Das datenschutzrechtliche Medienprivileg: Zum Spannungsfeld zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsrechten [1 ed.] 9783428587797, 9783428187799

Journalismus und Datenschutz befinden sich in einem fundamentalen Spannungsverhältnis. Die beiden Gegenpole jeweils für

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German Pages 268 Year 2023

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Das datenschutzrechtliche Medienprivileg: Zum Spannungsfeld zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsrechten [1 ed.]
 9783428587797, 9783428187799

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Studien zum Medienrecht Band 3

Das datenschutzrechtliche Medienprivileg Zum Spannungsfeld zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsrechten

Von

Merle Steinhuber

Duncker & Humblot · Berlin

MERLE STEINHUBER

Das datenschutzrechtliche Medienprivileg

Studien zum Medienrecht Herausgegeben von

Prof. Dr. Marcus Schladebach, Potsdam Prof. Dr. Christian Schertz, Berlin

Band 3

Das datenschutzrechtliche Medienprivileg Zum Spannungsfeld zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsrechten

Von

Merle Steinhuber

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2022 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 2702-0517 ISBN 978-3-428-18779-9 (Print) ISBN 978-3-428-58779-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2021/2022 an der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Juli 2022 berücksichtigt werden. An erster Stelle möchte ich meinem überaus geschätzten Doktorvater, Herrn Professor Dr. Marcus Schladebach, LL.M., danken. Er hat die Arbeit nicht nur während der gesamten Promotionszeit hervorragend betreut, sondern stand mir stets mit wertvollen Einschätzungen und Anregungen zur Seite. Sein Engagement und die inspirierenden Impulse haben maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ebenso möchte ich Herrn Professor Dr. Norbert Janz für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und das sehr angenehme Prüfungsgespräch danken. Tiefe Dankbarkeit empfinde ich meinen Eltern gegenüber, denen diese Arbeit gewidmet ist. Ohne ihre fortwährende Unterstützung, ihren bedingungslosen Rückhalt und ihr Vertrauen in mich wäre die Erstellung dieser Arbeit nicht denkbar gewesen. Mein besonders herzlicher Dank gilt meiner gesamten Familie sowie meinen Freunden, die mich stets unterstützt haben. Mein weiterer Dank gebührt der FAZIT-Stiftung, die diese Arbeit mit einem Stipendium gefördert hat. Finanziell wurde die Veröffentlichung durch die Potsdam Graduate School unterstützt. Außerdem danke ich den Herren Professor Dr. Marcus Schladebach und Professor Dr. Christian Schertz für die Aufnahme meiner Dissertation in die von ihnen herausgegebenen „Studien zum Medienrecht“. Berlin, im Oktober 2022

Merle Steinhuber

Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 I.

Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Bedeutungszuwachs des Datenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Mediale Tätigkeit als Oxymoron im datenschutzrechtlichen Kontext . . . . . 20 3. Aktuelles Medienprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

II.

Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext . . . . . . . . . . . . . . 30 I.

Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Die Ursprünge des Datenschutzrechts . . . . . . 30 1. Erstes Hessisches Datenschutzgesetz 1970 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Erstes Bundesdatenschutzgesetz 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Bereichsspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1978 . . . . . . . . . . . . . . . 36

II.

4. Bundesländer im Vergleich 1978 – 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Zweite Zeitspanne: 1983 – 1994 – Die ersten verfassungsrechtlichen Einflüsse 38 1. Volkszählungsurteil von 1983 als datenschutzrechtlicher Meilenstein . . . . . 38 2. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1987 . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 1990 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 a) Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Bereichsspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Die „neuen“ Bundesländer 1991 – 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

III.

Dritte Zeitspanne: 1995 – 2001 – Die ersten europäischen Einflüsse . . . . . . . . 43 1. 1. EG-Datenschutzrichtlinie 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1998 . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Allgemeine Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Bereichsspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

10

Inhaltsverzeichnis IV.

Vierte Zeitspanne: 2001 – 2017 – Die Einflüsse vor dem heutigen Medienprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. BDSG-Novelle 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Konzept für eine Datenschutz-Grundverordnung 2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

V.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Europäischer Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gemäß Art. 85 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Systematische Einordnung von Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO . . . 56 aa) Art. 85 Abs. 2 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Art. 85 Abs. 1 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Einordnung als „Regelungsauftrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (2) Einordnung als „Öffnungsklausel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (3) Zwischenfazit zur systematischen Einordung von Abs. 1 . . . . . . 65 b) Anwendungsverhältnis von Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO . . . . . . . 66 aa) Lex specialis derogat legi generali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Ex primaria derogat legi subsidiariae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 d) Supranationale oder nationale Regelungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . 68 e) Kontrollkompetenz bezüglich der medienprivilegierenden Vorschriften II.

70

2. Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 3 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Nationaler Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Bundesrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Landesrechtliche Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 a) Rundfunk (Hör- und Fernsehfunk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken gemäß § 12 MStV

77

(1) Datengeheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (2) Datensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (3) Haftung und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (4) Betroffenenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (5) Rundfunkrechtliche Datenschutzaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (6) Sonstiges: Verhaltenskodizes und Teleshopping . . . . . . . . . . . . . 82 bb) Weitere rundfunkspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 b) Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken gemäß § 23 MStV

85

(1) Datengeheimnis und Datensicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Haftung und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (3) Betroffenenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (4) Telemedienspezifische Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Weitere telemedienspezifische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Überblick presserechtlicher Privilegierungsvorschriften . . . . . . . . . . 88 bb) Ursprüngliches Presseprivileg im BDSG a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ee) Anwendbarkeit der DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 (1) Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (a) Erwähnung von Kapitel VIII mit Selbstregulierungsvorbehalt 93 (b) Keine Erwähnung von Kapitel VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (2) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (3) Betroffenenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 d) Unabhängig vom Medium bestehende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 e) Gesonderte Möglichkeit der Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 D. Reichweite des Medienprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I.

Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 1. Nationale Interpretation des journalistischen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Bedeutung von Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Etablierte Kriterien als Indizien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Publizität und Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung 106 bb) Periodizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Aktualität und Universalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 dd) Faktizität und Qualitätsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 ee) Erbringung einer „journalistischen Steuerungs- bzw. Eigenleistung“ 108 ff) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Deutsche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Europäische Interpretation des journalistischen Zwecks . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Konvergenz und Divergenz bezüglich der Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . 115

II.

Klassischer Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Gedruckte Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Begriffsbestimmung „Presse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Unternehmen der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Hilfs- und Beteiligungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 d) Sonderfall: Investigativer Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Rundfunk, § 12 MStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Begriffsbestimmung „Rundfunk“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

12

Inhaltsverzeichnis b) Rundfunkspezifischer Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Telemedien, § 23 MStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Online-Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 aa) Nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Europäische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 dd) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Suchmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Nationale und europäische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Journalistischer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 III.

Graswurzel-Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Einordnung von laienhaften Publikationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Blogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Europäische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (1) Unternehmen der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (2) Journalistischer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Bewertungsportale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 aa) Nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 bb) Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (1) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse . . . . . . . . . . . . . 151 (2) Journalistischer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 c) Soziale Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 aa) Soziale Netzwerke als Intermediäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Account-Betreiber auf Social-Media-Kanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Europäische und nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (2) Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (a) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse . . . . . . . . . . 158 (b) Journalistischer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (3) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Audio-Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 e) Roboter-Journalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

IV.

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis

13

E. Verfassungsrechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I.

Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Kommunikationsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Meinungsäußerung- und Informationsfreiheit nach Art. 11 GRCh . . . . . 173 c) Medienfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 cc) Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 dd) Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 ee) Filmfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 ff) Grundrechtliche Bindungswirkung der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . 180 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Recht auf Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK b) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRCh

182 184

c) Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 e) Grundrechtliche Bindungswirkung unter Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II.

Kollision und Abwägung der Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Europäische Einflüsse auf den Abwägungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Verfassungsrechtlicher Abwägungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

III.

Ausstrahlungswirkung der Grundrechtsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II.

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Substitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Pro-Argumente des substitutionellen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 3. Contra-Argumente des substitutionellen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

III.

4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Vereinbarkeit des nationalen Medienprivilegs mit den unionalen Vorgaben . . 203 1. Europäische Vorgaben für die Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Vereinbarkeit der presserechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Ungerechtfertigtes Anknüpfen an das Presseunternehmen . . . . . . . . . . . . 206 b) Staatliche Aufsicht über gedruckte Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

14

Inhaltsverzeichnis bb) Unmittelbare Vorgaben aus Art. 85 DS-GVO: Kapitel VIII . . . . . . . 208 cc) Problem der staatlichen Aufsicht über die gedruckte Presse . . . . . . . 209 dd) Aufsichtsgefälle als Folge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 ee) Pressekodex als „sanktionslose“ Umgehungsmöglichkeit . . . . . . . . . 212 3. Vereinbarkeit der rundfunkrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Vereinbarkeit der telemedienrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Vereinbarkeit der Landesdatenschutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 6. Fehlende Umsetzung des Regelungsauftrags aus Art. 85 Abs. 1 DS-GVO

219

7. Umfang der Ausnahmen und Abweichungen: Erforderlichkeitsgrundsatz 221 8. Mitteilungspflicht nach Art. 85 Abs. 3 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 IV.

Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I.

Abkehr vom Unternehmensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Landespresse- und Landesmediengesetze sowie § 23 MStV . . . . . . . . . . . . 225 a) Normen bezüglich der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Normen bezüglich der presserechtlichen Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . 227

II.

2. Auffangtatbestand auf Grundlage von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO . . . . . . . . . . 227 Schaffung einer Ausgleichsnorm auf Grundlage von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO 228 1. Möglicher Gesetzeswortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

III.

2. Mögliche Regelungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Überarbeitung des medialen Aufsichtskonzepts im Datenschutzbereich . . . . . 234 1. Anpassungen der bestehenden presserechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Staatliche Aufsicht unter Vorbehalt des Pressekodex . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Keine staatliche Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Einheitliches Aufsichtskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

IV.

3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Überarbeitung des Pressekodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238

V.

Vereinheitlichung der Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

VI. Verortung einer vereinheitlichten Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 VII. Einhalten von Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 VIII. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IX. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 H. Zusammenfassung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. II.

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

A. Einführung* I. Problemaufriss Das datenschutzrechtliche Medienprivileg fungiert als Schnittstelle zwischen Datenvielfalt und Datenminimierung. Diese bestehende Konfliktlage zwischen Medienfreiheit einerseits und Datenschutz andererseits ist in den Grundrechten selbst angelegt. Die Sonderrolle der Medien gegenüber dem Datenschutzrecht ist „Ausfluss der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) verankerten Medienfreiheit“.1 In ständiger Rechtsprechung bezeichnet das BVerfG die Kommunikationsgrundrechte als „schlechthin konstituierend“ für die freiheitlich-demokratische Staatsordnung.2 Die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK und Art. 11 GRCh sind für den professionellen Journalismus unabdingbar. Der Schutz der medialen Kerntätigkeit ist für die Ausübung der zuerkannten öffentlichen Aufgabe der Medien verfassungsrechtlich zu gewährleisten. Journalismus funktioniert nicht ohne informationsgebende Daten mit der Folge, dass es für diese spezifische Verarbeitungssituation im Rahmen der journalistischen Tätigkeit spezieller Regelungen bedarf. Eine Kollision der medialen Arbeit mit dem Datenschutzkomplex ist unausweichlich. Den konzeptionellen Ausgleich zwischen Journalismus und den ihn schützenden Medienfreiheiten und dem Datenschutz als formalisiertem Ausschnitt aus den Persönlichkeitsrechten bildet das datenschutzrechtliche Medienprivileg. Der Sinn und Zweck des Freistellungskonzepts ist es nicht, einseitig einem Grundrecht den Vorrang einzuräumen, sondern die gegenläufigen Interessenslagen in Einklang zu bringen.3 In der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)4 selbst heißt es: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte im Dienste der * In dieser Arbeit wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für die männliche, die weibliche und andere Geschlechteridentitäten. 1 BGH, NJW 2011, 2285 Rn. 24 – ksta.de. 2 StRspr. BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth; vgl. 5, 85, 205; 12, 113, 125; 33, 1, 15; 42, 163, 169; 77, 65, 74; 10, 118, 121; 12, 205, 259 ff.; 20, 56, 97 f.; 20, 162, 174 f.; 27, 71, 81 f.; 35, 202, 222; 59, 231, 265 f.; 93, 266, 292; 102, 347, 363; vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 34 m. w. N. 3 Dazu Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 3. 4 Verordnung (EU) 2016/679 des europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119 vom 04. Mai 2016, S. 1.

16

A. Einführung

Menschheit stehen. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden.“5 Die Bezeichnung als „Privilegierung“ deutet auf eine im Ursprung angelegte Abwägungstendenz hin, die es derart nicht gibt, so dass die Begrifflichkeit im Ergebnis irreführend ist.6 Ungeachtet dessen wird dieser bereits etablierte Begriff nachfolgend unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Einheitlichkeit verwendet. Die Bereichsausnahme ist ein anerkannter Ausgleichsmechanismus7, der fortlaufend einem Anpassungsimpuls unterliegt. 1. Bedeutungszuwachs des Datenschutzes Im 21. Jahrhundert steigt das Bedürfnis nach tatsächlicher und rechtlicher Sicherheit im Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten.8 Ein Bedeutungszuwachs von diesen Daten wird weltweit erwartet. Es wird prognostiziert, dass sich das Volumen der jährlich generierten digitalen Datenmenge im Jahr 2025 auf 175 Zettabyte erhöhen wird, was eine Steigerung um das Fünffache im Vergleich zum Jahr 2018 bedeutet.9 Dabei entspricht ein Zettabyte 1.000.000.000.000 (109) Gigabyte, was einer Billion Bytes gleichkommt. Das wirtschaftliche Interesse an diesen riesigen Datenmengen hat neue Geschäftsfelder entstehen lassen, die mit dem Verkauf von persönlichen Daten (Datenhandel) immense Gewinne erzielen.10 Eine Besonderheit dieses Geschäfts liegt darin, dass die Daten durch Nutzung nicht wie andere Güter „verbraucht“ werden.11 Formulierungen wie Daten seien „das Öl des

5

Erwägungsgrund 4 der DS-GVO. Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 502 f.; Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 9 f.; Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 2; Damm, AfP 1990, 7 ff.; Eberle, MMR 2008, 510; Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606, 607; Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 14 ff. 7 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 20; Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 117 ff.; Hubert, Das datenschutzrechtliche „Presseprivileg“ im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht (1993), S. 37 ff. m. w. N. 8 YouGov, Wie wichtig ist Ihnen generell der Schutz Ihrer persönlichen Daten?, in: Statista, abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/801908/umfrage/bedeutung-desschutzes-persoenlicher-daten-in-deutschland/ (zuletzt abgerufen am 23. Oktober 2019). 9 IDC, White Paper #US44413318, The Digitization of the World – From Edge to Core (2018), S. 3; im Jahr 2018 wurde weltweit ein Datenvolumen von 33 Zettabyte generiert. 10 Beispielsweise wird bereits im Jahr 2017 das wirtschaftliche Volumen der Daten in Großbritannien auf 15 Milliarden britische Pfund geschätzt. Siehe dazu die Studie von Digital Catapult, Greenhalgh (2015). 11 SVRV, Der Wert persönlicher Daten – Ist Datenhandel der bessere Datenschutz? (2017), S. 20. 6

I. Problemaufriss

17

21. Jahrhunderts“12 oder sie seien die „neue Währung“ sind zwar wissenschaftlich nicht exakt und zweifellos cum grano salis zu verstehen, sie verdeutlichen wohl aber den Bedeutungszuwachs der Daten auf dem globalen Wirtschaftsmarkt. Dies wird ebenso durch eine aktuelle Entwicklung im Zuge der nationalen Umsetzung an die Digitale-Inhalte-Richtlinie (EU) 2019/770 (DI-RL)13 verdeutlicht, wonach anstelle von Geld auch das Preisgeben von personenbezogenen Daten als potentielle Gegenleistung für den Erhalt einer Leistung gelten kann.14 Die aktuelle Gefährdungslage und die schnelle Entwicklung in diesem Bereich verstärken das Bedürfnis nach einem Schutz für die eigenen persönlichen Daten.15 Mit jedem Tag werden neue Datenspuren in der vernetzten digitalen Gesellschaft hinterlassen. Angefangen beim Nutzen von Rabatt- oder Kundendaten, beim Arztbesuch, beim Bezahlen mit der Giro- oder Kreditkarte, bei der Wohnungsbewerbung und beim Surfen im Word Wide Web. Diese Daten werden vermehrt bewusst preisgegeben – nicht zuletzt wegen des gesteigerten Interesses in der digitalen Welt mitzuwirken oder um von ihr zu profitieren. Nicht selten aber haben die Betroffenen keine Kenntnis über die Offenlegung ihrer Daten oder nur einen Überblick darüber, was mit diesen Daten passiert und an wen diese Daten weitergegeben werden. Dem Großteil der Menschen ist die Bedeutung der Preisgabe der eigenen persönlichen Daten in der konkreten Situation mangels einer Visualisierung nicht bewusst. Von einer geforderten freien Entscheidungs- und Handlungsfreiheit der Individuen über ihre persönlichen Daten kann daher (meist) nicht mehr die Rede sein. Jeder einzelne noch so belanglos wirkende Fakt wird mittels einer Matrix an technischen Möglichkeiten zu einem gigantischen Datenbündel zusammengetragen, um so Rückschlüsse auf das Privatleben und soziale Verhalten zu ermöglichen (Big Data).16 Im Ergebnis sind heutzutage keine Daten mehr ohne einen wirtschaftlichen Wert zu qualifizieren. Diese Auswirkungen sind für den Einzelnen wenig greifbar. Ein selbstbestimmter Umgang mit den eigenen Daten scheint in der Realität nahezu ausgeschlossen. Zum Schutz der Persönlichkeit ist eine zwingende Auseinandersetzung mit dem Umgang der personenbezogenen Daten als neue Ressource und den Konsequenzen der Preisgabe unerlässlich und eine zentrale Thematik in Zeiten der Digitalisierung. 12 Spitz, Daten – das Öl des 21. Jahrhunderts? – Nachhaltigkeit im digitalen Zeitalter (2017). 13 Richtlinie (EU) 2019/770 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, ABl. L 136 vom 20. Mai 2019, S. 1. 14 Vgl. Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 Hs. 1 DI-RL; siehe dazu Spindler, MMR 2021, 451, 452. 15 Laut einer Umfrage von Bitkom geben 72 % der deutschen Internetnutzer an, dass sie ihre persönlichen Daten im Internet als nicht sicher einstufen; dazu Bitkom, Was glauben Sie, wie sicher sind Ihre persönlichen Daten im Internet im Allgemeinen?, in: Statista, abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/217842/umfrage/sicherheit-von-persoenlichen-da ten-im-internet/ (zuletzt abgerufen am 30. Oktober 2019). 16 Dazu siehe Tinnefeld/Buchner/Petri/Hof, Einführung in das Datenschutzrecht (2018), S. VIII.

18

A. Einführung

Die gesellschaftliche Akzeptanz, dass der Schutz der personenbezogenen Daten ein anerkennenswertes Rechtsgut sei, blieb jedoch global lange Zeit aus. Datenschutz sei vielmehr ein nicht lohnendes Auslaufmodell und so „Eighties“.17 Aus Sicht derer, die diese Meinung vertreten, ist das Datenschutzrecht nur eine Begrenzung für die modernen Möglichkeiten und eine mit der Praxis nicht vereinbare Illusion.18 In der Ära der sogenannten „Post-Privacy“19 plädieren die Anhänger für eine Offenlegung aller Daten und einen gigantischen Datenpool mit einem Zugang für die Allgemeinheit.20 Diese Haltung wird mit dem Argument der besseren Transparenz unterfüttert. Mit der Aussage „You have zero privacy anyway, get over it.“21 behauptete McNealy, der Chef des Technik-Unternehmens Sun-Microsystems, bereits früh, dass Datenschutz aus US-amerikanischer Sicht keinen Sinn machen würde.22 Ein Kontrollverlust über die Daten sei schlichtweg unaufhaltsam und das Recht zum Schutz der personenbezogenen Daten überflüssig. Denn ein Schutz der Privatsphäre ist in der digitalen Zukunft nicht umsetzbar und nicht erforderlich, behaupten die PostPrivacy-Befürworter. Dem kann schon aus psychologischer Perspektive entgegengesetzt werden, dass dieser Ansatz fatale Folgen mit sich bringen würde. Die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre in einer zunehmend schnelllebigeren und nach Außendarstellung strebenden Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Das menschliche Grundbedürfnis, sich nach eigenem Belieben aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen, ist zutiefst im Menschen verwurzelt. Privatsphäre kann abstrakt als die Grenze des eigenen Seins erklärt werden.23 Laut Altman ist Privatsphäre ein regulierbarer Zustand, um das eigene Wohlbefinden herzustellen.24 Erreicht wird dieses subjektive Wohlbefinden, indem die eigens präferierte Balance zwischen Nähe und Distanz austariert wird.25 Dieses Maß muss individuell festlegt werden, da es kein allgemeingültiges 17 Schramm, Privatsphäre ist so was von Eighties, Spiegel Online Interview (2011), https: //www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/internet-exhibitionisten-spackeria-privatsphaere-istsowas-von-eighties-a-749831.html (zuletzt abgerufen am 04. Dezember 2019); dazu Überblick bei Schladebach, UFITA 2015, 67 ff. 18 Heller, Post-Privacy (2011); so auch der Standpunkt von Westermayer als Abgeordneter der Piraten-Partei. 19 Der Begriff „Post Privacy“ ist auf das Jahr 2009 zurückzuführen, als dieser erstmals in einer Debatte bezüglich sozialer Netzwerke fiel. 20 Brin, The Transparent Society – Will Technology Force Us to Choose Between Privacy and Freedom? (1998). 21 Frei übersetzt „Sie haben sowieso keine Privatsphäre. Lassen Sie diese hinter sich.“, https://www.wired.com/1999/01/sun-on-privacy-get-over-it/ (zuletzt abgerufen am 04. Dezember 2019). 22 Biermann, Die Datenexhibitionisten, Zeit Online vom 18. April 2011, https://www.zeit. de/digital/internet/2011-04/spackeria-post-privacy (zuletzt abgerufen am 04. Dezember 2019). 23 Boehme-Neßler, UFITA 2015, 19, 55. 24 Altman, The enviroment and social behavior (1975), S. 50. 25 Trepte/Dienlin, in: Porsch/Pieschl, Neue Medien und deren Schatten (2014), S. 53, 55; Altman, The enviroment and social behavior (1975), S. 50.

I. Problemaufriss

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Empfinden über eine angenehme Nähe oder Distanz gibt. Der Zugang zum Selbst sollte in selbstbestimmter Form und in selbstbestimmtem Maß erfolgen, dafür bedarf es einer selektiven Zugangskontrolle.26 Wesentlich geht es bei Privatsphäre um eine Abschirmung des eigenen Ichs vor Kontrolle oder Überwachung und die Möglichkeit, sich aus gesellschaftlichen Interaktionen zurückzuziehen.27 Darauf aufbauend ist der Schutz der Daten für das Wohlbefinden und den Schutz des eigenen Ichs als ein Kernelement unerlässlich und aus psychologischer Sichtweise lebensnotwenig.28 Der Schutz der eigenen Daten ist als ein Teil des Schutzes der Privatsphäre zu verstehen.29 Das moderne Leben spielt sich auf verschiedenen Ebenen ab, an denen wir als Persönlichkeit teilnehmen. Neben der realen Welt wird parallel unser Ich in der digitalen Welt auf einer Plattform dargestellt. Um einen umfassenden Schutz für die Privatsphäre gewährleisten zu können, bedarf es für alle Bereiche juristischer Systematiken und Regeln. Das Weltgeschehen ist immer auch ein Teil des Rechts. Die Jurisdiktion versucht, sich dieses digitalen Schutzgutes anzunehmen und mit dem modernen Fortschritt mitzuhalten. Global erfährt der Datenschutz in jüngster Entwicklung eine gesellschaftliche Brisanz, die zum Innehaben einer tragenden Schlüsselrolle in der modernen Informationsgesellschaft führt. Besonders in Europa und in Deutschland wird der Schutz der Daten zunehmend als Schutzgut anerkannt. Erstmals gelangte der Datenschutz in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit innerhalb Deutschlands mit dem berühmten Volkszählungsurteil30 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Die Menschen protestierten gegen eine bevorstehende „von Tür zu Tür“-Volkszählung, so dass das BVerfG auf Antrag im Eilverfahren das Bundesgesetz zur Volkszählung (Volkszählungsgesetz 198331) für verfassungswidrig erklärte und im Zuge dieser Entscheidung den Grundstein für den Datenschutz legte.32 Das Datenschutzrecht hat vermeintlich die Aufgabe, personenbezogene Daten zu schützen, doch vor allem dient es dem Schutz der dahinterstehenden natürlichen Personen. Sinn und Zweck ist es, diese persönlichen Informationen vor Missbrauch zu schützen. Nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO handelt es sich bei personenbezogenen Daten, um „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angese26 Altman, The enviroment and social behavior (1975), S. 50; Altman, Journal of social issues (1977), S. 67. 27 Westin, Privacy and Freedom (1967); Trepte, Gutachten im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, Datenschutz (2012), S. 60. 28 Trepte, Gutachten im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, Datenschutz (2012), S. 60. 29 Grundlegend hierzu Schertz/Höch, Privat war gestern (2011); Schertz, NJW 2013, 721 ff. 30 BVerfGE 65, 1, 41 – Volkszählung. 31 Gesetz über eine Volks-, Berufs-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung (Volkszählungsgesetz 1983) vom 31. März 1982, BGBl. 1982 I, 369. 32 Ausführlich dazu BVerfGE 65, 1 – Volkszählung.

20

A. Einführung

hen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann“. Gemeint ist damit jede Information, die eine Person identifizierbar macht – wie ihr Name, ihre Handynummer oder ihre IP-Adresse.33 Ein „Verarbeiten“ dieser Daten kann nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO in den verschiedensten Formen erfolgen: „Das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“. Folglich ist fast jeder Umgang mit personenbezogenen Daten als eine Datenverarbeitung einzuordnen. Das Sammeln von Daten oder sogar das Erstellen von ganzen Datenprofilen berühren die Sphäre der eigenen Persönlichkeit in einem erheblichen Maße, so dass tendenziell immer eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte einhergeht. Die Grundprinzipien des Datenschutzrechts basieren auf Datensparsamkeit und -minimierung, Transparenz der Datenverarbeitung, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt34, konkreter Zweckbindung, Richtigkeit der Daten, zeitlicher Speicherbegrenzung und Rechenschaftspflicht des Verarbeiters gegenüber den Betroffenen, um so ihre Rechte zu wahren.35 2. Mediale Tätigkeit als Oxymoron im datenschutzrechtlichen Kontext Dieses Streben nach einem sehr begrenzten Datenaustausch kollidiert mit der journalistischen Tätigkeit. Besonders problematisch und diskussionswürdig ist hierbei das sehr hohe Gefährdungspotential beim Umgang mit den personenbezogenen Daten durch Medienakteure. Ihr Berufsethos beruht auf Datenvielfalt und zielt auf eine Datenveröffentlichung ab. Es geht um konkrete Daten für eine authentische und nachvollziehbare Berichterstattung. So ist etwa bei der Zeitungsberichterstattung erforderlich, die Betroffenen möglichst mit dem vollständigen Namen zu nennen und die konkreten Lebensumstände näher zu beschreiben. Ebenso sind bei Fernsehreportagen personenbezogene Daten wie der Name, das Alter, die Herkunft des Betroffenen für die Berichterstattung essenziell. Denn journalistische Arbeit bedeutet immer auch Datenerhebung- und Verarbeitung, ob mittels eines durchgeführten Interviews oder durch eine Recherche in Datenbanken und Archiven. Die mediale Arbeit ist ihrem Wesen nach gegenläufig zu den datenschutzrechtlichen Interessen. 33

Schmid-Petersen/Lörz, IPRB 2020, 72. Im europäischen Datenschutzrecht ist grundsätzlich jede Erhebung, Verarbeitung und Speicherung personenbezogener Daten verboten, es sei denn, sie ist erlaubt. 35 Frenzel, in: Paal/Pauly (2018), DS-GVO, Art. 5 Rn. 1. 34

I. Problemaufriss

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In erster Linie dient die mediale Arbeit der Informationsaufbereitung und -verbreitung in der Öffentlichkeit. Medien übernehmen damit eine wesentliche Funktion in der demokratischen Gesellschaft. Sie haben die öffentliche Aufgabe zur Berichterstattung (§ 3 Muster-PresseG). Für das Zugänglichmachen von Informationen bedienen sie sich verschiedener Kanäle. Im Bereich der Presse tritt neben die ursprüngliche Printausgabe ein weiteres Angebot hinzu, wonach diese Informationen zusätzlich digital im Internet zum Abruf bereitgestellt werden. Einige Angebote werden sogar ausschließlich online angeboten ohne eine Akzessorietät zu einem Printprodukt. Die mediale Reichweite beschränkt sich nicht mehr nur auf die traditionellen Verbreitungswege, sondern weitet sich zunehmend auf das Internet und neue Kommunikationsplattformen aus. War die Medienlandschaft bis vor kurzem durch die klassischen Medienarten „Rundfunk“ und „Presse“ geprägt, hat sich das Spektrum durch die anwachsenden Neuen Medien erheblich erweitert. Als Folge dieser Entwicklung vollzieht sich ein Strukturwandel. Ursprünglich war es nur den klassischen Medien vorbehalten, eine große Öffentlichkeit zu erreichen. Das damit verbundene Meinungsbildungsmonopol der traditionellen Medienakteure ist im Hinblick auf den veränderten Kommunikationsprozess überholt. Der öffentliche Diskurs hat sich diversifiziert. Eine strikte Trennung der rechtlich kategorisierten Mediengattungen von Rundfunk und Presse führt in der Praxis zu Schwierigkeiten. Dieses Phänomen der zunehmenden Verschmelzung von Mediengattungen (Medienkonvergenz36) bringt neue rechtliche Fragestellungen mit sich. Neben dem professionellen Berufsjournalismus etablieren sich neue Medienformen. Vermehrt nehmen journalistische Laien oder auch Bürgerjournalisten im Internet Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Die einst dem professionellen Journalismus zugeschriebene „Gatekeeper-Funktion“37 wird durch die grenzenlose Möglichkeit des ungefilterten Verbreitens durch jedermann abgeschwächt. Mit der Berichterstattung können Publizisten wesentlichen Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess der breiten Masse ausüben. Folglich liegt im Umgang mit einer Fülle an Informationen ein gewaltiges Gefährdungspotential. Hinzukommt, dass die Etablierung von Suchmaschinen wie Google und weiteren Suchdiensten gegen Ende der 1990er dazu führt, dass Informationen dauerhaft zum Abruf bereit stehen. Journalisten sorgen dafür, dass die digitale Informationssammlung sich vergrößert, indem sie fortlaufend Informationen in das digitale System einspeisen. Daten, die einmal ins Word Wide Web gelangt sind, können nur mit einem erheblichen Aufwand wieder entfernt werden. Eine vollständige und umfängliche Löschung kann im Hinblick auf die grenzenlosen Verbreitungs- und Kopiermöglichkeiten nicht gewährleistet werden und liegt außerhalb des Kontrollierbaren. 36 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 46 m. w. N.; ders., Konvergente Medien (2014), S. 12 ff., 21 ff.; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 Rn. 61. 37 Übersetzt ist damit eine „Torwächter-Funktion“ gemeint; siehe Pürer, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (2014), S. 134.

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A. Einführung

Schutz genießen die Medien in ihrer Arbeit zum einen durch Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und zum anderen durch die deutsche Verfassung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Medienfreiheit zielt darauf ab, die ungehinderte Ausübung der Tätigkeit von Rundfunk, Presse und anderen Medien zu gewährleisten. Vom Schutzumfang erfasst ist neben den Individualgrundrechten auch die Institution der freien Presse als solche.38 Diese institutionelle Garantie der Presse dient der Unabhängigkeit der journalistischen Berichterstattung – insbesondere vor staatlicher Beeinflussung. Das Bestehen einer unabhängigen und freien Presse ist unerlässlich in einer funktionierenden Demokratie.39 Das BVerfG betont wiederholend, dass die Pressefreiheit „konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ ist.40 Trotz des hohen Rangs der Medienfreiheiten wird ihr Schutz jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung agiert die Medienbranche in einem neuen Machtbereich, der zunehmend andere verfassungsrechtliche Schutzbereiche tangiert. Als eine der neueren Begrenzungen der Medienarbeit sind daher auch die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu qualifizieren. Im Europarecht findet das Datenschutzrecht im weitesten Sinne seine Legitimation im Art. 8 EMRK, Art. 16 AEUV, Art. 7 und 9 GRCh. Im Grundgesetz gibt es kein ausdrückliches Recht auf Datenschutz. Ausgehend von der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG leitet das BVerfG das eigens entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab.41 Nach der Rechtsprechung umfasst der Schutzbereich „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“.42 Nicht zuletzt wird durch die jüngste Rechtsprechung des BVerfG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter gestärkt.43 3. Aktuelles Medienprivileg Dieses Aufeinandertreffen zweier Rechtspositionen, die jeweils für sich genommen, essenziell für den Schutz eines bestimmten Rechtsguts sind, fordert ein rechtsklares und funktionsfähiges Ausgleichskonzept. So ist es unklar, warum es bisher keine ausdifferenzierte und vor allem keine einheitliche Regelung im Bezug auf datenschutzrechtliche Vorschriften für den Umgang mit personenbezogenen Daten zu journalistischen Zwecken gibt. Dieser notwendige Ausgleich wird in der juristischen Literatur unter dem Begriff des „datenschutzrechtlichen Medienprivi-

38 39 40 41 42 43

Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 271. BVerfGE 52, 283, 296; 66, 116, 133 – Springer/Wallraff. BVerfGE 107, 299, 329; 117, 244, 258 – Cicero. BVerfGE 65, 1, 41 – Volkszählung. BVerfGE 65, 1, 41 – Volkszählung. BVerfG, NJW 2020, 300 – Recht auf Vergessenwerden I.

I. Problemaufriss

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legs“ debattiert.44 Diese Kontroverse ist als solche nicht neu, gewinnt aber durch die Herausforderungen der gesellschaftlichen und technischen Gegenwart immer mehr an Relevanz und Beachtung. Bereits seit dem ersten Inkrafttreten einer Datenschutzregelung hat der Gesetzgeber in Deutschland mehrfach versucht, eine Anpassung der Gesetzeslage für einen angemessenen Ausgleich zwischen den beiden Rechtspositionen vorzunehmen. Wegen jüngster Novellierungsverfahren ist das Problem des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs gegenwärtig ein vieldiskutiertes und strittiges Thema. Auslöser für ein erneutes Überdenken und ein intensiveres Bewusstsein ist die seit dem 25. Mai 2018 in Kraft getretene DS-GVO. Mittels der unmittelbar geltenden Verordnung erhält Deutschland einen Handlungsauftrag in Art. 85 DS-GVO, wonach Ausnahmen und Abweichungen von den datenschutzrechtlichen Regelungen erlassen werden dürfen, sofern es für ein Ineinklangbringen der Grundrechte erforderlich ist. Das Aufeinandertreffen zweier grundlegend kollidierender Schutzgüter liegt in der Natur der Sache und ist mithin nicht zu verhindern @ ein Grundkonflikt, der in jeder demokratischen Grundordnung existiert. Dieses Phänomen bedarf einer rechtlichen Würdigung und muss im Lichte des Zeitgeistes von Zeit zu Zeit hinterfragt und angepasst werden. Der fortlaufende technische Entwicklungsfortschritt gebietet es dem Gesetzgeber mit hoher Dringlichkeit, eine gestalterische Lösung zu finden, um das Spannungsverhältnis zweier grundlegender Interessensgegensätze aufzulösen. Die Bereichsausnahme steht dadurch erneut auf dem Prüfstand. Prinzipiell bedarf es einer Neujustierung der Gewichtungen der Medienfreiheit und des Persönlichkeitsrechts und einer Auflösung des Spannungsverhältnisses im Wege der praktischen Konkordanz. Ausgelöst durch den Geltungsbeginn der DS-GVO wurden in den europäischen Mitgliedstaaten einige Anpassungen vorgenommen. Besonders in Deutschland ist die bestehende Rechtslage kompliziert. Die „Zersplitterung“ des rechtlichen Rahmengefüges bedingt durch das Festhalten an alten Strukturen wie den Mediengattungen oder die föderalen Entscheidungskompetenzen führen zu einem unübersichtlichen und wenig anwenderfreundlichen Rechtsrahmen. Der Gesetzgeber war veranlasst, die medienspezifischen Datenschutzvorschriften an die neuen europäischen Vorgaben anzupassen. Auf Bundesebene finden sich in §§ 12, 23 des Medienstaatsvertrags (MStV) Regelungen für einzelne Medienakteure; zusätzlich gestaltet jedes Bundesland darüber hinaus eigene Vorgaben zur Ausformung des Privilegs in seinen Pressegesetzen.45 Neben die normative Säule des gesetzlichen Rahmens tritt die Möglichkeit, sich freiwillig dem Pressekodex des Deutschen Presserates zu unterwerfen, um eine Umgehung des datenschutzrechtlichen Haftungsregimes zu erzielen und die sonst 44

202. 45

burg.

Dazu u. a. Cornils, ZUM 2018, 561; Lauber-Rönsberg, ZD 2014, 177; Wolff, AfP 2020, Beispielweise § 12 Pressegesetz in Baden-Württemberg und § 5 Pressegesetz in Ham-

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A. Einführung

drohenden Sanktionen zu vermeiden. Bisher kann allerdings nur ein sehr ausgewählter Adressatenkreis von diesem Konzept profitieren. Es sollte hinterfragt werden, ob es gerechtfertigt scheint, einige Publizisten von der freiwilligen Selbstregulierung auszuschließen. Zudem drängt sich die Frage auf, ob es im Hinblick auf den steigenden Bedeutungszuwachs des Datenschutzrechts tragfähig scheint, die Sonderstellung einiger Medientätigen auf sanktionslose Verhaltenskodizes zu stützen. Im Rahmen der publizistischen Tätigkeiten genießen Medienakteure – wie eingangs geschildert – eine Art Sonderrolle bei der Datenverarbeitung von persönlichen Daten. Daraus resultiert eine Freistellung von den überwiegenden datenschutzrechtlichen Vorschriften für die Medienschaffenden zum Beispiel des Rundfunks, der gedruckten Presse, im TV und der Telemedien (Webseiten-Betreiber). Von der Recherche bis hin zur Veröffentlichung und schließlich sogar beim Archivieren der Informationen sind Journalisten nahezu frei, mit den Daten nach ihrem Belieben zu verfahren, solange ihre Datenerhebung dem journalistischen Zweck dient. Diese Zweckbindung dient als Anknüpfungspunkt für das Bejahen der Privilegierung und der damit folgenden Nichtanwendbarkeit der Datenschutzvorschriften. Der Gesetzgeber geht dabei nach wie vor von einem klassisch-redaktionell arbeitenden Journalisten aus und das in einem Zeitalter, in dem viele als Freie oder in anderen Modellen arbeiten. Dieses zugrunde liegende Vorstellungsbild reflektiert allerdings nicht die mediale Wirklichkeit. Denn vielfach werden Medien durch digitalen Online-Journalismus wie zum Beispiel durch Blogs, durch Videos oder durch Tweets (kurze Mitteilungen auf Twitter) ergänzt. Vor diesen neuen Formen des Journalismus scheint der Gesetzgeber noch die Augen zu verschließen und sorgt damit für Rechtsunsicherheit. Für einige Bereiche der kommunikationsrelevanten Datenverarbeitung herrschen daher erhebliche Regelungsunklarheiten. Die Anwendbarkeit des Privilegs wirkt derart willkürlich, dass oft unsicher ist, wann welche Beteiligten in zulässiger Weise von der medienspezifischen Bereichsausnahme profitieren. Vor allem besteht Unsicherheit darüber, in welchem Umfang die nationale Abweichungsbefugnis im Sinne von Art. 85 DS-GVO besteht. Mangels einer gerichtlich eindeutigen Entscheidung des EuGH ist die systematische Einordnung von Art. 85 DS-GVO maßgeblich für die zukünftige Gestaltungsweise des Schutzrahmens für den Kommunikationsprozess. Inwiefern die gesetzgeberische Herangehensweise mit der aktuellen Situation vereinbar ist, welche Medienbeiträge vom Datenschutz freigestellt werden sollten und wie sich einerseits Kommunikationsinteressen und andererseits Datenschutzinteressen in Einklang bringen lassen, gilt es zu klären. Besonders im Zeitalter der digitalen Transformation und der zunehmenden Einflussmöglichkeiten der Medienbranche muss die medienspezifische Privilegierung hinterfragt werden. Die dabei relevanten juristischen Fragestellungen sollen in dieser Dissertation herausgearbeitet werden.

I. Problemaufriss

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4. Forschungsstand Literatur und Rechtsprechung haben sich mit dieser Frage bisher im Hinblick auf die aktuellen Gegebenheiten nur unzureichend in ihrer Gesamtheit beschäftigt. Zwar lassen sich bereits einige Arbeiten dazu verzeichnen, allerdings können diese Beiträge nicht auf alle Rechtsfragen vollumfänglich eingehen. So beschäftigte sich Cornils kürzlich mit der Teilfrage, ob das datenschutzrechtliche Medienprivileg einer Behördenaufsicht unterliegt.46 Dabei wird der unionsrechtliche Rahmen für die Anpassung der medienrechtlichen Bereichsausnahmen an die EU-DatenschutzGrundverordnung untersucht und kritisiert. Im Kern plädiert Cornils dafür, dass es trotz des Geltungsbeginns der DS-GVO keine datenschutzrechtliche Aufsicht über die Presse geben könne. Bei seiner Untersuchung konzentriert er sich überwiegend auf dieses Ausschnittproblem und behandelt das Medienprivileg nicht in seiner Gesamtheit. Zudem veröffentlichte Cornils im Jahr 2018 einen Aufsatz unter dem Titel „Der Streit um das Medienprivileg“.47 Er kritisiert die deutschen Novellierungsverfahren anlässlich des Inkrafttretens der DS-GVO und bemängelt die europäische Kompetenz zur Regelung des Medienprivilegs. Eine tiefgehende und umfassendere Untersuchung war im Rahmen dieses Aufsatzes nicht erreichbar. Im Beitrag „Bewertungsportale und das Medienprivileg – Neue Impulse durch Art. 85 DS-GVO?“ beleuchtet Michel, ob die Reichweite des Art. 85 DS-GVO auch sogenannte Bewertungsportale als Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken einschließt und letztlich privilegiert.48 Er geht dabei ähnlich wie Cornils auf das Verhältnis beider Absätze des Art. 85 DS-GVO zueinander ein. Seinen Fokus legt er auf die Einordnung der Bewertungsportale unter dem „Journalismus“-Begriff. Eine umfassende Beleuchtung des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs kann in diesem Beitrag nicht geleistet werden. Ebenso konzentriert sich Michel in einem weiteren Aufsatz auf die Reformbedürftigkeit der Bereichsausnahme speziell für Bloggerinnen.49 In einem aktuelleren Aufsatz beschäftigt sich Wolff mit den „Garantien des Medienprivilegs der DSGVO in Europa“.50 Den Schwerpunkt setzt er auf die systematische Einordnung der Öffnungsklausel Art. 85 DS-GVO sowie auf die europarechtskonforme Umsetzung. Ebenso versuchen Weberling und Bergann in ihrem gemeinsamen Aufsatz, aktuelle Fragen der Umsetzung des Medienprivilegs zu erörtern.51 In einem weiteren Aufsatz konzentriert sich Nettesheim auf die Reichweite des Medienprivilegs und geht dabei insbesondere auf Art. 85 Abs. 1 DS-GVO ein.52 46 47 48 49 50 51 52

Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018). Cornils, ZUM 2018, 561. Michel, ZUM 2018, 836. Michel, AfP 2019, 490. Wolff, AfP 2020, 202. Weberling/Bergann, AfP 2019, 293. Nettesheim, AfP 2019, 473.

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A. Einführung

Kahl veröffentlichte einen Aufsatz unter dem Titel „Neue Regeln für Journalisten: Das datenschutzrechtliche Medienprivileg“.53 Dabei geht er überblicksartig auf bestehende datenschutzrechtliche Pflichten und etwaige Befreiungen aus datenschutzrechtlicher Sichtweise ein. Zudem gingen Kahl und Piltz der Frage nach, wer „Vorfahrt“ hat: der Datenschutz oder die Meinungs- und Pressefreiheit.54 Sie befassen sich mit den Abweichungsbefugnissen der Mitgliedstaaten nach der DSG-VO und dem gesetzgeberischen Anpassungsbedarf im nationalen Recht. In einer weiteren Untersuchung widmen sich Albrecht und Janson der Problematik rund um die grundrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten beim Ausfüllen der DSGVO-Öffnungsklauseln.55 Eine tiefgründige Ausarbeitung der Thematik findet jedoch nicht statt. Weitere Aufsätze tangieren ebenfalls nur Teilaspekte des Medienprivilegs, so zum Beispiel Rombey über die Geltung des Medienprivilegs für Youtuber56 oder Soppe über die Bereichsausnahme speziell bei der verlagsspezifischen Tätigkeit57. In seiner Dissertation „Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht“ versucht Thomale erstmals einen Ausgleich zwischen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Grundrecht auf Medienfreiheit auf der nationalen Ebene zu schaffen.58 Insbesondere untersuchte er die Regelungskonzeption von § 41 BDSG a. F. und von § 38a BDSG a. F., mit dem Resultat der Europa- und Verfassungsrechtswidrigkeit.59 Beide Normen sind seit des Inkrafttretens der DS-GVO und der entsprechenden Novellierungen auf nationaler Ebene in dieser Form nicht mehr existent, so dass seine Untersuchung auf einer überholten Rechtslage basiert. Eine weitere Befassung mit der Thematik stammt von Neunhoeffer in ihrer Dissertation mit dem Titel: „Das Presseprivileg im Datenschutz“.60 Bei dieser rechtsvergleichenden Betrachtung versuchte sie, die Pressefreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang zu bringen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen für die Rechte der Betroffenen bestehen. Den Fokus legte die Verfasserin auf die Herausarbeitung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem deutschen und dem englischen Recht. Zudem ist die Untersuchung der Bereichsausnahme auf die Presse beschränkt. Ebenso veröffentlichte Lazarakos seine Dissertation im Jahr 2003 mit dem Titel „Das datenschutzrechtliche Medienprivileg: Presseprivileg bei Multimediaanwendungen in Deutschland, Griechenland und Großbritannien unter dem Einfluss des 53

Kahl, DSB 2019, 9. Kahl/Piltz, K&R 2018, 289. 55 Albrecht/Janson, CR 2016, 500. 56 Rombey, ZD 2019, 301. 57 Soppe, ZUM 2019, 467. 58 Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006). 59 Roßnagel, in: Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht von Thomale (2006), S. VIII. 60 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005). 54

II. Gang der Untersuchung

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Europarechts“.61 Bei der rechtsvergleichenden Abhandlung geht der Verfasser nicht vertieft auf die rechtlichen Problematiken der deutschen Rechtslage ein, vielmehr geht es um einen abstrakten Vergleich der drei Länder. Der Schwerpunkt der bisher veröffentlichten monografischen Betrachtungen liegt in Teilbereichen des Medienprivilegs im Datenschutzrecht. Einige Autoren beschränkten das Privileg der Medienschaffenden nur auf das Presserecht, andere wiederum untersuchten nur spezielle Einzelfragen. Nur eine monographische Untersuchung62 beschäftigte sich bisher umfassend mit dem Privileg der Medienakteure im deutschen Datenschutzrecht, jedoch basierend auf einer veralteten Rechtsgrundlage und mit Schwerpunktsetzung auf der verfassungsrechtlichen Verankerung und weniger eingehend auf datenschutzrechtliche Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund gibt es bisher keine monographische Abhandlung unter Berücksichtigung der Aktualität und der tatsächlichen Medienrealität. Der Druck auf das Konstrukt „Medienprivileg“ ist seit der in Kraft getretenen DS-GVO erheblich gestiegen.

II. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit will die beschriebene Forschungslücke schließen und in einer umfassenden Untersuchung alle für die Medienakteure maßgeblichen rechtlichen Fragestellungen innerhalb des Datenschutzrechts herausfiltern, untersuchen, bewerten und nötigenfalls Reformbedürfnisse und Verbesserungsvorschläge aufzeigen. Vom Untersuchungsumfang auszuklammern ist die Problematik rund um die Veröffentlichung von Personenbildnissen zu journalistischen Zwecken wegen ihrer inzwischen wohl geklärten Rechtslage.63 Nach dem ersten einleitenden Kapitel (A.) soll im zweiten Abschnitt (B.) die historische Entwicklung des Medienprivilegs dargestellt werden. Für eine erste sachgerechte Einordnung der Thematik wird die geschichtliche Einbettung überblicksartig aufgearbeitet und chronologisch aufbereitet. Zur besseren Nachvollziehbarkeit der einzelnen Entwicklungsstadien des Privilegierungskonzepts wird zwangsläufig auf die Entwicklung des Datenschutzes eingegangen und damit im Wesentlichen der Ursprung des Spannungsverhältnisses aufgezeigt. Das nachfolgende dritte Kapitel (C.) dient dazu, die rechtlichen Rahmenbedingungen des aktuellen Medienprivilegs in strukturierter Form darzulegen. Dazu soll ein Überblick über die zersplitterte Rechtslage geschaffen werden. Beginnend auf 61

Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003). Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006). 63 Vgl. BGH, MMR 2021, 152; OLG Köln, ZD 2018, 434 m. Anm. Hoeren; LG Frankfurt a. M., BeckRS 2019, 20774 Rn. 61; dazu umfassend Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter (2021); Engels, in: BeckOK UrhR, 32. Ed. (2021), KunstUrhG § 22 Rn. 10a ff., § 23 Einleitung; Gounalakis, NJW 2020, 3692; Krüger/Wiencke, MMR 2019, 76; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057; Raji, ZD 2019, 61; Specht/ Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 13 ff.; Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, 578. 62

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A. Einführung

der Ebene des unionalen Rechts sollen die grundlegenden Einflüsse auf das Medienprivileg geklärt werden. Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen wird vor allem die Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO sein. Hierbei ist die systematische Einordnung der Norm von zentraler Bedeutung für die Untersuchung. Neben der DSGVO sollen alle weiteren relevanten nationalen Vorgaben auf bundes- und landesrechtlicher Stufe für die Ausnahmeregelung aufgezeigt werden. Im Fokus der Untersuchung stehen die einzelnen Bestimmungen der deutschen Bundesländer, deren Vorgaben vergleichend gegenübergestellt werden sollen. Neben der normativen Säule soll zudem die Möglichkeit zur Selbstregulierung in Form der Unterwerfung unter den Deutschen Pressekodex des Deutschen Presserates Beachtung finden. Nachdem ein Überblick über die verschiedenen rechtlichen Regelungen erarbeitet wurde, wird im darauffolgenden vierten Teil (D.) die personelle Reichweite der Privilegierungsvorschriften erörtert. Im Kern soll die Frage geklärt werden, wer unter den Anwendungsbereich des Medienprivilegs fällt. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Verständnis von Journalismus, das im Hinblick auf den bestehenden medialen Strukturwandel und den zunehmenden Prozess der Verschmelzung traditioneller Medienformen zu hinterfragen ist. Besonders ist die Begriffsgruppe „journalistischer Zweck“ sowohl aus unionaler als auch aus nationaler Perspektive zu beleuchten und bestehende Divergenzen herauszuarbeiten. In einem nächsten Schritt werden ausgewählte Meinungsmultiplikatoren unter den bisherigen deutschen Rechtsrahmen subsumiert. Dabei soll verdeutlicht werden, inwiefern sich der europäische Anwendungsbereich von den nationalen Konzepten unterscheidet und welcher Adressatenkreis in Deutschland konkret von der Sonderstellung profitiert. Ob es zeitgemäß scheint, neue Medienformen außerhalb des professionellen Journalismus den strengen Voraussetzungen des Datenschutzrechtes zu unterwerfen, gilt es herauszufinden, sowie welche Kommunikationstätigkeiten als schützenswert erachtet werden sollten. Im fünften Kapitel (E.) wird die verfassungsrechtliche Konfliktlage aufgearbeitet. Bedeutsam dafür ist die Rekapitulation der kollidierenden Grundrechtspositionen. Das übergeordnete Ziel ist es, einen Ausgleich zwischen den Kommunikationsinteressen einerseits und den Datenschutzinteressen andererseits herzustellen. Das Verhältnis der beiden aufeinandertreffenden Grundrechte wird problematisiert und das Konstrukt der mittelbaren Drittwirkung erläutert. Zudem wird für das Auflösen des Spannungsverhältnisses auf die Systematik der praktischen Konkordanz hingewiesen. Im sechsten Kapitel (F.) wird die Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit den unionalen Vorgaben überprüft. Es soll der Fragestellung nachgegangen werden, wie sich das Privilegierungskonzept in den datenschutzrechtlichen Rechtsrahmen einfügt. Zentral ist dabei die Frage, inwiefern die nationale Umsetzung europarechtskonform erfolgte. Darauf beruhend sollen für eventuell bestehende Kohärenzprobleme entsprechende Reformbedürfnisse aufgezeigt werden.

II. Gang der Untersuchung

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Mit dem siebten Kapitel (G.) soll die Untersuchung inhaltlich abgeschlossen werden. In diesem Kapitel werden die entsprechenden Lösungsvorschläge für die bestehenden Reformbedürfnisse vorgestellt. Im achten und letzten Kapitel (H.) werden die Kernaussagen zusammenfassend in einem Fazit und die Essenz der wissenschaftlichen Untersuchung in Thesen formuliert.

B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext Das Medienprivileg hat bereits eine nicht unbeachtliche historische Entwicklung erfahren und überlebte eine Vielzahl von Novellierungsverfahren. Gesetzgeberische Versuche das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Medienfreiheit auszubalancieren, mündeten letztlich im sogenannten „datenschutzrechtlichen Medienprivileg“. Das Verhältnis der konträren Schutzgüter zueinander konnte zu keinem Zeitpunkt endgültig geklärt werden. Der fortwirkende offene Entwicklungsprozess sorgt dafür, dass ein Stillstand des Interessenskonflikts im andauernden dynamischen Wandel von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nahezu unmöglich ist. Die Geschichte des Medienprivilegs im Datenschutzkontext erfordert somit eine Aufarbeitung der Geschichte des Datenschutzrechts als eine zwangsläufige Begleiterscheinung für ein umfassendes Verständnis. Wegen der mehrdimensionalen Systematik des Medienprivilegs innerhalb des Datenschutzrechts, die nicht nur auf einer einzigen gesetzlichen Grundlage beruht, sollen die europarechtlichen Einflüsse und die Änderungen auf Bundesebene schwerpunktmäßig berücksichtigt werden. Auf landesrechtlicher Ebene wird vor allem auf Hessen wegen seiner pionierähnlichen Stellung repräsentativ für alle deutschen Bundesländer im Bereich des Datenschutzrechtes Bezug genommen.

I. Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Die Ursprünge des Datenschutzrechts 1. Erstes Hessisches Datenschutzgesetz 1970 Der Grundstein des heutigen Datenschutzrechts wurde bereits im Jahr 1970 im Land Hessen in der Bundesrepublik Deutschland mit der erstmaligen Verabschiedung eines Datenschutzgesetzes (HDSG) gelegt.1 Hessen erkannte die zukünftige Notwendigkeit des Schutzes der persönlichen Daten für einen umfänglichen Persönlichkeitsrechtsschutz und war mithin anderen deutschen Bundesländern weit voraus.2 Auslöser waren zu dieser Zeit „Gedankenströme“ aus den USA bezüglich

1 2

Hessisches Datenschutzgesetz vom 07. Oktober 1970, GVBl. I, S. 625. K. Möller, in: Hassemer/Möller, 25 Jahre Datenschutz (1996), Begrüßung, S. 10 ff.

I. Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Ursprünge des Datenschutzrechts

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einer bevorstehenden Gefährdungslage für die Privatsphäre.3 In den 1960ern beabsichtigte die amerikanische Regierung, eine Behörde zu errichten, um ihre Staatsbürger mangels eines flächendeckenden Melderegisters amtlich registrieren zu lassen. Dieses Datenzentrum sollte für eine bessere staatliche Informationslage sorgen, wurde aber vom Kongress mit dem Argument abgelehnt, dass dieses Datenzentrum als Eingriff in das „right to be let alone“4 zu werten ist.5 Erst im Jahr 1974 wurde im amerikanischen Raum mit dem Privacy Act ein rechtliches Gerüst für die Datenverarbeitung geschaffen.6 Das Datenschutzgesetz aus Hessen gilt somit als das älteste formelle Datenschutzgesetz der Welt.7 Eine prägende Errungenschaft erreichte Hessen zugleich mit der Schöpfung des Begriffs „Datenschutz“, bei der sich der Landesgesetzgeber bewusst von der amerikanischen Begrifflichkeit „privacy“, also der „Privatsphäre“, abwendete.8 Das Bundesland Hessen und seine damaligen Verantwortlichen zählen wegen ihrer großen Bemühungen zu den Pionieren auf dem Gebiet des Datenschutzes.9 Der Anwendungsbereich des hessischen Datenschutzgesetzes galt zunächst ausschließlich für die maschinelle Datenverarbeitung der öffentlichen Verwaltung. Ein Grund dafür war das erstmalige Einsetzen von Computertechnik für das schnellere und abteilungsübergreifende Arbeiten im Staatsdienst in den 1970ern.10 Das Neuland der EDV-gestützten Datensammlung brachte neues Gefahrenpotential seitens des Staates mit sich mit der Folge, dass erste Regelungen geschaffen werden mussten. Personenbezogene Daten durften nur noch unter bestimmten Voraussetzungen verarbeitet werden. Das Gesetz umfasste lediglich 17 Paragraphen, die noch keine Sonderregeln für Medien oder andere bereichsspezifische Gruppen enthielten. Das Kernelement des hessischen Gesetzes war es, die kommunalen Behörden beim Datenumgang zu reglementieren und zu kontrollieren. Die Einführung eines unabhängigen Landesdatenschutzbeauftragten nach § 7 HDSG (1970), der die Kontrolle über das Einhalten

3 Westin, Privacy and Freedom (1967), Prologue, S. 1; Taeger, Datenschutzrecht (2014), Rn. 8. 4 Warren/Brandeis, The Right to Privacy, Harvard Law Review 4 (1890), 193 ff., abrufbar unter https://www.cs.cornell.edu/~shmat/courses/cs5436/warren-brandeis.pdf (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 5 v. Knoblauch, in: Leible/Kutschke, Der Schutz der Persönlichkeit im Internet (2013), S. 12. 6 Miller, Der Einbruch der Privatsphäre (1973), S. 29 ff.; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 1, S. 82; Taeger, Datenschutzrecht (2014), Rn. 8. 7 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, BDSG (2012), Einleitung Rn. 1. 8 Hessen LT-Drs. 6/3065, S. 7 ff. 9 In dieser Legislaturperiode war Albert Osswald (SPD) hessischer Ministerpräsident. 10 Kühnert, Tücken der Computer, FAZ vom 10. Juni 1969, abgedr. in: Hassemer/Möller, 25 Jahre Datenschutz (1996), S. 28; Wagner/Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), Syst. D Rn. 3; LfD Hessen, Tätigkeitsbericht (1972), S. 8, LT-Drs. 7/1495.

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

des Datenschutzrechts gewährleisten sollte, war ein bedeutsamer Schritt. Dieses Grundprinzip ist auch heute noch wesentlicher Bestandteil des Datenschutzrechts. 2. Erstes Bundesdatenschutzgesetz 1977 Nach der Weichenstellung des Landes Hessen und der Schaffung eines Bewusstseins für den Datenschutz erkannte auch der Bundesgesetzgeber das Bedürfnis, eine bundesweite Regelung zum Schutz der eigenen Daten einzuführen.11 Der schnell voranschreitende Entwicklungsstand der automatisierten Technik sorgte dafür, dass Zweifel an der Legalität dieser Verarbeitungstechnik der persönlichen Daten aufkamen.12 In einem Gutachten, dass das Bundesinnenministerium bereits 1970 zur Erarbeitung eines Datenschutzkonzepts in Auftrag gab, wurde die Notwendigkeit einer zu schaffenden gesetzlichen Regelung betont und Möglichkeiten für eine Umsetzung aufgezeigt.13 Dieses Gutachten diente als Grundlage für die Erstellung des Regierungsentwurfes und damit schließlich dem ersten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG (1977)).14 Am 1. Januar 1979 trat das Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung vollumfänglich in Deutschland in Kraft und es gelang dem Bundesgesetzgeber, die groben Grundsätze des heutigen Datenschutzrechts flächendeckend einzuführen.15 a) Allgemeine Regelungen Das Gesetz war mit einem Umfang von fünf Kapiteln mit insgesamt 47 Paragraphen relativ überschaubar. Geregelt wurden allgemeine Inhalte des Datenschutzes, die Datenverarbeitung der Behörden und sonstiger öffentlicher Stellen wie Anstalten, Stiftungen und Körperschaften, die Datenverarbeitung auch für nichtöffentliche Stellen – differenziert nach dem Zweck der Verwendung – und die möglichen Straf- und Bußgelder bei Verstößen. Das Einbeziehen von nicht-öffentlichen datenverarbeitenden Stellen war für die damalige Zeit ebenso fortschrittlich wie bereits offensichtlich notwendig. Begründet war dies dadurch, dass auch in der Privatwirtschaft nach und nach moderne datenbasierte Verarbeitungstechniken zum 11 Deutscher Juristentag, Grundsätze für eine gesetzliche Regelung des Datenschutzrechtes, Bericht der Datenschutzkommission des Deutschen Juristentages (1974), abgedr. in: JZ 1974, 719 ff.; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 1. 12 Vor allem im öffentlichen Bereich war eine Automatisierung der Datenverarbeitungsvorgänge eine klare Folge des zunehmenden Informationsbedürfnisses der öffentlichen Verwaltung, die mit der veränderten Aufgabestruktur zu kämpfen hatte; ausführlich dazu Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 8. 13 Steinmüller/Lutterbeck/Mallmann et al., Grundlagen des Datenschutzrechtes, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums des Inneren (1971), BT-Drs. 6/3826, S. 6 ff.; Steinmüller, RDV 2007, 158; Tinnefeld/Buchner/Petri, Einführung in das Datenschutzrecht (2012), S. 68. 14 Taeger, Datenschutzrecht (2014), Einleitung Rn. 9. 15 Gesetz zum Schutz vor Missbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung, BGBl. 1977 I, S. 201.

I. Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Ursprünge des Datenschutzrechts

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Einsatz kamen wie zum Beispiel bei der Personalplanung.16 Bei den datenverarbeitenden Privaten wurde danach unterschieden, ob die Datenverarbeitung zu eigenen oder fremden Zwecken stattfand und je nachdem waren andere gesetzliche Vorgaben einzuhalten. Ein umfassender Schutz der Daten erforderte zudem das gesetzliche Verankern von notwendigen Hilfs- und Abwehrmechanismen für die von der Datenverarbeitung Betroffenen. So normierte der Gesetzgeber in § 4 BDSG (1977) sowohl einen Auskunftsanspruch als auch etwaige Berichtigungs-, Sperrungs- oder Löschungsansprüche. Das eingeführte Prinzip zur Bestellung eines Bundesdatenschutzbeauftragten in § 17 bis § 21 BDSG (1977) sicherte die Kontrolle über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im öffentlichen Sektor. Die nicht-öffentlichen Stellen waren verpflichtet, einen eigenen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, sobald sie mindestens fünf ständige Arbeitnehmer zu verzeichnen hatten. b) Bereichsspezifische Regelungen Bemerkenswert ist, dass gleich zu Beginn in § 1 Abs. 3 BDSG (1977) ein Privileg für die Medien erstmalig ausgestaltet war. In der Begründung der Regierung zum Medienprivileg wurde betont, dass „die Pressefreiheit bzw. Freiheit der Berichterstattung gewährleistet werden soll“.17 Inwiefern datenschutzrechtliche Regeln bei der Medienarbeit berücksichtigt werden mussten, stellte das Gesetz sehr eindeutig klar: Grundsätzlich galt die pauschale Nichtanwendung des Bundesdatenschutzgesetzes für die Medien. Die Formulierung des Medienprivilegs in der Fassung von 1977 im BDSG sah wie folgt aus: „Dieses Gesetz schützt personenbezogene Daten nicht, die durch Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse, des Rundfunks oder des Films ausschließlich zu eigenen publizistischen Zwecken verarbeitet werden; § 6 Abs. 1 bleibt unberührt.“

Diese pauschale Herausnahme aus dem Anwendungsbereich war auf das damalige Verständnis der Rechtsprechung zurückzuführen, wonach es bereits eine rechtlich hinreichende Struktur für Medien und ihre Verarbeitung von Daten gab.18 Folglich galt § 3 BDSG (1977) für Medien nicht, so dass das generelle Verbot der Datenverarbeitung sie nicht berührte, solange es ihrem Arbeitsauftrag zugeordnet werden konnte. Um dem Medienprivileg zu unterfallen, musste es sich als erstes um die „Verarbeitung personenbezogener Daten“ handeln. Personenbezogene Daten definierte das Gesetz in § 2 Abs. 1 BDSG (1977) als „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person“. Gemeint waren alle personenbezogenen Informationen, die von Pressejournalisten, 16 17 18

Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 7. BT-Drs. 7/1027, S. 22 ff. Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 62.

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

Rundfunkredakteuren und Filmemachern für ihre Arbeit in irgendeiner Form bei der Vorbereitung, der Herstellung bis hin zur Veröffentlichung und späteren Archivierung von Bedeutung waren. Bei Medienunternehmen spielten dabei besonders personenbezogene Daten in Form von Adressen eine große Rolle, da das Ausliefern an die Kunden und das Akquirieren der Anzeigenkunden überwiegend über den postalischen Weg ablief.19 Ungeachtet eines Differenzierens nach den unterschiedlichen Datenverarbeitungsphasen knüpfte das BDSG (1977) an den Vorgang der Verarbeitung an, der mit der Phase des Speicherns anfing.20 Weiter nannte das Gesetz den Kreis der Begünstigten, wer also letztlich von der Vorschrift profitierte. Es wurde eine Ausnahme für den Anwendungsbereich für die Datenverarbeitung von „(…) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse, des Rundfunks oder des Films (…)“ gemacht, ohne diese Begriffe aber gesetzlich zu definieren. Für das Verständnis des „Presseunternehmens“ musste auf die verfassungsrechtlichen Wertungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die Definitionen aus den Landespressegesetzen zurückgegriffen werden. Danach gehören zur Presse sämtliche Druckwerke, die „mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellt und zur Verbreitung“21 bestimmt sind – unabhängig von dem Inhalt oder der Qualität ihrer Veröffentlichung.22 Danach waren Presseunternehmen selbstständige Unternehmen, die Presseerzeugnisse herausgaben.23 Mit einbezogen waren beispielhaft Unternehmen, die Zeitungen, Zeitschriften, Broschüren und Bücher veröffentlichten oder Verleger und Herausgeber von Anzeigenblättern, amtlichen Mitteilungen und Adress- oder Telefonbüchern – letztere mit der zusätzlichen Voraussetzung, dass sie eine abgetrennte Organisationseinheit bildeten.24 Lange debattierten Fachkreise darüber, ob u. a. ein Verlag wirklich als „Presseunternehmen“ zu werten sei und mithin unter § 1 Abs. 3 BDSG (1977) falle, wie das OLG Saarbrücken in einem seiner Beschlüsse feststellte.25 Für die Bestimmung bezüglich des Begriffs „Hilfsunternehmen der Presse“ wurden die bereits bestehenden Wertungen der landesrechtlichen Pressegesetze herangezogen und somit war der Bezugspunkt des Geschäftszwecks in der ständigen 19

Wronka, WRP 1977, 621. Bull/Zimmermann, AfP 1978, 111, 112. 21 Beispielsweise § 7 LPG NRW oder § 7 LPG Saarland in der damaligen Fassung; BVerfGE 95, 28, 35; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 Rn. 89; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG (2000), Band 1, Art. 5 Rn 30. 22 BVerfGE 95, 28, 35; v. Lewinski, in: Auernhammer, DSGVO BDSG (2017), § 41 BDSG Rn. 14. 23 Wronka, WRP 1977, 621. 24 Walz, in: Simitis, BDSG (1995), § 41 Rn. 11. 25 OLG Saarbrücken, NJW 1981, 136, 138 m. Anm. Mallmann; Koch, FuR 1979, 415, 417; Hümmerich/Gola, NJW 1981, 1480, 1486. 20

I. Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Ursprünge des Datenschutzrechts

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Unterstützung der Presseunternehmen ausschlaggebend.26 Nennenswert waren damals Nachrichtenagenturen, Pressekorrespondenzen und Materndienste (Dienste zum Beliefern mit druckfertigem Redaktionsmaterial) – zusammenfassend also Unternehmen, die dauerhaft die presserechtlich Tätigen mit ihrer Arbeit unterstützten, da ohne ihr Mitwirken die Pressearbeit gefährdet sei. Für die privilegierten Bereiche des Rundfunks und Films war die Begriffsbestimmung unproblematisch: Anknüpfungspunkt war der Herstellungs- bzw. Verbreitungsweg. Die Gefahr der Kommerzialisierung von Datenbeständen war bei dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Rundfunkanstalten von vornherein schon nicht gegeben, da sie verfassungsrechtlich beschränkt war.27 Nicht von diesem Gesetz erfasst waren alle personenbezogenen Daten, die von den aufgezählten Medienakteuren zu „publizistischen Zwecken“ verarbeitet wurden. Der Gesetzgeber entschied sich für das Erfordernis dieser konkreten Zweckbindung bei der Verwendung der Daten zur Begrenzung des Medienprivilegs. Schließlich sollten nur die Daten privilegiert werden, die ausschließlich zu eigenen publizistischen Zwecken verarbeitet wurden. Eine Begriffsbestimmung gab der Gesetzgeber nicht mit an die Hand, so dass dem Wortlaut nach das Begriffspaar weit ausgelegt werden konnte: Danach war die Datenverarbeitung zu einem publizistischen Zweck fast immer einschlägig, da alle verwendeten Daten in einem medialen Unternehmen im entfernten Sinne letztlich das Ziel des Publizierens verfolgten. Geschützt waren alle Phasen der publizistischen Tätigkeit nach dem formellen Pressebegriff „von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen“28, folglich waren auch gespeicherte Daten in Mediendatenbanken der Presse, des Rundfunks und des Films miteinbezogen.29 Verarbeitungen, die zusätzlich anderen Geschäftszwecken dienten oder allein dem administrativ-kommerziellen Bereich wie zum Beispiel der Personalorganisation zuzuordnen waren, wurden nicht vom Medienprivileg erfasst.30 Entsprechend der historischen Auslegung konnte begründet werden, dass Daten nur dann zu publizistischen Zwecken verarbeitet wurden, wenn sie dem journalistischredaktionellen Kernbereich zuzuordnen waren.31 Die Vorschrift § 6 Abs. 1 BDSG (1977) dagegen war die einzige datenschutzrechtliche Vorschrift, die seitdem auf die Medienakteure Anwendung fand. Es 26

Beispielhaft § 7 Abs. 2 Hamburgisches Pressegesetz. Hendriks, FuR 1979, 407. 28 BVerfGE 10, 118, 121; Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 62. 29 Garstka, JZ 1978, 507. 30 Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 62; Garstka, JZ 1978, 507. 31 Wronka, WRP 1977, 621, 622; Bergmann/Möhrle, Datenschutzrecht (1977), § 1 Rn. 7; Simitis, NJW 1977, 729, 733; Bull, FuR 1979, 118, 119; Schweinoch/Weigert, FuR 1979, 403, 405. 27

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

handelte sich um eine Bestimmung zur Datensicherheit, die das Mediensubjekt verpflichtete, technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der gesammelten Daten zu treffen und zu gewährleisten. Dieses Verständnis zur Sicherung der Daten liegt auch dem heutigen Medienprivileg noch zu Grunde. Für diese privilegierten Daten gab es nicht die datenschutzrechtlichen Kontrollmechanismen wie etwaige Auskunfts-, Berichtigungs- oder Löschungspflichten wie für die anderen personenbezogenen Daten, weshalb besonders die Verpflichtung zur Sicherung aus § 6 Abs. 1 BDSG (1977) von Bedeutung war.32 c) Kritik Dem neugefassten BDSG (1977) wurde im gleichen Atemzug mit seiner Verabschiedung eine nicht unbeachtliche Skepsis entgegengebracht.33 Von allen Seiten und sogar aus den eigenen Reihen des Bundesministeriums des Inneren34 hagelte es Kritik, so dass das BDSG (1977) lediglich als „erster Einstieg“ in das gesetzgeberische Neuland gewertet werden konnte.35 Die Forderung nach einer Reform wurde mithin schon seit den Anfängen deutlich signalisiert.36 Besonders für das Medienprivileg wurde eine bereichsspezifische Regelung als notwendig erachtet und einige Änderungen als vorzugswürdig angesehen.37 Die Privilegierung der Massenmedien stieß auf ein Unverständnis unter der Berücksichtigung, dass der Gesetzgeber es nicht schaffte, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen.38 Die grundlegende Privilegierung gerade im medienspezifischen Bereich wurde wegen des besonders hohen Gefährdungspotentials für die Persönlichkeitsrechte kritisch beäugt.39 3. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1978 Mit dem ersten landesrechtlichen Novellierungsverfahren im Jahr 1978 passte Hessen sich den Entwicklungen auf Bundesebene an. Das novellierte Gesetz trat am 32

Garstka, JZ 1978, 507, 508. Simitis, NJW 1977, 730, 730 f. 34 Baum, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Stenographischer Bericht über die zweite und dritte Lesung des Entwurfs am 10. Juni 1976, S. 250 f.; Bundestagssitzung 17750. 35 Bundesregierung, Antwort vom 04. April 1977 auf Kleine Anfrage, BT-Drs. 8/266, S. 1 ff.; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 52. 36 Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 52. 37 Simitis, in: Festschrift für Löffler (1980), S. 319, 322; Hümmerich/Gola, NJW 1981, 1480, 1486; Seibel-Schwiedernoch, CR 1988, 861, 867. 38 Simitis, 42. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit (1977), JZ 1978, 74. 39 Bull, FuR 1979, 118. 33

I. Erste Zeitspanne: 1970 – 1982 – Ursprünge des Datenschutzrechts

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31. Januar 1978 in Kraft und ersetzte das HDSG von 1970.40 Zugleich signalisierte der hessische Gesetzgeber, dass er weiterhin unabhängig vom durch den Bundesgesetzgeber gesetzten Maßstab agieren wolle, indem er darüber hinaus eigene Inhalte miteinbrachte.41 Kennzeichnend waren dafür die Neuerung der verschärften Zweckbindung, die Verpflichtung zum Schadenersatz und die Sonderregelung für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung. Hervorzuheben ist, dass mit dem Hessischen Rundfunk erstmalig eine Rundfunkanstalt in § 3 Abs. 3 HDSG (1978) konkret Erwähnung fand. Danach war der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht eröffnet, sobald die Datenverarbeitung personenbezogener Daten „ausschließlich zu eigenen publizistischen Zwecken“ stattfand. Als Maßstab für die Formulierung der Zweckbindung diente der bundesrechtliche Wortlaut. 4. Bundesländer im Vergleich 1978 – 1982 Im Zeitraum von 1978 bis 1982 haben weitestgehend alle alten Bundesländer ein Landesdatenschutzgesetz erlassen. Dem hessischen Vorbild folgte Rheinland-Pfalz vier Jahre später und verabschiedete das Landesgesetz gegen missbräuchliche Datennutzung.42 Ab dem Jahr 1977 ergriffen dann auch folgende Länder die Initiative: Bremen, Bayern, Saarland, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, (West-)Berlin und Nordrhein-Westfalen.43 Etwas später erließen dagegen die Bundesländer BadenWürttemberg und Hamburg ein Datenschutzgesetz.44 Den Anwendungsbereich der Gesetze beschränkten alle Bundesländer entsprechend dem hessischen Vorbilds jeweils auf die Datenverarbeitung der öffentlichen Verwaltung.45 Auch andere Länder auf der Welt – insbesondere in Europa – nahmen sich ein Beispiel an der Einführung datenschutzrechtlicher Regelungen, die überwiegend bis 1978 tatsächlich umgesetzt wurden.46

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GVBl. II 300-19 1978, S. 96. Simitis, in: Hassemer/Möller, 25 Jahre Datenschutz (1996), S. 29. 42 GVBl. 1974, S. 31; Initialentwurf vom 07. Oktober 1970, LT-Drs. 7/283. 43 Bremen 23. Dezember 1977; Bayern 28. April 1978; Saarland 17. Mai 1978; Niedersachsen 26. Mai 1978; Schleswig-Holstein 01. Juni 1978; West-Berlin 12. Juli 1978; Nordrhein-Westfalen 19. Dezember 1978. 44 Baden-Württemberg 04. Dezember 1979; Hamburg 31. März 1981. 45 Ausführlicher in BT-Drs. 7/1027, S. 15. 46 Schweden mit dem weltweit ersten nationalen Datenschutzgesetz (1973), Datalagen (1973: 289), verabschiedet am 11. Mai 1973, in Kraft getreten am 01. Juni 1974; Dänemark (1978); Frankreich (1978); Norwegen (1978); Österreich (1978); Tinnefeld/Ehmann/Gerling, Datenschutzrecht (2004), S. 96. 41

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

II. Zweite Zeitspanne: 1983 – 1994 – Die ersten verfassungsrechtlichen Einflüsse 1. Volkszählungsurteil von 1983 als datenschutzrechtlicher Meilenstein In dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts aus dem Jahr 1983 wurde erstmals der Verfassungsrang für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Herleitung aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG anerkannt.47 Dieses bahnbrechende Volkszählungsurteil gab dem Datenschutzrecht ein neues Fundament und brachte gleichwohl ein intensiveres Bewusstsein für das Schutzgut der personenbezogenen Daten mit sich. Eine neue Ära für den Datenschutz wurde eingeleitet. So wurde wortwörtlich festgeschrieben, dass „grundsätzlich (jeder) selbst zu entscheiden (hatte), wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte offenbart werden (sollten)“. Als Konsequenz waren Eingriffe in das DatenschutzGrundrecht nur zulässig, sobald das Allgemeininteresse überwog. Zur Überlegung stand, dass dieses Grundrecht schrankenlos gewährleistet werden müsste wegen der Herleitung der unantastbaren Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG oder ob eine Einschränkung über die sogenannten Schrankentrias erfolgen sollte. Trotz des engen Bezugs zur verfassungsrechtlich gewährleisteten Menschenwürde besteht Einigkeit darüber, dass die Schranken aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten sind.48 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird also nur soweit gewährt, wie „nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz“ verstoßen wird. 2. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1987 Als Vorreiter agierte erneut das Land Hessen mit der zweiten Novellierung des hessischen Datenschutzgesetzes (HDSG 1987).49 Der hessische Gesetzgeber erkannte schon Ende 1986 die Schnelllebigkeit der Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie und nahm punktuelle Anpassungen vor. Als erstes Bundesland versuchte Hessen, die rechtlichen Konsequenzen aus dem Volkszählungsurteil zu ziehen und setzte die überwiegenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um.50 Kennzeichnend waren insgesamt sechs Veränderungen: die Einbeziehung von Akten, die Zweckbindung, das Einbeziehen der Erhebungsphase, der Ausbau der Betroffenenrechte, das Verändern der technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Datenverarbeitung und die bereichsspezifischen Verarbeitungs-

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BVerfGE 65, 1, 41 – Volkszählung. Ausführlich dazu siehe Dreier, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 2 I Rn. 91. GVBl. I 1986, S. 309. Lennartz, RDV 1987, 74.

II. Zweite Zeitspanne: 1983 – 1994 – Erste verfassungsrechtliche Einflüsse

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vorgaben.51 Dieses System war wesentlich ausgeklügelter im Vergleich zu seinem Vorgänger und ein Schritt in die richtige Richtung – von einem „Datenschutzkonzept“ konnte jedoch noch nicht die Rede sein, denn dafür wäre statt vereinzelter Korrekturen eine Überarbeitung des Gesamtpaketes erforderlich gewesen.52 Das Volkszählungsurteil gab vor allem Anlass dazu, die Sonderbestimmungen für einzelne Datenverarbeitungskategorien wie zum Beispiel im Sicherheitsbereich oder Gesundheitswesen zu hinterfragen und präzise zu normieren.53 Im Bereich der Medien lag der Fokus nach wie vor nur auf dem landesrechtlichen Rundfunk, bei dem, wie vom Bundesgesetzgeber vorgeben, an den journalistisch-redaktionellen Zweck angeknüpft wurde. Mit dem Argument, dass gerade die Datenverarbeitung der Medien weitreichende Folgen für die Betroffenen haben könne, wurde die Erforderlichkeit der bereichsspezifischen Regelungen hervorgehoben.54

3. Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 1990 Die erste Änderung des BDSG (1977) trat am 20. Dezember 1990 auf Bundesebene in Kraft.55 Diese Neufassung war eine Reaktion auf das veränderte Verständnis des Bundesverfassungsgerichts und der damit verbundenen neu geschaffenen Werteordnung. a) Allgemeine Regelungen Das novellierte BDSG (1990) war im Unterschied zum Vorgänger schon klarer, strukturierter und ausdifferenzierter.56 In Folge der langen Ausarbeitungsphase unter der Beteiligung von den verschiedensten Personen über mehrere Legislaturperioden hinweg hatte das BDSG (1990) den Ruf eines „Flickenteppichs“.57 Verstärkt, erweitert und intensiviert wurden die Vorgaben bezüglich der Zweckbindung bei der Datenverarbeitung und bezüglich der Rechte der Betroffenen.58 Im Fokus stand weiterhin der öffentliche Sektor und damit die Datenverarbeitung durch den Staat –

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Fuckner, CR 1988, 144 ff. Simitis/Walz, RDV 1987, 157, 169. 53 Fuckner, CR 1988, 144. 54 LfD Hessen, 16. Tätigkeitsbericht 1987, LT-Drs. 12/1742, S. 9. 55 BGBl. I, S. 2954; basierend auf zwei Referentenentwürfen des Bundesministers des Innern: Erster Referentenentwurf vom 31. März 1982, DB 1982, 2 ff.; zweiter Referentenentwurf vom 23. Juni 1983, abgedr. in: DuD 1983, 260 ff. 56 Besonders durch die Gliederung in Unterabschnitte der Normen für öffentliche und nichtöffentliche Stellen wurde die Struktur verbessert. 57 Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 82. 58 Hein, NJW 1991, 2614. 52

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

besonders das Datenverarbeiten in Form von Akten.59 Dem von der Wirtschaft geforderten Trennen der Regelungen für den öffentlichen und den privaten Bereich in separaten Gesetzen kam der Gesetzgeber nicht nach.60 b) Bereichsspezifische Regelungen Dafür gab es grundlegende Änderungen bei den bereichsspezifischen Regelungsmechanismen für die Medien – die für die Praxis überwiegend nicht von Bedeutung waren.61 Zuvor geregelt in § 1 Abs. 3 BDSG (1977) wurde das Medienprivileg in der Neufassung weiter hinten verortet und fand in § 41 BDSG (1990) seine gesetzliche Verankerung. Doch anstatt bei der zuvor verwendeten Ausgestaltungssystematik zu bleiben, entschied sich der Gesetzgeber, die Medien grundsätzlich den datenschutzrechtlichen Bestimmungen des BDSG (1990) zu unterwerfen. Entgegen der pauschalen Herausnahme aus dem Anwendungsbereich fand ein symbolisches Umdenken statt, mit der Folge, dass die vorherige „Immunität“ für die Medien in dieser Form nicht mehr bestand.62 Daraus entstand das Bedürfnis einer detaillierten Regelung in einem größeren Umfang als zuvor. Insgesamt war das Medienprivileg in vier Absätze gegliedert, wonach vor allem der erste Absatz das „eigentliche“ Medienprivileg enthielt und die weiteren drei Absätze sich mit den spezielleren Vorschriften für den bundesrechtlichen Rundfunk – die Deutschen Welle und den Deutschlandfunk – beschäftigten. Ausformuliert war das Medienprivileg in § 41 Abs. 1 bis Abs. 4 BDSG von 1990 wie folgt: „(1) Soweit personenbezogene Daten von Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse oder des Films oder von Hilfsunternehmen des Rundfunks ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet oder genutzt werden, gelten von den Vorschriften dieses Gesetzes nur die §§ 5 und 9. Soweit Verlage personenbezogene Daten zur Herausgabe von Adressen-, Telefon-, Branchen- oder vergleichbaren Verzeichnissen verarbeiten oder nutzen, gilt Satz 1 nur, wenn mit der Herausgabe zugleich eine journalistisch-redaktionelle Tätigkeit verbunden ist. (2) Führt die journalistisch-redaktionelle Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten durch die Rundfunkanstalten des Bundesrechts zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen des Betroffenen, so sind diese Gegendarstellungen zu den gespeicherten Daten zu nehmen und für dieselbe Zeitdauer aufzubewahren wie die Daten selbst. (3) Wird jemand durch eine Berichterstattung der Rundfunkanstalten des Bundesrechts in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, so kann er Auskunft über die der Be59 Die Anwendung des Gesetzes wurde nicht mehr von der Verarbeitung in „Dateien“ abhängig gemacht, so dass jetzt auch die Erhebung in Aktenform erfasst war; vgl. BT-Drs. 12/ 553, S. 85 ff.; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 53, 66. 60 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, BDSG (2012), Rn. 6; Drews, DuD 1987, 273, 273 ff.; Zöllner, RDV 1985, 1, 1 ff. 61 Hubert, Das datenschutzrechtliche Presseprivileg (1993), S. 39. 62 Kloepfer, AfP 2000, 511, 516.

II. Zweite Zeitspanne: 1983 – 1994 – Erste verfassungsrechtliche Einflüsse

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richterstattung zugrundeliegenden, zu seiner Person gespeicherten Daten verlangen. Die Auskunft kann verweigert werden, soweit aus den Daten auf die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmannes von Beiträgen, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil geschlossen werden kann. Der Betroffene kann die Berichtigung unrichtiger Daten verlangen. (4) Im übrigen gelten für die Rundfunkanstalten des Bundesrechts von den Vorschriften dieses Gesetzes die §§ 5 und 9. Anstelle der §§ 24 bis 26 gilt § 42, auch soweit es sich um Verwaltungsangelegenheiten handelt.“

Bereits im ersten Absatz des neustrukturierten Gerüsts für die Medien gab es offensichtliche Änderungen. Entsprechend des Wortlauts waren „Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse oder des Films sowie Hilfsunternehmen des Rundfunks“ vom personellen Anwendungsbereich der Norm erfasst. Das rundfunkspezifische Reduzieren auf lediglich „Hilfsunternehmen“ war auf Gründe der Gesetzgebungskompetenz zurückzuführen.63 Der Bundesgesetzgeber war demnach nur noch für die Hilfsunternehmen des Rundfunks zuständig, deren Geschäftszweck in der ständigen Unterstützung der Rundfunkbetriebe bestand, und nicht mehr für die Sender als solche.64 Wesentlich veränderte sich auch die Formulierung der Zweckbindung. Der Wortlaut des Anknüpfungspunkts für die Bestimmung, ob es sich um eine privilegierte Datenverarbeitung handelt, wurde von „publizistischen Zwecken“ zu „journalistisch-redaktionellen Zwecken“ abgeändert. Einen Unterschied machte es dahingehend, dass die journalistische Tätigkeit mit der Datenverarbeitung durch die Medienschaffenden verbunden sein musste entsprechend der ausdrücklichen Normierung in § 41 Abs. 1 Satz 2 BDSG (1990). Das jahrelang debattierte Problem, ob zum Beispiel der „nicht-journalistische“ Anzeigenteil65 in der Zeitung genauso zu privilegieren sei wie der Redaktionsteil, war damit vom Gesetzgeber im weitestgehenden Sinne entschieden. Betroffen von dieser Änderung waren vor allem Herausgeber und Verleger von Adress-, Telefonbüchern und Branchen- oder vergleichbaren Verzeichnissen.66 Ihr Umgang mit personenbezogenen Daten unterfiel gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 BDSG (1990) nicht mehr der publizistischen Tätigkeit ohne das Vorliegen eines konkreten Bezugs zur journalistisch-redaktionellen Tätigkeit.67 Beispielsweise fehlt der journalistisch-redaktionelle Anknüpfungspunkt bei der Veröffentlichung einer bloßen Wiedergabe amtlicher Mitteilungen. Wie bei der vorherigen Fassung waren einige wenige Pflichten trotz Privilegierung der Medien gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 BDSG (1990) einzuhalten: § 5 und § 9 BDSG (1990). Unverändert wurde den Medien die Pflicht zur Schaffung von or63

BVerfGE 12, 205, 225 ff.; 31, 314, 341 ff.; 73, 118; Hein, NJW 1991, 2614, 2615. Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 67; Walz, in: Simitis, BDSG (1995), § 41 Rn. 11. 65 Ausführlich dazu siehe Damm, AfP 1990, 7, 9. 66 Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 65. 67 Walz, in: Simitis, BDSG (1995), § 41 Rn. 11. 64

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

ganisatorischen und technischen Maßnahmen zum Schutz der verarbeiteten Daten auferlegt.68 Neu in den Anwendungsbereich aufgenommen wurde § 5 BDSG (1990), der die Verpflichtung zum Datengeheimnis und damit das Verbot der unbefugten Datenverwendung vorgab. Eine Geheimhaltung sollte beispielsweise gegenüber Kollegen, die ohne beruflichen Kontext nur aus privatem Interesse an die Daten gelangen wollten, sichergestellt werden.69 In den Absätzen zwei bis vier wurden detaillierte Regelungen für den bundesrechtlichen Rundfunk getroffen. Damals wie heute betraf die Norm nur noch den Auslandrundfunk der Deutschen Welle, da die anderen Rundfunkanstalten dem Landesrecht unterfielen und diese in den jeweiligen Staatsverträgen der Länder und den Landesrundfunkgesetzen geregelt waren und sind.70 Auf Bundesebene wurden den Betroffenen Rechte in Form eines Gegendarstellungs-, Auskunfts- und Berichtigungsrechts gegen die Deutsche Welle gewährt.71 Das Gegendarstellungsrecht konnte in der Kombination mit der auferlegten Speicherungsfrist im Medienarchiv seine umfassende Wirkung entfalten und gleichzeitig die Gefahr des unkontrollierten Verbreitens von Falschinformationen bannen. Die Kontrollzuständigkeit des Bundesbeauftragten für Datenschutz entfiel für den Bundesrundfunk, stattdessen wurde ein interner Datenschutzbeauftragter für die Deutsche Welle nach §§ 41 Abs. 4 Satz 2, 42 BDSG (1990) eingesetzt. c) Kritik Trotz der großen legislativen Bemühungen wurde das BDSG (1990) als eher rückläufig bewertet – besonders im Vergleich zu den Vorgaben aus den einzelnen Bundesländern.72 Die vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Regelungen vermochten es nicht, dem Tempo des technischen Fortschritts gerecht zu werden.73 Schnell entstand eine Debatte über den Bedarf einer europäischen Regelung.74 Hinzu kam, dass 1993 der Zugang zum World Wide Web für Jedermann ermöglicht wurde, so dass die Informationsvielfalt zu einer revolutionären Veränderung der Datenverarbeitung führte.75

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Normiert war die Pflicht anstelle von § 6 Abs. 1 BDSG (1977) in § 9 BDSG (1990). Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 68. 70 Ausführlicher zu landesrechtlichen Rundfunkregelungen siehe Binder, ZUM 1994, 257, 261 ff. 71 Das ergibt sich aus § 41 Abs. 2 und 3 BDSG (1990); ausführlich zum Auskunftsanspruch siehe Dörr, AfP 1993, 709, 709 ff. 72 Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 82; Kühling/Klar/Sackmann, Datenschutzrecht (2018), S. 79. 73 Simitis, AfP 1990, 14, 22. 74 BT-Drs. 12/553, S. 87. 75 Wagner/Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), Syst. D. Rn. 33. 69

III. Dritte Zeitspanne: 1995 – 2001 – Erste europäische Einflüsse

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4. Die „neuen“ Bundesländer 1991 – 1992 Erst infolge der Wiedervereinigung 3. Oktober 1990 erließen auch die neuen Bundesländer kurze Zeit nach ihrer Neugründung eigene Landesdatenschutzgesetze. Den Anfang machte Thüringen am 29. Oktober 1991, danach folgten Sachsen am 11. Dezember 1991, Brandenburg am 20. Januar 1992, Sachsen-Anhalt am 12. März 1992 und schließlich Mecklenburg-Vorpommern am 24. Juli 1992.76

III. Dritte Zeitspanne: 1995 – 2001 – Die ersten europäischen Einflüsse 1. 1. EG-Datenschutzrichtlinie 1995 Im Jahr 1995 kam der europäische Gesetzgeber, bestehend aus dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament, der Forderung nach, eine einheitliche EU-Regelung für das Datenschutzrecht zu erarbeiten und verabschiedete am 24. Oktober 1995 die Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (DS-RL).77 Der nationale Handlungsrahmen wurde durch die europäischen Vorgaben weitestgehend eingeengt trotz eines verbleibenden Umsetzungsspielraums für die einzelnen Mitgliedstaaten. Vereinbart wurde eine Frist von drei Jahren, dass die Umsetzung ins nationale Recht bis zum 24. Oktober 1998 erfolgen musste. Ziel war es, aus den unterschiedlichen Datenschutzsystemen der einzelnen Mitgliedstaaten ein einheitliches Niveau auf europäischer Ebene herzustellen und den Datenaustausch länderübergreifend zu gestalten.78 Für das Medienprivileg besonders relevant war der in Art. 9 DS-RL enthaltene Handlungsauftrag für die Mitgliedstaaten. Danach sollte eine (Ausnahme-)Regelung geschaffen werden, um den Ausgleich zwischen dem Recht auf Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerung sicherzustellen, wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten ging, die zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgte. Unter die Meinungsfreiheit wurde entsprechend der weiten Auslegung im Sinne des Art. 10 EMRK unstrittig auch die Pressefreiheit gefasst.79 Entsprechend der Richtlinie sollten Abweichungen von den Kapiteln II (Allgemeine Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung), IV (Übermittlung in Drittländer) und VI (Kontrollstelle) geregelt werden. Ungeachtet dessen sollten die 76 Thüringen 1991 GVBl. S. 516; Sachsen GVBl. 1991 S. 401; Brandenburg GVBl. I 1992, S. 2; Sachsen-Anhalt 1992, S. 152; Mecklenburg-Vorpommern GVBl. 1992 Nr. 204-1, S. 487. 77 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl. EG vom 13. November 1995 Nr. L 281, S. 31. 78 Newman, Protectors of Privacy (2008), S. 74; Wagner/Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), Syst. D. Rn. 33 ff. 79 Kloepfer, AfP 2000, 511, 513.

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

Vorgaben aus Kapitel III (Rechtsbehelfe, Haftung, Sanktionen) und Kapitel V (Verhaltensregel) bestehen bleiben. 2. Novellierung des Hessischen Datenschutzgesetzes 1998 Mit dem dritten Gesetz zur Änderung des Hessischen Datenschutzgesetzes vom 5. November 1998 hat Hessen neben Brandenburg80 als erstes Bundesland die DSRL fast fristgerecht umgesetzt.81 Die Bundesländer bestätigten erneut ihre Vorreiterfunktion: es wurden von den Landesgesetzgebern nicht nur starre Einzelregelungen erarbeitet, sondern die Grundüberlegungen des europäischen Rahmens in der Gesamtheit bei der Anpassung berücksichtigt, so dass das Datenschutzrecht fortentwickelt und modernisiert wurde.82 Unter der Berücksichtigung des Wandels der Datenverarbeitungstechnik ging der hessische Gesetzgeber dem Versuch nach, bestehende Lücken im öffentlichen Sektor zu schließen, wohingegen er den Bereich der Privaten unangetastet ließ.83 Entgegen der europäischen Forderung, aus Art. 9 DS-RL Anpassungen für journalistische und literarische Zwecke vorzunehmen, novellierte Hessen sein Pressegesetz nicht. Die bereichsspezifischen Regelungen für die Medien beschränkten sich weiterhin auf den Landesrundfunk gemäß § 3 Abs. 5 HDSG (1999), wonach die Datenverarbeitung privilegiert war, sobald die personenbezogenen Daten ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet wurden. Anwendbar waren die Vorschriften der §§ 10, 37 HDSG (1999), wonach einerseits dem Hessischen Rundfunk die Pflicht zur Schaffung von technischen und organisatorischen Maßnahmen auferlegt wurde und andererseits die Rechte der Betroffenen präzisiert wurden wie das Gegendarstellungsrecht und die entsprechende Speicherdauer der berechtigten Gegendarstellung. Differenzierte Vorgaben legte der Gesetzgeber für die Wahl und das Amt des Beauftragten für Datenschutz in § 37 HDSG (1999) fest. 3. Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 2001 Das für den Datenschutz zuständige Bundesinnenministerium erarbeitete ab 1999 einen Gesetzesentwurf zur geplanten Umsetzung der europäischen Richtlinie.84 Im Jahr 2001 wurde das BDSG (1990) novelliert und trat am 23. Mai 2001 in Kraft.85 Mit einiger Verzögerung von mehr als fünf Jahren passte der bundesdeutsche Gesetz80

GVBl. I, 1998, S. 243. Neufassung vom 07. Januar 1999, GVBl. I, S. 42; Arlt, DuD 1998, 704. 82 Hessisches Datenschutzgesetz vom 07. Januar 1999, GVBl. I, S. 98; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 90; Schild, RDV 1999, 52. 83 Schild, RDV 1999, 52. 84 Gesetzentwurf zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes durch das Bundesministerium des Innern, BT-Drs. 14/4329. 85 BGBl. I, S. 2954. 81

III. Dritte Zeitspanne: 1995 – 2001 – Erste europäische Einflüsse

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geber die Vorschriften an die europäischen Vorgaben aus der EG-Datenschutzrichtlinie (DS-RL) aus dem Jahr 1995 an.86 Angestrebt wurde eine umfassende Harmonisierung aller Mitgliedstaaten durch die Überführung der Richtlinie im Bereich des Datenschutzrechts @ zunehmend auch mit einem normativen Fokus bezüglich der Datenmacht der Privaten.87 a) Allgemeine Regelungen Mit den sich häufenden Vorgaben und zu berücksichtigenden Entwicklungen war das BDSG (2001) wieder wesentlich umfangreicher im Vergleich zu seinen Vorgängern.88 Mit der Einführung von Bestimmungen zur Datenvermeidung und Datensparsamkeit, dem Datenschutzaudit und der Videoüberwachung des öffentlich zugänglichen Raumes wurden die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers weitestgehend beachtet.89 Kernpunkt des neuen Datenschutzrechts sollte die Möglichkeit des freien Datenverkehrs im europäischen Markt sein.90 Erweiterte Beschränkungen für die Verarbeitung von Daten einer besonderen Kategorie, wie u. a. Gesundheitsdaten91, wurden eingeführt. Als Fortschritt gewertet werden konnte die generelle Vorverlegung des Anwendungsbereichs auf die „Erhebung“ von Daten statt auf die „Verarbeitung“, da sich so der Geltungsbereich des BDSG (2001) wesentlich erweitert. b) Bereichsspezifische Regelungen Die Verortung des Medienprivilegs im § 41 BDSG (2001) und auch der Grundsatz, dass die datenverarbeitenden Medien von den Datenschutzregeln freigestellt wurden, blieben wie in der Vorgängernorm gleich. Dagegen hatte sich der Anwendungsbereich des BDSG (2001) jedoch erweitert: Das Medienprivileg basierte nun auf zwei unterschiedlichen Ansätzen, zum einen auf den gesetzlichen Vorgaben speziell für die Medien und zum anderen auf der freiwilligen Selbstkontrolle.92 Die gesetzliche Normierung des Medienprivilegs in der Fassung von 2001 im BDSG lautete wie folgt:

86 Die Europäische Kommission leitete bereits wegen der Nichtumsetzung der Richtlinie innerhalb der 3-Jahres-Frist ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 258 AEUV gegen Deutschland ein; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 196. 87 Gola/Heckmann, in: Gola/Heckmann BDSG (2019), Einleitung Rn. 1; Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 110 ff.; a. A. Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 5, S. 1707; Kloepfer, AfP 2000, 511, 523. 88 Gola/Schomerus, in: Gola/Schomerus, BDSG (2012), Einleitung Rn. 13 ff. 89 Wagner/Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), Syst. D. Rn. 37. 90 Kühling/Klar/Sackmann, Datenschutzrecht (2018), S. 56. 91 Vgl. Schladebach, CR 2003, 225 ff. 92 v. Lewinski, in: Auernhammer, DSGVO BDSG (2017), § 41 BDSG Rn. 12.

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

„(1) Die Länder haben in ihrer Gesetzgebung vorzusehen, dass für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken den Vorschriften der §§ 5, 9 und 38a entsprechende Regelungen einschließlich einer hierauf bezogenen Haftungsregelung entsprechend § 7 zur Anwendung kommen. (2) Führt die journalistisch-redaktionelle Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten durch die Deutsche Welle zur Veröffentlichung von Gegendarstellungen des Betroffenen, so sind diese Gegendarstellungen zu den gespeicherten Daten zu nehmen und für dieselbe Zeitdauer aufzubewahren wie die Daten selbst. (3) Wird jemand durch eine Berichterstattung der Deutschen Welle in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, so kann er Auskunft über die der Berichterstattung zu Grunde liegenden, zu seiner Person gespeicherten Daten verlangen. Die Auskunft kann nach Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Beteiligten verweigert werden, soweit 1. aus den Daten auf Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Rundfunksendungen berufsmäßig journalistisch mitwirken oder mitgewirkt haben, geschlossen werden kann, 2. aus den Daten auf die Person des Einsenders oder des Gewährsträgers von Beiträgen, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil geschlossen werden kann, 3. durch die Mitteilung der recherchierten oder sonst erlangten Daten die journalistische Aufgabe der Deutschen Welle durch Ausforschung des Informationsbestandes beeinträchtigt würde. Der Betroffene kann die Berichtigung unrichtiger Daten verlangen. (4) Im übrigen gelten für die Deutsche Welle von den Vorschriften dieses Gesetzes die §§ 5, 7, 9 und 38a. Anstelle der §§ 24 bis 26 gilt § 42, auch soweit es sich um Verwaltungsangelegenheiten handelt.“ – Medienprivileg im BDSG von 2001.

Nach § 41 Abs. 1 BDSG (2001) mussten die Medienunternehmen bei der Datenverarbeitung nur wenige Regeln des Datenschutzrechts einhalten wie das Berücksichtigen des Datengeheimnisses i. S. d. § 5, das Einführen von technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz vor unbefugtem Zugriff auf die Dateien i. S. d. § 9, neu das Einhalten der Verhaltensregel der Selbstregulierung der Presse i. S. d. § 38a und neu das Verpflichten zur Zahlung von Schadensersatz bei einer Sorgfaltspflichtverletzung i. S. d. § 7 BDSG (2001). Als Sicherungsmechanismus zur Kontrolle der pressespezifischen Selbstregulierung bei der Datenverarbeitung diente der Pressekodex, der gleichzeitig auch im Anwendungsbereich erweitert wurde.93 So war es Aufgabe der Länder, dafür entsprechende Landesregelungen für Presse- und Medienorgane zu schaffen. Verändert wurde zudem der Kreis der Regelungsadressaten. Statt der vorherigen Formulierungen bezüglich des Adressaten im ersten Absatz „(…) Unternehmen oder 93

Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 74.

III. Dritte Zeitspanne: 1995 – 2001 – Erste europäische Einflüsse

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Hilfsunternehmen der Presse oder von Hilfsunternehmen des Rundfunks oder des Films (…)“ reduzierte sich diese auf „Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse“. Nicht mehr erfasst waren somit Hilfsunternehmen des Rundfunks sowie die Unternehmen und Hilfsunternehmen des Films. Dies signalisierte, dass der Bundesgesetzgeber lediglich von seiner Rahmenkompetenz Gebrauch machte und auf die Länder verwies, die eigene Überlegungen einbringen sollten.94 Grund dafür war der Wegfall der Kompetenz des Bundes für den Film in Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG, die lediglich indirekt über Art. 125a Abs. 1 GG als zuvor erlassenes Bundesrecht fortgelten konnte.95 Hauptaugenmerk lag nach wie vor bei dem Medium der Presse, die nach dem formellen Presseverständnis unverändert alle zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse und sonstige audiovisuelle Träger ungeachtet dessen Inhalt oder Qualität erfasste.96 Insgesamt vom Anwendungsbereich des Presseunternehmens oder des Hilfsunternehmens erfasst waren damit sowohl Verlage von Zeitungen, Zeitschriften oder Büchern, Journalisten und andererseits Nachrichtenagenturen und Materndienste.97 Die vorherige Regelung, die speziell für Verlage oder Herausgeber von Adressbüchern oder Branchenverzeichnissen galt, verlor an Bedeutung, so dass sie ersatzlos aus der Norm gestrichen wurde.98 Der journalistisch-redaktionelle Bezug bestand nur, wenn eine redaktionelle Aufarbeitung mit einigem Gewicht zu erkennen war.99 Die europäische Erweiterung der Privilegierung um literarische Zwecke hatte für die Praxis kaum Relevanz.100 Als wesentlichen Kernpunkt etablierte der Gesetzgeber im Rahmen der Selbstregulierung die Selbstkontrolle der Presse, die trotz Privilegierung für die Medien Anwendung fand und setzte damit Art. 27 DS-RL in nationales Recht um. Der Grundüberlegung nach, dass die Medien als Schirmherren des Datenverarbeitungsprozesses selbst am besten einschätzen könnten, welche Anforderungen bei der Datenverarbeitung sinnvoll seien, sollten diese Verhaltensregeln als Orientierungshilfe – ohne gesetzlich bindenden Charakter – für die Medien neben den normativen Vorgaben gelten.101 Die Schattenseite der Selbstregulierung liegt in der Natur der Sache, dass eine staatliche Kontrolle über die Einhaltung dieser selbst festgelegten Verhaltensregeln an ihre Grenzen stößt.102 94

BT-Drs. 14/4329, S. 46 ff. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1997, BGBl. I, S. 3146. 96 Vgl. BVerfGE 95, 28, 35; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 Rn. 68; Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 116; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG (2009), Art. 5 Rn. 128. 97 Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 23. 98 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 4. 99 Simitis, AfP 1990, 14, 17; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 13. 100 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 14. 101 Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 122. 102 Kloepfer, AfP 2000, 511, 518; Schmidt, DVBl 2018, 1460, 1460 ff. 95

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

c) Kritik Allgemein entbrannte die wohl größte Diskussion unter Fachleuten über diese Novelle der gesamten Entwicklung. Bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes war klar, dass baldige Überarbeitungen folgen würden.103 Diese Beanstandungen lassen sich auf die hektische Umsetzung der europäischen Richtlinie zurückführen. Insgesamt war die Bestimmung speziell für die Medien regelrecht fortschrittsfeindlich und genügte nicht den unionsrechtlichen Vorgaben.104 Zudem war der Gesetzgeber nicht dem gewünschten Ansatz nachgegangen, einen für alle Medienformen einheitlichen Standard zu setzen, sondern trieb vielmehr weiter einen „Keil“ zwischen die traditionelle Presse, den Rundfunk und die „neuen Medien“ durch die zerstreuende Vielfalt der unterschiedlichen Regelungsvorgaben.105 Darüber hinaus sei die bereichsspezifische Diskrepanz zwischen dem Rundfunk einerseits und der Presse andererseits verfassungsrechtlich kaum tragbar, wonach beispielsweise die Presse im Gegensatz zum Rundfunk keinen Auskunftsansprüchen der Betroffenen ausgesetzt ist.106

IV. Vierte Zeitspanne: 2001 – 2017 – Die Einflüsse vor dem heutigen Medienprivileg 1. BDSG-Novelle 2009 Ab den 2000er revolutionierte die internetbasierte Kommunikationstechnik das alltägliche Leben der Menschen in den Industrienationen. Es stand außer Frage, dass das Recht sich den Entwicklungen anpassen musste und lang debattierte Modernisierungen umgesetzt werden mussten.107 Trotz der guten Startbedingungen mit der wohl herrschenden Einigkeit über den Modernisierungsbedarf und dem „global aufblühenden“ Datenschutzrecht, hemmten tagespolitische Ereignisse die Entwicklungen. Mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 änderte sich der Blickwinkel auf das Datenschutzrecht rapide: Statt einer Globalisierung und Ausweitung der Datenverarbeitung, war das Sicherheitsbedürfnis in den Vordergrund

103 Kühling/Klar/Sackmann, Datenschutzrecht (2018), S. 56; Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 100. 104 Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 1; LfD Brandenburg, Tätigkeitsbericht 2000, § 41 Rn. 4 ff.; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 1; Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 216. 105 Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 1; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 3. 106 Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 20; Thomale, Die Privilegien der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 131 ff. 107 RoßnagelPfitzmann/Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts (2001), im Auftrag des Bundesinnenministeriums, S. 21 ff.

IV. Vierte Zeitspanne: 2001 – 2017 – Einflüsse vor heutigem Medienprivileg

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geraten und der Datenschutz rückte zwangsweise in den Hintergrund.108 Die Sicherheitskomponente fand beispielsweise Ausdruck in dem Urteil des BVerfG aus dem Jahr 2008, bei dem das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von informationstechnischen Systemen entwickelt wurde.109 Erst einige Jahre später wurden die ursprünglichen Modernisierungsversuche mit den „BDSGNovellen von 2009“110 in die faktische Realität umgesetzt, wofür der Gesetzgeber drei Mal tätig wurde.111 Auswirkungen auf das Medienprivileg hatten die Modernisierungsversuche jedoch keine.112 Fortschritte brachten die Veränderungen vor allem im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes, der Kreditinstitute insbesondere beim Scoring und für das Amt des Datenschutzbeauftragten.113 2. Konzept für eine Datenschutz-Grundverordnung 2010 Obwohl mit der DS-RL im Jahr 1995 europaweit Vorgaben für ein einheitliches Datenschutzrecht geschaffen wurden, entsprach eine einheitliche Handhabung beim Umgang mit personenbezogenen Daten nicht der Realität in Europa.114 So wurde lange Zeit über eine Modernisierung debattiert115, bis schließlich am 04. November 2010 ein „Gesamtkonzept für den Datenschutz für die Europäische Union“ durch die Europäische Kommission vorgestellt wurde.116 Dieser erste Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen Datenschutzrecht wurde realisiert und vom Parlament befürwortet.117 Zwei Jahre später veröffentlichte die Kommission dann einen konkreten Vorschlag für das neue Datenschutzrechtskonzept in Europa.118 Maßgeblich für das Medienprivileg war der Erwägungsgrund 121 aus dem Entwurf. Er enthielt eine 108

Wagner/Brink, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), Syst. D. Rn. 40. BVerfGE 120, 274, 274 ff.; dazu Sachs/Krings, Jus 2008, 481 ff. 110 Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S. 2254; Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 14. August 2009, BGBl. I, S. 2814; Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom 29. Juli 2009, BGBl. I, S. 2355. 111 Simitis, in: Simitis, BDSG (2014), Einleitung Rn. 102; Kühling/Bohnen, JZ 2010, 600, 601 ff.; Abel, RDV 2009, 147 ff. 112 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 4. 113 Würtz, Die BDSG-Novelle 2009 (2009), S. 5. 114 Gola/Heckmann, in: Gola/Heckmann, BDSG (2019), Einleitung Rn. 1. 115 Zur geführten Diskussion u. a. RoßnagelPfitzmann/Garstka, Modernisierung des Datenschutzrechts (2001), S. 22 ff.; Kühling/Bohnen, JZ 2010, 600; Abel, RDV 2009, 147, 154. 116 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 04. November 2010, Gesamtkonzept für den Datenschutz für die Europäische Union, KOM(2010), 609 endgültig. 117 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. Juli 2011 zum Gesamtkonzept für den Datenschutz in der Europäischen Union, 2011/2025(INI); Taeger/Schmidt, in: Taeger/ Gabel, DSGVO BDSG (2019), Einführung Rn. 21. 118 Europäische Kommission, 25. Januar 2012, KOM(2012), 11. 109

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

klarstellende Definition, wann eine Datenverarbeitung zu „journalistischen Zwecken“ regelmäßig erfolgte: „Die Mitgliedstaaten sollten deshalb für die (…) Tätigkeiten als ,journalistisch‘ einstufen, wenn das Ziel dieser Tätigkeit in der Weitergabe von Informationen, Meinungen und Vorstellungen an die Öffentlichkeit besteht, unabhängig davon, auf welchem Wege dies geschieht. Diese Tätigkeiten sind mit oder ohne Erwerbszweck möglich und sollten nicht auf Medienunternehmen beschränkt werden.“119

Diese Definition wurde aber letztlich bei der Überarbeitung des Kommissionsentwurfs durch das Parlament gestrichen und fand keine Berücksichtigung bei dem evaluierten Entwurf des Parlaments120, der im März 2014 final beschlossen wurde.121 Nachdem im Juni 2015 der Rat der Europäischen Union den sogenannten Ratsentwurf ausgearbeitet hatte122, konnte die DS-GVO kurze Zeit später verabschiedet werden und damit in Kraft treten.123 Statt nur die eigene Richtlinie zu überarbeiten, entschied sich der europäische Gesetzgeber dazu, die Vorgaben zum Datenschutz in Form einer Verordnung124 zu erlassen, die am 25. Mai 2018 in Kraft trat und wegen ihrer Gestalt als Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar ohne einen Umsetzungsakt in jedem Mitgliedstaat vollumfänglich Wirkung entfalten konnte. Ein einheitliches kohärentes Konzept für den europäischen Geltungsbereich sollte dadurch ermöglicht werden.125 Ein „Türöffner“ für eigene nationale Bestimmungen wurde über die Öffnungsklausel des Art. 85 DS-GVO geschaffen, der maßgeblicher Anknüpfungspunkt für das hier interessierende aktuelle Medienprivileg ist. Im Hinblick auf die bevorstehenden Veränderungen auf Europarechtsebene war Deutschland als betroffener Mitgliedstaat hellhörig geworden und veröffentlichte den ersten Referentenentwurf am 23. November 2016, der durch das federführend zuständige BMI vorgelegt wurde.126 Daran anschließend folgten zahlreiche Gesetzesänderungen in verschiedenen Bereichen, um den europäischen Maßstab im Da119

Europäische Kommission, 25. Januar 2012, KOM(2012), 11, 41 f. Europäisches Parlament, 12. März 2014, P7_TA(2014)0212, ABl. C 378/399. 121 Europäisches Parlament, 12. März 2014, P7_TA(2014)0212, ABl. C 378/399. 122 Rat der Europäischen Union, 11. Juni 2015, 9565/15, 2012/0011 (COD); Roßnagel/ Nebel/Richter, ZD 2015, 455, 455 ff. 123 ABl. L 119 vom 04. Mai 2016, S. 1. 124 Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG vom 27. April 2016 durch das Europäisches Parlament, (EU) 2016/679, ABl. 2016 L 119, 1 vom 04. Mai 2016. 125 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 04. November 2010, Gesamtkonzept für den Datenschutz für die Europäische Union, KOM(2010) 609 endgültig, S. 4 f. 126 Referentenentwurf des BMI vom 23. November 2016 für ein Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und –Umsetzungsgesetz, EU-DSAnpUG-EU). 120

V. Fazit

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tenschutzrecht gerecht zu werden – die bis heute nicht abgeschlossen sind.127 Diese neuen europäischen Einflüsse sorgen dafür, dass das Verhältnis der Medien und des Datenschutzes neu bestimmt wurde und deshalb erneut hinterfragt werden muss. Der gegenwärtige Untersuchungsanlass beruht auch auf einer dynamischen Bipolarität des Verhältnisses: mit der Medienbranche und dem Datenschutz treffen zwei Regelungsbereiche aufeinander, die sich jeweils für sich in einem erheblichen Wandel befinden und in diesem inneren Wandlungsprozess dann miteinander kollidieren.

V. Fazit Das Medienprivileg hat bereits eine nicht unbeachtliche historische Entwicklung erfahren und überlebte eine Vielzahl von Novellierungsverfahren. Den Grundstein für das nationale Datenschutzrecht legte das Land Hessen mit der Verabschiedung des ersten Datenschutzgesetzes (HDSG) im Jahr 1970 und erkannte damit als erstes deutsches Bundesland die zukünftige Notwendigkeit des Schutzes der persönlichen Daten für einen umfänglichen Persönlichkeitsrechtsschutz. Eine Sonderregelung für die Medien fand sich allerdings erst in dem Bundesdatenschutzgesetz von 1977. Diese sah die pauschale Nichtanwendung der Datenschutzvorschriften für die Medien vor. Im Zeitraum von 1978 bis 1982 erließen weitestgehend alle alten Bundesländer ein Landesdatenschutzgesetz. Ein weiterer Meilenstein für den Datenschutz wurde von dem BVerfG mit dem Volkszählungsurteil gesetzt. Mit der Novellierung des BDSG im Jahr 1990 normierte der Bundesgesetzgeber die Bereichsausnahme in § 41 BDSG (1990) und kippte das zuvor bestehende Grundsatz-Ausnahme-Modell dahingehend, dass die Medien fortan grundsätzlich den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unterliegen sollten. Aus diesem Umdenken entstand die Notwendigkeit, detaillierte Regelungen für die Medien zu erlassen. Im Wesentlichen waren Datenverarbeitungen zu „journalistisch-redaktionellen Zwecken“ durch einen ausgewählten Adressatenkreis privilegiert. Mit dem zunehmenden Bedeutungszuwachs des Datenschutzes kam der unionale Gesetzgeber dem Wunsch nach einem einheitlicheren Schutzniveau innerhalb der Europäischen Union nach, indem der Unionsgesetzgeber 1995 due DS-RL verabschiedete. Für das Medienprivileg relevant war Art. 9 DS-RL. Danach sollte eine (Ausnahme-) Regelung geschaffen werden, um den Ausgleich zwischen dem Recht auf Privatsphäre und der Freiheit der Meinungsäußerung sicherzustellen, wenn es um die Verarbeitung personenbezogener Daten ging, die zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgte.

127 U. a. Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und –Umsetzungsgesetz, EU-DSAnpUG-EU).

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B. Entwicklung des Medienprivilegs im Datenschutzrechtskontext

Mit einiger Verzögerung setzte der deutsche Gesetzgeber schließlich durch die Novellierung des BDSG 2001 die DS-RL ins nationale Recht um. Das Medienprivileg basierte nun auf zwei unterschiedlichen Säulen: zum einen auf den spezialgesetzlichen Vorschriften für die Medien und zum anderen auf der freiwilligen Selbstkontrolle (vgl. § 38a BDSG 2001). Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich wurde ebenfalls angepasst. Mit der sogenannten BDSG-Novelle wurden 2009 einige lang debattierte Modernisierungen umgesetzt. Der Wunsch nach Veränderung wurde auch auf europäischer Ebene immer laut mit der Folge, dass die Europäische Kommission 2010 ein „Gesamtkonzept für den Datenschutz für die EU“ vorstellte. Dies ebnete den Weg zu einem einheitlichen und verschärften Datenschutzniveau innerhalb der EU. Der fortwirkende offene Entwicklungsprozess sorgt dafür, dass ein Stillstand des Interessenskonflikts im andauernden dynamischen Wandel von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nahezu unmöglich ist.

C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg Das gesetzliche Fundament des Medienprivilegs basiert nicht nur auf einer bestimmten Norm, sondern erstreckt sich auf eine Vielzahl von Vorschriften sowohl im nationalen als auch im internationalen Umfeld. Die Medien sind für ihre journalistische Tätigkeit zwingend auf personenbezogene Informationen angewiesen, die auf einer gesetzlich legitimierten Grundlage verarbeitet und letztlich auch veröffentlicht werden dürfen. Es ist von enormer Bedeutung, die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungs- und Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG in der Praxis für die betreffenden Akteure im Bereich des Journalismus durch einen gesicherten Datenfluss und einen ungestörten Datenaustausch zu ermöglichen. Das Datenschutzrecht kann mit seinem üblichen Geltungsbereich nicht im vollen Umfang mit seinen einschränkenden Regelungen auf die Medien Anwendung finden, ohne die Medienakteure in ihrer Funktion als „public watchdog“1 zu behindern. Ihre Sonderrolle zur Erfüllung ihres demokratischen Auftrags, die Menschen mit relevanten Informationen zu versorgen, erfordert spezifische datenschutzrechtliche Regelungen für die Medienbranche. Mangels des Bestehens einer bereichsspezifischen Gesamtnorm, die für alle Medienformen einheitlich gilt, wird vom Gesetzgeber vielmehr versucht, in allen Bereichen dieser Querschnittsmaterie Ausnahmetatbestände für Medien zu schaffen, um Unstimmigkeiten auszubessern. Seit dem Inkrafttreten der DS-GVO am 25. Mai 2018 übte der europäische Gesetzgeber erneut Einfluss auf das nationale Medienprivileg aus. Folglich gab es Änderungen der Regelungen sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, die das nationale Medienprivileg betreffen. Dieses Kapitel dient als Wegweiser im Normenlabyrinth des Medienprivilegs und soll strukturelle Klarheit für den rechtlichen Rahmen bringen.

I. Europäischer Rechtsrahmen Das Unionsrecht ebnet den Weg für das Medienprivileg: Neben den Grundrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), die den verfassungsrechtlichen 1

Der Begriff „public watchdog“ bedeutet übersetzt soviel wie „öffentlicher Wachhund“. Anerkannter Maßen haben die Medien verfassungsrechtlich begründet die Funktion eines „öffentlicher Wachhunds“, wobei die Journalisten unabhängig auf die Meinungsbildung der Allgemeinheit einwirken und gleichzeitig eine Kontrollfunktion gegenüber verschiedenen staatlichen Einrichtungen ausüben. Siehe EGMR, NJW 2000, 1015 Rn. 59 – Bladet Tromsø.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Rahmen auf internationaler Ebene schaffen, ist vor allem Art. 85 DS-GVO maßgeblich für das Verhältnis von einerseits Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit und anderseits Datenschutz. Statt die Richtlinie 95/46/EG – die sogenannte „Datenschutzrichtlinie“ (DS-RL) – zu überarbeiten, wählte der europäische Gesetzgeber einen anderen und damit unmittelbar geltenden Rechtsakt: die Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV, so dass das Datenschutzrecht einen regelrechten „Strukturwandel“2 erfuhr. 1. Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit gemäß Art. 85 DS-GVO Die in der DS-GVO enthaltenen Regelungen gelten ohne einen weiteren Umsetzungsakt unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten im Gegensatz zu der vorherigen Regelungsform der Richtlinie (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Mittels des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts überlagert die DS-GVO grundsätzlich alle ihr entgegenstehenden Bestimmungen in den Mitgliedstaaten.3 Als Ausnahme dieser unmittelbaren Geltung enthält die Verordnung einige4 sogenannte „Öffnungsklauseln“, die Freiraum für bestimmte mitgliedstaatliche Modifikationen schaffen oder teilweise sogar fordern.5 Auch so die Öffnungsklausel in Art. 85 DSGVO, die den einzelnen Mitgliedstaaten Spielräume für eigene nationale Gesetzgebungsakte für den Umgang mit bestimmten Verarbeitungssituationen personenbezogener Daten eröffnet. Konkret heißt es in Art. 85 DS-GVO: 1) „Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang. 2) Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen 2

Kühling/Klar/Sackmann, Datenschutzrecht (2018), S. 85. Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Ausarbeitung WD 3-3000-123/18 vom 27. April 2018, S. 3. 4 Überblick dazu Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 501; Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600 ff. 5 Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600; Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 3; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV (2015), Art. 288 Rn. 21. 3

I. Europäischer Rechtsrahmen

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Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. 3) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission die Rechtsvorschriften, die er aufgrund von Absatz 2 erlassen hat, sowie unverzüglich alle späteren Änderungsgesetze oder Änderungen dieser Vorschriften mit.“

Statt selbst eine konkrete Bereichsausnahme für die Medienfreiheit zu schaffen, bürdet der Unionsgesetzgeber diese Aufgabe den Mitgliedstaaten auf. Ferner handelt es sich nicht nur um eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, sondern vielmehr um einen Handlungsauftrag zum Normenerlass für die Datenverarbeitung in mindestens vier verschiedenen Bereichen: Journalismus, Wissenschaft, Kunst und Literatur. Die nachfolgende Untersuchung soll thematisch auf den Funktionsbereich des Journalismus eingegrenzt werden. Mit der Folge, dass die grundrechtliche Problematik auf der Abwägung zwischen dem Schutz der personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) und dem Schutz zur Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 GRCh) einerseits und insbesondere der Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 GRCh) andererseits liegt. Sinn und Zweck der Öffnungsklausel ist es, die besonders bedeutsamen Meinungs- und Kommunikationsfreiheiten in einer demokratischen Gesellschaft länderübergreifend auf dem europäischen Kontinent zu gewährleisten, ohne dabei über die mitgliedstaatlichen Traditionen hinweg eine von der Europäischen Union gewollte (Voll-)Harmonisierung zu erzwingen.6 Denn bestimmte Teilbereiche erfordern gerade ein europäisches Geschick, den mitgliedstaatlichen Gestaltungswünschen im Einzelfall Rechnung zu tragen, was mithilfe der Regelungsmethode der Öffnungsklausel umgesetzt wird.7 Im Vergleich zur Vorgängernorm (Art. 9 DS-RL) erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Öffnungsklausel durch das Hinzufügen der „Informationsfreiheit“ und durch das Ergänzen des „wissenschaftlichen“ Verarbeitungszwecks. Mit dem Streichen des Wortes „allein“, wie es zuvor in Art. 9 DS-RL stand, signalisiert der Verordnungsgeber einen weiteren Schutzumfang der Datenverarbeitung als zuvor. Selbst wenn die Verarbeitung der Daten nicht zu einem privilegierten Zweck erfolgte, kann sie unter Umständen von der Privilegierung des Art. 85 DSGVO erfasst sein, das heißt, es könnte auch ein „gemischter Zweck“8 für die zu verarbeitenden Daten möglich sein.9 Nach der Verordnung sind im Vergleich zur 6 Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600, 603; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 4; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 40; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 4; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 1; Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK DatenschutzR, DS-GVO (Stand 2020), Art. 85 Rn. 2. 7 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 501. 8 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 290. 9 Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 17; für den Fall der Verletzung der Mitteilungspflicht aus Art. 85 Abs. 3 DS-GVO gibt es keinen konkreten Hinweis darauf, dass eine

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Richtlinie nun auch wesentlich mehr Ausnahmen und Abweichungen möglich. Damit schafft der Verordnungsgeber mehr Flexibilität für die gesetzgeberische Reaktion auf die Datenverarbeitungen bezüglich der sich neu bildenden Kommunikationswege und -formen.10 Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 85 Abs. 3 DS-GVO neuerdings angehalten sind, der Kommission eine Mitteilung darüber zukommen zu lassen, welche Abweichungen oder Ausnahmen nach Art. 85 Abs. 2 DS-GVO die nationalen Gesetzgeber in einer Rechtsvorschrift erlassen haben.11 Der Zweck dieser Notifizierungspflicht besteht darin, auf Ebene des Verordnungsgebers den Überblick über die einzelnen Umsetzungen seitens der Mitgliedstaaten zu behalten. Einer Unübersichtlichkeit infolge der unterschiedlichen Umsetzungsvarianten des Regelungsauftrags durch die EU-Mitgliedstaaten soll vorgebeugt werden und damit ein punktuelles Eingreifen im Ernstfall ermöglicht werden (Art. 258 AEUV), sofern das aus gesamteuropäischer Sicht erforderlich ist.12 a) Systematische Einordnung von Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO In Art. 85 Abs. 1 DS-GVO wird explizit das Schaffen eines Ausgleichs zwischen dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung sowie der Informationsfreiheit gefordert. Dabei obliegt es den Mitgliedstaaten zu entscheiden, wie die Rechtsvorschriften konkret ausgestaltet werden sollen. Etwas konkreter sind die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers dann aber in Art. 85 Abs. 2 DS-GVO für die Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken. Darin wird festgelegt, von welchen Normen der DS-GVO abgewichen werden darf bzw. soll oder welche Ausnahmen geschaffen werden sollten, soweit dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Einklang bringen zu können. Ob eine solche Notwendigkeit besteht, entscheiden die Mitgliedstaaten grundsätzlich nach ihren eigenen festgelegten Kriterien, lediglich europäische und nationale Grundrechte begrenzen den Handlungsspielraum.13 konkrete Rechtsfolge als Sanktion folgt, vgl. Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 17 f.; a. A. Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 15; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 12. 10 Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2. 11 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 1 f. 12 Grages, in: Plath, DSGVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 10; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 18. 13 Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens wurde bemängelt, dass konkrete Vorgaben für einen adäquaten Maßstab im Entwurf zu Art. 80 DS-GVO fehlen würden. Ausführlich dazu Schneider/Härting, ZD 2012, 199, 202 f.

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Beide Absätze von Art. 85 DS-GVO haben inhaltliche Überschneidungen bei der zweckgebundenen Datenverarbeitung, was dazu führt, dass beide Absätze nicht klar voneinander abgegrenzt werden können und das Verhältnis der beiden Absätze zu einander nicht eindeutig geklärt ist, sondern durch Normauslegung zu ermitteln ist. In der Literatur wird die Frage nach der Systematik der Absätze des Art. 85 DS-GVO unterschiedlich beantwortet.14 Unklar ist, ob womöglich beide Absätze für sich genommen als Öffnungsklauseln eingestuft werden können. aa) Art. 85 Abs. 2 DS-GVO Art. 85 Abs. 2 DS-GVO soll entgegen der chronologischen Reihenfolge wegen seiner unproblematischen Einordnung hier zuerst dargestellt werden. Dem Wortlaut nach „verpflichtet“ Art. 85 Abs. 2 DS-GVO die Mitgliedstaaten konkreter als Abs. 1 dazu, bestimmte Abweichungen oder Ausnahmen von gewissen Kapiteln der DSGVO unter der Beachtung des Gebots der Erforderlichkeit vorzunehmen, sobald die Datenverarbeitung einem journalistischen Zweck dient.15 Dieser Freistellungsauftrag des Art. 85 Abs. 2 DS-GVO bezieht sich auf folgende Inhalte der Verordnung: Kapitel II „Grundsätze“, Kapitel III „Rechte der betroffenen Personen“, Kapitel IV „Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter“, Kapitel V „Übermittlung von Daten“, Kapitel VI „Aufsicht“, Kapitel VII „Zusammenarbeit und Kohärenz“ und Kapitel IV „besondere Verarbeitungssituationen“. Von dieser Enumeration nicht erfasst sind die Kapitel I, X, XI und insbesondere VIII (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen), was einige Folgen mit sich bringt, aber an dieser Stelle zunächst unbeachtet bleiben soll. Die Entstehungsgeschichte von Art. 85 DS-GVO verdeutlicht die Bedeutung von Abs. 2: Ursprünglich war Abs. 2 als alleiniger Absatz für die Öffnungsklausel geplant und entspricht dem Vorgänger aus Art. 9 DS-RL somit am ehesten.16 Zwischen Art. 9 DS-RL und Art. 85 Abs. 2 DS-GVO sind Parallelen zu erkennen, da beide eine Abweichungsbefugnis von zentralen Bestandteilen des Datenschutzrechts vorsehen und beide inhaltlich an das Kriterium der „Notwendigkeit“ als Grundvoraussetzung für einen Lösungsversuch der Kollisionslage zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Datenschutzrecht anknüpfen. Wegen ihrer materiellen Überschneidung bleiben die anerkannten Prinzipien der gängigen Rechtsprechung bezüglich der Vorgänger-Norm Art. 9 DS-RL weiterhin relevant für die neuere Norm des Art. 85 DS-GVO.17 Bereits der EuGH hat in seiner Rechtsprechung (noch zu Art. 9 DS-RL, jedoch übertragbar auf Art. 85 Abs. 2 DS-GVO) klargestellt, dass der 14 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 29; Wolff, AfP 2020, 202. 15 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 3; Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 292. 16 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 2. 17 Beispielsweise EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 56 – Satamedia; ebenso EuGH, CR 2014, 10 Rn. 39 – IPI.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

verfassungsrechtlich gebotenen Öffnungsklausel in der Demokratie eine essenzielle Bedeutung beigemessen werden muss.18 Daher wird Art. 85 Abs. 2 DS-GVO als die eigentliche „Öffnungsklausel“ verstanden, unabhängig davon, wie Abs. 1 systematisch eingeordnet wird und gilt damit als eine nicht dispositive „Obliegenheit“ zum mitgliedstaatlichen Handeln.19 Der Verordnungsgeber fordert in Abs. 2 explizit, das Medienprivileg im nationalen Geltungsbereich zu schaffen oder gegebenenfalls ein bestehendes Privileg an europäisches Recht anzupassen.20 Die Norm, die wegen ihrer Konkretisierungsfunktion auch als „Spezifizierungsklausel“21 bezeichnet wird, begrenzt den Handlungsrahmen für die einzelnen nationalen Gesetzgeber.22 Nichtsdestotrotz ermöglicht diese Öffnungsklausel besonders im Vergleich zu anderen Öffnungsklauseln23 einen eher weiten Gestaltungsspielraum bezüglich der Umsetzung in das nationale Recht – insbesondere bei der Wahl der Mittel.24 Die Öffnungsklausel in Abs. 2 zwingt den nationalen Gesetzgeber hinsichtlich des „Ob“, ermöglicht aber einen mitgliedstaatlichen Handlungsspielraum hinsichtlich des „Wie“.25 Bezüglich der in Abs. 2 geforderten Ausnahmemöglichkeiten ist dem Wortlaut nach der Erforderlichkeitsgrundsatz zu beachten. Folglich sind den Datenschutz einschränkende Vorschriften auf das absolut Notwendige zu begrenzen, so dass die Anzahl der zulässigen Abweichungen und Ausnahmen auf die Modifikationen für

18 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 54 f. – Satamedia; Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 2. 19 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 502; Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 46 ff. „Mindestgarantie“; Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 84; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 44; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 290; Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 293; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 5; Pötters, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 5; Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 2; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 23; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 10; Trentmann, CR 2017, 26, 34. 20 Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 14. 21 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 1. 22 Der Entscheidungsspielraum wird durch das Erforderlichkeitsprinzip in Art. 85 DS-GVO begrenzt bzw. durch das Notwendigkeitsprinzip, wie es im Erwägungsgrund 153 heißt. 23 Wie beispielsweise die Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 DS-GVO, die lediglich spezifische Regelungen erlaubt. 24 Ettig, in: Wybitul, DS-GVO (2017), Art. 85 Rn. 9; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 44; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 14; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 16; v. Lewinski, in: Auernhammer, DS-GVO/BDSG (2020), Art. 85 Rn. 3. 25 Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 292 f.

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den Fall des grundrechtskollidierenden Interessensausgleichs beschränkt sind.26 Dieses festgesetzte Abwägungsgebot sorgt dafür, dass Ausnahmen und Abweichungen nur dort punktuell geschaffen werden können, wo der Datenschutz die Medienfreiheiten zu sehr in ihrem Anwendungsbereich verkürzt.27 Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sollen die jeweiligen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften erlassen, die einen schonenden Ausgleich beider Grundrechtspositionen im Sinne einer praktischen Konkordanz bezwecken.28 Das bedeutet, dass kein Grundrecht pauschal hinter das andere Grundrecht zurücktreten muss, sondern ein schonender Ausgleich zwischen beiden Schutzgütern im Einzelfall herzustellen ist. Insgesamt lässt sich Art. 85 Abs. 2 DS-GVO mithin als Öffnungsklausel bewerten. bb) Art. 85 Abs. 1 DS-GVO Das Schaffen eines Ausgleichs zwischen den verschiedenen Grundrechtspositionen steht im ersten Absatz des Art. 85 DS-GVO im Vordergrund: Gegenüberstehen sich das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß Art. 8 Abs. 1 GRCh und das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Informationsfreiheit aus Art. 11 Abs. 1 GRCh.29 Sinn und Zweck ist es, die primärrechtlich verankerte Meinungsfreiheit aus Art. 11 Abs. 1 GRCh besonders vor eingreifenden Vorschriften aus dem Bereich des Datenschutzrechts zu schützen, um datengestützte Tätigkeiten in der modernen Informationsgesellschaft zu gewährleisten. Die Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gibt ein umfassendes Verständnis für den Schutzbereich der Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 11 GRCh.30 Das „Abwägungsgebot“31 aus Abs. 2 der Verordnung dient als Aufforderung an die zuständigen Mitgliedstaaten der EU, den Abwägungsprozess der konträren Grundrechtspositionen selbstständig durchzuführen.32 Im Erwägungsgrund 433 wird klargestellt, dass dafür das Herstellen einer praktischen Konkordanz im Zuge der Abwägung erforderlich ist. 26 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 99 f.; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 12. 27 Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK DatenschutzR, DS-GVO (Stand 2020), Art. 85 Rn. 25. 28 Ausführlicher siehe Kapitel E. 29 Ausführlich zum Verhältnis der konkurrierenden Grundrechte auf europäischer Ebene im Kapitel IV. 30 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, GRCh (Stand 2019), Art. 11 Rn. 32; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 6 f. 31 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 9. 32 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 502; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 4. 33 Erwägungsgrund 4 der DS-GVO lautet: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte im Dienste der Menschheit stehen. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Im Vergleich zur medienspezifischen Norm in der vorherigen Datenschutzrichtlinie (Art. 9 DS-RL) wird deutlich, dass es Art. 85 Abs. 1 DS-GVO inhaltlich vorher so nicht gab. Ein Blick auf die dokumentierte Entstehungsgeschichte der Norm zeigt, dass in den ersten Entwürfen nur ein Absatz für Art. 85 DS-GVO geplant war, der dem heutigen zweiten Absatz größtenteils entspricht.34 Erst auf Vorschlag von Irland wurde der erste Absatz infolge einer Debatte mit einigen Änderungen und Anpassungen seitens des Parlaments und der Kommission eingeführt.35 Erwiesenermaßen war der erste Absatz seitens der Union bewusst in dieser Ausgestaltung gewollt, dennoch wird in Fachkreisen – wie nachfolgend aufgezeigt – diskutiert, wie Art. 85 Abs.1 DS-GVO konkret interpretiert und ausgelegt werden soll. Eine gerichtliche Klärung oder Weichenstellung bezüglich dieser Frage gibt es bis dato nicht und bedarf deshalb der nachfolgenden Auslegung. (1) Einordnung als „Regelungsauftrag“ Einerseits könnte der erste Absatz als europäischer Regelungsauftrag an die Mitgliedstaaten verstanden werden, ohne dabei als Öffnungsklausel zu fungieren.36 Dieser Regelungsauftrag mit einem allgemeinen Abwägungsgebot verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, eine nationale Rechtsgrundlage zu schaffen bzw. bestehende

ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Diese Verordnung steht im Einklang mit allen Grundrechten und achtet alle Freiheiten und Grundsätze, die mit der Charta anerkannt wurden und in den Europäischen Verträgen verankert sind, insbesondere Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Kommunikation, Schutz personenbezogener Daten, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren und Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.“ 34 Vorschlag der Kommission, KOM(2012), 11 endgültig, 2012/0011 (COD/Art. 80); vgl. Bienemann, Reformbedarf des Kunsturhebergesetzes im digitalen Zeitalter (2021), S. 59 ff.; Wolff, AfP 2020, 202, 204. 35 Vorschlag der Kommission, KOM(2012), 11 endgültig, 2012/0011 (COD/Art. 80); Council of the European Union, Presidency, Dok. Nr. 8825/13 vom 24. April 2013 (Art. 80); Änderungswünsche des Parlaments, L (KOM(2012)0011 – C7-0025/2012 – 2012/0011(COD))P7_TA(2014)0212; Rat der Europäischen Union, Vorsitz des Rates, Dok. Nr. 95/65/15 vom 11. Juni 2015 und Dok. Nr. 5455/16 vom 28. Januar 2016 (erste Lesung) – politische Einigung (Art. 80). 36 Assmus/Winzer, ZD 2018, 508, 512 f.; Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600, 602; Buchner/ Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 1; Hoidn, in: Roßnagel, Das neue Datenschutzrecht (2018), S. 419; Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 287 ff. „unechte Öffnungsklausel“; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 1; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 5; Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK DatenschutzR, DS-GVO (Stand 2020), Art. 85 Rn. 21 f.; Trentmann, CR 2017, 26, 34; Wolff, AfP 2020, 202, 205; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1061 f. – spricht sich trotzdem für eine Einordnung des Abs. 1 als eigenständige Öffnungsklausel aus.

I. Europäischer Rechtsrahmen

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Rechtsdogmatiken an europäisches Recht anzupassen.37 Der Unionsgesetzgeber fordert in der Anpassungspflicht nach Art. 85 Abs. 1 DS-GVO, die kollidierenden Grundrechte in Einklang zu bringen, mangels konkreter Vorgaben sind die Mitgliedstaaten dabei weder an ein explizites Mittel noch an eine vorgegebene Durchführungsmethode gebunden, nur die europäischen Grundrechte aus der GRCh und EMRK begrenzen den Gestaltungsspielraum.38 Für die Ansicht, Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als Regelungsauftrag anstatt als Öffnungsklausel einzustufen, spricht, dass ansonsten das ausgeklügelte System der einzelnen Erlaubnistatbestände des Art. 6 Abs. 1 bis 3 DS-GVO hinfällig wäre. Die ausdifferenzierten Ermächtigungsgrundlagen des Art. 6 DS-GVO bilden die Grundlage für die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Wäre Abs. 1 eine eigenständige Öffnungsklausel, hätten die nationalen Gesetzgeber die Gestaltungsfreiheit, für alle weiteren Verarbeitungszwecke ebenfalls Ausnahmen von den datenschutzrechtlichen Vorschriften zu erlassen und damit könnten die – teilweise durch die Rechtsprechung (fort)entwickelten – Bestimmungen des Art. 6 DS-GVO (vor allem zu Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) umgangen werden.39 Insgesamt könne nur Art. 85 Abs. 2 DS-GVO die Regelungsbefugnis enthalten, für spezifische Datenverarbeitungszwecke Ausnahmen zu erlauben und nicht Abs. 1. Gegen die Annahme, Abs. 1 sei lediglich ein Regelungsauftrag, spricht jedoch, dass eine Anpassungspflicht nur infolge einer Ermächtigungsgrundlage aus einer Öffnungsklausel überhaupt möglich ist und somit das eine nicht ohne das andere funktioniert.40 Wäre Abs. 1 ein Anpassungsauftrag bedürfte es ganz konkreter Vorgaben für die durchzuführende Gestaltung und das Qualifizieren von Abs. 1 als Auftrag würde gerade keinen Platz für mitgliedstaatliche Gestaltungsspielräume bieten wie es bei Abs. 1 der Fall ist. Indem der unionale Gesetzgeber das Wort „einschließlich“ im ersten Absatz verwendet, signalisiert er klar, dass die von ihm ausgewählten Zwecke in der Aufzählung (journalistisch, wissenschaftlich, künstlerisch und literarisch) nicht abschließend zu verstehen sind, mit der Folge, dass es sich bei Art. 85 Abs. 1 DS-GVO nicht um einen starren Regelungsauftrag handeln kann, sondern dieser vielmehr Raum für zusätzliche Bestimmungen schafft.41

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Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 6; Schantz, in: Wolff/ Schantz, Das neue Datenschutzrecht (2017), Rn. 1316; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 8 f. 38 Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn 4. 39 Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 287. 40 Wolff, AfP 2020, 202, 205. 41 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 290.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

(2) Einordnung als „Öffnungsklausel“ Vielmehr könnte Art. 85 Abs. 1 DS-GVO ungeachtet von Abs. 2 als „eigenständige Öffnungsklausel“ interpretiert werden.42 Den Mitgliedstaaten wird danach die Möglichkeit gegeben, zusätzliche, strengere oder einschränkende, nationale Vorschriften vorzusehen, die ihnen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmungen lassen.43 Dafür könnte sprechen, dass Abs. 1 ganz grundlegend den Mitgliedstaaten die Zielsetzung vorgibt, die zwei kollidierenden Rechte in Einklang zu bringen, ohne aber dabei die privilegierte Datenverarbeitung auf die Zwecke zu beschränken, wie es bei Abs. 2 der Fall ist.44 Diese Möglichkeit für die Mitgliedstaaten zum Normenerlass geht im Vergleich zu anderen Öffnungsklauseln in der Verordnung wie beispielsweise Art. 23 DS-GVO im Anwendungsbereich noch deutlich weiter und auch über den Anwendungsbereich von Abs. 2 hinaus: Rechtsvorschriften könnten folglich auch dann erlassen werden, wenn sie für das Ineinklangbringen der Grundrechte erforderlich sind, soweit die Datenverarbeitung auch für nicht-journalistische Zwecke erfolge.45 Der europäische Gesetzgeber sorgt damit für eine Art Auffangtatbestand, der für den Fall, dass die Datenverarbeitungen von Abs. 2 für die zukünftigen Problemfelder nicht einschlägig sind, greift – und somit das Schutzbedürfnis dieser Datenverarbeitungen erfasst. Als Resultat bietet Abs. 1 damit einen flexiblen Lösungsmechanismus für das grundlegende Spannungsverhältnis zwischen Kommunikationsfreiheiten und individuellen Persönlichkeitsrechten. Diese zukunftsorientierte Auslegung sichert den Mitgliedstaaten im ungewissen Entwicklungsumfeld des Datenschutzes variable Handlungsspielräume. Der weit gefasste Anwendungsbereich von Abs. 1 sorgt letztlich dafür, dass auf neue Entwicklungseinflüsse rasch und unkompliziert eingegangen werden kann. Dagegen spräche die systematische Auslegung, wonach Art. 85 Abs. 1 DS-GVO nicht als Öffnungsklausel gelten könne, wenn erst in Abs. 2 die konkrete Zweckbindung als Begrenzung für Abs. 1 folge, da ansonsten Abs. 2 als auch die Rege-

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Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 60 f., 117; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 9; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 40 f.; Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO. (2018), Art. 85 Rn. 7 f.; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1061 f.; Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 20 ff. 43 EuGH, ZD 2022, 384 Rn. 57. 44 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 6. 45 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 6; Art. 23 Abs. 1 DSGVO als Öffnungsklausel nennt vielmehr weitere Kriterien wie beispielsweise die nationale Sicherheit, die Landesverteidigung oder die öffentliche Sicherheit, die für den Erlass von Rechtsvorschriften zur Beschränkung von Betroffenenrechten beachtet werden müssen, siehe Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 7, Art. 23 Rn. 15 ff.

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lungen des Art. 6 Abs. 1 bis 3 DS-GVO überflüssig wären.46 Als weiteres Gegenargument lässt sich anführen, dass die Mitteilungspflicht aus Abs. 3 sich wohl nur auf den Abs. 2 bezieht und gerade nicht auf Abs. 1, was aber erforderlich wäre, damit Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als eigenständige Öffnungsklausel neben Art. 85 Abs. 2 DSGVO bestehen könnte.47 Denn mithilfe dieser neu eingeführten Mitteilungspflicht soll der Unionsgesetzgeber informiert werden, welche nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO erlassen worden sind, so dass dem Wortlaut von Abs. 3 nach, nur mitgliedstaatlicher Handlungsspielraum im Sinne einer Öffnungsklausel gemäß Abs. 2 besteht. Darüber hinaus könnte die Befugnis in Abs. 1, Regelungen für den nicht-journalistischen Bereich zu schaffen, im Wertungswiderspruch mit dem Unionsrecht stehen, das statt einer erneuten Rechtszersplitterung in den Mitgliedstaaten eine datenschutzrechtliche Harmonisierung anstrebt.48 Allerdings schließt die spezifischere Regelung von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO nicht die Möglichkeit aus, den ersten Absatz als weitere eigenständige Öffnungsklausel zu deuten. Im juristischen Kontext ist ein solches Normkonstrukt, bestehend aus einem allgemeinen Tatbestand kombiniert mit einem zweiten spezielleren Abschnitt, nicht ungewöhnlich. Vielmehr kann der aus dem Strafrecht bekannte Mechanismus des Grundtatbestandes und der Qualifikation als Vergleich herangezogen werden: so im Fall der Körperverletzung im Sinne von § 223 Strafgesetzbuch (StGB), die für den Fall einschlägig ist, wenn eine Person eine andere körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Begeht der Täter diese Körperverletzung allerdings in Form einer bestimmten Tatmodalität (mittels einer Waffe, durch Beibringen von Gift, mittels eines hinterlistigen Überfalls ect.) wie in § 224 StGB aufgelistet, so macht sich der Täter wegen einer gefährlichen Körperverletzung schuldig. Das bedeutet im übertragenen Sinne, dass die spezifischen Anforderungen eben für die bekannten und typischerweise häufig vorkommenden Begehungsweisen49 Anwendung finden, aber eben auch alle anderen Varianten von der allgemeinen Regelung erfasst werden sollen. Genau dieses Verhältnis lässt sich auf die Absätze von Art. 85 DS-GVO übertragen, wonach Abs. 1 die allgemeinere Öffnungsklausel 46 Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 287; LauberRönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1061; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 5; Wolff, AfP 2020, 202, 205. 47 Ungeachtet dessen gibt es in der DS-GVO auch sogenannte „Fehlverweise“ (Art. 15 Abs. 4 verweist auf den nicht vorhandenen Art. 15 Abs. 1b DS-GVO), wonach diesem Argument weniger Bedeutung beigemessen werden kann. Siehe Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 288; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1061; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 9. 48 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 6. 49 Vgl. Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 292, wonach bei den konkreten Zwecken aus Art. 85 Abs. 2 DS-GVO „typischer Weise eine Kollisionslage ihrer meinungsbildenden Tätigkeit mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ zutreffend ist.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

im Sinne eines „Grundtatbestandes/Auffangtatbestandes“ und Abs. 2 spezieller im Sinne einer „Qualifikation/Spezialregelung“ ist. Eine weitere Parallele kann zu der Normkategorie einer sogenannten „Generalklausel“ gezogen werden, die in verschiedenen Rechtsgebieten verwendet wird. Beispielsweise im Öffentlichen Recht lässt sich ein Vergleich mit der Berliner Landesnorm des § 17 ASOG ziehen. Diese polizeiliche Generalklausel greift nur dann, wenn keine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage (z. B. VersG) oder eine Standardmaßnahme nach §§ 18 ff. ASOG vorrangig anzuwenden ist. Nach § 17 Abs. 1 ASOG sind die Ordnungsbehörden oder die Polizei berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, wenn im Einzelfall eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder öffentliche Ordnung besteht. Ähnlich wie bei Art. 85 Abs. 1 DS-GVO verwendet der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe in einer allgemeineren Formulierung, um für untypische oder unvorhersehbare und damit rechtlich schwer einzufangende Situationen dennoch mittels einer Rechtsgrundlage gewappnet zu sein. Insgesamt lassen sich weitere Argumente für die Ansicht heranziehen, die den Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als eigenständige Öffnungsklausel bestärken. Grundsätzlich könnte vom absoluten Verständnis einer „standardisierten Öffnungsklausel“ abgewichen werden und die Einordnung als Öffnungsklausel stattdessen als Ausgangspunkt dieser Norm genutzt werden. Der erste Absatz kann dann als „eingeschränkte Öffnungsklausel“ interpretiert werden, das heißt sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 wären jeweils für sich genommen Öffnungsklauseln mit jeweils einigen Abweichungen zueinander.50 Danach schafft Art. 85 Abs. 1 DS-GVO ein Verständnis für den Maßstab der Verhältnismäßigkeit für die folgenden zu erlassenden Sonderregelungen.51 Beide Absätze ähneln sich zumindest in ihrer Zielrichtung, zwei Schutzgüter in Einklang zu bringen und enthalten dennoch jeweils für sich eigene Regelungsinhalte, so dass es sich nicht um einen puzzleartig zusammengesetzten Tatbestand handelt.52 Darüber hinaus würde der gesamte Anwendungsbereich der Norm in unbegründeter Art und Weise stark verkürzt werden, würde Abs. 1 nicht als Öffnungsklausel verstanden werden, da die privilegierten Datenverarbeitungen sich nur auf die aufgezählten Zwecke aus Abs. 2 beziehen würden. Das wohl letztgenannte vermeintliche Gegenargument, dass die Regelungssystematik von Art. 6 DSGVO wegen Art. 85 Abs. 1 DS-GVO hinfällig wäre, trifft schon deshalb nicht zu, weil dieser Mechanismus für Datenverarbeitungen im journalistischen Bereich ausgeschlossen ist.53 Die Mitgliedstaaten wären ohne die Öffnungsklausel in Abs. 1

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Wolff, AfP 2020, 202, 205. Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 52 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 24. 53 Cornils, in: BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 26, 21.1. 51

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überhaupt nicht befugt, den Abwägungsprozess für mediale Datenverarbeitungen in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO („berechtigtes Interesse“) näher zu konkretisieren.54 (3) Zwischenfazit zur systematischen Einordung von Abs. 1 Insgesamt haben Abs. 1 und Abs. 2 des Art. 85 DS-GVO sowohl einige Gemeinsamkeiten als auch einige Unterschiede. Eine Gemeinsamkeit beider Absätze liegt darin, dass sie neben einer grundlegenden Ermächtigung den europäischen Mitgliedstaaten die Pflicht zum Tätigwerden auferlegen und versuchen, das Spannungsverhältnis zwischen persönlichkeitsschützendem Datenschutz und essenziellen Medienfreiheiten zu lösen.55 Einer der Hauptunterschiede besteht hingegen darin, dass der Anwendungsbereich von Abs. 1 grundsätzlich weiter als der aus Abs. 2 ist und Abs. 1 daher über den engeren Tatbestand des Abs. 2 hinausgeht.56 Insgesamt sprechen für beide Ansichten – entweder Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als Öffnungsklausel oder als Regelungsauftrag einzuordnen – gute Argumente. Nach den überzeugenderen Anhaltspunkten ist Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als eigenständige Öffnungsklausel zu werten. Damit haben beide Absätze für sich genommen ihre Daseinsberechtigung als Öffnungsklauseln und einen eigenständigen Wirkungsmechanismus zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit. Art. 85 Abs. 1 ist aus Gründen der Systematik eine Öffnungsklausel, nur so kann der unional erteilte Auftrag von den Mitgliedstaaten auch tatsächlich umgesetzt werden. Nicht begründbar wäre zudem das sonst folgende zu starke Verkürzen des Anwendungsbereichs für bereichsspezifische Datenverarbeitungen. Obwohl Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 eine eigenständige Normativität begründen, führt die wechselseitige Ergänzung beider Absätze dazu, dass Abs. 2 inhaltlich spezieller und begrenzender ist, wohingegen Abs. 1 allgemeiner und damit flexibler im Anwendungsbereich ist. Insgesamt lässt sich Abs. 1 als ein „generalklauselartiger Grundtatbestand“ mit der „Funktion zum Lückenschließen“ und zum Absichern für künftige Entwicklungen im Datenverarbeitungskontext verstehen. Wohingegen Abs. 2 in seiner engen Anwendungsstruktur konkrete (Standard-) Fälle mit typischer Weise besonderer Schutzbedürftigkeit erfasst, die aus Sicht des Kenntnisstandes des 21. Jahrhunderts in realistischer Weise vorstellbar sind. Für das Ausgestalten des deutschen Medienprivilegs im klassischen Sinne liegt der Fokus vorerst auf Abs. 2. Die journalistische Zweckbindung umfasst das Verarbeiten der Daten im kommunikativen Umfeld des klassischen Journalismus. Alles in allem sollte Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als Öffnungsklausel im Ergebnis zumindest restriktiv

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Wolff, AfP 2020, 202, 205. Wolff, AfP 2020, 202. 56 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 58; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 5. 55

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

interpretiert werden, um ein ausuferndes und pauschalisierendes „Meinungsprivileg“ zu verhindern.57 b) Anwendungsverhältnis von Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO Daran anschließend stellt sich die Frage, welche Folgen das Bewerten von Abs. 1 als Öffnungsklausel mit sich bringt und wie es sich auf das Verhältnis der beiden Öffnungsklauseln zueinander auswirkt. Für das Rangverhältnis von Abs. 1 und Abs. 2 kommen grundlegend drei verschiedene Varianten in Betracht: a) Abs. 2 hat Vorrang gegenüber Abs. 1 oder b) Abs. 1 hat Vorrang gegenüber Abs. 2 oder c) beide sind gleichberechtigt nebeneinander aufgrund unterschiedlicher Zielrichtungen und sind dementsprechend als Ergänzungen zueinander zu verstehen. Der Ansatz, dass der allgemeinere Abs. 1 Vorrang vor dem spezielleren Abs. 2 haben soll, erscheint nicht schlüssig und widerspräche den maßgeblichen juristischen Grundsätzen.58 Ebenso ist die Vorstellung, dass beide Normen sich gegenseitig wie Puzzleteile ergänzen, nicht überzeugend, da es einer Regel bedarf, wie beide Regeln im kollidierenden Anwendungsfall zueinander stehen. Überzeugender ist es daher, Abs. 2 wegen seines spezialisierenden und konkreteren Charakters grundsätzlich vor Abs. 1 anzuwenden, so dass damit einem Ausufern des Medienprivilegs entgegengewirkt wird.59 Die Anschlussfrage, die sich stellt, ist die Frage, woraus sich dieser Anwendungsvorrang ergibt. Für den Fall, dass unterschiedliche Normen auf einen Sachverhalt anwendbar sind, greifen Kollisionsregeln (Konkurrenzen) aus der juristischen Methodenlehre. In Betracht kommen vorliegend zwei sich sehr ähnelnde Prinzipien: der Spezialitätsgrundsatz oder der Subsidiaritätsgrundsatz. aa) Lex specialis derogat legi generali Die Konkurrenzregel der Spezialität besagt, dass das besondere Gesetz dem allgemeineren vorgeht. Der Grundsatz wird für die Konfliktlösung angewendet, sobald zwei Normen eine gemeinsame Schnittmenge haben, wobei die Menge der einen Norm den Mengenkreis der anderen mindestens um ein Tatbestandsmerkmal überlagert.60 Ausgangspunkt für das Prinzip der Spezialität ist die Überlegung, dass die speziellere Norm letztlich das sachgerechtere Ergebnis erzielt.

57 Frey, in: Heidelberger Kommentar, DSGVO/BDSG (2020), Art. 85 Rn. 2; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 9, 11. 58 Das widerspräche dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali. Näheres dazu Zippelius, Juristische Methodenlehre (1994), S. 33 ff. 59 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 58. 60 Vgl. Barczak, JuS 2015, 969, 973.

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Art. 85 Abs. 2 DS-GVO hat unstreitig den spezielleren Wesensgehalt, der zu einem kleineren Mengenkreis im Vergleich zum Abs. 1 führt, so dass Abs. 1 die Fälle auffängt, die nicht von Abs. 2 erfasst sind. Folglich verdrängt Abs. 2 den Abs. 1, sobald die spezielleren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nach der Auffassung von Cornils ist Abs. 2 grundsätzlich Abs. 1 vorzuziehen, aber gerade nicht mit der Begründung, dass der Spezialitätsgrundsatz hier gilt.61 Hintergrund dieser Annahme ist, dass „publizistische Tätigkeiten“, die ein gewisses Schutzbedürfnis innehaben, jedoch nicht die konkreten Tatbestandsmerkmale von Abs. 2 erfüllen, dann nicht mehr von Abs. 1 rechtlich aufgefangen werden könnten, weil Abs. 2 im Wege der Spezialität Abs. 1 verdrängt.62 Hinzukommt, dass ansonsten Wertungswidersprüche entstehen: Es kann nicht sein, dass für das traditionelle Medienprivileg in seinem elementaren Wesensgehalt nur der enge Radius von Abs. 2 maßgeblich sein soll, wohingegen die eher neueren Verarbeitungsvarianten nach Abs. 1 keine Eingrenzung seitens der EU erfahren.63 bb) Ex primaria derogat legi subsidiariae Als weitere Methodik lässt sich der Grundsatz der Subsidiarität aus dem Strafrecht heranziehen. Eine „formelle“ Subsidiarität ergibt sich ipso iure: dieser gesetzliche Hinweis fehlt bei Art. 85 Abs. 1 D-GVO, so dass höchstens eine „materielle“ Subsidiarität in Frage kommt, die sich aus der gesetzlichen Systematik ableiten ließe. Die materielle Subsidiarität versucht den Anwendungskonflikt von zwei kollidierenden Normen zu lösen, indem die subsidiäre Norm aus Gründen des Normzwecks und anderen Wertungsgesichtspunkten im Gegensatz zur dominanteren Bestimmung keine Geltung beansprucht.64 Begründen lässt sich dieser Anwendungsvorzug von Abs. 2 möglicherweise mit der materiellen Subsidiarität des ersten Absatzes. Im übertragenen Sinne würde das für die datenschutzrechtliche Normkollision bedeuten, dass nach Abs. 2 der intensivere Eingriff vorliegt als nach Abs. 1 und die Regeln von Abs. 1 für diesen Fall nicht eingreifen. c) Zwischenfazit Zwischen Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO besteht wegen ihres inhaltlichen Überschneidens eine Art Normkonkurrenz. Der zweite Absatz ist wegen seines spezielleren Charakters (die konkrete Befugnis, Normen zu ändern oder gänzlich 61 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 58 f. 62 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 58 f.; ders., in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 29. 63 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 58 f. 64 Barczak, JuS 2015, 969, 973.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

wegzulassen bei der Umsetzung) für das Medienprivileg vorzugswürdig. Begründen lässt sich dieser Anwendungsvorrang am ehesten mit dem aus dem Strafrecht bekannten Prinzip der Subsidiarität. Aber dieses Prinzip lässt sich außerhalb des Strafrechts nicht ohne Weiteres auf die europäische Öffnungsklausel übertragen. Weitere juristische Kategorien, um das Verhältnis der Absätze zu bestimmen, sind nicht ersichtlich. Ohne jedoch das Verhältnis an einer juristischen Begrifflichkeit festmachen zu wollen, kann die Beziehung der sich überschneidenden Absätze umschrieben werden. Cornils definiert Art. 85 Abs. 1 DS-GVO als „generelle Öffnungsklausel mit Mindestgarantie in Abs. 2“.65 Diesem Ausdruck ist grundsätzlich zuzustimmen, allerdings könnte Abs. 1 wie oben bereits beschrieben auch als „generalartiger Grundtatbestand mit der Funktion zum Lückenschließen gegenüber Abs. 2 und zum Absichern für künftige Entwicklungen im Datenverarbeitungskontext“ beschrieben werden, womit gleichzeitig auch das subsidiäre Verhältnis gegenüber dem zweiten Absatz deutlich wird. d) Supranationale oder nationale Regelungskompetenz Zwischen dem europäischen Gesetzgeber und den Mitgliedstaaten sind die Zuständigkeiten für verschiedene Bereiche rechtlich aufgeteilt und entsprechend zugeordnet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV gilt das „Prinzip der begrenzen Einzelermächtigung“66. Die Europäische Union und ihre Organe können nur innerhalb der ihr zugewiesenen Kompetenzbereiche wirksam tätig werden. Ihren Befugnissen sind durch die mitgliedstaatlich vereinbarten Ziele in den Verträgen klare Grenzen gesetzt.67 Für die Regelung des Medienprivilegs sind inhaltlich gleich zwei Kompetenzbereiche tangiert: das Medien- bzw. Pressewesen und der Datenschutz. Indem der Unionsgesetzgeber über Art. 85 DS-GVO Spielräume für die Mitgliedstaaten eröffnete und damit die Grundlage für das Medienprivileg schaffte, liegt es nahe, dass er über die (vermeintliche) Regelungskompetenz beider Bereiche verfügt. Es ist umstritten, ob eine europäische Kompetenz besteht und woraus sich die europäische Kompetenz zur Regelung des Medienprivilegs konkret ergibt.68 In Betracht käme eine unionale Zuständigkeit über die „Angleichungskompetenz“ zur Förderung eines funktionierenden Binnenmarktes nach Art. 114 Abs. 1 Satz 2 AEUV. Der Regelungsinhalt der DS-GVO bezweckt durchaus einen funktionierenden Binnenmarkt in der EU, schließlich ist der gesetzliche Rahmen für 65 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 60 f. 66 „Principe d’attribution des compétences“, EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, Slg. 1996, S. I-1759 Rn. 23 ff. – EMRK-Beitritt 1; EuGH, EuZW 2000, 694 m. Anm. Wägenbaur – Tabakwerbung. 67 Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (2018), S. 84 f. 68 Kieck/Pohl, DuD 2017, 567 f.; Giesen, in: Stiftung Datenschutz (Hrsg.), Zukunft der informationellen Selbstbestimmung, 2016, S. 23, 43 ff.; ders., CR 2012, 550, 554.

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einen Datenaustausch für die Wirtschaft von essenzieller Bedeutung. Allerdings ist der Rechtsakt nicht auf die Kompetenznorm Art. 114 AEUV zu stützen, wenn die „Harmonisierung der Marktbedingungen innerhalb der Union nur nebenbei, d. h. als mittelbare Folge“ erscheint.69 Folglich kann der Erlass der DS-GVO nicht vollumfänglich auf Art. 114 AEUV gestützt werden. Die Zuständigkeit für den Erlass von Normen im Bereich des Datenschutzrechts ergibt sich dem Schwerpunkt nach für das Europäische Parlament und auch den Rat der Europäischen Union wohl aus der „EU-Datenschutz-Kompetenz“ des Art. 16 Abs. 2 AEUV.70 Entsprechend dieser Vorschrift hat der europäische Gesetzgeber grundlegend die Kompetenz, „Rechtsnormen über den Schutz natürlicher Rechte von Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr zu erlassen“. In dieser Norm werden aber die Medien nicht expressis verbis erwähnt, so dass eine Zuständigkeit für das medienspezifische Datenschutzrecht auf den ersten Blick nicht gegeben scheint. Allerdings braucht es keine konkrete Erwähnung der „Medien“, um auch für diese Regelungen im Datenschutzbereich zu erlassen.71 Die europäische Legislative, zusammengesetzt aus dem Parlament und dem Rat, hat statt zwingender Vorgaben lediglich die Rahmenbedingungen für das nationale Medienprivileg geschaffen.72 Grund dafür könnte sein, dass der Unionsgesetzgeber als supranationale Institution nicht die verschiedenen und teils konträren kulturellen Hintergründe der einzelnen Mitgliedstaaten beim Ausgleichen von zwei konträren Grundrechten berücksichtigen kann. Eine Vollharmonisierung kann mithin nicht Sinn und Zweck des Art. 85 DS-GVO im Medienbereich sein.73 Zudem bestärkt der Grundsatz der Subsidiarität gemäß Art. 5 EUV, dass die Mitgliedstaaten den Ausgleich selbst vornehmen sollten.74

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StRspr. EuGH, NVwZ 1993, 872. Für die Frage nach der einschlägigen Kompetenznorm ist die Feststellung des objektiven Schwerpunkts der Maßnahme entscheidend, stRspr. EuGH, BeckRS 2008, 71147 Rn. 34 m. w. N. 71 Wolff, AfP 2020, 202, 203. 72 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 503; Albrecht/Jotzo, Das neue Datenschutzrecht der EU (2017), S. 134; Wolff, AfP 2020, 202, 203. 73 Kühling/Martini et al., Die Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht (2016), S. 286. 74 Nach Art. 5 Abs. 3 EUV heißt es: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“; Wolff, AfP 2020, 202, 205. 70

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Im Bereich der Medien hat die Union jedoch keine umfassende Kompetenz. Folglich liegt die Kompetenz bei den Mitgliedstaaten, wenn es um die konkrete Frage der Abwägungsentscheidung bei Art. 85 Abs. 1 DS-GVO geht.75 Grundsätzlich ist der mitgliedstaatliche Entscheidungsraum durch alle Vorgaben der Europäischen Union und insbesondere durch die europäischen Grundrechte der Charta der Grundrechte begrenzt, da es sich entsprechend Art. 51 Abs. 1 GRCh bei der Anwendung der DS-GVO um die Durchführung von europäischem Recht handelt.76 e) Kontrollkompetenz bezüglich der medienprivilegierenden Vorschriften Das Problem der Grundrechtsbindung im Mehrebenensystem ist vorerst von der zu klärenden Frage nach der Letztentscheidungskompetenz zu trennen. Unklar ist noch, wer kompetenzrechtlich für die Überwachung der von den Mitgliedstaaten gesetzten Normen für das Medienprivileg verantwortlich ist. Konkurrierend könnten einerseits die nationalen Gerichte und andererseits der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Frage kommen.77 Argumentieren ließe sich einerseits, dass die Mitgliedstaaten die Schirmherrschaft über die genaue Ausgestaltung der europäischen Vorgaben aus der DS-GVO haben, wonach ihnen wegen der sachlichen Nähe zum letzten Mitwirkungsakt eine mitgliedstaatliche Kompetenz zustehen könnte. Der gegenteiligen Sichtweise liegt das Argument zugrunde, dass die europäische Öffnungsklausel der Verordnung die Grundlage für den Regelungsauftrag bildet, die den Mitgliedstaaten überhaupt erst den Freiraum bietet, bei einer Kollision konträrer Grundrechte auf der Grundlage einer „freien“ Entscheidungsbasis zu handeln. Nichtsdestotrotz muss Art. 85 DS-GVO europarechtskonform ausgefüllt werden und somit eine vollumfängliche Überprüfungsmöglichkeit für die zuständige Institution auf europäischer Ebene bestehen bleiben.78 Selbst wenn den Mitgliedstaaten gewisse Gestaltungsspielräume zustehen, handelt es sich um die Durchführung von Unionsrecht nach Art. 51 GRCh, so dass die Mitgliedstaaten insbesondere an die europäischen Grundrechte aus der GRCh und damit an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden sind.79 Die letzte Entschei-

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Rn. 9. 76

Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85

Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 506; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 40; Schiedermair, in: Ehmann/ Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 9. 77 M. Cappello (ed.), Journalismus und Medienprivileg (2017), IRIS Spezial, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, S. 18. 78 Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 14. 79 EuGH, EuZW 2013, 302 Rn. 29; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, DatenschutzGrundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 9 f.

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dungsbefugnis liegt somit beim EuGH.80 In dem Lindqvist-Urteil aus dem Jahr 2003 betonte der EuGH, dass er sich die Grundrechtsprüfung (und vor allem die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) vorbehält.81 Für den Fall, dass es einer gerichtlichen Klärung bedarf, ob eine Datenverarbeitung auf einer zulässigen Rechtsgrundlage erfolgte, ist der EuGH anzurufen.82 2. Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 3 DS-GVO Neben Art. 85 DS-GVO könnten zudem die Regelungen aus Art. 17 DS-GVO („Recht auf Vergessenwerden“) für die mediale Bereichsausnahme relevant sein. Dem Grundsatz nach besteht gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO ein Löschungsanspruch für den von einer Datenverarbeitung Betroffenen und gleichzeitig eine Löschungspflicht für den Verantwortlichen, für den Fall, dass ein gesetzlich normierter Löschungsgrund vorliegt. In Abs. 3 allerdings enthält der Löschungsanspruch bereits eine bereichsspezifische Ausnahme für die Medien: eine Löschung der Daten ist dann nicht erforderlich, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten das Recht auf den Schutz dieser Daten überwiegt. Diese Sonderregel macht deutlich, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 GRCh) einen hohen Stellwert besitzt, da es einzelfallabhängig als Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wirken kann.83 Diese Freistellung für die Medien von dem datenschutzrechtlichen Löschungsantrag ist an das Prinzip der Erforderlichkeit gekoppelt und nur dann wirksam, wenn im Einzelfall durch den datenschutzrechtlichen Verantwortlichen eine Abwägung zwischen dem Löschungsinteresse der personenbezogenen Daten des Betroffenen und dem Interesse an der fortwährenden Speicherung dieser Daten vorgenommen wird.84 Das Ausmaß der Vorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO erstreckt sich seit dem Inkrafttreten der DS-GVO besonders auf die wirtschaftliche Praxis: Mit zu-

80 Engeler, Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU vom 10. Dezember 2018, BT-Drs. 19/4674, S. 7; Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 81 EuGH, EuZW 2004, 245 Rn. 86 ff. – Lindqvist. 82 Engeler, Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU vom 10. Dezember 2018, BT-Drs. 19/4674, S. 7. 83 Siehe auch Erwägungsgrund 65 der Verordnung; Grages, in: Plath, DSGVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 8; Klickermann, MMR 2018, 209, 210; Paal/Hennemann, K&R 2017, 18, 22. 84 Nolte/Werkmeister, in: Gola DS-GVO (2018), Art. 17 Rn. 44; Paal/Hennemann, K&R 2017, 18, 22; Trentmann, CR 2017, 26, 33.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

nehmender Anzahl85 machen Bürger und Bürgerinnen gegenüber Presseunternehmen Gebrauch von ihrem Recht auf Löschung ihrer Daten, um ihren Onlineauftritt selbstbestimmt zu verwalten.86 Hinzukommt die Rechtsprechung des EuGH zum sogenannten „Recht auf Vergessenwerden“, die es Betroffenen erlaubt, etwaige journalistische Artikel mit Namensnennung sowohl aus der Onlinepräsenz als auch aus den Archiven der Medienunternehmen löschen zu lassen.87 Um aber den Onlineauftritt von medialen Unternehmen nicht gänzlich auszuhöhlen, kann diesem Löschungsantrag das Medienprivileg in Form des Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO entgegengesetzt werden, um so den verfassungsrechtlich gewährleisteten Auftrag der Medien zu sichern.88 Es stellt sich die Frage, wie das Verhältnis von Art. 17 Abs. 3 lit. a) und Art. 85 DS-GVO einzuordnen ist.89 Inhaltlich streben beide Normen eine Sonderstellung für die Medienakteure an. Ein Problem könnte dahin gehend bestehen, dass Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO gegenüber Art. 85 DS-GVO als abschließende Norm gewertet werden könne.90 Das hätte zur Folge, dass der Löschungsanspruch aus Art. 17 DSGVO den Anwendungsbereich der Öffnungsklausel Art. 85 DS-GVO und damit die einzelnen Medienprivilegien der Länder einschränkt.91 Nach dieser Ansicht stellt Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO bereits eine Konkretisierungsnorm dar, die es insbesondere Art. 85 Abs. 1 DS-GVO nicht erlaubt, spezialgesetzliche Bestimmungen zu erlassen, so dass der Unionsgesetzgeber die Thematik selbst regelt und den Mitgliedstaaten keinerlei Spielraum einräumt.92 Allerdings könnte das „große Medienprivileg“93 aus Art. 85 DS-GVO das „speziellere Medienprivileg“ aus Art. 17 Abs. 3 lit. a) überlagern. Letztlich haben die Mitgliedstaaten nach wie vor eine Art Konkretisierungsbefugnis für die Erfüllung des europäischen Auftrags, was eine Art Vorrang suggeriert.94 Als weiteres Argument lässt sich anführen, dass das Kapitel III, worin Art. 17 DS-GVO enthalten ist, 85 Auslöser für die steigenden Anträge war das „Google Spain“-Urteil des EuGH aus dem Jahr 2014; EuGH, EuZW 2014, 541 – Google Spain; EuGH, MMR 2014, 455 m. Anm. Sörup; Trentmann, CR 2017, 26. 86 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 297. 87 EuGH, EuZW 2014, 541 Rn. 14 ff. – Google Spain; Klickermann, MMR 2018, 209; Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 297. 88 Vgl. Herbst, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 17 DSGVO Rn. 71; Koreng/Feldmann, ZD 2012, 311, 314. 89 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 48. 90 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 48; Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 288 f. 91 Wanckel, ZUM 2020, 534. 92 Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 288 f. 93 Paal/Hennemann, K&R 2017, 18, 22. 94 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 48.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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von der Abweichungsbefugnis nach Art. 85 Abs. 2 DS-GVO offensichtlich erfasst ist und somit gerade Änderungen bezüglich der Löschungspflicht möglich sind.95 Folglich wäre Art. 85 DS-GVO vorrangig anzuwenden und könnte als „spezialgesetzliche Konkretisierungsnorm“ wirken.96 Für den grundsätzlichen Löschungsanspruch des Betroffenen gemäß Art. 17 DSGVO besteht eine weitere Ausnahme gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. d) speziell für die Nachrichten- und Pressearchive eines Presseunternehmens. Die Datenspeicherung kann dann dem Löschungsbegehren entgegengehalten werden, wenn die Datenverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke erforderlich ist. Inhaltliche Anhaltspunkte für diese Archivzwecke liefert Art. 89 Abs. 1 DS-GVO, wonach bei der zweckgebundenen Datenverarbeitung technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) gewährleistet werden müssen, um dem zentralen Prinzip der Datenminimierung gerecht zu werden.97 Der Erwägungsgrund 158 der Verordnung betont die Wichtigkeit des Speicherns bestimmter Daten zu Archivzwecken im Einzelfall: „Es sollte den Mitgliedstaaten ferner erlaubt sein vorzusehen, dass personenbezogene Daten zu Archivzwecken weiterverarbeitet werden, beispielsweise im Hinblick auf die Bereitstellung spezifischer Informationen im Zusammenhang mit dem politischen Verhalten unter ehemaligen totalitären Regimen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere dem Holocaust, und Kriegsverbrechen.“

II. Nationaler Rechtsrahmen Die europäische Öffnungsklausel gemäß Art. 85 DS-GVO legt den Grundstein für eine nationale Ausformung des Medienprivilegs durch die Bundesrepublik Deutschland. Nach nationalem Recht regeln die Bestimmungen gemäß Art. 70 GG ff. die föderale Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, wonach das Medienrecht mangels einer Bundeszuständigkeit in den Kompetenzbereich der Länder fällt. Infolge der föderalismusbedingten Länderzuständigkeit führt dies faktisch zu einer deutschlandweiten Zersplitterung der Regelungen für das Medienprivileg. Erschwerend kommt hinzu, dass das Privileg nicht nur in jedem Bundesland einzeln geregelt ist, sondern dass auch eine gesetzliche Differenzierung je nach Medientyp geschaffen werden muss, was eine Ausweitung der Normenvielfalt für das Medienprivileg nach sich zieht.

95 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 48. 96 A. A. Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 288 f. 97 Nolte/Werkmeister, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 17 Rn. 47.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

1. Bundesrechtliche Ebene Die Bundesrepublik Deutschland hat die aus dem europäischen Handlungsauftrag (Art. 85 Abs. 2 DS-GVO) resultierende Gelegenheit nicht ungenutzt gelassen, um Abweichungen und Ausnahmen von dem Großteil der datenschutzrechtlichen Vorschriften der DS-GVO für die Datenverarbeitungen zu einem journalistisch-redaktionellen Zweck zu erlassen. Vor 2006 verfügte der Bund über die Rahmengesetzgebungskompetenz für das Pressewesen, so dass das (Presse-)Privileg auf Bundesebene in § 41 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) a. F. seine gesetzliche Verankerung fand und gleichzeitig der Umsetzung der EG-Datenschutzrichtlinie diente. Nach 2006 galt das presserechtliche Medienprivileg auf Bundesebene trotz des Wegfalls der kompetenzbegründenden Norm (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG a. F.) für die Rahmengesetzgebungskompetenz gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG als Bundesrecht fort.98 Den Bundesländern war es ab diesem Zeitpunkt nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG bereits möglich, das Bundesrecht durch den Erlass eigener landesrechtlicher Normen zu ersetzen. Das Privilegieren der Medien im Bereich des Datenschutzes kam nach § 41 Abs. 1 BDSG a. F. kompetenzrechtlich nur für die Presse und nach Abs. 2 bis 4 für den bundesrechtlichen Auslandrundfunksender der Deutschen Welle in Betracht. Für den landesrechtlichen Rundfunk sind allein die Länder gemäß Art. 30, 70 Abs. 1 GG zuständig und im Bereich des Films entfiel bereits im Wege der Verfassungsreform im Jahr 1994 die Rechtsgrundlage zum Erlass bundesrechtlicher Vorschriften (Art. 75 Abs. 1 Nr. 2 GG).99 Nach § 41 BDSG a. F. sollten Vorschriften für das Erheben, Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten durch Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse von den Bundesländern erlassen werden, wobei die Datenverarbeitung ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken dienen durfte.100 Dabei sollten nur die datenschutzrechtlichen Normen §§ 5, 7, 9 und 38a BDSG a. F. für anwendbar erklärten werden. Laut der Rechtsprechung des BGH war ein datenschutzrechtliches Privilegieren der Presse nach § 41 BDSG a. F. nur möglich, wenn die Datenverarbeitung einer „pressemäßigen Veröffentlichung dient“ und eine „eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung“ erkennbar war.101 In diesem Urteil beschäftigte sich der BGH mit der Frage, ob das Übermitteln und Speichern von personenbezogenen Daten auf einer 98

BT-Drs. 18/11325, S. 79; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 4. Gesetz zur Änderung des GG vom 27. Oktober 1994, BGBl. 1994 I, S. 3146; Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 11. 100 § 41 Abs. 1 BDSG a. F.: „Die Länder haben in ihrer Gesetzgebung vorzusehen, dass für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse ausschließlich zu eigenen journalistisch-redaktionellen oder literarischen Zwecken den Vorschriften der §§ 5, 9 und 38a entsprechende Regelungen einschließlich einer hierauf bezogenen Haftungsregelung entsprechend § 7 zur Anwendung kommen.“; ausführlich dazu siehe Kapitel B. III. 3. 101 BGHZ 181, 328 Rn. 57 f. – spickmich. 99

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Internetseite ohne Einwilligung der Betroffenen zulässig ist. Geklagt hatte eine Lehrerin gegen ein Schülerportal, auf dem unter anderen die Lehrer und Lehrerinnen der eigenen Schule mittels vorgegebener Kategorien und Skalen bewertet werden konnten. Das Gericht entschied letztlich, dass die Übermittlung und Speicherung dieser lehrerbezogenen Daten auf der Webseite gemäß § 4 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a. F. auch ohne die Einwilligung der Lehrerin zulässig seien, da die Daten aus einer allgemein zugänglichen Quelle stammen.102 Infolge der DS-GVO bedingten nationalen Überarbeitungsnovelle einiger Gesetze wurde auch das BDSG durch das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUG-EU103)) vom Bundesgesetzgeber angepasst. Das neue BDSG enthielt wie in der amtlichen Begründung zum DSAnpUG-EU angegeben eben durch diesen Wegfall der bundesrechtlichen Kompetenz keine medienspezifische Regelung mehr, so dass § 41 Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 42 BDSG a. F. ersatzlos außer Kraft traten.104 Das Schaffen eines ordnungsgebenden Rahmens für den Medienbereich obliegt den Landesgesetzgebern. Einzig und allein für die Rundfunkanstalt der Deutschen Welle hätte der Bundesgesetzgeber die kompetenzrechtliche Möglichkeit, spezifische Regelungen im neuen BDSG zu erlassen, wovon der Bund allerdings bislang abgesehen hat.105 Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kritisierte die Verlagerung der medienspezifischen Regelungsverantwortung im Datenschutzrecht vom Bund auf die Länder und forderte in seiner Stellungnahme106 noch vor der Überarbeitung zumindest eine bundesrechtliche Rahmenvorschrift im BDSG.107 2. Landesrechtliche Ebene Verantwortlich für die innerstaatliche Umsetzung des europäischen Regelungsauftrags für das datenschutzrechtliche Medienprivileg sind die Bundesländer, die jeweils ihre eigenen Regeln für die Bereiche Presse, Rundfunk und Telemedien modifizieren müssen. Die Vorschriften für das pressespezifische Medium sind mit wenigen Ausnahmen in den jeweiligen Landespressegesetzen zu finden. Für den 102

BGHZ 181, 328 Rn. 42 – spickmich; vgl. Schertz, NJW 2013, 721, 724 f. BGBl. I 2017, S. 2097. 104 BT-Drs. 18/11325, S. 79. 105 Für die Deutsche Welle gelten die DS-GVO sowie § 20 DWG; Dix, in: Simitis/Hornung/ Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 31; Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 12. 106 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 14 f.; kritisch zu einer fehlenden bundesrechtlichen Norm Wolff, BayVBl 2017, 797, 800 f. 107 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 293. 103

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Bereich des Rundfunks ist vor allem der Medienstaatsvertrag neben den Landesrundfunk- und Privatrundfunkgesetzen, den Landesmediengesetzen, diversen Staatsverträgen und den Landesdatenschutzgesetzen einschlägig, wohingegen das telemedienspezifische Medienprivileg einheitlich im Medienstaatsvertrag verortet ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gestaltung im Medienbereich der Pressetätigen auf einem 2-Säulen-Modell basiert: zum einen werden rechtlich verbindliche Vorgaben gemacht und zum anderen können sich die presserechtlichen Medien freiwillig selbstregulieren. Dieses ausdifferenzierte Modellieren des rechtlichen Medienbereichs auf verschiedenen Stufen ist auf die föderalen Kompetenzzuweisungen zurückzuführen mit der Folge, dass ein mehrsträngiger Komplex aus Normen für das Medienprivileg entsteht. a) Rundfunk (Hör- und Fernsehfunk) Mit dem Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags (MStV) am 07. November 2020 fand ein Ablösen des vorherigen Rundfunkstaatsvertrags (RStV) statt – mit der Folge, dass sich die bereichsspezifische Freistellung für die Rundfunkanstalten und die Rundfunkunternehmen nicht mehr in § 9c RStV findet, sondern nun in § 12 MStV geregelt ist.108 Danach ist eine Datenverarbeitung durch die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio und die privaten Rundfunkveranstalter gemäß § 12 Abs. 1 MStV privilegiert, wenn die Datenverarbeitung zu keinem anderen als dem journalistischen Zweck erfolgt. Bereits vor Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags musste der Rundfunkstaatsvertrag bedingt durch die neuen Anforderungen aus der Öffnungsklausel der Art. 85 Abs. 2 DS-GVO überarbeitet werden.109 Schon der Entwurf zur Anpassung des vorherigen RStV enthielt den Vorschlag eines einheitlichen Medienprivilegs für den öffentlichen und den privaten Rundfunk mit dem Ziel der Harmonisierung des Datenschutzniveaus innerhalb des rundfunkrechtlichen Bereichs.110 Dieser Vorschlag wurde in § 9c Abs. 1 RStV umgesetzt, so dass die Landesgesetzgeber die Änderungsnovelle zum Anlass nahmen, ein einheitliches Medienprivileg im Rundfunkbereich zu schaffen.111 Nach Angaben in der amtlichen Begründung sollten die übrigen bestehenden Normen aus den Landesmediengesetzen bzw. den Mehr-

108

„Die medienanstalten“, KEK-Pressemitteilung 06/2020 vom 09. November 2020. Mit dem 21. RÄStV wurde die Regelung des § 47 RStV a. F. durch § 9c RStV ersetzt; Gesetz zur Zustimmung zum Einundzwanzigsten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze vom 08. Mai 2018, GV.NRW. 2018, S. 214. 110 Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Journalismus und Medienprivileg (2017), S. 37. 111 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 1. 109

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länderstaatsverträgen sowie einige länderspezifische Spezialregelungen zum rundfunkrechtlichen Privileg verdrängt werden.112 Die neue Regelung des § 12 MStV ändert an dieser Grundhaltung nichts, sondern übernimmt dem Wortlaut nach komplett die inhaltlichen Vorgaben aus der Vorgängernorm des § 9c RStV. Folglich können die Wertungen aus § 9c RStV auf § 12 MStV übertragen werden. Insgesamt sind die europäischen Datenschutzvorschriften aus der DS-GVO nur in eingeschränkt er Form auf die Rundfunkakteure anwendbar. Statt dieser allgemeinen datenschutzrechtlichen Regeln gelten spezielle Bestimmungen, die auf den rundfunkrechtlichen Bereich zugeschnitten sind, um den verfassungsrechtlich begründeten Auftrag des Rundfunks entsprechend Rechnung zu tragen. aa) Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken gemäß § 12 MStV Für den Rundfunkbereich ist § 12 MStV sowohl für den öffentlichen als auch den privaten Sektor der Dreh- und Angelpunkt. Diese rundfunkrechtliche Privilegierungsnorm ist einschlägig, wenn personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken im audiovisuellen Bereich im Rahmen einer rundfunkrechtlichen Veranstaltung oder des Verbreitens rundfunkrechtlichen Inhalts verarbeitet werden.113 Der persönliche Anwendungsbereich umfasst die Landesrundfunkanstalten, die in der ARD zusammengeschlossenen sind, das ZDF, das Deutschlandradio und alle privaten Rundfunkanstalten. Dasselbe gilt entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 6 MStV auch für die Hilfs- und Beteiligungsunternehmen der öffentlichen und privaten Rundfunkmedien, ungeachtet ihres territorialen Sendebereichs, der deutschlandweit, bundeslandweit oder nur regional ausgedehnt sein kann.114 Bei den Hilfsunternehmen handelt es sich um externe oder interne (Konzern-)Unternehmen, die der Anstalt dabei helfen, journalistische Aufgaben zu erfüllen.115 Bei Beteiligungsnahmen lässt sich bereits aus dem Wortlaut ableiten, dass damit Unternehmen gemeint sind, an denen die rundfunkrechtlichen Anstalten durch Unternehmensanteile beteiligt sind.116 Ist die Privilegierung einschlägig, so müssen die Rundfunkanstalten oder die Rundfunkun112 Amtliche Begründung zum 21. RÄStV, Art. 1 Nr. 3, S. 5; vgl. Institut für Europäisches Medienrecht, Synopse zu den geplanten Änderungen landesrechtlicher Regelungen zur Umsetzung des 21. RÄndStVund der DS-GVO (Juli 2018), S. 6, abgedr. in: Etteldorf, UFITA 2018, 170 ff. 113 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 11; Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 15. 114 Amtliche Begründung zum 21. RÄStV, Art. 1 Nr. 3, S. 6. 115 Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 13; ausführlich dazu Gummer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), MStV, § 12 Rn. 8 f. 116 Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 13; ausführlich dazu Gummer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), MStV, § 12 Rn. 8 f.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

ternehmen bei ihrer Datenverarbeitung lediglich zwei grobe Aspekte berücksichtigen: das Datengeheimnis und die Datensicherheit. (1) Datengeheimnis Die Wahrung des Datengeheimnisses gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MStV verbietet eine andere als zu journalistischen Zwecken dienende Datenverarbeitung durch die Rundfunkanbieter und deren Mitarbeiter. In einer älteren Regelung (§ 47 RStV a. F.) knüpfte der Landesgesetzgeber das Datengeheimnis noch an die „unbefugte Datenverarbeitung“, wovon abgewichen wurde und stattdessen die konkrete Zweckbindung („zu anderen journalistischen Zwecken“) im Wortlaut aufgenommen wurde.117 Während der gesamten Dauer der rundfunkspezifischen Datenverarbeitung einschließlich für den Zeitraum nach Beendigung der Tätigkeit sind die Verantwortlichen entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 MStV zum Einhalten des Datengeheimnisses verpflichtet.118 Das bedeutet, dass die Rundfunkanstalten und Rundfunkunternehmen ihre Mitarbeiter über die bestehende Pflicht zur Wahrung des Datengeheimnisses zunächst aufklären müssen und darüber hinaus beispielsweise im Arbeitsvertrag zur Geheimhaltung verbindlich verpflichten müssen. (2) Datensicherheit Als weitere Vorgabe hat der Datenverarbeitende der vorgenannten Unternehmen und Anstalten geeignete technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) im Rahmen der Integrität und Vertraulichkeit zu ergreifen, um die Daten vor jeglicher Fremdeinwirkung zu schützen, so dass ein angemessenes Schutzniveau geschaffen wird.119 Ableiten lässt sich dieses Schutzerfordernis der „Integrität und Vertraulichkeit“ aus § 12 Abs. 1 Satz 4 MStV in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 lit. f) und Abs. 2, Art. 24 und Art. 32 DS-GVO, die zum Schutz und zur Sicherheit der Datenverarbeitung anwendbar bleiben und zu keiner unverhältnismäßigen Einschränkung der journalistischen Tätigkeit im Rundfunkbereich führen.120 Gemeint sind damit unter anderem Maßnahmen wie das Pseudonymisieren oder das Verschlüsseln von Daten (Art. 32 Abs. 1 lit. a) DS-GVO), die für ein höheres Schutzniveau der Daten sorgen. Nach Art. 5 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 DS-GVO sind die Verantwortlichen bezüglich dieser Maßnahmen konkret in der Nachweispflicht („Re-

117 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 52. 118 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 53. 119 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 58. 120 Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 30.

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chenschaftspflicht“), um eine praxistaugliche Kontrolle über Einhaltung der Maßnahmen zu ermöglichen.121 (3) Haftung und Sanktionen Nach Maßgabe der Privilegierung von § 12 Abs. 1 Satz 5 MStV haften die datenschutzrechtlich Verantwortlichen nur bei der Verletzung des für sie geltenden Datengeheimnisses und bei Nichtergreifen der erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen auf Schadensersatz nach Art. 82 DS-GVO und einer (eventuellen) Geldbuße nach Art. 83 DS-GVO anstatt für den sonst üblichen Haftungsumfang, wonach jeder Verstoß gegen die DS-GVO genügt, sobald ein materieller oder immaterieller Schaden für den Betroffenen entstanden ist. In Fachkreisen ist nicht eindeutig geklärt, wie die konkrete Anwendung von Art. 82 und 83 DS-GVO auf § 12 MStV zu erfolgen hat.122 Problematisch ist dabei, dass die Bestimmungen des Datengeheimnisses landesrechtlicher Natur sind und die Schadensersatznorm hingegen vom europäischen Gesetzgeber stammt, der gerade keine Regelungen bezüglich des Datenschutzgeheimnisses erlassen hatte. Folglich ist unklar, wie einerseits die EU-Vorschrift zum Schadensersatz für den Fall der Verletzung des landesrechtlichen Datengeheimnisses und andererseits die Vorschrift zur Geldbuße nach § 83 DS-GVO anzuwenden ist, wenn diese nicht das entsprechende Tatbestandsmerkmal aus der Landesvorschrift beinhaltet.123 Bis diese Ungenauigkeiten im Wege der richterlichen Rechtsprechung beseitigt werden, sind die Betroffenen auch diesen Unsicherheiten ausgesetzt. (4) Betroffenenrechte Die Rechte der von der Datenverarbeitung betroffenen Personen sind nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Satz 8 MStV auf die Ergänzungspflicht, Auskunfts- und Berichtigungsansprüche nach § 12 Abs. 2 und 3 MStV beschränkt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass insbesondere die anderen umfangreichen datenschutzrechtlichen Schutzmechanismen aus der DS-GVO wie das Recht auf Auskunft, das Recht auf Berichtigung und Löschung, das Recht auf Verarbeitungseinschränkung der Daten, das Recht auf Widerspruch der Datenverarbeitung und das Recht auf Datenübertragbarkeit nicht geltend gemacht werden können bzw. stark eingeschränkt sind. Nach § 12 Abs. 2 MStV werden die Rundfunkbeteiligten verpflichtet, ihre Datenarchive um die persönlichen Informationen zu erweitern („Ergänzungspflicht“), die wegen einer von den Betroffenen gerichtlich durchgesetzten Unter121 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 28. 122 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 31; Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 32. 123 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 31; Cornils schlägt vor, auf § 83 BDSG (Schadensersatz) zu verweisen. Siehe Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 113.

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lassungsklage, eines Widerspruchsbegehens oder eines Gegenstellungsanspruchs zu speichern sind. Diese Ergänzungspflicht sorgt für einen lückenlosen Datenbestand im rundfunkrechtlichen Archiv, der sicher stellen soll, dass auch in Zukunft die Rechte der Betroffenen bei einer weiteren Datenverarbeitung bzw. -übermittlung geachtet werden.124 In § 12 Abs. 3 MStV wird ein Auskunftsanspruch für datenschutzrechtlich Betroffene gewährt, wonach Auskunft über die Daten der Personen, die der Berichterstattung zugrunde liegen und im Medienarchiv gespeichert sind, verlangt werden kann, soweit die betroffene Person durch die Berichterstattung in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt ist. Damit ähnelt die Vorschrift im Wesentlichen dem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO, der aber wegen § 12 Abs. 1 Satz 4 MStV keine Anwendung findet und in seiner Abwandlung für die privilegierte Datenverarbeitung stark eingeschränkt wurde. Erforderlich ist, dass der Betroffene durch eine „außenwirksame Verbreitung“125 seiner personenbezogenen Daten in Form einer rundfunkrechtlichen Berichterstattung in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt ist oder teilweise sogar, wenn bereits im Vorfeld eine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Wirkung eintrat.126 Insgesamt ist nach § 12 Abs. 3 Satz 2 MStV eine umfassende Abwägung zwischen dem Veröffentlichungsinteresse des Rundfunkveranstalters und dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen vorzunehmen. Sollte einer der genannten Gründe gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 – 3 MStV einschlägig sein, so ist die Auskunft über die der Berichterstattung zugrundeliegenden persönlichen Daten zu verweigern. Diese Einschränkungsmöglichkeit des Auskunftsrechts im Rundfunkbereich bedingt daher, dass die journalistische Rundfunkarbeit sichergestellt werden muss und insbesondere Rückschlüsse auf beteiligte Mitarbeiter oder sogar zu schützende Informanten verhindert werden müssen. Darüber hinaus kann der Betroffene nach § 12 Abs. 3 Satz 3 MStV die umgehende Berichtigung erwiesen unrichtiger Daten fordern, indem das Datenmaterial des Rundfunkveranstalters korrigiert wird oder die richtigstellenden Informationen in einem angemessenen Umfang im Datensatzarchiv ergänzend hinzugefügt werden müssen.127 Dieses Recht auf Berichtigung aus dem MStV ist die verkürzte Variante des nicht anwendbaren umfangreicheren Berichtigungsrechts aus Art. 16 DS-GVO. Dennoch erhält der Betroffene mit diesem rechtlichen Instrument eine Einflussmöglichkeit auf den Kernbereich der journalistischen Arbeit, indem er den rundfunkspezifischen Datenbestand um seine eigene Darstellung erweitern kann. Die Betroffenen haben somit eine Reihe von Schutz- bzw. Abwehrmaßnahmen, die auf den bereichsspezifischen Sektor zugeschnitten sind. 124 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 33. 125 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 35. 126 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien. (2019), RStV, § 9c Rn. 36. 127 Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 40.

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(5) Rundfunkrechtliche Datenschutzaufsicht Die europäische Verordnung fordert gemäß Art. 51 Abs. 1 DS-GVO, eine unabhängige Aufsichtsbehörde zur Kontrolle über das Einhalten der DS-GVO einzusetzen. Statt eine einheitliche Vorschrift zur rundfunkspezifischen Datenschutzaufsicht zu erlassen, bestimmt die Regelung des § 12 Abs. 4 MStV vielmehr, dass sich die rundfunkrechtliche Kontrollkompetenz nach den unterschiedlichen Landesvorgaben richtet. Resultat dieser Vorschrift ist nicht nur ein zunehmendes Aufsichtsgefälle zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den privaten Rundfunkunternehmen, sondern auch generell eine uneinheitliche Rundfunkaufsicht.128 Wegen der fehlenden Einheitsregelung können die Landesgesetzgeber frei entscheiden, wie die datenschutzrechtliche Aufsicht ausgestaltet sein soll. Grundsätzlich kommen dabei zwei unterschiedliche Konzepte in Betracht. Einerseits kann die Aufsicht sowohl über die journalistische Datenverarbeitung als auch über die mit der Administration zusammenhängende Datenverarbeitung (Verwaltung) von einer einzigen Aufsichtsinstitution erfolgen oder aber es wird nach dem Verarbeitungszweck differenziert und zwei unterschiedliche Institutionen sind für die Aufsicht zuständig.129 Für die letztere Vorgehensweise wäre zum einen ein Rundfunkdatenschutzbeauftragter für die Überwachung des Datenschutzes der journalistischen Tätigkeit zuständig und zum anderen wäre ein staatlicher Landesdatenschutzbeauftragter für die verwaltungsrechtlichen Datenverarbeitungen zur Aufsicht bestimmt.130 Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehend aus ZDF, Deutschlandradio, Bayrischer Rundfunk (BR)131, Hessischer Rundfunk (hr), Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), Norddeutscher Rundfunk (NDR), Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), Radio Bremen, Süddeutscher Rundfunk (SR), Südwestrundfunk (SWR) und Westdeutscher Rundfunk (WDR) gibt es neben § 12 MStV weitere Vorschriften, die für die datenschutzrechtliche Aufsicht maßgeblich sind. Für die meisten Rundfunkanstalten ist entsprechend der jeweils geltenden Gesetze ein interner „Rundfunkdatenschutzbeauftragter“ zu bestellen, der für die Kontrolle der gesamten Verarbeitungszwecke sowohl für die journalistische Datenverarbeitung als auch die rein administrative Datenverarbeitung innerhalb der Anstalt verantwortlich ist.132 Für die bundesweiten Beiträge des ZDF und des Deutschlandradios gelten die jeweiligen Staatsverträge: Die aufsichtsrechtliche Kompetenz für das ZDF (§§ 16 ff. ZDF-StV) und das Deutschlandradio (§§ 16 ff. Deutschlandradio-StV) verkörpert der „Rundfunkbeauftragte für den Datenschutz“, der als Datenschutzbehörde im Sinne von 128 129

S. 10 f. 130 131 132

Ory, UFITA 2018, 131, 157 ff. Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 64 ff. Etwas detaillierter zur bayrischen Datenschutzaufsicht Gummer/Rink, ZD 2020, 433 f. Vgl. BR, SWR, SR, WDR, MDR und NDR; Merten, ZUM 2004, 532, 534.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Art. 51 Abs. 1 DS-GVO agiert.133 Somit findet die Aufsicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk überwiegend im internen Wirkkreis – dennoch durch eine behördliche Kontrollinstanz – statt. Die Ausnahme zum Konzept der einheitlichen Datenschutzaufsicht bilden hingegen die Anstalten RBB, RB und hr bei denen die Aufsicht entsprechend des Datenverarbeitungszwecks geteilt (Rundfunkdatenschutzbeauftragter und zuständiger Landesdatenschutzbeauftragter) ist.134 Diese Form der rein internen Aufsichtszuständigkeit kann hingegen nicht für den privaten Rundfunk gelten, so dass die Aufsicht in den Kompetenzbereich der Landesmedienanstalten fällt, soweit keine Kompetenz für eine spezifischere Landesbehörde erlassen wird.135 Ein Teil der Bundesländer (Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Saarland) hat die Aufsichtskompetenz den jeweiligen Innenressorts zugewiesen, andere Länder (Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen) wiederum haben den Regierungsbezirken oder den Landesdirektionen die Kompetenz verliehen und wieder andere Bundesländer (Berlin, Bremen, Hamburg und Niedersachsen) erachten die Landesdatenschutzbeauftragten als kompetenzrechtlich für zuständig.136 Besonders die behördliche Aufsicht durch die Landesdatenschutzbeauftragten erscheint aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch, denn das Gebot der Staatsferne und Unabhängigkeit verbietet eine staatliche Einflussnahme auf den Rundfunk.137 Insgesamt wirkt die rundfunkrechtliche Aufsicht über die Einhaltung der Datenschutzvorgaben wegen der diversen Ausgestaltungen der Länder stark unübersichtlich. (6) Sonstiges: Verhaltenskodizes und Teleshopping In § 12 Abs. 1 Satz 7 MStV wird den Normadressaten die Möglichkeit geboten, sich unter der Vorgabe eines transparenten und öffentlichen Verfahrens unverbindliche Verhaltenskodizes zu geben, die aber gerade keine genehmigten Verhaltensregeln im Sinne von Art. 40 Abs. 1 DS-GVO darstellen.138 Weitere Vorgaben werden im Medienstaatsvertrag nicht gemacht, so dass ein weiter Gestaltungsspielraum für die rundfunkrechtlichen Institutionen besteht.139 In § 12 Abs. 5 MStV werden die Vorschriften auch für Teleshoppingkanäle für anwendbar erklärt. Grund dafür ist, dass seit dem 12. RÄStV das Teleshopping unter 133 134 135

S. 10 f. 136

Dörr, AfP 1993, 709, 710. Merten, ZUM 2004, 532, 534 f. Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018),

Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 58. Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 68. 138 Amtliche Begründung zum 21. RÄStV, Art. 1 Nr. 3, S. 5 f.; Brings-Wiesen, in: Spindler/ Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 21. 139 Gummer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), MStV, § 12 Rn. 38 f. 137

II. Nationaler Rechtsrahmen

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den Rundfunkbegriff zu subsumieren ist mit der Folge, dass der vorherige Rundfunkstaatsvertrag und damit auch der Medienstaatsvertrag auf die Teleshoppingkanäle anwendbar ist, vorausgesetzt, es wird in der jeweiligen Norm ausdrücklich auf die Anwendbarkeit für Teleshoppingkanäle verwiesen.140 In der Praxis ist die Zahl wohl gering, bei denen Veranstalter der Teleshoppingkanäle personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten und stattdessen eher zu Marketingzwecken Daten erheben.141 Vorrangig bietet ein Teleshoppingkanal eine Plattform, um Produkte und Dienstleistungen anzubieten, nichtsdestotrotz ist eine Datenverarbeitung im meinungsbildenden Kontext (journalistischer Zweck) nicht gänzlich auszuschließen, besitzt hingegen wenig Relevanz.142 bb) Weitere rundfunkspezifische Regelungen Weitere Vorschriften für den Datenumgang zu (nicht-)journalistischen Zwecken im Bereich des Rundfunks oder bezüglich der rundfunkspezifischen Datenschutzaufsicht sind in den Landesrundfunk-, Landesmedien- oder Landesdatenschutzgesetzen enthalten. Insbesondere für die rundfunkspezifische Aufsicht sind neben § 12 MStV weitere Vorschriften heranzuziehen. Beispielhaft kann die Vorschrift des § 51 WDR-Gesetz für den konkreten Einsatz eines Rundfunkdatenschutzbeauftragten genannt werden. Obwohl bereits die rundfunkspezifische Vorgängernorm § 9c RStV alle weiteren Landesnormen zur Privilegierung im Datenschutzrecht verdrängen bzw. ersetzen sollte, haben einzelne Bundesländer eigene Bestimmungen erlassen: Zum Teil kopierten die Länder den Wortlaut von § 9c RStV komplett und einige wenige modifizierten den Inhalt in einem sehr geringen Umfang.143 So hat zum Beispiel das Bundesland Baden-Württemberg wie einige weitere Länder sein eigenes Landesmediengesetz (LMedienG BW) erlassen und regelt in § 49 LMedienG BW den Datenschutz im Bereich des privaten Rundfunks. Für Berlin und Brandenburg gilt gemäß § 54 Satz 1 MStV BB das Landesdatenschutzgesetz von Berlin (BlnDSG) ergänzend zur DS-GVO, soweit der MStV nicht vorrangig Anwendung findet. Folglich war die Verarbeitung der Daten für den Sender „Freies Berlin“144 nach § 31 BlnDSG unter Zugrundelegung der strengen Zweckbindung privilegiert.145 Jedoch 140

Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 9c Rn. 7. 141 Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 9c Rn. 14, 27. 142 Gummer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, (Stand 2020), MStV, § 12 Rn. 11. 143 Institut für Europäisches Medienrecht, Synopse zu den geplanten Änderungen landesrechtlicher Regelungen zur Umsetzung des 21. RÄndStV und der DS-GVO (Juli 2018), S. 6. 144 Der „SFB“ war von 1953 bis 1993 die Landesrundfunkanstalt des Landes Berlin. Heute ist die Landesrundfunkanstalt der Länder Berlin und Brandenburg der rbb. 145 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 6.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

handelt es sich nicht um explizite Sonderregeln für den Rundfunk – ebenso wie in Bayern (Art. 38 BayDSG). Für Sachsen gilt die landeseigene Vorschrift des § 44 Sächsisches Privatrundfunkgesetz (SächsPRG) ergänzend zum spezielleren RStV. Eine Besonderheit liegt in § 44 Abs. 2 SächsPRG, der explizit die geteilte Datenschutzaufsicht anordnet. Weitere Vorschriften finden sich für die einige Bundesländer146 in ihren jeweiligen Gesetzen: § 55 NMedienG (Aufsicht privater Rundfunk), § 6 LMG Thüringen, § 58 LMG Bremen, § 61 LMG MV, § 51a SMG Saarland und § 46 LMG Nordrhein-Westfalen. Hieran wird deutlich, dass der diesbezügliche Regelungsbestand weit von einer einheitlichen Struktur entfernt ist. Die Rechtssicherheit im spezifischen Rundfunkdatenschutz wird dadurch jedenfalls nicht gefördert. b) Telemedien Im digitalen Zeitalter beschränkt sich das Veröffentlichen der medialen Berichterstattungen nicht mehr nur auf die gedruckten Erzeugnisse, sondern die Daten werden vielmehr auch online im World Wide Web zum jederzeitigen Abruf bereitgestellt, um eine Vielzahl an potentiellen Kunden zu erreichen.147 Die klassischen Medienformen Presse und Rundfunk bedienen sich zunehmend der modernen Plattformen, indem sie als Anbieter von Telemedien auftreten. Bei Telemedien handelt es sich nach Maßgabe des Telemediengesetzes (TMG) um alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht als Telekommunikationsdienste (§ 3 Nr. 24 TMG Übertragung von Signalen z. B. Mobilfunkanbieter oder Faxdienste), telekommunikationsgestützte Dienste (§ 3 Nr. 25 TMG Telefonmehrwertdienste148) oder dem Rundfunk (§ 2 RStV) unterfallen. Entscheidend ist nicht die Art der Daten, sondern allein das elektronische Übermitteln der Daten. Die überwiegenden Datenbeiträge und Datenvorgänge in Form von Texten, Bildern oder Ton im World Wide Web wie beispielsweise Homepages, Blogs149, Intermediäre (z. B. Suchmaschinen und Soziale Netzwerke), Chatrooms, Onlineshops, Bestell- und Buchungsdienste150, Online-Banking, Online-Spiele, Verkehrs- und Wetterdienste, Werbe-E-Mails151, Videos-On-Demand sind als Telemedien einzuordnen.

146 Die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein haben gar keine zusätzlichen Normen für den Bereich des privaten Rundfunks erlassen. 147 Tinnefeld/Buchner/Petri, Einführung in das Datenschutzrecht (2012), S. 175. 148 Ditscheid, in: Beck’scher TKG-Kommentar (2013), § 3 Nr. 25 Rn. 81. 149 Hullen/Roggenkamp, in: Plath, BDSG/DSGVO (2016), § 11 TMG Rn. 6; Schreibauer, in: Auernhammer, BDSG (2014), § 11 TMG Rn. 8. 150 Moos, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), Einführung TMG Rn. 5. 151 BT-Drs. 16/3078, S. 14.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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aa) Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken gemäß § 23 MStV Für Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestaltetem Inhalt ist die datenschutzrechtliche Ausnahme für den Rundfunk und die Presse einheitlich in § 23 MStV geregelt. Vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst sind dabei Unternehmen sowie Hilfsunternehmen der Presse und Unternehmen des Rundfunks, die als Anbieter von Telemedien personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten. In seinem Aufbau und seinen inhaltlichen Bestimmungen ähnelt § 23 MStV sehr stark der rundfunkspezifischen Norm (§ 12 MStV), so dass größtenteils auf die Ausführungen zu § 12 MStV verwiesen werden kann. Die erforderlichen Änderungen, die sich aus der europäischen Öffnungsklausel (Art. 85 Abs. 2 DS-GVO) ergeben haben, wurden bereits in der Vorgängernorm § 57 RStV im Zuge des 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrags eingearbeitet und bei dieser Gelegenheit die medienprivilegierenden Normen für den Rundfunk und die Telemedien im Wortlaut überwiegend angeglichen. An der Parallelität der Vorgängernormen § 9c und § 57 RStV ändert der neue MStV mit seinen Normen § 12 und § 23 MStV nichts, so dass weiterhin auf die ursprünglichen Wertungen des RStV zurückgegriffen werden kann. (1) Datengeheimnis und Datensicherheit Auch die Anbieter von Telemedien sowohl für den presserechtlichen als auch für den rundfunkrechtlichen Bereich werden vom datenschutzrechtlichen Pflichtenprogramm weitestgehend befreit und müssen sich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 bis 5 MStV nur an das Datengeheimnis halten und die Datensicherheit gewährleisten. Damit soll sichergestellt werden, dass diese privilegierten Datenverarbeitungsvorgänge nicht zu einem anderen als dem „journalistischen“ Zweck genutzt werden oder die Daten womöglich außerhalb der berechtigten Organisation in unbefugter Weise verwendet werden.152 (2) Haftung und Sanktionen Die europäischen Haftungsregeln aus Kapitel VIII (Art. 77 – 84 DS-GVO „Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“) finden grundsätzlich gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 MStV trotz der Sonderstellung der Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken Anwendung. Allerdings besteht für das Medium der Presse eine Ausnahme, wonach die Vorschriften aus Kapitel VIII der DS-GVO vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden können, soweit der Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Presserates für das jeweilige Unternehmen im Bereich der Presse für verbindlich erklärt wurde. Damit kann ein Anspruch nicht durch eine

152

Michel, AfP 2019, 490, 491.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

staatliche Aufsichtsbehörde durchgesetzt werden, sondern nur im Wege einer privaten Klage auf Unterlassung oder Schadensersatz.153 (3) Betroffenenrechte In § 23 Abs. 2 und 3 MStV sind die Rechte der Betroffenen konkretisiert.154 Ähnlich wie bei § 12 MStV wird den betroffenen Personen in Abs. 2 Satz 1 bis 4 ein Auskunfts- und Berichtigungsanspruch gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen der Telemedien gewährt. Der Auskunftsanspruch aus dem MStV ist im Vergleich zu dem Auskunftsanspruch der DS-GVO (Art. 15 Abs. 1 DS-GVO) stark eingeschränkt, da das Durchsetzen des Anspruchs einem Abwägungsprozess nach § 23 Abs. 2 Satz 2 MStV entgegensteht, wonach stets eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die nach äußerungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist, vorliegen muss.155 Im Gegensatz zum Auskunftsanspruch gegenüber den Rundfunkanstalten und -unternehmen ist das Recht gegenüber den Telemedien wegen ihres größeren Gefährdungspotentials weiter gefasst: anstatt nur die „außenwirksame“ Datenverarbeitung (Veröffentlichung) der betroffenen Daten als eine Verletzungshandlung einzuordnen, reicht bereits eine „interne“ Verarbeitung der personenbezogenen Daten.156 Allerdings besteht auch hier für die telemedienaktiven Presseunternehmen eine Umgehungsmöglichkeit in Form der Unterwerfungsmöglichkeit unter den Pressekodex (und der Beschwerdeordnung) des Deutschen Presserates nach § 23 Abs. 2 Satz 5 MStV. Für den Berichtigungsanspruch gelten weitestgehend dieselben Prinzipien wie bei der rundfunkrechtlichen Bestimmung § 12 Abs. 3 Satz 2 und 4 MStV. Des Weiteren wird den Anbietern der Telemedien in Abs. 3 eine Ergänzungspflicht – wie bereits aus § 12 Abs. 2 MStV bekannt – mit der Abweichung auferlegt, dass im Falle der Unterwerfung kein behördliches Überwachen über das Einhalten der Datenschutzvorschriften stattfindet (§ 115 Satz 3 MStV). (4) Telemedienspezifische Aufsicht Ein wesentlicher Unterschied besteht zu § 12 MStV bezüglich der datenschutzrechtlichen Aufsicht: im Bereich des Rundfunks richtet sich die Kontrollmöglichkeit 153 Fiedler, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), RStV, § 57 Rn. 8. 154 Ausführlich dazu siehe Fiedler, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), RStV, § 57 Rn. 22 ff. 155 Bereits dazu Stellungnahme von ARD, ZDF und Deutschlandradio zu Änderungsvorschlägen der Rundfunkkommission zu RStV, ZDF-StV und Deutschlandradio-StV zur Anpassung der staatsvertraglichen Regelungen zum Datenschutz an die Datenschutzgrundverordnung, Verordnung (EU) 2016/679, S. 4. 156 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), RStV, § 57 Rn. 10.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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nach den unterschiedlichen Landesregelungen, wohingegen bei den rundfunkrechtlichen Telemedien von der verpflichtenden Aufsichtskontrolle einer staatlichen Behörde abgesehen werden kann. Für die Frage nach der Anwendbarkeit des Kapitel VIII der DS-GVO differenziert die telemedienspezifische Regel danach, ob es sich um das Medium der Presse oder des Rundfunks handelt. Für den Rundfunk findet das Kapitel VIII mit der Einschränkung Anwendung, dass statt einer staatlich-administrativen Aufsicht eine alternative Kontrolle erfolgt: für den öffentlichen Rundfunk mittels eines internen Rundfunkbeauftragten und für den privaten Rundfunk sind unterschiedliche Stellen zuständig wie zum Beispiel der Datenschutzbeauftragte der Landesmedienanstalten, der Vorsitzende des Vorstandes der Landesmedienanstalt oder der staatliche Datenschutzbeauftragte.157 Für den telemedienspezifischen Bereich der Presse hingegen kann die behördliche Datenschutzaufsicht mittels des Pressekodex des Deutschen Presserates umgangen werden, indem die Unternehmen, Hilfs- und Beteiligungsunternehmen der Presse sich der freiwilligen Selbstregulierung nach § 115 Satz 3 MStV den Verhaltensregeln des Deutschen Presserates unterwerfen. Insbesondere wird hierbei die Divergenz im Bereich der medienrechtlichen Aufsicht deutlich, die in nachfolgenden Kapiteln ausführlich untersucht werden soll.158 bb) Weitere telemedienspezifische Regelungen Neben der Norm des § 23 MStV finden sich einige weitere bereichsspezifische Vorschriften für die Anbieter von Telemedien in den Gesetzen der jeweiligen Bundesländer. Beispielsweise regelt § 37 Abs. 3 Medienstaatsvertrag zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein (MStV HSH) in gleicher Weise die telemedienspezifische Gestaltung wie § 23 MStV und regelt damit die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken. Für Niedersachsen findet sich in § 54 Abs. 1 NMedienG die Verpflichtung auf das Datengeheimnis für „vergleichbare Anbieter von Telemedien“, die personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten. Für sonstige Anbieter von Telemedien, die journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote personenbezogener Daten für journalistische Zwecke verarbeiten, wird in § 51a LMG NRW auf § 57 Abs. 1 Satz 1 bis 5, Abs. 2 Satz 1 bis 4 und Abs. 3 RStV verwiesen. Nach Abs. 2 verfügt der Datenschutzbeauftragte der Landesmedienanstalt über die Befugnis zur Aufsicht über die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben aus der DS-GVO, dem MStV und den sonstigen Datenschutzvorschriften. Für Telemedienanbieter, die Daten zu einem nicht-journalistischen Zweck verarbeiten, gelten nach wie vor die Vorschriften des TMG.

157

Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 7; Fiedler, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), RStV, § 57 Rn. 6, 31. 158 Ausführlich dazu siehe Kapitel F. III. 2. b).

88

C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

c) Presse Das für die Presse relevante Medienprivileg wird von jedem Bundesland für seinen Geltungsbereich entweder im Landespressegesetz oder im Landesmediengesetz für den nicht-öffentlichen Bereich und ergänzend im Landesdatenschutzgesetz für die öffentlichen Stellen geregelt, wobei 14 der 16 Bundesländer das Presseprivileg typischer Weise im jeweiligen Landespressegesetz bestimmt haben. Nur Rheinland-Pfalz und das Saarland normierten die Sonderregeln für die Presse in ihren Landesmediengesetzen. Auf den ersten Blick scheinen sich die Inhalte der länderspezifischen Medienprivilegien für den Bereich der Presse zu decken, was sich jedoch bei näherem Betrachten nicht bestätigen lässt – mit der Folge, dass es einige nicht unbeachtliche und damit folgenreiche Unterschiede zwischen den Landesnormen gibt. aa) Überblick presserechtlicher Privilegierungsvorschriften Überblickshalber werden nachfolgend die Normen aus den Pressegesetzen bzw. Landesmediengesetzen für das Presseprivileg der einzelnen Bundesländer für den Geltungsbereich ab dem 25. Mai 2018 aufgezeigt: Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen

§ 12 PresseG BW „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken“ Art. 11 BayPrG „Datenschutz“ § 22a PresseG BE „Verarbeitung personenbezogener Daten, Medienprivileg“ § 16a BbgPG „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken“ § 5 PresseG HB „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken“ § 11a PresseG HH „Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken, Medienprivileg“ § 10 HPresseG (keine Überschrift) § 18a LPrG M-V „Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Presse“ § 19 NPresseG „Datenschutz“ § 12 PresseG NRW „Datenschutz“ § 13 LMG „Datenschutz“ § 11 SMG „Datenschutz für den Bereich der Presse“ § 11a SächsPresseG „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken“ § 10a PresseG LSA „Datenschutz“ § 10 PresseG SH „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken“ § 11a TPG „Datenverarbeitung zu journalistischen und literarischen Zwecken, Medienprivileg“

II. Nationaler Rechtsrahmen

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Weitere relevante Regelungen finden sich in den Landesdatenschutzgesetzen (siehe unter Kapitel C. II. 2. d). bb) Ursprüngliches Presseprivileg im BDSG a. F. Vor Inkrafttreten der DS-GVO gab es in § 41 BDSG a. F. ein einheitliches Presseprivileg, so dass die Länder darauf verzichteten, eigene Regelungen für die datenschutzrechtliche Sonderstellung der Presse zu erlassen und stattdessen auf die bestehenden Normen aus dem bundesrechtlichen Gesetz (BDSG a. F.) für das jeweils konkret anzuwendende Datenschutzrecht verweisen konnten (Datengeheimnis, Datensicherheit, Schadensersatz).159 Bedingt durch den kompetenzrechtlichen Wegfall des § 41 BDSG a. F. waren auch die Verweise der jeweiligen Landespressegesetze auf diese Vorschriften des BDSG hinfällig geworden, so dass die Bundesländer angehalten sind, die fehlenden Verweise aus dem ehemaligen BDSG durch die datenschutzrechtlichen Vorgaben aus der DS-GVO (Datensicherheit, Schadensersatz) zu ersetzen und an Stellen, wo es keine europäische Regelung gibt, eigene landesrechtliche Formulierungen zu schaffen (Datengeheimnis). Nachdem die Landesgesetzgeber gezwungen waren, auf Landesebene entsprechende Regularien für den pressespezifischen Sektor zu schaffen, diente vor allem die vorherige Bundesnorm als erste Orientierungshilfe. So ist es nicht erstaunlich, dass die Normen des Bundesgesetzgebers und der Landesgesetzgeber viele Parallelen aufweisen und sich inhaltlich sehr ähneln.160 Die meisten Bundesländer haben versucht, möglichst im Wortlaut deckungsgleiche Vorschriften zu erlassen, so dass inhaltlich ein Großteil der zentralen Vorschriften der DS-GVO bei der Datenverarbeitung zu einem journalistischen Zweck durch ein Presseunternehmen für nicht anwendbar erklärt wird. cc) Persönlicher Anwendungsbereich Überwiegend deckt sich der persönliche Anwendungsbereich in den landesrechtlichen Pressegesetzen. Die Mehrheit der Bundesländer beschränkt den Geltungsbereich auf die altbewährte Formulierung und privilegiert die „Unternehmen der Presse und (ihre) Hilfsunternehmen“. Lediglich Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland sind im Vergleich zu den anderen elf Bundesländern in ihrem Anwendungsbereich durch das zusätzliche Erfassen der „Beteiligungsunternehmen“ neben den klassischen (Hilfs-)Presseunternehmen weiter gefasst. Im Gegensatz dazu knüpft Bayern in Art. 11 Abs. 1 BayPrG ausschließlich an die Eigenschaft eines klassischen „Presseunternehmens“ 159

S. 3.

Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018),

160 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), DSGVO, § 19 Rn. 67.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

an, was im Vergleich auf das weit gefasste europäische Begriffsverständnis von „Journalismus“ eher weniger zeitgemäß wirkt.161 Die Verarbeitung personenbezogener Daten eines journalistisch Tätigen im Bundesland Bayern ist dem Wortlaut nach also nur durch ein „Presseunternehmen“ von den datenschutzrechtlichen Verpflichtungen freigestellt. Diese feinen Unterschiede in der Ausformulierung, bezwecken bereits ein Auseinanderfallen des rechtlichen Rahmengefüges zwischen den einzelnen deutschen Bundesländern. Inkohärente Anwendungsbereiche können für Unsicherheiten der journalistischen Arbeitsszene sorgen. dd) Sachlicher Anwendungsbereich Inhaltlich sehen die Presse- bzw. Mediengesetze der Länder weitestgehend eine Freistellung von den sonst üblicherweise geltenden Verpflichtungen aus der europäischen Verordnung für die Datenverarbeitungen im Bereich der gedruckten Presse vor. Voraussetzung dafür ist die Bindung an den journalistischen Zweck bei der Datenverarbeitung. Bis auf Bayern haben alle Bundesländer neben dem „journalistischen Zweck“ zusätzlich den „literarischen Zweck“ als Tatbestandsmerkmal für die privilegierte Datenverarbeitung in ihren Vorschriften der Landespressegesetze aufgenommen. Grund dafür ist eine Vorgabe des Unionsgesetzgebers (Art. 85 DSGVO), die allerdings für die tatsächliche Anwendung in der Praxis nur eine geringe Relevanz besitzt.162 Anwendbar für die presserechtliche Datenverarbeitung ist demgegenüber nach allen landesrechtlichen Vorgaben ausdrücklich die Verpflichtung zum Einhalten des Datengeheimnisses, wonach eine anderweitige Datenverarbeitung als zu den genannten Zwecken grundsätzlich untersagt wird. Besonders der Erlass einer Vorschrift zum Datengeheimnis seitens der Länder ist mangels einer Regelung in der europäischen Verordnung unbedingt erforderlich. Folgerichtig legen somit nahezu alle Landesnormen163 den datenschutzrechtlich Verantwortlichen (i. S. v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO) die Pflicht auf, die mit der Datenverarbeitung befassten Personen bereits bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf das Datengeheimnis zu verpflichten und diese Pflicht sogar nach Beendigung der Tätigkeit fortwirken zu lassen, um dem „theorielastigen Datengeheimnis“ einen praxistauglichen Rahmen zu geben. Auf Ebene des Bundes wird zwar in § 53 BDSG n. F. das Datengeheimnis geregelt, allerdings

161

Siehe Erwägungsgrund 153 der DS-GVO. Siehe Art. 85 DS-GVO und Erwägungsgrund 153. 163 Geregelt mit Ausnahme von Hamburg in allen Bundesländern in ihren jeweiligen Normen: § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 PresseG BW, § 22a Abs. 1 Satz 2 und 3 BlnPresseG, Art. 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayPrG, § 16a Abs. 1 Satz 2 und 3 BbgPG, § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 PresseG BR, § 10 Satz 2 und 3 HPresseG, § 18a Satz 2 und 3 LPrG M-V, § 19 Satz 2 und 3 NPresseG, § 12 Satz 2 und 3 PresseG NW, § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 LMG, § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 SMG, § 11a Satz 2 und 3 SächsPresseG, § 10a Satz 2 und 3 PresseG LSA, § 10 Satz 2 und 3 PresseG SH, § 11a Satz 2 und 3 TPG. 162

II. Nationaler Rechtsrahmen

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findet diese Vorschrift mangels eines Verweises keine Anwendung auf den spezifischen Bereich der Presse.164 Einige Landesgesetzgeber fokussieren sich beim Schutz der Daten nicht nur auf den internen Wirkkreis (Datengeheimnis), sondern schaffen zudem auch Datensicherheit nach außen, indem technische und organisatorische Maßnahmen für die Sicherheit der Daten zur Abwehr von Fremdeinwirkung gefordert werden. Beispielsweise sind gemäß § 12 Abs. 2 Landesmediengesetz Rheinland-Pfalz (LMG) und § 11 Abs. 1 Saarländisches Mediengesetz (SMG) technische und organisatorische Maßnahmen bei der Gewährleistung der Datensicherheit einzuhalten.165 ee) Anwendbarkeit der DS-GVO In den Landespressegesetzen wird von der Abweichungsbefugnis aus Art. 85 Abs. 2 DS-GVO ausdrücklich Gebrauch gemacht, indem festgesetzt wird, welche Bestimmungen aus der europäischen Datenschutz-Grundverordnung überhaupt in den Bundesländern gelten sollen. Allerdings verwenden die Landesparlamente unterschiedliche Formulierungen und gehen somit nicht einheitlich in der Gestaltung vor. Aus diesen divergierenden Wortlauten in den Landespressegesetzen bezüglich der anwendbaren Vorschriften der DS-GVO resultieren eine mögliche zunehmende Unsicherheit und eine weitere Zerstreuung des Rechtsrahmens für das Presseprivileg. Für die Eingrenzung des Anwendungsbereichs wird einerseits auf „Kapitel II bis VII und XI“166 abgestellt und anderseits die Formulierung „Kapitel I, VIII, X und XI“167 gewählt. Bei der ersten Variante sollen nur einige wenige Normen aus den genannten Kapiteln gelten und im Umkehrschluss aus der Aufzählung ergibt sich, dass Kapitel I, VIII und X eventuell anwendbar sein könnten. Bei der zweiten Variante hingegen werden etwas eindeutiger im Wortlaut die anwendbaren Kapitel konkret genannt. Abweichend zu diesen zwei Formulierungsvarianten haben lediglich die Bundesländer Bayern und Niedersachsen168 eigene Gestaltungen gefunden. Gemeinsam haben jedoch alle Bundesländer im weitestgehenden Sinne, dass sie Art. 5 Abs. 1 f) in Verbindung mit Abs. 2, Art. 24 und Art. 32 DS-GVO für anwendbar erklären. Das hat zur Folge, dass die Regularien der Datensicherheit bei der journalistischen Datenverarbeitung im Pressebereich zu berücksichtigen sind. Ins164 165

Rn. 7.

BW LT-Drs. 16/3555, S. 20. Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85

166 So in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein. 167 Diese Variante wählten Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 168 Beispielhaft § 19 Satz 4 NPresseG: „Auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken durch die Personen nach Satz 1 finden von der DS-GVO nur die Art. 1 bis 4 und 5 Abs. 1 f. i. V. m. Abs. 2, Art. 24, Art. 32 und Art. 92 bis 99 Anwendung.“

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

gesamt hat die Wahl der Formulierung Auswirkungen auf die Frage nach der datenschutzrechtlichen Haftung und insbesondere auf die Aufsichtsbefugnis über das Einhalten des Datenschutzrechts. (1) Aufsicht Wenig einheitlich sind die Regelungen bezüglich der Datenschutzaufsicht für die gedruckte Presse. Insbesondere die – umstrittene – Neuregelung, die „Druckpresse“169 einer behördlichen Aufsicht durch die zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten zu unterwerfen, führt zu einem regelrechten Umbruch und auch die weitere Möglichkeit der freiwilligen Selbstregulierung über den Pressekodex steht regelmäßig in der Kritik.170 Das Kernproblem für die datenschutzrechtlichen Sonderregelungen im Bereich der Presse bezieht sich auf das Kapitel VIII („Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“) in der europäischen Verordnung. Entsprechend des Wortlauts von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO sind die Normen aus Kapitel VIII nicht von der medienspezifischen Freistellung erfasst, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Art. 77 bis 84 DS-GVO für den medialen Bereich unabdingbar wären und somit die Druckpresse den Regelungen über eine Behördenaufsicht ausgesetzt ist. Im Vergleich zur DS-RL zeigt sich, dass Kapitel VI aus der Richtlinie, insbesondere die Norm Art. 38 DS-RL bezüglich der Datenschutzaufsicht gerade durch Art. 9 DS-RL „abdingbar“ sein sollte und im Wege der Umsetzung auf Landesebene ausgeschlossen war.171 Uneinigkeit besteht darüber, ob die neu hinzukommende datenschutzrechtliche Aufsicht und die damit verknüpften Vorschriften für die Mitgliedstaaten disponibel sind oder nicht. Eine länderspezifische unterschiedliche Handhabung zur Anwendung des Kapitels VIII sorgt für deutschlandweite Unsicherheiten der Presseakteure.172 Wird das Kapitel VIII als zwingende Unionsvorschrift interpretiert, so finden die Bestimmungen Art. 74 – 84 DS-GVO, insbesondere das Beschwerderecht gegenüber einer Aufsichtsbehörde (Art. 77 DS-GVO), für die datenverarbeitenden Medien Anwendung. Im Wesentlichen lassen sich zwei Varianten bei dem Umgang mit Kapitel VIII durch die Landesgesetzgeber in ihren Pressegesetzen herausfiltern und kategorisieren: Bei der ersten Variante nehmen die Landesgesetzgeber in ihren Presse- bzw. Mediengesetzen namentlich Bezug auf das Kapitel VIII, wohingegen die zweite Variante das Kapitel VIII nicht erwähnt.

169

Mit dieser Begrifflichkeit ist nicht die mechanische Presse zum Drucken gemeint, sondern die gedruckten Presseerzeugnisse. 170 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 292. 171 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 84 f. 172 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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(a) Erwähnung von Kapitel VIII mit Selbstregulierungsvorbehalt Einige Länder erklären die Normen aus Kapitel VIII zunächst für die journalistische Datenverarbeitung für anwendbar, entkräften diese Geltung dann aber, wenn der Deutsche Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates173 für verbindlich erklärt werden. Gilt dieser Pressekodex für das Presseunternehmen, kann ein Verstoß gegen die Leitlinien nur mittels der dann geltenden Beschwerdeordnung sanktioniert werden. Diesem Prinzip folgen dem Grundsatz nach die Bundesländer Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen, dabei gibt es jedoch „feine Unterschiede“ bei der konkreten Ausgestaltung.174 Am ähnlichsten sind sich die Vorschriften aus Hamburg175, Rheinland-Pfalz und SachsenAnhalt, die Kapitel VIII für nicht anwendbar erklären, soweit die berechtigten Medienakteure der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegen. Für den Fall, dass der Pressekodex von einigen Unternehmen nicht für verbindlich erklärt wurde, findet die behördliche Datenschutzaufsicht durch die zuständigen Landesdatenschutzbehörden als eine Art „Auffangregelung“ Anwendung. Im bayerischen Pressegesetz wird hingegen nach Art. 11 Abs. 2 BayPrG nur das Beschwerderecht gegenüber einer Aufsichtsbehörde gemäß Art. 77 DS-GVO den Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle zugewiesen und die sonstigen Bestimmungen aus Kapitel VIII werden nicht erwähnt. Grund dafür ist nach Angaben in der amtlichen Begründung, dass die Staatsferne176 der Presse gesichert werden soll und die Presse gerade keiner staatlichen Aufsicht unterliegen soll.177 In der Methodik wenig überzeugend hat das Bundesland Thüringen Kapitel VIII in § 11a Satz 4 TPG zunächst im Anwendungsbereich aufgenommen, dann aber in Satz 7 für nicht anwendbar erklärt mit der Begründung, dass keine Aufgabenzuweisung nach Kapitel VI der DS-GVO erfolgte, wovon die Selbstregulierung jedoch nach Satz 8 unberührt bleibt. Ungewöhnlich ist die Ausgestaltung im Saarland, das das Kapitel VIII gesondert in Satz 5 erwähnt und für zusätzlich anwendbar erklärt, sollten die (Hilfsund Beteiligungs-)Unternehmen nicht der Selbstregulierung unterworfen sein.178 Insgesamt kippt das Saarland damit das Anwendungs-Ausnahme-Modell, was durchaus kritisch zu beurteilen ist. 173

Ausführlich dazu siehe Kapitel C. II. 2. e). Bayern (Art. 11 Abs. 2 BayPrG), Hamburg (§ 11a PresseG HA), Rheinland-Pfalz (§ 13 Abs. 1 Satz 3 und 5 LMG), Sachsen-Anhalt (§ 10a Satz 4 und 7 PresseG LSA) und Thüringen (§ 11a Satz 3 und 6). 175 Der Hamburgische Landesgesetzgeber verweist in seinem Pressegesetz auf die Anwendbarkeit von § 37 Abs. 1 bis 3 MStV HSH, wonach gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 MStV HSH zunächst das Kapitel VIII Anwendung findet und dann nach Satz 5 die Selbstregulierung durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates dem Kapitel VIII vorgeht. 176 Die Staatsferne wird verfassungsrechtlich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG abgeleitet. 177 Bayern LT-Drs. 17/19628, S. 61. 178 Siehe § 11 Abs. 1 Satz 4 und 5 SMG. 174

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

(b) Keine Erwähnung von Kapitel VIII Die übrigen Länder – Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein – erwähnen das Kapitel VIII in ihrer Aufzählung (Kapitel II bis VII und IX) hingegen nicht, woraus eine grundlegende Nichtanwendbarkeit dieser Vorschriften geschlussfolgert werden kann.179 Als Resultat gäbe es für die notwendige Datenverarbeitung durch die Druckpresse keine Behördenaufsicht durch die sonst zuständigen Landesdatenschutzbehörden. Nach Auffassung des baden-württembergischen Landesgesetzgebers bedarf es keiner datenschutzrechtlichen Aufsicht über die gedruckte Presse, nicht nur weil dieser neuartige Eingriff gegen die grundlegenden Prinzipien der freien Presse (§ 3 LPresseG BW „Wächteramt“) verstoßen würde, sondern auch weil dieser erhebliche Eingriff in die Pressefreiheit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.180 Ebenso soll in Hessen nach Maßgabe der amtlichen Begründung die staatliche Datenschutzaufsicht über „die Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse zum Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK und Art. 11 GRC“ ausgeschlossen werden.181 (2) Haftung Allgemein sind die europäischen Vorgaben aus Kapitel VIII der DS-GVO für etwaige Sanktionen für Datenschutzverstöße maßgeblich. Bei einer Verletzung einer Datenschutzbestimmung aus der DS-GVO selbst kann grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 bis Abs. 6 DS-GVO von dem Betroffenen bei einem vorliegenden materiellen oder immateriellen Schaden gegenüber dem Verantwortlichen durchgesetzt werden. Diese Regeln können einen erheblichen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen und die Tätigkeit der Presseakteure unverhältnismäßig stark einschränken, so dass ein Abweichen von diesem Grundsatz bundeslandübergreifend befürwortet wird. Als Ausfluss der föderal gestalteten Legislative im Bereich Presse gibt es auch hier unterschiedliche Ausgestaltungen der Formulierungen in den Bundesländern.

179 180 181

Cornils, ZUM 2018, 561, 564 f. BW LT-Drs. 16/3555, S. 22. Hessen LT-Drs. 19/5728, S. 174 f., 177 f.; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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Teilweise soll Kapitel VIII für die Presse nicht gelten, soweit die Unternehmen, Hilfs- und ggf. Beteiligungsunternehmen der Presse dem Pressekodex unterliegen.182 Wie bereits bei der Frage nach der datenschutzrechtlichen Aufsicht dargestellt, agieren die Bundesländer wenig einheitlich bezüglich des Umgangs mit dem Kapitel VIII aus der DS-GVO. Verallgemeinernd lässt sich konstatieren, dass die europäische Schadensersatznorm (Art. 82, 83 DS-GVO) im bereichsspezifischen Landesrecht dahingehend eingeschränkt wird, dass nur bei Verstößen gegen das Datengeheimnis oder die Datensicherheit eine Haftung auf Schadensersatz einschlägig sein soll. Dieses Prinzip findet sich beispielsweise in der badenwürttembergischen Norm des Landespressegesetzes in § 12 Abs. 2 Satz 2 PresseG BW. Der Betroffene kann dann in diesen eingeschränkten Fällen Schadensersatz verlangen. Darüber hinaus ist in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein die bundesrechtliche Norm § 83 BDSG infolge der ausdrücklichen Verweisung anwendbar, in den Übrigen hingegen nicht. Nach § 83 BDSG wird dem von der Datenverarbeitung Beeinträchtigten ein Schadensersatzanspruch bei der Verletzung des Datengeheimnisses zusätzlich nach der bundesrechtlichen Norm gewährt. Auch in einigen Landesdatenschutzgesetzen ist ergänzend geregelt, dass eine Schadenersatzpflicht bei der Verletzung der Vorschriften zur Datensicherheit (d. h. bei Nichteinhalten der technisch organisatorischen Maßnahmen) bei einem daraus resultierenden Schaden besteht.183 (3) Betroffenenrechte Betroffenenrechte vor allem in Form des Auskunfts- und Berichtigungsanspruchs sind Schutzmechanismen des Datenschutzrechts, die den von der Datenverarbeitung Betroffenen von der europäischen Verordnung gewährt werden. Gleichzeitig geht von diesen Schutzrechten ein gewisses Gefährdungspotential gegenüber der Medienfreiheit aus, das im Widerspruch zu der presserechtlichen Freiheit, dem Informantenschutz und dem Redaktionsgeheimnis stehen könnte.184 Entgegen dieser verfassungsrechtlich begründeten Entwicklung befürworten einige Landesgesetzgeber etwaige Auskunfts- und Berichtigungsansprüche für Betroffene gegenüber der Druckpresse.185 182

Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 108 f. 183 Beispielhaft § 29 BbgDSG, LT-Drs. 6/7365 (im Entwurf noch unter § 28 BbgDSG zu finden), S. 26 f. 184 Cornils, ZUM 2018, 561, 575; ders., Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 14 f. 185 In Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland werden einerseits der Auskunftsanspruch und andererseits der Berichtigungsanspruch gewährt.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Das ist der Fall für die Betroffenen aus Berlin (§ 22a Abs. 2 PresseG BE), Hamburg (§ 11a PresseG HA i. V. m. § 37 Abs. 2 und 3 MStV HSH), Rheinland-Pfalz (§ 13 Abs. 2 und 3 LMG) und dem Saarland (§ 11 Abs. 2 und 3 SMG). Neben einem Anspruch auf Auskunft haben die Personen zugleich einen Berichtigungsanspruch ihrer unrichtigen Daten (bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen). Die letzteren drei Länder gewähren zusätzlich eine Speicherungs- und Übermittlungspflicht der richtigen Daten. Um diese Rechte nicht schrankenlos zuzulassen und die Pressearbeit leer laufen zu lassen, gewähren die genannten Bundesländer die Ansprüche nur unter dem Vorbehalt, dass die Presseunternehmen sich nicht freiwillig der Selbstregulierung mittels des Deutschen Presserates unterworfen haben. Eine Art Mittelweg zwischen den individuellen Datenschutzrechten einerseits und den Medienfreiheiten andererseits gehen die Länder Baden-Württemberg (§ 12 Abs. 2 PresseG BW), Brandenburg (§ 29 Abs. 2 BbgDSG) und Bremen (§ 5 Abs. 3 PresseG BR), die lediglich eine Pflicht zum Speichern und Übermitteln der richtigen Daten auferlegen, so dass das Recht der Betroffenen auf Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer eigenen Daten gewahrt wird.186 Die verbleibenden Bundesländer sehen hingegen keinerlei Betroffenenrechte für erforderlich, was aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kritikwürdig ist. Schließlich soll das Medienprivileg die Medienfreiheiten mit dem Datenschutz unter dem Gebot der Erforderlichkeit in einen Ausgleich bringen und den Medien nicht einseitig den Vorrang einräumen, indem die Betroffenenrechte gänzlich umgangen werden. d) Unabhängig vom Medium bestehende Vorschriften Insbesondere in einigen Landesdatenschutzgesetzen finden sich weitere Regelungen für die Datenverarbeitungen zu einem journalistischen Zweck durch öffentliche Stellen der einzelnen Bundesländer.187 Von den 16 Bundesländern haben lediglich sechs Bundesländer eine Sondernorm für die journalistische Datenverarbeitung durch ihre öffentlichen Landesstellen erlassen: Bayern in Art. 38 BayDSG, Berlin in § 19 BlnDSG, Brandenburg in § 29 BbgDSG, Mecklenburg-Vorpommern in § 12 LDSG M-V, Sachsen-Anhalt in § 25 DSAG LSA und Thüringen in § 25 ThürDSG. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern begründet den Erlass von Bestimmungen für Datenverarbeitungen, die einem journalistischen Zweck dienen, damit, dass „auch diejenigen Meinungsäußerungen abzudecken sind, die keinem der Anwendungsbereiche des Medienfachrechts zugeordnet werden können“.188 Gemeinsam haben diese Normen, dass sie auf die anzuwendenden Vorschriften zur Datensicherheit aus der DS-GVO verweisen, den Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO auf die Verletzungshandlungen bezüglich der Datensicherheit 186

M-V LT-Drs. 7/1568, S. 47. In Bayern Art. 38 BayDSG, in Berlin § 19 BlnDSG, in Brandenburg § 29 BbgDSG, in Mecklenburg-Vorpommern § 12 LDSG MV und in Thüringen § 25 ThürDSG. 188 M-V LT-Drs. 7/1568 (neu), S. 46 f.; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 294. 187

II. Nationaler Rechtsrahmen

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beschränken und zum Schutz der betroffenen Personen bei Gegenstellungsansprüchen die entsprechende Speicherungspflicht dieser Daten auferlegen. Im Einzelnen regeln einige Bundesländer darüber hinaus weitere Aspekte. Entgegen des allgemein üblichen Anwendungsbereichs des Landesdatenschutzgesetzes hat Brandenburg seine datenschutzrechtlichen Bestimmungen aus seinem Landesdatenschutzgesetz nach § 29 Abs. 3 BbgDSG auch für nicht-öffentliche Stellen für anwendbar erklärt.189 Einen ungewöhnlich weiten Anwendungsbereich eröffnet das thüringische Datenschutzgesetz gemäß § 25 Abs. 3 ThürDSG, wonach die Bestimmungen „auch für regelmäßig, also nicht nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeiten“ gelten. In § 25 Abs. 1 DSAG LSA erklärt der Landesgesetzgeber ausdrücklich die Anwendbarkeit von Kapitel VIII der DS-GVO (Datenschutzaufsicht). An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass die föderalen Zuständigkeiten dazu führen, dass die Rechtsvorschriften der Bundesländer weit auseinandergehen und dadurch die Rechtsunsicherheit der einzelnen Beteiligten im Bereich der journalistischen Datenverarbeitung verstärkt wird. Insbesondere öffentliche Landesbehörden in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein, die zu Kommunikationszwecken, Beiträge erstellen wollen, sind mit Unklarheiten konfrontiert. Dem gilt es zukünftig bundeseinheitlich entgegenzuwirken. e) Gesonderte Möglichkeit der Selbstregulierung Neben der ersten Säule der rechtlich verbindlichen Vorschriften seitens der Länder gibt es die zweite Säule der freiwilligen Selbstregulierung jedoch nur für den Bereich der Presse. Das Konzept der Selbstregulierung im Datenschutzrecht galt seit dem Inkrafttreten des BDSG 2001 als besondere Möglichkeit, das Verhalten bezüglich der journalistischen Datenverarbeitung der Presseunternehmen in einem Kodex zu regeln. Der Grundstein für diese pressespezifische Selbstregulierung innerhalb des Datenschutzrechts wurde durch die Normen des § 41 BDSG 2001 in Verbindung mit § 38a BDSG 2001 geschaffen.190 In der Begründung zum Regierungsentwurf wurde das Einführen der presserechtlichen Selbstregulierung gelobt und als weitere „Stärkung des Datenschutzrechts innerhalb des Medienbereichs“ gewertet.191 Schirmherrschaft über den Pressekodex hat der Deutsche Presserat, der keine Datenschutzbehörde ist, sondern ein eingetragener Verein bestehend aus den größten deutschen Verleger- und Journalistenverbänden in Deutschland. Danach ist es bestimmten Akteuren vorbehalten, eine Selbstverpflichtungserklärung zur Einhaltung 189

Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 294. Ausführlich dazu Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 92 ff. 191 BT-Drs. 14/4329, S. 46 f.; Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 3. 190

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

des Kodex abzugeben und damit die 16 benannten Verhaltensregeln für ihr Unternehmen als verbindlich zu erklären und auf diese Weise nicht der behördlichen Datenschutzaufsicht sondern der datenschutzrechtlichen Kontrolle des dafür zuständigen Datenschutz-Ausschusses zu unterliegen. Es greifen dann pressespezifische Sanktionen in Form eines Hinweises, einer Missbilligung oder einer (öffentlichen bzw. nicht-öffentlichen) Rüge zur Vermeidung von klassischen Bußgeldern nach Maßgabe des Pressekodex.192 In einer Mitteilung des Deutschen Presserats heißt es, dass die meisten Verlagshäuser193 der einzelnen Bundesländer die Verhaltensregeln des Pressekodex für sich als verbindlich erklärt haben.194 Neben den konkreten Vorschriften aus dem relevanten Pressekodex selbst, gibt es darüber hinaus einen eigenen Leitfaden zum Redaktionsdatenschutz195 als Konkretisierung des Pressekodex. Besonders relevant für den Datenschutzbereich sind Nr. 8 (Achtung des Privatlebens), Nr. 3.3 (Auskunftsanspruch) und Nr. 4.3 (Löschungsanspruch) aus dem speziellen Leitfaden für die redaktionelle Arbeit. Seit März 2020 ist ein neuer Beschwerdeausschuss als zusätzliche Kontrollinstanz eingerichtet worden, um speziell die Beschwerden aus dem Redaktionsdatenschutz zu prüfen. Für den Fall der anerkannten Selbstregulierung im Unternehmen gelten die Sanktionen aus der dann anwendbaren Beschwerdeordnung.196 Aus dieser Beschwerdeordnung ergibt sich eine vereinfachte und kostenlose Möglichkeit für den Betroffenen, sich gegen eine Veröffentlichung der personenbezogenen Daten im Pressebereich zu beschweren.197 Die sonst üblichen Betroffenenrechte aus der DS-GVO können nicht grundlegend auf die Presse übertragen werden, sondern bedürfen einer Einschränkung des Anwendungsbereichs wegen der speziellen verfassungsrechtlichen Stellung der freien Presse als Grundbedingung in einer Demokratie. Ferner kann der Katalog der Betroffenenrechte aus dem jeweiligen Landesrecht umgangen werden, indem der Pressekodex und seine Beschwerdeordnung für anwendbar und damit verbindlich erklärt werden. Allerdings enthält auch der Pressekodex des Deutschen Presserates Rechte für Personen, die durch die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sind. Schutz erfährt der Betroffene dann in Form eines Richtigstellungsanspruchs unrichtiger Presseberichte (Nr. 3.1) inklusive einer dazugehörigen Speicher- und Dokumentierungspflicht der richtigen Daten (Nr. 3.2), eines Anspruchs auf Auskunft über die einer Berichterstattung zugrun192 Das Prinzip der presserechtlichen Sanktionen beruht auf dem Grundsatz „öffentliche Rüge statt Bußgeldern“. 193 Im Jahr 2019 zählen zu den größten deutschen Verlagshäuser dem Umsatz nach Springer Nature, Random House, Westermann, Klett Gruppe, Cornelsen Bildungsgruppe, Haufe, Wolters Kluwer Deutschland, WEKA, C. H. Beck und Thieme; siehe Statista, Ranking der zwanzig größten Verlage in Deutschland nach ihrem Umsatz im Jahr 2019. 194 https://www.presserat.de/selbstverpflichtung.html (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 195 Deutscher Presserat, Leitfaden Redaktionsdatenschutz (2021). 196 Thomale, AfP 2009, 105, 108 f. 197 Thomale, AfP 2009, 105, 109.

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deliegenden Daten (Nr. 8.10). Letztlich bestehen sogar Sperr- bzw. Löschungspflichten für das Presseorgan, wenn die personenbezogenen Daten unter Verstoß gegen den Pressekodex erhoben wurden (Nr. 4.3).198 Ein großer Kritikpunkt ist das Ausgrenzen bestimmter Journalistengruppen von der Möglichkeit der Selbstregulierung durch den Deutschen Pressekodex. Nicht jedermann erfüllt die Kriterien des Deutschen Presserates, um überhaupt die Wahl zu haben, dass der Pressekodex für das eigene journalistische Handeln verbindlich sein soll. Vielmehr knüpft der Verein des Presserates an die Unternehmenseigenschaft der journalistisch Tätigen und damit an eine Einbindung in ein Redaktionsgefüge an. Als Folge dieses Institutionalisierens der Presse wird insbesondere den ergänzenden modernen Formen (Bürgerjournalisten, Blogger ect.) der Presse der Zugang zur datenschutzrechtlichen Suspendierungsmöglichkeit bezüglich der Datenschutzaufsicht verwehrt.199 Hinzu kommt, dass die Übersichtlichkeit enorm erschwert wird, da der Pressekodex nicht für ein gesamtes Bundesland einheitlich Anwendung findet, sondern eben nur für einzelne Unternehmen, die sich dem Pressekodex anschließen können, soweit die Unternehmen die engmaschigen Voraussetzungen erfüllen. Ein Kernproblem des Konzepts der Selbstregulierungen besteht in der nicht wirksamen Durchsetzungsbefugnis des Deutschen Presserates. Als Lösungsversuch wird eine zumindest auffangtatbestandliche Kontrollkompetenz des Staates vorgeschlagen.200 3. Fazit Die nationale Freistellung der Medien von den datenschutzrechtlichen Vorschriften wird durch die zunehmende Europäisierung des Datenschutzrechts beeinflusst. Nach Art. 85 Abs. 1 DS-GVO hat Deutschland eine Abweichungsbefugnis, um das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Datenschutzrecht bzw. informationelle Selbstbestimmung in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. Etwas allgemeiner ist bereits in Art. 85 Abs. 1 DS-GVO die Aufgabe an die Mitgliedstaaten formuliert, die konträren Grundrechte in Einklang zu bringen. Insgesamt besteht für das datenschutzrechtliche Medienprivileg ein gesetzlicher „Flickenteppich“ mit einer Vielzahl an Vorschriften. Insbesondere das Fehlen einer richtungsweisenden Norm auf Bundesebene infolge der weggefallenen Gesetzgebungskompetenz bestärkt das zunehmende Auseinanderfallen der landesrechtlichen Bestimmungen zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg. Zuletzt wurden das Medienprivileg betreffende Landesvorschriften im Wege der Modernisierung des Medienrechts durch das Inkrafttreten des neuen Medienstaatsvertrags verändert und alte Inhalte in neue Paragrafen gekleidet. Die Differenzierung nach der Gattung des Mediums und die teilweise sich überschneidenden Vorschriften aus verschiedenen 198

Thomale, AfP 2009, 105, 109. Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293. 200 Thomale, AfP 2009, 105, 109; grundlegend dazu Schmidt, Selbstregulierung der Presse in Deutschland und Großbritannien (2021). 199

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Gesetzen sorgen für eine eher unsichere Rechtslage für alle Beteiligten im medialen Umfeld. Wenig benutzerfreundlich ist zudem die generelle Gestaltung der Medienprivilegien, die mit ihren Formulierungen unklar und im Wortlaut nicht eindeutig verständlich sind. Durch das Umsetzen des Regelungsauftrags aus der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DS-GVO wird das Spektrum der europäischen Datenschutzvorschriften aus der Verordnung entsprechend angepasst und auf die spezielle Verarbeitungssituation der deutschen Medien zugeschnitten. Am übersichtlichsten sind dazu die Regelungen für den Bereich des Rundfunks, der seit dem 21. RÄStVeinheitlich sowohl für den öffentlich-rechtlichen als auch den privaten Rundfunk gilt. Nur wenige Normen aus der DS-GVO werden für die Datenverarbeitung der Rundfunkakteure für anwendbar erklärt, um eine reibungslose und staatsferne Rundfunktätigkeit zu gewährleisten. Insbesondere die Vorschriften bezüglich der Datensicherheit finden Anwendung, damit die teils sehr sensiblen Daten im Rundfunkbereich entsprechend geschützt werden und so die Daten der betroffenen Personen sicher vor jeglichen Eingriffen sind. Um die Daten zusätzlich vor einer unbefugten Einsichtnahme zu schützen, werden die Datenverarbeiter in den landesrechtlichen Normen auf das Einhalten des Datengeheimnisses verpflichtet. Die Betroffenenrechte sind grundsätzlich eingeschränkt, damit die rundfunkrechtliche Arbeit nicht unterlaufen werden kann, indem Betroffenenrechte als Vorwand gegen unerwünschte Berichterstattung genutzt werden. Konsequenterweise gibt es im Rundfunkbereich auch eine gesonderte Datenschutzaufsicht, die sich danach unterscheidet, ob es sich um den öffentlichrechtlichen oder den privaten Rundfunk handelt. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird ein „Rundfunkdatenschutzbeauftragter“ als eigene Datenschutzaufsichtsbehörde im Sinne von Art. 51 DS-GVO eingesetzt. Alles in allem sind die Vorschriften für die Rundfunkanstalten und -unternehmen entsprechend angepasst worden und die einheitliche Norm vereinfacht das Medienprivileg zumindest im Bereich des Rundfunks. Darüber hinaus orientieren sich die Inhalte für die Telemedien sehr stark an den Bestimmungen für den rundfunkspezifischen Bereich, so dass diese größtenteils übereinstimmen. Einige Unterschiede gibt es besonders zwischen in den einzelnen landesrechtlichen Vorschriften für die gedruckte Presse. Alles in allem zeigt sich, dass die diversen Normen der einzelnen Bundesländer zwar im Wesentlichen eine Parallele aufweisen, aber die bestehende Divergenz der inhaltlichen Bestimmungen führten ebenfalls zu einem gesetzlichen „Flickenteppich“. Im Land Berlin fehlte es bis Ende 2020 – also ganze zwei Jahre nach dem unmittelbaren in Kraft treten der DS-GVO – an einer Überarbeitung der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme für die Presse. Mit einiger Verspätung passte kürzlich die deutsche Hauptstadt das Berliner Pressegesetz an und verabschiedete die Norm § 22a PresseG BE.201 Davor galt in Berlin nur das Landesdatenschutzgesetz (§ 19 BlnDSG „Verarbeitung personenbezogener Daten zu 201

BE LT-Drs. 18/2598, S. 55.

II. Nationaler Rechtsrahmen

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Zwecken der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit“202) als rechtlicher Rahmen für das Presseprivileg. Eine Gemeinsamkeit besteht darin, dass alle Landesgesetzgeber wortgleich den „journalistischen Zweck“ als Grundvoraussetzung für die privilegierte Datenverarbeitung bestimmen. Darüber hinaus verpflichten fast alle Bundesländer gemeinsam diejenigen, die personenbezogene Daten zu einem journalistischen Zweck verarbeiten, das Datengeheimnis zu wahren. Damit besteht zumindest länderübergreifend ein einheitliches Fundament für den Pressebereich. Am ähnlichsten sind sich die Bestimmungen und insbesondere der Aufbau der Norm von Baden-Württemberg, Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein. In Bayern herrschen wohl die größten Unsicherheiten allein aus dem Grund, da in diesem flächenmäßig großen Bundesland die wenigsten bereichsspezifischen Vorgaben für die Presse regelt sind. Die umfangreichsten Bestimmungen bieten dagegen die Vorschriften aus den Landesmediengesetzen der Bundesländer NordrheinWestfalen und dem Saarland. Insbesondere die Landesgesetzgeber von Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben den am weitesten gefassten Anwendungsbereich und gehen damit deutlich einen Schritt auf Europa zu und erkennen so indirekt die modernen Medienformen an. Insbesondere lässt sich eine unterschiedliche Rechtslage bezüglich der datenschutzrechtlichen Aufsicht im gedruckten Pressebereich feststellen. Besonders signifikant ist die unklare Rechtslage bezüglich der presserechtlichen Aufsicht: die Unterschiede bezüglich der Anwendbarkeit des Kapitel VIII der DS-GVO führt zu einer zersplitterten Rechtslage innerhalb Deutschlands. So kann es für den Journalisten im Pressewesen entscheidend darauf ankommen, wo sich der Hauptsitz des Unternehmens befindet, der ausschlaggebend dafür ist, welches Landesrecht für ihn bzw. sein Unternehmen Anwendung findet und final darüber Auskunft gibt, inwiefern datenschutzrechtliche Normen auf die mit der Datenverarbeitung befassten Personen anwendbar sind. Neben den gesetzlichen Bestimmungen der einzelnen Bundesländer, spielt der Pressekodex des Deutschen Presserates eine nicht unbeachtliche Rolle für die Privilegierung der Presse. Trotzdem der Kodex aus rechtlicher Sicht nur unverbindliche Leitsätze mit ethischen Grundsätzen enthält, wird er in Verbindung mit seinem Redaktionsdatenschutz als verlässliche Kontrollinstitution für die Einhaltung von Datenschutzrecht angesehen. Daher wird beim Datenschutz für den Pressesektor vornehmlich auf das nicht unumstrittene Prinzip der Selbstkontrolle gesetzt. Insgesamt werden zugunsten der Medien einige Abweichungen bezüglich der sonst geltenden Datenschutzvorschriften des unionalen Gesetzgebers zulassen, vor allem im Bereich der Betroffenenrechte, der staatlichen Aufsicht und der haftungsspezifischen Vorschriften. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass die Medien neben den datenschutzrechtlichen Vorschriften insbesondere aus den zivilrechtlichen 202

Berliner Datenschutzgesetz vom 13. Juni 2018, GVBl. I, S. 418.

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C. Rechtlicher Rahmen für das aktuelle Medienprivileg

Ansprüchen haften (Unterlassungsanspruch bei Persönlichkeitsrechtverletzungen nach §§ 1004 i. V. m. 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG oder bei Verletzungen am eigenen Bild gemäß §§ 22, 23 KUG).203

203 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 120 f.

D. Reichweite des Medienprivilegs Entscheidend für die journalistische Praxis ist, wer sich tatsächlich auf das Medienprivileg berufen und folglich den Pflichtenkanon der DS-GVO von sich abwenden kann. Von den Gesetzgebern der Bundesländer ist nicht eindeutig geklärt, welche Adressaten unter den persönlichen Anwendungsbereich der gesonderten Freistellung im Datenschutzrecht fallen. Als maßgebliches Kriterium für eine datenschutzrechtliche Bereichsausnahme dient die Bindung an den „journalistischen Zweck“ bei der Datenverarbeitung. Diese unterliegt also dann nicht den sonst üblichen strengen Datenschutzvorschriften, sondern kann wegen ihrer Sonderstellung jene Vorschriften unbeachtet lassen. Neben den klassischen Mediengattungen in ihrer ganz ursprünglichen Form wie der gedruckten Presse oder des Hör- und Fernsehfunks (Rundfunk) bilden sich zunehmend neue Kommunikationsformen und -kanäle, die Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung nehmen.1 In Zeiten des Wandels und der voranschreitenden Digitalisierung scheint es fast fahrlässig, die Sonderstellung der Medien im Datenschutzrecht mit dem Vorwand des Qualitätsjournalismus nur auf die traditionellen Massenmedien und -formen zu beschränken. Die zeitgemäße Berichterstattung funktioniert nicht mehr ausschließlich in standardisierten Formen, sondern erstreckt sich auf diverse Kanäle und Plattformen wie YouTube, Twitter, Instagram, TikTok, Foren, private Blogs oder Vlogs2. Dieses Kapitel versucht einen Überblick über die privilegierten Medienschaffenden zu geben und falls erforderlich, ein Reformbedürfnis aufzuzeigen. Im ersten Schritt soll die Bedeutung des Tatbestandsmerkmals „journalistischer Zweck“ herausgearbeitet werden. Darauffolgend soll der Anwendungsbereich von den klassischen Normadressaten des Medienprivilegs untersucht werden. Im nächsten Schritt soll die mediale Realität beleuchtet werden, indem die neuen Beitragsformen unter die nationalen Bereichsausnahmen subsumiert werden. Daraus soll anschließend abgeleitet werden, wonach zukünftig das Einordnen von journalistischen Beiträgen unter das datenschutzrechtliche Medienprivileg erfolgen kann.

1 Vgl. Gounalakis, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht (2019), § 24 Rn. 9 ff. 2 Bei „Vlogs“ handelt es sich um einen Blog in Form von Videos.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal Zur Beantwortung der Frage, auf welche Akteure sich der Anwendungsbereich des Medienprivilegs erstreckt, ist es entscheidend, was unter dem „journalistischen Zweck“ verstanden wird. Medienübergreifend besteht die Gemeinsamkeit, dass die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken stattfinden muss, um sich auf die Bereichsausnahme im Datenschutzrecht berufen zu können. Diese Formulierung wird zum einen von dem europäischen Gesetzgeber in der Öffnungsklausel Art. 85 DS-GVO verwendet und zum anderen von den deutschen Gesetzgebern in den national ausgestalteten Medienprivilegien gebraucht. Dieses Tatbestandsmerkmal muss zunächst näher betrachtet werden, um sich seiner Bedeutung bewusst zu werden. Die damit verbundene Klärung der Frage nach der Bedeutung von Journalismus in diesem Kontext ist wohl eine „der bedeutendsten Fragen des modernen Medienrechts“.3 1. Nationale Interpretation des journalistischen Zwecks Aus datenschutzrechtlicher Sicht sind die Datenverarbeitungen der Medienschaffenden, die der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags dienen, aus dem Konstrukt der Datenschutzverpflichtungen herauszunehmen, um der besonderen Funktion der Medien Rechnung zu tragen und einen weitestgehend schrankenlosen Informationsaustausch zu ermöglichen. Eine gesetzliche Definition des Rechtsbegriffs des journalistischen Zwecks gibt es bisher nicht. Es existieren bereits Ansätze sowohl in der nationalen Rechtsprechung als auch in der Literatur bezüglich der Begriffskonkretisierung, die nachfolgend aufgezeigt werden sollen. a) Bedeutung von Journalismus Eine klare Eingrenzung von journalistischen Publikationen ist pauschal kaum möglich. Unter „Journalismus“ ist keinesfalls ein starrer und geschützter Begriff zu verstehen – stattdessen ist er entwicklungsoffen zu begreifen und unterliegt den Entwicklungen aus den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Bereichen.4 Umso schwieriger gestaltet sich die Frage danach, wann eine Tätigkeit im Einzelfall als eine journalistische einzustufen ist. In erster Linie muss verdeutlicht werden, dass Journalismus als ein „möglicher Inhalt“ in die verschiedensten Me-

3

Ausführlich dazu Oster, Media Freedom as a Fundamental Right (2015), S. 57 ff.; Oster, in: HK-RStV, B 5 § 9c Rn. 22. 4 Für einige Ansätze einer Definition siehe Weischenberg/Malik/Scholl, Journalismus in Deutschland 2005, in: Media Perspektiven (2006), S. 346 ff.; Hoffjann/Haidukiewicz, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 131 m. w. N.; vgl. Weischenberg, Journalistik (1992), S. 37 ff.; McNair, in: de Burgh, Making Journalists (2005), S. 9 ff.

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal

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diengattungsformen einfließen kann.5 Im Umkehrschluss bedeutet das, dass nicht die äußere „Hülle“ des Medium für die Einordnung als journalistische Tätigkeit entscheidend ist, sondern der Inhalt, mit dem das Format gefüllt wird. In der Theorie erfährt Journalismus eine abgrenzende Definition vorrangig über seine Funktion innerhalb der demokratischen Gesellschaft.6 Als „Funktionssystem“7 konzipiert, schafft Journalismus eine Basis, auf Grundlage dessen öffentliche Kommunikation stattfinden kann.8 Das Verständnis von Journalismus ist geprägt von dem Leitbild, dass Angebote professionell von institutionalisierten Massenmedien produziert werden.9 Kennzeichnend für einen Journalisten sind zwei Identitätsmerkmale: zum einen die „Profession“, das bedeutet, seinen Lebensunterhalt überwiegend mittels der journalistischen Tätigkeit zu verdienen, und zum anderen die Einbindung in eine „redaktionelle Organisationsform“ eines Medienbetriebs.10 b) Etablierte Kriterien als Indizien Abgeleitet aus dem funktionalen Verständnis haben sich bestimmte Merkmale herauskristallisiert, um journalistische Formen rechtlich näher zu charakterisieren. Außerhalb des juristischen Kontexts sieht Neuberger die Erreichbarkeit, die Autonomie der Redaktion bzw. der Autoren, Vollständigkeit der Artikel, die Aktualität der Inhalte, Periodizität und eine thematische Breite als Mindestanforderungen für ein journalistisches Angebot.11 Ähnliche Kriterien für das Einordnen von Publikationen haben sich ferner im Wege der Rechtsprechung und Fachliteratur herausgebildet. Unter den Eigenschaften werden unter anderem Publizität, Periodizität, Aktualität, Universalität, Faktizität und das Erbringen einer journalistischen Eigen- bzw.

5 Hoffjann/Haidukiewicz, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 131 m. w. N. 6 Engesser, Die Qualität des Partizipativen Journalismus (2013), S. 18; Hoffjann/Haidukiewicz, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 131; Kovach/Rosenstiel, The Elements of Journalism (2007), S. 6; Neuberger/Quandt, Internet-Journalismus (2010), abgedr. in: Schweiger/Beck, Handbuch Online-Kommunikation (2010), S. 70. 7 Blöbaum, in: Löffelholz/Rothenberger, Handbuch Journalismustheorien (2016), S. 151. 8 Weischenberg/Malik/Scholl, Journalismus in Deutschland 2005, in: Media Perspektiven (2006), S. 346 ff. 9 Vgl. Bosshart, ,Bürgerjournalismus‘ im Web (2017), S. 359; Neuberger/Quandt, InternetJournalismus (2010), abgedr. in: Schweiger/Beck, Handbuch Online-Kommunikation (2010), S. 70 ff. 10 Bosshart, ,Bürgerjournalismus‘ im Web (2017), S. 359 f. 11 Hoffjann/Haidukiewicz, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 131; Neuberger/Nuernbergk/Rischke, in: Neuberger/Nuernbergk/Rischke, Journalismus im Internet (2009), S. 197 ff.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Strukturierungsleistung gefasst, wobei diese lediglich einen „indiziellen“ Charakter haben.12 aa) Publizität und Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung Von zentraler Bedeutung ist das Merkmal der „Publizität“. Unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit ist die Informationsversorgung der breiten Bevölkerung nur praktisch umsetzbar, indem die Beiträge öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Publikation muss durch das Veröffentlichen eine meinungsbildende Wirkung bezwecken und folglich einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leisten. Ziel ist es meistens, durch eine möglichst hohe Reichweite viele Leser zu erreichen. Einerseits zeichnet sich die Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung durch ein objektives Element des Publizierens aus. Andererseits ist darüber hinaus das subjektive Element entscheidend, wonach zumindest die Intention bestehen sollte, den Beitrag mit (zumindest einem Teil) der Gesellschaft zu teilen. Das Kriterium der „Veröffentlichung“ ist bei Printmedien der großen Verlagshäuser offensichtlich gegeben. Ebenso sind die Beiträge, die im Internet verfügbar sind, zwangsläufig für eine Vielzahl an Menschen zugänglich und somit immer publizistisch, so dass dieses Merkmal zunehmend für den OnlineJournalismus als Abgrenzungskriterium an Relevanz verliert.13 bb) Periodizität Mittels der „Periodizität“ soll sich der in regelmäßigen Abständen wiederholende Charakter des Medienerzeugnisses zeigen. Eine konkrete zeitliche Vorgabe gibt es dabei nicht.14 Im Einzelfall kann es daher bereits fragwürdig sein, wie regelmäßig und in welchen zeitlichen Abständen der Beitrag publiziert werden muss. Seinen Ursprung findet dieses Merkmal bei dem klassischen von einer Redaktion hergestellten Presseerzeugnis, bei dem kalendarisch feststeht, wann unter Einhaltung des Redaktionsschlusses das Werk oder Produkt fertiggestellt sein muss. Ohne diese redaktionelle Einbindung bestehen keine äußeren zeitlichen Fixtermine, so dass dieses Kriterium verschwimmt.15 Ausschlaggebend ist, dass das Angebot kontinuierlich wiederkehrend ist und somit von einer einmalig „sporadischen“ Veröffentlichung abzugrenzen ist.16 12 BGHZ 181, 328 – spickmich; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 41; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 25; Pauly, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 8. 13 Lent, ZUM 2013, 914, 916. 14 Lehr, in: Löffler, Presserecht (2015), § 7 LPG Rn. 78. 15 Ähnlich dazu Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 145; Weiner/Schmelz, K&R 2006, 453, 457. 16 Lent, ZUM 2013, 914, 916.

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal

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cc) Aktualität und Universalität Journalismus hat gewöhnlich einen Zeitbezug. Abgeleitet vom französischen Wort „le jour“17 („der Tag“) intendiert der Begriff bereits die enge Verknüpfung des Journalismus mit dem Tagesgeschehen. Die journalistischen Inhalte orientieren sich zumindest überwiegend am gegenwärtigen Zeitgeschehen. Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass Publikationen auf aktuelle Themen reduziert sind, sondern dass sich ein Bezug zu einem wichtigen (einst aktuellen) Ereignis herstellen lässt und gegebenenfalls ein „Neuigkeitswert“ zu erkennen ist.18 Die Universalität der Inhalte zeichnet sich dadurch aus, dass eine thematische Vielfalt der Themenwahl besteht – je nach politischer und gesellschaftlicher Lage.19 Nichtsdestotrotz können auch auf kleine Personengruppen zugeschnittene Formate dem Kriterium der „Universalität“ entsprechen, die meistens einem thematischen Nischenspektrum zuzuordnen sind.20 Aus juristischer Perspektive kann ein universeller Beitrag jedoch nicht danach bewertet werden, ob der Inhalt professionell, seriös und mittels „Faktenbasiertheit“ glaubwürdig erscheint.21 dd) Faktizität und Qualitätsbewusstsein Die Grundlage für eine journalistische Publikation bilden nachweisbare Tatsachen für die Inhalte. Davon abzugrenzen sind rein subjektive oder fiktionale Angebote. Im Einzelfall ist die klare Trennung nicht immer eindeutig vorzunehmen. Im Zweifel sollten sich die Inhalte jedoch mit Quellen belegen lassen. Darüber hinaus wird generell eine „professionelle Arbeitsweise“ bei der Erstellung von journalistischen Erzeugnissen erwartet, was aber nicht in dem Verständnis mündet, dass konkret eine journalistische Ausbildung als Mindestbedingung erwartet wird.22 Unstreitig wird das „Qualitätsbewusstsein“ den redaktionellen Organisationseinheiten zugesprochen. Denn anerkanntermaßen sind innerhalb eines Redaktionsgefüges oft speziell ausgebildete Journalisten beschäftigt, die Journalistenschulen besucht oder Volontariate absolviert haben.23 17

Das bedeutet übersetzt „der Tag“. Lent, ZUM 2013, 914, 915 f.; Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 144. 19 Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 38. 20 Vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 10. Juli 2015 – 3 B 137/15; Fiedler, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2013), RStV, § 56 Rn. 11; Lent, ZUM 2013, 914, 915. 21 Lent, ZUM 2013, 914, 915; Söder, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2013), BGB, § 823 Rn. 72. 22 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 9c Rn. 17; Oster, European and International Media Law (2016), S. 11 f.; Oster, Media Freedom as a Fundamental Right (2015), S. 61 ff. 23 Held, in: Hahn/Vesting, Beck Rundfunkrecht (2018), RStV, § 54 Rn. 39. 18

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Zusätzliches Indiz für ein professionalisiertes Auftreten ist ein hoher Maßstab an Sorgfalt bei der Recherche, damit Fehler und ihre Folgen vermieden werden können.24 Als Indiz für einen professionellen Journalismus könnte eine weitestgehend sachliche anstatt einer reißerischen Darstellungsweise sprechen. Ebenso könnte das Verhältnis von Bild- und Textelementen in der Gestaltung einen Anhaltspunkt bieten. Allerdings muss berücksichtigt werden, ob auch über das Bildelement eine hohe Informationsdichte erreicht werden kann, indem beispielsweise Text oder eine Erklär-Grafik auf dem Bild dargestellt wird. Maßgeblich ist der Eindruck des Nutzers, ob die Inhalte auf eine professionelle Arbeitsweise schließen lassen und der Publikation damit eine gewisse Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird.25 ee) Erbringung einer „journalistischen Steuerungsbzw. Eigenleistung“ Eines der Hauptkriterien für eine Publikation ist die „journalistische Steuerungsbzw. Strukturierungsleistung“, die ein Mindestmaß einer gedanklichen Auseinandersetzung mit den Inhalten impliziert.26 Dabei wird eine gewisse Eigenleistung des journalistisch Tätigen beim Umgang mit den personenbezogenen Daten gefordert. Ein bloßes Wiedergeben fremder Inhalte reicht nicht aus. Stattdessen muss eine „Zusatzinformation“ bzw. ein „Mehrwert“ an Informationen in dem Beitrag enthalten sein. Die eigene Leistung kann darin bestehen, Informationen zu sichten, sorgfältig zu recherchieren, zu gewichten, zu strukturieren, zu selektieren und gegebenenfalls auch auszusortieren. Denn ein Kernelement bei der Informationsaufbereitung ist das Gewichten von Informationen nach ihrer Dichte des Informationsgehalts und nach (gesellschaftlicher) Relevanz.27 Unerlässlich ist dafür, ein inhaltliches Verständnis für die Materie zu haben und die kognitive Fähigkeit zu besitzen, sich thematisch mit den Inhalten zu befassen. Gerade eine redaktionelle Gestaltung zeichnet sich dadurch aus, dass ein „Zutun“ einer natürlichen Person für die Darstellungs- und Veröffentlichungsform unerlässlich ist.28 ff) Zwischenfazit Eine journalistische Publikation zeichnet sich dadurch aus, dass sie das Ziel des Veröffentlichens verfolgt, um einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs zu leisten, eine Bandbreite an aktuellen und faktenbasierten Themen aufweist, in einem 24 Held, in: Hahn/Vesting, Beck Rundfunkrecht (2018), RStV, § 54 Rn. 53; Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 146. 25 Held, in: Hahn/Vesting, Beck Rundfunkrecht (2018), RStV, § 54 Rn. 54. 26 Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 38. 27 Held, in: Hahn/Vesting, Beck Rundfunkrecht (2018), RStV, § 54 Rn. 51, 53; Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 142. 28 Ausführlich dazu Lent, ZUM 2013, 914, 916; Weiner/Schmelz, K&R 2006, 453, 457.

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal

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bestimmten Zeitrahmen wiederholend erscheint und vor allem eine strukturelle Eigenleistung im Rahmen einer professionellen Arbeitsweise (deutlich) erkennbar ist. Alle diese Kriterien dienen nur als Abgrenzungshilfe und müssen ständig an die aktuellen Gegebenheiten der medialen Wirklichkeit angepasst und im Einzelfall hinterfragt werden. Bedingt durch die zunehmende Medienkonvergenz sind klare Trennlinien wünschenswert, aber praktisch sind die diversen Beiträge nur individuell und im Einzelfall auf ihre journalistische Bearbeitungsweise hin überprüfbar. Für eine künftige Rechtssicherheit aller beteiligten Akteure scheint es geboten, neue Maßstäbe – sei es in der Literatur oder im Wege der Rechtsprechung – zu entwickeln. c) Deutsche Rechtsprechung Bislang wurde die Mehrzahl der nationalen Urteile, die sich mit der Frage nach der journalistischen Zwecksetzung und der damit verbundenen Frage nach der Bedeutung von Journalismus beschäftigten, auf Grundlage der überholten Rechtslage gefällt. Es gibt kaum gerichtliche Entscheidungen, die sich ausschließlich auf die „journalistische Datenverarbeitung“ beziehen. Stattdessen knüpften die veralteten Rechtsnormen neben dem Merkmal „journalistisch“ zusätzlich an ein „redaktionelles“ Element an.29 Nach der Neuregelung im MStV ist der redaktionelle Bezug dem Wortlaut nach weggefallen, dem Wesen nach jedoch noch weitestgehend im Konzept verankert. Ein partieller Rückgriff auf die umfangreiche Rechtsprechung ist folglich weiterhin möglich. In einer jüngsten Entscheidung hielt ein Gericht den journalistischen Zweck für gegeben, wenn „die Verarbeitung im Zusammenhang mit der journalistisch-redaktionellen und damit meinungsrelevanten Tätigkeit eines Medienakteurs steht“.30 Über die journalistische Zweckbindung lässt das Gericht das redaktionelle Element mit einfließen und stellt damit einen Bezug zur vorherigen Rechtsprechung her. Danach wurde das kumulative Vorliegen von einer sowohl journalistischen als auch redaktionellen Datenverarbeitung dann bejaht, wenn „die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht“.31 Mit dem Angebot muss zumindest die Absicht verfolgt werden, dass es sich um eine Berichterstattung handelt.32 Das Medienprivileg ist Ausfluss der im Grundgesetz verankerten Medienfreiheit. Daraus folgt, dass der Schutzumfang der Privilegierungsvorschrift ausschließlich die Tätigkeiten erfasst, die einen funktionalen

29

§ 41 BDSG a. F., § 23 und § 57 i. V. m. § 54 Abs. 2 RStV. OVG Lüneburg, BeckRS 2021, 555 Rn. 40; vgl. BGH, NJW 2009, 2888, 2890; StenderVorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht (Stand 2020), Art. 85 Rn. 12. 31 BGH, NJW 2010, 2432, 2436 Rn. 28 – Sedlmayr; BGH, NJW 2011, 2285 Rn. 26 – ksta.de. 32 BGH, NJW 2010, 2432, 2436 Rn. 28 – Sedlmayr. 30

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Bezug zur presserechtlichen Aufgabenerfüllung aufweisen.33 Das Angebot muss damit einen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leisten können. Darüber hinaus fordert das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nach strengeren Maßstäben, dass der Beitrag Einfluss auf den „überindividuellen Meinungsbildungsprozess“ nehmen muss.34 Grundvoraussetzung ist zunächst, dass der Beitrag darauf abzielt und geeignet ist, dem öffentlichen Kommunikationsprozess zu dienen. Es muss daher die Möglichkeit bestehen, dass der Beitrag überhaupt der Öffentlichkeit zugänglich ist, um von ihr wahrgenommen zu werden. Ein Indiz dafür ist eine nicht unerhebliche Reichweite des Mediums bzw. des Publizierenden. Eine kleinere Anzahl an Rezipienten bzw. ein Fachpublikum schließt dieses Erfordernis jedoch nicht aus. Im zweiten Schritt muss ein tatsächlicher Bezug zwischen dem Beitrag und dem individuellen Meinungsbildungsprozess der Allgemeinheit bestehen. Diese Wechselwirkung ist als Ausfluss der schutzwürdigen Pressefreiheit zu verstehen, bei der die Informationsverbreitung einen Mehrwert für den demokratischen Meinungsaustausch bringt. Entscheidend ist, dass die Wirkungskraft des Beitrags sich nicht nur auf die Meinungsbildung des Einzelnen auswirkt, sondern darüber hinaus Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess der breiten Öffentlichkeit hat.35 Dieses Kriterium geht einher mit einer gewissen Relevanz der Publikation innerhalb der Gesellschaft. Der Anwendungsbereich des Medienprivilegs erstreckt sich folglich nicht auf Daten, die nicht im Zusammenhang mit einer journalistischen Tätigkeit erfasst wurden. Die Daten, die beispielsweise bei der Verwaltung von Personaldaten, Lieferantendaten oder Kundendaten anfallen, müssen den datenschutzrechtlichen Anforderungen und Pflichten entsprechen und genießen keine Sonderstellung.36 Vorsicht ist allerdings beim Umgang mit den Daten geboten, die dem Wesen nach verwaltungstechnischer Natur sind, wie zum Beispiel Daten für die Reisekostenabrechnung von Mitarbeitern, die aber Informationen auf etwaige journalistische Tätigkeiten – insbesondere die journalistische Quellen bzw. Informanten – preisgeben könnten.37 In diesem Fall ließe sich eine Sonderstellung herleiten. Es liegt nahe, die journalistische Zweckbindung nach dem grundrechtlichen Verständnis der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auszulegen, so dass alle Informationen, die bereits im Rahmen der Pressefreiheit geschützt sind, auch im Datenschutzrecht bei der Verarbeitung einen Schutz erfordern.38 Das BVerwG grenzt es dahingehend ein, dass ein Beitrag nur dann journalistisch-redaktionell gestaltet ist,

33 BGH, NJW 2010, 2432, 2436 Rn. 26 ff. – Sedlmayr; BGH, NJW 2011, 2285 Rn. 24 – ksta.de. 34 BVerwG, NVwZ 2019, 1283; vgl. dazu Michel, AfP 2019, 490, 492. 35 BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 38; Michel, NVwZ 2019, 1656, 1657. 36 BGH, NJW 2010, 2432, 2436 Rn. 28 – Sedlmayr; Pötters, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 9. 37 Vgl. Pötters, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 9. 38 Wolff, AfP 2020, 202, 207; Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 508.

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal

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„wenn er nach Inhalt und Verbreitungsart jedenfalls dazu bestimmt und geeignet ist, zur öffentlichen Kommunikation und Meinungsbildung beizutragen“.39 Nach Maßgabe des BGH ist es erforderlich, dass die Tätigkeit in erster Linie eine „meinungsbildende Wirkung“ für die breite Öffentlichkeit erzielt.40 Wortwörtlich versinnbildlicht der BGH, dass dieser Effekt nicht nur „schmückendes Beiwerk“ sein darf, sondern integraler Bestandteil des Beitrags sein muss und damit im Vordergrund steht.41 Wichtig dabei ist, dass der journalistische Zweck nicht nur „theoretischer Natur“, sondern tatsächlich gegeben ist.42 Teilweise wird vertreten, dass ein Informationswert für die öffentliche Meinungsbildung allein die Datenveröffentlichung noch nicht zu einer journalistischen Tätigkeit macht.43 Ganz grundsätzlich wird bei dem Umgang mit den personenbezogenen Daten ein Mindestmaß einer journalistischen Bearbeitung bzw. Gestaltung gefordert.44 Wie im Fall des Lehrerbewertungsportals spickmich.de reichte das reine Darstellen von fremden Informationen (Bewertungen) auf der Plattform nicht aus, um das Kriterium der redaktionellen Gestaltung zu erfüllen.45 Folglich ist das reine Wiederholen bzw. Wiedergeben von bereits erhobenen Daten in unveränderter Form wie zum Beispiel beim Veröffentlichen von rein amtlichen Mitteilungen nicht vom journalistisch-redaktionellen Zweck erfasst.46 An welchem Maßstab die redaktionelle Aufbereitung im Sinne des journalistisch-redaktionellen Zwecks gemessen wird, bedarf stets einer Entscheidung im Einzelfall.47 Sind die Anforderungen an die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken erfüllt, dann ist nicht nur die reine Veröffentlichung der Daten von dem datenschutzrechtlichen Pflichtenpaket freigestellt, sondern der gesamte journalistische Arbeitsablauf ist privilegiert – angefangen bei der Recherche, der selektiven Auswahl, der redaktionellen Aufbereitung bis hin zur Dokumentation und Archivie-

39

BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 34. BGHZ 181, 328 – spickmich. 41 BGHZ 181, 328 – spickmich; Pötters, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 8; Specht/ Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 13; hierzu auch Kühling, NJW 2015, 447, 447 f. 42 Wolff, AfP 2020, 202, 207; Pötters, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 8. 43 OVG Lüneburg, BeckRS 2021, 555 Rn. 41; vgl. OLG Köln, MMR 2020, 186 Rn. 41; Benedikt/Kranig, ZD 2019, 4, 6. 44 BGH, NJW 2018, 1884, 1885 Rn. 10 – Ärztebewertungsportal III; OVG Münster, NZV 2018, 225 – Fahrer-Bewertungsportal; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/ BDSG (2018), Art. 85 Rn. 24; Schantz, in: Schantz/Wolff (2017), Rn. 1323. 45 BGH, NJW 2009, 2888, 2890 – spickmich; Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 26 f.; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker (2019), Art. 85 Rn. 14. 46 Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 25; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 13. 47 BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 34. 40

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D. Reichweite des Medienprivilegs

rung.48 Alle anderen Datenverarbeitungen, die nicht den Umfang des verfassungsrechtlichen Schutzes bedürfen, sind nicht von den wesentlichen Datenschutzvorschriften freigestellt.49 d) Zwischenfazit In Deutschland wird der Begriff des „journalistischen Zwecks“ durch die Rechtsprechung inhaltlich konkretisiert und ausgeformt. Allerdings beziehen sich die gerichtlichen Entscheidungen überwiegend auf die veraltete Rechtslage, die ein redaktionelles Element neben der journalistischen Bearbeitungsweise voraussetzte. Bei der zukünftigen Bezugnahme dieser Rechtsprechung zur Anwendung des Medienprivilegs muss daher punktuell eine Anpassung stattfinden. Um die Bedeutung von Journalismus näher zu bestimmen, bedient sich die Literatur bestimmter Kriterien, die sich im Laufe der Zeit zur Eingrenzung publizistischer Formen etabliert haben. Ferner wirken auch hier einige Elemente überholt und es stellt sich die Frage, ob die Merkmale für ein zeitgemäßes Abgrenzen von Publikationsformen unverändert übernommen werden können. Insgesamt sind die Voraussetzungen für die journalistische Datenverarbeitung recht engmaschig und sorgen für einen verengten Anwendungsbereich für journalistische Kommunikationsformen. 2. Europäische Interpretation des journalistischen Zwecks Das privilegierte Erheben, Verarbeiten und Nutzen personenbezogener Daten muss gemäß der europäischen Öffnungsklausel zu einem journalistischen Zweck erfolgen. Wann ein solcher Zweck gegeben ist, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern muss im konkreten Einzelfall hinterfragt werden. Dennoch gibt es bereits einige Anhaltspunkte aus dem Bereich der Rechtsprechung und Literatur, die Tendenzen aufzeigen. In seiner Rechtsprechung betonte der EuGH bereits zuvor, dass alle Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung stehen, nahezu keinen Beschränkungen unterliegen sollten.50 Dieser Leitgedanke ist im Erwägungsgrund 153 der europäischen Verordnung verankert, in dem es heißt: „Um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen, müssen Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden.“ Das vom Unionsgesetzgeber geprägte Verständnis von Journalismus übernimmt eine richtungsweisende Funktion für zukünftige Entwicklungen im Bereich des Datenschutz- und Medienrechts. Künftig können wohl modernere Formen des Journalis-

48

Stellvertretend für viele Hoidn, in: Roßnagel, Das neue Datenschutzrecht (2018), S. 417. Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2020), Art. 85 Rn. 28. 50 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 56 – Satamedia. 49

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mus in den persönlichen Anwendungsbereich der Privilegierungsvorschrift aufgenommen werden. Den Grundstein legte der Gerichtshof in Luxemburg mit der Begründung in dem sogenannten Satamedia-Urteil. In der Sache hatte der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zu entscheiden, ob sogar die SMS-Verbreitung von Inhalten einer finnischen Zeitschrift, die im Satamedia-Verlag erscheint, vom journalistischen Zweck umfasst ist. Konkret veröffentlichte die Zeitung regelmäßig persönliche Steuerdaten der finnischen Einwohner, die wegen ihrer Einkommenshöhe bestimmte Grenzwerte überschritten. Gegen ein geringes Entgelt bestand die Möglichkeit, diese Daten per SMS-Nachricht auf sein eigenes Endgerät zu erhalten. Im Ergebnis betonte der EuGH, dass es bei der Tätigkeit hauptsächlich darauf ankommt, ob sie das Ziel verfolgt, „Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“.51 Unter Zugrundelegung dieser Kernaussage kann auch eine SMS-Mitteilung eine journalistische Tätigkeit sein. Es ist unbeachtlich, welches Medium oder welcher konkrete Kommunikationskanal – ob Papier, Radiowellen oder über elektronische Träger – zur Übermittlung der Daten gewählt wird.52 Der EuGH trägt damit der voranschreitenden Entwicklung der internetbasierten Vervielfältigungsmöglichkeiten Rechnung. Dieser Standpunkt wird regelmäßig durch die Rechtsprechung des EuGH bestätigt – nicht zuletzt im Buivids-Urteil.53 In dieser Sache begehrte die lettische Datenschutzbehörde die Löschung eines privat aufgenommenen Videos des Sergejs Buivids, das er für jedermann einsehbar auf der Internetplattform YouTube veröffentlichte. Dieses Video zeigte Buivids auf einer Polizeidienststelle und sollte auf ein (mögliches) rechtswidriges Verhalten einiger Polizisten aufmerksam machen. In diesem Vorabentscheidungsverfahren hatte der EuGH unter anderem die Frage zu klären, ob die DS-RL im konkreten Fall anwendbar sei. Ob letztlich die Datenverarbeitung in Form der Videoaufnahme unter das Medienprivileg nach Art. 9 DS-RL fallen könne, sei aber Sache des vorlegenden Gerichts in Lettland so der EuGH und falle nicht in seinen Kompetenzbereich. Insbesondere wurde das Kriterium der „ausschließlichen“ journalistischen Zweckbindung nicht von Art. 9 DS-RL in die DS-GVO übernommen, womit dem Verständnis Rechnung getragen wurde, dass eine journalistische Berichterstattung neben den verfassungsrechtlichen Zwecken auch dem wirtschaftlichen – nach Gewinn strebenden – Ziel gerecht werden muss, so dass mehrere Motive (auch ein kommerzielles Motiv) bei dem Publizieren nicht der datenschutzrechtlichen Privi51

EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58, 61 – Satamedia. EuGH, EuZW 2009, 108, 111 Rn. 62 – Satamedia; Schantz, in: Schantz/Wolff (2017), Rn. 1322; Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Hinweise für den Anwender; Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EUDSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 16. 53 Vgl. Urteil zur Vorgängernorm Art. 9 DS-RL EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 61 – Satamedia; EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 58 – Buivids. 52

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legierung entgegenstehen.54 Laut Urteilsbegründung steht eine Gewinnerzielungsabsicht des Publizierenden der zweckgebundenen Datenverarbeitung nicht entgegen, sondern „kann sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand eines professionellen Journalismus sein“.55 Es liegt in der Natur der Sache, dass Medienunternehmen den journalistischen Zweck verfolgen, um ihrem demokratischen Auftrag, die breite Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen, nachzukommen. Der EuGH stellte in seiner Rechtsprechung darüber hinaus klar, dass es für die Presse gerade keiner institutionellen Einbindung mehr bedarf, um unter das datenschutzrechtliche Medienprivileg zu fallen.56 Stattdessen kann die Voraussetzung, die Daten zu einem journalistischen Zweck zu verarbeiten, grundsätzlich durch jedermann erfüllt werden.57 Das Urteil verdeutlicht wieder einmal mehr, dass die datenschutzrechtliche Ausnahme damit nicht nur den (klassischen) Medienunternehmen vorbehalten ist, sondern grundsätzlich jede Person beim Umgang mit personenbezogenen Daten einen journalistischen Zweck verfolgen kann.58 Nach dem weiten Verständnis ist eine „redaktionelle Bearbeitung“ der Daten als solche für die journalistische Zweckbindung nicht nötig.59 Es kommt nur darauf an, dass Informationen oder Meinungen für die Masse von öffentlichem Interesse vermittelt werden.60 Diese richtungsweisende Vorgabe führt zu einer weitgehenden Öffnung im persönlichen Anwendungsbereich des Medienprivilegs. In Anbetracht dessen könnte also bereits ein einzelner journalistisch tätiger Bürger mit einem Beitrag von „öffentlichem Interesse“ die unionalen Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes erfüllen. Als wesentliche Beschränkung für das Freistellungsbedürfnis dient der in Art. 85 Abs. 2 DS-GVO verankerte Mechanismus, wonach das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen ist, soweit dies erforderlich ist. Für diesen Abwägungsprozess, der letztlich den nationalen Gerichten vorbehalten ist, verweist der EuGH auf die vom EGMR aufgestellten Kriterien für den Ausgleich zwischen dem

54 Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 9c Rn. 17. 55 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 61 – Satamedia. 56 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58, 61 – Satamedia. So auch schon Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. Mai 2008 – C-73/07 Rn. 65. 57 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58, 61 – Satamedia. So auch schon Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. Mai 2008 – C-73/07 Rn. 65. 58 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58, 61 – Satamedia; Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker (2019), Art. 85 Rn. 14; nicht ganz treffend: Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 13. 59 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker (2019), Art. 85 Rn. 14; so Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. Mai 2008 – C-73/07 Rn. 65. 60 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker (2019), Art. 85 Rn. 14; Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. Mai 2008 – C-73/07 Rn. 68.

I. Journalistische Zweckbindung als Konstitutivmerkmal

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Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung.61 Danach sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: „Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind, und deren Richtigkeit“.62 3. Konvergenz und Divergenz bezüglich der Zweckbestimmung Wie sich aus den vorherigen Untersuchungen ergibt, wird der journalistische Zweck einer Datenverarbeitung auf europäischer und nationaler Ebene nicht identisch ausgelegt. Zwar werden dem unionalen und nationalen Abwägungsprozess vergleichbare Kriterien zugrunde gelegt, allerdings knüpft die deutsche Rechtslage in ihren weiteren Tatbestandsmerkmalen an die Organisationsform an, so dass sich die Zweckbestimmung im Ergebnis divergiert. Das nationale Vorstellungsbild ist geprägt von redaktionell erarbeitetem Qualitätsjournalismus. Im Gegensatz dazu wird auf europäischer Ebene der Journalismus allein auf seine tatsächliche „journalistische Tätigkeit“ reduziert und steht damit grundsätzlich jedermann frei. Die regelrechte „Europäisierung des Datenschutzrechts“ sorgt für nationale Rechtsunsicherheit in den einzelnen Mitgliedstaaten. Zugleich bietet die Einflussnahme seitens Europa aber auch den Vorteil, dass wegen der (entwicklungs-)offenen Tatbestände in der Verordnung neue Interpretationen möglich scheinen, so dass nun moderne – oder sogar unbekannte – Datenverarbeitungsvorgänge rechtlich bewertet und geregelt werden könnten.63 Nicht zu verleugnen ist dennoch, dass mit der Interpretationsoffenheit gleichzeitig ein neues Gefährdungspotential geschaffen wird. Das Öffnen des Anwendungsbereichs für (laienhafte) Bürgerjournalisten als Meinungsmultiplikatoren birgt das Risiko für unkontrolliertes Verbreiten von Desinformationen und Falschmeldungen. Fraglich ist, ob die Auslegung des journalistischen Zwecks bereits durch die unionalen Vorgaben abschließend vorbestimmt ist. Das Unionsrecht gibt die Begrifflichkeit der journalistischen Zweckbindung explizit in seiner Verordnung vor, die im Wege der europäischen Rechtsprechung weiter konkretisiert wird. Die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers geben eine Richtung vor und zwar hin zu einem offenen Journalismus-Begriff. Alles in allem ist die journalistische Zweckbindung bei der Datenverarbeitung aus dieser Perspektive weit zu verstehen. Daraus ließe sich ableiten, dass die Auslegung des journalistischen 61 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; EGMR, BeckRS 2017, 161666 – Satakunnan Markkinapörssi Oy and Satamedia Oy vs Finnland. 62 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; EGMR, BeckRS 2017, 161666 – Satakunnan Markkinapörssi Oy and Satamedia Oy vs Finnland. 63 Hierzu siehe Kramer, in: Paschke/Berlit/Meyer/Kröner, Gesamtes Medienrecht (2021), 76. Abschnitt Rn. 2.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Zwecks bereits unionsrechtlich determiniert ist.64 Allerdings ist es Sinn und Zweck einer Öffnungsklausel, Spielräume für nationale Gestaltungen zu eröffnen. Gleichzeitig verfügt der Unionsgesetzgeber nicht über die Kompetenz, die Zuständigkeiten der deutschen Bundesländer gänzlich zu umgehen. Daher obliegt es dem nationalen Gesetzgeber, den Geltungsbereich der Bereichsausnahme im Wesentlich zu erweitern, jedoch auch nur insoweit, dass neue Risiken gering gehalten werden. Der nationale Gesetzgeber versucht unter Zuhilfenahme von bestimmten Kriterien die Anforderungen an journalistische Publikationen hochzuhalten, um eine Abgrenzung im Einzelfall noch zu ermöglichen. Letztlich ist es jeweils Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall sachgerecht zu entscheiden, ob der Beitrag als journalistisch einzuordnen ist. Mithin werden die deutschen Ausprägungen für den Journalismus nicht gänzlich vom unionalen Verständnis überformt und ausgehöhlt. Allerdings müssen die nationalen Rahmenbedingungen der Medienprivilegien angepasst werden, indem die europäischen Einflüsse nicht vollends unbeachtet gelassen werden. Das Verständnis von Journalismus ist der zentrale Bestandteil bei der Frage danach, wann eine journalistische Datenverarbeitung für die Privilegierungsvorschrift angenommen werden kann. Seit dem Inkrafttreten der DS-GVO besteht die Möglichkeit, den Adressatenkreis des persönlichen Anwendungsbereichs des Medienprivilegs zu erweitern. In der deutschen Rechtsprechung findet ein solches Umdenken nur „schleppend“ statt. In einigen aktuelleren nationalen Urteilen wird der europäische Einfluss teilweise schon deutlich. Das OLG Köln stellte für den journalistischen Zweck darauf ab, dass „die betreffenden Tätigkeiten (ausschließlich) zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten.“65 Diese Formulierung erinnert an die europäische Auslegung der Zweckbestimmung. Das OLG Celle nimmt bei der Konkretisierung ausdrücklich Bezug zu Art. 85 DS-GVO, wonach die weite Auslegung angesichts der Bedeutung der Meinungsäußerungsfreiheit betont wird und eine journalistische Datenverarbeitung dann gegeben sei, „wenn Zielsetzung die Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis ist“.66 Die nationalen Gerichte wagen bisher keine eigenen Überlegungen zum „Vorstoß“, sondern stützen sich allein auf die unionalen Wertungen. Nach der Auffassung des OLG Koblenz ist es für die journalistische Gestaltung erforderlich, „dass die Auswahl und Strukturierung der Inhalte gewissen Kriterien genügt, zu denen zumindest auch eine erkennbar publizistische Zielsetzung des

64 65 66

Michel, AfP 2019, 490, 493. OLG Köln, GRUR-RS 2020, 42679 Rn. 79. OLG Celle, BeckRS 2020, 34923 Rn. 70 m. w. N.

II. Klassischer Journalismus

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Angebots gehört“.67 Es muss für den Nutzer erkennbar sein, dass die Informationen nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz und mit dem Ziel, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen, ausgewählt werden und damit „die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben sein muss, denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg erfasst.“68 Journalistische Publikationen basieren folglich auf zwei wesentlichen Grundpfeilern: zum einen muss der Beitrag eine publizistische Relevanz erzielen und zum anderen sollte der Beitrag eine inhaltliche Gestaltungsweise erkennen lassen, um als Form von Journalismus qualifiziert zu werden. Es lässt sich feststellen, dass einige der ursprünglichen Kriterien zum Einstufen von journalistischen Publikationen zukünftig weiter ausgelegt werden müssen, um der aktuellen Mediendiversität gerecht werden zu können. In der Umsetzung bedeutet das, dass die Mehrzahl der bestehenden Merkmale wie die Periodizität, Aktualität, Universalität und Faktizität lediglich als erste Einschätzungshilfe bzw. Indizien im Prozess des Einordnens herangezogen werden, die eine Abwägung im Einzelfall nicht ersetzen können. Irrelevant ist beispielsweise die Länge der Beiträge, da der Umfang eines Beitrags nichts über die inhaltliche Qualität und dessen Wirkungsweise aussagt. Auf der anderen Seite sind klare Grenzen für mehr Rechtssicherheit wünschenswert. Abzuwarten bleiben, die höchstrichterlichen Entscheidungen auf Grundlage der aktuellen Medienprivilegien. Trotz nationaler Neuregelung der Medienprivilegien gibt es keine eindeutige Öffnung des Anwendungsbereichs. Die Auslegung der journalistischen Datenveröffentlichung ist immer noch stark an die vorherige Rechtsprechung gebunden, wonach ein journalistisch-redaktioneller Zweck gefordert wird, der nur unter engen Voraussetzungen erfüllt ist. Das Resultat ist das Auseinanderfallen der europäischen und der deutschen Vorstellung, wie die journalistische Tätigkeit letztlich zu bestimmen ist. Diese divergierenden Auffassungen sollen im Folgenden auf konkrete Beispiele angewendet werden, um die Folgen für die medienspezifische Praxis in Deutschland aufzuzeigen.

II. Klassischer Journalismus Zu den klassischen Medien gehören unstreitig die Presse und der Rundfunk, welche die breite Öffentlichkeit mittels Fernsehen und Zeitungs-, Zeitschriften- oder Radioinhalten informieren. Ursprünglich war die Medienlandschaft auf die presseund rundfunkrechtlichen Akteure beschränkt. Bis heute bilden diese Medienformen die Basis und Grundlage einer demokratischen Wertegesellschaft.69 67 68 69

OLG Koblenz, MMR 2021, 568 Rn. 4. OLG Koblenz, MMR 2021, 568 Rn. 4 m. w. N. Schladebach, Jura 2013, 1092 ff.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

1. Gedruckte Presse Der Gesetzgeber erließ den ersten rechtlichen Ordnungsrahmen für das Medium der gedruckten Presse.70 Abgeleitet vom Wort „pressen“ sind damit Druckerzeugnisse gemeint, die mittels einer Druckerpresse erzeugt werden. In der frühen Neuzeit war das „Pressen“ in Papierform die einzige Herstellungs- und Verbreitungsmöglichkeit für das Medium und galt daher seit jeher als ein geeignetes Abgrenzungskriterium gegenüber anderen Mediengattungen. Ob dieser Anknüpfungspunkt im 21. Jahrhundert noch zutreffend ist, kann debattiert werden. Kahl schlägt stattdessen vor, das „lesbare Wort“ als moderneres Kriterium heranzuziehen.71 Für den Adressatenkreis des Medienprivilegs von enormer Bedeutung ist daher das Definieren der Begriffe „Unternehmen der Presse und Hilfs- und Beteiligungsunternehmen der Presse“. a) Begriffsbestimmung „Presse“ In den landesrechtlichen Formulierungen für das datenschutzrechtliche Medienprivileg findet sich der Begriff der „Presse“. Wegen einer fehlenden Legaldefinition von den Landesgesetzgebern lässt der Begriff grundsätzlich Freiräume für (neue) Interpretationen.72 Die landesrechtlichen Presseprivilegierungen sollen die verfassungsrechtlich gewährleistete Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sicherstellen.73 In einer demokratischen Gesellschaft ist es unerlässlich, journalistisch Tätige nicht den Zwängen des Datenschutzes zu unterwerfen, um eine freie Meinungsäußerung und eine freie Informationsaufbereitung und -weitergabe zu ermöglichen. Für die Definition des Pressebegriffs in den Landesnormen muss folglich auf den Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem Verfassungsrecht verwiesen werden. Ein erster Anhaltspunkt ist daher der „formelle Pressebegriff“.74 Unter den Begriff der Presse werden „alle Publikationen in gedruckter und zur Verbreitung geeigneter und bestimmter Form“ verstanden.75 Das zur Verbreitung geeignete und mit Informationen aufbereitete Druckmedium richtet sich an eine unbestimmte Personenanzahl der Allgemeinheit.76 Zu den Presseerzeugnissen zählen demnach Zeitungen, Zeitschriften – sowohl externe als auch nur für interne Zwecke publizierte Schriften wie Firmen- oder Kundenzeitschriften – Flugblätter, Plakate, Flyer und Bücher,

70

Cole, in: Dörr/Kreile/Cole, Handbuch Medienrecht (2011), A. II. Einleitung Rn. 7. Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus (2013), S. 321. 72 Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts (2012), 1. Kapitel Rn. 5. 73 Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 14. 74 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 9. 75 BVerfG, NJW 1997, 386, 387; Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 14; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 27. 76 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 239. 71

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wenn sie einen Bezug zur journalistische Gestaltungsweise erkennen lassen.77 Entscheidend ist, dass die meinungsbildende Wirkung der Tätigkeit klar im Vordergrund steht. Dabei kommt es für Druckwerke nach diesem formellen Pressebegriff nicht auf den Inhalt oder die Qualität des Presseerzeugnisses, sondern lediglich auf das formale Kriterium des „Vervielfältigungs- und Verbreitungspotentials des stofflich verkörperten Mediums“ an.78 Diese Begriffsbestimmung dient lediglich als Ausgangspunkt für ein grundlegendes Verständnis von „Presse“. Einzelne Konkretisierungen oder Bestimmungen für die Begriffsdefinition müssen dennoch aus den jeweiligen Gesetzen der einzelnen kompetenzrechtlich zuständigen Bundesländer entnommen werden (beispielsweise aus dem PresseG Bln oder dem BbgPG). Diese überwiegend deckungsgleichen Formulierungen erfassen inhaltlich mehr als das formelle Begriffsverständnis und sind mithin offener für neue Entwicklungen. In landesrechtlichen Presse- bzw. Mediengesetzen wählten die Gesetzgeber als Anknüpfungspunkt für das Presseprivileg überwiegend die Formulierungen „Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse“. Diese auslegungsbedürftige Formulierung meint neben Verlegern als typische Presseunternehmen auch Dritte, die im journalistischem Umfeld tätig sind wie Nachrichtenagenturen. Welche Medienakteure konkret als Normadressaten erfasst sind, hängt von der Auslegung dieser landesrechtlich geprägten Tatbestandsmerkmale ab. b) Unternehmen der Presse Für die Begrifflichkeit des „Unternehmens“ kann vergleichend § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) herangezogen werden. Danach ist ein Unternehmen, „die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers“. Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers muss dabei selbstständig ausgeübt werden. Zentral ist der Aspekt, mit dieser Tätigkeit „nachhaltig“ Einnahmen erzielen zu wollen, unabhängig davon, ob auch die Absicht besteht, Gewinne zu erzielen. Ebenso definiert § 14 BGB den Unternehmer als „eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt“. Eindeutig als „Unternehmen der Presse“ erfasst sind Zeitungs- und Buchverlage sowie Journalisten und Redakteure, die in eine Redaktion eingebunden sind. Meist ist das Nutzen eines Redaktionssystems zwangsläufige Folge einer Einbindung in eine feste Redaktion, woraus sich auch die notwendige Privilegierung der Datenverarbeitungen der dort erstellten Presseerzeugnisse ergibt.79 Die datenschutzrechtliche Privilegierung ist im Ursprung noch stark an die institutionalisierte Presse gebunden. 77

Soppe, ZUM 2019, 467, 469. Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2006), S. 141; Schulz/Heilmann, in: Löffler, Presserecht (2015), BT Mediendatenschutz, Rn. 30. 79 Soppe, ZUM 2019, 467, 471. 78

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Voraussetzung für die bereichsspezifische Freistellung ist dem Wortlaut nach, dass die Presseakteure in einem Unternehmen organisiert sind. Typischerweise können dieses Kriterium die meisten großen Medienhäuser, Verlage und sonstige Herausgeber von Pressepublikationen erfüllen.80 Gemeinsam haben diese Unternehmen, dass ein enger Bezug zu konkreten Presseorganen besteht. Der Zweck des Unternehmens muss überwiegend in der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse bestehen.81 Folglich ist ein Zusammenhang zwischen tatsächlicher Tätigkeit und journalistischem Zweck unabdingbar.82 Ein Grund für das Anknüpfen an die „Unternehmenseigenschaft“ liegt zum einen darin, dass das Unternehmen als Garant für das publizistische Verbreiten der Inhalte „zur Kenntniserlangung durch eine breite Öffentlichkeit“83 fungiert und zum anderen, dass es die datenschutzrechtliche Haftung vereinfacht. Datenschutzrechtlich verantwortlich ist gemäß Art. 4 Nr. 7 DS-GVO im Presseunternehmen immer das Unternehmen und nicht die einzelnen journalistischen Mitarbeiter mangels ihrer nicht weisungsfreien Organisation ihrer journalistischen Tätigkeit.84 Die daraus resultierende Nachweispflicht über die Einhaltung der technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOM) aller Datenverarbeitenden trifft demzufolge nach Art. 5 Abs. 2 DS-GVO den Verantwortlichen, also das betreffende Unternehmen der Presse.85 Das Unternehmen als datenschutzrechtlich Verantwortlicher sorgt innerhalb seines Wirkkreises dafür, dass alle journalistisch Tätigen diese Grundsätze kennen und vor allem diese verpflichtend einhalten. Dieses grundsätzliche Gefahrtragungsprinzip gerät jedoch ins Schwanken, sobald das Unternehmen als Verantwortlicher wegfällt, wie es bei Journalisten ohne redaktionelle Einbindung der Fall wäre. Zudem ist die Unternehmenseigenschaft eine wesentliche Voraussetzung, um von der Unterwerfungsmöglichkeit unter den Pressekodex des Deutschen Presserats zu profitieren. Eine wesentliche Funktion der Schirmherrschaft eines Presseunternehmens ist das Sichern eines gewissen Qualitätsstandards mittels mehrstufiger Kontrollmechanismen und interner Vorgaben. Entgegen des Wortlauts können auch selbstständige Journalisten ohne eine redaktionelle Einbindung in ein Redaktionsgebilde von dem Begriff des „Presseunternehmens“ erfasst sein und damit weitestgehend von den datenschutzrechtlichen Regularien befreit sein. Bereits die frühere Unionsrechtsprechung zum Medienprivileg bezüglich der Vorgängerrichtlinie (Art. 9 DS-RL) verdeutlichte, dass eine redaktionelle Einbindung kein geeignetes Kriterium darstellen kann, um den An80 Führ, in: Auernhammer, BDSG (2014), § 41 Rn. 14 ff.; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 27. 81 BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 18. 82 BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 26. 83 BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 18. 84 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296. 85 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296.

II. Klassischer Journalismus

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wendungsbereich abzugrenzen.86 Dem Sinn und Zweck nach sollen neben den klassischen Journalisten auch andere Personen ohne die professionelle Eingliederung in ein redaktionelles System vom Medienprivileg erfasst sein, solange sie „für eine breite Öffentlichkeit journalistisch tätig werden und sie damit entsprechende Beiträge zum allgemeinen Meinungsbildungsprozess leisten“.87 Dieser Leitgedanke ist bereits gesetzlich in einigen wenigen Landespresse- und Mediengesetzen verankert. In der amtlichen Begründung der baden-württembergischen Landesregierung (§ 12 LPrG BW) heißt es mit Verweis auf den Erwägungsgrund 153 aus der Verordnung, der eine weite Auslegung der Begrifflichkeiten fordert, dass auch „Einzelpersonen ohne unmittelbare Anbindung an ein Presseunternehmen“ vom Presseprivileg erfasst sind, soweit sie eine „journalistische Tätigkeit ausüben“.88 Dieses Rechtsverständnis ist aber längst nicht in allen Bundesländern verbreitet. Ob sich dieser Ansatz in Zukunft – insbesondere im Hinblick auf die Richtungsvorgabe aus Europa – national durchsetzen wird bzw. sollte, muss vorerst dahinstehen. Ebenso können einzelne (Presse-)Abteilungen eines Unternehmens vom Medienprivileg begünstigt werden, obwohl das Unternehmen als solches keine presserechtlichen Aufgaben wahrnimmt. Denn unter den Begriff fallen zudem „alle Stellen, die bei dem Erstellen von Printmedien mitwirken“, so dass auch Bereiche eines Unternehmens unter den Begriff des „Presseunternehmens“ zu subsumieren sind, obwohl das Unternehmen als solches nicht originär mit presserechtlichen Aufgaben beauftragt ist.89 Typischerweise betrifft es einzelne Abteilungen innerhalb eines Unternehmens, die für die Erstellung von publizistischen Informationen zuständig sind. Auch bei Vereins-, Partei- oder Unternehmenspublikationen zum Zwecke der Selbstvermarktung können journalistische Tätigkeiten ausgeübt werden.90 Das BVerwG erkennt „nur organisatorisch in sich geschlossene, gegenüber den sonstigen (betrieblichen) Stellen abgeschottete, in der redaktionellen Tätigkeit autonome Organisationseinheiten“ als „Unternehmen der Presse“ an.91 Erforderlich für 86

EuGH, EuZW 2009, 108 Rn. 58 – Satamedia; BVerwG, ZD 2016, 193 Rn. 5; BringsWiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 57 RStV Rn. 4; Führ, in: Auernhammer, BDSG (2014), § 41 Rn. 11. 87 BVerwG, ZD 2016, 193 Rn. 5; wie bereits erwähnt, ist diese Rechtsauffassung auf europäischer Ebene bereits durch den EuGH mehrfach bestätigt worden, EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 52 – Buivids; EuGH, EuZW 2009, 108 Rn. 58 – Satamedia, nach dieser Rechtsprechung genießen nicht nur Unternehmen die datenschutzrechtliche Sonderstellung, sondern jeder, der „journalistisch tätig ist“; Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 57 RStV Rn. 4. 88 So beispielsweise BW LT-Drs. 16/3555, S. 20. 89 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 11; Plath/Frey, in: Plath, BDSG (2016), § 41 Rn. 6; Schulz/Heilmann, in: Löffler, Presserecht (2015), BT Mediendatenschutzrecht, Rn. 28; M. Cappello, Journalismus und Medienprivileg, IRIS Spezial, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2017), S. 28. 90 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2006), S. 142. 91 BVerwG, ZD 2016, 193 Rn. 5.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

die Privilegierung ist also, dass diese Abteilungen eindeutig vom restlichen Unternehmen abtrennbar und hauptsächlich mit dem Erstellen dieser Medieninhalte beschäftigt sind. Diese Vorgaben sollen bewirken, dass die datenschutzrechtlichen Schutzbedürfnisse gewahrt werden, vor allem die Gewährleistung des Datengeheimnisses und der sorgfältige Umgang mit den Daten.92 Das Abschotten bietet die Gewähr, dass die Daten nur zu journalistischen Zwecken genutzt werden.93 In einer anderen Entscheidung verneinte das BVerwG das Presseprivileg für einen Verein, der einige Beiträge auf der eigenen Website veröffentlichte.94 Diese Beiträge, die zwar von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt sind, dienten zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und zur öffentlichen Auseinandersetzung, aber es fehlte an einer journalistisch-redaktionellen Aufbereitung.95 In Ermangelung dieser journalistisch-redaktionellen Bearbeitung sind zum Beispiel Presseerzeugnisse, die lediglich amtliche Mitteilungen unverändert wiedergeben, in den Landespressegesetzen nicht vom Schutzbereich erfasst. Auch die einst geführte Debatte zur Privilegierung von Adressen-, Telefon- und ähnlichen Verzeichnissen ist obsolet.96 Im BDSG von 1990 wurde in § 41 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich normiert, dass diese Verzeichnisse nicht dem Schutzzweck der Privilegierung unterfallen. Diese Annahme gilt weiterhin, auch wenn es seit der neuesten Novellierung gesetzlich nicht mehr explizit festgeschrieben ist. c) Hilfs- und Beteiligungsunternehmen Zwingend notwendig für einen funktionierenden Journalismus ist das Privilegieren der „Hilfsunternehmen der Presse“, die einen wichtigen Beitrag für die Informationsbereitstellung und -aufbereitung leisten. Gemeint sind Stellen, derer sich die Presse für ihre eigene journalistische Arbeit bedient und deren Geschäftszweck in der ständigen Unterstützung der Medienunternehmen liegt, wie zum Beispiel Nachrichtenagenturen, Pressekorrespondenten, Materndienste, Korrespondentenbüros oder Produktionsfirmen.97 Solange die Verarbeitung der Daten einem journalistischen Zweck dient, ist ein exaktes Abgrenzen zum „Presseunternehmen“ unbeachtlich.98 92

BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 32. BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 32. 94 BVerwG, ZD 2016, 193 Rn. 5. 95 BVerwG, ZD 2016, 193 Rn. 5. 96 Klee, Pressedatenbanken und das datenschutzrechtliche Medienprivileg (1992), S. 59; ausführlich dazu siehe Kapitel B. II. 3. 97 Führ, in: Auernhammer, BDSG (2014), § 41 Rn. 14; Klee, Pressedatenbanken und das datenschutzrechtliche Medienprivileg (1992), S. 62; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2006), S. 142; Ricker/Weberling, Handbuch des Presserechts (2012), 42. Kapitel Rn. 43; Schulz/Korte, AfP 2000, 530, 532. 98 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 11; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2006), S. 142. 93

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Einige Landesgesetzgeber haben dem modernen Verständnis von „Journalismus“ Rechnung getragen, indem sie neben den klassischen Presseunternehmen und deren Hilfsunternehmen auch die Beteiligungsunternehmen der Presse in ihren Adressatenkreis aufgenommen haben. Der erweiterte Anwendungsbereich erfasst somit noch zusätzliche Akteure, die etwas abseits vom Kerngeschäft bei der Aufbereitung journalistischer Inhalte mitwirken.99 Darunter fallen vor allem Unternehmen, an denen ein Presseunternehmen selbst unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Insgesamt zeigt diese Erweiterung im Anwendungsbereich, dass zumindest bei einigen Landesgesetzgebern – Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und das Saarland – ein notwendiges Umdenken hin zu einem etwas weitergefassten persönlichen Anwendungsbereich stattgefunden hat. d) Sonderfall: Investigativer Journalismus Zu einem wichtigen Ressort im Pressewesen zählt der sogenannte investigative Journalismus. Es kann die Frage aufgeworfen werden, ob dieser auch von der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme profitieren kann. Der investigative Journalismus zeichnet sich dadurch aus, dass mit einer kritischen Perspektive entgegen aller Abwehrversuche der Betroffenen hartnäckig an der Recherche festgehalten wird.100 Grund dafür ist ein hohes Informationsinteresse für die Allgemeinheit. Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) von enormer Bedeutung, dass der investigative Journalismus von der Privilegierung erfasst ist, um sicherzustellen, dass beispielsweise auch staatliches Handeln unter Beobachtung steht und bei tatsächlicher Rechtswidrigkeit oder „Machtmissbrauch“ durch journalistische Arbeit aufgedeckt wird, ohne datenschutzrechtliche Bestimmungen als Hindernisse entgegenstehend zu haben.101 Als Präzedenzfälle für investigative Recherche gelten sowohl der Fall der sogenannten „Spiegel-Affäre“102 als auch der Fall „Wallraff“103.104 Investigativer

99 Einige Bundesländer sehen keine Notwendigkeit, die Beteiligungsunternehmen in den Anwendungsbereich erweiternd aufzunehmen. Sobald die Organisationseinheit eine journalistische „Kernaufgabe“ erfüllt, ist sie bereits ein Presse- oder Hilfsunternehmen. So beispielsweise LT Hessen, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit vom 05. Dezember 2017, LT-Drs. 19/5728, zu § 10 Satz 1 bis 3 HPresseGE, S. 176. 100 So etwa Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 326 f.; Tinnefeld/Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), Syst. I Rn. 50. 101 Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 16. 102 BVerfGE 20, 162 ff. – Der Spiegel; ausführlich dazu siehe Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 26 ff.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Journalismus ist bei dem Beschaffen von Informationen meist auf „unerlaubte“ Methoden angewiesen, um überhaupt eine Chance zu haben, an die Informationen, die den skandalösen Missstand betreffen, zu gelangen und letztlich aufklären zu können. So hat bereits das BVerfG mehrmals klargestellt, dass insbesondere „das Veröffentlichen rechtswidrig erlangter Informationen vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst sei“.105 Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diese Daten auch aus datenschutzrechtlicher Perspektive einer Privilegierung bedürfen, um dem Schutzerfordernis gerecht zu werden und dem investigativen Journalismus nicht als Barriere gegenüberzustehen. Als Folge bedarf es keiner Ermächtigungsgrundlage für die Verarbeitung der Daten, die bei der investigativen Recherche anfallen und erforderlich sind. Vielmehr müssen diese Daten – auch wenn sie rechtswidrig erlangt wurden – vom allgemeinen Datenschutzrecht freigestellt werden. e) Zwischenfazit Positiv zu bewerten ist, dass zu den etablierten Adressaten des Medienprivilegs neben den in eine Redaktion eingebundenen Journalisten auch die selbstständigen (freien) Journalisten zählen. Die privilegierte Datenverarbeitung ist nicht mehr nur den großen Medienhäusern vorbehalten. Es findet ein langsames Abnabeln von der starren Vorstellung statt, dass die Presse nur als Institution ihren verfassungsrechtlichen Aufgaben gerecht werden kann. Nach wie vor steht der (freie) Journalist noch oft in einem Abhängigkeitsverhältnis zu der Organisationseinheit und ist nicht frei von Vorgaben und externen Kontrollen. 2. Rundfunk, § 12 MStV Unstreitig vom Anwendungsbereich des Medienprivilegs erfasst sind die Akteure des Rundfunkwesens. Das klassische Medium des Rundfunks lässt sich grundsätzlich in Hörfunk und Fernsehen untergliedern.106 In den 1980er-Jahren entstand neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Säule des privatrechtlich organisierten Rundfunks. Damit wurde der Grundstein für das heutige „dualistische Rundfunksystem“ gelegt.

103 BVerfGE 66, 116 ff. – Wallraff; ausführlich dazu siehe Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 30 ff. 104 Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 327 f. 105 BVerfGE 117, 244 – Cicero; Eichhoff, Investigativer Journalismus aus verfassungsrechtlicher Sicht (2010), S. 327. 106 BVerfGE 12, 205, 226 @ Deutschland-Fernsehen; 114, 371, 387 @ Bayerisches Teilnehmerentgelt.

II. Klassischer Journalismus

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a) Begriffsbestimmung „Rundfunk“ An dieser Stelle ist kein Rückgriff auf eine verfassungsrechtlich geformte Rundfunkfreiheit erforderlich. Stattdessen konkretisiert der Medienstaatsvertrag selbst, was unter den Rundfunkbegriff fällt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MStV ist Rundfunk „ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans mittels Telekommunikation“. Im Vergleich zum vorherigen Rundfunkstaatsvertrag wird der Rundfunk nicht mehr auf den Übertragungsweg mittels der „elektromagnetischen Schwingungen“ beschränkt. Der Gesetzgeber eröffnet damit bewusst den Geltungsbereich für neue Entwicklungen der Mediengattungen. Verfassungsrechtlich geschützt sind nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sowohl „alle natürlichen Personen als auch alle inländischen juristischen Personen sowie Personenvereinigungen, die Rundfunk eigenverantwortlich veranstalten und (mittels elektrischer Schwingungen)107 verbreiten“.108 Unter den „entwicklungsoffenen“109 und „dynamischen Rundfunkbegriff“110 fallen damit alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sowie alle privaten Rundfunkunternehmen gleichermaßen111. Neben den typischen Organisatoren ist der Grundrechtsschutz auch für einzelne Personen wie beispielsweise „Programmgestaltende Rundfunkmitarbeiter, Programmproduzenten, Programmlieferanten, Redakteure, Verleger, Intendanten, Volontäre und redaktionelle Mitarbeiter“112 gegeben. Der persönliche Anwendungsbereich ist nicht auf gewerbsmäßig tätige Rundfunkakteure beschränkt, sondern im Hinblick auf die zunehmende Medienkonvergenz wird die Auslegung weiter verstanden und eine Einbindung in eine rundfunkrechtliche Organisationseinheit ist nicht erforderlich.113 Die voranschreitenden Entwicklungen im Bereich der neuen Medien lassen nur schwer eine konkrete Trennlinie zwischen dem klassischen professionellem und dem internetbasierten Laienrundfunk ziehen.114 Dieser Aspekt unterfällt derzeit noch der telemedienspezifischen Medienprivilegierung, die erst später erörtert werden soll.115 107

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2018), Art. 5 Rn. 47. Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 569. 109 Paulus/Nölscher, ZUM 2017, 177, 178 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 Rn. 100. 110 BVerfGE 74, 297, 350 – 5. Rundfunkentscheidung; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 641; Paulus/Nölscher, ZUM 2017, 177, 178 ff.; vgl. Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht (1980), S. 23. 111 BVerfGE 31, 314, 322; 59, 231, 254. 112 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 573 f. 113 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 575. 114 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 575. 115 Siehe dazu Kapitel D. III. 1. 108

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D. Reichweite des Medienprivilegs

b) Rundfunkspezifischer Adressatenkreis Für den rundfunkspezifischen Bereich ist das Medienprivileg im Medienstaatsvertrag besser im Vergleich zu den anderen Medienformen formuliert. In § 12 Abs. 1 MStV findet sich eine konkrete Aufzählung, wer vom persönlichen Anwendungsbereich der Norm erfasst sein soll. Danach werden die Normadressaten auf „die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio oder private Rundfunkveranstalter“ beschränkt. Etwas Interpretationsspielraum lässt der MStV mit dem pauschalisierenden Begriff für den privaten Sektor des Rundfunks. Ähnlich wie bei der Presse sind auch die Hilfs- und Beteiligungsunternehmen des Rundfunks von der Privilegierung erfasst (§ 12 Abs. 1 Satz 6 MStV). Um rundfunkrechtliche Beteiligungsunternehmen handelt es sich, sobald öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder private Rundfunkunternehmen an einem anderen Unternehmen in einer gesellschaftsrechtlichen Art und Weise beteiligt sind.116 Ein Grund für die Hinzunahme der „Beteiligungsunternehmen“ liegt in der zivilrechtlichen Organisationsstruktur der Rundfunkunternehmen. Bei einem mehrstufigen Konzept innerhalb eines Konzerns kann es vorkommen, dass einzelne Gesellschaften zwar journalistisch tätig sind, aber nicht das Merkmal von „Rundfunkanstalten“ erfüllen und damit die Voraussetzungen nicht gebündelt vorliegen.117 Alle anderen, zuarbeitenden und journalistische Tätigkeiten wahrnehmenden Organisationen sind eher als „Hilfsunternehmen“ zu verstehen.118 c) Zwischenfazit Alle Personen, die im öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunkbereich personenbezogene Daten für journalistische Inhalte verarbeiten, sind einheitlich vom rundfunkrechtlichen Medienprivileg erfasst. Im Bereich des Rundfunks kann das Medienprivileg zumindest mit seinen klaren Formulierungen und dem einheitlichen Konzept überzeugen. 3. Telemedien, § 23 MStV Die allgemeine Meinungsbildung der breiten Öffentlichkeit ist längst nicht mehr auf die traditionellen Medien beschränkt, sondern findet zunehmend in den Weiten des Word Wide Webs statt. Das Angebot der gegenwärtigen Medienlandschaft ist bunt. In den 2000er boomten die Angebote zum aktiven oder passiven Informationsaustausch besonders durch den „Launch“ von Plattformen wie Google und 116

Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Vorlage zur Beschlussfassung Gesetz zum Einundzwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 16. Januar 2018, LT-Drs. 18/0758, S. 31. 117 Gummer, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2020), § 12 MStV Rn. 8. 118 Vgl. Begründung zum 21. RÄStV, abgedr. in: HK-RStV, B 5 § 9c RStV, S. 6.

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Netflix (1998), Wikipedia (2001), Facebook (2004), YouTube (2005), Twitter (2006), Instagram (2010), musical.ly (2014), TikTok (2016) und nicht zuletzt Clubhouse (2020). Aber auch die technologischen Entwicklungen wie beispielsweise der Verkaufsstart des iPhone im Jahr 2007 revolutionierten den Markt, indem eine permanente und ortsunabhängige Zugangsmöglichkeit zum Internet geschaffen wurde. Schnell entwickelte sich die internetbasierte Informationszufuhr zu etwas Alltäglichem und ist in der modernen Gesellschaft der vornehmlich westlichen Länder ein essenzieller Bestandteil der Informations- und Kommunikationsstruktur. Als Meilenstein für Journalismus im Internet gilt die webbasierte Veröffentlichung von Matt Drudge im Jahr 1998.119 In seinem Bericht enthüllte der Reporter die Affäre des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton mit der Praktikantin Monica Lewinski. Mit dieser Informationsverbreitung im Netz erregte der Publizist große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Bieten die traditionellen Medien ihre Inhalte in digitaler Form an – beispielsweise in Form von Online-Artikeln – greift das rechtliche Konstrukt der „Telemedien“. Im MStV heißt es dazu: „(Es) bedarf auch und gerade in einer zunehmend durch das Internet geprägten Medienwelt staatsvertraglicher Leitplanken, die journalistische Standards sichern und kommunikative Chancengleichheit fördern.“120 In § 23 MStV ist das telemedienspezifische Privileg für Unternehmen sowie Hilfsunternehmen der Presse und des Rundfunks geregelt, die als Anbieter von Telemedien personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten. Für die vom sachlichen Anwendungsbereich erfassten Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse und des Rundfunks kann auf die vorherigen Ausführungen bezüglich der „Presse“ und des „Rundfunks“ verwiesen werden. Besonders relevant ist die Frage, inwiefern neuartige Formen des Journalismus im Onlinebereich bzw. die elektronische Verarbeitung und Verbreitung im Rahmen der Massenkommunikation von der Regelung bereits gedeckt sind. In der Vergangenheit gab es einige Unklarheiten darüber, ob rein elektronische Werke überhaupt als Presse gewertet werden könnten, da diesen Publikationsformen das geforderte Merkmal der „Verstofflichung“121 fehle.122 Nach der Rechtsprechung ist die Presse im Rahmen des Medienprivilegs im verfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen und erstreckt sich folglich auch auf die elektronische Presse.123 Längst ist der Begriff der Presse also nicht mehr nur auf die Presse in ihrer Reinform be119 Neuberger/Quandt, Internet-Journalismus (2010), abgedr. in: Schweiger/Beck, Handbuch Online-Kommunikation (2010), S. 67. 120 Medienstaatsvertrag vom 23. April 2020, GVBl. S. 450, 451, BayRS 02-33-S. 121 Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 16. 122 Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 16; Soppe, ZUM 2019, 467, 469. 123 BGHZ 181, 328 Rn. 20 f. – spickmich; Waldenberger, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2011), 7. Teil Rn. 118 ff.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

schränkt, sondern erfasst durch seine Interpretationsoffenheit nach der weiten Auslegung auch die Presse in elektronischer Form.124 Nach diesem Verständnis handelt es sich nicht um eine neue Mediengattung, sondern vielmehr um eine moderne Facette der traditionellen Presse.125 In seiner Rechtsprechung stellte der BGH klar, dass die elektronische Presse von der Presse im verfassungsrechtlichen Sinne erfasst ist.126 Eine presserechtliche Publikation in elektronischer Form muss keinen Bezug zu einem Printmedium mehr haben.127 Bei den größeren Presseakteuren ist das allerdings überwiegend gegeben, so hat beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ihren eigenen Onlineauftritt faz.net oder die Süddeutsche Zeitung (sz) mit sz.de. Ebenso eigene Online-Inhalte präsentiert der STERN auf stern.de. Statt auf die Vorstellung des „verkörperten Mediums“ zur Einordnung der Presse zu beharren, wird im Schrifttum als Alternative vorgeschlagen, dass die Publikation eher den „visuellen Eindruck“ eines „gedruckten Wortes“128 darstellen oder das „lesbare Wort“129 als Anknüpfungspunkt gewählt werden soll. Der Gesetzgeber hat die elektronische Presse in Form eines Telemediums reguliert. Ziel war es, den Medien nicht nur in ihrer klassischen Erscheinungsform den nötigen rechtlichen Schutz zu ermöglichen, sondern den Schutz auch auf neue Kommunikationsplattformen auszuweiten. Bereits im Rundfunkstaatsvertrag fand der Gesetzgeber für die elektronische Presse in § 54 RStV die Bezeichnung der „Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten“.130 Diese Telemedienangebote verfügen sowohl über journalistische als auch über redaktionelle Merkmale, so dass sie problemlos die digitalen Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften erfassten.131 Für die Anwendbarkeit der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme ist entscheidend, dass die Telemedien unter den Pressebegriff des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu subsumieren sind.132 Es sind auch die digitalen Angebote eines reinen Online-Verlags vom Medienprivileg beinhaltet.133

124 BGHZ 181, 328 Rn. 20 f. – spickmich, der BGH geht von dem funktionalen Begriffsverständnis aus. 125 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 28. 126 BGHZ 181, 328 Rn. 20 f. – spickmich; Lent, ZUM 2013, 914. 127 Michel, AfP 2019, 490, 491. 128 Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 41 Rn. 16. 129 Kahl, Elektronische Presse und Bürgerjournalismus (2013), S. 321. 130 Held, in: Hahn/Vesting, Beck’scher Kommentar zum Rundfunkrecht (2012), § 54 Rn. 48; Lent, ZUM 2013, 914 f. 131 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 30. 132 BVerwG, ZD 2016, 193, redaktioneller Leitsatz. 133 Michel, AfP 2019, 490, 492; Weichert, VuR 2009, 323, 324.

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Die bereits beschriebene Diversität der medialen Erscheinungsformen im Netz soll von der telemedienspezifischen Privilegierung des § 23 MStV aufgefangen werden und darüber letztlich ihren verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz erfahren. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und inwiefern digitale OnlineArchive von Medienhäusern von der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme geregelt sind. Unausweichlich ist im zweiten Schritt die Frage zu klären, ob die Betreiber von Suchmaschinen dem Geltungsbereich der Privilegierungsvorschrift unterfallen. Schließlich sind die konkreten Artikel in einem umfassenden OnlineArchiv ohne die Strukturierungsleistung einer algorithmusbasierten Suchmaschine kaum auffindbar. Erst durch Eingeben eines Suchbegriffs, der auf einen archivierten Beitrag abzielt, werden die Informationen angezeigt und der Zugriff ermöglicht – oder zumindest erleichtert. a) Online-Archive Der Fakt, dass Medien(-häuser) eigene Archive mit diversen Berichterstattungen bestücken, um sie zu einer umfassenden Sammlung auszubauen, ist nicht neu. Im Gegenteil, seit Beginn der traditionellen Medien wird nach erfolgter Publikation das eigene verarbeitete Material systematisch sichergestellt und ausgewertet, um für künftige Artikel darauf zurückgreifen zu können.134 Die Archive beschränken sich bei der Auswertung nicht nur auf verlagsinterne Berichterstattungen, sondern weiten ihr Spektrum zudem auf Fremdpublikationen aus.135 In seinen ursprünglichen Anfängen wurden die journalistischen Beiträge in physischer Form in Ordnern archiviert.136 Einen Zugang zum Archivbereich erhielt nur ein überschaubarer Kreis an Berechtigten aus dem internen Wirkkreis des Medienunternehmens. Diese Vorgehensweise war und ist unstreitig vom Medienprivileg umfasst, mit der Begründung, dass dieses Archivieren von der verfassungsrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit gesichert ist und damit eindeutig eine Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken darstellt. Bereits unter der pressespezifischen Vorgängernorm § 41 Abs. 1 BDSG a. F. erkannte der BGH die Archivierung als vom „journalistisch-redaktionellen Zweck“ erfasst an.137 Heutzutage beschränken sich insbesondere die klassischen Medien nicht mehr nur auf ihre Printausgaben, sondern wollen und müssen zunehmend auch digital im Internet vertreten sein und ihre Informationsaufbereitung für ihre Zielgruppe möglichst ohne einen zeitlichen Verfall zur Verfügungen stellen. Daraus resultiert ein besonders hohes Gefährdungspotential für Individualrechte, die von der Berichterstattung betroffen sein könnten. Das permanente Bereitstellen von journalistisch 134

Ausführlich dazu siehe Zeller, in: Lepper/Raulff, Handbuch Archiv (2016), S. 163 m. w. N. 135 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2006), S. 10 ff. 136 Grundlegend dazu Klee, Pressedatenbanken und das datenschutzrechtliche Medienprivileg (1992); Hubert, Das datenschutzrechtliche „Presseprivileg“ (1993). 137 BGH, NJW 2010, 757, 759 – Online-Archiv I.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

erstellen Beiträgen unter Verwendung von unzähligen personenbezogenen Daten in medialen Online-Archiven führt erstens zu der Frage, ob vor dem Hintergrund der jederzeitigen Abrufbarkeit im Internet auch die digitalen Archive von der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme gedeckt sind und zweitens, ob zumindest etwaige Löschungsansprüche für die Betroffenen bestehen. Dazu soll auch die bisherige Rechtsprechung zu den Online-Archiven näher betrachtet werden. aa) Nationale Rechtsprechung Die deutschen Gerichte haben sich mit der Problematik der Online-Archive ausführlich auseinandergesetzt und in ihren Urteilen grundsätzlich klargestellt, dass einerseits die medialen Datensammlungen unter den Schutzumfang des Medienprivilegs fallen und andererseits ein Löschungsanspruch gegenüber dem Archivbetreiber nicht, sondern nur gegenüber dem Suchmaschinenbetreiber geltend gemacht werden kann, wenn die Erstveröffentlichung rechtmäßig war.138 In dem ersten Urteil Online-Archiv I aus dem Jahr 2009 ging es um eine Altmeldung über einen Straftäter, die im Online-Archiv der Rundfunkanstalt Deutschlandfunk kostenlos für jedermann zum Abruf bereit stand.139 In diesem Fall lehnte der BGH den Löschungsanspruch des Klägers mit Verweis auf das einschlägige Medienprivileg (hier § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV) ab. Insgesamt sei dem journalistischen Artikel nur eine „geringe Breitenwirkung“ zuzuschreiben, da die Berichterstattung nur bei einem „aktiven Suchen“ des Nutzers auf einer „passiven Plattform“ gefunden wird. Der Gerichtshof betont weiter, dass der Sachverhalt nicht mit der „Breitenwirkung“ aus der älteren Lebach I-Entscheidung140 vergleichbar sei, die sich auf eine Fernsehberichterstattung während der „prime time“ bezog und somit eine ganz andere Reichweite erzielen konnte.141 Weiter führt der BGH aus, dass das berechtigte Interesse der Allgemeinheit nicht nur an aktueller Berichterstattung, sondern grundsätzlich auch an Altmeldungen besteht.142 Folglich sind die Medien mit der verfassungsrechtlich begründeten Aufgabe betraut, die Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen und darüber hinaus „nicht

138 BGH, NJW 2010, 757 – Online-Archiv I; BGH, NJW 2010, 2432 – Online-Archiv II; BGH, NJW 2010, 2728 – Online-Archiv III; BGH, NJW 2011, 2285 – Online-Archiv IV; BGH, BeckRS 2011, 6485 – Online-Archiv V; BGH, BeckRS 2011, 6487 – Online-Archiv VI; BGH, BeckRS 2012, 23454 – Online-Archiv VII; BGH, BeckRS 2012, 23453 – Online-Archiv VIII (Apollonia). Zusammenfassend siehe Mann, AfP 2014, 210, 210 ff. und Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 114 ff. 139 BGH, NJW 2010, 757 – Online-Archiv I. 140 BVerfGE 35, 202 – Lebach. 141 BGH, NJW 2010, 757 Rn. 19 – Online-Archiv I. 142 BGH, NJW 2010, 757 Rn. 20 – Online-Archiv I; vgl. OLG Köln, AfP 2007, 126, 127.

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mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar (zu) halten.“143 Gegenstand der zweiten Entscheidung war die Berichterstattung über den Mörder des bekannten Schauspielers Walter Sedlmayr. Dieser Fall setzte den Startschuss für eine umfangreiche Rechtsprechung zu Altmeldungen über Straftäter in Online-Archiven. Geklagt hatte der rechtskräftig verurteilte Mörder gegen mehrere Artikel über den Vorfall aus dem Jahr 1993, die kostenpflichtig zum Abruf im „Dossier“ des Onlineauftritts des Spiegels für Interessierte bereitstanden. Der Kläger war wegen voller Namensnennung und einem beigefügten Bild deutlich im Beitrag für Außenstehende zu identifizieren. Der BGH bestätigte zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, allerdings führte er seine Rechtsprechung aus dem vorherigen Online-Archiv-Urteil fort, indem er das Löschungsbegehren unter Zugrundelegung der geringen Breitenwirkungen und des einschlägigen Medienprivilegs (§ 57 Abs. 1 RStV) als nicht begründet ansah.144 Ebenso in den nachfolgenden Fällen im Rahmen der Online-Archiv-Rechtsprechung, bei dem der SedlmayrMörder gegen Altmeldungen in den Archiven von „morgenweb.de145, „ksta.de“146, „sz-online.de“147 und „FAZ.net“148 erfolglos klagte. In einem etwas anders gelagerten Fall ging es nicht um eine Altmeldung unter voller Namensnennung eines rechtskräftig verurteilten Straftäters. Stattdessen wurde über das Verfahren eines bekannten „Gazprom“-Managers wegen des Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung berichtet, wobei das Gericht das Verfahren letztlich nach § 153a StPO einstellte.149 Der von der Berichterstattung Betroffene klagte gegen die Alt-Beiträge im Archiv von „welt.de“. Der BGH berücksichtigte in seiner Abwägung den Fakt, dass der Betroffene nicht verurteilt wurde, hielt es aber für ausreichend, dass die Altmeldung um einen nachträglichen Hinweis auf die Verfahrenseinstellung erweitert wurde.150 Das Gericht stellte klar, dass der Manager des Energiekonzerns gerade nicht wie ein „Freigesprochener“ behandelt werden muss wegen der fehlenden Rehabilitationswirkung im Vergleich zu einem Freispruch.151 Bislang gibt es keine gerichtliche Klärung der Frage, welche Maßstäbe anzusetzen wären, sollte ein Betroffener am Ende des Verfahrens freigesprochen werden.152

143 144 145 146 147 148 149 150 151 152

BGH, NJW 2010, 757 Rn. 20 – Online-Archiv I. BGH, NJW 2010, 2432 Rn. 22, 25 f. – Online-Archiv II. BGH, NJW 2010, 2728 – Online-Archiv III. BGH, NJW 2011, 2285 – Online-Archiv IV. BGH, BeckRS 2011, 6485 – Online-Archiv V. BGH, BeckRS 2011, 6487 – Online-Archiv VI. BGH, BeckRS 2012, 23454 – Online-Archiv VII. BGH, BeckRS 2012, 23454 Rn. 23 ff. – Online-Archiv VII. BGH, BeckRS 2012, 23454 Rn. 25 – Online-Archiv VII. Himmelsbach, K&R 2013, 82, 83.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Etwas ausführlicher argumentieren die Karlsruher Richter im sogenannten Apollonia-Fall.153 Grundlage der streitgegenständlichen Berichterstattung war das Mordgeschehen auf der Jacht „Apollonia“ aus dem Jahr 1981. Gegen die Altmeldungen auf Spiegel Online wollte der rechtskräftig verurteile Kläger vorgehen, nachdem er seine 17-jährige Haftstrafe verbüßt hat. Dieser Fall fällt im Vergleich zu den anderen Entscheidungen der Online-Archiv-Rechtsprechung etwas aus der Reihe. Besonders an diesem Sachverhalt war, dass diese streitgegenständliche Altmeldung ohne großes Zutun bereits bei der Namenseingabe in einer Suchmaschine vorgeschlagen und unter den ersten Treffern zu finden war.154 Im Gegensatz dazu wurde in den vorherigen Entscheidungen die Sachverhaltskonstellation zugrunde gelegt, dass der Artikel durch eine „(pro)aktive gezielte Suche auf einer passiven Darstellungsplattform (also auf dem Internetportal selbst)“ auffindbar war. Neu ist, dass die Artikel von Spiegel Online in digitaler Form für die Indexierung der Suchmaschine zugänglich gemacht wurden und die Nutzer mittels dieser Suchoptimierung die Artikel wesentlich leichter und schneller finden konnten.155 Trotz dieser vereinfachten Auffindbarkeit beharrte der BGH auf seiner Rechtsprechung und lehnte den Löschungsantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass es sich bei der Berichterstattung über den Apollonia-Fall um ein „bedeutendes zeitgeschichtliches Ereignis“ handle und es Aufgabe der Medien sei, diese nicht mehr aktuellen Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar (zu) halten.156 Zusätzlich führt der BGH aus, dass es so „ein spektakuläres Kapitalverbrechen (sei), das untrennbar mit der Person und dem Namen des Klägers verbunden ist.“157 Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass das Internet und seine technischen Möglichkeiten keinen Grund darstellen, um mediale Onlineberichte „über besondere zeitgeschichtliche Ereignisse nur auf solche Personen zu beschränken, die Zugang zu Print-Archiven haben oder diesen aktiv suchen“.158 Zuvor sah das OLG Hamburg entgegen der ständigen Rechtsprechung des BGH hingegen den Archivbetreiber in der Pflicht, die suchmaschinenspezifische Auffindbarkeit des Artikels durch Abändern des Namens des Betroffenen im Internet zumindest zu erschweren.159 Ziel soll es sein, die Auffindbarkeit des Artikels bei konkreter „namensbezogener Suche“ zu verhindern.160 Diese Methode wird jedoch überwiegend kritisiert wegen der fehlenden Umsetzungsmöglichkeit in der Praxis. Gegen das Urteil des BGH in der Apollonia-Sache legte der Beschwerdeführer 153

BGH, BeckRS 2012, 23453 – Online-Archiv VIII (Apollonia). Himmelsbach, K&R 2013, 82. 155 Himmelsbach, K&R 2013, 82 f. 156 BGH, BeckRS 2012, 23453 Rn. 18 f. – Online-Archiv VIII (Apollonia). 157 BGH, BeckRS 2012, 23453 Rn. 19 – Online-Archiv VIII (Apollonia). 158 BGH, BeckRS 2012, 23453 Rn. 20 – Online-Archiv VIII (Apollonia). 159 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 116; Paal/Hennemann, K&R 2017, 18, 20. 160 Paal/Hennemann, K&R 2017, 18, 20. 154

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Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.161 Das BVerfG kritisierte in seinem Beschluss, dass „die Würdigung der seit der Tat vergangenen Zeit“ fehle und insgesamt nicht die Möglichkeit „einer abgestuften Einschränkung der Verfügbarkeit“ als Ausgleich der widerstreitenden Interessen in Betracht gezogen wurde.162 Woraufhin das Urteil aufgehoben und die Sache an den BGH zurückverwiesen wurde. Daraufhin teilte der BGH in seiner Entscheidung mit, dass die Klärung der Frage zunächst vom OLG Hamburg zu beantworten sei und verweist die Sache an das Berufungsgericht zurück.163 In einem aktuellen Fall setzt der BGH seine Rechtsprechung zugunsten der Pressefreiheit fort.164 Alles in allem signalisiert die deutsche Rechtsprechung in ihren Urteilen deutlich, dass der Schutzumfang des Medienprivilegs auch für die Online-Archive gelten soll und muss. Wenn schon aktuelle Pressebeiträge im Internet dem Medienprivileg unterfallen, dann muss diese datenschutzrechtliche Befreiung auch für die Daten in archivierter Form gelten. Die Betreiber eines solchen Online-Archives sind legitimiert, sich auf die datenschutzrechtliche Bereichsausnahme zu berufen.165 Mithin kann ein Löschungsbegehren eines von dem archivierten Bericht Betroffenen nicht gegen das Medienunternehmen gerichtet werden. bb) Europäische Rechtsprechung Neben den nationalen Gerichten beschäftigte sich zunehmend auch der EuGH mit der Problematik bezüglich der Altmeldungen unter Namensnennung in Online-Archiven und den Fragen danach, ob das Medienprivileg einschlägig ist oder dem Betroffenen ein Löschungsanspruch zustehen kann.166 Eine gerichtliche Klärung der Frage erfolgte im Jahr 2014 unter Zugrundlegung des Google Spain-Urteils des EuGH nach der Rechtlage der damals geltenden DS-RL.167 Dabei überprüfte der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren, ob die spanische Datenschutzbehörde den Unternehmen Google Spain SL und Google Inc. die Pflicht zur Löschung von weiterführenden Links zu älteren Berichterstattungen im konkreten Fall auferlegen darf. In dem Fall ging es um eine 12 Jahre alte Berichterstattung einer spanischen Zeitung, die unter namentlicher Nennung des Eigentümers über eine Zwangsver161

BVerfG, NJW 2020, 300 – Recht auf Vergessenwerden I; ausführlich dazu Kühling, NJW 2020, 275. 162 Redaktion beck-aktuell vom 27. November 2019, becklink 2014829. 163 BGH, MMR 2021, 43 Rn. 15. 164 BGH, NJW 2020, 45. 165 Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606, 609. 166 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 110; Mann, K&R 2013, 553, 555; Mann, AfP 2014, 210, 210 f. 167 EuGH, EuZW 2014, 541 – Google Spain; hierzu v. Lewinski, AfP 2015, 1; Spindler, JZ 2014, 981; Arning/Moos/Schefzig, CR 2014, 447.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

steigerung infolge der Nichtleistung von Sozialversicherungsbeiträgen berichtete. In seinem Urteil bejahte der EuGH einen Anspruch des Betroffenen gegenüber Google in Form eines Löschungs- und Widerspruchsanspruchs nach Art. 12 lit. b und Art. 14 lit. a DS-RL mit der Folge, dass der Suchmaschinenbetreiber aufgefordert werden darf, bestimmte Daten aus dem Index zu löschen und zusätzlich der Zugang zu dem Artikel bestmöglich verhindert werden muss.168 In diesem Urteil wurde damit der Grundstein für das sogenannte „Recht auf Vergessen“ gelegt, das heute seinen Niederschlag in Art. 17 DS-GVO findet. Insgesamt resultiert aus diesem Urteil, dass die Betroffenen keinen direkten Anspruch gegen die Betreiber der Online-Archive haben. Bereits zuvor hatte der EGMR die Verpflichtung zum Löschen eines Artikels aus dem Internetarchiv einer Zeitung als Verletzung von Art. 10 EMRK angesehen, insbesondere sei auch aus Art. 8 EMRK gerade kein umfassendes Löschungsrecht der Internetberichterstattung abzuleiten.169 cc) Deutsche Rechtslage Der deutsche Rechtsrahmen gibt für Telemedienanbieter die Norm des § 23 MStV vor. Voraussetzung ist, dass es sich um Rundfunk- oder Presseakteure handelt, die als Telemedienanbieter auftreten. Bei den Artikeln handelt es sich um bereits veröffentlichte Presseerzeugnisse von Medienunternehmen, so dass vorliegend nur die Presse in Betracht kommt. Die Online-Archivbetreiber unterfallen somit dem telemedienspezifischen Medienprivileg, da sie ihre archivierte Beitragssammlung überwiegend im Internet präsentieren. Als weiteres Tatbestandsmerkmal muss diese Datenverarbeitung – die Speicherung und Archivierung der Daten – zu journalistischen Zwecken erfolgen. Das Speichern und Archivieren von Berichterstattungen ist für den allgemeinen Informationszugang von zentraler Bedeutung. Mithin ist dieser Datenverarbeitungsvorgang von der Pressefreiheit geschützt. Der Sinn und Zweck des Medienprivilegs, die verfassungsrechtlich gewährte Pressefreiheit insbesondere in Bezug auf das Datenschutzrecht zu ermöglichen, ist auch bei archivierten Inhalten in vollem Umfang gegeben. Die Archive – unabhängig in welcher Form – erfüllen den demokratischen Auftrag, die Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen zusätzlich zu den tagesaktuellen Geschehnissen.170 Den Betreibern von Online-Archiven kommt die nationale Bereichsausnahme des Medienprivilegs zugute, so dass § 23 MStV einschlägig und ein Großteil der Pflichten und Betroffenenrechte des Datenschutzrechts nicht auf sie anwendbar ist. Die Ablehnung der Privilegierungsvorschrift hätte zur Folge, dass die Medienunternehmen zahllose Altbeiträge in ihren Onlineauftritten einzeln bearbeiten müssten 168 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 112. 169 EGMR, AfP 2014, 517 – Wegrzynowski and Smolczewski vs Poland; Kall, AfP 2014, 116, 122 f. 170 So ähnlich Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 40.

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und darin bestimmte Ausschnitte anonymisieren oder schlicht streichen müssten, um nicht rechtlichen Konsequenzen ausgesetzt zu sein. Die gegenwärtige Handhabung scheint vorerst ein fairer Kompromiss, dass den Medienorganen die Pflicht auferlegt wird, bei archivierten Beiträgen eine Ergänzung zum Beitrag hinzuzufügen, um die Betroffenenrechte zu wahren. dd) Zwischenfazit Zusammenfassend besteht also gerade kein Anspruch des Betroffenen gegenüber einem digital basierten Archivbetreiber auf Löschung seiner dortigen personenbezogenen Daten. Die Online-Archive genießen stattdessen einen vollumfänglichen Schutz des Medienprivilegs – also eine Freistellung von sonst geltenden Datenschutzvorschriften. Denn mit der Archivierung vergangener Berichte kommen die Medienorgane ihrem funktionalen Auftrag nach und haben bei dem Archivieren zumindest das Ziel, diese Daten zu einem journalistischen Zweck zu verarbeiten, wohingegen durchaus ein Anspruch auf Löschung der weiterführenden Links gegen die Betreiber einer Suchmaschine bestehen können. Ausdrücklich klarzustellen ist allerdings, dass eine rechtswidrige (Erst-)Veröffentlichung nicht dem Schutz des Medienprivilegs unterliegt und folglich auch das Archivieren der Berichterstattung nicht rechtmäßig sein kann.171 b) Suchmaschinen Im Internet sind Suchmaschinen die zentrale Anlaufstelle für alle Informationssuchenden. Die Betreiber von Suchmaschinen wie beispielsweise Google, Bing, Yahoo, Ecosia oder DuckDuckGo nehmen im onlinebasierten Informationsaustausch eine zentrale Rolle ein. Aus einer rechtlichen Perspektive sind sie als sogenannte (Informations-)Intermediäre im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 13 lit. b) MStV einzustufen. Intermediäre erfüllen die Funktion des Vermittlers zwischen den Anbietern von Informationen und ihren Nutzern. Neben der Informationsvermittlung zeichnen sich Intermediäre dadurch aus, dass sie die fremden Inhalte von Dritten verarbeiten und anpassen, indem sie die Informationen nach ihren selbstgewählten Kategorien aggregieren, selektieren und auf bestimmte Weise präsentieren. In der digitalisierten Gesellschaft ist der Einfluss dieser Plattformen auf die öffentliche Meinungsbildung der breiten Masse durch das Auflisten und Bereitstellen von Informationen nicht zu unterschätzen.172 Würde die datenschutzrechtliche Bereichsausnahme sich auf die Suchmaschinen erstrecken, hätte das zur Folge, dass diese Privilegierung die umfassenden Schutzmechanismen der Betroffenen und Pflichten für die Datenverarbeitenden des Datenschutzrechts aushebeln würde. Nachfolgend wird zuerst die Tendenz der Rechtsprechung bezüglich der Anwend171 172

Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 28. Dörr/Natt, ZUM 2014, 829, 830 ff.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

barkeit des Medienprivilegs für Suchmaschinen aufgezeigt. Im zweiten Schritt wird die Rechtslage untersucht und ein Fazit gezogen. aa) Nationale und europäische Rechtsprechung Auf nationaler Ebene kann auf die ausführliche Darstellung der Rechtsprechungsreihe zu den Online-Archiven im vorherigen Unterkapitel verwiesen werden. Summa summarum hielt der BGH bislang an seiner Rechtsprechung fest, die Anwendung des Medienprivilegs für Suchmaschinen zu verneinen. Die Richter des Bundesgerichtshofs betonten, dass „die reine Übermittlung von erhobenen Daten an Nutzer nicht unter den besonderen Schutz der Presse (fällt)“.173 Ebenso ist an dieser Stelle ein Rückgriff auf die unionalen Wertungen sinnvoll. Anknüpfend an das oben bereits dargestellte Google Spain-Urteil wird ersichtlich, dass der EuGH die Informationsintermediäre unter Geltung der DS-RL als nicht vom Medienprivileg erfasst ansieht.174 Der EuGH begründet diese Annahme damit, dass gerade keine erforderliche eigene redaktionelle Leistung der Intermediäre ersichtlich ist und damit die Datenverarbeitung nicht unter die privilegierte Zweckbindung falle – im Gegensatz zu der Datenverarbeitung von den Betreibern von Online-Archiven. Nach Maßgabe des EuGH sind Suchmaschinen eben nicht als Medien einzustufen.175 Zwar besteht ein Anspruch für die Betroffenen bei einer unerwünschten Berichterstattung im Internet gegenüber den Intermediären (anstatt gegenüber dem Archivbetreiber selbst), dennoch ist vom Anspruch nicht gedeckt, den Artikel als solchen löschen zu lassen, sondern nur das Entfernen der weiterführenden Links.176 Das Verhindern eines solchen Zugangs kann unter Umständen dadurch umgesetzt werden, indem der Treffer aus der Ergebnisliste der Suchmaschine gelöscht wird.177 Seit Inkrafttreten der DS-GVO hat der EuGH weitere Urteile basierend auf Art. 9 DS-RL gefällt und seine Rechtsprechung bezüglich der Suchmaschinenbetreiber weiter gefestigt.178 Danach findet das Datenschutzrecht in seinem vollen Umfang auf die Betreiber der Suchmaschinen Anwendung. Der Gerichtshof in Luxemburg bemängelt insbesondere das Fehlen einer publizistischen Tätigkeit der Suchmaschinenbetreiber, die überwiegend dem journalistischen Zweck dient.179 Ob diese Rechtsprechung zukünftig auch auf Grundlage von Art. 85 Abs. 2 DSGVO zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. Das Argument, dass die Suchmaschinenbetreiber die Daten nicht „ausschließlich“ zu journalistischen Zwecken verarbeiten, hat sich mit dem Wegfall des Tatbestandsmerkmals „allein“ erübrigt. Des Weiteren 173 174 175 176 177 178 179

BGH, GRUR 2018, 642 Rn. 44. EuGH, EuZW 2014, 541 – Google Spain. EuGH, EuZW 2014, 541 Rn. 85 – Google Spain; v. Lewinski, AfP 2015, 1, 5 f. Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606 f. Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606 f. EuGH, NJW 2019, 3499 – Google LLC; Kühling, NJW 2020, 275, 276. EuGH, EuZW 2014, 541 Rn. 85 – Google Spain.

II. Klassischer Journalismus

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signalisiert der Unionsgesetzgeber mit der expliziten Erwähnung der Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 GrCh) in Satz 2 des Erwägungsgrunds 153 die Aussicht auf eine Neugewichtung.180 Die Informationsfreiheit und die Meinungsfreiheit stehen nun auch im Rahmen der DS-GVO in einem äquivalenten Verhältnis zueinander. Mit Blick auf die Zukunft könnte bei den Intermediären unter gewissen Umständen die Privilegierung aus Art. 85 Abs. 2 DS-GVO eingreifen. Erforderlich dafür wäre allerdings ein gewisses Maß an einer „journalistischen bzw. redaktionellen Eigenleistung“. Fraglich ist, wann eine solche journalistische Bearbeitung konkret gegeben sein könnte. bb) Deutsche Rechtslage Nach der zwischenzeitlich veralteten Rechtslage auf Grundlage des RStV wurden insbesondere klassische Suchmaschinen im Internet nicht als Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Inhalt (vgl. ehemals § 54 RStV) eingestuft.181 Für eine journalistisch-redaktionelle Gestaltung ist mehr erforderlich als ein bloßes Selektieren und Aufbereiten von bereits bestehenden (journalistischen) Beiträgen.182 Je mehr es sich um eine reine Wiedergabe fremder Inhalte handelt, desto eher ist der Anwendungsbereich des Medienprivilegs nicht eröffnet, das heißt, nur fremde Inhalte anzuzeigen, fällt nicht unter das Privileg.183 (1) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse Nach der aktuellen Rechtslage ist eine Privilegierung nach Maßgabe von § 23 MStV vorerst nicht auszuschließen. Bei den Plattformen der Suchmaschinen kann es sich im Einzelfall um (Presse-)Unternehmen oder Hilfsunternehmen handeln, obwohl der funktionale Bezug zur Presse nicht offensichtlich gegeben ist. Zunächst könnte die Auffangvariante „Hilfsunternehmen der Presse“ einschlägig sein. Immerhin ermöglicht die Suchmaschine das Auffinden bestimmter presserechtlicher Inhalte. Ferner trägt der Online-Dienst wesentlich zur Verbreitung der digitalen Pressepublikationen im Informationsnetz bei.184 Ein Einordnen von Suchmaschinen als Hilfsunternehmen der Presse scheint somit keineswegs abwegig. Es fehlt aber an dem Hauptgeschäftszweck der Plattform, die Presse in der Erfüllung ihrer Aufgaben ständig unterstützen zu wollen, wie es bei180 Michel, ZUM 2018, 836, 837; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, DSGVO (2018), Art. 85 Rn. 2. 181 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 30; Lent, ZUM 2013, 913, 918 f.; Lent, in: BeckOK InfoMedienR (Stand 2020), RStV, § 54 Rn. 5. 182 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 35. 183 Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606, 610. 184 Ebenso Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606, 608.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

spielsweise bei Nachrichtenagenturen der Fall ist. Suchmaschinen verfolgen nicht das Ziel, eine permanente Unterstützung für die Presse zu sein. Im Gegenteil, Suchmaschinen sind im Zweifel dem Lager der Rezipienten des Presseprodukts zu zuordnen – und gerade nicht als Teil der Presse zu verstehen.185 Ihr Geschäftsmodell basiert auf der neutralen Vermittlerfunktion, wonach Inhalte für die suchenden Nutzer auffindbar gemacht und zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise helfen die Betreiber solcher Online-Dienste vielmehr den Internetnutzern, die Informationsmasse gezielt einzugrenzen. Eine Qualifizierung als Hilfsunternehmen scheidet daher aus. Ebenso ist eine Suchmaschine kein klassisches Presseunternehmen im Sinne der nationalen Vorschriften. Der Bezug zur Presse ließe sich daher nur über die journalistische Zwecksetzung herleiten. (2) Journalistischer Zweck Die zentrale Frage besteht darin, wann eine auf einen journalistischen Zweck gerichtete Datenverarbeitung durch Online-Dienste anerkannt werden kann. Eine zu journalistischen Zwecken dienende Datenverarbeitung bedarf einer gewissen „Zusatzinformation“, die über das bestehende Material der fremden Inhalte hinausgeht. Unter welchen Voraussetzungen dieser „journalistische Mehrwert“ bei der Informationsverbreitung gegeben sein könnte, lässt sich nicht pauschalisierend feststellen. Ein Mehrwert könnte darin gesehen werden, dass der Betreiber der Suchmaschine die fremden journalistischen Inhalte überhaupt erst zugänglich macht. Ohne ihre Existenz müssten die Nutzer konkrete Internetadressen kennen und bereits einiges an (Vor-)Wissen – wie das Datum oder den Autorennamen – über ihr gewünschtes „Suchergebnis“ haben, um überhaupt eine erste Anlaufstelle zu haben, um an die Informationen zu gelangen. Zunächst scheint es nicht abwegig, dass Suchmaschinen eine (moderne) Form von Journalismus betreiben könnten. Ausgangspunkt für diese These ist die tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit der Betreiber auf die öffentliche Meinungsbildung. Bereits in der Konzeptionierung der Plattform und der Programmierung könnte eine journalistische Leistung liegen. Nach Eingabe eines Suchbegriffs werden mittels algorithmusbasierter Kriterien Ergebnisse präsentiert. Diese „Entscheidungshoheit“ über die Auswahl der angezeigten Treffer in der Ergebnisliste kommt einer subjektiven Vorauswahl gleich.186 Die erstellte Reihenfolge der Suchergebnisse kann zu einer (unterbewussten) Beeinflussung führen. Untersuchungen haben ergeben, dass nur die ersten zehn Ergebnisse auf der ersten Seite des Suchranking von den Usern registriert werden und dabei 59,59 % der Klicks auf die erste Position der Ergebnisliste beim Suchvorgang

185

Schumacher/Spindler, DuD 2015, 606, 609. Dörr/Natt, ZUM 2014, 829, 335, 840; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 35. 186

II. Klassischer Journalismus

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fallen.187 Mit dieser Art des Selektierens und Aggregierens wirken die Suchmaschinen auf die Wahl des zu konsumierenden Inhalts ein und damit letztlich auch auf die Vorstufe der individuellen Meinungsbildung. Folglich könnte schon in der reinen Konzeptionierung eine journalistische Eigenleistung gesehen werden. Einen ersten Anhaltspunkt liefert die Entscheidung des LG Köln, wonach neben der Darstellung von fremden Inhalten eine „optische und redaktionelle Aufbereitung“ erkennbar war, indem zahlreiche (ca. 50.000) Bilder durch die Betreiber selbst erstellt wurden.188 Darüber hinaus fand entweder eine Art Vor- und Nachbereitung oder sogar eine eigene Neugestaltung der Bilder, die von Nutzern auf der Plattform hochgeladen wurden, statt – beispielsweise durch ein Betexten der Fotografien. In dieser Gestaltungsweise und dem Umgang mit den Daten erkannte das LG Köln eine eigene journalistische und redaktionelle Leistung an. Das Geschäftsmodell dieser Plattform basierte darauf, alle Häuser der Stadt Köln in ihrer aktuellen und ihrer vergangenen rekonstruierten Erscheinung zu zeigen. Bei Suchmaschinen ist die Ausgangslage hingegen eine andere. Im Gegensatz zur Plattform der Bilderbuch-Entscheidung steht bei dem Betreiben einer Suchmaschine die reine Informationsbereitstellung im Vordergrund. Eine darüber hinausgehende Bearbeitung der Inhalte ist indes nicht vom Geschäftsmodell gewünscht. Das Produzieren eigener Inhalte oder das Abändern der fremden Inhalte widerspricht dem Selbstverständnis der Suchmaschinen. Insgesamt ist die Form der Konzeptionierung der Suchmaschine zwar beeinflussend und zu hinterfragen, aber sie ist nicht journalistischer Natur. Vielmehr stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund, so dass die kommerzielle Zielrichtung der Datenverarbeitung eine vermeintlich journalistische Verarbeitung überwiegt. Die bloße Weitergabe fremder Daten zielt nicht auf eine journalistische Gestaltung und damit keine journalistische Datenverarbeitung.189 Insgesamt sprechen die überzeugenderen Argumente dafür, dass die Datenvorgänge des Suchmaschinenbetreibers nicht zu journalistischen Zwecken durchgeführt werden. Trotz der tatsächlich bestehenden publizistischen Relevanz für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess mangelt es an einer journalistischen Gestaltungsweise, die einen Mehrwert für den gesellschaftlichen Diskurs bringt. In dem Betreiben einer Suchmaschinenplattform ist kein Äquivalent zu der funktionalen Aufgabenwahrnehmung der Presse zu sehen. Folglich ist der § 23 MStV für die Betreiber von Suchmaschinen nicht einschlägig.

187 Beus, Klickwahrscheinlichkeiten in den Google SERPs (2015), abrufbar unter https: //www.sistrix.de/news/klickwahrscheinlichkeiten-in-den-google-serps/ (zuletzt abgerufen am 23. März 2021); Dean, Statistik vom 27. August 2019, https://backlinko.com/google-ctr-stats (zuletzt abgerufen am 23. März 2021). 188 LG Köln, ZUM-RD 2010, 233, 234 – Bilderbuch. 189 Schmid-Petersen/Lörz, IPRB 2020, 72, 75.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

cc) Zwischenfazit Nach der deutschen Rechtslage sind die Suchmaschinenbetreiber bislang nicht von der nationalen Freistellungsnorm erfasst. Das europäische Rechtsverständnis des Medienprivilegs im Allgemeinen gibt allerdings Anlass für ein Umdenken. An der Google Spain-Entscheidung des Luxemburger Gerichtshofs bemängelten Kritiker, dass die tatsächliche Bedeutung der Suchmaschinen in der modernen Informationsgesellschaft nicht angemessen berücksichtigt wurde und darüber hinaus das Medienprivileg gerade nicht nur den klassischen Medien in ihrer originären Form offen steht (wie der EuGH selbst bereits bestätigte190).191 Diese Kritik verdeutlicht das Argument, dass dem Suchmaschinenbetreiber in der Informationsgesellschaft durchaus eine Schlüsselposition zukommt. Das Koordinieren, Systematisieren und Filtern des gewaltigen Umfangs der Informationen im Netz mit dem Ziel des Zugänglichmachens hat einen Einfluss auf die Allgemeinheit. Insbesondere die algorithmusbasierte Reihenfolge des Darstellens der Inhalte führt unterschwellig zu einer Beeinflussung des Informationssuchenden. Insgesamt ist die Rolle der Intermediäre kritisch zu hinterfragen. Der bisher gewährte Deckmantel des neutralen Vermittlers könnte gegebenenfalls nicht mehr zeitgemäß sein. Entscheidend für die weitere Entwicklung wird die konkrete Gestaltung und der einzelfallabhängige Umgang mit den nutzergenerierten Daten sein. Alles in allem ist bisher eine Privilegierung nicht vorgesehen. Der nationale Gesetzgeber sollte die aktuellen Entwicklungen beobachten und eigene Stellungnahmen dazu abgeben sowie konkreter auf die Voraussetzungen für Intermediäre eingehen, um auf das Reformbedürfnis zu reagieren.

III. Graswurzel-Journalismus Journalistische Arbeit ist längst nicht mehr nur auf professionell ausgebildete (Berufs-)Journalisten beschränkt. Stattdessen bietet das Internet jedermann die Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand publizistisch zu betätigen. Es gibt eine Reihe von sprachlichen Wortschöpfungen für die rasante Entwicklung im Kommunikationsbereich – angefangen von „Amateurjournalismus“ über „Netzwerkjournalismus“192 bis hin zum „partizipativen Journalismus“.193 Unter der Bezeichnung „Graswurzel-Journalismus“ soll diese neue Form der laienhaften Berichterstattung zusammengefasst werden. Das Verbreiten von Informationen und Meinungen war noch nie so einfach wie heute, da das Internet verhältnismäßig geringe 190

EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58 – Satamedia. Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 44; Spindler, JZ 2014, 981, 987. 192 Bucher/Büffel, Vom Gatekeeper-Journalismus zum Netzwerk-Journalismus, in: Behmer/Blöbaum/Scholl/Stöber, Journalismus im Wandel (2005), S. 85. 193 Engesser, Die Qualität des Partizipativen Journalismus (2013), S. 17 f. 191

III. Graswurzel-Journalismus

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Anforderungen an den Publizisten stellt. Im Gegensatz dazu wird einem professionellen Berufspublizisten eine bestimmte Qualifikation mit einem entsprechenden Know-how abverlangt. Die hohen Ansprüche an Journalisten sind darin begründet, dass sie eine wesentliche Rolle im demokratischen Prozess einnehmen, um der Gesellschaft in einer funktionierenden Demokratie den Zugang zu Informationen zu ermöglichen. In der Vergangenheit oblag es ausschließlich den Medieninstitutionen selbst, die Informationsverbreitung zu kontrollieren. Diese ursprüngliche Monopolstellung der Massenmedien als eine Art „Filterinstanz“ beginnt durch den Umbruch des Mediensystems aufzubrechen.194 Das Verschwimmen einzelner Medienformen hin zu neuen Mischformen (Medienkonvergenz) und der damit verbundenen crossmedialen Kommunikation führt dazu, dass ein Abgrenzen im Einzelfall zunehmend mit mehr Schwierigkeiten verbunden ist. Der Prozess der Medienkonvergenz lässt insbesondere den Begriff „Journalismus“ unklar werden. Eine eindeutige Begriffsbestimmung zur klaren Abgrenzung gegenüber anderen Öffentlichkeitsformen wie der PR-Arbeit und der Unterhaltungs- bzw. Werbebranche scheint im Hinblick der aktuellen Entwicklung erschwert.195 Aus juristischer Perspektive entstehen neue einzelfallabhängige Abgrenzungsfragen und insbesondere die Frage danach, wie das Datenschutzrecht auf diese neuen Medienformen Anwendung finden soll.196 Denn nicht alles, was an Meinungen und Ideen im Internet kursiert, bedarf einer datenschutzrechtlichen Freistellung.197 Folglich dürfe das Medienprivileg nicht in ein „allgemeines Medienprivileg im Internet“ umschlagen.198 Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass die Meinungsbildung im Netz zunehmend an Bedeutung gewinnt und Online-, Bürger- oder Gelegenheitsjournalisten einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Diskurs leisten können.199 Ein Vorteil des partizipativen Journalismus im Vergleich zu den Massenmedien ist die Themenvielfalt, die unabhängig von fremden Interessen, in Echtzeit umgesetzt werden kann. Die Form des Graswurzel-Journalismus trägt wesentlich zur Sicherung der Meinungspluralität bei. Die bürgerjournalistischen Beiträge profitieren von der ausgebauten Web-Infrastruktur – mit der Folge, dass ihre Inhalte rasant im Web verbreitet werden können.200 Diese neuen Herausforderungen verändern den Blick auf Jour194

Neuberger/Quandt, Internet-Journalismus (2010), abgedr. in: Schweiger/Beck, Handbuch Online-Kommunikation (2010), S. 59 f. 195 Ausführlich dazu Weischenberg/Malik/Scholl, Journalismus in Deutschland 2005, in: Media Perspektiven (2006), S. 346 ff. 196 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 31; vgl. Kühling, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, GG (Stand 2018), Art. 5 Rn. 46. 197 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 58 – Buivids. 198 Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 11. 199 Koreng, MMR-Aktuell 2014, 357215; Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296. 200 Neuberger/Quandt, Internet-Journalismus (2010), abgedr. in: Schweiger/Beck, Handbuch Online-Kommunikation (2010), S. 61 f.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

nalismus. Im Bezug auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg stellt sich die Frage, ob die aktuellen nationalen Regelungen es schaffen, die moderne Medienlandschaft in ihrer Vielfalt als privilegierungsfähig zu erfassen. Fraglich ist, inwiefern die bürgerjournalistischen Kommunikationsbeiträge als journalistisch im Sinne der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme zu qualifizieren sind. 1. Einordnung von laienhaften Publikationsformen a) Blogs Auf bestimmten Webseiten, sogenannten „Weblogs“, teilen ihre Inhaber (Blogger) selbst Beiträge (Posts) zu den verschiedensten Themenbereichen mit ihrer Leserschaft. Dabei handelt es sich überwiegend um die Darstellung der eigenen Meinung, die zum Beispiel als eine Art „Tagebucheintrag“ oder als eine (persönliche) Empfehlung präsentiert werden.201 Diese Form der Internetpublikation hat mittlerweile eine enorme Reichweite und ist thematisch weit gestreut – von Posts über Ernährung, Fitness, Lifestyle über Reisen und spezielle Produkte bis hin zu Nachrichten ähnlichen Inhalten bzw. politischen Äußerungen. Dabei machen sich die Blogger vor allem ihre Authentizität und „Vertrauenswürdigkeit“ zu Nutze, denn viele User können sich mit diesen Personen identifizieren und sehen ihn als einen „virtuellen Freund, der ihnen einen guten Ratschlag oder eine ehrliche Empfehlung gibt“. Für die nachfolgende Untersuchung sind Webblog-Betreiber von „Influencern“ abzugrenzen: diese teilen in ähnlicher Weise Inhalte mit ihrer Zielgruppe, verfügen jedoch über keine eigene Website, sondern betreiben einen Account in einem sozialen Netzwerk, um diese Plattform für ihre Inhalte zu nutzen.202 Neben den hobbymäßig betriebenen (Amateur-)Webseiten nimmt die Zahl der professionell gestalteten Blogs zu.203 Vergleichbar mit der Sparte „Kommentare“ in der klassischen Druckpresse erfüllen die Blogger die Funktion eines „Journalisten“, der aktuelle Geschehnisse aus seiner subjektiven Sicht darstellt. Blogger können wie Journalisten agieren204, ohne dabei in ein redaktionelles Gefüge bzw. ein bestimmtes Unternehmen eingebunden zu sein. Wegen ihrer großen Reichweite nehmen Weblog-Verfasser mit ihren Beiträgen längst Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Aufgrund der Parallelitäten zur klassischen Form des Journalismus liegt es 201

Gliese, Blogger Relations als Teilbereich der Medienarbeit (2019), S. 76 f. m. w. N. Schach, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 31 m. w. N. „Influencer sind Personen, die aufgrund ihres digitalen Netzwerks, ihrer Persönlichkeitsstärke, einer bestimmten Themenkompetenz und kommunikativen Aktivität eine zugesprochene Glaubwürdigkeit für bestimmte Themen besitzen und diese einer breiten Personengruppe über digitale Kanäle zugänglich machen können. Darüber hinaus wird ihnen die Fähigkeit zugesprochen, andere Menschen in ihrem Verhalten beeinflussen zu können.“ 203 Gliese, Blogger Relations als Teilbereich der Medienarbeit (2019), S. 80 f. m. w. N. 204 Ausführlich dazu Hoffjann/Haidukiewicz, in: Schach/Lommatzsch, Influencer Relations (2018), S. 129 ff. 202

III. Graswurzel-Journalismus

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nahe, auch den Online-Journalismus in Form von Blogbeiträgen als vom datenschutzrechtlichen Medienprivileg erfasst anzusehen. Für den Fall, dass sie nicht vom Schutzumfang des Medienprivilegs umfasst sind, würde das gesamte europäische Datenschutzrecht unmittelbar auf die Blogbetreiber Anwendung finden. Mittlerweile gehören Blogs in der medialen Realität schon zu der „älteren Fraktion“ der vermeintlich neuen Kommunikationskanäle. Aus der juristischen Perspektive allerdings muss für die Beantwortung der Fragen immer noch rechtliches Neuland betreten werden. Dies zeigt wieder einmal mehr, dass das Recht in Zeiten der schnelllebigen Digitalisierung kaum eine Chance hat, rechtzeitig oder sogar präventiv die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. aa) Europäische Rechtsprechung Die nachfolgende Bewertung beruht auf der unionalen Interpretation. Nach dem europäischen Verständnis wären spätestens seit dem Satamedia-Urteil auch die Onlineinhalte der Blogger als journalistische Tätigkeiten einzustufen und damit die Voraussetzungen des Medienprivilegs grundsätzlich erfüllt.205 Ausschlaggebend allein ist, dass die Beiträge zum Ziel haben müssen, „Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“.206 Der EuGH berücksichtigte den Aspekt, dass es für eine Beurteilung über eine Tätigkeit zu einem journalistischen Zweck nicht auf den Kommunikationskanal der Verbreitung ankomme. Stattdessen muss „die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel der Kommunikation zur Verbreitung von Informationen berücksichtig werden“ und „Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber auch um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt – muss unbeachtlich sein.“207 Die gewünschte weite Auslegung aller Begriffe im Zusammenhang mit Journalismus ist rechtlich ausdrücklich im Erwägungsgrund 153 der DS-GVO verortet. Im Buivids-Urteil erkannte der EuGH bereits ein erstmaliges Veröffentlichen als journalistische Tätigkeit an.208 Die vom EGMR entwickelten Kriterien für den Abwägungsmaßstab zwischen den kollidierenden Grundrechten von einerseits dem Recht auf Achtung des Privatlebens und andererseits dem Recht auf freie Meinungsäußerung wurden vom EuGH in seine Rechtsprechung übernommen und sind nach Maßgabe des EuGH nun von den nationalen Gerichten anzuwenden.209 Im verfassungsrechtlichen Abwägungsprozess zu berücksichtigen sind demnach, „der 205

EuGH, EuZW 2009, 108 – Satamedia. EuGH, EuZW 2009, 108 Rn. 58, 61 – Satamedia. 207 Pitsch, in: Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger, Datenschutz-Grundverordnung (2017), S. 753. 208 EuGH, EuZW 2019, 299, 303 Rn. 69 – Buivids. 209 EGMR, BeckRS 2017, 161666 – Satakunnan Markkinapörssi Oy and Satamedia Oy vs Finnland; EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; Michel, AfP 2019, 490, 493. 206

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Bekanntheitsgrad und das Vorverhalten der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung sowie die Umstände der Erlangung der Informationen und die Richtigkeit der Informationen.“210 Auch der Gerichtshof aus Straßburg hat sich in seiner Rechtsprechung bereits mit der Problematik des Einordnens von Bloggern und anderen als „Presse ähnlichen Tätigen“ beschäftigt. Aus den EGMR-Urteilen geht hervor, dass zwischen Bloggern und anderen klassischen Presseorganen eine Parallele besteht.211 In der Begründung der Urteile führt der EGMR an, dass vor allem NGO’s eine mit der klassischen Presse vergleichbare Funktion zugeschrieben werden kann.212 Im jüngsten Urteil stellte der EGMR nochmals ausdrücklich klar, dass die Wächter-Funktion von Bloggern und anderen bedeutsamen Nutzern von sozialen Medien ebenfalls mit der Presse gleichgesetzt werden können („The Court has previously established that the press (…) exercise watchdog functions, and that the function of bloggers and popular users of social media may be also assimilated to that of public watchdogs (…)“).213 Sowohl die Presse als auch die Blogger können die essenziell wichtige Funktion des „öffentlichen Wachhundes“ in einer demokratischen Gesellschaft innehaben.214 Damit trägt der EGMR der zunehmenden Bedeutung des Internets – in Bezug auf den Informationsaustausch aufgrund der steigenden Komplexität an Informationen – Rechnung, indem er dessen Relevanz entsprechend gewichtet.215 Zudem wird mit dieser Richtungsvorgabe des EGMR den modernen Medienformen die entsprechende Bedeutung beigemessen. Dieser Vergleich kommt einem Meilenstein gleich und sorgt dafür, dass weitere Medienakteure (insbesondere Blogger) rechtliche Privilegien genießen können. Die Entwicklungsoffenheit des Unionsgesetzgebers in Bezug auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg sorgt dafür, dass Blogeinträge zukünftig als vom Anwendungsbereich erfasst interpretiert werden sollten. bb) Deutsche Rechtslage Nach der aktuellen Rechtslage gibt es keine konkreten Bestimmungen oder nationale Rechtsprechung, wonach die Betreiber von Blogs ausdrücklich vom Medienprivileg erfasst sind. Erneut haben die Landesgesetzgeber die Entscheidungsmacht, in ihren landesrechtlichen Vorschriften detailliertere Vorkehrungen zu tref210 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; EGMR, BeckRS 2017, 161666 – Satakunnan Markkinapörssi Oy and Satamedia Oy vs Finnland. 211 EGMR, NVwZ 2017, 1843 Rn. 166 f. – Magyar Helsinki Bizottság vs Hungary; EGMR, Urteil vom 20. März 2018, 45791/13 Rn. 57 – Falzon vs Malta; EGMR, BeckRS 2019, 51059 Rn. 21 – Rebechenko vs Russia. 212 EGMR, NVwZ 2017, 1843 Rn. 166 f. – Magyar Helsinki Bizottság vs Hungary. 213 EGMR, BeckRS 2019, 51059 Rn. 21 – Rebechenko vs Russia. 214 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht (2019), Art. 85 Rn. 15. 215 EGMR, NVwZ 2017, 1843 Rn. 166 f. – Magyar Helsinki Bizottság vs Hungary; EGMR, Urteil vom 20. März 2018, 45791/13 Rn. 57 – Falzon vs Malta.

III. Graswurzel-Journalismus

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fen. Wenig aufschlussreich sind dafür die rundfunkrechtlichen Normen noch die presserechtlichen Reglementierungen, die wegen ihres engen Adressatenkreises für Blogbetreiber zunächst nicht einschlägig scheinen.216 Die Gesetze für die presserechtliche Privilegierung sind je nach Bundesland unterschiedlich ausgestaltet, wie bereits217 dargestellt. Die verwendeten Begriffe „Unternehmen der Presse“ und „Hilfs- oder Beteiligungsunternehmen der Presse“ aus den Landesvorschriften treffen nicht auf Blogger, die Inhaber von Internetseiten sind, zu. Das geht bereits aus einem Beschluss des BVerwG hervor.218 Es fehlt an dem vorausgesetzten Merkmal der „Verkörperung“ ihres Publikationserzeugnisses, das für die Privilegierungsnormen der einzelnen Bundesländer für die gedruckte Presse wie zum Beispiel § 12 PresseG NRW oder § 22a PresseG Bln erforderlich wäre. Offensichtlich sind Blogs auch nicht unter den Rundfunkbegriff zu subsumieren, so dass sie letztendlich nur von dem telemedienspezifischen Medienprivileg profitieren könnten. Die Sonderstellung der Anbieter von Telemedien innerhalb des Datenschutzrechts ist wie bereits mehrfach erläutert in § 23 MStV normiert.219 (1) Unternehmen der Presse Fraglich ist, ob ein Blog die Tatbestandsmerkmale von § 23 MStV erfüllt. Grundsätzlich differenziert die Norm die Telemedienanbieter danach, ob sie im Kontext der Presse oder des Rundfunks Daten verarbeiten. Problematisch ist hierbei vor allem das Begriffsverständnis der Presse. Verkürzt lässt sich feststellen, dass die Blogs gerade nicht unter den „formalen Pressebegriff“ fallen, sondern nur nach entsprechend weiter Auslegung als Presse zu subsumieren wären.220 Als Anknüpfungspunkt kann die Begrifflichkeit der „elektronischen Presse“ dienen.221 Wie bereits erläutert222, wird die Online-Presse anerkanntermaßen vom Pressebegriff erfasst. Damit könnten Blogeinträge als Presseerzeugnisse in elektronischer Form im Rahmen von § 23 Abs. 1 MStV gewertet werden. Allerdings muss ein weiteres Tatbestandsmerkmal kumulativ vorliegen. Denn der Anwendungsbereich von § 23 MStV ist gewissermaßen auf „(Presse)Unternehmen“ beschränkt. Ein typischer Blog kann die Anforderungen in der Regel nicht erfüllen. Für die Eigenschaft als Unternehmer kann auf § 14 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden.223 Dem Wortlaut nach ist das eine Person, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen 216

So auch Michel, AfP 2019, 490, 491; EuGH, EuZW 2009, 108 Rn. 60 – Satamedia. Ausführlich dazu Kapitel C. II. 2. c) aa). 218 BVerwG, ZD 2016, 193; BayVGH, ZD 2015, 324 m. Anm. Ehmann; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 4. 219 Siehe Kapitel C. II. 220 Michel, AfP 2019, 490, 491. 221 Michel, AfP 2019, 490, 491. 222 Siehe Kapitel D. II. 1. a). 223 Michel, AfP 2019, 490, 492. 217

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Tätigkeit handelt. Voraussetzung für die gewerbliche als auch die selbstständige berufliche Tätigkeit ist, dass sie planvoll, auf eine gewisse Dauer ausgerichtet und entgeltlich ist.224 Maßgebliches Kriterium ist, dass diese Tätigkeit darauf abzielt, dem Lebensunterhalt zu dienen. Die Mehrzahl der aktuell betriebenen Blogs ist wohl nicht kommerziell ausgerichtet. Davon abzugrenzen sind hingegen Influencer auf Kommunikationskanälen wie Instagram oder TikTok, die vor allem als Werbepartner fungieren.225 Es fehlt an einer gefestigten Struktur, die sonst meist durch ein Redaktionsgefüge vorgegeben wird. Ein Blogbetreiber, der als einzelne Privatperson Inhalte veröffentlicht, kann keinem Vergleich mit einem großen und professionell aufgezogenen Verlagswesen standhalten. Zwar sind auch freie Journalisten vom Medienprivileg erfasst, dennoch fehlt es an einer vergleichbaren Konstellation in Bezug auf Blogger, bei denen gerade keine externe Kontrolle ihrer Inhalte durch erfahrene Medienunternehmen stattfindet.226 Für den gesonderten Fall, dass der Blog die institutionalisierten Tatbestandmerkmale des § 23 MStV erfüllt, müsste darüber hinaus die Datenverarbeitung der Zweckbestimmung entsprechen. Diese hypothetische Überlegung soll an dieser Stelle fortgeführt werden. (2) Journalistischer Zweck Entscheidend für die Einordnung von Blogbeiträgen als privilegierte Datenverarbeitung ist die Frage danach, ob bei der konkreten Verarbeitung der personenbezogenen Daten das Kriterium des journalistischen Zwecks erfüllt ist. Es gilt also zu hinterfragen, ob der Blogeintrag als (eine Form von) Journalismus gewertet werden kann. Diese Frage lässt sich nicht pauschalisierend beantworten, sondern erfordert stets eine Einzelfallbetrachtung. Allerdings lassen sich die bereits dargestellten Kriterien227 für publizistische Grundsätze als Orientierungshilfe heranziehen. Zunächst muss ein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet werden. Dieses Kriterium kann dann nicht erfüllt sein, wenn lediglich die Darstellung der eigenen Person im Vordergrund steht – es fehlt bereits an einer eigenen (Recherche-) Leistung.228 Ebenso kann ein Blog nicht vom Medienprivileg erfasst sein, sobald sich die Blogeinträge inhaltlich nicht mit realen Themen, sondern fiktiven Mutmaßungen auseinandersetzen.229 Insgesamt deutet die Entwicklung der Blogs darauf hin, dass diese in vielfältigen Formen und Darstellungsweisen vertreten sind. Einige von den Blogbetreibern üben großen Einfluss auf eine unbestimmte Gruppe von Internet224

Micklitz, in: MüKoBGB (2018), BGB § 14 Rn. 31. Ausführlicher dazu siehe Kapitel D. III. 1. c). 226 Michel, AfP 2019, 490, 492. 227 Dazu Kapitel D. I. 1. b). 228 Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 143 f.; vgl. VGH München, ZUM-RD 2017, 349 Rn. 20. 229 Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 144. 225

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nutzern aus. Die Wirkung, die Meinungen von Menschen zu beeinflussen, lässt sich schwer nachweisen. Immerhin indiziert eine große Reichweite eines Blogs die Möglichkeit von einer Menschenmenge zumindest wahrgenommen und inhaltlich gehört zu werden. Die Mehrzahl der Blogs ist durchaus geeignet, einen nach außen erkennbaren Beitrag zum öffentlichen Diskurs zu leisten und damit ganz grundsätzlich den journalistischen Prinzipien zu entsprechen. Bezogen auf Blogbeiträge kann das Kriterium der „Periodizität“ problematisch sein. Wie oft und in welchen zeitlichen Abständen ein Beitrag mit seinen Lesern („Followern“) geteilt wird, variiert in der Praxis stark je nach Vorliebe des jeweiligen Blogbetreibers. In einem Fall entschied das KG Berlin, dass auch eine unregelmäßige Veröffentlichung von Beiträgen genügte, weil immer dann berichtet wurde, sobald aktuelle Geschehnisse im Bereich Wirtschaft oder Politik bekannt wurden.230 Die wenigsten Blogs weisen eine so hohe faktenbasierte Informationsdichte wie im Nachrichtenjournalismus auf. Stattdessen stellen Blogeinträge aus der journalistischen Perspektive meistens eine Mischform aus informativen bzw. faktenorientierten und wertenden Elementen dar.231 Dabei stehen subjektive oder sogar erzählerische Elemente der „Universalität“ nicht entgegen. Es kann nur darauf ankommen, ob die Datenverarbeitung im Einzelfall dem journalistischen Zweck dient. Aufschlussreich kann dafür die Arbeitsweise des Blogbetreibers sein. Entspricht seine Vorgehensweise den typischen journalistischen Grundsätzen, so spricht vieles dafür, die Blogger von den datenschutzrechtlichen Pflichten und Anforderungen freizustellen und dem Medienprivileg unterfallen zu lassen.232 Neben den überwiegend objektiven Kriterien kann zudem ein subjektives Element aufschlussreich sein: das individuelle Selbstbild des Bloggers.233 Inwiefern ist der Publizierende überhaupt gewillt, als professionell arbeitender Onlinejournalist wahrgenommen zu werden? Für den Fall, dass bewusst einer professionellen Vorgehensweise nachgegangen wird, stehen dem Publizierenden zwar die Vorzüge des Medienprivilegs offen, gleichwohl gehen damit aber auch (journalistische) Pflichten einher. Sobald das datenschutzrechtliche Medienprivileg für anwendbar erklärt wurde, so kann das „Laienprivileg“234 mit seinem geringeren Sorgfaltsmaßstab nicht mehr gelten. Das subjektive Element kann der Publizierende nach außen erkennbar machen, indem er sich nach professionellen Standards sowohl bei der Recherche als auch bei der Veröffentlichung richtet. Zu den Kernfaktoren zählen das Basieren auf Fakten und eine seriöse Aufmachung.

230

KG Berlin, BeckRS 2016, 21278 – Lauer. Siehe auch Lent, ZUM 2013, 914, 915. 232 So auch Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 146. 233 Michel, AfP 2019, 490, 492 f. 234 Vgl. BVerfG, NJW 1992, 1439 Rn. 61 – kritische Bayer-Aktionäre. 231

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cc) Zwischenfazit Im Ergebnis kann ein Blog je nach Ausgestaltung zwar unter das Tatbestandsmerkmal der „Presse“ subsumiert werden, jedoch fehlt es an der kumulativen Voraussetzung, dass es sich um ein „Unternehmen“ der Presse handeln muss. Dieser institutionalisierte Ansatz vermag nicht den unionsrechtlichen Vorgaben gerecht zu werden. Es ist offensichtlich, dass Blogger einen (wichtigen) Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs leisten können. Der Gesetzgeber darf davor nicht die Augen verschließen – ein Wandel des medialen Informationsaustausches gehört längst zur faktischen Realität und lässt sich nicht durch „Wegschauen“ aufhalten. Darüber hinaus sollten einige publizistische Grundsätze in Bezug auf „Journalismus“ hinterfragt werden und an die Gegebenheiten der Realität angepasst werden. b) Bewertungsportale An der digitalen Meinungs- und Kommunikationsbörse treten vermehrt Bewertungsportale auf, die den Nutzern die Möglichkeit bieten, ihre Meinung außenwirksam kundzugeben und ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Die Plattform als solche spielt allein durch das Verbreiten von fremden Inhalten eine wichtige Rolle für den Prozess der Meinungsbildung im Internet. Zugleich erleichtert die Plattform die Entscheidungsfindung bei dem steigenden Angeboten im Internet für den (End-) Verbraucher, um die von ihm gewünschte Dienstleistung oder das begehrte Produkt ausfindig zu machen. Anhand von verschiedenen Kriterien bewerten Kunden meistens das Verhalten und/oder Dienstleistungen einer natürlichen oder einer juristischen Person.235 Das Anbieten solcher Plattformen zielt darauf ab, bestimmte Inhalte im ersten Schritt leichter auffindbar zu machen und im zweiten Schritt dauerhaft zum Abruf bereit zu stellen. Im Kern dient diese Plattform dazu, fremde Inhalte von Nutzern in einer konzeptionellen Art und Weise für andere darzustellen. Neben den Vorteilen für den Verbraucher haben diese Bewertungsportale gleichzeitig auch einige Nachteile. Unter dem Deckmantel der Anonymität im Netz neigen einige User dazu, ihren persönlichen Frust in Form einer Bewertung auszudrücken. Diese mitunter ungerechtfertigten Negativbewertungen und das digitale „an den Pranger stellen“ können dabei erhebliche Folgen für die von der Bewertung Betroffenen mit sich bringen.236 Die Bewertungsportale stellen damit ein nicht unbeträchtliches Gefahrenpotential dar. Das Datenschutzrecht könnte – für den Fall seiner Anwendbarkeit – einen Löschungsanspruch gegen die Bewertungen als Abwehrmechanismus bereitstellen.237 Es stellt sich die Frage, ob die Betreiber von 235 Redeker, IT-Recht (2020), D. Rechtsprobleme von Internet und Telekommunikation, Rn. 1445, 1445. 236 Vgl. Redeker, IT-Recht (2020), D. Rechtsprobleme von Internet und Telekommunikation, Rn. 1445, 1446; Solmecke, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht (2020), Teil 21.1. Rn. 31. 237 Petruzzelli, MMR 2017, 800, 803.

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Bewertungsportalen die Daten zu einem journalistischen Zweck verarbeiten und sich folglich auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg berufen können oder ob eine Sonderstellung nicht gerechtfertigt scheint. aa) Nationale Rechtsprechung Deutsche Gerichte haben sich bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Bewertungsportale dem Adressatenkreis des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs unterfallen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung erfolgte im Jahr 2009 in der bereits mehrfach erwähnten „Spickmich“-Entscheidung.238 Gegenstand dieser Entscheidung war die Klage einer Lehrerin gegen die von Schülern geschriebenen Bewertungen auf der Plattform. Der BGH hielt das Medienprivileg (§ 41 BDSG a. F.) in diesem konkreten Fall für den Betreiber des Bewertungsportals für nicht anwendbar. Das bloße Darstellen bzw. Auflisten von den verschiedenen Bewertungen reiche nicht aus, um eine Datenverarbeitung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken zu rechtfertigen.239 Von zentraler Bedeutung sei, dass die meinungsbildende Wirkung im Vordergrund stehe und nicht nur „schmückendes Beiwerk“ sei. Immerhin sei aber die öffentliche „Bewertung“ von natürlichen Personen insbesondere im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorschriften zulässig. Der BGH vertritt den Standpunkt, dass sich die Betreiber von Bewertungsportalen nicht auf das Medienprivileg berufen können mangels der Verarbeitung der Daten zu einem journalistischen Zweck. Diese Rechtsprechung führte der BGH in einem weiteren Urteil im Jahr 2014 fort. Der BGH entschied, dass auch das Ärztebewertungsportal Jameda nicht unter das Medienprivileg falle.240 Als Argument führte der BGH an, dass es schlichtweg an einer journalistisch-redaktionellen Gestaltungsweise der Bewertungen fehle, so dass eine meinungsbildende Wirkung nicht entsteht.241 Geklagt hatte ein Arzt, der auf dem Bewertungsportal ohne sein Wissen und letztlich gegen seinen Willen aufgeführt wurde und so den Bewertungen von (vermeintlichen) Patienten ausgesetzt war. Einige Jahre später fällte der BGH ein Urteil, in welchem er die Prüfpflichten des Portalbetreibers von Jameda weiter verschärfte und konkretisierte.242 Ebenso fallen nach dem BVerwG „nicht alle Meinungsäußerungen in Foren oder Bewertungsportalen“ unter die datenschutzrechtliche Privilegierung mit der Begründung, dass es ansonsten einem ausufernden „allgemeinen Meinungsprivileg“ 238

BGHZ 181, 328 – spickmich; kritisch dazu Schertz, NJW 2013, 721 ff. Schuhmacher/Spindler, DuD 2015, 606, 608. 240 BGH, NJW 2015, 489, 490 – Ärztebewertungsportal II. 241 BGH, NJW 2015, 489, 490 Rn. 13 – Ärztebewertungsportal II; vgl. BGHZ 181, 328 – spickmich; Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht (2013), § 41 BDSG Rn. 24 ff.; Plath/ Frey, in: Plath, BDSG (2013), § 41 Rn. 12; Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2019), § 41 Rn. 26. 242 BGH, NJW 2016, 2106 – Jameda III. 239

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gleichkäme.243 Insgesamt wird eine grundsätzliche Privilegierung mit dem Argument abgelehnt, dass eine journalistisch-redaktionelle Aufbereitung der Inhalte fehlt, da es sich lediglich um ein einfaches Bündeln von Meinungen verschiedener Einzelpersonen handelt.244 Der BGH vollzog in seiner Rechtsprechungsreihe zu den Bewertungsportalen in einem weiteren Urteil inhaltlich eine Kehrtwende, indem der Gerichtshof überraschender Weise dem Löschungsbegehren einer Ärztin gegen das Ärzteportal Jameda stattgab.245 Als Begründung führt der BGH an, dass sich die Aufmachung der Plattform verändert habe, indem zahlende Ärzte von dem Anbieter nun bevorzugt dargestellt werden. Damit überschreitet das Portal seine neutrale Vermittlerposition, die ihm 2014 noch gerichtlich zugesprochen wurde.246 Mit Blick auf das Medienprivileg blieb der BGH standhaft und sah keine Argumente für ein Abweichen von seiner bisherigen Rechtsprechung. Neben dem höchsten Gericht beschäftigten sich auch andere Instanzen mit der Frage, inwieweit Bewertungsportale von der datenschutzrechtlichen Privilegierung erfasst sein können. Das OVG Münster orientierte sich an der Vorgehensweise des BGH und hielt das Medienprivileg bei einem Fahrer-Bewertungsportal für nicht anwendbar.247 Ebenso betonte das OLG Köln in einer aktuellen Entscheidung, dass das automatische Auflisten von Bewertungsbeiträgen Dritter in dem Bewertungsportal Jameda nicht den journalistisch-redaktionellen Anforderungen gerecht werden kann.248 Insgesamt können sich Betreiber der Bewertungsportale nicht auf die Bereichsausnahme berufen. Etwaige Löschungsbegehren können nicht mit dem Verweis auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg abgelehnt werden. bb) Deutsche Rechtslage Nach der aktuellen Rechtslage kommt für Bewertungsportale nur das telemedienspezifische Medienprivileg gemäß § 23 MStV in Betracht. Im Sinne dieser Norm müsste das Betreiben eines solchen Portals von einem Presseunternehmen oder einem Hilfsunternehmen der Presse ausgeübt werden. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird das Erfordernis abgeleitet, dass bei dem betreibenden Unternehmen ein direkter 243 BVerwG, ZUM-RD 2016, 206, 207 Rn. 5; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 11; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 13. 244 BGH, NJW 2015, 489, 490 – Ärztebewertungsportal II; Gola/Klug/Körffer, in: Gola/ Schomerus, BDSG (2010), § 41 Rn. 10a; Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 34. 245 BGH, NJW 2018, 1884 – Ärztebewertungsportal III. 246 Daraus resultiert, dass im Rahmen der Abwägung der Persönlichkeitsschutz der Ärztin stärker gewichtet wird als die Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers – mit der Pflicht das „Basisprofil“ der klagenden Ärztin zu löschen; vgl. Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG (2020), Art. 6 Rn. 170a. 247 OVG Münster, NZV 2018, 225 Rn. 48. 248 OLG Köln, MMR 2020, 186 Rn. 29, 35.

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Funktionsbezug zur Erfüllung der presserechtlichen Aufgabe besteht, um die Sonderstellung innerhalb des Datenschutzregimes zu rechtfertigen. (1) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse Das Betreiben einer Bewertungsplattform kann zivilrechtlich als Unternehmen organisiert sein, so dass dem Grundsatz nach die Unternehmereigenschaft bejaht werden kann. Ob aber der Funktionsbezug zur Presse und damit auch die Erfüllung einer verfassungsrechtlich gewährten Aufgabe verbunden ist, scheint fraglich. Optional könnte die Plattform stattdessen auch als ein Hilfsunternehmen der Presse eingeordnet werden. Ähnlich wie bei den Suchmaschinen als sogenannte Informationsintermediäre könnte das Bewertungsportal als „Vermittler journalistischer Inhalte“ eine Hilfsfunktion für die Presse erfüllen. Äquivalent zum klassischen Pressewesen, bei dem der Verlag bzw. das Redaktionsgefüge die Verbreitung und Vervielfältigung der Inhalte übernimmt, könnte diese Aufgabe im Internet den einzelnen Intermediären zukommen. Nach dem Zweck der Privilegierungsnorm wird ein enger Zusammenhang zur Presse gefordert. Charakteristisch für ein Hilfsunternehmen der Presse ist die dauerhafte und zielgerichtete Unterstützungsleistung für Presseorgane. Dieser Zusammenhang ist bei einem Bewertungsportal folglich nicht gegeben, da die Betreiber einer solchen Plattform eine andere Zielrichtung verfolgen. (2) Journalistischer Zweck Die Kernfrage dabei ist, ob ein Portalbetreiber eine Form von Journalismus betreibt, das heißt, die Daten zu einem journalistischen Zweck zu verarbeiten. Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung deutscher Gerichte ergibt, können sich die Betreiber von Bewertungsportalen nicht auf die datenschutzrechtliche Ausnahme des Privilegs berufen. Zu beachten gilt allerdings, dass diese Entscheidungen der Gerichte noch auf der Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO beruhen und somit ein veraltetes Rechtsverständnis zugrunde gelegt wurde.249 Vorausgesetzt wurde neben der meinungsbildenden Funktion die Bearbeitung in Form einer redaktionellen Gestaltungsweise. Die Online-Bewertungsportale übernehmen zwar ähnliche Tätigkeiten wie die traditionellen Presseorgane, indem sie die Allgemeinheit informieren und dafür sorgen, dass in bestimmten Branchen oder Wirtschaftsbereichen teilweise mehr Transparenz besteht.250 Das Sammeln und automatisierte Auflisten von Bewertungsbeiträgen auf ihrer Plattform hat auch einen „Informationswert für die öffentliche Meinungsbildung“.251 Allerdings vermag das nicht die Plattform allein zu schaffen. Vielmehr ist sie auf die Rezensionen bzw. Bewertungen der Nutzer an-

249 250 251

Michel, ZUM 2018, 836, 838. Michel, ZUM 2018, 836, 839. OLG Köln, MMR 2020, 186 Rn. 33.

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gewiesen. Die Plattform bildet lediglich die Schnittstelle und übernimmt die Funktion des „neutralen Informationsmittlers“.252 Für die journalistische Zwecksetzung im Sinne der datenschutzrechtlichen Privilegierung wird ein eigener Beitrag des Normadressaten gefordert. Es ist der Frage nachzugehen, inwiefern die Bewertungsportale diesem journalistischen Anspruch der Eigenleistung gerecht werden. Die Mehrzahl der Bewertungsportale schafft – wie bereits erwähnt – nur eine Plattform für andere, die sie dann wiederum mit Inhalten füllen. Es muss danach differenziert werden, welchen „Mehrwert an Informationen“ ein Portal darüber hinaus bieten kann. Gegebenenfalls kann darin nicht nur ein „Beiwerk“ gesehen, sondern eine meinungsbildende Wirkung erzielt werden. In der reinen Wiedergabe nutzergenerierter Informationen kann keine journalistische Arbeitsleistung gesehen werden.253 Allerdings wird der Ansatz vertreten, dass bereits in der Konzeptionierung der Plattform selbst eine Eigenleistung als journalistische Tätigkeit vorliegen könnte.254 Im Schrifttum stößt dieser Ansatz jedoch auf Ablehnung und kann wegen seines ausufernden Charakters nicht überzeugen.255 Das Erstellen eines (Design-)Konzepts und dessen Umsetzung bedürfen zwar eines tiefergehenden Auseinandersetzens, es ist darin aber keine journalistische Gestaltung zu erkennen, sondern vielmehr ein „bloßer Hilfsdienst zur Verbesserung der Verbreitung der (Dritt-)Informationen“.256 Ein eigener „Mehrwert“ des Portalbetreibers könnte bejaht werden, wenn eine (redaktionelle) Vor- und Nachbereitung der fremden Meinungsbeiträge erfolgen würde. Entscheidend wäre eine optische und redaktionelle Aufbereitung der Inhalte.257 Aus den nutzergenerierten Bewertungen müsste ein „neuer“ Informationswert für die Allgemeinheit hervorgehen. Der Betreiber eines Portals müsste beispielsweise die Nutzerbewertungen einzeln vor der Freigabe lesen und zusätzlich inhaltlich zusammenfassen. Ebenso könnte das Berechnen einer Gesamtnote aus den einzelnen Bewertungen eine Zusatzinformation darstellen. Allerdings konkretisierte das OVG Münster bereits, dass das Generieren von Durchschnittsnoten der Bewertungen gerade nicht für eine journalistisch-redaktionelle Bearbeitung ausreichend ist.258 Für eine journalistische Zwecksetzung spricht, wenn die Plattform beispielsweise alle Bewertungen analysiert und abstrakte Pro- und Kontrapunkte erkennt, diese zusammenfasst und für den Endnutzer aufbereitet. Das Erfordernis eines eigenen journalistischen „Mehrwertes“ seitens der Portalbetreiber steht im Wertungswiderspruch zu ihrem Selbstverständnis als neutrale 252

OLG Köln, MMR 2020, 186 redaktioneller Leitsatz. OLG Köln, MMR 2020, 186 redaktioneller Leitsatz. 254 Greve/Schärdel, MMR 2008, 644, 648; Wilkat, Bewertungsportale im Internet (2013), S. 186 f. 255 Michel, ZUM 2018, 836, 839. 256 OLG Köln, MMR 2020, 186 Rn. 33. 257 Vgl. LG Köln, ZUM-RD 2010, 233, 234 – Bilderbuch. 258 OVG Münster, NZV 2018, 225 Rn. 49. 253

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Vermittler. Bereits das Zusammenfassen von einzelnen Bewertungen nach subjektiven Kriterien kann dazu führen, dass die Betreiber ihre neutrale Stellung als Mittler verlassen würden. Zudem würde ein Anerkennen einer journalistischen (Eigen-) Leistung nicht nur datenschutzrechtliche Konsequenzen – in dem Fall zwar in positiver Hinsicht – nach sich ziehen. Zusätzlich würde die Betreiber dann aber ein haftungsrechtlicher Pflichtenkanon treffen: statt wie bisher von § 10 TMG zu profitieren, um nicht für fremde Inhalte zur Verantwortung gezogen zu werden, würden stattdessen umfangreiche Kontroll- und Verhaltenspflichten im Sinne der Störerhaftung auf sie Anwendung finden.259 Das gesamte Grundkonzept dieser Vermittlungsplattformen würde damit zur Disposition stehen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Stellung der Bewertungsportale im Gesamtkontext adäquat rechtlich einzuordnen. In tatsächlicher Hinsicht leisten die Betreiber mit ihrem Konzept einen wesentlichen Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs, indem individuelle Erfahrungen für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Dieses Argument spricht durchaus dafür, die Bewertungsportale dem Anwendungsbereich des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs unterfallen zu lassen. Allerdings kann in dem bloßen Anbieten der Plattform keine überwiegend journalistische Zwecksetzung erkennbar sein. Für den Fall, dass die Betreiber doch eine journalistische Gestaltungsweise übernehmen wollen, würde das gleichzeitig bedeuten, dass sie nach anderen (strengeren) Maßstäben außerhalb des Datenschutzrechts haften würden. Im Ergebnis ist eine sachgerechte Lösung in Bezug auf das Medienprivileg nur schwer zu erzielen. Auch ohne die Privilegierung aus Art. 85 DS-GVO und § 23 MStV könnten die Kommunikationsgrundrechte über die Norm Art. 17 Abs. 3 DS-GVO geschützt werden.260 Von dem nationalen Rechtsrahmen sind die Betreiber eines Bewertungsportals bislang nicht erfasst. cc) Zwischenfazit Insgesamt kann das datenschutzrechtliche Medienprivileg auf die Betreiber solcher Bewertungsportale nach der deutschen Rechtsprechung keine Anwendung finden. Es fehlt ihnen an einer geforderten „eigenen Strukturierungsleistung“ im Sinne einer journalistischen Zwecksetzung. Allerdings ist eine Entscheidung je nach Einzelfall zu treffen, wobei es hauptsächlich darauf ankommt, ob die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit in den Vordergrund tritt. Dabei muss es wohl auf den Maßstab eines durchschnittlich aufmerksamen und geübten Internetusers ankommen. Für die Zukunft könnten sich einige Betreiber von Bewertungsportalen das Medienprivileg zunutze machen, wenn sie nicht nur Daten anderer übermitteln oder darstellen, sondern darüber hinaus einen „journalistischen Mehrwert“ beisteuern. Wie dieser konkret auszusehen hat, kann nicht verallgemeinernd definiert werden. 259 260

Ausführlich dazu Michel, ZUM 2018, 836, 841 f. Michel, ZUM 2018, 836, 843.

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Allerdings führt die gewaltige Einflussnahme der Bewertungsportale als Folge der steigenden Internetnutzung und der stets voranschreitenden Digitalisierung zu einem möglichen Umdenken. Nach unionalen Maßstäben wäre es denkbar, die Portalbetreiber dem Medienprivileg zu unterwerfen.261 Ob die Konsequenzen allerdings von den Akteuren gewollt sind, ist fraglich. Es spricht vieles dafür, die Portalbetreiber vorerst nicht dem datenschutzrechtlichen Medienprivileg zu unterwerfen und sie vorerst in ihrer neutralen Vermittlerposition zu belassen. Insgesamt ist das vielmehr eine Frage nach der Regulierung solcher Medienintermediäre, die an dieser Stelle nicht erörtert werden soll. c) Soziale Medien Die moderne Internetgesellschaft ist auf die „soziale Kommunikation“ angewiesen. In der Welt der digitalen Medienlandschaft werden den Nutzern verschiedene Kanäle für die Informationsaufnahme, den Informationsaustausch und der Informationsweitergabe zur Verfügung gestellt. Die sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube, Xing, LinkedIn und Instagram verfügen über eine zentrale Schlüsselposition im onlinebasierten Kommunikationsprozess. Milliarden von Menschen weltweit können mithilfe dieser Plattformen der sozialen Medien im Netz kommunizieren und diskutieren.262 Ihre Meinungsmacht zielt darauf ab, den öffentlichen Diskurs maßgebend mitzugestalten. Diese Möglichkeit der Einflussnahme der sozialen Netzwerke bzw. der sozialen Medien führt zu der unausweichlichen Frage, inwiefern sich die Netzwerkbetreiber auf die datenschutzrechtliche Bereichsausnahme berufen können. Die Betreiber der sozialen Plattformen werden wie die Suchmaschinenbetreiber rechtlich als Intermediäre eingeordnet.263 Wird ihnen die nationale Privilegierung gewährt, könnten etwaige Löschungspflichten oder besondere datenschutzrechtliche Schutzmechanismen für die Betroffenen entfallen. Neben den Plattformen selbst könnten aber darüber hinaus auch die Beiträge der User von der medialen Bereichsausnahme erfasst sein, wenn ihre Inhalte journalistischer Natur sind bzw. der Schutzzweck gegeben ist.

261 A. A. Helfrich, in: Forgó/Helfrich/Schneider, Betrieblicher Datenschutz (2019), Kapitel 3 Rn. 19. 262 Im Jahr 2020 beläuft sich die Anzahl der aktiven Social-Media-Nutzer weltweit auf 3,91 Milliarden. Siehe Statistik, veröffentlicht von We Are Social/Hootsuite/DataReportal am 31. Januar, 2020, Anzahl der aktiven Social-Media-Nutzer weltweit in den Jahren 2015 bis 2020, in: Statista, Zugriff am 08. Februar 2021, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/ 739881/umfrage/monatlich-aktive-social-media-nutzer-weltweit/ (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 263 Vgl. Paal, MMR 2018, 567 ff.

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aa) Soziale Netzwerke als Intermediäre Vorweg sei an dieser Stelle anzumerken, dass die Plattformen der zahlreichen sozialen Netzwerke parallel zu den Bewertungsportalen die Funktion eines „Informationsmittlers“ innehaben und als Schnittstelle zwischen Informationssuchendem und Informationsgebendem fungieren. In ihrer Eigenschaft als Intermediär liegt eine journalistische Zwecksetzung bei der Datenverarbeitung grundsätzlich eher fern. Statt selbst Inhalte zu produzieren, bieten sie lediglich die onlinebasierte Möglichkeit, um den fremden Beiträgen eine „Bühne“ zu geben. Um datenschutzrechtliche Pflichten umgehen zu können, müssten die Plattformbetreiber selbst einen „eigenen Mehrwert“ in einer journalistischen Gestaltungsweise beitragen, die den öffentlichen Meinungsbildungsprozess berührt. Im Grundsatz ist ein solches Ausgestalten nicht per se unmöglich, allerdings widerspricht es dem Selbstverständnis der Plattformen, die ihr Auftreten vielmehr als neutrale Vermittler kategorisieren. Eine Einflussnahme durch eine entsprechende Konzeptionierung eines gewinnerzielenden Algorithmus besteht durchaus. Das damit einhergehende Gefahrenpotential bezieht sich vor allem auf die Pluralität des Meinungsprozesses.264 Die Plattformen tragen dazu bei, einseitige Betrachtungsweisen ihrer Nutzer zu verstärken, indem beispielsweise ein algorithmusbasiertes Konzept dafür sorgt, dass vermehrt meinungsähnlicher Inhalt angezeigt wird, um aus wirtschaftlichem Interesse die „Klickzahlen“ zu erhöhen. Jedoch ist in dem Konzeptionieren allein keine journalistische Gestaltungsweise bzw. eine journalistische Tätigkeit zu sehen. Die Plattformbetreiber selbst produzieren keine informativen Inhalte, die für die Veröffentlichung bestimmt sind. Eine Sonderstellung innerhalb des Datenschutzrechts könnte nur nach § 23 MStV in Betracht kommen. Für die Netzwerkbetreiber dürfte das Tatbestandsmerkmal des „Unternehmens“ erfüllt sein. Bei den großen Plattformen im Social-Media-Bereich handelt es sich um börsennotierte Unternehmen. Abzulehnen ist aber die presserechtliche und journalistische Wirkweise. Entscheidend ist zwar die konkrete Gestaltung ihrer Inhalte, allerdings gilt auch hier die Rechtsprechung des EuGH zu den Informationsintermediären, wonach diese nicht als „Medien“ eingestuft werden.265 Sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht können sich Plattformbetreiber nicht auf den Privilegierungsschutz im Datenschutzrecht berufen. bb) Account-Betreiber auf Social-Media-Kanälen Einige Personen, die Inhalte auf ihren eigenen Accounts auf sozialen Netzwerken teilen, verfolgen das Ziel, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, wonach das Teilen dieser Beiträge als eine Form von Journalismus

264 265

Pille, Meinungsmacht sozialer Netzwerke (2016), S. 15 f. EuGH, EuZW 2014, 541 Rn. 85 – Google Spain; v. Lewinski, AfP 2015, 1, 5 f.

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eingestuft werden kann.266 Insbesondere könnten auch einzelne Beiträge von Usern in Online-Communities wie Foren oder Diskussionsplattformen der datenschutzrechtlichen Privilegierung unterfallen.267 Tatsächlich sind vermehrt einzelne Beiträge auf den sozialen Plattformen Auslöser für gesellschaftliche Debatten. Das Paradebeispiel eines aufsehenerweckenden Digitalbeitrags ist derjenige des Influencers Rezo, der seine öffentliche Bekanntheit durch das Veröffentlichen seines Videos „Die Zerstörung der CDU“ erlangte.268 In seinem Video anlässlich der anstehenden Europawahl im Mai 2019 setzte sich der YouTuber kritisch mit dem Parteiprogramm der CDU auseinander. Dieses 55-minütige Video erregte in der breiten Öffentlichkeit derart große Aufmerksamkeit, dass der Beitrag über YouTube hinaus eine publizistische Wirkung erzielte. Auffällig im Vergleich zu anderen Internetpublikationen ist, dass der Beitrag mit einem 13-seitigen Quellenverzeichnis unterfüttert wurde. Diese umfangreiche Recherchearbeit inklusive der Gestaltung des Videos kommen einer journalistischen Leistung eines Berufsjournalisten sehr nahe. (1) Europäische und nationale Rechtsprechung Für einen ersten Vergleich kann ein Sachverhalt aus Österreich herangezogen werden. In dieser Sache begehrte ein User im Jahr 2018 die Löschung seiner eigenen Beiträge in einem Diskussionsforum.269 Der Plattformbetreiber selber kam dem Löschungsersuchen des Nutzers nicht nach, so dass der Betroffene sein Recht auf Beschwerde gegenüber der Datenschutzbehörde geltend machte. Dabei zeigte sich die österreichische Datenschutzbehörde in ihrem Bescheid äußerst anpassungsfähig an die modernen Gegebenheiten und Entwicklungen des unionsrechtlich überformten Datenschutzrechts: Insgesamt seien die Beiträge des Users nicht zu löschen, da diese grundsätzlich unter die österreichische Ausgestaltung des Medienprivilegs nach Art. 85 DS-GVO fallen.270 Nach § 9 des österreichischen Datenschutzgesetzes (DSG)271 sind „Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes“ bei der Datenverarbeitung zu einem journalistischen Zweck von den datenschutzrechtlichen Vorschriften weitgehend freigestellt. Begründet wurde die Entscheidung der Datenschutzbehörde damit, dass § 9 Abs. 1 DSG nach „unionsrechtlichem Verständnis“ auszulegen sei und im Lichte der 266

Vgl. Herold, PinG 01.21, 33, 34. Spindler, DB 2016, 937, 938 f.; a. A. Hoidn, in: Roßnagel, Das neue Datenschutzrecht (2018), S. 417 f. 268 Video vom 18. Mai 2019, https://www.youtube.com/watch?reload=9&v=4Y1 lZQsyuSQ (zuletzt abgerufen am 23. März 2021). 269 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 297. 270 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296; Österreichische Datenschutzbehörde, DSBD123.077/0003-DSB/2018 vom 13. August 2018. 271 § 9 DSG „Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“. 267

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Rechtsprechung des EuGH auch „Bürgerjournalismus“ umfassen kann (wie beispielsweise Internet-Diskussionsforen), wenn „der Zweck der einseitigen oder wechselseitigen Kommunikation von Ideen, Meinungen und Informationen verfolgt wird.“272 Eine deutsche Rechtsprechung zu einem ähnlich gelagerten Fall gibt es bis dato nicht. Allerdings signalisiert die Entwicklung im europäischen Raum, dass die Beiträge in Zukunft durchaus privilegierungsfähig und -würdig sind. Erste Eindrücke für die Privilegierungsfähigkeit von Beiträgen auf der Plattform YouTube liefern die Entscheidungsgründe des bereits mehrfach erwähnten BuividsUrteils.273 In der Rechtssache hatte der EuGH zu entscheiden, ob das Veröffentlichen eines privaten Videos, das eine Vernehmungsszene auf einer Polizeistation zeigt, von der medialen Privilegierung nach Art. 9 DS-RL gedeckt ist, so dass auch hier kein Löschungsanspruch der Betroffenen besteht.274 Entscheidend für die Frage ist nach Maßgabe des EuGH, dass „aus diesem Video hervorgehen (muss), dass diese Aufzeichnung und diese Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten.“275 Auf dieser Grundlage wären Beiträge je nach konkreter Ausgestaltung geeignet, dem Informationsinteresse der Allgemeinheit zu dienen. Erst kürzlich hatte der EuGH sich mit der Plattform Facebook im datenschutzrechtlichen Kontext auseinanderzusetzen. In der Sache ging es um die Frage, wer für die Datenverarbeitungen auf sogenannten „Fanpages“ von Facebook verantwortlich sei.276 Geklagt hatte das Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und verlangte die Deaktivierung einer Facebook-Fanpage, die von einer privaten „Wirtschaftsakademie“ betrieben wurde. Der EuGH hatte zu klären, ob neben dem Plattformbetreiber Facebook zusätzlich der Betreiber der Fanpage haftungsrechtlich für die Datenverarbeitungsvorgänge verantwortlich ist. Beanstandet wurde vor allem der fehlende Hinweis für die Fanpage-Besucher, dass mittels sogenannter Cookies Daten erhoben und anschließend ohne konkrete Zweckbindung verarbeitet wurden. Im Ergebnis sei dem Betreiber der Facebook-Fanpage zumindest eine Mitverantwortung für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der User zuzurechnen. Das Urteil verdeutlicht, dass alle Akteure einzeln zu betrachten sind. Offen bleibt hingegen, ob diese Grundsätze auch für ein Presseunternehmen, das als Betreiber einer Facebook-Fanpage auftritt, gelten können. Die Nutzerkommentare unter einem veröffentlichen Bericht auf einer Facebook-Fanpage stehen in einer direkten Beziehung zu dem Presserzeugnis selbst. Das Kommentieren kommt einer (digitalen) Teilhabe am öffentlichen Diskurs gleich. 272

2018.

Österreichische Datenschutzbehörde, DSB-D123.077/0003-DSB/2018 vom 13. August

273 EuGH, EuZW 2019, 299 – Buivids; ausführlich dazu siehe Grages/Neben, K&R 2019, 300; Rombey, ZD 2019, 301 ff. 274 EuGH, EuZW 2019, 299 – Buivids. 275 EuGH, EuZW 2019, 299, 303 Rn. 69 – Buivids. 276 EuGH, EuZW 2018, 534 – Facebook-Fanpages.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Das Verständnis auf nationaler Ebene fordert eine meinungsbildende Wirkung des Beitrags. Darüber hinaus stellt das BVerwG jüngst einen Vergleich zwischen der datenschutzrechtlichen Freistellung und einem anderen presserechtlichen Sonderrecht, dem Auskunftsrecht, her und konkretisiert, dass ein journalistischer Beitrag die Sphäre der „überindividuellen Meinungsbildung“ betreffen muss.277 Das Angebot muss zu dem öffentlich geführten Informationsaustausch beitragen.278 Insgesamt haben die Beiträge in den Online-Kanälen gemeinsam, dass sie nicht dem klassischen Leitbild von Journalismus entsprechen. Im Wesentlichen fehlt es ihnen an dem typischen Gefälle zwischen dem Sender und dem Rezipienten. Stattdessen ist ein interaktiver Austausch möglich. Außerhalb des professionellen Journalismus sind die Medienformen nicht vom Schutz der Privilegierungsvorschrift erfasst. Zudem gibt es nahezu keine Hürden für die Nutzer, Informationen zu verbreiten. Die Anforderungen für Beiträge sind derart gering, dass eine professionelle Aufbereitung auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheint. Dennoch kann dieser Kommunikationskanal nicht per se für den „Journalismus“ ausgeschlossen sein. Unter Zuhilfenahme dieser Kanäle können neue Zielgruppen erreicht werden, die wenig bis gar kein Interesse an den klassischen Medien haben. (2) Deutsche Rechtslage Fraglich ist, ob die journalistischen Inhalte im Onlinebereich die Betreiber eines Social-Media-Accounts nach der deutschen Rechtslage erfasst sind. In Betracht käme erneut § 23 Abs. 1 MStV. (a) Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse Dem Wortlaut nach gehören zum Adressatenkreis der Bereichsausnahme die „Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse“. Kann ein reiner Online-Beitrag als Presseerzeugnis anerkannt werden? Seit der Abkehr vom „formalen Pressebegriff“ hin zu einem funktionalen Begriffsverständnis besteht Einigkeit darüber, dass die elektronische Presse und damit ebenfalls reine Digitalangebote der Presse dem Schutzzweck der Freistellungsnorm unterliegen.279 Mithin können die digitalen Beiträge des Influencer auf einer Plattform der sozialen Medien dem Pressebegriff unterfallen. Schwieriger scheint die Frage danach zu sein, ob ein Influencer als Unternehmen bzw. als Unternehmer qualifiziert werden kann. Typischerweise ist der Verlag, in dem eine Zeitung oder Zeitschrift erscheint, das klassische Unternehmen der Presse, das sich aus einer Vielzahl an Beteiligten zusammensetzt. Entgegen des institutio277

BVerwG, NVwZ 2019, 1283 Rn. 31, 38. BVerwG, NVwZ 2019, 1283, 1286 Rn. 34; vgl. Smid, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2015), § 54 RStV Rn. 6; Micklitz/Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2015), § 55 RStV Rn. 16. 279 BGHZ 181, 328 Rn. 20 f. – spickmich; Waldenberger, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2011), 7. Teil Rn. 118 ff. 278

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nalisierten Ansatzes ist es anerkannt, dass neben den Medienunternehmen die Privilegierungsvorschrift auch für Einzelpersonen gilt, die journalistisch tätig sind.280 Gemeint sind damit selbstständige Journalisten, die in Eigenregie ihre Inhalte produzieren mit der Aussicht der Veröffentlichung in einer (von einem Unternehmen betriebenen) Zeitung. Folglich ist immer noch ein Bezug zum tatsächlichen Presseunternehmen gegeben. Im Gegensatz dazu produziert und publiziert der Influencer seine Beiträge eigenständig, ohne seine Haftung durch eine weitere Kontrollinstanz zu schmälern. Die beiden Ausgangsituationen sind zu verschieden, so dass keine vergleichbare Rechtslage besteht. Die Unternehmereigenschaft könnte jedoch bei Account-Betreibern erfüllt sein. Für die Einordnung als Unternehmen einer Einzelperson können verschiedene Normen vergleichend herangezogen werden. Gefordert wird nach § 14 BGB beispielsweise eine selbstständige berufliche Tätigkeit. Entsprechend der aktuellen Entwicklungen ist es bestimmten Nutzern möglich, ihre gewerbliche Selbstständigkeit auf das Betreiben eines Social Media Accounts zu stützen. Die sozialen Netzwerke eröffnen den neuen Berufszweig des Influencers. Mit ihrem Geschäftsmodell ist es den Nutzern möglich, Kooperationen zu Marketingzwecken über den Account auf einem sozialen Netzwerk umzusetzen. Mit einer steigenden Tendenz ist es diesen reichweitestarken Nutzern möglich, ihren Lebensunterhalt mit dem regelmäßigen Teilen von Beiträgen zu verdienen. Es kann durchaus eine Unternehmereigenschaft angenommen werden. Zumindest ab einer gewissen Reichweite können sie mit den kooperationsbedingten Beiträgen ein monatliches Einkommen erzielen. Der Bezug zwischen der presserechtlichen Aufgabe und der Unternehmenseigenschaft mit der Folge des bestehenden Vervielfältigungspotentials kann gegeben sein. (b) Journalistischer Zweck Von zentraler Bedeutung ist an dieser Stelle die Klärung der damit verbundenen Frage, ob Influencer eine Form von Journalismus betreiben und mithin ihr Umgang mit den Daten eine Verarbeitung zu einem journalistischen Zweck beabsichtigt. Entscheidend ist der konkrete Inhalt eines Beitrags und dessen Wirkung. Die hochgeladenen Inhalte auf Kommunikationskanälen variieren dabei in ihrer Form von Foto-, Video- hin zu Text- oder auch Mischbeiträgen. Beim Online-Dienst Instagram haben die Accountinhaber mittlerweile die verschiedensten Varianten, wie ihre Inhalte veröffentlicht werden sollen. Einerseits können Bilder mit Beschriftung als dauerhafter Post hochgeladen und andererseits können Beiträge nur für 24 Stunden sichtbar als „Story“ geteilt werden. Ursprünglich basierte die Plattform auf dem reinen Austausch von Bildern. Ausgehend von dieser Idee werden zunehmend neue Features auf der Plattform 280 Spätestens seit dem Satamedia-Urteil des EuGH ist es anerkannt, dass auch einzelne Journalisten vom Medienprivileg erfasst sind. EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58 – Satamedia.

160

D. Reichweite des Medienprivilegs

eingebaut, die neben der Videofunktion vor allem auch Text-Beiträgen eine Plattform bieten. Seit März 2021 ist in Deutschland eine weitere Funktion freigeschaltet, wonach längere Texte unter der Rubrik „Beiträge“ im eigenen Feed hochgeladen werden können. Es besteht eine Parallelität zu einem Blogeintrag. Je nach Ausgestaltung des Accounts können die Beiträge inhaltlich professionell gestaltet sein. Teilweise können sich einzelne Posts desselben Influencer derart unterscheiden, dass ein Beitrag professionell gestaltet ist und der nächste Beitrag keinerlei meinungsauswirkende Intention beinhaltet. Abzugrenzen sind die Beiträge von reinen Marketing-Posts. Das reine Anpreisen von Produkten überlagert die journalistische Datenverarbeitung. Eine kommerzielle Ausrichtung dieser Accounts lässt sich nicht immer verneinen, eine solche steht der Datenverarbeitung zu einem journalistischen Zweck jedoch nicht grundsätzlich entgegen. Entscheidend ist, dass die Informationsvermittlung des Beitrags klar im Vordergrund steht. Meistens werden die Inhalte nach einem eigenen Zeitplan vorbereitet, produziert und gestaltet, um letztlich veröffentlicht zu werden. Thematisch sind die Angebote breit gestreut. Wenn die Beiträge thematisch aktuelle und politische Themen aufgreifen und sich mit diesen auseinandersetzen, liegt eine presseähnliche (Informations-)Funktion der Inhalte besonders nahe. Allerdings sind die Qualität und die Themenwahl nicht ausschlaggebend für die Beurteilung eines journalistischen Beitrags. Relevant ist, welche Wirkung der Beitrag entfaltet. Steht der Informationswert des Beitrags im Vordergrund, kann ein entsprechender meinungsbildender Charakter angenommen werden. Für eine gewisse Breitenwirkung spricht eine entsprechende Netzwerkgröße des Account-Betreibers. Umso größer die Anzahl der Follower, desto eher erreicht der Beitrag die breite Masse. Welche Maßstäbe im Einzelnen an eine Relevanz anzulegen sind, lässt sich nicht verallgemeinern. Allerdings bestätigte der EGMR bereits eine journalistische Relevanz eines YouTubeKanals bei einer Reichweite von 2.000 Abonnenten und einer Klickzahl von 80.000 im konkreten Video.281 Ähnlich wie die Presse übernehmen Influencer (teilweise) die Aufgabe, die Gesellschaft zu informieren. Dabei profitieren die Influencer vor allem von ihrer Glaubwürdigkeit, die ihnen von ihren Followern zugestanden wird. Als Meinungsmultiplikatoren verbreiten sie zudem diverse Inhalte im Netz. Speziell die jüngeren Generationen setzen bei der Informationsaufnahme auf Beiträge von Personen mit einer starken Präsenz auf sozialen Netzwerken. Die starke Einflussnahme von Influencern nicht nur im Bereich der Produktpalette, sondern auch im Hinblick auf die Meinungsbildung begründet ihre gewisse Machtstellung, die sonst nur der Presse als sogenannte vierte Gewalt zugeschrieben wird. Diese Art von Machtverschiebung könnte sich langfristig auf den Journalismus auswirken. Im Unterschied zur klassischen Presse fehlt es den Influencern mitunter an einer qualifizierten Ausbildung im journalistischen Kontext. Dieses Argument wird häufig als

281

EGMR, BeckRS 2019, 51059 Rn. 25 – Rebechenko vs Russia.

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161

Kritikpunkt angebracht, um Beiträge eines Publizisten auf einem Social-MediaKanal zu denunzieren. Nicht nur Influencer nutzen Plattformen. Auch auf anderen Plattformen kommunizieren User, teilen ihre eigene Meinung, kommentieren andere Nutzerbeiträge oder sogar die professionellen Artikel eines Journalisten von großen Medienhäusern. Mittels der Kommentarfunktion auf Plattformen kann eine Art „virtuelle Beziehung“ zwischen den Usern und den Journalisten entstehen.282 Für eine Privilegierung nach Art. 85 DS-GVO kommt es maßgeblich auf den Schwerpunkt der journalistischen Bearbeitungsweise an und nur dann kann der Beitrag in der Onlinewelt datenschutzrechtlich freigestellt sein.283 So kann ein digitaler Beitrag in Form einer Twitter-Nachricht im Einzelfall eine journalistische Tätigkeit darstellen – zumindest schließt die Kürze des Beitrags eine mögliche Privilegierung nicht im Vorhinein aus.284 Um der Bedeutung onlinebasierter Wissensaufnahme gerecht zu werden, dürfen die gesellschaftliche Funktion und die tatsächliche Einflussnahme der neuen Kommunikationsformen nicht unterschätzt werden. Unabhängig vom gewählten Kommunikationskanal sollten allein der Inhalt und die damit verbundene journalistische Zwecksetzung bei der Datenverarbeitung maßgeblich sein. Nichtsdestotrotz kann die aktuelle Rechtslage diesem Leitbild nicht gerecht werden und sorgt stattdessen für Unklarheiten. (3) Zwischenfazit Nach der aktuellen Rechtslage in Deutschland ist den Account-Betreibern eines Kanals auf den sozialen Medien das Berufen auf die datenschutzrechtliche Bereichsausnahme überwiegend verwehrt. Dreh- und Angelpunkt ist die Voraussetzung des „(Presse-)Unternehmens“. Als Einzelperson gelingt es den publizierenden Influencern größtenteils nicht, die Anforderungen eines (Presse-)Unternehmens zu erfüllen. Teilweise kann eine Unternehmereigenschaft eines Influencers bejaht werden, soweit der Lebensunterhalt mit der journalistischen Tätigkeit verdient wird. Allerdings beruht das finanzielle Einkommen auf werberechtlichen Kooperationen und einer damit verbundenen Gewinnerzielungsabsicht bei dem Betreiben des Accounts. Es scheint nicht begründet, weshalb eine Einzelperson, die Profit aus ihren Beiträgen erzielen will, bessergestellt werden soll als ein Influencer, der allein die publizistische Absicht der Informationsverbreitung verfolgt. Das Kriterium des „Unternehmens“ ist nach einer zeitgemäßen Betrachtung nicht geeignet, eine sachgerechte Abgrenzung zu erzielen. Das deutsche Medienprivileg für Anbieter von Telemedien ist in seiner aktuellen Fassung nicht auf Betreiber von Social-MediaKanälen anwendbar. 282

Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296. Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 296. 284 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 33; Lent, ZUM 2013, 914, 919. 283

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Im Einzelfall könnte nach Maßgabe des europäischen Gesetzgebers das Medienprivileg zukünftig auch die Beiträge in den sozialen Medien betreffen. Der Unionsstandpunkt ist damit richtungsweisend. Die Rechtslage in Deutschland sieht hierfür § 23 MStV als Privilegierungsnorm vor. Die deutsche Variante der Privilegierungsvorschrift müsste dafür angepasst werden und weniger das traditionelle und damit institutionalisierte Leitbild der Medien verfolgen. Es wirkt veraltet und realitätsfern, allen Akteuren außerhalb des „professionellen Journalismus“ die datenschutzrechtliche Bereichsausnahme zu verwehren. Ob eine journalistische Tätigkeit bejaht werden kann, hängt vom konkreten Inhalt eines Beitrages auf einer SocialMedia-Plattform ab – ist aber keineswegs ausgeschlossen. d) Audio-Dienste Im Audio-Bereich finden ebenso Veränderungen statt. Neben der Informationsversorgung über das klassische Radio werden zunehmend digitale Angebote für die Verbreitung von Ton-Dateien offeriert. In den letzten Jahren boomte vor allem der Markt an Podcasts. Diese reinen Audio-Formate informieren Interessierte dabei ähnlich wie klassische Radiosendungen zu diversen (aktuellen) Themen. Im Unterschied zum Radio können Podcast-Folgen unabhängig von einem bestehenden Sendeplan angehört werden. Insbesondere während der COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 erfreuten sich wissenschaftliche Podcasts großer Beliebtheit. In einem Podcasts-Angebot des NDR Info gab der Virologe Christian Drosten regelmäßige Updates rund um das Corona-Virus. Mit einer Klickzahl von 41 Millionen allein im Mai 2020 erreichten diese Informationen eine Vielzahl von Menschen. Des Weiteren kam erst Anfang des Jahres 2021 die Trend-App Clubhouse aus Amerika nach Deutschland. Bei dieser Plattform können sich die Nutzer verbal in virtuellen Audio-Räumen zu selbstgewählten Themen austauschen. Ähnlich wie bei anderen partizipierbaren Informationsangeboten stellt sich die Frage, ob es sich dabei um eine Form von Journalismus handelt und dementsprechend ein Freistellungsbedürfnis gegenüber den datenschutzrechtlichen Pflichten erfordert. Eine Sonderstellung könnte sich in Deutschland nur aus der rundfunkspezifischen Telemediennorm § 23 MStV ergeben. Bei der reinen Audio-App Clubhouse und auch bei dem Anbieten von Podcasts stellt sich zunächst die Frage, ob es sich bei dem Informationsaustausch überhaupt um Rundfunk handelt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 MStV ist Rundfunk ein „linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von journalistischredaktionell gestalteten Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans mittels Telekommunikation“. Zwar dient sowohl der Podcast als auch Audio-OnlineDienste wie Clubhouse der sozialen Kommunikation, allerdings erfolgt die Verbreitung schon nicht entlang eines Sendeplans. Die einzelnen Folgen eines Podcasts können nach Belieben vom User zeit- und ortsunabhängig abgespielt werden. Das

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widerspricht der Definition eines Sendeplans im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 MStV.285 Bei Clubhouse hängt es von der konkreten Ausgestaltung ab, kann entlang eines Sendeplans durchgeführt werden, so dass Vorschriften vorerst anwendbar wären. Allerdings scheitert das Medienprivileg im Sinne von § 23 MStV an der Unternehmer-Eigenschaft des Audio-Verbreiters, da die Nutzung der App im Jahr 2021 nur Privatpersonen vorbehalten ist. Insgesamt lässt sich festhalten, dass es auch für einen konkreten Beitrag im Audiobereich nur auf die funktionale Zuordnung des Beitrages zu einer journalistischen Tätigkeit ankommt, der reine Übertragungsweg als solcher ist für die Privilegierungsanwendung unbeachtlich. e) Roboter-Journalismus Der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der Medienproduktion gehört in verschiedenen Bereichen längst zur gängigen Praxis.286 Gemeint ist damit das automatisierte Herstellen von Nachrichten. Jüngsten Berichterstattungen zufolge wird in Norwegen statt eines Journalisten bereits eine selbstständige KI eingesetzt, um fortlaufend und aktuell über Wahlergebnisse zu berichten.287 Das Verwenden solcher automatisierten computergesteuerten Vorgänge führt zu neuen rechtlichen Fragestellungen. Mit Blick auf die Zukunft wird die Frage nach der Reichweite des Medienprivilegs insbesondere beim sogenannten „Roboter-Journalismus“288 zu klären sein. Der Wegfall der vom Menschen durchgeführten journalistischen Rechercheleistung hat Auswirkungen auf die grundrechtliche Bewertung bei der Gegenüberstellung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen.289 Abzugrenzen ist der Roboter-Journalismus vom sogenannten „datengesteuerten Journalismus“, der nur darauf abzielt, unverarbeitete Daten (Rohmaterial) darzustellen wie zum Beispiel bei der Plattform WikiLeaks.290 Konträr zum „Qualitätsjournalismus“ fehlt es dem rein „datengesteuerten Journalismus“ an einer eigenen redaktionellen Aufbereitungsleistung.291 Wie bereits die ausführlich dargestellte 285 Darin heißt es: „(Ein) Sendeplan (ist) die auf Dauer angelegte, vom Veranstalter bestimmte und vom Nutzer nicht veränderbare Festlegung der inhaltlichen und zeitlichen Abfolge von Sendungen“. 286 Grundlegend dazu Reichelt, Einführung in den Roboterjournalismus (2017). 287 Crespo, How artificial intelligence is transforming journalism (2018), abrufbar unter https://www.equaltimes.org/how-artificial-intelligence-is?lang=en#.YWbtbZMzaqQ (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022); Weberling, NJW 2018, 735, 735. 288 Grundlegend dazu siehe Habel, Roboterjournalismus (2019). 289 M. Cappello, Journalismus und Medienprivileg, IRIS Spezial, Europäische Audiovisuelle Informationsstelle (2017), S. 116. 290 Tinnefeld/Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), Syst. I Rn. 52; Tinnefeld, DuD 2012, 891, 892. 291 Tinnefeld/Buchner, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), Syst. I Rn. 52.

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Rechtsprechung des BGH signalisiert, reicht das bloße Auflisten oder Wiedergeben von fremden Inhalten nicht, um die Anforderungen des Medienprivilegs zu erfüllen. Unter Zugrundelegung dieser Richtungsweisung kann der datengesteuerte Journalismus keine Sonderstellung gegenüber den Datenschutzverpflichtungen erfahren. Hingegen ist beim Roboter-Journalismus davon auszugehen, dass eine Art redaktioneller bzw. strukturierter Eigenleistung erfolgen könnte. Der Roboter-Journalismus wird in der Praxis nicht durch einen vermeintlich physischen Roboter verkörpert, sondern mittels computerkonformer Programme oder einer speziellen Software. Für die KI-basierte Aufbereitung der bereits bestehenden Informationen ist eine komplexe Datenmenge als Ausgangsbasis erforderlich. Für das automatisierte Erstellen von Texten mittels der KI-Software sind im Vorfeld einige Parameter und Kriterien von geeigneten Personen festzulegen: angefangen bei der Datenbankpflege, über die Angaben der formalen Angaben (Zeichenzahl), des gewünschten Sprachstils bis hin zu der Gewichtung der Informationen.292 Auf Grundlage des menschlich erstellten Konzepts, einem sogenannten „storyplot“, kann das KI-Programm sogar in „Eigenregie“ weiterlernen und unter Zuhilfenahme der bestehenden Daten schließlich neue Zusammenhänge herzustellen und schließlich eigenständig zusätzliche Informationen gewinnen.293 Darüber hinaus gelingt es der Software – je nach Programmierung – bereits eine Rangfolge der Informationen entsprechend ihres Nachrichtenwerts zu generieren.294 Ebenso kann der Text nach bestimmten Vorgaben gekürzt oder angepasst werden.295 Insgesamt können durch den Einsatz von KI-Software, inhaltliche Zusammenfassungen oder Gewichtungen produziert werden. In einer automatisierten Vorgehensweise wäre es damit möglich – als Äquivalent zu journalistischen Beiträgen – journalistische Inhalte zu produzieren.296 Im Bereich der Medien betrifft es vor allem die Ressorts, bei denen große Datenmenge vorhanden sind und das Auswerten von komplexen Daten eine zentrale Rolle spielen.297 Typischer Weise ist das der Fall bei Berichterstattungen rund um den Sport, Pandemien, Aktien- und Finanzinhalte, Verkehrswesen oder aktuelle Geschehnisse wie bei politischen Wahlen. So bediente

292 Ausführlich zum Ablauf des automatisierten Textgenerierens siehe Conraths, in: Ebers/ Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik (2020), S. 906 f.; Haim/Graefes, in: Nuernbergk/Neuberger, Journalismus im Internet (2018), S. 150 ff.; Reichelt, Einführung in den Roboterjournalismus (2017), S. 21 f. 293 So auch Conraths, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik (2020), S. 906 f. 294 Conraths, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik (2020), S. 907. 295 Weberling, NJW 2018, 735, 736; z. B. ferret go GmbH, Linguistics & AI. 296 Weberling, NJW 2018, 735, 735. 297 Dazu auch Conraths, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik (2020), S. 906; Reichelt, Einführung in den Roboterjournalismus (2017), S. 27.

III. Graswurzel-Journalismus

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sich beispielsweise die Süddeutsche Zeitung der automatisierten Inhalte für ihre Berichterstattung über die Landtagswahl in Bayern im Oktober 2018.298 Eine automatisierte Arbeitsleistung vollständig losgelöst von menschlichem Zutun ist damit jedoch nicht gemeint. Bislang ist es diesem Hilfsprogramm nicht möglich ohne menschliche Einwirkung im Vorfeld, den kompletten Vorgang der Erstellung von journalistischem Content selbstständig zu übernehmen. Mit Blick auf die Zukunft wird das Integrieren und Einsetzen von KI-Programmen zur Produktion von Inhalten in der Medienwelt zu einem festen Bestandteil werden. Der Fokus der Programme liegt darin, Teilbereiche automatisieren, mit dem Ziel, die Vorgänge zu vereinfachen.299 Für die Reichweite des Medienprivilegs kommt es nach wie vor darauf an, inwiefern die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu journalistischen Zwecken erfolgte. Dabei wirkt sich die „Entmenschlichung“ des Textgenerierens nicht auf den Anwendungsbereich aus, solange der KI-Einsatz auf einen menschlichen Einfluss zurückführbar ist. Es handelt sich dabei um eine Form der Informationsaufbereitung, die dem Kern journalistischer Arbeit zugeordnet werden kann. Der Zweck der Datenverarbeitung kann funktional als Wahrnehmung der medialen Aufgaben charakterisiert werden.300 Liegt der algorithmusbasierten Datenverarbeitung ein journalistisches Konzept zu Grunde und gelingt es der KI eigene Informationen aufzubereiten, ist eine Privilegierung dem Sinn und Zweck nach nicht auszuschließen. Letztlich kann allein der journalistische Verarbeitungszweck entscheidend sein.301 Ob das Medienprivileg auch bei komplexen Datenvorgängen im Sinne von Big Data in den Anwendungsbereich fällt, ist vorerst wohl zu verneinen. An Bedeutung gewinnt der Einsatz der KI insbesondere auch im Bereich der Berichterstattung über Naturkatastrophen. Aus dem amerikanischen Raum ist bereits das Programm QuakeBot bekannt, das die Los Angeles Times für ihre Artikel nutzt, um aus dem Datenkomplex frühzeitig Erkenntnisse über drohende Erdbeben zu gewinnen. In Asien wurden 2018 erstmals die Nachrichten von einem virtuellen Nachrichtensprecher vorgetragen.302 Die chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua führte diese Praxis ein, allerdings ist unklar, ob der verwendete Avatar tatsächlich eine KI ist, da sie nicht selbstständig agierte. Nach dem bisherigen Stand wird der 298

Kreye, Die rote Linie, Süddeutsche Zeitung vom 15. Februar 2021, abrufbar unter https: //www.sueddeutsche.de/medien/kuenstliche-intelligenz-fake-news-recherche-1.5204699 (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 299 Auch branchenübergreifend beispielsweise im juristischen Umfeld lassen sich ähnliche Entwicklungen im Bereich des Automatisierens erkennen wie beim sogenannten „Legal Tech“, also dem Einsatz von Software im juristischen Kontext. 300 Conraths, in: Ebers/Heinze/Krügel/Steinrötter, Künstliche Intelligenz und Robotik (2020), S. 920 f. 301 Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 297. 302 FAZ, Beitrag vom 09. November 2018, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirt schaft/digitec/in-china-lesen-jetzt-roboter-die-nachrichten-15882516.html (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022).

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D. Reichweite des Medienprivilegs

Berufstand des Journalisten im Kern dadurch nicht gefährdet, vielmehr kommt eine weitere Facette hinzu, wodurch sich die Rolle des journalistisch Tätigen im Wandel befindet.303 2. Zwischenfazit Mit Blick auf die Zukunft sollten auch Beiträge des „Graswurzel-Journalismus“ dem Anwendungsbereich des Medienprivilegs unterfallen. Angesichts der erheblichen Einflussnahme auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess im digitalen Zeitalter können bürgerjournalistische Beiträge eine presseähnliche Funktion verkörpern. Sie tragen wesentlich zum allgemeinen Kommunikationsprozess der breiten Masse bei. Um bloße Meinungsinhalte von journalistisch relevanten Beiträgen abzugrenzen, kann auf die Formel der Zweckbestimmung zurückgegriffen werden. Inwiefern verfolgt das Medium die Zwecksetzung der Informationsvermittlung? Der beabsichtigte Informationszweck kann eine Einflussnahme auf den öffentlichen Meinungsdiskurs implizieren. Sind die verbreiteten Informationen von Interesse für die Öffentlichkeit, besteht eine publizistische Wirkung des Angebots. Im zweiten Schritt kann in formaler Hinsicht das Vorhandensein eines „gestaltenden Elements“ aufschlussreich sein. Ohne eine zumindest gedankliche Auseinandersetzung mit den Informationen ist kein journalistischer Umgang mit den Daten erkennbar. Generell kann jeder publizistisch Tätige den Auftrag der Presse dann erfüllen, sobald das Informationsangebot eine Zwecksetzung anstrebt, die auf der Vermittlung von relevanten Informationen für die demokratische Gesellschaft insgesamt beruht.

IV. Fazit Sofern das Medienprivileg seinem Schutzauftrag gegenüber journalistischen Datenverarbeitungsvorgängen auch in Zukunft gerecht werden soll, muss es die Medienakteure in seinen Anwendungsbereich aufnehmen, die faktisch die öffentliche Meinungsbildung derart beeinflussen, dass ihre erhebliche Relevanz nicht zu übersehen ist. Nach dem aktuellen Stand ist der national ausgestaltete Rechtsrahmen zum Medienprivileg nicht geeignet, diesem Schutzbedürfnis gerecht zu werden. Dem momentanen Ist-Zustand nach sind nur die traditionellen Medienakteure, die institutionell organisiert sind, eindeutig von der datenschutzbefreienden Bereichsausnahme erfasst. 303

Haim/Graefes, in: Nuernbergk/Neuberger, Journalismus im Internet (2018), S. 141; Lobe, Nehmen Roboter Journalisten den Job weg? faz.net vom 17. April 2015, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/automatisierter-journalismus-nehmen-roboter-al len-journalisten-den-job-weg-13542074.html (zuletzt abgerufen am 12. September 2021); Reichelt, Einführung in den Roboterjournalismus (2017), S. 60.

IV. Fazit

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Neben den klassischen Presseunternehmen sind zudem die Hilfs- und Beteiligungsunternehmen einbezogen. Diese Unternehmen haben die Gemeinsamkeit, dass ihr Hauptgeschäftszweck darin liegt, eigene oder fremde presserechtliche Aufgaben zu erfüllen. Ebenso können sich selbstständige Journalisten, ohne eine feste Einbindung in eine spezielle Organisationstruktur, auf das Medienprivileg berufen. Ihre journalistische Tätigkeit ist allerdings nicht vollkommen autark von der presserechtlichen Institution zu verstehen. Ihre Beiträge werden von Externen vor der Veröffentlichung geprüft, um dann über bestehende Verbreitungswege vervielfältigt zu werden. Der Schutzumfang des Medienprivilegs erstreckt sich insgesamt auf die gesamte journalistische Datenverarbeitung – von der Beschaffung über die Verarbeitung der Daten bis hin zur Archivierung. Dem Sinn und Zweck nach ist das Speichern in einem Online-Archiv vom Geltungsbereich der Bereichsausnahme umfasst. Sowohl im öffentlich-rechtlichen als auch im privaten Rundfunk ist der Adressatenkreis der Privilegierungsfähigen konkret geregelt. Währenddessen erkennt der europäische Gesetzgeber die tatsächliche Entwicklung im journalistischen Tätigkeitsfeld und die daraus resultierende Notwendigkeit zum Handeln. Die europäische Herangehensweise wirkt dabei weniger zukunftsängstlich und lässt stattdessen auch neuartigere Medienformen von der Sonderstellung profitieren. Der EuGH betont, dass das Medienprivileg keinesfalls nur auf die klassischen Medienunternehmen begrenzt sei. In der DS-GVO selbst ist bestimmt, dass Begriffe rund um den „Journalismus“ und damit auch der „journalistische Zweck“ nach dem heutigen Verständnis weit auszulegen sind. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aus europäischer Sicht jede Person journalistisch tätig sein kann. Es kann hierfür nur auf den konkreten Verarbeitungszweck der Daten ankommen. Unter Zugrundelegung der vorangegangenen Untersuchung müsste eine journalistische Zwecksetzung dann bejaht werden, wenn der Beitrag einerseits eine publizistische Relevanz in der breiten Öffentlichkeit erzielt und andererseits eine gestalterische Eigenleistung des Publizisten nach außen erkennbar wird, die auf ein Mindestmaß an einer inhaltlichen Auseinandersetzung schließen lässt. Während der EuGH mit seiner Rechtsprechung etwas weniger Beschränkungen für das Begriffsverständnis von Journalismus zulässt, versuchen die deutschen Gerichte dem Medienprivileg ein engmaschiges Netz aufzuerlegen. In Deutschland hat sich das europäische Verständnis demnach noch nicht manifestieren können. Im Gegenteil, das deutsche Medienprivileg ist starr und kann insbesondere die modernen Formen des Online-Journalismus (noch) nicht erfassen. Auf nationaler Ebene ist die Rechtsprechung im Vergleich zur europäischen hingegen weniger fortschrittlich und weniger offen gegenüber modernen Ausprägungen von Journalismus. Es entspricht überdies nicht der heutigen Arbeitswirklichkeit, dass journalistische Inhalte ausschließlich und überwiegend noch in Redaktionen produziert werden. Von zentraler Bedeutung ist daher das Lösen von der Vorstellung, dass journalistische Beiträge zwangsweise eine Eingliederung in strukturelle Organisationseinheiten

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D. Reichweite des Medienprivilegs

benötigen. Die ursprünglichen Medienformen waren auf die Gesellschaftsform eines Unternehmens angewiesen, um die Inhalte mittels der bestehenden Verbreitungsstrukturen für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen und beispielsweise auf bestehendes Wissen (in Archiven) zugreifen zu können. Heutzutage dient bereits das Internet selbst als Mechanismus zur Verbreitung von Informationen. Ein redaktionelles System ist für den Journalismus nicht mehr zwingend erforderlich. Die Beteiligung von journalistischen Laien im Internet wächst. Die steigende Bedeutung des „Graswurzel-Journalismus“ für den Meinungsbildungsprozess der breiten Öffentlichkeit und das damit verbundene Mediennutzungsverhalten sind zu honorieren. Das datenschutzrechtliche Medienprivileg muss diesen Interessenslagen der neuen Medien gerecht werden und sie berücksichtigen.304 Meinungsaustausch findet vermehrt in Foren, Plattformen, Blogs und anderen Webseiten statt. Auch im Bereich des Rundfunks bilden sich neue Formen aus wie Podcasts oder LiveStreamings. Eine Konsequenz dieser Verlagerung ist eine tatsächliche Machtverschiebung. Das Entfalten publizistischer Wirkungen im Internet stammt zunehmend von presseähnlichen Publizisten mit entsprechender Netzwerkgröße. Bürgerjournalistische Beteiligungen haben dann ein Freistellungsbedürfnis, wenn ihre Beiträge eine publizistische Wirkung und eine tatsächliche Einflussnahme auf die überindividuelle Meinungsbildung erzielen, wie es sonst typischerweise bei den traditionellen Medien der Fall ist. Abseits der klassischen und etablierten Medienakteure können sich hobbymäßige Journalisten bisher nicht auf das datenschutzrechtliche Medienprivileg berufen. Die landesrechtlichen Vorschriften im Bereich der Presse, des Rundfunks und für die digitalen Angebote zielen nicht auf moderne Medienformen von „unprofessionellen Akteuren“. Für Intermediäre kommt es nach wie vor maßgeblich darauf an, inwiefern sie ihre dargestellten Inhalte durch eigene Gestaltungen verändern. Für den Fall, dass fremde personenbezogene Daten lediglich „kopiert“ werden bzw. unverändert übernommen werden, fehlt es regelmäßig an einer geforderten journalistischen Eigenleistung. Soweit die intermediäre Plattform allerdings die Daten in irgendeiner Form aufbereitet oder ggf. korrigiert, ist eine Wertung als Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken nicht auszuschließen. An dieser Stelle wäre mehr Rechtssicherheit durch den Gesetzgeber wünschenswert. Ein erster Schritt zur Regulierung der Plattformen wurde mit dem Inkrafttreten des Medienstaatsvertrags gemacht. Im Ergebnis besteht ein deutliches Reformbedürfnis bezüglich des Adressatenkreises der deutschen Freistellungsklausel. Die nationalen Ausformungen des Medienprivilegs wirken überholt und bedürfen einer Anpassung an die kommunikationsrechtliche Realität, um auch dem verfassungsrechtlich gewährten Schutz der Medien Rechnung zu tragen. Das Potential aus der europäischen Öffnungsklausel wird bislang nicht im vollen Umfang ausgeschöpft. Ein zukunftsorientiertes Kon304 Schimke, Das Medienprivileg als Koordinationsmechanismus – Zum Verhältnis von Datenschutz- und Äußerungsrecht im Internet, in: Albers/Katsivelas, Recht & Netz (2018), S. 185.

IV. Fazit

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zept, das sich von alten Mustern löst und sich den Veränderungen stellt, wäre wünschenswert. Ein Lösungsvorschlag könnte darin liegen, zumindest einen Auffangtatbestand zu schaffen, um nicht-professionelle Publikationen mit einem meinungsbildenden Charakter als privilegierungswürdig einzustufen. Im Wesentlichen müsste das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ gestrichen werden. Ein direkter Ersatz ist nicht erforderlich. Stattdessen kann eine Abgrenzung über die „journalistische Zwecksetzung“ erreicht werden. Im Kern geht es um eine funktionale Zuordnung der Tätigkeit unter das Vorstellungsbild des Journalismus, die im Wege der Rechtsprechung aber auch durch die Rechtsanwendungspraxis zunehmend weiter konkretisiert werden könnte.

E. Verfassungsrechtlicher Rahmen Seit jeher existiert ein grundlegendes Spannungsverhältnis zwischen den weitreichenden Kommunikationsfreiheiten einerseits und dem Recht auf Datenschutz andererseits. Einen fairen Ausgleich zwischen Datenvielfalt und Datenminimierung zu schaffen, stellt eine andauernde Herausforderung in der neuen Medienwelt dar. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche – nicht zuletzt beschleunigt durch den Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie im Jahr 2020 – verfügen die Medien über eine immanent wichtige Schlüsselrolle in Bezug auf die Freiheit des Einzelnen1, die allgemein zugängliche Informationsbeschaffung und -aufbereitung und die Kontrolle sowohl staatlicher als auch unternehmerischer bzw. privater Tätigkeiten. Die Freiheit der Medien zu gewährleisten, ist eine unverzichtbare Grundvoraussetzung in einer Demokratie. Nichtsdestotrotz wächst gleichzeitig das Gefährdungspotential für die individuelle Selbstbestimmtheit in der gegenwärtigen Informationsgesellschaft, für die eine Datenpreisgabe als Bedingung der sozialen Teilhabe in virtuellen Sphären gilt. Diese „eigene Sozialmacht“2 der Medien erhöht den Druck auf individuelle Entfaltungsmöglichkeiten in seiner selbstbestimmten Form.3 Das Medienprivileg muss sich mit diesem oppositären Aufeinandertreffen zweier Gegenpole auseinandersetzen. Die konkrete Ausgestaltung des medienspezifischen Datenschutzes erfährt seine Grenzen durch den verfassungsrechtlichen Rahmen. Die widerstreitenden Interessenslagen gilt es im grundrechtlichen Mehrebenensystem sowohl auf der europäischen Ebene als auch auf der nationalen Ebene auszutarieren. Auf übergeordneter Stufe besteht die Konfliktlage zwischen den die Medienfreiheit schützenden Art. 10 EMRK und Art. 11 GRCh und den datenschützenden Normen Art. 8 EMRK, Art. 7 GRCh und Art. 8 GRCh. Im deutschen Verfassungsrecht stehen sich die Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Abwägungsprozess gegenüber.

1 2 3

Vgl. Di Fabio, AfP 1999, 126. Kloepfer, AfP 2000, 511, 523 „private Informationsmacht“. Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 1.

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte In einem ersten Schritt muss der konkrete Schutzumfang der einzelnen Verfassungsgüter bestimmt werden, um in einem nächsten Schritt die Abwägungsdeterminanten gegenüberstellen zu können. Einerseits wirken die Mechanismen zum Schutz der personenbezogenen und andererseits besteht eine breite Schutzbarriere für die Kommunikations- bzw. Medienfreiheiten. 1. Kommunikationsgrundrechte Das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit ist umfassend in Art. 11 GRCh, Art. 10 EMRK und besonders in Art. 5 Abs. 1 GG geschützt. Sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Pressefreiheit sind als „eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft“ zu verstehen, die nur insoweit eingeschränkt werden dürfen, soweit das erforderlich ist.4 Damit wird der Bedeutung der Kommunikationsfreiheiten in einer funktionierenden Demokratie Rechnung getragen. a) Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK Der konventionsrechtliche Schutz der freien Kommunikation ist auf Art. 10 EMRK zurückzuführen. Dieser Regelungsinhalt bezweckt den Schutz der Kommunikationsfreiheiten – also der Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und der „Freiheit audiovisueller Medien wie Radio, Fernsehen und Internet“.5 Im weitesten Sinne ist folglich jede Form der Kommunikation geschützt. Die Pressefreiheit wird zwar nicht explizit erwähnt, dennoch ist sie als essenzieller Teil von Art. 10 EMRK anerkannt – ebenso wie die Wissenschafts- und Kunstfreiheit.6 Die Schutzdimension erstreckt sich insbesondere darauf, eine eigene Meinung zu bilden („freedom to hold opinions“) und auf die Weitergabe dieser, zunächst ungeachtet einer Differenzierung zwischen „Meinung oder Tatsache“ wie es im deutschen Verfassungsrecht gehandhabt wird.7 Nach dem Konventionsrecht ist der gesamte gegenseitige Kommunikationsprozess zwischen Menschen schutzwürdig.8 4

EuGH, NJW 2017, 717, 721 Rn. 93. Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 8 Rn. 2 und § 14 Rn. 1 f.; die Medienfreiheit lässt sich aus Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK ableiten und unter Zugrundelegung des weiten Meinungsbegriffs. 6 Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 10 Rn. 1. 7 Ein Unterscheiden findet nicht bereits im Schutzbereich statt, sondern wird auf die Rechtfertigungsebene verlagert; siehe Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 11; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 9 Rn. 1; im Unterschied dazu wird im nationalen Verfassungsrecht zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen differenziert, BVerfGE 93, 266, 289 f. 8 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 10. 5

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Das Grundrecht umfasst in seinem weiten Schutzbereich der Meinungsfreiheit alle Ansichten, Überzeugungen, Stellungnahmen und Werturteile ungeachtet deren Qualität oder Inhalt.9 Sogar vorsätzlich unwahre Aussagen unterliegen zunächst dem Schutzumfang von Art. 10 EMRK.10 Folglich fällt insbesondere auch die „bedeutungslose“ Meinungsverbreitung zum Beispiel durch die sogenannte „yellow press“ in den grundrechtlichen Anwendungsbereich.11 Ferner bezieht es sich auch auf das Ausstrahlen von reinen Unterhaltungssendungen im rundfunkrechtlichen Bereich.12 Auch der individuelle Anspruch, die Informationen der Medien zu erhalten bzw. zu empfangen, stützt sich auf das Grundrecht in Art. 10 EMRK.13 Geschützt ist nahezu der komplette „Schaffens- und Verbreitungsprozess“, angefangen bei der Freiheit eine Meinung zu bilden, der Recherchetätigkeit, dem Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen für die Berichterstattung bis hin zur Veröffentlichung des Meinungsbeitrags.14 Die von Art. 10 EMRK geschützten Veröffentlichungen unterliegen dem Schutzbereich unabhängig davon, über welchen „Kanal“ sie verbreitet werden.15 Nach der Pressefreiheit im Sinne der EMRK zielt die Schutzdimension auf diejenigen ab, die bei dem Herstellen und dem Verbreiten periodischer Presserzeugnisse involviert sind, folglich vor allem „professionelle Journalisten, Verleger und Herausgeber, aber auch unmittelbar an der Herstellung und dem Vertrieb der Druckwerke Beteiligten“.16 Die EGMR-Rechtsprechung zu Art. 10 EMRK wirkt sich auf das grenzüberschreitende Gesamtverständnis der Meinungsfreiheit aus. In seiner Rechtsprechung betont der Gerichtshof in Straßburg insbesondere, „dass die Freiheit der Meinungsäußerung eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Selbstverwirklichung jedes Einzelnen ist.“17 Der EGMR differenziert bei Printund Internetveröffentlichungen das „Gefährdungspotential“ dahingehend, dass bei Internetveröffentlichungen das Risiko einer Persönlichkeitsverletzung wesentlich höher einzustufen sei als bei reinen Druckversionen.18 Begründet wird es damit, dass „unbekannte Kapazitäten zur Übermittlung und Speicherung von Informationen“ 9

Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 11 Rn. 10 f. EGMR, NLMR 2010, 119 – Fatullayev; Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 9 Rn. 1. 11 BVerfGE 34, 269, 283; 101, 361, 389 f.; Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG (2006), Kap. 18 Rn. 30. 12 BVerfGE 12, 205, 260; 35, 202, 222; Grote/Wenzel, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG (2006), Kap. 18 Rn. 30. 13 Kall, AfP 2014, 116, 116. 14 Kall, AfP 2014, 116, 116; Weberling/Bergann, AfP 2019, 293, 294. 15 Kall, AfP 2014, 116, 121. 16 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 219; Mensching, in: Karpenstein/Mayer, EMRK (2015), Art. 10 Rn. 14. 17 Übersetzt aus dem Englischen: „Freedom of expression constitutes one of the essential foundations of a democratic society and one of the basic conditions for its progress and for each individual’s self-fulfilment.“; EGMR, BeckRS 2008, 22387 Rn. 45 – Lindon vs France. 18 Kall, AfP 2014, 116, 121. 10

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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bestehen, die eine Beeinträchtigung für das Persönlichkeitsrecht intensivieren können.19 Allerdings ist der Grundrechtsschutz der EMRK nicht schrankenlos gewährleistet. Ein Eingriff in das Grundrecht ist dann zulässig, wenn er sich innerhalb der Schranken von Art. 10 EMRK bewegt. Bis auf eine Abweichung bezüglich der Rundfunkfreiheit besteht eine einheitliche Schrankenregelung in Art. 10 Abs. 2 EMRK. Danach muss ein Eingriff gesetzlich normiert sein, einem legitimen Zweck dienen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen.20 Eine Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Äußerungskundgabe- oder Weitergabe verboten, erschwert oder mit drohenden Sanktionen faktisch beschwert wird.21 Denn es ist auch Sinn und Zweck dieser Norm, einen sogenannten „chilling effect“ (hemmende Wirkung einer Maßnahme) zu verhindern.22 Folglich sind nicht nur unmittelbare Einwirkungen auf das Grundrecht, sondern gerade auch mittelbare Beeinträchtigungen betroffen. Ein Eingriff kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn er im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsabwägung notwendig war. b) Meinungsäußerung- und Informationsfreiheit nach Art. 11 GRCh In Art. 11 Abs. 1 GRCh ist das Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit verankert. Die Meinungsfreiheit ermöglicht den „ungehinderten Gedankenaustausch“ der Individuen.23 Die Norm basiert im Wesentlichen auf den Grundzügen von Art. 10 EMRK.24 Wie in Abs. 1 statuiert, ist neben der freien Meinungsäußerung das Empfangen und das Weitergeben von Informationen ohne ein behördliches Eingreifen über die Staatsgrenzen hinaus geschützt (Informationsfreiheit). Die materielle Überschneidung mit dem Schutz aus dem Konventionsrecht aus Art. 10 EMRK führt keineswegs zu einer Begrenzung, vielmehr wirken beide Rechte entsprechend Art. 52 Abs. 3 GRCh nebeneinander, denn „soweit die europäische Charta Rechte enthält, die den durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der Konvention verliehen wird“.25 Im zweiten Absatz wird ausdrücklich die allgemeine Medienfreiheit statuiert. Danach ist die gesamte Medientätigkeit geschützt: „von der Beschaffung der In-

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EGMR, BeckRS 2011, 144735 – Editorial Board of Pravoye Delo vs. Shtekel vs Ukraine. Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 12. 21 Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 9 Rn. 4. 22 Jacobs/White/Ovey, The European Convention on Human Rights (2010), S. 427. 23 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 6. 24 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 1. 25 Pitsch, in: Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger, DS-GVO (2017), Anm. zu Art. 85, S. 752. 20

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

formation bis zur Verbreitung der Nachricht“26.27 Entgegen der deutschen Ausgestaltung der Medienfreiheiten bündelt die Europäische Union die einzelnen medialen Ausprägungen in einem einheitlichen Grundrecht für den gesamten Medienbereich.28 Neben den klassischen Medienakteuren wie Presse, Rundfunk und Film sind damit auch zukünftige Formen der Kommunikation vom Schutzbereich umfasst.29 Im Wesentlichen werden damit die nationalen Zuordnungsschwierigkeiten des modernen Medienrechts umgangen – insbesondere wird damit das problembehaftete Subsumieren von Online-Angeboten unter die klassischen Medienformen in Art. 11 Abs. 2 GRCh gelöst.30 Grundsätzlich sichert Art. 11 Abs. 2 die Pluralität in der Medienlandschaft, um eine umfassende Meinungsbildung des Einzelnen zu ermöglichen.31 Art. 11 Abs. 2 GRCh kann daher eine eigene Grundrechtsqualität zugesprochen werden.32 Im Unterschied dazu sind die Medienfreiheiten bei Art. 10 EMRK lediglich als ein Teilbereich der Meinungsfreiheit konzipiert. Inhaltliche Beschränkungen für die ausdrückliche Medienfreiheit ergeben sich aus dem allgemeinen Schrankenvorbehalt nach Art. 52 Abs. 1 GRCh, der universell für alle Grundrechte aus der GRCh gilt.33 Für nähere Konkretisierungen kann aufgrund der Wesensgleichheit auf Art. 10 EMRK zurückgegriffen werden. Ein Eingriff in die Medienfreiheit kann insbesondere darin bestehen, dass beispielsweise die Informationsbeschaffung beschränkt bzw. erschwert wird.34 Eine Rechtfertigung von Eingriffen in die Meinungs- und Informationsfreiheit oder die Medienfreiheit ist gegeben, wenn der Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, einem legitimen Zweck dient und verhältnismäßig ist. c) Medienfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG Art. 5 GG gewährleistet die „Medienfreiheit“ im deutschen Verfassungsrecht. Ausdrücklich geschützt werden die Meinungs-, Informations-, Presse-, Rundfunkund Filmfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG. Die wesentliche Schutzausrichtung beinhaltet die Gewährleistung der Freiheit der Kommunikation und das Sichern der Meinungspluralität.35 Alle Kommunikationsfreiheiten stehen gleichberechtigt neben26

BVerfGE 10, 118, 121; ebenso zu Art. 11 Abs. 2 Bernsdorff, in: Meyer/Hölscheidt, Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2019), Art. 11 Rn. 17. 27 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 36. 28 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 255. 29 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 256; v. Coelln, in: Stern/Sachs, Europäische Grundrechte-Charta (2016), Art. 11 Rn. 30. 30 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 256. 31 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 39. 32 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 27; Schladebach/Simantiras, EuR 2011, 784, 789 f.; Schmitz, JZ 2001, 833, 842. 33 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 20. 34 v. Coelln, in: Stern/Sachs, GRCh (2016), Art. 11 Rn. 45. 35 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 61.

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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einander.36 Mit diesem verfassungsrechtlichen Wirkmechanismus der Kommunikationsfreiheiten geht eine unabdingbare Verkettung einher. Beispielsweise setzt das Recht eine Meinung zu haben und zu verbreiten voraus, dass im ersten Schritt eine freie Informationsaufnahme gewährleistet wird.37 Die unterschiedlichen Schutzdimensionen begründen einen „sozialen Kommunikationsprozess“.38 Zum einen fällt in den Schutzbereich der Medienfreiheit die „individuelle Entfaltung“ und zum anderen der „Prozess politischer Öffentlichkeit“ in einer demokratischen Gesellschaft.39 Mit Blick auf die zunehmende Medienkonvergenz kommt es weniger auf ein scharfes Abgrenzen der einzelnen Schutzbereiche an.40 aa) Meinungsfreiheit Nach der Meinungsfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ist erstmal jegliche Meinungsäußerung ungeachtet deren Qualität oder Inhalt vom Schutzbereich umfasst.41 Eine Meinung beinhaltet ein gewisses Wertungselement, d. h. eine Art Stellungnahme oder ein Dafürhalten im Rahmen eines geistigen Austauschs.42 Ferner kann eine Meinung eine „Ansicht, Auffassung, Wertung, Urteil, Einschätzung zu Objekten und Personen“ meinen.43 Dem Begriff „Meinung“ muss entsprechend des Grundsatzes in dubio pro libertate ein sehr weites Verständnis zugrunde gelegt werden.44 Der Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich darauf, eine Meinung zu bilden, zu haben, zu äußern und schließlich zu verbreiten.45 Die Meinungsäußerungs- und Meinungsverbreitungsfreiheit ist ein elementarer Grundpfeiler in einer demokratischen Staatsform. Im nationalen Verfassungsrecht wird zwischen bloßen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen differenziert.46 Dem Wortlaut nach unterliegen reine Tatsachenbehauptungen nicht dem grundrechtlichen Anwendungsbereich der Meinungsfreiheit. Diese sind grundsätzlich objektiv und dem Beweis zugänglich, so dass sie anhand von diesem Kriterium von einem Werturteil abzugrenzen sind. Unter bestimmten Voraussetzungen sind allerdings auch Tatsachenbehauptungen von Art. 5 36

Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 39. Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 40 ff. 38 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 42. 39 BVerfGE 27, 91, 81; BVerwGE 103, 81, 84; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 40. 40 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 46 m. w. N.; ders., Konvergente Medien (2014), S. 12 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 39. 41 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 5. 42 BVerfGE 61, 1, 8; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 2. 43 BVerfGE 33, 1, 5; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 6; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 73. 44 Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 2. 45 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 36. 46 BVerfGE 93, 266, 289 f. – „Soldaten sind Mörder“. 37

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Abs. 1 GG geschützt. Das ist der Fall, wenn sie als wesentlicher Bestandteil dem Meinungsbildungsprozess dienen.47 Eine Äußerung besteht meistens aus zwei Elementen: einer objektiven Tatsachenbeschreibung und einer subjektiven Wertung. Dagegen sind Wertungen, bei denen eine Verunglimpfung einer Sache oder einer Person im Vordergrund steht nicht schützenswert.48 Ebenso erstreckt sich der Schutzumfang nicht auf bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen.49 Meinungsäußerungen im Internet erfahren denselben Schutz aus Art. 5 Abs. 1 GG. Welches konkrete Spezialkommunikationsrecht jeweils einschlägig wäre, ist eine Frage des Einzelfalls. Auch die generierten Ergebnisse einer Suchmaschine fallen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, da sie durch die entsprechende Programmierung ein Werturteil beinhalten können.50 bb) Pressefreiheit Die gewährte Pressefreiheit schützt die ungehinderte Ausübung der presserechtlichen Tätigkeit. Im Wesentlichen gewährt dieses Grundrecht die strikte Trennung zwischen Presse und Staat, damit ein staatliches Eingreifen und insbesondere eine staatliche Zensur verhindert werden kann.51 Als Grund wird dafür die zentrale Rolle der Presse im demokratischen Kommunikations- und Meinungsbildungsprozess angeführt.52 Fortlaufend betont das BVerfG die Bedeutung der Presse und ihre „schlechthin konstituierende“ Wirkung für die Demokratie.53 Die Freiheit und Unabhängigkeit der Presse ist ein zentrales Element eines funktionierenden Staates und damit ist die Presse als Informationsvermittler zwischen Staat und den Bürgern fundamental.54 In Anlehnung an ihre Kontrollfunktion gegenüber staatlichen Hoheitsträgern wird die Presse als die „vierte Gewalt“ bezeichnet.55 Um sich auf die Pressefreiheit berufen zu können, kommt es maßgeblich auf einen funktionalen Bezug zur Tätigkeit im Pressewesen an.56 Vom Schutzumfang erfasst ist danach „jeder, der Informationen beschafft, sie aufbereitet und sodann unter Nutzung medialer Verbreitungswege einem unbestimmten Personenkreis 47

BVerfGE 54, 208, 219; 61, 1, 8; 65, 1, 41; 90, 1, 15; BGHZ 176, 175 Rn. 16. BVerfGE 97, 391, 398 f. Rn. 29; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 6; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I (2013), Art. 5 I, II Rn. 70. 49 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 7. 50 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 86. 51 BVerfGE 20, 162, 174 f. – Spiegel; Heins/Lefeldt, MMR 2021, 126, 127. 52 Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 16. 53 StRspr. BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth; vgl. 5, 85, 205; 12, 113, 125; 33, 1, 15; 42, 163, 169; 77, 65, 74; 10, 118, 121; 12, 205, 259 ff.; 20, 56, 97 f.; 20, 162, 174 f.; 27, 71, 81 f.; 35, 202, 222; 59, 231, 265 f.; 93, 266, 292; 102, 347, 363; 5, 85, 205; 107, 299, 329; 117, 244, 258. 54 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 39 f., 185 f. 55 Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 5 Rn. 37. 56 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 219 ff. 48

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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zugänglich macht.“57 Neben den typischerweise agierenden Akteuren wie dem Journalisten, dem Verleger und Herausgeber, unterliegen auch Personen dem Anwendungsbereich, die eine Hilfstätigkeit ausüben, die für das Funktionieren der Presse unerlässlich ist.58 Danach kann sogar ein Buchhalter in einem Presseunternehmen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt sein, wenn er beispielsweise Presseerzeugnisse vertreibt.59 Essenziell ist der Funktionszusammenhang der Tätigkeit mit der Ausübung der Pressefreiheit. Ebenso kann sich der Schutzumfang unter bestimmten Voraussetzungen auf juristische Personen erstrecken.60 Für ein Eingrenzen des sachlichen Schutzbereichs der Pressefreiheit ist der Begriff der „Presse“ zentral. Ausgehend von diesem Begriff ist der „Druck als körperliches Verbreitungsmedium“ bei einem Presseerzeugnis impliziert.61 Historisch bedingt knüpfte der Schutzbereich an das „gedruckte Wort“ an. Ein Presseerzeugnis ist danach ein „zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeignetes und bestimmtes Druckerzeugnis“.62 Mithilfe einer Negativabgrenzung können unter ein Druckerzeugnis „alle schriftlichen Vervielfältigungen und alle Informationsträger, die nicht unter Film- oder Rundfunkfreiheit fallen“, subsumiert werden.63 Als Folge der modernen und internetbasierten Kommunikationstechnologie fällt das gedruckte Wort zunehmend weg. Bieten traditionelle Presseakteure ihre Erzeugnisse neben der gedruckten Version auch online an, ist auch das Online-Angebot von der Schutzdimension umfasst.64 Die Frage danach, ob auch die elektronische Presse dem presserechtlichen Schutzbereich unterfällt, wurde bereits gerichtlich bejaht.65 Ebenso schützt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch neuartige und über die historische Erscheinungsform hinausgehende Ausprägungen.66 Insgesamt sind damit alle wesensmäßig mit der Pressearbeit zusammenhängenden Tätigkeiten geschützt – von der Beschaffung der Informationen, über das

57 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 220; Fechner, in: Stern/Becker, Grundrechte-Kommentar (2016), Art. 5 Rn. 206. 58 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 34; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 219 ff. 59 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 219, 222; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz (2020), Art. 5 Rn. 38. 60 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 34; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/ Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 229 f. 61 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 193; Grabenwarter, in: Dürig/ Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 239. 62 BVerfGE 95, 28, 35; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 239. 63 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 239. 64 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 269. 65 BVerwG, ZUM-RD 2016, 206, 207. 66 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 28; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Band I (2000), Art. 5 Rn. 30.

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Sammeln bis hin zur Verbreitung und Archivierung.67 Entgegen des ersten Vermutens sind sowohl der Inhalt als auch die Frage nach der Seriosität für das Einordnen in den Pressebegriff unerheblich.68 Das Nutzen des Internets als Verbreitungskanal allein genügt nicht, um automatisch der Pressefreiheit mit dem Argument des unbestimmten Adressatenkreises zu unterfallen.69 Stattdessen ist diese individuelle Kommunikation der Meinungsfreiheit zu zuordnen. Allerdings kann er Schutzbereich der Pressefreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei einem internetbasierten Blog und anderen bürgerjournalistischen Formen eröffnet sein, soweit sie meinungsbildende Inhalte mit einem unbestimmten Personenkreis teilen.70 Ferner obliegt es der Presse selbst, zu entscheiden, „worüber sie wann, wie lange und in welcher Form berichten“ wollen.71 cc) Rundfunkfreiheit Die Rundfunkfreiheit bildet ebenfalls einen wesentlichen Pfeiler im individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozess und ist „schlechthin konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung“.72 Garantiert wird die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Form von Hörfunk und Fernsehen.73 Ebenso wie bei der Pressefreiheit ist die Qualität des Inhalts für das Einordnen unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unbeachtlich.74 Aus historischen Wertungen ist dem Rundfunk insbesondere wegen seiner „Breitenwirkungen, Aktualität und Suggestivkraft“ eine besondere Bedeutung beizumessen.75 Zentraler Aspekt ist dabei die Gewährleistung, dass der Rundfunk staatsfern organisiert ist und autonom über die Gestaltung seines Programms entscheiden kann (Programmgestaltungsfreiheit).76 Geschützt als „Rundfunk“ ist nach dem Verfassungsrecht „die Veranstaltung von Darbietungen

67 BVerfGE 10, 118, 121; 20, 162, 176; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 17; Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Band I (2000), Art. 5 Rn. 33. 68 BVerfGE 34, 269, 283; Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 241. 69 Grabenwarter, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 245. 70 Fechner, in: Stern/Becker, Grundrecht-Kommentar (2016), Art. 5 Rn. 134. 71 BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 112 – Recht auf Vergessen I; vgl. BVerfGE 101, 361, 389 f.; 120, 180, 196 f. 72 BVerfGE 59, 213, 257; 57, 295, 319; 74, 297, 323. 73 Degenhart, in: Bonner Kommentar, GG (2017), Art. 5 Rn. 41; ausführlich dazu Dörr/ Schiedermair, Rundfunk und Datenschutz (2002), S. 10 ff. 74 BVerfGE 59, 231, 258; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 21. 75 BVerfGE 90, 60, 87; 119, 181, 215; 136, 9 Rn. 29; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 21. 76 Zur Staatsferne siehe BVerfGE 83, 238, 322 und zur Programmautonomie siehe BVerfGE 87, 181, 201; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 44; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 22.

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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aller Art für einen unbestimmten Personenkreis und deren Verbreitung mit Hilfe elektrischer Schwingungen“.77 Allerdings ist der Begriff „entwicklungsoffen“ gegenüber neuen Technologien zu verstehen.78 Unter den Schutzmantel der Rundfunkfreiheit fällt neben der Berichterstattung als solche auch die generelle Verbreitung bzw. Vermittlung von Informationen.79 Abgeleitet von der Entwicklungsoffenheit unterfallen auch neuartige Erscheinungsformen wie „PayTV“ in den Grundrechtsschutzbereich.80 Das BVerfG erkannte bereits an, dass es für den Rundfunkbegriff keine „ein für allemal gültige Definition“ gäbe.81 Insgesamt erstreckt sich der grundrechtliche Schutz auf alle „Tätigkeiten und Verhaltensweisen, die zur Gewinnung und rundfunkspezifischen Verbreitung von Nachrichten und Meinungen im weitesten Sinne gehören“.82 Gemeint sind damit Tätigkeiten, die im direkten Zusammenhang mit der Rundfunkfreiheit stehen – angefangen von dem Beschaffen der Informationen bis hin zum Veröffentlichen und Verbreiten.83 dd) Informationsfreiheit Von den Kommunikationsfreiheiten ist die Informationsfreiheit historisch gesehen die neueste Schutzdimension von Art. 5 Abs. 1 GG. Danach hat jeder das Recht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Eine Informationsquelle ist dann allgemein zugänglich, wenn sie für einen „individuell nicht bestimmbaren Personenkreis“ verfügbar ist.84 Gemeint sind damit vor allem „Zeitungen, der Radio- und Fernsehfunk und das Internet“.85 Als ein wesentliches Kernelement in der Demokratie sichert dieses Grundrecht den freien Informationszugang und den freien Austausch von Wissen. Dieses Grundrecht ist letztlich eine Reaktion auf vergangene staatliche Informationsbeschränkungen.86 Damit wird der Bedeutung Rechnung getragen, dass die Information als Basis und Voraussetzung des Meinungsbildungsprozesses fungiert.87 Ein weiterer Schutzaspekt ist die freie Informationswahl der Menschen über Gegenstand und Quelle der Informationen.88 77

Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 47. BVerfGE 74, 297, 350. 79 BVerfGE 57, 295, 319; 60, 53, 63; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 49. 80 Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 21. 81 BVerfGE 74, 297 Rn. 148; Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 40. 82 BVerfGE 121, 30, 58. 83 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 50. 84 BVerfGE 27, 71, 88; Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 13. 85 Sodan, Grundgesetz (2018), Art. 5 Rn. 13. 86 Schemmer, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 5 Rn. 23; Starck/ Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 102. 87 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 102. 88 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 103. 78

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Ebenso lässt sich daraus das Recht ableiten, über zentrale Aspekte informiert zu werden und sich selbst zu informieren.89 Dazu zählt auch das Suchen von Informationen im Internet oder das Fotografieren von Personen in der Öffentlichkeit.90 ee) Filmfreiheit An dieser Stelle sei anzumerken, dass der Filmfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 1 GG nur eine geringe Bedeutung beigemessen wird und sie stattdessen vielmehr dem Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 GG als eine Form von Kunst zugeordnet wird.91 Ähnlich wie beim Medium der Presse und des Rundfunks dient die Verbreitungsbzw. Herstellungsmethode als Kriterium zum Qualifizieren des Grundrechts. Ebenso lässt sich eine weitere Parallele zum Rundfunk ziehen, wonach der Inhalt für die Bestimmung des grundrechtlichen Schutzes irrelevant ist.92 ff) Grundrechtliche Bindungswirkung der Medienfreiheit Die Kommunikationsgrundrechte in Art. 5 Abs. 1 GG dienen in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte der Grundrechtsträger gegen die staatliche Gewalt.93 Aber nicht nur im vertikalen Verhältnis Bürger-Staat ist die Medienfreiheit essenziell, sondern auch in der horizontalen Beziehung zwischen Privaten. Die Grundrechtsdimension wirkt auch auf das privatrechtliche Gefüge ein. Ausdrücklich enthält Art. 5 Abs. 1 GG keine Drittwirkung. Zunächst könnte ein Herleiten mit dem Argument gerechtfertigt werden, dass bereits Art. 1 Abs. 3 GG eine grundrechtliche Bindung für richterliche Entscheidungen normiert und sich daraus letztlich sowieso eine Drittwirkung ableiten ließe.94 Diese Ansicht zur unmittelbaren Drittwirkung konnte jedoch nicht überzeugen.95 In der Literatur erfolgt die Herleitung mehrheitlich über die Konstruktion der „mittelbaren Drittwirkung“. Der Grundstein wurde in der bekannten Lüth-Entscheidung des BVerfG gelegt.96 In diesem Urteil erkannte das BVerfG an, dass die Grundrechte nicht nur im vertikalen Verhältnis gegenüber staatlichen Maßnahmen als subjektive Rechte wirken, sondern gleichzeitig eine objektive 89

BVerfGE 27, 71, 81; 27, 104, 108 f. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 25. 91 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 254. 92 Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 255. 93 Dabei handelt es sich um den sogenannten negativen Status nach Jellinek; Ipsen, Staatsrecht II (2019), S. 109 f.; Jobst, NJW 2020, 11; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Band I (2018), Art. 5 Rn. 267. 94 Schwabe, Die sogenannte Drittwirkung der Grundrechte (1971), S. 30, 47, 88 f.; ausführlich dazu Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten (2018), S. 34 f. 95 Guckelberger, JuS 2003, 1151. 96 BVerfGE 7, 198 ff. – Lüth. 90

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Wertordnung verkörpern, die in alle Rechtsbereiche und insbesondere auch in das Privatrecht ausstrahlt.97 Die Drittwirkung der Grundrechte strahlt vor allem über das Einfallstor auslegungsbedürftiger und unbestimmter Rechtsbegriffe der zivilrechtlichen Generalklauseln in das Verhältnis der Privaten aus.98 Grundrechte skalieren dabei den Wertungsmaßstab und bestimmen folglich die Auslegung des Rechts insgesamt.99 In der Entscheidungssache Lüth ging es um einen Eingriff in die Meinungsfreiheit, wonach Lüth zivilgerichtlich zum Unterlassen aufgefordert wurde, nachdem er zum Boykott gegen einen antisemitischen Film aufgerufen hatte. In der Abwägung im Rahmen der „allgemeinen Gesetze“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GG strahlten die Grundrechte mit ihrer Werteordnung in die zivilgerichtliche Entscheidungsfindung aus, die zugunsten der Meinungsfreiheit wirkten.100 Es ist die Aufgabe des Staates, den öffentlichen Kommunikationsprozess und seine Ordnung in funktionsfähiger Weise zu gewährleisten.101 Um diesen umfassenden Schutz gewährleisten zu können, bedarf es einer Ausweitung der grundrechtlichen Bindungswirkung auf das Verhältnis unter Privaten. Das BVerfG verfolgte in den jüngsten Entscheidungen einen neuen Ansatz.102 Eine grundrechtliche Bindung lasse sich bereits unmittelbar aus einer „speziellen Stellung“ eines Privaten in der Gesellschaft herleiten.103 Der unmittelbare Grundrechtsschutz könne sich bei Privaten dann herleiten lassen, wenn „sie in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat“.104 Ausführlicher wurde dieser Ansatz in der StadionverbotsEntscheidung aufgegriffen. Maßgeblich ist danach, wer in einer „spezifischen Konstellation“ aufgrund einer Machtausübung eine strukturelle Überlegenheit innehat.105 Aus dieser besonderen Stellung kann eine enorme Einflussnahme erwachsen, die eine unmittelbare Grundrechtsbindung – auch im Privatrechtverhältnis – begründen könnte. Der innovative Anknüpfungspunkt der „gesellschaftlichen Stellung“ kommt insbesondere bei Medien und Informationsintermediären wie den sozialen Netzwerken zum Tragen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser höchstrichterliche Denkanstoß durchsetzen wird.

97

BVerfGE 7, 198 ff. Rn. 25 f. – Lüth. BVerfGE 7, 198, 203 f. – Lüth; Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten (2018), S. 49. 99 BVerfGE 7, 198 ff. Rn. 26 – Lüth. 100 Jobst, NJW 2020, 11, 11. 101 BVerfGE 7, 198, 208 – Lüth. 102 Jobst, NJW 2020, 11 f.; BVerfGE 128, 226 – Fraport; BVerfG, NJW 2015, 2485 – Bierdosen-Flashmob. 103 Jobst, NJW 2020, 11, 11. 104 BVerfG, NJW 2015, 2485 Rn. 6. 105 Jobst, NJW 2020, 11, 16. 98

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

d) Zwischenfazit Von besonderer Bedeutung für die Medien ist Art. 11 Abs. 2 GRCh aus dem europäischen Grundrechtekatalog, der die Medienfreiheit als solche ausdrücklich regelt. Auf europäischer Ebene sind die medialen Freiheiten als ein einheitliches und damit medienübergreifendes Grundrecht konzeptioniert. In der praktischen Anwendung ermöglicht diese Gestaltungsweise eine vereinfachte Handhabung insbesondere im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, die dann bereits vom grundrechtlichen Raster miterfasst sind. Ebenso sind nach Art. 10 EMRK die Kommunikationsfreiheiten und insbesondere die Meinungsfreiheit geschützt. Der mediale Schutzumfang ist als Teilgewährleistung des Rechts auf Schutz des Privatlebens zu verstehen. Im Vergleich zur EMRK-Regelung ist der Grundrechtsschutz im Bereich der Medienfreiheiten aus dem nationalen Verfassungsrecht weiter gefasst. In Art. 5 Abs. 1 GG sind neben der Meinungsfreiheit noch die Presse-, Rundfunk-, Informations- und Filmfreiheit verankert. Entgegen der konventionsrechtlichen Regelung ist der Schutz der Medienfreiheiten im deutschen Verfassungsrecht nicht als ein einheitliches Grundrecht für den gesamten Medienbereich konzipiert. 2. Recht auf Datenschutz Auf den Grundpfeilern des Schutzes der personenbezogenen Daten nach Art. 8 GRCh, der Achtung des Privatlebens nach Art. 7 GRCh, des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erhebt sich die grundrechtlich geschützte freie Entfaltung der persönlichen Kommunikation.106 Im ersten Schritt soll der Schutzumfang auf europäischer Ebene dargestellt werden und anschließend auf nationaler Ebene näher betrachtet werden. a) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK Der Schutz der Privatsphäre auf konventionsrechtlicher Ebene wird in Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistet, wonach ein Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens besteht. Darüber hinaus lassen sich zwei weitere Schutzbereiche aus der facettenreichen Norm ableiten: die Achtung der Wohnung und der individuellen Kommunikation.107 Insgesamt erstreckt sich das Grundrecht auf eine Vielzahl an Schutzgütern, allerdings soll nachfolgend vorwiegend der partielle Schutz betreffend der Privatsphäre dargestellt werden. Der Schutzumfang von Art. 8 Abs. 1 EMRK ist nicht abschließend statuiert, sondern unterliegt der richterlichen Rechtsfortbildung

106 107

Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, DSGVO (2019), Art. 85 Rn. 1. Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 10.

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durch den EGMR.108 Vor dem Inkrafttreten der GRCh bis zum Jahr 2009 übte allein die Rechtsprechung des EGMR auf Grundlage von Art. 8 EMRK einen datenschutzrechtlichen Einfluss auf das unionale Verständnis des EuGH eines anfänglichen Datenschutzes aus.109 Ausgangspunkt ist der Schutz des Privatlebens eines Individuums. Von einer konkreten Definition der Privatsphäre wurde wegen einer vermuteten Konturlosigkeit bewusst abgesehen.110 Allgemein zielt der Schutzumfang auf die freie Entwicklung der Persönlichkeit ab.111 Der Schutzbereich des Privatlebens basiert auf zwei Säulen: zum einen auf dem aktiven Schutz der persönlichen Selbstbestimmung und zum anderen auf dem passiven Schutz vor Eingriffen durch den Staat oder Private in die individuelle Privatsphäre.112 Aus dem Konventionsrecht ergibt sich zudem eine staatliche Schutzpflicht, bei der die Schutzgüter durch ein aktives Tun des Staates geachtet werden müssen.113 Statt eine Befugnis des Einzelnen zu gewährleisten, frei über seine Daten bestimmen zu dürfen, zielt der in Art. 8 EMRK gesicherte Schutz darauf ab, Verletzungen der Privatheit durch Datenverarbeitungen mit einem besonderen Risikobzw. Gefährdungspotential bereits im Vorfeld zu verhindern.114 Originär ist der Schutz der personenbezogenen Daten in Art. 8 EMRK nicht verankert. Die weite Auslegung des Privatlebens erlaubt es jedoch, die datenschutzrechtliche Dimension mit in den Schutzbereich des Privatlebens aufzunehmen.115 Nach dem Gerichtshof ist ein enger Zusammenhang zwischen der Privatsphäre und der eigenen Informationen zusehen: „(…) angesichts des technischen Fortschritts (ist) bei der Aufzeichnung und Wiedergabe personenbezogener Daten eine verstärkte Wachsamkeit beim Schutz des Privatlebens geboten“.116 Für den Schutzbereich von Art. 8 EMRK muss zunächst ein Bezug zwischen den verarbeiteten Daten und dem Privatleben des Betroffenen vorliegen.117 Handelt es sich um personenbezogene Daten, betreffen diese aber nicht den Bereich des Privatlebens der Person, ist der konventionsrechtliche Schutzbereich nicht eröffnet. In seiner Rechtsprechung setzt der EGMR am Informationsgehalt der Daten an.118 Neben Informationen über das Privatleben unterliegen dem Schutzbereich auch diejenigen 108

Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 25 Rn. 1. Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 7. 110 EGMR, NJW 1993, 718 Rn. 29 – Niemietz vs. Germany („weder möglich noch notwendig“); EGMR, NJW 2004, 2505 Rn. 69 – van Kück; EGMR, 25. September 2001, Nr. 44787/98 Rn. 56 – P. G. & J. H. vs United Kingdom; Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 8 f. 111 Marauhn/Meljnik, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG (2006), Kap. 16 Rn. 26. 112 Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 26 Rn. 1. 113 Peters/Altwicker, Europäische Menschenrechtskonvention (2012), § 25 Rn. 8. 114 Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 4. 115 EGMR, BeckRS 2014, 8755 Rn. 41 – von Hannover vs. Germany. 116 EGMR, BeckRS 2004, 6032 Rn. 70 – Caroline von Hannover vs Germany. 117 Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 9. 118 Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 9. 109

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Daten, die systematisch über eine Person gesammelt und anschließend in Dateien oder Akten gespeichert sind.119 Insbesondere das systematische Datensammeln durch den Staat unterliegt dem Anwendungsbereich.120 Ein Eingriff in dieses Grundrecht liegt dann vor, wenn eine Maßnahme beeinträchtigend auf das Privatleben wirkt. Beispielsweise aufgrund einer Datenerhebung bzw. -verarbeitung kann die Privatsphäre des Betroffenen verletzt sein.121 Bei einem staatlichen Eingriff muss eine Schwelle der Intensität des Eingriffs überschritten werden.122 Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK kann ein Eingriff entsprechend des „Dreiklangs“ – gesetzliche Grundlage, legitimes Ziel und Verhältnismäßigkeit – gerechtfertigt sein.123 Umso größer der Erfassungsrahmen von gespeicherten Daten bei einer Behörde ist, desto höher müssen die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen für diese betroffenen Daten gesetzt werden. Das Veröffentlichen von Informationen aus dem Privatleben kann beispielsweise dann gerechtfertigt sein, wenn es „zur öffentlichen Diskussion über Fragen von allgemeinem Interesse beiträgt“.124 Für die Abwägung wurden weitere Kriterien herausgearbeitet. Danach sind auch „der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Information erlangt worden sind und deren Richtigkeit“ zu berücksichtigen.125 b) Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRCh Das Pendant zum konventionsrechtlichen Art. 8 EMRK bildet der wortgleiche Art. 7 GRCh. Sein Schutzmechanismus hat nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh die gleiche Bedeutung und Tragweite.126 Für den Schutzbereich des Art. 7 GRCh kann daher im Wesentlichen auf die Ausführungen zu Art. 8 EMRK verwiesen werden. Das Grundrecht umfasst sowohl den Schutz des Privatlebens als auch den Schutz der Kommunikation. Als eine Ausprägung des Privatlebens wird die Sphäre des Privaten vor äußeren Eingriffen geschützt. Im Wesentlichen fallen sowohl die persönliche Selbstbestimmung als auch die persönliche Entwicklung in den Schutzbereich von 119

Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention (2009), § 22 Rn. 26; Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 11. 120 Pätzhold, in: Karpenstein/Mayer, EMRK (2015), Art. 8 Rn. 28. 121 Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 11. 122 Paefgen, Der von Art. 8 EMRK gewährleistete Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte im Internet (2017), S. 198. 123 Ausführlich dazu siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention (2009), § 22 Rn. 32 ff. 124 EuGH, EuR 2004, 276 Rn. 85, 88 – Österreichischer Rundfunk; Jarass, GRCh (2021), Art. 7 Rn. 39. 125 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; vgl. EGMR, NLMR 2017, 264 – Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy/Finnland. 126 Jarass, GRCh (2021), Art. 7 Rn. 1.

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Art. 7 GRCh.127 Die dimensionale Wirkkraft erstreckt sich auf das Recht, sich zurückzuziehen und vor äußeren Einflüssen abgeschirmt zu sein, um die eigene Persönlichkeit frei entfalten zu können.128 Damit werden ebenso Informationen geschützt, die das Privatleben betreffen – „unabhängig davon, ob sie einen sensitiven Charakter haben“.129 Ein Eingriff in die Achtung des Privatlebens liegt immer dann vor, wenn in die Privatsphäre des Betroffenen eingedrungen wird. Typischerweise wäre eine Durchsuchung einer Person als Eingriff in ihr Recht aus Art. 7 EMRK zu werten. Ebenso kann ein Zugriff auf Informationen über die persönlichen Aspekte das Recht des Einzelnen verletzen, ohne dass er einen Nachteil aus dem konkreten Eingriff erleiden muss.130 Allerdings sind Einschränkungen des Grundrechts möglich nach Art. 52 Abs. 1 GRCh, wonach die Regelungen des Art. 8 EMRK maßgeblich und damit auch die Schrankenvorbehalte aus Art. 8 Abs. 2 EMRK anwendbar sind. c) Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 GRCh Auf gesamteuropäischer Ebene ist der Schutz der personenbezogenen Daten erstmals ausdrücklich in Art. 8 Abs. 1 GRCh gesichert. Seinen Ursprung findet Art. 8 GRCh in Art. 16 AEUV (ehemals Art. 286 AEUV), DSRL, Art. 8 EMRK, Datenschutzkonvention des Europarates131 und Verordnung (EG) Nr. 45/2001.132 Die sekundärrechtliche DS-GVO dient als weitere Konkretisierung des Grundrechts aus der GRCh.133 Der Datenschutz erfuhr durch diese grundrechtliche „Einkleidung“ innerhalb des europäischen Rechts die Anerkennung als eigenständiges Grundrecht, das mit einer Vorreiterfunktion einhergeht. Im Wesentlichen wurde das Risikopotential des technologischen Fortschritts gegenüber den Individuen erkannt und damit der Bedeutung des Datenschutzes auf gesamteuropäischer Ebene für die Zukunft Rechnung getragen.134 Nach Art. 8 Abs. 1 GRCh hat jede Person das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten. Es wurde ein einklagbares Recht für die Betroffenen geschaffen.135 127

EGMR, NVwZ 2011, 482 Rn. 53 – Schüth. Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 7 Rn. 15. 129 EuGH, NJW 2014, 2169 Rn. 33 – digital rights; Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 7 Rn. 15. 130 Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 7 Rn. 28. 131 Datenschutzkonvention des Europarates vom 28. Januar 1981 (Übereinkommen 108), BGBl. 1985 II, 539. 132 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte vom 14. Dezember 2007, ABl. 2007 C-303/ 20; Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 8 Rn. 1; Johlen, in: Stern/Sachs (2016), GRCh, Art. 8 Rn. 8 ff. 133 Jarass, GRCh (2021), Art. 8 Rn. 5; Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 11. 134 Johlen, in: Stern/Sachs (2016), GRCh, Art. 8 Rn. 1 f. 135 Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 8 Rn. 2. 128

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

In Abs. 2 wird konkretisiert, dass „diese Daten nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden (dürfen)“. Zur Durchsetzung dieser Rechte wird den Betroffenen ein Auskunfts- und ggf. ein Berichtigungsanspruch über die sie betreffenden erhobenen Daten geboten. Der Schutzbereich bezieht sich explizit auf „personenbezogene Daten“, die im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen über eine identifizierte oder identifizierbare Person meint. Im Gegensatz zu Art. 7 GRCh greift Art. 8 GRCh darüber hinaus auch bei personenbezogenen Informationen, die außerhalb der Sphäre des Privatlebens liegen.136 Geschützt wird danach beispielsweise auch die IP-Adresse.137 Maßgeblich für den Anwendungsbereich ist der personelle Bezug des Datums. Nach Art. 8 GRCh wird ein Anspruch auf einen „angemessenen gesetzlichen Datenschutz“ gewährt.138 Jegliches Erheben, Speichern oder Verwenden der Daten fällt umfassend unter den Begriff der Verarbeitung.139 Der Schutzgehalt des datenschützenden Grundrechts besteht darin, dem Einzelnen die Befugnis zu geben, selbst darüber entscheiden zu können, ob und welche Daten er für welche bestimmten Verwendungszwecke preisgeben möchte.140 Der Betroffene soll in Kenntnis aller Umstände die Gefährdungslage für seine personenbezogenen Daten abschätzen können und auf dieser Grundlage eine selbstbestimmte Entscheidung fällen können. Damit ist der Grundsatz der Zweckbindung der Datenverarbeitung als wesentlicher Schutzmechanismus ausdrücklich in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 GRCh verankert. Ein Eingriff in das Grundrecht liegt vor, sobald personenbezogene Daten ohne Ermächtigungsgrundlage (Einwilligung) verarbeitet werden, d. h. wenn die Informationen im Wege einer Erhebung, Verwendung, Speicherung, Weitergabe oder Löschung „angefasst“ werden.141 Unter gewissen Umständen können Eingriffe in das Datenschutzgrundrecht jedoch gerechtfertigt sein. Wie in Art. 8 Abs. 2 GRCh statuiert, kann ein Grundrechtseingriff gerechtfertigt sein, wenn die Beeinträchtigung auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und sowohl ein legitimes Ziel als auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. So ist eine Datenverarbeitung dann nicht als Eingriff zu werten, wenn vor dem Eingriff eine wirksame Einwilligung in Kenntnis der Sachlage erteilt wurde.142

136

Generalstaatsanwalt Villalón, Schlussanträge vom 12. Dezember 2013 – C-293/12, Celex-Nr. 62012CC0293 Rn. 64 – digital rights. 137 EuGH, MMR 2012, 174 Rn. 51 – Scarlet. 138 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476; Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht (2018), S. 127 ff. 139 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4 (2009), 7. Kapitel Rn. 1380. 140 Frenz, Handbuch Europarecht, Band 4 (2009), 7. Kapitel Rn. 1380. 141 Jarass, GRCh (2021), Art. 8 Rn. 9. 142 Deutscher Bundestag, Ausarbeitung vom 23. August 2013, PE 6-3000-92/13, S. 16 m. w. N.

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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d) Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Im deutschen Verfassungsrecht dient das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als erster Anhaltspunkt für einen datenschutzrechtlichen Schutzmantel. Seinen Ursprung findet das Grundrecht im bekannten Volkszählungsurteil aus dem Jahr 1983.143 In dieser Entscheidung wurde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde etabliert. Die Herleitung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung erfolgt dementsprechend über Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Der Anlass für eine gerichtliche Entscheidung waren anhaltende Proteste im Jahr 1982 in Bezug auf ein damals verabschiedetes „Volkszählungsgesetz“, das als Grundlage für die bevorstehende Volkszählung dienen sollte. Das BVerfG erkannte das Bedürfnis des Einzelnen, frei und selbstbestimmt über seine personenbezogenen Daten verfügen zu können und entwickelte daraufhin Grundsätze, um das Individuum „gegen (die) unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten“ zu schützen.144 Konkret lässt sich daraus ableiten, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung „die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“ gewährleistet.145 Insbesondere sollen staatliche Eingriffe in die persönliche Datenautonomie mit diesem grundrechtlich gewährten Schutzumfang abgewehrt werden.146 Sinn und Zweck des Schutzes der eigenen Daten ist letztlich die freie Entfaltung der Persönlichkeit.147 Das Persönlichkeitsrecht wird dahingehend erweitert, dass der Schutzbereich vorverlagert wird, indem bereits das unbefugte Verwenden von Daten im Vorfeld zu einer konkreten Persönlichkeitsverletzung führen kann.148 Innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kommt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als eigene Ausprägung insgesamt eher eine „ergänzende Funktion“ zu.149 Geschützt werden damit nicht die Daten selbst, sondern die Personen hinter den Daten.150

143

BVerfGE 65, 1 – Volkszählung. BVerfGE 65, 1, 42 Rn. 149 – Volkszählung. 145 BVerfGE 65, 1, 42 Rn. 149 – Volkszählung. 146 Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 2 Abs. 1 Rn. 189 f.; Rudolf, in: Merten/Papier, Grundrechte-HdB IV, § 90 Rn. 26 ff.; Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 2 Rn. 45. 147 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 85. 148 Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 2 Abs. 1 Rn. 45. 149 BVerfG, NJW 1987, 2805; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG (2021), Art. 2 Abs. 1 Rn. 166; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 81. 150 Lauber-Rönsberg, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht (2019), § 22 Rn. 3. 144

188

E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

Ein Eingriff in das Grundrecht liegt unabhängig von der Aussagekraft oder der Sensibilität der Daten vor.151 Bereits im Volkszählungsurteil stellte das BVerfG fest, dass es kein „belangloses Datum“ mehr gebe.152 In der Zusammenschau und Kombination mehrerer Daten potenzieren sich neue Inhalte, so dass nahezu jeder Information eine Bedeutung beigemessen werden kann. Die Besorgnis über einen unkontrollierten Umgang mit persönlichen Daten wurde vor allem durch die automatisierte Datenverarbeitung als Folge der zunehmenden Technisierung ausgelöst.153 Die Verknüpfung riesiger Datenmengen (Big Data) ermöglicht das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen, die Rückschlüsse auf das Individuum zulassen. Hinzukommt eine unerschöpfliche Speicher- und Verbreitungsmöglichkeit im Internet. Als Folge dieser „dysfunktionalen (und unkontrollierbaren) Weitergabe“ der Daten wird die Privatsphäre des Betroffenen verletzt.154 Dieses Gefährdungspotential für das Persönlichkeitsrecht gilt es zu minimieren, um die Entfaltung der Persönlichkeit nicht zu behindern. Ansonsten würde auch das „Recht auf Teilhabe am Prozess demokratischer Willensbildung und Entscheidung“ unterlaufen werden und damit ganz wesentlich die Selbstbestimmung des Einzelnen als essenzielle Grundvoraussetzung des demokratischen Prozesses.155 Mit der Ausgangsidee, dass alle Daten gleich schützenswert sind, kann die vom BVerfG entwickelte Sphärentheorie im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Anwendung finden.156 Nach der Sphärentheorie werden drei Stufen (Sozial-, Privat- und Intimsphäre) je nach Eingriffsintensität unterschieden, die jeweils einer anderen Rechtfertigung bedürfen.157 Diese Herangehensweise kann nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung adaptiert werden, da eine Abstufung und Qualifizierung betroffener Daten nicht möglich ist. Beispielsweise kann der Information eines Namens je nach gesetztem Kontext eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen werden: ob der Name in einem Telefonbuch oder in einem Verzeichnis über Grundstückseigentümer zu finden ist, kann als ein anderer Inhalt zu Tage kommen.158 Der gewährte Schutz der Daten erstreckt sich nicht in extenso auf alle Daten. Erforderlich ist der personelle Bezug zum Datum. Das ist der Fall, wenn die Daten, 151

Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 21. BVerfGE 65, 1, 45 Rn. 152 – Volkszählung; BVerfG, BeckRS 2018, 37186 Rn. 38; Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 2 Rn. 45a. 153 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 83. 154 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 86. 155 BVerfGE 65, 1, 42 Rn. 148 – Volkszählung; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 84 f.; Kübler, in: Simon/Weiss, Zur Autonomie des Individuums (2000), S. 209, 221. 156 Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 21. 157 Vgl. BVerfGE 32, 373, 378 f.; ausführlich dazu Alexy, Theorie der Grundrechte (1986), S. 327 ff. 158 Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 21. 152

I. Schutzbereiche der kollidierenden Grundrechte

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die eine Information für einen anderen mehr als eine Art Erkenntnisgewinn bringen. Nicht vom Datenschutz bezweckt ist hingegen eine totale und nicht einschränkbare Verfügungsmacht über die eigenen Daten.159 Statt eigentumsähnliche Verhältnisse zu regeln, versucht der Datenschutz vielmehr einen Teilaspekt der Kommunikationsordnung zu regeln und nicht eine Informationsminimierung anzustreben.160 Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten ist trotz seiner essenziellen Bedeutung nicht uneingeschränkt geschützt.161 Im Einzelfall muss daher eine Einschränkung bei einem überwiegenden Allgemeininteresse hingenommen werden.162 Die konkrete Einschränkbarkeit des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist aufgrund der zweipoligen Einflüsse von einerseits Art. 1 Abs. 1 GG und andererseits Art. 2 Abs. 1 GG umstritten. Die Schranken der beiden Ursprungsgrundrechte unterscheiden sich dahingehend, dass Art. 1 Abs. 1 GG wegen der „unantastbaren Menschenwürde“ keinerlei Schranken unterliegt, wohingegen für die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG die Schrankentrias gelten. Konsens besteht im Schrifttum dahingehend, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht wegen seines starken Bezugs zur Handlungsfreiheit grundsätzlich der Schrankentrias aus Art. 2 GG unterworfen ist, allerdings in einer „abgeschwächten“ Form aufgrund des Einflusses von Art. 1 Abs. 1 GG. Danach sind an die Eingriffe erhöhte Anforderungen zur Rechtfertigung zu stellen.163 e) Grundrechtliche Bindungswirkung unter Privaten In erster Linie wirken die Datenschutz-Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers vor staatlichen Eingriffen. Ein besonderes Gefährdungspotential besteht, wenn behördliche Stellen personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und speichern. In der modernen Zeit der Informationstechnologie droht den persönlichen Daten des Einzelnen darüber hinaus ein vermehrter Eingriff in seinen Schutzbereich im privaten Bereich. Bei Art. 8 GRCh spielt insbesondere das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten unter Privatleuten eine bedeutende Rolle, wie beispielsweise bei Suchmaschinenvorgängen im Internet.164 Die Frage nach der mittelbaren Drittwirkung ist in der GRCh nicht geregelt. Ausdrücklich enthält das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entsprechend seiner kombinierten Konstruktion nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch keine unmittelbare Drittwirkung. Historisch bedingt zielte das Grundrecht 159

BVerfGE 65, 1, 44 Rn. 149 – Volkszählung. Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 23. 161 Specht/Bienemann, in: Sydow (2018), Art. 85 Rn. 1. 162 BVerfGE 34, 238, 248 – Tonbandaufnahmen; 65, 1, 44 – Volkszählung; 67, 100, 143; 78, 77, 85; 84, 239, 279 f.; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 97. 163 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 98. 164 EuGH, EuZW 2014, 541 Rn. 69, 71, 81, 97, 99 – Google Spain; Jarass, in: Jarass, GRCh (2021), Art. 8 Rn. 3. 160

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

zunächst darauf ab, den Einzelnen gegen Datenerhebungen und -verarbeitungen durch den Staat selbst oder seine Behörden zu schützen.165 Im Vordergrund steht neben dem objektiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalt des grundrechtlichen Schutzes vermehrt auch das subjektive Recht des Einzelnen.166 Dem Staat obliegt die Verpflichtung, das Persönlichkeitsrecht durch geeignete Rahmenbedingungen zu schützen.167 Der individuelle Schutz einer Person ist nicht nur gegenüber staatlichen Stellen unabdingbar sondern auch unter privaten Bürgern von grundlegender Bedeutung.168 Der Grundrechtsschutz wirkt folglich auch umfassend gegenüber Privaten.169 Die mittelbare Drittwirkung entfaltet sich vor allem im Wege der Auslegung des einfachen Rechts.170 Durch das Konstrukt der mittelbaren Drittwirkung öffnet sich ein „Schleusentor“, damit der Grundrechtsschutz in zivilrechtliche Streitigkeiten einfließen kann. Ein Grund für das Ausweiten des Grundrechtsschutzes liegt darin, dass sich eine Datenpreisgabe zunehmend als Voraussetzung für die Teilhabe am wirtschaftlichen Leben darstellt.171 Nach dem BVerfG wirkt der grundrechtlich gewährte Schutzumfang als „verfassungsrechtliche Wertentscheidung und ,Richtlinie‘ in das Zivilrecht“ ein.172Auf welchen konkreten Wirkungskreis sich die mittelbare Grundrechtsdimension erstreckt, ist eine Frage des Schutzbedarfes im konkreten Einzelfall.173 f) Zwischenfazit Insgesamt besteht im Konventionsrecht kein ausdrückliches Grundrecht für den Schutz personenbezogener Daten. Stattdessen wird aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK ein Schutz für die personenbezogenen Daten abgeleitet. Die Schutzdimension erstreckt sich folglich auf den Schutz des Privatlebens, so dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet werden soll. Dagegen ist in Art. 8 GRCh das Recht auf Datenschutz ausdrücklich als eigenes Grundrecht anerkannt. Diese grundrechtliche Einkleidung auf europäischer Ebene symbolisiert den enormen Bedeutungszuwachs des Schutzes der personenbezogenen Daten für 165

BVerfGE 65, 1, 42 f – Lüth; BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 85 – Recht auf Vergessen I. Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten (2002), S. 32; Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten (2018), S. 66. 167 Murswiek/Rixen, in: Sachs, Grundgesetz (2018), Art. 2 Rn. 122. 168 Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten (2018), S. 66 f. 169 Knebel, Die Drittwirkung der Grundrechte und -freiheiten gegenüber Privaten (2018), S. 66 f. 170 BVerfG, NJW 2018, 1667, 1668. 171 BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 85 – Recht auf Vergessen I. 172 BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 76 f., 86 – Recht auf Vergessen I. 173 BVerfG, NJW 2018, 1667, 1668; Wissenschaftlicher Dienst, Dokumentation vom 05. Oktober 2020, WD 3-3000-223/20, S. 3. 166

II. Kollision und Abwägung der Schutzgüter

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die Zukunft als eigenständiges Schutzgut. Im Grundsatz soll es jedem selbst überlassen sein, inwiefern und inwieweit er seine Daten offenbaren möchte. Im deutschen Verfassungsrecht etablierte das BVerfG in der bekannten Volkszählungentscheidung das Konstrukt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Danach hat jeder das Recht, frei über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu verfügen.

II. Kollision und Abwägung der Schutzgüter Bei dem Verarbeiten von Daten zu journalistischen Zwecken kommt es zu einer verfassungsrechtlichen Spannung, die in einer Kollision mündet: Einerseits die Gewährleistung der Datensouveränität mittels des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten und andererseits die Kommunikationsfreiheiten, die im Grundsatz auf einer freien Datenverwendung beruhen.174 Nach Art. 85 Abs. 1 DSGVO sind die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Schutzgüter in einen Ausgleich zu bringen. Die zwei sich widerstreitendenden Interessenslagen müssen in einer Abwägung angemessen berücksichtigt werden. Wie sich bereits aus Art. 85 DSGVO in Verbindung mit dem Erwägungsgrund 153 ergibt, ist das Spannungsverhältnis im Wege der „praktischen Konkordanz“175 aufzulösen. Das bedeutet, dass beide Grundrechtspositionen in einen schonenden Ausgleich miteinander gebracht werden müssen. Der Kern des Medienprivilegs liegt daher weniger in einem Privilegieren, sondern in einem Ineinklangbringen zweier Grundrechte.176 Grundsätzlich wird dabei keinem Grundrecht per se ein Vorrang gewährt. Die Medienfreiheit darf allerdings nicht im Wege des Abwägungsprozesses gänzlich ausgehöhlt werden. 1. Europäische Einflüsse auf den Abwägungsprozess Die Mitgliedstaaten erhalten vom Unionsgesetzgeber keine konkrete Anleitung für das Auflösen des Spannungsgeflechts der konträren Rechtspositionen. Folglich besteht ein gewisser Spielraum für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung – jedoch unter Aufsicht des EuGH.177 Begrenzt wird der mitgliedstaatliche Spielraum für staatliche Eingriffe durch wesentliche Prinzipien wie das Übermaß- und Untermaßverbot.178 Dieser Grundsatz dient im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung als mittelwertbildender Maßstab. Für einen sachgerechten Ausgleich sind im ersten Schritt die Abwägungsdeterminanten gegenüberzustellen, um das Verhältnis von 174

Lauber-Rönsberg, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht (2019), § 22 Rn. 1. 175 Dazu Schladebach, Der Staat 53 (2014), 263 ff. 176 Damm, AfP 1990, 7 ff. 177 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 178 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476; Specht/Bienemann, in: Sydow (2018), Art. 85 Rn. 17; Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016), S. 293.

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

datenschutzrechtlichen und meinungsrechtlichen Elementen des entsprechenden Kommunikationsbeitrags zu gewichten. Im zweiten Schritt muss der Frage nachgegangen werden, inwiefern dieser Beitrag für die demokratische Gesellschaft von Bedeutung ist und damit eine Freistellung des Datenschutzpflichtenkanons begründet aber gleichzeitig auch erforderlich ist.179 In seiner Rechtsprechung hat der EGMR bereits mehrmals die Pressefreiheit dem Persönlichkeitsrecht eines Betroffenen gegenübergestellt.180 Der EGMR betonte mehrfach die besondere Bedeutung der Pressefreiheit wegen ihrer essenziellen Funktion innerhalb einer Demokratie.181 Dabei konnte der Gerichtshof bereits eine Reihe von Abwägungskriterien für die Abwägung zwischen den Medienfreiheiten und dem Persönlichkeitsrechtsschutz entwickeln. Speziell für die Pressefreiheit dient die Rechtsprechung des EGMR als besondere Erkenntnisquelle.182 Zu berücksichtigen ist danach, ob der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse ist sowie der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind und deren Richtigkeit.183 Des Weiteren sollte die Eventualität berücksichtigt werden, dass datenschutzrechtliche Maßnahmen umgesetzt werden, die das Ausmaß eines Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre schmälern. Ebenso wirkt sich ein höherer Bekanntheitsgrad einer Person senkend auf die Anforderungen der Datenverarbeitung aus.184 In der richterlichen Rechtspraxis lassen sich bestimmte Tendenzen im Abwägungsprozess zwischen der Meinungs-, Presse-, Rundfunk- und Informationsfreiheit und des Rechts zum Schutz personenbezogener Daten erkennen. Ausdrücklich hat sich der EuGH zwar bis dato nicht positioniert, inwiefern er eine Gewichtung für vorzugswürdig hält.185 Auf Grundlage der bisherigen europäischen Rechtsprechung lässt sich dem EuGH aber eine eher datenschutzfreundliche und dem EGMR dagegen eine eher meinungsfreundliche Neigung nachsagen.186

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Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. Hennemann, in: Specht/Mantz, Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 5; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 11 ff. 181 Hennemann, in: Specht/Mantz, Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 5; v. Lewinski, in: Auernhammer, DS-GVO (2020), Art. 85 Rn. 5. 182 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 9. 183 EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 66 – Buivids; EGMR, NLMR 2017, 264 – Satakunnan Markkinapörssi Oy vs Satamedia Oy/Finnland. 184 EuGH, EuZW 2004, 245 – Lindqvist. 185 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 9. 186 v. Lewinski, in: Auernhammer (2020), Art. 85 Rn. 4 f.; Weichert, in: Däubler/Wedde/ Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 3. 180

II. Kollision und Abwägung der Schutzgüter

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2. Verfassungsrechtlicher Abwägungsprozess Nach deutschem Verfassungsrecht stehen sich die Medienfreiheiten aus Art. 5 Abs. 1 GG und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unmittelbar gegenüber. Beide Grundrechtspositionen bezwecken den Schutz des Einzelnen zur freien Selbstentfaltung.187 Ein umfassender Schutz der individuellen Entwicklungsfreiheit ist nur dann wirksam, wenn keine Sorge darüber entsteht, dass jegliche Informationen über die eigenen Verhaltensweisen in einem permanenten Speichern und/oder Verarbeiten münden.188 Der Schutz beider Grundrechtspositionen ist in der freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft fundamental.189 Das grundrechtlich verankerte Spannungsverhältnis zwischen Datenminimierung und Datenvielfalt wird nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz aufgelöst. Dieses Prinzip beruht auf einer einheitlichen Betrachtungsweise des Grundgesetzes, wonach jedes Grundrecht im Gesamtkontext aller Grundrechte stehe und entsprechend interpretiert werden muss.190 Ziel ist es, die Einschränkung für beide Grundrechtspositionen so gering wie möglich zu gestalten, um im Umkehrschluss die bestmögliche Entfaltung zu erreichen. Das BVerfG betonte mehrfach, dass ein Ausgleich im Rahmen einer Interessensabwägung nur im Einzelfall erfolgen kann.191 Beim Abwägungsprozess ist ein weiter Maßstab anzulegen. Bei der Frage nach dem journalistisch-redaktionellen Zweck ist entscheidend, um welche Art von Daten es sich handelt, ob die Daten als sensitiv einzustufen sind, wie groß das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung ist und wie aktuell die Informationen sind.192 In der modernen Medienlandschaft haben sich darüber hinaus neue Problemfelder gebildet. Ein Faktor ist das verschärfte Konkurrieren aller Medien um die Leserschaft. Um sich auf dem Markt zu profilieren und entsprechende Marktanteile zu sichern, wird für eine Berichterstattung zunehmend die Eingriffsintensität in den Persönlichkeitsbereich erhöht.193 Ein Skandalisieren als Folge des Wettbewerbs der Medien untereinander ist keine Seltenheit.194 Gleichzeitig verstärken die neuen Medienformen und insbesondere die Nutzung der informationskommunikativen Technik das Gefährdungspotential für die personenbezogenen Daten des Einzelnen.195 Ein Instru-

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Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 47. Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 47. 189 BVerfGE 35, 202, 207 – Lebach. 190 BVerfGE 28, 243, 261; 30, 1, 12, 18 ff.; 30, 173, 183; Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 122. 191 BVerfGE 30, 292, 316; 71, 206, 214; 77, 65, 75; Kloepfer, AfP 2000, 511, 514. 192 Weichert, in: Däubler/Wedde/Weichert/Sommer, EU-DSGVO und BDSG (2018), Art. 85 Rn. 10; EuGH, EuZW 2014, 541 – Google Spain. 193 Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 91. 194 Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB (Stand 2021), § 12 Rn. 281. 195 Lazarakos, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2003), S. 91. 188

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

ment zur Eindämmung von Persönlichkeitsverletzungen wird durch das Voraussetzen der „presserechtlichen Sorgfalt“ bereits im Vorfeld eingesetzt.196 Mediale Publikationen verletzen die Befugnis des Einzelnen, über die Verwendung seiner personenbezogenen Daten frei verfügen zu können. Damit steht eine Verbreitung von persönlichen Informationen grundsätzlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung entgegen.197 Greift die mediale Berichterstattung in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein, so prüft das BVerfG, inwiefern „der Eingriff in die Privatsphäre nach Art und Reichweite durch das Veröffentlichungsinteresse gefordert wird, und schließlich, ob der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht“.198 Der Maßstab zulässiger Kritik fällt bei Privatpersonen geringer als bei Personen des öffentlichen Lebens aus.199 Ein wesentlicher Faktor im Abwägungsprozess ist die Frage danach, ob die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer öffentlich geführten Debatte darstellt, die von allgemeinem Interesse ist.200 Die beiden Grundwerte sind Güter gleichen Rangs, so dass nur im Ausnahmefall unter Einbeziehung aller Umstände entschieden werden kann, welchem Interesse im Ergebnis der Vorrang zusteht.201 Zentral beim Abwägungsprozess zwischen der Medienfreiheit und dem Persönlichkeitsschutz ist das Beachten des Verhältnismäßigkeitsprinzips, d. h. die negativen Auswirkungen infolge der Berichterstattung müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Veröffentlichungsinteresse stehen.202 Je nach Eingriffsintensität bedürfen die betroffenen Grundrechtsbereiche eines unterschiedlichen Schutzes.203 Nach dem Eruieren des konkreten Ausmaßes muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nach den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit ein Abwägungsprozess im Einzelfall stattfinden.

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Beispielhaft OLG Saarbrücken, NJW 2014, 675. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG (2020), Art. 5 Rn. 87. 198 Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB (Stand 2021), § 12 Rn. 282; siehe auch BVerfG, NJW 2006, 2835; BVerfGE 35, 202 – Lebach. 199 EGMR, NJW 2006, 591; Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB (Stand 2021), § 12 Rn. 282. 200 EGMR, NJW 2014, 3501; BVerfG, NJW 2012, 756 – Caroline von Hannover; BGH, NJW 2020, 53 – Erpressung mit Nackt-Fotos; Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB, 57. Ed. (01. 02. 2021), § 12 Rn. 283. 201 Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB (Stand 2021), § 12 Rn. 283; vgl. BVerfG, NJW 2006, 2007; BVerfGE 35, 202, 225 – Lebach; BVerfG, AfP 1999, 255; Ossenbühl, JZ 1995, 633; Sendler, NJW 1993, 2157; Di Fabio, AfP 1999, 126. 202 Bamberger/Förster, in: Hau/Poseck, BeckOK BGB (Stand 2021), § 12 Rn. 290; BVerfG, NJW 1978, 1787; BVerfG, NJW 1973, 1226; EGMR, NJW 2014, 3501. 203 Neunhoeffer, Das Presseprivileg im Datenschutzrecht (2005), S. 122. 197

III. Ausstrahlungswirkung der Grundrechtsebenen

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3. Zwischenfazit Für einen sachgerechten Ausgleich zwischen der Medienfreiheit und dem Datenschutz muss stets eine gerichtliche Güterabwägung im konkreten Einzelfall stattfinden. Es verbietet sich eine generalisierende Abwägung. Bei der Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts gebührt keinem Grundrecht einseitig der Vorrang. Es kommt stets auf das konkrete Gewicht des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen an. Dabei kommt insbesondere Veröffentlichungen, die einen wichtigen Beitrag für den öffentlichen Meinungsdiskurs leisten, eine besondere Rolle im allgemeinen Kommunikationsprozess zu. Als sachgerechte Lösung für das Ineinklangbringen der kollidierenden Rechtsgüter muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Wege der praktischen Konkordanz gewahrt werden. Das Herbeiführen eines angemessenen und möglichst schonenden Ausgleichs zwischen Datenschutz und Kommunikationsfreiheiten bleibt eine fortwährende Herausforderung auf allen Ebenen – besonders wegen der rasanten Entwicklungen im Bereich der Technologien und der sich verändernden Medienbranche.

III. Ausstrahlungswirkung der Grundrechtsebenen Die zunehmenden Einflüsse des europäischen Rechts auf die nationalen Vorgaben führen zu neuen Problemfeldern. Erstens stellt sich die Frage, in welchem (Anwendungs-)Verhältnis die unionalen und die nationalen Grundrechte stehen – nicht zuletzt bestärkt durch die neue Konzeption durch das Urteil „Recht auf Vergessen I“204. Ferner ist unklar, welche Bindungswirkung besteht und welche Grundrechtsebene zur Anwendung kommt. Die voranschreitende Entwicklung im Bereich des Datenschutzrechts erweckt den Eindruck einer „unionalen Überformung“ in diesem Bereich – mit der Folge einer Kompetenzverschiebung im Datenschutzrecht.205 Um eine übersichtliche Darstellung mit Fokus auf die Kernthematik gewährleisten zu können, soll auf die vorangegangen Fragen nur in gebotener Kürze eingegangen werden. Es liegt nahe, dass neben den nationalen Grundrechten aus dem Grundgesetz auch die Grundrechte der europäischen Grundrechtecharta ihren Schutz entfalten. Die Charta der Grundrechte der EU als europäisches Primärrecht strahlt eine rechtsverbindliche Wirkung aus.206 Grundsätzlich gebührt dem europäischen Recht prinzipiell der Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht für den Fall der Kollision beider Schutzbereiche. Konkretere Anhaltspunkte gibt Art. 288 Abs. 2 AEUV vor. Aus dieser Norm ergibt sich die unmittelbare Anwendung einer europäischen Ver204

BVerfG, NJW 2020, 300 – Recht auf Vergessen I. Dazu Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018); Kühling/Martini et al., Die DSGVO und das nationale Recht (2016). 206 Seit dem 01. September 2009 mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon (Art. 6 Abs. 1 EUV) ist die GRCh rechtsverbindlich für die EU-Mitgliedstaaten. 205

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E. Verfassungsrechtlicher Rahmen

ordnung. Dreh- und Angelpunkt für das Medienprivileg ist die sich aus der Verordnung ergebende unionale Norm Art. 85 DS-GVO. Exakte Vorgaben für die Umsetzung von Art. 85 DS-GVO gibt der europäische Gesetzgeber nicht vor, stattdessen betont er den mitgliedstaatlichen Ausgestaltungsspielraum im Abwägungsprozess im Fall einer grundrechtlichen Kollision.207 Vollziehen die Mitgliedstaaten die Regelung des Art. 85 DS-GVO, handelt es sich nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh um die Durchführung von Unionsrecht.208 Die Bindung der Mitgliedstaaten an die europäischen Grundrechte besteht gemäß Art. 51 Abs. 1 GRCh nur bei der Durchführung von EU-Recht.209 Folglich ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten an die unionalen Grundrechte gebunden sind, soweit sie die Vorschriften aus der unionsrechtlichen DS-GVO anwenden.210 In der Konsequenz bedeutet es, dass das europäisches Recht und damit auch die unionalen Grundrechte aus der GRCh anzuwenden sind.211 Selbst für den Fall, dass die Vollziehung von Art. 85 DS-GVO nicht als Durchführung von europäischem Recht charakterisiert wird, so besteht zumindest ein „unionsrechtlicher Regelungszusammenhang“, der gleichwohl ein vorrangiges Anwenden der GRCh und ihrer Unionsgrundrechte bewirkt.212 Bei der Frage nach der grundrechtlichen Bindung liegt es nahe, dass neben den nationalen Grundrechten aus dem Grundgesetz auch die Grundrechte der europäischen GRCh ihren Schutz entfalten. Die EMRK ihrerseits umreißt ein Mindestmaß an Menschenrechtsschutz. Die EMRK als völkerrechtliche Konvention dient als stetige Orientierungshilfe für den EuGH und strahlt über Art. 6 Abs. 3 EUV als „allgemeiner Grundsatz“ und über Art. 52 Abs. 3 GRCh für den Fall der Abwägung in europäisches Recht ein.213 Folglich muss neben der Rechtsprechung des EuGH nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 3 GRCh die Rechtsprechung vom EGMR berücksichtigt werden.214 Im nationalen Verfassungsrecht wirkt die EMRK nicht unmit207 Michel, Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 150; EuGH, EuZW 2004, 245 Rn. 85 – Lindqvist; EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 54 – Satamedia; EuGH, EuZW 2019, 299, 301 Rn. 50 – Buivids. 208 Michel, Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 150. 209 EuGH, EuGRZ 2000, 524 – Karlsson. 210 Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 9. 211 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 503 f.; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 7 f.; Michel, Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 150 f.; Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, DatenschutzGrundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 9; a. A. Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht (2018), S. 89 f. 212 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 85 Rn. 7; a. A. Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2019), Art. 85 Rn. 63; Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 83 ff. 213 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 507. 214 Schiedermair, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung (2018), Art. 85 Rn. 11; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 7; Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/ Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 17.

III. Ausstrahlungswirkung der Grundrechtsebenen

197

telbar, sondern entfaltet sich mittels ihrer Ausstrahlungswirkung infolge der bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung deutscher Grundrechte. In formaler Hinsicht hat die EMRK in Deutschland (nach Transformation) zunächst den Rang eines einfachen Bundesgesetzes.215 Bedingt durch das Zustimmungserfordernis nach Art. 59 Abs. 2 GG ist die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag nicht auf Ebene des Verfassungsrechts anzusiedeln, sondern ranggleich mit einem einfachen Bundesgesetz einzuordnen.216 Nach Maßgabe des BVerfG ist diese Einschätzung aufgrund der Bedeutung der EMRK nicht tragfähig.217 In Anbetracht dessen sind die in Rede stehenden deutschen Grundrechte „konventionskonform auszulegen“, um damit die Bedeutung der EMRK adäquat zu würdigen.218 Das hat zur Folge, dass staatliche Stellen in Deutschland die EMRK und die Grundsätze des EGMR bei der Anwendung des nationalen Rechts beachten und berücksichtigen müssen. Ebenso wirken die Wertungen der EMRK nach Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh auf den Anwendungsprozess von EU-Grundrechten ein.219 Festzuhalten ist, dass die europäischen Grundrechte maßgeblich sind, so dass sich zunächst Art. 11 GRCh und Art. 8 GRCh im nationalen Abwägungsprozess gegenüberstehen. Die Letztentscheidungskompetenz liegt folglich beim EuGH.220

215 216 217 218 219 220

Siehe dazu Zehetgruber, ZJS 2016, 52. Siehe nur BVerfG, NJW 2004, 3407, 3408; BVerfG, NJW 2011, 1931, 1935. BVerfGE 111, 307 – Görgülü. Zehetgruber, ZJS 2016, 52, 53. EuGH, EuZW 2019, 299 Rn. 65 f. – Buivids. Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 507.

F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht Das datenschutzrechtliche Medienprivileg hat bereits die verschiedensten Entwicklungsstadien überlebt. Die immer fortwährenden rechtlichen Anpassungen an die aktuellen Gegebenheiten erfordern ein ständiges Überdenken und Überarbeiten des rechtlichen Rahmens. Der gewährte Spielraum für die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der unionalen Vorgaben bietet Raum für eigene Interpretationen der Mitgliedstaaten. In dieser akzessorischen Abhängigkeit kann die mitgliedstaatliche Umsetzung zu Spannungen zwischen unionalem und nationalem Recht führen. Zentral ist die Frage nach der Vereinbarkeit der nationalen Regelungen mit den Vorgaben aus der europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Gleichzeitig muss die Umsetzung der unionalen Vorgaben dem nationalen Verfassungsrecht entsprechen. Bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO waren die Mitgliedstaaten seitens der Europäischen Kommission gehalten, entsprechende Anpassungen der nationalen Regelungen im Sinne der Verordnung vorzunehmen.1 In Deutschland kamen die unabhängigen Datenschutzbehörden gemeinsam zu dem Entschluss, dass ein Beibehalten des bis zum 24. Mai 2018 geltenden nationalen Rechts für die geforderte Angleichung nicht konkret und spezifisch genug wäre.2 Fraglich ist, ob die geforderten Anpassungen in Deutschland den Wertungen des Unionsrechts entsprechen und europarechtskonform umgesetzt wurden oder ob (zumindest faktisch) eine europarechtswidrige Rechtslage besteht.

I. Vereinbarkeit mit höherrangigem Europarecht Im ersten Schritt muss in gebotener Kürze die Frage geklärt werden, ob Art. 85 DS-GVO als sekundäres Unionsrecht den Vorgaben aus dem Primärrecht standhält. Zentral ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Sinne von Art. 5 EUV, wonach stets eine konkrete Ermächtigungsgrundlage, die sich aus den europäischen Verträgen ergibt, für den Erlass von Rechtsvorschriften bestehen muss. Dieser 1 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 20; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Besserer Schutz und neue Chancen – Leitfaden der Kommission zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung ab 25. Mai 2018 vom 24. Januar 2018, KOM(2018), 43 final, S. 9. 2 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 20; vgl. Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht, S. 2.

II. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Substitut

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Grundsatz resultiert daraus, dass die EU gerade keine „Kompetenz-Kompetenz“ innehat, sich also nicht eigenmächtig mit weiteren Kompetenzen ausstatten kann.3 Für den Erlass der medienregelnden Norm Art. 85 DS-GVO beruht die unionsrechtliche Kompetenz schwerpunktmäßig wohl auf Art. 16 Abs. 2 AEUV.4 Konkret heißt es: „Das Europäische Parlament und der Rat erlassen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union sowie durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, und über den freien Datenverkehr.“ Die Öffnungsklausel selbst bewirkt nicht den umfassenden Schutz natürlicher Personen bei einer Datenverarbeitung, jedoch wird dieser Schutz durch den mitgliedstaatlichen Auftrag zum Schaffen eines Ausgleichs intendiert.5 Die DS-GVO steht damit grundsätzlich mit dem höherrangigen EURecht im Einklang.

II. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Substitut An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob nicht bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Ermächtigungsgrundlage anstelle des Medienprivilegs den Ausgleich zwischen den Medienfreiheiten und dem Schutz der personenbezogenen Daten herstellen könnte. Fraglich ist also, ob es erst gar keinen Umsetzungsbedarf für das nationale Medienprivileg wegen der bestehenden Regelung auf unionaler Ebene gibt und der Wirkmechanismus des „berechtigten Interesses“ als Substitut greift. 1. Ausgangslage Für den Fall, dass eine mediale Datenverarbeitung nicht unter die Befreiungsklausel des Art. 85 DS-GVO fällt, richtet sich die Rechtmäßigkeit des Datenverarbeitungsvorgangs nach dem umfassenden Normenkatalog der DS-GVO. Das Datenschutzrecht basiert auf dem wesentlichen Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, dass jede Datenverarbeitung auf einem Erlaubnistatbestand beruhen muss. Das Verarbeiten personenbezogener Daten ist danach grundsätzlich unzulässig, es sei denn, eine gesonderte Befugnisnorm erlaubt die Datenverarbeitung.6 3 Vgl. Art. 5 EUV und BVerfGE 89, 155 – Maastricht; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht (2018), S. 84 f.; Kieck/Pohl, DuD 2017, 567 f.; Lerche, „Kompetenz-Kompetenz“ und das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, abgedr. in: Ipsen, Verfassungsrecht im Wandel (1995), S. 409 ff. 4 Ausführlicher dazu siehe Kapitel C. 5 Wolff, AfP 2020, 202, 203 f. 6 Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 6 Rn. 1.

200

F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

Zentral dabei ist der Erlaubnistatbestand der Erteilung einer Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Die Datenverarbeitung wird dann rechtmäßig, wenn vor dem Verarbeitungsvorgang im Sinne von Art. 7 und Art. 8 DS-GVO wirksam eine Einwilligung des Betroffenen in Kenntnis der konkreten Umstände erteilt wird. Die Einverständniserklärung muss frei von Zwängen, d. h. freiwillig, erfolgen. Theoretisch ist die Schriftform einer Einwilligung nicht erforderlich, allerdings ist der Datenverarbeiter in der Praxis dazu angehalten, um seiner Nachweispflicht nach Art. 7 Abs. 1 DS-GVO entsprechend nachzukommen. Eine Rechtmäßigkeit für das Verarbeiten personenbezogener Daten kann sich ungeachtet einer Einwilligung aus weiteren Ermächtigungsgrundlagen gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO ergeben. Besonders an Relevanz im nicht-öffentlichen Bereich gewonnen hat das Rechtfertigungselement des „berechtigten Interesses“ über Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO, wonach die Datenverarbeitung legitimiert sein kann, „wenn die Verarbeitung [der Daten] zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich (ist), sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“7 Das berechtigte Interesse ist dabei weit auszulegen und erstreckt sich insgesamt sowohl auf rechtliche, wirtschaftliche als auch ideelle Interessen.8 2. Pro-Argumente des substitutionellen Ansatzes Die Abwägung der widerstreitenden Interessen könnte über den Ausgleichsmechanismus des „berechtigten Interesses“ nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO erfolgen. Diese Norm ermöglicht bereits eine umfassende Einzelfallentscheidung.9 In dem Abwägungsprozess zwischen Kommunikations- und Datenschutzinteressen könnte der Datenverarbeitung zu einem journalistischen Zweck ein erhebliches Gewicht beigemessen werden.10 Danach könnte eine mediale Datenverarbeitung bereits durch ein überwiegendes Interesse zugunsten der Medienakteure gerechtfertigt sein. Mithin könnte die generalklauselartige Norm für die Medien als direkte „Ausgleichsnorm“ innerhalb des Datenschutzrechts fungieren. Insbesondere journalistisch Tätige außerhalb der klassischen Medien könnten von dieser Freistellungsvariante profitieren. Das Wegfallen des Tatbestandsmerkmals „Unternehmen oder Hilfsunternehmen der Presse“ in der Abwägungsklausel würde 7 Lauber-Rönsberg, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht (2019), § 22 Rn. 53. 8 Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG (2020), Art. 6 Rn. 148a; Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 6 Rn. 28; Schulz, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 6 Rn. 57. 9 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 10 Wolff, AfP 2020, 202, 204.

II. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als Substitut

201

dem „Graswurzel-Journalisten“ neue Möglichkeiten bieten. So könnten Blogger, Nutzer von sozialen Netzwerken, Pressesprecher und andere Laienjournalisten ihre Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken auf die „berechtigten Interessen“ im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO stützen.11 3. Contra-Argumente des substitutionellen Ansatzes Ein zentrales Gegenargument für diese These des Komplettsubstituts ist allerdings, dass Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO keine Anwendung auf die Datenverarbeitungen von staatlichen Behörden findet.12 Würde ein Hoheitsträger in Erfüllung seiner Aufgaben Daten zu journalistischen Zwecken verwenden, wäre dieser Vorgang nicht privilegierungsfähig. Der gesamte Bereich der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit wäre im Umgang mit personenbezogenen Daten nahezu lahmgelegt, würde die mediale Freistellung im Datenschutzrecht nur über die Wahrung des berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO geregelt werden.13 Nur für den Fall, dass die Behörde als Privatrechtsubjekt auftritt, ist eine Anwendung denkbar.14 Zudem würde die Regelungssystematik von Art. 6 DS-GVO zu Problemen bei „besonderen“ Verarbeitungssituationen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DS-GVO führen. Zu diesen sensiblen Vorgängen gehört beispielsweise der Umgang mit Daten, die Auskunft über die Religionszugehörigkeit, politische Meinung, Sexualität oder rassische und ethnische Herkunft geben. Nach Art. 9 Abs. 2 DS-GVO bestehen für diese Konstellationen eigene Regelungskonzepte zur Ermächtigung, zu denen die Abwägung aus Art. 6 DS-GVO gerade nicht zählt.15 Ein Rechtfertigen entsprechend der Erlaubnistatbestände nach Art. 6 DS-GVO kommt folglich nicht in Betracht für Kommunikationsakte, die Daten einer besonderen Verarbeitungssituation betreffen.16 Ähnlich verhält es sich mit den spezielleren Rechtsgrundlagen nach Art. 10 DSGVO. Die Norm bestimmt, dass „die Verarbeitung personenbezogener Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten oder damit zusammenhängende Sicherungsmaßregeln aufgrund von Artikel 6 Absatz 1 nur unter behördlicher Aufsicht vorgenommen werden [darf] oder wenn dies nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten, das geeignete Garantien für die Rechte und Freiheiten der be11 Wenn nicht sogar bereits die Ermächtigungsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e) DS-GVO für die Datenverarbeitung dieser Medienakteure einschlägig wäre. 12 Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 6 Rn. 26. 13 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 8. 14 Schulz, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 6 Rn. 56. 15 Engeler, BT Stellungnahme vom 10. Dezember 2018, S. 8; Kampert, in: Sydow, DSGVO (2018), Art. 9 Rn. 12. 16 Engeler, BT Stellungnahme vom 10. Dezember 2018, S. 8.

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

troffenen Personen vorsieht, zulässig ist.“ Folglich kann Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nicht für Meinungsäußerungsbeiträge gelten, die einen strafrechtlichen Bezug zu der Verurteilung des Betroffenen haben. Die europäische Verordnung fordert in diesem Fall engmaschigere Voraussetzungen nach Art. 10 DS-GVO. Des Weiteren soll die Rechtsgrundlage Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO nicht in einen ausufernden „Auffangtatbestand“ umschlagen, der es ermöglicht, jegliche Datenverarbeitung zu rechtfertigen.17 Vielmehr stellt diese Ermächtigungsgrundlage eine flexible Lösung im Ausnahmefall dar, wenn die anderen Tatbestände nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO nicht einschlägig sind.18 Die Vorschrift ist als eine Art ultima ratio für die Zulässigkeitsfrage einer Verarbeitung personenbezogener Daten zu verstehen.19 4. Zwischenfazit Die These, dass es keinen Umsetzungsbedarf für die unionale Öffnungsklausel gäbe, da bereits Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO als datenschutzrechtliche Bereichsausnahme für die Medien besteht, ist im Ergebnis nicht überzeugend. Stattdessen zeigen die bestehenden Schutzlücken das Erfordernis auf, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten gesonderte Regelungen geschaffen werden müssen, um journalistische Datenverarbeitungen umfassend zu gewährleisten. Nach der Öffnungsklausel Art. 85 DS-GVO liegt auf nationaler Ebene eine Dispositionsbefugnis vor, von Kapitel II und damit auch von der Regelungssystematik des Art. 6 DS-GVO abzuweichen, soweit dies erforderlich ist. Folglich obliegt es den Mitgliedstaaten, auch Anpassungen von Regelungen vorzunehmen, die den Regelungszweck der Öffnungsklausel („Einklang herstellen“) bewirken würden.20 In den bisherigen Ausgestaltungen zum Medienprivileg wird das Kapitel II der DS-GVO einschließlich Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) für nicht anwendbar erklärt. Nichtsdestotrotz kann diese Norm dennoch zukünftig eine wesentliche Rolle für die journalistische Arbeit bedeuten, wenn von der Abweichungsbefugnis über Kapitel II der Verordnung nicht vollumfänglich Gebrauch gemacht wird. Für den Fall, dass eine Datenverarbeitung durch die Medien nicht privilegierungsfähig nach Maßgaben der dann geltenden nationalen Medienprivilegien ist, könnte Art. 6 Abs.1 Satz 1 lit. f) DS-GVO einschlägig sein und über die „berechtigten Interessen“ letztlich doch zu einem sachgerechten Ausgleich im Einzelfall führen – für Kommunikationsakte, die nicht bereits anderweitig vom Schutz erfasst sind.

17 Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 6 Rn. 26; Schulz, in: Gola, DSGVO (2018), Art. 6 Rn. 13. 18 Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO/BDSG (2018), Art. 6 Rn. 26. 19 Vgl. VG Mainz, Urteil vom 20. Februar 2020 – 1 K 467/19.MZ Rn. 32. 20 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476 f.

III. Vereinbarkeit nationales Medienprivileg mit unionalen Vorgaben

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III. Vereinbarkeit des nationalen Medienprivilegs mit den unionalen Vorgaben Infolge des Novellierungsimpulses der DS-GVO hat der deutsche Gesetzgeber mit dem ersten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU (DSAnpUGEU)21 und anschließend mit dem zweiten DSAnpUG-EU22 Anpassungen im innerstaatlichen Recht vorgenommen. Insbesondere sollte der Gesetzgeber den Art. 85 DS-GVO durch nationales Recht präzisieren. Dreh- und Angelpunkt ist die Klärung der Frage, ob die Anpassungen der Staatsverträge23, der Landespressegesetze, der Landesmediengesetze und der Landesdatenschutzgesetze unter Berücksichtigung des Unionsrechts wertungswiderspruchsfrei im Sinne einer Unionsrechtskonformität erfolgten. Sonderregelungen wurden im nationalen Recht vor allem für die explizit genannten Funktionsbereiche von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO (hier nur untersucht „journalistisch“) geschaffen, so dass es überwiegend für die journalistischen Datenverarbeitungsvorgänge eine Vielzahl von Überformungen der bestehenden Vorschriften gab. Nach dem mitgliedstaatlichen Konsens stand fest, dass der Gestaltungsspielraum durch die DS-GVO nicht mehr eingeschränkt werden sollte, wie es zuvor nach der DS-RL der Fall war.24 Zuvor wurden in der Literatur bereits drei Standpunkte bezüglich einer konformen Umsetzung vertreten.25 Zunächst die Theorie, dass es keiner Umsetzung bedarf, da bereits über Art. 5 Abs. 1 GG ein angemessener Ausgleich erreicht werden könne. Darüber hinaus wird einerseits die Schaffung einer spezifischen Rechtsgrundlage26 und andererseits eine „pauschale“ Freistellung27 für erforderlich gehalten. Nachfolgend ist zu untersuchen, ob der Bundesgesetzgeber bzw. die Landesgesetzgeber den bereichsspezifischen Datenschutz im Hinblick auf die europäischen Vorgaben hinreichend überarbeitet und falls erforderlich, neue Vorschriften erlassen hat. 21

Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU vom 30. Juni 2017, BGBl. I, 2097. 22 Zweite Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Zweites Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU vom 25. November 2019, BGBl. I, 1626. 23 Zunächst wurden die Regelungen zum Medienprivileg durch den 21. RÄStV überarbeitet (§§ 9c, 57 und 59 RStV a. F.). 24 Cornils, ZUM 2018, 561, 561. 25 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 10. 26 Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, S. 2; ebenso DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins durch den Ausschuss Informationsrecht – Stellungnahme Nr. 34/2018, S. 11; so auch Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 11 f. 27 Vgl. § 7 des schwedischen Datenschutzgesetzes.

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

1. Europäische Vorgaben für die Ausgestaltung In einem ersten Schritt sind die von der DS-GVO gesetzten Vorgaben für die konkrete Ausgestaltung des nationalen Medienprivilegs zu untersuchen. Ausdrücklich gibt Art. 85 Abs. 1 DS-GVO vor, dass das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang zu bringen ist. Weiter heißt es in Art. 85 Abs. 2 DS-GVO: „Für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, sehen die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II (Grundsätze), Kapitel III (Rechte der betroffenen Person), Kapitel IV (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Kapitel V (Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer oder an internationale Organisationen), Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden), Kapitel VII (Zusammenarbeit und Kohärenz) und Kapitel IX (Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen) vor, wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen“. Weitere Vorgaben für das Umsetzen des Regelungsauftrags ergeben sich nicht ausdrücklich aus der Verordnung. Im Grundsatz findet das Datenschutzrecht auf die Medien Anwendung. Nur im Ausnahmefall sollen Abweichungen zulässig sein („Regel-Ausnahme-Struktur“28). Für den mitgliedstaatlichen Spielraum zur Durchführung des Regelungsauftrags nach Art. 85 DS-GVO enthält die Norm selbst keine konkreten Vorgaben. Einige Anhaltspunkte zur Begrenzung ergeben sich aus weiteren Normen und Grundsätzen. Nicht im Einklang mit der Öffnungsklausel stünde eine pauschale Freistellung zugunsten der Meinungs- und Informationsfreiheit von allen zentralen Aspekten des Datenschutzrechts.29 Grund dafür ist, dass es keine standardisierte Abwägungspräferenz bei dem Ausbalancieren der widerstreitenden Interessen geben darf. Schließlich soll die Öffnungsklausel nicht in ein „allgemeines Meinungsprivileg“ umschlagen.30 Der Wortlaut gebietet eine Begrenzung durch das Prinzip der Notwendigkeit, wonach grundsätzlich keinem Grundrecht gegenüber dem anderen per se einen Vorrang im Abwägungsprozess genießt.31 Gleichzeitig besteht das Gebot der nor28

Cornils, ZUM 2018, 561, 565. Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 20; Kühling/Martini et al., Die DSGVO und nationales Recht (2016), S. 194; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 13 f. 30 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 9. 31 Vergleichsweise Rspr. zu § 41 BDSG a. F. BVerwG, CR 2016, 154; Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 502; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 290; Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK DatenschutzR, DSGVO (Stand 2018), Art. 85 Rn. 2; Pötters, in: Gola, DSGVO (2017), Art. 85 Rn. 5. 29

III. Vereinbarkeit nationales Medienprivileg mit unionalen Vorgaben

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menklaren Umsetzung32, woraus sich – wie von der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) gefordert – ergeben könnte, dass das Umsetzen der unionalen Vorschriften konkret und spezifisch sein muss.33 Diese unverbindliche Forderung des Verbands wird rechtlich durch den Erwägungsgrund 41 der DS-GVO gestützt, wonach eine hinreichend klare gesetzliche Regelung gefordert wird.34 Für die mitgliedstaatliche Umsetzung des Medienprivilegs bedeutet das konkret, es müsste eine klare Rechtsgrundlage bestehen, wonach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Abwägung gewahrt sein muss und den Medien spezielle Garantien zugesichert werden.35 Im Einzelfall muss eine „ergebnisoffene Abwägung“36 zwischen den Medienfreiheiten und dem Recht des von der Datenverarbeitung Betroffenen stattfinden.37 Weiterhin wird die Privilegierung in Art. 85 DS-GVO als „technologieneutral“ formuliert, sodass eine konkrete Differenzierung nach den einzelnen Mediengattungen nicht vorgeschrieben ist.38 Einzelne Grenzen sind damit bereits für die mediale Privilegierung im Bereich des Datenschutzes auf EU-Ebene gesetzt. 2. Vereinbarkeit der presserechtlichen Normen Im Bereich der privilegierten Presse erstreckt sich der Umsetzungsakt auf die Presse- und Mediengesetze der Bundesländer. Eine vergleichbare Regelung wie sie zuvor in § 41 BDSG a. F. explizit für die Presse zu finden war, setzte der Bundesgesetzgeber im neuen BDSG wegen der fehlenden Kompetenz nicht um. Insbesondere die Privilegierung des presserechtlichen Bereichs ist nicht unumstritten und sorgt für Kritik: angefangen bei dem zu engen Adressatenkreises bis hin zur unklaren Rechtslage der datenschutzrechtlichen Aufsicht.39 Wegen der unionalen Vorgaben führten einige Landesgesetzgeber erstmalig eine behördliche Datenschutzaufsicht für die Druckpresse ein. An dieser Stelle ist der Frage nachzugehen, inwiefern die Umsetzung in den Landespresse- bzw. Landesmediengesetzen den Wertungen des Unionsrechts entsprechen oder ob die Folge die Europarechtswidrigkeit einiger Vorschriften ist. 32 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 110 f. 33 Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht, S. 2. 34 Vgl. Nettesheim, AfP 2019, 473, 480. 35 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 12 f. 36 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 27. 37 Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DSGVO BDSG (2018), Art. 85 Rn. 27. 38 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2; vgl. Erwägungsgrund 15 der DS-GVO. 39 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2.

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

a) Ungerechtfertigtes Anknüpfen an das Presseunternehmen In den Landespresse- und Landesmediengesetzen wählten die Gesetzgeber als Tatbestandsmerkmal „das Presseunternehmen bzw. die Hilfs- und Beteiligungsunternehmen der Presse“. Diese konkret ausgestaltete Form des Anwendungsbereichs der nationalen Medienprivilegien ist, wie bereits angedeutet40, wohl europarechtswidrig. Das presserechtliche Anknüpfen an die Eigenschaft als „Unternehmen“ entspricht nicht dem unionalen Konzept.41 Nach der Rechtsprechung des EuGH hat eindeutig „jedermann“ das Freistellungsbedürfnis, sobald die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu einem journalistischen Zweck erfolgt.42 Das dem Medienprivileg zugrunde gelegte institutionalisierte Verständnis kann nicht mit den europäischen Vorgaben und insbesondere der unionalen Rechtsprechung standhalten.43 Die europäische Öffnungsklausel verlangt ein Ineinklangbringen der Kommunikations- und Meinungsfreiheiten mit dem Schutz der personenbezogenen Daten, ohne dabei eine Beschränkung bezüglich einer Mediengattung – insbesondere bezüglich der „formellen Presse“ – aufzuerlegen.44 Nach der aktuellen Ausgestaltung wird der Adressatenkreis derart eingegrenzt, dass neuere Formen des Journalismus (insbesondere der „Graswurzel-Journalismus“ bzw. „Bürgerjournalismus“) nicht von den Privilegierungsvorschriften profitieren und das obwohl ihr Meinungsbeitrag an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung gewonnen hat. Vor allem betroffen sind Personen, die beispielsweise einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs leisten, aber nicht in eine Redaktion eingebunden oder in ein Unternehmen eingegliedert sind. Wie bereits in Kapitel D. erläutert, hat das hauptsächlich Auswirkungen auf Blogger, YouTuber oder Betreiber von SocialMedia-Accounts, die Beiträge in sozialen Netzwerken mit anderen Nutzern teilen. Diese Lücke im Anwendungsbereich der Bereichsausnahme sollte im Hinblick auf das unionale weite Rechtsverständnis durch den nationalen Gesetzgeber reformiert werden. Es bedarf einer Anpassung auf nationaler Ebene, um den europarechtlichen Entwicklungen gerecht zu werden und eine Europarechtskonformität zu erzielen. Statt an eine Organisationsform anzuknüpfen, sollte allein die Zweckbestimmung der Datenverarbeitung für die Bereichsausnahme ausschlaggebend sein. b) Staatliche Aufsicht über gedruckte Presse Ein weiterer Aspekt der presserechtlichen Sonderstellung, der gegen eine unionskonforme Umsetzung sprechen könnte, ist das (vermeintliche) Einführen einer staatlichen Aufsicht im Bereich der Presse. Wegen der unmittelbaren Wirkung einer 40

Dazu Kapitel D. III. Michel, AfP 2019, 490, 494. 42 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 61 – Satamedia; EuGH, EuZW 2019, 299 Rn. 52 – Buivids. 43 Michel, AfP 2019, 490, 494. 44 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 292. 41

III. Vereinbarkeit nationales Medienprivileg mit unionalen Vorgaben

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europäischen Verordnung (Art. 288 Abs. 2 AEUV) gelten seit Inkrafttreten und Geltungsbeginn der DS-GVO die daraus resultierenden Regelungen ohne einen weiteren Umsetzungsakt in den einzelnen Mitgliedstaaten. Für eine effektive und einheitliche Durchsetzung dieser Vorschriften wird das Einhalten der datenschutzrechtlichen Vorgaben aus der DS-GVO von den zuständigen Aufsichtsbehörden in den jeweiligen Mitgliedstaaten kontrolliert. Dem Grundsatz nach unterliegt damit zunächst jede Verarbeitung personenbezogener Daten europaweit einer Aufsichtskontrolle nach Art. 51 DS-GVO (geregelt in Kapitel VIII). Ohne eine explizite Sonderregelung würde eine Kontrolle durch die Datenschutzbehörden auch für die Medien stattfinden. Je nachdem, wo ein Unternehmen seinen Hauptsitz hat, wäre die entsprechende innerstaatliche Behörde für die datenschutzrechtliche Aufsicht zuständig. Um den Anforderungen seitens der EU gerecht werden zu können, haben die Landesgesetzgeber zahlreiche Änderungen bezüglich des Rechtsrahmens der Bundesländer vorgenommen, u. a. in den Presse- und Mediengesetzen. Bedingt durch diesen Anpassungsimpuls wurde in einigen deutschen Bundesländern erstmalig eine Aufsicht für die gedruckte Presse durch die Landesdatenschutzbehörden eingeführt. Teilweise wird weiterhin zur Umgehung der behördlichen Aufsicht die Unterwerfungsmöglichkeit unter den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates angeboten.45 aa) Problemaufriss Das Einführen einer (staatlichen) Aufsicht über die Druckpresse gibt im Hinblick auf die Pressefreiheit Anlass zur Kritik.46 Im Bereich der Medien kollidiert eine externe Kontrolle der Datenverarbeitungen mit wesentlichen Grundprinzipien der Medien wie dem Quellenschutz, dem Redaktionsgeheimnis und der freien Ausübung ihrer Medienfreiheit ohne einen staatlichen Einfluss. Um diese Kollisionen zu verhindern und eine ungestörte Ausübung der journalistischen Tätigkeit zu gewährleisten, sollten nationale Sonderregelungen im Datenschutzrecht geschaffen werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es in Bezug auf den verschärften Datenschutz der EU noch legitim erscheint, einige Medien überwiegend einer datenschutzrechtlichen Aufsichtskontrolle zu entziehen und damit die Überwachungsmöglichkeit über das Einhalten der DS-GVO aus den Händen zu geben. Das nationale und unionale Verständnis weichen hier voneinander ab.

45

Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293. Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 12 f.; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293. 46

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bb) Unmittelbare Vorgaben aus Art. 85 DS-GVO: Kapitel VIII Um die unmittelbare Anwendung des europäischen Datenschutzrechts in den Mitgliedstaaten für besondere Verarbeitungssituationen anpassen zu können, gewährt die unionale Öffnungsklausel (Art. 85 DS-GVO) gewisse Spielräume für die nationale Umsetzung. Nach Art. 85 Abs. 2 DS-GVO konkretisiert der Unionsgesetzgeber, dass „für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken erfolgt, (…) die Mitgliedstaaten Abweichungen oder Ausnahmen von Kapitel II, Kapitel III, Kapitel IV, Kapitel V, Kapitel VI, Kapitel VII und Kapitel IX [vorsehen können] (…)“. Von der Enumeration nicht erfasst ist das Kapitel VIII der Verordnung, das unter anderem die datenschutzrechtliche Aufsicht regelt. Das bedeutet, dass Art. 77 bis 84 DS-GVO für den medialen Bereich unabdingbar wären und in ihrem vollen Umfang für alle Mediengattungen „zwingend“ anwendbar wären. An sich bestünde die gleiche Rechtslage bezüglich der Aufsicht wie zuvor („Regelungskontinuität“), außer dass in Kapitel VIII der DS-GVO weitere Normen erfasst sind, die nach der alten Rechtslage in Kapitel III der DS-RL nicht enthalten waren: namentlich Art. 77 (Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde), Art. 78 (Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen eine Aufsichtsbehörde) und Art. 83 (Verhängung von Geldstrafen).47 Diese inhaltliche Veränderung hätte im Vergleich zur vorherigen Rechtslage entsprechend der DS-RL folgenreiche Auswirkungen.48 Uneinigkeit besteht nun darüber, ob die datenschutzrechtliche Aufsicht und die damit verbundenen Vorschriften für die Mitgliedstaaten disponibel sind oder nicht. Dafür spräche der eindeutige Wortlaut in der DS-GVO, wonach Kapitel VIII nicht vom nationalen Dispositionsumfang umfasst ist.49 Allerdings kann dieses Argument entkräftet werden. Einen Anhaltspunkt dafür bietet das akzessorische Verhältnis zwischen Kapitel VI (Unabhängige Aufsichtsbehörden) und Kapitel VIII (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen). Das Nicht-Erwähnen von Kapitel VIII im Abweichungskatalog in der Öffnungsklausel bedeutet im Umkehrschluss nicht, dass die Regelungen aus dem Kapitel VIII der DS-GVO zwingend im mitgliedstaatlichen Recht Anwendung finden müssen.50 Im Gegenteil, das Kapitel VI, welches grundlegend die Zuständigkeit und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden regelt, bildet die Basis für die in Kapitel VIII bestehenden Rechtsbehelfe gegen die Aufsichtsbehörden. Wenn also bereits das Kapitel VI über die aufsichtsrechtlichen Befugnisse 47

Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 6, 9. 48 Ausführlich dazu Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 1 ff. 49 Vgl. Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 15; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1060 f. 50 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2019), Art. 85 Rn. 95.2.

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schon nicht von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Befugnis zum Abweichen nach Art. 85 Abs. 2 DS-GVO umgesetzt wurde, dann ist das darauf beruhende Kapitel VIII über den Rechtsschutz gegen die Verfügungen solcher Aufsichtsbehörden erst recht obsolet.51 Die Gegenseite verweist auf das formelle Gesetzgebungsverfahren der Verordnung, wonach deutlich werden soll, dass die Aufnahme von Kapitel VIII in den Anwendungskatalog der Verordnung eine bewusste – sogar beharrliche Entscheidung war52, so dass die Vorschriften für nationales Recht zwingenden Charakter haben.53 Dieses Argument kann insbesondere im Vergleich zu der vorherigen Rechtslage nach der DS-RL nicht überzeugen.54 Es ist nicht ersichtlich, dass infolge der DS-GVO der Spielraum der Mitgliedstaaten durch weitere unabdingbare Verpflichtungen weiter begrenzt werden soll.55 Ansonsten käme es faktisch zu einem gravierenden Kurswechsel im Vergleich zur vorherigen Rechtslage: inhaltlich neu wäre die Anwendbarkeit eines Beschwerderechts zur Datenschutz-Aufsichtsbehörde nach Art. 77 DS-GVO und die Möglichkeit einer Bußgeldsanktion nach Art. 83 DSGVO.56 Nach der DS-RL war es zulässig, eine Ausnahme von der datenschutzrechtlichen Aufsicht für die journalistische Datenverarbeitung zu machen, was dafür spricht, auch nach Inkrafttreten der DS-GVO die Aufsichtsbefugnisse und -zuständigkeiten als abdingbar zu interpretieren. Im Kern bedeutet das, dass die Vorschriften über die datenschutzrechtliche Aufsicht nach den mitgliedstaatlichen Belieben abbedungen werden können, mit der Folge, dass auch die Rechtsbehelfe, die an jene Aufsichtsbehörden zu richten sind, von den Mitgliedstaaten zur Disposition stehen.57 Mithin besteht ein weiter Spielraum für die einzelnen Mitgliedstaaten. cc) Problem der staatlichen Aufsicht über die gedruckte Presse Seit Inkrafttreten der DS-GVO am 25. Mai 2018 besteht in Bezug auf die datenschutzrechtliche Aufsicht eine nationale Unsicherheit. Eine länderspezifische unterschiedliche Handhabung zur Anwendung des Kapitels VIII verstärkt zudem die 51

Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR (Stand 2019), Art. 85 Rn. 95.2. 52 Council of the European Union, Nr. 9788/15 vom 11. Juni 2015, S. 255 Rn. 627; Cornils, Rechtsgutachten (2017), S. 29. 53 Wolff, AfP 2020, 202, 208. 54 A. A. Wolff, AfP 2020, 202, 208. 55 Wolff, AfP 2020, 202, 208. 56 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 5 f. 57 Cornils, ZUM 2018, 561, 567 f.; a. A. Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 57 Rn. 8; Oster, in: Hartstein/Ring, RStV (2016), § 57 Rn. 13; Herb, in: Binder/Vesting, Beck RundfunkR (2018), RStV, § 57 Rn. 37a.

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Unklarheit der Presseakteure im Datenschutzbereich.58 Wie bereits erläutert59, lassen sich im Wesentlichen zwei Varianten beim Umgang mit Kapitel VIII durch die Landesgesetzgeber in ihren Presse- und Landesmediengesetzen herausfiltern und kategorisieren: Bei der ersten Variante nehmen die Landesgesetzgeber in ihren Presse- bzw. Mediengesetzen namentlich Bezug auf das Kapitel VIII, wohingegen die zweite Variante das Kapitel VIII schlichtweg gar nicht erwähnt. Bei der ersten Variante wird die datenschutzrechtliche Aufsicht zunächst für die journalistische Datenverarbeitung für anwendbar erklärt, in einem zweiten Schritt aber durch die Möglichkeit zur Unterwerfung unter den Deutschen Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates abgegolten. Nach dem anderen Modell einiger Bundesländer60 wird das Kapitel VIII im Abweichungskatalog nicht erwähnt, woraus sich ableiten lässt, dass die Länder von ihrer Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht haben und eine Aufsicht für den presserechtlichen Mediensektor für unanwendbar erklären. Festhalten lässt sich, dass auf nationaler Ebene de facto die Tendenz besteht, das Medium der Presse nicht der datenschutzrechtlichen Kontrolle durch den Staat zu unterwerfen, obwohl das dem Wortlaut aus den Vorgaben der DS-GVO zunächst widerspricht. Jedoch ist dieser Haltung, wie bereits angedeutet, im Ergebnis zuzustimmen. Eine behördliche Kontrolle zur Einhaltung des Datenschutzes wäre ein immenser Eingriff des Staates in die für die Presse vorgesehene Staatsferne. Eine staatliche „Überwachung“ widerstrebt allen bisher anerkannten Grundsätzen für die Presse, die gerade nicht mittels der Zensur inhaltlich beschränkt werden darf oder in sonstiger Weise in ihrer „Verwaltungsfestigkeit“61 tangiert werden darf.62 Zudem würde eine staatliche Aufsicht zu einem derartigen Einschüchterungseffekt („chilling effect“63) auf die relevanten Kommunikationen führen, der nicht tragbar wäre. Eine Aufsicht seitens des Staates lässt sich im Hinblick auf die historische Entwicklung der Presse und ihrer Bedeutung für die Demokratie nicht rechtfertigen.64 Die Umsetzung der deutschen Bundesländer ist folglich nur dahingehend europarechtswidrig, wenn eine behördliche Aufsicht über die Presse vorbehaltslos angeordnet wird. Allerdings besteht die Möglichkeit zur Teilnahme am Konzept der Selbstregulierung des Deutschen Presserates, um der behördlichen Aufsicht zu entgehen. 58

Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293. Siehe dazu Kapitel C. 60 Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. 61 Ausführlich zur „Polizei- und Verwaltungsfestigkeit“ Cornils, in: Löffler, Presserecht (2015), § 1 LPG Rn. 27 ff. 62 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 1. 63 Frei übersetzt „Abschreckungseffekt“. 64 Fechner, Medienrecht (2021), Einleitung S. 247. 59

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dd) Aufsichtsgefälle als Folge Besonders problematisch scheint die nach wie vor bestehende „kohärente“ Datenschutzaufsicht der verschiedenen Medienformen zu sein. Zwischen Rundfunk und Telemedien einerseits und der Druckpresse andererseits bestehen erhebliche Unterschiede im Bereich der Datenschutzaufsicht – schließlich findet das Kapitel VIII der DS-GVO uneingeschränkt Anwendung auf den Rundfunk.65 Schirmherrschaft über die Aufsicht der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat der sogenannte „Rundfunkdatenschutzbeauftragte“. Dieser wird nach Art. 38 DS-GVO bestellt. Einige wenige Landesrundfunkanstalten bilden eine Ausnahme.66 Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann zumindest aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Rechtsaufsicht durch den Staat erfolgen.67 Für private Rundfunkunternehmen sind gesonderte Behörden (je nach Landesrecht) zuständig.68 Die behördliche Aufsicht über den Rundfunk wäre allerdings nach Maßgabe von Art. 85 DS-GVO grundsätzlich modifizierbar, wovon der Gesetzgeber jedoch bislang keinen Gebrauch gemacht hat.69 Im direkten Vergleich entsteht der Eindruck der „privilegierten (Druck-)Presse“ mangels einer Behördenaufsicht über das Einhalten des Datenschutzrechts. Ebenso ist dieses Machtgefälle zwischen den presserechtlichen und den rundfunkrechtlichen Telemedien wiederzufinden. Allenfalls findet bei den rundfunkrechtlichen Telemedien eine staatliche Kontrolle statt, wohingegen bei den Pressetelemedien das Konzept der Umgehungsmöglichkeit genutzt wird. Infolge der Normenunklarheit entsteht eine nicht unbeachtliche Ungleichbehandlung der einzelnen Medienformen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nach deutschem Recht der Rundfunk weiterhin strengeren Regularien unterworfen wird als die Presse. Zumindest für die vergleichbaren privaten Rundfunkunternehmen müssten die gleichen Maßstäbe wie für die Presseunternehmen gelten, wonach eine Aufsicht grundsätzlich abbedungen werden könnte.70 Im Privatsektor wird das Beharren auf das Fortführen des dualistischen Konzepts in der Zukunft zu gravierenden Abgrenzungsproblemen

65

S. 7. 66

Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018),

Hessischer Rundfunk, Radio Bremen, Rundfunk Berlin-Brandenburg und Deutsche Welle. 67 Dazu Fechner, Medienrecht (2021), S. 290 ff. 68 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 7; beispielsweise Beauftragte der Landesmedienanstalten. 69 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg unter Behördenaufsicht? (2018), S. 18. 70 Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 14 f.

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führen: Betroffen sind vor allem „Medienunternehmen, die neben klassischem Rundfunk zusätzlich im Internet Inhalte anbieten werden“.71 Das Ziel mit der europäischen Verordnung ein einheitliches Vorgehen zu erreichen, scheitert im Wesentlichen im Bereich der datenschutzrechtlichen Aufsicht wegen der nationalen Besonderheiten im Bereich der Presse. Die divergierenden Zuständigkeiten der verschiedenen Kontrollbehörden über die Medien befeuert eine weitere Rechtszersplitterung. Insgesamt ist festzuhalten, dass vor allem das NichtErwähnen des Kapitels VIII (bezüglich der Aufsicht) im Abweichungskatalog irreführend für die mitgliedstaatliche Umsetzung ist. Eine eindeutigere Formulierung seitens der EU wäre insbesondere im Hinblick auf das Gebot der normenklaren Umsetzung wünschenswert.72 Die nationalen Vorschriften bezüglich der Aufsicht sind nicht per se europarechtswidrig, es besteht aber entgegen der Vermutung vieler Gesetzgeber der deutschen Bundesländer kein Zwang auf unionaler Ebene. ee) Pressekodex als „sanktionslose“ Umgehungsmöglichkeit Auf den ersten Blick wirkt das Konzept, sich dem Pressekodex unterwerfen zu können, wie eine Umgehungsmöglichkeit der (vermeintlichen) behördlichen Datenschutzaufsicht. Zudem scheint gerade die Selbstregulierung der Presse den Vorgaben auf europäischer Ebene nicht vollumfänglich zu entsprechen.73 Schließlich unterscheidet sich die Selbstkontrolle wesentlich von dem unionalen Aufsichtsregime einer unabhängigen Kontrollbehörde im Sinne von Art. 51 DS-GVO, die im Gegensatz zum Deutschen Presserat mit weitreichenden Eingriffsbefugnissen ausgestattet ist. Ziel des Konzepts der Selbstregulierung ist es, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Medienakteure ohne staatliche Eingriffe zu ermöglichen.74 Grundsätzlich sind die Mitgliedstaaten bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung des Regelungsauftrages aus Art. 85 DS-GVO frei, so dass die deutsche Umsetzung nach eigenem Belieben erfolgen kann, schließlich hat die EU im Medienbereich keine umfassende Kompetenz, stattdessen hat sie nur die Befugnis, einen groben Rahmen vorzugeben.75 Letztlich ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten – und in Deutschland Sache der einzelnen Bundesländer – die konkrete Ausgestaltung entsprechend der landestypischen Traditionen umzusetzen. In Deutschland wählten einige Landesge71

Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 15. 72 Cornils, Das datenschutzrechtliche Medienprivileg (2018), S. 110 f. 73 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 72; Benecke/Wagner, DVBl 2016, 600, 602 f.; Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/ Buchner, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 32. 74 Deutscher Presserat, Leitfaden Redaktionsdatenschutz (2021), S. 8 f. 75 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 72.

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setzgeber erneut das (umstrittene) Instrument des Selbstregulierungsvorbehalts. Der rechtlich nicht bindende Charakter solcher Verhaltenskodizes und die damit verbundene Umgehungsmöglichkeit der verordnungsbedingten Sanktionen stehen auf den ersten Blick im Wertungswiderspruch zu der unmittelbar geltenden EU-Verordnung mit seinem verpflichtenden Wesensgehalt.76 Wie bereits erläutert77, gibt es für einige journalistisch Tätige die gesonderte Möglichkeit der freiwilligen Selbstregulierung. Die Systematik der freiwilligen Unterwerfung unter den Pressekodex vom Deutschen Presserat als unverbindliche Verpflichtungserklärung stößt seit ihrem Bestehen auf Kritik.78 Als der zentrale Wirkmechanismus des Deutsches Presserats dient das eigene Beschwerdeverfahren. Das rechtliche Überprüfen erfolgt durch die selbsternannte Sanktionsstelle des Deutschen Presserats: dem Beschwerdeausschuss.79 Für Datenverarbeitungen in Redaktionen ist der speziellere „Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz“ zuständig. Dies zu kritisieren, ist geboten, da ein verfassungsrechtlicher Wertungswiderspruch bei solchen „Selbstverpflichtungserklärungen“ besteht: es wird kein Gebrauch von der staatlichen Sanktionierungsmöglichkeit gemacht, stattdessen wird das Überprüfen der weder von einer unabhängigen noch legitimierten Stelle erlassenen Regeln einem interessensorientierten Verband überlassen, der in der Praxis über keine funktionierenden Sanktionsinstrumente verfügt. Im Laufe der Zeit wurde der Zuständigkeitsbereich des Presserats erweitert.80 Seit 2009 sind als Adressaten neben „allen Unternehmen, die Zeitungen und Zeitschriften (einschließlich Anzeigenblättern, Werks-, Kunden- und Mitgliederzeitungen) herstellen und herausgeben sowie Nachrichtenagenturen und Korrespondentenbüros, auch alle Online-Medien, die regelmäßig und auf professioneller Basis journalistisch-redaktionelle Inhalte produzieren und kein Rundfunk sind“81 erfasst. Einen Vorteil bringt dies nur der ohnehin schon privilegierten Institutionspresse, die neben ihren Druckwerken nun auch für ihre Online-Angebote eine Sonderstellung genießt. Nicht vom engen Adressatenkreis erfasst sind nach wie vor Bürgerjournalisten bzw. Laienjournalisten – also Diskursteilnehmer, die nicht in einer redaktionellen Institution organisiert sind.82 Die aufkommende Ungleichbehandlung entfaltet sich nicht nur zwischen den zwei Mediengattungen Rundfunk und Presse, sondern auch innerhalb des eigenen 76

Siehe zur früheren Diskussion bzgl. der Vorgängernorm Art. 9 DS-RL Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 1. 77 Ausführlicher dazu siehe Kapitel C. 78 Grundsätzlich dazu Schmidt, Selbstregulierung der Presse in Deutschland und Großbritannien (2021). 79 Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 31. 80 Westphal, in: Taeger/Gabel, BDSG (2013), § 41 Rn. 31; Deutscher Presserat, Jahrbuch 2011, S. 21. 81 Deutscher Presserat, Leitfaden Redaktionsdatenschutz (2021), S. 10 f. 82 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293 f.

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Kreises der Pressetätigen wegen der ausschließlichen Privilegierungsfähigkeit der rein traditionellen Presseunternehmen. Dieser Sonderstatus bezüglich der Datenschutzaufsicht gilt bisher nur für die klassischen Presseakteure – entgegen des europäischen Verständnisses, die Bereichsaufnahme für weitere Medienformen zu öffnen. Ist die journalistische Arbeit in Form einer Redaktion organisiert, werden ihre Vorgänge der Datenverarbeitung nicht der datenschutzrechtlichen Aufsicht unterworfen. Nach der „zerstreuten“ Rechtslage in Deutschland steht nicht jedem Presseakteur gleichermaßen das Konzept der Selbstregulierung offen. Zum Einsatz kann die Selbsterklärung nur in denjenigen Bundesländern kommen, die in ihren Presse- bzw. Mediengesetzen Kapitel VIII der DS-GVO für anwendbar erklären und gleichzeitig auf den Pressekodex und die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats verweisen. Andernfalls wird das Kapitel über die Aufsicht gar nicht erwähnt, so dass es keinen Vorbehalt der Selbstregulierung gibt. Nicht mehr tragbar ist zudem der Zustand, dass die Teilnahme an der Selbstregulierung nach wie vor von der Organisationsform der Presseakteure abhängig gemacht wird. Für einen umfassenden Schutz der Kommunikationsbeiträge wäre die Öffnung des Adressatenkreises durch zum Beispiel eine Satzungsänderung des Deutschen Presserates und der damit verbundenen Anwendbarkeit des Pressekodex und der Beschwerdeordnung wünschenswert. Eine Europarechtskonformität lässt sich hieraus jedoch nicht direkt ableiten. 3. Vereinbarkeit der rundfunkrechtlichen Normen Nach dem Geltungsbeginn der DS-GVO war zunächst ein Überarbeiten im seinerzeit geltenden Rundfunkstaatsvertrag erforderlich.83 Erst mit einiger Verzögerung wurde der RStV vom heutigen MStV abgelöst, sodass erneut eine Anpassung der medienspezifischen Regelung stattfand. Für die journalistische Datenverarbeitung im Rundfunk gilt in Deutschland nun § 12 MStV einheitlich sowohl im öffentlichrechtlichen als auch im privaten Bereich. Diese Entwicklung zu einer einheitlichen Gesamtnorm ist zunächst positiv zu bewerten. Die Gesetzgeber befreien die Rundfunkbeteiligten bei ihren Datenverarbeitungen im Wesentlichen von den datenschutzrechtlichen Vorgaben und Verpflichtungen, lediglich ein gewisser Mindestschutz für die personenbezogenen Daten der Betroffenen wird durch die Verpflichtung auf das Datengeheimnis und das Einhalten der Datensicherheit gewährleistet. Sowohl die Regelung bezüglich der Datensicherheit als auch des Datengeheimnisses betreffen nicht unmittelbar den unionsrechtlich geforderten Ausgleichsprozess zwischen den kollidierenden Schutzpositionen.84 Das Beibehalten der „datenschutzrechtlichen Schutz-Trias“ (Datenge83 Die betreffende Regelung für den Rundfunk wurde zunächst durch den 21. RÄStV in § 9c RStV normiert, bevor § 12 MStV die Regelung ablöste. 84 Wolff, AfP 2020, 202, 209.

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heimnis, Datensicherheit, Schadensersatz) wird auf unionaler Ebene nicht vorgeschrieben, es handelt sich dabei um eine bewusste Entscheidung in der deutschen Regelungsmechanik.85 Weiterhin werden den Betroffenen einer Datenverarbeitung (wohl durch eine Berichterstattung) Rechte zugesichert, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen bezwecken. Diese Regelung ist bedeutsam für das Ineinklangbringen des Datenschutzes und der Kommunikationsfreiheiten.86 Damit trägt der Gesetzgeber dem in Art. 85 DS-GVO geforderten Notwendigkeitsmaßstab Rechnung, wonach eine umfassende Freistellung von allen Datenschutzvorschriften wohl europarechtswidrig wäre.87 Allerdings ist die Schutzkompensation für die Betroffenen und ihre Persönlichkeitsrechte vergleichsweise als gering einzustufen, da sowohl das Recht auf Gegendarstellung als auch der Auskunftsanspruch nur in einem sehr begrenzten Umfang anwendbar sind.88 Insgesamt sind diese Einschränkungen jedoch unerlässlich, um eine freie Ausübung der Medienfreiheiten in ihrem Kern zu ermöglichen und scheinen daher geeignet und damit auch unionskonform zu sein. Im Gegensatz zur presserechtlichen Bereichsausnahme erstreckt sich das Freistellungsbedürfnis der Rundfunkbeteiligten aus Sicht der deutschen Landesgesetzgeber nicht in dem Maße, dass eine Datenschutzaufsicht für abdingbar gehalten wird. Stattdessen hält der Gesetzgeber an seinem bestehenden Konzept des Dualismus fest. Für den Rundfunk wird eine Aufsicht wohl aus unionsrechtlichen Gründen für erforderlich gehalten, wohingegen die Gesetzgeber bei der Privilegierungsvorschrift bezüglich der Presse von der (vermeintlich unional geforderten) Aufsicht abweichen, indem beispielsweise die Teilnahme am Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats ermöglicht wird.89 Indirekt gesteht sich der Gesetzgeber damit ein, dass die Anwendbarkeit von Kapitel VIII der DS-GVO nicht ausnahmslos vom unionsrechtlichen Rahmen vorgegeben ist. Diese Wertung müsste mithin auch auf den Rundfunk durchschlagen, so dass eine Aufsicht nicht mehr als zwingend erachtet werden müsste. Allerdings beharrt der deutsche Gesetzgeber auf dem Grundprinzip der unterschiedlichen Ausgestaltungen im Rundfunk- und Pressebereich. Unionsrechtlich begründet ist diese Vorgehensweise allerdings nicht, sodass für die Zukunft der Weg offensteht, eine einheitliche Regelung unabhängig vom Medium zu erlassen. Das Beibehalten einer rundfunkrechtlichen Aufsicht ist zumindest nicht unionsrechtswidrig und be85 Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 2. 86 Wolff, AfP 2020, 202, 209. 87 Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht, S. 2. 88 Wolff, AfP 2020, 202, 210; a. A. Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 74. 89 Ausführlich dazu Cornils, ZUM 2018, 561, 567 f.

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ruht auf dem traditionellen Rechtsverständnis, der Presse einen besonders hohen Stellenwert in einer funktionierenden Demokratie einzuräumen.90 Eine solche Aufsicht muss allerdings nach den Vorgaben aus der Verordnung unabhängig ausgestaltet sein, wie auch von der DSK gefordert.91 4. Vereinbarkeit der telemedienrechtlichen Normen Ebenso wie im Bereich des Rundfunks wurde die telemedienspezifische Bereichsausnahme im Wege des Novellierungsimpulses der DS-GVO zunächst im RStV und anschließend im MStV angepasst. In der aktuellen Fassung regelt der Gesetzgeber die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken für Telemedienanbieter in § 23 MStV. Ähnlich wie im Rundfunk wird für den Umgang mit personenbezogenen Daten lediglich ein datenschutzrechtlicher Mindeststandard vorausgesetzt, um dem Freistellungsbedürfnis entsprechend Rechnung zu tragen. Für die presserechtlichen Telemedien besteht die Möglichkeit, sich dem Konzept der Selbstregulierung zu unterwerfen, nicht jedoch für die rundfunkrechtlichen Telemedien. Darüber hinaus modifizierte der Gesetzgeber die Betroffenenrechte. Im Vergleich zu der vorherigen Rechtslage wurde zumindest das „redaktionelle“ Kriterium für die Datenverarbeitung gestrichen.92 Mit diesem Veränderungsschritt tendieren die Landesgesetzgeber schon in die „vorgegebene“ Richtung des weiten Anwendungsbereichs. Allerdings ist der Adressatenkreis durch die Begrenzung auf Unternehmen als zu engmaschig zu kritisieren. In Anlehnung an die bestehenden Problematiken im Bereich der Presse gelten die Ausführungen ebenso für die presserechtlichen Telemedien. Hinderlich für eine einheitliche Entwicklung ist das Fortführen des „DualismusKonzepts“ im Rahmen der Telemedienangebote: die unterschiedlich strengen Vorgaben bezüglich der Datenschutzaufsicht für den rundfunkrechtlichen und den presserechtlichen Bereich, sorgen weiterhin für ein Rechtsgefälle zwischen den beiden Mediengattungen.93 Zwar zielte die DS-GVO grundsätzlich darauf ab, eine Annäherung zwischen den Medien zu vollziehen (Anwendbarkeit Kapitel VIII),

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Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 73; Schulz/Heilmann, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 72; vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2018, 549. 91 Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht, S. 2. 92 Michel, ZUM 2018, 836, 843. 93 Cornils, ZUM 2018, 561, 565; Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 12 f.; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293.

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allerdings ließ sich dieses Konzept @ insbesondere im Bereich der Aufsicht @ nicht mit deutschem Verfassungsrecht vereinbaren (Verwaltungsfestigkeit der Presse).94 Deutlich wird die gravierende Ungleichbehandlung zwischen einerseits dem Presseunternehmen und anderseits dem Rundfunkunternehmen bei den unterschiedlichen Eingriffsbefugnissen der Aufsichtsorgane: im Rundfunkbereich sind die Aufsichtsbehörden nach der DS-GVO mit Befugnissen wie dem Verhängen von Bußgeldern vollumfänglich ausgestattet, wohingegen die Presse nach einer Unterwerfung des Konzepts der Selbstregulierung durch den Pressekodex und die Beschwerdeordnung durch den Deutschen Pressekodex lediglich einer „Rüge statt (einem) Bußgeld“ ausgesetzt ist.95 Anzudenken wäre möglicherweise ein Aufsichtskonzept in Form der Selbstregulierung angelehnt an den Pressekodex des Deutschen Presserates.96 Das Rechtsgefälle zwischen Rundfunk und Presse blieb trotz Anpassungsimpulses bestehen, obwohl dies wohl vom Unionsgesetzgeber anders angedacht war. Unabhängig von der Frage nach der Unionsrechtskonformität ist das generelle Konzept der Unterscheidung zwischen den beiden Medienformen „fragwürdig“.97 Im Gesamten lässt sich eine europarechtskonforme Umsetzung durchaus bejahen, allerdings ist erneut der unionale Spielraum nicht vollends ausgeschöpft, was für eine künftige Entwicklung wünschenswert wäre.98 5. Vereinbarkeit der Landesdatenschutzgesetze Wie schon in den Landespressegesetzen und Landesmediengesetzen versucht, wurden auch die Landesdatenschutzgesetze der deutschen Bundesländer infolge des Geltungsbeginns der DS-GVO an die europäischen Vorgaben angepasst. Mangels der Anwendbarkeit des BDSG für öffentliche Stellen der Länder, gelten für diese die jeweiligen landesrechtlichen Datenschutzgesetze. Die Regulierungen betreffen demzufolge öffentliche Stellen bzw. Landesbehörden der einzelnen Bundesländer bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Für die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken haben nur sechs Bundesländer namentlich Bayern, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen bisher gesonderte Regelungen erlassen. Auffällig ist, dass diese Vorschriften in ihrem Anwendungsbereich nicht so eng gestaltet sind, wie in den Landespresse- oder Mediengesetzen. Beispielsweise ist in § 29 BbgDSG die „Verarbeitung personen-

94

A. A. Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 57 Rn. 8; Oster, in: Hartstein/Ring, HK-RStV (2016), § 57 Rn. 13; Herb, in: Binder/Vesting, Beck RundfunkR (2018), RStV, § 57 Rn. 37a. 95 Cornils, ZUM 2018, 561, 566. 96 Ausführlich dazu Cornils, ZUM 2018, 561, 566. 97 Cornils, ZUM 2018, 561, 565. 98 So auch Michel, ZUM 2018, 836, 843.

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

bezogener Daten zu Zwecken der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit“ geregelt.99 Ebenso wird dieser Grundgedanke in § 12 DSG M-V verankert. Danach heißt es in Abs. 1 Satz 1: „Soweit personenbezogene Daten in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken verarbeitet werden, gelten von den Kapiteln II bis VII sowie IX der Verordnung (EU) 2016/679 nur Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f und die Artikel 24 und 32 sowie § 83 des Bundesdatenschutzgesetzes.“ Im Entwurf wird diese Umsetzung damit begründet, dass „die Abweichungsbefugnis aus Art. 85 DSGVO für sämtliche Bereiche des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationszugang zum Tragen kommen soll.“100 Insgesamt öffnen die Bundesländer damit den Adressatenkreis für die meinungsrelevante Kommunikation. Weiterhin findet sich in Art. 38 BayDSG eine Regelung für die bayrischen Landesbehörden unter dem Titel „Verarbeitung zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken“, wonach den betroffenen Personen bei der Datenverarbeitung zu (u. a.) journalistischen Zwecken das spezielle Recht der Speicherungspflicht von Gegendarstellungen zugesichert wird. Des Weiteren wird auf die Normen zur Datensicherheit aus der DS-GVO in der gewohnten Regelungssystematik verwiesen („Im Übrigen gelten für Verarbeitungen im Sinne des Satzes 1 Kapitel I, Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 24 und 32, Kapitel VIII, X und XI DSGVO“). Zudem wird der unionale Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO auf Verletzungen für unzureichende Maßnahmen im Rahmen der Datensicherheit beschränkt. Mit dieser Gestaltung nähern sich die Landesgesetzgeber den unionalen Vorgaben an, was sehr zu begrüßen ist. Allerdings ist die Umsetzung als solche wohl fragwürdig: Die Vorgaben sollen sich in einigen Ländern101 auch auf den nicht-öffentlichen Bereich erstrecken. Damit wird der Geltungsbereich der Landesdatenschutzgesetze in einem nicht unbeachtlichen Maße ausgeweitet, dass es als eine Art „Vordringen“ in einen bundesrechtlichen Kompetenzbereich gleichkommt. Um kompetenzrechtliche Streitigkeiten zu vermeiden und um einer weiteren Rechtszersplitterung bzw. einer zunehmenden Unsicherheit entgegenzuwirken, wäre eine solche (möglichst bundeseinheitliche) Regelung vorzugswürdig im BDSG aufzunehmen.102

99

Ausführlich noch zum geplanten § 28 BbgDSG siehe Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 294. Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 294; LT-Drs. 7/1568 (neu), S. 46. 101 So wohl für Brandenburg in § 29 Abs. 3 BbgDSG. 102 Näheres dazu im Kapitel G. 100

III. Vereinbarkeit nationales Medienprivileg mit unionalen Vorgaben

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6. Fehlende Umsetzung des Regelungsauftrags aus Art. 85 Abs. 1 DS-GVO Wie bereits erläutert103, besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass Art. 85 Abs. 2 DS-GVO als Öffnungsklausel gilt, wohingegen bei Abs. 1 die Rechtsnatur umstritten ist. Die überzeugenderen Argumente sprechen dafür, den ersten Absatz auch als eigenständige Öffnungsklausel (neben Abs. 2) einzustufen. Nach dem überzeugenderen Verständnis ist Art. 85 Abs. 1 DS-GVO folglich als eigenständige Öffnungsklausel einzuordnen, die den Mitgliedstaaten den Auftrag erteilt, einen Ausgleich zwischen dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit herzustellen und in ihrem Anwendungsbereich über die in Abs. 2 genannten Funktionsbereiche hinausgehen kann.104 Als Folge dieser Charakterisierung müsste es eine Regelung im deutschen Recht geben, die den Inhalten des ersten Absatzes entspricht. Diese Regelung müsste als „allgemeine übergreifende Abwägungsklausel, die in ihrer Diktion als Generalklausel ausdrücklich dem Gebot des Art. 85 entspricht“105 formuliert sein. Ziel dieser fiktiven Regelung wäre es, unabhängig von den klassischen Medienformen eine weitreichendere Freistellung für die Kommunikation im Bereich des Datenschutzes zu ermöglichen, die der öffentlichen und damit wesentlichen Meinungsbildung dient.106 Für die Umsetzung des Auftrags nach Abs. 1 unterliegen die Mitgliedstaaten nicht den strengen Anforderungen, konkrete Vorgaben des Unionsgesetzgebers einzuhalten, sondern sind grundsätzlich frei in der Wahl ihrer Umsetzungsmittel bzw. -mechanismen. In Deutschland ist weder auf Bundesebene noch auf Landesebene eine ausdrückliche Norm geschaffen worden, die alle meinungsrechtlichen Belange mit dem Datenschutz in Einklang bringt. Infolgedessen besteht die Gefahr, dass die (Nicht-) Umsetzung im Widerspruch zum Europarecht steht und mithin die Ausgestaltung des deutschen Rechtsrahmen für die Medien nicht europarechtskonform erfolgte. Schließlich ist Abs. 1 als unionsrechtlicher Auftrag zu verstehen, der für die Mitgliedstaaten verpflichtend ist. Allerdings könnte dem entgegnet werden, dass ein Umsetzen nicht ausschließlich durch die nationale Legislative gefordert wurde, so dass der Auftrag auch durch eine andere Einrichtung erfüllt werden könnte. In Betracht käme dafür die Judikative, wonach ein Rückgriff auf die bereits etablierten Grundsätze im Wege der richterlichen Rechtsprechung erlaubt sein könnte.107 Dieser Ansatz baut auf dem Erwägungsgrund 41: danach bedarf es nicht 103

Siehe Kapitel C. I. 1. a) aa). Ausführlicher dazu siehe Kapitel C. I. 1. a) bb); a. A. Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 105 Kühling/Martini et al., DS-GVO und nationales Recht (2016), S. 290. 106 Cornils, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und MedienR, DS-GVO (Stand 2019), Art. 85 Rn. 10, 37 ff. 107 Ausführlich dazu Nettesheim, AfP 2019, 473, 477 ff.; a. A. Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 3. 104

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

unbedingt „einen von einem Parlament angenommenen Gesetzgebungsakt“.108 Demzufolge könnte auf das ausgereifte Konstrukt der Rechtsprechung zurückgegriffen werden, wonach die Medienfreiheiten mit den persönlichkeitsschützenden Rechten ausbalanciert werden. Nach Nettesheim scheint es nicht unwahrscheinlich, dass der EuGH künftig konkretere Maßstäbe an die Umsetzung von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO anlegen wird (Art. 4 Abs. 3 EUV).109 Diese Herleitung kollidiert allerdings mit den deutschen Verfassungswerten, wonach es für Grundrechtseingriffe stets eines Parlamentsgesetzes bedarf.110 Der Regelungsauftrag aus Art. 85 Abs. 1 DSGVO erfordert einen Ausgleich von zwei Grundrechtspositionen, so dass ein grundrechtlicher Eingriff eine unausweichliche Folge der Norm sein wird, was im Umkehrschluss darauf hindeutet, dass dann auf nationaler Gesetzesstufe durchaus ein Parlamentsgesetz notwendig ist. Insgesamt wäre die Schaffung eines Auffangtatbestandes in Auftragserfüllung von Abs. 1 für mehr Rechtssicherheit wünschenswert. Solange keine klare Rechtslage geschaffen wird, sind nicht-journalistische Tätigkeiten mit erheblichen Risiken verbunden. Insbesondere beim Umgang mit „sensiblen Daten“ im Sinne von Art. 9 DS-GVO und „Strafdaten“ nach Art. 10 DSGVO, bei dem die Abwägungsklausel Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO nicht greift, besteht nicht die Möglichkeit, eine die Meinungsfreiheit schützende Abwägung zu vollziehen, mit der Folge, dass ein (bestehendes) überwiegendes Interesse nicht ausreichend ist für eine zulässige Datenverarbeitung.111 Veröffentlicht ein Blogbetreiber oder ein Betreiber eines Social-Media-Accounts einen Beitrag über eine religiöse Person, führt das zu einem direkten Spannungsverhältnis zwischen dem Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit – allein wegen der Information der Religionszugehörigkeit, die unter die sensiblen Daten nach Art. 9 Abs. 1 DS-GVO fällt. In der Realität führen die Unsicherheiten zu massiven Einschüchterungseffekten für Kommunikationsbeitragende, die der Gefahr ausgesetzt sind, dass ihre Datenverarbeitung schlicht nicht zulässig ist oder nur im begrenzten Maße durch die einschlägigen Pflichten aus der DS-GVO, so dass ein Meinungsbeitrag zum öffentlichen Diskurs im Zweifel eher eingestellt wird. Es wird vertreten, dass der Erlass einer weiteren Regelung redundant sei, da bereits Art. 5 GG im Wege der mittelbaren Drittwirkung über Art. 85 Abs. 1 DSGVO für ein angemessenes Schutzniveau sorgen könne.112 Dieser Haltung ist aus den 108

Nettesheim, AfP 2019, 473, 478; a. A. Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 290. Nettesheim, AfP 2019, 473, 478. 110 Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker (2019), Art. 85 Rn. 11; vgl. Dix, in: Simitis/Hornung/ Spiecker (2019), Art. 23 Rn. 10. 111 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 12 ff. 112 So u. a. Jan-Philipp Albrecht in einer Diskussion auf Twitter: https://twitter.com/JanAl brecht/status/856120709311057920 (zuletzt abgerufen am 22. Juli 2022); sowie BMI, bei109

III. Vereinbarkeit nationales Medienprivileg mit unionalen Vorgaben

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oben genannten Gründen @ insbesondere aufgrund der bestehenden Einschüchterungseffekten – nicht zuzustimmen. Offensichtlich besteht ein Reformbedarf für die innerstaatliche Umsetzung, eine datenschutzrechtliche Freistellung auch für diejenigen Datenverarbeitungen zu regulieren, die zwar nicht-journalistisch sind, dafür aber wesentlich das Recht auf freie Meinungsäußerung betreffen. 7. Umfang der Ausnahmen und Abweichungen: Erforderlichkeitsgrundsatz Entsprechend der Vorgaben aus Art. 85 Abs. 2 DS-GVO sollen Abweichungen und Ausnahmen von dem unionalen Datenschutzrecht bei der nationalen Umsetzung nur dann erfolgen, wenn sie für den Interessensausgleich zwischen dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten und der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit „erforderlich“ sind. Die Erforderlichkeit wird nach wie vor als Instrument der Begrenzung für das mediale Freistellungsbedürfnis genutzt. Die Frage stellt sich, bei welchen Kriterien eine Ausnahmeregelung überhaupt „erforderlich“ ist. Eine Ausnahme von den Datenschutzregelungen für die Medien ist immer dann notwendig, wenn die Medienfreiheit derart durch datenschutzrechtliche Regelungen eingeschränkt ist, dass die Beeinträchtigung nicht in einem angemessenen Verhältnis steht. Das bedeutet, dass zu pauschale Regelungen nicht dem Erforderlichkeitsprinzip entsprechen könnten, da stets eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden muss – insbesondere hat die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes oberste Priorität.113 Es besteht Anlass zur Kritik, dass die aktuelle Fassung des deutschen Medienprivilegs durch ihre „(zu) pauschale“ Freistellung dem vorgegebenen „Regel-Ausnahme-Charakter“ der Verordnung widerspricht.114 Bei dieser Debatte handelt es sich keineswegs um eine neue Diskussion, vielmehr wird diese Debatte seit Bestehen der Bereichsausnahme geführt.115 Dem Argument, dass die inhaltliche Reichweite der Abweichungsbefugnis zu weitgehend sei, kann entgegnet werden, dass der Persönlichkeitsrechtschutz auch anderweitig (außerhalb des Datenschutzrechts) durch spielhaft „FAQ zur DSGVO“, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldun gen/DE/2018/04/faqs-datenschutz-grundverordnung.html (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022); zum Meinungsstreit siehe auch Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1060 ff.; DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 9 ff. 113 Nettesheim, AfP 2019, 473, 476. 114 Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK), Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht, S. 2; Cornils, ZUM 2018, 561, 573. 115 Cornils, ZUM 2018, 561, 573; Dix, in: Simitis, BDSG (2014), § 41 Rn. 6; umfassend Thomale, Die Privilegierung der Medien im deutschen Datenschutzrecht (2006), S. 117 ff.

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F. Kohärenzprobleme zwischen unionalem und nationalem Recht

gerichtlich konturierte Mechanismen (im Bereich des straf- und zivilrechtlichen Äußerungsrechts) erreicht werden kann.116 Ebenso ist die gesetzgeberische Entscheidung, das „Regel-Ausnahme-Prinzip“ für die Medien umzukehren, kein Hindernis für eine einzelfallbezogene Abwägung, vielmehr signalisiert der Gesetzgeber damit eine Grundsatzentscheidung, die nicht mit dem Einräumen eines Vorrangs misszuverstehen ist.117 Insgesamt steht diese Gestaltungsweise daher nicht im Widerspruch zum Unionsrechts. 8. Mitteilungspflicht nach Art. 85 Abs. 3 DS-GVO In Art. 85 Abs. 3 DS-GVO besteht expressis verbis die Pflicht, der Kommission die Rechtsvorschriften, die auf Grundlage der Öffnungsklausel im nationalen Recht erlassen worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Mithin ist diese Pflicht ab dem 25. Mai 2018 für die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Um ein ausuferndes Mitteilen zu verhindern, erstreckt sich die Mitteilungspflicht nur auf Vorschriften, die originär das Medienprivileg regeln.118 Auch im Jahr 2021, drei Jahre nach Fälligkeit, erfolgte eine solche Mitteilung bislang nicht durch den deutschen Bundesgesetzgeber.119 Allerdings besteht Rechtsunsicherheit, ob das Nicht-Mitteilen eine Konsequenz nach sich zieht.120 Gegen eine solche Rechtsfolge spricht, dass es keine Fristsetzung für die Mitteilung gibt.121

IV. Stellungnahme Die bisherige Umsetzung des Regelungsauftrags von Art. 85 DS-GVO kann nur bedingt überzeugen. Bislang wurden die nationalen Vorschriften für das Medienprivileg lediglich auf die Öffnungsklausel von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO gestützt, ohne den Spielraum von Abs. 1 zu berücksichtigen. Das verschenkte Potential für einen weiteren Anwendungsbereich für die meinungsrelevante Kommunikation symbolisiert deutlich, dass sowohl die Landesgesetzgeber als auch der Bundesgesetzgeber nicht den Mut für eine voranbringende Entwicklung im Medienbereich aufbringen konnten. Mit Blick auf die Zukunft wäre zudem eine gerichtliche Klärung der Frage nach dem systematischen Verhältnis von Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO wünschenswert, um weitere Rechtsunklarheiten zu beseitigen.122

116 117 118 119 120 121 122

Cornils, ZUM 2018, 561, 574 f. Ausführlich dazu Cornils, ZUM 2018, 561, 575 f. Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 17. Vgl. Frohnecke, ZD 2020, 273, 273 ff. Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 18. Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 504. So auch Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 21.

IV. Stellungnahme

223

Stattdessen wirken die Umsetzungsversuche durch das partielle Anpassen und Verändern eher zögerlich und weniger fortschrittlich – insbesondere im Vergleich zur Tendenz der unionalen Rechtsprechung. Mithin bleiben die innerstaatlichen Anpassungen weit hinter dem gewährten Spielraum des Unionsgesetzgebers zurück. Dem zuvor teilweise vertretenen Standpunkt123, dass sich eine Unionsrechtswidersprüchlichkeit aus den zu weitgehenden Ausnahmeprivilegien, die nicht dem grundlegenden „Regel-Ausnahme-Prinzip“ der DS-GVO entsprechen, ergeben könne, ist offensichtlich nicht zuzustimmen. Erneut das Konzept der „Insellösungen“ zu wählen, verstärkt die unklare Rechtslage in Deutschland und sorgt zunehmend für einen erschwerten Zugang zu der Materie für alle Betroffenen. Umso mehr punktuelle Anpassungen vorgenommen werden und umso mehr die Vorschriften gattungsspezifisch aufgesplittet werden, desto komplizierter und weniger anwenderfreundlich ist die Regelungsmechanik im Ergebnis. Die aktuelle Ausgestaltung des datenschutzrechtlichen Medienprivilegs ist eher als „zusammengestückelt“, veraltet und verkompliziert zu bewerten. Mit dem zunehmenden Bedeutungsgewinn der Medienkonvergenz ist insbesondere das Festhalten an alten Regelungsstrukturen im Medienrechtsbereich kritikwürdig, was sich besonders im Bereich der datenschutzrechtlichen Aufsichtssystematik zeigt.124 In der Gesamtbilanz bleiben die deutschen Medienprivilegien hinter dem unional gewährten Spielraum der Öffnungsklausel zurück. Dem nationalen Gesetzgeber gelingt es nicht, mit Blick auf den Novellierungsimpuls einen weitreichenden Handlungsrahmen für die Medien zu schaffen, stattdessen führen seine Anpassungen zu einem Verkürzen des Freistellungsumfangs und des Handlungsspielraums der journalistisch Tätigen. Der herzustellende Ausgleich in den nationalen Medienprivilegien ist nicht gelungen und nicht unionsrechtskonform wegen der fehlenden Berücksichtigung aller relevanten Kommunikationsformen.

123 Hennemann, in: Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 72 f.; Specht, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 19. 124 So auch schon Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 3.

G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge Wie sich bereits aus dem vorherigen Kapitel ergibt, trägt die deutsche Rechtslage dem unionalen Rechtsrahmen nicht ausreichend Rechnung und bedarf dringend einer europarechtskonformen Überarbeitung. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Regelungen zum datenschutzrechtlichen Medienprivileg wegen des fortwährenden Anpassungsdrucks zu novellieren, anstatt ein neues Gesamtkonzept zu entwickeln, birgt die Gefahr, dass die mediale Bereichsausnahme in Deutschland zunehmend in ihrem „zersplitterten“ Gesamtbilde nicht überzeugend ist. Dieser misslichen Rechtslage sollen in diesem Kapitel geeignete Lösungsvorschläge gegenübergestellt werden, um langfristig eine einheitliche und unionsrechtskonforme Ausgestaltung der Bereichsausnahme innerhalb Deutschlands zu erreichen. Es werden verschiedene Ansätze für eine unionskonforme Anpassung vorgeschlagen, jedoch sei an dieser Stelle anzumerken, dass eine umfassende Überarbeitung des deutschen Medienrechts für die Zukunft wohl nicht ausbleiben darf. Zielführend wäre ein einheitliches Konzept, das medienübergreifend die betroffenen Belange in angemessener Weise berücksichtigt.

I. Abkehr vom Unternehmensbegriff Im Fokus des Reformbedarfs stehen in erster Linie die nationalen Vorschriften bezüglich der presserechtlichen Privilegierung.1 Trotz ihrer im Einzelnen unterschiedlichen Anwendungsbereiche haben die landespresserechtlichen Vorschriften die Gemeinsamkeit, die Bereichsausnahme im privaten Sektor ausschließlich auf die „Medienunternehmen“ zu begrenzen: Dem Wortlaut nach sind vom Adressatenkreis nur „Unternehmen, Hilfsunternehmen und (teilweise) die Beteiligungsunternehmen der Presse“ erfasst. Das hat zur Folge, dass die modernen Formen von Journalismus – speziell im Onlinebereich – nicht von der Freistellung der datenschutzrechtlichen Pflichten profitieren. Vor allem betroffen sind Personen, die zwar personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken verarbeiten, indem sie beispielsweise einen Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs leisten, aber nicht in eine Redaktion oder in ein Unternehmen eingegliedert sind. Wie bereits erläutert, hat das insbesondere Auswirkungen auf publizistisch Tätige wie Blogger, YouTuber oder Betreiber von Social1 Dazu auch Brings-Wiesen, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), § 57 RStV Rn. 4; Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 291 f.; HB LT-Drs. 21/12394, S. 69 f.; NRW LT-Drs. 17/1565, S. 98.

I. Abkehr vom Unternehmensbegriff

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Media-Accounts bzw. Personen, die Beiträge in sozialen Netzwerken oder Foren teilen. Die europäische Rechtsprechung gibt ausdrücklich vor, dass ein Privilegieren nicht nur den Medienunternehmen vorbehalten ist, sondern eine journalistische Aufbereitung grundsätzlich durch „jedermann“ erfolgen kann.2 Die unionale Öffnungsklausel fordert zudem allgemein und mediengattungsunabhängig das Austarieren der Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz bzw. des Datenschutzes.3 Es besteht ein dringender Handlungsbedarf, diese Lücke im nationalen Anwendungsbereich der Bereichsausnahme im Hinblick auf das unionale weite Rechtsverständnis zu reformieren. Um dieses Ziel zu erreichen, kommen im Wesentlichen zwei Varianten in Betracht, die nachfolgend erörtert werden sollen. 1. Landespresse- und Landesmediengesetze sowie § 23 MStV Zunächst sollen die bestehenden Vorschriften überarbeitet werden. Im Wesentlichen gilt es, sowohl die Landespresse- und Mediengesetze als auch die telemedienspezifische Norm für den Pressesektor entsprechend der unionalen Richtungsvorgaben anzupassen. a) Normen bezüglich der Presse Der erste Lösungsvorschlag sieht vor, im innerstaatlichen Recht das Tatbestandmerkmal „Unternehmen“ in den jeweiligen Landespresse- und/oder Landesmediengesetze zu streichen. Der Verzicht auf die explizite Nennung von Presse-, Hilfs- und Beteiligungsunternehmen als solche trägt zu einem unionsrechtlich geforderten erweiterten Anwendungsbereich der medialen Bereichsausnahme bei.4 Konkret müssten folgende Normen durch die Landesgesetzgeber angepasst werden: § 12 Abs. 1 und Abs. 2 LPresseG BW, Art. 11 Abs. 1 BayPrG, § 22a Abs. 1 PresseG BE, § 16a Abs. 1 BbgPG, § 5 Abs. 1 und Abs. 2 PresseG HB, § 11a PresseG HH (i. V. m. mit den Verweisen aus § 37 Abs. 1 und Abs. 3 MStV HSH), § 10 HPresseG, § 18a LPrG M-V, § 19 NPresseG, § 12 PresseG NRW, § 13 Abs. 1 LMG, § 11 Abs. 1 SMG, § 11a SächsPresseG, § 10a PresseG LSA, § 10 PresseG SH und § 11a TPG. Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob die Streichung des einen Tatbestandsmerkmals dazu führt, dass ein neuer tatbestandlicher Begriff an dessen Stelle rücken müsste. In Bezug auf das europäische Rechtsverständnis könnte ausschließlich auf die bereits in der Norm genannten „journalistischen Tätigkeit“ des Datenverarbeiters als solche abgestellt und nicht wie bisher an die Organisationsform der Journalisten angeknüpft werden. Ein wesentlicher Vorteil wäre es, dass auch künftig ein flexibleres Reagieren auf die Veränderungen im medialen Bereich 2 „(…) nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist.“ EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58 – Satamedia; EuGH, EuZW 2019, 299 Rn. 52 – Buivids. 3 Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 292. 4 So auch schon Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1060.

226

G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

möglich wäre. Die Tätigkeit, Daten zu einem journalistischen Zweck zu verarbeiten, wäre an kein zusätzliches Kriterium geknüpft und damit steht allein die Tätigkeit im Vordergrund, die von verschiedenen Akteuren ausgeübt werden kann. Gewiss ist diese Variante in ihrem Anwendungsbereich sehr weit gefasst, dem kann jedoch entgegnet werden, dass eine Eingrenzung des Begriffs im Wege der europäischen und nationalen Rechtsprechung konturiert und die Reichweite dadurch eingeschränkt werden könnte. Wie bereits erläutert5, könnten verschiedene Indizien Aufschluss darüber geben, ob eine journalistische Zwecksetzung bei der Verarbeitung der personenbezogenen Daten im Einzelfall vorliegt. Ein zentraler Anknüpfungspunkt könnte die Frage danach sein, ob der Inhalt „zum öffentlichen Meinungsdiskurs beiträgt“, so dass eine „meinungsbildende Relevanz“ des Beitrags für die Allgemeinheit bejaht werden kann. Dabei spielt es keine Rolle, welcher Akteur den kommunikationsrelevanten Beitrag geleistet hat. In einer sehr umfassenden Weise würden damit die einzelnen Medienangebote unabhängig von ihrer Organisationsform berücksichtig werden. In Berlin würde die Vorschrift § 22a Abs. 1 PresseG BE nach dem hypothetischen Überarbeiten wie folgt aussehen: „Soweit personenbezogene Daten zu journalistischen oder literarischen Zwecken verarbeiten werden, ist es den damit befassten Personen untersagt, diese personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken zu verarbeiten (Datengeheimnis). Bei der Aufnahme ihrer Tätigkeit sind diese Personen auf das Datengeheimnis zu verpflichten. Das Datengeheimnis besteht auch bei Beendigung der Tätigkeit fort. Im Übrigen finden von Kapitel II bis VII sowie IX der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung) (ABl. L 119 vom 4. 5. 2016, S. 1; L 314 vom 22. 11. 2016, S. 72, L 127 vom 23. 5. 2018, S. 2) nur Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f in Verbindung mit Absatz 2 und Artikel 24 sowie Artikel 32 sowie von den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes nur § 83 Anwendung. Artikel 82 der Verordnung (EU) 2016/679 gilt mit der Maßgabe, dass nur für unzureichende Maßnahmen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f in Verbindung mit Absatz 2, Artikel 24 und Artikel 32 der Verordnung (EU) 2016/679 gehaftet wird, § 83 Bundesdatenschutzgesetz gilt mit der Maßgabe, dass nur für eine Verletzung des Datengeheimnisses nach Satz 1 bis 3 gehaftet wird.“

Fraglich ist, ob es einer Klärung bedarf, dass sich die Regelung trotz des Wegfalls der Tatbestandsmerkmale „Unternehmen oder Hilfsunternehmen oder Beteiligungsunternehmen der Presse“ nach wie vor auf die presserechtlichen Akteure bezieht. Die Norm ist in den jeweiligen Landespresse- oder Landesmediengesetzen verortet, woraus sich bereits der presserechtliche Geltungsbereich für die Vorschrift ergibt. Aufgrund dessen kann eine explizite Klarstellung dahinstehen. Abgesehen davon, kann zugunsten der Normenklarheit die Regelung um die Formulierung „im Bereich der Presse“ ergänzt werden. Vorzugswürdiger Weise könnten die Landesgesetzgeber in einer gemeinsamen Entschließung eine einheitliche Formulierung 5

Wie bereits im Kapitel D. ausführlicher erläutert.

I. Abkehr vom Unternehmensbegriff

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wählen, die anschließend in allen deutschen Bundesländern zur rechtlichen Angleichung führt. b) Normen bezüglich der presserechtlichen Telemedien Parallel besteht diese Problematik für die presserechtlichen Telemedien in § 23 MStV mit der Folge, dass diese Norm ebenso einer Anpassung unterzogen werden müsste. Ebenfalls wird der Adressatenkreis in § 23 Abs. 1 MStV wie in den Landespressegesetzen auf die „Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse“ beschränkt. Im Landesmediengesetz von NRW wird gemäß § 51a Abs. 1 LMG NRW der Anwendungsbereich des § 23 MStV erweitert auf „sonstige Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die personenbezogene Daten für journalistische Zwecke verarbeiten“. Einerseits öffnet der Landesgesetzgeber das Medienprivileg für „sonstige Anbieter“, was zunächst im Hinblick auf das unionale Rechtsverständnis positiv zu bewerten ist, andererseits wird der Anwendungsbereich dahingehend wieder eingeschränkt, dass nur „journalistischredaktionell gestaltete Angebote“ erfasst sind. Das Aufgreifen der veralteten „redaktionellen“ Herangehensweise wirkt daher eher rückschrittlich und ängstlich. Allerdings kann das Beschränken des Adressatenkreises auf die Institutionspresse im Onlinebereich durch das Streichen der Tatbestandsmerkmale aufgehoben werden. In erster Linie hat das Auswirkungen auf § 23 Abs. 1 Satz 1 MStV, der ähnlich wie die Landespressegesetze das Datengeheimnis für anwendbar erklärt. Zudem muss eine Lösung für § 23 Abs. 1 Satz 6 MStV gefunden werden, neben dem institutionellen Verzicht ist der Pressekodex in seinem Anwendungsbereich entsprechend zu öffnen, was an einer anderen Stelle ausführlicher dargestellt werden soll. Es ist dringend anzuraten, die medialen Angebote im Internet entsprechend aufgrund ihrer tatsächlichen Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung anzuerkennen und entsprechend rechtlich zu würdigen. 2. Auffangtatbestand auf Grundlage von Art. 85 Abs. 2 DS-GVO Für den Fall, dass der Gesetzgeber sich nicht von alten Dogmatiken lösen will und auf die Anknüpfung an die Unternehmenseigenschaft besteht, könnte als Alternative zumindest eine allgemein abstrakte Regelung geschaffen werden, die in ihrem Anwendungsbereich die unkonventionellen Meinungs- und Kommunikationsbeiträge im Rahmen der Presse berücksichtigt. Dem Grunde nach bedarf es eines Auffangtatbestandes, der eine Datenverarbeitung durch Presseakteuren zu journalistischen Zwecken im Einzelfall ermöglicht. Da die „journalistische“ Zweckbindung weiterhin das zentrale Tatbestandsmerkmal darstellen soll, basiert die Auffangnorm im Wesentlichen auf Art. 85 Abs. 2 DS-GVO. Gleichzeitig findet ein Ablösen von dem redaktionellen Vorstellungsbild statt, indem auf die unternehmerische Komponente verzichtet wird.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

In der Folge müsste das presserechtliche Rahmengerüst der einzelnen Bundesländer um eine weitere Norm ergänzt werden. Um weitere Unterschiede in den landesrechtlichen Pressegesetzen zu vermeiden, wäre ein einheitliches Vorgehen wünschenswert. Angelehnt an die Erlassmethode des MStV könnte ein bundeslandübergreifender Formulierungsvorschlag jeweils in den einzelnen Landesgesetzen aufgenommen werden.

II. Schaffung einer Ausgleichsnorm auf Grundlage von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO Während der vorherige Vorschlag für Datenverarbeitungsvorgänge zu journalistischen Zwecken von nicht-institutionalisierten Medienakteuren auf Art. 85 Abs. 2 DS-GVO beruht, soll der nun verfolgte Ansatz im Wesentlichen auf Abs. 1 gestützt werden, um für die schützenswerte Kommunikation insgesamt eine rechtliche Grundlage zu schaffen. Diese Norm soll in einer allgemein abstrakten Form einen Ausgleich für kommunikationsrechtliche und datenschutzrechtliche Belange ermöglichen, der über die bisherigen Funktionsbereiche (journalistisch, künstlerisch, literarisch und wissenschaftlich) des Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO hinausgeht. Schließlich lässt der Wortlaut von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO durch das Wort „einschließlich“ die gesetzgeberische Intention erkennen, dass die Aufzählung der Funktionsbereiche nicht abschließend formuliert ist.6 Nach der erfolgten Untersuchung7 wird deutlich, dass sich die deutschen Privilegierungen der Medien bisher nur auf Art. 85 Abs. 2 DS-GVO („journalistisch“) stützen, wohingegen das Potential der breiteren Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 1 DS-GVO bislang von den nationalen Landesgesetzgebern nicht genutzt wurde.8 Ein Blick über die deutschen Grenzen hinaus zeigt, dass andere Mitgliedstaaten der EU durchaus eine andere Herangehensweise bei der Umsetzung der DS-GVO verfolgt haben: Österreich9, Schweden10 und auch Irland11 regeln die Meinungsäußerungsund Informationsfreiheit bisher weiter als Deutschland.12 In Schweden heißt es im 6

Siehe dazu Kapitel C. Siehe dazu Kapitel F. 8 Dazu Kapitel F. 9 Die österreichische Regelung ist in § 9 des österreichischen DSG normiert. 10 Für Schweden findet sich eine solche Ausgleichsregelung im ersten Kapitel in § 7 des schwedischen Datenschutzgesetzes (Lag (2018:218) med kompletterande bestämmelser till EU: dataskyddsförordning). 11 Für die Umsetzung in Irland wurde Ziffer 43 des irischen Data Protection Act 2018 geschaffen. 12 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 15. 7

II. Ausgleichsnorm auf Grundlage von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO

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ersten Kapitel in § 7 des schwedischen Datenschutzgesetzes, dass die DS-GVO und das schwedische Datenschutzgesetz nicht gelten dürfen, soweit sie im Widerspruch zu der geschützten Pressefreiheit oder Meinungsfreiheit stehen.13 Begründet wird das Erfordernis, von der Regelungsbefugnis des Art. 85 Abs. 1 DSGO in dieser Weise Gebrauch zu machen, damit, dass ansonsten Unsicherheiten für die Meinungsaktivitäten in Schweden drohen würden.14 Darüber hinaus erlässt der schwedische Gesetzgeber auf Grundlage von Art. 85 DS-GVO Zertifikate (sogenannte „frivilligt utgivningsbevis“), die private Unternehmen zum Zweck der Ausübung der Meinungsfreiheit überwiegend von den datenschutzrechtlichen Vorschriften freistellen.15 Im grenzüberschreitenden Vergleich wird deutlich, dass Deutschland in der Ausgestaltung für die Bereichsausnahme den gewährten Spielraum zugunsten der Meinungsfreiheit nur sehr zaghaft umsetzte.16 Das alleinige Abstellen auf die Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken ist nicht zeitgemäß. Die neuen Verbreitungswege bedingt durch das Internet sorgen dafür, dass eine Einflussnahmemöglichkeit von verschiedenen Publizisten besteht, die zuvor nur den traditionellen Massenmedien vorbehalten waren. Im Hinblick auf die veränderte Medienwelt und deren Akteure scheint „Journalismus“ als ausschließlicher Anknüpfungspunkt nicht der geeignetste zu sein. Mit diesem Begriff werden unausweichlich redaktionelle Strukturen assoziiert wie Zeitungsredaktionen, die längst für das Verbreiten von Informationen nicht mehr erforderlich sind. Für eine Privilegierung einer Publikation kann es auf die Einbindung in eine Redaktion daher nicht vorrangig ankommen, sondern allein die Funktion des Beitrages für die Allgemeinheit muss maßgeblich sein. Jede Kommunikations- und Verbreitungsform, die ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Diskurses darstellt, darf durch den Schutzauftrag des Datenschutzes nicht gehemmt werden.

13 Frei übersetzt aus dem Schwedischen: „Dataskyddsförordning och denna lag ska inte tillämpas i den utsträckning det skulle strida mot tryckfrihetsförordningen eller yttrandefrihetsgrundlagen.“. 14 Horvath, Beitrag auf CR-online.de Blog vom 09. März 2018, Das Ende der freien Veröffentlichung von Personenbildnissen – für die meisten von uns, abrufbar unter https://www. cr-online.de/blog/2018/03/09/das-ende-der-freien-veroeffentlichung-von-personenbildnissenfuer-die-meisten-von-uns/ (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022); ausführlich siehe amtliche Begründung in schwedischer Sprache, abrufbar unter: https://www.regeringen.se/4b00ca/con tentassets/65ecec1e45b34af0bc1c272e40ccf581/ny-dataskyddslag (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 15 Dazu Pannecke/Hurst, RIW 2020, 411, 418. 16 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 15; vgl. https://www.twobirds.com/en/in-focus/general-data-protection-re gulation/gdpr-tracker/personal-data-and-freedom-of-expression (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022).

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

1. Möglicher Gesetzeswortlaut Ein Umsetzen von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO in Deutschland könnte künftig (schutzwürdige) Kommunikationsakte in den Anwendungsbereich aufnehmen, die sich bisher nicht standardisiert unter den „Journalismus“-Begriff subsumieren lassen, aber dennoch in einem gewissen Maße zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Gemeint sind damit Kommunikationsformen, die für das Recht bislang wenig greifbar waren: Dazu zählt die Kommunikation in Textform in öffentlichen Foren oder Netzwerken, aber auch die öffentliche Kommunikation wie die Presseinformationen oder die Unternehmenskommunikation.17 Betroffen sind moderne Verbreitungsformen im Internet wie das Bloggen oder „Twittern“. Besonders konfliktschürende Kommunikation wie zum Beispiel im Bereich der Politik könnte von der Reichweite des Abs. 1 profitieren.18 Insgesamt bietet Abs. 1 der Öffnungsklausel eine passende Möglichkeit, das nationale Medienprivileg nachzubessern und die Kommunikation umfassender zu regeln: überall da, wo nach erfolgter Abwägung das Veröffentlichungsinteresse das Persönlichkeitsinteresse überwiegt.19 Nach Art. 85 Abs. 1 DS-GVO verlangt der EU-Gesetzgeber, dass der Schutz der personenbezogenen Daten nach Art. 8 GRCh und die Meinungs- bzw. Medienfreiheit nach Art. 11 GRCh in Einklang zu bringen sind. In der konkreten Umsetzung in Deutschland bedeutet das, dass die Vorschrift in Anlehnung an Art. 85 Abs. 1 DSGVO als Ausgleichsnorm einen Abwägungsprozess zwischen Meinungs- und Informationsfreiheiten einerseits und dem Datenschutz und Persönlichkeitsrechten andererseits leisten muss. Das zentrale Tatbestandsmerkmal sollte dabei die „Verhältnismäßigkeit“ sein, um wie gefordert das Recht auf Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit auszutarieren.20 Zu beachten gilt es, dass beim Herstellen einer praktischen Konkordanz grundsätzlich keinem Grundrecht im Abwägungsvorgang einseitig Vorrang eingeräumt werden darf.21 Ein erster Ausgestaltungsvorschlag für eine allgemeine Vorschrift zum Herstellen eines Ausgleichs zwischen den konträren Grundrechtspositionen des Datenschutzes und den Kommunikationsfreiheiten könnte wie folgt formuliert sein: „Das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Informationsfreiheit sind mit dem Datenschutzrecht stets in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.“

Diese Art der Formulierung lässt ferner Raum, die bereits etablierten Grundsätze zum Äußerungsrecht der Rechtsprechung miteinfließen zu lassen, insbesondere Entscheidungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen von § 823 17

Nettesheim, AfP 2019, 473, 474 f. Nettesheim, AfP 2019, 473, 474 f. 19 Vgl. Nettesheim, AfP 2019, 473, 474. 20 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 3, 12 f. 21 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 1. 18

II. Ausgleichsnorm auf Grundlage von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO

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i. V. m. § 1004 BGB oder i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG könnten herangezogen werden.22 Sowohl das BVerfG als auch der EGMR haben mit der Zeit ein differenziertes System für den Abwägungsprozess zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits entwickelt23, das es zu nutzen gilt. Zumindest könnte in der gesetzlichen Regelungssystematik mit einem Verweis auf die bereits bestehenden Konstruktionen zum Äußerungsrecht gearbeitet werden, um sicherzustellen, dass ein Rückgriff auf die bereits etablierten Rechtsgrundsätze des „Richterrechts“ zulässig ist.24 Allerdings spiegelt dieser Formulierungsvorschlag nicht das tatsächliche Verhältnis zwischen dem überformenden EU-Datenschutzrecht und dem nationalen Medienrecht wider und ist damit ungeeignet. Die DS-GVO überlagert durch ihre Gestalt als europäische Verordnung zunächst alle innerstaatlichen Regelungsbereiche der Mitgliedstaaten. Im Kollisionsfall genießt die DS-GVO ferner den Anwendungsvorrang vor nationalem Recht. Entsprechend der unionalen Öffnungsklausel sind zwar Abweichungen und Ausnahmen von den Grundsätzen der DSGVO möglich, bei der Gestaltung ist aber darauf zu achten, die medialen Aspekte in den Gesamtkontext des Datenschutzes einzubetten und das Datenschutzrecht bei dem Formulierungsvorschlag als Ausgangspunkt zu nehmen. Diese Formulierung würde den grundlegenden Regel-Ausnahme-Charakter der Öffnungsklausel kippen und erinnert an das veraltete Medienprivileg des BDSG 1977.25 Entgegen des unionalen Tenors und damit unzutreffend wäre ebenso die nachfolgende Formulierung: „Die Verarbeitung zum Zweck der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit ist grundsätzlich zulässig, es sei denn, dem steht ein überwiegendes legitimes Interesse der Betroffenen entgegen.“26

Des Weiteren bedarf es einiger Modifikationen: In einer gemeinsamen Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und 22 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 15. 23 Dazu grundlegend Stollwerck/Wegner, in: Götting/Schertz/Seitz, Handbuch Persönlichkeitsrecht (2019), § 26 Rn. 13 ff. 24 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 15. 25 Siehe Kapitel B. I. 2. 26 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 12; DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 16.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

der Länder (DSK) wird gefordert, dass Abweichungen vom europäischen Datenschutzrecht stets „spezifisch und konkret“ zu erfolgen haben.27 Folglich gilt es, die neu zu schaffende Regelung möglichst eindeutig und detailliert zu formulieren, was allerdings der gewünschten Systematik einer „Generalklausel“ bzw. eines „Auffangtatbestands“ widerspricht, die Freiräume offen lässt. Begrenzt ist die gänzliche Freistellung durch die Schranken von Art. 8 Abs. 2 GRCh, wonach eine Datenverarbeitung nur zulässig ist, wenn das Verarbeiten auf einer gesetzlich Ermächtigungsgrundlage beruht.28 Aus der Regelung sollte hervorgehen, dass es dem Grundsatz nach einer Ermächtigungsgrundlage für die Datenverarbeitung bedarf, diese allerdings zum Zweck der Meinungsfreiheit gegeben sein kann. Um für einen schonenden Ausgleich zu sorgen, sollte die Regelung um einen weiteren Zusatz erweitert werden, woraus sich deutlich die Interessenabwägung ergibt. Insgesamt soll die Zulässigkeit der Datenverarbeitung gerade nicht auf die bekannten Funktionsbereiche beschränkt werden, allerdings könnte durch den Einschub, dass dies „insbesondere“ für die Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken gilt, die gewünschte Subsidiarität der Auffangnorm verdeutlicht werden.29 Weiter ist bei der Formulierung der Norm darauf zu achten, auf wen die Beweislast verteilt wird, schließlich ist derjenige, der die Beweislast trägt, dem Risiko der Nichterweislichkeit einer Beweisbehauptung im Verfahren ausgesetzt.30 Für eine europarechtskonforme Regelung, die sich in die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen eingliedern sollte, liegt es nahe, der meinungsäußernden Person die prozessuale Pflicht aufzuerlegen, den Nachweis darüber zu erbringen, dass ihr Beitrag die Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt. Das birgt die Gefahr, dass der Publizist des Meinungsbeitrags sich bereits im Vorfeld durch diese Norm eingeschüchtert fühlt und dadurch die freie Ausübung der Meinungsfreiheit gehemmt wird. Allerdings sollte der Abwägungsprozess der Norm derart im Vordergrund stehen, so dass die einseitige, aber notwendige Beweislastverteilung faktisch kein Hindernis darstellt. Für die Frage nach der Reichweite der Abweichung bietet es sich an, die Anwendbarkeit der Normen aus der DS-GVO unter den Vorbehalt einer Abwägung zu 27

S. 2.

DSK, Entschließung vom 09. November 2017, Umsetzung der DSGVO im Medienrecht,

28 Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 4 f., 11. 29 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 16. 30 Ausführlich dazu siehe Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BTDrs. 19/4674, S. 13 ff.

II. Ausgleichsnorm auf Grundlage von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO

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stellen, der allgemeiner als beispielsweise in den bisherigen Landesdatenschutzgesetzen formuliert ist, um im Einzelfall einen sachgerechten Ausgleich zwischen anwendbaren und nicht-anwendbaren Pflichten aus der DS-GVO zu erreichen.31 Ein weiterer Vorschlag bestünde darin, in einem weiteren Absatz den partiellen Ausschluss von datenschutzrechtlichen Pflichten zu regeln. Ähnlich wie bei den bestehenden Medienprivilegien wären folglich die Betroffenenrechte dahingehend zu beschränken, dass die Ausübung der Medien- und Meinungsfreiheiten sichergestellt ist und die Betroffenenrechte derart anzupassen, dass diese nicht als Hemmnis zur Ausübung der Meinungsfreiheit instrumentalisiert werden.32 Eine Verkürzung der Betroffenenrechte ist nur bis zur Schwelle der Verhältnismäßigkeit zulässig. Nicht im Einklang stünde daher ein Streichen aller datenschutzrechtlichen Pflichten und Rechte der Betroffenen. Unter Berücksichtigung aller aufgeworfenen Belange scheint es angemessen, die „generalklauselartige Auffangnorm“ wie folgt zu gestalten: „(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist rechtmäßig, sofern die Verarbeitung zum Zweck der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit erfolgt und kein überwiegendes legitimes Interesse der Betroffenen entgegensteht. Dies gilt insbesondere für die Verarbeitung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken. (2) Die Kapitel II bis VII sowie IX der DS-GVO gelten nur, sofern sie unter Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit angemessen sind. Insbesondere die Betroffenenrechte gemäß der Artikel 15 bis 22 DS-GVO sind weitestgehend ausgeschlossen, soweit überwiegendes Interesse der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit entgegensteht.“

2. Mögliche Regelungsebene Fraglich wäre, in welcher Gesetzessystematik eine solche Auffangregelung zu etablieren wäre. Als geeignete Regelungsebene könnte der MStV für alle Bundes31

Würde beispielsweise die Norm aus dem Berliner Datenschutzgesetz als Vorbild dienen, könnte die Formulierung wie folgt lauten: „Soweit personenbezogene Daten in Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit verarbeitet werden, gelten von Kapitel II bis VII sowie IX der Verordnung (EU) 2016/679 nur Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe f sowie Artikel 24 und 32. Artikel 82 der Verordnung (EU) 2016/679 gilt mit der Maßgabe, dass die Haftung nur Schäden umfasst, die durch eine Verletzung des Datengeheimnisses oder durch unzureichende technische oder organisatorische Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe f der Verordnung (EU) 2016/679 eintreten.“ Danach wären die einzuhaltenden Pflichten zwar sehr eindeutig, ließen aber wenig Raum, einen flexibleren Lösungsansatz im Einzelfall zu ermöglichen, der die Rechte der Betroffenen umfangreicher schützt. 32 Es besteht die Gefahr, dass die Betroffenenrechte sogenannte „chilling effects“ erzeugen. Siehe dazu Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 17; nach Nettesheim, AfP 2019, 473, 480 m. w. N. „bisher wohl wenig diskutiert“.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

länder oder aber auch die Landesdatenschutzgesetze oder das BDSG in Betracht kommen. In Anlehnung an die bestehenden Bereichsausnahmen handelt es sich aufgrund der konkreten Formulierung („Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur rechtmäßig […]“) schwerpunktmäßig um eine datenschutzrechtliche Regelung. Im Rahmen der Landesdatenschutzgesetze wagten bereits einige Bundesländer den Schritt in die „richtige Richtung“ entgegen dem Einwand der zu pauschalen Freistellung33 : sowohl die Berliner Norm § 19 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BlnDSG sowie die Brandenburgische Regelung in § 29 Abs. 1 BbgDSG stellen bereits allein auf den „journalistischen Verarbeitungszweck“ ab, anstatt an die Organisationsform bzw. eine Person als solche anzuknüpfen.34 Allerdings ist der Geltungsbereich der landesrechtlichen Datenschutzgesetze auf die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen des jeweiligen Bundeslandes beschränkt, wohingegen das Bundesdatenschutzgesetz sich in seinem Anwendungsbereich sowohl an öffentliche Stellen (z. B. Behörden), als auch an nicht-öffentliche Stellen richtet. Folglich scheint es überzeugender, die Norm im aktuellen BDSG einzufügen.35 Wegen des begrenzten Geltungsbereichs des BDSG, der sich gerade nicht auf die öffentlich-rechtlichen Stellen der Bundesländer erstreckt, ist eine gleichwertige Regelung auf Landesebene ebenso einzuführen. Insgesamt scheint es vorzugswürdig, den Umsetzungsspielraum von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO im nationalen Recht nicht ungenutzt zu lassen. Daher wäre es begrüßenswert, eine nationale Norm wie vorgeschlagen zu erlassen, die kommunikationswesentliche Beiträge über die bisherigen Funktionsbereiche hinausgehend erfasst und damit dem aktuellen Medienund Meinungsspektrum Rechnung trägt.

III. Überarbeitung des medialen Aufsichtskonzepts im Datenschutzbereich Die Aufsicht über Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken ist in Deutschland sowohl von der Art des Mediums und als auch vom bundeslandrechtlichen Sitz der für die Verarbeitung verantwortlichen Stelle abhängig. Das deutliche Reformbedürfnis zeigte sich bereits im vorherigen Kapitel, so dass nachfolgend allein ein Verbesserungsvorschlag aufgezeigt werden soll. Danach sollen zwei unterschiedliche Konzepte verfolgt werden: zum einen Vorschläge zur Anpassung des bisherigen Regelungsrahmens und zum anderen eine neue Herangehensweise, wo-

33

Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/Buchner, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 33. So auch Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 152 f. 35 Ebenso DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 17. 34

III. Überarbeitung des medialen Aufsichtskonzepts im Datenschutzbereich

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nach die Aufsicht unabhängig vom speziellen Medium übergreifend eingerichtet sein soll. 1. Anpassungen der bestehenden presserechtlichen Normen Die erste Variante erfordert vor allem das Überarbeiten der bestehenden presserechtlichen Regelungen, um eine Vereinheitlichung im gesamten Pressesektor zu erreichen und langfristig die „Kluft“ zwischen den Mediengattungen Rundfunk und Presse zu minimieren. Eine Aufsicht seitens des Staates lässt sich im Hinblick auf die historische Entwicklung der Presse und ihrer konstituierenden Bedeutung für die demokratische Freiheit bisher nicht rechtfertigen. Diese Argumentation lässt sich aber nicht auf eine nicht-staatliche Aufsicht übertragen mit dem Resultat, dass zumindest eine (verbandsgebundene) Kontrolle möglich scheint. Auf Grundlage der bisherigen Rechtslage erwachsen für die Presseakteure in Deutschland verschiedene Konstellationen für ihre datenschutzrechtliche Aufsicht. In Anbetracht der unterschiedlichen Ausgangsituationen der einzelnen Bundesländer bedarf es auch entsprechend differenzierten Lösungsvorschlägen. a) Staatliche Aufsicht unter Vorbehalt des Pressekodex Nach der ersten Konstellation sieht das Landesrecht in einigen Bundesländern grundsätzlich eine staatliche Aufsicht im Bereich der Presse vor, allerdings unter dem Vorbehalt der Unterwerfungsmöglichkeit, sich dem Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats anzuschließen. Bei dieser Variante werden ausschließlich die institutionalisierten Presseakteure privilegiert, ohne beispielsweise das Freistellungsbedürfnis der onlinebasierten Pressebeiträge von Bürgerjournalisten zu beachten. Für journalistisch Tätige außerhalb des professionellen Journalismus wäre nach dieser Variante eine strengere behördliche Aufsicht maßgeblich. Ziel der Überarbeitung ist es, in den Bundesländern mit der staatlichen Aufsicht eine gemeinsame und unionsrechtskonforme Regelungssystematik zu finden, die alle presserechtlich Tätigen gleichermaßen erfasst. In Betracht käme einerseits die Schaffung einer eigenen Kontrolleinrichtung oder andererseits das Nutzen einer bereits bestehenden Institution in Betracht, deren Kompetenzbereich lediglich erweitert und ihr Regelwerk auf die weiteren Akteure angepasst werden muss. Ein Rückgriff auf die etablierten Wirkmechanismen des bestehenden Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats scheint zunächst sinnvoll. Dieser Ansatz setzt aber voraus, dass der bereits erläuterte Vorschlag (unter I. 1.), das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ aus den betroffenen Regelungen zu streichen, umgesetzt wurde. Eine Erweiterung des Adressatenkreises wäre durch die Änderung der Satzung möglich. Als datenschutzrechtliche Aufsichtsstelle wäre der Deutsche Presserat

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

mithin für die Presseunternehmen und alle anderen Publizisten zuständig, die personenbezogene Daten zu journalistischen Zwecken im Bereich der Presse verarbeiten. Im Ergebnis bestünde zumindest in diesen Bundesländern keine behördliche Aufsicht über die Presse. Das Problem der Ungleichbehandlung zwischen Rundfunk und Presse wäre damit allerdings nicht gelöst. Der Rundfunk unterläge weiterhin den strengeren staatlichen Aufsichtsbefugnissen. Folglich ist der Vorschlag unter III. 2. vorzugswürdig. b) Keine staatliche Aufsicht Dem anderen Lösungsansatz liegt die Konstellation zugrunde, dass die Landesgesetzgeber keine staatliche Aufsicht für die Presse vorsehen und sie folglich auch keine Möglichkeit bieten, sich dem Regelwerk des Deutschen Presserats zu unterwerfen. An dieser Stelle müssten die Landesgesetze dahingehend novelliert werden, dass eine datenschutzrechtliche Kontrolle über die presserechtlichen Tätigkeiten eingeführt wird. Ohne große Umwege ließe sich dieses Ziel damit verwirklichen, indem der „Vorbehalt des Pressekodex“ in den betroffenen Normen ergänzt wird. 2. Einheitliches Aufsichtskonzept Das Konzept, die mediale Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken, gänzlich einer Aufsicht zu entziehen, vermag nicht den steigenden Bedeutungszuwachs des Datenschutzes Rechnung zu tragen. Stattdessen wäre ein weiterer Ansatz, eine einheitliche Aufsichtskontrolle unabhängig vom konkreten Medium zu etablieren. Im Zuge des zunehmenden Konvergierens der Medienformen ist das Beharren auf eine zwanghafte Separierung der einzelnen Mediengattungen fragwürdig und (wohl) nicht zukunftstauglich. Um ein zunehmendes Rechtsgefälle zwischen dem Rundfunk und der Presse zu verhindern, wäre zumindest eine nicht-staatliche Kontrolle im presse- und rundfunkrechtlichen Bereich wünschenswert. Abgeleitet aus Art. 5 Abs. 1 GG ergibt sich sowohl für die Presse als auch für den Rundfunk das Gebot der Staatsferne, das sich ebenfalls auf die mediale Aufsichtssystematik erstreckt.36 Eine staatliche Kontrolle ginge unausweichlich mit dem Risiko einer Einflussnahmemöglichkeit einher, die es aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu verhindern gilt. In einem Urteil betonte das BVerfG, dass sowohl der Legislative als auch der Exekutive jegliche Einflussnahme auf den Rundfunk zu versagen ist.37 Ferner heißt es: „Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schützt insoweit nicht nur vor unmittelbaren Einflüssen auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme, sondern ebenso vor einer Einflussnahme, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen könnte.“ Gleiches muss für die onlinebasierten Angebote im Internet 36 Ausführlich dazu Degenhart, Staatsferne der Medienaufsicht (2020), Rechtsgutachten zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes, S. 2, 5 ff. 37 BVerfGE 73, 118, 207; vgl. 59, 231, 260.

III. Überarbeitung des medialen Aufsichtskonzepts im Datenschutzbereich

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(Telemedien) gelten.38 Alle Kommunikationsbeiträge übernehmen als Ausfluss von Art. 5 Abs. 1 GG dieselbe Funktion, die freie Kommunikation zu gewährleisten. Folglich scheint es wünschenswert, die Aufsicht über die Medien nicht durch behördliche Stellen vornehmen zu lassen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Ausgestaltung einer nicht-staatlichen Aufsichtsinstitution. Vorausgesetzt wird lediglich, dass die Aufsicht nach Art. 8 Abs. 3 GRCh unabhängig organisiert sein muss.39 Zusätzlich dürfte der Anwendungsbereich inhaltlich nicht auf die Unternehmen beschränkt werden, sondern müsste alle journalistisch Tätigen erfassen. Der Gesetzgeber wäre mithin sehr frei in seiner Entscheidung über die konkrete Organisationsform der Aufsichtsstelle. In Anlehnung an die rundfunkrechtliche Aufsicht könnte die externe Kontrolle in Form einer „Selbstkontrolle durch einen internen Datenschutzbeauftragten“ durchgeführt werden. Abgesehen davon könnte auch eine gesonderte Institution geschaffen werden, die über das Einhalten vom Datenschutzrecht wacht und bei Verletzungshandlungen entsprechende Maßnahmen einleitet. Dies läge in der Entscheidungsbefugnis der Landesgesetzgeber der jeweiligen Bundesländer. In den landesspezifischen Gesetzen könnte ein Passus eingefügt werden, der wie folgt lauten könnte: „Die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist durch eine geeignete, nicht-staatliche und unabhängige Stelle zu kontrollieren.“ Nach Möglichkeit sollte im Rahmen einer gemeinsamen Absprache der Bundesländer eine einheitliche Formulierung sowie Umsetzung erfolgen. Diese „gesonderte Stelle“ könnte darüber hinaus mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden. Beispielsweise könnte sie als erste Anlaufstelle für journalistische Tätige dienen, um im Wege einer „Vorabanfrage“ darüber zu entscheiden, ob ein Angebot oder ein Beitrag als „journalistisch“ einzustufen wäre. Für die Rechtsanwenderpraxis könnte dieses Instrument ein neues Maß an Rechtssicherheit herbeiführen. 3. Zwischenfazit Perspektivisch wäre der zweite Lösungsvorschlag wünschenswert, der für eine einheitliche medienübergreifende Aufsicht plädiert, um damit ein striktes Unterscheiden zwischen Rundfunk und Presse langfristig abzuschaffen.40 Allen voran ist es entscheidend, dass ein sachgerechter Ausgleich auch im Spannungsfeld der Aufsicht für alle Medien gemeinsam erarbeitet und umgesetzt wird. Auf Ebene des Unionsrechts ist eine zwingende Aufsicht weder über die Presse noch über den

38 Degenhart, Staatsferne der Medienaufsicht (2020), Rechtsgutachten zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes, S. 2, 5 ff. 39 Nettesheim, AfP 2019, 473, 478 f. 40 Cornils, ZUM 2018, 561, 566 f. „anbieterneutrale Einheitslösung“.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

Rundfunk vorgegeben.41 Die irrtümliche Annahme, eine unabdingbare Aufsicht ergäbe sich aus Kapitel VIII der DS-GVO, ist unbegründet. Im Hinblick auf den Bedeutungszuwachs des Schutzes der personenbezogenen Daten ist eine Kontrollmöglichkeit über die Umstände der Datenverarbeitungsvorgänge begrüßenswert. Zu schaffen wäre eine staatsferne und unabhängige Kontrollstelle, die medienübergreifend das Einhalten der DS-GVO bewacht und mit Hilfestellungen beratend zur Seite steht. Um für zusätzliche Rechtssicherheit zu sorgen, könnte zumindest vorübergehend in den bisherigen Regelungen die Unanwendbarkeit des Kapitel VIII der DS-GVO ausdrücklich erklärt werden. Die „Lücke“ einer fehlenden Aufsicht könnte wie bereits erwähnt durch eine nicht-staatliche Kontrolle ersetzt werden.

IV. Überarbeitung des Pressekodex Ein weiterer wichtiger Schritt zur europarechtskonformen Umsetzung ist die Überarbeitung des Pressekodex des Deutschen Presserats. Um die aktuelle Medienlandschaft in seiner Gänze zu erfassen, müsste der Anwendungsbereich des Deutschen Pressekodex des Deutschen Presserates deutlich erweitert werden. Dieses Reformbedürfnis ist eine zwangsläufige Folge einiger zuvor aufgeführter Lösungsvorschläge. Schließlich wird den Anbietern von Telemedien im Pressebereich bisher nur dann eine Umgehung der behördlichen Aufsicht angeboten, wenn die Betroffenen den Pressekodex für verbindlich erklären. Um insbesondere auch neue Formen von journalistisch Tätigen von dem datenschutzrechtlichen Pflichtenkanon freizustellen, bedarf es einer Öffnung des persönlichen Adressatenkreises des Kodex.42 Die erste Voraussetzung dafür wäre die Änderung der Satzung des Deutschen Pressekodex.43 Bisher heißt es in § 10 Abs. 1 („Selbstverpflichtungserklärung, Bindung, Veröffentlichung von Rügen“) der Satzung des Deutschen Presserats: „Der Trägerverein des Deutschen Presserats fordert die Presseunternehmen, die periodische Druckwerke herausgeben und/oder Telemedien mit journalistisch-redaktionellen Inhalten betreiben, auf, sich schriftlich zum Pressekodex und den Grundsätzen zum Redaktionsdatenschutz zu bekennen und die von den zuständigen Gremien des Deutschen Presserats wegen des Verstoßes gegen den Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz ausgesprochenen Sanktionen zu befolgen. Die Erklärung umschließt dabei auch die Verpflichtung, Entscheidungen, die sie be41 Ausführlich dazu Cornils, Stellungnahme vom 06. März 2018 zur Anhörung zum Gesetz zur Zustimmung zum 21. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge und zur Änderung weiterer Gesetze, S. 8. 42 So auch Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293 f.; Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 154 f. 43 Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 154 f.; dazu auch Schmidt, Selbstregulierung der Presse in Deutschland und Großbritannien (2021).

IV. Überarbeitung des Pressekodex

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treffen und diesbezüglich derer der Deutsche Presserat auf Veröffentlichung erkannt hat, in ihren Medien aktualitätsnah zu publizieren. Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionellen Inhalten, die nicht Rundfunk sind, haben ebenfalls die Möglichkeit, diese Selbstverpflichtung zu erklären.“44 Bisher stehen die Regelungsinhalte nur den (Presse)Unternehmen offen, so dass vor allem moderne Medienformen regelmäßig an diesen starren Voraussetzungen scheitern. Eine Verpflichtungserklärung sollte bestenfalls für jedermann möglich sein, der journalistisch tätig, um den drohenden datenschutzrechtlichen Pflichtenkanon abwenden zu können.45 In einem ersten Schritt wäre auch hier der Verzicht auf die unternehmerische Anknüpfung zu empfehlen. Ebenso schränkt die Vorgabe der „periodischen Druckwerke“ den Geltungsbereich zu sehr ein. In einem zweiten Schritt wäre das veraltete Tatbestandsmerkmal „redaktionell“ zu streichen, das ein Organisiertsein in Form einer Redaktion impliziert, wonach bürgerjournalistische Beiträge wegen der fehlenden redaktionellen Einbindung nicht in den Anwendungsbereich fallen würden. Stattdessen wäre folgende Formulierung vorzuschlagen: „Der Trägerverein des Deutschen Presserats fordert die Presseakteure, die journalistisch tätig sind und/oder Telemedien mit journalistischem Inhalten betreiben, auf, sich schriftlich zum Pressekodex und den Grundsätzen zum Redaktionsdatenschutz zu bekennen und die von den zuständigen Gremien des Deutschen Presserats wegen des Verstoßes gegen den Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz ausgesprochenen Sanktionen zu befolgen. Die Erklärung umschließt dabei auch die Verpflichtung, Entscheidungen, die sie betreffen und diesbezüglich derer der Deutsche Presserat auf Veröffentlichung erkannt hat, in ihren Medien aktualitätsnah zu publizieren. Anbieter von Telemedien mit journalistischen Inhalten, die nicht Rundfunk sind, haben ebenfalls die Möglichkeit, diese Selbstverpflichtung zu erklären.“

Mit dieser Unterwerfungsmöglichkeit unter den Pressekodex sind unter anderen Kosten für die Mitgliedshaft und die Geltung des strengen Maßstabs an die journalistische Arbeitsweise verbunden. Als „Eintrittsschwelle“ für Online-Beiträge könnte (statt die Eigenschaft als Unternehmen) allein die „Reichweite“ des Mediums dienen, das sich auch für presserechtliche Telemedien als praktikabler und geeigneter Maßstab erwiesen hat. Das deutlich bestehende Reformbedürfnis beim Pressekodex kann durch eine Satzungsänderung im Sinne eines weniger institutionalisierten Ansatzes herbeigeführt werden. Damit würde der Weg für die Anerkennung eines weiten Spektrums von diversen Meinungsbeiträgen eröffnet werden und im Ergebnis nicht die „schwächsten“ Meinungsbeiträge den strengsten Regulierungen der DSGVO unterworfen werden.

44 Aus der Satzung für den Trägerverein des Deutschen Presserats e. V. in der Fassung vom 16. September 2015. 45 So auch Kahl/Piltz, K&R 2018, 289, 293 f.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

V. Vereinheitlichung der Bereichsausnahme Die historisch bedingte Aufsplitterung des rechtlichen Rahmens für die einzelnen Mediengattungen ist im Hinblick auf die moderne Medienlandschaft und der zunehmend bedeutsamen Medienkonvergenz kaum noch tragbar. Das starre Festhalten an veralteten Strukturen führt zu einem Rechtslabyrinth von verkomplizieren und überholten Regelungsbereichen, die in ihrer Gesamtheit das Ziel einer „Symbiose“ weit verfehlen. Die wenig harmonierenden Normengeflechte könnten durch die Schaffung eines einheitlichen @ und vor allem gattungsübergreifenden @ Medienprivilegs, das auf einem neuen Konzept fußt, aufgelöst werden.46 Dem Vorschlag des EMR, das Medienprivileg als ein „Konzept der Konzentration landesrechtlicher Vorschriften“ grundlegend neu zu gestalten, ist in der Theorie zu zustimmen. Als Vorschlag wird vorgebracht, einen eigenen Staatsvertrag als Ausgleichsmechanismus zur Umsetzung von Art. 85 DS-GVO zu erlassen. Diese eigene Regelungssystematik bezweckt das Austarieren von den Persönlichkeitsrechten mit den Medienfreiheiten. Das Grundkonzept, das Freistellungsbedürfnis aller Medienakteure in einem gebündelten Vorschriftenkatalog gemeinsam zu regeln, bringt in der Theorie viele Vorteile, doch lässt sich ein solches Konstrukt in der Praxis bisher schwer umsetzen, da die Auswirkungen eine Reihe von medienspezifischen Regelungen betreffen würde. Eine konkrete Neukonzeption des Medienrechts unter Berücksichtigung der zunehmenden Verschmelzung einzelner Mediengattungen übersteigt an dieser Stelle den Rahmen des Untersuchungsgegenstandes. Die Idee des einheitlichen Medienprivilegs sollte der Gesetzgeber jedoch dann aufgreifen, wenn das Medienrecht insgesamt überarbeitet und neu konzipiert werden sollte.

VI. Verortung einer vereinheitlichten Bereichsausnahme Ungeachtet einer medienrechtlichen Neuordnung kann zumindest für die bisherige Bereichsausnahme ein einheitlicherer Rechtsrahmen angestrebt werden. Zur Minimierung der medienprivilegierenden Vorschriften sollte hinterfragt werden, auf welcher innerstaatlichen Regelungsebene die Bereichsausnahme verortet werden könnte. Die Situation der regelrechten Zersplitterung der Rechtslage infolge der Regelungshoheit der deutschen Bundesländer führt zu einer verstärkten Rechtsunsicherheit der Betroffenen. Für den Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der DS-GVO galt die einheitliche Vorschrift auf Bundesebene (§ 41 BDSG a. F.), die wenigstens im Bereich der Presse für mehr Klarheit sorgte. Vor 2006 verfügte der Bund noch über die Rahmengesetzgebungskompetenz für das Pressewesen, auf Grundlage dessen die Norm erlassen werden und auch nach 46 So auch schon Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), Stellungnahme zur Konsultation der Länder betreffend die Spezifizierung des Art. 85 DS-GVO, S. 6 f.

VI. Verortung einer vereinheitlichten Bereichsausnahme

241

2006 trotz des Wegfalls der kompetenzbegründenden Norm (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GG a. F.) als sogenanntes Bundesrecht nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG fortgelten konnte.47 Infolge der Föderalismusreform und des Novellierungsinitiative der DS-GVO kann auf Ebene der Bundesländer eine einheitliche Regelung zum Medienprivileg nicht mehr auf die Rahmengesetzgebungskompetenz gestützt werden.48 Wünschenswert wäre jedoch @ so auch der DAV49 @ eine Regelung auf Bundesebene zur Vereinheitlichung der Datenverarbeitungen im Medienbereich.50 Inhaltlich bietet das Medienprivileg als „Querschnittsmaterie“ verschiedene Anknüpfungspunkte für die kompetenzrechtliche Regelungsmaterie: vor allem aber das Medien- und Datenschutzrecht. Nach Art. 30 i. V. m. Art. 70 Abs. 1 GG sind grundsätzlich die Länder zuständig, außer eine Bundesgesetzgebungskompetenz ergibt sich aus der ausschließlichen (Art. 73 Abs. 1 GG) oder konkurrierenden Kompetenzverteilung (Art. 74 Abs. 1 i. V. m. Art. 72 GG). Mangels einer ausdrücklichen Zuständigkeit ließe sich eine Kompetenz des Bundes daher im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung herleiten. Danach könnte der dem Bund zugewiesene Kompetenztitel für das Recht der Wirtschaft (Art. 72 Abs. 2 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) einschlägig sein.51 Das Recht der Wirtschaft „umfasst grundsätzlich alle Normen, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regeln“.52 Die Freistellung der Medien vom Datenschutzrecht betreffen durchaus wirtschaftliche Belange, insbesondere für Unternehmen haben die Vorschriften zum Datenschutz ein großes Potential sich hinderlich auf ihre Betätigungsfreiheit auszuwirken. Allerdings werden sowohl das Medienrecht als auch das Datenschutzrecht im föderalen System zunächst dem Kompetenzbereich der Länder mangels einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung zugeordnet.53 Auch andere Kompetenzbereiche des Bundes, die je nach Sachverhalt partiell die Regelung des Medienprivilegs in einem spezifischen Bereich erlauben würden – wie das 47

BT-Drs. 18/11325, S. 79; Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 4. Kritisch zu einer fehlenden bundesrechtlichen Norm Wolff, BayVBl 2017, 797, 800 f. 49 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 14 f. 50 So auch DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 14 f.; Michel, AfP 2019, 490, 495. 51 DAV, Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Informationsrecht zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie EU 2016/680 vom 18. Juli 2018, Nr. 34/2018, S. 14 f. 52 Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 74 Rn. 32. 53 Vgl. Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation @ Recht im Umbruch? (2019), S. 154 f. 48

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

Vereinsrecht für die Unternehmenskommunikation eines Vereins54 – fangen das Medienprivileg nicht im Allgemeinen auf. Neben dem Grundsatz-Ausnahme-Modell lässt sich eine Zuständigkeit aus den „ungeschriebenen Kompetenzen“ konstruieren: kraft Natur der Sache, kraft Sachzusammenhang bzw. kraft Annexkompetenz. Über die Konstruktion der Rechtsfigur der Annexkompetenz wird die sonst typischerweise den Ländern zugewiesene Kompetenz auf den Bund ausgedehnt.55 Ähnlich verhält es sich bei der Anwendung kraft Sachzusammenhangs: eine bundeskompetenzrechtliche Materie kann nicht vollends geregelt werden, ohne dass gleichzeitig Regelungsinhalte einer außerhalb der Kompetenz liegenden Materie mitgeregelt wird.56 Im Wege der Rechtsprechung hat das BVerfG festgelegt, dass dem Bund eine Kompetenz für datenschutzrechtliche Vorschriften zustehen kann, wenn er „eine ihm zur Gesetzgebung zugewiesene Materie verständigerweise nicht regeln kann, ohne dass die datenschutzrechtlichen Bestimmungen mitgeregelt werden“.57 Um Wettbewerbsverzerrungen und damit wirtschaftliche Folgen zu vermeiden, kann das Datenschutzrecht für den nicht-öffentlichen Bereich zumindest als kraft Sachzusammenhangs dem Bund zugewiesen werden.58 Im BDSG verfügt der Bundesgesetzgeber über die Hoheit, deutschlandweit einheitliche Regelungen bezüglich des Datenschutzrechts für den nicht-öffentlichen Bereich zu erlassen, mit der Folge, dass auch eine Regelung für die journalistische Datenverarbeitung als „notwendige (zwangsläufige) Folge“ durch den Bund geregelt werden sollte. Voraussetzung für dieses Konstrukt ist nach der Rechtsprechung ein bestehender Regelungszusammenhang, das heißt eine inhaltliche Nähe zu dem eigentlichen Regelungsinhalts.59 Der geforderte Regelungszusammenhang kann bejaht werden, allerdings ist der weite Anwendungsbereich von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG begrenzt, wenn ein stärker Sachzusammenhang zu einer ausschließlichen Länderkompetenz besteht.60 Im Fall des Medienprivilegs wird argumentiert, dass die landesrechtlichen Kompetenzen bezüglich der Presse und des Rundfunks näherliegen, so dass eine 54 Als weitere mögliche Anknüpfungspunkte sieht Engeler beispielsweise Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (bürgerliches Recht) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Strafrecht) über den Straftatbestand § 185 StGB. Engeler, BT Stellungnahme vom 05. Dezember 2018 zum Zweiten DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU – 2. DSAnpUG-EU, BT-Drs. 19/4674, S. 20 ff. 55 Maurer, Staatsrecht I (2010), § 10 Rn. 29; Sodan/Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht (2020), § 17 Rn. 20. 56 Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 70 Rn. 23; vgl. BVerfGE 106, 62, 115 – Altenpflege. 57 Vgl. BVerfG, NJW 2010, 833, 837 Rn. 201; BVerfGE 3, 407, 421; 98, 265, 299; 106, 62, 11; 110, 33, 48; vgl. Simitis, in: Simitis, BDSG (2006), § 1 Rn. 4. 58 So auch der Hessische Landtag unter https://www.datenschutzrecht.sachsen.de/gesetzeund-gesetzgebungsverfahren-3953.html (zuletzt abgerufen am 27. Juli 2022). 59 BVerfGE 97, 228, 251 f. – Kurzberichterstattung. 60 Seiler, in: Epping/Hillgruber, BeckOK GG (Stand 2021), Art. 74 Rn. 32.

VII. Einhalten von Sorgfaltspflichten

243

solche kompetenzrechtliche Zuordnung des Medienprivilegs wegen einer zu fernliegenden Annahme abzulehnen sei.61 Überzeugender scheint es jedoch, den Ländern die Hoheit über die allgemeinen Rechtsverhältnisse im Bereich der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens zuzugestehen, allerdings handelt es sich im Bereich des Medienprivilegs um eine spezifischere Regelungsmaterie, die kraft Sachzusammenhangs dem Bund zugeordnet werden sollte. Alles in allem ist der Bereich Kompetenzzuweisung von Ungenauigkeiten geprägt und bedarf dringend einer gesetzlichen Klarstellung. Im Hinblick auf den nicht unbeachtlichen Bedeutungszuwachs des Datenschutzes für die Zukunft sollte in Erwägung gezogen werden, einen eigenen Kompetenztitel für den Bund im Bereich des Datenschutzrechts einzuführen, um ein Ausweiten des zersplitterten Rechtsgefüges einzudämmen und eine langfristige Lösung für den bereichsspezifischen Datenschutz zu eruieren. Für den Fall, dass kein Bundeskompetenztitel nach gerichtlicher Prüfung zulässig ist, könnte für ein einheitlicheres Vorgehen der Länder zumindest eine gemeinsame Ausarbeitung in Form eines „Positionspapiers“ erfolgen. Ebenso wie bei der Umsetzung des MStV könnten die Bundesländer entsprechend einer gemeinsamen Entschließung einen für sie verbindlichen „Rahmenplan“ erarbeiten und entsprechend als geltendes Landesrecht für verbindlich erklären. Empfehlenswert wäre eine rechtsverbindliche Vorgehensweise, um dem Einwand des „zahnlosen Tigers“ solcher Vereinbarungen entgegenzuwirken. Allerdings ist das Hinzufügen einer medienregulierenden Norm im BDSG selbst mit der Begründung der Annexkompetenz vertretbar und wünschenswert. Bis dahin sind die in diesem Kapitel aufgeworfenen Vorschläge, die bestehenden Vorschriften zumindest entsprechend der unionalen Vorgaben anzupassen, wohl zunächst „praxistauglicher“ und „realitätsnäher“.

VII. Einhalten von Sorgfaltspflichten Die Anforderungen an die professionellen Medien hinsichtlich des Einhaltens von Sorgfaltspflichten sind hoch. Für die klassischen Medienakteure wie Rundfunkunternehmen und -anstalten oder Presseunternehmen ergibt sich der Sorgfaltsmaßstab aus spezifischen Gesetzen sowie speziell für die Presse bei Anerkennung des Pressekodex des Deutschen Presserates. Unter anderem beinhalten die Sorgfaltspflichten gewisse Prüfpflichten, den Beitrag vor dem Veröffentlichen im Hinblick auf den Inhalt, den Wahrheitsgehalt und der Herkunft zu untersuchen. Ebenso besteht der Grundsatz, Informationen nicht sinnentstellend wiederzugeben. Nach § 19 Abs. 1 MStV wird seit dem Jahr 2020 auch den „journalistischen Onlinemedien“ das Einhalten von journalistischen Grundsätzen auferlegt. Die Regelung adressiert „Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angebo61 So Michel, in: Kommunikation, Kreation und Innovation – Recht im Umbruch? (2019), S. 154 f.

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G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

ten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden“. Gleiches gilt für „andere geschäftsmäßig angebotene, journalistisch-redaktionell gestaltete Telemedien, in denen regelmäßig Nachrichten oder politische Informationen enthalten sind […].“ Folglich sind die Onlineauftritte von institutionalisierten und professionellen Medienakteuren betroffen, wohingegen erneut die „Graswurzel-Journalisten“ nicht bedacht worden sind. Das Anerkennen und Berücksichtigen der Sorgfaltspflichten dient in erster Linie dem Schutz der von der Berichterstattung Betroffenen. Bislang differenziert die Rechtsprechung für den sorgfaltsrechtlichen Anforderungsmaßstab in einem abgestuften Konzept, angefangen bei den professionellen Medien bis hin zum „Laienprivileg“.62 Auch für die Zwischenebene wie beispielsweise eine regionale Internetzeitung fordert die Rechtsprechung gewisse Sorgfaltspflichten.63 Neben dem Betroffenenschutz dienen die publizistischen Werte darüber hinaus in der modernen Informationstechnologie als Schutzmechanismus gegen die steigende Tendenz von „Fake News“64. Feststeht, dass jede journalistische Tätigkeit zum Schutz der Persönlichkeitsrechte auf Basis journalistischer Grundsätze erfolgen sollte. Für den Fall, dass die bereits genannten Reformbedürfnisse umgesetzt werden und auch nicht-institutionalisierte Medien vom Medienprivileg erfasst werden, wäre es wünschenswert, diese zumindest einem Mindestmaß an Sorgfaltspflichten zu unterwerfen. Zwar stehen die journalistischen Ansprüche, die auf Datenvielfalt beruhen, im Widerspruch zum Datenschutz, dass grundsätzlich das Ziel verfolgt, Datenverarbeitungen zu minimieren, jedoch kann so ein angemessener Ausgleich zwischen den Rechtspositionen gefunden werden. Für den Bürgerjournalismus könnte sich der Sorgfaltsmaßstab aus dem novellierten Anwendungsbereich des Pressekodex des Deutschen Presserats ergeben. Für den Fall, dass kein Überarbeiten des Pressekodex erfolgt, könnte in den jeweiligen Normen um einen Satz ergänzt werden, wonach die Medienschaffenden die Grundwerte journalistischer Arbeit zu beachten haben. Konkret könnte die Formulierung wie folgt heißen: „Die Personen haben bei ihrer journalistischen Tätigkeit die Grundzüge der journalistischen Werteordnung zu beachten.“ Die zuvor geforderte Auffangnorm auf Basis von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO könnte zudem um einen Absatz ergänzt werden, wonach das Einhalten von gewissen Sorgfaltspflichten bei der Datenverarbeitung verpflichtend ist, um einen Mindeststandard journalistischer Grundwerte unabhängig von der Unterwerfungsmöglichkeit des Pressekodex sicherzustellen. Insbesondere im Hinblick auf zukünftige Entwicklung wäre ein 62

BVerfGE 85, 1, 22 – Bayer-Aktionäre; BVerfG, NJW 2003, 1855, 1856; Institut für Europäisches Medienrecht (EMR), Stellungnahme zur Konsultation der Länder betreffend der Spezifizierung des Art. 85 DS-GVO, S. 4. 63 LG Köln, MMR 2017, 849 – Begrenzte Recherchepflicht regionaler Internetzeitungen. 64 Vgl. dazu Ferreau, AfP 2021, 204; Holznagel, MMR 2019, 18.

VIII. Zwischenfazit

245

Koppeln des weiten Anwendungsbereichs an eine journalistische Werteordnung sinnvoll. Um den Bedeutungszuwachs des Datenschutzes nicht zu unterlaufen, scheint es zumindest erwägenswert, den Medienschaffenden in Bereichen der sensiblen Datenverwendung strengere Pflichten aufzuerlegen. Nach der DS-GVO handelt es sich gemäß Art. 9 Abs. 1 DS-GVO um sensible Daten, wenn „aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person ist untersagt.“ Eine Berichterstattung ist auf persönliche Informationen angewiesen, insbesondere auf solche, die nach dem Gesetz dem sensiblen Bereich zuzuordnen sind. Das Einführen dieser zusätzlichen Beschränkungen würde unausweichlich zu Einschüchterungseffekten der Medienakteure führen, die wesentlich in ihrem Ausüben der Meinungs- und Medienfreiheiten beeinträchtigen werden würden. Im Ergebnis ist dieser strenge Maßstab mithin abzulehnen.

VIII. Zwischenfazit Die Lösungsvorschläge beruhen auf zwei verschiedenen Lösungskonzepten: Einerseits dem Überarbeiten des bisherigen Rechtsrahmens und andererseits der Schaffung einer neuen Regelungssystematik, die ein wesentliches Ändern des aktuellen nationalen Medienrechts voraussetzen würde. Ziel der Reformvorschläge insgesamt ist es, den Rechtsrahmen für den Umgang mit personenbezogenen Daten im Medienbereich rechtssicherer, flexibler im Anwendungsbereich und damit zukunftstauglich und europarechtskonform zu gestalten. Das Überarbeiten der bisherigen Rechtslage beinhaltet eine Änderung der Presseund Mediengesetze der Länder durch eine Streichung des Tatbestandmerkmals „Unternehmen“, wodurch eine Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Akteure außerhalb des professionellen Journalismus im Bereich der Presse bezweckt wird. In logischer Konsequenz ist ein Anpassen des Anwendungsbereichs des Pressekodex des Deutschen Presserates wegen seiner presserechtlichen Akzessorietät unausweichlich. Erforderlich ist eine Entkopplung von der institutionellen Presse in der Satzung des Kodex. Ferner ist es in Betracht zu ziehen, die presserechtliche Sonderstellung bundeseinheitlich zu regeln. Wie einst in § 41 BDSG a. F. wäre eine Regelung für alle deutschen Bundesländer übergreifend hilfreich für die Praxis und geeignet, das Zersplittern des Rechtsrahmens wirksam zu unterbinden. Kernproblem für diesen Ansatz ist die Frage nach der Herleitung einer entsprechenden (Bundes-)Kompetenz. Infolge des Wegfalls der Rahmengesetzgebungskompetenz ist die gewünschte Kompetenz des Bundes nicht mehr existent. Diese

246

G. Reformbedürfnis und Lösungsvorschläge

Lücke im Regelungskomplex wäre durch eine Änderung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern zu schließen. Dabei handelt es sich allerdings um einen weitreichenden Eingriff in das föderale Verhältnis. Stattdessen könnte das Kompetenzproblem in Anlehnung an das Vorgehen zum Erlass des MStV in Form einer gemeinsamen Entschließung ermöglicht werden: Eine Einigung aller Bundesländer könnte die Grundlage für eine einheitliche Herangehensweise im Umgang mit Datenverarbeitungen im presserechtlichen Bereich dienen. Darüber hinaus ist eine weitere Rechtsgrundlage für den Ausgleich zwischen dem Datenschutz und den Medienfreiheiten zu etablieren. Entgegen den bisherigen Privilegierungsvorschriften sollte sich diese Ausgleichsnorm nicht auf Art. 85 Abs. 2 DS-GVO stützen, sondern auf Abs. 1, so dass ihr Anwendungsbereich nicht auf die Funktionsbereiche namentlich journalistisch, wissenschaftlich, künstlerisch und literarisch beschränkt ist, sondern darüber hinausgehend im Lichte des Europarechts die Meinungsfreiheit umfassend gewährleistet. Die Sonderstellung der Medienakteure muss zwangsläufig an einen erhöhten Sorgfaltsmaßstab gekoppelt werden, um die Rechte der Betroffenen bestmöglich zu wahren. Werden in Zukunft weitere Formen von Journalismus außerhalb der institutionalisierten Medienhäuser der Bereichsausnahme unterworfen, ist es erforderlich, diesen Akteuren entsprechende Sorgfaltspflichten aufzuerlegen, wie es bisher auch von den traditionellen Medien erwartet wird. Dem neuen Medienkonzept läge die Idee zugrunde, auf ein striktes Unterscheiden der Medienformen zu verzichten. In Anbetracht der fortschreitenden Konvergenz der Medien wird ein Anknüpfen an die Mediengattung zunehmend unpraktikabler, was sich ebenfalls auf die Vorschriften für den Umgang mit personenbezogenen Daten auswirkt. Insbesondere im Bereich der datenschutzrechtlichen Aufsicht über die Medien ist ein Differenzieren nach der Medienform nicht mehr tragfähig und zukunftstauglich. Wünschenswert wäre eine einheitliche und unabhängige Kontrollinstitution, die sich auf die medienspezifischen Belange im Rahmen der Datenverarbeitung spezialisiert unabhängig davon, ob es sich im konkreten Fall um Rundfunk oder Presse handelt. Insgesamt wäre ein Regelungskonzept für eine bundeseinheitliche und medienübergreifende Bereichsausnahme zu empfehlen. Diese Systematik böte die nötige Flexibilität, um entsprechend auf das agile Mediengeschehen in einer sachgerechten Art und Weise zu reagieren.

IX. Ausblick Generell wäre es im Zuge der DS-GVO-Anpassungen wünschenswert gewesen, das Grundkonzept der bereichsspezifischen Datenverarbeitung zu überdenken und neu zu konzipieren.65 Es wäre an der Zeit, nicht nur Presseunternehmen als solche 65 Albrecht/Janson, CR 2016, 500, 508; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057, 1060; Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 22; a. A. Buchner/Tinnefeld, in: Kühling/

IX. Ausblick

247

innerhalb des Datenschutzrechts freizustellen, sondern vielmehr eine Gesamtlösung für die Medien, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit ausüben, zu kreieren – weg von einer „Insellösung“ hin zu einer „Gesamtlösung“. Darüber hinaus wäre für einen rechtssicheren Umgang eine detaillierte Regelung wünschenswert gewesen. Im Ergebnis ist vorzuschlagen, eine „breitflächige Stärkung“66 der Meinungs- und Informationsfreiheit anzustreben. Als Ausgangspunkt für die Neujustierung sollte die tatsächliche Medienrealität dienen, wonach den onlinebasierten Beiträgen in der Informationsgesellschaft eine zunehmende Relevanz zugeschrieben werden muss.67 Die veränderte Kommunikationsstruktur führt dazu, dass in Zeiten des Internets Individualäußerungen eine große Öffentlichkeit erreichen können, dessen Zugang früher nur den Massenmedien vorbehalten war. In tatsächlicher Hinsicht werben die traditionellen Medien Rundfunk und Druckpresse nicht mehr allein um die Aufmerksamkeit der Informationssuchenden, schließlich leistet auch der „Graswurzeljournalismus“ einen wichtigen Beitrag für den öffentlichen Dialog. Die Debatte um das Medienprivileg sorgt für eine notwendige Bewusstseinsschaffung für die veränderte Medienrealität und den Umgang mit den neuen Medienformen. Für die Zukunft bleibt es abzuwarten, inwiefern der rechtliche Rahmen innerhalb Deutschlands im Wege der richterlichen Entscheidungsfindungen konkretisiert wird. Es ist nicht zu leugnen, dass die offene Entwicklungstendenz der medien- und insbesondere der pressespezifischen Privilegierung dabei nach wie vor auf Kritik stoßen wird. Eine Vielzahl an Berichterstattungen greift im nicht unerheblichen Maß in die Privatsphäre der Betroffenen ein. Der Umstand, dass der technische Wandel zunehmend neue und noch weitreichendere Publikationsmöglichkeiten bietet, erschwert den Schutz der personenbezogenen Daten um ein Vielfaches.68 Diese tiefgreifenden Eingriffe – mit wohl steigender Tendenz bedingt durch den verschärften Kampf um Marktanteile – in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht lassen eine Forderung nach einer Begrenzung des Medienprivilegs unter Beachtung der neusten Entwicklung zu.69 Daher ist zu betonen, dass das Hauptaugenmerk der medialen Bereichsausnahme stets auf das Herstellen eines Ausgleichs der widerstreitenden Grundwerte gerichtet sein muss. Eine sachgerechte Lösung bedarf stets einer Abwägung im Einzelfall.

Buchner, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 33; Ettig, in: Wybitul, DS-GVO (2017), Art. 85 Rn. 12 f.; Stender-Vorwachs, in: Wolff/Brink, BeckOK DatenschutzR, DS-GVO (2021), Art. 85 Rn. 33 ff. 66 Pötters, in: Gola, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 22. 67 Der Anteil der medialen Internetnutzung steigt deutlich an. Ausführlich dazu ARD/ZDFForschungskommission, Langzeitstudie Massenkommunikation (2020). 68 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2; Hennemann, in: Specht/ Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht (2019), § 19 Rn. 39. 69 Specht/Bienemann, in: Sydow, DS-GVO (2018), Art. 85 Rn. 2; vgl. Erwägungsgrund 15.

H. Zusammenfassung und Thesen I. Zusammenfassung Das datenschutzrechtliche „Medienprivileg“ ist ein etabliertes Konstrukt für das Austarieren von den Kommunikationsfreiheiten einerseits und den Persönlichkeitsrechten andererseits, das trotz des immer wiederkehrenden Anpassungsdrucks bereits die verschiedensten Entwicklungsstadien überlebt hat.1 Zuletzt sorgten die unionalen Vorgaben seit Geltungsbeginn der DS-GVO am 25. Mai 2018 für einen Novellierungsimpuls für die bestehenden Regelungen auf Ebene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Statt die Datenschutz-Richtlinie (46/95/DSRL) zu überarbeiten, wählte der europäische Gesetzgeber einen anderen unmittelbar geltenden Rechtsakt: die Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV, womit dem Datenschutzrecht im Rechtsgefüge eine bedeutende Rolle zugeschrieben wird. Nach Maßgabe von Art. 85 DS-GVO sind für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu journalistischen Zwecken mitgliedstaatliche Abweichungen und Ausnahmen von den europäischen Vorgaben aus der DS-GVO zulässig, soweit dies erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Grundrechtspositionen in einen schonenden Ausgleich miteinander gebracht werden müssen. Der Kern des Medienprivilegs liegt daher weniger in einem Privilegieren, sondern in einem Ineinklangbringen zweier Grundrechte.2 Der in der Öffnungsklausel gewährte Spielraum lässt Raum für spezifische und individuelle Lösungen der jeweiligen Mitgliedstaaten. In dieser dennoch akzessorischen (Rahmen-)Abhängigkeit kann die mitgliedstaatliche Umsetzung zu Spannungen zwischen unionalem und nationalem Recht führen. In erster Linie gilt es, die widerstreitenden Interessenslagen im grundrechtlichen Mehrebenensystem sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene auszutarieren. Auf übergeordneter Stufe besteht die Konfliktlage zwischen den die Medienfreiheit schützenden Art. 10 EMRK und Art. 11 GRCh und den datenschützenden Normen Art. 8 EMRK, Art. 7 GRCh und Art. 8 GRCh. Im deutschen Verfassungsrecht stehen sich die Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG und das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG im Abwägungsprozess gegenüber.3 1 2 3

Ausführlicher dazu siehe Kapitel A. Damm, AfP 1990, 7 ff. Ausführlicher dazu siehe Kapitel E.

I. Zusammenfassung

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In der deutschen Umsetzung findet das Medienprivileg seine gesetzliche Verankerung für die Presse in den Landespresse- oder Landesmediengesetzen, für den Rundfunk in § 12 MStV sowie für den telemedienspezifischen Bereich in § 23 MStV. Gemeinsam haben die Vorschriften, dass die Medienakteure für den Privilegierungsfall bei der Datenverarbeitung das Datengeheimnis und die Datensicherheit als ein Mindestmaß an datenschützenden Vorkehrungen einhalten müssen, um den Schutz der personenbezogenen Daten vor Verlust, Beschädigung, Zerstörung oder unbefugter Verarbeitung zu gewährleisten. Abgesehen davon ist der Rechtsrahmen für die Freistellungsnormen wenig einheitlich und unübersichtlich – mit der Folge, dass dieser „Flickenteppich“ aus einer Vielzahl an Vorschriften erhebliche Rechtsunsicherheiten für die Anwender mit sich bringt.4 Aufgrund des Fehlens einer richtungsweisenden Norm auf Bundesebene nach dem Wegfall der presserechtlichen Rahmenvorschrift § 41 BDSG a. F. infolge der Föderalismusreform 2006 bestehen im Pressesektor deutliche Divergenzen innerhalb der deutschen Bundesländern. Besonders signifikant ist die unklare Rechtslage bezüglich der Aufsicht über die (gedruckte) Presse: die unterschiedliche Handhabung bezüglich der Anwendbarkeit des Kapitel VIII der DS-GVO führt zu einer „zersplitterten“ Rechtslage innerhalb Deutschlands. Solange diese Rechtslage nicht vom Gesetzgeber eindeutig geklärt wird, kann es letztlich für den Journalisten im Pressewesen entscheidend darauf ankommen, wo sich der Hauptsitz des Unternehmens befindet, der ausschlaggebend dafür ist, welches Landesrecht für ihn bzw. sein Unternehmen Anwendung findet und inwiefern datenschutzrechtliche Normen auf die mit der Datenverarbeitung befassten Personen anwendbar sind. Dreh- und Angelpunkt für die Privilegierungsnorm ist die journalistische Tätigkeit als Konstitutivmerkmal bei der konkreten Datenverarbeitung. Für die Begriffsgruppe „journalistischer Zweck“ gibt es bisher keine gesetzliche Definition. Umso schwer ist die Auslegung des Begriffes, der eine Vielzahl von weiteren Faktoren unter sich vereint. Ursprünglich lag dem nationalen Medienprivileg das Leitbild der „klassischen Massenmedien“ zu Grunde: sowohl der Rundfunk als auch die Druckpresse waren typischerweise in strukturell organisierten Redaktionen (Unternehmen) organisiert, woraus sich der gesetzgeberische Anknüpfungspunkt des „journalistisch-redaktionellen“ Merkmals für den medienspezifischen Datenschutz ableitete. Die Auslegung der journalistischen Datenveröffentlichung innerhalb Deutschlands orientiert sich nach wie vor stark an der vorherigen Rechtsprechung, wonach unter engen Voraussetzungen ein journalistisch-redaktioneller Zweck bejaht wurde. Hinzukommt, dass die deutsche Privilegierung der Medien von dem Organisiertsein in Form eines „Unternehmens“ abhängig gemacht wird. Dem momentanen Ist-Zustand nach sind ausschließlich die traditionellen Medienakteure, die institutionell organisiert sind, eindeutig von der datenschutzrechtlichen Bereichsausnahme erfasst. Die vollumfängliche Freistellung von sonst geltenden Datenschutzvor4

Ausführlicher dazu siehe Kapitel C.

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H. Zusammenfassung und Thesen

schriften erstreckt sich zudem auf die Online-Archive der Massenmedien. Begründet wird dies damit, dass die Medienorgane mit der Archivierung vergangener Berichte unmittelbar ihrem funktionalen Auftrag nachkommen. Es lässt sich feststellen, dass die Reichweite der privilegierenden Vorschriften bezogen auf den personellen Adressatenkreis begrenzt ist. Keine Anwendung findet das Medienprivileg nach der bisherigen deutschen Rechtsprechung hingegen auf die Betreiber von Online-Bewertungsportalen. Es fehlt ihnen an der geforderten „eigenen Strukturierungsleistung“ für eine journalistische Zwecksetzung. Allerdings ist eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen, wobei es maßgeblich darauf ankommt, ob die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit in den Vordergrund tritt. Die aktuelle Reichweite der medialen Sonderstellung kann den europäischen Vorgaben bisher nicht im vollen Umfang genügen.5 Auf europäischer Ebene besteht die Tendenz, das Medienprivileg in Bezug auf die journalistische Tätigkeit zu öffnen. Der EuGH stellte bereits im Jahr 2008 klar, dass das Medienprivileg nicht nur Medienunternehmen vorbehalten ist.6 Der Einwand, die Medien würden infolge dessen zu pauschal freigestellt werden, schlägt fehl. Nach dem europäischen Verständnis besteht die privilegierte Datenverarbeitungssituation zu journalistischen Zwecken für diejenigen, „die das Ziel verfolgen, Meinungen, Informationen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“.7 Dieses unionale „Umdenken“ konnte sich bisher nicht in den deutschen Regelungen manifestieren. Das Resultat ist ein Auseinanderfallen der europäischen und deutschen Vorstellung, wie die journalistische Tätigkeit und die Zweckbindung bei der Datenverarbeitung zu interpretieren ist.8 Die zu starren Regelungen des deutschen Medienprivilegs können insbesondere die modernen Formen des Online-Journalismus (noch) nicht erfassen, wie sich aus der erfolgten Subsumtion unter die mögliche Freistellungsklausel des § 23 MStV ergibt. Dabei ist es nicht zu leugnen, dass sich die Kommunikationsstruktur in den vergangenen Jahrzenten fundamental verändert hat. In der internetbasierten Informationsgesellschaft erreichen Individualäußerungen mittlerweile eine derart große Öffentlichkeit, wie es zuvor nur den Massenmedien im Rahmen ihrer Vertriebs- und Verbreitungsstrukturen möglich war. Es ist offensichtlich, dass „laienhafte Journalisten“ wie Blogger einen (wichtigen) Beitrag zum öffentlichen Meinungsdiskurs leisten können und mithin eine datenschutzbefreiende Privilegierung geboten scheint. Im Ergebnis kann ein Blog je nach konkreter Ausgestaltung unter das Tatbestandsmerkmal der „Presse“ subsumiert werden, jedoch fehlt es an der kumulativen Voraussetzung, dass es sich nach den nationalen Vorgaben um ein „Unternehmen“ der Presse handeln muss. Ebenfalls 5

Ausführlicher dazu siehe Kapitel F. EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58, 61 – Satamedia; vgl. Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. Mai 2008 – C-73/07 Rn. 65. 7 EuGH, EuZW 2009, 108, 110 Rn. 58 – Satamedia; EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 58 – Buivids. 8 Ausführlicher dazu siehe Kapitel D. I. 3. 6

I. Zusammenfassung

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gelingt es den publizierenden Influencern bzw. den Account-Betreibern in sozialen Netzwerken größtenteils nicht, die Anforderungen eines (Presse)Unternehmens zu erfüllen. Sie werden nicht von dem Schutzbereich der Bereichsausnahme adressiert. Im Einzelfall könnte nach Maßgabe des europäischen Gesetzgebers das Medienprivileg zukünftig für die Beiträge in den sozialen Medien einschlägig sein. Ein erster Anhaltspunkt wäre, das presserechtliche Medienprivileg der Länder weniger von der Institutionalisierung der Presse abhängig zu machen. Im Wesentlichen müsste das Tatbestandsmerkmal „Unternehmen“ gestrichen werden. Ein direkter Ersatz ist nicht zwingend erforderlich. Stattdessen kann eine Abgrenzung über die „journalistische Zwecksetzung“ erreicht werden. Im Kern geht es um eine funktionale Zuordnung der medialen Tätigkeit unter das Vorstellungsbild „Journalismus“, wonach eine erkennbare publizistische Zielsetzung, der Einfluss auf den öffentlichen Diskurs und eine Ausrichtung an gesellschaftlich relevanten Kriterien maßgeblich von Bedeutung sind. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das bisherige Medienprivileg in seiner aktuellen Fassung im Anwendungsbereich zu eng ist, um der Meinungsfreiheit gerecht zu werden. Zukünftig sollte mit Blick auf das europäische Rechtsverständnis allein die „journalistische Tätigkeit“ unabhängig von der Organisationsform für eine mediale Privilegierung maßgeblich sein. Der daraus resultierende Handlungsbedarf besteht danach in erster Linie auf der Ebene der deutschen Bundesländer, die kompetenzrechtlich für die Belange der Presse zuständig sind. Folglich ist der Anwendungsbereich im nationalen Recht offener zu gestalten, allerdings ist im Hinblick auf das Gefährdungspotential einer ausufernden Bereichsausnahme stets das Gebot der Notwendigkeit zu beachten. Bereits mit Urteil vom 14. Februar 2019 stellte der EuGH klar, dass nicht jede im Internet veröffentlichte Information eine „journalistische Tätigkeit“ darstellt.9 Der Begriff des journalistischen Zwecks muss künftig im Wege der Rechtsprechung schärfer konturiert werden, um die erforderliche Eingrenzung der Reichweite des Medienprivilegs zu erzielen und Rechtssicherheit für die Rechtsanwendungspraxis zu schaffen. Auf den unional begründeten Novellierungsbedarf der medialen Bereichsausnahme reagierte der deutsche Gesetzgeber mit einiger Zurückhaltung. In Deutschland wurde die Chance für eine grundlegende Neuregelung für die brisanten Rahmenbedingungen für einerseits den Persönlichkeits- und Datenschutz und andererseits den Kommunikations- und Meinungsfreiheiten vertan. Der Art. 85 Abs. 1 DSGVO als mögliche Ermächtigungsgrundlage für eine weitreichende Freistellung von Kommunikationsbeiträgen und -vorgängen fand bisher weder durch die Landesgesetzgeber noch den Bundesgesetzgeber statt. Grund dafür sind, die bestehende Unklarheit über die systematische Einordnung der einzelnen Absätze von Art. 85 DS-GVO und die damit verbundene Frage, in welchem Umfang der Spielraum aus dem Regelungsauftrag für die einzelnen Mit9

EuGH, EuZW 2019, 299, 302 Rn. 58 – Buivids.

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H. Zusammenfassung und Thesen

gliedstaaten besteht. Im Kern geht es um die Frage, ob Abs. 1 neben Abs. 2 als (eigenständige) Öffnungsklausel gelten kann und wenn ja, in welchem Verhältnis beide Regelungen zueinander stehen.10 Am überzeugendsten ist die Sichtweise, Art. 85 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO jeweils als eigenständige Öffnungsklausel zu qualifizieren. Art. 85 Abs. 1 DS-GVO könnte als „generalklauselartiger Grundtatbestand mit der Funktion zum Lückenschließen gegenüber Abs. 2 und zum Absichern für künftige Entwicklungen im Datenverarbeitungskontext“ beschrieben werden, womit gleichzeitig auch das subsidiäre Verhältnis gegenüber dem zweiten Absatz deutlich wird. Im Bereich diesen verschenkten Potentials gilt es nun nachzubessern und eine allgemeingültige Regelung auf abstrakter Ebene zu schaffen, die einen Ausgleich der grundrechtlichen Interessenskollision herstellt. Ungeachtet der bisherigen Funktionsbereiche sollte jede schutzwürdige Kommunikation den Ausgleich in Anspruch nehmen können. Um etwaige Rechtsunsicherheiten und weitere Debatten einzudämmen, wäre eine eindeutige Einordnung über die Systematik von Art. 85 DS-GVO durch die Rechtsprechung erstrebenswert. Für die Zukunft wäre ein generelles Umdenken wünschenswert, wonach eine einheitliche Gesamtlösung angestrebt wird, anstatt weiterhin partielle Änderungen vorzunehmen, die das Gesamtgebilde weiter verzerren und unnötig verkomplizieren.11 Ein stetiges Überarbeiten der medialen Freistellung wird nicht ausbleiben, allerdings kann ein rechtliches Gesamtkonstrukt ein Verstärken des „Flickenteppichs“ innerhalb Deutschlands weitestgehend verhindern. Im Wesentlichen könnte eine einheitliche Rahmenregelung für eine rechtssicherere und anwenderfreundlichere Übersichtlichkeit der Mediensonderstellung sorgen.

II. Thesen 1. Das verfassungsrechtlich als auch unionsrechtlich anerkannte Freistellungsbedürfnis der Medien vom datenschutzrechtlichen Pflichtenkomplex besteht seit jeher und ist notwendige Voraussetzung für die Medientätigkeit. Das datenschutzrechtliche Medienprivileg dient als Regelungskonzept für einen multipolaren Interessenkonflikt. 2. Die gegenwärtige Rechtslage beruht auf einer dynamischen Bipolarität des Verhältnisses: mit der Medienbranche und dem Datenschutz treffen zwei Regelungsbereiche aufeinander, die sich jeweils für sich in einem erheblichen Wandel befinden und in diesem inneren Wandlungsprozess dann miteinander kollidieren.

10 11

Ausführlicher dazu siehe Kapitel C. II. 2. a) und b). Ausführlicher zu den Reformvorschlägen siehe Kapitel G. V.

II. Thesen

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3. Die Systematik von Art. 85 DS-GVO ist dahingehend auszulegen, dass neben Art. 85 Abs. 2 DS-GVO ebenfalls Abs. 1 als eigenständige Öffnungsklausel einzuordnen ist. Art. 85 Abs. 2 bestimmt danach einen Mindeststandard an Freistellungsmöglichkeiten für die besonders schützenswerten Kommunikationsformen, wohingegen Abs. 1 als ein „generalklauselartiger“ Grundtatbestand mit der Funktion zum Lückenschließen und zum Absichern für künftige Entwicklungen im Datenverarbeitungskontext zu qualifizieren ist. 4. Das datenschutzrechtliche Medienprivileg ist auf nationaler Ebene zu reformieren. Die bisherigen Regelungen für die mediale Bereichsausnahme sind in ihrer Gesamtheit nicht europarechtskonform. Der unionale Wirkmechanismus des „berechtigten Interesses“ von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DS-GVO greift nicht als Substitut für das Konstrukt des Medienprivilegs. Mithin bestand ein mitgliedstaatlicher Umsetzungsbedarf für die nationalen Privilegierungsnormen. 5. Von zentraler Bedeutung ist die Einordnung des Verarbeitungszwecks eines Beitrags als „journalistisch“, um von dem Anwendungsbereich der Privilegierungsvorschriften zu profitieren. Eine gesetzliche Definition für die „journalistische Tätigkeit“ gibt es nicht. Als Folge wird zur Konkretisierung auf bereits bestehende Kriterien zurückgegriffen. Im innerstaatlichen Recht besteht ein engeres Begriffsverständnis im Vergleich zum unionalen Vorstellungsbild von Journalismus. 6. Es gilt die Reichweite des Medienprivilegs dahingehend zu erweitern, dass auch journalistisch Tätige außerhalb des professionellen Journalismus vom Adressatenkreis erfasst werden. Insbesondere Beiträge des „Graswurzel-Journalismus“ sind in den Anwendungsbereich der nationalen Medienprivilegien aufzunehmen. Umsetzbar ist dieses Reformbedürfnis durch die Abkehr vom redaktionell geprägten Vorstellungsbild des Journalismus. 7. Eine Möglichkeit für die Ausweitung des Medienprivilegs auf die schützenswerte Kommunikation insgesamt ließe sich auf Art. 85 Abs. 1 DS-GVO stützen. Das Potential von Art. 85 Abs. 1 DS-GVO wird bisher in Deutschland nicht genutzt. Hier muss der nationale Gesetzgeber handeln. 8. Insgesamt ist die Bereichsausnahme unter Zugrundelegung des Notwendigkeitsmaßstabs restriktiv auszulegen, um ein ausuferndes und pauschalisierendes „Meinungsprivileg“ zu verhindern.

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173, 210

Datenhandel 16 Datenschutz, Prinzipien 20 Datenschutzrichtlinie, Art. 9 43, 44 Deutsche Welle 40, 42 EG-Datenschutzrichtlinie 1995 43 Einwilligung 186 Elektronische Presse 128, 145 Erwägungsgrund 153 112 Formelle Presse

47, 118, 206

Google Spain-Urteil (EuGH) 133, 136, 140 „Großes Medienprivileg“ 72 Graswurzel-Journalismus 140 Hessisches Datenschutzgesetz 1970 30 Hessisches Datenschutzgesetz 1978 36 Hessisches Datenschutzgesetz 1987 38 Hessisches Datenschutzgesetz 1998 44 Informationsvermittler

152, 155

Kompetenz-Kompetenz

199

Laienprivileg 147 Letztentscheidungskompetenz 70, 197 Lindqvist-Urteil (EuGH) 71 Lüth-Entscheidung (BVerfG) 180 Medienkonvergenz 21, 109, 141, 175 Meinungsprivileg 66, 141, 149, 204, 253 Öffentliche Aufgabe der Medien

15, 120

Partizipativer Journalismus 140 f. Personenbezogene Daten 19 Praktische Konkordanz 59, 191 Presse (Begriff) 118 Prinzip der begrenzen Einzelermächtigung 68, 198 Privacy Act 31 Privilegierung, Bezeichnung 16 „Public watchdog“ 53, 144 Qualitätsjournalismus

103, 107, 115, 163

Rahmengesetzgebungskompetenz (Presse) 74, 240 Redaktionsdatenschutz 98, 101, 213, 238 Regel-Ausnahme-Prinzip 222, 223 Regelungsauftrag (Art. 85 DS-GVO) 61 Rundfunk (Begriff) 125 Rundfunkänderungsstaatsvertrag (21. RÄStV) 85 Satamedia-Urteil (EuGH) 113, 143, 159 „Schmückendes Beiwerk“ (BGH) 111, 149, 152 „Spezialgesetzliche Konkretisierungsnorm“ 73 Spickmich-Entscheidung (BGH) 111, 149 Subsidiarität 67

Stichwortverzeichnis Verwaltungsfestigkeit der Presse 210, 217 Volkszählungsurteil (BVerfG) 19, 38

Vollharmonisierung 45, 55, 69 Vorrang eines Grundrechts 15

267