsam zu gestalten, wie bei einer einheitlichen Organisation. Die so wesentliche einheitliche Gestaltung des Tarifwesens und der Fahrpläne, der Wagen -Verteilung und -Ausnutzung wird stets zu wünschen übrig lassen, der Geschäftsverkehr stets ein langsamer und weitläufiger sein. Eine einheitliche Leitung und Organisation wird ferner um so notwendiger und wichtiger, je dichter der Verkehr wird. Der Drang zur Einheit erstreckt sich sogar über die Landesgrenzen hinaus, und durch internationale Vereinbarungen wird den Bedürfnissen des Verkehrs auf Einheitlichkeit der Anlagen und des Materials, der Fahrpläne und Tarife soweit möglich entsprochen. Auch zum Abschlufs solcher internationaler Vereinbarungen ist eine einheitliche Leitung, insbesondere der Staat, wie das Beispiel der Staatspostverwaltung lehrt, ungleich befähigter und geeigneter, als eine Mehrzahl von Verwaltungen mit ihren verschiedenartigen privaten Interessen und Anschauungen. Endlich lassen sich manche Verkehrsanstalten zweckmäfsig miteinander verbinden, weil die in einem einzelnen Dienste nicht vollständig ausgenutzten Arbeitskräfte und Kapitalien zum Teil Dienstthätigkeiten für mehrere solcher Anstalten übernehmen können. Daraus ergibt sich wieder eine gröfsere Sparsamkeit des Betriebes. Insbesondere bietet erfahrungsmäfsig die Vereinigung des Eisenbahnwesens mit dem Post- und Telegraphenwesen Gelegenheit zu umfassenden Ersparnissen, j a es erscheint, nachdem die Eisenbahnen den Verkehr mit dem Ausland fast ausschliefslich in den Händen h a b e n , durchaus nicht undenkbar, dafs demnächst der Staat auch das Zollwesen mit dem Eisenbahnwesen verbindet und der Eisenbahnbeamte, welcher an der Grenze ohnedies die Güter von der fremden Eisenbahn übernehmen und für den Weitertransport abfertigen mufs, auch die zollamtliche Abfertigung besorgt. Hierdurch
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könnten nicht nur erhebliche Kosten gespart sondern Raschheit des Verkehrs würde erheblich gefördert werden.
auch
die
§ 5. III. Die Eisenbahn ist ein Monopol und kann deshalb nicht Sache der Privatwirtschaft sein. Die Grundlage des privatwirtschaftlichen Systems ist das E i g e n i n t e r e s s e , d a s S t r e b e n n a c h E r w e r b u n d G e w i n n . Aus diesem Streben der verschiedenen Einzel-Interessen ergibt sich gewissermafsen ein Wettlauf unter denselben, d i e f r e i e K o n k u r r e n z , die wichtigste und eigentümlichste Erscheinung des privatwirtschaftlichen Systems. Die Konkurrenz kann sein eine Konkurrenz ' des A n g e b o t s oder der N a c h f r a g e , in d e r R e g e l a b e r t r e f f e n b e i d e z u s a m m e n u n d b e s t i m m e n im T a u s c h k a m p f d e n P r e i s d e r G ü t e r . Der Gegensatz bzw. der Ausschlufs der Konkurrenz ist das M o n o p o l . Das Monopol verträgt sich nicht mit dem privatwirtschaftlichen System, weil es das wesentlichste Merkmal desselben, die freie Konkurrenz, ausschliefst und durch privatwirtschaftliche Organe ausgeübt die Beherrschung und Ausbeutung der Schwachen durch die Starken zur Folge hat. Das Monopol ist deshalb nur zulässig in der Gemeinwirtschaft, weil es hier ausgeübt wird z u G u n s t e n d e r G e s a m t h e i t d u r c h d i e G e s a m t h e i t und hiedurch das Gehässige und Ungerechte verliert, welches es in den Händen der Privatwirtschaft hat. D i e E i s e n b a h n i s t a b e r e i n M o n o p o l , und deshalb mufs sie der Gemeinwirtschaft angehören, deshalb führt sie in den Händen der Privatwirtschaft zu allen den Nachteilen, welche Monopole in den Händen der Privatwirtschaft stets mit sich bringen. Die MonopolEigenschaft der Eisenbahn ist in ihrem innersten Wesen begründet, einmal weil sie, wie in § 4 ausgeführt, eine einheitliche planmäfsige Organisation in Bezug auf Anlage, Betrieb und Verwaltung fordert, und es deshalb im wirtschaftlichen Interesse geboten erscheint, die Eisenbahn als Monopol zu gestalten, wie dies auch vielfach durch die Eisenbahngesetzgebung geschehen ist. z. B. durch § 44 des preufsischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838, welcher allerdings durch die deutsche Reichsverfassung aufgehoben ist.
Sodann weil sie als d a s v o l l k o m m e n s t e U a n d t r a n s p o r t m i t t e l , welches wir besitzen, alle anderen minder vollkommenen Transportmittel vom Verkehr ausschliefst und infolge dessen einem Wettbewerb anderer Land - Verkehrsmittel thatsächlich nicht unterworfen ist. Endlich drittens, weil eine K o n k u r r e n z i n n e r h a l b
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d e r E i s e n b a h n e n , ein W e t t b e w e r b d e r E i s e n b a h n e n u n t e r s i c h nicht besteht und bestehen kann. Freilich wurde dies früher vielfach bestritten. Wie man überhaupt die Wirksamkeit der Konkurrenz im wirtschaftlichen Leben überschätzte und sie als den überall vorhandenen Regulator desselben, als das natürliche Heilmittel für alle wirtschaftlichen Ausschreitungen und Schäden ansah, so glaubte man auch, dafs die Eisenbahnen und namentlich die Eisenbahntarife durch Angebot und Nachfrage, durch Konkurrenz geregelt würden, und stützte dies wesentlich auf eine Erscheinung im Eisenbahnwesen, welche allerdings mit der privatwirtschaftlichen freien Konkurrenz eine gewisse Ähnlichkeit hat und auch wohl als L i n i e n K o n k u r r e n z , richtiger als K o n k u r r e n z i n d e n K n o t e n p u n k t e n bezeichnet wird. Da diese Linien-Konkurrenz auch auf die Entwickelung des Tarifwesens von grofsem Einflufs gewesen ist und vielfach später Erwähnung finden wird, müssen wir dieselbe näher betrachten. § 6.
Die Konkurrenz in den Knotenpunkten.
Mit der Verdichtung des Eisenbahnnetzes kamen die anfangs vereinzelten Eisenbahnlinien in nähere Verbindung, die zu gegenseitigem Vorteil und grofser Vermehrung des Verkehrs führte. Allmählich aber griffen die verschiedenen Eisenbahnverwaltungen in ihre V e r k e h r s g e b i e t e gegenseitig über, es entstanden neue Linien, welche wesentlich nur angelegt waren, um dasselbe Verkehrsgebiet, bzw. dieselben Verkehrs-Knotenpunkte zu bedienen, welche schon von einer anderen Linie beherrscht wurden. Insbesondere die industriereichen Gegenden, grofsen Städte und Hafenplätze wurden von den Eisenbahnunternehmungen mit Vorliebe aufgesucht, indem" die grofsen Gewinne, welche die hier angelegten Eisenbahnen erzielten , zur Nachfolge reizten. So kam es, dafs von verschiedenen Verwaltungen vielfach Parallellinien gebaut wurden und mit der Zeit fast alle grofsen Städte miteinander durch zwei oder mehrere Eisenbahnlinien verbunden wurden, welche zwar meist von verschiedener Länge, aber doch sämtlich den Verkehr wohl zu bedienen in der Lage waren. Daraus entstanden dann die K o n k u r r e n z e n i n d e n K n o t e n p u n k t e n d. h. zwischen denjenigen Stationen, deren Verkehr miteinander von mehr als einer Eisenbahn V e r w a l t u n g bedient werden konnte. Nicht Eisenbahn - L i n i e , denn wenn die verschiedenen Linien Verwaltung gehörten, so entstand natürlich keine Konkurrenz welcher Art.
einer irgend
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Dieser Verkehr der Knotenpunkte mufste natürlich derjenigen Eisenbahnvervvaltung zufallen, welche denselben am billigsten und besten bediente, bei gleich günstigen Bedingungen aber unter die verschiedenen Konkurrenten sich teilen. Um aber den Verkehr sich allein oder in überwiegendem Mafse zu sichern, brauchten die konkurrierenden Eisenbahnen die verschiedensten Mittel, sie verbesserten die Transportleistungen durch möglichst vollkommene Anlagen und durch Einlegung zahlreicherer und schnellerer Züge, insbesondere aber als wirksamstes Mittel wurde die H e r a b s e t z u n g d e r T r a n s p o r t p r e i s e für die dem Wettbewerb unterliegenden Verkehre bzw. Stationen angewendet. In dieser Herabsetzung der Transportpreise, welche oft dadurch verschärft wurde, dafs sie nicht öffentlich, sondern h e i m l i c h und nur zu gunsten einzelner besonders grofser Verfrachter erfolgte, entstand oft ein förmlicher Wettkampf, der dann zu einer sehr weitgehenden Ermäfsigung der Transportpreise bisweilen bis unter die Selbstkosten führte und bei oberflächlicher Betrachtung ein der privatwirtschaftlichen Konkurrenz ähnliches Bild zeigte. In der That liefsen sich viele hiervon täuschen und schlössen aus diesen Erscheinungen, dafs auch das Eisenbahnwesen durch Konkurrenz geregelt werde bzw. geregelt werden könne. Aber bald zeigte sich das Irrtümliche dieser Ansicht. Hatten die Verwaltungen lange genug sich in dieser Weise Konkurrenz gemacht und eingesehen, dafs sie sich dadurch nur gegenseitig schädigten, so kam es zu Vereinbarungen unter ihnen, wodurch sie dem Wettbewerb ein Ende bereiteten. Dies geschah entweder so, dafs sich die konkurrierenden Eisenbahnen zu e i n e r Verwaltung verschmolzen, sei es durch Kauf-, sei es durch Pacht- und Betriebs-Überlassungsverträge, oder dafs sie in sogenannten K a r t e i l V e r t r ä g e n Vereinbarungen über Teilung des Verkehrs oder der Verkehrseinnahmen trafen bezw. wenigstens die Tarife zwischen den dem Wettbewerb unterworfenen Knotenpunkten in gleicher Höhe für alle Linien festsetzten und in dieser Weise eine Teilung des Verkehrs herbeiführten. Um sich aber für die vorangegangenen Verluste an Einnahmen zu entschädigen und eine gute Verzinsung ihrer AnlageKapitalien zu sichern, vereinbarten die konkurrierenden Eisenbahnen dann oft Transportpreise, welche höher waren, als die vor Beginn des Konkurrenzkampfes. Dies ist der gewöhnliche Verlauf und das Ende der sogenannten Linien-Konkurrenz. Vergeblich haben die Gesetzgebung bezw. die Verkehrs-Interessenten versucht diese Entwickelung zu verhindern, sie ist unaufhaltsam, wie die Geschichte der verschiedensten Länder
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gelehrt hat. Es fragt sich aber, ob hienach diese Linien-Konkurrenz als eine wahre freie Konkurrenz anzusehen ist, und diese Frage müssen wir aus folgenden Gründen verneinen: a. Die Konkurrenz findet nur ö r t l i c h beschränkt statt, nur in den Knotenpunkten. Sie hat keine Wirkung für diejenigen Stationen, die nicht von zwei verschiedenen Eisenbaßnverwaltungen bedient werden; im Gegenteil werden in der Regel deren Tarife möglichst hoch gehalten, um für die Ausfälle in den Transporteinnahmen der Wettbewerbs-Stationen Deckung zu erhalten. Die andern Stationen und Verkehre, insbesondere der örtliche Verkehr, werden also durch die Linien-Konkurrenz geradezu geschädigt, indem im Verhältnis zu den Tarifen der Knotenpunkte ihre Tarife zu hoch sind, und sie so wirtschaftlich denselben gegenüber in eine ungünstige L a g e gebracht werden.' Diese Linien-Konkurrenz hat also nicht eine a u s g l e i c h e n d e W i r k u n g auf die Preise, wie die wahre Konkurrenz haben soll, sondern im Gegenteil veranlafst sie e r h e b l i c h e U n g l e i c h h e i t e n in d e n T r a n s p o r t p r e i s e n . Allerdings behaupten die Anhänger der Konkurrenztheorie im Eisenbahnwesen, dafs eine Verdichtung des Eisenbahnnetzes das Entstehen konkurrierender Linien für immer kürzere geographische Entfernungen in sich begreife und dadurch allmählich auch alle Zwischenstationen Knotenpunkte und so der Wohlthat der Konkurrenz teilhaftig würden. V g l . insbesondere Michaelis , Volkswirtschaftliche Schriften Bd. I S. 29 und 85.
Allein diese Annahme trifft nicht zu, auch würde dies nicht einmal genügen, um eine wirksame, wahre Konkurrenz für das gesamte Bahnnetz herbeizuführen, vielmehr aufserdem noch nötig sein, d a f s j e d e L i n i e i n v e r s c h i e d e n e r V e r w a l t u n g w ä r e , ein Erfordernis, das um so unmöglicher wird, je kleiner durch die Verdichtung des Netzes die Linien zwischen zwei Knotenpunkten werden. b. Neben dieser örtlichen Beschränkung der Konkurrenz in den Knotenpunkten ist dieselbe aber auch z e i t l i c h u n d i m U m fange beschränkt. In der Regel findet die Konkurrenz in den Knotenpunkten nur zwischen z w e i o d e r d o c h w e n i g e n E i s e n b a h n e n s t a t t , während in der Privatwirtschaft die Verteilung der Bedürfnis-Befriedigung unter die Wettbewerber eine weitergehende, und der Hinzutritt stets neuer Konkurrenten mit noch günstigerem Angebot offen ist und thatsächlich erfolgt. Diese Beschränkung d e s U m f a n g s d e r K o n k u r r e n z hat aber die weitere F o l g e , dafs dieselbe, wenn sie überhaupt eintritt und nicht von vornherein durch
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Verständigung unter den Konkurrenten beseitigt wird, eine z e i t l i c h b e s c h r ä n k t e bleibt und eine Yerkehrsteilung nach verhältnismäfsig kurzer Zeit eintritt. Die wenigen Konkurrenten, um die es sich stets handelt, sehen bald genug ein, dafs doch keiner den andern ganz verdrängen kann, w e i l d i e i n e i n e r E i s e n b a h n l i n i e f e s t g e legten Kapitalien nicht wieder herausgezogen werden k ö n n e n , wie aus einem industriellen oder Handelsunternehmen, und die Eisenbahn bestehen bleibt, auch wenn sie schlechte Geschäfte macht. Sie finden es deshalb verständiger, sich zu vertragen und gemeinschaftlich einen Preis festzusetzen, bei dem sie alle bestehen können, als um die Wette den Transportpreis herabzudrücken. D a n n a b e r l i e g t l e d i g l i c h ein M o n o p o l mit m e h r e r e n I n h a b e r n vor, K o n k u r r e n z existiert nicht. Andererseits läfst sich zwar die Thatsache nicht leugrien, dais diese beschränkte Konkurrenz in den Knotenpunkten zur Zeit noch fast in allen Eisenbahnländern in gröfserem oder geringerem Umfange besteht und weitgehende Wirkungen auf das gesamte Eisenbahnwesen, insbesondere einen grossen Einflufs auf die Gestaltung der Tarife ausgeübt hat und noch ausübt. Aber ganz abgesehen davon, dafs das Aufhören dieser Linien-Konkurrenz in einem nicht zu fernen Zeitpunkt mit Sicherheit erwartet werden kann, so würden, selbst wenn dieselbe eine unbeschränkte und auf die Dauer wirksame Konkurrenz wäre bezw. wenn es möglich wäre, durch gesetzgeberische Mafsregeln oder auf sonstige Weise dies herbeizuführen, doch erhebliche Gründe gegen ihre Anwendung sprechen und dieselbe im wirtschaftlichen Interesse verbieten. Die grofsen wirtschaftlichen Schäden, welche schon die vorübergehende, in ihrem Umfang zeitlich und örtlich beschränkte Konkurrenz thatsächlich verursacht hat, begründen dies genügend. Die Nachtheile, welche eine vollständig durchgeführte wirksame Konkurrenz im Eisenbahnwesen mit sich bringen müfste, sind folgende: A. I n d e r A n l a g e d e r E i s e n b a h n e n . Um eine wirksame Konkurrenz im Eisenbahnwesen herbeizuführen, müfsten für jede Verkehrsbeziehung m i n d e s t e n s zwei von einander unabhängige, unter verschiedener Verwaltung stehende Linien vorhanden sein, welche b e i d e zur B e w ä l t i g u n g des g e s a m t e n V e r k e h r s imstande wären. Es würde also mindestens das d o p p e l t e Anlagekapital aufgewendet werden müssen, um eine Leistung zu erzielen, welche mit dem einfachen Kapitalaufwand genügend hergestellt werden könnte. Bei dem grofsen Anlagekapital, welches die
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Eisenbahnen erfordern, mufs daher, wenn lediglich, um die Konkurrenz zu ermöglichen, statt einer Linie zwei oder mehrere gebaut werden, eine V e r g e u d u n g u n g e h e u r e r S u m m e n eintreten, wie dies thatsächlich auch schon bei der Konkurrenz in den Knotenpunkten geschehen ist. Viele Hunderte von Millionen sind in denjenigen Staaten, wo man der Konkurrenztheorie auch nur zeitweise praktisch Folge gegeben hat, in diesen Konkurrenzbauten verschwendet worden. Diese Kapitalien können aber nicht oder nur zum kleinsten Teil wieder zurückgezogen werden, sie sind vielmehr zum gröfsten Teil festgelegt und verloren. Vgl. hierüber und insbesondere über die Konkurrenz - Eisenbahnbauten in Deutschland meine Schrift: »Tariferhöhung oder Reichseisenbahnen.« Berlin, Verlag von J . Guttentag (D. Collin) 1876 S. 26 fT.
Da aber naturgemäfs ein jedes aufgewendete Kapital nach Verzinsung stiebt, so würde die Folge einer durchgeführten EisenbahnKonkurrenz in dieser Beziehung sein, dafs statt des Kapitals der e i n e n Linie, welche zur Bewältigung des Verkehrs genügt hätte, das doppelte oder dreifache Kapital verzinst werden müfste. Dies müfste aber, da die Verzinsung des Anlagekapitals etwa 50 Prozent der Selbstkosten bei dem Eisenbahntransporte ausmacht, notwendig zu h ö h e r e n S e l b s t k o s t e n und infolge dessen zu h ö h e r e n T r a n s p o r t p r e i s e n führen, als beim Bestehen e i n e r Linie. Die Konkurrenz bewirkt also hier gerade das Entgegengesetzte dessen, was sie im wirtschaftlichen Leben bewirken soll, u n w i r t s c h a f t l i c h e V e r g e u d u n g anstatt K o s t e n e r s p a r u n g , E r h ö h u n g der T r a n s p o r t p r e i s e anstatt H e r a b s e t z u n g . B. Für den B e t r i e b und die V e r w a l t u n g würde sich dasselbe Resultat ergeben. Zwei oder drei Verwaltungen benötigen natürlich auch einer weit gröfseren Zahl sowohl leitender als ausführender Beamten, als eine. Die Betriebskosten werden naturgemäfs erheblich erhöht dadurch, dafs der Betrieb auf mehreren Linien gefuhrt wird, anstatt auf einer. Es gehen mehr Züge mit schlechterer Belastung ohne Vorteil für Verkehr und Publikum. Da die Konkurrenzwege oft in ihren Längen sehr verschieden sind, werden grofse Mengen Güter und Personen statt über den kürzesten Weg auf grofsen Umwegen befördert. Der selbständige und getrennte Dienst auf den Konkurrenz- und Übergangsstationen verschlingt grofse Summen, es mufs ein gröfserer Wagenpark gehalten werden, welcher schlecht ausgenutzt wird. V g l . »Tariferhöhung oder Reichseisenbahnen« S. 16 ff.
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Als Resultat unserer Untersuchung können wir deshalb hinstellen: 1. E i n e w a h r e f r e i e K o n k u r r e n z , w i e s i e i m p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n S y s t e m besteht bezw. b e s t e h e n soll, e x i s t i e r t im E i s e n b a h n w e s e n n i c h t u n d k a n n n i c h t existieren. Es ist dem Verfasser nicht unbekannt, dafs aufser der Konkurrenz in den Knotenpunkten noch eine ganze Reihe anderer angeblicher Konkurrenzfälle im Eisenbahnwesen aufgestellt worden sind. Allein dieselben gründen sich teils auf eine mifsverständliche Auffassung des Eisenbahnbetriebes und gewisser thatsächlicher Erscheinungen im Eisenbahnwesen, teils sind die anderen Konkurrenzfälle Phantasiegebilde von Theoretikern, welche durchaus eine Eisenbahn - Konkurrenz konstruieren wollten. Von einer Erörterung derselben habe ich umsomehr absehen zu können geglaubt, als dieselben längst widerlegt sind; vgl. besonders Sax , Verkehrsmittel Bq. II S. 84—133.
2. Das, was man hier als Konkurrenz bezeichnet, ist nur ein T r u g b i l d d e r K o n k u r r e n z , welches lediglich die Folge hat, dafs der Verkehr zu höheren Preisen schlechter besorgt wird, also gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was die wahre freie Konkurrenz bewirkt bezw. bewirken soll. Wo aber keine Konkurrenz vorhanden und möglich ist, liegt ein M o n o p o l vor. Es wird hierdurch also der bereits im vorigen Paragraph ausgesprochene Satz bestätigt, dafs die Eisenbahn ein Monopol ist. Daraus folgt aber wieder unabweislich, dafs es notwendig und richtig ist, d a s E i s e n b a h n w e s e n d e r G e m e i n w i r t s c h a f t z u z u w e i s e n , weil die Befriedigung dieses Bedürfnisses durch die Privatwirtschaft wegen der Monopol - Eigenschaft der Eisenbahn nicht zulässig erscheint. § 7.
Die wirtschaftliche Natur der Privatbahnen. V g l . G. Cohn, Volkswirtschaftliche Aufsätze: Der Staat und die Eisenbahnen.
Die Eisenbahnen befinden sich thatsächlich teils in den Händen des Staates, sowie seiner untergeordneten Teile, Provinzen, Kreise und Gemeinden, teils in den Händen von Aktiengesellschaften und einzelnen Privaten.' Es unterliegt keinem Zweifel, dafs die Eisenbahnen, welche in den Händen des Staates und seiner Glieder sind, der Gemeinwirtschaft angehören, wie es ebenso unbestritten ist, dafs diejenigen Eisenbahnen, welche im Eigentum einzelner Privaten sich befinden, privatwirtschaftlicher Natur sind. Zweifelhaft und bestritten ist dagegen die Frage, ob die im Eigentum von Aktiengesellschaften befindlichen Eisenbahnen, die
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sogenannten P r i v a t b a h n e n , dem Gebiete der Privatwirtschaft oder dem der Gemeinwirtschaft zuzurechnen sind. Der Name Privatbahnen spricht für ihre Zugehörigkeit zur Privatwirtschaft, aber der Name ist etwas Aufserliches, nicht Entscheidendes. Dagegen behaupten namhafte Volkswirtschaftslehrer, insbesondere L . von Stein und nach ihm Sax, d a f s d i e s e A k t i e n b a h n e n d e r G e m e i n wirtschaft angehören. Es ist von grofser Wichtigkeit, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Behauptung zu prüfen und festzustellen. Nur wenn die Anschauungen von Stein und Sax sich als richtig erweisen, vermögen die Anhänger des Privatbahnwesens unter Anerkennung des wissenschaftlich kaum noch bestrittenen Satzes, dafs ihrer Natur nach die Eisenbahnen Sache der Gemeinwirtschaft sein müssen, die Berechtigung der Existenz der Privatbahnen zu retten. Im andern Fall erscheinen wenigstens vom wissenschaftlichen Standpunkt aus die Privatbahnen als ein unberechtigter Eingriff des privatwirtschaftlichen Systems in das Gebiet des gemeinwirtschaftlichen Systems, und ihre Beseitigung geboten, sofern sie nach L a g e der Verhältnisse möglich ist. Sehen wir nun, was v. Stein und Sax für ihre Ansicht anführen. v. Stein nennt die Eisenbahn-Akiengesellschaften V e r w a l t u n g s gesellschaften und will den Aktionären eine Art S e l b s t v e r w a l t u n g des V e r k e h r s w e s e n s zuschreiben, mufs aber selbst gestehen, dafs diese Theorie mit der Wirklichkeit im offenen Widerspruch steht. S a x , die Verkehrsmittel Bd. I S. 77 sagt folgendes: »Weniger erkannt ist dagegen der Umstand, dafs die Wirksamkeit der Gemeinwirtschaft auch durch privatwirtschaftliche Organe sich vollziehen k a n n , deren sich jene in gewissen Fällen zu ihren Zwecken dann bedient, wenn diese dadurch in wirtschaftlicherer Weise erreicht werden können. Privatwirtschaftliche Organe dieser Art hören dann auf, reine Privatunternehmungen zu sein, erhalten ein Gepräge, das ihnen die Merkmale gemeinwirtschaftlicher Organe verleiht, und sind daher in ihrer Wirkungsweise nur zu verstehen, wenn sie begrifflich den letzteren beigezahlt werden. Sie stellen eine d e l e g i e r t e Gemeinw i r t s c h a f t s - F u n k t i o n gegenüber der unmittelbaren durch eigene Organe ausgeübten dar, da sie eben, wenngleich unter den Formen der Privatwirtschaft, doch den Willen der Gemeinwirtschaft erfüllen und nur soweit sich von den Gesichtspunkten der Privatwirtschaft leiten lassen dürfen, als dieselben mit dem Gesamtwillen und seinen Zwecken nicht in Kollision geraten. Die Erscheinungen, welchen
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wir diesfalls im Wirtschaftsleben begegnen, bezeichnen wir mit dem Namen s t a a t l i c h r e g u l i e r t e U n t e r n e h m u n g e n oder ö f f e n t liche Unternehmungen. Dieselben treten heutzutage meistens als Gesellschaften (Aktiengesellschaften) in die Existenz. Derlei Unternehmungen werden dadurch zu dem qualifiziert, als was sie uns erscheinen, dafs der Staat ihrem privatwirtschaftlichen Handeln diejenigen Beschränkungen auferlegt und sie andrerseits zu denjenigen Mafsnahmen anhält, welche die Zwecke der Gemeinwirtschaft erheischen, indem er sie gleichzeitig, sofern sich dies als notwendig herausstellt, für den dadurch etwa entstehenden privatwirtschaftlichen Entgang vertragsmäfsig schadlos hält. Die Hauptmomente, in denen diese gemeinwirtschaftliche Qualifikation sich äufsert, sind: 1) die öffentlich-rechtliche Konstituierung; 2) Vorzeichnung der Anlage und des Betriebes nach Bedürfnissen der Gesamtheit; 3) Auflage öffentlicher Transport - Leistungspflicht an jedermann zu gleichen Bedingungen und, wo notwendig, Fixierung der Transportpreise nach dem Gesichtspunkte sub 2 ; 4) eventuelle Subvention aus öffentlichen Mitteln. Die Ausführungsmafsregeln dieser öffentlichen Regulierung und das Mafs ihrer Zweckdienlichkeit können natürlich verschieden sein; das sind dann Detailfragen. Das Wesen der Sache ist mit Vorstehendem prinzipiell bestimmt und zeigt uns die betreffenden »öffentlichen« Unternehmungen als Organe der Gemein Wirtschaft, mit welcher Auffassung ihre Wirksamkeit erst im rechten Lichte erscheint. D e r G r u n d d e r B e r u f u n g solcher Organe zur Übernahme gemeinwirtschaftlicher Funktionen ist, wie gesagt, dann gegeben, wenn dieselben nach L a g e der Dinge im konkreten Falle geeignet erscheinen, unbeschadet der zu erreichenden öffentlichen Zwecke das Prinzip der W i r t s c h a f t l i c h k e i t in höherem Grade zu realisieren als die unmittelbare Verwaltung, und ihre Verwendbarkeit greift erklärlicherweise überhaupt n i c h t P l a t z , wo die Erzielung einer Kapitalsrente ausgeschlossen wird. Ersteres ist zum grofsen Teile eine quaestio facti, letzteres hängt von dem Verwaltungsprinzipe bei den einzelnen Verkehrsmitteln ab.« So Sax. Allein, diese Anschauung kann bei näherer Prüfung nicht bestehen und als eine berechtigte nicht angesehen werden. Es ist durchaus unrichtig, dafs diese sogenannten öffentlichen Unternehmungen, wenngleich unter den Formen der Privatwirtschaft, d o c h
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d e n Willen d e r G e m e i n w i r t s c h a f t e r f ü l l e n und nur soweit sich von den G e s i c h t s p u n k t e n der P r i v a t w i r t s c h a f t leiten l a s s e n , als dieselben mit dem G e s a m t w i l l e n u n d s e i n e n Z w e c k e n n i c h t in K o l l i s i o n g e r a t e n . Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die übereinstimmenden Erfahrungen bei allen Kulturvölkern haben auf das klarste erwiesen, dafs diese sogenannten öffentlichen Unternehmungen l e d i g l i c h ihrem privatwirtschaftlichen Erwerbssinn folgen und die Zwecke der G e s a m t h e i t nur soweit und solange f ö r d e r n , als diese auch ihren p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n Z w e c k e n d i e n e n o d e r n i c h t e n t g e g e n s t e h e n . Wo letzteres aber der Fall ist, da gehen sie lediglich ihren privatwirtschaftlichen Interessen nach, und selbst dann, wenn ihnen zu gunsten der Gesamtheit die oben von Sax erwähnten Auflagen gemacht sind, haben sie, wenn dieselben mit ihren Erwerbszwecken kollidierten, diese Auflagen unbefolgt gelassen oder doch sich ihnen soweit möglich entzogen. Es wäre auch in der That wunderbar, wenn es anders wäre. Denn an sich sind auch diese sogenannten öffentlichen Unternehmungen privatwirtschaftliche Erwerbs-Gesellschaften, und sie verlieren diese Natur dadurch, dafs ihnen staatlicherseits gewisse Auflagen gemacht werden, eben so wenig wie andere Erwerbs-Gesellschaften, welchen ja auch durch Gesetz und Verwaltung gewisse Auflagen gemacht werden, z. B. eine Bergbau-Gesellschaft oder sonstige Industrie - Aktiengesellschaft. Diese ihre Natur als Erwerbs-Gesellschaft müfsten die sogenannten öffentlichen Unternehmungen geradezu verleugnen, wenn sie so handelten, wie Sax behauptet. Der Eigennutz, das Eigeninteresse ist bekanntlich der einzige Beweggrund, der Erwerb der erste Zweck einer Erwerbs-Gesellschaft, und deshalb wird sie nur g e z w u n g e n etwas thun, was ihrem Erwerbs-Interesse widerspricht, und stets das Bestreben haben und Mittel und Wege finden, sich von solchen ihr zwangsweise aufgelegten Verpflichtungen zu befreien. Deshalb ist auch erfahrungsgemäfs die Befriedigung der allgemeinen Interessen durch die Privateisenbahnen in der Regel eine unvollkommene gewesen, und je gröfser diese allgemeinen Interessen an den Eisenbahnen mit der Entwickelung des Eisenbahnwesens geworden sind, desto mehr zeigt sich die Notwendigkeit, dafs die Verwaltung der Eisenbahnen den Aktiengesellschaften entzogen und von wirklich gemeinwirtschaftlichen Organen übernommen wird. Wo aber dies nicht oder nicht rechtzeitig geschieht, da entwickeln sich fortI J l r i c h , Eisenbahntarifwesen.
2
Einleitung.
i8
dauernde Kämpfe zwischen den Interessen der Allgemeinheit und Gemeinwirtschaft einerseits und den die betreifenden Transportmittel besitzenden Aktien-Gesellschaften andererseits, welche unter Schädigung der gesamten Volkswirtschaft regelmäfsig mit dem Siege der Privatbahnen enden, weil dieselben ausgerüstet mit der Macht des Monopols Mittel und Wege zu finden wissen, sich den ihren Interessen widersprechenden Forderungen der Allgemeinheit zu entziehen. Die Beweise dafür finden sich in der Geschichte des Privatbahnwesens aller Kulturstaaten. Meisterhaft
dargestellt ist dieser vergebliche K a m p f
der
allgemeinen
Interessen und der Gemeinwirtschaft g e g e n das Monopol der privaten Aktienbahnen in Cohns englischer Eisenbahnpolitik,
er
Faden durch das
österreichische
ganze W e r k .
Die
neueste
zieht sich wie ein roter Tarifenquete
1882/83, herausgegeben vom Handelsministerium in zwei Bänden, gewährt ein ähnliches Bild für Österreich, und wer die französische Eisenbahngeschichte insbesondere der letzten zehn Jahre mit aufmerksamem und verständnisvollem Blick
verfolgt h a t , der wird auch hieraus die Richtigkeit vorstehender An-
schauung und die ganze
Unhaltbarkeit
der Theorie erkennen, welche die
Eisenbahn-Aktiengesellschaft zu einem gemeinwirtschaftlichen Organ machen will.
In Deutschland hat man deshalb mit Recht die Verwaltung der Eisen-
bahnen fast durchweg den Händen der Aktiengesellschaften entwunden und dem Staate übertragen.
§ 8.
Die verschiedenen Verwaltungsgrundsatze.
Die Befriedigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse kann nach drei verschiedenen Verwaltungsgrundsätzen erfolgen: 1. N a c h d e m G r u n d s a t z d e s a l l g e m e i n e n G e n u f s gutes oder der Unentgeltlichkeit. Hier bestreitet die Genieinwirtschaft die Kosten einer Einrichtung oder Thätigkeit vollständig aus allgemeinen Einnahmen, ohne denjenigen, welcher von der Einrichtung Nutzen zieht, zur Deckung der entstehenden Kosten heranzuziehen. Die Gemeinwirtschaft stellt diese Einrichtungen her und unterhält sie, weil sie dies als eine im allgemeinen Interesse übernommene Aufgabe ansieht. Beispiele hiervon sind die Gewährung des Schutzes von Person und Vermögen des einzelnen durch die Staatsgewalt, die unentgeltliche Benutzung von Strafsen, öffentlichen Bibliotheken und Sammlungen u. s. w. 2. N a c h d e m G e b ü h r e n p r i n z i p . Hier erhebt die Gemeinwirtschaft für die Ausführung einer Thätigkeit oder die Benutzung einer gemeinwirtschaftlichen Einrichtung eine besondere Abgabe von denjenigen, welche dieselbe benutzen, bezw. auf deren Veranlassung diese Thätigkeit erfolgt. Diese Abgabe heifst G e b ü h r . Dieselbe
Einleitung.
19
wird einseitig von der Gemeinwirtschaft, aber w e d e r n a c h d e m Werte der einzelnen L e i s t u n g für den einzelnen Emp f ä n g e r , noch nach den K o s t e n d e r e i n z e l n e n L e i s t u n g , sondern nach einem D u r c h s c h n i t t s s a t z für alle L e i s t u n g e n g l e i c h e r A r t d e r a r t f e s t g e s e t z t , d a f s die Ges a m t s u m m e der a u f k o m m e n d e n A b g a b e n einen gew i s s e n B e t r a g e r g i e b t , der zur D e c k u n g d e r K o s t e n d e r b e t r e f f e n d e n L e i s t u n g e n b e s t i m m t ist. Vgl. Sax, Verkehrsmittel Bd. I S. 80.
Es ist nicht nötig, dafs dieser Betrag die Gesamtkosten genau deckt, er kann auch dieselben übersteigen, oder darunter bleiben. Im letzteren Fall liegt ein Ubergang zu dem Prinzip des reinen Genufsguts vor, im ersteren eine Art Besteuerung. Beispiele solcher Gebühren sind die Justiz- und Verwaltungsgebühren, die Post- und Telegraphen-Taxen, die Schulgelder etc. 3. N a c h d e m p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n o d e r g e w e r b lichen Grundsatz. Hier wird ebenfalls von den Leistungsempfangern eine Abgabe gefordert. Dieselbe wird aber nicht, wie bei der Gebühr, nach einem allgemeinen Durchschnitt für Leistungen gleicher Art bemessen, sondern nach dem w i r t s c h a f t l i c h e n Werte der einzelnen L e i s t u n g f ü r den e i n z e l n e n Emp f ä n g e r . Auch wird s t e t s nicht blofse Deckung der entstehenden Kosten, sondern ein m ö g l i c h s t h o h e r Ü b e r s c h 11 f s h i e r ü b e r ( R e i n e i n n a h m e ) nach den G r u n d s ä t z e n der p r i v a t w i r t schaftlichen Konkurrenz erstrebt. Die beiden ersten Verwaltungsgrundsätze können natürlich nur von einer gemeinwirtschaftlichen Verwaltung angewendet weiden, der letztere ist der Verwaltungsgrundsatz der privatwirtschaftlichen Unternehmungen, der aber auch von der gern ein wirtschaftlichen Verwaltung unter Umständen angewendet wird. Beispiele letzterer Art bieten die staatliche Verwaltung von Domänen, Bergwerken. Die Anhänger jener volkswirtschaftlichen Ansicht, welche den staatlich regulierten Aktiengesellschaften (Privatbahnen) eine delegierte Gemeinwirtschafts-Funktion zusprechen und dieselben unter dem Titel öffentliche Unternehmung unter die gemeinwirtschaftlichen Organe rechnen, insbesondere auch S a x , haben folgerichtiger Weise noch einen vierten Verwaltungsgrundsatz aufgestellt, d e n d e r ö f f e n t lichen Unternehmung. Vgl. Sax, Verkehrsmittel B d . I S. 8 1 . 2*
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Einleitung.
Sie behaupten, dafs sich derselbe von dem privatwirtschaftlichen Verwaltungsgrundsatz dadurch unterscheide, dafs die öffentliche Unternehmung imstande sei, wenn der Wert ihrer Leistungen für den einzelnen Empfänger unter den Eigenkosten derselben zurückbleibe, durch eine lange Zeitperiode mit Schaden zu arbeiten, während die Privatunternehmung unter solcher Voraussetzung vom Schauplatz verschwinde. Die Anstrebung eines Überschusses über die Eigenkosten seitens der öffentlichen Unternehmung sei sohin auf das Endresultat einer längeren Zeitdauer gerichtet und es hindere das Auftreten derselben nicht, wenn sie vorübergehend die Preistaxen niedriger als die Selbstkosten ihrer Leistungen stellen, die Ausgleichung erst von späterer Kostenverminderung bei umfangreicherer Benutzung gewärtigen müsse. Hierin kann indes eine wirkliche Verschiedenheit gegen andere private Unternehmungen nicht gefunden werden. Ein derartiges Verfahren findet sich bei jeder Privatunternehmung, welche kapitalkräftig genug ist, eine Zeitlang mit Schaden zu arbeiten, wenn sie die Hoffnung auf einen später um so gröfseren Gewinn hat, bezw. selbst ohne diese Hoffnung, wenn wegen d e r F e s t l e g u n g d e s K a p i t a l s es vorteilhafter erscheint, vorerst mit Schaden zu arbeiten und später mit mäfsigem Gewinn, als das K a p i t a l , was nicht mehr herauszuziehen ist, zu verlieren. Diese Eigentümlichkeit findet sich bei den verschiedensten Unternehmungen, z. B. beim Bergbau ebenso wie bei den Eisenbahnen, und kann also nicht als Beweis für die öffentliche Unternehmung verwertet werden. Vgl. auch Neumann, Die Gestaltung des Preises in Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie Bd. I S. 230.
Den Aktiengesellschaften kommt in solchen Fällen aufser ihrer in der Regel höheren Kapitalkraft auch noch der Umstand zu statten, dafs der Zinsverlust auf eine grofse Zahl von Teilnehmern sich verteilt und deshalb weniger drückend ist, als wenn ein einzelner vielleicht sein ganzes Vermögen in einer solchen zeitweise unrentabeln Unternehmung angelegt hat. Die Anhänger der öffentlichen Unternehmung behaupten aber ferner, dafs seitens derselben bei Bemessung des Preises nach dem wirtschaftlichen Werte der Leistungen für den einzelnen Empfänger die Rückwirkung der Preishöhe auf die Gesamtheit der Staatsangehörigen nicht aufser acht gelassen werde, während diese Rücksicht der Privatunternehmung fremd sei. Die öffentliche Unternehmung erstrebe daher n i c h t den jeweils erreichbaren höchsten Überschufs
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Einleitung.
und gehe mit der Preisermäfsigung zum Behufe allgemeiner Verbreitung und Vermehrung ihrer Leistungen im ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e weiter als die Privatunternehmung. Auch dies ist unrichtig und widerspricht den thatsächlichen Erfahrungen. Die sogenannte öffentliche Unternehmung eistrebt genau wie jede PrivatUnternehmung den jeweils erreichbaren höchsten Überschufs und geht mit Preisermäfsigungen freiwillig immer nur soweit, als i h r e e i g e n e n , n i c h t a b e r s o w e i t , a l s d i e ö f f e n t l i c h e n I n t e r e s s e n gebieten. Richtig ist nur, dafs sie durch gesetzliche oder Konzessions-Vorschriften bisweilen gezwungen wird, etwas zu thun, was ihrem Erwerbs-Interesse nicht ganz entspricht. Sie thut dies aber nur gezwungen mit Widerstreben, und ihre wahre Natur zeigt sich darin, dafs sie stets bestrebt ist, sich solchem Zwange zu entziehen. Die Wahrheit ist vielmehr, dafs die öffentliche Unternehmung, welche nichts anderes ist, als eine privatwirtschaftliche Unternehmung, a u c h stets nach dem p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n V e r w a l t u n g s g r u n d s a t z v e r w a l t e t wird. V g l . auch W a g n e r , Finanzwissenschaft
Bd.
I S. 650 (dritte A u f l a g e ) .
Dafs derselbe in manchen Beziehungen durch Gesetz und Konzessionen beschränkt wird, ändert hieran nichts, da jede privatwirtschaftliche Unternehmung durch Gesetze verhindert ist, die äufsersten Konsequenzen ihres Erwerbstriebs zu ziehen, und es nicht darauf ankommen kann, ob diese Beschränkungen etwas gröfser sind. Dafs die staatlichen Beschränkungen im Eisenbahnwesen weitergehend sind, als gewohnlich, erklärt sich übrigens auch dadurch, dafs in der Regel der Staat den Privat-Eisenbahngesellschaften besondere Rechte, z. B. das Enteignungsrecht, und oft sogar Unterstützungen verschiedener Art gewährt. Es ändert dies aber an dem privatwirtschaftlichen Charakter dieser Gesellschaften ebensowenig, wie dadurch, dafs der Staat einer Fabrik, um die betr. Industrie in seinem Gebiete anzusiedeln, Geld- oder andere Unterstützungen gewährt, diese Fabrik einen gemeinwirtschaftlichen Charakter erhält. § 9.
Die Anwendung bahnverwaltung.
der drei Verwaltungsgrundsätze für
die Eisen-
Die Entscheidung der Frage, welcher dieser drei Verwaltungsgrundsätze für die Verwaltung der Eisenbahnen anzuwenden ist, hängt nach Vorstehendem in erster Linie davon ab, ob die Eisenbahnen in den Händen der Privatwirtschaft oder der Gemeinwirtschaft sind. Im ersteren Falle k a n n n u r n a c h d e m p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e n o d e r
Einleitung.
E r w e r b s g r u n d s a t z v e r w a l t e t w e r d e n , während im letzteren Falle a l l e d r e i G r u n d s ä t z e z u r A n w e n d u n g g e l a n g e n k ö n n e n . Während also bei den Privatbahnen der Verwaltungsgrundsatz immer gegeben ist und keine Wahl zuläfst, mufs dagegen näher erörtert werden, welchen der drei Grundsätze die gemeinwirtschaftliche Eisenbahnverwaltung anwenden soll. Wesentlich beeinflufst wird die Wahl des Verwaltungsgrundsatzes bei der gemeinwirthschaftlichen Eisenbahnverwaltung von dem G r a d e der Entwickelung des E i s e n b a h n w e s e n s , insbesondere v o n d e m A u s b a u d e s E i s e n b a h n n e t z e s . Ist dasselbe noch im Entstehen, ist noch nicht das ganze Land von Eisenbahnen durchzogen, so ist der privatwirtschaftliche Verwaltungsgrundsatz auch für die gemeinwirtschaftliche Eisenbahnverwaltung am Platze, es müssen die die Eisenbahn Benutzenden den v o l l e n W e r t der ihnen gebotenen Leistungen zahlen. Im anderen Falle würde eine doppelte Schädigung derjenigen Gegenden eintreten, welche noch keine Eisenbahnen besitzen, einmal weil sie keine Eisenbahnen haben und der durch die Eisenbahnen hervorgebrachten unmittelbaren und mittelbaren Vorteile entbehren, und zweitens weil sie bei dem Grundsatz des allgemeinen Genufsgutes sicher, bei dem Gebührengrundsatz möglicherweise in die Lage geraten würden, auch noch die Kosten derjenigen Vorteile tragen zu müssen, welche die mit Eisenbahnen versehenen in der wirtschaftlichen Produktion mit ihnen konkurrierenden Gegenden geniefsen. Man kann deshalb die e r s t e P e r i o d e des Eisenbahnwesens, welche mindestens bis zum vollendeten Ausbau aller Hauptlinien eines Landes reicht, als die p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e P e r i o d e bezeichnen, weil nicht nur die in den Händen der Privatwirtschaft, sondern auch die in Händen der Gemeinwirtschaft befindlichen Bahnen im w e s e n t l i c h e n nach dem privatwirtschaftlichen Verwaltungsgrundsatz verwaltet werden und verwaltet werden müssen. Je mehr dagegen der Ausbau des Eisenbahnnetzes voranschreitet, insbesondere sobald der Bau der Hauptbahnen vollendet ist, um so mehr erscheint ein a l l m ä h l i c h e r U b e r g a n g vom privatwirtschaftlichen zum Gebührenprinzip seitens der in den Händen der Gemeifiwirtschaft befindlichen Eisenbahnen möglich, allerdings zunächst so, dafs nicht nur die volle Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals durch die erhobenen Gebühren gedeckt, sondern womöglich noch ein Überschufs erzielt wird, der zum Ausbau der Nebenbahnen verwendet werden kann. Dieser Übergang zum Gebührenprinzip zeigt sich insbesondere dadurch, dafs die schädlichen Verschiedenheiten und Ungleichheiten in der Tarifgestaltung, welche
Einleitung.
2
3
der privatwirtschaftliche Verwaltungsgrundsatz mit sich zu bringen pflegt, beseitigt werden und eine mehr gleichmäfsige, gerechte und einheitliche Tarifgestaltung zur Einführung gelangt. Sobald aber das Eisenbahnnetz völlig ausgebaut ist, auch die Nebenbahnen hergestellt und alle Gegenden mit Eisenbahnen versehen sind, erscheint es möglich, den privatwirtschaftlichen Verwaltungsgrundsatz gänzlich aufzugeben. Ist dieser Zeitpunkt erreicht, kommt der Nutzen der Eisenbahnen infolge dessen allen Landesteilen gleichmäfsig zu gute, so kann es nur zweifelhaft sein, ob der Grundsatz des allgemeinen Genufsgutes oder das Gebührenprinzip anzuwenden ist. Der erste Verwaltungsgrundsatz kommt beim Wegewesen, bei Benutzung der Strafsen und seit einiger Zeit auch der Chausseeen vielfach zur Anwendung; es erscheint jedoch aus mehrfachen Gründen sehr bedenklich, denselben bei den Eisenbahnen einzuführen. Gerecht würde dies nur dann sein, wenn der Nutzen der Eisenbahn jedem einzelnen ungefähr in demselben Masse zu teil wurde, als die zur Deckung der Kosten erforderliche Steuerlast, wirtschaftlich d a n n , wenn die unentgeltliche Benutzung keine unproduktive Vergeudung befürchten liefse, zumal wenn zugleich die Erhebung der Transportpreise unverhältnismafsige Kosten erfordern würde. Vergl. Roscher, System der Volkswirtschaft Band I I I S. 4 1 4 .
Beide Voraussetzungen werden, soweit sich dies jetzt voraussehen läfst, bei den Eisenbahnen nie zutreffen. Es ist dabei auch zu bedenken, dafs auf der Eisenbahn nicht nur der W e g dargeboten wird, wie bei der Chaussee, sondern noch das B e w e g u n g s m i t t e l und die B e w e g u n g selbst, und deshalb nicht nur auf die Verzinsung der eventuell zu amortisierenden Anlagekosten, sondern auch auf die Vergütung der Betriebskosten zu verzichten wäre. Auch würde diese Bequemlichkeit in der Benutzung gegenüber den Strafsen, wo man zu Fufs gehen oder sich ein Fahrzeug beschaffen mufs, die Gefahr einer mifsbräuchlichen Benutzung sehr steigern. Es bleibt deshalb nur die Anwendung des Gebührenprinzips möglich, wenn man den Zeitpunkt für gekommen erachtet, den privatwirtschaftlichen Verwaltungsgrundsatz ganzlich zu verlassen. Als Voraussetzung hierfür wird aufser dem Ausbau des Netzes vielfach die Tilgung des Anlagekapitals hingestellt. Wohl mit Unrecht, da auch beim Gebührenprinzip eine vollständige Verzinsung und der erforderliche Tilgungsanteil aufgebracht werden kann. Jedoch wird allerdings in den meisten Fällen mit dem Zeitpunkte des v o l l s t ä n d i g e n Uberganges zum Gebührenprinzip die Tilgung des Anlagekapitals ganz oder wenigstens zum grofsen Teil eingetreten sein. Dieser
24
Einleitung.
Zeitpunkt tritt besonders da scharf hervor, wo wie in Frankreich und Österreich-Ungarn die Eisenbahnkonzessionen nur auf eine gewisse Zeit (90 oder 99 Jahre) mit der Mafsgabe erteilt sind, dafs die Eisenbahnen ausschliefslich der beweglichen Gegenstände insbesondere des Fahrmaterials nach Ablauf dieser Zeit unentgeltlich an den Staat fallen. Mit Ablauf dieser Zeit mufs also das Anlagekapital der Immobilien getilgt sein, und der Staat wird dann in die L a g e versetzt werden, mit diesem Zeitpunkt das Gebührenprinzip ohne Verzinsung und Amortisation der Immobilien einzuführen. Bei den Staats-Eisenbahnen kann und mufs dieselbe Wirkung durch eine regelmäfsige Amortisation des Anlagekapitals erreicht werden. Die Staatsbahnen gewähren aber den grofsen Vorteil, d e n Ü b e r g a n g v o n d e m privat wirtschaftlichen zum G e b ü h r e n p r i n z i p schon f r ü h e r u n d a l l m ä h l i c h , wie oben erwähnt, eintreten lassen zu können, was für die stetige Entwickelung der Volkswirtschaft günstiger ist und die Möglichkeit grofser Erschütterungen und Umwälzungen ausschliefst, welche bei einem plötzlichen Ubergang von dem privatwirtschaftlichen zu einem Gebührenprinzip ohne Verzinsung und Amortisation des Anlagekapitals fast unvermeidlich sind. § 10.
Die verschiedenen Grundlagen
der
Tarifgestaltung.
Für die Gestaltung des Tarifwesens sind die Ergebnisse der in den vorstehenden Paragraphen enthaltenen Untersuchungen von höchster Wichtigkeit. Die Frage, ob die Eisenbahnen der Privatwirtschaft oder der Gemeinwirtschaft angehören und nach welchen der drei vorerwähnten Verwaltungsgrundsätze sie verwaltet werden, ist auch für die Art der Bildung und für die Höhe der Tarife von einschneidendster Bedeutung. W e n n , bezw. solange eine Eisenbahn der Privatwirtschaft angehört, also Privateisenbahn ist, kann und wird sie nur n a c h d e m privatwirtschaftlichen oder Erwerbsgrundsatz verw a l t e t werden und auch diesen zur alleinigen Grundl a g e i h r e r T a r i f g e s t a l t u n g m a c h e n , gemeinwirtschaftliche und allgemeine Interessen dabei aber nur soweit berücksichtigen, "als diese mit ihren Erwerbsinteressen zusammenfallen, bezw. sie durch Gesetz oder Konzessionen dazu gezwungen ist. Gehört sie aber der Gemeinwirtschaft an, ist sie Staatsbahn, so hat die Eisenbahn selbstverständlich i n e r s t e r L i n i e d i e I n t e r e s s e n d e r G e m e i n w i r t s c h a f t b e i d e r T a r i f g e s t a l t u n g w a h r z u n e h m e n , die Erwerbsinteressen aber nur insoweit, als dies den gemeinwirtschaftlichen Interessen entspricht, oder nicht damit in Widerstreit gerät. Es ist also klar, dafs die Tarifgestaltung eine verschiedene werden
2
Einleitung.
5
m u f s , je nachdem die Eisenbahnen Privateisenbahnen oder Staatseisenbahnen sind. Im ersteren Falle wird ihr Haupt- und fast einziger Zweck der sein, e i n e n m ö g l i c h s t h o h e n R e i n e r t r a g z u e r z i e l e n , im letzteren Falle k a n n dieser Zweck auch vorhanden sein, wenn eben die gemeinwirtschaftlichen Interessen dies wünschenswert •erscheinen lassen, wie meist in der ersten Periode des Eisenbahnwesens ; aber er wird nicht ausschliefslich mafsgebend sein, es werden in der Regel daneben auch schon die allgemeinen und gemeinwirtschaftlichen Interessen eine gewisse Berücksichtigung finden, und nach der ersten Periode wird in der Regel das Streben nach dem höchsten Reinertrag mehr und mehr zurücktreten gegenüber d e r A u f g a b e der E i s e n b a h n e n , die I n t e r e s s e n des L a n d e s u n d der V o l k s w i r t s c h a f t zu f ö r d e r n . Diese Verschiedenheit in den Zielen und Verwaltungsgrundsätzen mufs aber nicht nur auf d i e H ö h e d e r T a r i f s ä t z e , sondern auch auf die E i n r i c h t u n g d e s T a r i f s , d i e W a h l d e s T a r i f s y s t e m s etc. von entscheidendem Einflufs sein. Was bei der Verwaltung einer Privateisenbahn eine gute und richtige Mafsregel ist, kann bei der Verwaltung einer Staatseisenbahn als verkehrt und schädlich erscheinen und umgekehrt, weil die Zwecke und Ziele der Tarifgestaltung in beiden Fällen oft vollständig auseinander gehen. Mit Unrecht hat man deshalb häufig den Privatbahnverwaltungen und ihren Direktoren Vorwürfe gemacht, weil sie in ihrer Verwaltung und Tarifgestaltung die allgemeinen Interessen zurücksetzten gegenüber dem Erwerbsinteresse ihrer Gesellschaften. S i e m u f s t e n s o h a n d e l n u n d es w ä r e g e g e n i h r e d e r E i s e n b a h n a k t i e n g e s e l l s c h a f t gegenüber übernommenen Pflichten gewesen, anders z u h a n d e l n . Es ist deshalb auch ein v e r g e b l i c h e s B e m ü h e n , Privatbahnen durch gesetzliche und Verwaltungsvorschriften dazu bringen zu wollen, dafs sie ihrer Natur entgegen in ihrer Tarifgestaltung und Verkehrspolitik die allgemeinen Interessen v o r ihren Erwerbsinteressen berücksichtigen. Vergl.
auch
Schäffle,
das
gesellschaftliche
System
der
menschlichen
Wirtschaft Bd. I I S. 271 (dritte Auflage).
Dies kann vielmehr nur dadurch erreicht werden, dafs man die Eisenbahnen in die Hände der Gemeinwirtschaft bringt. kann mit Erfolg d i e p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e der Privatbahnen liche
ersetzt werden
durch eine
Erst dann
Tarifgestaltung
gemeinwirtschaft-
Tarifgestaltung.
Bei dieser grundsätzlichen Verschiedenheit
der
lichen und gemeinwirtschaftlichen Tarifgestaltung
privatwirtschaft-
ist es
aber zum
26
Einleitung.
Verständnis des Tarifwesens durchaus nötig, beide Arten der Tarifgestaltung gesondert zu betrachten, weil nur durch Ausgehen von diesen allgemeinen Grundlagen und Gesichtspunkten die zum Teil sehr verwickelten und schwierigen einzelnen Erscheinungen des Tarifwesens richtig verstanden und wissenschaftlich erfafst werden können. Erst wenn die verschiedenen Grundlagen des Tarifwesens nach ihren beiden Richtungen hin, der privatwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen , theoretisch festgestellt sind, wird es möglich sein, die wechselnden Einzelnheiten und die geschichtliche Entwickelung des Tarifwesens in den verschiedenen Ländern zu verstehen und zu beurteilen. Die Kenntnis der p r a k t i s c h e n A n w e n d u n g u n d F e s t s e t z u n g d e r T a r i f e endlich kann nur durch die Praxis und Erfahrung gegeben werden, weil sie eng zusammenhängt m i t d e r K e n n t n i s d e r ö r t l i c h e n V e r k e h r s v e r h ä l t n i s s e u n d Bed ü r f n i s s e , auf deren zweckmäfsige Befriedigung und Benutzung sie gerichtet ist. Sie kann deshalb nicht Gegenstand dieser Darstellung sein. Hiernach wird sich die naturgemafse Gliederung dieses Werkes dahin ergeben, dafs im e r s t e n a l l g e m e i n e n T e i l g e w i s s e r m a f s e n d i e T h e o r i e d e s T a r i f w e s e n s behandelt wird, wie sie sich auf Grund der privatwirtschaftlichen und gemein wirtschaftlichen Eisenbahnverwaltung verschieden ausbildet, im zweiten besonderen Teil e i n e D a r s t e l l u n g d e r g e s c h i c h t l i c h e n E n t w i c k e l u n g u n d d e s j e t z i g e n Z u s t a n d e s d e s T a r i f w e s e n s in Deutschland und den Hauptkulturstaaten Europas gegeben wird. Der Verfasser verkennt in keiner Weise die Schwierigkeiten, welche sich einer derartigen Trennung in einen allgemeinen theoretischen und besonderen praktischen Teil entgegenstellen. Er weifs insbesondere wohl, dafs das Tarifwesen in den verschiedenen Kulturstaaten sich verschieden entwickelt und gestaltet hat und dafs es sehr schwer sein wird, aus diesen verschiedenartigen Tarifgestaltungen eine gemeinsame theoretische Grundlage zu konstruieren; er weifs ferner, dafs er der Gefahr nicht entgehen kann, beim Aufbau dieser theoretischen Grundlage vorzugsweise und mehr vielleicht als richtig ist das deutsche Tarifwesen zu gründe legen, weil ihm dies am bekanntesten und geläufigsten ist; aber durchschlagend gegen alle Bedenken war doch für ihn die Uberzeugung, dafs ohne eine solche theoretische, aus der Vergleichung der verschiedenen nationalen Tarifgestaltungen gewonnene Grundlage das Verständnis und die Würdigung der bestehenden Tarifgestaltungen stets mangelhaft und die Darstellung derselben unwissenschaftlich bleiben müfste.
A L L G E M E I N E R TEIL. ERSTER
ABSCHNITT.
T e c h n i s c h e Vorbegriffe. § ii.
Begriff und Einrichtung der Eisenbahntarife.
Die Feststellung des Preises der Transportleistungen erfolgt bei den Eisenbahnen, wie bei den meisten grofsen Verkehrsanstalten in der Regel nicht in jedem einzelnen Falle nach besonderem Übereinkommen der Bahn und der Frachtgeber, sondern nach T a x e n , welche in sog. T a r i f e n zusammengestellt werden. Unter E i s e n b a h n t a r i f versteht man also ein V e r z e i c h n i s d e r T a x e n o d e r P r e i s e d e r T r a n s p o r t l e i s t u n g e n d e r E i s e n b a h n , unter T a r i f s a t z den Preis für eine bestimmte einzelne Transportleistung; man spricht von einem P e r s o n e n - und G ü t e r t a r i f , je nachdem das Preisverzeichnis sich auf den Personen- oder Gütertransport bezieht. Aufserdem hat man in der Regel noch besondere T a r i f e f ü r L e i c h e n , F a h r z e u g e u n d V i e h . Die eigentümliche Natur des Eisenbahntransports, welcher eine grofse Menge von Einzeltransporten in regelmäfsigen Transportgelegenheiten (Eisenbahnzug) zusammenfafst, und die Massenhaftigkeit des Eisenbahnverkehrs an sich bedingt diese Art der Preisfeststellung durch Tarife, sowie den Abschlufs des Frachtvertrags nach Tarifvorschriften und Reglements. Denn es wäre einfach unmöglich, wie im gewöhnlichen Verkehr, für jede einzelne Leistung einen Frachtvertrag besonders zu vereinbaren. Aufserdem aber sprechen hierfür noch andere Gründe, welche in der Natur der Eisenbahnen als eines ö f f e n t l i c h e n V e r k e h r s m i t t e l s begründet sind.
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Allgemeiner Teil.
Ein Tarif zerfällt in der Regel in mehrere K l a s s e n oder P r e i s a b t e i l u n g e n . In jeder dieser Klassen ist ein besonderer E i n h e i t s s a t z für eine bestimmte Transportlänge und bestimmte Transportmenge festgesetzt, auf Grund dessen die Taxen für sämtliche in der Praxis vorkommenden Transportlängen und Transportmengen berechnet werden. Die Grundsätze, nach welchen diese Preisabteilungen gebildet und die Bedingungen für die Anwendung des Tarifs festgesetzt werden, bezeichnet man mit T a r i f s y s t e m , die Bedingungen selbst für die Anwendung des Tarifs werden T a r i f v o r s c h r i f t e n , die gesamte äufsere Anordnung des Tarifs und dessen Einteilung in Klassen T a r i f s c h e m a genannt. In denjenigen Gütertarifen, wo die Einteilung des Tarifs in verschiedene Abteilungen oder Klassen a u f d e r V e r s c h i e d e n h e i t d e r t r a n s p o r t i e r t e n W a r e n beruht, findet sich ein Verzeichnis dieser Waren nebst Angabe, zu welcher Klasse sie gehören, die sog. W a r e n - oder G ü t e r k l a s s i f i k a t i o n . Endlich finden sich im Tarif noch häufig abgedruckt das B e t r i e b s - R e g l e m e n t , sowie dieses ergänzende z u s ä t z l i c h e B e s t i m m u n g e n der einzelnen Eisenbahnen. Je nach der Einrichtung der Eisenbahntarife unterscheidet man ferner S t a t i o n s t a r i f e und E n t f e r n u n g s - oder K i l o m e t e r t a r i fe. Sofern das Entfemungsmafs das Kilometer ist; sonst kann man ebensogut Meilentarife, Wersttarife etc. sagen.
In Stationstarifen finden sich für jede im Tarif aufgenommene Station die Tarifsätze nach jeder andern im Tarif enthaltenen Station a u s g e r e c h n e t , in den Personentarifen für eine Person, in den Gütertarifen für eine bestimmte Transporteinheit, gewöhnlich für ioo oder iooo Kilogramm. Während also im Personentarif sich der Tarifsatz fertig findet, hat man im Güterverkehr die wirkliche Transportmenge mit dem in dem Tarif enthaltenen Tarifsatz zu multiplizieren und durch die Einheits-Transportmenge ( i o o oder iooo Kilogramm) zu dividieren, um den Frachtsatz zu erhalten. Im Entfernungstarif finden sich dagegen zwei Tabellen, die eine enthält die (Kilometer-)Entfernung jeder in den Tarif aufgenommenen Station von jeder andern Station, die andere ausgerechnete Tarifsätze für die Person oder für eine bestimmte Transporteinheit auf alle vorkommenden Entfernungen. Um den Frachtsatz für eine Person oder eine bestimmte Menge Güter zwischen zwei Stationen zu finden, sucht man zunächst in der ersten Tabelle die (Kilometer-)Entfernung der beiden
29
Technische Vorbegriffe.
Stationen, dann in der zweiten den hierfür ausgerechneten Tarifsatz. Zur Ermittelung der Güterfracht mufs man dann noch, wie bei den Stationstarifen, die Transportmenge mit dem Tarifsatz multiplizieren und durch die dem Tarifsatz zu Grunde gelegte Transporteinheit dividieren. Ist die F i n d u n g des Transportpreises bei den Kilometertarifen auch etwas mühevoller, so haben dieselben doch den grofsen Vorzug, dafs ihre A u f s t e l l u n g weit weniger Arbeit verursacht und dafs sie einen viel geringeren Umfang haben als die Stationstarife. Infolge dessen kann eine weit gröfsere Zahl von Stationen in einen Kilometertarif aufgenommen werden, als in einen Stationstarif von gleichem äufseren Umfang, und „empfehlen sich die ersteren Tarife überall d a , wo eine grofse Zahl von Stationen in einen Tarif aufzunehmen ist. Eine notwendige Voraussetzung derselben ist aber, dafs der Tarif auf Grund g l e i c h e r E i n h e i t s s ä t z e aufgestellt wird, d. h. dafs für sämtliche in den Tarif aufgenommene Eisenbahnlinien derselbe Einheitssatz für dieselbe Tarifklasse gerechnet wird. Die
Anteile
der
verschiedenen
können dabei verschieden
sein.
Bahnen
an
dem
Frachtaufkommen
Man kann z. B . gemeinschaftliche
Durch-
schnitts-Einheitssätze für die TarifberechnuDg b i l d e n , bei der Verteilung des Frachtaufkommens aber der einen B a h n höhere Anteile zuscheiden,
als der
andern.
Andernfalls, wenn verschieden hohe Einheitssätze für die beteiligten Eisenbahnlinien eingerechnet sind, ist die Aufstellung eines Kilometertarifs nicht angängig, weil dann für die gleiche Entfernung die Tarifsätze verschieden hoch sich stellen, je nachdem die einzelnen Eisenbahnlinien an der betreffenden Entfernung mit einer gröfseren oder geringeren Länge beteiligt sind. Wenn aüs irgend welchen Gründen z. B. wegen Konkurrenzaufnahme in einzelnen Verkehrsbeziehungen nicht regelmäfsig gerechnet werden kann, so geschieht dies beim Kilometertarif entweder durch Einstellung geringerer Entfernungen (der des Konkurrenzwegs), oder aber es werden für die betreffenden Verkehrsbeziehungen Stationstarife aufgestellt. § 12. Nebengebühren. Unter N e b e n g e b ü h r e n versteht man Gebühren für besondere Leistungen der Eisenbahn, welche nur bei gewissen Transporten, nicht allgemein vorkommen. V g l . S a x , Verkehrsmittel B d . I I
S. 464.
der Selbstkosten in deren durchschnittlichem sagt,
erscheint mir nicht begründet
sächlichen Verhältnissen.
Dafs
dieselben nur D e c k u n g
Betrage erheischen,
wie S a x
und widerspricht jedenfalls den
that-
Allgemeiner Teil.
3°
Zu den Nebengebühren gehören insbesondere die W i e g e g e b ü h r für das Verwiegen der Wagenladungen auf der Centesimalwage, die Z ä h 1 g e b ü h r für das Zählen der Stückzahl aufgegebener Wagenladungsgüter, die D e c k e n m i e t e für die Vermietung von Wagendecken, die P r o v i s i o n , welche bei Nachnahmen, und die P r ä m i e n , welche bei Versicherung des Werts oder der Lieferzeit erhoben werden, ferner K o n v e n t i o n a l s t r a f e n mannigfacher Art namentlich für falsche Deklaration der Güter oder falsche Gewichtsangabe und übermäfsige Belastung der Eisenbahnwagen, das L a g e r - und S t a n d g e l d für das Lagern der Güter auf dem Güterboden bezw. das Stehen der Wagenladungen auf den Abfuhrgeleisen über die reglementsmäfsige Frist hinaus, die D e s i n f e k t i o n s g e b ü h r e n für Desinfektion der Viehwagen, endlich die verschiedenen Z o l l g e b ü h r e n für die Besorgung der Verzollung bei zollpflichtigen Gütern. Man kann auch hierher rechnen die sogenannten A n s c h l u f s g e b ü h r e n , auch Überführungsgebühren, Rangiergebühren, Lokofracht genannt, d. h. Gebühren für das Abholen und Zustellen der Wagenladungen von und nach sogen. A n s c h l u f s g e l e i s e n (Schleppbahnen, Industriebahnen), Lagerplätzen etc. Vielfach wird auch die E x p e d i t i o n s g e b ü h r als Nebengebühr betrachtet, wogegen allerdings der Umstand spricht, dafs dieselbe häufig z . B . in Deutschland n i c h t b e s o n d e r s erhoben, sondern in die Tarifsätze eingerechnet wird. Sie ist dann ein Bestandteil des Frachtsatzes und ihre Ausscheidung hat schliefslich nur den Zweck, einen den Mehrleistungen entsprechenden Frachtanteil für die Versand- und Empfangsbahn vorauszuscheiden. Vgl. Sax a. a. O.
Indes wird dieselbe auch b e s o n d e r s erhoben und ausdrücklich unter den Nebengebühren im Tarif aufgeführt, z. B. in Frankreich, Die Expeditionsgebühr, welche in der Regel nur beim Güterverkehr vorkommt, wird in Österreich-Ungarn M a n i p u l a t i o n s g e b ü h r oder f e s t e G e b ü h r genannt, in Frankreich m a n u t e n t i o n , in England t e r m i n a l . Sie wird für die A b f e r t i g u n g d e r G ü t e r und die sogenannten S t a t i o n s k o s t e n d. h. die Annahme, das Verwiegen, Verladen und Abladen der Güter, soweit dies überhaupt seitens der Eisenbahnverwaltung erfolgt, die Ausfertigung der Begleitpapiere, das Bereitstellen und Rangieren der Wagen und sonstige Mühewaltungen erhoben, welche durch die Vorbereitung zum eigentlichen Bahntransport auf der Abgangs- und durch die Bereitstellung der Güter auf der Empfangsstation entstehen, ferner für die Kosten
Technische Vorbegriffe.
der zu diesen Zwecken notwendigen Anlagen, Auf- und Abladegeleise etc.
31 wie
Güterschuppen,
V g l . S c h o l z : Die preufsischen Eisenbahnen in Rücksicht auf das T a r i f wesen S. 3 0 — 3 3 .
Bisweilen ist in der Expeditionsgebühr auch die An- und Abfuhr der Güter zum Bahnhof einbegriffen, z. B. in England und Frankreich bei gewissen Gütertransporten, während anderwärts eine besondere Gebühr dafür erhoben wird. Die Expeditionsgebühr ist in der Regel verschieden nach den verschiedenen Klassen des Tarifs. Sofern dieselbe in die Tarifsätze mit eingerechnet wird, setzt sich für den Güterverkehr infolge dessen der Tarifsatz regelmäfsig zusammen aus der f e s t e n E x p e d i t i o n s g e b ü h r z u z ü g l i c h der mit der E n t f e r n u n g w a c h s e n d e n Transportgebühr. Beim Personenverkehr dagegen wird in der Regel nur eine Transportgebühr erhoben, welche aus der Multiplikation des Einheitssatzes der betreffenden Wagenklasse mit der Entfernung des Bestimmungsortes sich ergiebt. § 13.
Direkte Frachtbriefe, direkte Expedition, direkte Kartierung und Abrechnung, Lokal- und direkte Tarife. Im Anfang des Eisenbahnwesens beschränkten sich die einzelnen Bahnen, welche gebaut wurden, naturgemäfs darauf, Tarife für ihre eigenen Linien aufzustellen, und wenn Transporte über diese hinausgingen, blieb es Sache der Versender bezw. der Spedition, für den Weitertransport zu sorgen. Die Wagen der einzelnen Bahnen liefen nur bis an das Ende des Bahngebiets, die Güter mufsten dort umgeladen und der anschliefsenden Bahn mit neuen Frachtbriefen übergeben werden; die Personen mufsten neue Billets auf der andern Bahn lösen und ihr Gepäck von neuem expedieren lassen. So haben nicht nur in Deutschland
und Österreich - U n g a r n ,
sondern
auch in andern Ländern im Beginn des Eisenbahnwesens die Bahnen verfahren.
V g l . über E n g l a n d C o h n ,
Englische Eisenbahnpolitik B d . I S. 261.
Dies veranlafste natürlich K o s t e n , Zeitverlust und oft Beschädigung und Entwertung der Güter. Deshalb vereinigte man sich bald, als das Eisenbahnnetz sich verdichtete und der Verkehr zwischen den einzelnen Bahnen sich vermehrte, zu Mafsregeln, um diese Nachteile zu beseitigen. Diese Mafsregeln bestanden in der Einführung direkter Frachtbriefe, direkten Wagendurchgangs, direkter Tarife, direkter Expedition, direkter Kart i e r u n g und A b r e c h n u n g . Zunächst führte man d i r e k t e F r a c h t b r i e f e ein, d . h . man liefs die Güter mit e i n e m Fracht-
Allgemeiner Teil.
briefe über die gesamte Transportstrecke durchlaufen, ohne dafs es einer Vermittelung durch eine Zwischenadresse bezw. der Aufgabe mit neuen Frachtbriefen an den Übergangsstationen der verschiedenen Bahnen bedurfte. Ebenso wurde die Umladung der Güter wenigstens für volle Wagenladungen bald durch Vereinbarungen über den D u r c h g a n g d e r W a g e n auf fremde Strecken beseitigt. Aber immerhin blieb noch insofern eine Unbequemlichkeit, als auf jeder Übergangsstation eine U m e x p e d i t i o n stattfinden mufste, d. h. eine neue Expedition des Gutes nach den Tarifen und Vorschriften der anschliefsenden Bahn. Bei der Ubergabe des Gutes auf die Nachbarbahn berechnete die übergebende Bahn die auf dem Gute lastenden Frachten und sonstigen Gebühren und zog sie direkt vom Absender oder als Nachnahme ein. Damit war das Transportgeschäft für sie erledigt. Diese Umexpedition und besondere Berechnung und Einziehung der Fracht für jede Bahn verursachten natürlich Kosten und hemmten ebenfalls die Schnelligkeit der Beförderung. Zur Beseitigung dieser Übelstände vereinbarten die Eisenbahnen d i r e k t e T a r i f e , d. h. Tarife, in welchen die Gesamtfrachten zwischen den Stationen zweier oder mehrerer Bahnen enthalten sind. Es kann dann die Umexpedition auf den Übergangsstationen wegfallen, die Versandstation kann auf Grund des direkten Satzes bis zur Bestimmungsstation d i r e k t e x p e d i e r e n . Im Gegensatz zu den direkten Tarifen und dem auf Grund derselben sich vollziehenden d i r e k t e n V e r k e h r nennt man die Tarife, welche lediglich die eigenen Stationen einer Eisenbahnverwaltung umfassen, B i n n e n oder L o k a l t a r i f e , den auf Grund derselben abgefertigten Verkehr B i n n e n - oder L o k a l v e r k e h r . Durch die direkten Frachtbriefe, den direkten Wagendurchgang, durch die direkte Expedition und die direkten Tarife, aus welchen der Versender die Fracht für die gesamte Transportstrecke entnehmen konnte, waren für das verkehrtreibende Publikum die wünschenswerten Erleichterungen des Verkehrs erreicht. Zur leichteren Abwickelung ihres geschäftlichen Verkehrs untereinander führten die Eisenbahnverwaltungen aufserdem noch die d i r e k t e K a r t i e r u n g und A b r e c h n u n g ein. Die direkte Kartierung besteht darin, dafs die Frachten und Gebühren der am Transport beteiligten Bahnen nicht an den Übergangsstationen abgerechnet, sondern von der Versandstation in einer dem Gute beigefügten Frachtkarte für die ganze Kartierungsstrecke notiert und von der Bestimmungsstation bei Ablieferung des Gutes erhoben werden, bezw. bei Frankierung von der Ver-
Technische Vorbegriffe.
33
sandstation. Dies setzt natürlich voraus, dafs der Versandstation die Frachten der beteiligten Bahnen bekannt sind. Sind die Frachtsätze nicht für die ganze Transportstrecke bekannt, so kartiert die Versandstation nur bis zu der Station, bis wohin sie dieselben kennt, und dort findet eine Umkartierung, d. h. neue Kartierung statt. Die d i r e k t e A b r e c h n u n g der erhobenen Beträge unter den einzelnen Bahnen erfolgt auf Grund der Frachtkarten entweder gemäfs den in die direkten Tarife eingerechneten F r a c h t a n t e i l e n der beteiligten Bahnen, welche in den sogen. A n t e i l s t a b e l l e n für alle in dem direkten Tarif vorkommenden Verkehrsbeziehungen besonders ausgerechnet und verzeichnet werden, oder es werden die erhobenen Beträge •— im Güterverkehr nach Vorabzug dër Expeditionsgebühren für Empfangs- und Versandbahn — nach den auf jeder Bahn transportierten Mengen und den durchlaufenen Entfernungen (Tonnenkilometern) unter die beteiligten Bahnen verteilt. Die direkten Tarife werden in der Regel nach einem vereinbarten Tarifsystem einheitlich wie der Tarif e i n e r Verwaltung aufgestellt. Meist bestimmt jede Eisenbahn die Höhe der von ihr einzurechnenden Einheitssätze bezw. Gesamtanteile selbständig. Bisweilen aber werden g l e i c h e E i n h e i t s s ä t z e für alle am direkten Tarif beteiligten Bahnen vereinbart. Sehr häufig findet ferner bei den direkten Tarifen eine E r m ä f s i g u n g gegenüber den lokalen Frachtsätzen der beteiligten Bahnen statt, sei es, dafs ermäfsigte Einheitssätze oder Anteile eingerechnet werden, sei es dadurch, dafs bei den Gütertarifen die Expeditionsgebühr nur für Versand- und Empfangsbahn eingerechnet, also für die Zwischenbahnen fallen gelassen wird. Der Wegfall der Expeditionsgebühr für die Zwischenbahnen
ist insbe-
sondere Regel in Deutschland, während z. B. in Österreich umgekehrt nicht nur für die Zwischenbahnen
die Manipulationsgebühr
sondern bisweilen sogar für jede einzelne Linie
eingerechnet wird,
derselben Eisenbahn.
—
Vergl. Österreichische Tarifenquête 1882/83 Teil I S . 104. 147 und 188.
Es gewähren also die direkten Tarife in der Regel auch eine Ermäfsigung gegen die Umexpedition nach den Lokaltarifen. Für den Personen- und Gepäckverkehr bringen solche direkten Tarife aufserdem die Annehmlichkeit für die Reisenden mit sich, dafs man nur e i n d i r e k t e s B i l l e t von der Anfangs- bis zur Endstation der Reise lösen und das Gepäck gleicherweise für die ganze Transportstrecke durchexpedieren kann. Eine unvollkommnere Art der direkten Tarife sind die sogenannten U m - oder R é e x p é d i t i o n s - T a r i f e d. h. eine ZuUlrich , Eisenbahntarifwesen.