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German Pages 600 Year 1991
MARIAN PASCHKE
Das Dauerschuldverhältnis der Wohnraummiete
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 135
Das Dauerschuldverhältnis der Wohnraummiete Grundfragen der privatautonomen Gestaltung des Wohnraummietverhältnisses
Von
Dr. Marian Paschke Professor an der Universität Beideiberg
Duncker & Humblot · Berlin
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Paschke, Marian:
Das Dauerschuldverhältnis der Wohnraummiete: Grundfragen der privatautonomen Gestaltung des Wohnraummietverhältnisses I von Marian Paschke.- Berlin: Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 135) Zugl.: Kiel, Univ., HabiL-Sehr., 1989 ISBN 3-428-07056-9 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-07056-9
Vorwort Die Bedeutung des Wohnraummietverhältnisses ist angesichts der nach wie vor bestehenden Angewiesenheil eines großen Teils der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland auf Mietwohnraum nicht hoch genug einzuschätzen. Die Intensität der rechtswissenschaftliehen Behandlung der Thematik ist dieser tatsächlichen Bedeutung in der Vergangenheit erst ansatzweise gerecht geworden. Ohne den Wert der vorliegenden verdienstvollen Arbeiten schmälern zu wollen, kann man noch immer feststellen, daß das geltende Wohnraummietrecht nach verbreiteter Anschauung als Kind des einstigen "Wohnungsnotrechts" gilt und sein Platz im Gefüge der Rechtsordnung ebensowenig feststeht wie ein Grundkonsens über Wertungsgrundlagen und Regelungsstrukturen gefunden ist. Für den Verfasser war dieser Ausgangspunkt der Anreiz für eine Beschäftigung mit den Grundfragen des Wohnraummietverhältnisses, die sich im Zusammenhang mit den Gestaltungsaufgaben und -möglichkeiten des Privatrechts ergeben. Die Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian AlbrechtsUniversität zu Kiel im Sommersemester 1989 als Habilitationsschrift vorgelegen. Sie ist von meinem hochverehrten Lehrer Franz Jürgen Säcker angeregt und betreut worden, und ich möchte die Gelegenheit gerne aufgreifen, um ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für die vielfaltige wissenschaftliche und persönliche Förderung auszusprechen, die ich von ihm stets erfahren habe. Mein herzlicher Dank gilt gleichfalls Jürgen Sonnenschein und Werner Schubert für ihre wertvollen Anregungen. Die Drucklegung der Arbeit ist durch Zuschüsse der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Otto Ragge-Gedächtnisstiftung und - vermittelt durch die Schleswig-Holsteinische Universitätsgesellschaft - der Landeszentralbank Schleswig-Holstein gefördert worden; auch dafür möchte ich mich herzlich bedanken. Kiel/Heidelberg, im September 1990
Marian Paschke
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Erster Teil
Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung des Wohnraummietverhältnisses 1. Kapitel: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung .. . . . ... . . . .... .. . . . . .. . . ..
37
2. Kapitel: Wohnraummietrecht und Wirtschaftsverfassung . ... . . . . . .. . . ... . .. ....
175
3. Kapitel: Wohnraummietrecht und Verfassungsordnung
221
Zweiter Teil
Strukturelemente der Wohnraummietrechtsordnung 1. Kapitel: Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
2. Kapitel: Äquivalenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 3. Kapitel: Mobilitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 4. Kapitel: Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Dritter Teil
Regelungsinstrumente des Wohnraummietrechts 1. Kapitel: Das rechtsgeschäftliche Konsensprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 2. Kapitel: Wohnraummietrechtliches Gesetzesrecht .. . . .. .. ... ...... .. . . ... . . . ....
455
3. Kapitel: Kollektives Mietrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 4. Kapitel: Staatliche Transferleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532
Ergebnisse in Thesen
551
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . .
19
A. Problem- und Aufgabenstellung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
19
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Der Rechtsbegriff des Wohnraummietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
li. Privates und öffentliches Wohnraummietrecht .. .. .. .. .. .. . .... .. .. .. .. .. .
32
Erster Teil
Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung des Wohnraummietverhältnisses 1. Kapitel
Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie als Ordnungsaufgabe des Vertragsrechts .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . ..
37
I. Privatautonomie als Grundlage der Rechtsgestaltung im Privatrecht . . . .
37
II. Vertragsfreiheit als Mittel privatautonomer Rechtsgestaltung . . . . . . . . . . .
41
l. Die Konzeption des klassischen Modells von Vertragsfreiheit .. .. .. .
41
2. Funktionsvoraussetzungen und Konzeptionsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
III. Entwicklungstendenzen im Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
l. Vertragsparität als Schlüsselproblem .. .. .. .. .. .. .... .. .. .... .. .. .... .. .
47
2. Institutionelle Schranken der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
3. Funktionalisierung des Vertragsrechts .. .. .. .. .. .... .. .. .... .. .. .... .. .
59
4. Arbeitsrechtliches Kollektivvertragsrecht als Paradigma gegengewichtiger Verhandlungsmacht .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ...
62
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit als Ordnungsaufgabe des Wohnraummietrechts . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. .. . .. . . . .. . . . . .. .
64
I. Der Wohnraummietvertrag als Schuldverhältnis .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
65
l. Vermögensrechtliche Grundstrukturen . . .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .
65
a) Das Wohnraummietsverhältnis als Austauschschuldverhältnis . . .
65
b) Wahnraummiete und Geschäftsbesorgungsfunktionen . . . . . . . . . . . .
67
c) Die Verdinglichung der Wohnraummiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
Inhaltsverzeichnis
9
2. Personale Elemente im Wohnraummietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
a) Individual- und Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als phänomenologischer Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
b) Das Regelungs- und Sozialmodell des Wohnraummietrechts . . . . .
79
aa) Gesetzliche Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
bb) Konzeptionsdefizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
c) Partnerschaft als legislatorisches Postulat des Wohnraummietrechts
88
aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
bb) Problemstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
3. Partnerschaft als Rechtsbegriff des Wohnraummietrechts . . . . . . . . . . . .
94
a) Partnerschaft zwischen den Parteien des Wohnraummietvertrages . .
95
aa) Der Wohnraummietvertrag in der dogmatischen Diskussion zwischen Austausch-, Gemeinschafts- und Partnerschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
bb) Parallelentwicklungen im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100
cc) Kritik des Verständnisses der Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter als Gemeinschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . .
102
dd) Partnerschaft als rechtspolitischer Leitbegriff für die Ordnung der Rechtsbeziehungen zwischen den Mietvertragsparteien
106
b) Partnerschaft als Grundbegriff der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
aa) Die rechtliche Ordnung von Sozialbeziehungen als Herausforderung der Privatrechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
108
bb) Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als partnerschaftliches Gemeinschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115
(aaa) Partnerschaft und (Haus-)Gemeinschaftsideo1ogie . . . .
115
(bbb) Die gemeinschaftsrechtliche Verfassung der partners~.hat:tlichen Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117
(i) Gemeinschaftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
(ii) Gemeinsamer Rechtskreis .. .... .. .... .. .. . .... .. ..
122
(iii) Gemeinsamer Zweck .. . .. .. .. .. .. .... .. .. .. . .. .. ..
125
cc) Grundsätze der gemeinschaftsrechtlichen Sozialbeziehungen .
128
(aaa) Rücksichtnahmepflichten .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
128
(bbb) Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .
130
(ccc) Haftungsgrundsätze .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
132
II. Der Wohnraummietvertrag als Dauerschuldverhältnis . .. .. .. . .. . .. .. .. ..
134
1. Begriffsdefinitorische Vorfragen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. . .. .. ..
134
2. Die zeitliche Bindung im Dauerschuldverhältnis als rechtsdogmatisches Problem . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . .
136
Inhaltsverzeichnis
10 3.
~ert~ngsgrundlagen der rechtlichen Ordnung von Dauerschuldverhältmssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
a) Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung und Vertragsbeendigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragstreue und Bestandsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsgerechtigkeit und Äquivalenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 144 146
III. Vertragliches Austauschschuldverhältnis und wohnraummietrechtliches Schutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wohnraummietrecht als Kompensationsinstrument funktionsgestörter Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsfreiheit und Wohnraummangel . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . b) Kompensation individuellen Verhandlungsungleichgewichts . . . . . c) Schutz vor Belastungen durch Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wohnraummietrecht als sozialstaatliche Privilegierung des Vertragsinteresses Wohnen zur Miete ...... .. .. .. .. .. .. .. .... .. .. .... ... .... .. .. 3. Wohnraummietrecht als institutionelle Gewährleistung des Wohnraummietvertraglichen Austauschgefüges .. .. .. .. .... . .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. a) Die strukturelle Verschiedenheit der Austauschinteressen als Ordnungsproblem . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . b) Mieterschutz und wohnraummietvertragliches Austauschgefüge . c) Daseinsfürsorgliche Verantwortlichkeit des Vermieters . . . . . . . . . . .
149 149 149 152 156 159 162 162 169 172
2. Kapitel Wohnraummietrecht und Wirtschaftsverfassung A. Die Wohnraummietrechtsordnung als Element der Wirtschaftsverfassung
175
B. Der Rechtsbegriff der Wirtschaftsverfassung . . .. . . . .. . . . . . . . . .. .. . . .. .. . . . . . . .
179
I. Die Wirtschaftsverfassung als Gegenstand der Rechtsdogmatik . . . . . . . . .
179
II. Das Wettbewerbssystem in der Wirtschaftsverfassung .. .. .... .. ...... . .. 1. Wettbewerb als rechtsnormatives Steuerungskonzept .. .... .. ... .. .... 2. Sektorale und funktionelle Grenzen des Wettbewerbssystems . ... . . . 3. Normativer Geltungsanspruch des Wettbewerbssystems .... .. ........
184 184 188 191
C. Wettbewerbssystem und Privatrechtsordnung .. . .. . .. . . . . . . . . .. ........ . .. . .. ..
194
D. Die Verfassung des Mietwohnraummarktes .... .... . ... .. . .. ... .. .. ...... .. .. ..
197
I. Methodische Grundlagen . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. ..
197
II. Das Wettbewerbsmodell des Mietwohnraummarktes .. . .. .... . .. .. .... . .. 1. Markttheoretische Grundlagen .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
199 199
2. Wettbewerb als Koordinationsinstrument des Wohnraummarktes ... a) Die Angebotsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nachfrageseite ........................... .. ... ......... ......... 3. Die Funktionsweise des Mietwohnraummarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204 204 206 209
Inhaltsverzeichnis
11
m. Die Konzeption der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Die Gewährleistung einer herrschaftsfreien Sozialordnung . . . . . . . . . . . 211 2. Wohnraumversorgung in der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft . .. 214 3. Die Verteilung des Wohnraumbestandes .. . .. . .................... . ... 217
3. Kapitel
Wohnraummietrecht und Verfassungsordnung A. Der verfassungsrechtliche Schutz der Eigentümer-Nermieterrechte . . . . . . . . . . 221
B. Der verfassungsrechtliche Schutz der Mieterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Subjektive Privatrechte und verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 229
ill. Mieterrechte und Sozialbindung des Vermietereigentums . . . . . . .. .. . ....
234
C. Das Postulat angemessenen Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Der Schutz des Wohnraummieters als Ausgangspunkt .. . . . . . . . . . . . . . ....
236
II. Die Schutzbedürftigkeit des Wohnraumvermieters als Folgeerscheinung 239
m. Das eigentumsverfassungsrechtlich geprägte Rechtsverständnis der
Wohnraummietrechtsordnung . . . . . .. .. . . .. .. . . . . . . . . .. . . . . ... . . . . . . . . .. . . . . 240
D. Sozialstaatsprinzip und Wohnraummietrecht . . . . . . . . ..... .... .. . . . . . . .. . . . . ....
244
I. Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Das ,,Recht auf Wohnen" als sozialstaatsgemäßer Gesetzgebungsauftrag 246 1. Landesverfassungsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Internationale Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
Zweiter Teil
Strukturelemente der Wohnraummietrechtsordnung 1. Kapitel
Bestandsschutz A. Grundlagen des wohnraummietrechtlichen Bestandsschutzes
250
I. Bestandsschutz als Gegenstand privatautonomer Vereinbarungen . . . .. . . 250 II. Wertungskonflikte zwischen Bestandsschutz- und Selbstbestimmungsinteressen ................. . .. .. ........ ; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Willensmängel mietvertraglicher Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtung des Mietvertrages . . . .. . . . . . . . . . . . ... . . . . .. . . . . .. . .. . . . . b) Wohnraummietverträge auf fehlerhafter Rechtsgrundlage . . .. .. .. 2. Mängel des Mietobjekts .......... .. . . . . . .. . . .. . . . . ... . . . .. .. . . . . . . . ... .
253 253 253 257 261
12
Inhaltsverzeichnis 3. Die Konfliktlage bei Beendigung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . 262 a) Mietaufhebungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Vertragsbeendigung durch Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
264
B. Normative Leitlinien wohnraummietrechtlichen Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . 267 I. Kündigungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
1. Rechtsentwicklung seit Inkrafttreten des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Kündigungsschutzrechtlicher Bestandsschutz als Gegenstand der Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Bestandsschutz durch Kündigungsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Normative Strukturentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 aa) Die Unterscheidung zwischen Vermieter- und Mieterkündigung ...... . . .. . .... ............ .. . .. .. . ........... .... . .. . .. . . . 273 bb) Die Unterscheidung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 275 b) Bestandsschutz durch Statuierung von Rechtfertigungserfordernissen ... . ......... .. .. ...... .. .......... . .. . ... ......... . .... . .. ... .. . 278 aa) Die Rechtfertigung der Vermieterkündigung als Wirksamkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Die Beispielstatbestände des § 564 b Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . 282 cc) Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Bestandsschutz durch Gewährung eines Widerspruchsrechts . . . . . 294 aa) Funktion und Bedeutung der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Inhalt der Sozialklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 d) Bestandsschutz durch förmliche Kündigungsschutzregelungen . . . 301 aa) Kündigungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 bb) Präklusionsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Das Ahmahnungserfordernis . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 II. Sukzessionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 1. Sukzessionsschutz bei Veräußerung des Mietobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Bestandsschutz von Mietverhältnissen mit Nichteigentümern . . . . . . . . 312 a) Normative Ausgangslage .. . . ... . ..... .. . .... . ... .. . .. .. .. ... . .. . .. . . 312 b) Reichweite des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Befristungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 IV. Räumungs- und Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . 327 C. Bestandsschutz von Wohnraummietverhältnissen in der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Die Sicherung der Vertragsparität durch Bestandsschutzrecht . . . . . . . . . . . 329
li. Auswirkungen der gesetzlichen Bestandsschutzregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 III. Marktkonformität des Bestandsschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Inhaltsverzeichnis
13
2. Kapitel Äquivalenzsicherung A. Die Sicherung der wohnraummietvertragliehen Leistungsäquivalenz als Regelungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 I. Die Sicherung der Leistungsäquivalenz als Annex und Korrelat wohnraummietrechtlichen Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Il. Wertungskonflikte und Koordinationsprobleme zwischen Bestandsschutzgewährleistung und Äquivalenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 III. Das Instrumentarium der Äquivalenzsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 1. Allgemeine Regelungsinstrumente des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Der Änderungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Die Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
c) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 d) Wertsicherungsklauseln .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 350 2. Das Instrumentarium des Wohnraummietrechts .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
353
B. Funktion und Bedeutung des gesetzlichen Instrumentariums .. .. .. .. .. .. .. .. . 356 I. Normative Konzeption und tatsächliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 357 1. Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
2. Gewährleistung der Effektivität des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . 362 3. Erhaltung der Stabilität des Preisniveaus .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
367
4. Verteilungswirkungen . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
369
5. Wirtschaftspolitische Intentionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Il. Rechtsdogmatische Zentralfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 1. Der Rechtsbegriff der ortsüblichen Vergleichsmiete . . . . . . . . . . . . . . . . . .
376
2. Die Festlegung der ortsüblichen Vergleichsmiete .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
380
a) Die Vergleichsmiete im Mieterhöhungsverlangen und Mieterhöhungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 b) Begründungs- und Beweismittel .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
381
3. Grundfragen der Mieterhöhung nach § 3 MHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386
3. Kapitel Mobilitätssicherung A. Mobilitätssicherung in der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft
389
I. Mobilität als wirtschaftspolitisches Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 li. Mobilität als Funktionselement der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft . . 390 III. Mobilitätssicherung als Regelungsaufgabe und Regelungsproblem . . . . . 391
14
Inhaltsverzeichnis
B. Mobilitätssicherung im Regelungsmodell der Privatrechtsordnung . . . . . . . . . . . 393 I. Mobilitätssicherung durch privatautonome Rechtsgestaltung . . . . . . . . . . . . 393
Il. Gesetzliche Rahmenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 C. Normative Grundlagen der Mobilitätssicherung im Wohnraummietrecht . . .. 397 I. Die Entwicklung wohnraummietrechtlicher Mobilitätssicherung als Rechtsgrundsatz .. . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . .. .. .. . . .. .. . . . . . .. 397 II. ,,Parteistellen" als Paradigma der rechtsfortbildenden Anerkennung von Mobilitätsschutz des Wohnraummieters .. .. .. .. .. .. .. .. .... ...... .. .. .. ... 402 III. Die Entfaltung des Rechtsgrundsatzes bei der Anwendung von Einzelvorschriften .. .. .. .. . .. . . . . . . .. . . . . . . .. .. .. . . . . . . . .. . . .. .. . . . . .. .. .. . . . . .. . .. . . .. 1. Die Unabdingbarkeil des Sonderkündigungsrechts bei Verweigerung der Erlaubnis zur Weitervermietung .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 2. Die Erweiterung des Kündigungsrechts im Falle eines Arbeitsortswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . .. . .. . . . . . . . .. 3. Die Entlastung des Wohnraummieters hinsichtlich des Verwendungsrisikos ............. ... . .. . .................... . ....................... . ....
405 405 407 409
4. Kapitel
Gleichbehandlung A. Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Privatrecht .. .. .. .... .. ..
411
I. Gleichbehandlung und Privatautonomie .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .... .. . 411
II. Positivrechtliche Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Privatrecht . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . .. . 413 1. Gleichbehandlung im Verbandsrecht .. .. .. ..... .. .. .... . .. .. .. .. .. ... .. 413 2. Gleichbehandlung im Arbeitsrecht .. .. .. .. .. ............... ..... .. . .. .. 415 III. Wertungsgrundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes . . .. . . .. . . . . . . .. 417 1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz als Konkretisierung gesetzlicher Generalklauseln . .. .. . . .. . . . . .. . . .. .. .. . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . .. . .. .. . . . . 417 2. Die Rechtspflicht zur Gleichbehandlung als Konsequenz rechtlicher Ordnungsstrukturen . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . .. . . . . . 418 B. Die Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Wohnraummietrecht .. .. 421 I. Grundlagen . . .. . . . . . . .... . . . . ... . . . . . . .. .... . . . .. . . . . ...... . . . . . . . . . . . .. . . . . . 421
II. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestehendes Mietverhältnis . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . 2. Einseitig rechtsgestaltendes Handeln des Vermieters in der kollektiven Sphäre ............. . .................. . ....... . .. . . ........... .. ... . ...... 3. Adressatenkreis . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . .. .. . .. . . . . . .. . . .. .. . . .. .. . . . . .. .. . C.
425 425 426 427
D~e Rech_~sw!rkungen der Verpflichtung zur Gleichbehandlung im Wohnraummtetverhältnts . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . .. . . . .. . .. . . . . . . .. .. . . . .. . .. . . . . .. . 428
I. Allgemeines . .. .. . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . .. .. . . .. . . .. . . . .. ..
428
II. Anwendungsbeispiele . . . .... . . ... . .. . . . . ... . .. . ... . . . . . . ...... . .. ... . . . . . .. 431
Inhaltsverzeichnis
15
1. Hausordnungen ...... . ........................... . ..... ; . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 2. Vermieterkündigung . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . . .. . . . . .. . . . . ... . . . . . .. . ... . .. 432 3. Mietzinsregelungen · . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433
4. Wohnungsmodemisierung ................. ..................... . ....... 435 5. Erlaubnisse und Gestattungen . . . . . . ... . . .. . . . . . . .. . . . . ... . . . . . .. . ... . . . 437
Dritter Teil
Regelungsinstrumente des Wohnraummietrechts 1. Kapitel Das rechtsgeschäftliche Konsensprinzip A. Konsens
als Legitimationsgrundlage wohnraummietrechtlicher Rechtsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439
B. Grenzen des Konsensprinzips als Regelungsinstrument des Wohnraummietrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
I.
Rec~~sg~schäftlicher Konsens und Begründung des Wohnraummietverhältrusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
ll. Rechtsgeschäftlicher Konsens und Gestaltung des Wohnraummietverhält-
nisses ................ .... ...................... . .. . .. . ............... . .. . .... 446
III. Konsens und Beendigung des Wohnraummietverhältnisses . . . . . . . . . . .. . 453 2. Kapitel Wohnraummietrechtliches Gesetzesrecht
A. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 I. Zwingendes Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Dispositive Vorschriften .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 B. Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 I. Kompensations- und Gewährleistungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 ll. Steuerungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467
3. Kapitel Kollektives Mietrecht
A. Bestandsaufnahme
470
I. Historische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 II. Bedeutung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 III. Rechtspolitische Reformüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480
16
Inhaltsverzeichnis
B. Rechtsdogmatische Grundfragen kollektiven Mietrechts
484
I. Kollektives Mietrecht zwischen rechtspolitischem Wunschdenken und privatrechtlichem Ordnungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 ll. Kollektives Mietrecht und staatliche Subsidiarität bei der Gestaltung des Wohnraummietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . 489
III. Demokratisierung der Partnerschaft .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. ..
491
IV. Kollektives Mietrecht und sozialer Gesetzgebungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . 493 V. Kollektives Mietrecht und Gewährleistung einer Selbstbestimmungsordnung im Wohnraummietrecht .. . .. . . . . .. .. .. . .. .. .. . . .. . . .. .. .. . .. .. .. . 494 C. Mietermitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 I. Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitbes~immu~~ ~ei der Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummtetverhaltnts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten . . . .. . . . . . . . . . . . . Fazit....... ... ........... . .......... . . .. ...... . .. ............ . . . .. . .... . ..
499
ll. Bezugsebenen einer Mietermitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Methodische Vorbemerkungen . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Mietshaus als Bezugsebene wohnraummietrechtlicher Mitbestimmung .................. . ......... . .... .... . .. .. . . . ........... .......... . .. 3. Mietermitbestimmung auf Unternehmensebene . . . . . . . . . .. . . . .. .. . . . . .
511 511
D. Kollektives Mietvertragsrecht .. . . .. .. .. .. .. .. . .. ... .. .. . .. .. .. .. .... . .. . .. .. .. ..
521
500 502 506 509
513 515
I. Ausgangslage . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 521 ll. Rechtswirkungen kollektiver Mietverträge de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 I. Schuldrechtliche Wirkung .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . 524 2. Unmittelbare und zwingende (normative) Wirkung . .. .... .. .. .. .. .. .. 526
lll. Zulässigkeilsschranken des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 4. Kapitel Staatliche Transferleistungen
A. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Regelungsproblem des Vertragsrechts . . . .. . .... ....... .. ..... . .. . . .... .. .. . .. ........ . .. . .. .. . .......... . . . . .. .... 532 B. Die Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters als Ordnungsaufgabe des Wohnraummietrechts .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. ......... ... .. .. ... 534 C. Die Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters durch staatliche Transferleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 I. Leistungen nach dem Wohngeldgesetz .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. ... . .. .. .. . .. .. 536 I. Wohngeld als Sozialleistung .. .. .. .. .. . .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. 536 2. Vertragsbezug des Wohngeldes .. .. .. .. ... .. .. ..... .. .. .... .. .. .. . .. .. . 538
Inhaltsverzeichnis
17
li. Die öffentliche Förderung des Wohnungsbaus . . . . . ... . . . .. . . . . . . . . .. . . . . 540 1. Öffentliche Wohnungsbauförderung als Instrument zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 2. Bedeutung und Problematik des Sozialen Wohnungsbaus . . . . . . . . . . . . 542
D. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters in der Wohnraummietrechtsordnung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . . . .. .. . . . . . . .. . . . . 545 I. Ancillarische Bedeutung neben staatlichen Transferleistungen . . . . . . . . . . 545 li. Regelungsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 1. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei Begründung und Gestaltung
des Wohnraummietverhältnisses . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 2. Vertragsänderungen . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. . . . . . . .. . . . . ... . . . . . . . .. . . . . . .. . . 547 3. Beendigung des Mietverhältnisses .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 550
Ergebnisse in Thesen .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562
2 Paschke
Einleitung A. Problem- und Aufgabenstellung Als mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch die Kodifikation des Wohnraummietrechts in Kraft trat, herrschte eine heute kaum mehr vorstellbare Wohnungsnot. 1 Landflucht und Verstädterungsprozesse im Zuge der Industrialisierungswelle hatten die Wohnungsfrage zu einem zentralen Bestandteil der Sozialen Frage des ausgehenden 19. Jahrhunderts werden lassen. Eine Vielzahl zeitgenössischer Schilderungen belegt nachhaltig, in welcher buchstäblich existentiellen Art und Weise die Mehrheit der Bevölkerung von der katastrophalen Situation der Wahnraumversorgung betroffen war. 2 Trotzdem hielt der Gesetzgeber im Wahnraummietrecht nicht anders als in den sonstigen Schuldverhältnissen des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch an seiner in der Tradition der Pandektistik stehenden Kodifikationsidee fest, in der dieser Situation keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Ethische, politische und volkswirtschaftliche Erwägungen sind nicht Sat Der Begriff "Wohnungsnot kennzeichnet für die Zeit vor und nach 1900 eine aus heutiger Sicht völlig unzureichende qualitative und größenmäßige Ausstattung der Wohnungen, während jedenfalls bis zum ersten Weltkrieg über längere Zeiträume keine Wohnungsnot im Sinne einer Wohnungsknappheit bestand. Vielmehr gab es bis 1915 einen zeitlich und regional allerdings stark wechselnden Wohnungsüberhang, der um 1895 zwischen 6 und 3 % lag und nach 1900 bis 1910 kontinuierlich anstieg; vgl. Teuteberg I Wischermann, Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, S. 93, 126. 2 Vgl. insbesondere die Darstellungen des 1872 gegründeten "Verein für Socialpolitik": Die Wohnungsnoth der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vorschläge zu deren Abhilfe. Gutachten und Berichte, hrsg. i. A. des Vereins für Socialpolitik, Bd. 30, 31 der Schriften des Vereins für Socialpolitik, 1886; Verhandlungen der Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik, Bd. 33 der Schriften des Vereins für Socialpolitik, 1887; Neue Untersuchungen über die Wohnungsfrage in Deutschland und im Ausland, Bd. 45 der Schriften des Vereins für Socialapolitik, 1901; ferner Schmoller, Ein Mahnruf in der Wohnungsfrage, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 11 (1887), S. 425 ff.; Kalle I Flesch, Die Wohnungsnoth vom Standpunkte der Armenpflege, in: Schriften des dt. Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit 6 (1888), S. 69 ff., 121 ff.; Trüdinger, Die Arbeiterwohnungsfrage und die Bestrebungen zur Lösung derselben, 1888; Graf v. Roedem, Übersicht über dieneueren Bestrebungen und Reformvorschläge in der Wohnungsfrage, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft 23 (1899), S. 923 ff.; Sinzheimer, Die Arbeiterwohnungsfrage, 1902; Jaeger, Die Wohnungsfrage 1902; Südekum, Großstädtisches Wohnungselend, 1908; Eberstadt, Handbuch des Wohnungswesens und der Wohnungsfrage, 1909; Keim, Beiträge zur Wohnungsreform, 1911. Zusammenfassende Darstellungen aus späterer Zeit bei Jaschinski, Lehren aus der Geschichte der Wohnungspolitik, 1969; Blumenroth, Deutsche Wohnungspolitik seit der Reichsgründung, 1975; Berger-Thimme, Wohnungsfrage und Sozialstaat, 1976; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984, S. 73 ff.
2•
20
Einleitung
ehe der Juristen als solchen, hatte Windscheid 3 formuliert und damit nicht nur die für den Bereich des Wohnraummietrechts geäußerte Kritik am Konzept rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit programmatisch verworfen. Die "Ironie der Freiheit" 4 hatte freilich darin bestanden, daß die durch Abschluß- und Gestaltungsfreiheit formalrechtlich ermöglichte soziale Emanzipation für die Mehrzahl der Wohnraummieter nicht nur nicht Wirklichkeit werden konnte, sondern zu einer normativ nahezu ausnahmslos nicht zur Kenntnis genommenen Verelendung ihrer Wohnverhältnisse und zusammen mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt zu einer "Proletarisierung ihrer Lebensweise" 5 führte. Die freiheitsverbürgende Funktion wohnraummietrechtlicher Privatautonomie blieb ein KodifikationsideaL Auch die vom Gesetzgeber zugestandene Befugnis zur außerordentlichen Kündigung von Mietverhältnissen über eine gesundheitsgefährdende Wohnung in§ 544 BGB, die Abkehr vom römischrechtlichen Grundsatz "Kauf bricht Miete" in § 571 BGB und die begrenzte richterliche Befugnis zur Gewährung einer Räumungsfrist durch die Zivilprozeßrechtsnovelle konnten nicht sicherstellen, daß wohnraummietrechtliche Privatautonomie im Sinne ihrer normativen Leitideen funktionierte. 6 Neunzig Jahre nach lokrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches hat sich die Situation grundlegend verändert. Die Legalstrukturen des Wohnraummietrechts sind durch weitreichende Verrechtlichungseinflüsse geprägt. Insbesondere die dem historischen Privatrechtsgesetzgeber noch unbekannten Instrumente des Kündigungsschutzrechts und des darauf bezogenen Mietpreisrechts haben einen tiefgreifenden Strukturwandel wohnraummietrechtlicher Privatautonomie bewirkt. Die Realstrukturen auf dem Wohnungsmarkt sind durch ein hohes Versorgungsniveau gekennzeichnet. Die Ergebnisse der Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung vom 25. Mai 1987 belegen das höchste in der Nachkriegszeit erreichte quantitative und qualitative Niveau. 7 Danach standen (nach den unter Berücksichtigung des verfügbaren Wohnraums bereinigten Daten) einerseits für 26.136 Millionen Haushalte 25.321 Millionen Wohnungen zur Verfügung, 8 andererseits wurden 467.300 leerstehende Wohnungen gezählt.9 Der Qualitätsstandard der Wohnungen hat ein Niveau erreicht, das 3 Windscheid, Die Aufgaben der Rechtswissenschaft, Leipziger Rektoratsrede vom 31. Oktober 1884, abgedruckt in: Windscheid, Gesammelte Reden und Abhandlungen, 1904, s. 100 (112). 4 Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2, S. 529. s Habermas, aaO. Fn. 3, S. 530. 6 Dazu Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 93 ff. 1 Knop, WiSta 1989, S. 483 ff.; Stürmer, WiSta 1989, S. 490 ff.; Wedel, WiSta 1989, S. 493 ff.; Würzberger, WiSta 1989, S. 829 ff. 8 Vgl. Wedel, WiSta 1989, S. 493 (495); Bohlen, WuM 1989, S. 593 (597) jeweils unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer statistischen Bereinigung der Ergebnisse der Volkszählung 1987.
A. Problem- und Aufgabenstellung
21
von den statistischen Angaben nur nüchtern dokumentiert - auch im internationalen Vergleich seinesgleichen sucht. Jede Person verfügt danach über 35,5 qm Wohnraum; 73,3% der Wohnungen waren im Jahr 1987 mit Sammelheizung, Bad/Dusche und WC ausgestattet, die Zahl der Wohnungen ohne Bad/Dusche und ohne WC ist auf 269.000 oder 1 % des Gesamtbestandes zurückgegangen. 10 Auch wenn somit ein global ausgeglichener Wohnungsmarkt noch nicht besteht und beachtliche, statistisch allerdings schwer erlaßbare regionale und akzidentielle Besonderheiten und Schwankungen 11 eine optimale Wohnraumversorgung sämtlicher Wohnungsuchenden (noch) nicht zulassen, zeigen die dokumentierten Zahlen insgesamt, daß sich der Wohnungsmarkt auf ein historisch bislang unerreichtes Niveau hin entwickelt bzw. in Teilbereichen diese Entwicklung bereits vollzogen hat. Trotz oder gerade wegen dieser Situation der Wohnraumversorgung ist das Wohnraummietrecht (wieder) in eine Legitimationskrise geraten. Diese steht allerdings verglichen mit der Situation bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches unter ganz anders gearteten Vorzeichen. Der Ruf nach dem "sozialen Wohnraummietrecht" hat im Laufe der Geschichte des Wohnraummietrechts eine Fortentwicklung der traditionellen Konzeption rechtsgeschäftlicher Privatautonomie im Bereich des Wohnraummietrechts bewirkt, die dieses Rechtsgebiet nach verbreitetem Verständnis neben dem Arbeitsrecht als ein Hauptbeispiel für die Separierung von Sonderprivatrechten vom allgemeinen Privatrecht ausweist. 12 Die Entwicklung des Wohnraummietrechts mündet heute in eine Situation, die immer häufiger als juristische Paradoxie bewertet und kritisiert wird. 13 Das einst 9 Vgl. Wedel, WiSta 1989, S. 493 (498) und Bohlen, WuM 1989, S. 593 (597) jeweils mit auch insoweit gegenüber den Ergebnissen der Volkszählung bereinigten Zahlen. IO Vgl. Stürmer, WiSta 1989, S. 490 (492). Zur Bewertung im internationalen Vergleich siehe Miegel, in: 0. Schneider (Hrsg.), Die soziale Erneuerung der Wohnungspolitik, s. 23. u Zu nennen ist insbesondere der Zuzug von Aussiedlern und Übersiedlern; vgl. Pöschl, WiSta 1990, S. 80 ff.; Fleischer I Proebsting, WiSta 1989, S. 582 ff. Zu den regionalen Unterschieden bei der Wohnraumversorgung vgl. Knop, WiSta 1989, S. 483 ff. und zu der sog. neuen Wohnungsnot vor allem in städtischen Ballungsgebieten vgl. nur Steine! I Bartella, Der Städtetag 1990, S. 3 ff. Der Wohnungsfehlbestand ist Ende 1989 auf etwa 800.000 Wohnungen angewachsen; so die Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur ,,Düsseldorfer Erklärung" zur Wohnungspolitik; vgl. WuM 1989, S. 598 ff. 12 Pointiert in diesem Sinn v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblerri des Vertragsrechts, 1982, der seine Untersuchung unter die Frage stellt, "welche Prinzipien des sozialen Schutzes ausschließlich auf Arbeits- und Wohnraummietverhältnisse zugeschnitten sind und deshalb auf andere Dauerschuldverhältnisse nicht übertragbar sind" (aaO., S. 17). Zur Sonderstellung des "sozialen Schutzes" von Arbeits- und Wohnraummietverhältnissen ferner Schrnidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 1 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 399 ff.; Reuter, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 405 (406 ff.); Honsell, AcP 186 (1986), S. 118 f. 13 Zur Kritik am geltenden Wohnraummietrecht vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Wirtschaft, Probleme der Wohnungswirtschaft, 1982; Bieden-
22
Einleitung
als Mittel der Freiheitsverbürgung geforderte und geschaffene Wohnraummietrecht wende sich - so lautet die zentrale Kritik - gegen die Nutznießer selbst. Genereller Mieterschutz durch staatlich verordnetes Wohnraummietrecht würde wegen der damit verbundenen Eingriffe in die Privatautonomie der Rechtsgeschäftsparteien und wegen der davon ausgehenden Funktionsstörungen marktwirtschaftlicher Prozesse auf dem Gesamtwohnungsmarkt sowie der Beeinträchtigung freiheitlicher Konsensfindung zu teuer bezahlt. Das in einem sozialen und demokratischen Rechtsstaat unerläßliche verfassungskräftige Postulat des Ausgleichs zwischen bürgerlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit könne im Wohnraummietrecht auch mit den Instrumenten des allgemeinen Privatrechts verwirklicht werden. Vor allem wird in Zweifel gezogen, ob das geltende Wohnraummietrecht noch mit dem Verständnis von Privatautonomie als Befugnis der Privatrechtssubjekte zur Selbstbestimmung in der Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse und mit dem Verständnis von Privatrecht als dem "Recht der voneinander unabhängigen, nach ihren eigenen Entschlüssen handelnden Rechtsgenossen" zu erfassen ist. 14 Die Regelung des Wohnraummietrechts stand von Anfang an in der Ambivalenz von Freiheitsverbürgung und Freiheitsentzug. Das galt schon für die Mieterschutzgesetzgebung der Weimarer Zeit, in der die Neuordnung des Wohnraummietrechts durch den Gedanken des Mieterschutzes erstmals gegen den sozial-
kopf, Festschrift für Coing, Bd. II, S. 21 (31); ders. I Miegel, Wohnungsbau am Wendepunkt, 2. Aufl. 1979; Engels u. a. (Kronenberger Kreis), Mehr Mut zum Markt in der Wohnungswirtschaft, 1984; Eekhoff, DWW 1981, S. 138 ff.; ders., Wohnungspolitik in der Sozialen Marktwirtschaft, in: Zukunftsprobleme der Sozialen Marktwirtschaft, Schriftenreihe des Vereins für Socialpolitik, Bd. 116 n. F., S. 455 ff.; ders., in: Die soziale Erneuerung der Wohnungspolitik (hrsg. von 0. Schneider), S. 44 ff.; Eekhoff I Werth, Auswirkungen des 2. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes, S. 51 ff.; dies., DWW 1979, S. 212 ff.; Emmerich, in: Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 18 vor §§ 535 ff. BGB, Rn. 18 ff. vor § 1 MHG; Gierth, DWW 1982, S. 195 ff.; ders., DWW 1983, S. 166 ff.; v. Hippel, Der Schutz des Schwächeren, S. 23 ff.; Honsell, AcP 1986 (1986), S. 115 ff.; ders., in: Giger I Linder, Sozialismus, Ende einer Illusion, S. 483 ff. Kleps, Staatliche Preispolitik, S. 80 ff.; Mackscheidt I Deichmann, Zur Leistungsfähigkeit von Subventionen in der Wohnungswirtschaft, 1982; Reichert, ZMR 1987, S. 364 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1983/84, BT-Drcks. 10/669, Tz. 583; H. K. Schneider I Deichmann, Der Weg zur sozialen Wohnungsmarktwirtschaft, S. 25 ff.; Sonnenschein, NJW 1984, S. 2121 (2130). Die geltende Wohnraummietrechtsordnung im Grundsätzlichen verteidigend Esser IWeyers, Schuldrecht, Besonderer Teil, S. 149 ff.; Derleder, in: AK-BGB, Rn. 50 vor§§ 535 ff.; ders., Die Wohnung als Sozialgut, in: Grundsätze des Wohnraummietverhältnisses, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 10, S. 43 (58 ff.); ders., WuM 1987, S. 171 ff.; Gilles, in: Otte (Hrsg.), Einführung in das Bürgerliche Recht, S. 78 ff.; Güber, Sozialer Wohnungsbau in der Bundesrepublik, S. 161 ff.; Hassold, JR 985, S. 265 ff.; Larnrnel, JZ 1986, S. 832 ff.; Schlich, WuM 1979, S. I ff.; Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 38 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 185 ff., 399 ff. 14 So Honsell, AcP 186 (1986), S. 117 unter Hinweis auf das Privatrechtsverständnis von Coing, in: Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 54.
A. Problem- und Aufgabenstellung
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emanzipativen Sinn der bürgerlichen Privatrechtsnormen durchgesetzt und verteidigt werden mußte, 15 und gilt erst recht für das Wohnraummietrecht der Gestalt, die es durch das Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz 16 bekommen hat. Nachdem der elementare Wohnraummangel, der die wohnraummietrechtliche Schutzgesetzgebung historisch herausfordert hatte, im Rücken des erreichten Entwicklungsstandes liegt, muß sich das Wohnraummietrecht erneut die Frage stellen, ob seine Regelungsziele und -inhalte angesichts der veränderten wohnungswirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch gerechtfertigt sind; andernfalls läuft es Gefahr, zum Beutebegriff auszudünnen, zumal es regelungstechnisch ob zu Recht oder Unrecht sei hier dahingestellt - ohnehin als "Flickwerk" wechselhaften gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Wandels kritisiert wird. 17 Jedenfalls überzeugt es nicht, wohnraummietrechtliche Schutzgesetzgebung schon deswegen beizubehalten, weil wohnraummietrechtliche Vertragsfreiheit einst nicht systemgerecht funktionierte, mißverstanden oder mißbraucht wurde und deswegen ihre Funktionsdefizite kompensiert bzw. privatautonome Befugnisse sogar in Bereichen ersetzt werden mußten, um die mit der Idee der Privatautonomie verfolgten Ziele verwirklichen zu können. Wohnraummietrechtliche Schutzgesetzgebung kann mit den Regelungszielen und Regelungsaufgaben in Konflikt oder gar Widerspruch geraten, zu deren Bewältigung sie einst - unter ganz andersartigen wohnungswirtschaftlichen Bedingungen- angetreten war. Sie bedarf deshalb ständiger funktionsbezogener Kontrolle und legislativer Beobachtung. Insofern haben die auf gutachtlichen Stellungnahmen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft 18 und vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 19 gestützten, höchste Werte einer freiheitlichen Gesellschaft für ihre Verwirklichung reklamierenden Forderungen nach einer umfassen15 Zur rechtspolitischen Diskussion um die Einführung des Mieterschutzrechts in der Weimarer Zeit vgl. die Nachweise bei Genthe, Mieterschutzgesetz, 1923, Einleitung, S. 1 ff., 6 ff.; Brumby, Das Recht der Miet- und Wohnungszwangswirtschaft, S. 25 ff. Zu den wirtschafts-, gesellschafts- und rechtspolitischen Grundlagen vgl. Pergande I Pergande, Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Wohnungswesens und des Städtebaus, in: 50 Jahre im Dienste der Bau- und Wohnungswirtschaft, 1973, S. 11 ff.; Blumenroth, 100 Jahre Deutsche Wohnungspolitik, in: 50 Jahre im Dienste der Bau- und Wohnungswirtschaft, 1973, S. 211 ff.; ders., Deutsche Wohnungspolitik seit der Reichsgründung, S. 159 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 109 ff. 16 Zur rechtspolitischen Diskussion im Vorfeld der Verabschiedung insbesondere des Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes vgl. Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 12 ff.; Hilden, Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, S. 53 ff.; vgl. a. Gramlich, Mietrecht, Vorwort, S. 1. 11 So Medicus, Schuldrecht, Besonderer Teil, § 90 VI, S. 109; vgl. a. Honsell, AcP 186 (1986), s. 105 (119). 18 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat bei Bundesministerium für Wirtschaft, Probleme der Wohnungswirtschaft, 1982. 19 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1983184, BT-Drcks. 101669, Tz. 583.
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Einleitung
den Liberalisierung des Wohnraummietrechts im Modell einer "Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft" zu Recht eine Impulswirkung für die Analyse eines Rechtsgebiets ausgelöst, 20 das bislang eher im Schatten rechtswissenschaftlicher Betrachtung stand. Sämtliche Grundfragen nach den Wertungsgrundlagen, den auf ihnen beruhenden Strukturelementen und den sie verwirklichenden Regelungsinstrumenten des Wohnraummietrechts sind damit (erneut) aufgeworfen. Diese Fragen sind nicht grundsätzlich verschieden von denen, die bereits bei der Verabschiedung des Wohnraummietrechts in der ursprünglichen Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 21 des Mieterschutzrechts in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Zeit 22, der Liberalisierungsgesetzgebung derfünfzigerund sechziger Jahre 23 sowie der Einführung der Wohnraumkündigungsschutzgesetze 1971 und 1974 24 ·gestellt wurdend. Gleichwohl können die seinerzeit gefundenen Antworten im Wohnraummietrecht heute schon angesichts der veränderten Situation auf den Wohnungsmärkten nicht unbesehen übernommen und beibehalten werden. Für die Privatrechtsdogmatik stellen sich zwei grundsätzliche Aufgaben: Die Privatrechtsdogmatik hat die Wertungsgrundlagen wohnraummietrechtlicher Privatautonomie zu analysieren, um damit die privatrechtsdogmatischen Grundlagen für eine Bewertung der geltenden Wohnraummietrechtsordnung bzw. für die Diskussion um ihre Reform zu bestimmen. Insofern stehen die inhaltlichen Maßstäbe für eine privatautonome Gestaltung der Wohnraummiete in der sozialen Wohnungsmarktwirtschaft in Frage. Dieser Aufgabenstellung sind die folgenden Ausführungen gewidmet. Die weitere Aufgabenstellung zielt darauf, das im Zuge der Rechtsentwicklung in verschiedene Gesetze verstreute Privatrecht der Wohnraummiete zu neuer systematischer Ordnung zusammenzuführen. Dieser Aufgabe hat sich Sonnenschein in einem im Auftrag des Bundesministers der Justiz erstatteten RechtsgutVgl. die Nachweise in Fn. 13. Zur Kritik an der legislativen Konzeption des Wohnraummietrechts vgl. 0. v. Gierke, Der Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1899, S. 74 ff., 238 ff.; Menger, Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, S. 194 ff. Allgemein zur zeitgenössischen Diskussion um "Die soziale Aufgabe des Privatrechts" vgl. insbesondere die am gleichnamigen Vortrag 0. v. Gierkes entbrannte Kontroverse mit Planck, AcP 75 (1899), S. 327 ff., insbesondere 405 ff.; vgl. a. Fuld, Das Mietrecht, S. 5 ff.; differenzierend jetzt Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 101 ff. 22 Vgl. die Nachweise in Fn 15. 23 Vgl dazu Pergande I Pergande, Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Wohnungswesens und des Städtebaus, in: 50 Jahre im Dienste der Bau- und Wohnungswirtschaft, S. 128 ff. , 194 ff.; Holtgrave, Neues Miet- und Wohnrecht, Einl. Rn. ll8 ff.; Hilden, Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, S. 38 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 139 ff. 24 Zur Entstehung der Wohnraumkündigungsschutzgesetze vgl. Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 16 ff; Hilden, Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, S. 53 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 200 ff. 20 21
A. Problem- und Aufgabenstellung
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achten ausführlich gewidmet. 25 Darin ist das ganze Ausmaß des beklagenswerten Zustandes der gegenwärtigen Systematik des Wohnraummietrechts aufgezeigt worden und durch einen umfassenden Neuordnungsvorschlag ergänzt worden, der in der rechtswissenschaftliehen Literatur weitgehend zustimmende Aufnahme gefunden hat; 26 diesem Fragenkomplex wird im Rahmen dieser Untersuchung nur insofern Aufmerksamkeit geschenkt, als dies im Zusammenhang mit den Fragen nach den Grundlagen und der inhaltlichen Reform des Wohnraummietrechts geboten ist. Die Suche nach dem Standort des Wohnraummietrechts im Gefüge des Privatrechts hat zu berücksichtigen, daß nicht nur die Regelungen des privaten Wohnraummietrechts, sondern die des Privatrechts insgesamt seit ihrem Inkrafttreten in vielfältiger Hinsicht weiterentwickelt wurden. Die klassischen Gestaltungsmethoden des Privatrechts haben seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches vielfältige Abwandlungen und Änderungen erfahren. Daß das Privatrecht nicht mehr nur allein oder auch nur in erster Linie auf den Prinzipien von Autonomie und Kooperation aufbaut, daß eine Hinwendung vom klassischen Willensdogma und Formalitätsprinzip der traditionellen Rechtsgeschäftslehre zu einem vertrauenstheoretisch angereicherten normativen Konsensmodell erfolgt ist, daß insbesondere auch das Schuldrecht nicht von der Entwicklung des Privatrechts ausgenommen war, gehört heute zum Allgemeingut privatrechtlicher Dogmatik. Allenthalben begegnet man Zeugnissen einer "stillen Umwälzung des Privatrechts" 27, die nach der bereits klassischen Formulierung Wieackers einen Wandel der ehemals dominant formalen Freiheitsethik des Bürgerlichen Gesetzbuches zugunsten einer ,,materiellen Ethik sozialer Verantwortung" 28 zum Ausdruck bringt. Das "spätgeborene Kind der liberalen Epoche" 29 , das vom Selbstverständnis der es einst tragenden bürgerlichen Gesellschaft geprägt war, mußte reifen, um gegenüber den Herausforderungen einer sich verändernden Gesellschaft an die Regelungsaufgaben des Privatrechts bestehen zu können. Die Berücksichtigung der real vorgefundenen wirtschaftlichen und sozialen Befunde ist dabei zu einer
2s Sonnenschein, Die Bereinigung des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1985. Die ursprünglich mit dieser Vorstellung verbundene Idee eines Wohngesetzbuches ist während der parlamentarischen Beratungen fallen gelassen worden; vgl. BT-Drcks. 7 I 2629, S. 2; näher zur Problematik eines Wohnungsgesetzbuches Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 216 ff. 26 Vgl. Meincke, in: Festschrift für Pleyer, S. 555 ff.; Steinmeyer, AcP 187 (1987), S. 178 (202 f.), der aber wegen der konzeptionellen Unterschiede zwischen privatem und öffentlichem Recht die vorgeschlagene Aufnahme der Vorschriften des Wohnungsbindungsgesetzes in das Bürgerliche Gesetzbuch kritisiert. 21 H. P. Westermann, AcP 178 (1978), S. 150 (156). 28 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, in: ders., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 (23). 29 Wieacker, aaO. Fn. 28, S. 15.
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Einleitung
zentralen Aufgabe, wenn nicht gar zu der die "Lebenskraft des Privatrechts" 30 überhaupt erhaltenden Aufgabe geworden. Ordnungsprobleme für eine Dogmatik des Wohnraummietrechts sind durch diese Entwicklung nicht etwa beseitigt worden. Im Gegenteil: Wenn heute vom "sozialen Wohnraummietrecht" gesprochen wird, so scheint bereits durch die Verwendung des Epitheton "sozial" die Vorstellung durch, das Wohnraummietrecht habe keine dogmatisch geordnete Gestalt, sondern sei als Ergebnis wohlfahrtsstaatlicher Rechtssetzung konstituiert. In der Charakterisierung des Mieterschutzrechts als "sozialer Besitzschutz" bzw als "soziale Wohltat" 31 kommt diese Abkehr von einem dogmatischen Verständnis dieses Rechtsgebiets am eindrucksvollsten zum Ausdruck. Seit dem berühmten Brüning'schen Junktim, nach dem das Mieterschutzrecht der Weimarer Zeit erst außer Kraft treten sollte, wenn das Wohnraummietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches eine sozialstaatliche Ausprägung erfahren hat, 32 bestimmt die Vorstellung von einer sozialen Gestaltung des Wohnraummietrechts quer durch alle rechtspolitischen Zeitströmungen die Entwicklung dieses Rechtsgebietes. Ein dogmatisches Verständnis des Wohnraummietrechts ist über die beherrschende Idee der Umsetzung eines sozialen Schutzgedankens, in welcher inhaltsrechtlichen Konkretisierung auch immer, verlorengegangen. Wohnraummietrechtliche Erörterungen kreisen um die Frage nach der richtigen Dosierung wohlfahrtsstaatlicher Schutzregeln. Im Konflikt zwischen wohlfahrtsstaatlich wünschbaren und wirtschaftspolitisch machbaren bzw. zurnutbaren Regelungen ist die ökonomisch effiziente Befriedigung sozialstaatlicher Schutzbedürfnisse zur Konstituente des Wohnraummietrechts geworden. Die wohnraummietrechtliche Diskussion ist geprägt von rechtsdogmatischen Gewißheitsverlusten. Wohnraummietrecht erscheint nicht mehr dogmatisch erklärbar oder auch nur diskutierbar, sondern als sozialstaatlich motivierte Interven30 Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, S. 36; ebenso Mestrnäcker, JZ 1964, S. 441 (443): ,,Es ist eine Lebensfrage der Privatrechtsordnung, ob es gelingt, die rechtsgeschäftliehe Privatautonomie als Mittel individueller Gestaltung zu bewahren und zugleich ihre Funktion und ihre Grenzen innerhalb der Rechtsordnung zu bestimmen". 31 Beide Zitate von Honsell, AcP 186 (1986), S. 160 bzw. 185; vgl. a. seine auf das Kündigungsschutzrecht bezogene Äußerung: "dem Gesetzgeber (ist) weniger an der Linderung wirklicher Not gelegen, als an komfortablen Bedingungen für breite Wählerschichten" (aaO., S. 146); ferner v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 318 und passim, wonach es sich beim Bestandsschutzrecht um einen Schutz von Rechtsgütern und nicht um einen Schutz vor dem Vertragspartner handele. Die Abkehr von einem dogmatischen Verständnis des Wohnraummietrechts wird aber auch in der Vorstellung Derleders von der "Wohming als Sozialgut" deutlich (in: Grundsätze des Wohnraummietverhältnisses, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 10, S. 43 ff.). 32 Vgl. Art. II Abs. 4 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1.12.1930 (RGBI. I, S. 517) sowie Art. 7 Ziff. 2 des 2. Teil, Kap. IV der 4. Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen von 8. 12.1931 (RGBI. I, S. 699).
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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tion in rechtsgeschäftliche Vertragsfreiheit zum Zwecke der hoheitlichen Gestaltung des Lebenssachverhalts Wohnen zur Miete. Die rechtliche Ordnung dieses Lebensbereichs scheint zur Manövrierenasse rechtspolitischer Verteilungswünsche denaturiert. Allein die positivrechtliche Verankerung sozialer Schutznormen liefert keine Bewertungs- und Differenzierungskriterien für eine privatrechtsdogmatische Erfassung dieses Regelungsbereichs. Im Dickicht zwischen Wohlfahrtsökonomie und Privatrechtsdogmatik, sonderprivatrechtliehen Schutznormen und rechtsgeschäftlicher Privatautonomie lassen sich rechtsdogmatische Konturen wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit kaum mehr ausmachen. Wenn in dieser Situation der Ruf nach einer inhaltlichen Reform des Wohnraummietrechts erhoben wird, so wirft er auch die Frage auf, ob die gegenwärtig bestehenden Regelungen des Wohnraummietrechts (noch) Ausdruck der WertungsgrundJagen des Bürgerlichen Rechts sind, ob sie womöglich als Vorbote, wenn nicht gar zentraler Inhalt eines höheren oder auch nur zeitgemäßeren Privatrechtsverständnisses angesehen werden können, das auf Mängel des klassischen privatrechtliehen Ordnungssystems reagiert, und zum festen Bestandteil des entwickelten Privatrechts gehören, vielleicht sogar zu allererst berufen sind, das privatrechtliche Ordnungssystem unserer Tage zu repräsentieren.
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes I. Der RechtsbegritT des Wohnraummietverhältnisses Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt das Recht der Wohnraummiete in dem das Recht der Schuldverhältnisse betreffenden Zweiten Buch unter dem Untertitel "Miete". In seiner ursprünglichen Fassung enthielt es mit Ausnahme von§ 544 BGB keine nur auf die Miete von Wohnraum anwendbaren Vorschriften. 33 Der Rechtsbegriff der "Miete" umfaßte nach der ursprünglichen Leitvorstellung des Gesetzgebers die verschiedenartigsten Sachverhalte der Sachmiete, bei denen die Miete von Wohnraum nur als beliebiger Anwendungsfall erschien; deshalb sah sich die gesetzliche Regelung dem bekannten, mal Otto v. Gierke, mal Cosack zugeschriebenen Vorwurf 34 ausgesetzt, zwischen der Miete von Wohnraum und der Miete eines Esels keinen rechtserheblichen Unterschied zu treffen. Die vom sozialen Lebenssachverhalt losgelöste, abstrahierende Regelungstechnik hat der Gesetzgeber im Wohnraummietrecht inzwischen aufgegeben. Eine 33 Das Kündigungsrecht ist auf Grund der teilweise heftigen Kritik am Ersten Entwurf (vgl. oben Fn. 21) eingefügt worden; vgl. Prot. II, S. 230; Jakobs I Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Bd. 2, Recht der Schuldverhältnisse, S. 460 f. 34 Vgl. Mohnen, in: Festschrift für Nipperdey, S. 606.
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Einleitung
Vielzahl von Regelungen innerhalb 35 und außerhalb 36 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist ausschließlich auf den speziellen Lebenssachverhalt der Miete von Wohnraum zugeschnitten. Die Regelungen des Kündigungsrechts in den §§ 564 b, 556 a BGB und die Mietpreisregelungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHG) sind dafür nur die bekanntesten Beispiele; in den Vorschriften für Werksmietwohnungen 37 bzw. Werksdienstwohnraum 38 erfolgt eine noch nähere Ausdifferenzierung des geregelten Lebenssachverhalts. In § 580 BGB schließlich unterstreicht der Gesetzgeber den speziellen Regelungscharakter dieser Vorschriften durch den (deklatorischen)39 Hinweis darauf, daß die Vorschriften der allgemeinen Grundstücks- und Raummiete nur insoweit auf die Miete von Wohnraum Anwendung finden, als für diese nicht die besonderen Vorschriften des Wohnraummietrechts einschlägig sind. Der Gesetzgeber hat ein Sonderrecht der Miete von Wohnraum geschaffen, das - obwohl in einer Vielzahl von Einzelgesetzen verstreut und deshalb von einer systematischen Ordnung noch weit entfemt 40 - durch den Sachverhalt des privaten Wohnens zur Miete gegenüber sonstigen Formen der Sachmiete abgegrenzt ist. Der Rechtsbegriff des Mietverhältnisses über Wohnraum umgrenzt den Regelungsgegenstand, auf den sich die das Recht der Wohnraummiete betreffenden Ordnungsvorschriften beziehen; er begrenzt damit zugleich den Gegenstand einer Untersuchung der privatautonomen Gestaltung der Wohnraummiete. Ein Mietverhältnis über Wohnraum liegt vor, wenn die gemieteten Räume zum privaten Aufenthalt von Menschen geeignet sind und der vertragsgemäße Gebrauch dieser Räume durch den Mieter für beide Vertragsparteien im Wohnen liegt. 41 Ob das der Fall ist, richtet sich nach der Zweckbestimmung, die die 35 Vgl. die §§ 537 Abs. 3, 541 b Abs. 4, 543 Abs. 4, 543 Satz 2; 544, 547 a Abs. 3, 549 Abs. 2, 550 a, 550 b, 552 a, 554 Abs. 2, 554 b, 556 a bis c, 557 Abs. 2 bis 4, 557 a Abs. 2, 564 a bis c, 565 Abs. 2 und 3, 565 a bis e, 569 a, 569 b, 570 a BGB. 36 Vgl. die Zusammenstellung bei Sonnenschein, Die Bereinigung des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 11 ff. 37 Vgl. z. B. §§ 565 b bis d BGB. Zu den verschiedenen Arten von Werkswohnungen und den Kriterien für ihre Abgrenzung zueinander und im Verhältnis zu verwandten Formen der Wohnungsüberlassung vgl. Röder, Das betriebliche Wohnungswesen im Spannungsfeld von Betriebsverfassungsrecht und Wohnungsmietrecht, S. 48 ff. 38 Vgl. z. B. § 565 e BGB. 39 § 580 BGB ist während der Beratungen zum Ersten Entwurf in den Gesetzestext aufgenommen worden (vgl. Prot. II, S. 134); zuvor fand die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Miete von Wohnungen bereits in den Motiven Ausdruck; vgl. Mot. Il, S. 386. 40 Zu den systematischen Mängeln des geltenden Wohnraummietrechts und der bestehenden Rechtszersplitterung in eine Vielzahl von Gesetzen vgl. Sonnenschein, Die Bereinigung des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch; vgl. bereits oben bei Fn. 25. 41 Zur Maßgeblichkeit des Wohnzwecks vgl. grundlegend RGZ 124, S. 4 (6); im Anschluß daran BGH, NJW 1981, S. 1377 (1378); BGHZ 94, S. 11 = NJW 1985, S. 1772; BGH LM Nr. 1 zu § 564 b BGB; BGH, WM 1979, S. 148; 1982, S. 390; BayObLG RES Nr. 63 zu 3. MietRÄndG =WuM 1985, S. 51; Emmerich, in: Grundsätze des Wohnraummietverhältnisses, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 10, S. 85;
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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Parteien im Mietvertrag getroffen haben. 42 Die den vertragsgemäßen Gebrauch zum Wohnen festlegende Zweckbestimmung muß nicht ausdrücklich getroffen werden; regelmäßig wird sie sich aus den der Begründung des Wohnraummietverhältnisses zugrunde liegenden Umständen ergeben. 43 Unerheblich ist, ob sich das Wohnraummietverhältnis auf eine Wohnung bezieht, die eine selbständige räumlich und wirtschaftlich abgeschlossene und zur selbständigen Führung eines Haushaltes geeignete Wohneinheit bildet, oder auf einen einzelnen Raum. 44 Die Vorschriften über die Wohnraummiete finden daher vorbehaltlich etwaiger Sonderregeln auch auf Mietverhältnisse über Wohnraum in Lehrlingsheimen 45 , Gastarbeiterunterkünften46, Studentenwohnheimen 47 und Altenheimen 48 Anwendung, soweit jeweils der Wohnzweck dem Vertrag sein Gepräge gibt und den vertragsgemäßen Inhalt der Mietvereinbarung ausmacht. Das Wohnzweckkriterium erlaubt eine trennscharfe Abgrenzung der Wohnraummiete von der allgemeinen Grundstücks- und Raummiete. Wenn Wohnräume und geschäftlich genutzte Räume durch einen einheitlichen Vertrag gegen Entgelt überlassen werden (sog. Mischmietverhältnisse), hängt die Anwendung des Wohnraummietrechts davon ab, ob die Nutzung der gemieteten Räume als Wohnraum oder aber zu Zwecken im Vordergrund steht, die keinen Wohncharakter haben und dann die Anwendung des Geschäftsraummietrechts rechtfertigen. 49 ders., in: Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 25 vor §§ 535, 536 BGB; Sonnenschein, in: Gestaltung von Mietverträgen, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 20, S. 69 (76 ff.); ders., in: Mietnebenkosten, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 23, S. 167 (194 ff.); ders., in: Festschrift für Seuss, S. 253 (258 f.); Palandt I Putzo, BGB, Einf. vor § 535 Anrn. 8; Reinstorf, in: Bub I Treier, Hadbuch, I Rn. 76 ff.; SchmidtFutterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze B 7, 8 mit Einschränkungen unter B 9 (dazu sogleich); Jauernig (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 2 d vor§ 535; Barthelmess, Zweites Wohnraumkündigungsschutzgesetz, Einführung Rn. 26; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 535 Rn. 138 f. 42 Vgl. nur Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 8. 43 Schmidt-Futterer I Blank, aaO. Fn. 42. 44 Näher zur Bedeutung und Abgrenzung der Begriffe Wohnraum und Wohnung Schmid, BlGBW 1985, S. 241 ff. 45 Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 7. 46 Schmidt-Futterer I Blank, aaO. Fn. 45. 47 Nach der geltenden Gesetzesfassung sind diese Wohnraummietverhältnisse vom Kündigungsschutz und vom Anwendungsbereich der mietpreisrechtlichen Regelungen des MHG ausgenommen, §§ 564 b Abs. 7 Ziff. 3 BGB, 10 Abs. 3 Nr. 4 MHG; vgl. dazu noch unten Zweiter Teil, 1. Kapitel, B I 3 b cc. 48 BGH, NJW 1979, S. 1288; einschränkend BGH, NJW 1981, S. 341 (342) unter Hinweis darauf, daß die Vertragsgestaltung im einzelnen maßgebend sei und eine Qualifizierung als Wohnraummietvertrag nicht in Betracht komme, wenn die Leistungen des Vertragspartners (Heimträgers) außerhalb der eigentlichen Raumüberlassung überwiegen; vgl. a. Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 7; Kunz I Ruf I Wiedemann, Heimgesetz, § 4 Rn. 3 ff.; Gössling I Knopp, Handkommentar zum Heimgesetz, § 4 Rn. 21. 49 BGH, ZMR 1986, S. 280; NJW 1977, S. 1934; BB 1979, S. 16; OLG Schleswig, NJW 1983, S. 49; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 26 vor§§ 535, 536; dies.,
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Einleitung
Für die Charakterisierung des Mietvertrages als Wohnraummietvertrag ist folglich maßgebend, ob der Wohnzweck überwiegt. 5° Entsprechendes gilt für gestufte mietrechtliche Rechtsbeziehungen, die bei der Einschaltung sog. Zwischenvermieter entstehen, wenn dieser die von ihm angernieteten Räume vertragsgemäß an Dritte weitervermietet; solche Vertragsgestallungen finden sich namentlich bei der Einschaltung gewerblicher Zwischenvermieter, die aus steuerlichen oder sonstigen Gründen im Bauherrenmodell errichtete Eigentumswohnungen untervermieten. 51 Die dabei entstehenden Rechtsbeziehungen sind nach dem vertragsgemäßen Gebrauchszweck mit der heute h. M. 52 nur auf der letzten Stufe, also im Verhältnis des (zwischenvermietenden) Hauptmieters mit dem (drittberechtigten) Untermieter als zu Wohnzwecken vereinbartes Mietverhältnis zu charakterisieren, während der vertragsgemäße Gebrauch auf der vorgelagerten Stufe zwischen Vermieter und Hauptmieter nicht im Wohnen, sondern in der Weitervermietung liegt, so daß der Vertragszweck dieses Rechtsverhältnis als Geschäftsraummietverhältnis kennzeichnet. 53 Miete, Rn. 13 vor§§ 535, 536; Reinstorf, in: Bub I Treier, Handbuch, I Rn. 99 ff. ; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 535 Rn. 150 ff.; Schmidt-Futterer, Miete und Pacht, ; dies. I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 14 ff.; Sonnenschein, in: Festschrift für Seuss, S. 253 (260 f.). 50 Nicht einheitlich wird beantwortet, nach welchen Kriterien das Übergewicht festzustellen ist: Teilweise wird auf den Parteiwillen und den zum Ausdruck gebrachten Vertragszweck abgestellt (so BGH, NJW-RR 1986, S. 877; Reinstorf, in: BubiTreier, Handbuch I Rn. 105; Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 17 ff.; Barthelmess, Zweites Wohnraurnkündigungsschutzgesetz, Einf. Rn. 29; Gelhaar, in RGRKBGB, Rn. 21 vor § 535), teilweise auf ausschließlich objektive Kriterien wie das Verhältnis des Mietwerts und der Flächen der zu geschäftlichen und zu Wohnzwecken genutzten Teile der Mietsache (so OLG Hamburg, ZMR 1979, S. 279; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, § 564 b Rn. 9; Voelskow, in: MünchKomm., §§ 556 a- c Rn. 28). 51 Vgl. dazu Goldheck I Ude, Das Bauherrenmodell in Recht und Praxis, S. 34 ff.; Kurth I Krükel, Bauherren-, Bauträger und Erwerbermodell, S. 45 ff.; H. Müller, Bauherren- und Erwerbermodelle, S. 25 ff.; Reithmann I Brych I Manhart, Kauf vom Bauträger, S. 127 ff.; Schumann, Das Bauherrenmodell im Wohnungsbau, S. 1 ff.; Crezelius, JZ 1984, S. 70 ff.; Martin, BB 1984, S. 1629 ff. 52 Grundlegend BGHZ 84, S. 90 ff. = NJW 1982, S. 1696 ff. unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1981, S. 1377 und RGZ 124, S. 4 (vgl. dazu bereits oben Fn. 41); ferner BGH, WM 1982, S. 1390 ( 1392); BGHZ 94, S. 11 ff.; im Anschluß daran OLG Karlsruhe, NJW 1984, S. 373; OLG Braunschweig, WuM 1984, S. 237; OLG Stuttgart, NJW 1985, S. 1966; NJW 1986, S. 322; OLG Frankfurt, WuM 1986, S. 273. Der BGH entschied sich damit gegen die bis dahin h. M., nach der auch das Mietverhältnis auf der ersten Stufe als Wohnraummietverhältnis angesehen wurde, da das Wohnen auch dann Vertragszweck sein sollte, wenn ein Dritter die vermieteten Räume als Wohnräume gebrauchen wollte; so KG, JW 1929, S. 2887; OLG Hamburg, MDR 1981, S. 144; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 25 vor§§ 535, 536; Sterne!, Mietrecht, Rn. I 29; Gelhaar, in: RGRK-BGB, Rn. 21 vor § 535; Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, 5. Aufl., B 9; Herpers, Wohnraummietrecht, Rn. 12,13; kritisch zu dieser Auffassung bereits Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, § 1 MSchG Rn 68 f; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 535 Rn. 148 f.). 53 Vgl. neben der in Fn. 52 zitierten Rspr. Emmerich I Sonnenschein, Miete, Rn. 12 vor§§ 535, 536; Barthelmess, Zweites Wohnraurnkündigungsschutzgesetz, Einf. Rn. 26;
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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Anlaß zur kritischen Überprüfung des Wohnzweckkriteriums als der zentralen Anwendungsvoraussetzung für die Sondervorschriften· über die Wohnraummiete hat die Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Werkfördervertrages gegeben. Dabei handelt es sich um Verträge, in denen im Unterschied zu Mietverträgen über werkseigene Mietwohnungen nicht der Arbeitgeber oder ein von ihm beherrschtes Trägerunternehmen als Vermieter auftritt, sondern ein Dritter, etwa ein Wohnungsunternehmen, das die betreffenden Wohnungen typischerweise mit Finanzierungsbeihilfen des Arbeitgebers errichtet hat und jetzt vermietet, wobei sich der Arbeitgeber in dem Werkförderungsvertrag ein Belegungsrecht einräumen läßt, das den Vertragspartner verpflichtet, einen Mietvertrag mit dem vom Arbeitgeber benannten Arbeitnehmer zu begründen, zu beenden oder zu ändern. 54 Die Rechtsprechung hat den Wohnraummietcharakter des Werkförderungsvertrages zu Recht verneint 55 und zwar im Hinblick darauf, daß der als Zwischenvermieter auftretende Unternehmer durch die Anmietung jedenfalls mittelbar auch seine Geschäftsinteressen verfolge. Blank 56 hat aus dieser Rechtsprechung den Schluß gezogen, daß ein Mietverhältnis über Wohnraum grundsätzlich auch dann vorliege, wenn der Mieter zwar keine eigenen Wohnzwecke verfolge, aber die fremdnützige Versorgung dritter Personen mit Wohnraum beabsichtige; von einem Geschäftsraummietverhältnis sei dagegen nur dann auszugehen, wenn der Mieter ausschließlich eigennützige und auf Gewinn gerichtete Ziele verfolge. Diese Auffassung hatjedoch sofort den Widerspruch von Sonnenschein 51 erfahren, der mit Recht darauf verweist, daß der Anwendungsbereich der gesetzlichen Sondervorschriften für die Wohnraummiete nicht vom Begriff der Geschäftsraummiete her bestimmt werden dürfe, und ein Mietverhältnis nicht nur dann nach Geschäftsraummietrecht zu behandeln sei, wenn der Mieter mit der Anmietung der Räume einen Geschäftszweck zu fördern beabsichtigt, sondern nach der gesetzlichen Wertentscheidung in § 580 BGB immer dann, wenn die vermieteten Räume zu anderen als Wohnzwecken vermietet worden sind. 58 Sonnenschein, in: Festschrift für Seuss, S. 253 (259 f.); Crezelius, JZ 1984, S. 70 (71); Nassall, MDR 1983, S, 9 (14); a. A. Haase, JR 982, S. 456 in Anm. zu BGHZ 84, S. 90; Hille, WuM 1983, S. 46 (47); Derleder, DuR 1986, S. 39 (45). 54 Eingehend Röder, Das betriebliche Wohnungswesen im Spannungsfeld von Betriebsverfassungsrecht und Wohnungsmietrecht, S. 53 ff.; vgl. a. Gaßner, AcP 186 (1986), s. 325 (327 ff.). 55 Vgl. BGH, NJW 1981, S. 1377 unter 2 b cc. 56 Schrnidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, B 9. 57 Sonnenschein, in : Mietnebenkosten, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 23, S. 167 (197 f.); erneuert und vertieft in: Festschrift für Seuss, S. 253 (259 f.); vgl. a. bereits dens., in: Gestaltung von Mietverträgen, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 20, S. 69 (73 ff.). 58 Vgl. Weimar I Schmidt, Die Geschäftsraummiete, S. 7; Wolf I Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet- und Pachtrechts, Rz. 6, 7; Mohr, Gewerbemietrecht in Deutschland, S. 14. Ebenso das frühere Geschäftsraummietengesetz (GRMG) vom 25.6.1962 (BGBl. I, S. 338), das in § 2 Abs. 1 die Räume, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung auf die Dauer anderen als Wohnzwecken insbesondere gewerblichen oder
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Einleitung
Durch die Betonung der Maßgeblichkeil des Vertragszwecks als Abgrenzungskriterium ist nicht zugleich darüber entschieden, ob den Sondervorschriften des Wohnraummietrechts im Einzelfall eine über die Reichweite des Wohnraummietverhältnisbegriffs hinausgehende (Schutz-)Wirkung beigemessen werden kann. Diese Frage hat im Zusammenhang mit gestuften mietrechtlichen Rechtsverhältnissen und hier insbesondere mit der Problematik des Rechtsschutzes des Untermieters von Wohnraum gegenüber einem Herausgabeverlangen des Hauptvermieters außerordentlich breite juristische Aufmerksamkeit erfahren und eine Diskussion unter anderem darüber ausgelöst, ob der spezifische Schutzzweck wohnraummietrechtlicher Regelungen eine (teleologische) Expansion ihres Anwendungsbereichs rechtfertigt, wenn wie zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter keine (miet-)vertraglichen Rechtsbeziehungen bestehen. 59 Die Berechtigung entsprechender Erwägungen hängt indes nicht vom Rechtsbegriff des Wohnraummietverhältnisses ab, sondern wirft die nach rechtsmethodischen und materiellrechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchende Frage nach Regelungsgehalt und Reichweite der wohnraumrechtlichen (Schutz-)Normen auf. In diesem Zusammenhang gehört sie zum Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. 60
II. Privates und öffentliches Wohnraummietrecht Eine weitere Begrenzung der zu behandelnden Problem- und Aufgabenstellung ist im Hinblick auf die Unterteilung des Rechtsgebiets der Wohnraummiete in das private und öffentliche Wohnungsrecht vorzunehmen. Diese Unterteilung geht zurück auf die Schaffung der sog. Mieteinigungsämter durch die Bekanntmachung vom 15. Dezember 1914 61 , mit der den neu geschaffenen Ämtern anfangs noch zurückhaltend, aber in der Folgezeit stetig forschreitend hoheitliche Kompetenzen für den Bereich des Wohnungswesens zugewiesen wurden, die bald zu einer umfassenden staatlichen Lenkung des Wohnungsmarktes nach den Bestimmungen des Reichsmietengesetzes und des Wohnungsmangelgesetzes führten. 62
beruflichen Zwecken zu dienen bestimmt sind und solchen Zwecken dienen, als Geschäftsräume definierte. 59 Vgl. an dieser Stelle nur die Nachweise bei Sonnenschein, in: Mietnebenkosten, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 23, S. 167 (206 ff.), insbesondere Fn. 211 bis 218. 60 Vgl. dazu unten Zweiter Teil, 1. Kapitel, B li 2. 61 Bekanntmachung betreffend Einigungsämter vom 15.12.1914, RGBI. S. 511. 62 Zu dem durch das Reichsmietengesetz vom 24. 3. 1922 (RGBI. S. 273), das Mieterschutzgesetz vom 1. 6.1923 (RGBI. I, S. 355) und das Wohnungsmangelgesetz vom 26.7.1923 (RGBI. I, S. 754) gekennzeichneten sog. Mietnotrecht vgl. Staudinger I Kiefsauer, BGB, 10. Aufl. 1936, Rn. 34 ff. vor§ 535; Gross, Die Entwicklung des Mietrechts seit 1914, S. 19 ff.; Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Ein!. Rn. 1 ff.; Roquette, Mieterschutzgesetz, Ein!. Rn. 4 ff.; Holtgrave, Neues Miet- und Wohnrecht, Ein!. Rn. 7 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 111 ff., 120 ff.
B. Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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Dieses öffentlich-rechtlich geprägte sog. Wohnungsnotrecht war eine Reaktion auf die damalige Wohnungsmarktsituation; 63 infolge der akuten Wohnungsnot am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden seine Instrumente zunächst beibehalten64 und durch die Möglichkeit zur Erfassung und Zuweisung von Wohnräumen nach dem sog. Wohnungsgesetz vom 8. März 1946 65 sogar noch ergänzt. Erst mit dem Beginn der fünfzigerJahrewurde eine Lockerung der seinerzeit bestehenden, durch umfassenden Kündigungsschutz und Anordnung eines totalen Mietpreisstopps gekennzeichneten Zwangsbewirtschaftungssituation eingeleitet. 66 Mit ihr ging eine öffentliche Förderung des Wohnungsbaus nach den Bestimmungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes 67 einher, die in den Grundstrukturen die bis heute gültige Unterscheidung des privaten und öffentlichen Wohnungsrechts schuf. 68 Das öffentliche Wohnungsrecht ist heute maßgeblich in den Bestimmungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes 69 sowie des Wohnungsbindungsgesetzes 70 geregelt. Es wird dadurch gekennzeichnet, daß seine Regelungsinhalte vom Prinzip der Über- und Unterordnung beherrscht werden. Das öffentliche Wohnungsrecht beruht, auch wenn Einzelbestimmungen eine privatrechtliche Rechtsnatur aufweisen 71 , auf einer hoheitlichen Ordnung des vom ihm geregelten Bereichs des Wohnungsrechts. 72 In den mietrechtlich relevanten Bezügen wirkt sich diese hoheitliche Ordnung durch weitgehende Beschränkungen der Verfügungsfreiheit des Vermieters im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau 73 und im steuerbegünstigten Wohnungsbau 74 aus. Insbesondere darf der Vermieter der nach diesen Förderungssystemen gebundenen Wohnungen nur die auf Grund einer
Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 4 vor §§ 535, 536. 64 Vgl. Cranz, Mieterschutzgesetz, 1948; Glaser, Mieterschutzgesetz, 1949; Schoppl Groothold, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, in: H. Fischer (Hrsg.), Handbuch des gesamten Mietrechts, 1949; v. Kopp, Das Mieterschutzgesetz, 1949. 65 Gesetz Nr. 18 des Kontrollrats (KRABI., S. 117); vgl. dazu H. Hans, Das Wohnungsgesetz, 1950; Stössenreuther, Das Wohnungsgesetz, 1949. 66 Vgl. Pergande, Gesetz über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft, Einf. S. 10 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 139 ff. 67 Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24.4.1950, BGBI. I, S. 83. 68 Insbesondere die bis heute fortgeführte Unterscheidung zwischen öffentlich gefördertem sozialen Wohnungsbau und freifinanziertem Wohnungsbau ist durch Teiliii und IV des Ersten Wohnungsbaugesetzes bereits grundgelegt worden. 69 Gesetz in der Fassung vom I. 7.1990, BGBI. I, S. 1730. 70 Gesetz in der Fassung vom 22. 7.1982, BGBI. I, S. 972. Eine Zusammenstellung der Vorschriften des öffentlichen Wohnungsrechts findet sich bei Voelskow, in: MünchKomm., Rn. 143 ff. vor § 535 und bei Soergel I Kummer, BGB, Rn. 258 ff. vor § 535. 71 Vgl. die Zusammenstellung bei Sonnenschein, Die Bereinigung des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 15 ff. 72 Vgl. nur Sonnenschein, aaO. Fn. 71, S. 5. 73 Vgl. §§ 25 ff. Zweites Wohnungsbaugesetz; vgl. a. Beuthner, Mietrecht, S. 14 ff. 74 Vgl. §§ 82 ff., 88 ff. Zweites Wohnungsbaugesetz. 63
3 Paschke
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Einleitung
Wirtschaftlichkeitsberechnung errechnete und genehmigte Kostenmiete (bzw. Kostenvergleichsmiete) verlangen, §§ 72, 88 b II. WoBauG, 8 ff. WoBindG. 75 Nach Maßgabe der§§ 4, 5 II. WoBauG dürfen diese Wohnungen überdies nur an Personen vermietet werden, deren Einkommen eine bestimmte gesetzlich festgelegte Höchstgrenze nicht überschreitet. Die Ordnung des öffentlichen Wohnungsrechts mit den Instrumenten hoheitlicher Verwaltung hat eine Spaltung des Wohnungsmarktes bewirkt. In ihrer Folge ist der Bereich des öffentlichen Wohnungsrechts von den marktwirtschaftliehen Funktionsmechanismen auf dem Wohnungsmarkt und den Ordnungsgrundsätzen rechtsgeschäftlicher Privatautonomie ausgeklammert worden. Aus diesem Grund gehört das öffentliche Wohnungsrecht grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer Untersuchung der Grundfragen der privatautonomen Gestaltung der Wohnraummiete. Allerdings kann es nicht vollständig aus der Aufgabenstellung auch einer privatrechtsdogmatischen Untersuchung ausgenommen werden. Die Förderungsmittel im öffentlichen Wahnungsrecht werden nach der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 II. WoBauG u. a. zu dem Zweck gewährt, eine ausreichende Wohnungsversorgung aller Bevölkerungsschichten entsprechend den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen, insbesondere aber für Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen zu ermöglichen. Das öffentliche Wohnungsrecht reklamiert damit eine Schutzfunktion und staatliche Sorgezuständigkeit für die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, die die Frage nach dem Verhältnis dieser Förderungsinstrumente zu den Regelungsaufgaben und Regelungsinhalten des Privatrechts sowie nach dem Status des privaten und öffentlichen Wahnungsrechts in einer Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft aufwirft. 76 75 Zum Kostenmietensystem und seiner Kritik vgl. Leisner, Kostendeckung- Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau, 1984; Winter I Barth I Schlemmermeyer, Die Kostenmiete, 1982; Gärtner, JZ 1983, S. 566 (568 ff.); ders., DB 1985, S. 1677 ff., 1725 ff.; einen Überblick über die verschiedenen Arten preisgebundenen Wohnraums vermittelt Hoppmann, Miete und Recht, S. 105 ff. 76 Eine umfassende Aufarbeitung der Problematik des gespaltenen dualen Wohnungsmarktes ist deswegen aber weder beabsichtigt, noch im Rahmen einer auf das private Wohnraummietrecht konzentrierten Untersuchung möglich. Aus der Literatur dazu vgl. insbesondere Siedenkopf I Miegel, Wohnungsbau am Wendepunkt, 1979; Dick, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 116 n. F., S. 481 ff.; Drupp I Hoppe I Schulz, WSI-Mitt. 1985, S. 293 (299 ff.); Eekhoff,in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 116 n. F., S. 455 ff.; ders., in: Giersch, (Hrsg.), Wie es zu schaffen ist, S. 254 ff.; Harke, WuM 1987, S. 403 ff.; Jenkis, Ordo 32 (1981), S. 141 ff.; ders., Ordo 33 (1982), S. 253 ff.; Albers, in: HDWW, Bd. 9, Wohnungspolitik II: Wohnungsversorgung; Leidner, Wohnungspolitik und Wohnungsmarktwirtschaft-Gegensatz oder Ergänzung?, 1981; Naustl Werth, Marktwirtschaftliche Reformen in der Wohnungspolitik, 1984; Peters, Wohnungspolitik am Scheideweg, 1984; H. K. Schneider I Deichrnann, Der Weg zur sozialen Wohnungsmarktwirtschaft, 1984; 0. Schneider, Die soziale Erneuerung der Wohnungspolitik, 1982; Stern, Zur Neuorientierung der Wohnungsbauförderung, 1983; Mackscheidt I Deichrnann, Zur Leistungsfähigkeit von Subventionen in der Wohnungswirtschaft, 1982; Meyer, AfK 1986, S. 200 ff.; Rückzug des Staates aus der Wohnungspolitik?, Institut für Siedlungs- und Wohnungswesen an der Universität Münster (Hrsg.),
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Nicht behandelt werden schließlich die Fragen nach der Bedeutung und der Funktion der Gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in einer Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Nachdem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz durch das Steuerreformgesetz vom 23. Juni 1988 77 aufgehoben worden ist, sind die ehemals brennenden Fragen der Wohnungsgemeinnützigkeit, ob es nämlich in ordnungspolitischer Sicht "neben Markt und Staat noch eine dritte Steuerungsform gibt, die durch ihre spezifische Leistungskraft Defizite der beiden traditionellen Ordnungsformen Markt und Staat kompensieren können" 78 , und ob die gemeinnützigen Wohnungsuntemelunen nach dem nonnativen Handlungsrahmen und tatsächlichen Geschäftsgebaren "als Teil eines solchen intermediären ,dritten Sektors' identifiziert" werden können 79, aus dem Blickfeld des rechtswissenschaftliehen Interesses getreten und liegen somit außerhalb des auf die Grundfragen der privatautonomen Gestaltung der Wohnraummiete begrenzten Untersuchungsgegenstandes. 80
1985; Winter u. a., in: Winter (Hrsg.), Die Steuerungsfähigkeit der Neubau- und Modemisierungsförderung, S. 1 ff. Zur Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus für die Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mieter vgl. unten Dritter Teil, 4. Kapitel, C II. 77 BGBI. I, S. 1093 ff.; vgl. dazu ohne Verf., GWW 1988, S. 410 ff.; Steinert, GWW 1988, S. 412 ff; zur fortgeltenden Steuerbefreiung für sog. Verrnietungsgenossenschaften und -vereine vgl. Hämmerlein, DWW 1988, S. 309 ff. 78 Krischausky I Mackscheidt, Wohnungsgemeinnützigkeit, S. 7 f. 79 Krischausky I Mackscheidt, aaO. Fn. 77, S. 8. 80 Zu den wohnungspolitischen und wohnungsrechtlichen Konsequenzen der Aufhebung des WGG vgl. nur die Beiträge von Jenkis und Hannig in: Miete und Umwelt, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 31, 1989, S. 179 ff. und 193 ff. Zur vorhergenden Reformdiskussion siehe Friauf, Die verfassungsrechtliche Problematik der Besteuerung eines nicht als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmens im Vergleich derjenigen, der als gemeinnützig anerkannten Wohnungsuntemehmen, Rechtsgutachten 1983; Gutachten der unabhängigen Kommission zur Prüfung der steuerlichen Regelungn für gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsuntemehmen, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Bd. 35, 1985; Jenkis, BB 1984, Beilage Nr. 5; Kirchhof, Die verfassungsrechtliche Autonomie der Wohnungsgenossenschaften, 1985; Leisrter, Wohnungsgemeinnützigkeit und Verfassungsrecht, 1986; Olesch, Rechtsfragen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes, Diss. Mainz 1986; Peters, Wohnungspolitik am Scheideweg, 1984; Thies, Wohnungsgemeinnützigkeit, 1986. 3*
Erster Teil
Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung des Wohnraummietverhältnisses Die Suche nach den Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung des Wohnraummietverhältnissesals Ausgangspunkt für die Bewertung des Wohnraummietrechts in seiner jetzigen Gestalt sowie der Würdigung von Reformvorschlägen kann nicht- das haben die einleitenden Bemerkungen zum Standort des Wohnraummietrechts in der Privatrechtsordnung deutlich werden lassen - ohne eine Analyse der Bedeutung, Funktion, Voraussetzungen und Grenzen rechtsgeschäftlieber Privatautonomie in der Rechtsordnung erfolgen. Die Analyse muß sich darüber hinaus auf die verfassungsrechtlichen Wertmaßstäbe und die das Geschehen auf den Wohnungsmärkten beeinflussende Wirtschaftsordnung beziehen. Zur Verfassungsordnung ergibt sich der Bezug des Wohnraummietrechts bereits daraus, daß die gesetzliche Ordnung des Wohnraummietrechts notwendig die verfassungsrechtliche Rechtsstellung des EigenttimerNermieters berührt. Der Zusammenhang der Wohnraummietrechtsordnung mit der Wirtschaftsordnung hat sich insbesondere in Zeiten elementaren Wohnraummangels erwiesen, in denen die staatlichen Instrumente der Wohnraummarktlenkung unübersehbar werden ließen, daß die rechtliche und tatsächliche Verfassung des Wohnungsmarktgeschehens bedeutenden Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung bzw. die Grenzen der Privatautonomie im Wohnraummietrecht ausübt. Deshalb soll innerhalb des von der Zivilrechts-, Wirtschafts- und Verfassungsordnung gebildeten Referenzrahmens den Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung des Wohnraummietverhältnisses nachgegangen werden.
1. Kapitel
Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie als Ordnungsaufgabe des Vertragsrechts I. Privatautonomie als Grundlage der Rechtsgestaltung im Privatrecht Soweit die Gestaltung der privaten Güteraustauschbeziehungen in der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland dem freien Tauschverkehr überlassen ist, wird sie geprägt vom Grundsatz der Privatautonomie. Vom Gesetz ebensowenig erwähnt und erläutert wie der Begriff des Vertrages und der Vertragsfreiheit als Hauptausdrucksformen bzw. zentralem Gestaltungsinstrument privatautonom geordneter Rechtsbeziehungen, ist Privatautonomie das fundamentale Ordnungspostulat der Privatrechtsordnung. Ihre rechtsethische Grundlage ist die auf die Autonomiekonzeption des subjektiven Idealismus Kants zurückgehende, rechtstechnisch von der Pandektistik geformte und schließlich zugunsten des klassischen europäischen Individualismus umgedeutet in das Bürgerliche Gesetzbuch eingegangene Leitidee von der Willensfreiheit des Individuums. 1 Ihrem Leitbild entsprechend sichert Privatautonomie einen Bereich, in dem der einzelne von staatlicher Beeinflussung und Bevormundung frei Privatrechtsverhältnisse nach eigenem Willen gemäß der selbst gesetzten Präferenzordnung begründen und gestalten kann. 2 Im Hinblick auf diese höchste Ideale beanspruchende ideengeschichtliche Fundierung wird Privatautonomie als ein seine Legitimation in sich tragender selbständiger Rechtswert angesehen. 3 Soweit damit auf die Locke'sche Idee der Vorstaatlichkeit der Privatrechtsgesellschaft Bezug genommen wird, erscheint 1 Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, in: ders., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; ders., in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. li, S. 1 ff.; Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S. 9 ff.; ders., in: Festschrift für Dölle, Bd. I, S. 25 ff. 2 Grundlegend F. v. Hippe!, Das Problem der rechtsgeschäftliehen Privatautonomie, s. 57 ff. 3 Exemplarisch M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessenausgleich, S. 19 f.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
diese Auffassung allerdings im Hinblick auf die normlogisch begründete 4 und mit dem geltenden Verfassungsrecht übereinstimmende 5 Maxime der Einheit und Unteilbarkeit der Staatsgewalt und des staatlichen Rechts mißverständlich. Danach ist jede Regelungsbefugnis im staatlichen Zusammenleben auf den Staat konzentriert; neben dem staatlichen Rechtssetzungsmonopol besteht keine originäre Rechtssetzungsautonomie. Demgemäß beruht auch die privatautonome Regelungsbefugnis der Privatrechtssubjekte nicht auf apriorischer, vorstaatlicher Autonomie; das Recht der Privatrechtssubjekte zur Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse in freier, eigenverantwortlicher Selbstbestimmung geht zurück auf eine entsprechende Kompetenzzuweisung durch die verfassungsmäßige Rechtsordnung. Erst durch die staatliche Autonomieeinräumung gern. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 305 BGB werden die Privatrechtssubjekte befugt, ihre Rechtsverhältnisse durch rechtsverbindliche, privatautonome Regelungen zu ordnen. 6 Dem privatautonomen Akt selbst fehlt die Qualifikation des Rechts; 7 in diesem Sinn fordert die Privatautonomie die Rechtsordnung als Korrelat. 8 4 Grundlegend für den deutschen Rechtskreis Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche- Zur Stellung der Privatautonomie im Rechtssystem, 1969, in der Tradition der von Merkel und Kelsen begründeten normlogischen Theorie der sog. Wiener Schule sowie der hervorragend von Bucher für den schweizerischen, Hagerström und Ross für den skandinavischen und Hart für den englischen Rechtskreis entfalteten Rechtslehre. s Zum sog. Normsetzungsmonopol des Staates vgl. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 491 ff., 847 ff.; Badura, Staatsrecht, F 1, A 5; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, § 37 I; ferner Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, S. 207 f.; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 32; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 271 mit Fn. 83; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 55 mit Fn. 23 jeweils mit weit. Nachw.; a. A. Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, s. 39 ff. 6 Adomeit, Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche, S. 10 ff.; ders., Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, S. 72 ff.; vgl. a. Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, S. 299 ff.; Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 14; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 272; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 57; J. Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre, S. 50 ff.; vgl. a. BVerfG, NJW 1986, S. 1859 (1860). In Ansehung der normativen Grundlagen rechtsgeschäftlicher Privatautonomie hat die Diskussion zwischen den Vertretern der Selbstbestimmungslehre (hervorragend Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 1 ff.; L. Raiser, in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. 1, S. 101 f.) und der Lehre von der materiellen Richtigkeilsgewähr des Vertrages (grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 ff.; ders., in: Festschrift für Nipperdey, S. 1 ff.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. 62 ff.) nurmehr rechtspolitische Bedeutung; vgl. dazu Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 272 mit Fn. 85; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 42; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 57 mit Fn. 35. 7 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 32; Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1, 4: "Die Selbstbestimmung gibt dem privatautonomen Akt dagegen nicht die materielle Qualifikation des Rechts als der Verwirklichung des Rechtsgedankens".
A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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Die zwischen Privaten getroffenen rechtsgeschäftliehen Regelungen schaffen nicht schon deshalb sanktionsbewehrtes Recht, weil sie privatautonom getroffen wurden; rechtsverbindlichen Charakter haben sie nur dann und insoweit, als die staatliche Verfassung und das verfassungsgemäße Gesetz die Privatrechtssubjekte zu privatautonomer Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse ermächtigt. Dieses Verständnis privater Rechtsetzungsbefugnis entzieht der Auffassung den Boden, privatrechtsgesetzliche, staatliche Regelsetzung bedeute notwendig einen Eingriff in die Privatautonomie der Privatrechtssubjekte. 9 Staatliche Regelbildung konstituiert Privatautonomie, sie schafft den normativen Rahmen, in dem der einzelne autonomes Recht zu setzen ermächtigt ist. Deshalb können die Ordnungsgrundsätze der Privatrechtsordnung nicht an der Privatautonomie gemessen werden, sondern als das Privatautonomie überhaupt erst gewährende Recht ausschließlich an der verfassungsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. Insofern gibt der in Art. 2 Abs. 1 GG zum verfassungsrechtlich garantierten, fundamentalen Rechtswert unserer Rechtsordnung erhobene Grundsatz der Selbstbestimmung des einzelnen der Privatautonomie das inhaltliche Gepräge und beeinflußt die Tätigkeit des Privatrechtsgesetzgebers bei der Schaffung Privatautonomie gewährender Rechtsgrundlagen. Der Gesetzgeber hat im Schrankenbereich des Art. 2 Abs. 1 GG die wertsetzende Bedeutung des verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsgrundsatzes zu beachten und sich insofern autoritärer Rechtssetzung zu enthalten.10 Der von staatlicher Geltungsverleihung abhängigen Privatautonomie ist kein selbständiger Rechtswert eigen. Ebensowenig wie sie den einzelnen befugt, über s Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1, 2. 9 Vgl. nur Flurne, Das Rechtsgeschäft, § 1; ders., in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. I, S. 135 (141 ff.) im Anschluß an F. v. Hippel, Das Problem der rechtsgeschäftliehen Privatautonomie, S. 79 ff.; Oftinger, Die Vertragsfreiheit, S. 315 ff. (323 f.); Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, S. 23 ff. Für E. Wolf, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S. 289 ff. liegt dagegen schon die Anerkennung des Parteiwillens durch die Privatrechtsordnung außerhalb der Begrifflichkeit des Vertrages; in diesem Sinn auch Tosch, Entwicklung und Auflösung der Lehre vom Vertrag, S. 74 ff.; explizit gegen diese Lehre Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 14. to Die Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers ist der im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 GG selbstverständliche verfassungsrechtliche Ausgangspunkt (vgl. statt vieler Schwabe, AöR 100 (1975), S. 442 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), S. 161, 170 ff.), der auch in der Rspr. des BVerfG zum Ausdruck gebracht wird (vgl. BVerfGE 6, S. 55; 7, S. 198 (205); 10, S. 302 (322); 25, S. 256 (263); 34, S. 269 (280); kritisch aber Canaris, AcP 184 (1984), S. 211 unter Hinweis auf BVerfGE 7, S. 198 Leitsatz 2 und S. 205; 30, S. 173 (199 f.). Die sog. Drittwirkungslehre, die die Geltung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten erläutert, wird durch die Anerkennung der Grundrechte als Eingriffsverbote gegenüber Privatrechtsnormen entgegen der Auffassung von Schwabe (AcP 185 (1985), S. 1, 8) nicht obsolet, weil die auf Art. 1 Abs. 3 GG gestützte Grundrechtsbindung nur Akte des Staates, nicht aber Akte von Privatpersonen erfaßt; sotreffendCanaris,AcP 184(1984), S. 210 ff. undAcP 185 (1985), S. 9 ff. in Erwiderung auf Schwabe aaO.
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l. Teil, l. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
den Rechtsgehalt privater Regeln zu disponieren, befähigt sie ihn, eine rechtsverbindliche Wertordnung festzulegen. Reuter 11 hat dies plastisch unter Hinweis auf den Befund belegt, daß in nahezu allen, von höchst unterschiedlichen Wertvorstellungen geprägten Rechtsordnungen aller Zeiten Privatautonomie anzutreffen ist, insbesondere auch in solchen Gesellschaftsordnungen, die die Selbstbestimmung des Menschen als eigenständigen Rechtswert nicht gelten lassen. Davon ausgehend kritisiert er die verbreitete Auffassung, Privatautonomie sei ein "Ausschnitt aus dem allgemeinen Prinzip der Selbstbestimmung des Menschen". 12 Die Kritik an der Synkretisierung von Selbstbestimmung und Privatautonomie ist rechtsquellentheoretisch unabweisbar. Im normlogischen Stufensystem der Rechtsquellen kann Privatautonomie nicht als Bestandteil bzw. Ausschnitt derjenigen Rechtsgrundlagen angesehen werden, die ihr rechtliche Geltung verleihen. Zwischen der verfassungsrechtlichen Garantie der Selbstbestimmung und der sie im Bereich des privaten Güteraustauschs verwirklichenden Privatautonomie besteht ein Stufenverhältnis, das der Vorstellung einer grundrechtliehen Gewährleistung der Privatautonomie entgegensteht. 13 Deshalb ist die rechtliche Gewährleistung von Privatautonomie aber nicht von der Rechtsqualität des verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsgrundsatzes ausgenommen. Da Privatautonomie das gesamte Instrumentarium umfaßt, das die Voraussetzungen und Begrenzungen angibt, unter denen Privatrechtssubjekte nichthoheitliche, dezentrale Rechtssetzung verwirklichen können, haben der Vertrag, das Rechtsgeschäft und die Willenserklärung zwar zuvorderst instrumentellen Charakter und dienen der rechtstechnischen Verwirklichung und Gestaltung von Privatautonomie. 14 Dennoch ist staatliche (Privat-)Autonomiegewährung keine bloße (wertneutrale) Technik der Rechtssetzung, die ihre Legitimation nur daraus ableitet, daß der Staat nicht sämtliche Rechtsverhältnisse regelt bzw. regeln kann. Privatautonomie ist wesentlich vom Wertgrundsatz der Selbstbestimmung des Menschen in eigenen Angelegenheiten getragen. Der Selbstbestimmungsgrundsatz prägt als oberste verfassungsrechtliche Rechtsquelle alle im Stufenbau nachgeordneten, rangniedeu Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 35. So H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, S. 24 und Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 1. Zur Kritik vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 35. 13 Vgl. Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, S. 19 ff.; L. Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, in: Verhandlungen des 46. DJT, Bd. li, B 18 f. (anders noch in JZ 1958, S. 4 ); Scho1z, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 10 f.; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 46 ff.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 116 ff. sämtlichst gegen die namentlich von Laufke, in: Festschrift für H. Lehmann, Bd. I, S. 162 f. und Nipperdey, in: Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Bd. 1, S. 98 f. mit Fn. 77; ders., Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, S. 43 Fn. 60 vertretenen Gegenauffassung. 14 Schapp, Grundfragen der Rechtsgeschäftslehre,S. 56; Säcker, JurA 1971, S. 536; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 43 jeweils gegen die Vorstellung, die Vertragsfreiheit sei als pars pro toto der Privatautonomie zu verstehen; so aber Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 18. 12
A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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ren Rechtsquellen. In diesem Sinne nimmt Privatautonomie am verfassungsrechtlichen Rechtswert der Selbstbestimmung teil; sie hat zwar keine eigenständige Rechtsqualität, erfährt aber einen (abgeleiteten) Rechtswert aus den übergeordneten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen. 15
II. Vertragsfreiheit als Mittel privatautonomer Rechtsgestaltung 1. Die Konzeption des klassischen Modells von Vertragsfreiheit Der Vertragsfreiheit fällt nach der Konzeption des historischen Privatrechtsgesetzgebers die Aufgabe zu, die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung des einzelnen in eigenen Angelegenheiten rechtlich zu ordnen. Dadurch, daß sie das idealistische Verständnis der Freiheit des Willens und des Handeins mit dem Rechtsgeschäft verknüpft und den Vertrag als Instrument der Willensfreiheit und Selbstbestimmung konstituiert, erschien sie als rechtsidealer Ordnungsgrundsatz der Privatrechtskodiflkation. Getragen von den Ideen des philosophischen Idealismus und den sozialökonomischen Lehren des wirtschaftlichen Liberalismus versprach rechtsgeschäftliehe Vertragsfreiheit den Privatrechtssubjekten die optimale Chance, im Wege eigenverantwortlicher Entscheidung über die Teilnahme am Rechtsgeschäftsverkehr und durch freies Aushandeln der Austauschbedingungen einen dem Selbstbestimmungsrecht der Vertragsbeteiligten Rechnung tragenden Interessenausgleich zu finden, weil keiner der Vertragsbeteiligten dem anderen die eigenen Präferenzund Nützlichkeitsvorstellungen ohne vorherige Willenseinigung aufzwingen kann. Mit der Zulassung der Vertragsfreiheit brachte der historische Privatrechtsgesetzgeber nach der seinerzeit kaum offen reflektierten, 16 seither aber eingehend analysierten Konzeption bestimmte ordnungspolitische Grundsätze zum Ausdruck und verband sie mit soziologisch und nicht zuletzt ethisch fundierten Vorstellungen. 17 Der ordnungspolitische Aspekt betrifft den Zusammenhang des So Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 36. Dieser Befung geht historisch auf die Vorstellung eines unpolitischen, neutralen Privatrechts zurück, die freilich nur verdeckte, daß der ,.Geist und die tragenden Richtigkeitsüberzeugungen des Kodex auf einer ,Usurpation' durch das besitzende Bürgertum beruhen"; so zusammenfassend H. P. Westermann, AcP 178 (1978), S. 150(152); grundlegend bereits Böhm, Ordo 1 (1948), S. 197 ff.; Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 9 ff.; ferner Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 214 mit Fn. 34, 35. 11 Vgl. aus jüngerer Zeit Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 5 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 118 ff.; Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts, S. 126 ff. 15
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
klassischen Modells von Vertragsfreiheit mit den Überzeugungen klassischer Ökonomie. Die Zulassung von Vertragsfreiheit beruhte auf den sozialökonomischen Lehren von Adam Smith und dessen Überzeugung, daß das egoistische Streben der einzelnen Rechtssubjekte zur Maximierung des eigenen Vorteils einen unbeabsichtigten Gemeinwohleffekt auslöse, da der Vertragsmechanismus im Wettbewerb nicht zulasse, daß der einzelne einseitig eigennützige Ziele durchsetzt. Die durch rechtsgeschäftliche Vertragsfreiheit verbürgte individuelle Handlungsfreiheit versprach danach im freien Wettbewerb die allgemeine Wohlfahrt zu befördern. Gerade das auf möglichst weitgehenden Eigennutz bedachte Verhalten jedes einzelnen sollte gemeinwohlwidrige Ergebnisse deswegen unmöglich machen, weil alle Subjekte miteinander im Wettbewerb stehen und die Verfolgung des individuellen Wohls die Respektierung der Präferenzen anderer erfordere. Konzeptionsgemäß sollte sich gleichsam von unsichtbarer Hand geleitet Gemeinwohl als Konsequenz individueller Handlungsfreiheit einstellen. 18 Dieses klassische Modell des Vertragsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch setzt größtmögliche Unabhängigkeit der Vertragsbeteiligten voraus, ohne die dezentralautonome, wettbewerblieh geordnete Entscheidungen nicht getroffen werden können. Damit markiert das Modell Vertragsfreiheit einen fundamentalen soziologischen Befund: Es stabilisiert auf einfachgesetzlicher Grundlage den Abschied vom alten Statusrecht 19 Die Rechtsstellung des einzelnen ist nicht mehr von seinem sozialen Status in einem hierarchisch gegliederten Ordnungssystem bestimmt; Abschluß- und Gestaltungsfreiheit sind das rechtstechnische Substrat der positivrechtlichen Abkehr von Statusbindungen und stehen dem einzelnen als hervorragende Mittel zur Verwirklichung der Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten nach seinen Fähigkeiten und Leistungen in einem freiheitlichen Ordnungssystem zur Verfügung. Die jedem einzelnen überlassene Entscheidung darüber, ob er überhaupt und zu welchen Bedingungen gegebenenfalls vertragliche Bindungen eingeht, garantiert modellgemäß ein Maximum an individueller Unabhängigkeit. Dementsprechend war auch im Rahmen bestehender vertraglicher Bindungen eine zeitliche und gegenständliche Begrenzung der Bindung zu gewährleisten, um auch insofern größtmögliche Mobilität und Unabhängigkeit zu erreichen. Freilich mußte dieses Postulat "begrenzten Engagements" 20 mit dem Grundsatz pacta sunt servanda in Einklang gebracht werden. Die somit erforderliche Harmonisierung von Mobilitäts- und Bestandssicherungsinteressen 18 Zur ordnungspolitischen Funktion der Vertragsfreiheit vgl. Säcker, Zielkonflikte und Koordinationsprobleme,S. 19 f.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 119 f.; grundlegend bereits Böhm, Privatrechtsgesellschaft und Marktwirtschaft, Ordo 17 (1966), S. 75 ff.; ferner Biedenkopf, in: Festschrift für Böhm, S. 113 ff.; Mestmäcker, AcP 168 (1968), S. 235 ff.; Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 163 ff. 19 Vgl. dazu Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, S. 74 ff.; Rehbinder, Wandlungen der Rechtsstruktur, S. 202 ff.; ders., in: Festschrift für E. Hirsch, S. 141 ff.; vgl. a. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 2 S. 522 ff. 20 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 119.
A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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ist für das Recht der Dauerschuldverhältnisse durch die erst spät im 19. Jahrhundert ausgereifte und in das Bürgerliche Gesetzbuch übernommene Unterscheidung zwischen der ordentlichen frsitgemäßen und außerordentlichen fristlosen Kündigung 21 erreicht worden. 22 Die ethische Fundierung des Modells rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit schließlich wird schlaglichtartig mit dem Terminus ,,negative Vertragsfreiheit" gekennzeichnet. 23 Sie bezieht sich zunächst in ihrer staatsgerichteten Dimension auf das altliberale Postulat, daß sich der Staat jedes Eingriffs in die zwischen Privaten bestehenden Rechtsverhältnisse zu enthalten habe; das unsere Rechtsordnung prägende Trennungsdenken zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht ist davon maßgeblich beeinflußt. 24 Der privatrechtliche Aspekt negativer Vertragsfreiheit verleiht dann aber auch einem umfassenden Freiheitsverständnis, das selbst willentlich eingegangene rechtsgeschäftliche Bindungen als Beschränkung der ,,natürlichen Freiheit" im Sinne von Savigny 25 empfindet, unmittelbare privatrechtserhebliche Bedeutung. Vertragsfreiheit ermöglicht danach nicht nur, daß jeder einzelne seine Rechtsverhältnisse herrschaftsfrei ordnen kann, sondern gibt jedem einzelnen auch das Recht, sich gegen ungewollte lnpflichtnahme zu wehren. 26 2. Funktionsvoraussetzungen und Konzeptionsdefizite
In der Konzeption eines "stat pro ratione voluntas" 27 , die auf das "Leitbild des vernünftigen, selbstverantwortlichen und urteilsfähigen Rechtsgenossen" 28
21 Zur dogmengeschichtlichen Entwicklung des Kündigungsrechts in Dauerschuldverhälmissen vgl. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 21 ff. 22 Zur dogmatischen Einordnung des Kündigungsrechts als Beendigungstatbestand von Dauerschuldverhälmissen vgl. Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts,Bd. 1, S. 551 (571 ff.). 23 Vgl. nur Kramer, in: MünchKomm., Rn. 9 vor§ 145 in Gegenüberstellung der von ihm sog. positiven Abschlußfreiheit als der Freiheit, einen von beiden Kontrahenten gewünschten Vertrag abzuschließen. 24 Vgl. nur Raiser JZ 1958, S. 1 (2) und Huber, Studium generale, S. 769 ff., die diese Komponente der Vertragsfreiheit als eine Frucht des frühen politischen und wirtschaftlichen Liberalismus charakterisieren. Nachdem sich gezeigt hat, daß ein funktioneller Gegensatz zwischen der Tätigkeit des privatrechtsgestaltenden und öffentlich-rechtlichen Gesetzgebers nicht besteht, ist die Unterscheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht funktionell sinnentleert; vgl. den Überblick zum Diskussionsstand bei Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 48 ff. 25 Savigny, Das Obligationemecht als Theil des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, s. 4ff. 26 Pointiert Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 120, der den Inhalt negativer Vertragsfreiheit in seiner altliberalen Prägung mit der sinnfälligen Dichotomie zum Ausdruck bringt: "Obligation, die nicht auf Selbstbestimmung beruht, ist Zwang". 27 Vgl. Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1, 5. 2s Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 482.
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l. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
ausgerichtet und als sozial- und wirtschaftspolitisch neutrales, von einem formalen Äquivalenzprinzip ausgehenden Recht konstruiert war, konnten inhaltliche Schranken der Vertragsfreiheit grundsätzlich keine Berücksichtigung finden. Deshalb wurden beispielsweise die gemeinrechtliche "laesio enormis" oder eine "clausula rebussie stantibus" nicht in das Bürgerliche Gesetzbuch übemommen 29 und Bestimmungen zum Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des einzelnen oder aber gesamtwirtschaftlicher Interessen wurden nur sporadisch und dann nicht als Riebt-, sondern als Grenznormen 30 in das Regelungskonzept aufgenommen. Dieses klassisch paläoliberal geprägte Vertragsmodell hatte in vielen Bereichen des Rechtsverkehrs nur unbefriedigend funktioniert. Die dafür maßgeblichen Ursachen und Gründe liegen heute offen zutage, nachdem erkannt wurde, daß die Zulassung von Vertragsfreiheit nur dann als Garant eines bilateralen Interessenausgleichs und gemeinwohlbezogener Vertragsgerechtigkeit funktionieren kann, wenn bestimmte Funktionsvoraussetzungen gegeben sind. Sie im folgenden zu skizzieren, bedeutet nicht nur Bekanntes zu resümieren; sie sind zugleich der Schlüssel für das Verständnis der Entwicklung der Dogmatik des Vertragsrechts sowie für das entwickelte Verständnis rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit und schaffen damit die Grundlage für die Dogmatik wohnraummietrechtlicher Privatautonomie. Defizite des klassischen Modells zeigten sich auf sämtlichen Funktionsebenen, die die Zulassung von Vertragsfreiheit gerechtfertigt hatten. Zunächst hatte die Kritik am Wettbewerbskonzept des Ordo-Liberalismus die sozialökonomischen Grundannahmen als nur im statischen Gleichgewichtsmodell vollkommener Konkurrenz theoretisch präsumierbare, der wirtschaftlichen und sozialen Realität indes nicht angemessene Prämisse verworfen. 31 Die Phänomene der bis hin zur Monopolisierung reichenden Wettbewerbsbeschränkungen auf Gütermärkten 32 Vgl. statt vieler Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 5 ff. So Säcker, in: MünchKomm., Ein!. Rn. 28 unter Bezugnahme auf§§ 134, 138, 226 und 903 BGB, nach denen die Ausübung von Vertragsfreiheit und das Gebrauchmachen vom Eigentum zwar in die Schranken der allgemeinen Gesetzes- oder Sittenordnung gestellt ist, aber bis auf das praktsch bedeutungslose Verbot der schikanösen Rechtsausübung keine inhaltlichen Schranken errichtet sind. Vgl. aber Benöhr, ZfA 1977, S. 187 (213 ff. ), der u. a. in diesen Vorschriften eine Abkehr des historischen Privatrechtsgesetzgebers von einem liberalistischen "laissez-faire" erkennt. 31 Grundlegend Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf,insbesondere S. 187 ff. und passim; ders., Kartelle und Monopole im modernen Recht, Bd. I, S. 3 ff.; im Anschluß daran Mestrnäcker, JZ 1964, S. 441 ff.; Biedenkopf, in: Festschrift für Böhm, S. 113 fff.; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 92 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 205 ff.,; ders., Zielkonflikte und Koordinationsprobleme im deutschen und europäischen Kartellrecht, S. 20 ff. 32 Zu den privatrechtsdogmatischen Implikationen der Wettbewerbssituation auf den Gütermärkten grundlegend Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, 1933; ders, Ordo 1 (1948), S. 197 ff. Der Monopolbefund war Ausgangspunkt für die sog. Monopolrecht29
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A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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sowie des Vertragsschlusses unter Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen33 haben offenkundig gemacht, daß die Richtigkeilsgewähr des Vertrages mittels funktionswidriger lndienstnahme der Vertragsfreiheit durch den marktmächtigeren Vertragspartner beseitigt werden kann; die vom historischen Gesetzgeber noch zurückgewiesene Frage nach den Funktionsvoraussetzungen rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit ist damit zu einer ihrer Zentralfragen geworden. Die nachgerade klassische Begründung, der Vertrag sei richtig, "weil und soweit er von der beiderseitigen Selbstbestimmung der Vertragsschließenden getragen ist", 34 konnte die in der Relativierung des Selbstbestimmungsrechts durch wirtschaftliche und soziale Macht zum Ausdruck kommende Dialektik der Vertragsfreiheit allenfalls zur Kenntnis nehmen, nicht aber juristisch bewältigen. Die gewollte Verabschiedung des alten Statusrechts durch ein willenstheoretisch geprägtes Kontraktsrecht erwies sich als illusionär. Insbesondere die im Zuge produktionswirtschaftlich vorteilhafter groBindustrieller Massenfertigung erfolgende Standardisierung und Rationalisierung der Rechtsgeschäfte, die fortschreitende Tarifierung der Leistungsbedingungen im Bereich der Leistungen zur Daseinsvorsorge und nicht zuletzt etwa die in der Figur der sog. faktischen Verträge erfaßten Phänome der Rechtsbindungkraft sozialtypischen Verhaltens sowie der auf fehlerhafter Vertragsgrundlage konstituierten, aber tatsächlich in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnisse des Arbeits- und Gesellschaftsvertrages Jießen Zweifel daran aufkommen, ob die vom Willensdogma geprägte Vertragslehre diese Phänomene bewältigen konnte. Wenn auch mit Recht bezweifelt wurde, daß hierin der Beginn einer Rückentwicklung zum alten Statusrecht zu erkennen sei, da die Wesensmerkmale des Statusrechts, nämlich die zeitlich und gegenständlich grundsätzlich umfassende Gebundenheit, nicht schon durch die Tendenz zur Vereinheitlichung und Verallgemeinerung des Kontraktes erfüllt werden 35, so war doch unübersehbar geworden, daß mit dem strikt am Willensdogma konzipierten Modell von Vertragsfreiheit eine überzeugende Transformation von Sozial- in Rechtsverhältnisse nicht mehr geleistet werden konnte. Letztlich hat auch die negatorische Komponente der Vertragsfreiheit viel von ihrer ideengeschichtlichen Faszinationskraft eingebüßt. Zunehmend bildete sich ein Bewußtsein dafür, daß in einer hochgradig arbeitsteiligen Industriegesellschaft der einzelne in vielfaltiger Weise auf verschiedenartige Leistungen nicht nur im sprechung des RG zum Kontrahierungszwang (vgl. z. B. RGZ 132, S. 273 (276); 148, S. 326 (334); dazu Kahrs, Zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots, S. 113 ff.) sowie die Rechtsprechung des RG zur Inhaltskontrolle bei monopolistischer Verwendung von AGB (vgl. Raiser, Das Recht der Allgemeineinen Geschäftsbedingungen, S. 302 ff.). 33 Grundlegend L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. 34 Flume, Das Rechtsgeschäft, S. 8; ders., in: Festschrift zum lOOjährigen Bestehen des DJT, Bd. I, S. 135 (143). 35 Rehbinder, in: Festschrift für E. Hirsch, S. 141 (156); vgl. a. Kramer, Die "Krise" des liberalen Vertragsdenkens, S. 25.
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1.
Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Bereich elementarer, nichtsubstituierbarer Grundbedürfnisse ("basic needs") angewiesen ist und deshalb weniger die von negativer Vertragsfreiheit gewährleistete Abkapselung des einzelnen gegenüber Dritten, als die Frage, wie und zu welchen Konditionen der einzelne in den Genuß solcher Leistungen gelangt, zum Regelungsproblem auch der Privatrechtsordnung geworden ist. 36 Damit wurde der Rechtswert negativer Vertragsfreiheit nicht in Frage gestellt; aber zunehmend brach sich die Erkenntnis Bahn, daß die Realisierung von Freiheitsrechten maßgeblich durch die (tatsächlichen) Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme bedingt ist. Im öffentlichen Recht kam sie durch ein sich wandelndes Grundrechtsverständnis zum Ausdruck, so daß "neben das ursprüngliche Postulat grundrechtlicher Freiheitssicherung vor dem Staat die komplementäre Forderung nach grundrechtlicher Verbürgerung der Teilhabe an staatlichen Leistungen" 37 trat. Und auch im Privatrecht wurde in dem Maße, in dem erkannt wurde, daß sich Funktionsvoraussetzungen und -grenzen rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit nicht in einem System prästabilisierter Harmonie gleichsam von selbst ergeben, die Frage nach den Funktionsvoraussetzungen zum zentralen Gegenstand vertragsdogmatischer Erörterungen. Fortan wurde auch die Vertragsfreiheit als Mittel privatautonomer Rechtsgestaltung zum erklärungsbedürftigen Instrument des Privatrechts. Der "Abschied vom klassischen Vertragsmodell", 38 ein Abrükken von der altliberalen Idee der Vertragsfreiheit als einem vom Staat grundsätzlich nicht zu beobachtenden oder gar zu kontrollierenden Instrument der Rechtsgestaltung blieb unumgänglich. 111. Entwicklungstendenzen im Vertragsrecht Die Aufdeckung der Funktionsdefizite des klassischen Vertragsmodells hat eine "Krise des liberalen Vertragsdenkens" 39 bewirkt. Thre Bewältigung machte eine Fortentwicklung des Vertragsrechts erforderlich und hat einen "Funktionswandel" rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit ausgelöst. In der bereits angedeuteten Ersetzung der formalen Freiheitsethik des tradierten Vertragsrechts durch ein seine Sozialpflichtigkeit aufgreifendes und betonendes Rechtsverständnis kommt diese Entwicklung plastisch zum Ausdruck. Sie hat zwar den Bestand der Normen und Lehrsätze des traditionellen Bürgerlichen Rechts formal unberührt gelassen,
36
Zusammenfassend Bydlinski, AcP 180 (1980), S. 1 ff.; Kilian, AcP 180 (1980),
s. 47 (74).
37 BVerfGE 33, S. 303 (330); zum Wandel des Grundrechtsverständnisses vgl. nur Friesenhahn, Verhandlungen des 50. DJT, Bd. II, G 29 ff.; zum Verständnis der Grundrechte als Teilhaberechte vgl. Hesse, in: Benda I Maihofer I Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, S. 77 (96 ff.). 38 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 118. 39 So die gleichnamige Monographie von Kramer; zuvor bereits ebenso Reinhardt, in: Festschrift für Schmidt-Rimpler, S. 115 mit ausf. Nachw. in Fn. 1.
A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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aber dennoch deren ,,Regelungszuständigkeit" in Gestalt von (meist zwingenden) Sondervertragsrechten mehr und mehr begrenzt. 40 Bereits diese knappste Skizze der Entwicklung der Vertragsdogmatik und der Vertragsfreiheit macht deutlich, daß der plakative Ruf nach mehr Vertragsfreiheit im Wohnraummietrecht allenfalls im politischen Meinungsbildungsprozeß Aussagewert besitzt, als dogmatisch anspruchsvolle Aussage aber nur akzeptiert werden kann, wenn zugleich über die mit dem Ruf nach Vertragsfreiheit verbundenen Inhalte Klarheit geschaffen wird. Es gehört heute zum gesicherten Bestand der Vertragsdogmatik, daß nicht nur das Vertragsrecht schlechthin, sondern auch die Vertragsfreiheit als deren Hauptgestaltungsmittel nicht länger die traditionelle Gestalt der liberalen Epoche aufweisen. Auch wenn im Hinblick auf die schon vom Ersten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches an im Bürgerlichen Recht berücksichtigten sozialen Schutzgedanken nicht von einem "wirklichen Bruch" 41 mit dem tradierten Verständnis von Vertragsrecht und Vertragsfreiheit gesprochen werden kann, so ist doch unverkennbar, daß vor allem die "Sensibilität für Ungleichgewichtslagen" 42 stärker ausgeprägt ist. Andererseits wird zunehmend gefragt, ob nicht bereits die Grenzen der Schutzbedürftigkeit des vorgeblich Schwächeren sowohl in individualethischer als auch in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht erreicht sind. 43 Daher ist es notwendig, die Hauptlinien dieser Entwicklung des allgemeinen Vertragsrechts nachzuzeichnen, um diejenigen Wertungsgrundlagen zu ermitteln, die den Standort des Wohnraummietrechts im Wertesystem des Bürgerlichen Rechts sowie insbesondere die Bedeutung von Vertragsfreiheit für die Rechtsgestaltung im Wohnraummietrecht angeben.
1. Vertragsparität als Schlüsselproblem
Die Herausforderung der Vertragsdogmatik durch die Inanspruchnahme und Entfaltung wirtschaftlicher, sozialer oder intellektueller Macht und die dadurch bewirkte Funktionsstörung des Vertragsmechanismus hat die Vertragsparität als Schlüsselproblem der Verwirklichung inhaltlicher Vertragsgerechtigkeit ausge~ wiesen. Dem Einfluß, den die berühmte Studie Schmidt-Rimplers zu den "Grund40 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 120; mit Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 323 läßt sich daher feststellen: "Die Geschichte der Vertragsfreiheit ist die ihrer Beschränkung". 41 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 304; vgl. a. Westermann, AcP 178 (1978), s. 150 (156). 42 So in Terminologie und Bewertung Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, s. 304. 43 So namentlich Zöllner, AcP 176 (1976),S. 230 ff. für das Arbeitsrecht; grundsätzlicher Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, S. 18 ff.; für das Wohnraummietrecht Adomeit, NJW 1981, S. 2168; H. P. Westermann, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. Ill, S. 12.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
fragen einer Erneuerung des Vertragsrechts" 44 auf die Entwicklung der Vertragsdogmatik ausgeübt hat, kann sich die Privatrechtsdogmatiktrotz der ihr entgegengebrachten Kritik 45 nicht entziehen. Schmidt-Rimpler hat gezeigt, daß der Vertragsmechanismus zur Verwirklichung inhaltlicher Vertragsgerechtigkeit nur unter bestimmten Funktionsvoraussetzungen geeignet ist. Die Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus sei insbesondere dann nicht gegeben, "wenn die Freiheit der Entscheidung typisch, insbesondere wegen Abhängigkeit einer Partei von einer anderen oder wegen Unterlegenheit in der Wertungsfähigkeit fehlt" bzw. "wenn typischerweise eine Wertung und Abwägung der Rechtsfolgen nicht auf beiden Seiten stattfindet". 46 Seither ist anerkannt, daß dort, wo der einzelne nicht aufgrund freier Willensbildung und Entschließung eine Vertragsbindung eingeht, das Resultat der vertraglichen Übereinkunft besonders auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden muß. Der Vertrag und die Vertragsfreiheit taugen nur dann als Instrument zur Gestaltung der Rechtsverhältnisse aller am Rechtsgeschäft beteiligten Rechtssubjekte, wenn diese auf der Grundlage einer rechtlich und tatsächlich frei ausgehandelten Einigung die Äquivalenzbedingungen von Leistung und Gegenleistung in beiderseitiger Selbstbestimmung festlegen, nicht aber, wenn in Zonen "verdünnter Freiheit" 47 eine Ausgewogenheit des Kräfteverhältnisses zwischen den Vertragsbeteiligten fehlt. Das Vorhandensein einer Art materieller Vertragsparität 48 ist damit zum Schlüsselproblem des entwickelten Vertragsrechts geworden. 49 Die Erkenntnis von der Voraussetzungsgebundenheit rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit und ihren Störungsursachen hat die Kompensation gestörter Vertragsparität zum bestimmenden dogmatischen Postulat und zum zentralen legislativen Handlungsmaßstab privatrechtlicher Regelbildung werden lassen. Ein Verständnis der Privatrechtsordnung ohne Berücksichtigung der Vielzahl marktkompensatorischer und marktkomplementärer Verhaltensnormen ist heute nicht mehr mögSchmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 ff. Vgl. Raiser, in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. I, S. 118 f.; Flume, in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. I, S. 142 ff.; SchmidtRimpler, in: Festschrift für Raiser, S. 3 ff., in Auseinandersetzung mit den gegen seine Lehre erhobenen Einwände; dagegen auch Säcker, Gruppenautonomie und Ubermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 207 mit Fn. 15; vgl. a. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, S. 33. 46 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 157 f.; ders., in: Festschrift für Lehmann, Bd. I, S. 212. 47 Raiser, in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des DJT, Bd. I, S. 101 (126). 48 Eine Klärung der Frage, wann Vertragsparität gegeben bzw. gestört ist, ist bis heute nicht gelungen; auch die positivistischen Ansätze von Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 105 ff.; ders., JZ 1983, S. 677 (683 f.); Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, passim; v. Hippe1, Der Schutz des Schwächeren, passim, leisten diese Aufgabe nicht, weil sie zwar angeben, wann die Rechtsordnung ein Privatrechtssubjekt als unterlegen und schutzbedürftig gewertet hat, aber die Bedingungen und Voraussetzungen der Imparitätsfeststellung unbeantwortet lassen. 49 Eingehend Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 9 ff. 44 45
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lieh. Die Instrumente der Inhalts- und Billigkeitskontrolle, die funktionale Eingliederung des Wettbewerbsrechts in die Privatrechtsordnung, 50 Typen- und Formzwangregelungen sowie sonderprivatrechtliche Instrumentarien bis hin zur Beeinflussung privatrechtlicher Sachverhalte durch die Normen des öffentlichen Rechts und des Sozialrechts suchen den rechtsgeschäftliehen Handlungsfreiraum neu und so zu regeln, daß auch unter den tatsächlichen Bedingungen gestörter Vertragsparität möglichst die Ziele rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit verwirklicht werden. Die Begrenzung der von der Vertragsfreiheit selbst eröffneten Möglichkeit ihrer einseitigen, system- und funktionswidrigen Indienstnahrne durch Einschränkungen der Privatautonomie zu Lasten des überlegenen oder durch Erweiterung der Befugnisse des unterlegenen Vertragspartners ist das dominierende Prinzip entwickelter rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit, mit dem sachverhaltstypisch-abstrakt oder auch situationsspezifisch-konkret die Verwirklichung materieller Vertragsparität angestrebt wird. Exemplarisch für diese Entwicklung steht das Instrument der lnhaltskontrolle, das von der Rechtsprechung schon lange vor seiner Kodifikation durch das AGBGesetz zunächst im Zusammenhang des Vertragsschlusses unter Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen begründet wurde, 51 später über diesen Bereich hinaus Anwendung fand 52 und ansatzweise zu einem allgemeinen Kompensationsinstrument zur Bewältigung "typischer Störungen der Vertragsparität" 53 entwickelt ist. Sie hat sich von ihrem durch die sog. Monopolmißbrauchsrechtsprechung des Reichsgerichts 54 in § 138 BGB gewählten Ausgangspunkt, eine Inhaltskontrolle dort vorzunehmen, "wo der einzelne ihm ein tatsächlich zustehenVgl. dazu näher unter im 3. Kapitel unter C. Zur sog. Monopolrechtsprechung des RG vgl. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 302 ff.; Mroch, Zum Kampf gegen die unlauteren Geschäftsbedingungen S. 20 f.; vgl. schon oben Fn. 32. 52 Zur Inhaltskontrolle von Gewährleistungsausschlußklauseln in Individualverträgen vgl. BGHZ 74, S. 204 (209); BGH, NJW 1982, S. 2243; NJW 1984, S. 2094 f.; NJWRR 1986, S. 1026. Zur Inhaltskontrolle im Gesellschaftsrecht vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, insbesondere S, 59 f.; H. P. Westermann, AcP 175 (1975), S. 375 (407 ff.); ders., in: Festschrift für Westermann, S. 585 ff.; Martens, JZ 1976, S. 511 ff.; Schneider, ZGR 1978, S. 1 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 1, S. 502 f.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 5lll 4, S. 96 ff.; aus der Rspr. vgl. BGHZ 64, S. 238 (241); 8~.• S. 11 (14). Zur Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht vgl. Säcker, Gruppenautonomie und Obermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 201 ff; Westhoff, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 1975; Zöllner, AcP 176 (1976), S. 221 (243 ff.); v. Hoyningen-Huene, Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 153 f. 53 Vgl. Lieb, AcP 178 (1978), S. 196 (204); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 153 ff.; Kramer, ZHR 146 (1982), S. 105 (110 ff.); Wiedemann, in: Festschrift für Kummer, S. 175 (179 ff.); Garm, NJW 1980, S. 2783 ff.; ablehnend Ulmer, in: Ulmer I Brandner I Hensen, AGB-Gesetz, § 9 Rn. 3; v. Westphalen, DB 1981, S. 67; Staudinger-Schlosser, BGB, § 1 AGBG, Rn. 29. 54 Vgl. RGZ 20, S. 115; 62, S. 264; 99, S. 107: 103, S. 82; 115, S. 122; zur Funktion von § 138 BGB in der sog. Monopolrechtsprechung des RG vgl. Fehl, Systematik des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 48 ff., 51 f. 5o 51
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des Monopol oder den Ausschluß einer Konkurrenzmöglichkeit dazu mißbraucht, dem allgemeinen Verkehr unbillige, unverhältnismäßige Opfer aufzuerlegen, unbillige oder unverhältnismäßige Bedingungen vorzuschreiben", 55 vollständig gelöst und mit§§ 242 und 315 BGB neue, wenn auch nicht unbestritten gebliebene Rechtsgrundlagen für eine Billigkeitskontrolle solcher Verträge gefunden, in denen "der Vertragskompromiß als Gewähr dafür fehlt, daß die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt worden sind". 56 Mit der Schaffung von Kompensationsinstrumenten ging eine Rechtsentwicklung einher, die als Materialisierung des Vertragsrechts 57 gekennzeichnet wird. Namentlich die Kategorien von Treu und Glauben in § 242 BGB wurden geradezu zu einem "Einfallstor" 58 für rechtsfortbildende Materialisierungstendenzen im Bürgerlichen Recht. Obwohl der historische Privatrechtsgesetzgeber dieser Norm ursprünglich eine lediglich auf die Art der Erfüllung von Schuldverhältnissen beschränkte Bedeutung beigemessen hatte, 59 sah insbesondere die Rechtsprechung60 darin die Grundlage für eine richterliche Rechtsfortbildung, deren Bedeutung Wieacker 61 plastisch folgendermaßen charakterisiert hat: "Im Schuldrecht hat der Bundesgerichtshofvorweg dem§ 242 BGB einen völlig neuen Stellenwert gegeben. Er betrachtet ihn nicht mehr als Korrektiv und Auslegungsmaxime des Inhalts, sondern als einheitliche Grundlage der Schuld selbst, derart, daß alle anderen schuldrechtlichen Vorschriften nur als Konkretisierung dieses Prinzips selbst erscheinen ... Es kommt darin ... ein spezifischer justizpolitischer Anspruch zum Ausdruck: Wenn § 242 BGB die schuldrechtliche Grundnorm schlechthin ist, so ist es dem Richter ohne Verletzung der grundgesetzliehen Bindung an das Gesetz (Art. 20 III GG) gestattet, jede Einzelnorm des SchuldRGZ 62, S. 266. BGHZ 64, S. 238 (241); zur Entwicklung der Rspr. zur Inhaltskontrolle vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes vgl. Ulmer I Brandner I Hensen, AGB-Gesetz, l. Aufl., S. 455 ff.; zur Kritik an der Rechtsgrundlage dieser Rspr. vgl. Raiser, in: Summum ius summa iniuria, S. 145 (162 mit Fn. 44); ders., Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S. 279 ff.; Aume, Das Rechtsgeschäft, l. Aufl,. S. 671. 57 Terminologie nach Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 127; vgl. ferner Raiser, Die Zukunft des Privatrechts, insbesondere S. 24 ff.; Steindorff, in: Festschrift für Raiser, S. 621 (629 ff.); Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, insbesondere S. 78 ff.; zusammenfassend Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 12 ff., 36 ff. 58 So Roth, in: Festschrift für Bosch, S. 573 (579). 59 Vgl. Prot. I, S. 624 mit der Begründung: "denn nur bezüglich dieser Frage passe die Bezugnahme auf Treu und Glauben und auf die Verkehrssitte allgemein" . 60 Vgl. J. Schmidt, in: Staudinger, BOB, § 242, Rn. 60 ff., der der Rspr. namentlich in der Entwicklungsgeschichte des § 242 BGB bis in die 30er Jahre hinein attestiert, "Vorreiter'' der Rechtsfortbildung gewesen zu sein. Die fortgeltende Bedeutung von § 242 BOB bei der Rechtsfmdung läßt sich eindrucksvoll daran ablesen, daß durchschnittlich über 10 % der veröffentlichten höchstrichterlichen Entscheidungen mit dieser Vorschrift argumentieren; vgl. J. Schmidt, aaO. Rn. 74. 61 Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 527. 55
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rechts unter Berufung auf § 242 BGB zu modifizieren oder außer Geltung zu setzen". Gegenüber einer solchen Fortbildung privatrechtlicher Regelungen lagen zahlreiche Einwände auf der Hand. Sie rührten her von grundsätzlichen Bedenken gegenüber richterlicher Rechtsfortbildung 62 und von Bedenken gegenüber der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit privatrechtlicher Regelbildung nach § 242 BGB. 63 Die Rechtsentwicklung ist über diese Kritik hinweggegangen. Die in differenzierte Fallgruppen aufgefächerten, durch eine feingliedrige Kasuistik konkretisierten und in langjähriger Rechtsprechung gefestigten Anwendungsfalle sind längst in zahlreiche Regelsätze von allgemein anerkannter Bedeutung erwachsen. 64 Diese in rechtspragmatischer Präzisierung des § 242 BGB gebildeten Rechtssätze gelten heute als weithin unbestrittener Bestandteil des Privatrechts. Ohne die Rechte- und Pflichtenkonkretisierung durch die entwickelte Nebenpflichtendogmatik, ohne die Grundsätze der von den Instituten des Rechtsmißbrauchs und der unzulässigen Rechtsausübung geprägten Rechtsbeschränkung bzw. Rechtsgewährung und schließlich ohne die von der Geschäftsgrundlagenlehre ermöglichte richterliche Anpassung oder Aufhebung von Rechtsgeschäften im Hinblick auf veränderte Umstände, wäre die Dogmatik des entwickelten Schuldrechts nicht mehr hinreichend beschrieben. Die Materialisierung kommt weiter in einer verstärkten Betonung von Gestaltungselementen des Privatrechts zum Ausdruck, die neben dem Grundsatz rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung "objektive Gestaltungskräfte" 65 im Vertragsrecht wirksam werden lassen. Die Weiterentwicklung des formalen zu einem materialen Äquivalenzprinzip 66 steht ebenso beispielhaft für diese Entwicklung wie die Diskussion um die Beachtlichkeit von Gemeinwohlinteressen innerhalb 62 Hedemann, Die Flucht in die Generalklauseln, insbesondere S. 66 ff.; A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, insbesondere S. 86 ff. im Hinblick auf die sog. Aufwertungsrspr. des RG. 63 Vgl. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des§ 242 BGB, insbesondere S. 36 ff. im Hinblick auf die von ihm als ,,rechtsethische Durchbrüche durch das Gesetzesrecht" bezeichneten Fallgruppen der Aufwertungsrspr. und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 64 Vgl. nur die Darstellungen bei Palandt I Heinrichs, BGB, § 242 Anm. 4- 9; Roth, in: MünchKomm., § 242 Rn. 17 ff., 106 ff.; vgl. a. J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, § 242 Rn. 74 unter Hinweis darauf, daß die Rspr. heute in zahlreichen Fällen mit "Gewohnheitsrecht" argumentieren kann, in denen das RG noch mit § 242 BGB operierte; speziell zur Dogmatik von Informationsleistungspflichten im System des Privatrechts vgl. Winkler v. Mohrenfels, Abgeleitete Informationsleistungspflichten im deutschen Zivilrecht, S. 19 ff. 6S So Reinhardt, Die Vereinigung subjektiver und objektiver Gestaltungskräfte im Vertrage, in: Festschrift für Schmidt-Rimpler, S. 115 ff. 66 Vgl. Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, S. 36 f.; Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), S. 30 ff., insbesondere 53 ff.; vgl. a. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. 103 ff., 151 ff.
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der Vertragsdogmatik 67 bzw. die Berücksichtigung von Verkehrs- und Vertrauensschutzmomenten. 68 Rechtskonstruktive Grundlage für diese Entwicklung bildeten die vereinzelten Bestimmungen zum Schutz der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des einzelnen, vor allem aber die in den Vorschriften der §§ 138, 226, 826 BGB für beachtlich erklärten überindividuellen, im Begriff der "guten Sitten" umschriebenen normativen Ordnungsgesichtspunkte. Darauf aufbauend ist im Zuge der Rechtsentwicklung das Äquivalenzprinzip zu einer den Selbstbestimmungsgrundsatz ergänzenden Ordnungsmaxime des Bürgerlichen Rechts entwickelt worden, die - vornehmlich von Wieacker69 und Coing 70 glänzend beschrieben - die Bewältigung der Aufwertungssachverhalte, die Konkretisierung der Anpassung der Gegenleistung an eine die Geschäftsgrundlagen zerstörende Änderung der tasächlichen, dem Geschäftsabschluß zugrundeliegenden Umstände, die Behandlung der Fälle überobligationsmäßiger wirtschaftlicher Schwierigkeiten bei der Leistungserbringung oder etwa das Überschreiten der Opfergrenze möglich gemacht haben. Bydlinski 11 hat dann später im Anschluß an den von Wilburg 72 ursprünglich zum Schadensersatzrecht entwickelten Gedanken der kombinatorisch abgestuften Erfassung der verschiedenen im Vertragsrecht wirksamen Gestaltungskräfte die Grundlagen für die dogmatische Erklärung des entwickelten, normativ angereicherten Konsensmodells des bürgerlichen Vertragsrechts geschaffen, das den Gedanken der willentlichen Selbstbestimmung durch den Vertragsschluß aufrechterhält und zugleich die Forderungen an ein sozialstaatlich geprägtes Vertragsrecht, die durch den Verkehrs- und Vertrauensschutzgedanken, den der inhaltlichen Äquivalenz sowie den der Vertragstreue konkretisiert werden, zu integrieren vermag. 73 Die von Bydlinski im nämlichen Zusammenhang geäußerte Kritik, der Gemeinwohlgedanke sei zur Begrenzung der Privatautonomie kaum geeignet, da "die Rechtsordnung . . . gewiß auch durch die Anerkennung der privatautonomen Selbstgestaltung das Gemeinwohl zu fördern unternimmt", 74 war ihrerseits kaum 67 Steindorff, in: Festschrift für L. Raiser, S. 621 (627 f.); Mestmäcker, in: Festschrift für Böhm, insbesondere S. 410 ff.; eingehend auch Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 51 ff., 76 ff. 68 Zur Konzeption des vertrauenstheoretisch angereicherten, normativen Konsensmodells der Rechtsgeschäftslehre vgl. Pawlowski, Rechtsgeschäftliche Folgen nichtiger Willenserklärungen, S. 232 ff.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. 66 ff., 126 ff.; Kramex, Grundfragen der vertraglichen Einigung, S. 152 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Ubermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 161 ff.; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 110 ff. 69 Zusammenfassend in: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 520. 10 Coing, in: Festschrift für Dölle, S. 25 (38). 11 Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, s. 122 ff. 72 Wilburg, Elemente des Schadensrechts, 1941. 73 Diese ,,normativen Kräfte" hat Bydlinski (aaO. Fn. 71, S. 122 ff.) als die vier Hauptgrundsätze des Rechts der verpflichtenden Rechtsgeschäfte herausgestellt.
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überzeugend begründet. Sie hielt es nicht für möglich, daß aus dem Regelungsziel privatrechtlicher Normen Ordnungselemente für die Beurteilung privatrechtliehen Handeins gewonnen werden können. Es ist aber das Verdienst von Rebe, 75 nachgewiesen zu haben, daß im Wege einer funktionalteleologischen Auslegung privatrechtlicher Rechtsinstitute durchaus Schlüsselgrößen für die Kontrolle der Gemeinwohlkonformität rechtsgeschäftliehen Handeins gefunden werden können. Rebe ist damit dem Einwand, das Gemeinwohlkriterium sei zu vage, um daraus konkrete Privatrechtssätze ableiten zu können, überzeugend entgegengetreten. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Schutz von Grundprinzipien der Wirtschaftsordnung nach dem Maßstab des § 138 BGB haben in diesem Kontext exemplarische Fallgruppen zur Konkretisierung der von der Gemeinwohlmaxime geforderten Verhaltensanforderungen gebildet76 und in der Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht rankt sich um den Gemeinwohlgedanken eine weitverzweigte Einzelfallsystematik, 77 die den konkreten Ordnungsbezug dieses normativen Gestaltungselements ebenfalls belegt. Ungleich problematischer hat sich die Berücksichtigung des von den Vertretern einer "ökonomischen Analyse des Rechts" 78 propagierten Gemeinwohlbezuges der vertraglichen Werteordnung für die Erklärung und Fortentwicklung des Vertragsrechts erwiesen. Zwar verfolgen auch sie insofern ein gemeinwohlorientiertes Forschungsinteresse als sie die gesamtwirtschaftliche Güterverteilungsleistung des Vertragsrechts analysieren. Dabei lassen sie allerdings vorwiegend ökonomische Leistungskriterien gelten und untersuchen die Bedingungen, die das Vertragsrecht im Interesse einer ökonomisch optimalen Ressourcenallokation und einer Minimierung sozialer Kosten zu erfüllen hätte. Der potentielle Konflikt zwischen den Maximen ökonomischer Effizienz und sozialstaatsverpflichteter daseinsfürsorglicher Sonderwertung wird allenfalls als Untersuchungs- und Modellprämisse gesehen, nicht aber als Problem der Gemeinwohlförderung akzeptiert. "Ökonomische Suboptimalität" erscheint im Gegenteil notwendig als gemeinwohlschädlich. Insofern leistet die ökonomische Analyse des Rechts eine anspruchsvolle Erklärung und Kritik der ökonomischen Effizienz des Vertrags-
74 Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. I 05. 75 Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 76 ff. 76 Vgl. die Nachw. bei Palandt I Heinrichs, BOB, § 138 Anm. 3 b. 77 Zum ,,sozialrechtlichen" Schutzzweck des UWG vgl. zusammenfassend Baumbach I Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 41 f.; Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 17 f. jeweils mit umfassenden Nachw. 78 Vgl. für den deutschen Rechtskreis allgemein Assmann I Kirchner I Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse des Rechts; Rahmsdorf I Schäfer, in: Voigt (Hrsg.), Verrechtlichung, S. 94 ff.; Behrens, Rechtstheorie 12 (1981), S. 472 ff.; Salje, Rechtstheorie 15 (1984), S. 277 ff.; Kübler, in: Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 140 n. F., S. 105 ff; Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1985.
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rechts, vermag aber keinen Beitrag zur Verwirklichung der Funktionsvoraussetzungen rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung zu leisten. 79 Seitdem durch Nipperdeys Lehre von der Drittwirkung der Grundrechtsbestimmungen gegen die freiheitsgefahrdende Wirkung der Entfaltung privater Macht der Einfluß der in den Grundrechts- und Staatszielbestimmungen des Grundgesetzes enthaltenen Wertentscheidungen auf das Privatrecht rechtsgrundsätzlich gesichert ist, 80 haben vom Verfassungsrecht ausgehende Rechtsfortbildungsansätze den Prozeß der Materialisierung des Vertragsrechts unterstützt. Vor allem der Sozialstaatsgedanke der Art. 20, 28 GG hat dabei maßgeblichen Einfluß gehabt und galt für manche gar als verpflichtendes Postulat für eine Entwicklung vom liberalen zum sozialen Privatrecht, 81 das es gebieten kann, "allgemeine privatrechtliche Rechtsinstitute oder Normen zu modifizieren, bzw. sich rechtsfortbildend von ihnen zu lösen, wenn und soweit die betreffende Lebenssituation beherrscht ist vom Schutzbedürfnis aus existentieller Betroffenheit, von einer kollektiven Ordnung innerhalb einer Gruppe oder von gesamtwirtschaftlichen Ordnungszwängen". 82 Von anderer Seite wurde vor einer unreflektierten Übernahme des Sozialstaatsgedankens gewarnt. 83 Angesichts der Vagheit des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips ist diesen Warnungen ein berechtigter Kern nicht abzusprechen. Das Grundgesetz hat weder die Rechtsnatur noch den Inhalt des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips definiert und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat nicht zufällig Zurückhaltung bei der Anwendung dieses Grundsatzes für die verfassungsrechtliche Prüfung geübt. 84 Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu bestimmter sozialer Aktivität, auf die womöglich ein unmittelbar einklagbarer Rechtsanspruch besteht, wird selbst von 79 Zur Kritik vgl. Horn, AcP 176 (1976), S. 307 ff.; Köhler, ZHR 144 (1980), S. 589 ff.; Hotz, WuR 34 (1980), S. 293 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 14 f.; Weber, in: Festschrift für Meier-Hayoz, S. 419 (425 ff., 427 ff.). 80 Vgl. Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 15; Nipperdey I Wiese, in: Settermann I Nipperdey, Die Grundrechte, Bd. IV 12, S. 741 (752 ff.). Umstritten ist dagegen das in der Lehre von der unmittelbaren bzw. mittelbaren Drittwirkung zum Ausdruck kommende Verhältnis von Grundrechten und Privatrecht; vgl. dazu zuletzt Canaris, AcP 184 (1984), S. 201 ff. mit umfangreichen Nachw. 81 PointiertE. Schmidt, JZ 1980, S. 153 ff.; vgl. a. Esser I Schmidt, seit der 5. Aufl. des Schuldrechtslehrbuchs, insbesondere Allgemeiner Teil, S. 239 ff; dazu J. Schmidt, AcP 176 (1976), S. 381 ff.; ferner Limbach, JuS 1985, S. 10 ff.; vgl. a. Raiser, JZ 1958, S. 1. 3 ff.; ders., in: Festschrift ftir Fechner, S. 57 (73). 82 Westermann, AcP 178 (1978), S. 150 (179). 83 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 280 ff. 84 So Rupp-v. Brunneck in ihrer abweichenden Meinung zum Beschluß des Ersten Senats des BVerfG vom 12.12.1973- BVerfGE 36, S. 247 (248) unter Hinweis auf Zacher, AöR 93 (1968), S. 341 (360 ff.); Reiner Schmidt, in: Rechtsstaat- Sozialstaat, hrsg, von W. Weyer, S. 39 ff.; Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot. In seinem Beschluß vom 7.2.1990 (BB 1990, S. 441) hebt das BVerfG allerdings hervor: "Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ... müssen staatliche Regelungen eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern."
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denjenigen nur in Ausnahmefällen befürwortet, die in den das Sozialstaatsprinzip tragenden Verfassungssätzen nicht nur staatszielorientierte programmatische Forderungen sehen, sondern sie als ,,Ermächtigung und Auftrag an den Gesetzgeber zur Gestaltung der Sozialordnung" verstehen. 85 Selbst ein auf die Herstellung und Wahrung sozialer Gerechtigkeit, auf die Beseitigung sozialer Bedürftigkeit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit des sozial Schwächeren gestützter Auftrag beläßt aber dem Gesetzgeber einen großen Entscheidungsspielraum. 86 Andererseits ist eine kategorische Disjunktion von freiR.eitlichem und sozialem Privatrecht nicht anzuerkennen, auch wennjede vom Sozialstaatsgedanken getragene Intervention im Vertragsrecht zu einer schwierigen Gratwanderung veranlaßt, die Rehbinder 81 hervorragend beschreibt, wenn er sozialstaatlich geprägtes Privatrecht als den Versuch kennzeichnet, "den einzelnen im Wege der Daseinsvorsorge eine gewisse soziale Sicherheit zu gewähren, indem es sozial abgestufte Rechtspositionen einräumt, ohne dadurch die Freiheit des Erwerbs günstigerer Rechtspositionen durch individuelle Leistung zu verstellen. Im Gegenteil: Es versucht, diese individuelle Leistung .. . durch eine Art Hilfestellung im Wege der Herstellung materieller Rechtsgleichheit hervorzurufen". Nicht mehr grundsätzlich zweifelhaft ist aber, daß sich solche daseinsfürsorgliche Hilfestellungen in vielerlei Hinsicht als für die Verwirklichung der Selbstbestimmung des einzelnen unabweisbar erwiesen haben. Die Vielzahl sozialstaatlieber Regeln des Privatrechts zum "Schutz des Schwächeren" und des Verbrauchers sind dafür ein eindrucksvoller Beleg. 88 Insofern von blindem Sozialschutz zu reden, hieße das intensive Bemühen zu verkennen, die Regelungsaufgabe und Regelungsmechanismen im Vorfeld der Verabschiedung spezifischer Schutzregeln rechtspolitisch zu definieren, ihre Konkordanz mit den in der Rechtsordnung vorgefundenen Wertungen sowie ihre Vereinbarkeil mit dem Koordinatensystem der Rechtsdogmatik zu gewährleisten. Von einem Paradigmenwechsel im Vertragsrecht, der in einem Umschwung des ehemals kompetetiven zu einem kooperativen Vertragsmodell 89 oder gar einer Abkehr von der Privatautonomie zu einer Sozialautonomie 90 kann derzeit nicht gesprochen werden. Weder stellt der Materialisierungsprozeß die Zulässig85 So ausdrücklich BSGE 6, S, 213 (219); vgl. ferner Badura, Staatsrecht, D 33 ff.; Benda, in: Benda/ Maihofer I Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, S. 477 (509 ff.), jew. mit weit. Nachw. 86 BVerfGE 18, S. 257 (273); 29, S. 221 (235); 59, S. 231 (263); vgl. statt vieler i. ü. nur Benda, NJW 1979, S. 1002 ff. In erster Linie ist deshalb der Gesetzgeber aufgerufen, das Sozialstaatsprinzip zu verwirklichen, so BVerfGE 65, S. 182 (193). 87 Rehbinder, in: ders. (Hrsg.), Recht im sozialen Rechtsstaat, S. 13 (17). 88 Vgl. die Zusammenstellung bei Westermann, Verbraucherschutz, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. III, S. 1 (23 ff.); v. Hippe!, Verbraucherschutz, S. 183 ff. 89 So aber Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 89. 90 So E. Schmidt, JZ 1980, S. 153 ff.
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keit kompetetiven Ringens der Vertragsparteien um die Maximierung des je eigenen Vorteils durch den Vertragss·chluß in Frage, noch trifft es zu, daß die leistungsbezogenen Nebenpflichten, Mitwirkungs-, Schutz- und Aufkärungspflichten, Auskunfts- sowie Rechenschaftspflichten in einem kompetetiven Vertragsmodellkeinen Platz finden. Die begrenzte Verantwortung für das Gelingen des Vertrages beseitigt nicht den strukturellen Antagonismus der Leistungsinteressen der Vertragspartner; 91 sie schafft keine rechtsverbindliche Verpflichtung, solidarisch für die Interessen des Vertragspartners einzustehen oder diesem ein faires Geschäft zu garantieren. Schließlich ist der Nachweis, daß über die Beachtlichkeit der vom Sozialstaatsgedanken getragenen Einzelwertungen hinaus eine Neukonzeption der Grundlagen des Privatrechts schlechthin erfolgt sei oder auch nur möglich wäre, bislang nicht geführt, zumal Auswirkungen und verfassungsrechtliche Legitimitätsvorstellungen bezüglich einer solchen Konzeption, die private Wohlfahrtvorstellungen im Bereich des Vertragsrechts an sozialautonomen gesellschaftlichen Maßstäben zu messen, noch kaum ausgelotet sind. Hönn hat vielmehr zu Recht darauf verwiesen, daß die Privatautonomie gerade wegen der Integration sozialstaatsgetragener, wohlfahrtsökonomischer Elemente an innerer Glaubwürdigkeit gewonnen habe. 92
2. Institutionelle Schranken der Vertragsfreiheit "Die Rechtsordnung gäbe sich selbst auf, wenn sie die einzelnen Subjekte ermächtigte, sich über das Recht hinwegzusetzen und die Privatautonomie zu schutzunwürdigen Zwecken zu gebrauchen". 93 Mit diesem Lehrsatz hat Raiser die Programmatik der Institutionenschutzlehre beschrieben. Danach zählt zu den Regelungsaufgaben der Privatrechtsordnung nicht nur der Schutz der Entfaltung der Einzelperson durch Zuteilung subjektiver Rechte, sondern gleichfalls die "Entfaltung und Sicherung der unser gesellschaftliches Leben durchziehenden Institutionen durch die Ausbildung entsprechender Rechtsinstitute kraft objektiven Rechts". 94 Als privatrechtstheoretisches Postulat hat dieser Ansatz breite Resonanz gefunden, nicht zuletzt deshalb, weil er im Sozialstaatsgedanken eine verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage findet. Der privatrechtsrelevante Inhalt des verfassungsrechtlichen Sozialstaatspostulats war durch die Ansätze zu einer Materialisierung des begrifflich formal konzipierten Privatrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch erst hinsichtlich seiner gewährenden Funktion privatrechtsdog91 Von einem Paradigmenwechsel sprechen dagegen Hart/ Joerges, in: Wirschaftsrecht als Kritik des Privatrechts, S. 83 ff., 229 f.; Reifner, Verbraucherverschuldung, s. 91 ff. 92 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 304; vgl. a. Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, S. 54 ff. 93 Raiser, in: Summum ius summa iniuria, S. 145 (162 f. Fn. 44). 94 Raiser, in: Summum ius summa iniuria, S. 145 (148).
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matisch aufgearbeitet worden. Der Versuch, auch die gewährleistende Funktion des Sozialstaatsgedankens für das Privatrecht fruchtbar zu machen, wurde erst von der Institutionenschutzlehre unternommen. 95 Die rechtssatzhafte Konkretisierung gehört indes zu den erst ansatzweise bewältigten Problemen der immanente Grenzen der Vertragsfreiheit postulierenden Institutionenschutzlehre. Die Verwendung des Institutionenbegriffs als Schranke der Vertragsfreiheit läuft Gefahr, den Wertungsgehalt einzelner Rechtsnormen oder Normenkomplexe zu übersteigern und kann so das methodische Gerüst für eine subjektiv-willkürliche Interessenbewertung abgeben, wie Rüthers insbesondere für den Rückgriff auf außerrechtlich gebildete Institutionenbegriffe nachgewiesen hat. "Jede metaphysisch gedeutete Institution wirkt im Sinne einer Leerformel mit auswechselbarem Inhalt. Das institutionelle Argument ist ein Korrekturinstrument an der Kodifikation. Es vernebelt die Übernahme gesetzgebender Funktionen durch den Interpreten und es erlaubt den in einer pluralen Gesellschaft konkurrierenden weltanschaulichen Gruppen, ihre jeweilige rechtspolitische Forderung als geltendes Recht auszugeben". 96 Institutionelles Rechtsdenken stößt dann an die von Art. 20, 97 GG errichteten verfassungsrechtlichen Grenzen der Gewaltenteilung bzw. der Gesetzesbindung des Richters. Eine dogmengerechte Institutionenschutzlehre muß daher an den von der Rechtsordnung vorgezeichneten Rechtsinstituten ausgerichtet sein. Rechtsinstitutionelle Verbindlichkeit in diesem Sinne können die dispositiven Vorschriften des Schuldrechts beanspruchen, die z. B. in der von Nipperdey begründeten Auffassung Niederschlag gefunden hat, daß Abweichungen von den in den schuldrechtlichen Dispositivnormen verankerten Ordnungsvorstellungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen nur zulässig seien, wenn sie sachlich begründet und inhaltlich angemessen seien. 97 Mit der Verabschiedung des AGB-Gesetzes hat diese Auffassung durch die§§ 8, 9 AGB-Gesetz positivrechtliche Bedeutung erlangt, indem damit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen kodifiziert wurde, die schon vor Verabschiedung des AGB-Gesetzes die Ergebnisse der durch die Dispositivnormen des Schuldrechts konkretisierten Institutionenschutzlehre in der sog. Leitbildrechtsprechung 98 vorweggenommen hatte. Die noch weitergehende Auffassung Riedenkopfs, Allgemeine Geschäftsbe95 Vgl. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, insbesondere S. 321 ff.; ders., ZHR 135 (1971), S. 336; ders., Schuldrecht, Bd. 1, 4. Aufl., § 6 II; Mestmäcker, JZ 1964, S. 441 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 71 II; Rüthers, Institutionelles Rechtsdenken im Wandel der Verfassungsepochen, S. 18 ff.; Biedenkopf, in: Festschrift für Böhm, S. 134; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 216 ff. mit weit. Nachw. in Fn. 42; Kramer, Die ,Krise' des liberalen Vertragsdenkens, S. 50 ff.; Schmidt-Salzer, WiR 1972, S. 106. 96 Rüthers, Institutionelles Rechtsdenken im Wandel der Verfassungsepochen, S. 63. 97 Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 49 III. 98 Zusammenfassend BGH, NJW 1975, S. 163 (164) mit weit. Nachw.; vgl. ferner Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz, S. 74 f.
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dingungen, die zugunsten des Verwenders vom Gesetz abweichen, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Privatautonomie für unwirksam zu erklären und damit ein generelles Verbot von Normenverträgen zu statuieren, 99 hat vom Standpunkt der Institutionenschutzlehre eine differenzierte Kritik erfahren. 100 Grundsätzlich überschreitet nicht der Normenvertrag schlechthin, sondern erst die von ihm ermöglichte unangemessene Benachteiligung des Gebundenen die immanenten (institutionellen) Schranken der VertragsfreiheiL Deshalb auch statuieren gerade die Regeln der§§ 8, 9 AGB-Gesetz kein generelles Verbot von Normenverträgen; die von diesen Vorschriften errichteten Schranken gegenüber einer Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch einen überlegenen Vertragspartner werden erst gegen den Nachweis einer unangemessenen Benachteiligung des "Normsetzungsbetroffenen" überschritten. Es gibt aber auch normative Wertvorstellungen von solch fundamentalem Gerechtigkeitsgehalt, daß "generell und ohne Abwägung im Einzelfall" 101 Abweichungen durch Normenverträge unzulässig sind; insoweit - darauf beruhen auch die Klauselverbote des § 11 AGBGesetz - besteht in der Tat ein Normsetzungsverbot. 102 Die von der Institutionenschutzlehre vermittelte Einsicht in die immanenten Schranken der Vertragsfreiheit bewältigt die Herausforderung der "Dialektik der Vertragskategorie". 103 Indem sie aufzeigt, daß der von den Bestimmungen der §§ 305, 241 , 134, 138 BGB gewährte Handlungsfreiraum weiter reichen kann als der Handlungsfreiraum, der nach dem normativen Sinn einzelner Vertragstypen gerechtfertigt ist, und Vertragsfreiheit somit sowohl als Instrument der Selbstbestimrnung des einzelnen zur Verwirklichung rechtsgeschäftlicher Privatautonomie beitragen, als auch eine Tendenz zur einseitig belastenden Abschaffung der Selbstbestimmungsmöglichkeit enthält, gibt sie eine privatrechtstheoretisch fundierte, sozialstaatsgemäße Handhabe gegenüber einer funktions- und institutio99 Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung und Wirtschaftverfassung,S. 128 ff. 100 Grundlegend Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 40 unter Hinweis darauf, daß das positive Recht die Grenzen der Vertragsfreiheit ziehe; daß private Normsetzung durch Vertrag nicht schlechthin als unzulässig gewertet wird, zeigt sich etwa in den Ausnahmen vom Kartellverbot des § 1 GWB einerseits (vgl. in diesem Sinn Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 215 f.) und den Kontrolltatbeständen des AGB-Gesetzes andererseits, die wie§§ 9, 10 AGB-Gesetz die Unwirksarnkeitsfeststellung erst nach einer wertenden Betrachtungsweise zulassen. 101 So die Regierungsbegründung zu§ 11 AGB-Gesetz, BT-Drcks. 7/3919, S. 24, 27. 102 Von Normsetzung kann freilich im AGB-Zusarnmenhang nur in einem funktionellen Sinn gesprochen werden (so auch Helm, in: Festschrift für Schnorr von Carolsfeld, S. 133), weil im Hinblick auf§ 1 AGB-Gesetz der tradierte Streit um die vertragsrechtliehe Rechtsnatur Allgemeiner Geschäftsbedingungen positivrechtlich entschieden ist; neuerdings aber wieder kritisch Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 103 Kramer, Die ,Krise'des liberalen Vertragsdenkens, S. 49, 54 in Übernahme der von F. Neumann, Der Funktionswandel des Gesetzes, S. 25 geprägten Terminologie.
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neowidrigen Indienstnahme rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit. Die Erkenntnis wurde deshalb auch zum Wegbereiter für die Einbindung der Normativbestimmungen des Wettbewerbsrechts in die Privatrechtsdogmatik, 104 weil "die Verwendung der Privatrechtsinstitute für die Zwecke der Marktbeherrschung .. . sie aus dem privatrechtliehen Systemzusammenhang (löst)". 105
3. Funktionalisierung des Vertragsrechts
Die bislang vorgestellten Entwicklungstendenzen stimmen trotz der verschiedenartigen Ansätze zur Fortbildung des Privatrechts grundsätzlich darin überein, daß sie seine klassischen Kategorien, nämlich die Prinzipien von Autonomie und Kooperation, Gewährung individueller Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung auch dann nicht in Frage stellen, wenn sie zur Behebung der Punktionsdefizite rechtsgeschäftlicher Privatautonomie und Vertragsfreiheit die Einführung marktkomplementärer und -kompensatorischer Instrumente fordern. Es wurde aber auch festgestellt, daß Privatrechtsnormen, die eingebunden sind, in den staatlichen Steuerungs- und Lenkungsapparat auf Zwecke festgelegt werden, die außerhalb ihrer traditionellen Ordnungsfunktionen liegen. Diese Zivilrechtsnormen verfolgen Gestaltungsaufgaben, mit denen von einer nur dienenden Funktion gegenüber autonomen Entscheidungen der Privatrechtssubjekte gelöste, heteronome Ordnungsvorstellungen formuliert und umgesetzt werden. In der Theorie der Funktionalisierung des Privatrechts hat diese Erkenntnis Ausdruck gefunden. Einige charakteristische Stimmen sollen dieses Konzept funktionalistischer Privatrechtstheorie beleuchten.
Ludwig Raiser 106 hat die Abgrenzung von klassischer, gegenüber wirtschaftsund sozialpolitischen Zielsetzungen autarker Privatrechtsheorie und dem funktionalen Ansatz danach getroffen, "ob die in einem Bereich bestehenden Rechtsverhältnisse und Rechtsinstitute nur oder wenigstens ganz überwiegend die Beteiligten selbst berühren, so daß sich die Rechtsordnung damit begnügen kann, die Freiheits- und Machtsphären gegeneinander abzugrenzen ... Immer wichtiger werden nach dem Gesagten die Lebensbereiche, deren Bedeutung die private Sphäre übersteigt, die die Öffentlichkeit tangieren und darum auch der rechtlichen Ordnung bedürfen, die diesem Faktor Rechnung trägt .. . Je stärker der Öffentlichkeitsgehalt in den Vordergrund tritt, desto stärker werden auch bei der Handhabung der Normen und Rechtsinstitute des Privatrechts neben oder anstelle der ,,klassischen", auf die Einzelperson und ihren und Gestaltungswillen bezogenen Rechtsprinzipien die schon eingangs genannten neuen, vom Grundgedanken der sozialen Verantwortlichkeit bestimmten Grundsätze zur Geltung
104 105 106
Vgl näher unten im 3. Kapitel unter C. Biedenkopf, ZBemJV 108 (1972), S. 24. Die Zukunft des Privatrechts, S. 27 f. , 29 f.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
bringen. Wo auch diese Grundsätze nicht ausreichen, um die gesellschafts- und wirtschaftspolitisch erwünschte Ordnung herzustellen, muß das öffentliche Recht teils ergänzend und stützend, teils beschränkend und korrigierend eingreifen".
Großfeld 107 fordert: "Das Zivilrecht soll nicht nur individuelle Freiheit gewährleisten, sondern freiheitlich geordnete Lebensbereiche. Diese gesellschaftliche Freiheit aber verwirklicht sich in Institutionen als ,,k:ürzelhaften" Verdichtungen der Freiheits- und Gleichheitswerte. Das Zivilrecht hat insofern in seinen Institutionen eine über das Individuum hinausgreifende Ordnungsfunktion für das Gemeinwohl. Es ist nicht nur Instrument, nicht nur Spielball mächtiger Interessenten, sondern selbst Gestaltungselement zur Durchsetzung der in einer Gesellschaft geltenden Grundwerte. Es ist das wesentliche Ordnungseie ment zur Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen in einer sich als freiheitlich verstehenden Gesellschaft".
Kühler 108 stellt fest: "Die klassischen Zivilgesetzbücher orientieren sich am Leitbild eines minutiös durchgeplanten, die regelungsbedürftigen Konflikte lückenlos erfassenden, auf die Dauer angelegten Normengefüges. Dieses Ideal einer bestimmten Rechtsordnung verlangte freilich die rigorose Begrenzung ihrer Aufgaben: Sie mußte sich aus der unmittelbaren Lenkung der sozialen Abläufe zurückziehen und sich mit der Funktion einer institutionellen Rechtsordnung begnügen, die den sich selbst steuernden und die Fähigkeit dazu automatisch regenerierenden - sozioökonomischen Prozessen nur noch die unerläßlichen Randbedingungen ihrer Wirkungsmöglichkeit gewährleistet; diese Reduktion war der Preis für die Plausibilität des Postulats einer definitiven und abschließenden Regelung. Das sich seit der Jahrhundertwende rasch entwickelnde Instrumentarium staatlicher Sozial- und Wirtschaftspolitik ließ sich nur vorübergehend als sachlich eng begrenzte und deshalb für die juristische Praxis wenig signifikante Ausnahme vom Regelfall der Kodifikation verstehen. Mittlerweile wird immer deutlicher, daß sich die Beispiele "Ordnungsgesetz" und "Maßnahmegesetz" im Hinblick auf das geltende Recht nicht mehr als Gegensätze, sondern allenfalls noch zur Bezeichnung gradueller Unterschiede verwenden lassen. Denn die Rechtsordnung insgesamt und nicht zuletzt der Komplex des Privatrechts, wird zunehmend in den Dienst verhaltenssteuernder und redistributiver, also sozialgestaltender Tagesaufgaben gestellt und damit zur persönlichen Anpassung an sich verändernde Situationen und Erwartungen genötigt".
Die Stellungnahmen zeigen, daß die funktionalistische Privatrechtstheorie sich nicht damit begnügt, die Rahmenordnung abzustecken, innerhalb derer sich dann Privatrecht ereignen kann, sondern selbst verhaltenssteuernde und -lenkende Aufgaben beansprucht. Sie beschreibt ein Modell, das sich in Anlehnung an die Theorie der "mixed economy" des Wirtschaftsrechts 109 als Theorie einer gemischten Privatrechtsverfassung charakterisieren läßt. Modellhaft verspricht es einen Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, S. 82. Über die praktischen Aufgaben zeitgemäßer Privatrechtstheorie, S. 47 ff. 109 Vgl. dazu Assmann, Wirtschaftsrecht in der Mixed Economy, insbesondere s. 229 ff., 278 ff. 107
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komplexen Anspruch zu realisieren, nämlich möglichst richtigkeitsoptimale Ergebnisse in einzelnen Privatrechtsverhältnissen zu erzielen und gleichzeitig individuelle Entscheidungs- und Handlungsautonomie, aber auch gesellschaftliche Politikziele zu gewährleisten. Funktionalistische Privatrechtstheorie beschreibt freilich zuallererst ein privatrechtspolitisches Programm und erhebt nur andeutungsweise den Anspruch, zur Beschreibung und Erklärung der positivrechtlichen Normen des Zivilrechts beitragen zu wollen. 110 Steindorff111 erkennt zwar etwa in den Haftungsgrundsätzen der Produzentenhaftung aus Organisationsverschulden, mit denen das Zivilrecht auf die Gestaltung der Unternehmensorganisation durch Statuierung deliktsrechtlich sanktionierter Organisationspflichten Einfluß nehme, weiter im Unternehmensschutz des Personengesellschaftsrechts und im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzrecht Ansätze einer positivrechtlichen Umsetzung funktionalistischer Privatrechtstheorie. Den Nachweis systemstiftender Verbindungslinien zwischen diesen Sachverhalten ist auch er schuldig geblieben. Ob ein solcher Nachweis überhaupt erbracht werden kann, erscheint zweifelhaft, weil durch die Anreicherung der traditionellen privatrechtliehen Gewährleistungs- und Ordnungsaufgaben mit Wirtschafts- oder sozialpolitischen Steuerungsaufgaben das Privatrecht als "Instrument gesellschaftlicher Entwicklung" seine systemstiftende Konsistenz einbüßen müßte. 112 Damit ist die Legitimität funktionalistischer Privatrechtstheorie nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Wenn sie sich aber nicht auf Beiträge zur rechtspolitischen Diskussion beschränken, sondern zur rechtsdogmatischen Entwicklung beitragen will, muß sie die Bedingungen und Voraussetzungen, die zur Funktionalisierung des Privatrechts führen, aufzeigen. Die insoweit vorhandenen Ansätze stehen abgesehen von primär wirtschaftsrechtlich orientierten Untersuchungen, die hier unberücksichtigt bleiben sollen, erst in den AnHingen. Funktionalisierungsanlaß im vertragsrechtliehen Bereich besteht - darauf hat insbesondere Assmann 113 hingewiesen- vor allem dann, wenn der Wettbewerb als Steuerungsinstrument des Privatrechtsverkehrs global oder in Teilbereichen (sog. interne Differenzierung) nicht funktioniert und daher erwogen werden muß, ob mit staatlichen Steuerungs- und Lenkungsinstrumenten drohenden oder bereits eingetretenen Vermachtungstendenzen entgegengetreten werden kann. Daß hierbei auf verschiedenen Märkten verschiedenartige Ergebnisse erwartet werden können, liegt auf der Hand und fordert eine bereichsspezifische Betrachtung. Speziell für die Mietwohnraummärkte wird eine Analyse der Tauglichkeit des Wettbewerbs als Steuerungs- und Lenkungsinstrument noch vorgenommen; 114 diese kann dann 110 111 112 113 114
Programmatisch Wiethölter, in: Festschrift für L. Raiser, S. 691 ff. In: Festschrift für L. Raiser, S. 621 (640 f.). Skeptisch deshalb Westermann, AcP 178 (1978), S. 151, 179, 195. In: Wirtschaftsrecht als Kritik des Privatrechts, S. 249 f. Vgl unten 3. Kapitel, D 11.
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l. Teil, l. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
als Grundlage für die Wertschätzung funktionalistischer Privatrechtstheorie im Wohnraummietrecht dienen. 4. Arbeitsrechtliches Kollektivvertragsrecht als Paradigma gegengewichtiger Verhandlungsmacht
Neben den regulatorischen Instrumentarien zur Herstellung und Sicherung der Gerechtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus stellt der Ansatz, die funktionsnotwendige Parität der Kontrahenten auf höherer Ebene, nämlich durch eine "staatlich institutionalisierte Kräftebalance verbandsmäßig organisierter Interessenvertretungen" 115 zu erreichen, einen weiteren Versuch dar, die Ziele rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit noch in solchen Bereichen zu verwirklichen, in denen ihr Funktionsmechanismus infolge asymmetrischer Verteilung der Verhandlungsmacht gestört ist. Als Paradigma gilt das im System der Tarifautonomie verwirklichte arbeitsrechtliche Gegengewichtsprinzip. Der Staat enthält sich in seinem Geltungsbereich regulierender Arbeitsschutzgesetzgebung und überläßt die Festlegung zentraler Inhalte der Einzelarbeitsverträge den auf der Grundlage von Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie geschlossenen (gruppenautonomen) Vereinbarungen. Staatliches Recht verzichtet insbesondere auf eine Inhaltskontrolle der von den arbeitsrechtlichen Koalitionen getroffenen Vereinbarungen und steuert diese nur indirekt dadurch, daß es auf die innere Organisation.der Verbände Einfluß nimmt, ihre rechtliche Anerkennung von bestimmten Strukturvoraussetzungen abhängig macht und prozedurale Vorschriften für das Verhandlungssystem einschließlich der kampfweisen Auseinandersetzung aufstellt. 116 Dadurch und durch die Mitwirkung des Betriebsrats in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten sowie durch die Mitbestimmung aufUnternehmensebene wird die Ordnungsfunktion des arbeitsrechtlichen Gegengewichtsprinzips für die privatrechtliche Konfliktlösung offenkundig. Die Rechtsstellung des Arbeitnehmers, die Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber dem Individualvertragspartner wird durch Entschlüsse der Koalitionen maßgebend beeinflußt; die bedeutenden Gestaltungsinstrumente des Arbeitsvertragsrechts werden nicht vom einzelnen, sondern kollektiv-repräsentativ ausgeübt. Damit wird zwar die Teilhabe des einzelnen an den kollektiven Mitgestaltungsinteressen durch die Beschränkung der Teil- und Einflußnahme hinsichtlich der kollektiven Willensbildung mediatisiert und kann daher nicht als volles Äquivalent für funktionierende Individualfreiheit angesehen werden; 117 vor dem Hintergrund der FunkKramer, Die ,Krise'des liberalen Vertragsdenkens, S. 42. Vgl. dazu vor allem Richardi, Kollektivgewalt und lndividual~ille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968; Säcker, Gruppenautonomie und Ubermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1972. 111 So grundsätzlich Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 309 ff.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 66 ff.; vgl. a. Reuter, AcP 189 (1989), S. 199 (222). 115
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A. Die rechtliche Verfassung der Privatautonomie
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tionsdefizite arbeitsvertraglicher Individualautonomie haben sich indes die kollektiven Elemente des Arbeitsrechts als sachlich notwendiges Korrelat und als gegenüber staatlicher Direktregulierung leistungsfähigerer, verfassungsrechtlich legitimierter dezentraler Regelungsmechanismus erwiesen. 118 Die Präsentation des arbeitsrechtlichen Gegengewichtsprinzips als Paradigma impliziert die Vorstellung, es könne auch in anderen durch Machtinäquivalenz gekennzeichneten Lebensbereichen für deren rechtliche Ordnung fruchtbar gemacht werden. Tatsächlich hat es nicht an Bemühungen gefehlt, außerhalb des Tarifvertragswesens auf Gegengewicht aufbauende Verhandlungssysteme zu etablieren. Entsprechende Überlegungen beziehen sich insbesondere auf das sog. Verbraucherrecht 119 sowie auf den Vorschlag, wohlfahrtsstaatliehen Verrechtlichungstendenzen und ihren negativen Begleiterscheinungen durch vermehrte Hinwendung zu Selbstregulatorischen Prozessen auf Verbandsebene zu begegnen. 120 Kilian 121 meint sogar, feststellen zu können, die Willens- und Verhandlungsmacht liege heute bereits in den "wichtigeren Fällen" auf der überindividuellen Ebene bei Tarifvertragspartnem, Dachverbänden und Bundesvereinigungen; Manteltarifverträge, Gesamtverträge, Tarifverträge, Rahmenverträge, Versorgungsbedingungen, Betriebsvereinbarungen und sonstige Normenverträge denaturierten individuelle Willenserklärungen weitgehend zu Ausführungshandlungen. Noch keine dieser Überlegungen zum Ausbau von Verhandlungssystemen, die auf dem gruppenautonomen Gegengewichtsprinzip aufbauen, hat allerdings bisher die Frage beantwortet, wie eine mit den gewerkschaftlichen Möglichkeiten vergleichbare Organisations- und Konfliktfähigkeit gegengewichtsbildender Gruppen hergestellt werden kann. Deshalb auch ist die in der rechtspolitischen Diskussion erhobene Forderung, Verbraucherverbände oder Konsumentenvertreter auf den Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen Einfluß nehmen zu lassen, vor allem unter Hinweis auf die fehlende Mächtigkeit der Verbraucherorganisationen, die fehlende Möglichkeit einer kampfweisen Durchsetzung und die Gefahr
us So Zöllner, AcP 178 (1978), S. 222; für den Bereich der Tarifautonomie vgl. Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere S. 164 f.; Rüthers, Arbeitsrecht und politisches System, S. 23; für die Betriebsverfassung Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 107 ff., 198 ff.; Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, passim; übergreifend Richardi, ZfA 1974, S. 3 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 192 ff., 207 f., 214 ff. 119 v. Hippe!, Verbraucherschutz, S. 27 ff.; ders., BB 1973, S. 993 (994); Brandner, in: Gerechtigkeit in der Industriegesellschaft, S. 47 (53); Däubler, in: Gerechtigkeit in der lndustriegesellschaft, S. 57 (63 f.); M. Wolf, JZ 1974, S. 41 (45); Gudian, ZRP 1972, S. 142 (147); Becker, NJW 1973, S. 1913 f.; Dietlein, NJW 1974, S. 1065 (1069 f.); Reine!, Die Verbandsklage nach dem AGB-Gesetz, S. 12 f.; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 88 ff., 96 ff. 120 Vgl. den Überblick bei Voigt (Hrsg.), Gegentendenzen zur Verrechtlichung, S. 17 ff.; Reich, Staatliche Regulierung zwischen Marktversagen und Politikversagen, insbesondere S. 115 ff. 121 Kilian, AcP 180 (1980), S. 47 (75).
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eines "Konflikts zwischen verschiedenen Organisationen von Unterprivilegierten" zu Recht zurückgewiesen worden. 122 Rechtsdogmatisch zwingende Argumente gegen die Zulassung gegengewichtiger gruppenautonomer Verhandlungssysteme sind mit diesen pragmatischen Bedenken indes nicht formuliert, so daß gruppenautonome Vereinbarungen auch über den Bereich des Tarifvertragssrechts hinaus als Instrument zur Bewältigung von Funktionsdefiziten individualautonomer Vertragsfreiheit de lege ferenda in Erwägung zu ziehen sind; in diesem Sinn wird das Gegengewichtsprinzip zu Recht zu den Entwicklungsbereichen rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit gerechnet. Noch freilich ist die Deduktionsbasis zu schmal, um etwa das arbeitsrechtliche Tarifvertragsrecht, den am Beispiel der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen realisierten Verbandseinfluß auf die Gestaltung von Geschäftsbedingungen oder auch die Bedeutung der Gesamtverträge und Bundesmanteltarifverträge im Recht der kassenärztlichen Versorgung zu einer allgemeinenjuristischen Theorie gegengewichtiger Verhandlungsmacht aufzuwerten.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit als Ordnungsaufgabe des Wohnraummietrechts Privatautonomie ist im Bereich des Wohnraummietrechts ebensowenig als Selbstzweck zugelassen wie im allgemeinen Vertragsrecht. Auch die wohnraummietvertragliche Privatautonomie empfängt ihre Dignität vom Rechtswert der Selbstbestimmung des einzelnen in eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Ihn zu verwirklichen ist nicht anders als bei sonstigen Rechtsgeschäften das Instrument der Vertragsfreiheit berufen. Da dieses aber nur gemäß den normativen Leitidealen systemgerecht funktionieren kann, stellt sich die rechtsdogmatische Aufgabe, die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen von Vertragsfreiheit für den Bereich des Wohnraummietrechts zu analysieren, auf Funktionsdefizite zu überprüfen und erforderlichenfalls durch kompensatorische Regelungen zu gewährleisten, damit auf diesem Wege die Ziele rechtsgeschäftlicher Privatautonomie für den Bereich des Wohnraummietrechts erreicht werden können. Dieser Aufgabenstellung liegt weder die Vorstellung vom Mieterschutz als einer selbstverständlichen, keiner näheren Begründung bedürftigen Kategorie des Wohnraummietrechts zugrunde, noch die seit den Zeiten der Wohnungszwangswirtschaft verwurzelte Auffassung, gesetzliches Mieterschutzrecht bewirke 122 Zur Problematik der Organisation von Verbraucherinteressen vgl. Wiswede, Soziologie des Verbraucherverhaltens, S. 318 ff.; Jeschke, Konsumentensouveränität in der Marktwirtschaft, S. 234 ff.; Biervert I Fischer-Winkelmann I Rock, Grundlagen der Verbraucherpolitik, S. 64 ff. ; v. Hippel, Verbraucherschutz, S. 27 ff.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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grundsätzlich und mit steigender Regelungsdichte zunehmend eine Beschränkung rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit. 123 Dieser Ausgangspunkt wird demjenigen zu begrenzt erscheinen, der der Wohnraummietrechtsordnung die Aufgabe zuweist, zur rechtlichen Sicherung einer sozialen, existentiellen Lebensstellung beitragen zu sollen, als Aufgabe also nicht die Gewährleistung allseitiger Selbstbestimmung im Wohnraumietverhältnis, sondern die Verwirklichung des Schutzes der Sozialfunktion von Wohnen zur Miete ansieht. 124 Daß allerdings ein solcher Schutz in einem Modell wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit schlechthin nicht zu verwirklichen sein soll, wäre angesichts des en:,eichten Entwicklungsstandes rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit erst im einzelnen zu belegen. Das Verhältnis von Mieterschutz und Vertragsfreiheit läßt sich seit den Ausführungen Rettermanns 125 zur Bedeutung des Mieterschutzgesetzes nicht mehr unbesehen so kennzeichnen, als greife Mieterschutz notwendig in die Vertragsfreiheit ein. Die von ihm in den fünfziger Jahren angesichts der Bestrebungen, das Mieterschutzrecht des Mieterschutzgesetzes abzubauen, aufgeworfene Fragestellung, ob es zulässig ist, so wie einst und mit Recht die Beseitigung des Mieterschutzes im Zuge und als Teil des Abbaus der Wohnungszwangswirtschaft gefordert wurde, die Beseitigung oder Einschränkung des Mieterschutzes mit der Wiederherstellung der Vertragsfreiheit zu motivieren oder proklamieren, 126 hat im Hinblick auf die Liberalisierungsforderungen auch für das geltende Wohnraummietrecht Bedeutung behalten.
I. Der Wohnraummietvertrag als Schuldverhältnis 1. Vermögensrechtliche Grundstrukturen
a) Das Wohnraummietverhältnis als Austauschschuldverhältnis Der Wohnraummietvertrag ist nach dem Modell der§§ 535 ff. BGB ein gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, durch den sich der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der gemieteten Sache zu gewähren, § 535 Satz 1 BGB, 123 Dagegen grundsätzlich bereits Betterrnann, MDR 1950, S. 514 ff.; ders., JZ 1954, S. 462 ff.; vgl. aus jüngerer Zeit aber Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 179, 477; Honsell, AcP 186 (1986), S. 115 (117). 124 Pointiert Petzinger I Riege, Die neue Wohnungsnot, S. 121 mit der Forderung nach einer "effektiven gesellschaftlichen Kontrolle, die die Wohnungsversorgung der Regulierung durch Angebot und Nachfrage entzieht". 125 Vgl. Betterrnann, JZ 1954, S. 461 ff.; ders., in: Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Einl. Anm. 58 ff.; vgl. ferner die Kontroverse zum Begriff und Verständnis der Wohnungszwangswirtschaft zwischen Betterrnann, MDR 1950, S. 514 ff. und Worrnit MDR 1950, S. 709 ff. 126 Betterrnann, JZ 1954, S. 461.
5 Paschke
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und der Mieter sich verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten, § 535 Satz 2 BGB. Dieser Grundtatbestand des gesetzlichen Mietrechts kennzeichnet das Wohnraummietverhältnis nicht anders als sonstige Rechtsverhältnisse der Fahrnis- und Grundstücksmiete als entgeltliches Austauschschuldverhältnis. Das Wohnraummietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches beruht deshalb auf einer genuin vermögensrechtlichen Konzeption. 127 Die auf die Gebrauchsgewährung gegen Entgelt positivrechtlich festgelegte Austauschstruktur weist das Wohnraummietverhältnis dem Typus der Gebrauchsüberlassungsverträge zu. Der Wohnraummietvertrag ist hinsichtlich seiner Rechtsnatur also nicht verschieden von den sonstigen Gebrauchsüberlassungsverträgen wie der allgemeinen Fahrnis- oder Grundstücksmiete, aber auch der Pacht bzw. der Leihe. 128 Jeweils handelt es sich um Verträge, die die zeitweilige Überlassung eines Gegenstandes zum Inhalt haben, ohne einen Wechsel in der Güterzuordnung vorzunehmen. Das Charakteristische der Wohnraummiete besteht in der spezifischen Zweckbestimmung der Raumüberlassung, 129 die im Unterschied zur allgemeinen Raumund Grundstücksmiete einerseits und zu der den Fruchtgenuß umfassenden Pacht andererseits darin liegt, daß zum privaten Aufenthalt von Menschen geeignete Räume gerade zu diesem Zweck überlassen werden und diese Gebrauchsüberlassung- insofern die Wohnraummiete von der Leihe unterscheidend- entgeltlich erfolgen muß. Infolgedessen ist das Wohnraummietrecht zu Recht in das Recht der Gebrauchsüberlassungsverträge und der allgemeinen Raum- bzw. Grundstücksmiete einbezogen worden. Diese Grundentscheidung hätte vom Privatrechtsgesetzgeber auch in Ansehung der eingangs genannten Kritik an der Konzeption des Wohnraummietrechts 130 wegen der strukturellen Übereinstimmung der allgemeinen Fahrnis- oder Grundstücksmiete mit der Wohnraummiete nicht anders getroffen werden können. Dementsprechend hält auch Sonnenschein 131 in seinem Gutachten zur Bereinigung des heute rechtssystematisch weit zerstreuten Mietrechts an 127 Zum Typus des Wohnraummietvertrages als vermögensrechtliches Austauschschuldverhältnis vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. lll 1, § 48; Esser I Weyers, Schuldrecht, Bd. ll, §§ 13, 19 I; Fikentscher, Schuldrecht, § 74 I, IV; Medicus, Schuldrecht, Bd. ll, § 87 I, ll, § 90 I; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 20 vor §§ 535, 536; Soergel I Kummer, BGB, Rn. 3 vor § 535; Erman I Schopp, BGB § 535 Rn. I; Voelskow, in: MünchKomm., Ein!. zu §§ 535-597 Rn. 9; Gelhaar, in: RGRK-BGB, Rn. I6 vor § 535; Derleder in: AK-BGB, Rn. I vor §§ 535 ff.; Widmer, Die Aufgabe des Wohnungsmietrechts, S. 18 ff.; zu abweichenden Auffassungen vgl. sogleich unter BI 2. 128 Zu den Abgrenzungsfragen vgl. oben unter B I der Einleitung. 129 Vgl. Sonnenschein, in: Festschrift für Seuss, S. 253 (258 ff.); nähere Nachweise in Fn. 41 der Einleitung. 13o Vgl. oben bei Fn. 34 der Einleitung. 131 Sonnenschein, Die Bereinigung des Mietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, s. 42 ff.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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dieser Weichenstellung fest. Die das Wohnraummietrecht betreffenden Rechtsregeln sind Teil des allgemeinen Mietrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs; das Wohnraummietrecht hat folglich keinen eigenständigen Rechtscharakter. 132 Die inhaltsrechtliche Ausformung des Rechtsverhältnisses der Wohnraummiete ist - darauf sei zur Verdeutlichung nochmals hingewiesen - durch die Charakterisierung der Wohnraummiete als Austauschschuldverhältnis nicht präjudiziert. Der Wohnraummietrechtsordnung bleibt die Aufgabe, das auf die Wohnung, genauer: den Wohnungsgebrauch gerichtete Austauschschuldverhältnis rechtlich zu ordnen, wenn sich die rechtliche Verfassung wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit nicht in der formalen Zulassung des Wohnraummietvertrages als Austauschinstrument erschöpfen soll, damit aber vernachlässigen würde, daß der Gegenstand des Wohnraummietvertrages nicht irgendein Wirtschaftsgut ist. Die Wohnungsnutzung nimmt in der Bedürfnisstruktur eines Haushalts eine Sonderstellung ein; sie zählt zu den Vitalbedürfnissen des Menschen. Die Befriedigung des Wohnbedürfnisses ist zur Sicherung seiner biologischen und soziokulturellen Existenz unerläßlich und gehört deshalb zu dem nicht substituierbaren starren Bedarf eines Haushalts. 133 Die Ordnungsaufgabe des Wohnraummietrechts besteht deshalb darin, eine Antwort auf die Frage zu geben, ob und mit welchen Mitteln das wohnraummietvertragliche Austauschgefüge rechtlich geordnet werden muß, damit rechtsgeschäftliche Vertragsfreiheit im Sinne ihrer normativen Leitideen funktionieren kann. b) Wohnraummiete und Geschäftsbesorgungsfunktionen
Die Charakterisierung des Wohnraummietverhältnisses als Gebrauchsüberlassungsschuldverhältnis wird trotz der normativen Ausgangslage in § 535 BGB nicht uneingeschränkt anerkannt, vielmehr unter der Fragestellung in Zweifel gezogen, ob nicht die als Miete bezeichnete Vertragsgestaltung zumindest bei bestimmten Finanzierungsformen tatsächlich anderen Vertragsverhältnissen näher stehe. 134 Die tradierte Charakterisierung entspreche nurmehr einem historischen Sozialmodell, werde aber der Wirklichkeit der Unternehmerischen Wohnungswirtschaft nicht (mehr) gerecht. Der Vermietungsvorgang habe sich zu m Allgemein zur Bedeutung der Ausbildung sonderprivatrechtlicher Sozialmodelle für eine ,,zeitgemäße Annäherung des Privatrechts an die großen Probleme in Wirtschaft und Gesellschaft und systematische Berücksichtigung des bisher vernachlässigten Gemeinwohlbezuges des Privatrechts" vgl. Westennann, AcP 178 (1978), S. 150 ff. (152). 133 Vgl. hier nur Heuer, Lehrbuch der Wohnungswirtschaft, S. 24 ff.; näher unter III 3 a. 134 Vgl. Gärtner, JZ 1983, S. 565; vgl. a. Gitter I Heinze, in: Vertragsschu1dverhältnisse, S. 2 ff., die zwischen schuldrechtlichen, schutzrechtlichen und sozialrechtlichen Elementen des Wohnraummietrechts unterscheiden und dieses Rechtsgebiet "auf dem Schnittpunkt von privatem und öffentlichem Recht" angesiedelt sehen, ohne daraus allerdings konkrete Schlußfolgerungen für die Rechtsnatur der Wohnraummiete zu ziehen. 5*
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einem Gegenstand komplexen Unternehmerischen Handels entwickelt, bei dem die Gebrauchsüberlassung der Wohnung an den Mieter nurmehr als Bestandteil umfassenderen Unternehmerischen Handeins und Planens erscheine. Er sei in dem von der Kapitalbeschaffung, über die Baukörpererstellung und die Organisation verschiedenster Geschäftsbesorgungsaufgaben bis hin zur Gebrauchsüberlassung reichenden Gesamtzusammenhang eingebettet und empfange von daher seine prägenden Merkmale. In der modernen wohnungswirtschaftlichen Entwicklung sei die Austauschfunktion des Mietvertrages zugunsten der Geschäftsbesorgungsfunktion zurückgedrängt, 135 so daß die zentralen Strukturen des traditionellen Mietrechts eine zeitgemäße Ordnung des tatsächlichen Geschehens nicht mehr ermöglichten. Nach Derleder I Winter 136 beruhen Gestalt und Rechtfertigung der mietrechtlichen Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches auf einem spezifischen Sozialmodell, demzufolge der Eigentümer sein Haus zunächst erarbeitet und erspart habe, um es dann als Preis für Arbeit und Konsumverzicht zu verwerten. In diesem Modell sei der Mietpreis noch Entgelt für die "Gebrauchsgewährung" im Sinne des § 535 BGB. In der wohnungswirtschaftlichen Realität des heutigen Wohnungsmarktes dagegen müsse der Mieter wesentlich das investierte Fremdkapital abtragen und dem Vermieter dadurch das wirtschaftliche Eigentum "erarbeiten und ersparen", d. h. das regelmäßig geringe ,,Eigenkapital des Vermieters mit zunehmender Entschuldung immer höher verzinsen". In dem Maße, in dem das Sozialmodell des Wohnraummietrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches überwunden worden sei, sei auch dessen Regelungsmodell überholt. 137 Die Konsequenzen dieser Annahmen haben Winter I Barth I Schlemmermeyer138 in einer auf das öffentliche Wohnungsrecht bezogenen Stellungnahme wie folgt konkretisiert: "Tragen Mieter (und Staat) .. . neben der Entschuldung auch die Werterhaltung, indem sie Abschreibung und Wertverbesserung bezahlen, reduziert sich der Beitrag des Vermieters auf eine Dienstleistung, nämlich die Baubetreuung und Wohnungsverwaltung", diese aber könne bereits mit einem Verwaltungskostenansatz abgegolten werden; sie rechtfertige daher nicht die Überführung des Mietobjekts in zunächst nur juristisches und sukzessive auch wirtschaftliches Eigentum des Vermieters. Ähnlich urteilt Novy, 139 der das Wob135 Gärtner, JZ 1983, S. 565 ff. ; zum Wohnungsbau als Instrument der Kapitalverwertung auch Harke, Wohnraummiete, S. 9 ff. 136 JZ 1976, S. 657 (658). 137 Derleder I Winter haben aus diesen Überlegungen allerdings keine Schlußfolgerungen für die privatrechtsdogmatische Charakterisierung der Wohnraummiete gezogen, sondern eine verfassungsrechtliche Garantie objektiv- und subjektivrechtlicher Art auf öffentliche Subventionierung des Wohnungsbaus abgeleitet (aaO. Fn. 136, S. 664); ihre Position ist aber mit der jüngeren Rspr. des BVerfG zum Schutz öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unvereinbar; vgl. dazu näher im 3. Kapitel unter B II. 138 Winter I Barth I Schlemmermeyer, Die Kostenmiete, S. 89. 139 Novy, Leviathan 10 (1982), S. 41 (45).
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nungsmietrecht als Modell kritisiert, das den Mietern die Last überbürdet, das Mietobjekt im Laufe der Entschuldungsphase zum weit überwiegenden Teil finanzieren zu müssen, während der Wohnungsunternehmer und Vermieter dafür mit dem Anwachsen seines (wirtschaftlich verstandenen) Eigentumsanteils belohnt werde. Bei einer unterstellten Lebensdauer von 100 Jahren ergäbe sich die Konsequenz, daß das Mietobjekt, da der Mietzins nach der Entschuldungsphase regelmäßig nicht absinke, im Laufe dieser Zeit dreimal von den Mietern bezahlt werde. Gärtner macht sich diese Überlegungen zu eigen und sieht hierin im Vergleich zum unterstellten Regelungsideal des Bürgerlichen Gesetzbuches, nämlich dem individuellen Vermieter, der vorhandenen Wohnraum als Eigentümer einem Wohnungssuchenden überläßt, ökonomische Gewichtsverschiebungen solchen Ausmaßes, daß sie als Indiz dafür zu gelten hätten, "daß der zivilrechtliche Rahmen nicht- oder nicht mehr- sachgerecht ist". 140 Nach Gärtner gehört derjenige, der ohne nennenswerten eigenen Kapitaleinsatz im wesentlichen Finanzierungsaufgaben übernimmt, in eine andere Unternehmerische Kategorie, nicht aber in die des Mietvertrages. Der Vermieter fungiere nicht als jemand, der Kapital verwertet, sondern eher als Kreditvermittler; 141 den "eigentlichen Ertrag" ziehe der Vermieter aus dem Umstand, daß die Kreditvermittlung in eine Eigenkapitalbeschaffung umgemünzt werde. Folglich empfiehlt er, "den Mietzins nicht pauschal als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung anzusehen, sondern ihn in einer Weise aufzuteilen, welche den heutigen Techniken und Differenzierungen der Wohnungsbaufinanzierung besser gerecht wird". 142 Davon ausgehend unterbreitet Gärtner weitreichende rechtspolitische Vorschläge zur Neugestaltung einer Regelung des Rechts der Wohnraummiete. Knappstens skizziert laufen diese auf ein Modell hinaus, in dem in Anlehnung an das Institut des einst im Zweiten Wohnungsbaugesetz geregelten Wohnbesitzes ein vom Mieter verschiedener Bauherr als Investor fungiert, der aber letzlieh nur Verwaltungs- und Treuhandaufgaben wahrnehmen soll, so daß nach der Entschuldungsphase die Eigenkapitalverzinsung des Investors die maßgebliche Größe für die Bemessung des Mietzinses darstelle. Folglich könnte die Miete im entschuldeten Objekt deutlich herabsinken und damit der Tatsache Rechnung getragen werden, daß der Vermieter in der Hauptsache die Funktion eines Kreditvermittlers bzw. eines Geschäftsbesorgers wahrnehme. 143 Soweit sich die Kritik am tauschwirtschaftliehen Modell des geltenden Wohnraummietrechts darauf bezieht, es gehe vom Sozialmodell des Eigentümers/ Gärtner, DB 1985, S. 1677 (1681). Gärtner, JZ 1983, S. 570 f.; nochmals ders., DB 1985, S. 1677 (1681). Gärtner entwickelt seine Vorstellungen am Beispiel der Fi!_lanzierung im sozialen Wohnungsbau, macht aber deutlich, daß er sie wegen der "großen Ubereinstimmungen" mit den Finanzierungsgrundsätzen im freifinanzierten Wohnungsbau auch dafür gelten lassen will (aaO. s. 568). 142 Gärtner, JZ 1983, S. 571. 143 Vgl. Gärtner, JZ 1983, S. 571 ff.; ders., DB 1985, S. 1725 ff. 140 141
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Vermieters aus, der sein Haus erarbeitet und erspart habe und deshalb den Mieter nicht mit den Kosten der Beschaffung des dafür erforderlichen Kapitals belaste, sondern den Mietzins als "wirkliches" Entgelt für die Gebrauchsüberlassung erhebe, so ist dem entgegenzuhalten, daß ein so beschaffenes Sozialmodell der gesetzlichen Regelung nicht nachweisbar ist. Dabei mag der Eindruck, dem Mietrechtsgesetzgeber sei der im Zuge der Industrialisierungsprozesse ausgangs des vergangeneo Jahrhunderts vollzogene Umschwung in der Wohnungswirtschaft vom nachfragespezifischen Auftragsbau zum anonymen "Spekulationsbau" als Folgeerscheinung massenhaften Strömens der Bevölkerung in die neu entstandenen industriellen Zentren verborgen geblieben bzw. dieser sei von ihm zumindest nicht hinreichend normativ reflektiert worden, als dogmengeschichtlicher Befund noch am wenigsten kritisiert werden; 144 selbst diese Aussage trifft indes nicht uneingeschränkt zu. Zahlreiche monographische Untersuchungen haben die sozial- und wirtschaftspolitisch motivierten Reaktionen des Staates auf die sog. Wohnungsfrage als eines der brennendsten Probleme der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert analysiert; 145 sie haben den Einfluß der Herausforderung einer spekulativen Wohnungswirtschaft auf das Privatrecht nachgewiesen, der in den Veränderungen des Wohnraummietrechts vom Ersten gegenüber den Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuches Niederschlag gefunden hat 146 und undifferenzierte Pauschalurteile unangebracht erscheinen läßt. Zur Beschreibung der normativen Realität des geltenden Wohnraummietrechts sind die Aussagen zum Äquivalenzgefüge im Wohnraummietverhältnis vollends untauglich. Die Vorschriften des sog. Miethöhegesetzes bezüglich der mietpreisrechtlichen Zulässigkeit der Geltendmachung von Kapital- und Betriebskosten durch die Mietzinsforderung machen ebenso wie die dementsprechenden Vorschriften für die Mietpreisbildung im öffentlich geförderten Wohnungsbau deutlich, daß es sich bei der Vorstellung des Mietzinses als eines fremdkapitalentkleideten Preises für die Gebrauchsüberlassung am Wohnraum um eine rechtspolitische handelt. Die zutreffende Feststellung von Winter I Barth I Schlemmermeyer, die Vorschrift des§ 546 BGB, nach der grundsätzlich der Vermieter die auf der vermieteten Sache ruhenden Lasten zu tragen hat, enthalte keine Kostentragungsregelung, sondern eine dispositvrechtliche Zuweisung von Verantwortungsbereichen, 147 wird verkannt, wenn sie im Widerspruch dazu in § 535 BGB eine 144 Vgl. zur Kritik an der legislativen Konzeption des Wohnraummietrechts die Nachweise in Fn. 21 der Einleitung. 145 Vgl. Blumenroth, Deutsche Wohnungspolitik seitder Reichsgründung, insbesondere S. 159 ff.; Häring, Zur Geschichte und Wirkung staatlicher Interventionen im Wohnungssektor, S. 17 ff.; Peters, Wohnungspolitik am Scheideweg, S. 26 ff., 58 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 109 ff. 146 Vgl. dazu Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 79 ff.; Jüttner, Zur Geschichte des Grundsatzes "Kauf bricht nicht Miete", S. 61 ff. 147 Winter I Barth I Schlemrnerrneyer, Die Kostenmiete, S. 88.
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zwingende materiellrechtliche Verknüpfung von Mietzins und Gebrauchsüberlassung konstruieren. Überdies bleibt die Vorstellung, zwischen Mietzins und Gebrauchsüberlassung bestehe ein materielles Äquivalenzverhältnis, so lange inhalts- und aussagelos, als nicht offengelegt wird, nach welchem Maßstab die Gebrauchsgewährung zu bepreisen ist. Vor allem aber ist der Mietzins im geltenden Wohnraummietrecht als bloßes funktionell-synallagmatisches Äquivalent für die Gebrauchsgewährung am Wohnraum konzipiert. 148 Sein Inhalt wird nicht durch gesetzliche Anordnung fixiert, sondern bestimmt sich unter Berücksichtigung der mietpreisrechtlichen Einschränkungen nach den Marktgesetzen. Daß die Gebrauchsüberlassung von Wohnraum nicht den alleinigen Inhalt der Vermieteraufgaben ausmacht, der Vermieter vielmehr zugleich eine Vielzahl anderer Geschäftsbesorgungsaufgaben mitübernimmt, zu denen auch die Fremdkapitalbeschaffung gehören kann, weist den Vermieter nicht schon als jemanden aus, der zu einer anderen Unternehmerischen Kategorie gehört; wohl aber werden durch die Kumulation von Unternehmerischen Aufgaben in der Hand des Vermieters die Chancen und Grenzen wettbewerblieber Preisgestaltungsspielräume deutlich. Der Vorwurf, das geltende Wohnraummietrecht sei an den Finanzierungsstrukturen im Bereich der Unternehmerischen Wohnungswirtschaft vorbeikonstruiert, ist verfehlt. Wer nicht die Augen davor verschließt, daß mit der zunehmenden Sättigung des Mietwohnraumbedarfs Teilbereiche des Wohnungsmarktes sich von Vermietermärkten zu Mietermärkten gewandelt haben und berücksichtigt, daß angesichts eines dort überbordenden Wohnungsangebots zunehmend die Spielräume bei der Gestaltung des Mietpreises als Wettbewerbsparameter eingesetzt werden, um die Fungibilität des Mietwohnraumangebots sicherzustellen, kommt nicht umhin, die sich gerade aus den Finanzierungsstrukturen im Wohnungsbau ergebenden Einflüsse auf die Preisbildung im Wohnraummietrecht anzuerkennen. Sie werden auch vom Gesetz nicht etwa ausgeschlossen, sondern ausdrücklich anerkannt. Die Vorschriften des Mietpreisrechts für sämtliche Arten von Mietwohnungen sehen deshalb z. B. vor, daß Kapitalkostenermäßigungen an die Mieter weitergegeben müssen, 149 und geben somit dem Vermieter die Chance, sich durch Umgestaltung des Eigenkapitaleinsatzes oder durch Entfaltung Unternehmerischen Geschicks bei der Fremdkapitalbeschaffung wettbewerb148 So zutreffend Winter I Barth I Schlemmerrneyer, Die Kostenmiete, S. 88. Nach der Konzeption des Bürgerliches Gesetzbuchs war deshalb - auch im Hinblick auf § 546 BGB - die sog. Warmmiete die gesetzliche Regel; vgl. Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 25. Eine veränderte normative Ausgangslage hat allerdings das Erfordernis einer gesonderten Abrechnung der Heizkosten nach der Heizkostenverordnung geschafffen (vgl. § 12 HeizkostenVO); in ihrem Zuge ist eine Aufgliederung des Mietentgelts in den Preis für den Wohnungsgebrauch, für Energiekosten und für andere Dienstleistungen des Vermieters notwendig geworden; vgl. zu diesem dreigliedrigen Mietzinsbegriff Derleder, in: Mietnebenkosten, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 23, S. 15 (17 ff.). 149 Vgl. § 5 Abs. 3 MHG für den freifinanzierten Wohnungsbau bzw. § 8 a Abs. 3 WoBindG für öffentlich geförderte Wohnungen iSd WoBindG.
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liehe Spielräume bei der Vereinbarung des Mietpreises zu schaffen. Wie intensiv davon Gebrauch gemacht wird oder werden muß, ist eine Frage der tatsächlichen Wettbewerbsverfassung des Wohnungsmarktes, nicht aber eine der normativen Austauschäquivalenz in § 535 BGB. Gärtner kann zwar zu Recht darauf verweisen, daß gerade dort, wo die W ahnungsfrage am akutesten ist, nämlich in den städtischen Ballungsgebieten, für die Mehrzahl der Wohnungssuchenden die Entfaltung der Wettbewerbskräfte faktisch nicht selten blockiert ist, da gerade hier in nachfrageintensiven Teilbereichen des Wohnungsmarktes Angebotsdefizite anzutreffen sind. 150 Wenn zudem für dieselben Nachfrager Ausweichmöglichkeiten auf andere Rechtsformen privaten Wohnens, insbesondere eine Eigentumslösungnicht in Betracht kommen, beschreibt die Feststellung, Wohnen zur Miete beruhe auf einem faktischen "Zwang zur ungünstigsten Lösung", 151 einen berechtigten sozialökonomischen Befund. Für denjenigen, der als Mieter wirtschaftlich die Finanzierung des Wohnobjekts übernimmt, ohne dafür mit der Zuweisung sachenrechtlicher Befugnisse belohnt zu werden, ohne also am Wert und den Wertsteigerungen des Mietobjekts- allerdings auch nicht an etwaigen Werteinbußen- zu partizipieren und nicht einmal in den Genuß einer entschuldungsbedingten Mietsenkung kommt, mag sich das Mietgeschäft in der Tat als "schlechter Tausch" darstellen. Dieser Befund mag eine Reihe sozial- und wirtschaftspolitischer Forderungen stützen; eine Wandlung der Rechtsnatur des geltenden Wohnraummietrechts vom Gebrauchsüberlassungs- zum geschäftsbesorgungsrechtlichen Kreditvermittlungsmodell trägt er nicht. 152 Die geäußerten rechtspolitischen Änderungsvorschläge entziehen sich - darauf hat Wolter 153 hingewiesen- weitgehend rechtsdogmatischer Erheblichkeit. Es liegt vornehmlich an den Kritikern des tauschwirtschaftlich geprägten Wohnraummietrechts selbst, die Konturen des von ihnen zugrunde gelegten rechtlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konzepts offenzulegen und den Nachweis einer überlegeneren Leistungsfahigkeit ihrer zunächst nur modelltheoretisch formulierten Vorstellungen zu erbringen. Dabei ist erst noch die Frage zu beantworten, ob ein Regelungsmodell, das - wie das von Gärtner angedeutete - dem Mieter nahezu sämtliche Risiken eines Investments auf dem Wohnungsmarkt abnimmt, ihn also von den wirtschaftlichen Risiken der Standortgebundenheit und nur bei langfristiger Betrachtung erzielbaren Rentierliehkeil freistellt, dem Gärtner, JZ 1983, S. 569. Gärtner, JZ 1983, S. 569. 152 Gärtner selbst entscheidet sich nicht definitiv, ob seine Vorstellungen bereits de lege lata Gültigkeit haben sollen, oder erst de lege ferenda zu verwirklichen wären; während seine Ausführungen in JZ 1983, S. 570 f. einen aktuell dogmatischen Anspruch erheben ("Wer ohne nennenswerten eigenen Kapitaleinsatz Finanzierungsaufgaben im wesentlichen organisiert, gehört in eine andere Unternehmerische Kategorie"), dienen sie ihm in DB 1985, S. 1725 ff. nurmehr als Ausgangspunkt um "Möglichkeiten alternativer Gestaltung" zu untersuchen (aaO. unter V.). 153 Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 228. 1so
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Vermieter aber nur einen durchschnittlichen Ertrag auf das eingesetzte (Eigen-)Kapital gewährt, wirklich bessere Ergebnisse verspricht, ob es im wirtschaftsordnungsrechtlich nur mühsam bewältigten Spannungsfeld zwischen Investitionsautonomie und Investitionssteuerung rechtlich verbindlich eingeführt werden könnte und ob es dann auch von der Wohnungswirtschaft angenommen und theorieadäquat umgesetzt wird. c) Die Verdinglichung der Wohnraummiete Die Zuordnung des Wohnraummietrechts zum Schuldrecht bildete schon vor der "Entdeckung" geschäftsbesorgungsrechtlicher Inhalte den Gegenstand der Diskussion um die Dinglichkeitsnatur der Wohnraummiete. Sie entzündete sich an der Frage um die Geltung des Rechtssatzes "Kauf bricht nicht Miete", der nach der von Cosack begründeten Lehre aus grundsätzlichen rechtsdogmatischen Erwägungen in einem obligatorischen Rechtsverhältnis keinen Platz haben könnte 154 und entwickelte sich mit der Schaffung des Mieterschutzrechts der Weimarer Zeit zu der zentralen Konzeptionsfrage des Miet- und Bodenrechts. 155 Die Frage hatte zuvorderst rechtspolitische Bedeutung, weil nach der namentlich von Crome begründeten herrschenden Meinung 156 der aus der Systematik des Gesetzes sich ergebende obligatorische Charakter der Miete weder durch die Einführung des § 571 BGB geändert, noch durch das Mieterschutzrecht die Dinglichkeit der Miete begründet worden sei. Vor diesem Hintergrund haben auch die Hauptvertreter der Dinglichkeitslehre, Hedemann und Löning, ihre Beiträge mit einem weltanschaulich-programmatischen Impetus vorgetragen. 157 In diesem Sinn hat dann später nochmals Dulckeit 158 die Lehre vom dinglichen Wesen der Miete in seiner 154 Vgl. Cosack, in: Cosack I Mitteis, Lehrbuch des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, S. 390 ff.; eingehend bereits Fuchs, GruchB 46 (1902), S. 549 (566 ff.), 840 ff.; vgl. dazu auch Jüttner, Zur Geschichte des Grundsatzes "Kauf bricht nicht Miete", S. 80 ff.; zur dinglichen Rechtsstellung des Mieters nach dem ALR vgl. Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 463 ff.; zum älteren Recht vgl. Genius, Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses in seiner historischen Entwicklung bis zu den Naturrechtskodiftkationen, 1972. 155 Vgl. insbesondere Buchwaids Entwurf eines Gesetzes über die Miete von Wohnund Berufsräumen und von Grundstücken, abgedruckt in: Buchwald, Neugestaltung des Mietrechts, 1938, insbesondere S. 32 ff. sowie dazu die noch immer lesenswerte Kritik von Münzel, DWohnArch 1939, S. 1 ff.; vgl. a. Hedemann, Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1924, § 33 VI; eingehend Löning, Die Grundstücksmiete als dingliches Recht, 1930. 156 Crome, IherJb 37 (1897), S. 1 ff.; vgl. ferner aus der zeitgenössischen Literatur Eccius, GruchB 46 (1902), S. 572 ff.; Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, S. 749 f.; Oertmann, Das Recht der Schuldverhältnisse, Anm. 3 b vor § 571; Planck, Kommentar zum BGB, 3. Aufl., Anm. 5 a zu § 571. 157 Vgl. die Nachw. in Fn. 155; zur Bewertung Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, s. 391 ff. 158 Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, 1951.
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Schrift "Die Verdinglichung obligatorischer Rechte" unter dem Kapitel "Rechtspolitische Schlußbemerkungen" entwickelt. Die positivrechtliche Wertentscheidung des Gesetzgebers für die obligatorische Natur der Miete ist allerdings durch keine dieser Untersuchungen erschüttert worden. Deshalb auch ist die Frage nach der Dinglichkeilsnatur der Miete in der aktuellen Diskussion zu Recht in den Hintergrund getreten. 159 Die Zuerkennung des Besitzschutzes nach den §§ 861, 862 BOB bzw. des deliktischen Schutzes gern. § 823 BOB für den Mieter 160 sowie der Sukzessionsschutz des§ 571 BOB können wohl als Elemente einer Sphärenvermischung zwischen den Grundsätzen des Obligationen- und Sachenrechts angesehen werden, da sie jedenfalls eine "dingliche Wirkung" äußern. Fritz Baur 161 konnte auch feststellen, daß "Besitzschutz, Sukzessionsschutz und Kündigungsschutz dem Mieter eine Rechtsstellung (geben), die der eines dinglich Wohnungsberechtigten mindestens gleichwertig ist." Vergleicht man indes solche funktions-und wirkungsbezogenen Aussagen zur Dinglichkeil der Miete mit der kompromißlosen Haltung, mit der vom Gesetzgeber im Interesse der Sicherheit und Einfachheit des Grundbuchsystems die Zulassung der Eintragung der Miete in das Grundbuch abgelehnt wurde, 162 so läßt sich die dogmatisch-systematische Zuordnung der Wohnraummiete zum Schuldrecht nicht in Frage stellen. 163 Die Frage nach der Rechtsnatur der Miete ist aus der Diskussion um die mieterschutzrechtlichen Inhalte der Mietrechtskodifikation entstanden und war eng verknüpft mit dem sozialpolitischen Anliegen nach "Gewährleistung öffentlicher und sozialer Erfordernisse im Bodenrecht". 164 Die Rechtsentwicklung hat indes erwiesen, daß über die Inhalte der Mietrechtskodifikation nicht mit der Qualiftkation der Miete als obligatorisches oder dingliches Rechtsverhältnis entschieden ist. Der Gesetzgeber des Mietrechts hat gezeigt, daß die historische Zuordnung des Mietrechts keine starre Bindung an die ursprünglich damit verbundene liberale Konzeption der Mietrechtskodifikation bedeuten muß. Schon der historische Privatrechtsgesetzgeber hat mit § 571 BOB deutlich gemacht, daß er die rechtsgrundsätzliche Charakterisierung des Rechtsverhältnisses der Miete 159 Nach Dulckeit ist die Dinglichkeitsdiskussion erst wieder aufgegriffen worden durch Canaris, in: Festschrift für Flume, Bd. 1, S. 371 ff.; Otte, in: Festschrift für Wieakker, S. 463 ff.; Weitnauer, in: 2. Festschrift für Larenz, S. 705 ff.; vgl. a. Koch, ZMR 1985, S. 187 ff.; Schopp, ZMR 1987, S. 206 ff. 160 Eingehend dazu Schubert, Die Entstehung der Vorschriften über Besitz- und Eigentumsübertragung, S. 60 ff. 161 AcP 176 (1976), S. 97 (116). 162 Vgl. Mot. li, S. 381. 163 So bereits Crome, IherJb 37 (1897), S. 1 (26). Nicht überzeugend erscheint deshalb auch der Versuch, das Wohnraummietverhältnis dem (konturenlosen) Begriff des privatrechtlichen Statusverhältnisses zuzuordnen; so Engel, Diss. Göttingen, insbesondere s. 190 ff. 164 Vgl. Baur, AcP 176 (1976), S. 97.
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nicht im Sinne einer ,,reinen" Lehre verstand, sondern durchaus sozialpolitisch bzw. wirtschaftspolitisch motivierte Durchbrechungen der Konzeption zulassen wollte. 16S Das heute wesentlich durch das Wohnraumkündigungsschutzrecht geprägte Mieterschutzrecht steht in dieser Gesetzgebungstradition . Insofern ist der Feststellung von Otte beizupflichten: "Wir glauben jedenfalls nicht, daß man erst das Wesen der Dinglichkeit schauen müsse, um die konkreten Rechtsfolgen bestimmen zu können, sondern halten den Begriff der Dinglichkeit für einen von vielen Ordnungsbegriffen, deren man sich, wenn man ihrer bedarf, bedienen kann, um Rechtsfolgen in abgekürzter Form zu beschreiben. Wegen der endgültigen und vollständigen Herausnahme der Miete aus dem Grundbuchwesen müßte aber der Satz, die Miete sei ein dingliches Recht, unter der Geltung des BGB mit so gewichtigen Ausnahmen versehen werden, daß eine Vereinfachung der Rechtssprache durch ihn nicht erwartet werden kann." 166 Bei funktionell-teleologischer Betrachtung weist das Mietrecht heute eine Reihe dinglicher Elemente auf. Der Besitzschutz, Sukzessionsschutz und der Kündigungsschutz liefern dafür die eindringlichsten Beispiele. In dogmatisch-systematischer Hinsicht haben sie aber nichts an der positivrechtlichen Grundentscheidung geändert, nach der das Mietverhältnis über Wohnraum als schuldrechtliches Rechtsverhältnis verfaßt ist. 167 2. Personale Elemente im Wohnraummietverhältnis
a) Individual- und Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als phänomenologischer Befund Der Austauschcharakter prägt maßgeblich die rechtliche Struktur des Wohnraummietverhältnisses als ein die (bilaterale) Verbundenheit von Vermieter und Mieter zum Ausdruck bringendes Rechtsverhältnis. Das Wohnraummietverhältnis begründet danach der Dogmatik privatrechtlicher Rechtsverhältnisse vertraute individualrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Wohnraummietvertrages. Phänomenologisch nicht weniger bedeutsam sind die sich aus dem Mietverhältnis heraus entwickelnden Beziehungen der verschiedenen Mieter getrennter Wohnungen eines Hauses. Die Mieter eines Wohnhauses leben nicht beziehungslos nebeneinander; beim Zusammenleben im gemeinsamen Wohngebäude treffen die jeweiligen Gebrauchsbefugnisse der verschiedenen Mieter auf165 Zu diesen dogmengeschichtlichen Grundlagen des§ 571 BGB vgl. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 95 ff.; Jüttner, Zur Geschichte des Grundsatzes ,,Kauf bricht nicht Miete", S. 80 ff. 166 Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 463 (475). 167 Prot. II, S. 170 ff.; vgl. a. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 397 f.; speziell zum Kündigungsschutzrecht, vgl. v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 208.
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einander, weil die Lage der Wohnungen im Raum unvermeidlich zu wechselseitigen Gebrauchsberührungen und Gebrauchsüberschneidungen führt, so daß sich aus jedem Einzelmietverhältnis Rückwirkungen für den Mietgebrauch der anderen Mitbewohner des Hauses ergeben. Mit der Ausübung des Mietgebrauchs in einem Mehrhaushalte-Wohnhaus entstehen Beziehungen des einzelnen Mieters zu den Mitbewohnern des gemeinsamen Wohngebäudes. Es entsteht eine Sphäre erhöhter sozialer Interaktion, die entweder auf sachlicher oder persönlicher Grundlage beruht. Daraus, daß die Mieter Gemeinschaftseinrichtungen des Wohnhauses, etwa Hobby-, Sport- bzw. Wasch- und Trockenräume oder auch gemeinsame Freizeiteinrichtungen im Hof- und Gartenbereich benutzen, ergeben sich notwendig Kontakte der Mieter untereinander. Auf persönlicher Grundlage beruhen vor allem die Nachbarbeziehungen im Wohnhaus. 168 Die Bereitschaft zu nachbarlicher Hilfeleistung im Krankheits- und Urlaubsfall, das gegenseitige Aushelfen mit Haushaltsgegenständen, gegenseitige Einladungen zu Geselligkeiten und Festen gehören ebenso zu der vielfältigen Skala der Nachbarbeziehungen wie die Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs durch Geräusch- oder Lärmbelästigung oder sonstige Beeinträchtigungen des ästhetischen, sittlichen oder seelischen Empfindens. Dementsprechend reicht die Wertschätzung von Nachbarschaftskontakten von der idealisierenden Feststellung, sie zählten zur kommunikativen Entfaltung der Persönlichkeit, 169 bis hin zu ihrer kritischen Beurteilung als Quelle nachbarlicher Konflikte. 170 Das Einzelmietverhältnis ist eingebunden in einen von sämtlichen Mitbewohnern eines Gebäudes gebildeten Sozialverband, in dem der einzelne Mieter auf ein gedeihliches Zusammenleben mit den Mitbewohnern des Hauses angewiesen ist. Darin liegt, wie sozialempirische Untersuchungen 171 belegen, kein theoretisches Postulat einer womöglich überholten Nachbarschaftsideologie. Zwar hat sich erwiesen, daß sich Nachbarbeziehungen nicht exakt quantifizieren lassen; die Wohndauer, quartiers- und schichtspezifischen Merkmale, die Größe und 168 Vgl. dazu Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 120 ff.; Scheuerpflug, in: Festschrift für Bärmann und Weitnauer, S. 15 ( 17) für das Nachbarverhältnis der Wohnungseigentümer. 169 Zur Bedeutung von Nachbarschaftskontakten für die sozio-kulturelle Ausdrucksform des Wohnens vgl. aus der soziologischen Wohnforschung Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte, S. 23 ff.; Pfeil, Großstadtforschung, S. 259 ff., 343 ff.; Heuer, Lehrbuch der Wohnungswirtschaft, S. 476 ff.; Noelle-Neumann, Allensbacher Jahrbuch für Demoskopie, 1977, S. 20; Hamm, Betr.: Nachbarschaft, S. 101 ff.; Heberle, in: Bernstorff (Hrsg.), Wörterbuch der Soziologie, Bd. II, S. 568. 110 Vgl. Glatzer, Wohnungsversorgung im Wohlfahrtsstaat, S. 168 ff. mit weit. Nachw. 111 Vgl. Chamboredon I Lemaire, in: Alexander I Harnm (Hrsg.), Materialien zur Siedlungssoziologie, S. 196 ff.; Fauser, Zur Isolationsproblematik von Familien, insbesondere S. 254 ff.; Friedrichs, Stadtanalyse, S. 243 ff.; Gronemeyer I Bahr (Hrsg.), Nachbarschaft im Neubaublock, 1977; Hamm, Betr.: Nachbarschaft, 1973; Hamm (Hrsg.), Lebensraum Stadt, S. 75 ff.; Lantermann, Solidarität und Wohnen, S. 82 ff.; Pfeil, in: Ipsen (Hrsg.), Daseinsformen der Großstadt, S. 158 ff.; dies., Großstadtforschung, S. 259 ff., 242 ff.; Vierecke, Nachbarschaft, S. 36 ff.; Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, S. 148 ff.
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Ausstattung der Wohnung sowie die Anzahl der Familienmitglieder sind Faktoren, die nach dem gegenwärtigen, insbesondere von den empirischen Sozialwissenschaften vermittelten Kenntnisstand die Intensität und Konstanz von Nachbarschaftsbeziehungen maßgeblich beeinflussen 172 und etwa in dem Gefälle nachbarlicher Interaktion zwischen dörflichen und städtischen Wohngebieten zum Ausdruck kommen. 173 Die Bedeutung nachbarlicher Kontakte im Sozialverband der Mitbewohner eines Gebäudes wird aber selbst von denjenigen (großstadtkritischen) Untersuchungen nicht in Frage gestellt, die einen partiellen Funktionsverlust nachbarlicher Interaktion bei gleichzeitiger Zunahme einer Tendenz zur Isolation der Bewohner urbaner Wohnquartiere beobachten. 174 Die wechselseitige Verbundenheit und das gegenseitige Aufeinanderangewiesensein der Mieter eines Wohngebäudes für ein gedeihliches Zusammenleben fmdet häufig in den Hausordnungen Niederschlag. Beispielhaft dafür stehen Formulierungen wie die aus der Hausordnung der Neuen Heimat; darin heißt es: 175 "Sicherlich teilen Sie mit uns die Ansicht, daß Haus und Wohnung nur dann zu einem wirklichen Heim werden können, wenn alle Bewohner in gleicher Weise um ein gutes Zusammenleben bemüht sind. Betrachten Sie die folgenden Hinweise bitte als die Leitlinien und die Grenzen, die das eigene Handeln und das der Nachbarn umreißen. 1. Von besonderer Bedeutung ist die Einhaltung der ortsüblichen Ruhezeiten und die Rücksichtnahme auf kranke und solche Mitbewohner, die Schichtdienst versehen müssen. Die ortsüblichen Ruhezeiten, die in der Regel von 13.00-15.00 Uhr und von 22.00-07.00 Uhr gelten, sind in Ortssatzungen oder Lärmschutzverordnungen festgelegt. Ruhestörende Arbeiten sind werktags schon ab 20.00 Uhr und an Sonnund Feiertagen generell unzulässig. An das Verhalten der einzelnen Mietparteien dürfen allerdings auch keine überspitzten Anforderungen gestellt werden. So wird sicherlich mancher Bewohner einmal ein Fest feiern wollen, bei dem es -besonders zu fortgeschrittener Zeit- etwas lauter werden kann. Die Nachbarn werden dafür Verständnis zeigen und auf Einhaltung der ortsüblichen Ruhezeiten nicht unbedingt bestehen, wenn ihnen rechtzeitig ein entsprechender Hinweis gegeben wird. 2. Alle mit der Bewirtschaftung einer Wohnanlage verbundenen Kosten sind aus der Miete zu decken. Unnötige Mehrbelastungen können durch kostenbewußtes Verhalten aller Mieter vermieden werden. Die für Instandsetzungsarbeiten kalkulierten bzw. ansetzbaren Mittel sind äußerst gering. Durch schonende Nutzung des Hauses, der Anlagen und sonstigen Einrichtungen können Sie und ihre Familienangehörigen wesentlich dazu beitragen, daß die gesamte Wohnanlage jederzeit einen gepflegten Eindruck vermittelt. 3. Sofern die Hausreinigung nicht an Dritte übertragen oder auf andere Weise geregelt worden ist, wird sie in wechselnder Reihenfolge durch alle Mieter vorgenommen. Vgl. die Übersicht bei Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, S. 180 ff. Vgl. Heuer, Lehrbuch der Wohnungswirtschaft, S. 486 f. 174 Vgl. den Überblick bei Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, S. 84 ff. 175 Vgl. die als Anlage zu den Allgemeinen Vertragsbestimmungen in der Fassung D 1981 abgedruckte Hausordnung für die Miethäuser der Neuen Heimat, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH. 172 173
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Hauseingänge, Flure, Keller- und Bodengänge, Treppen, Podeste, Treppenhausfenster und -geländer, Haus- und Kellertüren, Klingelanlagen, Hausbriefkästen und alle zur gemeinsamen Benutzung bestimmten Räume, Flächen und Einrichtungen sollen regelmäßig gesäubert werden. Verwenden Sie bitte stets die geeigneten PflegemitteL Zu einer ordnungsgernäßen Säuberung gehört auch die regelmäßige und ausreichende Belüftung der genannten Räume. 10. Vorhandene Waschküchen, Trockenböden oder sonstige Gemeinschaftseinrichtungen können natürlich nicht jederzeit und nicht von allen Mietern gleichzeitig in Anspruch genommen werden. Eine Benutzungsordnung wird deshalb die Überlassung regeln. Behandeln Sie alle Geräte und Einrichtungen bitte pfleglich, damit sie Dmen und Thren Mitbewohnern stets in gebrauchsfiliigern Zustand zur Verfügung stehen."
Solche Formulierungen beruhen geradezu auf dem phänomenologischen Befund, daß der Status des einzelnen Mieters in seinem Mietverhältnis nicht nur bestimmt ist durch die Individualbeziehungen, die ihn mit seinem Vertragspartner verbinden, sondern ebenso mitbestimmt ist durch Sozialbeziehungen, die sämtliche Mietern eines Wohnhauses miteinander verbindet und das wechselseitige Aufeinanderangewiesensein zum Ausdruck bringen. Hiermit sind nicht diejenigen Beziehungen gemeint, die sich aus einer Vereinheitlichung der Einzelmietverträge ergeben, die etwa im Interesse der Rationalisierung des Verwaltungsaufwandes insbesondere bei Großvermietern der Unternehmerischen Wohnungswirtschaft gefordert wird. Solche für sämtliche Mieter gleichermaßen geltenden Bestimmungen in allgemeinen Mietbedingungen beruhen lediglich auf einer Zusammenfassung von inhaltsgleichen Individualbeziehungen der Mietvertragsparteien und lassen sich jederzeit auf das Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter zuriickführen. Im Gegensatz zu diesen (vertikalen) Austauschbeziehungen der Mietvertragsparteien ergeben sich Sozialbeziehungen aus der (horizontalen) Verbundenheit der Mieter eines Hauses untereinander; sie kreieren ein Gesamtinteresse aller Hausbewohner, das sich in den Beziehungen des einzelnen Mieters zum Vermieter nicht erfassen läßt. Dieses Gesamtinteresse wird beispielsweise betroffen von personellen oder wohnobjektbezogenen Maßnahmen des Vermieters, die sich in ihren Auswirkungen nicht nur auf einen einzelnen Mieter erstrecken. Den Mitbewohnern des Hauses ist, gerade weil sie auf ein gedeihliches Zusammenleben miteinander angewiesen sind, nicht gleichgültig, wer aus ihrem Sozialverband ausscheidet oder durch Neuabschluß eines Mietvertrages in diesen Sozialverband eintritt. Bei den sachbezogenen Maßnahmen des Vermieters sind es nicht allein grundlegende Umstrukturierungen im Wohnungsbestand des Vermieters durch Veräußerung des Mietobjekts oder durch Sanierungsmaßnahmen, die auf ein Gesamtinteresse der Mieter stoßen; im Gesamtinteresse sämtlicher Mieter liegt beispielsweise auch das Interesse an einer gleichberechtigten Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen eines Hauses durch alle Mieter, die Optimierung und
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gerechte Verteilung der Bewirtschaftungskosten oder etwa die Berücksichtigung der Interessen sämtlicher Mieter an der Verwendung von Alterungsrücklagen für Instandsetzungsmaßnahmen oder an der Durchführung von Modemisierungsmaßnahmen. Der phänomenologische Befund gliedert das Beziehungsgeflecht im Wohnraummietverhältnis in Individual- und Sozialbeziehungen. Individualbeziehungen bestehen im Verhältnis der Parteien des Mietvertrages zueinander und sind inhaltlich durch den Austauschzweck des Wohnraummietvertrages geprägt. Mit dem Begriff der Sozialbeziehungen werden diejenigen Beziehungen erfaßt, die sich aus der tatsächlichen Eingebundenheit des einzelnen Mietverhältnisses in den von sämtlichen Mietern eines Wohngebäudes gebildeten Sozialverband ergeben, sei es im Verhältnis der Mieter untereinander, sei es in bezugauf gemeinsame Interessen der Mieter gegenüber dem Vermieter. b) Das Regelungs- und Sozia/model/ 116 des Wohnraummietrechts aa) Gesetzliche Konzeption In der gesetzlichen Konzeption wohnraummietrechtlicher Rechtsverhältnisse findet der phänomenologische Befund, daß sich das Beziehungsgefüge im Wohnraumrnietverhältnis aus Individual- und Sozialbeziehungen zusammensetzt, keine Entsprechung. Regelungsgegenstand ist allein die (bipolare) Austauschbeziehung der Mietvertragsparteien, während den Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis keine rechtserhebliche Bedeutung beigemessen wird. 177 Die Mieter eines Hauses bilden insbesondere keine Rechtsgemeinschaft; 178 nach ganz überwiegen-
176 Als Sozialmodell soll im Folgenden im Anschluß an Wieacker (in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 10 ff., 22 ff.) und Westeemann (AcP 178 (1978), S. 158) das Bild der wirtschaftlich-sozialen Realität verstanden werden, auf die sich das Recht bezieht. Dieses Verständnis ist im Hinblick auf seine methodischen und rechtspolitischen Prämissen kritisiert worden (vgl. eingehend Assmann, Wirtschaftsrecht in der Mixed Economy, S. 21 ff.), hat sich aber für die Zwecke einer pragmatisch orientierten dogmatischen Analyse am geeignetsten erwiesen. m Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 155 ff.; Gelhaar, in: RGRKBGB, §§ 535, 536 Rn. 6; dezidiert Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 237; Medicus, in: Giger I Linder (Hrsg.), Sozialismus, Ende einer Illusion, S. 461 (476) merkt kritisch an, daß es konzeptionell gleich bleibe, ob ein Vermieter mehrere Mieter hat oder bloß einen; vgl. aber auch Sterne!, Mietrecht, Rn. II 306, der das Mietverhältnis als "sozialen Tatbestand" charakterisiert, dessen Wurzeln im Grundrechtsbereich des einzelnen lägen. 178 BGH, NJW 1969, S. 41; BGHZ 62,S. 243 (245)- jeweils zum Geschäftsraummietrecht; KG, ZMR 1976, S. 204 (206); LG Köln, NJW 1977, S. 810; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 155; Roquette, ZMR 1973, S. 195 (196); ders., Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 554 a Rn. 19; Hans, Das neue Mietrecht, § 535 Anm. B 4 g bb; Weimar, MDR 1971, S. 108 (109); Köhler, JuS 1977, S. 652 (653); Ackmann, JuS 1984, S. 462 (463); a. A. Berg, JR 1969, S. 143 und Ratjen,
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der Auffassung wird in den wechselseitigen Gebrauchsüberschneidungen und Gebrauchsberührungen zwischen den Mitbewohnern des gemeinsamen Wohngebäudes nicht mehr als die "zuHHlige Tatsache" gesehen, daß eine Mehrzahl von Familien in einem Hause wohnt". 179 Folglich findet auch ein sich auf die Individualbeziehungen zwischen Vermieter und Mieter nicht zurückführbares Gesamtinteresse sämtlicher Mieter eines Hauses an der Durchführung bzw. Unterlassung bestimmter Maßnahmen des Vermieters im Modell des gesetzlichen Wahnraummietrechts keinen normativen Rückhalt. Die rechtliche Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis erfolgt ausschließlich über die Individualbeziehungen der Mietvertragsparteien. Selbst tiefgreifende Umstrukturierungsmaßnahrnen im Wohnungsbestand etwa durch Veräußerung des Wohnobjekts, durch Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, deren Auswirkungen über die einzelnen Mietverträge hinausgehen, sind wohnraummietrechtlich allein im Hinblick auf ihre Auswirkungen in den Individualbeziehungen der Mietvertragsparteien zu bewerten. Auch dann, wenn der Mieter in seinem Mietgebrauch durch einen Mitbewohner gestört wird, stehen ihm keine wohnraummietrechtlichen Rechtsbehelfe gegenüber dem störenden Mieter zur Verfügung. Das Wohnraummietrecht verweist ihn darauf, seinen gegenüber dem Vermieter bestehenden Anspruch auf Überlassung des Wohnraums zum vertragsmäßigen Gebrauch gemäß §§ 535, 536 BGB geltend zu machen. Dieser umfaßt nach ganz herrschender Auffassung auch den Schutz des Mieters vor Störungen durch Nachbarmieter. 180 Eine unmittelbare Konfliktregelung im Verhältnis der Mitbewohner des Hauses untereinander schließt das Wohnraummietrecht aus. 181 Gegenüber dem Vermieter gibt das Wohnraummietrecht dem einzelnen Mieter keinen klagbaren Erfüllungsanspruch auf Störungsabwehr; 182 Beeinträchtigungen der Gebrauchsbefugnis des Mieters durch NachbarMDR 1980, S. 713 (714) jeweils unter Berufung auf Staudinger I Kiefsauer, BGB, 11. Aufl. 1955, § 535 Rn. 4, 72; vgl. a. Friese, MDR 1956, S. 1 (2 f.). 179 Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 554 a Rn. 19. 180 BGH LM Nr. 6 a, 8 zu § 536 BGB; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 40; Gelhaar, in: RGRK-BGB, §§ 535, 536 Rn. 42; Sterne!, Mietrecht, Rn. II 263; Erman I Schopp, BGB, § 536 Rn. 22; Zimmermann, in: Grundsätze des Wohnraummietverhältnisses, S. 103 (112 f.); Glaser, ZMR 1981, S. 1. 181 Vgl. Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 463 (475), der diese Konzeption mit den Worten kritisiet; "Den Mieter heute noch auf Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter zu beschränken, hieße, ihn gegen den falschen Gegener und noch dazu mit stumpfen Waffen kämpfen zu lassen". 182 Vgl. Gelhaar, in: RGRK-BGB, §§ 535, 535 Rn. 44; Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 123 f.; Zimmermann, in: Grundsätze des Wohnraummietverhältnisses, Bd. 10, S. 113; vgl. a. Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 60 Rn. 6. A. A. Sterne!, Mietrecht, Rn. II 105; Pergande, Wohnraummietrecht, § 535 Anm. 1 f., § 554 a Anm. 3; Voelskow, in: MünchKomm., §§ 535,536 Rn. 123; Kraemer, in: Treier I Bub, Handbuch, III B Rn. 1238 f.; Wiethaup, ZMR 1975, S. 257 jeweils aber ohne Reflexion der Unterscheidung von klagbaren Erfüllungsansprüchen und sog. rechtlichen Gebundenheiten; vgl. dazu allgemein Larenz, Allgemeiner Teil, § 12 Fn. 17.
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mieterwerden ausschließlich über Sekundäransprüche gegen den Vermieter auf Schadensersatz bzw. Mietminderung sanktioniert. Das Wohnraummietrecht schirmt die Individualbeziehungen der Mietvertragsparteien vor Dritteinflüssen ab; der Vermieter hat zwar die Möglichkeit, ihn trifft aber keine von einem Nachbarmieter einklagbare Verpflichtung, gegen einen störenden Mieter vorzugehen. Die Entscheidungsfreiheit, ob überhaupt und mit welchen Mitteln gegebenenfalls der Vermieter tätig wird, ist ihm durch die Verpflichtung gegenüber seinen Mietvertragsparteien zur Gewährleistung des vertragsmäßigen Gebrauchs rechtlich nicht genommen. 183 Erwogen wurde, Rechtsbeziehungen zwischen den Mietnachbarn nach den Rechtsgrundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu begründen. 184 Dritte seien nach Maßgabe dieser Grundsätze nicht nur in den Schutzbereich der dem Vermieter gegenüber dem Mieter obliegenden Schutzpflichten einbezogen, in umgekehrter Richtung könne auch eine Einbeziehung des Nachbarmieters in den Schutzbereich der dem Mieter gegenüber dem Vermieter obliegenden Rechtspflichten erfolgen. Dabei soll die Erstreckung der vertraglichen Schutzwirkung auf den Nachbarmieter wegen der dem Vermieter gegenüber jedem einzelnen Mieter obliegenden Fürsorgepflicht geboten sein. 185 Die Abgrenzung der Reichweite vertraglicher Schutzpflichten nach dem Fürsorgekriterium entspricht anerkannten Rechtsgrundsätzen. 186 Dennoch läßt sich nach der Drittschutzwirkungslehre eine rechtliche Ordnung der Sozialbeziehungen der Wahnraummieter eines Hauses nicht erreichen. Köhler 187 hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, daß sich die einzelnen Mieter bereits in einem gleichen Rechtsverhältnis zum Vermieter befinden; im Verhältnis des einzelnen Mieters zum Vermieter läßt sich daher nicht sagen, der Nachbarmieter gehöre zu den Personen, die der besonderen Fürsorge des Vermieters obliegen. Weiterhin kommt eine Einbeziehung Dritter in die Schutzwirkung eines Vertrages nur dann in Betracht, wenn der Dritte in gleicher Weise wie der Vertragsgläubiger mit der geschuldeten Hauptleistung in Berührung kommt und deshalb von den Schutz183 Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 123 f. Es ist dies die Konsequenz der aus dem Grundsatz ,.alteri stipulari nemo potest" (Ulpian, Dig. 45, 1, 38, 17) entwickelten Lehre von der "Relativität des Schuldverhältnisses"; vgl. näher Medicus, JuS 1974, S. 613 ff.; Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis, S. 6 ff. Zu den Regreßmöglichkeiten des Vermieters im Falle der Mietminderung wegen Störungen durch Mitmieter insbesondere nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung eingehend Pfeifer, DWW 1989, S. 38 ff (40 ff.); vgl. a. Sterne!, Mietrecht, Rn. II 285; Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 73. 184 Weyer, BB 1972, S. 339 (342); Ackmann, JuS 1984, S. 462 (463). 185 Vgl. Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535,536 Rn. 96; Gelhaar, in: RGRKBGB, §§ 535, 536 Rn. 42 ff.; Voelskow, in: MünchKomm., §§ 535, 536 Rn. 129; Sterne!, Mietrecht, Rn. II 111 ff.; Erman I Schapp, BGB, § 535 Rn. 25; Herpers, Wohnraummietrecht, Rn. 223 ff. 186 Vgl. nur BGH, NJW 1976, S. 1844; NJW 1983, S. 1054: NJW 1984, S. 356. 187 JuS 1977, S. 652 (653).
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pflichtverletzungen ausgehenden Gefahren ebenso ausgesetzt ist wie der Vertragsgläubiger selbst. 188 Schutzpflichten gegenüber Dritten entstehen nach allgemeiner Auffassung nicht schon, wenn eine bloße tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter eines Dritten besteht, sondern erst dann, wenn der Schutzverpflichtete dem Kontakt des Dritten mit der geschuldeten Hauptleistung vertraglich zugestimmt hat oder dieser für ihn zumindest vorhersehbar war. 189 Demgemäß betont die Rechtsprechung zum Drittschutz von Mietverhältnissen, daß sich dieser so weit erstreckt, wie "nach dem Inhalt des Vertrages der Mietgebrauch durch den Dritten gewissermaßen bestimmungsgemäß ausgeübt wird". 190 Ein in diesem Sinne bestimmungsgemäßer Mietgebrauch liegt in den Beziehungen der Nachbarmieter eines Hauses untereinander nicht vor. Die wechselseitigen Gebrauchsberührungen und Gebrauchsüberschneidungen sind Folgen der Nachbarlage der Mietwohnungen, typischerweiser also nicht Ausdruck eines vertragsgemäßen und insofern bestimmungsgemäßen Mietgebrauchs. 191 Aus diesem Grunde hat auch der Vorschlag keinen Anklang gefunden, die in den Hausordnungen festgelegten Verhaltensabreden als Rechtsgrundlage für die Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis heranzuziehen. 192 Die Annahme, die Mieter wollten sich damit wechselseitig gemäß den Grundsätzen des (echten) Vertrages zugunsten Dritter unmittelbare Rechtsansprüche zuwenden, hat regelmäßig nur fiktiven Charakter. Der für die Auslegung nach § 328 Abs. 2 BGB maßgebliche Vertragszweck erschöpft sich typischerweise in der Festlegung der vertraglichen Austauschbedingungen zwischen den Mietvertragsparteien; zumal dann, wenn die Regelungen der Hausordnungen wie Allgemeine Geschäftsbedingungen einseitig vom Vermieter vorformuliert werden, liegen für einen weitergehenden Verpflichtungswillen des Wohnraummieters keine konkreten Anhaltspunkte vor. 193 Schließlich hängen rechtliche AnerkenVgl. nur Gottwald, in: MünchKomm., § 328 Rn. 68; Krause, JZ 1982, S. 16 (17). Die Ableitung der Drittschutzlehre aus einem auf§ 242 BGB gründenden gesetzlichen (Vertrauens-)Schuldverhältnis hat sich nicht durchgesetzt; so aber Canaris, JZ 1965, S. 475 (478); dagegen Thiele, JZ 1967, S. 649 (651); ausführlich Winterfeld, Drittschadensliquidation und Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, S. 45 ff. In der Rechtslehre wird daher auch die Anwendung des Rechtsinstituts Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im vorvertragliehen Bereich durch die Rspr. (vgl. nur BGHZ 66, S. 56) kritisiert; vgl. Kreutzer, JZ 1976, S. 778: Hohloch~ JuS 1977, S. 302 (305 ff.); Pouliadis, Culpa in contrahendo und Schutz Dritter, S. 64 ff. 190 BGH, NJW 1976, S. 1844; vgl. ferner BGHZ 49, S. 350 (354); 61, S. 227 (233 f.); 70, S. 327 (330). BGH, JZ 1985, S. 196 kennzeichnet die Abgrenzung des geschützten Personenkreises nach dem Bestimmungsgemäßheitskriterium als ,,nunmehr gefestigte Rspr.". 191 Im Ergebnis ebenso Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 156; Soergel I Kummer, BGB, §§ 535,536 Rn. 281, 387; Erman I Schopp, BGB, § 535 Rn. 32; Hans, Das neue Mietrecht, § 535 Anrn. B 4 g bb; Palandt I Heinrichs, BGB, § 328 Anrn. 4 i dd; vgl. a. BGH, NJW 1969, S. 41; BGHZ 62, S. 243 (245); OLG München, VersR 1977, S. 654 (sämtlichst zur Geschäftsraummiete). 192 So Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 126; Schmid, WuM 1987, S. 71 (72 f.). 188
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nung und Gestaltung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis von dem Inhalt der einzelnen Mietverträge ab und stünden zur Disposition des Vermieters, obwohl dieser an ihnen weder beteiligt, noch durch sie rechtlich gebunden wäre. Das gesetzliche Wohnraummietrecht, das Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis keine rechtserhebliche Bedeutung beimißt, charakterisiert die Gebrauchsberührungen und Gebrauchsüberschneidungen im Zusammenleben der Mitbewohner eines Hauses als bloßen Zufallskontakt Dies hat zur Folge, daß die rechtliche Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis nach dem Besitzschutz- und Deliktsrecht erfolgt. Gebrauchsstörungen im nachbarlichen Zusammenleben der Mieter können Besitzschutzansprüche gemäß § § 861, 862 BGB auslösen 194 bzw., da die Obhutspflicht des einzelnen Mieters in bezug auf die Mieträume als nachbarschützende Verkehrssicherungspflicht angesehen wird, 195 Gegenstand negatorischer Beseitigungsansprüche sein, § § 1004, 823 BGB. 196 Diese Rechtsbehelfe eröffnen durchgreifende Rechtsschutzmöglichkeiten. Sie erlauben eine unmittelbare Inanspruchnahme des Störers und gewährleisten inhaltlich einen absolut störungsfreien Mietgebrauch, der sogar die Abwehr von Störungen des ästhetischen, seelischen oder sittlichen Empfindens miteinschließt; 197 deshalb soll die Reichweite der besitzschutz- und deliktsrechtlichen Rechtsbehelfe im Nachbarverhältnis der Wohnraummieter durch eine entsprechende Anwendung von § 906 BGB begrenzt werden. 198 Die Rechtsprechung erreicht auf diese Weise, daß unwesentliche Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs besitzschutzrechtliche Unterlassungsansprüche nicht auslösen. 199 bb) Konzeptionsdefizite Die ausschließlich indivudualrechtliche Konzeption wohnraummietrechtlicher Rechtsverhältnisse beruht auf einer konsequenten Umsetzung der Kodifikationsprinzipien der klassischen Privatrechtsgesetzbücher. Der Idee eines dualen Verpflichtungssystems folgend, das neben vertraglich begründeten Sonderpflichten lediglich gesetzliche (insbesondere deliktsrechtliche) Allgemeinpflichten anerWie hier Friese, MDR 1956, S. 1. LG Köln, NJW 1977, S. 810; EmmerichiSonnenschein, Mietrecht, §§ 535,536 Rn. 157; Pergande, Wohnraummietrecht, § 535 Anm. 1 f.; Friese, MDR 1956, S. 2 f. 195 BGH, NJW 1969, S. 41 (Geschäftsraummiete); Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht,§§ 535, 536 Rn. 155; Hans, Das neue Mietrecht, § 535 Anm. B 4 g bb; Pergande, Wohnraummietrecht, § 535 Anm. 1 f. 196 Vgl. die Nachweise in Fn. 195. 197 Vgl. nur Palandt I Bassenge, BGB, § 858 Anm. 5; ferner Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 463 f. 198 BGH LM Nr. 1 zu § 906 BGB unter Berufung auf RG HRR 1931 Nr. 1219; Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 157; Säcker, in: MünchKomm., § 906 Rn. 123 mit Fn. 196; Pfeifer, ZMR 1987, S. 361 (363). 199 BGH LM Nr. 1 zu § 906. 193
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kennt, im übrigen aber vom kategorischen Grundsatz "tertium non datur" ausgeht, war es für den vom ,,Relativitätsdogma" vertraglichen Verpflichtungstatbestände faszinierten Gesetzgeber nicht vorstellbar, allein dem Umstand, daß Personen, die sich zwar unmittelbar untereinander vertraglich nicht gebunden haben, sondern nur über einen gemeinsamen Vertragspartner tatsächlich in engem räumlichen Kontakt zueinander stehen, eine rechtserhebliche Bedeutung beizumessen. Von den Phänomenen sozialer Gruppen- und Organisationsbildung zwischen Privatrechtssubjekten außerhalb rechtsgeschäftlicher Verpflichtungstatbestände ließ sich der Gesetzgeber nicht beeindrucken. 200 Deshalb auch haben das wechselseitige Aufeinanderangewiesensein der Mieter eines Hauses, die Eingebundenheit des Einzelmietverhältnisses in den Sozialverband der Mitbewohner eines Hauses keinen Eingang in die rechtliche Verfassung des Wohnraummietverhältnisses gefunden. Sämtliche Mietverhältnisse werden isoliert voneinander betrachtet mit der Folge, daß die Belange und Interessen des Mieters im Wohnraummietverhältnis ausschließlich über die individualrechtliehen Rechtsbeziehung zum Vermieter geordnet werden. 2oo • Diese Kodifikationsprinzipien beruhen auf Vorstellungen des zu regelnden Lebenssachverhalts, die nur einen Wirklichkeitsausschnitt des Rechtsverhältnisses der Wohnraummiete erfassen. Um am bipolaren Modell des Wohnraummietverhältnisses als einem Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter festhalten zu können, blendet der Gesetzgeber den Bereich der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis aus dem Regelungsprogramm des gesetzlichen Wohnraummietrechts aus. Hierin spiegeln sich einerseits die vom Ethos und Pathos des klassischen europäischen Individualismus des neunzehnten Jahrhunderts geprägte Überzeugung des Gesetzgebers, die Regelung des Wohnraummietrechts vollständig aus den Kodifikationsprinzipien des allgemeinen Privatrechts entwikkeln zu können. Zugleich geht damit ein Defizit bei der Erfassung der sozialen Wirklichkeit des Sachverhalts Wohnen zur Miete einher; denn dieser läßt sich nicht auf ein ausschließlich das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter regelndes Rechtsverhältnis begrenzen. . Bedingt durch die individualrechtliche Regelungsstruktur ergeben sich Ordnungsprobleme, da das bilateral konzipierte Wohnraummietrecht keine normativen Maßstäbe für die Ordnung der Binnenbeziehungen der Mitbewohner eines Hauses zur Verfügung stellt, obwohl in diesem Lebensbereich wegen seiner Störund Streitanfalligkeit ein besonderes Regelungsbedürfnis besteht. 201 Ein strikt 200 Diese Phänomene haben nur vereinzelt rechtliche Aufmerksamkeit gefunden; vgl. dazu Paschke, AcP 187 (1987), S. 60 (64 ff.). 2ooa Schon in der Weimarer Zeit ist diese Konzeption namentlich vom Bund Deutscher Mietervereine kritisiert und zum Gegenstand von Novellierungsvorschlägen im Rahmen eines "Wohnwirtschaftsgesetzes" gemacht worden; vgl. insbesondere die §§ 76-78 im Entwurfvon Gross für ein Wohnwirtschaftsgesetz, in: Gross, Vorschläge zu einem neuen deutschen Miet-, Wohn- und Bodenrecht (Wohnwirtschafts-Gesetz), 1929, S. 45 ff.
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individualrechtlich konzipiertes Wohnraummietrecht kann einem vom Individualinteresse des einzelnen Mieters verschiedenen Gesamtinteresse sämtlicher Mieter eines Hauses keine normative Bedeutung beimessen, so daß Maßnahmen im Wohnraummietverhältnis, die in ihren Wirkungen über das einzelne Mietverhältnis hinausgreifen, nicht wirklichkeitsadäquat erlaßt werden. Indem das Wohnraummietrecht eine Regelung von Konflikten im nachbarlichen Zusammenleben der Mieter eines Hauses im Verhältnis der Streitbeteiligten untereinander nicht zuläßt und den betroffenen Mieter an seinen Vermieter verweist, unterstellt es ihn dessen bevormundender Fürsorge. 202 Nurder Vermieter ist befugt, wohnraummietrechtliche Rechtsbehelfe bei Streitigkeiten über den Umfang des Gebrauchsrechts am Wohnraum geltend zu machen. Die Entscheidung, ob er überhaupt und mit welchen Mitteln er gegebenenfalls tätig wird, steht allein dem Vermieter zu. Das Wohnraummietrecht gewährt insbesondere keinen Anspruch des Mieters aufEinschreiten des Vermieters gegen störende Mitmieter. Insofern ist der Mieter darauf angewiesen, daß der Vermieter im Interesse seines Vertragspartners gegen Störungen durch Nachbarmieter vorgeht. Man muß hierin keine Befugnis zu "obrigkeitlichem Einschreiten" 203 sehen, aber eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrecht in eigenen Angelegenheiten, die die Befugnis einschließt, die Initiative zur Streiterledigung ergreifen zu können, geht damit doch einher. Das Besitzschutzrecht, auf das sich der einzelne Mieter berufen könnte, gewährleistet keine sachgerechte Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis. Es zielt normzweckgemäß auf eine nur einstweilige (possessorische) Ordnung, die die Frage nach der Besitzberechtigung und damit nach der dauerhaften (petitorischen) Friedensordnung gern. § 863 BGB ausdrücklich ausklammert. Das gedeihliche Zusammenleben der Mieter im gemeinsamen Wohngebäude verlangt hingegen gerade solche rechtlichen Ordnungsvorschriften, die die jeweiligen Gebrauchsbefugnisse der einzelnen Mieter dauerhaft abgrenzen. Die Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten zwischen Mietnachbarn zeigen, daß sich ein reibungsloses Nebeneinander weder von selbst einstellt, noch daß das über den Vermieter führende Konfliktlösungsmodell des Wohnraummietrechts den Rechtsfrieden im nachbarlichen Zusammenleben sichert. Aufbauend auf den besitzschutzrechtlichen Verhaltensmaßstäben, die einen schlechthin störungsfreien Mietgebrauch unter Ausschluß selbst ästhetischer, seelischer und sittlicher Beeinträchtigung fordern, kann eine solche dauerhafte Ordnung nicht erreicht werden, weil die besitzschutzrechtlichen Maßstäbe die unvermeidlichen Gebrauchsüberschneidungen im nachbarlichen Zusammenleben außer acht lassen und die Mieter auf ein tatsächlich unmögliches Verhalten verpflichten.
2o1 Vgl. in diesem Sinn bereits Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 123 ff.; kritisch Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 475. 202 Ähnlich Otte, in: Festschrift für Wieacker, S. 475. 203 So Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 123.
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Deshalb auch haben Rechtsprechung und Literatur versucht, im Wege einer entsprechenden Anwendung des § 906 BGB außerhalb des Besitzschutzrechts stehende Maßstäbe für die Ordnung der Nachbarbeziehungen im Mietverhältnis heranzuziehen. 204 Die Anwendung des § 906 BGB bleibt allerdings so lange inkonsequent und unzureichend begründet, als zwischen Mietnachbarn keinerlei Rechtsbeziehungen, insbesondere auch keine nachbargemeinschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen anerkannt werden. Die Vorschriften des § 906 BGB sind Ausdruck der (nachbar-)gemeinschaftlichen Verbundenheit der Grundstückseigentümer; 205 diese nachbargemeinschaftliche Grundlage definiert und limitiert den Inhalt und Anwendungsbereich dieser Norm. Die verwehrte Anerkennung der rechtlichen Bedeutung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis kontrastiert mit der legislativen Wertung des Wohnungseigentumsgesetzes, das den Sozialbeziehungen der Wohnungseigentümer rechtserhebliche Bedeutung zuerkennt. 206 Sie hat darin Niederschlag gefunden, daß § 14 Ziff. 1 WEG die Wohnungseigentümernachbarn auf ein Verhalten verpflichtet, durch das "keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst". Damit ist zumindest die Grundnorm der rechtlichen Verfassung von Sozialbeziehungen der Bewohner eines Hauses geschaffen, die den Wohnungsnachbarn im unmittelbaren Verhältnis zueinander einklagbare Erfüllungsansprüche verschafft. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, den Sozialbeziehungen nur im Wohnungseigentumsrecht, nicht aber im Wohnraummietrecht rechtserhebliche Bedeutung beizumessen, ist nicht erfindlich. Die Differenzierung ist insbesondere nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Mieter nur über ein abgeleitetes, der Wohnungseigentümer dagegen über ein originäres Gebrauchsrecht kraft seines Eigentums am Wohnraum verfügt. Ebenso wie im Wohnraummietrecht der Vermieter als "Clearingstelle" für nachbarliche Konflikte fungieren muß, hätte der Gesetzgeber im Wohnungseigentumsrecht etwa den Wohnungseigentumsverwalter als Konfliktregulierungsinstanz einsetzen können, zumal dieser bereits gemäß § 27 Abs. 1 Ziff. 1 WEG für die Durchführung der in der Hausordnung festgelegten Verhaltensregeln verantwortlich ist. Wenn der Gesetzgeber diesen Weg nicht gegangen ist, so tat er dies zu Recht deswegen, weil er mündigen Privatrechtssubjekten die vom Selbstbestimmungsrecht geforderte Befugnis zur Regulierung von Konflikten im unmittelbaren Verhältnis der Streitbeteiligten untereinander nicht ab-
204
Vgl. die Nachweise in Fn. 198.
2os Vgl. Westermann, JZ 1963, S. 408; ders., Lehrbuch des Sachenrechts, § 63 I 2; Brox, JA 1984, S. 183 f.; Paschke, AcP 187 (1987), S. 60 (79 ff.). 206 Vgl. Merle, Das Wohnungseigentum im System des Bürgerlichen Rechts, S. 142 f.; Bärmann I Pick I Merle, WEG, Einl., Rn. 657, Rn. 7 ff. vor § 10; Deckert, Baumängel am Gemeinschaftseigentum, S. 36 f., 138; Paschke, AcP 187 (1987), S. 60 (77 f.); a. A.
Weitnauer, WEG, Rn. 17 d vor § 1.
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sprechen wollte. Das Wohnraummietrecht bleibt ohne sachlichen Grund hinter dieser Maxime zurück. Maßnahmen im Wohnraummietverhältnis, die in ihren Wirkungen über das einzelne Mietverhältnis hinausgreifen und dadurch eine die Interessen sämtlicher Mieter eines Hauses berührende kollektive Dimension des Wohnraummietverhältnisses betreffen, nimmt das individualrechtlich konzipierte Wohnraummietrecht als Regelungsproblem und Regelungsaufgabe nicht zur Kenntnis. Folglich ist der Vermieter jenseits der Grenzen des allgemeinen Schikaneverbots nicht gehindert, die Mieter eines Hauses etwa bei Mieterhöhungen oder Gestattungen ungleich zu behandeln, w ist bei Kündigungen nicht verpflichtet, eine Sozialauswahl zwischen verschiedenen in Betracht kommenden Mietern vorzunehmen, 208 und soll nach h. M. berechtigt sein, auch ohne eine entsprechende mietvertragliche Abrede einseitig eine für sämtliche Mieter verbindliche Hausordnung aufzustellen. 209 Gegenüber solchen Maßnahmen bestehen im Verhältnis zum einzelnen WohnraummieteT keine Bedenken, wenn und soweit die vom Wohnraummietrecht vorgesehenen normativen Voraussetzungen und Schranken einseitiger Rechtsmacht des Vermieters eingehalten werden. Da der Vermieter im Mehrfamilienwohnhaus eine Vielzahl von Mietverträgen mit verschiedenen Mietern abgeschlossen hat, entfalten diese Maßnahmen zugleich eine sozialgestaltende Wirkung. Die auf der Verfügungsmacht über das Eigentum beruhende, durch die Verfassung wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit individualrechtlich sanktionierten Handlungsbefugnisse des Vermieters verschaffen diesem zugleich eine einseitige Rechtsmacht zur Gestaltung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis. Hierin liegt nicht nur eine wohnungs- und sozialpolitische Herausforderung für die Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung des Menschen im Wohnbereich als Postulate der Wohn- und Lebensqualität; die über den individualrechtliehen Rechtskreis hinausgreifende Gestaltungsmacht des Vermieters bedeutet auch eine Herausforderung der Dogmatik des Wohnraummietrechts. Die soziale Gestaltungsmacht des Vermieters verläßt die Grenzen der auf (bipolare) Vermieter-Mieter-Rechtsbeziehungen fixierten Konzeption des Wohnraummietechts. Sie steht außerhalb der Regelungszuständigkeit wohnraummietrechtlicher Privatautonomie, die auf die Selbstbestimmung des einzelnen in eigenen Angelegenheiten zielt und ist deshalb zur Ordnung eines über den eigenen Rechtskreis hinausgreifenden Sozialtatbestandes institutionell unzuständig.
2m So etwa Weimar, MDR 1971, S. 108; zur Frage der Anerkennung einer Rechtspflicht zur Gleichbehandlung im Mietverhältnis näher im Zweiten Teil, 4. Kapitel. 208 Vgl. Oetker, BlGBW 1983, S. 202; dazu im Dritten Teil, 4. Kapitel unter II 2. 209 Vgl. die Nachweise bei Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, Rn. 142 vor§§ 535, 536; näher dazu im Dritten Teil, 3. Kapitel unter C I 1.
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l. Teil, l. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
c) Partnerschaft als legislatorisches Postulat des Wohnraummietrechts aa) Grundlagen Das Konzept der Wohnraummiete als (bilaterales) Gebrauchsüberlassungsschuldverhältnis beschreibt das klassische Sozialmodell, das der historische Privatrechtsgesetzgeber der gesetzlichen Regelung zugrunde gelegt hat. In der Rechtsentwicklung der Nachkriegsgeschichte ist zu diesem Modell ein Aspekt hinzugetreten, der die Diskussion um die Rechtsnatur und die rechtliche Struktur des Wohnraummietverhältnisses wiederholt bewegt hat, ohne daß bisher sein Einfluß auf das Regelungs- und Sozialmodell des gesetzlichen Wohnraummietrechts als geklärt angesehen werden kann: Gemeint ist der Partnerschaftsgedanke. Der Partnerschaftsgedanke hat zuerst im Zweiten Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Zweiten Mietrechtsänderungsgesetz 1964 210 Erwähnung gefunden. Er wird darin im Zusammenhapg mit dem legislativen Anliegen, die Wohnungszwangswirtschaft abzubauen und durch ein soziales Miet- und Wohnrecht zu ersetzen, als ein Leitziel der gesetzlichen Regelung eingeführt, durch das "eine weitere Ausgestaltung des Mietrechts unter sozialen Gesichtspunkten" 211 erreicht werden soll. Zu diesem Zweck sah der Gesetzesentwurf zwei Vorschriftengruppen vor: Die eine Gruppe sollte nicht zu rechtfertigenden Härten bei der Beendigung eines Mietverhältnisses entgegenwirken; die andere Gruppe- und daraufkommt es im vorliegenden Zusammenhang an - "soll die rechtlichen Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter für die Zeit des Mietverhältnisses in einer Weise ausgestalten, daß sie sich nicht als Gegner gegenüberstehen, sich vielmehr durch den Mietvertrag als Partner verbunden fühlen." 212 Der Partnerschaftsgedanke wurde vom Gesetzgeber als legislatorisches Grundpostulat des sozialen Mietrechts angesehen, das - auch wenn der Partnerschaftsgedanke an keiner Stelle des Gesetzestextes ausdrücklich erwähnt wird - verschiedenen Einzelvorschriften zugrunde liegt und gleichsam die Einzelvorschriften überspannend den Grundbefund des Mietrechts ausmachen sollte. Exemplarisch für die inhaltsprägende Bedeutung des Partnerschaftsgedankens steht die in§ 550 a BGB angeordnete Unwirksamkeit von Vereinbarungen, durch die sich der Vermieter von Wohnraum eine Vertragsstrafe vom Mieter versprechen läßt; den Grund für die Schaffung einer solchen Vorschrift hat der Rechtsausschuß unter anderem darin gesehen, daß Vertragsstrafen zu mißbilligen seien, "weil sie der Entwicklung einer Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter entgegenstehen".213 Ebenso wird auch die Einführung gesetzlicher Duldungspflichten bei 210 Bericht vom 24.4.1964 zu BT-Drcks. IV /2195, S. 1 f. 211 Bericht, aaO. Fn. 210, S. l. 212 Bericht, aaO. Fn. 210, S. 1 f.
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der Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsmaßnahmen mit der Erwägung begründet, "eine gesetzliche Klärung dieser Duldungspflichten, die bislang nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entscheiden waren, ist der Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter förderlich". 214 Ferner wird der Partnerschaftsgedanke für den Ausschluß des Minderungsrechts bei einer unerheblichen Minderung der Tauglichkeit des Mietobjekts angeführt. 215 Der Partnerschaftsgedanke hat nach diesen Anwendungsfallen eine rechtsbegrenzende und rechtserweiternde, mieterschützende Bedeutung. Er wird zunächst angewandt auf das Rechtsverhältnis zwischen den Mietvertragsparteien, beansprucht dann aber auch Bedeutung für die Beziehungen der Bewohner eines Hauses untereinander. Im Bericht des Rechtsausschusses wird dies dadurch betont, daß ausdrücklich ein Zusammenhang zwischen dem Begriff des Friedens in der Hausgemeinschaft als einem die horizontale Verbundenheit der Mitbewohner eines Hauses zum Ausdruck bringenden Rechtsbegriff, der seit dem Ersten Mietrechtsänderungsgesetz 1963 216 gesetzliche Anerkennung in § 554 a BGB gefunden hat, und dem Gedanken der Partnerschaft hergestellt wird. Insofern heißt es im Zusammenhang mit der Regelung des § 537 I 2 BGB, daß die gesetzliche Regelung Streitigkeiten zu verhindern suche, "die den Frieden in der Hausgemeinschaft stören und damit dem Gedanken einer Partnerschaft entgegenstehen würden". 217 In der parlamentarischen Diskussion der Mietrechtsänderungsgesetze wurde der Partnerschaftsgedanke von Sprechern sämtlicher Fraktionen des Deutschen Bundestages übereinstimmend als Leitziel der gesetzlichen Neuregelung des Wohnraummietrechts gewürdigt und anerkannt. 218 Die Kritik, die an der gesetzlichen Neuregelung geübt wurde, bezog sich nicht auf den Partnerschaftsgedanken als legislatives Grundpostulat, sondern auf die Frage, ob die Neuregelungen ausreichen würden, um den Partnerschaftsgedanken in der Rechtswirklichkeit Geltung zu verschaffen. 219 Dieser Befund und die Tatsache, daß der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages dem Partnerschaftsgedanken eine zentrale Rolle für die inhaltliche Regelung der Mietrechtsänderungsgesetzgebung der Bericht, aaO. Fn. 210, S. 4. Bericht, aaO. Fn. 210, S. 3. 215 Bericht, aaO. Fn. 210, S. 2. 216 BGBl. 1963 I, S. 505, Art. I 2. 211 Bericht, aaO. Fn. 210, S. 2. 218 Zum 2. MRÄndG vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 55, S. 6216 ff.: Lücke (CDU), S. 6216; Hauser (CDU), S. 6218; Jahn (SPD), S. 6220; Busse (FDP), S. 6221. Zum 3. MRÄndG vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 64, S. 5813 ff.: Hauser (CDU), S. 5817; Busse (FDP), S. 5817; Reischi (SPD), S. 5819. 219 Vgl. die Kritik namentlich von Jahn, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 55, S. 6220 (B). 213
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sechziger Jahre zugewiesen hat, ist auch für die dogmatische Analyse des Partnerschaftsgedankens von Bedeutung: Da der erkenntnisleitende Wille des Gesetzgebers einer Kodifikation interpretationsmethodisch nicht nur aus dem Normtext selbst, sondern auch aus den Sinn und Zweckvorstellungen, die bei der Gesetzesberatung und -beschlußfassung von den Gesetzesorganen über ein Gesetz insgesamt oder zu einzelnen Vorschriften bzw. auch aus Vorstellungen, die die Gesetzesreferenten dem von ihnen erarbeiteten Text mit auf den Weg gegeben haben und dann von den Gesetzgebungsorganen mangels eigenen entgegenstehenden Äußerungen übernommen wurden, entwickelt werden kann (sogenannte Paktentheorie),220 ist der Partnerschaftsgedanke, obwohl er im Gesetz keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, ein legislatorisches Grundpostulat der Wohnraummietrechtsordnung und das Leitziel der Mietgesetzgebung in der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft. Nicht nur rückblickend auf die sogenannte Abbaugesetzgebung der sechziger Jahre erscheint der Partnerschaftsgedanke als der kleinste gemeinsame Nenner der im Bundestag vertretenen Fraktionen. Der Partnerschaftsgedanke blieb auch in dem durch die Wohnraumkündigungsschutzgesetzgebung bestimmten weiteren Verlauf der Mietrechtsentwicklung die fraktionsübergreifend gemeinsame Leitvorstellung für die Gestaltung der Wohnraummietrechtsordnung, 221 wobei allerdings die Vorstellungen darüber, wie der Partnerschaftsgedanke zu verwirklichen sei, auseinander gingen. Befürchtet wurde insbesondere, freilich unter Nichtbeachtung des Umstandes, daß der Partnerschaftsgedanke nach den ursprünglichen Intentionen für die Beendigung des Wohnraummietverhältnisses keinerlei Bedeutung haben sollte, 222 daß die Kündigungsvorschriften der Wohnraumkündigungsschutzgesetze die Partnerschaft von Mietern und Vermietern zerstören würden; 223 gerade durch solche Äußerungen wurde indes die fortgeltende Bedeutung des Partnerschaftsgedankens unterstrichen. Bei den Gesetzesnovellen der Jahre 1974 und 1982 hat der Partnerschaftsgedanke an Bedeutung verloren; nunmehr galt mit unterschiedlicher Nuancierung "die dauernde Sicherung des sozialen Friedens zwischen Vermieter und Mieter, der Schutz des rechtstreuen Vertragspartners vor Willkür, ein vernünftiger Interessenausgleich und die Erhaltung einer angemessenen Wirtschaftlichkeit " 224 als legis220 Vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 95; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §54 ill; Keller, Die Kritik, Korrektur und Interpretation des Gesetzeswortlauts, S. 95; Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 432; Säcker, in: MünchKomm., Einleitung Allgemeiner Teil, Rn. 124; kritisch Larenz, Methodenlehre, S. 314 ff. 221 So zu Recht Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 231 unter Hinweis auf die Beratungen zum Ersten WKSchG. 222 Vgl oben bei Fn. 212. 223 Vgl. Erpenbeck, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 74, S. 4935. 224 Vogel, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 89, S. 8309.
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latorisches Leitmotiv. Deswegen aber wurde der Partnerschaftsgedanke nicht aufgegeben: Der damalige Bundesminister der Justiz hat vielmehr verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es ein Ziel der Wohnraumkündigungsschutzgesetze sei, daß sich Vermieter und Mieter "bei beiderseitigem guten Willen in einem Verhältnis sozialer Partnerschaft zusammenfinden- und notfalls auch auseinandersetzen- können." 225 Und wenn im Laufe der Gesetzesberatungen vor dem Aufleben eines "Herr-im-Haus-Standpunktes" gewarnt wurde, 226 so wurde damit auf diejenigen Überzeugungen zurückgegriffen, die der Einführung des Partnerschaftsgedankens zugrunde gelegen hatten. Nach dem bisher Gesagten steht lediglich die Bedeutung des Partnerschaftsgedankens für das Wohnraummietrecht in der Sozialen Wohnungsmarktwirtschaft als legislatorisches Leitmotiv fest; eine normative Bedeutung des Partnerschaftsgedankens für die Auslegung und Anwendung des Wohnraummietrechts ist damit noch nicht dargelegt. Abgesehen von den wenigen gesetzlichen Regelungen, die der Gesetzgeber ausdrücklich auf den Partnerschaftsgedanken als tragende Wertungsgrundtage gestützt hat, ist die inhaltsrechtliche Bedeutung des Partnerschaftsgedankens vom Gesetzgeber nicht näher erläutert worden. Da der Partnerschaftsgedanke zudem weder rechtlich vorstrukturiert noch überhaupt als Rechtsbegriff anerkannt ist, wird die Rechtsdogmatik mit einem Begriff konfrontiert, deren rechtliche Konturen erst auszuloten sind. Während der Gesetzesberatungen zum Zweiten Mietrechtsänderungsgesetz ist dieser Umstand auch erkannt und ausgesprochen worden. Namentlich der Berichterstatter des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, der Abgeordnete Hauser hat darauf ausdrücklich hingewiesen, indem er feststellte, "mit dem Gedanken der Partnerschaft .. . haben wir wirklich neue Wege gefunden". 227 Die Klärung der normativen Bedeutung des Partnerschaftsgedankens für die Auslegung und Anwendung des Wohnraummietrechts ist deshalb Aufgabe der Rechtsdogmatik. bb) Problemstand Trotz der übereinstimmenden Äußerungen während der parlamentarischen Beratungen zum Partnerschaftsgedanken als Leitziel des gesetzlichen Wohnraummietrechts seit den Mietrechtsänderungsgesetzen der sechziger Jahre ist in den Stellungnahmen der mietrechtlichen Literatur die Bedeutung des Partnerschaftsgedankens als erkenntnisleitender Rechtsbegriff des Wohnraummietrechts nicht Vogel, WuM 1976, S. 137 (138); ders., JZ 1976, S. 73 (80). In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17.10.1974 (vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 89, S. 8308 ff.) haben neben dem Bundesjustizminister Vogel (aaO., S. 8309 D) Sprecher sämtlicher Fraktionen insbesondere auf die Funktion des Mietrechts zur Gewährleistung eines fairen Interessenausgleichs zwischen Vermietern und Mietern hingewiesen; vgl. Hauser (CDU), S. 8312 C; Dürr (SPD), S. 8313 A; Kleinert (FDP), S. 8315 C. 227 So Hauser, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, Bd. 55, S. 6218. 225
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anerkannt. Verschiedentlich wird der Partnerschaftsgedanke als Rechtsbegriff entweder grundsätzlich oder aber speziell für das Wohnraummietverhältnis abgelehnt. Wolter 228 kritisiert den Leerformelcharakter des Partnerschaftsgedankens, der zwar in der rechtspolitischen Diskussion nützlich sein könne, für die konkrete wissenschaftliche Erörterung und praktische Anwendung der Mietrechtsnormen jedoch nicht ergiebig sei. Die Anwendung des Partnerschaftsgedankens vernachlässige, daß die Interessen der Mietvertragsparteien nicht auf ein gemeinschaftliches Ziel ausgerichtet seien; der Rückzug auf "allgemeine außergesetzliche Leerformeln" sei geeignet, den Weg für eine sachbezogene Lösung des jeweiligen Konfliktfalles zu verstellen. In ähnlicher Weise hat Voelskow 229 eine normative Bedeutung des Partnerschaftsgedankens bestritten. Er sieht sogar das Finden eines gerechten Interessenausgleichs gefahrdet, weil der Partnerschaftsgedanke geeignet sei, durch seine "romantisierende Unschärfe den Blick zu vernebeln". Hilden 230 erkennt zwar an, daß der Partnerschaftsgedanke den "größten gemeinsamen Nenner innerhalb der Gesetzgebungsorgane" darstellt, mißt dem aber dennoch keine normative Bedeutung bei; eine gesetzliche Regelung, die das partnerschaftliche Prinzip favorisiere, müsse die Interessen beider Vertragsparteien fördern; letzeres sei aber gerade durch die Gesetze, die den Partnerschaftsgedanken zu ihrem Leitziel erhoben haben, nicht nachweisbar. Schopp 231 sieht den Partnerschaftsgedanken durch seinen personenbezogenen Inhalt konstituiert, der eine persönliche Bindung zwischen den partnerschaftlieh verbundenen Personen erzeuge, für die es aber im Unterschied zur Gesellschaft oder zum Arbeitsverhältnis im Wohnraummietverhältnis keine Grundlage gebe; dem Wohnraummietverhältnis sei zwar wie allen Dauerschuldverhältnissen ein personenbezogenes Element eigen, ihm fehle aber die persönliche Bindung, das Miteinander, der Zusammenhalt der Vertragsteile wie bei der Gesellschaft oder dem Arbeitsverhältnis. Den kritischen Stellungnahmen stehen Äußerungen gegenüber, die in den durch die Mietrechtsnovellen der sechziger Jahre neu eingeführten oder geänderten Vorschriften die normative Basis für die rechtliche Anerkennung des Partnerschaftsgedankens im Wohnraummietrecht sehen. In diesem Sinn hat Pergande 232 den Sinn des gesetzlichen Leitmotivs der Mietrechtsnovellen darin gesehen, sicherstellen zu wollen, "daß bei Wohnungsmietverhältnissen eine echte Partnerschaft zwischen den Mietparteien besteht, die zu einer gegenseitigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen des anderen Vertragsteiles zwingt." Dem hat sich auch Mohnen 233 angeschlossen und betont, daß dem Gesetzgeber daran Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 233. Voelskow, in: MünchKomm., §§ 535, 536 Rn. 5. 230 Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, S. 95. 23t Schopp, ZMR 1967, S. 97 (99); ders., in: Erman, BGB, § 535 Rn. I. 232 In: Wohnraummietrecht, § 535 Anm. 2. 233 In: Festschrift für Nipperdey, S. 605 (619, 623); vgl. a. Rodenberg, Die Kündigung im Wohnraumrnietrecht, S. 16 f., der das Mietverhältnis als ,,Partnerschaftsverhältnis mit personenrechtlicher Gestaltung" .gekennzeichnet sieht. 228
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lag, "verständnisvolle gegenseitige Rücksichtnahme der Vertragspartner auch während des Laufs des Vertragsverhältnisses sicherzustellen, dabei den Mieter zu schützen, gleichwohl aber dem Vermieter die Nutzung seines Eigentums in wirtschaftlich vernünftiger Weise zu ermöglichen"; das Wohnraummietverhältnis präsentiere sich nach den Mietrechtsnovellen als ein Rechtsband zwischen Vermieter und Mieter, "das auf schuldrechtlicher Basis zustandegekommen, durch die Betonung familienmäßiger Belange insbesondere des Mieters gekennzeichnet ist und durch die Pflicht zu gegenseitiger vertrauensvoller Rücksichtnahme sein besonderes Gepräge erhält". Hardieck 234 anerkennt den Partnerschaftsgedanken als neuartigen unbestimmten Rechtsbegriff des Wohnraummietrechts; inhaltlich sei er zwischen dem antiquierten und ideologisch belasteten Hausgemeinschaftsbegriff und dem dauerschuldverhältnisrechtlichen Vertrauensgrundsatz angesiedelt, dem gegenüber er den Vorzug größerer mietrechtlicher Präzision aufweise. Humme/ 235 sieht im Partnerschaftsgedanken die Grundlage für eine bessere Beachtung der Grundrechte durch die Mietparteien; Partnerschaft im Mietverhältnis verlange "verfassungsmäßiges Verhalten" der Mietvertragsparteien und fördere somit die von der Verfassung erstrebte freiheitliche demokratische und soziale Grundordnung. Weitergehend sieht Sternef236 im Partnerschaftsgedanken zusammen mit der in § 554 a BGB normierten Hausgemeinschaftsidee die Grundlagen für ein Verständnis des Wohnraummietvertrages als "sozialer Tatbestand", da es den Ausgangspunkt für die Anerkennung von "demokratischen Rechten des Wohnungsmieters" bilde und sich dahin auswirke, daß daraus etwa ein ungeschriebenes Hausgemeinschaftsrecht entwickelt werden könne oder aber die Forderung nach einer Mietermitbestimmung ihre Berechtigung ableiten könne. Nach dem derzeitigen Meinungsbild sind durch den Partnerschaftsgedanken noch immer mehr Fragen aufgeworfen als geklärt. So faszinierend der Partnerschaftsgedanke als rechtlicher Grundbegriff des Wohnraummietrechts erscheint - und wer wollte sich schon in Ansehung der Friedensfunktion des Rechts der geradezu suggestiven Wirkung eines Rechtspostulats entziehen, nach denen die rechtlichen Beziehungen im Wohnraummietverhältnis so zu gestalten sind, daß sich nicht Gegner gegenüberstehen, sondern partnerschaftlieh verbundene Rechtssubjekte untereinander in Beziehung treten - , so sehr ist doch die Forderung zu beachten, den Partnerschaftsgedanken überhaupt erst einmal als Rechtsbegriff zu begründen. In den Beziehungen der Mietvertragsparteien würde der Partnerschaftsgedanke eine Kategorie einführen, die sich allein aus dem Gebrauchsüberlassungs- und Austauschcharakter der Wahnraummiete nicht entwickeln läßt; überdies wirft er die Frage auf, wie der Partnerschaftsgedanke sich zu den Grundsätzen verhält, die aus dem Dauerschuldverhältnischarakter der Wohnraummiete folgen und dort 234 23s 236
Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, S. 135 ff. ZMR 1971, S. 265 (266). Mietrecht, 2. Aufl., Rn. II 306.
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I. Teil, I. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
unter dem Begriff des Vertrauensverhältnisses zur Entwicklung einer immer weiter konkretisierten Nebenpflichtendogmatik geführt haben. In diesem Zusammenhang ergeben sich Parallelen zum Arbeitsrecht und der dortigen Diskussion um die personenrechtliche Bindung der Arbeitsvertragspartner, so daß zu untersuchen ist, ob sich von daher Rückschlüsse für die normative Bedeutung des Partnerschaftsgedankens im Wohnraummietverhältnis ziehen lassen. Nicht mindere Legitimationsprobleme bestehen für den Partnerschaftsgedanken soweit damit die Vorstellung einer rechtlichen Verfassung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis anklingt. 237 Sozialbeziehungen werden nach tradierten privatrechtliehen Vorstellungen vornehmlich durch die Vorschriften des Vereins- bzw. Verbandsrechts geregelt, für die sich freilich im Wohnraummietrecht ein Ansatzpunkt nicht finden läßt; ergänzend steht das Recht der schlichten Rechtsgemeinschaft zur Verfügung, deren Entstehung aber, da einer rechtsgeschäftliehen Begründung von gemeinschaftsrechtlichen Beziehungen nicht in Betracht kommt, kraft Gesetzes angeordnet sein müßte, so daß zu klären ist, ob das Wohnraummietrecht hinreichende Rechtsgrundlagen für die Anerkennung einer gemeinschaftsrechtlichen Verfassung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis enthält. 3. Partnerschaft als RechtsbegritT des Wohnraummietrechts Ob dem Partnerschaftsgedanken im Wohnraummietrecht eine spezifisch rechtliche Bedeutung zukommt, soll differenziert nach dem Rechtsverhältnis der Mietvertragsparteien zueinander und dem Verhältnis der Bewohner eines Miethauses untereinander bzw. im Verhältnis zum gemeinsamen Vermieter untersucht werden. Die Differenzierung ist nicht nur deswegen angebracht, weil der phänomenologische Befund der Beziehungen im Wohnraummietverhältnis eine Unterscheidung von Individual- und Sozialbeziehungen ergeben hat, 238 sondern auch und insbesondere deswegen, weil der Wohnraummietrechtsgesetzgeber durch die Bezugnahme des Partnerschaftspostulats auf das bilaterale Verhältnis der Mietvertragsparteien einerseits und ausweislich der Herstellung eines Zusammenhangs des Partnerschaftsgedankens mit dem Rechtsbegriff des Hausfriedens auf die Gesamtbeziehungen der Bewohner eines Hauses andererseits 239 eine differenzierte Betrachtung des Partnerschaftsgedankens angelegt hat.
237 238 239
Vgl. oben bei Fn. 216. Vgl. oben unter B I 2 a. Vgl. oben bei Fn. 216.
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a) Partnerschaft zwischen den Parteien des Wohnraummietvertrages Partnerschaft ist kein genuiner oder traditional gewachsener Rechtsbegriff. Bedeutung kommt ihm in erster Linie als rechtspolitischer Ordnungsbegriff im Bereich des Wirtschafts- und Arbeitslebens zu, wo er unter dem Stichwort der "Sozialpartnerschaft" gegen verschiedene Formen einseitiger Ideologisierung als Komplement wirtschaftlicher und sozialer Interessen in der Wirtschaftsgesellschaft postuliert wurde. 240 Für die Binnenbeziehungen der Wohnraummietvertragsparteien hat dieses Verständnis von Partnerschaft, das den "Innenraum der einzelnen Wirtschaftssubjekte" 241 gerade übersteigt, keine erkenntnisleitende Bedeutung. Einen ersten Ansatz für den Bedeutungsgehalt des Partnerschaftspostulats im Wohnraummietrecht läßt sich aus der sprachlichen Bedeutung gewinnen, die ganz allgemein in der "Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit zwischen gleichberechtigten Personen" gesehen wird und von v. Nell-Breuning wie folgt umschrieben wird: "Schon rein sprachlich besagt die Partnerschaft, daß die Beteiligten sich als Teile eines Ganzen erkennen und anerkennen. Kein Teil beansprucht für sich allein, das Ganze zu sein. Jeder Teil will sein Eigeninteresse wahren, jedoch so, daß das Zusammenwirken mit dem anderen Teil beiden wechselseitigen Vorteil bringen soll; darum will jeder Teil sein Eigeninteresse nur in der Weise und in den Grenzen verfolgen, wie sich das mit dieser wechselseitigen Förderung verträgt." 242 Dieses allgemeine Verständnis des Partnerschaftsbegriffs beschreibt freilich noch keine spezifisch rechtliche Bedeutung. Sie zu ermitteln, bedeutet mit der Tatsache konfrontiert zu werden, daß der Gesetzgeber des Wohnraummietrechts dem Partnerschaftsgedanken keine rechtliche Sinngebung mit auf den Weg gegeben hat. Wenn der Partnerschaftsgedanke im Verhältnis der Wohnraummietvertragsparteien überhaupt eine normative Bedeutung entfaltet und diese Bedeutung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch des Partnerschaftsgedankens als einer Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit zwischen den partnerschaftlieh verbundenen Personen 243 zu tun hat, drängt sich der Ansatz auf, einen solchen Sinngehalt aus der dogmatischen Diskussion abzuleiten, die sich um die Rechtsnatur des Wohnraummietvertrages als Austauschschuldverhältnis entwickelt hat. Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Zum einen steht das Verhältnis des Wohnraummietvertrages als Partnerschaftsverhältnis am Ende einer Entwicklung, die von der historischen Wertentscheidung des Gesetzgebers ausging, den Wohnraummietvertrag als reines Austauschschuldverhältnis zu konstituieren, und später durch den Gemeinschaftsgedanken einen wesentlichen Impuls für die Veranke240 Vgl. v. Nell-Breuning, in: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Bd. 8, Stichwort: Partnerschaft. 241 v. Nell-Breuning, aaO. Fn. 240. 242 Vgl. Fn. 240. 243 Vgl. dazu Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 14, 1972, Stichwort: Partnerschaft.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
rung eines personenrechtlichen Elementes im Wohnraummietvertrag erfuhr. Der andere Aspekt ergibt sich daraus, daß im Arbeitsrecht eine parallele und dogmatisch intensiv geführte Diskussion um die Anerkennung eines personenrechtlichen Charakters des Arbeitsvertrages geführt wurde. Diese Diskussion soll daraufhin untersucht werden, ob aus ihr Rückschlüsse auf das Wohnraummietrecht gezogen werden können. Die aus dieser Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse lassen dann erwarten, daß die rechtliche Bedeutung des Partnerschaftsgedankens in Ansehung der normativen Grundlagen personenrechtlicher Gemeinschaftsverhältnisse und die rechtliche Bedeutung des Partnerschaftsgedankens im Verhältnis der Mietvertragsparteien zueinander überhaupt bestimmt werden können. aa) Der Wohnraummietvertrag in der dogmatischen Diskussion zwischen Austausch-, Gemeinschafts- und Partnerschaftsverhältnis Die Entscheidung des historischen Gesetzgebers, den Wohnraummietvertrag als mit der Grundstücks- und Fahrnismiete gleich zu behandelndes und nach dem römischrechtlichen Vorbild der locatio conductio 244 konzipiertes, strikt obligatorisches Austauschschuldverhältnis zu regeln, war eine derjenigen Grundlagenentscheidungen, die im Laufe der Rechtsentwicklung verschiedentlich 245 kritisiert und Gegenstand unterschiedlicher Rechtsfortbildungsüberlegungen wurden. Zwar fehlt eine so grundsätzliche Kritik, wie sie vor allem Otto von Gierke und Philipp Lotmar am schuldrechtlichen Charakter des Arbeitsvertrages und der damit gerügten Mißachtung des Umstandes vorgetragen haben, 246 daß sich im Arbeitsverhältnis neben der schuldrechtlichen, vermögensrechtlichen Bindung ein personales Band entfalte; 247 dennoch ist auch im Wohnraummietrecht, einsetzend mit der Mieterschutzgesetzgebung im Zuge des Ersten Weltkrieges und noch unbeeinflußt von der nationalsozialistischen Rechtslehre, die rein schuldrechtliche, vermögensrechtliche Konstitution des Wohnraummietverhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch kritisiert worden. Das Mietverhältnis könne - stellte das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 13. Dezember 1918 248 fest- die Parteien vielfach in persönliche Berührung bringen, die nicht nur zu Störungen des Hausfriedens führten, sondern auch zu Störungen "der besonderen vertraglichen Beziehungen unter ihnen". Wie diese Vgl. Mot. II, S. 381; näher dazu Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 21 ff. Auf die Diskussion um die Dinglichkeitsnatur der Miete wurde bereits oben (vgl. unter B I 1 c) ebenso wie auf die Typisierung des Wohnraummietverhältnisses als Gebrauchsüberlassungsschuldverhältnis eingegangen (vgl. unter B I l a). 246 Vgl. insbesondere 0. v. Gierke, in: Festschrift für Brunner, S. 36 ff.; Lotrnar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, S. 7 ff. 247 Grundlegend Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, 1907, Erster Teil, s. 2 ff. 248 Vgl. RGZ 94, S. 234. 244 245
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Besonderheit der vertraglichen Beziehung rechtlich zu qualifizieren ist, hat das Reichsgericht freilich nicht näher ausgeführt; aus der Besonderheit der Beziehungen zwischen den Mietvertragsparteien entwickelte es lediglich den Rechtssatz, das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter könne "von einem feindseligen persönlichen Verhältnis zwischen den Parteien dann nicht unberührt bleiben, wenn besondere vertragliche Beziehungen ein engeres verständiges, friedliches Zusammenwirken bedingen und die Feindschaft zwischen den Parteien eine derartige Schärfe annimmt, daß sie ein solches Zusammenwirken unmöglich macht". 249 Bei aller Kritik, die am rein vermögensrechtlichen Charakter des Schuldverhältnisses der Miete mit dieser Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht wurde, sprach sich das Reichsgericht also nicht dafür aus, die vermögensrechtliche Grundstruktur des Mietverhältnisses durch eine personenrechtliche zu ersetzen. Sein Erkenntnis ist vielmehr eine der Leitentscheidungen zur Entwicklung besonderer Grundsätze für die rechtliche Ordnung von Dauerschuldverhältnissen geworden, "die ein persönliches Zusammenarbeiten der Beteiligten und daher ein gutes Einvernehmen fordern"; 250 zu ihnen gehört seit der Entscheidung des Reichsgerichts vom 13. Dezember 1918 das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund. 251 Ungeachtet des nur zurückhaltenden Anspruchs, den das Reichsgericht mit seinem Erkenntnis erhob, wurde ihm in der mietrechtlichen Literatur die Bedeutung beigemessen, als sei damit ein "erster Schritt von der rein vermögensrechtlichen Sicht des BGB hin zur Anerkennung eines personenrechtlichen Einschlages getan". 252 Vereinzelt wurde sogar geltend gemacht, daß Mietverträge "wie kaum ein anderer Vertrag gegenseitiges Vertrauen abfordern".253 In der nationalsozialistischen Rechtslehre avancierte der personenrechtliche Charakter des Mietverhältnisses zu einem Zentralbegriff des Mietrechts. 254 Der Begriff der Hausgemeinschaft wurde zum Instrument für eine völlige Umgestaltung des Mietrechts im Dienste der nationalsozialistischen Ideologie. 255 Die Idee der Hausgemeinschaft in der nationalsozialistischen Rechtslehre blieb nicht beschränkt auf das bilaterale Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, sondern RGZ 94, S. 234. RGZ 94, S. 234. 251 Grundlegend bereits RGZ 78, S. 385 (389), auf das RGZ 94, S. 234 (235) Bezug nimmt; vgl. ferner RGZ 150, S. 193 (199); BGHZ 50, S. 312 (315); zusammenfassend Krarner, in: MünchKomm., Rn. 88 vor§ 241. 252 So Hardieck, Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, S. 130. 253 So bereits Meyerowitz, JW 1927, S. 548 (549). 254 Vgl. exemplarisch Roquette, Rechtsgrundlagen der Wohnungsmiete, S. 26; eingehend Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 293 ff.; Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, S. 94 ff.; Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 172 ff. 255 Vgl. dazu Hardieck, Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, S. 131 ff. 249
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galt als "Denkform", 256 unter der das gesamte Wohnraummietrecht stand; sie erfaßte auch und gerade die Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis und soll in diesem Zusammenhang näher beleuchtet werden. Zu betonen ist an dieser Stelle, daß der Gemeinschaftsgedanke fürdie Individualbeziehungen von Vermieter und Mieter im Deutschen Einheitsmietvertrag von 1934 ausdrücklich einer Verpflichtung der Mietvertragsparteien zu einer "vertrauensvollen Hausgemeinschaft" festgeschrieben wurde; 257 dies erscheint vor allem deswegen bemerkenswert, weil die nationalsozialistische Rechtslehre den Gemeinschaftsgedanken im übrigen ohne konkrete Rechtsgrundlage entwickelte, einsetzte und mißbrauchte. 258 Der Gemeinschaftsbegriff ist nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus aus der dogmatischen Diskussion des Wohnraummietrechts nicht vollständig gewichen. Trotz seiner historischen Verbindung mit der nationalsozialistischen Ideologie wurde ihm die Bedeutung zuerkannt, "die verhärteten Fronten zwischen Mietern und Vermietern aufzubrechen und dem Mietvertragsrecht einen sozialeren Charakter zu geben". 259 In diesem Sinn hatte namentlich Kiefsauer der Idee der Hausgemeinschaft eine rechtsgestaltende Kraft beigemessen, die, "selbst ungeschrieben, geschriebenes Vertragsrecht in weitgehendem Maße umzugestalten vermag". 260 Den rechtsdogmatischen Nachweis für diese Behauptung ist er allerdings schuldig geblieben und durch den von ihm aufrechterhaltenen Bezug der Hausgemeinschaft zum "Volksganzen" 261 ist statt dogmatischer Klarheit wachsende Skepsis gegenüber der normativen Bedeutung des Gedankens der Hausgemeinschaft geäußert worden. 262 Rettermann hat im Bemühen, Anklänge an die nationalsozialistische Rechtslehre zu vermeiden, das Verhältnis zwischen den Mietvertragsparteien als "Raumgemeinschaft" 263 bezeichnet. Rechtliche Bedeutung hat Rettermann der Raumgemeinschaft allerdings nur in sehr begrenzter Form dadurch beigemessen, daß diese Raumgemeinschaft ein tatsächliches Zusammenleben der Gemeinschafter in einem Gebäude voraussetzen sollte, so daß alle Mietverhältnisse, die nicht mit natürlichen Personen geschlossen wurden, von vornherein kein gemeinschaftliches Element aufweisen konnten; der Begriff der Raumgemeinschaft diente überdies nur als Abgrenzungskriterium einer Belästigung im Sinne des§ 2 MSchG, ohne daß damit eine personemechtliche AuflaRoquette, Rechtsgrundlagen der Wohnungsmiete, S. 25 ff. § 7 DEMV 1934. 258 Zu den Funktionen des Hausgemeinschaftsbegriffs in der nationalsozialistischen Rechtslehre vgl. Hardieck, Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, S. 132 ff. 2s9 So Kerstan, Ein neuer Mustermietvertrag, S. 13. 260 Staudinger I Kiefsauer, BOB, 11. Aufl., Rn. 296 vor § 535. 261 Staudinger I Kiefsauer, aaO. Fn. 260. 262 Hardieck, Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, s. 134. 263 Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, § 2 Rn. 26 ff. 256 257
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dung der vermögensrechtlichen Grundstruktur des Mietverhältnisses einhergehen sollte. 264 Später hat Mohnen aus dem Sozialbegriff der sogenannten Abbaugesetze der sechziger Jahre einen Charakter des "Neuen Mietrechts" zu destillieren versucht, der den Wohnraummietvertrag ähnlich wie den Arbeitsvertrag "aus dem Bereich der rein schuldrechtlichen Austauschverträge herausgehoben" habe. 265 Nach seinem Verständnis ist der Schuldvertrag nurmehr die Grundlage des Rechtsbandes zwischen Vermieter und Mieter, das dann- wie bereits erwähnt- durch die Betonung "familienrnäßiger Belange" und durch die ,,Pflicht zu gegenseitiger vertrauensvoller Rücksichtnahme" sein besonderes Gepräge erhalte. 266 Eine Konturierung des so geprägten Wohnraummietverhältnisses läßt Mohnen allerdings vermissen, wenn er betont, daß "die Institution Miete auch als Wohnungsmiete dem schuldrechtlichen Bereich zugeordnet bleibt". 267 Diese Position bleibt gerade im Vergleich zur Rechtsnatur des Arbeitsvertrages, auf deren Ähnlichkeit sich Mohnen ausdrücklich bezieht, 268 unklar und widersprüchlich, da das Arbeitsverhältnis nach seiner Zeit ganz herrschenden Auffassung 269 als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis charakterisiert und damit nicht mehr dem schuldrechtlichen Bereich zugeordnet wurde. Der Partnerschaftsgedanke führt, ohne daß er ausdrücklich in einen Zusammenhang mit dem Gedanken der Hausgemeinschaft bzw. der Einbeziehung familienmäßiger Belange in das Mietverhältnis gestellt wird, das übereinstimmende Grundanliegen dieser vorbekannten Ansätze fort, nämlich das rein vermögensrechtliche Verständnis des Mietverhältnisses im BGB durch eine personenrechtliche Komponente zu ergänzen. Wenn daher gesagt wurde, mit dem Partnerschaftsgedanken würden ,,neue Wege" für die Konstituierung des Wohnraummietverhältnisses beschritten, 270 so wird damit zu Recht betont, daß eine solche personenrechtliche Komponente jedenfalls bis zur Einführung des Part/-ner/-schafts/gedan/-kens keine Anerkennung gefunden hatte; ein neuartiger (inhaltsrechtlicher) Aspekt kommt mit dem Partnerschaftsgedanken dagegen nicht zum Ausdruck. Sein zentrales Anliegen, nämlich zu gewährleisten, daß bei Wohnraummietverhältnissen eine Partnerschaft zwischen den Mietparteien besteht, die zu einer gegenseitigen Rücksichtnahme auf schutzwürdige Interessen des anderen Vertragsteiles zwingt, beschreibt keine Inhalte, die nicht auch schon durch den 264
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Bettennann, NJW 1954, S. 1204; vgl. a. den Nachw. in Fn. 263.
In: 2. Festschrift für Nipperdey, Bd. I, S. 605.
Mohnen, aaO. Fn. 265, S. 605 (623). Mohnen, aaO. Fn. 263, S. 605 (622). 268 Mohnen, aaO. Fn. 263, S. 605 f. 269 Vgl. nur Hueck I Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, § 22 II; vgl. i. ü. die umfassenden Nachweise bei Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 16 Fn. 17, 18. 210 Vgl. oben Fn. 227. 266 267
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Gemeinschaftsgedanken in seinen verschiedenen Ausprägungen angesprochen wurden. Die Feststellung, daß der Partnerschaftsgedanke eine Fortführung von Überlegungen darstellt, neben den vermögensrechtlichen Austauschbeziehungen auch personenrechtliche Elemente in das Mietverhältnis einzubeziehen, ist für die dogmatische Diskussion insofern von Bedeutung, als damit offenbar wird, daß der Partnerschaftsgedanke keine Neuschöpfung der Mietrechtsnovellen der sechziger Jahre darstellt. Er erscheint vielmehr als Fortführung der Ansätze für die Anerkennung personenrechtlicher, gemeinschaftsrechtlicher Aspekte des Wohnraummietverhältnisses; in diesem Zusammenhang ist daher seine normative Bedeutung zu suchen. bb) Parallelentwicklungen im Arbeitsrecht Bestätigt wird der Ansatz, den normativen Gehalt des Partnerschaftsgedankens im Gemeinschaftsrecht zu suchen, von der dogmatischen Diskussion um die Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis, das nach den historischen Wertungsgrundlagen des Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls als reines Austauschverhältnis konzipiert war, 271 wurde im Zuge der Rechtsentwicklung und im Anschluß an die Lehre Otto von Gierkes 212 als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis dogmatisch neu definiert. 273 Das Arbeitsverhältnis habe - so stellt Raiser zusammenfassend fest, so starke personale Elemente in sich aufgenommen, das es, abgesehen von den Beschränkungen, die Gesetz und Tarifvertrag setzen, der freien schuldrechtlichen Verfügbarkeit nicht mehr voll zugänglich sei. 274 Das Arbeitsverhältnis erfasse in weitem Maße die Persönlichkeit des Arbeitnehmers und rufe damit personenbezogene Bindungen hervor, die weit über einfache schuldrechtliche Bindungen hinausgingen; es sei deshalb zu einem personalen, der Sicherung des sozialen Lebensstandards des Arbeitnehmers dienenden Rechtsverhältnis geworden. Der historische Bruch mit der Charakterisierung des Arbeitsverhältnisses als Austauschvertrag wurde vor allem unter dem Einfluß der nationalsozialistischen Rechtslehre vollzogen und insbesondere auf das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 275 gestützt. Die Rechtsidee vom personalen Charakter des Arbeitsverhältnisses entsprang allerdings nicht nationalsozialistischem Gedankengut. 276 Deshalb auch konnte nach dem Zusammenbruch des 271 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 549 f.; Hueck I Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, § 22 II; Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 1. 272 Insbesondere in: Festschrift für Brunner, S. 36 ff. 273 Vgl. oben Fn. 269. 274 Raiser, in: Festschrift zum IOOjährigen Bestehen des DJT, Bd. 1, S. 101 (108). 275 RGBl. I, S. 45.
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nationalsozialistischen Regimes begründet werden, daß der gemeinschaftsrechtliche Charakter des Arbeitsverhältnisses aufrechterhalten werden sollte; der Begriff "personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis" blieb auch nach 1945 zur Kennzeichnung der Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses in Literatur und Rechtsprechung bestimmend. 277 Für die vergleichende Betrachtung von Arbeits- und Wohnraummietverhältnis ist dann allerdings von Bedeutung, daß in der jüngeren dogmatischen Diskussion des Arbeitsrechts eine Kritik am personenrechtlichen Gemeinschaftscharakter eingesetzt hat. Von weitreichender Bedeutung waren dabei zunächst die differenzierenden, aber den Gemeinschaftsgedanken insgesamt stützenden Überlegungen von Wiedemann 278 und insbesondere die grundsätzliche Kritik von Schwerdtner,219 die deshalb besondere Erwähnung finden soll.280 Schwerdtner hat eindringlich kritisiert, daß der personenrechtliche Gemeinschaftscharakterdes Arbeitsverhältnisses vorwiegend aus der Existenz von Treueund Fürsorgepflichten hergeleitet werde, diese Begründung aber auf einem Zirkelschluß beruhe, sofern die Treue- und Fürsorgepflichten ihrerseits aus der Gemeinschaftsgebundenheil abgeleitet werden, zumal er gerade aus der deutschrechtlichen Tradition aufzeigen konnte, daß es sich bei Gemeinschaftsverhältnissen und Treue- und Fürsorgepflichten um keine Korrespondenzbegriffe handelt. 281 Eine rechtliche Gemeinschaftsbindung, die das BGB grundsätzlich bei gegenstandsbezogenen Gemeinschaften anerkenne, innerhalb derer keine weiteren Zwecke als die Verwaltung der ihr zugeordneten Gegenstände verfolgt werden, sei im Arbeitsverhältnis nicht gegeben, da zwischen den Arbeitsvertragsparteien eine Vermögensgemeinschaft, eine gemeinsame Rechtszuständigkeit am Arbeitsergebnis, nicht bestehe. 282 Da anders als etwa beim nachbarschaftliehen Gemeinschaftsverhältnis auch kein gemeinsamer Interessenbezugspunkt nachweisbar sei, gebe es nicht einmal für die Annahme einer schlichten Interessengemeinschaft eine zureichende sachliche Grundlage. Zwar müsse die Rechtsordnung mit zunehmender Intensität zwischenmenschlicher Beziehungen stärkere und namentlich umfassendere Verhaltensanforderungen stellen, um die gleichzeitig wachsenden Spannungsmöglichkeiten und Interessengegensätze auszugleichen; ob sie dieser 276 Vgl. Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 30 f. 277 Vgl. oben Fn. 269. 278 Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, insbesondere S. 33 ff., 36 ff. 279 Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 40 ff., 69 ff., passim. 280 Vgl. Schwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 44 unter Hinweis namentlich auf Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht. 281 Schwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 45 f. 282 Schwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 46 f.
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"sachlogischen Struktur" 283 im Rahmen des schuldrechtlichen Austauschverhältnisses oder des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses gerecht wird, sei damit indes nicht vorentschieden. Das BGB habe das Arbeitsverhältnis in der Form des Dienstvertrages als Austauschverhältnis gewertet. Schließlich stelle sich auch nach dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Koalitionsfreiheit in Art. 9 III GG die industrielle Arbeitsordnung als eine "soziale Arbeitskraft- und Machtordnung" dar, innerhalb derer die sozialen Gegenspieler vorhandene Interessengegensätze ordnen, nicht aber im Sinne einer wie auch immer gearteten Gemeinschaft zusammenwirken sollen. 284 Im Ergebnis stellt sich Schwerdtner der personenrechtliche Gemeinschaftscharakter des Arbeitsverhältnisses als "gut verpackte Ideologie", 285 nicht aber als Beitrag zur Rechtsdogmatik dar. Diese Kritik fand derart durchgreifende Beachtung, daß in denneueren Darstellungen des Arbeitsrechts der personenrechtliche Charakter des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erwähnt wird. 286 Nach heute ganz dominierender Auffassung wird das Arbeitsverhältnis als ein Dauerschuldverhältnis angesehen, das auf den wirtschaftlichen Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung abzielt; die ehemals als Treue- und Fürsorgepflichten typisierten gemeinschaftsrechtlichen Elemente werden dabei aus einer "wohlverstandenen Anwendung des § 242 BGB auf das Arbeitsverhältnis", als Nebenpflichten des Schuldverhältnisses erlaßt; 287 letztere haben deshalb nicht eine persönliche Treue zum Vertragspartner zum Inhalt, sondern gründen im allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben. cc) Kritik des Verständnisses der Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter als Gemeinschaftsverhältnis Der dogmengeschichtliche Entstehungszusammenhang des Partnerschaftsgedankens sowie die dogmatische Diskussion um die Anerkennung personaler Elemente im Arbeitsverhältnis weisen übereinstimmend den Weg, der normativen Bedeutung des Partnerschaftsgedankens im Gemeinschaftsrecht der Privatrechtsordnung nachzugehen. Dabei wird zugleich die Problematik einer gemeinschaftsrechtlichen Anreicherung des als Austauschverhältnis vermögensrechtlich konzipierten Mietverhältnisses zu einem personenrechtlichen Rechtsverhältnis deutlich. Diese liegt einmal in der Gefahr einer politisch-ideologischen Verfremdung und Instrumentalisierung des Gemeinschaftsgedankens, die die nationalsozialistiSchwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 47. Schwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 48 f. 285 Schwerdtner, aaO. Fn. 279, S. 66, 69 ff. 286 Söllner, in: MünchKomm., § 611 Rn. 124; vgl. a. Gast, Das Arbeitsrecht als Vertragsrecht, insbesondere S. 23 ff.; anders jetzt Adomeit in seiner rechtspolitischen Skizze für eine ,,Neubegründung des Individualarbeitsrechts", in: Adomeit, Das Arbeitsrecht und unsere wirtschaftliche Zukunft, S. 40 ff. 287 Vgl. Söllner, in: MünchKomm., § 611 Rn. 375. 283
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sehe Rechtslehre drastisch vor Augen geführt hat, jedenfalls solange als nicht eine klare dogmatische Konturierung geleistet ist, die der Möglichkeit einer Manipulation Grenzen setzt. 288 Die weitere Ursache für die Problematik einer dogmatischen Konzeption des Wohnraummietverhältnisses als Gemeinschaftsverhältnis auf der Grundlage des legislativen Postulats echter Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter liegt darin, daß durch die Entwicklung der Schuldrechtsdogmatikeine Gegenüberstellung des Schuldverhältnisses als (vermögensrechtlicher) Austauschvertrag und als (personenbezogenes) Fürsorge- und Treuepflichtverhältnis nicht mehr möglich ist. Durch die Anerkennung des grundlegend von Siber geprägten Verständnisses des Schuldverhältnisses als Organismus 289 bzw. als Prozeß 290 im Sinne von Larenz steht heute außer Zweifel, daß jedem Vertragspartner umfassende Schutz-, Verhaltens- und Nebenleistungspflichten obliegen. 291 Deshalb gilt die von Schwerdtner für das Arbeitsverhältnis getroffene Feststellung, daß aus der Existenz von Treue- oder Fürsorgepflichten kein tragfähiges Argument gegen den Austauschcharakter eines Rechtsverhältnisses hergeleitet werden könne, 292 für das Wohnraummietverhältnis in gleicher Weise. Auch das Wohnraummietverhältnis beschränkt sich nicht auf den bloßen Austausch der Hauptleistungen Gebrauchsgewährung gegen Mietzinszahlung. Daneben bestehen - vom Bürgerlichen Gesetzbuch nur rudimentär angedeutet eine Vielzahl sog. Fürsorge- und Verkehrssicherungspflichten, 293 Obhuts- und Sorgfaltspflichten, 294 die zum festen, durch eine ständige Rechtsprechung gesicherten Bestand mietrechtlicher Dogmatik gehören und eine ausschließliche Betonung der vermögensrechtlichen Austauschpflichten als Verkürzung des Mietvertragsinhalts erscheinen ließen. Deshalb aber schlägt die ursprüngliche Konzeption von einer vermögensrechtlichen Rechtsnatur des Wohnraummietverhältnisses nicht in eine personenrechtliche, gemeinschaftsrechtliche um. Dies ergibt sich zunächst aus der schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts bestimmenden Erkenntnis, daß "Miete und Pacht nicht, wie Dienst- und Gesellschaftsvertrag, notwendig zu näheren persönlichen Beziehungen zwischen den Vertragsparteien (führen)", wenn sie auch- wie das Reichsgericht im Hinblick auf Mietverhältnisse mit Kleinvermietern zu Recht befand-, "die Parteien vielfach in fortlaufende persönliche Berührung (bringen), die zu Störungen des Hausfriedens und damit auch zu Störungen der "besonderen vertraglichen Beziehungen" unter ihnen führen können. 295 Angesichts der Bedeutung des Massenmietwohnungsbaus, bei Vgl. Paschke, AcP 187 (1987), S. 71 f. Vgl. Siber, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, insbesondere S. 89 ff.; Planck I Siber, Kommentar zum BGB, :Bd. ll/1, Anm. I 1 vor§ 241; vgl. dazu Bruns, in: Festschrift für Zepos, S. 69 ff. 290 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 2 V. 291 Vgl. statt vieler Krarner, in: MünchKomm., Rn. 72 ff. vor§ 241. 292 Vgl. oben Fn. 280. 293 Vgl. nur Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 96. 294 Vgl. nur Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 32 ff., 129 ff. 288
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dem sich ein persönlicher Kontakt zwischen Mieter und Vermieter typischerweise über bevollmächtigte oder zwischengeschaltete Hilfspersonen der anonym bleibenden Vermietungsgesellschaft ereignet und insofern nahezu vollständig mediatisiert ist, muß die Zurückhaltung gegenüber der Existenz personenbezogener Beziehungen im Wohnraummietverhältnis heute eher noch intensiver ausfallen. Als prägendes Merkmal des Wohnraummietverhältnisses kommen persönliche Beziehungen der Mietvertragsparteien untereinander nicht in Betracht; sie finden sich allenfalls noch in Mietverhältnissen mit Klein- oder Kleinstvermietern und beschränken sich folglich auf einen Teilbereich des Mietwohnungsmarktes. Die sogenannten Fürsorge- und Verkehrssicherungspflichten des Vermieters zur Abwehr und Unterlassung von Störungen des Mieters und zur Pflege und Obhut des Mietobjekts bestehen ebenso wie Obhuts- und Sorgfaltspflichten des Mieters bzw. die beiderseitige Pflicht zur Unterlassung von Belästigungen des anderen Vertragspartners als nebenpflichtenrechtlicher Inhalt der Hauptleistungspflichten der Mietvertragsparteien. 296 Ihre Existenz setzt also eine personenrechtliche Verbundenheit der Vertragsparteien nicht voraus, sondern bringt die neben den vermögensrechtlichen Beziehungen bestehenden umfassenden Nebenpflichten im Wohnraummietverhältnis zum Ausdruck, die in der Formel von der Schulclvertragspartnerschaft sinnfälligen Ausdruck gefunden hat. Im Hinblick auf die entwickelte Nebenpflichtendogmatik verbleibt weder für die Annahme eines Treueverhältnisses oder einer Interessengemeinschaft zwischen den Mietvertragsparteien ein die Rechtsnatur des Wohnraummietverhältnisses beeinflussender Anwendungsbereich. So vielfaltig und intensiv die beiderseitigen Nebenpflichten der Mietvertragsparteien auch sein mögen, der Schwerpunkt des Wohnraummietverhältnisses-das ist der bis heute unveränderte Ausgangspunkt des gesetzlichen Wohnraummietrechts, den § 535 BGB positivrechtlich regelt - liegt in dem Austausch der Gebrauchsüberlassung von Wohnraum gegen Entgelt. Deswegen leistet das Modell des gesetzlichen Wohnraummietrechts nicht einer einseitig kommerziell-kapitalistischen Nutzbarmachung des Vermietvorgangs Vorschub, wie gelegentlich im Hinblick auf das als Gegenstand unternehmenscher Spekulation kritisierte Herstellen und Vermieten von Wohnungen in Wohnkomplexen behauptet wurde. 297 Mit der rechtlichen Zuordnung der WohnraumRGZ 94, S. 234 (235). § 536 BGB weist die Erhaltungspflicht des Vermieters als Hauptleistungspflicht aus; vgl. dazu Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, §§ 535, 536 Rn. 32 ff. Unzutreffend Krause, JZ 1982, S. 16 ( 17 f. ), der aus dem Bestehen von Fürsorge- und Obhutspflichten des Vermieters einen "personenrechtlichen Einschlag" des Mietverhältnisses ableitet und dieses als "personenrechtliches Fürsorgeverhältnis" charakterisiert. 297 Vgl. Gärtner, DB 1985, S. 1677 (1681) im Hinblick auf den von Blumenroth, Deutsche Wohnungspolitik seit der Reichsgründung, S. 46 ff. beschriebenen historischen Übergang vom "Bestellbau" zum .,Spekulationsbau"; vgl. a. Müller I Böttcher, DuR 1973, S. 335 (345), nach denen das Wohnraumkündigungsschutzrecht einen .,Beitrag zur Beteiligung an der Bodenspekulation" leistet; ferner Derleder, in: AK-BGB, Rn. I 295
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nutzung zu den verkehrsfahigen Wirtschaftsgütern und dem Wohnraummietverhältnis zu den Tauschverkehrsrechtsgeschäften ist zunächst lediglich eine abstrakte Charakterisierung der Rechtsnatur des Wohnraummietvertrages getroffen; Aussagen und Vorgaben für die inhaltliche Ordnung des Mietverhältnisses sind damit nicht verbunden. Allerdings wird deutlich, daß die Annahme einer "prästabilisierten lnteressenharmonie" zwischen den Mietvertragsparteien dem gesetzlichen Modell des Wohnraummietrechts nicht entspricht. Der Interessenausgleich zwischen den Mietvertragsparteien ist nichtkraftnatürlicher Interessengleichrichtung gewährleistet, sondern muß durch den Funktionsmechanismus des Mietvertrages erst gefunden werden. Die Forderung nach einer Partnerschaft zwischen Vermieter und Mieter beschreibt das legislatorische Leitziel der Mietrechtskodiflkation, sie vermag aber keine zusätzlichen, mit der Nebenpflichtendogmatik nicht faßbaren Rechtsinhalte aufzuzeigen. Soweit mit ihr zum Ausdruck gebracht werden soll, daß die Vertragspartner ihre Rechte und Pflichten unter einseitiger Orientierung am eigenen Interesse und Wohl ausüben und die Interessen des Partners mit zu berücksichtigen haben, sie ferner fair und loyal im Interesse des beiderseitigen Wohls zusammenzuwirken haben, sind dies keine dem Austauschschuldverhältnis wesensfremden Kategorien. Der Gedanke des kooperativen Zusammenwirkens hat - darauf wurde schon eingangs hingewiesen 298 - in der Schuldvertragsordnung zunehmend an Bedeutung gewonnen. Er wird nicht nur in der Maxime "vertrauensvoller Zusammenarbeit" im Arbeits- und Gesellschaftsrecht ausdrücklich hervorgehoben, 299 sondern hat seine Wurzeln im allgemeinen schuldrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben. 300 Das Bürgerliche Gesetzbuch konstituiert die Gemeinschaften im Rechtssinne um einen den Gemeinschaftern gemeinsamen Rechtskreis, sei es in der Art der Rechtsgemeinschaften z. B. der§§ 741 ff., 921 ff., 947 ff. BGB, 8 UrhG, 6 PatG, die ein Recht mehreren als Gemeinschaft zuordnen bzw. ein Sondervermögen von mehreren gesamthänderisch, gemeinschaftlich verwaltet wird (vgl. z. B. §§ 1415 ff., 1450 ff., 1483 ff., 2032 ff. BGB) und schlagwortartig als gegenstandsbezogene Verwaltungsgemeinschaften charakterisiert werden, 301 sei es in vor§§ 535 ff: "Die Abstraktion der Miete folgt darum dem Verwertungsinteresse dessen, der bewegliche und unbewegliche Ware nicht zu seinem eigenen Gebrauch benötigt und sie ohne Veräußerung in Geld zu verwandeln bestrebt ist" . 298 V gl. oben unter A III 1. 299 V gl. dazu für das Gesellschaftsrecht nur Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV mit zahlr. Nachw. Zur "vertrauensvollen Zusammenarbeit" als in § 2 BetrVG positivierter Maxime für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vgl. Zitscher, DB 1984, S. 1395 ff.; Müller, in: Festschrift für Hersehe!, S. 269 ff.; zur Treuepflicht im Arbeitsverhältnis vgl. i. ü. Söllner, in: MünchKomm., § 611 Rn. 374 ff., 392 ff. 300 V gl. näher unter A III 1. 301 Terminologie im Anschluß an Schwerdtner, Fürsogetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 46, der sich seinerseits an Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, anlehnt.
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der Art der nachbarlichen (schlichten) Interessengemeinschaft, die hinsichtlich der nachbarlichen Grenze einen gemeinsamen Interessenbezug aufweist. 302 Im Verhältnis der Mietvertragsparteien besteht ein solcher gemeinsamer Rechtskreis nicht. Weder ist eine Vermögensgemeinschaft etwa im Bezug auf das Wohnhaus noch eine gemeinsame Rechtszuständigkeit am Mietertrag gegeben. Die Vermögenszuordnung - das ist die wesentliche Folgerung aus der Ablehnung der dinglichen Rechtsnatur der Miete 303 - wird an keiner Stelle berührt und auch die Verfügungszuständigkeit des Vermieters über den Mietertrag wird vom Wohnraummietrecht nicht beeinflußt; insbesondere bewirkt die Erhaltungspflicht des§ 536 BGB und das Recht des Mieters, diese einzufordern, keine Lockerung dieser Verfügungszuständigkeit, sondern ist Ausdruck der willentlich eingegangenen, rechtsgeschäftliehen Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch des vermieteten Wohnraums vertragsdauerhaft zu gewähren. Im Ergebnis bestehen somit im Rechtsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter die grundlegenden Strukturmerkmale rechtlicher Gemeinschaftsverhältnisse nicht, so daß das Mietverhältnis auf normativer Ebene nicht als personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis angesehen werden kann. dd) Partnerschaft als rechtspolitischer Leitbegriff für die Ordnung der Rechtsbeziehungen zwischen den Mietvertragsparteien Als Zwischenergebnis ist festzustellen, daß dem Partnerschaftsgedanken im Rechtsverhältnis der Mietvertragsparteien keine rechtserhebliche Bedeutung zukommt. Der Partnerschaftsgedanke hat zwar als legislatorischer Leitbegriff das Wohnraummietrecht beeinflußt und ausweislich der Gesetzesmaterialien bei der Einführung verschiedener Vorschriften des gesetzlichen Wohnraummietrechts Pate gestanden. Die Gesetzesmaterialien zum Vertragsstrafeverbot in § 550 a BGB, zum Ausschluß des Minderungsrechts in § 537 I 2 BGB und zu der gesetzlichen Einführung der heute in§§ 541 a, b BGB geregelten Duldungspflichten belegen, daß derPartnerschaftsgedanke zu den Norm gewordenen rechtspolitischen Leitbegriffen für die Ordnung der Rechtsbeziehungen zwischen den Mietvertragsparteien im Wohnraummietrecht gehört. 304 Dadurch aber, daß der Partnerschaftsgedanke in gesetzliche Tatbestände umgesetzt wurde, ist seine Bedeutung in diesen Tatbeständen aufgegangen. Nicht der Partnerschaftsgedanke, sondern die von seinen Wertgedanken getragenen gesetzlichen Tatbestandsmerkmale bestimmen seither die Ordnung des Rechtsverhältnisses der Wohnraummiete im Verhältnis der Mietvertragsparteien zueinander.
302 Vgl. Westennann, Lehrbuch des Sachenrechts, § 63 I 2; Mühl, in: Festschrift für Raiser, S. 161 ff.; Paschke, AcP 187 (1987), S. 79 ff. 303 Vgl. dazu oben unter B I 1 c. 304 Im Ergebnis ebenso Wolter. Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 229 ff.
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Der Partnerschaftsgedanke hat insbesondere die dem Wohnraummietvertrag nach der historischen Entscheidung des Gesetzgebers zuerkannten Rechtscharakter als vermögensrechtliches Austauschverhältnis nicht verändert. Das Wohnraummietverhältnisist bis heute ein durch die Gebrauchsgewährung gegen Entgelt konstituiertes Schuldverhältnis geblieben: Das in§ 535 BGB so definierte genetische Synallagma ist durch den Partnerschaftsgedanken nicht durch eine personenrechtliche Komponente ergänzt oder gar ersetzt worden. Es erscheint sogar zweifelhaft, ob sich eine solche dogmatische Um- oder Neubewertung als Wahrung eines "ontologischen Gesetzes" der Rechtsbildung rechtfertigen ließe, wie es in der nämlichen Diskussion um die Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht wurde; 305 denn schon der phänomenologische Befund hat keine Hinweise darauf gegeben, daß die Vorstellung einer partnerschaftliehen Verbundenheit das Verhältnis der Mietvertragsparteien zueinander prägt. 306 Erst recht scheitert eine normative Begründung partnerschaftlieber Verbundenheit der Mietvertragsparteien. Eine solche Verbundenheit ließe sich nur in den tatbestandlieh vertypten Gestaltungsformen des bürgerlichen Rechts darstellen, deren Strukturmerkmale im Rechtsverhältnis der Mietvertragsparteien aber nicht nachweisbar sind. Insbesondere hat sich eine gemeinschaftsrechtliche Verfassung der Binnenbeziehungen der Mietvertragsparteien als normativ nicht begründbar erwiesen. Mit dem Festhalten an der tradierten schuldrechtlichen Austauschstruktur des Wohnraummietvertrages ist keine Entscheidung für dessen inhaltliche Gestaltung getroffen. 307 Die Dogmatik des Wohnraummietrechts wird damit nicht dem alten Vorwurf ausgesetzt, sie sehe im Anmieten einer Wohnung nichts weiter als einen beliebigen Beispielsfall für das Mieten einer Sache. Der Austauschcharakter der Wohnraummiete bestimmt zunächst nur die formalen Ordnungsstrukturen dieses Rechtsverhältnisses. Über seine inhaltliche Gestaltung ist dann erst unter Berücksichtigung des Dauerschuldverhältnischarakters der Wohnraummiete, vor allem im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Beachtung wohnraummietrechtlicher Schutzprinzipien zu befinden.
305 V gl. Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 55. 306 V gl. oben B I 2 a; vgl. aber auch Hilden, Rechtstatsachen im Räumungsrechtsstreit, S. 94 ff. (164), der nach seiner empirischen Verhaltensanalyse zu folgendem differenzierendem Schluß gelangt: "Das 3. MRÄndG und das MRVerbG haben nur in sehr geringem, das WKSchG dagegen in recht erheblichem Maße zur Vergrößerung der Partnerschaft unter den Mietvertragsparteien beigetragen". 307 Ebenso Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 45, für die Paralleldiskussion im Arbeitsrecht.
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b) Partnerschaft als Grundbegriff der Sozialbeziehungen im Wohnraumietverhältnis Im folgenden ist auf die Bedeutung des Partnerschaftsgedankens für die rechtliche Erfassung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis einzugehen. Mit Sozialbeziehungen sind gemäß dem phänomenologischen Befund diejenigen Beziehungen gemeint, die sich aus der tatsächlichen Eingebundenheit des einzelnen Mieters in den von sämtlichen Mietern eines Wohngebäudes gebildeten Sozialverband ergeben, sei es im Verhältnis der Mieter untereinander, sei es in bezugauf gemeinsame Interessen der Mieter gegenüber dem gemeinsamen Vermieter. 308 Diese Sozialbeziehungen werden - wie oben gezeigt 309 - nach den tradierten Regelungsgrundlagen des Wohnraummietrechts rechtlich nur defizitär geordnet. Daher ist zu untersuchen, ob und inwiefern der Partnerschaftsgedanke zu einer normativen Strukturierung und Ordnung beiträgt. aa) Die rechtliche Ordnung von Sozialbeziehungen als Herausforderung der Privatrechtsdogmatik Die Anerkennung von Sozialbeziehungen als Gegenstand zivilrechtlicher Rechtsverhältnisse widerstreitet der liberal-individualistischen Gesamtkonzeption des historischen Privatrechtsgesetzgebers, 310 die das Individuum in den Mittelpunkt des privatrechtliehen Regelungssystems stellte und deshalb Rechtsverhältnisse nur als individualrechtliches Band einer Person zu einer anderen, nicht aber als Bindung des einzelnen in einer wie auch immer zu bestimmenden sozialen Gemeinschaft anerkannte. 311 Sie sieht im Individualvertrag das hervorragende Gestaltungsmittel des autonomen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen 312 und wurde ursprünglich mit derart systemprägender Geschlossenheit Vgl. unter B I 2 a. Vgl. unter B I 2 b. 310 Vgl. Richardi, Kollektivgewalt und Individual will~. bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 35 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Ubermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 165 ff.; Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 99 ff.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S. 114 ff.; Kramer, Die ,Krise' des liberalen Vertragsdenkens, S. 19 ff.,; Raiser, Die Aufgabe des Privatrechts, S. 38, 39 ff.; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher lnteressenausgleich, S. 8 ff.; Westermann, AcP 178 (1978), S. 15I, I52 ff. 311 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil, § I2; Bucher, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, S. 60 f.; Achterberg, Rechtstheorie I978, S. 385; Hattenhauer, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts, S. 75 f.; kritisch Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, § 9 Rn. 54 ff. im Hinblick auf die dogmatische Erfassung des ungestörten Eigentums; ähnlich bereits von Tuhr, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 5 I I; Enneccerus/Nipperdey, AllgemeinerTeil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband, § 7I I 3, die auch das Eigentum als Rechtsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache verstehen. 312 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 28 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 205 ff.; Flume, Das Rechtsgeschäft,§ I, 6; Hönn, Kompensation gestörter Vertragspa308
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B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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durchgeführt, daß selbst die Binnenbeziehungen der Gesellschafter einer mehrgliedrigen Personengesellschaft nach dem Vorbild der römischrechtlichen Sozietät zunächst nach ausschließlich individualrechtliehen Kategorien konzipiert werden sollten. 313 Aus dem gleichen Grund verschloß sich der historische Privatrechtsgesetzgeber der schon die Pandektistik bewegenden Erkenntnis, daß es Schuldverhältnisse gibt, die weder auf privatautonom gebildeter Willensübereinstimmung noch auf gesetzlichen Bindungstatbeständen beruhen. Vertrag und Delikt galten als abschließende Obligationsgründe der Privatrechtsordnung, und Rechtsbeziehungen der nicht durch vertragliche Sonderbeziehungen gebundenen Privatrechtssubjekte wurden in den Bereich des Deliktsrechts verwiesen. 314 In der Konsequenz dieser Konzeption lag es, den gesamten Bereich gesellschaftlicher Organisations- und Gruppenbildung zwischen den einzelnen Rechtssubjekten außerhalb bzw. im Vorfeld vertraglicher Sonderbeziehungen jenseits deliktsrechtlicher Erheblichkeil privatrechtsdogmatisch nicht erfassen zu können. 315 Diese Konsequenz wurde vom historischen Gesetzgeber in Anlehnung an die Dogmatik des gemeinen Rechts bewußt in Kauf genommen und beruhte auf einer folgerichtigen Umsetzung einer individualistischen Gesellschaftsauffassung. Lediglich vereinzelt hat der Gesetzgeber eine Durchbrechung der systematisch geschlossenen Privatrechtskonzeption zugelassen. Für das Nachbarverhältnis der Grundstückseigentümer verband er die in § 903 BGB formulierte Konzeption des Individualeigentums mit der deutschrechtlicher Tradition entsprechenden Gemeinschaftsgebundenheit des Grundeigentums. 316 Im Gesellschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches wurde mit der Einführung des Gesamtbandsprinzips durch den Zweiten Entwurf zum BGB 317 die Grundlage für die heute geläufige Unterscheidung von Individual- und Sozialsphäre in der gesellschaftsrechtlichen Dogmatik geschaffen. 318 Zu einer geschlossenen Systematik von Individual- und Sozialbeziehungen wurden diese vereinzelten Ansätze nicht ausgebaut, obwohl entsprechende wissenschaftliche Vorarbeiten durchaus vorlagen. Insbesondere Otto von Gierke hatte ein Privatrechtssystem entwickelt, in dem das lndivdualrecht und das als Recht der "Beziehungen der menschlichen Willensträger als
rität, S. 5 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 118 ff.; Wieacker, in: Festschrift für Welzel, S. 7 ff.; Kramer, Die ,Krise' des liberalen Vertragsdenkens, 1974. m Vgl. Mot. II, S. 591; zusammenfassend nochmals Prot. II, S. 428. 314 Vgl. nur Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 1 ff., 61. 315 So Staudinger I Schmidt, BGB, § 242 Rn. 1223. 316 Vgl. dazu Säcker I Paschke, NJW 1981, S. 1009 (1010). 317 Vgl. Prot. II, S. 429; zu den damit aufgeworfenen rechtsdogmatischen Streitfragen vgl. Flume, Allgemeiner Teil, Die Personengesellschaft, § 1 II, S. 3 ff.; Paschke, Diss. Berlin, S. 17 ff. 318 Vgl. nur Larenz, lherJb 83 (1933), S. 108 (142); ders., Schuldrecht, Besonderer Teil, § 60 I c, der zwischen der sozialrechtlich verbundenen Personengemeinschaft und dem Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern differenziert; näher Ulmer, in: MünchKomm., § 705 Rn. 151 ff.; Flume, Die Personengesellschaft, § 2 I.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Gesellschaftswesen" definierte "Sozialrecht" enthalten waren. 319 Sein Werk hat die Dogmatik des Verbandsrechts wesentlich beeinflußt und über die weiterführenden Untersuchungen Sinzheimers maßgebenden Einfluß auf die Entwicklung des Arbeitsrechts genommen. Die Erkenntnis, daß das Arbeitsverhältnis nicht nur geprägt ist durch Beziehungen des einzelnen Arbeitnehmers zum Arbeitgeber, sondern den einzelnen Arbeitnehmer zugleich als "Glied einer Gemeinschaft" ausweist, 320 mündete in eine das Arbeitsrecht vom allgemeinen Privatrecht abkoppelnde Sonderentwicklung, die den Stellenwert der Sozialbeziehungen zur Kompensation unabweisbarer Funktionsstörungen in den individualrechtliehen Beziehungen zunehmend betonte, die Individualautonomie aber auch folgerichtig durch eine Gruppenautonomie ergänzte und ersetzte, 321 so daß heute vielfach Rückschlüsse vom (sonderprivatrechtlichen) Arbeitsrecht auf das allgemeine Privatrecht nicht mehr für zulässig erachtet werden. 322 Die Privatrechtsdogmatik hat die Entscheidung des historischen Privatrechtsgesetzgebers gegen die Anerkennung sozialer Gruppen- oder Organisationsbildung außerhalb des Vereins- und Verbandsrechts nur zurückhaltend thematisiert. Das privatrechtsdogmatische Interesse konzentrierte sich vor allem auf die Bewältigung der Erscheinungsformen einer funktionswidrigen Indienstnahme der Privatrechtsinstrurnente, wobei die Richtigkeilsgewähr bestehender rechtsgeschäftlieber Bindungen untersucht 323 und Instrumente zur Kompensation gestörter Vertragsparität entwickelt wurden; 324 Fragen der Rechtsbindung traten in den Hintergrund. 325 In verschiedenen Zusammenhängen wurde allerdings offenkundig, daß diese Konzentration auf die Regelung individualrechtlicher Sonderbeziehungen den tatsächlichen Regelungsbedürfnissen nicht Rechnung trug. Die in der Anerkennung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorgenommene Rechtsfortbildung des allgemeinen Schuldrechts und etwa die in der Zulassung der Drittschadensliquidation zum Ausdruck kommende entsprechende Entwicklung des Schadensrechts sind beispielhafter Ausdruck des Bemühens der Privatrechtswissenschaft, eine rechtliche Ordnung auch für solche Bereiche zu schaffen, in denen ein strikt individualrechtlich verstandener Regelungsrahmen sachgerechte Ergebnisse nicht zu begründen vermag. 326 0. v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. I, § 4, S. 26 f. Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag, 1907, Erster Teil, S. 2 ff. 321 Vgl. nur Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1972. 322 SoGamillscheg, AcP 176 (1976), S. 197 ff., 210 ff.; Westermann, AcP 178 (1978), S. 151 (163); zurückhaltend Bydlinski, Arbeitsrechtskodifikation und allgemeines Zivilrecht, insbesondere S. 31; ähnlich Richardi, ZfA 1974, S. 3 ff., 16 ff. 323 Grundlegend Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 (153 ff.); ders., in: Festschrift für Nipperdey, S. 1 ff.; ders., in: Festschrift für Lehmann, Bd. I, S. 212. 324 V gl. neben der in Fn. 310 zitierten Literatur zusammenfassend Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982. 325 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 4 f. 319
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Deshalb verläßt die Lehre von der vertraglichen Drittschutzwirkung den Grundsatz, daß Schuldverhältnisse nur relativ zwischen den sich willentlich bindenden Rechtsgeschäftsparteien wirken, und bezieht auch Personen, die nach dem Inhalt des Vertrages gewissermaßen bestimmungsgemäß mit dem geschuldeten Leistungsgegenstand in Berührung kommen, in eine Haftung nach vertragsrechtliehen Grundsätzen mit ein; 327 eine bloße deliktische Haftung des Schuldners wird nahezu einhellig 328 jedenfalls dann für unzureichend gehalten, wenn die Drittbezogenbeil vertraglicher Leistungen vom Schuldner entweder konsentiert oder doch voraussehbar war. 329 Die Lehre von der Drittschadensliquidation begründet, daß es geboten sein kann, ausnahmsweise in den Individualbeziehungen zweier Schuldvertragspartner die Liquidation eines Schadens zuzulassen, der nicht den Gläubiger der schuldrechtlichen Individualbeziehung trifft, sondern kraft besonderer schadensverlagernder Umstände 330 in der Person eines Dritten entstanden ist. Die Entwicklung dieser Institute ist nur unter Durchbrechung der individualrechtlichen Konzeption des historischen Privatrechtsgesetzgebers möglich gewesen; eine rechtliche Anerkennung von Sozialbeziehungen im Privatrecht war mit dieser auf Teilbereiche des Schuldrechts begrenzten Rechtsfortbildung aber nicht verbunden. 331 Erst die Kritik an der Dichotomie von Vertrag und Delikt hat die konzeptionellen Grundlagen der Anerkennung privatrechtlicher Rechtsbindungsphänomene in das Blickfeld dogmatischer Untersuchungen gerückt. Im Zwischenbereich von Vertrag und Delikt wurde eine Vielzahl von Rechtsregeln entdeckt und entwikkelt, 332 die die historische Entscheidung des Privatrechtsgesetzgebers nur noch als Ausgangspunkt für eine Evolution des Vertragsrechts kennzeichnen. 333 Diese 326 Zur Diskussion um den Geltungsgrund des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der Drittschadensliquidation vgl. die Übersicht bei Hagen, Die Drittschadensliquidation im Wandel der Rechtsdogmatik, S. 15 ff., 26 ff.; Winterfeld, Diss. Bonn, S. 12 ff., 27 ff. Näher zur Durchbrechung des Relativitätsgrundsatzes Medicus, JuS 1974, S. 63 ff.; Schmalzbauer, Diss. Regensburg, 1982. 327 Zum Bestimmungsgemäßheitskriterium als Abgrenzungsmerkmal des geschützten Personenkreises vgl. die hergebrachte und fortgeltende (so ausdrücklich BGH, NJW 1976, S. 1844) Abgrenzung nach dem Fürsorgekriterium; vgl. dazu nur BGHZ 51, S. 96; 56, s. 273. 328 Vgl. statt aller Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 17 IT; Esser I Sclunidt, Schuldrecht, Bd. I,§ 34 IV 2; Gottwald, in: MünchKomm., § 328 Rn. 60 ff.; a. A. Ziegler, Diss. Marburg 1978, im Anschluß an E. Wolf. 329 So zuletzt BGH, WM 1984, S. 1234; Gottwald, in: MünchKomm., § 328 Rn. 72 mit weit. Nachw. 33o Schulze-Osterloh, Der gemeinsame Zweck der Personengesellschaften, S. 7 f. 331 Zu der von Weier, BB 1972, S. 339 (342) und Ackmann, JuS 1984, S. 462 (463) befürworteten Erfassung der nachbargemeinschaftlichen Sozialbeziehungen im Miet verhältnis nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vgl. bereits oben B I 2 b. 332 Zusammenfassend Picker, AcP 183 (1983), S. 369 (385 ff.); Hopt, AcP 183 (1983), S. 608 (612 ff.); Canaris, in: 2. Festschrift für Larenz, S. 27 (90 ff.). 333 Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 7.
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I. Teil, I. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Entwicklung nahm ihren Anfang mit der Entwicklung der Institute culpa in contrahendo, positive Forderungsverletzung und culpa post contractum finitum und dem späteren Versuch, sie zu einem einheitlichen Schuldverhältnis 334 zusammenzufassen. Damit wurde eine "dritte Spur" 335 der Haftung zwischen Vertrag und Delikt gebahnt, die die aktuelle dogmatische Diskussion bewegende Fragestellung angeregt hat, ob einerseits außerhalb rechtsgeschäftlich intendierter oder rechtsgeschäftsbegleitender Beziehungen quasivertragliche Bindungen anzuerkennen sind, und andererseits die verbreitete Gegenüberstellung schuldrechtlicher Rechtsverhältnisse mit "dem" Gefälligkeitsverhältnis aufrechterhalten werden kann. 336 Daran hatte die Rechtsprechung maßgeblichen Anteil, da sie mit der Anerkennung quasivertraglicher Bindungen bei der Sachwalterhaftung, 337 Prospekt- 338 und Auskunftshaftung 339 wiederholt das Rechtsbindungsproblem in den Mittelpunkt des dogmatischen Interesses gerückt hatte. Nachdem in neueren Entscheidungen die anfanglieh noch durch die Bezugnahme auf stillschweigende Willenserklärungen unverkennbare Zurückhaltung gegenüber einer Aufgabe der traditionellen Zweigleisigkeil von Obligationsgründen fallen gelassen wurde und heute in den Fällen, in denen vertragliche Beziehungen nicht begründbar sind, die gleichwohl für richtig gehaltene vertragsähnliche Haftung offen auf "Grundgedanken der Vertrauenshaftung" 340 gestützt wird, konnten Rückschlüsse auf die Fortentwicklung des Vertragsrechts nicht ausbleiben. 341 Von den Vertrauenshaftungslehren ist der wohl nachhaltigste Impuls für die Anerkennung besonderer Rechtspflichten im Zwischenbereich von Vertrag und Delikt ausgegangen. Die Statuierung einer Haftung für die "Gewährung in Anspruch genommenen Vertrauens" 342 hat eindrucksvoll die Schutzlücken der 334 Grundlegend Canaris, JZ 1965, S. 475 (478 ff.); zur Rezeption und Kritik vgl. dens., in: 2. Festschrift für Larenz, S. 102 mit Fn. 245 und 246. 335 Canaris, in: 2. Festschrift für Larenz, S. 84. 336 Zur Anerkennung "schu1drechtlicher Elemente" von Gefälligkeitsverhältnissen vgl. Willoweit, Abgrenzung und rechtliche Relevanz nichtrechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, S. 44 ff., 99 ff.; ders., JuS 1984, S. 909 ff.; Kallmeyer, Diss. Göttingen, S. 83; Palmann, Diss. Tübingen, S. 25 ff.; Staudinger I Schmidt, BGB, Rn. 174 ff. zu§§ 241 ff.; Kramer, in: MünchKomm., Rn. 28 ff. vor§ 241. 337 BGHZ 63, S. 382; 79, S. S. 281; dazu Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 403 ff.; Hopt, AcP 183 (1983), S. 608 (617); kritisch Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 200 a, b. 338 BGHZ 70, S. 356; 71, S. 382; 74, S. 103; 77, S. 172; BGH, NJW 1981, S. 864; näher Assmann, WM 1983, S. 138 ff.; Köndgen, AG 1983, S. 85 ff., 120 ff.; v. Bar, ZGR 1983, S. 504 ff. 339 BGH, NJW 1979, S. 1595; Musielak, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, S. 8 ff.; Müller-Graff, JZ 1976, S. 153 (154); Dirichs, Diss. Münster 1976; Lamme1, AcP 179 ( 1979), S. 337 ff. 340 So BGH, NJW 1981, S. 1450 (Prospekthaftung). 341 Vgl. vor allem Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 4 ff., der die genannte Rspr. als Ausgangspunkt einer Dogmatik des Quasi-Vertragsrechts wählt.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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Rechtsgeschäftslehre offenbart und zu schließen vermocht, zugleich aber deutlich gemacht, daß die Anerkennung einer Sonderrechtsordnung im Zwischenbereich von Vertrag und Delikt an den Nachweis besonderer, die Unterscheidung zum deliktischen Zufallskontakt begründender, pflichtverstärkender Faktoren gekoppelt ist, 343 mit der Folge, daß seither der Gedanke einer Haftung aus "sozialem Kontakt" 344 nicht mehr weiterverfolgt wird. 345 Diese Erkenntnis der Vertrauenshaftungslebren ist auch im hier untersuchten Zusammenhang von Bedeutung: Wenn die Begründung einer Ordnung der Sozialbeziehungen von Privatrechtssubjekten im Zwischenbereich von Vertrag und Delikt gelingen soll, so setzt dies voraus, daß sich über den sozialen Kontakt hinaus besondere pflichtverstärkende Umstände aufzeigen lassen. Vertrauenshaftungsgrundsätze bilden dafür keine geeignete Grundlage. Vertrauenshaftung soll- wie Canaris auf der Grundlage einer umfassenden induktiven Untersuchung gesetzlich geregelter Vertrauenshaftungstatbestände analysiert hat - nur dort Platz greifen, wo der privatrechtliche Selbstverantwortungsgrundsatz korrelativ neben den Selbstbestimmungsgrundsatz treten müsse; 346 das aber sei nur bei einem Verhalten gerechtfertigt, das sich bei "Teilnahme am rechtsgeschäftliehen Verkehr" ereigne. 347 Die Statuierung eines Anspruchs aus Vertrauenshaftung setze daher notwendig ein Handeln innerhalb des rechtsgeschäftliehen Verkehrs voraus. Schon die eingangs genannten Beispiele haben aber deutlich gemacht, daß sich Sozialbeziehungen der Privatrechtssubjekte untereinander nicht notwendig in einem rechtsgeschäftliehen Referenzrahmen ereignen, so daß Vertrauenshaftungsgrundsätze für die rechtliche Ordnung von Sozialbeziehungen allenfalls dann Bedeutung haben könnten, wenn sie vom Erfordernis der Teilnahme am rechtsgeschäftliehen Verkehr absehen. Hans Stoll hat dies in der Tat vorgeschlagen. 348 Nach seiner Auffassung werde andernfalls der nach Treu und Glauben gebotene Verkehrsschutz unnötig eingeengt, zumal die Gewährung einer Vertrau342
(507).
So die richtungsweisende Formulierung von Bal1erstedt, AcP 151 (1951), S. 501
343 Vgl. nur Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 4, passim; v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, S. 20 ff.; Stoll, in: Festschrift für Flume, Bd I, S. 741 (754 ff.); Bohrer, Die Haftung des Dispositionsgaranten, S. 267 ff. 344 Grundlegend Dölle, ZStW 103 (1943), S. 67 ff., 72 ff.; ähnlich A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, § 17 III l b, S. 72 f.; diese Lehre gegen Fehldeutungen in Schutz nehmend Thiele, JZ 1967, S. 649 (652 ff.). 345 Zur Kritik an der Lehre vom "sozialen Kontakt" als Verpflichtungsgrund vgl. Larenz, MDR 1954, S. 515 (517); Lehmann, NJW 1958, S. 1 (2); Thiele, JZ 1967, S. 652; zuletzt Bohrer, Die Haftung des Dispositionsgaranten, S. 247 ff.; Picker, AcP 183 (1983), s. 369 (411 ff.). 346 Canaris, Vertrauenshaftung in deutschen Privatrecht, insbesondere S. 439 ff. ; ihm folgend Bohrer, aaO. Fn. 345, insbesondere S. 280 ff.; ähnlich Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 63 ff. 347 Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 442. 348 In: Festschrift für Flume, Bd. I, S. 741 (770 ff.).
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enshaftung den Abschluß eines Rechtsgeschäfts nicht voraussetze 349 und deswegen auch die Inanspruchnahme gewährten Vertrauens im gesellschaftlichen Bereich vertragsähnlichen Grundsätzen unterworfen werden könne. 350 Wenn Vertrauen allein nicht die Bedeutung eines tragfähigen Haftungsgrundes zukommt, konzentriert sich das rechtsdogmatische Interesse auf die Frage, welche sonstigen haftungsbegründenden Umstände zur Rechtfertigung vertragsähnlicher Rechtsfolgen hinzutreten müssen. Die Vornahme von Vermögensdispositionen, zumal ausschließlich von solchen, die als erheblich einzustufen sind, wird dabei zu Recht nicht als tragfähiger Rechtfertigungsgrund angesehen. Und auch die Forderung, Vertrauensschutz überall dort zu gewähren, wo dieser als nötig empfunden wird, schafft keine tatbestandliehe Präzision, sondern nur noch mehr rechtsdogmatische Vagheit. Der Stoll'schen Lehre fallen sämtliche Einwände entgegen, die das Unbestimmt-Assoziative der Vertrauenshaftung gerügt haben.351 Während vor allem Canaris den Versuch unternommen hat, durch ein strikt induktives, auf das geltende Recht bezogenes Vorgehen eine normative Präzisierung und Systematisierung der Vertrauenshaftungslehre zu erreichen, 352 kann die Vertrauenshaftungslehre von Stoll in Ermangelung des Nachweises der von ihm selbst für erforderlich gehaltenen vertrauensergänzenden Rechtfertigungsgründe den auf die Tatbestände der Teilnahme am rechtsgeschäftliehen Verkehr begrenzten Anwendungsbereich der allgemeinen Vertrauenshaftungslehre nicht erweitern. Ausdrückliche Anerkennung als Rechtsinstitution haben Sozialbeziehungen durch die sog. Quasi-Vertragslehren erfahren. Ausgehend von dem Phänomen, daß schon im Vorfeld rechtsgeschäftlicher Vertragsbindungen kommunikatives Handeln legitime Erwartungen erzeugt, deren Mißachtung gesellschaftlich sanktioniert wird, postulieren sie eine nach im einzelnen unterschiedlichen Voraussetzungen anzuerkennende Verdichtung solcher soziologischen Bindungsphänomene zu Rechtsbindungen. In diesem Sinn hat insbesondere Jürgen Schmidt dafür plädiert, das Defizit der Anerkennung von Organisations- und Gruppenbildung zwischen Privatrechtssubjekten durch Aufwertung von "innergesellschaftlichen Sinneinheiten", für die sich "soziale Beziehungen institutioneller Art zwischen den Beteiligten nachweisen lassen", zu Rechtsverhältnissen abzubauen. 353 Gegen die damit befürwortete juristische Adaption soziologischer Bindungsphänomene sprechen allerdings- wie an anderer Stelle nachgewiesen wurde 354 - grundsätzStoll, aaO. Fn. 348, S. 770 mit Fn. 139. Stoll, aaO. Fn. 348, S. 770. 351 Zur Kritik an den Vertrauenshaftungslehren dezidiert Picker, AcP 183 (1983), S. 418; Flume, AcP 161 (1962), S. 52 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S. 97 ff.; Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 173 ff. 352 Canaris, Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 9 ff. 353 Staudinger I Schmidt, BGB, § 242 Rn. 1219 ff., 1223. 354 Vgl. Paschke, Vertragsbindung ohne Konsens?- Zur Kritik der Lehren des QuasiVertrages, Rechtstheorie 19 (1988), S. 523 ff. 349
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liehe privatrechtsdogmatische Bedenken. Sie rühren vor allem daher, daß die Quasi-Vertragslehren die Wertentscheidung des Privatrechtsgesetzgebers, Bindungen des einzelnen jenseits willentlich eingegangener Verpflichtungstatbestände nur nach Maßgabe der den Grundsatz der Selbstverantwortung der Person konkretisierenden subjektiven Zurechnungstatbestände zulassen zu wollen, nicht hinreichend berücksichtigen. 355 Da es der Rechtslehre nach der treffenden Mahnung Mayer-Ma/ys 356 nicht freisteht, den Kreis der Obligationsgründe zu erweitern, soll ausgehend von dem privatrechtsdogmatischen Befund, daß sich im Ordnungsrahmen individualrechtlieber Rechtsbindungskonzeptionen keine normative Grundlage für eine rechtliche Erfassung von Sozialbeziehungen fmden läßt, untersucht werden, ob ausgehend von dem Partnerschaftsgedanken Sozialbeziehungen im Wohnraumverhältnis als gemeinschaftsrechtliches Rechtsverhältnis angesehen werden können. bb) Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als partnerschaftliebes Gemeinschaftsverhältnis aaa) Partnerschaft und (Haus-)Gemeinschaftsideologie Die Untersuchung der Frage, ob den Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis rechtserhebliche Bedeutung zukommt, sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, daß die Privatrechtsdogmatik der Nachkriegszeit den Gemeinschaftsgedanken als Rechtsbegriff im Hinblick auf die geschichtlichen Erfahrungen mit einer nahezu beliebig praktizierten Umformung von Privatrechtsinstituten durch die nationalsozialistische Gemeinschaftsideologie allenthalben verworfen hat. 357 Die Einbettung des Eigentumsbegriffs in die nationalsozialistische Gemeinschaftsideologie, aber auch die Unterstellung rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit unter einen Gemeinschaftsvorbehalt hat die Möglichkeiten des Mißbrauchs von Privatrechtsinstituten durch eine Gemeinschaftsideologie drastisch veranschaulicht; 358 das Wohnungsmietrecht blieb davon nicht ausgenommen. Die politisch-ideologische Instrumentalisierung des Gemeinschaftsgedankens durch die nationalsozialistische Rechtslehre ist gerade auch für das Wohnraummietrecht eingehend analysiert worden und bedarf deshalb an dieser Stelle keiner 355 Zur Kritik der sog. Quasi-Vertragslehrenferner Krarner, AcP 182 (1982), S. 469 ff.; Kübler, ZHR 147 (1983), S. 108 ff.; zur Kritik vgl. Brüggemeier, AG 1982, S. 271 ff.; Canaris, in: 2. Festschrift für Larenz, S. 93 f.; Fikentscher, Schuldrecht, S. 53; vgl. a. Hopt, AcP 183 (1983), S. 608 (624). 356 In: 2. Festschrift für Nipperdey, S. 518 f. 357 Dezidiert Schwerdtner, Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, S. 66 ff.; vgl. a. Krarner, in: MünchKomm., Rn. 91, 92 vor§ 241. 358 Vgl. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S. 293 f.; Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, S. 94 ff.; Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des deutschen Rechts, Rn. 626 ff.
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I. Teil, I. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
erneuten vertieften Erörterung. 359 Die nationalsozialistische Rechtslehre hatte den Gemeinschaftsbegriff zu einem beliebig uminterpretierbaren Zentralbegriff insbesondere auch des nationalsozialistischen Mietrechts stilisiert, 360 mit dem es gelang, das Vertragsrecht neu zu konzipieren, ohne auch nur den Versuch unternehmen zu müssen, dafür einen positivrechtlichen Legitimationsnachweis vorzulegen; für eine vom ,,konkreten Ordnungsdenken" beherrschte Gemeinschaftslehre, die die Rechtsinhalte nicht aus parlamentarisch-demokratisch geschaffenen Rechtsquellen, sondern aus der konkreten Gestaltung der Lebensordnung schöpfte, bestand dafür auch kein Anlaß. 361 Von besonderer Bedeutung war insofern die "Denkform" der Hausgemeinschaft, unter der - wie gelehrt wurde, obwohl kein Rechtssatz sie zum Tatbestandsmerkmal erhoben hatte- "das gesamte Wohnungsmietrecht steht und in die es sich entsprechend der wirklichen Lebensform einzufügen hat" . 362 Die "Hausgemeinschaft" wurde zu einem Schlüsselbegriff des nationalsozialistischen Mietrechts und zu einem Vehikel der Ideologievermittlung im Dienste der nationalsozialistischen Rassenideologie. Die Grundlagen und Grundgedanken der Hausgemeinschaft im nationalsozialistischen Mietrecht mögen exemplarisch folgende Ausführungen von Roquette aus seinen ,,Rechtsgrundlagen der Wohnungsmiete" belegen: "Die Hausgemeinschaft kennt nicht eine Frontstellung der Mieter gegen den Vermieter und ist nicht eine Interessenvertretung wie die Mieterschaft Die Hausgemeinschaft setzt eine seelische und willensmäßige Grundhaltung voraus, während die Mieterschaft lediglich auf äußerer und zufälliger Hauszugehörigkeit beruht. Eine Hausgemeinschaft entsteht erst dann, wenn der Wille zur Gemeinschaft vorhanden ist. Wie die neue Welt- und Rechtsanschauung den Willen zur Volksgemeinschaft pflegt und stärkt, so entwickelt sich aus der gleichen Grundauffassung heraus in der engeren Gemeinschaft des Hauses der Wille zur Hausgemeinschaft. Erst mit der Pflege des Gedankens der Volksgemeinschaft konnte der Gedanke der Hausgemeinschaft überhaupt Wurzel fassen. Auch die Hausgemeinschaft setzt die seelische und willensmäßige Grundhaltung voraus, die für die Volksgemeinschaft im großen verlangt werden muß. Das Verlangen der willensmäßigen Einstellung zur Hausgemeinschaft ist nicht nur eine allgemeine sittliche Forderung, sondern zugleich ein rechtliches Gebot. Es ist die Pflicht aller an der Hausgemeinschaft Beteiligten, innerhalb des Hauses eine vertrauensvolle Gemeinschaft zu erhalten und zu fördern, alle Gegensätzlichkeilen zu überbrücken und Interessengegensätze auszugleichen."363 359 Vgl. insbesondere Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 169 ff., 172 ff.; Hardieck, Unbestimmte Rechtsbegriffe bei der Beendigung von Wohnungsmiete, S. 131 ff. 360 Näher bereits oben bei Fn. 254 ff. 361 Vgl. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 169 ff. 362 Roquette, Rechtsgrundlagen der Wohnungsmiete, S. 27; vgl. a. den im Auftrag der Akademie für Deutsches Recht von Buchwald erstellten ,,Entwurf eines Gesetzes über die Miete von Wohn- und Berufsräumen und von Grundstücken, in: Buchwald, Neugestaltung des Mietrechts, 1938, mit der in § 6 vorgesehenen Verpflichtung zur Hausgemeinschaft.
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In der Art, in der der ,,konkret-allgemeine" Begriff der Hausgemeinschaft von der nationalsozialistischen Rechtslehre geprägt wurde, eröffnete er nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für eine politisch-ideologische Instrumentalisierung des Gemeinschaftsgedankens und damit die Grundlage für eine rechtsdogmatisch unkontrollierte und unkontrollierbare Manipulation der Privatrechtsinstrumente. Seine rassenideologische Verfremdung wurde denn auch zur Grundlage für die Entrechtung der jüdischen Bürger auch im Bereich des Wohnraummietrechts, 364 schon bevor der Gesetzgeber durch das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" vom 30.4.1939 365 diesen Tatbestand unverhohlen ausgewiesen hatte. Vor diesem hier nur skizzierten geschichtlichen Hintergrund ist die grundsätzliehe Skepsis gegenüber einer gemeinschaftsrechtlichen Verfassung der partnerschaftlichen Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis verständlich. Der einstige Mißbrauch von Privatrechtsinstituten durch eine Gemeinschaftsideologie bedeutet für die Privatrechtsdogmatik indes kein Verbot, einem spezifisch rechtlichen Inhalt des Partnerschaftsgedankens, einer Dogmatik gemeinschaftsrechtlich geprägter Sozialbeziehungen im Wohnraummietrecht nachzuspüren. Die Privatrechtsmanipulation durch eine Gemeinschaftsideologie konnte nicht zuletzt deswegen gelingen, weil die Privatrechtswissenschaft eine Dogmatik des Gemeinschaftsrechts nicht entwickelt hatte und eine Gemeinschaftsideologie sich daher juristisch kaum kontrolliert entfalten konnte. Insofern mahnt die Privatrechtsgeschichte an, daß die Untersuchung einer gemeinschaftsrechtlichen Verfassung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis nur dann einen Beitrag zur Rechtsdogmatik leisten kann, wenn es gelingt, dem Partnerschaftsgedanken klare normative Konturen zu geben. Deshalb kann es bei der gemeinschaftsrechtlichen Verfasssung von Partnerschaftsbeziehungen nicht um die Anwendung eines politisch-ideologischen Konzepts oder Gedankens wie dem Hausgemeinschaftsbegriff der nationalsozialistischen Rechtslehre gehen, sondern um die Herausarbeitung und Anwendung von normativen Strukturmerkmalen. bbb) Die gemeinschaftsrechtliche Verfassung der partnerschaftliehen Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis Die privatrechtsdogmatischen Bedenken, die dagegen sprechen, Sozialbeziehungen als Rechtsverhältnis anzusehen, und die dazu geführt hatten, daß der Privatrechtsgesetzgeber dem Bereich der Gruppen- und Organisationsbildung zwischen Privatrechtssubjekten insgesamt nur rudimentäre Aufmerksamkeit gewidmet hatte, bewirkte, daß eine Dogmatik gemeinschaftsrechtlicher Rechtsverhältnisse erst langsam entwickelt wurde. Über Jahrzehnte hinweg begnügte sich
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Roquette, aaO. Fn. 362, S. 25. Vgl. die Nachweise zur Rspr. bei Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 176 ff. RGBI. I, S. 864.
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die Rechtslehre mit der von Cosack 366 begründeten Auffassung, nach der gemeinschaftsrechtliche Rechtsbeziehungen dann vorliegen, wenn "irgendwelche Rechte mehreren Personen gemeinsam zustehen oder irgendwelche Verpflichtungen mehrere Personen gemeinsam belasten". Konkrete Strukturmerkmale gemeinschaftsrechtlicher Rechtsbeziehungen wurden erstmals von Nikisch benannt, indem er darlegte, daß Gemeinschaftsbeziehungen auf mehr als zwei Beteiligte angelegt seien, entweder auf Vertrag oder auf "tatsächlicher Herstellung" beruhen, ferner die Gemeinschaft für ihre Mitglieder Pflichten begründe, die durch das Wesen und die Aufgabe der Gemeinschaft bestimmt werden und im Widerspruch mit dem Wesen der Gemeinschaft weder abgeändert noch ausgeschlossen werden könnten, und sich schließlich der Inhalt dieser Pflichten nach den Bedürfnissen der Gemeinschaft richten müsse. 367 Diese vorwiegend rechtsfolgenorientierten Merkmale konnten zwar für die Beschreibung von Rechtswirkungen und Pflichteninhalten gemeinschaftsrechtlicher Rechtsverhältnisse von Bedeutung sein, nicht aber zur Präzisierung ihrer Anerkennungsvoraussetzungen beitragen. Dieser Einwand fiel auch der von Alfred Hueck 368 befürworteten Hervorhebung von Treuepflichten zum charakteristischen Merkmal der Rechtsgemeinschaften des Privatrechts entgegen. Sein Postulat, daß eine Treuepflicht dort bestehe, wo Rechtsbeziehungen über gewöhnliche schuldrechtliche Bindungen hinausgreifen und personenrechtliche Bindungen dominieren, 369 ließ die Frage nach den Voraussetzungen solcher Pflichtenbindung unbeantwortet. Erst in jüngeren Untersuchungen sind die Strukturmerkmale gemeinschaftsrechtlicher Rechtsbeziehungen erarbeitet worden. Aufbauend auf den Lehren Würdingers 310 haben zuerst Wüst 311 , vor allem aber auch Fabricius 372, Wiedemann 373 und Schünemann 374 gemeinschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen im Zwischenbereich von allgemeinen Bürgerbeziehungen und schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen dogmatische Konturen gegeben. Diese Entwicklung ist an anderer Stelle näher beleuchtet worden und hier nicht erneut darzustellen. 375 Im Ergebnis werden gemeinschaftsrechtliche Sozialbeziehungen durch drei Voraus366 Cosack, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, Bd. 11/2, § 1 I, der seinerseits unter anderem aufv. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. II, S. 375 ff. und Bd. m, S. 828, 1025 sowie Joerges, ZHR 49 (1900), S. 140 ff. und 51 (1902), S. 47 ff. Bezug nimmt. 367 Nikisch, Das Arbeitsverhältnis im Betriebe, S. 48 ff. 368 In: .Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, S. 12 ff. 369 A. Hueck, aaO. Fn. 368, S. 12. :l7o Würdinger, Theorie der schlichten Interessengemeinschaft, 1934. 371 Wüst, Die Interessengemeinschaft, 1958; erneuert in: JZ 1985, S. 1077 ff. 372 Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963. 373 Wiedemann, Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965. 374 Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgemeinschaft, 1975. 375 Vgl. Paschke, AcP 187 (1987), S. 60 (81 f.).
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setzungen festgelegt: Das Vorhandensein einer rechtlichen Gemeinschaftsordnung und eines gemeinschaftlichen Rechtskreises sowie die Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zwecks durch. die Gemeinschafter. 376 Ob die Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als gemeinschaftsrechtliches Rechtsverhältnis angesehen werden können, obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Wertentscheidung dafür nicht vorhanden ist, muß an diesen Stukturmerkmalen gemessen werden. Eine methodengerechte Rechtsfortbildung des Kreises der Rechtsgemeinschaften kann nicht in einer Verrechtlichung rechtspolitischer Zweckmäßigkeitsüberlegungen unter Hinweis darauf erfolgen, daß vorgeblich "das Volk klarer gesehen hat als die bisherige Rechtsdogmatik", 377 wenn es die Hausgemeinschaft als (ontologisches) Phänomen anerkennt; sie kann aber erfolgen, wenn dafür eine richtungweisende Wertentscheidung des Gesetzgebers eine Grundlage bietet. Dann nämlich folgt nicht aus der fehlenden ausdrücklichen legislativen Anerkennung gemeinschaftsrechtlicher Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis die Unzulässigkeit der Rechtsfortbildung, kommt sie doch anerkanntermaßen immer dann in Betracht, wenn "Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind". 378 i) Gemeinschaftsordnung Jede (faktische) Gemeinschaftsbildung führt zu einer tatsächlichen Lebensordnung, die aber, um auch rechtliche Anerkennung zu finden, rechtlicher Regelung durch eine Gemeinschaftsordnung bedarf. 379 Das Vorhandensein einer GerneiDschaftsordnung ist das wesentliche Strukturmerkmal rechtlicher Gemeinschaftsverhältnisse, das die Beziehungen der Gemeinschafter von bloßen allgemeinen gesellschaftlichen Beziehungen der Privatrechtssubjekte untereinander abgrenzt. Kar/ Larenz 380 hat die gemeinschaftrechtlichen Ordnungsnormen als solche definiert, "die die Beteiligung mehrerer Personen an einem gemeinschaftlichen Rechtskreis und an der zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen erforderlichen gemeinschaftlichen Willensbildung regeln". In dieser Definition wird der Ordnungscharakter gemeinschaftsrechtlicher Normen um eine organisationsrechtliche Komponente ergänzt; zu den Merkmalen der Gemeinschaften im Rechtssinne Näher Paschke, aaO. Fn. 375. So Wüst, Die Interessengemeinschaft, S. 125. 378 So BVerfGE 34, S. 269 (287) zur Aufgabe und Befugnis der Rspr. zur schöpferischen Weiterbildung des Rechts; Grenzen markierend BVerfGE 65, S. 182 ff. 379 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 24 f.; Fabricius, Relativität der Rechtsfahigkeit, S. 139 f.; E. Wolf, AcP 173 ( 1973), S. 97 (101 ); Schünemann, Grundprobleme der Gesamthandsgesellschaft, s. 92f. 380 TherJb 83 (1933), S. 108 (142); ders., Schuldrecht, Besonderer Teil, § 60 I c. 376
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soll danach das Vorhandensein eines gemeinschaftlichen Organisationsrechts gehören, das den gemeinschaftlichen Rechtskreis dem bestimmenden Einfluß der Gemeinschafter unterstellt. 381 Diese Aufassung beruht auf einer Verallgemeinerung der rechtlichen Regelung des Gesellschaftsrechts und der schlichten Rechtsgemeinschaft Im Hinblick darauf, daß aber auch die das Gemeinschaftsverhältnis der Grundstücksnachbareigentümer betreffenden Regeln der§§ 905 ff. BGB 382 und beispielsweise die Verhaltensregeln für Wohnungseigentümer gemäß § 14 Ziff. 1 WEG 383 als gemeinschaftsordnende Normen anerkannt sind, obwohl sie keine organisationsrechtlichen Inhalte aufweisen, kann lediglich festgestellt werden, daß gemeinschaftsrechtliche Ordnungsnormen zwar typischerweise, nicht aber charakteristischerweise organisationsrechtliche Inhalte haben. Gemeinschaftsrechtliche Normen sind auch solche, mit denen der Gesetzgeber erforderlichenfalls in Konkretisierung durch richterrechtliche Rechtssätze die Beteiligung mehrerer Personen an einem gemeinschaftlichen Rechtskreis regelt. Mit den Vorschriften der§§ 554 a, 541 b BGB hat der Gesetzgeber Regelungen geschaffen, die sich schon begrifflich nicht in den individualrechtliehen Rechtsbeziehungen der Mietvertragsparteien erschöpfen, sondern das Phänomen der Eingebundenheit jedes einzelnen Mieters in den Sozialverband der Mitmieter eines Hauses anerkennen und gemeinschaftsordnend erfassen. In der Regelung des § 554 a BGB kommt diese Bedeutung im Zusammenhang mit dem Begriff des Hausfriedens zum Ausdruck. Der Rechtsbegriff des Hausfriedens bezeichnet das Erfordernis gegenseitiger Rücksichtnahme sämtlicher Bewohner eines Wohnhauses untereinander, 384 bezieht sich also tatbestandlieh nicht auf die Beziehungen der Mietvertragsparteien zueinander, sondern auf das Verhältnis der Mieter dieses Hauses untereinander. Das wechselseitige Aufeinanderangewiesensein im gemeinsamen Wohngebäude für ein gedeihliches Zusammenleben ist damit mehr als nur ein phänomenologischer Befund, mehr als nur die "zufällige Tatsache, daß eine Mehrzahl von Familien in einem Hause zusammenwohnt". 385 § 554 a BGB schafft eine Rechtspflicht der Wohnraummieter zur Rücksichtnahme auf die gleichberechtigten Nutzungsinteresseen der Mitmieter und sanktioniert diese mit einem Sonderkündigungsrecht 386 In ein ausschließlich individualrechtlich konzipiertes Regelungsmodell des Wohnraummietrechts läßt sich die Kategorie des Hausfriedens nicht nahtlos einfügen, 387 auch wenn aus dem Rücksichtnahmegebot des § 554 a BGB keine ÄhnlichE. Wolf, AcP 173 (1973), S. 97 (101 f.). Vgl. dazu Paschke, AcP 187 (1987), S. 79 ff. 383 Vgl. dazu Paschke, AcP 187 (1987), S. 77 ff. 384 Vgl. nur Emmerich I Sonnenschein, Mietrecht, § 554 a Rn. 25 a; Herpers, Wohnraummietrecht, Rn. 927; Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, § 554 a Rn. 19. 385 So aber Roquette, aaO. Fn. 384; vgl. ferner bereits oben bei Fn. 179. 386 Vgl. dazu nur Hans, Das neue Mietrecht, § 554 a Anm. B 1. 381
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Ansprüche der einzelnen Mieter gegeneinander auf Einhaltung des Hausfriedens folgen sollen. Die Vorschrift hält folglich an der Maxime fest, die Beziehungen der Hausbewohner untereinander über die jeweiligen Rechtsbeziehungen zum Vermieter rechtlich zu ordnen. 388 Der Schutzgegenstand des § 554 a BGB läßt sich aber mit den Kategorien des individualrechtliehen Rechtsverhältnisbegriffs nicht sinngebend erfassen. In der Verpflichtung zur Wahrung des Hausfriedens findet eine Gemeinschaftsordnung für die Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis positivrechtlichen Niederschlag. Diese mit dem Ersten Mietrechtsänderungsgesetz vom 29.7.1963 eingeführte Regelung enthält folglich einen neuartigen Rechtssatz des Wohnraummietrechts. Seine Bedeutung für die dogmatische Erfassung des Wohnraummietrechts wird verkannt, wenn gesagt wird, die über das Hausfriedensgebot sanktionierten Verhaltenspflichten ergäben sich bereits "aus der Vertrauensbasis" im Mietverhältnis. 389 Bis zur Regelung in § 554 a BGB gab es im Wohnraummietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs keine normative Grundlage für Verhaltenspflichten, die über das Verhältnis der Mietvertragsparteien hinaus den Sozialbeziehungen im Mietverhältnis rechtserhebliche Bedeutung beigemessen hatten. Solche Beziehungen sind erstmals durch die Regelung in § 554 a BGB anerkannt worden. 390 Das Partnerschaftspostulat baut auf diesem Rechtsgedanken auf. 391 Indem der Gesetzgber des Mietrechtsänderungsgesetzes die Störung des Friedens in der Hausgemeinschaft als Verletzung des Partnerschaftsgedankens ansieht, betont er zugleich die gemeinschaftsordnende Funktion des Partnerschaftsgedankens. Das Partnerschaftspostulat wird zum übergeordneten Leitbegriff für die Ordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis, der insbesondere in der Verpflichtung zur Wahrung des Hausfriedens gemeinschaftsordnenden Ausdruck gefunden hat. Insofern geht mit der Einführung des Partnerschaftsgedankens in das Wohnraummietrecht eine Aufwertung der phänomenologischen Verbundenheit der Bewohner eines Hauses untereinander und im Verhältnis zum Vermieter zu einer rechtserheblichen Gemeinschaft einher. 392 Gefestigt wird diese Auffassung durch die Regelung der Duldungspflicht des Mieters bezüglich von Wohnungsmodemisierungsmaßnahmen des Vermieters. 387 Widersprüchlich Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 237, der in § 554 a BGB eine rechtliche Regelung der Einenbeziehungen der verschiedenen Mieter eines Hauses sieht, aber zugleich betont, daß "im übrigen", nämlich jenseits des§ 554 a BGB eine rechtliche Verbindung nicht bestehe. 388 Zutreffend Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, § 60 Rn. 5, 6 unter Hinweis auf die praktischen forensischen Durchsetzungsschwierigkeiten dieser Konzeption. 389 So aber Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches,§ 554 a Anm. 18. 390 So zutreffend auch Pergande, Wohnraummietrecht, § 554 a Anm. 3. 391 Vgl. a. Pergande, Wohnraummietrecht, § 554 a Anm. 3. 392 Zurückhaltender Pergande, Wohnraummietrecht, § 535 Anm. 1 f.: ,,Es dürfte auch nach den Mietrechtsnovellen daran festzuhalten sein, daß unmittelbare vertragliche Beziehungen unter den Mietern nicht bestehen".
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§ 541 b BGB koppelt ausdrücklich Inhalt und Umfang der Duldungspflicht des Mieters von einer nur an dem Interesse der Mietvertragsparteien orientierten Interessenbewertung ab. Der Mieter kann sich nämlich nur solchen baulichen Maßnalunen entgegenstellen, die "auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und anderer Mieter im Gebäude" nicht zu rechtfertigen sind. Auch im Wohnungsmodemisierungsrecht gewinnen mithin die Interessen der Mitbewohner eines Hauses rechtserhebliche Bedeutung. Hiermit wollte der Gesetzgeber eine Verpflichtung des einzelnen Mieters zum Ausdruck bringen, bei nicht nur einzelwohnungsbezogenen Modernisierungsmaßnahmen seine persönlichen Interessen hinter die des Vermieters und der übrigen Mitbewohner des Hauses zurückzustellen. 393 Die gemeinschaftsordnende Bedeutung dieser Regelung äußert sich also darin, daß der einzelne Mieter Modernisierungsmaßnalunen grundsätzlich nicht gegen den Willen des Vermieters und seiner Nachbarmieter blockieren können soll. Mit den Wertentscheidungen in§§ 554 a, 541 b BGB hat der Gesetzgeber die strikt individualrechtliche Konzeption der Wohnraummietrechtsordnung durchbrochen. Im Kündigungs- und Wohnungsmodemisierungsrecht hat er den Sozialbeziehungen im Wohnhaus erstmals rechtserhebliche Bedeutung beigemessen und erste Schritte auf eine veränderte Wirklichkeitserfassung in der Dogmatik des Wohnraummietrechts getan. Jeweils geht es um eine dem klassischen Privatrechtsgesetzgeber noch unbekannte Sozialbindung der schuldrechtlichen Gebrauchsbefugnis des einzelnen Mieters im Hinblick auf die gleichrangigen Nutzungsrechte der Mitbewohner eines Hauses. Damit hat der Gesetzgeber die Grundpfeiler für eine rechtliche Gemeinschaftsordnung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis gesetzt und eine Erweiterung der Wertungsgrundlagen des Wohnraummietrechts vorgenommen. ii) Gemeinsamer Rechtskreis
Sozialbeziehungen gemeinschaftsrechtlich verbundener Rechtssubjekte bestehen - darauf wurde bereits hingewiesen - in bezug auf einen gemeinsamen Rechtskreis. Dieser bezeichnet einen Ausschnitt aus dem sozialen Beziehungsgeflecht, in dem sich das einzelne Rechtssubjekt befindet und durch Vergemeinschaftung bestimmter Interessen der Betroffenen gekenzeichnet ist. 394 Funktionell fällt daher der Bestimmung des gemeinschaftlichen Rechtskreises die Aufgabe zu, die Rechtsbeziehungen der Gemeinschafter zueinander in personeller und thematischer Hinsicht von den allgemeinen Bürger-Bürger-Beziehungen abzu393 Vgl. BT-Drcks. 7/4550 (Entwurf des WoModG), S. 21 f.; ferner Köhler, Das neue Mietrecht, S. 15 f. 394 Zum Merkmal des gemeinsamen Rechtskreises vgl. Larenz, IherJb 83 (1933), S. 108 (142); ihm folgend Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 25.
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grenzen. Seine Reichweite muß im Einzelfall durch methodengerechte Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Ordnungsnormen bestimmt werden. Das kann in verschiedenen Gemeinschaftsverhältnissen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen: Während die Gesellschafter-Gemeinschafter den Umfang der Gemeinschaftsbindung im Gesellschaftsvertrag selbst festlegen, 395 ist der gemeinsame Rechtskreis der Gemeinschafter in der schlichten Rechtsgemeinschaft von Gesetzes wegen auf das gemeinschaftliche Recht begrenzt; 396 in vergleichbarer Weise wird auch der gemeinsame Rechtskreis der Grundstücksnachbarn auf die Nachbarschaft der Grundstücke im Raum bezogen. 397 Der Umfang der Gemeinschaftsbindung entspricht der Reichweite der jeweiligen gemeinschaftsrechtlichen Ordnungsnormen; deshalb lassen sich allgemeingültige Merkmale für die Bestimmung der Reichweite des gemeinschaftlichen Rechtskreises nicht darlegen. Möglich erscheint eine Strukturierung lediglich in formaler Hinsicht. 398 Diese kann sich zunächst an der bekannten Unterscheidung der Gemeinschaften danach orientieren, ob der Zusammenschluß von den Betroffenen selbst festgelegt wird oder die Gemeinschaft (willensunabhängig) von Gesetzes wegen verfaßt wird. Diese Unterscheidung ist im besonderen geeignet, eine Abgrenzung der schlichten Rechtsgemeinschaft von den Gesellschaften zu bewirken, da allein für die Gesellschafter der gemeinsame willensgetragene Entschluß zur gemeinsamen Zweckerreichung kennzeichnend ist, die Rechtsgemeinschaften dagegen durch Interessengemeinschaft von Gesetzes wegen erzwungene Personenverbindungen darstellen. 399 In der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in bezug auf das Sondereigentum, 400 aber auch in der Gemeinschaft der belegschaftsangehörigen Arbeitnehmer401 lassen sich weitere Gemeinschaftsverhältnisse benennen, die sich der Zuordnung zu der beschriebenen Systematik entziehen. Weder beruhen diese Gemeinschaften auf einem willentlichen Entschluß der beteiligten Personen, noch lassen sie sich ausschließlich als durch Interessengemeinschaft von Gesetzes 395 Plastisch Wiedemann, aaO. Fn. 394, S. 26: ,,Deshalb wird man die Gesellschaft von anderen Gemeinschaften dadurch unterscheiden müssen, ob der Zusammenschluß und sein Zweck von den Betroffenen festgelegt wird oder nicht". 396 Vgl. nur K. Schmidt, in: MünchKomm., § 741 Rn. 5. Nicht zu erörtern ist im hier interessierenden Zusammenhang die Frage nach der Rechtszuständigkeit in der Gesamtbands- und Bruchteilsgemeinschaft; vgl. dazu den Überblick bei Flume, Die Personengesellschaft, § 8; vgl. auch Paschke, Diss. Berlin, S. 20 ff. 397 Vgl. die Nachweise in Fn. 379. 398 So bereits Würdinger, Theorie der schlichten Interessengemeinschaft, S. 19 f. 399 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 24 f. 400 Vgl. Merle, Das Wohnungseigentum im System des Bürgerlichen Rechts, S. 74 f.; Tiekötter, Der rechtliche Charakter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und der Vereinigungen zur Begründung von Wohnungseigentum, S. 23 ff.; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthändensehen Bindung, S. 154 mit Fn. 1. 401 Vgl. Zöllner, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 752 f.; Mayer-Maly, in: Festschrift für Floretta, S. 405 (411 ff.); Reuter, Ordo 36 (1985), S. 51 (57 f.); Gast, Das Arbeitsrecht als Vertragsrecht, S. 58 ff.
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wegen erzwungene Personenverbindungen charakterisieren. Der einzelne Wohnungseigentümer bzw. Arbeitnehmer ist erst dann in den gemeinsamen Rechtskreis einbezogen, wenn er durch willensgetragenen Entschluß eine rechtliche (vertragliche) Sonderverbindung begründet, durch die er dann notwendig in Gemeinschaftsbindungen eintritt, die aber ihrerseits unabhängig vom Willen des einzelnen Betroffenen Geltung beanspruchen. Das Charakterisitikum des hier erfaßten gemeinsamen Rechtskreises ist seine mangelnde Selbständigkeit. Sozialbeziehungen der Belegschaftsmitglieder und der Wohnungseigentümer in bezug auf ihr jeweiliges Sondereigentum ergeben sich als willensunabhängige, von Gesetzes wegen erzwungene (Annex-)Bindung der im übrigen willkürlich begründeten rechtlichen Sonderverbindung des einzelnen Gemeinschafters. Diese Unterscheidung ist ganz wesentlich für die rechtliche Erfassung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis. Denn auch durch die gemeinschaftsordnenden Normen des Wohnraummietrechts wird ein gemeinsamer Rechtskreis der Mieter eines Hauses festgelegt, der folglich unabhängig von deren Willen, aber doch nur als Annex zu dem zwischen Vermieter und Mieter bestehenden Rechtsband besteht, das wiederum vertraglich begründet wird. Strukturell entspricht daher der gemeinsame Rechtskreis im Wohnraummietverhältnis der Gemeinschaft der Belegschaftsangehörigen im Arbeitsrecht bzw. den Gemeinschaftsbindungen des Wohnungseigentümers in bezug auf sein Sondereigentum. Räumlich beschränkt sich der gemeinsame Rechtskreis auf das gemeinsame Wohnhaus. Diese Begrenzung folgt aus dem Bezug der gemeinschaftsrechtlichen Ordnungsnormen, die ausweislich des Hausfriedensbegriffs in § 554 a BGB keine Einbeziehung von Nachbarhäusern oder gar eines ganzen Wohnblocks bzw. Wohngebiets zulassen. Die Wohnblockzugehörigkeit schafft keine Gemeinschaft zwischen den dazu gehörigen Häusern und Wohnungen, macht die Nachbarn nicht zu Gemeinschaftern und verpflichtet sie demzufolge auch nicht auf die Beachtung der gemeinschaftlichen, vielfach durch "Haus-"ordnungsvorschriften konkretisierten Pflichten. Eine Einbeziehung der Nachbarhausbewohner in den gemeinschaftlichen Rechtskreis kommt vielmehr nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Hausbewohner mit den Nachbarbewohnern in so enge Berührung kommen, daß eine Unterscheidung verschiedener Rechtskreise nicht mehr möglich ist; das aber wird regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn die Hausnachbarn durch gemeinschaftliche bauliche oder sonstige Einrichtungen notwendig in Berührung miteinander kommen. 402
402 Ebenso bereits Bettermann, NJW 1954, S. 1204 in kritischer Auseinandersetzung mit LG Düsseldorf ebendort.
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iii) ·Gemeinsamer Zweck Zu den Merkmalen der Gemeinschaft im Rechtssinne gehört schließlich das Vorhandensein eines gemeinsamen Zwecks. Diese Voraussetzung ist selbstverständlich für die Gemeinschaft der Gesellschafter, die sich eigens vertraglich verpflichten, die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zu fördern, § 705 BGB. 403 Darüber hinaus läßt sich aber für alle anerkannten Rechtsgemeinschaften nachweisen, daß ihre Mitglieder einem gemeinsamen Zweck zu dienen haben. Selbst wenn mehrere Personen nur dadurch gemeinschaftlich verbunden sind, daß ihnen ein Recht in Bruchteilsgemeinschaft zusteht, haben die Gemeinschafter von Gesetzes wegen der Erhaltung des Gegenstandes zu dienen und alle dazu erforderlichen Maßnahmen zu treffen. 404 Wegen dieser notwendigen Gemeinschaftlichkeit des Zwecks ist sogar jeder einzelne Gemeinschafter auch gegen den ausdrücklich erklärten Willen der anderen Teilhaber befugt, die zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks erforderlichen Maßnahmen allein zu treffen; 405 er ist zwar nicht vertretungsbefugt, kann aber nach § 747 Abs. 2 Satz 2 BGB verlangen, daß die Teilhaber ihre Einwilligung im voraus erteilen. In gleicher Weise werden auch die Grundstücksnachbarn 406 und Wohnungseigentümer 407 im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis von Gesetzes wegen zur Verfolgung des gemeinsamen Zwecks verpflichtet, auf ein geordnetes Zusammenleben im gemeinsamen Gebäude hinzuwirken. Die gemeinschaftsrechtlichen Bindungen, denen die Grundstücksnachbarn und Sondereigentümer im Wohnungseigentumsrecht unterliegen, beruhen auf den nebeneinander bestehenden Berechtigungen, die rechtlich selbständig, aber eingebettet in eine räumliche Verbundenheit einer gemeinschaftlichen Zweckbindung bedürfen, ohne die eine möglichst intensive Nutzung aller einzelnen Berechtigungen und damit ein geordnetes Zusammenleben aller Nachbarn nicht zu verwirklichen ist. In dieser Zweckbindung stimmen die Regelungen der§§ 905 ff. BGB und§§ 14 ff. WEG grundsätzlich überein. 408 Für die der rechtlich verfaßten Belegschaft zugehörigen Arbeitnehmer steht die Verfolgung der gemeinsamen Arbeitnehmerinteressen im Vordergrund, die dann aber durch die betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung zur Berücksichtigung von Betriebs- bzw. Unternehmensinteressen zu einem Ausgleich mit konfligierenden Interessen des Arbeitsgebers geführt werden müssen. 409 Der gemeinsame 403 Flume, Die Personengesellschaft, S. 7 ff.; Ballerstedt, JuS 1963, S. 253 ff.; Schulze-Osterloh, Der gemeinsame Zweck der Personengesellschaften, S. 9 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § I 1 b. 404 Vgl. Schulze-Osterloh, aaO. Fn. 404, S. 6; ders., Das Prinzip der gesamthändefischen Bindung, S. 131; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 1 I 2 b. 405 Dazu Diederichsen, MDR 1963, S. 634. 406 Vgl. H. Westermann, in: 1. Festschrift für Larenz, S. 1006; Säcker, in: MünchKomm., § 906 Rn. 1. 407 Merle, Das Wohnungseigentum ini System des Bürgerlichen Rechts, S. 74 f. 408 Merle, aaO. Fn. 406, S. 74; Bärmann I Pick I Merle, WEG, § 13 Rn. 158.
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Zweck wird hier nicht von den Belegschaftsangehörigen selbst, sondern in Parallele zu den (nachbar-) gemeinschaftsrechtlichen Regeln vom Gesetzgeber festgelegt. Damit wird ein Minimalstandard zweckgemeinsamer Interessen fixiert, der nicht ausschließt, daß jenseits der von Gesetzes wegen erzwungenen Zweckgemeinsamkeit unterschiedliche Interessen zutage treten. 410 Die Gemeinsamkeit des Zwecks ist kein Spezifikum der Gesellschaftergemeinschaft, wie noch Würdinger in seiner Theorie der schlichten Rechtsgemeinschaft zu erkennen glaubte. 411 Er unterteilte die Gemeinschaften in Zweckgemeinschaften und schlichte Interessengemeinschaften und sah erstere durch das Merkmal der Gemeinschaftlichkeit der Zweckverfolgung charakterisiert, während er als Interessengemeinschaft diejenigen Personenverbindungen bezeichnete, die durch Gleichrichtung bestimmter Interessen gekennzeichnet sein sollen. Hauptart der schlichten Rechtsgemeinschaft sollte danach die Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB sein. 412 Wiedemann 413 und Schulze-Osterloh 414 haben demgegenüber nachgewiesen, daß durch diese Abgrenzung der Kreis der Gemeinschaften zu eng gezogen wird. Auch bei der Bruchteilsgemeinschaft beruht die von Würdinger beobachtete Gleichrichtung der Interessen auf einem für alle Teilnehmer übereinstimmenden Zweck des gemeinschaftlichen Gegenstandes. Der Zweck dieses Gegenstandes ist zugleich der Zweck der Gemeinschaft, so daß gleichgerichtete Interessen der Teilhaber in der Bruchteilsgemeinschaft zu einer Gemeinschaft hinsichtlich des Zwecks führen, ohne daß bereits mangels vertraglicher Vereinbarung ein gemeinsamer Zweck im Sinne des § 705 BGB vorliegt. Umfang und Intensität der gemeinsamen Zweckbindung können bei den einzelnen Gemeinschaften unterschiedlich ausfallen. Bisweilen hat die gemeinsame Zweckbindung nur marginale Bedeutung, wenn sie - wie bei der schlichten 409 Vgl. nur Zöllner, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, S. 753 f. im Hinblick auf§§ 2 Abs. 1, 76 Abs. 5 Satz 3 und 112 Abs. 4 Satz 2 BetrVG. Diese Bindung führt aber nicht zu einer von Gesetzes wegen auferlegten gemeinsamen Zweckverfolgung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die denn auch nicht in einer "Betriebsgemeinschaft" gemeinschaftsrechtlich verbunden sind; so ebenfalls Zöllner aaO. 410 A. A. Wiedemann, Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, S. 34, der unter Aufgabe seiner zuvor vertretenen Auffassung (vgl. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 25 f.) bei vorhandenen Interessengegensätzen eine gemeinschaftliche Bindung schlechthin nicht anerkennen will; dagegen Zöllner, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, s. 756 f. 411 So der Titel seiner 1934 erschienenen Abhandlung; ebenso bereits Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht, 2./3. Aufl. 1928, S. 177 mit der plastischen Formulierung: "der schaffende Zweck unterscheidet die Gesellschaft von den toten Gemeinschaften; im Anschluß daran Reinhardt I Schultz, Gesellschaftsrecht, Rn. 21; G. Hueck, Gesellschaftsrecht, § 1 I, II. 412 Würdinger, Theorie der schlichten Interessengemeinschaft, S. 15 ff. 413 Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 25 f.; ders., Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 1 I 2 b. 414 Schulze-Osterloh, Der gemeinsame Zweck der Personengesellschaften, S. 7 f.
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Rechtsgemeinschaft - die bloße Erhaltung des gemeinsamen Gegenstandes betrifft, bald geht sie so weit, daß mit der Erreichung des gemeinsamen Zwecks bzw. seiner endgültigen Vereitelung das Gemeinschaftsverhältnis automatisch endet. Die Begründung eines gemeinsamen Zwecks erfolgt nicht schon durch bloße (zufci.llige) Zweckübereinstimmung zwischen mehreren Personen. Gleichartige Zwecke werden für die Rechtsordnung erst dann zu gemeinsamen, wenn sie in einer rechtlich erheblichen Verbindung zwischen Personen bestehen, die eine rechtliche Grundlage für die Gemeinschaftlichkeit der Zweckbindung bildet. Insofern stehen die Gemeinschaftlichkeit des Zwecks und die rechtliche Gemeinschaftsordnung in Beziehung zueinander; der Gesetzgeber, der Personenverbindungen gemeinschaftsrechtlich verfaßt, legt zugleich die Zwecke dieser Gemeinschaft fest und paßt sie dem Wesen der Gemeinschaft an. 415 Deshalb haben die Gemeinschafter der Erbengemeinschaft der Erhaltung und Verteilung des Nachlasses und die Gemeinschaft der Konkursgläubiger einer möglichst günstigen und gerechten Verwertung des Gemeinschuldnervermögens zu dienen. Für das Wohnraummietrecht wird ein gemeinsamer Zweck der Sozialbeziehungspartner durch die Rechtspflicht zur Wahrung des Hausfriedens festgelegt. 416 Wie die Grundstückseigentümer und Wohnungseigentümer auch werden Wohnraumrnieter und Vermieter verpflichtet, auf ein geordnetes Zusammenleben im gemeinsamen Gebäude hinzuwirken. Damit sind die gleichberechtigten Gebrauchsrechte der Bewohner eines Hauses einer Zweckbindung unterworfen, die eine möglichst optimale Nutzung aller Einzelberechtigungen und damit ein geordnetes Zusammenleben aller Bewohner ermöglichen soll. Die Zweckbindung stimmt grundsätzlich mit der Zweckbindung der Grundstücksnachbarn und Wohnungseigentümernachbarn- wie sie in den §§ 905 ff. BGB, 14 ff. WEG zum Ausdruck kommt 417 - überein, so daß auch insofern die Verpflichtung zur Wahrung des Hausfriedens eine legislative Grundlage für die Anerkennung der Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis als ein den Partnerschaftsgedanken rechtlich konkretisierendes Gemeinschaftsverhältnis darstellt. Im Ergebnis ist somit festzustellen, daß das Wohnraummietrecht eine maßgeblich an die Lage im Raum knüpfende Verfassung wohnraummietrechtlicher Sozialbeziehungen als partnerschaftliebes Gemeinschaftsverhältnis statuiert. Die gesetzlichen Wertentscheidungen fixieren einen gemeinsamen Rechtskreis der Wohnraummieter eines Hauses in bezug auf die Gemeinschaftseinrichtungen des Gebäudes und das Gebrauchsrechtjedes einzelnen Mietersam Wohnraum. Durch den den §§ 554 a, 541 b BGB zugrunde liegenden und auch mit dem Partnerschaftspostulat angestrebten Rechtsgedanken der Rücksichtnahme jedes einzel415 Vgl. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, S. 25 f. 416 Vgl. oben Fn. 408. 417 Vgl. H. Westermann, 1. Festschr. für Larenz, S. 1006; Paschke, AcP 187 (1987),
s. 60, 85 ff.
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nen Mieters auf die prinzipiell gleichrangigen Gebrauchsrechte sämtlicher Mitbewohner eines Hauses wird maßstabhaft eine rechtliche Gemeinschaftsordnung festgelegt; die Mietnachbarn werden von Gesetzes wegen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks verpflichtet, auf ein geordnetes Zusammenleben im gemeinsamen Gebäude hinzuwirken. Die jeweiligen Gebrauchsbefugnisse am Wohmaum sind einer gemeinschaftlichen Zweckbindung unterworfen, die alle Einzelberechtigungen zu möglichst optimaler Entfaltung bringen und ein gedeihliches Zusammenleben aller Mitbewohner eines Hauses ermöglichen soll. Die Sozialbeziehungen im Wohmaummietverhältnis erfüllen damit sämtliche Voraussetzungen für ihre Anerkennung als gemeinschaftsrechtliches Rechtsverhältnis. cc) Grundsätze der gemeinschaftsrechtlichen Sozialbeziehungen Mit der Anerkennung der gemeinschaftsrechtlichen Verfassung der Sozialbeziehungen im Wohmaummietverhältnis ist zunächst eine Grundlage für die rechtliche Ordnung der (nachbar-)gemeinschaftlichen Interessenkollisionen gegeben. Sie ermöglicht - wie im folgenden zu zeigen ist - eine Begründung gemeinschaftsordnender Rechtsgrundsätze im Verhältnis der Wohmaummieter eines Hauses untereinander. Die weitere Frage nach der gestaltenden Ordnung der gemeinschaftlichen Interessen der Bewohner eines Hauses gegenüber dem (gemeinsamen) Vermieter soll dagegen unter dem Aspekt der Rechtspflicht des Vermieters zur Gleichbehandlung im Mietverhältnis sowie im Zusammenhang mit der Erörterung der Forderung nach Einführung einer Mietermitbestimmung bei gemeinschaftsbezogenen Entscheidungen des Vermieters behandelt werden. aaa) Rücksichtnahmepflichten Die bedeutsamste Konsequenz aus der Anerkennung einer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit der Wohmaummieter eines Hauses liegt in der Begründung von Rücksichtnahmepflichten der Wohmaummieter untereinander. Rücksichtnahmepflichten gegenüber den Gemeinschaftern gehören zu den essentiellen Rechtswirkungen jedes Gemeinschaftsverhältnisses im Rechtssinne. Sie haben im Gemeinschaftsverhältnis der Gesellschafter als Treuepflichten 418 die am weitesten entwickelte dogmatische Konturierung erfahren, bestehen aber gleichfalls bei der Bruchteilsgemeinschaft als Inhalt des zwischen den BruchteilsgemeinschafterD bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses, 419 haben in § 14 Ziff. I WEG in bezugauf das Sonder- und Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer ausdrückliche gesetzliche Anerkennung gefunden und sind im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis der Grundstückseigentümer richterrechtlich aner418 Grundlegend A. Hueck, Der Treuegedanke im modernen Privatrecht, insbesondere S. 13 ff.; ders., Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, S. 92 ff.; Ulmer, in: MünchKomm., § 705 Rn. 156 ff.; Staudinger I Keßler, BGB, Rn. 38 vor § 705. 419 So Schubert, JR 1975, S. 363 (364); K. Sclunidt, in: MünchKomm., § 741 Rn. 29.
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kannt. 420 Die Rechtsprechung zu den Rechtspflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis betont, daß "der gerechte Ausgleich widerstreitender Belange in manchen Fällen ein Hinausgehen über die gesetzliche Regelung erfordern (kann), wobei die einem Grundstückseigentümer aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben(§ 242 BGB) einem Nachbarn gegenüber obliegende Rücksichtnahme sich unter Umständen nicht einmal in einem Unterlassen erschöpft, sondern ihn sogar zum positiven Handeln verpflichten kann", 421 auch wenn diese Verpflichtung eine aus "zwingenden Anforderungen" gebotene Ausnahme bleiben müsse, da die Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie durch die nachbarlichen Gesetzesvorschriften des Bundes- und Landesrechts geregelt werden. 422 Diese Rechtsgrundsätze gelten entsprechend auch in den Gemeinschaftsbeziehungen der Wohnraummieter. Zu den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen gehört es, daß der Pflichtenbindung des einzelnen ein als subjektives Recht ausgestalteter Unterlassungs- oder Leistungsanspruch der übrigen Gemeinschafter entspricht. Jeder von ihnen kann die bestehenden Rücksichtnahmeverpflichtungen in den unmittelbaren Rechtsbeziehungen zu jedem Gemeinschafter geltend machen, erforderlichenfalls einklagen und durchsetzen. Da die Sozialbeziehungen im Wohnraummietverhältnis sämtliche Strukturmerkmale eines rechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses aufweisen, sind folgerichtig die dem einzelnen Wohnraummieter obliegenden Rechtspflichten an die Pflichtenbindung in sonstigen Gemeinschaftsverhältnissen anzupassen. Rücksichtnahmeverpflichtungen des einzelnen Wohnraummieters bestehen daher nicht nur als sogenannte rechtliche Gebundenheit 423 des einzelnen Wohnraummieters, deren Verletzung ausschließlich durch eine (nicht erzwingbare) Ausübung des Gestaltungsrechts des Vermieters sanktioniert ist, 424 sondern begründen primäre Leistungspflichten gegenüber den Nachbarrnietern. Mit der Anerkennung der gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit der Wohnraummieter entfallen die Bedenken gegen klagbare Erfüllungsansprüche der Hausbewohner untereinander. Die Anerkennung der rechtlichen Verbundenheit der Wohnraummieter untereinander ist im Gegenteil die tragende Grundlage für eine rechtliche Gleichstellung der Sozialbeziehungen der Wohnraummieter mit der rechtlichen Ordnung der Binnenbeziehungen in sonstigen Rechtsgemeinschaften. 425 420 Aus der Rspr. vgl. nur RGZ 154, S. 161 (165) und BGHZ 68, S. 350 (353 f.) mit weit. Nachw.; ferner H. Westermann, JZ 1963, S. 407 (408); ders., Sachenrecht, § 63 I 2; Müh1, in: Festschrift für Raiser, S. 161 ff.; Säcker, in: MünchKomm., § 909 Rn. 26; eingehend Brox, JA 1984, S. 182 (183, 186). A. A. Böhmer, MDR 1959, S. 261 ; Block, Diss. Göttingen, S. 71 f., 76 ff. Zur rechtspolitischen Diskussion in der Weimarer Zeit über die Anerkennung von Rücksichtnahmepflichten im Wohnraummietverhältnis vgl. Gross, Vorschläge zu einem neuen deutschen Miet-, Wohn- und Bodenrecht (Wohnwirtschafts-Gesetz), 1929, S. 45 ff. 421 BGHZ 68, S. 353 f. mit weit. Nachw. 422 BGHZ 68, S. 354. 423 Vgl. dazu Larenz, Allgemeiner Teil, § 12 II c. 424 Vgl. oben unter B I 2 b bb.
9 Paschke
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Der Inhalt der Unterlassungs- und Leistungspflichten kann nur im Einzelfall konkretisiert werden. Im Hinblick auf die dogmatischen Grundlagen der Gemeinschaftsbindung im Wohnraummietverhältnis lassen sich aber folgende Grundsätze aufstellen: Die Rücksichtnahmepflichten im Wohnraummietverhältnis dienen dem Ziel einer wechselseitigen Optimierung der Gebrauchsbefugnisse sämtlicher Wohnraummieter eines Hauses. Ihr Schutzgut ist nicht die "Hausgemeinschaft" als eine von den Individualinteressen der einzelnen Mieter gelöste Kategorie, sondern das schuldrechtliche Gebrauchsrecht des einzelnen Mieters, das um des Schutzes der gleichberechtigten Befugnisse der Nachbarmieter willen solche Einschränkungen erfährt, die der Sozialbindung der individuellen Befugnisse im gemeinschaftlichen (nachbarlichen) Zusammenleben Ausdruck verleihen. 426 Einschränkungen der Gebrauchsbefugnis am Wohnraum in diesem Sinn setzen daher den Nachweis einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung der Gebrauchsbefugnis zumindest eines einzelnen Nachbarmieters voraus; insofern bieten die Rücksichtnahmepflichten im Wohnraummietverhältnis gegenüber den Nachbarmietern weder Raum für die Anerkennung ideologisch geprägter Gemeinschaftsbindungen, noch erlauben sie eine Durchsetzung nur subjektiv empfundener, einem objektiven Urteil aber nicht standhaltender Beeinträchtigungen. Die in den Rücksichtnahmepflichten des einzelnen Mieters zum Ausdruck kommende "Sozialbindung" der Gebrauchsbefugnis am Wohnraum darf bei sachgerechter Handhabung nicht als inhaltliche Bindung der Befugnisse des Mieters mißverstanden oder mißbraucht werden. Die Gebrauchsbefugnis am Wohnraum gewährleistet dem Mieter im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit dem Vermieter und in Übereinstimmung mit der grundlegenden Entscheidung der Privatrechtsordnung zugunsten der Handlungsfreiheit der Privatrechtssubjekte eine Sphäre autonomer Selbstherrlichkeit; ihr werden durch die im Interesse des Schutzes der gleichberechtigten Befugnisse der Nachbarmieter bestehenden Rücksichtnahmepflichten wohl äußere Grenzen, nicht aber maßstabhafte inhaltliche Vorgaben gesetzt. bbb) Duldungspflichten Der Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten in den unmittelbaren Beziehungen der Bewohner eines Hauses untereinander korrespondieren Duldungspflichten, die dem Umstand Rechnung tragen, daß im Zusammenleben der Bewohner die verschiedenen Gebrauchsbefugnisse notwendig aufeinander treffen und nicht schon jede noch so geringfügige Beeinträchtigung Besitzschutz- oder sonstige Abwehransprüche auslösen darf, damit der Rechtsfrieden gewährleistet werden kann. 427 Die Grundlage bietet dafür § 906 BGB, der wegen der strukturellen Vergleichbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Nachbarbeziehungen der 425 426 427
Vgl. oben bei Fn. 390.
Im Ergebnis ähnlich Sterne!, Mietrecht, Rn. II 189, IV 385.
Vgl. oben bei Fn. 204.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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Wohnraummieter mit dem zwischen Grundstücksnachbarn bestehenden (nachbarlichen) Gemeinschaftsverhältnis im Wohnraummietrecht entsprechend anwendbar ist. 4Z8 Der Wohnraummieter hat danach die von § 906 Abs. I BGB erfaßten Einwirkungen jedenfalls insoweit hinzunehmen, als sie den Gebrauch seiner Mieträume nur unwesentlich beeinträchtigen. 429 Darauf, daß sich aus dieser Duldungspflicht praktisch bedeutsame Einschränkungen insbesondere besitzschutz- und deliktsrechtlicher Abwehrrechte ergeben, wurde bereits hingewiesen 430 und entspricht anerkannter Rechtsauffassung, die aber erst durch die Anerkennung einer gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit der Bewohnereines Hauses auf eine die entsprechende Anwendung des § 906 BGB methodengerecht absichernde Rechtsgrundlage gestellt ist. Die Abgrenzung der danach zu duldenden unwesentlichen von den abwehrfabigen Beeinträchtigungen hat gemäß den zu § 906 BGB entwickelten Rechtsgrundsätzen nach einem differenziert objektiv-subjektiven Maßstab zu erfolgen; 431 demzufolge ist es möglich, einerseits auf eine besondere Störungsbetroffenheit einzelner Hausbewohner einzugehen, ohne damit zugleich einer subjektiven Störungsempfmdlichkeit des einzelnen bei der rechtlichen Beurteilung Rechnung tragen zu müssen. Mit der entsprechenden Anwendung von § 906 BGB wird zugleich die Frage aufgeworfen, ob eine Duldungspflicht auch unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 dieser Vorschrift besteht mit der Folge, daß auch wesentliche Einwirkungen zu dulden wären, die durch eine ortsübliche Benutzung von Nachbarwohnungen herbeigeführt werden und nicht durch wirtschaftlich zurnutbare Maßnahmen verhindert werden können. Im Hinblick darauf, daß sich der gemeiname Rechtskreis der Hausbewohner regelmäßig nur auf das jeweilige Wohngebäude erstreckt, müßte der Ortsüblichkeitsmaßstab im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 906 BGB dann zu einem Hausüblichkeitsmaßstab fortgebildet werden, der die Berücksichtigung von außerhalb des gemeinsamen Rechtskreises der Mieter liegender Gebrauchsgewohnheiten nicht zuließe. Allerdings sprechen bereits grundsätzliche Bedenken dagegen, überhaupt eine Duldungspflicht des Mieters bei wesentlichen Einwirkungen auf den Wohngebrauch von Hausbewohnern anzuerkennen. Mit der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtssätze wird das Ziel verfolgt, ein geordnetes Zusammenleben im gemeinsamen Wohngebäude zu ermöglichen und dabei die Einzelberechtigungen aller Mieter zu möglichst optimaler Entfaltung zu bringen. 432 Bei wesentlichen Beeinträchtigungen 428 Insofern besteht im Ergebnis Übereinstimmung mit der oben in Fn. 198, 204 angeführten h. M. im mietrechtlichen Schrifttum. 429 Vgl. oben Fn. 199. 430 Vgl. oben Fn. 198. 431 Vgl. dazu Säcker, in: MünchKomm., § 906 Rn. 26, 27. 432 Vgl. Paschke, in: Kimminich I v. Lersner I Storm (Hrsg.), Handwörterbuch des Umweltrechts, Stichwort: Nachbarrecht I.
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des Wohngebrauchs erscheint dieses Ziel nicht erreichbar. Die Zulassung wesentlicher Einwirkungen auf den Wohngebrauch von Nachbarmietern wird regelmäßig eine Störung des Hausfriedens mit sich bringen und liefe damit der gesetzlichen Wertentscheidung, aus der die gemeinschaftsrechtliche Bindung der Mieter eines Hauses maßgeblich abgeleitet wird, zuwider; 433 wesentliche Beeinträchtigungen des Wohngebrauchs sind deshalb unter keinen Umständen, auch nicht gegen eine Ausgleichszahlung in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu dulden. ccc) Haftungsgrundsätze Schließlich ist zu erörtern, ob der gemeinschaftsrechtlichen Verbundenheit der Mieter eines Hauses eine haftungsrechtliche Bedeutung zukommt. Einen Anhaltspunkt für haftungsrechtliche Besonderheiten in den Binnenbeziehungen der Gemeinschafter könnte in der Begrenzung der Haftung für die Verletzung von Gesellschafterpflichten auf den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt nach § 708 BGB gesehen werden, dessen Anwendung in anderen Gemeinschaftsverhältnissen ungeachtet der rechtspolitischen Fragwürdigkeit dieser Vorschrift gelegentlich erwogen wurde. 434 Weiterhin hatte die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts 435 den Gedanken der (kollegialen) Gemeinschaftsverbundenheit als Rechtfertigungsgrund für den Haftungsausschluß beim Arbeitskollegen-Unfall ausdrücklich anerkannt, und selbst nachdem der Gesetzgeber des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes 436 diese richterrechtlichen Haftungsgrundsätze kodifiziert hatte, behielt der Gemeinschaftsgedanke als Interpretament der gesetzlichen Regelung und Rechtfertigungtopos für nicht geregelte Streitfragen seine Bedeutung. In diesem Sinn hat das Bundesverfassungsrericht zur Rechtfertigung des Ausschlusses von Schmerzensgeldansprüchen gemäß §§ 636, 637 RVO auf den Gemeinschaftsgedanken hingewiesen 437 und nach verbreiteter Rechtsauffassung ist nach gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen auch eine Erstreckung des Haftungsausschlusses gemäߧ 637 RVO auf Sachschäden gerechtfertigt. 438 Vgl. § 554 a BGB. Vgl. BGH, NJW 1974, S. 1189 f.; danach fmdet aber im Hinblick auf den dogmengeschichtlichen Befund, daß die Einführung einer dem § 708 BGB entsprechenden Vorschrift in das Gemeinschaftsrecht bei den Gesetzesberatungen ausdrücklich abgelehnt wurde (Prot. li, S. 768), § 708 BGB auf Gemeinschaftsverhältnisse iSd §§ 741 ff. BGB keine entsprechende Anwendung. 435 AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO. 436 Gesetz vom 30.4.1963, BGBl. I, S. 241. 437 BVerfG, NJW 1973, S. 502 (504 f.). 438 ArbG Berlin, BB 1959, S. 956 f.; wohl auch BAG, AP Nr. 31 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers; eingehend dazu Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung S. 112 ff. mit weit. Nachw.; a. A. Gamillscheg I Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, S. 97. 433
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Die haftungsrechtlichen Besonderheiten in rechtlichen Gemeinschaftsbeziehungen hatte die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 708 BGB daraus abgeleitet, daß die Mitglieder einer Gemeinschaft einander besondere Rücksichtnahme schulden, umgekehrt aber zumal bei gefahrgeneigter Arbeit auch einmal mit leichtem Versehen ihrer Kollegen rechnen müssen; "vielfach wissen sie, daß ihnen solche Versehen auch passieren können. Sie möchten solchenfalls auch nicht haftbar gemacht werden ... Wenn auch die Arbeiter desselben Betriebes keine Gesellschaft des BGB bilden, so rechtfertigt es doch ihre betriebliche Verbundenheit, die Haftungsvorschriften, die nach dem BGB für Gesellschafter gelten, zum Vergleich heranzuziehen". 439 Dieser Begründung hat allerdings Hanau zu Recht entgegengehalten, daß sich aus dem Gedanken der (Betriebs-)Gemeinschaft eine spezifisch haftungsrechtliche Aussage nicht entnehmen lasse. Mit gleicher Plausibilität könnte das gegenteilige Ergebnis behauptet werden, daß nämlich die besonderen Rücksichtnahmepflichten in Gemeinschaftsverhältnissen eine besonders weitgehende Haftung der Gemeinschafter rechtfertigen. 440 Gegen eine Übertragung der Haftungsregeln beim "Arbeitskameradenunfall" spricht vor allem deren spezifisch versicherungsrechtlicher Zusammenhang, aus dem sie nicht gelöst werden dürfen. 441 Der Haftungsausschluß zugunsten des Schädigers wird maßgeblich von der Erwägung getragen, daß die nach allgemeinen zivilrechtliehen Grundsätzen bestehende Haftung durch die Versicherungsleistungen abgelöst und kompensiert wird. Auf diesen versicherungsrechtlichen Zusammenhang, nach dem auch sicherzustellen ist, daß das Haftungsprivileg des Arbeitgebers gemäߧ 636 RVO nicht durch Rückgriffsansprüche des schädigenden Arbeitnehmers unterlaufen wird, hatten sowohl die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, 442 der Gesetzgeber des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes 443 und die seine Verfassungsmäßigkeit überprüfende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts444 hingewiesen. Damit aber erweist sich der Haftungsausschluß beim Arbeitskollegenunfall nicht als verallgemeinerungsfähige Konsequenz der von den Belegschaftsmitgliedern gebildeten Betriebsgemeinschaft, sondern als versicherungsrechtlich determinierte Konsequenz. 445 Die gemeinschaftsrechtliche Verbundenheit könnte daher nur Haftungsbeschränkungen in Anlehnung an die gemeinschaftsrechtlichen Regeln in §§ 708, 1359 BGB rechtfertigen. Die legislative Ratio des § 708 BGB - und dies gilt BAG, Ai> Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO. Hanau, in: Garnillscheg I Hanau, aaO. Fn. 438, S. 96. 441 Vgl. nur Denck, aaO. Fn. 438, S. 114. 442 So bereits BAG, AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO. 443 Vgl. die Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes, BT-Drcks. IV I 120, S. 48. 444 BVerfG, NJW 1973, S. 505. 445 Zur Gemeinsamkeit der Wertungsgrundlagen von §§ 708 und 1359 BGB vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 291 f.; Larenz, in: Festschrift für Westermann, S. 299 ff. 439
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für § 1359 BGB entsprechend - beruht darauf, daß "Parteien, die miteinander einen Gesellschaftsvertrag einzugehen beabsichtigen, sich gegenseitig so nehmen wollen, wie sie einmal sind, daß jeder Teil von vornherein die Individualität des anderen ins Auge fasse und daher nur verlange, daß er in den gemeinschaftsrechtlichen Angelegenheiten dieselbe Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten übe". 446 Im Hinblick auf diese rechtspolitisch ohnehin fragwürdige legislative Leitvorstellung ist die entsprechende Anwendung der Haftungsgrundsätze der§§ 708, 1359 BGB allenfalls begrenzt zulässig. 447 Diese auf den idealtypischen Fall der Begründung einer (höchstpersönlichen) Vermögens-, Arbeits- und Haftungsgemeinschaft zugeschnittene Konzeption ist schon im Gesellschaftsrecht nicht durchgängig anwendbar 448 und rechtfertigt - wie der Gesetzgeber selbst ausgesprochen hat - eine Anwendung auf die Binnenbeziehungen der Gemeinschafter der schlichten Rechtsgemeinschaft nicht. 449 Auf gemeinschaftsrechtliche Sozialbeziehungen, auf deren personelle Zusammensetzung der einzelne Gemeinschafter keinen Einfluß hat, kommt die Anwendung der Haftungsgrundsätze des § 708 BGB von vornherein nicht in Betracht. 450 Der Wohnraummieter hat allenfalls anläßlich der Begründung des Wohnraummietverhältnisses die Möglichkeit, die Mitbewohner des Hauses und potentiellen Nachbarmieter kennenzulernen, und kann daran seine Vertragsentscheidung orientieren; auf nachträgliche Veränderungen der personellen Zusammensetzung des Gemeinschaftsverhältnisses innerhalb eines Hauses hat der einzelne Wohnraummieter keine gesicherte Einflußmöglichkeit; damit aber fehlt ihm auch die Möglichkeit, die Individualität des Nachbarmieters ins Auge zu fassen mit der Folge, dann nur ein Verhalten verlangen zu können, das seiner eigenüblichen Sorgfalt entspricht. Folglich gelten in den gemeinschaftsrechtlichen Sozialbeziehungen der Wohnraummieter die allgemeinen Haftungsgrundsätze.
II. Der Wohnraummietvertrag als Dauerschuldverhältnis 1. Begriffsdefinitorische Vorfragen Im Mietvertrag verpflichten sich die Vertragsparteien, die geschuldeten Leistungen während eines (befristeten oder unbefristeten) Zeitraumes in der Weise Prot. II, S. 768; vgl. schon oben in Fn. 434. Zur rechtspolitischen Kritik an der Regelung des § 708 BGB vgl. Deutsch, aaO. Fn. 445, S. 292; Esser I Schmidt, Schu1drecht, Bd I, § 26 ll 3 b; Hoffmann, AcP 167 (1967), S. 396; K. Schmidt, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. ill, S. 526 ff. 448 Vgl. BGHZ 69, S. 207 (209 f.); 75, S. 321 (327 f.) jew. zur Publikumskommanditgesellschaft; RGZ 143, S. 212 (215)- nicht rechtsfähiger Verein; zusammenfassend Ulmer, in: MünchKomm., § 708 Rn. 5; vgl. a. Ballerstedt, JuS 1963, S. 258 f. 449 Prot. II, S. 768; vgl. a. BGHZ 68, S. 243 (245). 450 Die Haftung der Wohnungseigentümer ist ebenfalls nicht durch den Maßstab des § 708 BGB begrenzt; vgl BayObLG, NJW 1970, S. 1550 (1554). 446 447
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zu erbringen, daß im Zeitablauf fortwährend neue Leistungspflichten entstehen und einzelne Leistungsaustauschhandlungen die Schuld nicht vollständig tilgen, solange das Mietverhältnis Bestand hat. Das Zeitmoment spielt für wohnraummietvertragliche Leistungserbringung eine zentrale Rolle. Damit ist der Wohnraummietvertragals Dauerschuldverhältnis ausgewiesen, da der Dauerschuldverhältnischarakter privatrechtlicher Rechtsverhältnisse begriffsdefmitorisch an das Zeitmoment anknüpft. Ein Schuldverhältnis wird dann zum Dauerschuldverhältnis, wenn nach der vertraglichen Gestaltung der Faktor Zeit nicht nur eine der Modalitäten der Leistungserbringung, sondern ein essentielles Element der Leistungspflicht selbst ausmacht. 451 Vorausgesetzt wird ferner eine ständige Pflichtenanspannung für die Dauer der Vertragslaufzeit; 452 das Bestehen eines (personenbezogenen) Vertrauensverhältnisses gehört hingegen nicht (mehr) zu den konstituierenden Merkmalen von Dauerschuldverhältnissen. 453 Die Regelungsprobleme von Dauerschuldverhältnissen ergeben sich nicht primär oder auch nur typischerweise aus Vertrauenstatbeständen, sondern aus dem Zeitmoment selbst. Sämtliche zentralen Konfliktlagen, etwa wegen widerstreitender Bestands- und Beendigungsinteressen der Vertragspartner, aus dem Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Anpassung der Dauerschuldverhältnisgrundlagen an veränderte Umstände und dem Grundsatz der Vertragstreue oder aber aus dem Aufeinandertreffen des Grundsatzes wirtschaftlicher Selbstbestimmung mit dem der Status- und Rechtssicherheit im Dauerschuldverhältnis, ergeben sich unabhängig von persönlicher, vertrauensbewährteT Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien maßgeblich im Hinblick auf die Veränderung der bei Vertragsschluß zugrunde gelegten Äquivalenzmaßstäbe. Das Risiko dieser Veränderung wiederum wächst proportional mit der Vertragsdauer. Deshalb können Begründung und Bestand eines Vertrauenstatbestandes wohl Folge bestehender Dauerschuldverhältnisse sein und dann Einfluß auf die Rechtsfolgenordnung haben; zu den charakteristischen Begründungsmerkmalen von Dauerschuldverhältnissen zählt der Vertrauenstatbestand indes nicht. Der Wohnraummietvertrag 451 Grundlegend 0. v. Gierke, TherJb 64 (1914), S. 355 (358 f.); vgl. a. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I,§ 2 VI; Esser I Schmidt, Schuldrecht, Bd I,§ 15 II 4; Fikentscher, Schuldrecht, § 8, 7 c; eingehend Christodoulou, Vom Zeitelement im Schuldrecht, insbesondere S. 139 ff.; Hj. Weber, Zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, S. 108 ff.; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 561; Wiese, in: Festschrift für Nipperdey, Bd. I, S. 837 ff. 452 Vgl. nur Esser I Schmidt, aaO. Fn. 451, § 15 II 4. 453 J. Schmidt, in: Staudinger, BGB, Einl. zu §§ 241 ff., der darauf hinweist, daß die besondere Relevanz von Treu und Glauben im Dauerschuldverhältnis eine Folge der dauernden Pflichtenanspannung ist; vgl. a. Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 2 VI mit Fn. 46; a. A. Beitzke, Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerschuldverhältnissen, S. 10; Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 561. Auch von der übrigen in Fn. 451 angegebenen Literatur wird das Bestehen eines Vertrauensverhältnisses nicht als charakteristisches Merkmal von Dauerschuldverhältnissen genannt; ebenso Kramer, in: MünchKomm., Einl. zu§ 241 Rn. 84 f.
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gehört daher unabhängig von der Frage der Anerkennung (personen)gemeinschaftsrechtlicher Beziehungen zwischen den Vertragsparteien zur Kategorie der Dauerschuldverhältnis Se. 2. Die zeitliche Bindung im Dauerschuldverhältnis als rechtsdogmatisches Problem
Die Dauerschuldverhältnisse konstituierende Bindung der Vertragspartner in der Zeit ist der zentrale Problemlieferant im Dauerschuldverhältnisrecht Bei allen längerfristigen Vertragsbindungen kann sich in besonderer Weise ein Bedürfnis nach Auflösung oder Umgestaltung der einst eingegangenen Verpflichtungen ergeben, da das Zeitmoment des Dauerschuldverhältnisses spezifische Risikopotentiale birgt. 454 Es stellt die Vertragsparteien vor die Notwendigkeit, die Maßstäbe für die dauernde Bindung und die Fixierung der Äquivalenzbedingungen im Wege einer präsumtiven Einschätzung der Entwicklung aller rechtsverhältnisrelevanten Umstände zu prognostizieren. Mit zunehmender Vertragsdauer wächst das Risiko der Fehleinschätzung, der Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der individuellen Präferenzvorstellungen, die die Rationalität der bei Vertragsschluß getroffenen Vereinbarung in Frage stellen können. Das Prognoseproblem stellt sich zwar auch im zeitlich nicht determinierten Austauschschuldverhältnis, hat aber dort eine andersartige Qualität. Die Prognose betrifft dann in erster Linie die Frage der Verwendbarkeit der Vertragsleistung nach bereits vollzogener Abwicklung der vertraglichen Beziehungen; sie betrifft also austausch- und äquivalenztranszendente Umstände, die deshalb grundsätzlich in die alleinige Verantwortungs- und Risikosphäre der mit dem Rechtsgeschäft bestimmte Erwartungen und Motivationen verbindendenden Vertragspartei fallen. Im Dauerschuldverhältnis haben dagegen Abweichungen gegenüber den prognostizierten äquivalenzbestimmenden Umständen Auswirkungen auf den Inhalt des Vertrages selbst; das Risiko der Fehlprognose schlägt sich daher in einer Gefährdung der Richtigkeilsgewähr der Dauerschuldverhältnisvereinbarung nieder. Das von der zeitlichen Bindung im Dauerschuldverhältnis ausgehende Risikopotential erweitert die zentralen vertagsrechtlichen Problemlagen der Vertragsabschloßfreiheit und der immanenten Vertragsgerechtigkeit des Normalschuldverhältnisses um den Komplex der Vertragsbeendigungsfreiheit. Das Beendigungsinteresse bei Dauerschuldverhältnissen ist die typische Folge des durch die Länge der zeitlichen Bindung erhöhten Vertragsrisikos, die zudem unabhängig von der Gläubiger- oder Schuldnerstellung im Vertrag besteht. 455 Wer nicht die Folgen 454 Plastisch Haarmann, Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen, S. 121 ff.; vgl. a. Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 559 f.
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der rechtsgeschäftliehen Bindung auf Dauer und auf sicherer Grundlage prognostizieren kann, hat ein Interesse daran, die Bindung auflösen oder zumindest abändernd umgestalten zu können, um widrigen Konsequenzen für das Selbstbestimmungsrecht in wirtschaftlichen bzw. persönlichen Angelegenheiten entgehen zu können. Solche Beendigungsinteressen können sich für alle Vertragsbeteiligten ergeben, aber auch als Interesse nur einer Partei mit gegenläufigen Interessen des Vertragspartners in Konflikt geraten. Langdauernde Verträge können Kontinuitäts- und Perpetuierungserwartungen wecken, die sich zu einem Vertrauenstatbestand verdichten oder aber für eine Partei existentielle Bedeutung haben, weil sie die wirtschaftliche Existenz oder die Versorgung mit lebenswichtigen Grundbedürfnissen befriedigen. Beendigungs- und Bestandsinteressen stehen dann nicht selten als unversöhnliche Größen gegenüber, da die Durchsetzung der einen notwendig die Zurücksetzung der anderen bedeutet und umgekehrt. Die rigide Alternative, das Dauerschuldverhältnis entweder zu beenden oder aufrechtzuerhalten, kann dadurch gelockert werden, daß eine Anpassung des Rechtsverhältnisses an veränderte Umstände ermöglicht wird. Vor allem im Zusammenhang mit Äquivalenzstörungen kann durch Aktualisierung der Austauschbedingungen sowohl eine richtigkeitsstörende einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners als auch eine unverdiente Bevorzugung des anderen Vertragspartners vermieden werden. 456 Die anpassungshalber erfolgende Neuordnung der vertraglichen Äquivalenzbeziehungen kann daher im wohlverstandenen beiderseitigen Interesse der Vertragspartner liegen, auch und gerade weil die ursprünglich vereinbarten, mit der Zeit aber überholten Äquivalenzvorstellungen den veränderten Umständen angepaßt werden. 457 Aus der Spannungslage von Beendigungs-, Bestands- und Anpassungsinteressen ergeben sich auch die zentralen Rechtsfragen des Wohnraummietrechts. Verändern sich die bei Abschluß des Mietvertrages zugrunde gelegten persönlichen oder wirtschaftlichen Umstände, kann sich für die Vertragspartner das Interesse ergeben, das Mietverhältnis aufzulösen; einseitige Beendigungsinteressen können dabei mit einem widerstreitenden Interesse des anderen Vertragspartners am Fortbestand des Mietverhältnisses in Konflikt geraten und schließlich auch als Interesse an der Anpassung der vertraglich vereinbarten Bedingungen wegen Veränderung der für das mietvertragliche Äquivalenzverhältnis maßgebenden Umstände bestehen. Im Recht der Wohnraummiete stellen sich wegen der zeitlichen Dauerbindung keine grundsätzlich verschiedenen Ordnungsproble455 Vgl. Haarmann, aaO. Fn. 454, S. 124; vgl. aber auch Horn, aaO. Fn. 454, S. 560, wonach die zeitliche Bindung allein die Beendigung oder Änderung von Dauerschuldverhältnissen nicht zu rechtfertigen vermag. 456 Die Interessenlage aufzeigend v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 220 f. (für das Arbeitsverhältnis). 457 Eingehend zu den durch die Bindung in der Zeit aufgeworfenen Regelungsinteressen Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrecht, Bd. I, s. 563 ff.
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me im Vergleich zu anderen Dauerschuldverhältnissen. Grundsätzlich läßt sich ein Schutzinteresse nicht nur einseitig etwa zugunsten der Interessen des Mieters oder Vermieters begründen. Ebensowenig wie beispielsweise ein Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich auf seiten des Vermieters anzutreffen ist, läßt sich das Interesse am Fortbestand eines einmal eingegangenen Wohnraummietverhältnisses notwendig nur als mieterseiliges Bestandsinteresse ansehen. Bestehen etwa deshalb, weil der Wohnungsmarkt als Mietermarkt ausgewiesen ist, ungünstige Bedingungen für den Neuabschluß von Mietverträgen, wird auch der Vermieter ein wirtschaftliches Interesse daran haben, daß die Bestandsmieter nicht zu konkurrierenden Wohnungsanbietern abwandern und dadurch die Wirtschaftlichkeit seines Mietobjekts beeinträchtigen. Ebenso kann sowohl beim Vermieter etwa wegen Zurückbleibens des vertraglich geschuldeten Mietzinses hinter dem marktüblichen Preis als auch beim Mieter etwa beim Unterschreiten des gemieteten Objekts unter den üblichen Wohnungsstandard ein Interesse an der Anpassung der vertraglichen Vereinbarung an veränderte wirtschaftliche oder sonstige Umstände bestehen. 3. Wertungsgrundlagen der rechtlichen Ordnung von Dauerschuldverhältnissen
Die Parallelität der Problernkonstellationen und die Vergleichbarkeit der Ordnungsaufgaben muß nicht notwendig zu einer Kongruenz der rechtlichen Regelungen sämtlicher Dauerschuldverhältnisordnungen führen. Bei der legislativen Abwägung der widerstreitenden Interessen können jeweils unterschiedliche Erwägungen dominieren, die einer übergreifenden Systembildung eines Rechts der Dauerschuldverhältnisse entgegenstehen. 458 Es erscheint sogar ganz unwahrscheinlich, daß im Mietverhältnis, im Gesellschafts- oder Arbeitsverhältnis, im Ehe- und Unterhaltsrecht oder etwa in Dauerlieferungsverhältnissen übereinstimmende Antworten auf die Bewertung des Widerstreits der jeweils gegenläufigen Interessen gegeben werden. Die legislative Bewertung und Entscheidung der Regelungskonflikte in den einzelnen Dauerschuldverhältnissen beruht denn auch auf verschiedenartigen legislatorischen Überlegungen und verschiedengewichtigen Präferenzierungen der Interessen der Vertragspartner. Das Bürgerliche Gesetzbuch hat keine gemeinsamen Wertungsgrundlagen für Dauerschuldverhältnisse geschaffen. Horn hat in seinem Gutachten und in seinen Vorschlägen zur Überarbeitung des Schuldrechts selbst im Zuge einer Schuldrechtsreform die generelle Regelbarkeit auch nur von Teilproblemen des Rechts der Dauerschuldverhältnisse bezweifelt, da eine bestimmte Rangfolge zwischen divergierenden Regelungsinteressen nicht erkennbar sei. 459 Diese Auffassung 458 Vgl. insbesondere die Skepsis von Horn, aaO. Fn. 457, S. 569 f. gegenüber allgemeinen Kriterien zur Präferenzierung von Regelungsinteressen.
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stützt nachträglich die Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuches, die von der Regelung eines ,,Allgemeinen Teils" für Dauerschuldverhältnisse absieht. Gleichwohl beruhen die unterschiedlichen Konfliktlösungsmodelle für die Ordnung des Rechts der Dauerschuldverhältnisse durchaus auf gemeinsamen Wertungsgrundlagen, die dann aber zu verschiedenartigen Gewichtungen der einzelnen Abwägungsgesichtspunkte konkretisiert sind und ein je spezifisches "Mischungsverhältnis" der einschlägigen Wertungsgrundlagen zum Ausdruck bringen. Solche gemeinsamen Wertungsgrundlagen bilden der Grundsatz der Selbstbestimmung, der Grundsatz der Vertragstreue und der Äquivalenzsicherung.
a) Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung und Vertragsbeendigungsfreiheit Der Grundsatz der Selbstbestimmung des einzelnen in eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten wurde bereits als der die Privatrechtsordnung beherrschende Rechtssatz vorgestellt. Wenn er für das Recht der Dauerschuldverhältnisse besonders hervorzuheben ist, so deswegen, weil er hier die tragende Grundlage für eine rechtliche Befugnis der Vertragsbeteiligten abgibt, die im sonstigen Recht der Schuldverhältnisse keine Parallele findet. Gemeint ist die Befugnis, die Bindung im Dauerschuldverhältnis im Wege der Ausübung eines einseitigen Gestaltungsrechts auflösen zu können. 460 Die Rechtsordnung stellt dafür das rechtsgeschäftliche Kündigungsrecht zur Verfügung. Das Kündigungsrecht ist die spezifische Reaktion der Privatrechtsordnung auf das Phänomen der langfristigen Bindung im Dauerschuldverhältnis. Es wird von der Zivilrechtsordnung als Korrelat der im Vergleich zu sonstigen Rechtsverhältnissen erhöhten Risiken im Dauerschuldverhältnis gewährt. Die Feststellung Otto von Gierkes, das Kündigungsrecht sei das "unentbehrliche Gegengewicht gegenüber der fortwirkenden Bindungskraft dauernder Schuldverhältnisse"461 hat bis zum heutigen Tage nichts von seiner privatrechtsdogmatischen Bedeutung eingebüßt. Das Kündigungsrecht, das als einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft ein auf unbestimmte Dauer laufendes Schuldverhältnis für die Zukunft zu beenden vermag, 462 gilt auch heute als Ausdruck des Vgl. die vorherige Fn. So zutreffend Haarrnann, Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Dauerschuldverhältnissen, S. 124 ff.; die Kritik von Horn an der Grundlegung des Kündigungsrechts im Prinzip "vertraglicher Selbstbestimmung" verkennt, daß die Rechtsordnung Kautelen vorsehen kann und in Gestalt der Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung auch vorgesehen hat, nach denen das Kündigungsrecht eingeschränkt wird. 461 Vgl. 0 . v. Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. III, § 176, S. 91; ähnlich bereits ders., TherJb 64 (1914), S. 378 ff. 462 Zur Rechtsnatur der Kündigung als Gestaltungsrecht grundlegend Seckel, in: Festgabe für Koch, S. 205 ff.; Enneccerus I Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 73 I 3; Molitor, Die Kündigung, S. 2. 459
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Selbstbestimmungsrechts des einzelnen in eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. 463 Die bedeutsamste Konsequenz, die aus der Umsetzung des Selbstbestimmungsgrundsatzes im Recht der Dauerschuldverhältnisse gezogen wird, ist die Anerkennung einer Vertragsbeendigungsfreiheit im Dauerschuldverhältnisrecht Sie findet im Kündigungsrecht das rechtstechnische Instrumentarium, das dieser Freiheit dadurch Ausdruck verleiht, daß allein der Wunsch einer Dauerschuldverhältnispartei, die langfristige Bindung aufzulösen, als hinreichender rechtlicher Grund für die Vertragsbeendigung angesehen wurde. Zwischen dem Selbstbestimmungsrecht, der Kündigungsbefugnis und der Vertragsbeendigungsfreiheit wird deshalb ein institutioneller Zusammenhang gesehen, 464 den Gschnitzner 465 einst mit der Feststellung beschrieben hat, daß die Kündigung keiner Begründung bedürfe, da sie auf einer vom Selbstbestimmungsgrundsatz geforderten Befugnis zur "willkürlichen" Rechtsausübung beruhe. Diese Charakterisierung stand in der Tradition der Rechtslehre Otto von Gierkes, der das dauernde Schuldverhältnis auf dauernde Erfüllung angelegt sah, und deshalb lehrte, daß das Dauerschuldverhältnis allein durch Zeitablauf, nicht aber durch Erfüllung erlösche. 466 Die Kündigung erschien ihm folglich als eine das Rechtsverhältnis beendende Fristsetzung für die Zukunft, durch die das Schuldverhältnis entweder nach Maßgabe der gesetzlichen oder vertragsmäßigen Kündigungsfrist oder aber unbefristet ("Kündigung auf sofort") zum Erlöschen gebracht werden konnte. Die freie, allenfalls an bestimmte Fristen oder Termine, im übrigen aber voraussetzungslose Befugnis zur Kündigung sämtlicher Dauerschuldverhältnisse des Bürgerlichen Gesetzbuches und des Handelsgesetzbuches galt als positivrechtlicher Beleg für den Grundsatz der Vertragsbeendigurigsfreiheit. Im geltenden Wohnraummietrecht ist das Kündigungsrecht des Vermieters nach Maßgabe der Bestimmungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzge463 Vgl. a. Haarmann, Wegfall der Geschäftgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen, insbesondere S. 128 f.; vgl. a. Esser I Schmidt, Schuldrecht, Bd. I, § 20 I; Ulmer, in: Festschrift für Möhring, S. 295 (304): ,,Der Rang des im ordentlichen Kündigungsrecht unbefristeter Dauerschuldverhältnisse zum Ausdruck kommenden Grundprinzips wird deutlich, wenn man seine Stellung als Teil und notwendige Ergänzung von Vertragsfreiheit und Privatautonomie berücksichtigt. Denn eine Vertragsfreiheit, die den Teilnehmern im Privatrechtsverkehr zwar die Freiheit des Abschlusses, nicht aber diejenige der einseitigen Beendigung von Dauerschuldverträgen beließe, müßte über kurz oder lang zu einer Verfestigung der vertraglichen Dauerbeziehung führen und würde sich selbst in Frage stellen". 464 Eingehend Molitor, Die Kündigung, S. 64, 199; a. A. Bettermann, JZ 1954, S. 461 ff., der zwar ebenfalls die Abschluß-, Gestaltungs- und Auflösungsfreiheit als Ausdruck der Vertragsfreiheit versteht, letztere aber durch die Freiheit der Parteien zur Auflösung der rechtsgeschäftliehen Bindungen durch vertragliche Vereinbarung gewahrt sieht. 465 Vgl. Gschnitzner, IherJb 76 (1926), S. 317 (347 ff., 349); ders., IherJb 78 (1927 I 28), s. 1 ff. 466 0. v. Gierke, IherJb 64 (1914), S. 355 (359, 363 f.); imAnschluß daran Gschnitzner, IherJb 76 (1926), S. 317 (323); abweichend Wiese, in: Festschrift für Nipperdey, Bd. I, s. 837 (840 ff.).
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setzes - und gleiches gilt für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzrecht- an bestimmte, als Wirksamkeitsvoraussetzung ausgestaltete sachliche Kündigungsvoraussetzungen gebunden. Hierin wird eine einschneidende Akzentverschiebung in der Dogmatik des Kündigungsrechts gesehen. Indem das freie, inhaltlich ungebundene Kündigungsrecht abgeschafft wurde, sei zugleich der Grundsatz privatautonomer Selbstbestimmung im Dauerschuldverhältnis zugunsten von Gesichtspunkten des "sozialen Schutzes" relativiert worden. 467 Damit werde die Freiheit tangiert, eine Dauerschuldverhältnisbindung im Interesse der Selbstbestimmung in eigenen persönlichen bzw. wirtschaftlichen Angelegenheiten auflösen zu können. Wer den Selbstbestimmungsgrundsatz als Legitimationsgrundlage für eine inhaltlich ungebundene einseitige Befugnis zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses versteht, kommt in der Tat nicht umhin, in der Statuierung von Begründungspflichten als Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung einschneidende Verschiebungen im legislativen Verständnis des Selbstbestimmungsgrundsatzes zu sehen. 468 Einschränkungen der Vertragsbeendigungsfreiheit erscheinen dann als (sozialpolitisch motivierter) Eingriff in die Vertragsbeendigungsfreiheit, der aus dem hergebrachten privatrechtliehen Wertungssystem herausfallt und daher ständiger legislativer Beobachtung und Effizienzkontrolle bedarf, erforderlichenfalls korrigiert oder wieder zurückgenommen werden muß. Die Berechtigung eines Grundsatzes der Kündigungsfreiheit ist allerdings an der legislativen Wertentscheidung des§ 315 BGB zu messen. Diese Vorschrift überläßt die Ausübung einseitiger rechtsgeschäftlicher Gestaltungsbefugnisse selbst dann nicht dem freien, willkürlichen Ermessen des Berechtigten, wenn ihm diese Gestaltungsbefugnis vertraglich eingeräumt wurde. Nach§ 315 Abs. 1 BGB stehen die die Modalitäten der geschuldeten Leistung betreffenden Gestaltungsbefugnisse unter einem vom Maßstab des billigen Ermessens gebildeten Wirksamkeitsvorbehalt. Wenn daher die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses durch Kündigung an die Wertgrundsätze des § 315 BGB gebunden wäre, so stünde die Statuierung von Begründungspflichten für die Vermieterkündigung des Wohnraummietverhältnisses auf einem allgemeinen privatrechtsdogmatischen Fundament. Die Bestimmung des § 315 BGB erfaßt tatbestandsmäßig die Sachverhalte der rechtsgeschäftliehen Ermächtigung eines Vertragspartners zu nachträglicher ein467 Vgl v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 17 ff.; Adomeit, NJW 1981, S. 2168 f.; zusammenfassend Honsell, AcP 186 (1986), s. 159 ff. 468 Auf den Zusammenhang der Lehre von der Kündigungsfreiheit mit der ,,rein liberalen Rechtsanschauung" hat vor allem Molitor, Die Kündigung, S. 199 hingewiesen, indem er darauf aufmerksam machte, daß sachliche Kündigungsbeschränkungen "mehr als diese (nämlich zeitliche Kündigungsbeschränkungen, d. V.) in Widerspruch mit dem . . . erwähnten Grundsatz der Freiheit der Lösung vom dauernden Rechtsverhältnis (stehen) und daher mit einer rein liberalen Rechtsanschauung nur schwer vereinbar (sind)".
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
seitiger Bestimmung noch ungeregelter Punkte des Vertrages durch den anderen Vertragspartner. Einigkeit besteht ferner darüber, daß § 315 BGB sinngemäß anzuwenden ist, wenn die einseitge Rechtsgestaltungsmacht einer Vertragspartei nicht auffreier, rechtsgeschäftlicher, sondern auffaktisch erzwungener Unterwerfung beruht, 469 weil die Unterworfenheit eines Vertragspartners unter die Rechtsgestaltungsmacht des anderen der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Wertgrundsätze des § 315 BGB ist. Im Zusammenhang mit der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen ergibt sich daraus: Dem Dauerschuldverhältnis ist in Ermangelung einer vertraglichen Abrede keine zeitliche Begrenzung inhärent; diese muß ihm vielmehr erst gesetzt werden. 470 Soweit diese Begrenzung von vornherein durch eine Befristungsahrede getroffen wurde, besteht für eine Anwendung von§ 315 BGB ebensowenig Raum wie für den Fall, daß das Dauerschuldverhältnis durch Aufhebungsvereinbarung einverständlich aufgelöst wird. In diesen Fällen entfaltet grundsätzlich der Funktionsmechanismus des Vertrages seine richtigkeitsverbürgende Wirkung. Diese besteht aber dann nicht, wenn das Dauerschuldverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen wurde oder von Gesetzes wegen als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt. Dann eröffnet die den Vertragsparteien von Gesetzes wegen zustehende Möglichkeit, das Schuldverhältnis durch ein Gestaltungsrechtsgeschäft aufzulösen, die Rechtsmacht, die zeitliche Begrenzung des Dauerschuldverhältnisses einseitig festlegen zu können. Die Unterworfenheit der rechtsgeschäftliehen Gegenpartei beruht insofern nicht auf freier rechtsgeschäftlicher Bindung, sondern auf der von dem gesetzlichen Kündigungsrecht ausgehenden Betroffenheit. 470 • Damit aber entfaltet die Kündigung des Dauerschuldverhältnisses eine Gestaltungswirkung, die der des Bestimmungsrechts in § 315 BGB entspricht. Die einseitige Beendigung des wohnraummietrechtlichen Dauerschuldverhältnisses durch Kündigung stimmt daher mit der von § 315 BGB geregelten Normsituation überein und ist deshalb nach den dort geregelten schuldrechtlichen Grundsätzen nur in den Schranken billigen Ermessens möglich. 471 469 Grundlegend Lukes, NJW 1963, S. 1897 ff.; ferner Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, S. 225; Söllner, in: MünchKomm., § 315 Rn. 29; Kronke, AcP 183 (1983), S. 113 (128 ff., 132); v. Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, S. 75 ff.; Staudinger I Mayer-Maly, § 315 Rn. 36 ff.; a. A. Westhoff, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, S. 67 ff. 470 Vgl. Wiese, in: Festschrift für Nipperdey, Bd. I, S. 837. 470a Zu Recht stellt deshalb das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14.2.1989 (BVerfGE 79, S. 292 ff. = NJW 1989, S. 970, 972) bei der Interpretation von § 564 b Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB ausdrücklich Anleihen zu allgemeinen schuldrechtlichen Treuebindungskategorien her; soweit daneben auf § 242 BGB Bezug genommen wird, erscheint diese Ableitung freilich nicht konsequent genug, geht es doch bei § 564 b BGB um die einseitige Rechtsgestaltungsmacht bei Kündigung, die wertungsmäßig besser der in § 315 BGB erfaßten Normsituation entspricht; vgl. a. Schulte, JZ 1989, S. 525 (529); Blank, WuM 1989, S. 157 (160). Derleder, WuM 1989, S. 224mißt diesem Aspekt zu Unrecht nur marginale Bedeutung bei. 471 Ähnlich bereits Säcker, RdA 1976, S. 91 (96) im Zusammenhang der Kontrolle von Befristungsahreden im Arbeitsverhältnis.
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Sachliche Kündigungsschranken erscheinen folglich nicht als ein Spezifikum des Wohnraummietrechts. Grundlegend hatte schon Molitor 412 ausgehend vom Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis den Versuch unternommen, die von ihm sogenannten schuldrechtlichen Kündigungsbeschränkungen 473 als allgemeinen Grundsatz des Dauerschuldverhältnisrechts zu entwickeln. Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben sich vor allem in der Lehre von den sachlichen Kündigungsschranken im Handels- und Gesellschaftsrecht niedergeschlagen. Im Handelsvertreternecht klingt sie im Verständnis des Ausgleichsanspruchs nach§ 89 b HGB als mittelbare Kündigungsschranke verhalten an 474 und hat im Gesellschaftsrecht insbesondere durch das Erfordernis eines sachlichen Grundes als Kontrolltatbestand von Mehrheitsentscheidungen verbreitete Anerkennung gefunden. 475 Die Eigenart dieser Rechtsbindung im Dauerschuldverhältnis liegt darin, daß das sachliche Rechtfertigungserfordernis nicht an marktsituationsspezifische oder personenspezifische Schutzbedürftigkeitsüberlegungen anknüpft. Das Rechtfertigungserfordernis bei der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen bringt eine eigene Dignität der vertraglichen Pflichtenbindung zum Ausdruck, 476 die mit dem Gedanken der Treuepflicht 477 im Dauerschuldverhältnis verbunden ist. Abschlußfreiheit, Gestaltungsfreiheit und Vertragsbeendigungsfreiheit im Dauerschuldverhältnis erscheinen so nicht nur als unmittelbare Ausprägung des Grundsatzes rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung. Ihnen ist überdies gemeinsam, daß sie den Vertragsbeteiligten keine freie, inhaltlich ungebundene Rechtsmacht verleihen. Ebenso wie das entwickelte Verständnis von Abschluß- und Gestaltungsfreiheit einen fairen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien zu fördern sucht, ist auch die Vertragsbeendigungsfreiheit im Sinne einer Verpflichtung zu loyaler, billiger Ausübung der Rechtsmacht zur einseitigen Beendigung des Dauerschuldverhältnisses inhaltlich gebunden. Hierin finden demzufolge nicht Phänomene sozialen Besitzschutzes im Dauerschuldverhältnis Ausdruck, sondern Grundelemente der Verfassung des Selbstbestimmungsgrundsatzes im Privatrecht. Sachliche Kündigungsbeschränkungen in Gestalt von Begründungserfordernissen bringen den Gedanken des Bestandsschutzes zugunsten des kündigungsbeVgl. Molitor, Die Kündigung, S. 199 ff. Im Gegensatz zu den "dinglichen" Beschränkungen, die zur Unwirksamkeit führen; vgl. Molitor, aaO., S. 194 ff. 474 Vgl. Ulmer, in: Festschrift für Möhring, S. 311; ders., Der Vertragshändler, S. 450; Baumbach I Duden I Hopt, HGB, § 89 Anm. 3 D. 475 Vgl. BGHZ 71, S. 40 (45); 76, S. 352 (353); Zöllner, Die Schrankenmitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei den privatrechtliehen Personenverbänden, S. 337 ff.; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. I, § 8 ll 3 b; ders., ZGR 1980, S. 147 (157); Martens, ZGR 1979, S. 493 (496) f.); Lutter, ZGR 1981, S. 171 (178); Timrn, JZ 1980, S. 665 (668); Hirte, Bezugsrechtsausschluß und Konzembildung, S. 129 ff. 476 So Wiedemann, ZGR 1980, S. 147 ff. 477 V gl. dazu Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 2 VI. 472 473
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troffeneu Vertragspartners zum Ausdruck, indem sie die inhaltliche Gebundenheit des Vertragspartners bei Ausübung einseitiger Rechtsgestaltungsbefugnisse konkretisieren; sie bezwecken den Ausschluß einer einseitig-eigennützigen und insofern willkürlichen Rechtsgestaltung im Dauerschuldverhältnis. § 315 BGB ist die normative Basis für die Unzulässigkeit einer freien, inhaltlich ungebundenen und vom Vertragspartner nicht konsentierten Ausübung rechtsgeschäftliehen Gestaltungsermessens im Dauerschuldverhältnis. Die immanenten Schranken des Selbstbestimmungsgrundsatzes und der Vertragsbeendigungsfreiheit im Dauerschuldverhältnis gelten für sämtliche Vertragspartner gleichermaßen. Dabei fordert der Billigkeitsmaßstab jedoch keine schematische, notwendig symmetrische Ausgestaltung der Schranken der Kündigungsbefugnis. Ebenso wie die etwa bei Beendigung des unentgeltlichen Leihverhältnisses zu beachtendenBilligkeitsanforderungen von denen abweichen, die bei entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen zu beachten sind, muß die Kündigung des Mieters nicht notwendig den Billigkeitsanforderungen entsprechen, die der Vermieter bei der Beendigung des Wohnraummietverhältnisses zu beachten hat. Der Billigkeitstopos setzt keine absoluten, allgemeingültigen Maßstäbe, sondern verlangt eine einzelfallbezogene, auf denjeweiligen Lebenssachverhalt und denjeweils betroffenen Vertragspartner zugeschnittene funktionsspezifische Konkretisierung. 478
b) Vertragstreue und Bestandsschutz Auch der Grundsatz der Vertragstreue ist kein Spezifikum von Dauerschuldverhältnissen. Der aus ihm entwickelte Rechtssatz "pacta sunt servanda" beansprucht allgemeine Geltung im Recht der Schuldverhältnisse. Dennoch gewinnt er im Zusammenhang mit Dauerschuldverhältnissen besondere Bedeutung, weil in Vollzug gesetzte Dauerschuldverhältnisse Kontinuitätserwartungen und Vertrauenstatbestände schaffen, die durch den Grundsatz der Vertragstreue rechtlich sanktioniert werden. Gleiches gilt, wenn die dauerhafte Vertragsbeziehung ein existenzielles Leistungsinteresse befriedigt und der Grundsatz der Vertragstreue dann einen besonderen Stellenwert erhält. Hier ist der Grundsatz der Vertragstreue der rechtsdogmatische Ansatzpunkt für die Gewährung von Bestandsschutz im Dauerschuldverhältnis. Man muß also die Gewährleistung von Bestandsschutz nicht notwendig als Umsetzung der sozialpolitischen Forderung nach "sozialem Schutz" verstehen, 479 gerade auch bezüglich solcher Schuldverhältnisse nicht, 478 Grundlegend bereits Molitor, Die Kündigung, S. 199 f: ,)e stärker und je bedeutsamer die durch das Rechtsverhältnis geschützten Interessen sind, um so stärker muß mit der Beseitigung der liberalen Ordnung also der Gedanke des Bestandsschutzes des Rechtsverhältnisses gegen willkürliche Kündigung in Erscheinung treten". Allgemein zur Notwendigkeit einer funktionsgebundenen Konkretisierung der Billigkeitserfordernisse iSd § 315 BGB Kronke, AcP 183 (1983), S. 138 ff.
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die die Versorgung einer Partei mit lebenswichtigen Grundbedürfnissen wie Arbeit, Wohnraum, Wasser, Strom, Gas oder Wärme betreffen, zumalsich dann die Frage auftut, ob jeder sozialpolitische Gesichtspunkt rechtlichen Bestandsschutz rechtfertigt. Bestandsschutzkraft Vertrauensschutzes kommt insbesondere bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen auf fehlerhafter Vertragsgrundlage in Betracht. 48 Freilich kann darin eine Ausprägung des Grundsatzes der Vertragstreue nur mit der Maßgabe gesehen werden, daß die Parteien den fehlerhaften Vertrag über einen gewissen Zeitraum als wirksam behandelt und sich darauf eingestellt haben; sie haben sich dann zumindest für die Vergangenheit grundsätzlich getreu ihrem (tatsächlichen) Verhalten behandeln zu lassen. In der Rechtsprechung zu fehlerhaften Arbeits- oder Gesellschaftsverträgen haben diese Grundsätze Niederschlag gefunden. 481 Weniger überzeugend kann dagegen allein aus der Tatsache, daß ein Vertrag längere Zeit bestanden hat, durchgeführt worden ist und deshalb einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, unter Hinweis auf den Grundsatz der Vertragstreue ein Fortbestand des Dauerschuldverhältnisses gefordert werden. Der Grundsatz der Vertragstreue kann hier mit dem Selbstbestimmungsgrundsatz des an der Vertragsauflösung interessierten Vertragspartners kollidieren. Dann bedarf es des Hinzutretens besonderer Umstände, um aus einem fortgesetzten Verhalten in der Vergangenheit Verpflichtungswirkungen für die Zukunft ableiten zu können. 482
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Die genannten Beispiele zeigen, daß der Grundsatz der Vertragstreue erst durch nähere rechtssatzhafte Konkretisierung spezifische Rechtsfolgen im Dauerschuldverhältnis auszulösen vermag. Dies stellt seinen Charakter als Wertungsgrundlage für die Ordnung im Dauerschuldverhältnis nicht in Frage, mindert aber seine unmittelbare Überzeugungskraft. Der Konflikt zwischen Beendigungsund Bestandsschutzinteressen etwa kann nicht unter Rückgriff auf den Grundsatz der Vertragstreue entschieden werden. Ein Rechtssatz des Inhalts, daß jede im Dauerschuldverhältnisvertrag nicht vorgesehene einseitige Beendigungsmöglichkeit durch einen besonderen, rechtlich anerkannten Grund gegenüber dem Prinzip der Vertragstreue legitimiert werden müsse, läßt sich aus den Wertungsgrundlagen rechtsgeschäftlicher Privatautonomie nicht ableiten. 483 Die einseitige Kündigungsbefugnis im Dauerschuldverhältnisrecht folgt aus der den Grundsatz der 479 So Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 551 (565); vgl. a. v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 153 ff. 480 Zusammenfassend Krarner, in: MünchKomm., Rn. 60 ff. vor§ 241. 481 Vgl. hier nur die Nachweise bei Krarner, in: MünchKomm., Rn. 62 ff. , 66 ff. vor § 241; näher dazu im Zweiten Teil, 1. Kapitel, A II 1 b. 482 So Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, s. 565. 483 So aber Horn, aaO. Fn. 482, S. 565.
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Selbstbestimmung konkretisierenden Freiheit, die dauernde Bindung im Wege der Ausübung eines vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts beenden zu können. Nach den Wertgrundsätzen rechtsgeschäftlicher Privatautonomie ließe sich gleichermaßen behaupten, daß nicht die Beendigungsmöglichkeit, sondern der Bestandsschutz demgegenüber besonders zu legitimieren ist. Aus dem Grundsatz der Vertragstreue selbst folgt in der Kollisionslage mit dem aus dem Selbstbestimmungsgrundsatz abgeleiteten Grundsatz der Vertragsbeendigungsfreiheit kein Wertungsgesichtspunkt, der eine dominierende Bedeutung von Bestandsschutzinteressen begründen könnte. c) Vertragsgerechtigkeit und Äquivalenzsicherung Die Festlegung der Äquivalenzbedingungen des Schuldvertrages obliegt nach den Ordnungsgrundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuches prinzipiell der alleinigen Zuständigkeit der Vertragsparteien. Die Frage nach der Vertragsgerechtigkeit wird nicht gestellt; dies ist der unumstrittene Kern der Lehre Schmidt-Rimplers von der Richtigkeilsgewähr des vertraglichen Konsensmechanismus. 484 Auch im Recht der Dauerschuldverhältnisse werden die frei ausgehandelten Äquivalenzbedingungen nicht danach hinterfragt, ob sie ein "iustum pretium" zum Ausdruck bringen. Im Dauerschuldverhältnis stellt sich aber in besonderer Schärfe die Problematik, die Richtigkeilsgewähr der vertraglich ausgehandelten Austauschbedingungen über die gesamte Dauer des Schuldverhältnisses gewährleisten zu können. Zu bewältigen sind nicht nur unkalkulierbare Risiken des Eintritts richtigkeilsgefährdender oder -störender Umstände; insofern ergibt sich im Dauerschuldverhältnis keine besondere Problematik im Vergleich zu sonstigen Schuldverhältnissen, wenn auch die Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung solcher Risiken zeitproportional wächst und im Dauerschuldverhältnis deswegen besonders virulent ist. Bereits geringfügige, aber stete Veränderungen der äquivalenzrelevanten Rahmendaten ("schleichende Inflation") können mit fortschreitendem Zeitablauf zu gewichtigen Verschiebungen der ursprünglich vereinbarten Austauschrelationen führen. Im Dauerschuldverhältnis kann daher das strikte Festhalten am Grundsatz pacta sunt servanda in Widerspruch zu den Erfordernissen der Aufrechterhaltung der von den Vertragsparteien vorgesehenen Leistungsäquivalenz geraten und zu einem Konflikt mit dem Postulat der immanenten Vertragsgerechtigkeit führen. Die Zivilrechtsordnung, die auf die Richtigkeilsgewähr des vertraglichen Konsenses setzt, kann außerhalb der Einflußsphäre der Vertragsparteien liegende Störungen der ursprünglich vereinbarten Äquivalenzbedingungen nicht von vomherein jede rechtliche Relevanz absprechen, ohne den selbst gewählten Bezugspunkt der Richtigkeilsüberzeugung in Frage zu stellen. Die Freiheit der Vertrags484
V gl. oben unter A ill 1.
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parteien, die Austauschbedingungen durch frei ausgehandelte beiderseits konsentierte Vereinbarung festlegen zu können, schließt ein Instrumentarium, das Verschiebungen des Gerechtigkeitsgehalts der vereinbarten Austauschrelationen durch willensunabhängige Umstände zum einseitigen Vor- bzw. Nachteil einer Partei vermeiden soll, nicht notwendig aus. Die Zulassung vertragsdauerhaft äquivalenzsichernder Anpassungsinstrumente im Dauerschuldverhältnis steht daher nicht in einem (natürlichen) Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Vertragstreue, 485 sondern eröffnet im Gegenteil die Möglichkeit, die ursprünglich vereinbarten Austauschrelationen unter Berücksichtigung zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen der wertbildenden Faktoren zeitgemäß wiederherzustellen, schafft insofern erst die Voraussetzungen für die Entfaltung des Grundsatzes der Vertragstreue und kann so als ein Gebot der Sicherung der Vertragsgerechtigkeit im Dauerschuldverhältnis angesehen werden. Der privatrechtliche Grundsatz, Störungen der vertraglich vereinbarten Äquivalenz gehörten grundsätzlich zum Risiko jeder Vertragspartei, 486 so daß Korrekturen bei Äquivalenzstörungen Ausnahmecharakter haben müßten, kann im Recht der Dauerschuldverhältnisse nicht einschränkungslos aufrecht erhalten werden. Er weist den Parteien des Dauerschuldverhältnisses die Aufgabe zu, alle Risiken einer Wertverschiebung vorauszusehen und dementsprechend zu regeln. Dies ist angesichts der Dauer der Bindung eine Aufgabe, die im Vergleich zu den auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichteten Schuldverhältnissen ein ungleich höheres Fehlerrisiko enthält; die Parteien des Dauerschuldverhältnisses sind noch weniger als die Parteien des Normalschuldverhältnisses in der Lage, das aus der Zeitentwicklung folgende Risiko vorauszusehen und zu kalkulieren. Diese dauerschuldverhältnisrechtliche Ausgangslage kontrastiert mit der Grundentscheidung der Privatrechtsordnung, einen Vorrang des Nominalprinzips zu dekretieren, jede automatische Äquivalenzanpassung an außerrechtliche Störungsursachen mit einem per-se-Verbot zu belegen und damit jede valoristische Tendenz zu einer besonders zu rechtfertigenden Ausnahme zu erklären. 487 Zugunsten einer solchermaßen restriktiven Beachtlichkeil von Geldwertveränderungen und sonstiger Äquivalenzstörungsursachen spricht insbesondere der währungsrechtliche Aspekt, Gefahren für die Geldwertstabilität einzudämmen; 488 kaufkraftstabile langfristige Geldschulden erzeugen kalkulatorische Unsicherheiten So aber Horn, aaO. Fn. 482, S. 567. Vgl. nur aus jüngerer Zeit BGH, WM 1979, S. 1212; NJW 1981 , S. 1668; 1983, s. 1309. 487 Zur nominalistischen Rechtfertigung des§ 3 WährG vgl. v. Maydell, Geldschuld und Geldwert, S. 385 ff.; vgl. dazu auch die Kritik von Reuter, ZHR 140 (1976), S. 73 (80 ff.); ferner Kolhosser, Wertsicherungsklauseln im Spannungsfeld zwischen Vertragsfreiheit, Sozialpolitik und Währungspolitik, S. 21 ff.; Horn, Geldwertveränderungen, Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 10 mit weit. Nachw. 488 Zur Darstellung und Kritik dieser Lehre vgl. eingehend v. Maydell, aaO. Fn. 487, insbesondere S. 53 ff., 385 ff. 485
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und zeitigen folglich negative Auswirkungen für die Unternehmerische Initiative; 489 überdies kann durch ein gesetzlich verordnetes Äquivalenzsicherungsinstrumentarium der dadurch verbürgte gemeinwohlfördernde Gerechtigkeitsimpuls privatautonomer Regelungen geschmälert werden, daß das Interesse des Schuldners an der Kalkulierbarkeit seiner Verbindlichkeiten dem Interesse des Gläubigers an einer Wertsicherung tendenziell entgegenwirkt, so daß eine diesen Interessenkonflikt wechselseitig vorteilhaft auflösende privatautonome Regelung gefunden werden muß. 490 Trotzdem besteht heute Einvernehmen darüber, daß ein strikter (geldschuldrechtlicher) Nominalismus im Dauerschuldverhältnis nicht sachgerecht durchführbar ist. 491 Die höchstrichterliche Rechtsprechung anerkennt demgemäß ein äquivalenzsicherndes Anpassungsbedürfnis nicht mehr nur im Falle "umstürzender Geldentwertung", 492 sondern hat ausweislich der Entscheidungen zur Anpassung von Erbbauzinsforderungen 493 und der später in eine gesetzliche Kodifikation des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung 494 eingeflossenen Rechtsprechungsgrundsätze 495 einer erheblichen Änderung der Kaufkraft der Währung rechtliche Relevanz beigemessen. Mit Rücksicht auf diese zumindest bereichsspezifische Rechtsentwicklung, die entweder auf einer das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bemühenden höchstrichterlichen Rechtsfortbildung 496 oder einer richtungsweisenden legislativen Entscheidung beruht, läßt sich das Nominalprinzip nicht mehr uneingeschränkt als ein das Dauerschuldverhältnisrecht beherrschender Rechtsgrundsatz ansehen. Vielmehr ist das rechtsdogmatische Postulat zumindest ansatzweise eingelöst, im Einzelfall einen sachgerechten Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Vertragstreue und dem der Vertragsgerechtigkeit durch ein Instrumentarium zur Äquivalenzsicherung herzustellen. 497 Vor diesem Hintergrund hat die dauerschuldverhältnisrechtv. Maydell, aaO. Fn. 487, S. 396 f. So mit Recht Reuter, ZHR 140 (1976), S. 83. 491 Vgl. zusammenfassend Horn, in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. I, S. 590; vgl. a. Rothoeft, NJW 1986, S. 2211 (2220): "Wer hierdurch die Grundzüge der Vertragstreue und Rechtssicherheit gefährdet sehen sollte, übersieht, daß es sich bei ihnen um keine unverrückbar feststehenden Pfeiler in einer sich wandelnden und zunehmend komplizierter werdenden Wirtschaftswelt handeln kann. Dies verlangt arteigene, stetig feiner werdende Lösungen". 492 So noch das Kriterium für eine Äquivalenzanpassung in den sog. Abbauverträgen (BGH LM § 242 Nr. 34, 39, 49 (B b)), langjährigen Mietverträgen (BGH, WM 1969, S. 1323; 1975, S. 1131) und Erbbauverträgen (letztmalig BGHZ 86, S. 167). 493 Vgl. BGHZ 77, S. 194 ff.; 86, S. 167 ff.; 90, S. 227 ff.; 91, S. 32 ff.; 94, S. 257 ff.; 96, s. 257 ff.; 96, s. 371 ff.; 97, s. 173 ff. 494 Gesetz vom 19.12.1974, BGBI. I, S. 3610. 495 Grundlegend BAG, WM 1973, S. 566 und BGH DB 1973, S. 1497; zur Entwicklung der Rspr. vgl. Höfer I Abt, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § 16 Rn 8. 496 Darauf beruft sich insbesondere die Rspr. zur Anpassung von Erbbauzinsforderungen; vgl. die Nachweise in Fn. 487. 489
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liehe Dogmatik die Aufgabe, die Wertungsgrundlagen für einen Ausgleich der divergierenden Rechtsgrundsätze bereichsspezifisch zu analysieren.
111. Vertragliches Austauschschuldverhältnis und wohnraummietrechtliches Schutzprinzip 1. Wohnraummietrecht als Kompensationsinstrument funktionsgestörter Vertragsfreiheit a) Vertragsfreiheit und Wohnraummangel Unter den Bedingungen von Wohnraummangel verschafft ungebundene wohnraummietrechtliche Vertragsfreiheit dem Vermieter von Wohnraum die Möglichkeit, den Widerstreit der vertraglichen Austauschinteressen einseitig zu seinen Gunsten zu entscheiden. Knappheitsbedingte Wohnraummangellagen, das hat die Geschichte des Wohnraummietrechts nachhaltig gezeigt, sind eine zentrale Ursache für Funktionsstörungen wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit 498 Das Wohnraummietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, das ursprünglich im Mietvertrag über Wohnraum nur einen beliebigen Beispielsfall der Sachmiete sah und von wenigen Ausnahmen abgesehen durch die liberalen Prinzipien des Obligationenrechts geprägt war, 499 hatte sich dieser Einsicht weitgehend verschlossen. Die von der Industrialisierungswelle ausgelöste Bevölkerungsbewegung und der von ihr hervorgerufene sprunghafte Anstieg der Wohnungsnachfrage wurden legislativ zunächst nicht reflektiert. Auf die sich entwickelnde Wohnungsfrage gab die Konzeption des Wohnraummietrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Antwort. Die nur abstrakt gewährleistete Freiheit der Mietvertragsparteien konnte das Entstehen eines überragenden, einseitig zugunsten des Vermieters verlagerten Machtsaldos nicht verhindem, 500 so daß selbst wohlwollende Kritiker der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuches meinten, daß das Mietrecht diesem Phänomen nur in "völlig hilfloser Weise" 501 begegne, "weil die meisten hilfreichen Bestimmungen nachgiebigen Rechts sind und in rücksichtsloser Weise wegbedungen zu werden pflegen". 502 497
Zum Meinungsstand vgl. die ausführlichen Nachweise bei Roth, in: MünchK.omm.,
§ 242 Rn. 568 f.
498 Vgl. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 111 ff.; Häring, Zur Geschichte und Wirkung staatlicher Interventionen im Wohnungssektor, S. 79 ff.; Blumenroth, Deutsche Wohnungspolitik seit der Reichsgründung, S. 159 ff.; Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Einl. Rn. 1 ff. 499 Vgl. oben Einleitung unter A. 500 Vgl. schon oben Einleitung, A. 501 So J. Kohler, in: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, 7. Aufl. 1914, Bd. 2, S. 8. 502 J. Kohler, aaO. Fn. 501, S. 111; eingehend zur zeitgenössischen Kritik Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 101 ff.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Erst unter dem Eindruck der Kriegswirren des Ersten Weltkrieges wurden die Unzulänglichkeiten des Instruments der Vertragsfreiheit zur rechtlichen Bewältigung der bestehenden Wohnungsnot erkannt und durch Verabschiedung wohnraummietrechtlicher Schutzgesetze zu kompensieren versucht. Dadurch, daß der Abschluß eines Mietvertrages genehmigungspflichtig wurde, 503 die Höhe der zu entrichtenden Gegenleistung der Disposition der Parteien entzogen wurde, 504 und schließlich die Beendigung des Mietverhältnisses gegen den Willen des Mieters nur noch im Wege einer gerichtlichen Aufhebungsklage zugelassen wurde, 505 konnte die wohnraummietrechtliche Bedeutung der mangelbedingten Störungen rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Im Zuge der weiteren Mietrechtsentwicklung wurden diese Einschränkungen der Vertragsfreiheit zum Teil wieder beseitigt, 506 aber die von der angespannten Wohnungsmarktlage ausgehende Störung des Verhandlungsgleichgewichts der Mietvertragspartner hat über die verschiedensten wohnraummietrechtlichen Strömungen hinweg bis zum Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz im Jahre 1971 die wohnraummietrechtliche Diskussion bestimmt. Selbst das sog. Abbaugesetz, das sich in der Aufbauphase der sechziger Jahre am entschiedensten gegen den Fortbestand des Mieterschutzrechts der Weimarer Zeit aussprach, anerkannte die funktionsstörenden Auswirkungen von Wohnraurnnot- bzw. Wohnraumrnangelsituationen und knüpfte die Rechtfertigung des Abbaus von wohnraummietrechtlichen Eingriffen in die Vertragsfreiheit an die- vom Gesetzgeber schon seinerzeit für bestehend erachtete - Voraussetzung, daß "eine in etwa ausgeglichene Wohnungsversorgung erreicht ist". 507 Die Einschätzung der Wohnungsmarktsituation erwies sich bald als zu optimistisch. Noch der Gesetzgeber des Ersten W ohnraurnkündigungsschutzgesetzes beobachtete in weiten Bereichen des Wohnungsmarktes erhebliche Nachfrageüberhänge und eine infolgedessen eintretende Schwächung der Stellung des Mieters, die sich vor allem in einem Anstieg des Mietpreisniveaus zeigte. Er hielt es deswegen für "geboten, den Mieter vor unerträglichen Folgen der derzeitigen Marktsituation und den durch sie ermöglichten Auswüchsen zu sichern". 508 503 Vgl. § 5 2. MSchVO vom 23. 9.1918, RGBI., S. 591; § 5 WMG vom 26. 7. 1923, RGBI. I, S. 754. 504 V gl. § 1 RMG, Gesetz vom 24. 3. 1922, RGBI., S. 223; zur Entwicklung des Mietpreisrechts näher Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 141 ff. 505 Vgl. §§ 2 bis 4 MSchG, vom 1.6.1923, RGBI. I, S. 353; eingehend dazu Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 121 ff. 506 Zur Lockerung des Mieterschutzrechts in der Zeit ab 1924 bis 1933 vgl. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 129 ff. 507 Vgl. die Begründung zum Entwurf des AbbauG, BT-Drcks. ill/ 1234, S. 49; nach dem AbbauG sollte entsprechend dem sog. Lücke-Plan die Wohnungszwangswirtschaft länderweise in den Stadt- und Landkreisen aufgehoben werden, in denen der statistisch errechnete Wohnungsfehlbestand unter drei Prozent gesunken war; vgl. BT-Drcks., aaO. s. 50 f. 508 So die Begründung zum Gesetzentwurf über Maßnahmen zur Verbesserung des Mietrechts und der Begrenzung des Mietanstiegs, BT-Drcks. Vl/1549, S. 6.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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Knappheitsbedingte Überhänge der Wohnraumnachfrage gegenüber dem Wohnraumangebot fordern die Schaffung kompensatorischen Rechts heraus. Nur dadurch kann dem Umstand begegnet werden, daß die von der Zivilrechtsordnung gewährte Vertragsfreiheit dem Vermieter unter den Bedingungen von Wohnraummangelsituationen die latente Möglichkeit zur Entwicklung und Ausnutzung freiheitsgefabrdender faktischer Übermachtpositionen vermittelt. Auf ausgeprägten Vermietermärkten vermag formalliberal verstandene Vertragsfreiheit funktionsadäquate Ergebnisse nicht zu gewährleisten. 509 Die richtigkeilsverbürgende Funktion des Vertragsmechanismus ist durch die Versorgungsdefizite auf dem Wohnungsmarkt bei Angewiesenheil des Mieters auf die Anmietung von Wohnraum gestört. Seit der Verabschiedung des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes hat sich allerdings die Begründung für Mieterschutzgesetzgebung verändert. Die Kompensation wohnraummangelbedingter Ungleichgewichtslagen zwischen den Vertragsparteien hat seine Bedeutung als tragende Grundlage einer Wohnraumschutzgesetzgebung eingebüßt und auch in der wohnraummietrechtlichen Diskussion wird diese Funktionsstörungsursache wohnraummietvertraglicher Vertragsfreiheit nicht weiter genannt. 510 Angesichts der erreichten Niveaus auf den Wohnungsmärkten trägt die Berufung auf wohnraummangelbedingte Störungen des Vertragspartnergleichgewichts die Wohnraumschutzgesetzgebung nicht mehr überzeugend. Bestimmte Gruppen von Mietinteressenten, die sich in einer besonderen persönlichen oder sozialen Situation befinden, leiden zwar noch immer unter Versorgungsschwierigkeiten. Insbesondere einkommensschwache und kinderreiche Familien, Alleinstehende, Behinderte bzw. ältere Menschen finden wegen der partielllokal und regional überbordenden Nachfragekonkurrenz nur unter erschwerten Bedingungen und nicht selten zu ungünstigen Konditionen oder aber in ungünstigen Lagen Wohnraum. m Soziale Sondergruppen betreffende Funktionsprobleme wohnraummietvertraglicher Vertragsfreiheit bieten indes keine Grundlage für die Rechtfertigung eines allgemeinen Mieterschutzrechts, das undifferenziert an den Tatbestand der Wohnraummiete anknüpft. Insofern könnten allenfalls problemgruppenspezifische Schutzregeln gerechtfertigt sein, wie sie im arbeitsrechtlichen SchwerbehinderVgl. nur Peters, Wohnungspolitik am Scheideweg, S. 335. Die Begründung des 2. WKSchG stellte die überragende Bedeutung der Wohnung als Mittelpunkt des menschlichen Daseins in den Vordergrund; vgl. BT-Drcks. 7/2011, S. 7; vgl. a. Häring, Zur Geschichte staatlicher Interventionen im Wohnungssektor, S. 80 ff.; Widmer, Die Aufgabe des Wohnungsmietrechts, S. 290; v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 49; Eyl, Diss. München, S. 62 f.; Schmidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 19. 511 Vgl. Sozialbericht 1986, BT-Drcks. 10/5810, Tz. 220, S. 59; Statistisches Bundesamt, Der Mietwohnungsbau im Spiegel der Statistik, 1981 , S. 38 f.; Bucheit, Soziale Wohnungspolitik?, S. 58 ff, 93 ff.; Glatzer, Wohnungsversorgung im Wohlfahrtsstaat, s. 120 ff. 509
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
ten- oder Mutterschutzrecht verwirklicht sind, sofern nicht durch Individualsubventionen etwa in Form von Wohngeld die erforderlichen Bedingungen für die Verwirklichung der Ziele rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit gewährleistet werden. Die Berufung auf Versorgungsdefizite und dadurch bedingte Funktionsstörungen wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit stellt aber keine ausreichend tragfähige Wertungsgrundlage wohnraummietrechtlicher Schutzgesetzgebung mehr dar, weil die statistischen Daten belegen, daß der weitaus größte Teil der Bevölkerung mit geräumigem und komfortablem Wohnraum versorgt ist. Ebensowenig vermögen die als "neue Wohnungsnot" 512 apostrophierten Defizite der Versorgung sämtlicher Mietinteressenten mit einer nach Lage, Größe, Qualitätsund Preisstandard angemessenen Wohnraumversorgung insbesondere auf dem Markt für vergleichsweise billigen Wohnraum, von denen vor allem neugegründete und mobile Haushalte sowie Nachfrager mit niedrigem Einkommen oder Sozialprestige betroffen sind, einen besonderen Mieterschutz zu rechtfertigen. Zur Erreichung eines (noch weiter) verbesserten Versorgungsstandards im Wohnungswesen mag eine wohlstandsoptimierende Sozialpolitik gefordert sein; hingegen ist nicht ersichtlich, daß aus qualitativen Versorgungsdefiziten bei ausreichendem Gesamtwohnraumangebot Funktionsprobleme wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit erwachsen. b) Kompensation individuellen Verhandlungsungleichgewichts Sofern eine wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit des Mieters als Wertungsgrundlage wohnraummietrechtlicher Schutzgesetzgebung genannt wird, 513 ist dabei nicht die konkrete Verhandlungssituation zwischen denjeweiligen Vertragspartnern gemeint, sondern wird der Mieter als der typischerweise unterlegene Vertragspartner angesehen. Diese Auffassung beruht auf der zutreffenden vertragstheoretischen Einsicht, daß rechtsgeschäftliche Vertragsfreiheit nur funktionieren kann, wenn die Voraussetzungen für einen Vertragsschluß in beiderseitiger Selbstbestimmung gegeben und institutionell gesicpert sind; dazu gehört auch das Vorhandensein annähernd gleicher sozialer und wirtschaftlicher Mächtigkeit der Vertragsbeteiligten. 514
s12 Vgl. dazu Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, Probleme der Wohnungswirtschaft, Tz. 1. 513 Vgl. Eyl, Diss. München, S. 60 ff., für die sich die wirtschaftliche Abhängigkeit "aus dem Angewiesensein der Mietsuchenden auf vorhandenen Wohnraum" ergibt; Hamm, Diss. Bonn, S. 118; vgl. a. Wolter, Mietrechtlicher Bestandsschutz, S. 232, für den die gesellschaftspolitische Wertung, "daß der Vermieter kraft seines Eigentums ökonomisch überlegen ist", der Ausgangspunkt des gesetzgebefischen Programms des Mieterschutzes ist; ähnlich Flume, Das Rechtsgeschäft, § 1, 7, S. 10; M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher lnteressenausgleich, S. 159 f.; Schmidt-Futterer, JR 1977, S. 4 (6). 514 Vgl. oben unter A II 2.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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Die Einwände gegen diese Begründung ungleichgewichtiger Verhandlungsmacht liegen auf der Hand. Nach welchem Maßstab, so wird ihr kritisch entgegengehalten, soll wirtschaftliche oder soziale Unterlegenheit des Wohnraummieters gemessen werden, welche Faktoren sollen dafür ausschlaggebend sein und von welcher Grenze an kann gesagt werden, daß nicht mehr eine selbstbestimmte Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Wohnraummieter gegeben ist? 515 Solchen Einwänden kann nicht entgegengehalten werden, bei der Unterlegenheitsfeststellung handele es sich primär um eine W ertungsfrage, die nicht im Wege einer Tatsachenanalyse der Verhandlungssituation der Vertragsparteien, sondern durch einen Akt bewertenden Erkennens zu beantworten ist. Dann nämlich - so hat Kreutz 516 im Kontext der Schutzbedürfnisanalyse im Arbeitsvertragsrecht hingewiesen - fällt die Ungleichgewichtsthese mit der Behauptung von Funktionsdefiziten rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit zusammen, die sie gerade belegen soll. Der Hinweis aufunterlegene Verhandlungsmacht des Wohnraummieters ist zur Rechtfertigung wohnraummietrechtsspezifischer Schutzgesetzgebung nur geeignet, wenn ein (typisches) wirtschaftliches oder soziales Übergewicht des Vermieters auf dem Wohnungsmarkt nachprüfbar zu belegen ist. Deswegen erscheint es zunächst erstaunlich, daß in juristischen Analysen bislang kaum versucht wurde, Erkenntnisse von Nachbarwissenschaften für den Beweis der Unterlegenheitsthese fruchtbar zu machen, obwohl vor allem die empirischen Sozialwissenschaften am ehesten berufen erscheinen, Ursachen, Faktoren und Ausmaß asymmetrischer· Verhandlungsmacht wissenschaftlich nachprüfbar zu begründen. Die Mietrechtswissenschaft ist bislang über die geradezu resignative Feststellung Sternels, die Unterlegenheit des Mieters sei "wohl nur forensisch erfahrbar", 517 nicht hinausgekommen. Insbesondere stadtökologische und sozialmorphologische Untersuchungen haben Erkenntnisse ergeben, denen ein Zusammenhang mit der Unterlegenheitsthese jedenfalls nicht ohne weiteres abzusprechen ist. Hervorzuheben ist insofern die Segregationsforschung, 518 die sich mit dem Phänomen beschäftigt, "daß nicht jeder, der eine Wohnung sucht, überall auch eine Wohnung finden kann, sondern 515 Eingehend Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 165 ff.; die Dilemmasituation wird namentlich bei dem Versuch von Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 99, 105 ff. zur Bestimmung des vertraglichen Paritätsbegriffs deutlich, wenn er Imparität als vertragsbezogenen Schutzbedürftigkeit in der Interpretation des geltenden Rechts und damit nurmehr als positivrechtlich bestimmte, nicht aber das positive Recht maßstabhaft leitende Rechtskategorie versteht; vgl. schon oben bei Fn. 48. 516 Grenzen der Betriebsautonomie, S. 167. m Stemel, Mietrecht, 2. Aufl., Rn. I 1, S. 1. 518 Vgl. Herlyn (Hrsg.), Stadt und Sozialstruktur; Zinn, in: Zusammenhang von gebauter Umwelt und sozialem Verhalten im Wohn- und Wohnumweltbereich, S. 105 ff.; Hamm (Hrsg.), Lebensraum Stadt, mit Beiträgen von Vaskovics, S. 35 ff., Esser, S. 48 ff.; Hamm, S. 181 ff.; vgl. a. Friedrichs, Stadtanalyse: Soziale und räumliche Organisation der Gesellschaft, S. 216 ff.; Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, insbesondere s. 82 ff.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
je nach seiner sozialen Situation und Lage auf bestimmte Gebiete und Märkte beschränkt bleibt". 519 Sozialraumanalysen zeigen, daß die nach soziokulturellen Merkmalen getrennten gesellschaftlichen Schichten der Bevölkerung in einem (innerstädtisch) differenzierten, also nicht gleichmäßig verteilten Mischungsverhältnis über ein (städtisches) Wohngebiet verteilt sind. 520 Dabei konnte nachgewiesen werden, daß bestimmte Bevölkerungsgruppen durch die Vermieter vom Zuzug in soziokulturell spezifizierte Habitate von vomherein ausgeschlossen werden. Besser situierte Mieter bevorzugen Wohnstandorte, deren Nachbarschaft sozio-ökonomische Statusmerkmale aufweist, und der Vermieter läßt schichtfremde Mieter zu diesen sozialräumlich abgegrenzten Quartieren nicht zu, um das Image des Wohnviertels zu erhalten. Durchbrechungen der Segregationsbarrieren müssen durch einen deutlich höheren Mietpreis bezahlt werden. 521 Weiterhin ist sozialempirisch nachgewiesen, daß es einen spezifischen Zusammenhang von "wirtschaftlicher Armut" und unzureichender, zumindest aber unterdurchschnittlicher Wohnraumversorgung gibt. Diese "residentielle Segregation" wird als Resultante aus gebietsspezifischen Mietniveaus und dem für Haushalte jeweils verfügbaren Einkommen erklärt. 522 Bereits diese Beispiele sozialempirischer Erkenntnisse belegen allerdings auch die Problematik der interdisziplinären Operationalisierbarkeit fachspezifischer Forschungsergebnisse. Sie beruht nicht nur darauf, daß rechtswissenschaftliche Untersuchungen nachbarwissenschaftliche Erkenntnisse kaum zur Kenntnis nehmen, umgekehrt werden auch in den Nachbarwissenschaften rechtliche Fragestellungen kaum aufgearbeitet oder auch nur im Rahmen der fachspezifischen Untersuchungs- und Forschungsmethoden aufgegriffen. Hier werden Defizite interdisziplinärer Zusammenarbeit offenbar, die jedenfalls derzeit einer wechselseitigen Befruchtung, zumindest aber einer Hilfestellung nachbarwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Beantwortung rechtstatsächlicher Fragestellungen im Wege stehen. Dabei berühren die genannten soziologischen Erkenntnisse durchaus die mietrechtliche Fragestellung nach der Rationalität der Unterlegenheitsthese; aber spezifische Aussagen im Zusammenhang mit der Frage nach der Unterlegenheit des Mieters in bezug auf den Abschluß, die Gestaltung oder die Beendigung von Wohnraumrnietverträgen sind soweit ersichtlich bislang nicht getroffen worden. .So wie in der Rechtsmethodik verschiedentlich darauf hingewiesen wurde, daß die Divergenz der Erkenntnisziele von Rechts- und Nachbarwissenschaften schon auf der Begriffsebene selbst bei identischer Begriffsverwendung regelmäßig keine 519 lpsen I Glasauer I Heinzel, Teilmärkte und Wirtschaftsverhalten privater Miethausbesitzer, S. 5 f . 520 Zusammenfassend Walter, in: Walter I Oerter (Hrsg.), Ökologie und Entwicklung, S. 10 ff.; Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, S, 81 ff. 521 Vgl. Alles, in: Institut Wohnen und Umwelt (Hrsg.), Wohnungspolitik am Ende?, S. 210 ff.; vgl. a. lpsen, in: Archiv für Kommunalwissenschaften 15 (1976), S. 262 ff. 522 Vgl. Strohmeier, Quartier und soziale Netzwerke, S. 135 ff.; Glatzer, Wohnungsversorgung im Wohlfahrtsstaat, S. 120 ff.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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Übereinstimmung des Sinnes erwarten und eine Bezugnahme auf ein nachbarwissenschaftliches Verständnis regelmäßig nicht in Betracht kommen lassen, 523 ist auch auf der Ebene von Tatsachenfeststellungen interdisziplinäre Zusammenarbeit kaum gelungen. 524 Angsichts dieser Situation hat die Zurückhaltung rechtswissenschaftlicher Analysen, aus nachbarwissenschaftlichen Untersuchungen Folgerungen für eine fortdauernde oder schwindende Rationalität von Mieterschutzgesetzgebung zu finden, einen berechtigten Kern; derzeit ist es nicht möglich, sozialempirische Erkenntnisse für die rechtswissenschaftliche Fragestellung nach der Unterlegenheit des Wohnraummieters im Wohnraummietverhältnis fruchtbar zu machen. Das hergebrachte Argument, eine besondere Mieterschutzgesetzgebung sei geboten, weil für die meisten Mieter eine wirtschaftliche Notwendigkeit bestehe, ihr Wohnbedürfnis in der Rechtsform der Miete zu befriedigen, die Nachfrage der Mieter wegen der fehlenden Substituierbarkeit von Wohnraum dringend sei und sich daraus eine Angewiesenheil der Mietsuchenden auf vorhandenen Wohnraum ergebe, welche sich wiederum in einer die besondere Schutzbedürftigkeit herausfordernden wirtschaftlichen Abhängigkeit des Durchschnittsmieters niederschlage, 525 ist nur unter bestimmten Bedingungen des Wohnungsmarktes berechtigt. Auf den maßgeblichen Einfluß der Knappheit des Wohnungsangebots für eine aufgabengerechte Entfaltung wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit wurde bereits hingewiesen. 526 Insofern ist aber der Unterlegenheitstopos kein selbständiger Rechtfertigungsgrund für Mieterschutzgesetzgebung, sondern eine bloße Funktion der jeweiligen Verfassung des Wohnungsmarktes. Hinzukommen mögen zwar persönliche, familiäre oder berufliche Mobilitätsbarrieren, die eine Angewiesenheil des Mieters auf die Anmietung von Wohnraum in einem geographisch begrenzten Raum begründen. 527 Daraus können sich Störungen des Verhandlungsgleichgewichts entwickeln, die aber das Problem der Meßbarkeit und damit der Nachweisbarkeil-seies auch nur als sachverhaltstypisches Phänomen - nicht beseitigen, sondern nur noch deutlicher machen. Unter den Bedingungen eines ausgebauten Netzes sozialrechtlicher Hilfestellungen für Bedürftige ist die Aufrechterhaltung der Ungleichgewichtsthese als Rechtfertigungsgrund wohnraummietrechtlicher Schutzgesetzgebung problematisch geworden und normteleologisch nicht mehr aufrechtzuerhalten. Staatliche Transferleistungen, die wohnraummietspezifisch von den Leistungen nach dem Wohngeldgesetz repräsentiert werden, setzen die wirtschaftliche und soziale Unterlegenheit des Wohnraummieters zwar inzident als Regelungsursache und RegeDazu näher Wank, Die juristische Begriffsbildung, S. 118 ff. Vgl. dazu Heinz, in: Heinz (Hrsg.), Rechtstatsachenforschung heute, S. 25 (31). 525 Neben den in Fn. 513 Genannten vgl. Gärtner, JZ 1983, S. 565 (569). 528 Vgl. oben B ill 1 a. 527 Vgl. Thürstein, Die Wohnungswünsche der Bundesbürger, S. 49 f.; Leidner, Wohnungspolitik und Wohnungsmarktwirtschaft-Gegensatz oder Ergänzung?, S. 145 ff. 523
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
lungsgegenstand voraus, haben diese aber zugleich gemäß ihrer Zwecksetzung normtheoretisch und zumindest tendenziell wohl auch regelungspraktisch bewältigt. 528 Individualsubventionen in Form von Wohngeld und Lastenausgleichszahlungen, das wird auch von den Verfechtern einer marktwirtschaftliehen Liberalisierungsstrategie auf dem Wohnungsmarkt de lege ferenda betont, 529 gehören zum integralen Bestandteil der sozialen und wirtschaftlichen Absicherung des Wohnraummieters. Solche Transferleistungen haben im Verhältnis zum Wohnraummietrecht eine Funktion, die nach dem Willen des Gesetzgebers der wirtschaftlichen Sicherung des Wohnraummieters dienen soll. 530 § 1 WoGG bringt dies in der Formulierung zum Ausdruck, daß es Zweck der Zuwendungen der öffentlichen Hand ist, "zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens" beizutragen. Die Sicherung des wirtschaftlichen Status des Wohnraummieters ist zum verbindlichen Regelungsinhalt des Wohngeldgesetzes geworden. Dies mag eine Reihe von Bedürfnissen unberücksichtigt und unbefriedigt lassen. Nach dem Regelungszweck und Regelungsinhalt tritt es aber der Aufgabe privaten Wohnraummietrechts bei, das wirtschaftliche und soziale Selbstbestimmungsrecht des Wohnraummieters zu sichern. Die Herstellung und Sicherung der Grundstandards wirtschaftlicher und sozialer Verhandlungsmacht wird nach dem im Wohngeldgesetz zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers dem Sozialrecht zugewiesen.m Wenn aber die sozialrechtlichen Instrumente die institutionellen Mindestvoraussetzungen für einen Vertragsschluß zwischen wirtschaftlich und sozial annähernd gleich mächtigen Vertragspartnern herstellen, so ist damit eine Wertentscheidung getroffen, nach der das Wohnraummietrecht nurmehr jenseits der sozialrechtlichen Grundsicherungen von dem Leitgedanken der Kompensation asymmetrischer wirtschaftlicher Verhandlungsmacht der Mietvertragspartner getragen werden kann. c) Schutz vor Belastungen durch Transaktionskosten Der Schutz des Mieters vor Unzuträglichkeilen infolge des Verlustes der Wohnung ist ein weiterer vor allem im Zusammenhang mit dem Kündigungs528 Vgl. Steinmeyer, AcP 187 (1987), S. 193 ff., 109 f.; näher zur Bedeutung staatlicher Transferleistungen als Regelungsinstrument des Wohnraummietrechts unten im Dritten Teil, 4. Kapitel. 529 V gl. nur Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft, Probleme der Wohnungswirtschaft, Tz. 29 ff.; Schneider I Deichmann, Der Weg zur sozialen Wohnungsmarktwirtschaft, S. 73 ff. 530 Vgl. Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 244 ff.; Steinrneyer, AcP 187 (1987), s. 195 f. 531 Zum Charakter des Wohngeldes als Sozialleistung vgl. Bley, in: Kommentar zum gesamten Recht der Sozialversicherung, § 7 SGB I, Anm. 1 ff.; Gitter, in: Bochumer Kommentar zum Sozialgesetzbuch- Allgemeiner Teil, § 7 Rn. 15 ff.; Schellhom, in: GK-SGB I,§ 7 Rn. 7 ff.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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schutzrecht genannter Rechtfertigungsgrund für Mieterschutzgesetzgebung. 532 Die Regierungsbegründung zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz hat in diesem Sinn betont: "Jeder Wohnungswechsel bringt für den Mieterregelmäßig nicht unbeträchtliche Kosten und andere meist erhebliche Unzuträglichkeiten mit sich. Eine Belastung des vertragstreuen Mieters mit solchen Kosten und Unzuträglichkeiten ist bei der Bedeutung der Wohnung in einem sozialen Rechtsstaat nur gerechtfertigt, wenn der Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Kündigung hat". 533 Jeder Wohnungswechsel muß von dem Mieter mit dem Einsatz finanzieller und sozialer Ressourcen bezahlt werden. In der wohnungswirtschaftlichen Diskussion werden sie im Begriff der Transaktionskosten zusammengefaßt, 534 der die Kosten der Informationsbeschaffung für die dem Mietvertragsschluß vorausgehende Nachfrageentscheidung, die Umzugskosten im engeren Sinn, d. h. die Kosten für den Transport, die Wohnungsrenovierung, die Kosten für die Bereitstellung von Mietsicherheiten und etwa die Kosten einer Anpassung der Wohnungseinrichtung auf die veränderten räumlichen Gegebenheiten sowie die "sozialen Kosten der Mobilität" 535 umfaßt. Die rechtliche Bedeutung dieser Transaktionskosten wird nicht immer hinreichend zum Ausdruck gebracht. Der in der Begründung zum Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz 536 genannte Hinweis auf die Bedeutung der Wohnung in einem sozialen Rechtsstaat läßt nicht klar erkennen, ob der Schutz vor Transaktionskosten verfassungsprogrammatischer Natur ist, mithin eine wohlfahrtsstaatliehe Konkretisierung des dem Gesetzgeber vom Grundgesetz gegebenen Ermächtigungsauftrags beinhaltet, oder auch auf zivilrechtsdogmatischen Grundlagen baut. Für eine verfassungsprogrammatische Rechtfertigung wäre bereits die Tatsache, daß Transaktionskosten schlechthin für den betroffenen Mieterhaushalt eine Belastung darstellen, ein hinreichender Regelungsgrund. Zivilrechtsdogmatischen Rückhalt hätte eine auf den Schutz vor Transaktionskosten bezogene Mietgesetzgebung erst, wenn sich der Nachweis führen ließe, daß durch die Belastung mit Transaktionskosten Ungleichgewichtslagen entstehen, die durch Mieterschtuzgesetzgebung zu kompensieren wären. Ein solcher Nachweis ist bislang nicht geführt. Immerhin könnte für den zivilrechtsdogmatischen Gehalt eines wohnraummietrechtlichen Schutzes vor Transaktionskosten sprechen, daß sie einseitig den Wohnraummieter belasten, sei es, daß sie wie die Umzugskosten bzw. die sog. sozialen Kosten der Mobilität 532 Vgl. Derleder, NJW 1975, S. 1677 f.; Löwe, NJW 1975, S. 9; Vogel, WuM 1976, S. 137 (139); Schrnidt-Futterer I Blank, Wohnraumschutzgesetze, A 33; v. Stebut, Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, S. 49 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S.l76f.; Honsell, AcP 186 (1986), S.l15 (117). 533 Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum, BT-Drcks. 712011, S. 7. 534 Vgl. nur Hutter, ZHR 144 (1980), S. 642 (644). 535 So kritisch Krischausky I Mackscheidt, Wohnungsgemeinnützigkeit, S. 32 f. 536 Vgl. oben Fn. 533.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
von vornherein in der Person des Mieters entstehen, sei es, daß sie wie die Kosten für die Durchführung sog. Schönheitsreparaturen durch vertragliche Vereinbarung vom Vermieter auf den Mieter abgewälzt werden. Dieser aus der Einseitigkeit der Belastung durch Transaktionskosten begründeten Störung der Vertragsparität könnte nicht entgegengehalten werden, eine solchermaßen gerechtfertigte kompensatorische Abstützung rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit müßte dann für eine Reihe anderer Dauerschuldverhältnisse gleichfalls eingeführt werden. In anderen Regelungskomplexen mögen ebenfalls einseitige Belastungen eines Vertragspartners mit Transaktionskosten anzutreffen sein; damit würde indes nur die Aufgabe formuliert, auch für solche Regelungskomplexe die Erforderlichkeil einer Korrektur der Funktionsprobleme rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit wegen einer einseitigen Belastung mit Transaktionskosten zu analysieren. Zweifelhaft ist die zivilrechtsdogmatische Relevanz der Belastung des Mieters mit Transaktionskosten deswegen, weil sie nicht eindeutig als Ursache wohnraummietrechtlicher Paritätsstörungen diagnostiziert werden kann. Während etwa Umzugskosten und soziale Mobilitätskosten ursächlich auf die Entscheidungsfreiheit des Mieters Einfluß nehmen, ist beispielsweise die Überwälzung der sog. Schönheitsreparaturen ein Beleg dafür, daß Transaktionskosten Folgeerscheinungen einer schon aus anderen Gründen bestehenden Unterlegenheit des Mieters darstellen. 537 Insofern ist die Paritätsstörung zu Lasten des Mieters nicht transaktionskostenursächlich; darauf gestützte Kompensationsregeln können folglich die Einschränkung wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit nicht rechtfertigen. Vermögenswirksame Transaktionskosten könnten weiterhin bereits durch staatliche und private Transferzahlungen bewältigt werden und rechtfertigen allein einen weitergehenden Mieterschutz nicht. Im Mieterschutzgesetz, das den Vermieter unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, Umzugskosten zu erstatten, 538 war diese Verpflichtung bezeichnenderweise nicht anstelle anderer Kündigungsschutzregeln, sondern als Ergänzung zu diesen offenbar aus anderen Erwägungen getragenen Schutzzwecken vorgesehen. Schließlich wird der Schutz vor Transaktionskosten von vornherein lediglich als ein auf den Verlust des Wohnraums begrenzter Rechtfertigungsaspekt genannt. 539 Für eine umfassendere Rechtfertigung der Wohnraumschutzgesetzgebung soll der Hinweis auf den Schutz vor Transaktionskosten schon nach seiner eigenen Programmatik nicht in Betracht kommen. 540 537 Dies jedenfalls könnte erklären, weshalb Schönheitsreparaturen in der Vertragspraxis entgegen der gesetzlichen Pflichtenverteilung vom Mieter zu tragen sind. BGHZ 92, S. 363 kann deshalb auch auf eine Verkehrssitte verweisen; allerdings ist entgegen der unbewiesen gebliebenen Behauptung des BGH aaO. die Abwälzung der Schönheitsreparaturen nicht dadurch allgemein legitimiert, daß diese bei der Mietzinsgestaltung im Mietvertrag berücksichtigt wird; so zutreffend Sonnenschein, JZ 1985, S. 430, 431 f. mit weit. Nachw. 538 Vgl. § 4 Abs. 3 MSchG. 539 Vgl. die Nachweise in Fn. 532.
B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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2. Wohnraummietrecht als sozialstaatliche Privilegierung des Vertragsinteresses Wohnen zur Miete
Seit dem Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz ist das Verständnis von Wohnraummietrecht als Instrument zur Kompensation funktionsgestörter wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit in den Hintergrund getreten. An seine Stelle ist ein anderer Rechtfertigungsansatz getreten: ,,Bei der überragenden Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt des menschlichen Daseins", betonte die Begründung vom Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetz, "gebietet die Sozialstaatsverpflichtung des Grundgesetzes (Art. 20 GG), den vertragstreuen Mieter vor willkürlichen Kündigungen und damit dem Verlust seiner Wohnung zu schützen". 541 Im Bericht über die Auswirkungen des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes wird dieser Gedanke näher präzisiert: ,,Für den Mieter und seine Familie erfüllt die Mietwohnung eine besondere soziale Funktion. Sie ist Mittelpunkt der Lebensinteressen und Schwerpunkt ihrer Einbettung in die Umwelt. Mit dem Verlust der Wohnung können Kontakte zu Nachbarn und geselligen, kulturellen oder sportlichen Vereinigungen gefahrdet, der Besuch von Schulen und der Anschluß an kirchliche, politische oder andere soziale Zusammenschlüsse beeinträchtigt werden". 542 Und auch im Entwurf des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, das als Wendemarke für eine marktwirtschaftliche Neukonzeption des Wohnraummietrechts gilt, wird die Wohnung als "Mittelpunkt des persönlichen Lebens" und als "Wirtschaftsgut von besonderer sozialer Bedeutung" genannt. 543 Die auf solche Überlegungen gestützte Rechtfertigung des Wohnraummietrechts verläßt den an den Funktionsvoraussetzungen wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit orientierten Begründungsansatz. Sie greift zurück auf Erwägungen, die schon für das Mieterschutzrecht des Mieterschutzgesetzes entwickelt wurden. "Die Wohnung", so faßte Bettermann 544 die Wertungsgrundlagen des Mieterschutzgesetzes zusammen, "ist der Mittelpunkt des außerberuflichen, insbesondere familiären Lebens, so wie der Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer den s40 So im Ergebnis auch Honsell, AcP 186 (1987), S. 115 (161), der sich zu Recht dagegen ausspricht, die Bedeutung von Transaktionskosten beim Verlust der Wohnung zu unterschätzen, aber dennoch meint, daß "diese Gesichtspunkte schwerlich eine so tiefgreifende Beschränkung der Privatautonomie ... rechtfertigen." 541 Begründung zum Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum, BT-Drcks. 7/2011, S. 7. 542 Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des 2. WKSchG vom 2.3.1979, BT-Drcks. 8/2610, S. 5. 543 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, BT-Drcks. 9/2079, S. 1; vgl. a. Derleder, in: Grundsätze des Wohnraumrnietverhältnisses, Schriftenreihe Partner im Gespräch, Bd. 10, S. 43 ff., der die Mieterschutzgesetzgebung auf die Vorstellung der "Wohnung als Sozialgut" zurückführt. 544 Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Ein!. Rn. 59; ders., Das Wohnungsrecht als selbständiges Rechtsgebiet, S. 35 ff.
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1. Teil, 1. Kap.: Wohnraummietrecht und Zivilrechtsordnung
Mittelpunkt seines beruflichen Daseins darstellt. Hier tritt neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkt der Lebenswichtigkeit der mehr ideelle des Schutzes von Heim und Herd". Damit war nicht mehr die ursprüngliche, sozialromantisch geprägte Zielsetzung des Mieterschutzgesetzes gemeint, mit dessen Hilfe neben der Schaffung der Erbbaurechtsverordnung, des Reichsheimstättengesetzes, des Wohnungsumwandlungsgesetzes vor allem das durch die Wirren des Ersten Weltkrieges erschütterte Gefühl der Seßhaftigkeit und bodenständigen Verwurzelung der Mieter gefördert werden sollte. 545 Maßgebend erschien "das überragende Interesse des Mieters an dem Besitz der Mieträume, eines Interesses, das weit größer ist als das gleichartige Interesse des Mieters von Mobilien und als das Interesse des Vermieters an der anderweitigen Ausnutzung der Mieträume". 546 Die Begründungen des geltenden Wohnraummietrechts zeigen, daß sich der Wohnraummietrechtsgesetzgeber der Nachkriegszeit diese Einschätzungen teils in dezidierter, teils in abgeschwächter Form zu eigen gemacht hat. Es ist dies ein Verständnis, das nicht eine privatrechtsdogmatische Rechtfertigung der Verfassung wohnraummietvertraglicher Vertragsfreiheit anstrebt. v. Stebut 547 hat auf diesen Aspekt hingewiesen, indem er - bezogen auf das wohnraummietrechtliche Kündigungsschutzrecht - ausführte, daß damit ein Ausgleich von Überund Unterlegenheit der Vertragspartner weder erreicht, noch auch nur angestrebt werde. "Rechtssystematisch wird durch ihn im Gegenteil die ursprünglich beiden Parteien gleichermaßen eingeräumte Möglichkeit einer Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen ausgeschlossen. Von einer solch gleichmäßigen Gestaltungsmacht wird zu deren bewußter Differenzierung durch Privilegierung des Geschützten übergegangen. Damit soll nicht wirtschaftliche oder soziale Über- und Unterlegenheit ausgeglichen, keine Vertragsparität hergestellt werden. Dem Bestandschutz von ... Wohnraummietverhältnissen wird vielmehr gegenüber dem Bemühen um Vertragsgerechtigkeit so lange der Vorrang eingeräumt, wie das dem Vertragspartner noch gerade zugemutet werden kann". 548 Wohnraummietrecht hat danach nicht mehr die Funktion, eine institutionelle Absicherung der Funktionsvoraussetzungen wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit zu erreichen; seine Wertungsgrundlagen sind nicht mehr rechtsdogmatische, sondern zuvorderst wohlfahrts- und sozialstaatspolitische. Solchermaßen verstandenes Wohnraummietrecht empfangt seine Ordnungsimpulse von wirtschafts- und verteilungspolitischen Zielsetzungen des Staates. Die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen bringt diese Funktion deutlich zum Ausdruck, wenn es heißt: "Die vorgesehen Maßnahmen sollen dem Vermieter wieder das Vertrauen darauf ermöglichen, Vgl. dazu Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Einl. Rn. 59. Bettermann, Kommentar zum Mieterschutzgesetz, Einl. Rn. 60. 547 Der soziale Schutz als Regelungsproblem des Vertragsrechts, insbesondere s. 54 ff., 78 ff., 153 ff. 548 v. Stebut, aaO. Fn. 547, S. 155. 545
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B. Die rechtliche Verfassung der Vertragsfreiheit
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daß die mietrechtlichen Bestimmungen einer wirtschaftlichen Nutzung des Eigentums nicht entgegenstehen. Die vorgesehenen Änderungen werden dazu beitragen, die bei Investitionen im Mietwohnungsbau bestehende Hemmschwelle herabzusetzen." 549 Letzlieh ist es die sozialpolitisch so gewertete Wichtigkeit des Vertragsinteresses Wohnen zur Miete, die das Mieterschutzrecht wertungsmäßig trägt. 55o Ein solches Verständnis des Wohnraummietrechts beruht auf einem Selbstverständnis des Privatrechts, das diesem die Aufgabe zuweist, durch heteronome staatliche Steuerung eine bestimmte Vorstellung vom ,,richtigen Funktionieren" rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit im Sinne funktionalistischer Privatrechtstheorie durchzusetzen. Wenn dies einerseits als Entlastung von rechtsdogmatischen Legitimationsanforderungen erscheint, die es erlaubt, wohnraummietrechtliche Schutzgesetzgebung selbst dann beizubehalten, wenn dafür keine Notwendigkeit spricht, eine Kompensation nachweisbarer Funktionsdefizite rechtsgeschäftlicher Vertragsfreiheit vorzunehmen, so bedingt dies andererseits eine Stellungnahme zu der höchst kontroversen Auseinandersetzung um Inhalt und Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips. Dabei kann die Forderung nach mehr "Mut zum Markt" und damit zu mehr liberal verstandener Vertragsfreiheit in der Wohnungswirtschaftangesichts der "Prosperität, welche die liberale Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft insbesondere auf dem Wohnungssektor geschaffen hat", nicht a priori als Verletzung des Soziaistaatsprinzips angesehen werden. 551 Andererseits ist das Verständnis des Wohnraummietrechts als sozialstaatliche Privilegierung des Vertragsinteresses Wohnen zur Miete wegen der Offenheit des verfassungsrechtlichen Sozialstaatsprinzips nicht geeignet, eine Verfassung wohnraummietrechtlicher Vertragsfreiheit zu determinieren. In der Kontroverse um Rechtfertigung und Perpetuierung des geltenden Mieterschutzrechts bewirkte es nurmehr verstärkte dogmatische Gewißheitsverluste. Im Vergleich zur allgemeinen Privatrechtsdogmatik, die sich anschickt, den Schutz wichtiger Vertragsinteressen als dogmatisches Ordnungsproblem zu erklären, bedeutet die Berufung auf das verfassungsrechtliche Soziaistaatsprinzip eine Verkürzung, wenn nicht gar ein Zurückbleiben hinter dem erreichten Entwicklungsstand. Diese Bemerkungen können und sollen weder die Berechtigung funktionalistischer Privatrechtstheorie schlechthin und ihre im Verständnis des Wohnraummietrechts als sozialstaaliche Privilegierung spezifizierte Ausprägung widerlegen, noch die Erwägungen zum Schutz wichtiger Vertragsinteressen unbesehen für das Wohnraummietrecht übernehmen; letzteres schon deswegen nicht, weil die 549 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen, BT-Drcks. 9/2079, S. 1 f. 550 So Dauner-Lieb, Verbraucherschutz durch Ausbildung eines Sonderprivatrechts für Verbraucher, S. 48 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 261 f. 551 So richtig Honsell, AcP 18 (1986), S. 115 (117 f.).
II Paschl