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German Pages 459 [464] Year 1966
Czempiel • Das amerikanische Sidierheitssyj
Beiträge zur auswärtigen und internationalen Politik Herausgegeben von
Richard Löwenthal und Gilbert Ziebura
Band 1
Berlin 1966 Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit Sc Comp.
Ernst-Otto Czempiel
Das amerikanische Sicherheitssystem
1945-1949 Studie zur Außenpolitik der bürgerlichen Gesellschaft
Berlin 1966 Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung - J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit & Comp.
Archiv-Nr. 4775661
Copyright 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandluug Georg Reimer - Karl J . Triibner - Veit & Comp. - Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck; Franz Spiller, Berlin
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Vorwort der Herausgeber Die Durchsetzung der Wissenschaft von der Politik hat in den letzten Jahren an den Universitäten, aber auch in der Lehrerbildung und allgemein in der Erwachsenenbildung der Bundesrepublik erfreuliche Fortschritte gemacht. Die Entwicklung der Einzeldisziplinen dieser Wissenschaft ist jedoch verglichen mit dem Stand der internationalen Forschung bei uns noch erheblich im Rückstand. D a s gilt insbesondere bisher f ü r das Gebiet der internationalen und auswärtigen Politik, den bahnbrechenden Bemühungen des verstorbenen Arnold Bergstraesser zum Trotz. D a bisher nur am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin zwei auf die Außenpolitik spezialisierte Lehrstühle bestehen, fällt deren Inhabern für die Aufholung des Rückstandes auf diesem Gebiete eine besondere Verantwortung zu. Die Reihe, die mit dem vorliegenden Band eröffnet wird, dient dem Versuch, diese Aufgabe zu erfüllen. Der Gegenstand der außenpolitischen Forschung deckt sich zu einem erheblichen Teil mit den vertrauten Themen der diplomatischen Geschichte: es ist die Art der Fragestellung, die die politikwissenschaftliche Behandlung von der rein historischen unterscheidet. Auf der einen Seite handelt es sich in unserer Disziplin darum, die außenpolitischen Entscheidungen aus dem Zusammenhang der Gesamtheit der gesellschaftlichen und politischen Faktoren zu begreifen, die in jedem gegebenen Staat wirksam sind, also den Einfluß von Sozialstruktur, Wirtschaftsinteressen, Regierungssystem, Ideologie und Strategie auf die Formulierung außenpolitischer Interessen und Ziele zu untersuchen. Auf der andern Seite hat die Theorie der internationalen Beziehungen die neuen Methoden der Konstellation- und Feldanalyse entwickelt, also die Untersuchung der Faktoren und Triebkräfte, die jeweils die Bildung der internationalen Machtkonstellationen bestimmen, und der Einflüsse, die von den Veränderungen im Charakter des Gesamtsystems auf das außenpolitische Verhalten der einzelnen Staaten ausgehen. Für beide Fragestellungen fehlt es bei uns noch weitgehend sowohl an methodologischen Arbeiten, die das begriffliche Rüstzeug präzisieren, wie an breit angelegten empirischen Untersuchungen. Die vorliegende Reihe will Arbeiten in beiden For-
VIII
schungsrichtungen fördern; dabei soll besondere Aufmerksamkeit auch den „area studies", vor allem im außereuropäischen Raum, gewidmet werden. Neben der Veröffentlichung deutscher Originalarbeiten ist auch geplant, wichtige Ergebnisse der auswärtigen Forschung durch Übersetzungen bekanntzumadien, soweit die Gefahr besteht, daß sie sonst nicht genügend in der deutschen wissenschaftlichen Diskussion berücksichtigt werden. Hinzu kommen sollen schließlich, als unentbehrliche Hilfsmittel zur Entwicklung der Lehre von der internationalen Politik, Spezialbibliographien sowie Quellen- und Handbücher. Es ist in mancherlei Hinsicht ein glückliches Omen, daß wir die Reihe mit einer Arbeit von Ernst-Otto Czempiel eröffnen können. Zunächst deshalb, weil er zu den wenigen in der deutschen Politikwissenschaft gehört, die sich seit langem systematisch um das Gebiet der auswärtigen und internationalen Politik bemühen. Die Arbeit entspricht aber auch in ihrem methodologischen Ansatz den Intentionen der Reihe, indem sie nicht nur die Rolle des Kongresses bei der Ausarbeitung der amerikanischen Außenpolitik untersucht, sondern darüber hinaus versucht, die generellen Tendenzen dieser Außenpolitik in der entscheidenden Phase der ersten Nachkriegsjahre mit Hilfe des Ziel-Mittel-Komplexes zu erfassen. Wenn es der Reihe gelingt, in den kommenden Bänden die in dieser Arbeit vorwaltende Mischung aus empirischer Sorgfalt und theoretischer Verarbeitung des gewonnenen Materials durchzuhalten, wird sie ihren Zweck nicht verfehlen. Berlin, im Februar 1966
Richard Löwenthal
Gilbert Ziebura
Vorwort des Autors Bei der Analyse der Internationalen Beziehungen ist die Grundlagenforschung bisher zu kurz gekommen. Das Interesse richtet sich häufig auf die jeweilige Gegenwart, bei der Themenwahl waltet leicht der Gedanke an die Aktualität vor. Auch in den angelsächsischen Ländern und in Frankreich vollzieht sich die Wendung zu allgemeineren Problemen nur langsam. Und doch ist es diese Grundlagenforschung, die schließlich, wenngleich erst in längerer Frist, der Einsicht in Vorgänge der zwischenstaatlichen Politik zu einer festeren, gesicherten Grundlage verhelfen wird. Zu solchen Fragestellungen möchte die folgende Studie einen Beitrag leisten. Wenn sie auch mandies enthält, was die Zeitgeschichte interessiert, so verfolgt sie eigentlich die Absicht, die amerikanische Nachkriegsaußenpolitik nicht nur darzustellen, sondern einige ihrer Wurzeln aufzudecken und damit zu dem Bereich der causae primae der Auswärtigen Politik vorzudringen. Der Versuch hätte nicht unternommen und die Arbeit nicht geschrieben werden können, ohne das großzügige Entgegenkommen von Professor Eugen Kogon, der über viele Jahre hin einen stark okkupierten Assistenten nicht nur ertragen, sondern dessen Vorhaben in jeder nur möglichen Weise gefördert hat. Ihm und Professor A. R. L. Gurland bin ich außerdem für zahlreiche Hinweise zur Gestaltung des Textes verpflichtet. Mein besonderer Dank gilt ferner dem Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Bundestages, Herrn Ministerialrat Wernicke, und seinen Mitarbeitern. Sie waren so liebenswürdig, mir den größten Teil der Quellen in Darmstadt zugänglich zu machen und so die wichtigste Voraussetzung dafür zu schaffen, daß die Studie mit einer Aussicht auf Abschluß unternommen werden konnte. Den Damen und Herren der Nationalbibliotheken in Paris und Wien, der Bibliothek des DeutschAmerikanischen Instituts in Darmstadt sowie der amerikanischen Botschaft in Bad Godesberg habe ich die Mithilfe bei der oftmals nicht leichten Suche nach einzelnen Dokumenten zu danken.
X
Der Umgang mit den Daten der Abstimmungen im amerikanischen Congress ist mir dadurch ermöglicht worden, daß mir der Direktor des Instituts für Praktische Mathematik an der Technischen Hochschule Darmstadt, Professor Dr. Alwin Walther, freundlicherweise gestattete, einen der Elektronenrechner des Instituts benutzen zu können. Die Herren cand. ing. Dieter Petersen, cand. phys. Peter Riedel und cand. ing. Bernhard Sälzer unterzogen sich mit großer Ausdauer und Sorgfalt der Mühe, die Daten zu übertragen und den Rechner mit den entsprechenden Fragen zu programmieren. Dieter Petersen hat das Personenregister angefertigt und mir außerdem, zusammen mit Jürgen Barth, beim Lesen der Korrekturen geholfen. Frau L.-M. Lücke möchte ich für für ihre unermüdliche Mitarbeit am Manuskript und an den Korrekturen danken. Die Arbeit wurde im Juli 1964 von der Fakultät für Kultur- und Staatswissenschaften der Technischen Hochschule als Habilitationsschrift angenommen. Den Professoren Richard Löwenthal und Gilbert Ziebura bin ich für die Einladung verbunden, die Studie in der von ihnen herausgegebenen Reihe zu veröffentlichen. Auch dem Verlag Walter de Gruyter möchte ich, und nicht zuletzt, meinen Dank abstatten. Er hat die Drucklegung des Manuskripts zu einem mühelosen Vorgang werden lassen. Im Januar 1966
E. O. C.
Inhalt Vorwort des Herausgebers Vorwort des Autors Abkürzungsverzeichnis Einleitung
VII IX XIX 1
1. Die Außenpolitik
1
Der Zustand der Staatenwelt
4
Die Absichten der Staaten
5
Die Gesellschaft Der Ziel-Mittel-Komplex 2. Die Vereinigten Staaten
6 7 8
Die Grunxlansdiauung
10
Die Interessen
11
Die geographisch-historische Situation
14
3. Die Methode
15
Das Segment: Der Ost-West-Konflikt
15
Das Objekt: Der Congress
15
Regionen und Positionen
17
4. Bemerkung zu den Quellen und zur Zitierweise
21
Erster Abschnitt: Das Modell der Kollektiven Sicherheit I. Kapitel: Der Aufbau der internationalen Organisation 1. Die Entscheidung für die Kooperation
27 27
Ende des Isolationismus
28
Sdilüssel zum Engagement
32
2. ökonomische Interessen
38
Die Ziele
39
Erste internationale Organisation: F A O
40
Erste amerikanische Bedingung: Souveränität
43
Zweite amerikanische Bedingung: Einfluß
45
Zweite internationale Organisation: Bretton Woods
48
Dritte amerikanische Bedingung: Unabhängigkeit
57
XII 3. Politische Absichten Der Begriff der universalen und indirekten Sicherheit Vorarbeit in den USA Das amerikanische Projekt Das Element der Souveränität Das Element der Unabhängigkeit Das Element des Einflusses Die Charta und der Senat Kooperation und Organisation 4. Rechtliche Möglichkeiten Gerechtigkeit und Handlungsfreiheit Recht und Souveränität II. Kapitel: Das amerikanische Fundament 1. Der Begriff der direkten Sicherheit 2. Militärische Stärke Die Streitkräfte Die Kriegsmarine Die Atombombe
60 61 66 72 73 76 79 82 89 91 92 94 98 98 102 102 105 109
3. Strategische Positionen
112
Besetzte Länder Stützpunkte im Pazifik
113 113
4. Ideologische Bastion? Das Ende der psychologischen Kriegführung Der neue Tenor: Repräsentation
121 123 126
Zweiter Abschnitt: Der Schatten der Sowjetunion I. Kapitel: Faktoren der Entfremdung
133
1. Ideologische Differenzen
133
2. Sachliche Divergenzen
135
II. Kapitel: Sorge f ü r das Fundament
139
1. Versuchung der Atomenergie Kooperation oder Monopol: Der militärische Aspekt Das Gesetz Kooperation oder Monopol: Der wirtschaftliche Aspekt
139 139 144 148
2. Ambivalenz militärischer Stärke Last der Wehrpflicht Gesellschaftliche Prinzipien Außenpolitische Interessen
150 150 151 154
XIII Bürde der Rüstung Die Marine Die Armee Die Forschung 3. Notwendigkeit der Propaganda? Der fiskalische Ausweg Das politische Problem III. Kapitel: Abbau der Internationalen Zusammenarbeit
157 158 159 160 162 163 164 167
1. Das Ende der U N R R A Der Anlaß Die Ursachen
167 168 170
2. Der Anfang des Übergangs Das anglo-amerikanische Finanzabkommen Militärmissionen und Militärhilfe
174 174 180
Dritter Abschnitt: Der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik I. Kapitel: Der Auftakt 1. Die Analyse der Sowjetunion Fernost Frankreich, Italien, Ostdeutschland Griechenland
189 189 190 191 191
2. Das Ergebnis
192
3. Die amerikanische Aktion Ausdehnen oder konsolidieren?
193 195
II. Kapitel: Die Doktrin 1. Die Gelegenheit 2. Die Metamorphose der Sicherheit Ideologischer und strategischer Sicherheitsbegriff Der distinkte Sicherheitsbegriff Der ubiquitäre Sicherheitsbegriff 3. Die Justierung der Mittel Expandieren? Dominieren? Aufrüsten? Kooperieren Helfen Intervenieren? Führen
198 198 200 200 206 207 210 210 210 212 213 215 216 219
XIV 4. Das Verhältnis zum Kollektiven Modell Die Beziehungen zur Sowjetunion Die Stellung zu den Vereinten Nationen Die Chance der Internationalen Organisation
III. Kapitel: Der Ansatz 1. Der Ansatz im Führungsbereich Das Instrument der Wirtschaftshilfe Steuerung der Politik Werbung in der Öffentlichkeit Rücksicht auf die amerikanische Wirtschaft
222 223 225 228
231 231 231 232 234 235
Die Ergänzung: Militärhilfe Die Form der Führung Der Maßstab der Ausführung
236 238 240
2. Der Ansatz im Führungszentrum Das Militär National Security Act of 1947 Die Luftwaffe
242 242 243 244
Das Ende der Wehrpflicht Das Schicksal des Übungsprogramms Die Marine Die Propaganda Der neue Aspekt Der veränderte Entwurf Die alten Reserven
248 248 250 252 252 256 260
IV. Kapitel: Probleme der Erweiterung
262
1. Der Charakter der Sicherheit Der auslösende Faktor Das bewegende Element
263 265 267
2. Die Bezirke der Sicherheit Lateinamerika Europa Asien
269 270 271 275
3. Die Konsequenzen der Sicherheit Aufwertung der Feindstaaten Wendung nach rechts Suspendierung der Vereinten Nationen
277 277 279 281
XV 4. Die Mittel der Sicherheit Verträge Militärische Zusammenarbeit Auslandshilfe
283 283 284 284
Vierter Abschnitt: Das System der gegenseitigen Sicherheit I. Kapitel: Das wirtschaftliche Element 1. Die Ziele
289 289
Der politische Aspekt Die Aufgaben der Hilfe Das isolationistische Programm Die Dimensionen der Hilfe
289 291 293 295
Der ökonomische Aspekt Die europäischen Bedürfnisse Die amerikanischen Interessen Die isolationistische Kritik
297 297 298 300
2. Die Mittel Im zentralen und bedrohten Bezirk: European Recovery Program . . Politische Bedingungen Spezielle Rücksichten Wirtschaftliche Gegenseitigkeit Finanzielle Grenzen Die militärische Variante
303 303 304 306 307 309 310
Im peripheren und bedrohten Bezirk: China Aid Act Die Aufgabe in China Die amerikanischen Möglichkeiten Die amerikanische Entscheidung
312 313 316 316
Im Zwischenbereich: GARIOA, ECA, Zweiseitige Verträge Korea Die Philippinen Japan und die Ryukyus Im zentralen und unbedrohten Bezirk: Investitionen
318 320 321 322 323
Südamerikanische Wünsche Nordamerikanisdie Leistungen Im peripheren und unbedrohten Bezirk: Punkt-Vier-Programm 3. Die Führung Führung und Intervention Wirtschaftshilfe als Eingriff in die Legitimität Die Wahlen in Italien Die Rolle Spaniens
323 325 326 328 328 330 330 334
XVI Die Reformen in Griechenland und der Türkei Die Einigung Europas
335 336
Wirtschaftshilfe als Eingriff in die Politik Holland und Indonesien
339 339
Wirtschaftshilfe als Eingriff in die Wirtschaftspolitik Wirtschaftsform Einzelentscheidungen
343 343 345
Charakter der Führung
346
II. Kapitel: Das militärische Element
348
1. Die Stärke der USA Die Funktion Das Ausmaß Mannschaftsbestand Luftwaffe 2. Die Stärkung des Führungsbereichs Die Ziele Militärischer Beitrag Politische Stabilisierung Die Mittel Im Im Im Im Im
zentralen und unbedrohten Bereich peripheren und unbedrohten Bereich Zwischenbereich peripheren und bedrohten Bereich zentralen und bedrohten Bereich
Die Führung Verwaltung Bedingungen
349 349 354 354 359 367 367 370 371 372 374 374 375 376 377 380 381 382
III. Kapitel: Der ideologische Faktor
386
1. Ideologie und Propaganda
386
2. Propaganda als Werbung
388
3. Propaganda und Führung Der Die Die Das
erste Schritt alte Bedingung letzte Hürde volle Programm
389 389 391 392 396
XVII IV. Kapitel: Die neue Organisation 1. Der Anlauf
398 398
Sicherung des Systems
398
Schicksal der Vereinten N a t i o n e n
399
Die Entschließung Vandenberg
403
2. Der N o r d a t l a n t i k - P a k t
409
Militärisch-strategische Aufgabe F o r m der Lösung
410 411
Die Rolle der alten Organisation
417
Literaturverzeichnis
421
Personenregister
431
Sachregister
435
Abkürzungsverzeichnis * APSR CR D DAFR DoSB FRUS H . Con. Res. H . Doc. H . J. Res. H . R. H . Res. H.Rp. HZ PFPP P.L. PVS R Rep. Rp. S. S. Con. Res. S. Doc. Sen. S. J. Res. S. Res. S. Rp. TIAS UNCIO VfZG WP
American Political Science Review Congressional Record Democrat Documents on American Foreign Relations Department of State Bulletin Foreign Relations of t h e United States House Concurrent Resolution House Document House Joint Resolution House of Representatives House Resolution House Report Historische Zeitschrift Department of State, Postwar Foreign Policy Preparation Public Law Politische Vierteljahresschrift Republican Representative Report Senate Senate Concurrent Resolution Senate Document Senator Senate Joint Resolution Senate Resolution Senate Report Department of State, Treaties and Other International Acts Series United Nations Conference on International Organization Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte World Politics
* Die Abkürzungen der Namen der Bundesstaaten der USA sind nicht in das Verzeichnis aufgenommen worden. Sie sind allgemein bekannt oder lassen sich doch sehr leicht aus der Abkürzung erschließen.
Einleitung 1. D I E
AUSSENPOLITIK
Die Außenpolitik ist erst verhältnismäßig spät in den Arbeitsbereich der Politikwissenschaft eingerückt. Solange das Verhältnis des Staates zu seinen Nachbarn nur als Gegensatz aufgefaßt wird, vermag sich kritische Reflexion offenbar nicht einzustellen. Noch um die Jahrhundertwende wurde geäußert, daß die äußere Politik kein Gegenstand für wissenschaftliche Systematik sei, die Machtkämpfe der Völker und Staaten sich nicht in eine Theorie bringen ließen 1 . Die politische Katastrophe des Ersten Weltkrieges erschütterte dieses Axiom. Die Vernunft des Menschen reichte offenkundig nicht aus, um jenen Zustand fortdauernd zu sichern, der sich als das allgemein erstrebenswerte Ziel erwiesen hatte: den Frieden. Diese Erfahrung bewirkte, daß die zwischenstaatlichen Beziehungen der wissenschaftlichen Erforschung überwiesen wurden2. Der Zweite Weltkrieg verstärkte diesen Impuls erheblich. Hinzukam, daß die Erscheinung von Interdependenzen und Blockbildungen die Bedeutung des Nationalstaates abschwächten und seine Beziehungen zu anderen Einheiten —eben das herkömmliche Feld der Außenpolitik — überschaubar werden ließen. Seit 1945 befindet sich die den Internationalen Beziehungen gewidmete Disziplin im Stadium voller Entfaltung. Die Entfernung zu einer Theorie der Internationalen Beziehungen, zur Erkenntnis von Zusammenhängen auf Grund verifizierter Einzelteile, ist allerdings noch unübersehbar groß 3 . Wir befinden uns erst in den Anfängen, auf der allerersten Wegstrecke, und es kann zunächst überhaupt nur darum gehen, solche Einzelteile zu analysieren: die Außenpolitik von 1
Hintze, Staatenbildung
und Verfassungsentwicklung,
S. 35.
Fox, Interwar International Relations Research; ferner Czempiel, Lehre von den Internationalen Beziehungen, S. 274 ff. 1
s Vgl. zu den meist unterschätzten Schwierigkeiten Hoffmann, Contemporary Theory in International Relations, bes. S. 231. Dazu meine Rezension in Politische Viertel Jahresschrift (im folgenden zitiert PVS) Jg. 2, H. 4, Dezember 1961, S. 413 ff.
1
Czempiel
2
1. Die
Außenpolitik
Staaten innerhalb konkreter geschichtlicher Systeme. Diese Leistung ist schon schwierig genug. Die politologische Analyse hat nicht die Aufgabe, den Verlauf einer bestimmten Außenpolitik darzustellen, sondern ihre Struktur. Darunter sind allgemein „Elemente relativer Stabilität" 4 zu verstehen, Gerüste von Faktoren, die sich nicht, oder dodi nur schwer und langsam verändern. Die geographische Lage gehört beispielsweise zu diesen Faktoren und der Stand der Technik. Beide Bedingungen sind seit langem und weitgehend bekannt. Sie bilden — begreift man Außenpolitik als Wechselspiel zwischen den Anforderungen der Umwelt einerseits, den Entscheidungen der politischen Einheit andererseits — Teile jener Umwelt, mit der sich die Außenpolitik auseinandersetzen muß. Sind Strukturen nicht aber auch auf der anderen Seite dieses Wechselspiels, auf der Seite der Gesellschaft zu finden? Die Summe der Entscheidungen, die die Außenpolitik ausmachen, wird kaum aus jeweils ganz verschiedenen Einzelelementen gezogen. Es muß auch Formationen geben, die von Dauer, oder nur schwer veränderlich sind: Attitüden, Tendenzen, die den Strom der Geschehnisse, der auf die betreffende Gesellschaft zufließt, auffangen, in Kanäle leiten und ihm dadurdi in gewisser Weise erst zu seiner eigentlichen Gestalt verhelfen. Solche eine gewisse Kontinuität zeigenden Verhaltensweisen einer Gesellschaft sind von ungleich höherer Bedeutung als die Strukturen der Umwelt. Denn das Zentrum der außenpolitischen Entscheidung liegt bei der Gesellschaft; sie kann sich in einer bestimmten Umwelt noch immer fast beliebig, möglicherweise sogar geradezu absurd verhalten. Ein Inselstaat muß zwar, will er expandieren, unbedingt Schiffe besitzen. Aber er kann auf die Expansion verzichten und braucht dann keine große Seemacht. Ebenso ist eine Landmacht durchaus in der Lage, sich nur ein kleines Heer zu halten. D i e Entscheidungen der Gesellschaft sind es daher, die letzthin die Außenpolitik bedingen. Wenn es gelingt, die Strukturen solcher Entscheidungen aufzudecken, dann ist die wissenschaftliche Erforschung der Außenpolitik ein gutes Stück vorangekommen. Die zu bewältigende Aufgabe läßt sich vielleicht mit einem Blick auf die Innenpolitik erleichtern. Die Innenpolitik der Staaten unterscheiden wir längst nach solchen Katalogen schwer veränderlicher Elemente: nach den Verfassungen. Mag eine Verfassung geschrieben sein oder nicht, sie stellt das System dar, mit dem die inneren Konflikte der jeweiligen Gesellschaft entschieden werden. Die geläufige Unterscheidung zwischen freiheitlichen 4
Schieder, Strukturen
und Persönlichkeiten,
S. 276.
Die
Außenpolitik
3
und totalitären Systemen beruht im wesentlichen darauf, daß in beiden Systemen die Konflikte ganz unterschiedlich gelöst zu werden pflegen: in der pluralistischen Demokratie durch Kompromiß und Integration, in totalitären Staaten durch Liquidation der abweichenden Meinungsrichtung. Die Differenz wird nicht etwa durch die Art der Konflikte bewirkt, sondern ausschließlich durch die Struktur der Gesellschaft, die sich herrschaftlich im Regierungssystem abbildet. Sollte es sich mit der Außenpolitik nicht ähnlich verhalten? Sollten nicht auch hier gleiche Geschehnisse ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen, je nach dem die Gesellschaft strukturiert ist, auf die sie treffen? D i e Frage zu stellen heißt nicht, sie schon zu beantworten. Dazu sind wir im Moment noch nicht imstande. Die Frage soll nur Horizonte andeuten, die wir vielleicht eines Tages zu erreichen vermögen, wenn wir die Suche nach der .Verfassung' in den Vordergrund der politologischen E r forschung der Außenpolitik stellen. Zwei Begriffe, die diesem Problemkreis zuzurechnen sind, existieren bereits, der der Staatsraison, den Meinecke zu einem großartigen Forschungsinstrument ausgebaut hat, und der Begriff des national interest, um den sich die amerikanische Auseinandersetzung über die Außenpolitik bewegt 5 . Beide geben zunächst nur ganz formale Auskünfte, sie lassen nicht erkennen, was denn jeweils als Staatsraison, als national interest zu gelten habe. Lassen wir das einen Moment lang dahingestellt; es ist und bleibt das große Verdienst beider Begriffe, darauf hingedeutet zu haben, daß auch die Außenpolitik innerhalb eines nur langsam und schwer veränderlichen Rahmens, eines Grundmusters vergleichsweise fixierter Faktoren abläuft, daß sie „Bewegungsgesetzen" (Meinecke) folgt. Meinecke wie Morgenthau beschäftigen sich in erster Linie mit dem Grundkonflikt zwischen Ideal und Interesse, der im Zentrum außenpolitischer Willensbildungen in Europa zu finden ist, zwischen christlichem Ethos und dem Kratos. Der Konflikt hat sowohl der europäischen wie der amerikanischen Gesellschaft in besonderer Weise zu schaffen gemacht. Die Strukturformel wird indes ein wenig weiter gehen müssen. Zunächst ist der Fall in Betracht zu ziehen, daß das Ideal dem Interesse nicht zuwiderläuft, im christlich-europäischen Sinne also gar nicht ,ideal* ist. Es hat Gesellschaften gegeben, etwa in Sparta, und sie können wieder erscheinen, 5 Meinecke, Die Idee der Staatsraison in der neueren Geschichte. Morgenthau, Mainsfrings of American Foreign Policy, und die — präzisere — Fortsetzung, Another ,Great Debate': The National Interest of the United States.
1»
4
1. Die
Außenpolitik
deren Ethos dem Kratos genau parallel wirkt. U m die Ambivalenz auszuschalten, die dem ,Ideal' im westlichen Sinne innewohnt, wird man daher besser von Grundanschauung sprechen. Mit ihr kann in jeder historischen Epoche ausgedrückt werden, wie die politische Einheit sich und ihr Verhältnis gegenüber der Umwelt versteht. Ähnlich w ä r e mit dem Interesse zu verfahren. Der Begriff kann zwar bleiben, aber er bedarf einer erweiternden Interpretation. In den zwischenstaatlichen Beziehungen erwachsen außenpolitische Interessen aus zwei Wurzelbereichen, die m a n säuberlich voneinander unterscheiden kann, obwohl sie einzeln nicht gedacht werden können: aus dem Zustand der Staatenwelt und aus den Absichten der politischen Einheit. Ausschlaggebend ist selbstverständlich die jeweilige Absicht der Einheit. Der Zustand der Staatenwelt tritt jedoch bedingend oder fordernd hinzu. Es ergeben sich damit zwei Faktorengruppen, die untersucht werden müssen, wenn man der Interessen in der Außenpolitik habhaft werden will. Der Zustand der
Staatenwelt
Allgemein sind die zwischenstaatlichen Beziehungen dadurch gekennzeichnet, daß keine Möglichkeit besteht, im Konfliktsfall Recht zu spredien und zu sanktionieren, und daß aus diesem Grunde die Sicherheit der einzelnen Staaten ständig potentiell gefährdet ist. Den Einblick in diese „Situation hobbésienne" 6 hat Meinecke in die Feststellung gekleidet, daß „der elementaren Machtergießung der Staaten gegeneinander das Tor geöffnet (ist), und alle sittlichen Versuchungen des Machttriebes... freieren Spielraum" erhalten 7 . D a s ist generell richtig, bedarf aber je nach Epoche erheblicher Differenzierungen. Im europäischen Absolutismus vom 16. bis zum 18. Jahrhundert herrschte gewiß eine „elementare Machtergießung" zwischen Staat und Staat. In der Atlantischen Gemeinschaft des 20. Jahrhunderts wird man das Kriterium nicht mehr, oder doch nur noch rudimentär und weitgehend abgeschwächt antreffen. Selbst das Verhältnis zwischen der Sowjetunion und den U S A läßt sich mit diesem Begriff nicht mehr ganz richtig kennzeichnen. Die Entwicklung der Gesellschaft hat nicht nur zwischenstaatliche Beziehungen heraufgeführt, in denen überhaupt nicht mehr von Gegensätzen gesprochen werden kann; sie hat auch dort, wo dieser Begriff noch zutrifft, Formen entwickelt, die nicht mehr als „elementare Machtergießung" erfaßt werden • Aron, Paix et Guerre, S. 697. 7
Meinecke, Staatsräson,
S. 17.
Die Absichten der Staaten
5
können. Von diesen Zuständen der zwischenstaatlichen Beziehungen werden natürlich die Interessen der politischen Einheiten maßgeblich mitbedingt. Die Absichten der
Staaten
Die Situation der Staatenwelt ergibt zwar die eherne Notwendigkeit, auf Sicherheit bedacht zu sein; ein weiterer, gleich notwendiger Zwang tritt aber nur dort auf, wo die physische Basis der Ernährung in Frage gestellt ist 8 . Diese Notwendigkeit ist in Europa seit dem Mittelalter selten geworden, mit ihr der Fall, daß eine Einheit die Sicherheit einer anderen zwangsläufig, nämlich der N a h r u n g halber, beeinträchtigen mußte. In aller Regel sind die Absichten, die zu Angriff und Expansion führen, ganz anders gelagert, entspringen weitgehend frei gefaßten Entscheidungen, die auf die Vermehrung von Besitz oder Reichtum gerichtet sind. Die Situation hobbesienne ermöglicht es zwar, solche Absichten auszuführen, aber sie erhebt sie nicht in den Rang geschichtlicher Notwendigkeiten. Mitnichten kann gelten, „daß der K a m p f um Macht mit dem Kampf ums Uberleben identisch i s t . . ." 9 . Sicherheit und N a h r u n g sind gewiß unabdingbar; die Fülle der Geschehnisse, denen wir in der Geschichte begegnen, entspringt aber nur zum geringsten Teil der Erfüllung solcher Notwendigkeiten, zum größten Teil vielmehr Absichten, die mehr oder minder frei entschieden worden sind 10 . Diese vermögen sehr wohl die Sicherheit einer anderen Einheit zu gefährden und lösen dann dort Notwendigkeiten aus. Sie selbst drücken aber keinen historischen Zwang aus. Diese Absichten müssen also erfaßt werden. Sie bilden — zusammen mit den Bedingungen, die der Zustand der Staatenwelt stellt — die Interessen der Staaten. Die Interessen sind keinesfalls überall identisch, sondern differieren beträchtlich. Ein adliger Ritterbund im Süddeutschland des 15. Jahrhunderts hatte andere Interessen als eine Hansestadt zur gleichen Zeit; eine Großmacht des 20. Jahrhunderts h a t andere Interessen als beispielsweise England nach dem Wiener Kongreß. Die Interessen müssen also in ihrer Art, Richtung und Intensität berücksichtigt werden. Die Formel, mit der sich die Außenpolitik erfassen ließe, könnte dann folgendermaßen bestimmt werden: Außenpolitische Ziele werden strukturiert durch 8 Vgl. dazu im einzelnen meine Ausführungen über den Primat der Politik, S. 268 f. 9 10
Auswärtigen
Spykman, America's Strategy, S. 18, 25, 446.
Wolfers, Pole of Power, unterscheidet „goals of national self-extension", „goals of national self-preservation", „goals of national self-abnegation". S. 50.
6
1. Die
Außenpolitik
die Grundanschauungen einer politischen Einheit und die Art, Richtung und Intensität ihrer Interessen. Die Gesellschaft Die Frage nach den Strukturen, die den Zielen zugrundeliegen, mündet ein in die Frage nach der Gesellschaft. In ihr sind sämtliche Faktoren enthalten, die die Außenpolitik oberhalb von Sicherheit und Ernährung, aber sie durchaus einschließend, charakterisieren. In der Gesellschaft reflektieren sich die geschichtliche Epoche und der Zustand der Staaten, reflektieren sich die Interessen der Einheit und ihr Selbstverständnis gegenüber ihrer Umwelt. Erst die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Faktoren vermag der Außenpolitik jenen Anschein unausweichlicher Fatalität zu nehmen, in dem sie heute noch weitgehend steht. Der Blick auf die soziale Grundlage enthüllt, daß das sich scheinbar nach ehernen Gesetzen ständig im gleichen Rhythmus bewegende Rad der zwischenstaatlichen Beziehungen ganz verschiedene Tempi aufweist, sich nur selten notwendig, größtenteils vielmehr auf Grund weitgehend freier Entscheidungen der Menschen gedreht hat und dreht. Außenpolitik in Beziehung zu setzen zu der Situation und Organisation der Gesellschaft ist also die wichtigste Forderung. Es gilt zu zeigen, daß Außenpolitik je nach der Struktur, die ihr zugrundeliegt: je nach den Grundanschauungen und der Art, Richtung und Intensität der Interessen der betreffenden Gesellschaft ganz verschieden verläuft. Entsprechend müssen außenpolitische Entscheidungen in Relation zu innenpolitischen Formationen gesetzt, muß Außenpolitik auf der Grundlage der Gesellschaftsordnung oder deren herrschaftsmäßigem Ausdruck: dem Regierungssystem untersucht werden. Die systematische Erforschung der Außenpolitik, die Darlegung ihrer Strukturen hat sich zu vollziehen in enger Konfrontation mit dem Regierungssystem, mit der Ordnung der entsprechenden Gesellschaft. Ein solcher Ansatz könnte noch mehr hergeben als nur die Strukturanalyse einer bestimmten Außenpolitik. Gesellschaften sind zwar stets historisch einmalige Entitäten; es dürften aber unter ihnen soziale Entsprechungen zu finden sein. Beispielsweise ließen sich feudale Gesellschaften einander zuordnen, ebenso vielleicht agrarische oder industrielle, um nur einige zu nennen. Zu prüfen wäre, ob solche sozialen Entsprechungen auch Ähnlichkeiten im außenpolitischen Verhalten bewirkten. Wenn ja, so würden wir, wie wir jetzt eine vergleichende Lehre von den Herrschaftsformen erarbeiten, später vielleicht auch imstande sein, eine entsprechende Lehre von den außenpolitischen Tendenzen, von den Verfassungen der Außenpolitik zu entwickeln. Die methodischen Schwierigkeiten sind ge-
Der
Ziel-Mittel-Komplex
7
waltig und verlangen große Anstrengungen 11 . Aber der Versuch, so langwierig er sich gestalten mag, wird sich lohnen. Es gibt zwar keine Gesellschaften, die den Krieg grundsätzlich vermeiden 12 ; das verhindert die N a t u r zwischenstaatlicher Beziehungen. So rigoros darf man die Frage in der Geschichte der Menschen auch nicht stellen. Es muß genügen, zu erfahren, ob es Gesellschaften gab oder gibt, die mehr als andere den Krieg vermeiden. V o n diesem Ausblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten kehren wir zurück zu dem, was heute allein möglich ist: zu Strukturuntersuchungen der Außenpolitik einzelner Länder. Die Analyse soll die Grundanschauungen und die Interessen der Gesellschaft aufdecken, also die Struktur, aus der ihre Ziele hervorgehen; es gilt, ein Instrument zu entwickeln, mit dem sich eine solche Untersuchung ausführen läßt. Der
Ziel-Mittel-Komplex
A m nächsten scheint es zu liegen, sich einfach den Zielsetzungen zuzuwenden. Es gibt schon Versuche, Außenpolitik nach Kriterien wie Status quo, Imperialismus oder Prestige einzuteilen 13 , Unterschiede zwischen Revisionismus und Status quo 14 oder Procedural Status quo 15 zu ziehen. Wie immer man zu solchen Begriffsbildungen stehen mag, ihr wichtigstes Merkmal ist, daß sie an bestimmte geschichtliche Epochen gebunden bleiben. Territoriale Expansion beispielsweise w a r bis zum 19. Jahrhundert noch ein gängiges Ziel, in der Mitte unseres Säkulums tritt es aber in E u r o p a k a u m noch auf. Bedeutet das, daß sich die Außenpolitik strukturell verändert habe? Eine solche Schlußfolgerung wäre angesichts des Eindrucks, den die Welt in der Mitte des 20. Jahrhunderts vermittelt, gewiß etwas voreilig. Man wird also nach zusätzlichen Bestimmungsmöglichkeiten suchen müssen. 11 Hoffmann, Contemporary Theory, S. 176 f. Vgl. den interessanten Versuch Modelskis, Agraria and Industria, bes. S. 136, 142. 12
Mit dieser Feststellung kritisiert Aron, Société Industrielle, an Hand der Thesen Comtes die Theorien des 19. Jahrhunderts. Vgl. jedodi dazu meine Besprechung in PVS, Jg. 4, H . 4, Dezember 1963, S. 427 ff. 15 Morgenthau, Politics Among Nations, S. 36. Diese Einteilung entspricht seiner Generalformel f ü r die Politik: „either to keep power, to increase power, or to demonstrate power". Ibidem. 14
Lerche, Foreign Policy of the American People, S. 200—201.
15
Lerdie, ibidem, S. 206 f.
8
2. Die Vereinigten Staaten Bleiben wir einen M o m e n t bei der territorialen Expansion. Dieses Ziel
ist wohl verblaßt. W a s sich aber eigentlich darin ausdrückte: Herrschaftsausübung über andere Menschen, Domination, ist auch heute noch anzutreffen. Es hat seine Gestalt verändert, tritt heute vielleicht als Errichtung wirtschaftlicher und ideologischer Abhängigkeiten auf, ist aber nach wie vor existent. I n anderen Worten: die Ziele verändern ihr Aussehen im L a u f der Zeit, aber die Mittel, mit denen sie verwirklicht werden, bleiben. D o m i n a t i o n hat es stets gegeben; sie ist für die absehbare Zukunft aus den zwischenstaatlichen Beziehungen nicht wegzudenken. Wenn sich die U n t e r suchung also in erster Linie auf die M i t t e l richtet und nidit nur a u f die Zielsetzungen, wird sie der Bannung durch die historische Epoche entrinnen können. I n der Auswahl der Mittel l ä ß t eine Einheit am besten erkennen, wie sie ihre U m w e l t einschätzt, wie sie dieser U m w e l t gegenüber ihre Interessen wahrnehmen will. Die konkreten Ziele erweisen sich dann als historische Form, in der die Mittel im L a u f der Geschichte auftreten. Nicht so sehr auf die Ziele wird sich demzufolge die Analyse der Außenpolitik zu richten haben, sondern auf die Mittel und auf die Ziele, in denen sie Gestalt gewinnen: auf den Ziel-Mittel-Komplex. I n einer ersten Annäherung lassen sich zwei große Mittelbereiche unterscheiden: Kooperation und/oder die Anwendung nichtgewaltsamer M i t t e l u n d Domination und/oder die Anwendung gewaltsamer Mittel. Dieser M a ß s t a b ist verläßlich, weil er sich gleitend über alle Epochen anwenden l ä ß t . E r ist allerdings nur grob. Aber in der Human-Geschichte, dem Z u sammenfluß aus den Handlungen unzähliger souveräner Spontaneitäten, treten scharf umrissene Befunde nur höchst selten auf. M a n wird sich damit zufriedengeben müssen, Strömungen, überwiegende Tendenzen festzustellen. E i n e solche Aufgabe kann mit dem Ziel-Mittel-Komplex, in dem sich kooperative oder dominierende Methoden und die ihnen jeweils zuzuordnenden Ziele unterscheiden lassen, durchaus geleistet werden. 2. D I E V E R E I N I G T E N
STAATEN
Es erschien als reizvoll, einmal der ,Verfassung' der für die westliche W e l t relevanten bürgerlichen Gesellschaft nachzugehen, und zwar dort, w o sie sich am reinsten erhalten hat: am Beispiel der Vereinigten Staaten. D i e bürgerliche Gesellschaftsordnung und ihr herrschaftsmäßiger Ausdruck, das demokratisch-republikanische Regierungssystem, sind auf den w i r t schaftenden einzelnen ausgerichtet; er bildet die Bezugseinheit aller gesellschaftlichen und politischen Regulierungen. I n N o r d a m e r i k a , dem E x i l Europas, sind Kolonien, später Staaten und schließlich der Bundesstaat
Die Vereinigten
Staaten
9
nach diesen Prinzipien konstruiert worden 16 . Sie konnten sich dort frei und ungehindert entfalten, während ihnen in Europa Rücksichten auf überkommene feudale Strukturen entgegenstanden, die sich zwar überwinden, aber niemals so recht assimilieren und integrieren ließen. In den USA gab es keine derartigen widerstrebenden Rückstände. Der individualistische Liberalismus vermochte sich rein in geschichtliche Wirklichkeit umzusetzen und besaß darum Kraft genug, auch die Demokratisierung der Gesellschaft, die sich seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts abzuzeichnen begann, mit nur geringen Anpassungen zu bewältigen. Die USA können f ü r sich in Anspruch nehmen, eine Massendemokratie geworden und eine bürgerliche Republik geblieben zu sein17. Die zahlreiche Literatur über den Charakter der amerikanischen Außenpolitik zerfällt in zwei Lager. Das eine betont die traditionelle Grundeinstellung der USA und klammert die mannigfachen Abweichungen — die Vereinigten Staaten haben von 1775 bis 1935 77 Jahre Krieg geführt, mehr als Rußland in dieser Zeit 18 — als bereute Seitensprünge praktisch aus19. Das andere Lager richtet hingegen sein Augenmerk auf die Taten und sieht in den Theorien nur ideologisch verbrämte Expektorationen über eine im übrigen handfeste Machtpolitik 20 . Beiden Interpretationen, der realistischen wie der idealistischen, ist gemeinsam, daß sie die Beziehung zwischen Grundanschauung und Interesse ausschließlich als anthropologische und nicht auch als historische Größe ansehen. Das Gemenge der beiden kann doch aber nicht unbeeinflußt davon bleiben, daß die amels
Vgl. Loewenstein, Verfassungsrecht,
S. 14 ff., ferner Fraenkel,
Regierungssystem,
S. 19 ff. 17
Vgl. Weber, Wirtschaft
einer industriell-bürgerlichen lung der Vereinigten
Staaten;
ism'; ferner Schoeck, Motive 18
und Gesellschaft; Gesellschaft;
Silberschmidt, Amerikas
derselbe, Staat und Wirtschaft
derselbe, Vom Gründerkapitalismus und
Entwicklung
zu
in der
Entwick-
zum ,New
Capital-
Strukturen.
Dieses Verhältnis hat Sorokin aufgestellt. Zitiert nach Bailey, Man in the
Street,
S. 56. 19 Dies etwa die Haltung v o n Perkins, American Approach, und vor allem Tannenbaums, American Tradition. So neuerdings wieder, wenngleidi ohne Fortschritt, Kollmann, Imperialismus. 20
Vgl. etwa Morgenthau: „The invocation of abstract moral principles was in part hardly more than an innocuous pastime; . . . in part, however, it was a magnificent instrument for marshalling public opinion in support of war and warlike policies . . . " , Mainsprings, S. 834. Tannenbaums These, daß der amerikanischen Außenpolitik die Anschauung vom „co-ordinate state" zugrunde liege, hält Morgenthau für ein „emotional urge", Great Debate, S. 968. Zur inneramerikanischen Diskussion vgl. den Literaturberidit v o n Stourzh, Ideologie und Machtpolitik.
2. Die Vereinigten
10
Staaten
rikanische Gesellschaft in der Zeit von 1800 bis 1950 aus einer vorwiegend agrarisch-republikanischen in eine industriell-demokratisch-republikanische Form umgeschichtet wurde. Vollends entgeht der historische wie der gesellschaftliche Faktor denen, die versuchen, kriegerische und friedliche Phasen in der amerikanischen Geschichte mit einem chronologischen Zyklus zu erklären 21 . Die
Grundanschauung
Über die Basis der außenpolitischen Grundanschauung der Vereinigten Staaten besteht kein Zweifel. Sie ist in so berühmten Dokumenten niedergelegt wie der Abschiedsadresse Präsident Washingtons, die noch heute bei jeder Wiederkehr seines Geburtstages in beiden Häusern des amerikanischen Congress verlesen wird: „Beobachten Sie guten Glauben und Gerechtigkeit gegenüber allen Nationen. Pflegen Sie Frieden und Harmonie mit allen. Zu dieser Haltung verpflichten Religion und Moral. Und kann es denn sein, daß eine gute Politik nicht ebenfalls dieses Verhalten auferlegt? Es wird einer freien, aufgeklärten und bald auch großen Nation würdig sein, der Menschheit das großherzige und ganz neue Beispiel eines Volkes zu geben, das sich stets von erhabener Gerechtigkeit und von Wohlwollen leiten läßt" 2 2 . In der Gründung der U S A drückte sich die Abkehr von der innen- und außenpolitischen Praxis der europäischen Höfe, von dem „System" und den ihm eigentümlichen Prinzipien 23 elementar aus. In diesen reinen Wein hat der Verlauf der amerikanischen Geschichte eine Menge Wasser geschüttet. Aber die Substanz der Anschauung blieb erhalten. Kein anderer als der Realist Morgenthau hat sie neuerdings wieder klassisch formuliert: „Die Vereinigten Staaten sind eine pluralistische Gesellschaft, die die andauernde Existenz und Legitimität divergierender Interessen voraussetzt... Diese Moral des Pluralismus erlaubt es den Vereinigten Staaten, sobald sie sich in dem Minimum vitaler Interessen... sicher wissen, die Prinzipien politischer Moral auf die internationale Szene zu erheben und dort den divergierenden Interessen mit den gleichen Methoden echten Kompromisses und Ausgleichs zu begegnen, die einen 21
Klingberg, Historical
Alternation
of Moods, stellt die zyklische Wiederkehr von
21 Jahren introvertierten und 27 Jahren extrovertierten Verhaltens fest, S. 240. Eine zyklische Theorie, wenngleich hier in kausaler Nähe zu den Wirtschaftszyklen, findet sich auch bei Perkins, American
Approach,
S. 164.
21
Washington an den Congress, 17. September 1796, Richardson, Messages, I, S. 213.
23
Monroe an den Congress, 2. Dezember 1823, Richardson, Messages, II, S. 787.
Die
Interessen
11
dauernden Bestandteil ihres innenpolitischen Lebens bilden" 2 4 . Die Grundanschauung der U S A ist ohne Zweifel, und in feststellbarem Gegensatz zu anderen Haltungen, auf Toleranz, gewaltlosen Ausgleich und auf Frieden gerichtet 25 . Die
Interessen
Sehr viel schwieriger ist zu bestimmen, wie sich die Interessen der U S A entwickelt haben. Sicher lassen sie sich in den ersten hundert Jahren nicht allein als Schutz der physischen Unversehrtheit des Landes und der Förderung der privaten Unternehmungen amerikanischer Bürger im Ausland bezeichnen 26 . Manifest destiny war, wenn auch nicht im strengen Verstände, eine außenpolitische Devise. In der zweiten Hälfte des 19. J a h r hunderts konnten die Interessen des amerikanischen Handels sehr wohl zu expansionistischen Zielsetzungen führen 2 7 . Erst die fortschreitende Industrialisierung beschränkte die Interessen wieder auf den Kontinent, so daß den imperialistischen Vorstößen Mahans und Theodore Roosevelts ebensowenig Erfolg beschieden war wie dem Versuch Präsident Wilsons, Amerika in Europa auf Dauer zu engagieren 28 . Es läßt sich die These aufstellen, daß die Interessen der Vereinigten Staaten — soweit sie überhaupt nach außen zielten 29 — ihrer Grundanschauung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegentlich zuwiderliefen, daß diese Interessen ihre Richtung im weiteren Verlauf des Säkulums langsam veränderten und seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, seitdem die U S A in die Periode ökonomischen Massenkonsums eingetreten sind 30 , den Grundanschauungen weitgehend folgen. I n dieser Gleichung ist das Problem der außenpolitischen Interessen des Kapitalismus enthalten, das hier nur gestreift werden kann. Es teilt mit dem Imperialismus das Schicksal, häufig diskutiert, keineswegs aber hin24
Mergenthau, Great Debate,
25
Dies wird besonders von Tannenbaum, American
S. 985.
28
So Kennan, Realities,
27
Dies hat Vevier nachgewiesen, American
28
Osgood, Ideals and Self-Interest,
Tradition,
herausgestellt.
S. 11. Continentalism,
S. 332—333.
S. 28.
Klingberg hat die Bedeutung der Außenpolitik nach dem Anteil berechnet, den sie in den Botschaften der Präsidenten einnahm. Er lag durchschnittlich etwa bei 46,5 °/o, in den extrovertierten Phasen zwischen 65 und 50 °/o, in den introvertierten zwischen 40 und 27,9 °/o. Insgesamt macht sich eine fallende Tendenz bemerkbar. Historical Alternation, S. 252—254. 28
30
Begriff und Einteilung nach Rostow, Wachstumsstadien,
S. 101 f.
12
2. Die Vereinigten
Staaten
reichend empirisch untersucht worden zu sein31. Zwei Komponenten sind sorgfältig zu unterscheiden: einmal die Entwicklung des Kapitalismus, sein jeweiliges Stadium in einem Land, und zum anderen das Herrschaftssystem dieses Landes. In seiner Anfangsphase w a r der Kapitalismus auf Rohstoffe angewiesen, so daß es verlockend erscheinen konnte, deren Besitzer zu zwingen, sie auszubeuten. Davon abgesehen, waren jedoch Kolonien für die Wirtschaft niemals lebenswichtig 32 . Etwas ähnliches gilt f ü r den Kapitalexport: ihn zu sichern, müssen nicht unbedingt die Grenzen der Herrschaft erweitert werden. In der Phase des Massenkonsums treten Rohstoffschöpfung wie Kapitalexport in ihrer Bedeutung hinter Rationalisierung und Verkaufsförderung zurück. Für den Absatz von Privatwagen, Inbegriff der Massenkonjunktur, ist die Erweiterung des Herrschaftsbereiches nicht ausschlaggebend. Allgemein kann gelten, daß — von dem Fall der Rüstungswirtschaft, der gleich besprochen werden soll, abgesehen — die territoriale Expansion f ü r die kapitalistische Wirtschaft nur selten und das Mittel des Krieges überhaupt nicht von Interesse sind. Daß die USA in der Zeit von 1939—1945 ihren Reichtum erheblich steigern konnten, verdanken sie wohl dem Kriege, aber nicht ihrer militärischen Teilnahme daran. Spielen bei Expansion und Krieg natürlich wirtschaftliche Interessen auch immer eine Rolle, so ist sie im 20. Jahrhundert nicht sehr groß, tritt vielmehr hinter anders motivierten Zielen zurück. Finanz und Handel gelten in sämtlichen europäischen Ländern als Gegner des Krieges33. Ein Wirtschaftszweig muß, wenigstens vorläufig noch, davon ausgenommen werden: die Rüstungsindustrie. Ihr Geschäft florierte bisher nur, wenn Kriege den Absatz ihrer Produkte entsprechend förderten. An diesem Zusammenhang, dem für Amerikas Eintritt in den Ersten Weltkrieg das Nye-Committee in berühmten Untersuchungen nachgegangen ist, sind zwei gegenläufige Entwicklungen zu vermerken. Einerseits ist die Rüstungswirtschaft heute konjunkturpolitisch außerordentlich wichtig: 1960 waren in der amerikanischen Rüstungsindustrie 2,6 Millionen Menschen tätig, das sind 5 % aller nicht in der Landwirtschaft Beschäftigten. Rechnet man 31 Siehe als Ausnahme etwa Hallgarten, Imperialismus, dessen Forschungsrichtung allerdings etwas einseitig ist. Zur Kritik der klassisdien Imperialismus-Theorien vgl. Schieder, Imperialismus in alter und neuer Siebt. 32 33
So schon Sombart, Der moderne
Kapitalismus.
Nachweise dafür und Beispiele für ähnliche Verhältnisse bei Viner, Peace as an Economic Problem. Vgl. auch Treitschke, wenngleich geringschätzig: „Die Regierung der
Die
Interessen
13
die Streitkräfte und die auf dem Gebiet der Verteidigung arbeitenden Regierungsangestellten hinzu, so steigert sich die Anzahl auf mehr als 6 Millionen Menschen, der Anteil auf 11,5%>34. Die Rüstung hat damit einen gesamtwirtschaftlichen Aspekt bekommen; der ,Absatz' der von ihr produzierten Güter könnte bedeutsam werden. Diese Folge scheint indessen dadurch paralysiert zu werden, daß die Rüstungsgüter immer kompliziertere Formen annehmen, von den Ergebnissen der Forschung abhängen und mit deren Fortschritt erneuert werden müssen. 1953 machten Panzer, Waffen und Munition noch 5 0 % der Rüstungsprodukte aus. 1961 sind ihnen nur noch 1 2 % beschieden. Der Löwenanteil geht jetzt an Raketen (33 °/o) und elektronische Geräte (18 % ) ; sie nahmen 1953 nur 0,5, beziehungsweise nur 11 % der Produktion ein35. Die ständigen Fortschritte der Wissenschaft sichern so den Absatz, der früher nur durch Einsatz zu erzielen war. Solange diese Entwicklung anhält, braucht die Rüstungswirtschaft die Interessenlage des massenkonsumorientierten Kapitalismus nicht nachhaltig zu ändern. Hypothetisch kann also gelten, daß die Interessen der amerikanischen Wirtschaft in der Mitte des 20. Jahrhunderts nicht auf Krieg und Domination, sondern auf Zusammenarbeit und Handel, auf nicht-gewaltsame Mittel, also in die gleiche Richtung wie die Grundanschauung weisen. Die amerikanische Gesellschaftsordnung muß diesen Trend noch verstärken. In den USA emaniert der außenpolitische Wille nicht dem Kopfe eines Monokraten als das Endresultat vieler, teils sachlicher, teils unkontrollierbar unrationaler Motive. Er bildet sich vielmehr als „der unterste gemeinsame Nenner, auf dem sich partielle Interessen und das Nationalinteresse in einem unbequemen und für alle betroffenen Interessen viel zu wünschen übriglassenden Kompromiß begegnen" 36 . Das Ergebnis braucht deswegen nicht immer rational, es braucht nicht einmal gut oder angemessen zu sein. Aber es wird die elementaren Interessen des einzelnen am Leben und am (wie immer bescheidenen) Wohlstand nur im äußersten Fall der Außenpolitik opfern. Der Widerstand gegen die Allgemeine Wehrpflicht etwa, der die angelsächsischen Länder kennzeichnet, spricht Bourgeoisie (in Frankreich) war wie jede Geldherrschaft friedfertig Geschichte, IV, S. 16.
..Deutsche
34 Select Committee on Small Business, Senate, 87/2, hearings, Effect of Defense Spending on Small Business in Labor Surplus Areas, S. 44.
" Ibidem, vgl. auch S. 27. 36
Morgenthau, Great Debate, S. 974.
14
2. Die Vereinigten
Staaten
für die Virulenz, mit der in diesen Systemen die Grundinteressen des einzelnen den Transmissionsprozeß in die Gesamtinteressen überstehen. Die geographisch-historische
Situation
Wenn man eine solche Hypothese überprüfen will, ist zu berücksichtigen, daß die U S A sich bis 1939 in einer durch die geographische Lage bedingten einmaligen Situation befanden. Es könnte sein, daß Grundanschauungen und Interessen ausschließlich dadurch bedingt wurden; jedenfalls läßt sich der Einfluß des geographischen Faktors und damit der Einwand nicht ausschalten, daß die U S A es sich wegen des Schutzes der Ozeane leisten konnten, den ,ehernen' Gesetzen der Machtpolitik nicht Folge zu leisten. Dieses Argument läßt zwar außeracht, daß sich den U S A im Süden ein ganzer Kontinent entgegenstreckt, der allen Anlaß und jegliche Versuchung zur Machtpolitik europäischen Stils geboten hätte; aber es gilt zumindest, daß die Vereinigten Staaten sich bis 1939 keiner unmittelbaren Gefahr für ihre Sicherheit gegenübersahen. Allerdings war ihre Sicherheit mit dem Aufstieg des nationalsozialistischen Deutschlands schon beeinträchtigt worden 37 . Durch den Zweiten Weltkrieg wurde Sicherheit zu einem Dauerproblem 3 8 . Die Vereinigten Staaten standen 1945 als die führende Großmacht da, so gut wie an jedem Punkt der Erde politisch engagiert. Alsbald trat noch ein offener Gegensatz mit der anderen Weltmacht, der Sowjetunion hinzu. Luftfahrt- und Raketentechnik hatten die Barriere der Ozeane ausgeschaltet. Die Vereinigten Staaten waren jetzt so verwundbar wie jede andere Macht auch, und sie befanden sich in einem Konflikt, der unmißverständlich auf ihre Existenz abzielte. V o n Sonderbedingungen konnte jetzt keine Rede mehr sein. D i e Zeit nach 1945 bietet sich also als geeignetes Prüffeld für die H y p o these an. Der Eintritt des Konfliktfalls und die Notwendigkeit, das gegen den Faschismus gerichtete Bündnissystem umzustellen auf den Gegensatz zur Sowjetunion, lassen, gerade weil die Ereignisse sich rasch entwickelten, die festen Formationen der amerikanischen Außenpolitik deutlich hervortreten. Die U S A wurden mit elementarer Wucht an eine Wegkreuzung ihrer Politik herangeführt, und sie hatten sich zu entscheiden, welche 37
Osgood, Ideals, bringt hierfür gute Belege, vgl. S. 429.
38
1937 hielten 67 %> aller Befragten in den U S A den amerikanischen Eintritt in den
Ersten Weltkrieg für einen Fehler; 1944 waren es nur noch 18 °/o. Bailey, Man in the Street, S. 173.
Das Objekt:
Der
Congress
15
Richtung sie einschlagen wollten. Dieser Prozeß vollzog sich in den ersten vier Jahren nach 1945 und ist 1949 abgeschlossen. Man könnte fast ein Tagesdatum angeben: den 6. Oktober 1949, an dem die Mutual Defense Assistance Act of 1949 in Kraft trat. Bis dahin wird die Untersuchung geführt werden müssen. Im Herbst 1949 ist der Grund zum Soll und Haben der amerikanischen Nachkriegspolitik gelegt.
3. D I E
METHODE
Das Segment: Der
Ost-West-Konflikt
Es ist ausgeschlossen, die gesamte Weltpolitik einer Großmacht im wünschenswerten Detail zu untersuchen, und sei es auch nur für den Zeitraum von vier Jahren. Das Segment, das der Ost-West-Konflikt aus der amerikanischen Weltpolitik herausgeschnitten hat, muß darum genügen. Es ist groß genug und enthält vor allem die relevanten Teile der amerikanischen Entscheidung. Lateinamerika etwa kann darum auf eine flankierende Rolle beschränkt werden; die Propaganda hingegen, gewöhnlich das verachtete Nebengleis der Diplomatie, muß stärker in den Vordergrund rücken. Das Objekt: Der Congress Die großen Entscheidungen über Ziele und Mittel werden in den Vereinigten Staaten an zwei Stellen getroffen: in der Exekutive und im Congress. Da die Unterlagen des Kabinetts und des Außenministeriums nicht zugänglich sind, werden hier in erster Linie die Arbeiten des Congress herangezogen. Darin liegt keine Einschränkung. Das Capitol bildet den Ort, an dem die Grundanschauungen und die Interessen der U S A verhandelt werden. Ohne Zustimmung des Congress kann die amerikanische Außenpolitik praktisch nicht stattfinden. Während die Verfassung der Legislative nur spärliche außenpolitische Kompetenzen zuweist, sind ihr in der Praxis von heute vor allem über das Bewilligungsrecht Kontrollmöglichkeiten für jegliche Politik zugewachsen, die mit Ausgaben verbunden ist. Von der Versetzung eines Diplomaten bis zu den Programmen der Rüstung und der Auslandshilfe vermag die Legislative jeden Vorgang modifizierend, retardierend oder sogar sistierend zu beeinflussen. Zwar befindet sie sich ständig in der Hinterhand, sie kann sich nur post festum kritisch äußern, wenn die Verträge schon vorliegen, die Projekte entworfen sind, die Politik schon eingeleitet ist. Sie steht stets vor der Alternative,
16
3. Die
Methode
entweder Teile, die ihr nicht passen, akzeptieren oder das Ganze torpedieren zu müssen. I m System der Gewaltenteilung kommt der Legislative weniger das schöpferische als das beurteilende W o r t zu. Aber die Exekutive muß dieses W o r t antizipieren, wenn sie ihre Politik durchsetzen will. D a es die Aufgabe der Legislative ist, „to mediate between reality and the preferences of the electorate" 3 9 , spiegeln sich in den Arbeiten des Congress auch die Vorschläge und Entwürfe der Exekutive 4 0 . Stimmen beide überein, so kann von einer Entscheidung der U S A gesprochen werden, stets also immer dann, wenn sie gesetzlich fixiert und vom Präsidenten unterzeichnet worden ist. Bei Differenzen zwischen Regierung und Congress muß sorgfältig zwischen beiden Instanzen unterschieden werden 4 1 . In seiner Mittlerrolle erlaubt der Congress jedoch nicht nur Schlüsse auf die Absicht der Regierung, sondern auch auf die Tendenzen der Gesellschaft. Unter diesem Aspekt stellen die Aktionen des Gesetzgebers ein Kompromiß zwischen den Parteien einerseits, regional bestimmten W i l lensrichtungen andererseits dar. Diese Situation hat manche Studie hervorgerufen, die die Abstimmungen im Congress mit quantifizierenden Methoden auf Parteikohärenz oder regionale Gruppierungen untersuchen. Mit dieser Methode lassen sich indessen die Zielsetzungen kaum inhaltlidi bestimmen 42 . Das ,ja' oder ,nein' drückt die Argumente nidit aus, die es bewirkt haben 4 3 ; es läßt audi nicht erkennen, auf welcher Stelle der Kurve, durch die die Meinungen innerhalb einer Abstimmungsgruppe beschrieben 39
Dahl, Congress
and Foreign
Policy, S. 156. Vgl. auch die vorzügliche Funktions-
bestimmung von Cohen, Political Process, S. 176. 40
Zu den Schwierigkeiten dieser Beziehung, die auf der mangelnden Information der
Abgeordneten beruhen, vgl. Rourke, Administrative 41
Secrecy.
Vgl. generell für die Rolle des Congress in der Außenpolitik und für die Beziehun-
gen zwischen Legislative und Administration aus der Fülle der Literatur etwa Robinson, Congress
and Foreign
Policy-Making.
Eine ausführliche Bibliographie findet sich
auf den Seiten 234—253. Ferner Cheever/Haviland, American U. S. Foreign
Policy;
Congressional-Executive der Auswärtigen
Griffith, Management Relations.
of American
Foreign
Foreign
Von deutscher Seite: Menzel,
Gewalt. Allgemein vgl. Bude, Control
of Foreign
Policy;
Policy;
Elliott, Hilsman,
Gegenwartsprobleme Relations in
Modern
Nations. 42
Darüber sind sich die Statistiker natürlich im klaren, vgl. MacRae, Dimensions
Congressional 43
of
Voting, S. 216. MacRae bietet auch die bis dahin erschienene Literatur.
So muß Farnsworth zugeben, daß eine anti-internationalistische
Stimmabgabe
keineswegs stets aus anti-internationalistischen Motiven entstanden zu sein braucht, Committee
on Foreign
Relations,
S. 146, Anm. 1. Bei Farnsworth erscheinen der extrem
linke Senator Taylor und der extrem rechte Senator Langer gemeinsam als Anti-Internationalisten, S. 147.
Regionen
und
Positionen
17
werden können, der einzelne Abgeordnete zu lokalisieren ist. Darum werden hier zwei Methoden miteinander kombiniert: die quantifizierende, weil ohne sie jegliche Inhaltsanalyse innerhalb so großer Gruppen hoffnungslos verloren ist44, und die inhaltsanalytische, weil Abstimmungsdaten allein nur einen außerordentlich groben — und selbst dann nicht einmal verläßlichen — Index für die außenpolitischen Zielstellungen abgeben. Sie können nur erfaßt werden, wenn man die Empfehlungen der Ausschüsse, die Plenardiskussionen und den Gegenstand, um den es geht, in eine Beziehung zueinander setzt. Darüber hinaus erlaubt die genauere Kenntnis des verhandelten Objekts und der verschiedenen Positionen, Abstimmungsvergleiche sehr viel subtiler und mit höherem Nutzen anzusetzen, als wenn die Voten nur rein numerisch ausgezählt werden. Regionen
und
Positionen
Eine kurze Bestimmung dessen, was unter Regionen und Positionen im amerikanischen Congress verstanden wird, ist unerläßlich. Über die Art und Weise, wie die einzelnen Staaten zusammengefaßt werden können, welche beispielsweise zum berühmten ,Mittleren Westen' gezählt werden müssen, besteht in den USA selbst keine Einmütigkeit. Am gebräuchlichsten dürfte die offizielle Einteilung sein, die vom Statistischen Bundesamt verwendet wird (vgl. Abbildung) 45 . Der ,Mittlere Westen' wird hier von den Bereichen Ost-Nord-Mitte und West-Nord-Mitte gebildet, die offiziell unter dem Namen Nord-Mitte zusammengefaßt werden. Nord-Ost, Süd und West stellen die anderen Gruppierungen, jeweils weiter unterteilt, dar. Dieses offizielle Schema wird hier verwendet; lediglich der Bereich ,Pazifik' muß eigens erwähnt werden, so daß also dort, wo außenpolitische Haltungen zu geographischen Regionen in Beziehung gesetzt sind, von Nord-Ost-Staaten, von Nord-Mitte-, Süd- und West-Staaten sowie von den Pazifik-Staaten die Rede sein wird. In dieser geographischen Nomenklatur gehören von den elf Staaten, die nach Smuckler46 die außenpolitische Opposition in den Congress schicken, 44 Innerhalb des Untersuchungszeitraumes waren aus 100 Abstimmungen im Senat und 44 Abstimmungen im Repräsentantenhaus rund 30 000 Daten zu verarbeiten. 45
Bureau of the Census, Statistical
46
Abstracts,
1960, S. X I I .
Smuckler, Region of Isolationism, S. 395. Smuckler bietet interessante Nachweise dafür, daß sich die Gruppierungen sofort auflösen, wenn man nicht die Staaten, sondern die einzelnen Wahl-Distrikte zugrunde legt. Aber auch das Smuckler-Spektrum dürfte einer differenzierteren Fragestellung nicht ganz standhalten. 2
Czempiel
Regionen und
Positionen
19
neun in die Nord-Mitte-Region: Ohio, Michigan, Wisconsin, Minnesota, Iowa, North Dakota, South Dakota, Nebraska und Kansas; die restlichen zwei, Wyoming und Idaho, zu den Mountain-Staaten, also zum Westen. Die Nord-Mitte-Gruppe setzt sich insgesamt aus zwölf Staaten zusammen, von denen also nur drei — Indiana, Illinois und Missouri — das sind 25 % , nicht zu den Oppositionskreisen zählen. Das Zentrum der Gegner, der N o r t h Dakota-Kansas-Gürtel, liegt ohnehin in der Nord-Mitte. Kann man diesen Bereich also in etwa als die Heimat der Opponenten ansehen, so die anderen Regionen als die — vergleichsweise feste — Burg der Regierungsaußenpolitik, wobei im Süden Mississippi und Louisiana sich seit 1945 als anfällig erwiesen haben 47 . Nimmt man hinzu, daß die elf Staaten, aus denen die Opposition vorzugsweise stammt, hauptsächlich Republikaner in den Congress entsenden — von 61 Abgeordneten dieses Bezirks im Jahre 1948 gehörten 57 der Republikanischen Partei an48 —, so gewinnt man gleichzeitig einen Ausblick darauf, daß in erster Linie die Republikaner in der Außenpolitik geographisch gespalten waren, während die Demokraten nur geringe Unterschiede zwischen N o r d und Süd aufwiesen49. Mit Bedacht ist das Verhalten der Abgeordneten dieser Staaten hier lediglich als oppositionell bezeichnet worden; anderes, als daß sie gegen die von der Regierung vorgeschlagene Politik oder für Einschränkungen gestimmt haben, läßt sich durch quantitative Analysen nicht feststellen. Wenn diese Opposition häufig als isolationistisch bezeichnet wird 50 , so muß das mit großem Vorbehalt aufgenommen werden. Oben wurde schon darauf hingewiesen, daß in der Opposition nicht nur rechts-konservative, sondern auch links-progressive Kräfte vertreten waren, die man beim besten Willen nicht isolationistisch heißen kann. Davon abgesehen, ist vor allem zu fragen, was denn dort, wo die Bezeichnung wenigstens der Richtung nach stimmt, darunter in der Periode, die 1941 begann, eigentlich zu verstehen sei. Der Name Isolationismus, der bekanntlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam, bezeichnet metaphorisch die von Ideal und Interesse gebildete Grundhaltung der amerikanischen Außenpolitik in jener Epoche. 47
Ibidem, S. 395.
48
Congressional
49
Genauere Analysen bei Westerfield, Foreign Policy,
50
Directory,
Etwa Smuckler, Region Begriff hingegen nicht. 2»
80/2, S. 145 ff.
of Isolationism;
S. 32 ff., S. 45 ff.
Westerfield und MacRae verwenden den
20
3. Die
Methode
Auf dem Boden des Begriffs liegt formal der Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit 5 1 , inhaltlich das Bewußtsein, daß die Vereinigten Staaten ihren Wohlstand am besten allein und in der Distanz vor allem zu Europa verwirklichen. Mit diesen beiden Ingredienzien: nationalstaatliche Unabhängigkeit und Wohlstandssteigerung durch Innenpolitik, charakterisiert „Isolation" geradezu einen Idealtyp republikanisch-bürgerlicher Außenpolitik. Bezeichnend dafür ist, daß Roosevelts Diplomatie gegen Ende der dreißiger Jahre besonders von denen befehdet wurde, die seine innenpolitischen Reformen, mit denen er den Wohlstand steigern und verbreitern wollte, guthießen 52 . L ä ß t sich mit dem Begriff der Isolation die traditionelle Grundeinstellung der U S A zur Außenpolitik schlagwortartig beschreiben, so ist diese Bedeutung des Begriffs geschichtlich auf die Zeit begrenzt, in der die aus dieser Grundhaltung fließenden Mittel den gewünschten Zweck erzielen konnten. Das war nach 1945 nicht mehr der Fall, und die Politikwissenschaft muß sich um neue Formeln bemühen, mit denen sie die Diskussion der neuen Mittel erfassen kann. Der einer vergangenen Epoche zugehörige Begriff Isolationismus' darf nur noch für solche Positionen verwendet werden, die tatsächlich veraltete Methoden proklamierten, die also nach wie vor die Distanz an die Stelle des unumgänglich gewordenen Engagements setzen wollten. I m Congress gab es diese Richtung, aber nur in geringer Zahl. Sie war nicht nur gegen jede wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der U S A mit anderen Staaten oder gar zwischenstaatlichen Organisationen, sie war auch dagegen, die Vereinigten Staaten selbst, militärisch oder atomar, zu stärken. Im Repräsentantenhaus wurde diese Position etwa von den Republikanern Büffet (Nebr.), Mason und Sumner (Iii.) vertreten; im Senat von den Republikanern Langer ( N . D a k . ) , Shipstead (Minn.), Wherry (Nebr.), Revercomb (W. Va.) und Moore (Okla.). D i e relevante Auseinandersetzung begann jedoch erst jenseits dieser vom Anachronismus bezeichneten Grenze. Wer sich darin einig war, daß Isolation durch Engagement ersetzt werden sollte, mußte dessen Modalität klären. Zwei Hauptgruppen lassen sich dabei unterscheiden: Die eine bevorzugte den Alleingang Amerikas, wollte unilateral vorgehen. Die andere vertrat die Zusammenarbeit mit anderen Staaten, die multilaterale 51
Vgl. dazu den vorziiglichen Essay von Weinberg, Historical
American 52
Doctrine
Beard, America
of
Isolation.
in Midpassage,
S. 4 5 2 ff.
Meaning
of
the
Bemerkung zu den Quellen und zur
Zitierweise
21
Politik. Zu dieser zweiten Gruppe trat noch ein kleines Häuflein solcher, die — wie etwa der demokratische Senator Pepper (Fla.) — durdiaus mit dem Gedanken spielten, die USA auch in eine internationale, die Souveränität ihrer Mitglieder begrenzende Organisation einzubringen. Der Ubergang zwischen Multilateralisten und Internationalisten war zunächst durchaus fließend, wie ja auch die Begriffe der Zwischenstaatlichen und der Internationalen Organisation nicht scharf geschieden und beider Prinzipien in den Vereinten Nationen durchaus vermengt worden sind. Die große Alternative, die in der amerikanischen Außenpolitik nach 1945 diskutiert wurde, lautete also: Alleingang oder Zusammenarbeit. Es ist, wie sich zeigen wird, die Alternative zwischen Domination und Kooperation. Die Zusammenarbeit wurde dabei auch von den Internationalisten, die lediglich weitergehen wollten, gestützt, während die Isolationisten zwar die Vertreter des Alleingangs gegen die der Zusammenarbeit taktisch stärkten, das Engagement als Position aber ablehnten. Die Bezugnahme auf diese Gruppierungen soll die Einzelheiten des gesellschaftlichen Reliefs der amerikanischen Außenpolitik deutlicher hervortreten lassen. Mehr ist nicht beabsichtigt. Die Aufmerksamkeit gilt der Diskussion und der Entscheidung des Ziel-Mittel-Komplexes, gilt der Struktur der amerikanischen Außenpolitik.
4. B E M E R K U N G Z U D E N Q U E L L E N ZUR ZITIERWEISE
UND
Die Congress-Quellen werden, um das Literaturverzeichnis nicht uferlos anschwellen zu lassen, nur in den Nachweisen selbst genannt. Diese Quellen werden in der amtlichen Weise zitiert, die den Prozeß der amerikanischen Gesetzgebung und die Geschäftsordnung der beiden Häuser widerspiegelt. Auf beides kann hier nicht eingegangen werden; für Näheres sei auf Cannon's Procedure in the House of Representatives, auf die Senate Manuals oder auf das allgemeinere, aber höchst sachkundige Buch von Riddick, U.S. Congress, Organization and Procedure, verwiesen. Die Gesetzentwürfe werden im Congress nach ihrer Art und der Kammer, in der sie eingebracht worden sind, unterschieden. Gewöhnliche Entwürfe werden nur mit der Kammer und einer Nummer bezeichnet, also etwa H.(ouse of) R.(epresentatives) 456, oder S.(enate) 456. Die den Gesetzen gleichzustellenden Joint Resolutions werden ebenfalls je nach Kammer numeriert, also etwa als H . (oder S.) J . Res. 456; das gleiche gilt
22
4. Bemerkung zu den Quellen und zur
Zitierweise
für die Concurrent Resolutions (S. — oder H . — Con. Res. 456), die eine Meinungsäußerung des Congress enthalten. Entschließungen, die nur für eine Kammer gelten, werden als H . Res. oder S. Res. numeriert. In den Nachweisen wird hinter der Nummer des jeweiligen Entwurfs auch sein offizieller Titel angegeben und darauf nur dann verzichtet, wenn das gleiche Gesetz in kurzen Abständen mehrmals genannt wird. Der Congress leistet die meiste und wichtigste Arbeit in den Ausschüssen, deren Berichte daher zu den hauptsächlichen Quellen zu zählen haben. Reports und Hearings der Ausschüsse werden zunächst mit dem Namen des Committee, mit der Nummer des Berichtes (wenn es sich um einen solchen handelt), der betreffenden Legislativ- und Sitzungsperiode, dem Datum, sodann mit der amtlichen Bezeichnung des in Frage stehenden Entwurfs und seinem vollen Titel aufgeführt, also etwa: Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 1152, 80/1, 2.12.1947, on H . R. 4604, Emergency Foreign Aid. Taucht der gleiche Bericht in kurzen Abständen mehrmals auf, wurde auf die Angabe des Titels und der Nummer des Gesetzes verzichtet, in diesem Falle also zitiert: Committee on Foreign Affairs, H . R p . 1152, 80/1. H a t ein Entwurf Gesetzeskraft erlangt, so wird er als Public Law unter einer neuen laufenden Nummer geführt, also etwa als P. L. 389, 80/1. Sein Platz in der Gesetzessammlung der Vereinigten Staaten, den United States Statutes at Large, wird mit der Nummer des Bandes und der des Kapitels, das das Gesetz einnimmt, bezeichnet, also als 61 Stat. 520. Stellungnahmen von Abgeordneten werden nach dem offiziellen Sitzungsprotokoll, dem Congressional Record zitiert, und zwar nach der gebundenen Ausgabe. Jedes Jahr ist in einem Volume mit mehreren Teilen zusammengefaßt. In dem hier behandelten Zeitraum enthält das Volume Volume Volume Volume Volume
91 92 93 94 95
das das das das das
Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr
1945 1946 1947 1948 1949
und und und und und
die die die die die
1. Session 2. Session 1. Session 2. Session 1. Session
des des des des des
79. 79. 80. 80. 81.
Congress, Congress, Congress, Congress, Congress.
Angaben aus dem Congressional Record werden mit Datum, Band, Teil und Seitenzahl zitiert, also etwa 27.2.1948, CR 94,2, 2345. Beziehen sich mehrere aufeinanderfolgende Zitate auf eine Debatte, so werden die Daten dieser Debatte einmal vollständig angegeben, dann aber bei den Zitaten nicht mehr wiederholt. Ein Nachweis aus dem C R ohne Angabe des Datums ist also jeweils der zuvor genannten Debatte entnommen. Der einzelne Abgeordnete wird alsRepresentative(Rep.) oder als Senator (Sen.) gekennzeichnet, ferner als R(epublican) oder D(emocrat), mit
Bemerkung zu den Quellen und zur
Zitierweise
23
dem Staat, aus dem er kommt (zur regionalen Einteilung der USA vgl. Einleitung Seite 17 f. und Abbildung) sowie schließlich mit dem jeweils für die Außenpolitik wichtigsten Ausschuß, dem er angehört. Ist jemand Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und gleichzeitig noch Vorsitzender eines anderen Komitees, so ist auch dies angegeben. Wird ein Abgeordneter mehrmals kurz hintereinander erwähnt, so wurde auf die Wiederholung der Angaben verzichtet. Wenn Abstimmungen im Congress nicht durch Zuruf (voice vote), sondern durch Auszählung (division) oder durch namentliche Voten vorgenommen werden, so ist ihr Ergebnis hier als Verhältnis wiedergegeben. Die ersten beiden Angaben betreffen stets die Ja- und Nein-Stimmen, etwa 66 :44; werden drei Zahlen genannt (66 :45 :34), so gibt die dritte die Abwesenden wieder. Bei vier Angaben (26 : 34 : 1 : 25) enthält die dritte die Stimmenthaltungen und die letzte wieder die Abwesenden. Angaben und Aufsätze aus dem Department of State Bulletin werden ebenfalls nur in den Nachweisen selbst zitiert, und zwar mit Angabe des Volume, der Nummer und des Erscheinungsdatums des einzelnen Bulletins, also etwa: DoSB, XV, 346, 30.4.1947, S. 12. Benutzte Literatur wird in der Regel mit dem Verfassernamen, einem Kurztitel und der Seitenzahl angegeben. Der vollständige Titel erscheint nur im Literaturverzeichnis.
Erster Abschnitt Das Modell der Kollektiven Sicherheit
I. Kapitel Der Aufbau der internationalen Organisation 1. D I E
ENTSCHEIDUNG
FÜR
DIE
KOOPERATION
Kaum hatte der deutsche Polenfeldzug den Zweiten Weltkrieg eröffnet, da begann man in Washington bereits, an den zukünftigen Frieden zu denken. Außenminister Hull bestellte sich in Leo Pasvolsky einen eigenen Sachbearbeiter für die Probleme des Friedens 1 und begründete noch im Dezember 1939 einen Ausschuß2 dafür, den ersten einer ganzen Serie. Der Council on Foreign Relations wurde beauftragt, die amerikanischen Interessen in Krieg und Frieden zu untersuchen. Nichts kennzeichnet besser als diese rasche Reaktion, wie sehr die Lage der USA durch die geschichtliche Entwicklung verändert worden war. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte Amerika sich frei gefühlt, von den Schlachtfeldern und aus den politischen Bindungen, die Präsident Wilson selbst maßgeblich entworfen hatte, heimzukehren in eine Stellung, von der aus man kooperieren konnte, aber nicht zu partizipieren brauchte 3 . Hoover stellte 1932 fest, daß die USA dem Vertrag von Versailles nicht beigetreten seien, also mit rein europäischen Fragen nichts zu tun hätten 4 . Sicher war dies extrem formuliert, praktisch kümmerten sich die USA sehr wohl um den alten Kontinent. Aber als die Lage in Europa sich zuspitzte, als sich neue Sturmwolken auftürmten, zogen die USA sich doch mehr und mehr zurück. Die Neutralitätsgesetzgebung seit 1935 suchte das Heil Amerikas darin, alle Verbindungen mit dem Unruheherd abzubrechen. Sie wandte dabei die Lehren an, die die inneramerikanische Dis1
Department of State, Postwar Foreign Policy Preparation PFPP), S. 19.
(im folgenden zitiert:
2
Bezeichnung: Advisory Committee on Problems of Foreign Relations. Ibidem S. 20. 3 Vgl. die Direktive an den amerikanischen Vertreter in der Shanghai-Kommission, zitiert bei Berdahl, Postwar Leadership, S. 242. 4
Statement vom 30. September 1932, zitiert ibidem, S. 241.
1. Die Entscheidung
28
für die
Kooperation
kussion aus dem Kriegseintritt von 1917 gezogen hatte: Kein Amerikaner durfte auf Schiffen kriegführender Mächte reisen; Waffenlieferungen und Anleihen an solche Staaten wurden untersagt, amerikanische Handelsschiffe durften nicht in gefährdeten Zonen verkehren, alle Propagandisten mußten sich registrieren lassen.
Ende des Isolationismus Aber der Versuch erwies sich als Illusion 5 . E r war nicht erst an jenem 7. Dezember 1941 gescheitert, den der führende Republikaner Vandenberg als den Stichtag zählt 6 , sondern in dem Moment, als Hitler zeigte, daß er sich durch niemand v o m Kriege abhalten ließ. J e t z t mußten sich die U S A für E u r o p a interessieren, wenn sie nicht zulassen wollten, daß dort das bisherige Gleichgewicht zugunsten einer Macht, die dann auch den amerikanischen Kontinent bedrohen konnte, verschoben werden würde. In der Neutralitätsgesetzgebung von 1939 wie auf der K o n f e r e n z von H a v a n n a wurde das Steuer langsam umgelegt. Bevor die J a p a n e r Pearl H a r b o r überfielen, waren die U S A praktisch schon in den K r i e g mit den Achsenmächten 7 eingetreten. D a m i t hatten diejenigen recht behalten, die, wie H u l l und Roosevelt, immer behauptet hatten, jeder größere Konflikt irgendwo auf der Welt werde an die U f e r des amerikanischen Kontinents branden 8 . Dies gilt, wie immer man sich zur Diskussion um den japanischen U b e r f a l l auf Pearl H a r b o r und zur Politik Roosevelts stellen möge 9 . D i e isolationistische Lösung erwies sich schon 1939 als undurchführbar, weil sie die amerikanische Wirtschaft schwer geschädigt hätte 1 0 . Die Amerikaner waren auf die Welt angewiesen und mußten sich daher um die Welt kümmern. Sie konnten möglicherweise noch versuchen, aus dem Krieg herauszubleiben, aber 5
D a z u jetzt Divine, Illusion of Neutrality.
Noch immer wichtig und grundlegend
die beiden B ä n d e von L a n g e r und Gleason, The Challenge clared War. Vgl. ferner D o n o v a n , Congressional 6
to Isolation,
und The
Unde-
Isolationists.
V a n d e n b e r g , Papers, S. 1.
7
D a z u , mehr von der völkerrechtlichen Seite, Gruchmann, Völkerrecht
8
H u l l , Memoirs,
9
Z u r Auseinandersetzung zwischen Kritikern und Verteidigern Roosevelts vgl. M u r -
dock, Z » m Eintritt der Vereinigten 10
und
Staaten in den Zweiten
Weltkrieg.
Vgl. die Stellung der amerikanischen Wirtschaft zu den
Cash-and-Carry-Vor-
schriften des P i t t m a n - E n t w u r f s des Neutralitätsgesetzes v o n 1939 bei Divine, S. 319 ff.
Moral.
I, S . 666.
Illusion,
Ende des
Isolationismus
29
sie mußten in jedem Fall am kommenden Frieden aktiv teilnehmen 11 . Einem nächsten Krieg würden sie in keinem Fall mehr ausweichen können; also blieb nur übrig, ihn verhindern zu helfen. Die führende Stellung, die Roosevelt schon in seiner Jahresbotschaft vom 3. Januar 1940 für die USA im künftigen Frieden anmeldete 12 , bezeichnet genau das Gegenteil der Methode, die der Isolationismus vorgeschlagen hatte. Die Ziele indessen waren genau die gleichen: den Frieden zu sichern und die Wirtschaft zu fördern 13 . Nachdem die USA Kriegsteilnehmer geworden waren, kam nur noch der Sieg dazu. „Beyond final victory, our fundamental national interests are the assuring of our national security and the fostering of the economic and social well-being of our people" 14 . Diese ganz allgemeinen Auskünfte lassen natürlich noch nicht erkennen, ob diese Ziele kooperativ oder durch Domination angestrebt werden sollten. Darauf kam es aber entscheidend an, wenn andere Methoden verwendet werden sollten, als sie der Isolationismus vorgeschlagen hatte. Sicherheit konnte bedeuten, die Welt zu entwaffnen; wirtschaftliche Wohlfahrt, die Welt zu beerben. Man muß sich also nach genaueren Formulierungen umsehen. Die Außenpolitik Hulls und Roosevelts in den dreißiger Jahren bietet keinen Anhalt dafür, daß beide für das Kriegsende eine amerikanische Weltherrschaft projektiert haben könnten. Andererseits war Roosevelt nicht von vornherein bereit, einem neuen Völkerbund zuzustimmen, dachte vielmehr, wenigstens für eine Übergangszeit, an eine britisch-amerikanische — später an eine britisch-amerikanisch-russisch-chinesische — Polizeiherrschaft 15 . Hull stand dem Gedanken zwischenstaatlicher Kooperation entschieden näher. Er hatte ihn in seinem Lieblingsprojekt, den Reciprocal Trade Agreements, niedergelegt und gab ihm in einer Grundsatzerklärung kurz vor der Konferenz von München noch einmal deutlich Ausdruck 16 . 11
Hull, Memoirs, I, S. 731.
12
Rosenmann, Public Papers, 1940, S. 6. Zuvor hatte er die USA als „a potent and active factor in seeking the reestablishment of world peace" bezeichnet, ibidem, S. 3. 13
Pasvolsky an Welles, 11. April 1941, PFPP, S. 462.
14
Presse-Erklärung Hulls vom 21. März 1944, abgedruckt in Documents Foreign Relations (im folgenden zitiert: DAFR), VI, S. 22. 15
on American
Aufzeichnung Welles* von der Atlantik-Konferenz, 11. August 1941, Foreign Relations of the United States (im folgenden zitiert: FRUS), Vol. 1941, 1, S. 363. Zu den anfänglichen Vorstellungen Präsident Roosevelts vgl. Stromberg, Collective Security, S. 157 f. 16
Reitzel, Foreign Policy, S. 22.
30
1. Die Entscheidung für die
Kooperation
Der Gedanke verfügte in den USA zudem über eine lange Tradition; sie reichte bis 1832 zurück 17 und war auch in die panamerikanische Entwicklung, jedenfalls tendenziell, eingegangen. Die Entscheidung, die die USA schließlich fällten, enthielt beides: im Außenministerrat die von Roosevelt gewünschte Möglichkeit, die Nachkriegsverhältnisse direkt zu ordnen; und in der von Hull propagierten, von Roosevelt schließlich akzeptierten Internationalen Organisation das Mittel, die künftigen zwischenstaatlichen Beziehungen in die Bahnen gewaltlosen Interessenausgleichs zu lenken. Die amerikanische Nachkriegspolitik wurde damit auf zwei Strecken geplant und ausgeführt: auf den als Hauptgleise gedachten U N und auf dem Nebengleis der Außenminister. Beide waren säuberlich voneinander getrennt. Man wollte damit vermeiden, daß der Friede, wie in Versailles, mit dem Kriegsende belastet würde; gleichzeitig aber ermöglichte dieses Verfahren, die beginnenden und sich verschärf enden Differenzen zwischen West und Ost auszuhalten, ohne die Vereinten Nationen Schaden leiden zu lassen. An den sowjet-amerikanischen Beziehungen während des Zweiten Weltkrieges ließe sich vorzüglich untersuchen, wie Außenpolitik und Ideologie zueinander stehen. Seit der russischen Revolution von 1917 wußten die Amerikaner, daß ihnen der gesellschaftliche Antipode entstanden war 18 . Die alliierte Koalition von 1941 löste das bestimmte Gefühl in Amerika aus, „that now we are Walking with the Devil himself" 19 . Die Waffengemeinschaft verdrängte allerdings solche Eindrücke. Während der Wahlkampagne von 1944 spielte der Kommunismus kaum eine Rolle; Roosevelt schwieg völlig, und der republikanische Kandidat Dewey bestritt, daß inneramerikanischer Kommunismus und die Allianz zwischen USA und UdSSR irgendetwas miteinander zu tun hätten 20 . Das war zu diesem Zeitpunkt eine durch den Wahlkampf zu erklärende Vogel-StraußHaltung. Aber auch innerhalb der politisch-militärischen Leitung, wo man natürlich die Kluft zwischen den Alliierten kannte, wurde sie vergleichsweise ruhig analysiert; Admiral Leahy prophezeite höchstens einen künftigen Konflikt zwischen Großbritannien und Rußland 21 , und die allge17
Berdahl, Postwar Leadership, S. 235, Anm. 1. Vgl. für die Anfänge das detailreiche plastische Werk von Kennan, Soviet-American Relations. Für die spätere Zeit, aus einer zahlreichen Literatur etwa Bailey, America Faces Russia. 19 Young, Congressional Politics, S. 163. 20 Rede vom 1. November 1944, abgedruckt bei Westerfeld, Foreign Policy, S. 189. 21 Leahy an Hull, 16. Mai 1944, Department of State, Malta Jalta Conferences, S. 107—108. 18
Ende des
Isolationismus
31
meine Tendenz scheint gewesen zu sein, die Quelle der Mißhelligkeiten vor allem darin zu sehen, daß sich die beiden Länder grundsätzlich voneinander unterschieden 22 . So eingeschätzt, konnte die Sowjetunion in der T a t auch für die Nachkriegszeit als kooperierender Partner erscheinen 23 . Die Historiker müssen entscheiden, ob diese Analyse damals zutreffend war. Sie änderte sich jedenfalls, als die Sowjetunion in ihrer osteuropäischen Politik und vor allem auf der Konferenz von J a l t a Absichten erkennen ließ, die den amerikanischen diametral entgegengesetzt waren. I m Congress unterzogen Vertreter isolationistischer Denkrichtungen und aus Polen stammender Volksteile die Außenpolitik der U d S S R einer beißenden Kritik 2 4 . Senator Wherry, stellvertretender Fraktionsführer der Republikaner, interpellierte Außenminister Stettinius schriftlich, ob die Sowjetunion wirklich friedliche und kooperative Absichten verfolgen werde 25 . Solchen Angriffen wie ihren eigenen Zweifeln stellte die Regierung einen pragmatischen Optimismus gegenüber. Der Präsident betonte, daß man sich in J a l t a weitgehend einig gewesen sei und daß Meinungsverschiedenheiten, die es überall gebe, nicht dazu führen dürften, daß man alle gemeinsamen Pläne aufgebe und zur internationalen Anarchie zurückkehre 26 . Gleichzeitig wandte Roosevelt beträchtlichen Einfluß auf, um eine größere außenpolitische Debatte im Senat zu verhindern, die die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion noch schwieriger gemacht hätte 2 7 . In der T a t gelang es ihm, und nach ihm Truman, den Zug der amerikanischen Nachkriegspolitik auf das Hauptgleis der Vereinten Nationen zu stellen. Dem Nebengleis der Außenminister, auf dem die U S A direkt mit der Sowjetunion verkehrten, wurde dadurch die Aufmerksamkeit etwas entzogen. Man sah die Hemmnisse, die hier lagen, und bemühte sich desto mehr, die große Strecke in Gang zu bringen. D a ß beide Gleise von Anfang an getrennt verlegt worden waren, kam dieser Methode außerordentlich zustatten. Sie wurde erst beiseitegelegt, als sich zeigte, daß die Kollision auf der Nebenstrecke eine Weichenstellung auf dem Hauptgleise unumgänglich gemacht hatte. 22
Hull, Memoirs,
23
Ibidem, S. 1639.
II, S. 1665.
24
Vgl. etwa Sen. Wheeler, 15. Januar 1945, Congressional Record (im folgenden
zitiert: C R ) 91, 1, 236 ff. Rep. O'Konski, 13. Februar, 21. Februar, 27. Februar 1945, C R 91, 1, 1070 ff., 1323 ff., 1538 ff. 25
Wherry an Stettinius, 31. März 1945, abgedruckt C R 91, 3, 3 6 1 4 - 3 6 1 5 .
26
Vgl. seine Jahresbotschaft vom 5. Januar 1945, C R 91, 1, 65 ff., und seine Con-
gress-Botsdiafl über die Konferenz von Jalta, 1. März 1945, C R 91, 2, 1 6 1 8 - 1 6 2 2 . 27
Connally, My Name, S. 272.
32
1. Die Entscheidung
für die
Kooperation
Schlüssel zum Engagement Das Zwiedenken, dem die U S A aus sachlichen und opportunistischen Gründen huldigten, ermöglichte es ihnen, die amerikanische Nachkriegspolitik wie ein Modell zu entwerfen. Es galt ja, den Isolationismus, der sich als nicht mehr tauglich erwiesen hatte, durch eine neue Methode zu ersetzen. Sie mußte den traditionellen Grundanschauungen entsprechen und die materiellen Interessen gewährleisten, mußte verhüten, daß die U S A in europäische Angelegenheiten verwickelt oder zur Politik des Gleichgewichts, der Allianzen und der Einflußsphären verführt würden. Dabei durften die U S A aber auch nicht zum imperialistischen Einzelgänger gemacht werden. Bei all dem war gleichzeitig darauf zu achten, daß die Vorteile, die geographische Lage und wirtschaftliche Kapazität boten, erhalten blieben. Wenn man das in einem abgewandelten Bild ausdrücken darf: der alte Pelz mußte gewaschen werden; er durfte auch naß werden, aber er sollte nicht zu viele Haare dabei verlieren. Man konnte es auch die Quadratur des Zirkels nennen. Die politische Leitung der USA hat diese Aufgabe indessen in einem meisterhaften Entwurf gelöst; er berücksichtigte alle Punkte und stellte zugleich der W e l t ein Instrument zur Verfügung, das funktionieren mußte, — wenn es funktionieren konnte. Dieses Instrument war die Internationale Organisation. D e r Gedanke, Gegensätze nicht auszufechten, sondern auszugleichen, ist alt 2 8 . Er ist besonders vom naturrechtlich orientierten Rationalismus gefördert worden; er bildete die Grundlage, auf der die amerikanische Union erbaut worden war. Es lag also für die Amerikaner nahe, was einmal erfolgreich praktiziert worden war, erneut zu verwenden. Wilson hatte aus dieser Wurzel den Völkerbund entwickelt; das Experiment war zwar weitgehend mißglückt, seine Methode aber deswegen keineswegs für alle Zeiten entwertet. Das Unglück ließ sich sogar darauf zurückführen, daß gerade die U S A sich absentiert hatten. Diese These konnte nicht bewiesen, sie konnte aber vor allem nicht widerlegt werden. Alte Traditionen wie neue Erfahrungen wiesen daher von Anfang an darauf hin, eine solche Lösung noch einmal, besser, zu versuchen. Alsbald trat zutage, daß der ideale Ansatz reale Vorteile enthielt. E r ermöglichte es den U S A , an der Weltpolitik teilzunehmen, ohne akzeptieren zu müssen, was sie nach wie vor ablehnen wollten: die verfemte poli28
Unentbehrlich dazu noch immer Ter Meulen, Gedanke
nisation
der Internationalen
Orga-
Schlüssel zum Engagement
33
tische Ziel-Mittel-Kombination, die sie als ,Power Polities' bezeichnen. D e r Begriff ist tautologisch, weil Politik das Mittel der Macht schon ausdrückt; er ist v o r allem unpräzis, weil er ein Mittel angibt und es doch nur in Relation zu einem ganz bestimmten Ziel versteht: nämlich egoistisch und gewaltsam Expansion zu erstreben. Abgelehnt wurde ein solches Ziel — das schon die Founding Fathers kritisiert hatten —, nicht etwa Macht als solche.
Macht sollte der zu gründenden Internationalen
Organisation
geradezu inhärent sein und allen Mitgliedern, vorab den Großmächten, zur Verfügung stehen 2 9 ; aber sie sollte, anders als bisher, dazu verwendet werden, den Frieden zu erhalten. D i e realistische Schule wertet ein solches K o n z e p t lediglich als „verschleierte Machtpolitik" 3 0 oder als die Tendenz der U S A , sich mit der A u r a einer parlamentarischen Mehrheit zu umgeben 3 1 . Eine solche K r i t i k macht es sich zu leicht, weil sie nur — wie der Idealismus auch, wenngleich von der anderen Seite — philosophisch-anthropologische Axiome in die politische R e a l i t ä t projiziert und dann zu ethisch fundierten
Urteilen
schreitet. Selbstverständlich verfolgten die U S A mit der Internationalen Organisation materielle Interessen, aber sie unterschieden sich von den gewohnten .machtpolitischen' dadurch, daß sie sowohl dem Ziel wie dem M i t t e l nach spezifisch gehemmt waren. I n der Internationalen Organisation wurde dieser Unterschied zu den ,entangling alliances', die sie geradezu aufheben sollte 32 , deutlich ausgeprägt; insofern bildete sie die Brücke, mit deren H i l f e die U S A ihren Grundanschauungen treu bleiben und doch, wie erforderlich, die Diastase überwinden konnten. D i e U S A beabsichtigten nicht, sich territorial zu vergrößern, — den japanischen Inselbesitz im Pazifik ausgenommen, wovon noch zu sprechen sein wird. Sie besaßen keine Irredenta, die heimgeholt, kein Nachbarland, das .angeschlossen' werden wollte. Sie zielten nicht a u f K o l o n i e n ab, hatten keine Gegner, mit denen zu kooperieren gefährlich erscheinen konnte. Legte man die in Europa üblichen Maßstäbe an, so konnte es scheinen, als hätten die U S A keine definierte Außenpolitik; und im Congress wie in der » Vgl. die Rundfunkansprache Hulls vom 9. April 1944, abgedruckt DAFR
VI,
S. 2 5 - 2 6 . 30
Schwarzenberger, Machtpolitik,
31
S. 167 ff.
Dies die Kritik von Kennan, Realities,
82
„ . . . there will no longer be need for spheres of influence, for alliances, for balance
S. 41.
of power, or any other of the special arrangements through which, in the unhappy past, the nations strove to safeguard their security or to promote their interests". Statement Hulls, 18. November 1943, abgedruckt DAFR 3
Czempiel
VI, S. 14.
1. Die Entscheidung für die
34
Kooperation
Öffentlichkeit galt die Standardkritik, die U S A wüßten nicht, was sie wollten. Eine richtige Erkenntnis führte hier zu einem falschen Schluß. Die sachlichen Interessen der U S A hatten sich seit den zwanziger J a h r e n mit der Isolation, also mit reiner Enthaltung, weitgehend vertragen; wie konnte man erwarten, daß diese Interessen, die sich doch gleichgeblieben waren und sich gleichbleiben sollten, plötzlich M a ß n a h m e n erforderten, die sich nicht nur im Aspekt — das w a r unbestritten —, sondern in der Qualität von denen unterschieden, die in der Isolation verwendet wurden? W a s die Abstention in den dreißiger J a h r e n hatte erbringen sollen, l ä ß t sich grob als Friede, Ruhe, Sicherheit zusammenfassen, als Ziele also, die, auch wenn man sich für sie jetzt engagieren wollte, mehr darauf gerichtet waren, zu verhindern als zu erzeugen. Sie bildeten nichtsdestoweniger positiv angebbare O b j e k t e ; es fiel nur schwer, sie zu jeder Zeit im einzelnen so konkret-zündend zu bezeichnen, wie es sich bei expansionistischen Zielen ohne weiteres veranstalten läßt. Lassen sich die politischen Interessen der U S A schneller negativ als positiv ausdrücken, so heißt dies nicht, daß sie keine sachlichen Interessen besaßen. Sie lagen nur unterhalb von Ruhe, Friede, Sicherheit, die, so gesehen, nichts weiter als die politischen Voraussetzungen darstellten, unter denen die positiven wirtschaftlichen Interessen wahrgenommen werden konnten. D i e U S A „sought little from the outside world, save that it be peaceful and p a y its debts" 3 3 . D a s w a r mehr prinzipiell als faktisch gesprochen, drückte aber genau aus, wie sich politische und ökonomische Interessen zueinander verhielten. Die Wirtschaft stellte das Vehikel, auf dem die U S A das Ziel des Wohlstands zu erreichen suchten, der Friede die Fahrbahn. Allerdings hatte das G e f ä h r t schon in den dreißiger J a h r e n anders gepflegt werden müssen, als es der lapidare Satz ausdrückt; die R e c i p r o c a l T r a d e Agreements kennzeichneten die Spur, die energisch angenommen wurde, als der Zweite Weltkrieg ausbrach. D i e Ziele wurden dabei nicht verändert. W a s Roosevelt 1933 am V o r abend der Londoner Weltwirtschaftskonferenz gefordert hatte: die Rüstungen zu mindern, die Handelsbarrieren abzubauen und die Währungen zu stabilisieren 34 , bildete auch das Programm der Nachkriegszeit. Es sollte den amerikanischen Wohlstand, aber auch den Wohlstand anderer V ö l k e r fördern und damit gleichzeitig zum Frieden beitragen. Das w a r also ein bekanntes, in seinen politischen Perspektiven in die Freihandels-Traditionen zurückreichendes Programm. ss
Feis, Diplomacy
34
Hull, Memoirs, I, S. 246.
of the Dollar, S. 10.
Schlüssel zum
Engagement
35
Aber die veränderte Weltsituation forderte neue Mittel. Damit der internationale Handel wieder belebt werden konnte, mußten Zollbarrieren abgebaut, nicht-diskriminatorische Handelspraktiken eingeführt, freie und stabile Wechselkurse sowie gesunde Kredit- und Investitionsbedingungen hergestellt und schließlich der Rohstoffmarkt belebt werden. D a f ü r war Zusammenarbeit erforderlich. Sie nahm in den amerikanischen Plänen von Anfang an die Form internationaler Handels- und Finanzorganisationen an 35 . Welches andere Mittel hätte auch den gewünschten weltweiten Effekt erzielen können? Die wirtschaftlichen Interessen wiesen die USA also ebenfalls in die Richtung zwischenstaatlicher Institutionen, und es ist interessant, daß sich kaum eine amerikanische Auskunft zur geplanten Nachkriegsorganisation und zur Führungsrolle der USA darin findet, die nicht die wirtschaftlichen Aspekte besonders hervorarbeitet. Der Gedanke an die Vorteile wirtschaftlicher Organisationen war den Amerikanern zwar ebenfalls nicht neu; Hull hatte ihn schon 1933 auf der panamerikanischen Konferenz von Montevideo propagiert 36 , vermochte ihn aber damals gegen den Widerstand der Isolationisten nicht durchzusetzen. Jetzt, nachdem diese Position erschüttert worden war, konnte dieser Gedanke greifbare Gestalt annehmen. Er stand sogar im Vordergrund. Der Wirtschaftssektor barg die eigentlichen amerikanischen Interessen, mußte demzufolge die erste Rolle bei den Nachkriegsplanungen spielen. Die wirtschaftlichen Probleme faßten sich zudem leiditer an; sie waren lange nicht so brisant wie die politischen und ließen sich, weil man über lange Erfahrungen verfügte, auch in Umfang und Inhalt sehr viel besser übersehen. Von den 26 größeren internationalen Konferenzen, die von Juli 1940 bis April 1945 auf der Seite der Achsen-Gegner gehalten wurden, war genau die Hälfte ausschließlich wirtschaftlich orientiert 37 . Dieses Verhältnis ist besonders signifikant, wenn man bedenkt, daß auf den 13 politischen Veranstaltungen die wirtschaftlichen Probleme natürlich stets mitbehandelt wurden. Günstige wirtschaftliche Bedingungen vorzubereiten, war eben das Hauptinteresse der USA. Schon auf der Atlantik-Konferenz hatten die Amerikaner versucht, Großbritannien auf eine nicht-diskriminierende Politik festzulegen 38 . 35 Vgl. das Memorandum des Advisory Committee on Problems of Foreign Relations vom Frühjahr 1940, das Rüssel, History of United Nations Charter, S. 20, wiedergibt. 38 Reitzel, Foreign Policy, S. 22, Anm. 5. 37 Zusammenstellung der Library of Congress, abgedruckt CR 91, 3, 4076—4079. 38 Vgl. etwa das Memorandum Welles' vom 9. August 1940, FRUS 1940, 1, S. 353.
3*
1. Die Entscheidung für die
36
Kooperation
Churchill verstand es, diesen Frontalangriff geschickt abzuwehren 3 9 ; die eigentliche Offensive begann dann an anderer Stelle. A u f der Suche nach einer Möglichkeit, Großbritannien gegen den Angriff Deutschlands zu stärken, hatte Roosevelt die Idee des lend-lease entwickelt 4 0 , die die Basis aller Hilfsmaßnahmen der U S A wurde. Angesichts des Schuldenproblems nach dem Ersten W e l t k r i e g bezeichnete das Gesetz als Rückzahlung unter anderem auch „irgend einen direkten oder indirekten Nutzen (benefit), der
dem
Präsidenten
als
zufriedenstellend
(satisfactory)
erscheinen
würde" 4 1 . Darunter verstand man, daß sich die E m p f ä n g e r in der N a c h kriegszeit zu einer „konstruktiven" Wirtschaftspolitik verpflichten würden. D e n Verträgen mit den lateinamerikanischen Staaten wurde die Resolution X X V
der Konferenz von H a v a n n a 4 2 eingefügt, in der die
Außenminister der amerikanischen Republiken liberale und den U S A genehme Grundsätze des Außenhandels niedergelegt hatten. Ähnlich sollten sich die Achsen-Gegner engagieren, zunächst Großbritannien, dem die L e i h - P a c h t - H i l f e in erster Linie zugedacht war. Ü b e r das Musterabkommen mit England wurde sehr lange verhandelt, zumal die U S A inzwischen in den K r i e g eingetreten waren und die Schlacht um England andere Sorgen nach vorn rückte. Inhaltlich ging es vor allem um den berühmt gewordenen Artikel V I I , der die „benefits", zu denen sich England verstehen sollte 43 , näher definierte. Die U S A bezogen in die Ziele des Abkommens nicht nur Handelsdiskriminierungen und Zollsenkungen, sondern alle Elemente einer expandierenden Wirtschaft wie P r o duktion, Beschäftigung, Güteraustausch und Verbrauch mit ein. M i t dieser Erweiterung (unter anderen) sollte das Abkommen zwar gemildert, aber keineswegs eingeschränkt werden. Acheson versicherte am 2. Dezember 1941 dem britischen Botschafter Lord H a l i f a x pointiert, daß die britischen Empire-Präferenzen in dem T e x t zwar nicht genannt, in dessen allgemeinen Wendungen aber selbstverständlich miteinbegriffen seien 44 . D e r Versuch, über die lend-lease-Abkommen günstige Handels- und Zollpraktiken in der Nachkriegszeit vorzubereiten, braucht im M o m e n t 39
Churchill, Memoiren,
40
Langer-Gleason, Undeclared
III, 2, S. 74.
41
Public Law (im folgenden zitiert: P . L.) 11, 77th Congress, Ist Session (im fol-
War, S. 213 ff.
genden zitiert: 7 7 / 1 ) , 55 Stat. 31, See. 3 b. Das Gesetz ist auch abgedruckt DAFR S. 7 1 2 - 7 1 5 . 42
Text in DAFR
43
Siehe die Einzelheiten in FRUS
III, S. 8 2 - 8 5 .
44
Memorandum Adiesons, 2. Dezember 1941, ibidem, S. 44.
1941, 3, S. 1 - 5 3 .
III,
Schlüssel zum Engagement
37
nicht weiter verfolgt zu werden; hier w a r nur zu zeigen, daß die wirtschaftlichen Interessen, die von A n f a n g an in den Planungen der U S A vorherrschten, in die gleiche Richtung wie ihre Grundanschauungen wiesen, in die Richtung der Zusammenarbeit, nicht der Herrschaft. W o z u sollten sich die U S A etwa mit britischem Kolonialbesitz beschweren, der ihnen als Gegenwert für ihre "Wirtschaftshilfe angeboten werden könnte? Wenn sie, was sie interessierte, Militärbasen auf britischem Boden errichten konnten, — warum sollten sie dann zwei Millionen Einwohner dazuerwerben, die sie nur belasten würden 4 5 ? F ü r die Vorteile, die die U S A erstrebten, konnte Domination gelegentlich unumgänglich sein — wie im F a l l der pazifischen Inseln —, in der Regel w a r sie inadaequat. Nachdem sich die Isolation als überholt erwiesen hatte, konnte nur Kooperation die gewünschten Resultate erbringen. D i e neue K o n k o r d a n z von Grundansdiauungen und Interessen, die der 7. Dezember 1 9 4 1 erforderlich gemacht hatte, wies die internationale Zusammenarbeit als das geeignete Mittel der amerikanischen Nachkriegspolitik aus. O b als Methode eine Internationale Organisation, multilaterale oder nur bilaterale Abkommen in Frage kämen und auf welchen Gebieten, w a r damit noch nicht entschieden. Die Nachkriegsorganisation der U N w a r erst noch ein P r o j e k t , der Tenor der Kooperation mußte erst noch gefunden werden. E r sollte den Interessen der U S A dienen, wobei klar war, daß die Interessen der Partner aus grundsätzlichen wie aus sachlichen Gründen mit berücksichtigt wurden. E r mußte zwangsläufig das Ü b e r gewicht der nordamerikanischen Großmacht ausdrücken, sollte jedoch die Souveränität der anderen S t a a t e n keinesfalls beeinträchtigen. Diese Zusammenarbeit mußte den Frieden sichern und eine Technik bieten, die E n t wicklung ermöglichte, ohne daß G e w a l t angewendet zu werden brauchte. Sie sollte schließlich den Wohlstand der Welt und darin besonders den der U S A fördern. V o m Standpunkt der U S A konnte dieser C h a r a k t e r der Zusammenarbeit nicht nur legitim reklamiert, sondern auch sachlich gerechtfertigt werden. W a r es verhältnismäßig leicht gewesen, Kooperation als das Prinzip der amerikanischen Nachkriegspolitik zu entwickeln, so stellte sich die A u f gabe, dieses Prinzip zu verwirklichen, natürlich um so schwieriger dar. Sie ließ sich kaum für alle Zeiten lösen; v o r allem mußte sie angegangen werden, bevor noch abgesehen werden konnte, welche Bedingungen nach Kriegsende herrschen würden. In dieser Lage ließ sich nur hoffen, d a ß es gelingen werde, das Militärbündnis in eine Friedensorganisation überzu45
Roosevelt an Hull, 11. Januar 1941, ibidem, S. 3.
38
2. ökonomische
Interessen
führen. Im Zeichen solch pragmatischen Optimismus wurde das Modell entworfen, das die Sicherheit gewährleisten und die Wohlfahrt fördern sollte. Beide Ziele hingen eng miteinander zusammen. Es gehört zu den Axiomen angelsächsischer Außenpolitik, daß wirtschaftliche N o t aggressiv macht, was partiell nicht unrichtig ist, sich indessen nicht umkehren läßt. So eng hingegen der Zusammenhang beider Ziele, so verschieden waren die Wege, die beschritten, und die Probleme, die gelöst werden mußten. Die wirtschaftlichen Ziele konnten während des Krieges angegangen, die politischen bestenfalls vorbereitet werden. Diese waren lediglich zu projektieren, jene waren hingegen schon weitgehend fixiert. Die wirtschaftlichen Interessen mußten in bestimmter Weise berücksichtigt werden und duldeten kaum Abstriche, während sich die politischen verschieden und notfalls sogar nur in Annäherung verwirklichen ließen. Dies alles führte dazu, daß die beiden Streben des Modells, die wirtschaftliche und die politische, zwar gemeinsam geplant, aber dann getrennt ausgeführt und erst zum Schluß zusammengefügt wurden.
2. Ö K O N O M I S C H E
INTERESSEN
Die wirtschaftlichen Pläne für die Nachkriegszeit profitierten von A n fang an davon, daß sie frühere Erfahrungen verwerten konnten und daher vergleichsweise weit vorangetrieben worden waren. Als der mühsam wiederbelebte Goldstandard der zwanziger Jahre in der Weltwirtschaftskrise zusammengebrochen war, sank der amerikanische Außenhandel infolge der diskriminatorischen Praktiken der anderen Länder fast um 75 %>. 1929 hatten die U S A für mehr als 5 Milliarden D o l l a r exportiert. 1 9 3 2 waren es nur etwas mehr als 1,5 Milliarden. Solche Rückschläge sollten nun vermieden werden. Wenn auch die Exporte nur einen kleinen Prozentsatz des amerikanischen Nationalprodukts ausmachten — er bewegte sich in den dreißiger Jahren um 3,5 "/o1 —, so war er nicht nur für einzelne Wirtschaftszweige entscheidend, betrug 1938 etwa für Baumwolle und Tabak 3 0 % , für Flugzeugteile 2 7 % , sondern konnte für Landwirtschaft wie für Industrie sehr wohl den Unterschied zwischen Prosperität und Depression ausmachen 2 . Schon das Ende 1939 von Außenminister H u l l 1
Bureau of the Census, Historical
2
Committee on Banking and Currency, H . Rp. 629, 79/1, on H. R. 3314, Partici-
Statistics, S. 542.
pation of United States in the International Monetary Fund and the International Bank for Reconstruction and Development. Hier zitiert nach dem Abdruck in C R 91, 4, 5544—5567, S. 5549, dort audi die einzelnen Angaben.
Die Ziele
39
eingerichtete Advisory Committee on Problems of Foreign Relations befaßte sich daher neben Sicherheits- und Abrüstungsproblemen vor allem mit wirtschaftlichen Fragen 3 , die bald mehr und mehr in den Vordergrund traten 4 . Ihren ersten Index fanden die amerikanischen Ziele in dem bereits genannten Artikel V I I des Mutual Aid Agreement mit Großbritannien, das am 23. Februar 1942 in Washington unterschrieben wurde. Die
Ziele
Die allgemeinklingenden, wieder und wieder gefeilten Bestimmungen dieses Abkommens verdecken sehr leicht den Umfang des Programms. Der Nutzen der USA wurde definiert in Begriffen der Expansion von Produktion, Beschäftigung, Handel und Konsum, der Beseitigung von Zollbarrieren und diskriminatorischen Praktiken. Die gesamte internationale, besonders die britische Währungs-, Güter-, Investitions- und Handelspolitik stand damit zur Debatte. Allerdings hatten die USA schon eingesehen, daß dies kein Konzessionsmonolog der anderen Länder, sondern ein Kooperationsgesprädi sein mußte, zu dem auch Amerika sein Teil beizusteuern hatte. Im Artikel VII war darum nicht nur von Diskriminierungen die Rede, was auf England zielte, sondern auch von Zöllen, was vor allem die USA betraf. Darüber hinaus machte gerade der Fall des Vereinigten Königreichs klar, daß es nicht nur um Präferenzen und Zölle ging, daß vielmehr im Zusammenhang zwischen Zahlungsbilanz und Vollbeschäftigung ein Kernproblem lag, das sidi seinerseits untrennbar mit den wirtschaftlichen Lasten verflocht, die der Krieg hinterlassen würde. Die vom Krieg geschädigten, besonders die von Deutschland besetzten Länder brauchten also vor allem erst einmal amerikanische Hilfe, sofort und kurzfristig, bevor man sich darauf beschränken konnte, mittels langfristiger Projekte nur noch stabilisierend und steuernd in eine normale Situation einzugreifen. Zunächst waren also die unmittelbaren spezifischen Nachkriegsschwierigkeiten zu überwinden, ehe die internationalen Wirtschaftsprobleme in einer dem Artikel V I I entsprechenden Weise geregelt werden konnten. Zwei Wege boten sich an. Man konnte beide Probleme gleichzeitig, wenn möglich in einem umfassenden Anlauf angreifen, und es ist interessant, 3 4
PFPP, S. 20—22.
Ober Einzelheiten der organisatorischen und inhaltlichen Entwicklung vgl. das vorzügliche Werk von Russell, History of United Nations Charter, S. 59 ff. Dazu ferner Young, J. P., Developing Plans for an International Monetary Fund and a World Bank, DoSB, 13. November 1950, S. 7 7 8 - 7 9 0 .
40
2. ökonomische
Interessen
daß der amerikanische (White-) und der britische (Keynes-) Plan, beide unabhängig voneinander entwickelt, anfangs eine solche Generallösung vorschlugen5. Sie setzte allerdings voraus, daß man finanziell großzügig vorging. Auf der anderen Seite konnte man kurzfristige und langfristige Maßnahmen, Hilfs- und Wiederaufbauprojekte voneinander trennen, sie nach- und nebeneinander behandeln. Diese Methode bot den Vorzug, differenzierter vorgehen zu können, barg hingegen die Gefahr, sich zu verzetteln. Von weitaus größerem Gewicht war die Frage, ob die USA ihre Ziele wie bisher bilateral oder multilateral verfolgen sollten. Vor dem Kriege hatten sie bilaterale Abschlüsse bevorzugt; die damals entwickelten Instrumente, die Export-Import-Bank und der Exchange Stabilization Fund, standen also zur Verfügung, desgleichen die Reciprocal Trade Agreements. Genügten diese Instrumente aber wirklich für die Nachkriegszeit, in der die USA eine führende Rolle zu spielen haben würden? War es überhaupt noch praktikabel, mit allen United Nations zweiseitige Zollabkommen zu schließen? Ließ sich nicht vielmehr das Kriegsbündnis auch in eine wirtschaftliche Zusammenarbeit verwandeln? Der White-Plan sah aus diesen Gründen von Anfang an den Multilateralismus vor. Erste internationale
Organisation:
FAO
Während die sachlichen Aspekte dieser finanziellen und kommerziellen Probleme im Außen- und Finanzministerium einerseits, zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich andererseits in unzähligen Konferenzen und Memoranden erörtert wurden, überraschte Roosevelt Amerikaner wie Alliierte damit, daß er Ende Februar 1943 plötzlich eine ganz andere Entwicklung einleitete. Er berief, einer Idee des Australiers McDougall folgend6, eine Konferenz der Vereinten Nationen ein, die sich mit — Ernährungsfragen beschäftigen sollte. Das war zweifellos ein Nebenproblem, und die Wirtschaftsexperten in den USA wie in Großbritannien meinten zunächst, sie hätten anderthalb Jahre umsonst gearbeitet7. Aber Roosevelt entschied mit der Einladung nadi Hot Springs zwei der methodischen Probleme, die auch die Wirtschaftsexperten bewegt hatten. Er verwarf eine 5
Vgl. zum Problem und zu den Projekten Penrose, Economic
Planning.
Penrose war
Wirtschaftsberater des amerikanisdien Botschafters in London, Winant. Sein Buch ist daher ein nachträglicher Diskussionsbeitrag, unterrichtet aber eindringlich über Absichten und Entscheidungen. « Hambidge, Story of FAO, 7
S. 49.
Vgl. die Reaktion von Keynes bei Penrose, Economic
Planning,
S. 121.
Erste Organisation:
F AO
41
Gesamtlösung zugunsten einzelner funktionaler Einrichtungen 8 , und legte vor allem die USA endgültig und vor der Welt auf die multilaterale Zusammenarbeit im Rahmen einer internationalen Organisation fest. Die amerikanisdie Entscheidung, zu kooperieren und nicht allein vorzugehen, war an sich schon früher gefallen, im Zusammenhang mit der zu errichtenden Hilfsorganisation 9 . Bei der U N R R A handelte es sich jedoch um ein von vornherein zeitlich begrenztes Unternehmen; es warf zwar Licht auf einige allgemeine Schwierigkeiten internationaler Zusammenarbeit und darin auf einige amerikanische Absichten. Davon wird noch kurz zu reden sein. Aber die Nachkriegsphase wurde mit der Food and Agricultural Organization einleitend vorbereitet, und hier war es entscheidend, daß die USA sich zur internationalen Organisation als dem Instrument der Zusammenarbeit bekannten. Vermutlich hatte gerade dieser Gesichtspunkt Roosevelt bewogen, die Nachkriegspolitik ausgerechnet von den Ernährungsproblemen aus zu starten. Das Thema war unkontrovers, leuchtete der amerikanischen Ö f fentlichkeit sofort ein und bot so von der Sache her keinen Anlaß, die gleichzeitig eingeführte Methode internationaler Zusammenarbeit anzugreifen. Die Schlußakte von H o t Springs 10 enthielt zwar auch eine Empfehlung zur Zusammenarbeit für internationale Sicherheit sowie Hinweise auf die erforderlichen Wirtschaftspraktiken, wie sie dem Artikel V I I des Mutual Aid Agreement zugrunde gelegen hatten 11 ; im wesentlichen beschränkte sich die Konferenz aber auf landwirtschaftliche und ernährungswirtschaftliche Fragen. Sie empfahl, zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu unterrichten, um den Ernährungs- und Lebensstandard der Völker zu heben. Eine Interim Commission wurde beauftragt, einen Verfassungsrahmen f ü r die beschlossene Zusammenarbeit zu entwerfen. Das amerikanisdie Interesse an den Plänen von H o t Springs stand außer Zweifel. Die Beseitigung der größten N o t galt als Voraussetzung des Weltfriedens, wobei dieser Gedanke mehr humanitär oder mehr politisch, einfacher oder differenzierter vorgebracht wurde 12 . Zwischen 8
Hull, Memoirs, II, S. 1643.
' PFPP, S. 55. 10 11 12
Text in DAFR V, S. 302-337. Empfehlungen X X I I I und X X I V der Schlußakte.
Während Acheson vor dem Auswärtigen Ausschuß des Repräsentantenhauses Hunger, Armut und Krankheit als Chancen der Aggressoren bezeichnete, sprach der Ausschußberidit viel vorsichtiger nur von der „bedeutenden Beziehung" der Pläne der FAO zu den Bemühungen um den Frieden, die vom Lebensstandard der Welt „stark beein-
42
2. ökonomische
Interessen
Lebensstandard und Aggressivität besteht offensichtlich eine Beziehung, sie ist indessen sehr kompliziert und trifft nur auf bestimmte politischökonomische Situationen zu. In dieser Form war darum dem Argument keine besondere Lebensdauer beschieden, zumal der Zweite Weltkrieg, der gerade von einem hochindustrialisierten Land ausgelöst worden war, ein anschauliches Gegenbeispiel darbot 13 . Sehr viel greifbarer aber erschien der wirtschaftliche Aspekt der geplanten Kooperation. Zunächst waren die U S A , wollten sie prosperieren, auf eine ökonomisch entwickelte Umwelt angewiesen. Nicht um alte Märkte zu streiten, sondern neue Märkte aufzubauen, war die Devise; würden nicht gerade die jetzt noch hungernden Völker, etwa Afrikas, in wenigen Jahren mit den U S A Handel treiben können 14 ? In China waren Baumwolle und Weizen unbekannt: Information konnte hier Bedarf wecken. Mit dem Lebensstandard mußten auch die Löhne in solchen Ländern steigen, und das Angebot der billigen Arbeit, das der amerikanischen Wirtschaft viele Sorgen bereitete, würde im Laufe der Zeit abnehmen 15 . Und schließlich hätten von gegenseitiger Information nicht nur die anderen Staaten, sondern auch die U S A unmittelbar ihren Vorteil, weil sie auf diese Weise ihre Produktion laufend den Veränderungen anpassen könnten 16 . Die F A O würde ja wie eine Clearing-Stelle wirken, in der die Probleme der amerikanischen Landwirtschaft und des amerikanischen Agrarexports diskutiert werden konnten. Auf diese ökonomischen Gründe dürfte es zurückzuführen sein, daß sich fast alle landwirtschaftlichen Verbände der U S A für den Beitritt der U S A zur F A O aussprachen 17 . Die Opposition im Congress war vorwiegend politischer Provenienz, wurde von denjenigen gebildet, die um keinen Preis flußt" würden. Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 431, 7 9 / 1 , 18. April 1945, on H. J . Res. 145, Membership of United States in Food and Agricultural Organization of United Nations, S. 4. 13 Es wurde vor allem von denjenigen verwendet, die die internationale Verpflichtung der USA ablehnten. Vgl. etwa Rep. Jessie Sumner, R, Iii., 30. April 1945, C R 91, 3, 3976. Die folgenden Stellungnahmen sind bis auf weiteres, wenn nidit anders vermerkt, sämtlich der Debatte um die den Beitritt der USA zur F A O vorsehende H . J . Res. 145 (P. L. 174, 7 9 / 1 ) entnommen. Beratungsdaten im Haus: 30. April 1945, C R 91, 3, 3 9 6 5 - 3 9 9 0 ; im Senat 2 0 . - 2 1 . Juli 1945, C R 91, 6, 7 8 4 7 - 7 8 5 9 , 7 9 0 3 - 7 9 1 1 . 14
Sen. Austin, R, Vt., Foreign Relations, C R 91, 6, 7855; Rep. Flannagan, D, Va.,
Agriculture, Chairman, C R 91, 3, 3971. 15
Rep. Voorhis, D, Calif., Agriculture, C R 91, 3, 3980.
16
Rep. Wadsworth, R, N . Y . , Foreign Affairs, C R 91, 3, 3970.
17
Rep. Hope, R, Kans., Agriculture, C R 91, 3, 3977.
Erste Bedingung:
Souveränität
43
einer internationalen Organisation Gelder oder Kompetenzen der U S A anvertrauen wollten, zumal den Vereinigten Staaten nur eine Stimme zustände 18 . I h r Argument galt nicht der Sache, dem Frieden oder der Ernährung der Menschheit, es galt dem Mittel. Diese Gruppe, die sich schließlich gegen den Beitritt zur F A O entschied, w a r nicht groß; sie ist bedeutsam nur wegen der Energie, mit der sie sich auch noch gegen eine internationale Organisation wenden zu müssen glaubte, die so gut wie keine Kompetenzen haben sollte. Erste amerikanische
Bedingung:
Souveränität
M i t der F A O vollzogen die U S A nicht nur die Wendung zur Internationalen Organisation, sie setzten auch gleichzeitig den Rahmen dessen, was sie darunter verstanden. D i e Interim Commission hatte im Frühjahr 1 9 4 4 einen Verfassungsentwurf vorgelegt. Aber jetzt rächte sich, daß zur Konferenz von H o t Springs keine Congress-Vertreter, obwohl sie darauf gedrängt hatten, eingeladen worden waren 1 9 . D e r Auswärtige Ausschuß des Senats, der sich einschaltete und mit Beamten des Außenministeriums den E n t w u r f beriet 2 0 , erteilte einer Reihe von Bestimmungen das P r ä d i k a t „völlig unannehmbar und völlig ungenügend" 2 1 . D e r E n t w u r f mußte entsprechend überarbeitet und dann den Mitgliedstaaten erneut zugeleitet werden, wollte die Exekutive nicht eine Niederlage im Congress riskieren. W a s dann schließlich am 1. August 1 9 4 4 veröffentlicht werden konnte, war in der T a t „der einfachste und unschuldigste V e r t r a g " 2 2 , den es je gegeben hatte. E r sah vor, d a ß die Organisation einschlägige Informationen sammeln, analysieren, auswerten und verbreiten, sowie entsprechend nationale oder internationale M a ß n a h m e n empfehlen sollte. Falls gewünscht, sollte die Organisation auch technische H i l f e leisten, gegebenenfalls auch Missionen entsenden (Artikel I , Absatz 1 und 2). D i e Informationen und E m p f e h lungen bezogen sich in erster Linie darauf, die landwirtschaftliche Produktion zu verbessern, waren also größtenteils für diejenigen Länder vorge18 Sen. Revercomb, R, W. Va., Judiciary, CR 91, 6, 7859; Rep. Harness, R, Ind., Military Affairs, CR 91, 3, 3981.
19
Young, Congressional Politics, S. 188 f.
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 357, 79/1, 11. Juni 1945, on H. J.Res. 145, Membership of United States in Food and Agricultural Organization, S. 10. 20
21
Sen. Vandenberg, R, Mich., Foreign Relations, CR 91, 6, 7906.
22
Rep. Wadsworth, CR 91, 3, 3983.
2. ökonomische
44
Interessen
sehen, die hier Rückstände aufzuweisen hatten. N u r in einem Punkt war von Warenarrangements, und auch hier nur ganz allgemein, die Rede (I, 1 f). Erschöpfte sich die Kompetenz der Organisation darin, etwas zu empfehlen, so war sie dabei auch noch an eine Zweidrittelmehrheit gebunden (generell arbeitete sie mit einer einfachen Mehrheit). Immerhin war hier das Einstimmigkeitsprinzip aufgegeben worden, wenngleich in einer harmlosen und auf Ratschläge beschränkten Sache. Sowie es um Verfassungsänderungen ging, die neue Verpflichtungen für die Mitglieder brachten, kehrte das Prinzip der Einstimmigkeit wieder. Solche Änderungen sollten zwar auch mit Zweidrittelmehrheit entschieden werden, sie banden aber nur diejenigen Staaten, die sie akzeptierten (XX, 1). Und die House Joint Resolution 145, mit der die USA der F A O beitraten, bestimmte zusätzlich, daß die Exekutive keiner Änderung zustimmen dürfe, ohne dazu vom Congress ermächtigt worden zu sein (See. 3). Dies galt sogar f ü r den Fall, daß die FAO, wie in Artikel X I I I , 2 ihrer Verfassung vorgesehen, der zu gründenden internationalen Organisation angeschlossen wurde (See. 4). Die USA waren also in zureichendem Maße geschützt. Die Organisation arbeitete zwar auf der Basis des Mehrheitsprinzips, aber das hatte bei dem Hilfscharakter der F A O so gut wie keine politischen Konsequenzen. Vor die Möglichkeit, diesen Charakter der Organisation zu verändern, war das Einstimmigkeitserfordernis geschaltet, wobei der Congress noch zusätzlich die letzte Entscheidung für sich reklamierte. Präsident Roosevelt hatte schon, als er die Verfassung dem Congress übersandte, darauf hingewiesen, daß die Organisation weder dirigieren noch kontrollieren, daß sie nicht zwingen und nicht fordern könne 23 . Die Legislative sorgte dafür, daß sich ohne ihre Zustimmung daran nichts ändern konnte. Schon beim ersten Schritt zur internationalen Organisation machten die USA klar, daß es sich dabei immer nur um Kooperation, nicht um Organisation in dem Sinne handeln werde, daß der Summe der Mitglieder Rechte zuwüchsen, die die der einzelnen berührten. Die Entscheidung der USA, kooperativ und nicht allein vorzugehen, wird dadurch in ihrem politischen Wert nicht beeinträchtigt, sondern nur schärfer beleuchtet. Nach wie vor bleibt es charakteristisch, daß eine Großmacht wie die USA, die es sich durchaus hätte erlauben können, unilateral zu diktieren, die Zusammenarbeit wählte. D a ß sie dabei ihr Eigengewicht nicht aufgab, ist minder 23
Roosevelt an den Congress, 26. März 1945, CR 91, 2, 2771—2772.
Erste Bedingung:
45
Souveränität
bedeutsam als die Tatsache, daß sie dabei ihr Schwergewicht freiwillig verminderte. In der „Situation hobbesienne" 24 , in der es keine Rechtsautorität mit Sanktionsmöglichkeit gibt, können die Staaten auf ihre Entscheidungsfreiheit in einem geschichtlich-sozialen Kontext, den sie nicht überblicken, nicht verzichten. Aus dieser Situation ist nur zu oft in dialektischer Umkehr eine völlige Zielfreiheit im Sinne des Kampfes aller gegen alle entwickelt worden. Diesen verbreiteten aber keineswegs gerechtfertigten Umschlag haben die USA vermieden. Sie konnten sich aus Gründen der Sicherheit ihrer Entscheidungsfreiheit nicht begeben, aber sie haben sich freiwillig dazu entschieden, ihre Interessen gemeinsam mit anderen Staaten und nicht gegen sie zu verfolgen. Eine solche Maxime kann prinzipiell von anderen Maximen unterschieden werden. Für die U S A stellte sich damit ein anderes Problem. Kann sich eine Großmacht, wenn sie mit anderen Staaten kooperiert, völlig einordnen oder muß sie für sich einen besonderen Platz und für ihr Wort ein besonderes Gewicht verlangen? Zwar sind alle Staaten wichtig, wenn Zusammenarbeit die vorherrschende internationale Beziehung darstellen soll, aber sie haben deswegen nicht alle den gleichen Wert. Wenn die Großmächte kooperieren, kann das, da es nur wenige sind, für sich noch nicht als Norm der Epoche gelten, zweifellos wirkt es aber normierend. Eine Zusammenarbeit aller kleinen Staaten könnte zwar schon eher als Norm gelten, sie vermag aber kaum etwas auszurichten, wenn eine Großmacht nicht kooperiert. Den großen Staaten kommt also zwangsläufig ein anderer Rang zu als den kleineren, und das Problem liegt darin, wie eine Großmacht in der Kooperation ihrer — durch Größe und Kapazität gegebenen — besonderen Position über die allen gemeinsame Wahrung der Souveränität hinaus Rechnung tragen kann. Zweite amerikanische Bedingung:
Einfluß
Während des Zweiten Weltkrieges ließ sich dieses Problem für die Vereinigten Staaten verhältnismäßig leicht lösen. Da die Kriegsallianz materialiter von ihnen abhing, kam ihnen ohnehin die Stellung eines primus inter pares zu. Etwas ähnliches galt für die Behebung der unmittelbaren Nachkriegsnöte, wenngleich die USA hier schon eine spezielle Methode bemühten. u
Aron, Paix et Guerre, S. 697.
46
2. ökonomische
Interessen
Die Hilfe an die befreiten Länder wurde, wie erwähnt, schon lange vor der FAO-Konferenz diskutiert, dann aber in ein Wartestadium gerückt. Die Zusammenkunft von H o t Springs brachte auch der UNRRA-Frage neuen Auftrieb. Am 9. November 1943 wurde das Abkommen geschlossen, mit dem die USA deutlich und bewußt kundtaten, daß sie nicht allein, sondern kooperativ vorgehen wollten. Ihnen hätten auch andere, eigene Wege — etwa über das Rote Kreuz oder über ihr GARIOA-Programm, das größer als das der U N R R A war — offengestanden. Sie entschieden sich jedoch f ü r das internationale Konzept — als Vorleistung für die Sicherheitsorganisation. Bei der U N R R A waren, anders als bei der FAO, schon politische und wirtschaftliche Probleme im Spiel. In den von der Sowjetunion befreiten Ländern mit kommunistisch tendierenden Regierungen konnte jede Hilfe Folgen haben, die den USA unerwünscht sein mußten. U N R R A sollte zwar unpolitisch sein, das hieß aber nicht, daß sich die politische Situation der USA dadurch verschlechtern durfte. Die Vereinigten Staaten waren daher gezwungen, innerhalb der internationalen Organisation ihre Großmachtposition sichernd geltend zu machen. Hier interessiert nur ein kurzer Blick auf die Methode 25 . Im U N R R A Rat, dem politischen Gremium, wurde mit einfacher Mehrheit abgestimmt (Art. III) 2 6 . Sehr bedeutungsvoll war dies nicht, da der Geber über die Lieferungen entschied und bei der Verteilung der Empfänger mitsprach. Der Council befand zwar mit Zweidrittelmehrheit auch über neue Verpflichtungen, aber sie galten nur f ü r diejenigen Mitglieder, die sie akzeptierten. Gegen Änderungen der Institutionen waren die USA mit Großbritannien, der Sowjetunion und China, den Mitgliedern des Central Committee, durch ein Vetorecht geschützt (Art. VIII). Von der Verfassung her gesehen, besaßen die USA also keine Rechte, die die anderen Angehörigen des Zentral-Komitees entbehrten. Ihren spezifischen Einfluß fanden und nahmen die USA vielmehr über eine Verwaltungsposition: den Generaldirektor. Entschieden die USA, als größter Geber, praktisch über die Lieferungen, so steuerten sie mit dem Generaldirektor auch die Verteilung. Diese Kombination ermöglichte es, „to maximize the influence of the United States" 27 . 25
Vgl. für die Einzelheiten der Geschichte der U N R R A die maßgebende Darstellung von Woodbridge, UNRRA. 24
Das Abkommen ist gedruckt in DAFR VI, S. 2 5 1 - 2 5 7 .
27
Johnson, Case of UNRRA,
S. 5 2 5 - 5 2 6 .
Zweite Bedingung:
Einfluß
47
Dabei ging es, wie gesagt, nicht um einen positiven Einfluß. Die USA wollten die U N R R A - H i l f e nicht als politisches Instrument benutzen, wenngleich sich natürlich fragen läßt, wieweit Hilfeleistungen, die aus Amerika kamen, in den besonderen Umständen Ost- und Südosteuropas nach der Befreiung nicht zwangsläufig politischen Charakter tragen mußten. Politik offiziell zu verbannen, konnte gerade im höchsten Maße politisch sein, und der häufige Hinweis auf den ,goodwill', den die amerikanische Hilfe in den Empfängerländern erzeugen würde, läßt erkennen, daß die USA diese Nebenwirkung nicht ungern sahen 28 . Generell aber gilt, daß die U N R R A seitens der USA nicht als politisches Instrument gedacht war, und daß die Technik, die die Amerikaner entwickelten, um sich einen führenden Einfluß zu sichern, nicht die U N R R A kontrollieren, sondern vielmehr nur verhindern sollte, daß ihre Resultate mit den innen- und außenpolitischen Zielen der USA kollidierten 29 . Die beiden Axiome, die die USA 1943/44 bei der Konstruktion von F A O und U N R R A für ihre Teilnahme an internationalen Organisationen entwickelten: uneingeschränkte Souveränität als das Minimum, maßgebender Einfluß als das Optimum, traten nun voll in Erscheinung, als es darum ging, positive ökonomische Absichten der USA zu verwirklichen und die internationale Handelspolitik einzurichten. Sie sollte die wirtschaftliche Seite des geplanten Weltsystems internationaler Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit abgeben. Wie erinnerlich, waren die wirtschaftspolitischen Grundsätze im Artikel VII des Mutual Aid Agreement zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich programmatisch zusammengefaßt und seitdem zwischen den Experten der beiden Länder kontinuierlich beraten worden. Von dem Gesamtkomplex kamen nur die währungs- und finanzpolitischen Teile vor dem Ende des Krieges, also noch rechtzeitig zum Zuge, um als Element für das Modell der kollektiven Sicherheit gelten zu können. Die Handels- und Zollpolitik, die in einer Internationalen Handelsorganisation geregelt werden sollte, stieß auf mannigfache Schwierigkeiten, ist hinsichtlich der Zölle erst 1947, also unter veränderten Weltbedingungen, im G A T T angegangen worden, während die International Trade Organization versandete 30 . 28
Vgl. Behrman, Political Factors, S. 442 f.
» Johnson, Case of UNRRA, 90
S. 536.
Vgl. zu diesen Plänen insgesamt die detailreiche Studie von Gardner, Dollar Diplomacy. Zur ITO speziell vgl. Diebold, End of I.T.O.
Sterling-
48
2. ökonomische
Interessen
Zweite internationale Organisation:
Bretton Woods
Im Internationalen Währungsfonds und in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die auf der Konferenz von Bretton Woods begründet wurden31, wandten die Amerikaner die Lehre an, die sie aus den Erfahrungen der dreißiger Jahre gezogen hatten. Die Mitglieder verpflichteten sich, die Wechselkurse ihrer Währungen festzulegen und sie wesentlich nur nach Zustimmung des Fonds zu verändern. Um diese Praxis auch bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu ermöglichen, stellte der Fonds, in den alle Teilnehmer eine Quote einzahlen mußten, Kredite in fremder Währung zur Verfügung. Hierin lag zugleich ein korrigierendes Element: Verengte sich die Währungsdecke eines Landes, weil es zu wenig importierte oder weil ein anderes Land zuviel exportierte, sollte der Fonds ausgleichend eingreifen32. Die Wiederaufbau-Bank war dazu bestimmt, einerseits den Kapitalbedarf zu decken (vor allem bei Entwicklungsländern), andererseits den Kapitalgebern diejenige Sicherheit zu bieten, ohne die private Investitionen nicht denkbar sind. Mit Hilfe der Ubereinkunft sollte die internationale Wirtschaft stimuliert und wenigstens teilweise wieder in die Freihandelsbahnen gelenkt werden, auf denen sie sich zu Zeiten der Goldwährungen bewegt hatte. Mit sehr viel größerem Recht als bei der Food and Agricultural Organization konnte hier geltend gemacht werden, daß der Friede gefördert werde, wenn sich die wirtschaftlichen Probleme lösen33 und diskriminierende Praktiken ausschließen ließen. Der wirtschafblidie Nationalismus unterscheidet sidi vom politischen mehr durch das Gebiet, auf dem er wirkt, als durch seine Folgen; Staaten, die ökonomisch empfindlich sind, haben für diesen Zusammenhang den Begriff der wirtschaftlichen Aggression eingeführt34. Durch die Verträge von Bretton Woods sollte eine deutliche Grenze zwischen Wettbewerb und „economic warfare" gezogen werden35. 3 1 Text der Schlußakte in DAFR VI, S. 333—398. Der Congress beschloß mit H . R . 3314 den Beitritt zu der Organisation (P. L. 171, 79/1). Beratungsdaten im H a u s : 5 . - 7 . Juni 1945, C R 91, 4, 5536-5590, 5 6 3 1 - 5 6 8 6 ; C R 91, 5, 5 7 2 2 - 5 7 2 3 . Im Senat: 1 6 . - 1 9 . Juli 1945, C R 91, 6, 7556-7584, 7597-7626, 7666-7702, 7 7 4 7 - 7 7 8 0 . Nachweise, wenn nicht anders vermerkt, bis auf weiteres aus diesen Debatten. 32
Vgl. Kruse, Außenwirtschaft,
33
Roosevelt an den Congress, 12. Februar 1945, C R 91, 1, 988.
S. 519 ff., dort auch Literatur, S. 551—552.
34
Vgl. Aronéanu, La définition
35
Committee on Banking and Currency, S. R p . 452, 79/1, on H . R . 3314, Partici-
de l'agression, S. 78 f.
Zweite
Organisation:
Bretton
Woods
49
Die wirtschaftlichen Absichten der USA verbanden sich hier also direkt mit ihren politischen Hoffnungen. Allerdings mußten audi die Vereinigten Staaten ihr Teil zur Liberalisierung beisteuern. Er bestand in der Knappheitsklausel, die nicht nur die Schuldner, sondern auch die Gläubigerländer betraf. In Großbritannien wurde diese Klausel, die sdhon im White-Plan enthalten war, als Zeichen dafür aufgefaßt, daß die USA diesmal wirklich mitverantwortlich für das Gleichgewicht des Handels sorgen wollten 36 . Die USA entschieden sich für diese Mitverantwortung, weil sie erkannten, daß Methoden wie die bilateralen Verträge der dreißiger Jahre und selbst die Dreimächte-Erklärung von 1936 nicht ausreichten. Mit ihnen war es weder gelungen, jede Diskriminierung auszuschalten noch den Handel weltweit zu liberalisieren, noch jedes Land so weit wie möglich dem "Warenverkehr anzuschließen. Darauf kam es aber den USA entscheidend an. Die amerikanische Wirtschaft hatte während des Krieges einen beachtlichen Aufschwung genommen; das Netto-Sozialprodukt stieg zwischen 1941 und 1945 von 116,8 auf 201,0 Milliarden Dollar, das Volkseinkommen wuchs von 104,7 auf 181,2 Milliarden Dollar an. An dieser Steigerung waren außer dem Staat vor allem die Landwirtschaft, die Industrie, der Handel und der Transport beteiligt; die Industrie erhöhte ihren Anteil am Nationaleinkommen in dieser Zeit um 19 Milliarden Dollar, der Handel um 10,7, die Landwirtschaft um 6,4, der Transport um 4,2 Milliarden Dollar (Regierung 26,3 Milliarden Dollar) 37 . Die hier entstandene Produktionskapazität konnte nach dem Kriege nur erhalten bleiben, wenn ausländische Märkte aufnahmen, was sich im Inland nicht absetzen ließ. Die USA suchten also nach Möglichkeiten, ihren erwarteten Uberschuß an Industriewaren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen unterzubringen 38 . Voraussetzung dafür war freilich, daß die USA die anderen Länder in den Stand setzten, in Amerika einzukaufen. Dazu mußten die USA entweder mehr importieren oder mehr im Ausland investieren. Eine gewisse Steigerung der amerikanischen Importe war zwar zu erwarten, weil die moderne Industrieproduktion zahlreiche Rohstoffe erforderte, die die USA nicht besaßen; aber dieser Zuwachs würde bei weitem nicht genügen, pation of the United States in the International Monetary Fund and the International Bank for Reconstruction and Development, S. 6. 38
Harrod, Life of Keynes,
37
Bureau of the Census, Historical
88
Rep. Spence, D , Ky., Banking and Currency, Chairman, C R 91, 4, 5543.
4 Czempiel
S. 545, 548. Statistics,
S. 139, 140.
50
2. ökonomische
Interessen
mußte vielmehr durch Kapitalexport nach wie vor ergänzt werden. Diente der Internationale Währungsfonds dazu, den Käuferländern kurzfristige Schwierigkeiten überbrücken zu helfen und mit der Knappheitsklausel den Exportüberhang der USA zu mildern, so war die Bank dazu geeignet, amerikanische Investitionen im Ausland, insofern sie sie garantierte, anzuregen. Anders als Anleihen mußten solche Investitionen — ob von der Bank selbst vorgenommen oder von ihr nur garantiert — den Lebensstandard des Kapitalimportlandes erhöhen. Damit war dem Empfänger am besten gedient. Zugleich aber erhöhte sich seine Konsumkraft, wodurch langsam auch jener Zustand abgebaut wurde, den die amerikanische Wirtschaft besonders fürchtete: die Konkurrenz von Ländern mit niedrigen Löhnen 39 . Vom amerikanischen Standpunkt aus gesehen griffen die Funktionen des Währungsfonds und der Wiederaufbau-Bank also ineinander. Der Fonds sollte die Währungen stabilisieren und gleichzeitig verhindern, daß kurzfristige Schwierigkeiten ein Land zwängen, seine Importe einzuschränken oder seine Währung zu manipulieren 40 . Die Bank sollte amerikanische Kapitalinvestitionen anregen und generell den Aufbauländern die Möglichkeit geben, sich mit Produktionsgütern zu versorgen. Die Bank würde es damit den USA einmal erleichtern, die amerikanische Zahlungsbilanz auszugleichen; sie würde zum zweiten Abnehmer für diejenigen amerikanischen Produkte schaffen, die nach dem Kriege innerhalb der USA nicht mehr im bisherigen Umfang abgesetzt werden konnten 41 . Um dieser Vorteile willen, die sich voll nur auswirken konnten, wenn alle Staaten mitarbeiteten, entschlossen sich die USA, das Problem auf multilateraler Ebene anzugehen, und nicht, wie vor dem Kriege üblich, bilateral. Zwei- und dreiseitige Abkommen hatten versagt, weil sich die politisch-wirtschaftliche Situation auf alle Länder und nicht nur auf die jeweiligen Vertragspartner auswirkte 42 . In der Abwehr gegen Deutschland hatten sich einige Länder zu Restriktionen entschließen müssen, die man ja gerade verhindern wollte. Auf Grund dieser Erfahrungen war man zu der Auffassung gelangt, daß die Währungs- und Finanzprobleme der Welt, an deren Lösung die USA aus wirtschaftlichen, aus politischen und aus humanitären Gründen vital interessiert waren, „nur durch ständige 89
Rep. Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, CR 91, 4, 5669.
40
S. Rp. 452, 79/1, S. 2.
41
Ibidem, S. 5.
42
H. Rp. 629, 79/1, on H. R. 3314 (zitiert nach CR 91, 4), 5548.
Zweite Organisation: Bretton Woods
51
Institutionen für internationale Kooperation und Zusammenarbeit behandelt werden könnten" 43 . Natürlich bedeutete diese multilaterale Methode, daß die USA an die Gemeinschaft aller mitarbeitenden Staaten Konzessionen machen mußten. Die Vereinigten Staaten besaßen zwar bis zu 35 % der Stimmen des Fonds, was aber nicht verbürgte, daß ihre Meinung stets siegen würde. Theoretisch konnten die USA sogar von den anderen Mitgliedern überstimmt werden, obschon die Vereinigten Staaten diejenige Währung in den Fonds einbrachten, um die es in erster Linie ging: den Dollar. Die Gegner im Congress fanden sich zwar damit ab, daß die USA Gelder ausleihen und in vielen Fällen damit rechnen mußten, daß sie nicht zurückgezahlt werden würden 44 . Aber sie wandten sich scharf dagegen, daß ein internationales Gremium dabei mitsprach, wie diese Gelder verteilt werden sollten, und wie die amerikanische Außenhandelspolitik einzurichten wäre. Diese allgemeinen Wendungen richteten sich vor allem gegen den Artikel V I I mit der Knappheitsklausel 45 und gegen Großbritannien, das ihn als Falle für die USA ersonnen habe. Uber den Artikel VII könnten die USA praktisch gezwungen werden, entweder mehr Geld zu leihen oder zu gewärtigen, daß die anderen Länder ihre Importe beschränkten und ihre Schulden nicht bezahlten. Der Artikel VII enthalte das stillschweigende Anerkenntnis der USA, daß sie für das ökonomische Dilemma der zwanziger Jahre und dreißiger Jahre verantwortlich seien, weil sie ihre Zölle nicht gesenkt und nicht mehr Geld ausgeliehen hätten. Jetzt, mit dem Artikel VII, habe es Lord Keynes fertiggebracht, die amerikanische Handelspolitik der Kontrolle der Schuldnernationen auszuliefern 46 . Dieser Gedanke an England verschärfte die Kritik erheblich: der Sterlingblock war der amerikanischen Handelspolitik, auch der offiziellen, seit langem ein Dorn im Auge. Daß solche Blöcke aufgelöst würden, sollte ja gerade zu den Vorteilen gehören, die die USA auf Grund des Artikels VII des Mutual Aid Agreement vom Februar 1942 zu erwarten hatten. Statt dessen schien das Abkommen von Bretton Woods derartige Diskriminierungen nicht nur zu sanktionieren, indem es lediglich die Währungs-, nicht aber die Handelspolitik betraf, sondern den Vertretern solcher Praktiken
4»
43
S. Rp. 452, 79/1, on H. R. 3314, S. 29.
44
Ibidem, Minority Views, S. 2.
45
H. Rp. 629, Minority Views, S. 11,120.
48
Sen. Taft, R, Ohio, Banking and Currency, CR 91, 6, 7611.
52
2. ökonomische
Interessen
auch noch eine Mitsprache bei der Verteilung amerikanischer Gelder zu gewähren. Gegenüber diesen politischen Thesen w a r die außenhandelstheoretische K r i t i k S e n a t o r Tafts an den Chancen der Verträge von Bretton Woods nicht so ausschlaggebend. Auch die, die das P r o j e k t befürworteten, waren sich darüber klar, d a ß es längst nicht alle ökonomischen "Wünsche erfüllen würde. D i e Geister schieden sich nur an den politischen Aspekten von Bretton W o o d s . K o n n t e n die U S A ihre Außenfinanzpolitik wirklich den Entscheidungen eines internationalen Gremiums anheimgeben, und wenn, in welchem M a ß e ? D i e amerikanische Regierung war, vor diese Fragen gestellt, den gleichen Weg gegangen wie bei der U N R R A . Sie hatte auf der Konferenz von Bretton Woods ihr politisch-wirtschaftliches Schwergewicht in die Waagschale geworfen, um zwei Fragen zu entscheiden, die die I n t e r nationalität der beiden Institutionen modifizierten: den Sitz des Instruments und sein Verfahren. Die Briten hatten London vorgeschlagen und ein automatisches Verfahren des Fonds und der B a n k . D i e amerikanischen Vertreter, unter der Führung von Finanzminister Vinson und unter strikten Weisungen Roosevelts 4 7 , plädierten statt dessen für Washington als Sitz und dafür, daß Fonds und B a n k nach Anweisung durch die D i r e k toren handeln sollten 48 . Keynes kämpfte in Bretton W o o d s erbittert gegen diese amerikanischen Absichten, unterlag aber, weil die übrigen Teilnehmer, als potentielle Bittsteller in Washington, nicht gegen die U S A aufstehen wollten. Die Vereinigten Staaten konnten so schon bei der Gründung der Institution ihren Willen durchsetzen, — „the Americans were ,railroading' their decisions through the conference" 4 9 . D a b e i blieb es praktisch. Die Position der U S A w a r so stark, daß ihr D i r e k t o r an der Wiederaufbau-Bank bei jedem Kreditantrag im vorhinein konsultiert wurde, noch ehe die Bewerbung dem Gremium der Direktoren vorgelegt wurde 5 0 . D a die Vereinigten Staaten das Geld gaben, genügte es also völlig, die Institutionen nicht automatisch, sondern auf Beschluß von Beamten arbeiten zu lassen. W i e bei der U N R R A wurde ein verwaltungstechnischer Kunstgriff bemüht, um den amerikanischen Einfluß geltend zu machen. Die internationale Organisation ließ sich auf diese Weise mit 47
Vandenberg, Papers, S. 152.
48
Behrman, Political Factors, S. 447 f.
49
Harrod, Life of Keynes, S. 635.
50
Behrman, Political Factors, S. 449.
Zweite Organisation: Bretton Woods
53
sanfter, aber fester H a n d so führen, daß lebenswichtige amerikanische Interessen nicht beeinträchtigt werden konnten. Dem Congress indessen schien das, was in Bretton Woods zur Sicherung des amerikanischen Einflusses erreicht worden war, sowohl dem I n h a l t wie der Methode nach unzureichend. D e r Ausschuß für Geld- und Kreditwesen des Repräsentantenhauses arbeitete den ihm zugeleiteten Gesetzentwurf vielfach um, interpretierte in zwei neuen Sektionen die Aufgaben der beiden Institute sehr genau und verstärkte vor allem ihre Beziehungen zur amerikanischen Politik. D i e Regierung hatte nur vorgesehen, daß der Präsident zweimal jährlich den Congress über die M i t a r b e i t der U S A am Fonds und an der B a n k unterrichten sollte. S t a t t dessen begründete der Hausentwurf hier einen Nationalen Beirat, der aus dem Finanzminister, dem H a n d e l s - und dem Außenminister, ferner den Vorsitzenden des Federal Reserve System und der E x p o r t - I m p o r t - B a n k bestehen sollte. Dieser B e i r a t sollte die Richtlinien für die amerikanischen V e r t r e t e r im Fonds und in der B a n k entwerfen und diese D i r e k t i v e n mit der P o l i t i k der E x p o r t I m p o r t - B a n k und anderer mit dem amerikanischen Außenhandel befaßten Stellen koordinieren. Darüber hinaus waren diesem Gremium die entscheidenden Beschlüsse anheimgegeben, die die amerikanischen Direktoren in den beiden Instituten dann lediglich auszuführen hatten. Zweck des Beirates w a r allgemein, ausdrücklich darauf zu achten, daß die amerikanischen Vertreter jeweils und ständig die „wohlverstandenen Interessen" der U S A verfolgten 5 1 . W a s in dem Abkommen von Bretton W o o d s implizit enthalten war, wurde durch diese Bestimmung des Repräsentantenhauses explizit gemacht: die Bindung des Fonds und der B a n k an die amerikanische Gesamtpolitik. I m Abkommen selbst w a r nur die Möglichkeit vorgesehen, daß der amerikanische Vertreter das Gewicht seines Landes geltend machen konnte. Das Beitrittsgesetz, das den N a t i o n a l e n Beirat errichtete, band den amerikanischen Vertreter an die Weisungen der Regierung. I n der Praxis, wenn nicht in der Theorie, konnten der Internationale Währungsfonds und die W i e d e r a u f b a u b a n k nur funktionieren, wenn die amerikanische Regierung zustimmte. Natürlich stand die amerikanische Regierung noch immer v o r einem D i l e m m a : wenn es hart auf hart ging, mußte sie entweder die Institute zerstören oder nachgeben. Insofern w a r sie in ihrer Handlungsfreiheit durch den internationalen Charakter der Institutionen beschränkt. V o n die51
H. Rp. 629, 79/1, CR 91, 4, 5564.
2. ökonomische
54
Interessen
sem Extremfall aber abgesehen, war schon in der Konstruktion des Abkommens, und erst recht durch den Nationalen Beirat, dafür Sorge getragen, d a ß die amerikanischen Interessen berücksichtigt werden würden. Der Senatsausschuß für Geld- und Kreditwesen setzte nun auch die Ziele, denen diese Einflußmöglichkeiten dienen sollten. Das Bretton Woods-Abkommen hatte für eine Ubergangszeit von fünf Jahren Devisenrestriktionen durchaus zugelassen und erst danach und nur für ganz obstinate Mitglieder den Ausschluß vorgesehen (Art. X I V , See. 4). Von einer Beseitigung der Handelsbeschränkungen war überhaupt nicht die Rede. Das, was den U S A am Herzen lag, w a r also in dem einen Fall nur in vage Aussicht gestellt, im anderen Fall nicht einmal angesprochen. Dem wollte der Ausschuß nun wenigstens in einer von seinem demokratischen Mitglied Radcliffe eingebrachten Erklärung abhelfen. Sie nannte als Ziel der amerikanischen Politik ausdrücklich den Abbau aller Restriktionen und verpflichtete die amerikanischen Vertreter beim Fonds und bei der Bank auf diese Politik. Als neue Section 14 des Beitrittsgesetzes wurde diese Deklaration vom Senat anstandslos angenommen 52 . Radcliffe verbarg dem Plenum nicht, daß sich diese Erklärung in erster Linie gegen Großbritannien richtete. Er erinnerte an den Artikel VII des Mutual Aid Agreement und deutete an, daß England die in Vorbereitung befindliche Anleihe nur erhalten sollte, wenn es gleichzeitig in Aussicht stellte, den Sterlingblock abzubauen 53 . Damit war der neuralgische Punkt berührt: das teils undeutliche, teils deutliche Gefühl, daß die Vereinigten Staaten ihre Interessen England gegenüber nicht kräftig genug geltend gemacht hätten. Die drei wichtigeren Anträge, die während der Senatsdebatte eingebracht wurden, drehten sich sämtlich um diesen Punkt, der später bei den Beratungen über die Anleihe an England die Hauptrolle spielen wird. Das anti-britische Ressentiment wurde von Senator Taft, dem großen Antipoden der Regierung in dieser Frage, dazu benutzt, um das ganze Projekt zu verschieben und damit hinfällig werden zu lassen. Taft schlug vor, erst die Vereinten Nationen zu konstituieren — vier Tage nach der Verabschiedung der Verträge von Bretton Woods begann der Senat mit der Debatte über die Ratifizierung der UN-Charta —, und dann im Wirtschafts- und Sozialrat der U N das ganze Problem zusammen mit dem 52
CR 9 1 , 6, 7669.
53
Ibidem, 7667.
Zweite Organisation:
Bretton
Woods
55
Abbau der Währungs- und Handelsrestriktionen zu diskutieren 54 . Theoretisch sollte damit konkretisiert werden, was im Radcliffe-Amendment nur gefordert worden war; praktisch war ein Aufschub ad Kalendas Graecas beabsichtigt. Als Taft aus Geschäftsordnungsgründen damit nicht durchdrang, wollte er das Projekt wenigstens bis zum 15. November 1945 vertagen. Wie stark die Skepsis gegenüber Großbritannien war, zeigte sich daran, daß 13 Senatoren — 11 Republikaner und 2 Demokraten —, die später für die Verträge stimmten, sich zu dieser Auffassung Tafts bekannten 55 . Einem zweiten, kräftigeren Vorstoß Tafts, der in den Fonds nur Länder aufnehmen wollte, die zuvor alle Währungsrestriktionen abgebaut hatten, war ein geringerer Erfolg beschieden; immerhin erklärten sich auch dafür noch 9 von denen, die die Vorlage bejahten 56 . Und als der republikanische Senator Ball (Minn.), der als ein Förderer der Vereinten Nationen bezeichnet werden kann, die Benutzung des Fonds wenigstens nach drei Jahren vom Abbau der Devisenrestriktionen abhängig machen wollte, da stimmten ihm von den Befürwortern des Gesetzes wieder 14, darunter sogar Vandenberg, zu57. Vandenberg war zwar gegen die Taft-Anträge aufgetreten, aber er gab Ball darin recht, daß diejenigen Länder, die Gelder empfingen, um damit ihre Währungen zu stabilisieren und die Handelsbeschränkungen abzubauen, dieses Ziel schließlich auch verwirklichen müßten 58 . Ein Warnschuß schien ihm also angebracht. Der Antrag Balls wurde ebenfalls abgelehnt, aber er zeigte sehr deutlich, daß es eine Gruppe von vorwiegend republikanischen Senatoren gab, die zwar für das Vertragswerk eintraten, aber gleichzeitig der Meinung waren, daß es die eigentlich angestrebten Fernziele ohne weiteres nicht erreichen, daß dafür vielmehr ein zusätzlicher Druck der USA erforderlich sein werde. Mit dieser sachlichen Skepsis näherten sie sich denjenigen, die die Verträge wegen ihrer internationalen Methode ablehnten. In den Augen dieser 54
Ibidem, 7669.
55
CR 91, 6, 7680. Abstimmungsergebnis: 31 : 52. 75 %> der 31 Senatoren kamen aus der Nord-Mitte-Gruppe der USA; drei gehörten dem Auswärtigen Ausschuß, zwei dem für Geld- und Kreditwesen an. 56
CR 91, 6, 7774. Abstimmungsergebnis: 23:53.
57
CR 91, 6, 7779. Abstimmungsergebnis: 29:46. Zu Vandenberg traten noch die Vorsitzenden des Gesdiäftsordnungs- und des Einwanderungsausschusses, die Demokraten Byrd und Russell. 58
CR 91, 6, 7779.
56
2. ökonomische
Interessen
Gegner mußte jede internationale Zusammenarbeit für die USA abträglich sein; sie verbrämten ihren Standpunkt mit dem Hinweis, daß jede Schädigung der USA zum Schaden der Welt auslaufen werde. Aber die Nähe der beiden Gruppen, die für den Antrag Balls stimmten, darf nicht den Graben verschwinden lassen, der sie trennt: das politische Mittel. Jene zweite Gruppe von 15 Senatoren, die für das Ball-Amendment stimmte, hätte die Verträge auch dann abgelehnt, wenn der Antrag Balls angenommen worden wäre. Sie war gegen die Beteiligung der USA an internationalen Gremien, sie war gleichzeitig gegen jede — vor allem gegen jede finanzielle — amerikanische Konzession, die nicht sofort mit handfesten Vorteilen sichtbar wettgemacht würde. Diese Gruppe, die nicht nur gegen die Verträge von Bretton Woods, sondern sowohl gegen die Verlängerung der Reciprocal Trade Agreements wie gegen die Anleihe für Großbritannien stimmte, war in erster Linie darauf bedacht, die nationale Souveränität und Handlungsfreiheit der USA zu wahren; in zweiter Linie ging es ihr um den Dollar, den sie nur dann hergeben wollte, wenn ein direkter und realer Gegenwert von vornherein zu erwarten war. Beide Richtpunkte ihrer Politik sah sie in den Verträgen von Bretton Woods gefährdet, gegen die sie deshalb grundsätzlich opponierte. Die anderen 14 Senatoren, die für das Ball-Amendment stimmten, waren prinzipiell für die internationale Zusammenarbeit, sie hatten lediglich sachliche Bedenken, wünschten für die USA stärkeren Einfluß. Darin mochten sich auch Zweifel an den Absichten der anderen Staaten ausdrücken, sie beeinträchtigten jedenfalls im Moment nicht die Bereitschaft dieser Gruppe, die Probleme der Welt durch internationale Zusammenarbeit zu lösen. Der Congress beschloß den Beitritt der USA zu den Verträgen von Bretton Woods mit eindrucksvoller Mehrheit: das Repräsentantenhaus am 7. Juni 1945 mit 345 :18; der Senat am 19. Juli mit 61 Stimmen dafür und 16 dagegen. Damit hatten die USA nicht nur die internationalen Währungsprobleme einer Lösung nähergebracht und in diesem Maße auch die Nachkriegshandelspolitik erleichtert, sondern sich auf dem wirtschaftlichen Gebiet ausdrücklich zu dem Mittel bekannt, das die Regierung für die Nachkriegszeit insgesamt ins Auge gefaßt hatte: zur Zusammenarbeit mit Hilfe internationaler Institutionen. Von der ökonomischen Basis, auf der die Nachkriegszeit errichtet werden sollte, war der Währungsteil fertiggestellt, der Handelsteil in Arbeit; man konnte jetzt darangehen, auch die politische Organisation, die Frieden und Sicherheit gewährleisten sollte, zu errichten.
Dritte Bedingung:
Dritte amerikanische
Unabhängigkeit
Bedingung:
57
Unabhängigkeit
Indessen ist es wichtig, noch einen Moment bei den wirtschaftlichen Vorbereitungen der USA für die Nachkriegszeit zu verweilen. Es zeigt sich nämlich, daß die Vereinigten Staaten sich keineswegs ausschließlich auf die internationale Organisation verließen, sondern daneben ihre herkömmlichen Außenwirtschafts-Instrumente weiterentwickelten. Auf dem Gebiet des Handels war dies unvermeidlich, weil das Vertragswerk von Bretton Woods sich nicht mit dem Handel befaßte. Das Gesetz, das den Präsidenten ermächtigte, gegenseitige Handelsabkommen abzuschließen (Reciprocal Trade Agreements Act), lief am 12. Juni 1945 ab. Es sollte um drei Jahre verlängert und — das war der eigentliche Streitpunkt — der Präsident ermächtigt werden, die amerikanischen Zölle erneut bis zu 50 °/o zu senken. Mit den schon traditionellen Schwierigkeiten, die vor allem von republikanischer und landwirtschaftlich orientierter Seite gemacht wurden, kam das Gesetz zustande59. Von der Regierung ausdrücklich in den Kontext der internationalen Zusammenarbeit gestellt60, wurde das Gesetz im Senat im wesentlichen von der gleichen Gruppe bekämpft, die wenig später auch gegen den Vertrag von Bretton Woods auftrat. Interessanter als die Verlängerung des Gesetzes über die gegenseitigen Handelsabkommen, an deren Stelle sich bis dahin Neues ohnehin nicht angeboten hatte, war, daß die USA ihre Export-Import-Bank nicht nur beibehielten, sondern auch mit zusätzlichen Mitteln ausstatteten. Die Bank war 1934 als Teil des Programms gegründet worden, mit dem Roosevelt die amerikanische "Wirtschaft aus der Depression zu bringen hoffte. Ihr Kapital hatte 11 Millionen Dollar betragen, ihre Leihkapazität seit 1940 700 Millionen Dollar. Die Bank hatte Kredite an amerikanische Exporteure (vor allem landwirtschaftlicher Uberschußerzeugnisse), an amerikanische Produzenten (vor allem der Schwer-, Elektro- und Eisenbahn-Industrie) gegeben, sie hatte anderen (besonders lateinamerikanischen) Staaten mit Anleihen dazu verholfen, trotz Dollar-Knappheit in den USA Waren zu kaufen 61 . Von einigen langfristigen Darlehen für lateinamerikanische Länder abgesehen, lag die Hauptaufgabe der Bank vor allem darin, den amerikani59
Es wurde vom Haus am 26. Mai 1945 (239:153, C R 91, 4, 5165), vom Senat am
20. Juni 1945 (54:21, C R 91, 5, 6364) verabschiedet. P . L . 130, 79/1, 59 Stat. 269. 60
Roosevelt an den Congress, 26. März 1945, C R 91, 2, 2793—2794.
81
Committee on Banking and Currency, H . Rp. 911, 79/1, Increasing the Lending
Authority of the Export-Import Bank of Washington. Hier zitiert nadi dem Abdruck in C R 91, 6, 7 5 3 7 - 7 5 3 8 .
58
2. ökonomische
Interessen
sehen Export zu fördern; dieser Zweck stand auch im Vordergrund der Gesetzgebung im Sommer 1945. D i e vergrößerte Kapazität der ExportImport-Bank sollte angesichts des bevorstehenden Endes der Pacht- und Leihhilfe dazu beitragen, die amerikanischen Produktionsüberschüsse zu exportieren und die nach der Rüdekehr der Soldaten mehr als je erforderlichen Arbeitsplätze zu erhalten 62 . Sie sollte Dollar-Lücken ausfüllen und Wiederaufbaukredite geben. Die U S A erhielten sich also neben den internationalen Organisationen ein eigenes, unilateral arbeitendes Instrument, dessen Funktionen denen der in Bretton Woods gegründeten Institute nicht unähnlich waren. In gewisser Weise waren die Vereinigten Staaten zu dieser Maßnahme gezwungen. Die amerikanische Wirtschaft sah sich vor riesigen Umstellungsschwierigkeiten, die auf Biegen oder Brechen bewältigt werden mußten. Dazu kam, daß die beiden internationalen Institute in der kritischen Übergangszeit nach dem Ende des Krieges in Europa noch gar nicht arbeitsfähig sein würden 63 . Die Ziele, die die U S A mit der Export-Import-Bank verfolgten, waren indes keineswegs nur auf die Periode der Umstellung beschränkt. Audi nachdem die Friedenswirtschaft eingerichtet und die Wiederaufbau-Bank sowie der Währungsfonds in Tätigkeit sein würden, sollte die Bank bestehen bleiben. Auch für diese Zeit rechneten die U S A mit einer „Notwendigkeit für eine strikt nationale Einrichtung auf dem Gebiet der Außenhandels-Finanzierung. Und zwar teils, weil es bestimmte T y p e n von Finanzierungen gibt, die die Internationale Bank nicht übernehmen werde; teils, weil bestimmte nationale Zwecke existieren, die (nur) durch eine Einrichtung wie die Export-Import-Bank zu verfolgen sind" 6 4 . Die Bank wurde also deutlich als ein amerikanisches Gegenstück zu dem in Bretton Woods bereitgestellten internationalen Instrumentarium konzipiert. Mit Hilfe des Nationalen Beirates, der im Zusammenhang mit den Verträgen von Bretton Woods geschaffen worden war, konnte die amerikanische Politik über beide Kanäle, den internationalen wie den nationalen, synchron gesteuert werden. Für eine solche Bank, ausschließlich in amerikanischen Händen, nach rein kommerziellen Gesichtspunkten arbeitend und auf unmittelbaren Gewinn ausgerichtet, waren die Opponenten gegen Bretton Woods sofort zu haben. Genau das war die von ihnen propagierte Methode, mit der 82
Committee on Banking and Currency, S. Rp. 490, 79/1, Increasing the Lending
Authority of the Export-Import Bank of Washington. Hier zitiert nach C R 9 1 , 6, 7830. 63
Ibidem. Man rechnete mit 12—18 Monaten Anlaufszeit.
84
Ibidem.
Dritte Bedingung:
Unabhängigkeit
59
sich Konzessionen erlangen, der Frieden sichern oder die Märkte f ü r den Export der USA öffnen ließen 65 . Das Gesetz fand im Senat gar keinen, im Repräsentantenhaus nur geringen, von starr isolationistischer Seite ausgehenden Widerstand 66 . Dabei war das Kapital der Bank von 11 Millionen auf 1 Milliarde Dollar aufgestockt, der Kreditplafond von 700 Millionen auf 3,5 Milliarden Dollar gehoben worden. In der Strukturanalyse der amerikanischen Außenwirtschaftspolitik müssen die Verträge von Bretton Woods und die Vergrößerung der ExportImport-Bank zusammengesehen werden. Beide verfolgten den Zweck, den internationalen Handel zu stabilisieren und zu erleichtern, den Aufbauländern zu helfen und, darin, den amerikanischen Export zu fördern. Beide verwendeten jedoch grundsätzlich verschiedene Methoden. Der Währungsfonds und die Wiederaufbau-Bank arbeiteten auf multilateral-internationaler Basis, die Export-Import-Bank auf unilateral-nationaler Basis. Sofern und solange das internationale Instrument funktionierte, konnte die Bank darauf beschränkt werden, aushelfend und von Fall zu Fall zu arbeiten. Sie konnte aber gleichzeitig eine Auffangposition, eine Reserve für den Fall bilden, daß die beiden in Bretton Woods gegründeten Institute die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllten. Der Entschluß der USA, die Nachkriegspolitik auf der Basis internationaler Zusammenarbeit anzugehen, erfuhr dadurch eine weitere Modifikation. Zu der souveränen Handlungsfreiheit, die unter allen Umständen gewahrt, und dem Einfluß, der möglichst groß gehalten werden sollte, trat der Aufbau einer eigenen, ausschließlich von den USA selbst beherrschten Position, von der sie vorab zusätzlich handeln, auf die sie sich aber auch zurückziehen konnten, wenn sich die geplante internationale Zusammenarbeit nicht in der gewünschten Weise realisieren ließ. Diese Anordnung der amerikanischen Mittel, die sich bei der Vorbereitung der Nachkriegs-Außenwirtschaftspolitik erkennen läßt, wird auch den Aufbau der Sicherheitspolitik insgesamt beherrschen. Dies darf jedoch nicht so aufgefaßt werden, als hätten die USA ihre Bereitschaft, die Weltprobleme im Wege internationaler Zusammenarbeit zu lösen, von vornherein eingeschränkt. Bei aller Entschlossenheit, ihre Großmachtinteressen durch maßgebenden Einfluß gesondert zu sidiern, waren die USA durch65
Sen. Taft, R, Ohio, Banking and Currency, in der Senatsdebatte über H. R. 3771, 20. Juli 1945, CR 91, 6, 7835. 66
Im Senat verabschiedet am 20. Juli 1945, CR 91, 6, 7841, durch voice vote, im Haus am 13. Juli 1945, CR 91, 6, 7548, durch division, 102:6. P. L. 173, 79/1, 59 Stat. 341.
60
3. Politische
Absichten
aus gewillt, konzessionsbereit zu kooperieren. Wie sollten sie sich aber in dieses Wagnis begeben, ohne für den Fall vorzusorgen, daß es in einem Fiasko endete? Natürlich wirkte diese Vorsorge insofern einschränkend, als sie bei auftauchenden Schwierigkeiten der internationalen Zusammenarbeit den Rekurs auf die nationalen Möglichkeiten erleichterte. Aber die Vorsichtsmaßnahmen, die die USA ergriffen, müssen zunächst aus der Sicht des Kriegsendes analysiert werden. Sie zeigen auf dem wirtschaftlichen Sektor die Absicht an, international zu kooperieren und nur für schmale Sonderzwecke ein unilateral arbeitendes Instrument zu errichten. Daß Mittel dieser Art im Laufe der Entwicklung dazu dienten, die amerikanische Politik vom Modell der Kollektiven Sicherheit auf ein anderes Weltkonzept umzustellen, steht auf einem Blatt, das erst später aufgeschlagen werden kann.
3. P O L I T I S C H E
ABSICHTEN
Die politischen Vorbereitungen der Nachkriegszeit ließen sich viel schwieriger an als die wirtschaftlichen. Zwar diente auch hier die Vergangenheit als Lehrmeister, aber sie unterrichtete eigentlich nur über Fehler und über zwei Weltkriege, hatte keine Methode vorzuweisen, von der man verbindlich annehmen konnte, sie werde zum gewünschten Ziel führen. Über das oberste Ziel selbst herrschte von Anfang an Einstimmigkeit: Friede. Roosevelt bezeichnete ihn schon an dem Tage, an dem England und Frankreich Deutschland den Krieg erklärten und die erste Phase des europäischen Krieges begann, als das Leitmotiv der amerikanischen Außenpolitik 1 . N u n ist Friede ein ganz allgemeines Prinzip, dessen Bestandteile man erst kennen muß, um es einschätzen zu können. Roosevelt qualifizierte es als Sicherheit (safety) und nannte als Methode dazu den Versuch, den Krieg vom amerikanischen Doppelkontinent fernzuhalten 2 . Seit Neutralität als Methode zur Sicherheit am 7. Dezember 1941 versagt hatte, war die Frage offen, welche Wege die USA nach dem Ende des Krieges beschreiten sollten. Als stärkste Macht hätten die USA den Krieg natürlich dazu benutzen können, nach der Weltherrschaft, dem imperium Americanum zu streben. Wenn sie statt dessen nur die Sicherheit wählten, so muß das dem Bewe1
Rosenman, Public Papers, 1939, S. 461, 463.
2
Ibidem, S. 463.
Universale und indirekte
Sicherheit
61
gungsprinzip der bürgerlichen Republik zugeschrieben werden. Welches Interesse hätte die Vereinigten Staaten zur Expansion zu reizen vermocht? Ihre Truppen standen in vielen Teilen der Welt, und es hätte ihnen eigentlich leichtfallen können, unter irgendeinem Vorwand zum Beispiel in Afrika zu bleiben und dort eine amerikanische Herrschaft zu errichten. Einer Industriegesellschaft bringt eine solche Politik jedoch keinen allgemeinen Nutzen, wobei sich einzelne spezielle Ausnahmen denken lassen. Als generelle Regel bleibt für eine solche Gesellschaft auf der Skala der außenpolitischen Ziele nur Sicherheit zurück — allgemein gesprochen: ein Zustand, der frei von existenzgefährdenden Konflikten ist. Der Begriff der universalen
und indirekten
Sicherheit
Sicherheit ist nur bei kleinen Staaten identisch mit dem Schutz vor potentiellem und aktuellem Angriff. Mit der Größe des Landes wächst der Bereich, in dem seine Sicherheit auch indirekt berührt werden kann. Die U S A hatten es im 20. Jahrhundert zweimal erlebt, daß sie praktisch ohne ihr Zutun in europäische Kriege hineingezogen wurden, daß Ereignisse in der Zone indirekter Sicherheit eine Gefährdung der direkten Sicherheit bewirken konnten. Während des Ersten Weltkrieges war diese Automatik wegen der ozeanischen Barrieren noch etwas verhüllt; die WafFentechnik des Zweiten machte sie ganz deutlich. 1945 spürten die U S A , die in Asien wie in Europa gekämpft hatten, die Interdependenz als Realität. W o immer auf der W e l t Gewalt angewendet wurde, wurde die amerikanische Politik berührt; als Folge dessen war die Sicherheit der U S A ein Stück Sicherheit der W e l t geworden 3 . Roosevelt hatte 1939 noch die westliche Hemisphäre als Zone der amerikanischen Sicherheit genannt 4 — was einen bewußten Minimalismus darstellte. E r wurde wenige Monate später in die richtige Dimension gehoben. 1945 war allgemein anerkannt, daß der Bezirk der amerikanischen Sicherheit die gesamte Welt umfaßte 5 . In dieser Zone mußte natürlich zwischen direkter und indirekter Sicherheit unterschieden werden. Zwischen beiden bestand ein gleitender Zusammenhang, weil jeder Eingriff in ein Ereignis, das die Sicherheit vorab indirekt bedrohte, in seinem Gefolge eine direkte Gefahr für die U S A mit sich bringen konnte. Aber die dann erforderliche Verteidigung der Ver* Council on Foreign Relations, American 4
Interests, No. P — B 82, S. 2.
Rosenman, Public Papers, 1939, S. 463.
» Sen. Lucas, D, III., Foreign Relations, 25. Juli 1945, C R 91, 6, 8032.
62
3. Politische Absiebten
einigten Staaten ließ sich doch der Sache nach unterscheiden von der Vorsorge gegen gefährliche Ereignisse im Bereich der indirekten Sicherheit. Die direkte Sicherheit der USA zu gewährleisten, war und blieb stets eine Sache des Militärs. Wenn die USA in eine kriegerische Auseinandersetzung verwickelt wurden, hatte die Generalität und nicht mehr die Diplomatie das erste Wort. Der Politik war die Aufgabe zugewiesen, dafür zu sorgen, daß die Kettenreaktion nicht ausgelöst wurde. Zum Ausgang des Krieges war lediglich das universale Ausmaß des Problems zu sehen; wie es sich im einzelnen präsentieren, wer es auslösen würde, war völlig offen. Die indirekte Sicherheit stellte eine universale, aber vorläufig indistinkte Aufgabe dar. Wenn die USA verhindern wollten, daß im globalen Bereich der indirekten Sicherheit Konflikte auftraten, in die sie schließlich hineingezogen wurden, so gab es dafür zwei Wege. Die USA konnten versuchen, die Welt zu beherrschen und mit Hilfe dieser Domination jedes ihnen unerwünschte Ereignis zu unterdrücken. Die zweite Möglichkeit bestand darin, mit den anderen Staaten der Welt zusammenzuarbeiten und sie zu beeinflussen, ihre Konflikte friedlich zu regeln. Die Domination war keineswegs völlig ausgeschlossen. Die Atombombe verlieh den Amerikanern ein mächtiges Gewaltmonopol, und es hat, wie später zu zeigen sein wird, durchaus Stimmen gegeben, die die amerikanische Sicherheit ausschließlich auf das nukleare Richtschwert stützen wollten. Die Nachteile dieser Methode lagen indes auf der H a n d : Die USA hätten eine riesige, jederzeit einsatzbereite Streitmacht unterhalten müssen, was gegen jegliche Tradition und vor allem unendlich teuer war; sie hätten ständig vor derjenigen Notwendigkeit gestanden, die sie doch gerade vermeiden wollten: militärisch eingreifen zu müssen. Domination konnte einen Konflikt wohl auslöschen, verhindern konnte sie ihn nicht. Im Grunde waren die USA mit dieser Methode nicht besser dran als 1914 und 1939. Um die Entstehung von Konflikten durch Domination zu verhindern, hätten die USA einen Weltstaat errichten müssen. Dazu reichten die Herrschaftsmittel, die zur Verfügung standen, bei weitem nicht aus. Eine solche Politik wäre vor allem jedem Interesse der USA zuwidergelaufen, das eben auf Sicherheit als das politische Minimum wies und nicht auf Expansion. Domination war also ein unzureichendes Mittel, die indirekte Sicherheit auf universaler Basis zu gewährleisten. Dagegen zeigte sich, daß die Kooperation, auf die die wirtschaftlichen Interessen wiesen, auch f ü r die Sicherheit fruchtbar gemacht werden konnte. Wenn es gelang, alle Staaten zu verpflichten, keine Gewalt anzu-
Universale und indirekte
Sicherheit
63
wenden, sondern Konflikte friedlich zu regeln, so waren die USA davor geschützt, wegen ihrer Sicherheit erneut Krieg führen zu müssen. Natürlich konnte es nicht leicht sein — und vermutlich nie vollkommen gelingen —, die Staaten der Welt auf friedlichen Interessenausgleich festzulegen. Die Chancen dieses Mittels waren aber, sah man genauer hin, nicht kleiner, sondern bedeutend größer, besser und dauerhafter als die des Versuchs einer militärischen Domination. Zunächst konnte mit Zusammenarbeit jeder, auch der kleinste Staat der Welt erreicht werden, was der Atombombe, wegen des Mißverhältnisses von Anlaß und Aufwand, nie möglich war. Sodann konnte Zusammenarbeit den Konflikt gerade in seiner Entstehung auffangen und möglicherweise abbiegen. Sie besaß eine Vielzahl von nuancierten Mitteln, die sich dazu verwenden ließen, während Domination nur eines, und dazu ein äußerst grobes, aufwies. Schließlich war Kooperation unvergleichlich viel billiger und ökonomischer — für eine bürgerliche Republik ein außerordentlich triftiger Beweggrund. Die ratio von A u f w a n d und Erfolg charakterisiert typisch die liberale Republik, deren Bezugseinheit vom Interesse des Steuerzahlers gebildet wird. Zusammenarbeit bot sich damit als das adaequate Mittel an, mit der die sich selbst verwaltende Industriegesellschaft das politische Problem der indirekten Sicherheit lösen konnte. Bei den wirtschaftlichen Interessen hatte sich dasselbe herausgestellt. Es wäre ohnehin sehr schwer gefallen, Partnern, mit denen man wirtschaftlich zusammenarbeiten wollte, politisch Domination anzubieten. Aber auch für sich betrachtet, bildete Zusammenarbeit die einzige angemessene Methode, mit der sich die indirekte Sicherheit der Vereinigten Staaten auf universaler Basis gewährleisten ließ. Darin unterschied sich die Lage nach 1945 grundlegend von der nach 1919. Wilson konnte sich, als er die USA in den Völkerbund führen wollte, wohl auf politische Ideale, jedoch nur begrenzt auf sachliche Interessen berufen; der Senat meinte darum, keinen zwingenden Grund für die Opfer zu sehen, die nach seiner Meinung der Beitritt zum Völkerbund verlangte. Jetzt waren es die Produktions- und Absatzverhältnisse auf dem wirtschaftlichen, die Bedeutung des Sicherheitsproblems auf dem politischen Sektor, die nach Kooperation verlangten. Hinzukam die Tradition: ihr realer Gehalt wurde jetzt durch die sachlichen Interessen aufgeschlossen. Es zeigte sich plötzlich eine Harmonie zwischen dem Praktischen und dem Ideal. In deren Zeichen suchten die Amerikaner seit dem Herbst 1939 nach Möglichkeiten, künftige Kriege durch Kooperation zu verhindern; es war diese Kombination, die den
J. Politische Absichten
64
amerikanischen Senat schon 1943 bewog, im vorhinein sein P l a z e t zu diesem Unternehmen z u geben 6 . D e m K o n t o der politischen Theorie wird man die F o r m gutzuschreiben haben, in die die Zusammenarbeit schließlich gefaßt wurde. Kooperieren ließ sich auf verschiedene Weise; der Entschluß dazu sagte noch nichts über die A r t , in der er ausgeführt werden sollte. Vorgegeben war, von der Absicht her, nur die Universalität der Zusammenarbeit; für ihre V e r w i r k lichung waren bilaterale oder multilaterale Abkommen denkbar, eine Allianz oder nur ein loses Einverständnis. Natürlich gab es noch den V ö l kerbund, aber die Erinnerung an ihn wirkte nicht gerade sehr anregend. D i e Idee der Internationalen Organisation, die ihm zugrunde gelegen hatte, mußte vielmehr erst durch den Blick a u f die eigene amerikanische E r f a h rung und auf die angelsächsische politische Theorie kräftig wiederbelebt werden, ehe sie sich für einen zweiten Versuch benutzen ließ. I m m e r wieder wurden die dreizehn englischen Kolonien in Amerika und ihr Zusammenschluß als das Beispiel bemüht, dem die Staaten der Welt folgen sollten 7 . Die Formulierungen waren dabei meist mehr gut gemeint als präzis, schössen im P a t h o s der Rede häufig weit über die reale Beziehung zwischen den innenpolitischen Erfahrungen und den außenpolitischen Hoffnungen der U S A hinaus. W a s gemeint war, formulierte Außenminister Stettinius, als er den Zusammenhang zwischen den Ideen, die zur amerikanischen Verfassung, und denen, die zur internationalen Organisation führten, erörterte. D i e Grundeinrichtungen der demokratischen Gesellschaft: der ausführende Beamte, der Gerichtshof, die öffentliche Versammlung „sind Instrumente, deren Wirksamkeit durch die gesamte Geschichte der menschlichen K u l t u r bewiesen worden ist. Ihre Errichtung in der internationalen W e l t wird, obwohl sie eine Begrenzung ihres Umfangs zur Folge hat, weder ihre Q u a l i t ä t verändern, noch ihr Prestige vermindern. Rebstöcke und Bäume von gewohnter in fremde Umgebung zu verpflanzen, 6
Sen. Burton, R, Ohio, Appropriations, 12. Juni 1945, C R 91, 5, 9538. Burton, der
am 30. September 1945 aus dem Senat ausschied, weil er zum Associate Justice am Supreme Court ernannt worden war, war einer der Urheber der sogenannten B2H2Resolution (s. u.). 7
Vgl. etwa bei der Debatte über die Ratifizierung der U N - C h a r t a die demokra-
tischen Senatoren Thomas, Utah, Military Affairs, Chairman, Foreign Relations, 24. Juli 1945, C R 91, 6, 7 9 5 9 ; Hill, Ala., Agriculture, 25. Juli 1945, C R 91, 6, 7972; McClellan, Ark., Commerce, 26. Juli 1945, C R 91, 6, 8083; George, Ga., Finance, Chairman, Foreign Relations, 26. Juli 1945, C R 91, 6, 8111; und die Republikaner Ferguson, Mich., Appropriations, 25. Juli 1945, C R 91, 6, 8002; Saltonstall, Mass., Naval Affairs, 26. Juli 1945, C R 91, 6, 8081.
Universale und indirekte Sicherheit
65
heißt notwendig, sie zurückzustutzen und zu beschneiden. Gesellschaftliche Organe aus der W e l t der Beziehung zwischen Individuen und Gruppen in die W e l t internationaler Beziehungen zu verpflanzen, heißt ebenfalls notwendig, sie zurückzustutzen und zu beschränken. Nichtsdestoweniger aber bringen Instrumente von bewiesenem sozialen W e r t Qualitäten von Lebenskraft und Fruchtbarkeit mit sich, die von den Einschränkungen, die ihnen durch die neue Umgebung auferlegt werden, nicht getötet werden können. Diese Instrumente haben einen geschichtlichen Impuls und eine erwiesene Brauchbarkeit hinter sich, die, in den Termini schließlicher W i r k samkeit, weit mehr bedeuten als die strengen rechtlichen Begriffe, durch die sie in ihrer neuen Umgebung eingerichtet worden sind" 8 . Deutlicher l ä ß t sich nicht ausdrücken, wie sehr die Amerikaner bei ihrem Entschluß, sich für die Zusammenarbeit einer internationalen O r ganisation zu bedienen, von der innenpolitischen Struktur der demokratischen Gesellschaft angeregt wurden, wie genau sie aber auch die Grenzen einer solchen Transplantation kannten. D i e Absichten, die die U S A mit der Organisation verbanden, lagen innerhalb dieser Grenzen; von W e l t regierung, Weltstaat, Herrschaft des Rechts w a r nur in gut-, nie in ernstgemeinten Analysen die Rede. Die zu begründende Organisation mochte den ersten Schritt in jener Richtung darstellen; der zweite ragte, wie immer man zu ihm stehen mochte, in eine von der Gegenwart deutlich getrennte Zukunft hinein, der kein einziger konkreter politischer Gedanke galt. Der Wert der internationalen Organisation, die analog zu innenpolitischen Herrschaftseinrichtungen gebildet wurde, lag ausschließlich in ihr selbst. Dieser W e r t w a r in sich schon hoch genug; es ließ sich keine geeignetere F o r m der Zusammenarbeit zwecks Sicherheitsgewähr finden als die einer internationalen Organisation. Sie w a r umfassender, als noch so viele bilaterale Abkommen je sein konnten; sie ermöglichte eine stärkere K o h ä r e n z als jede Allianz. Eine internationale Organisation konnte praktisch jeden S t a a t der E r d e erfassen und ihn möglicherweise einem politischen, in jedem Fall aber einem moralischen, später sogar einem gruppenpsychologischen Druck aussetzen, nicht unilateral vorzugehen. Diesen Druck ergänzte sie durch Einrichtungen, die es leichter machten, ihm nachzugeben. Es entstand damit ein zentraler O r t , an dem jeder Konflikt, bevor er sich entzündete, sichtbar und dann, wenn möglich, unschädlich gemacht werden konnte. G a b es etwas Besseres als die internationale Organisation, um das P r i n z i p der Zusammenarbeit zum T r a g e n zu bringen? 8
Charter of the United Nations. Report to the President by the Secretary of State,
S. 1 7 - 1 8 . 5 Czempiel
66
3. Politische
Absichten
Vorarbeit in den USA Unter solchen Überlegungen hatte Außenminister Hull sofort nach Kriegsausbruch begonnen, Pläne für ein neues System, das an die Stelle des Völkerbundes treten sollte, zu entwickeln9. Mit dem Problem wurde eine Reihe von Ausschüssen befaßt, in deren Arbeiten sich die der jeweiligen Lage entsprechende Dringlichkeit des Problems deutlich spiegelt. Auf das im Januar 1940 errichtete Advisory Committee on Problems of Foreign Relations, das ausschließlich von Angehörigen des Außenministeriums gebildet wurde10, folgte am 3. Februar 1941, nachdem Roosevelt in seiner Congress-Botschaft vom 6. Januar 1941 mit den vier Freiheiten die Grundsätze der amerikanischen Außenpolitik umrissen hatte, eine spezielle Forschungsabteilung im Außenministerium, an deren Spitze Leo Pasvolsky trat 11 . Am 22. Dezember 1941 schlug Hull dem Präsidenten vor, ein neues Advisory Committee on Post-War Foreign Policy zu gründen, das aus Beamten des Ministeriums wie aus prominenten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bestehen und auf der Grundlage der Atlantik-Charta die Nachkriegspolitik der USA — am 7. Dezember 1941 hatten die Japaner Pearl Harbor überfallen — durchdenken sollte. Roosevelt stimmte zu12. Im Politischen Unterausschuß dieses neuen Komitees wurde ein Sonderausschuß für Internationale Organisation gebildet, der den ersten Entwurf einer internationalen Nachkriegsorganisation ausarbeitete, die sogenannte „DraftConstitution" 13 . Sie war stark regionalistisch orientiert, fand daher nicht die Zustimmung Hulls und wurde nie zur offiziellen Stellungnahme der Regierung. Der Stellvertretende Außenminister Sumner Welles, der dem Regionalismus anhing und ihn in der Draft Constitution durchgesetzt hatte, konnte das Papier Roosevelt lediglich privat zur Kenntnis bringen. Unter Hulls persönlicher Leitung entstand in dem von ihm etwas umbesetzten Komitee vier Wochen später der erste amtliche Entwurf einer internationalen Organisation, die „Charter of the United Nations", kurz: Staff Charter 14 . • Hull, Memoirs,
II, S. 1625.
10
Zusammensetzung in: PFPP, S. 22.
11
Hull, Memoirs,
12 ppppt
II, S. 1630.
S. 63—65. Für die Mitglieder des Ausschusses und seine Arbeit im ein-
zelnen vgl. ibidem, S. 69—164. 13
Text ibidem, S. 4 7 2 - 4 8 3 .
14
Text ibidem, S. 526—532. Der Entwurf ist datiert vom 14. August 1943.
Vorarbeit in den USA
67
Die Moskauer Außenministerkonferenz unterbrach die Arbeiten in ihrer bisherigen F o r m : das Advisory Committee, das ohnehin nur in seinen Ausschüssen gelebt hatte, wurde stillschweigend suspendiert. Das P r o j e k t der internationalen Organisation war, nachdem sich die Außenminister in M o s k a u offiziell dazu bekannt hatten, nun nicht mehr akademisch, sondern aktuell und dringlich. Aus seinen engeren Mitarbeitern, die ihn seit A n f a n g 1 9 4 3 beraten hatten, bildete H u l l am 9. Dezember 1 9 4 3 die I n formal Political Agenda Group. I h r gehörten an: Stettinius (als N a c h folger Sumner Welles', der im September
1 9 4 3 zurückgetreten
war),
B o w m a n , Davis, T a y l o r , Pasvolsky, Cohen, Dunn, Hornbeck, H a c k w o r t h und N o t t e r 1 5 . Dieses Gremium gab den eigentlichen Fachausschuß ab, der alle Pläne betreute und später auch die amerikanischen Verhandlungsdelegationen von Dumbarton Oaks bis San Francisco beriet. I n knapper Frist stellte diese Gruppe auf Wunsch des Präsidenten einen neuen, summarischen E n t w u r f der Aufgaben, Kompetenzen und Strukturen einer internationalen Organisation her, der als „Possible P l a n " 1 6 von Roosevelt am 3. Februar 1 9 4 4 genehmigt wurde. D a m i t w a r die erste verbindliche amerikanische Vorstellung der internationalen Organisation entwickelt. Aus ihr gingen nach zahlreichen Z w i schenstadien die offiziellen amerikanischen Vorschläge, die
„Tentative
Proposals f o r a General International O r g a n i z a t i o n " 1 7 hervor. Sie wurden, nachdem auf Betreiben des amerikanischen Generalstabes die Bestimmungen über die Treuhandschaft herausgenommen worden waren, am 18. J u l i 1 9 4 4 England, R u ß l a n d und C h i n a übergeben. A u f der K o n f e r e n z von Dumbarton O a k s von den drei Alliierten praktisch akzeptiert und in J a l t a durch die Formel der Abstimmung im Sicherheitsrat vervollständigt, wurde das amerikanische K o n z e p t in den Beratungen von San Francisco durch die Versammlung der Vereinten Nationen, im wesentlichen kaum verändert, angenommen. Nachdem die U S A einmal erkannt hatten, d a ß sich die Chancen ihrer Nachkriegsaußenpolitik am besten mit einer internationalen Organisation wahrnehmen ließen, ergriffen sie also, unter der H a n d Hulls, energisch die Führung. Die C h a r t a der Vereinten Nationen, wie sie heute vorliegt, ist in ihren entscheidenden Teilen das W e r k der amerikanischen Außenpolitik.
5*
15
Ibidem, S. 170 ff.
16
T e x t ibidem, S. 5 7 6 - 5 8 1 .
17
T e x t ibidem, S. 5 9 5 - 6 0 6 .
68
3. Politische
Absichten
Außenminister Hull hatte sich jedoch nicht nur darum zu kümmern, daß die internationale Organisation in seinem Ministerium entworfen wurde, er mußte auch dafür sorgen, daß sie von seinem Land, vor allem vom Congress, akzeptiert würde. Die große Niederlage, die Präsident Wilson erlitten hatte, hing wie ein Damoklesschwert auch über Hull und Roosevelt. Der Congress hatte zwar schließlich die Neutralitätsgesetze revidiert und, nachdem die Japaner die amerikanische Flotte überfallen hatten, auch sofort den Krieg erklärt. Damit war aber keineswegs sichergestellt, daß er nach dem Sieg die bisherigen Bahnen endgültig verlassen und den Beitritt der USA zu einer internationalen Organisation gutheißen werde. Audi der öffentlichen Meinung war man nicht sicher. Cordell Hull lud daher, als er Ende 1941 das Advisory Committee erweiterte, die Führungsgruppen aus den Auswärtigen Ausschüssen beider Häuser zur Teilnahme ein: vom Senat die Demokraten Connally, George, Thomas (Utah) und die Republikaner Austin und White; vom Repräsentantenhaus die Demokraten Bloom und Luther A. Johnson sowie den Republikaner Eaton. In die Unterausschüsse des Advisory Committee wurden darüber hinaus noch weitere Congressmitglieder aufgenommen. Diese Mühe trug rasch Früchte. Am 20. April 1942 bekannte sich der Nationalausschuß der Republikanischen Partei zur Zusammenarbeit zwischen den Staaten, was zwar ein Gemeinplatz war, aber allgemein als endgültige Absage der Republikaner an den Isolationismus aufgefaßt wurde 18 . Auf der Mackinac-Konferenz im September 1943 legte sich die Republikanische Partei auf „verantwortliche Teilnahme der USA an einer Organisation für Nachkriegs-Zusammenarbeit (postwar co-operative Organization) zwischen souveränen Staaten zwecks Verhinderung militärischer Aggression und Errichtung eines dauerhaften Friedens mit geregelter Gerechtigkeit (organized justice) in einer freien Welt" fest 19 . Der Text war ein Kompromiß zwischen denen, die wie Vandenberg nicht einmal von Organisation reden und denen, die mit Austin den Begriff Organisation noch näher bestimmen wollten. Die Diskussionen innerhalb der Republikanischen Partei, dem Quellgrund diastatischer Haltungen, lassen den Meinungsdruck erkennen, der innerhalb der USA schon 1943 in der Frage der internationalen Organisation entstanden war. Auch im Congress waren im Frühjahr 1943 mehrere Entschließungen eingebracht worden, die die internationale Organisation betrafen. Hull 18
Vandenberg, Papers, S. 30. Vandenberg gibt als Datum den 21. April 1942 an, vgl aber Facts on File, Vol. 1942, S. 125. 18
Ibidem, S. 58.
Vorarbeit in den USA
69
nutzte die Gelegenheit und regte bei der Führung beider Häuser eine Meinungsäußerung des Congress an. Sie sollte die amerikanische Verhandlungsposition im Gespräch mit den Alliierten stärken 20 . Im Repräsentantenhaus hatte Hull bald Erfolg: am 15. Juni brachte der demokratische Abgeordnete Fulbright die House Concurrent Resolution 25 ein; sie trägt seinen Namen, war jedoch von einer nicht näher identifizierten Gruppe entworfen worden 21 . Der Text war so allgemein wie möglich, sprach sich lediglich für die Schaffung einer „angemessenen internationalen Maschinerie" aus. Die Behandlung der Resolution wurde von der Führung des Hauses hinausgezögert, teils, weil versucht werden sollte, die Zahl der vermutlichen Nein-Stimmen zu verringern, teils, weil man auf den Senat der in der Außenpolitik den Vortritt hat, Rücksicht nehmen wollte. Am 21. September 1943 wurde die Entschließung mit 360 gegen 29 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen, nachdem mit Hilfe der Geschäftsordnung verhindert worden war, daß Änderungsanträge gestellt werden konnten. Das Haus kam so mit seiner Resolution für die Moskauer Konferenz noch zurecht. Der Senat hatte sich mit dem Komplex schon früher befaßt, war schon früher und heftiger auf die Details gestoßen. Am 16. März 1943 hatten die Republikaner Ball und Burton und die beiden Demokraten Hatch und Hill — nach den Anfangsbuchstaben ihrer Namen als B 2 H 2 -Gruppe getauft — eine Resolution eingebracht. Sie sah bereits eine internationale Militärmacht vor, mit der jeder Versuch bewaffneter Aggression sofort unterdrückt werden sollte22. Der Sommer des Jahres ging darüber hin, diese vorgeschobene Position wieder einzuziehen. Während die B 2 H 2 Gruppe eifrig im Lande für ihre Vorstellungen warb, versuchte Connally, Vorsitzender des Außenpolitischen Senatsausschusses, die Resolution mit Hilfe eines Unterausschusses auf die lange Bank zu schieben23. Nachdem aber der Außenminister zur Moskauer Konferenz abgereist und das Repräsentantenhaus mit der Fulbright-Entschließung hervorgetreten war, mußte der Ausschuß schließlich aktiv werden. Connally brachte am 14. Oktober 1943 eine nach ihm benannte Resolution ein24, die ebenso vage und mit Reserven gespickt war wie die der anderen Kammer. 20
Hull, Memoirs, II, S. 1259, 1260.
21
Westerfield, Party Politics, S. 149. Text der Resolution in DAFR VI, S. 315.
22
S. Res. 114, 78/1, Text in DAFR VI, S. 319.
23
Westerfield, Party Politics, S. 156.
24
S. Res. 124, 78/1, Text in DAFR VI, S. 319.
70
3. Politische
Absiebten
Die Senatsführung besorgte, daß jede konkretere Äußerung die isolationistischen Reserven weckte. Der Zweck des Unternehmens: die Exekutive mit einem richtungweisenden Beschluß der Legislative auszustatten, wäre hinfällig geworden, wenn sich nur eine kleine Mehrheit, und dann etwa noch unter zahlreichen Vorbehalten, f ü r die internationale Organisation ausgesprochen hätte. Es kam aber ganz anders. Nicht die retardierenden, sondern die avantgardistischen Elemente des Senats widersetzten sich der Connally-Resolution. Die Vorlage hatte das Schlüsselwort,Internationale Organisation' nicht auszusprechen gewagt. Die dreizehn Senatoren um die B 2 H 2 -Gruppe, mit Claude Pepper an der Spitze, gingen sehr viel weiter: sie wollten der Organisation von vornherein die Kompetenz zusprechen, Streitigkeiten friedlich zu regeln und Aggression mit Gewalt zu begegnen25. Ein Kompromiß wurde erst gefunden, nachdem die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober veröffentlicht worden war. Die Pepper-Gruppe schlug vor, wenigstens den Punkt 4 der Moskauer Erklärung in die ConnallyResolution aufzunehmen. Der Senat verstand sich dazu, fügte dafür aber eine weitere Klausel hinzu, die noch einmal nachdrücklich feststellte, daß kein Vertrag über die internationale Organisation ohne „advice and consent" des Senats geschlossen werden dürfe. Die drei entscheidenden Sätze der so befrachteten Connally-Resolution (die beiden anderen betrafen den Sieg und die Zusammenarbeit für einen gerechten und ehrenvollen Frieden) drückten nun also glücklich die zwei Grundgedanken doppelt aus: den Beitritt der USA zu einer internationalen, dem Frieden und der Sicherheit gewidmeten Organisation und die dazu erforderlichen verfassungsmäßigen Prozesse, die dem Congress das letzte Wort darin geben sollten. In dieser Form hieß der Senat am 5. November mit 85 gegen 5 Stimmen die Resolution gut. Immerhin hatte sich damit das Unwahrscheinliche ereignet, daß sich der Congress, der das Werk Wilsons nachträglich zerstört hatte, im vorhinein für das Werk Hulls aussprach. Der Außenminister konnte gewiß mit Recht einen großen Teil dieses Erfolges dem Konto seiner Beziehungen zum Senat und H a u s gutschreiben 26 . Das Resultat beflügelte ihn, auf dem eingeschlagenen Wege fortzuschreiten. 25
Text des Pepper-Amendments in DAFR VI, S. 317. Wie sich diese Kompetenz der Organisation mit der Souveränität ihrer Mitglieder vertrug, zu der sich Pepper hier verstand, ging aus dem Amendment freilich nicht hervor. 26
Hull, Memoirs, II, S. 1259.
Vorarbeit in den USA
71
Auf Ersuchen Hulls bildete der Auswärtige Ausschuß des Senats ein kleineres Gremium, das sogenannte ,Committee of Eight' 27 . Mit dieser Gruppe beriet der Außenminister in der Folge die wichtigsten Elemente der in Arbeit befindlichen amerikanischen Pläne und jedes Stadium der Verhandlungen von Dumbarton Oaks. Diese Zusammenarbeit, die Hull auf die Führungsspitze des Hauses und, wenngleich weniger regelmäßig, auch auf andere Gruppierungen des Congress — etwa die B 2 H 2 -Gruppe — ausdehnte, ermöglichte es ihm, die Legislative ständig auf dem laufenden zu halten und dabei gleichzeitig die Meinung der führenden Congressvertreter zu schwebenden Fragen einzuholen und zu berücksichtigen. Hull hatte hier einen gangbaren Weg gefunden, die von der amerikanischen Verfassung gezogene Kluft zwischen Legislative und Exekutive zwanglos zu überbrücken und damit viele Schwierigkeiten zu beseitigen, die die Verbindung zwischen beiden gewöhnlich so holperig machten. Höhepunkt dieser von ihm inaugurierten Zusammenarbeit war, daß die Vorsitzenden und die Minderheitsführer der Auswärtigen Ausschüsse beider Häuser — die Senatoren Connally und Vandenberg sowie die Abgeordneten Bloom und Eaton — den Kern der von Stettinius geleiteten amerikanischen Delegation für die Konferenz von San Francisco bildeten 28 . An der Schaffung der Charta der Vereinten Nationen w a r der Congress und vor allem der Senat entscheidend mitbeteiligt; die Gefahr, daß die U N das Schicksal des Völkerbundes erleiden würden, wurde damit erheblich verringert. Die öffentliche Meinung bereitete dem Außenministerium längst nicht so viel Sorgen wie der Congress. Die Öffentlichkeit stand dem Gedanken internationaler Zusammenarbeit in der allgemeinen Form, in der er gewöhnlich auftrat, von vornherein wohlwollend gegenüber. Zahlreiche private Institutionen befleißigten sich, ihn weiter zu verbreiten 29 . Mehr war zunächst gar nicht zu tun; im Gegenteil, ausführlichere Erörterungen des Projekts in der Öffentlichkeit konnten sogar schädlich wirken 30 . "Während die Meinungsumfragen in der Regel 65 bis 95 % Ja-Stimmen f ü r den amerikanischen Beitritt zu einer Nachkriegsorganisation erbrachten, fiel der Prozentsatz beträchtlich, sobald die Fragen spezifizierter wurden und 27 Der Name stammt von der Mitglieder-Zahl: Teilnehmer waren die demokratischen Senatoren Barkley, Connally, George, Gillette, die Republikaner Austin, Vandenberg, White sowie der Fortschrittliche La Follette, Jr. 28 Congressmitglieder hatten schon zuvor als Delegierte fungiert, etwa bei den Konferenzen von Bretton Woods und Mexico City, nicht hingegen in H o t Springs. 29
Vgl. die Liste der Vereine und Institute in DoSB, X I , 22. Oktober 1944, S. 450 bis 451. 80
PFPP, S. 196.
3. Politische Absichten
72
die Pflichten, die den U S A aus dem Beitritt erwachsen würden, deutlich erkennen ließen 31 . M i t der allgemeinen Zustimmung zufrieden, begann das Außenministerium eine K a m p a g n e erst, als die Konferenz von Dumbarton O a k s das Gerüst der C h a r t a schon vollendet hatte. Fast 2 Millionen Exemplare des Entwurfs wurden in der Öffentlichkeit verteilt, ungefähr 260 Vorträge von Beamten des Außenministeriums gehalten. Filme und Rundfunksendungen entstanden. Die Breite der Reaktion läßt sich daran ablesen, daß im April 1945 wöchentlich bis zu 20 000 Briefe im Außenministerium eingingen 32 . D a s Instrument der kollektiven Sicherheit konnte mit einem wohlwollenden E m p f a n g in der amerikanischen Öffentlichkeit rechnen. Das amerikanische
Projekt
Entstehung und Inhalt der Charta der Vereinten Nationen können und brauchen hier nicht behandelt zu werden; sie haben eine den amerikanischen Beitrag fast erschöpfend behandelnde Darstellung gefunden 3 3 . N u r ein kurzer Blick gilt der Modalität, mit der die Vereinigten Staaten ihre indirekte Sicherheit über die internationale Organisation zu bewirken versuchten. D i e näherhin dem Frieden dienenden Funktionen waren dem Sicherheitsrat vorbehalten, dessen unteilbarer K e r n von den fünf Großmächten gebildet wurde. Sollte es zwischen ihnen zum Konflikt kommen, so konnte er, nach den amerikanischen Plänen, wohl diskutiert und somit möglicherweise entschärft werden. Denkbar war auch, daß Empfehlungen gegeben wurden. Ging dies nicht, so war die Organisation gescheitert, der Weltkrieg da. Für die dann direkt bedrohte amerikanische Sicherheit waren militärische Mittel vorgesehen. K a m es aber zwischen kleineren Mächten zum Konflikt, trat also der antizipierte Regelfall ein, so stand dem Sicherheitsrat neben Diskussion und Empfehlung auch die Aktion zur Verfügung. Kollektive Sicherheit hieß also, auf den kleinsten Nenner gebracht, Sorge der großen für die Sicherheit der kleinen Mächte, damit indirekt erst Sorge auch für ihre eigenen Sekuritätsinteressen. F ü r die U S A bot die internationale Organisation also zunächst die Sicherheit, nicht durch kleine Staaten erneut in einen Konflikt verwickelt 31
Scott/Withey, United States and United Nations, S. 11, 13.
Die Angaben bei Charter of the United Nations. Report to the President by the Secretary of State, S. 27. 32
33
Russell, UN Charter.
Das amerikanische
Projekt
73
zu werden 34 ; sie bot weiterhin die Möglichkeit, insofern auch einen Konflikt zwischen den Großmächten zu vermeiden, als Sicherheitsrat und Generalversammlung ein Dauerinstitut für gegenseitige Kontakte und ,gute Dienste' Dritter darstellten, und darüber hinaus die Zusammenarbeit in diesem „town meeting of the world" 3 5 das gegenseitige Verständnis langsam verbessern konnte. Und schließlich bot die Organisation den Vereinigten Staaten — aber den anderen Großmächten gleichwohl — die Chance, an einem zentralen Ort sämtliche Vorgänge und Entwicklungen zu beobachten und auch zu beeinflussen. Nur dies ist unter der Sicherheit zu verstehen, die die U S A sich von der internationalen Organisation versprachen, — was die Hoffnung nicht schmälerte, sondern ihr nur genaue Umrisse gab. Die Absichten bestimmten den Modus der amerikanischen Mitarbeit; es nimmt nicht wunder, daß er die gleichen Elemente aufweist wie bei den wirtschaftlichen Organisationen: Souveränität als das Minimum, führenden Einfluß als das Optimum, eigene Instrumente als national verfügbare Reserve. Entsprechend der anderen Größenordnung, um die es sich bei der Weltsicherheit handelte, und weil die U S A auf politischem Gebiet nicht dieselbe Monopolstellung besaßen wie auf wirtschaftlichem, nahmen sich die Elemente der amerikanischen Außenpolitik bei diesem Komplex etwas anders aus. Das Element
der
Souveränität
D a ß die U S A ihre Souveränität nicht preiszugeben gedachten, daß es sich bei der zu errichtenden Organisation also keinesfalls um irgendeine Art von ,Weltstaat' handeln würde, stand alsbald fest. Es gab zwar in der amerikanischen Öffentlichkeit starke Tendenzen, Teile der amerikanischen Souveränität in die Organisation einzubringen 36 , auch zielte die B 2 H 2 ,4
Vgl. etwa die Analysen der demokratischen Senatoren Lucas, Fulbright und Chavez
bei der Ratifikation der Charta, 25. Juli 1945, C R 91, 6, 8032; 24. Juli 1945, C R 91, 6, 7958. Vandenberg, Papers, S. 173. s« PFPP, S. 113. Höchst aufschlußreich in diesem 2usammenhang ist auch die Befra-
35
gung, die der Council on Foreign Relations im Frühjahr 1944 bei 2 0 seiner Toditerorganisationen in den U S A vornahm. Wenngleich sich nur sehr wenige Gruppen direkt für das Mehrheitsprinzip aussprachen, befürworteten die meisten indirekt, etwa bei der Internationalen Streitmacht, doch eine Minderung der amerikanischen Souveränität. Council on Foreign Relations, American ican Public Opinion and Postwar Security
Interests in the War and. in the Peace: Commitments.
Amer-
74
3. Politische
Absichten
Resolution im Congress in diese Richtung 3 7 . Keiner der vier Entwürfe aber, die im State Department ausgearbeitet wurden, war in diesem Punkte unklar: in der einen oder anderen Form tauchte stets die Forderung nach Einstimmigkeit der Großmächte auf. Präsident Roosevelt bestätigte sie im Februar 1944 als das von den U S A vorzuschlagende allgemeine Verfahren im Sicherheitsrat 38 . Roosevelt hatte allerdings im Einklang mit der Planer-Gruppe im Außenministerium vorgesehen, daß sich bei der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten jedes in einen solchen Fall verwickelte Mitglied des Sicherheitsrates der Stimme enthalten sollte. Dem Außenminister ging selbst das zu weit. E r strich den Vorschlag wieder, weil er die amerikanische Handlungsfreiheit — in welch geringem Maße immer — beschränkt hätte 3 9 . Interessanterweise konnte sich aber Cordell Hull damit nicht durchsetzen. Eine so starre Betonung der Großmacht-Prärogativen stieß selbst im Congress auf Widerstand, weil sie die Bedenken der kleineren Staaten in die Höhe getrieben und die Annahme der Charta gefährdet hätte. Die Meinung der Öffentlichkeit wie der Legislative war also hier fortschrittlicher als die des professionellen Diplomaten. Hinzu kam, daß sich die Sowjetunion zu dieser Zeit für ein uneingeschränktes Veto der Großmächte ausgesprochen hatte, so daß sich die Formel Hulls in den Augen der amerikanischen Öffentlichkeit wie der W e l t als eine Konzession an Moskau ausgenommen hätte. Diesen Gründen, denen gravierende Nachteile wahrlich nicht entgegenstanden, ist es zu verdanken, daß im JaltaFormular und in der Charta (Art. 27, 3) alle Mitglieder des Sicherheitsrates bei der friedlichen Regelung von Streitigkeiten zur Stimmenthaltung verpflichtet wurden, wenn sie in einen solchen Fall verwickelt waren 4 0 . H ä t t e sich die Ansicht Hulls durchgesetzt, wäre die Position Washingtons mit der Moskaus auch in dieser Frage identisch gewesen. Als sich gegen Kriegsende die Kontroversen mit der Sowjetunion über Osteuropa deutlicher abzeichneten, gingen die U S A unter Führung Vandenbergs, der sich noch 1943 in erster Linie um die totale Entscheidungsfrei37
Eine Umfrage von Associated Press im April 1943 stellte fest, daß 21 Senatoren
sich für diese Resolution, 32 dagegen aussprachen. Vandenberg, Papers, S. 47. 38
Russell, UN Charter,
S. 251.
Ibidem, S. 273. 40
Vgl. die Unterlage des Außenministeriums für die Konferenz von
Department of State, Malta and Jalta Conferences,
S. 86—88.
Jalta
in:
Das Element der
Souveränität
75
heit der USA gekümmert hatte 41 , noch einen kleinen Schritt weiter. Das sogenannte Vandenberg-Amendment (Art. 14 UN-Charta) kompensierte das Übergewicht der Großmächte im Sicherheitsrat mit dem Recht der Generalversammlung, Maßnahmen zur gewaltlosen Änderung von Zuständen, die das Allgemeinwohl oder die freundlichen Beziehungen zwischen den Nationen schädigen könnten, zu empfehlen 42 . Die Zukunft hatte ihre Schatten vorausgeworfen und die völkerrechtlichen Prärogativen zugunsten der politischen Möglichkeiten etwas abgedunkelt 43 . Von der Stimmenthaltung unter Artikel 27, 3 abgesehen, hatten die USA jedoch „jedes wesentliche Attribut ihrer Souveränität behalten" 44 . Dieser Gesichtspunkt stand im Vordergrund der Senatsdebatte, wie er im Vordergrund aller vorhergehenden Besprechungen zwischen Senatoren und dem Außenminister gestanden hatte. Die mögliche Beschränkung amerikanischer Handlungsfreiheit hatte den Senat seinerzeit vor dem Völkerbund zurückschrecken lassen. Diesmal konnte Senator Capper, Republikaner aus Kansas, der 1920 gegen den Eintritt in die Liga gestimmt hatte, befriedigt konstatieren, daß die Absichten, die der Senat in den Reservationen zum Völkerbundsvertrag verfolgt hatte: die Handlungsfreiheit und die Souveränität der USA ungeschmälert zu wahren, von der Charta bereits berücksichtigt seien45. Was auf diesem Gebiet übrigblieb, war lediglich das die Beziehungen zwischen Legislative und Exekutive berührende Problem, ob und inwieweit der amerikanische Vertreter im Sicherheitsrat, indem er für einen Einsatz der internationalen Truppe stimme, die USA praktisch in einen Krieg verwidkeln könne, ohne daß der Congress, wie es ihm laut Verfassung zusteht, zuvor den Krieg erklärt hätte. An diese Schwierigkeit klammerten sich — mangels besserem — alle diejenigen, die dem Projekt der internationalen Zusammenarbeit nur mit halbem Herzen zustimmten. In der Ratifizierungsdebatte der U N - C h a r t a blieb das Problem allerdings noch im Hintergrund; es wird erst bei der Debatte über das Ausführungsgesetz, die United Nations Participation Act, im Dezember 1945 ausdrücklich zur Sprache kommen 46 . 41
Vandenberg, Papers, S. 35, 57.
42
Russell, UN Charter, S. 75 ff., bes. S. 758 ff.
4S
Vgl. die Rede Vandenbergs im Congress am 29. Juni 1945, nadi seiner Riickkehr aus San Francisco, CR 91, 5, 6983. 44
Vandenberg bei der Ratifikationsdebatte im Senat, 24. Juli 1945, CR 91, 6, 7956.
45
Sen. Capper, R, Kans., Foreign Relations, 26. Juli 1945, CR 91, 6, 8087.
46
P. L. 264, 79/1, 59 Stat. 583.
76
J. Politische
Das Element der
Absichten
Unabhängigkeit
Die Souveränität, die sich die USA in ihrer Mitarbeit an der internationalen Organisation vorbehalten hatten, wurde ergänzt dadurch, daß Dinge, an denen die USA in ihrer Außenpolitik vital interessiert waren, explizit oder implizit der Kompetenz der U N entzogen wurden. Als besonders spektakulär ragt hier der ausschließlich auf Betreiben des Congress zustandegekommene Beschluß der USA hervor, in San Francisco nicht, wie geplant, sofort dem Internationalen Gerichtshof beizutreten, sondern es jedem Land freistellen zu lassen, den Beitritt durch ein besonderes, Einschränkungen ermöglichendes Gesetz zu erklären 47 . Der Senat litt noch immer an dem Trauma, das er sich bei der jahrelangen vergeblichen Beratung des Statuts des Ständigen Internationalen Gerichtshofs des Völkerbunds zugezogen hatte. Er rang sich erst 1946 dazu durch, den Beitritt zum Gerichtshof zu ratifizieren, und zwar unter Kautelen, die seine Empfindlichkeit in Sachen nationaler Souveränität überdeutlich zu Schau stellten. Bedeutsamer als dieser Komplex gestaltete sich aber das Schicksal der von den Amerikanern im Krieg eroberten japanischen Mandate und Inseln im Pazifik. Hier ging es um Dinge, die spezifisch in die Kompetenz einer internationalen Organisation gehört hätten. Der Völkerbund hatte die von den Alliierten dem Gegner abgenommenen Gebiete nicht dem Sieger direkt, sondern einem Mandatssystem unterstellt und dabei wenigstens den Gedanken versinnbildlicht, daß die abhängigen Gebiete einst der Selbständigkeit zugeführt werden sollten. Aus ihrer Geschichte hatten die USA den Impuls mitbekommen, diese Entkolonisierung zu fördern; sie waren in Kuba und bei den Philippinen mit eigenem Beispiel vorangegangen. Der dritte Punkt der Atlantik-Charta respektierte das Recht aller Völker, ihre Regierungsform zu wählen, und versprach Souveränität und Selbstregierung denen, die ihrer mit Gewalt beraubt worden waren. In den Augen der amerikanischen Leitung galt dies für alle und nicht nur für die von der Achse besetzten europäischen Länder 48 . Im Sinne dieser Grundhaltung, die seit jeher populär war, hatte die unter der Leitung von Sumner Welles entworfene Draft Constitution vom 14. Juli 1943 in Artikel 12 vorgesehen, daß alle Territorien, die sich nicht selbst regierten und dazu auch noch nicht fähig waren, unter die Treuhandschaft der internationalen Organisation gestellt werden sollten49. Dieser 47
Vgl. Vandenberg bei der UN-Ratifikationsdebatte, 27. Juli 1945, CR 91, 6, 8108.
48
Hull, Memoirs,
49
Text in: PFPP, S.481.
II, S. 1478.
Das Element der
Unabhängigkeit
77
kühne, gewiß drastische Vorschlag wurde von Hull alsbald desavouiert. Der Außenminister wußte, daß Großbritannien und Frankreich niemals ihre Kolonien der Organisation überantworten würden; er wußte, daß auch die USA in bezug auf die von ihnen beherrschten Gebiete dazu nicht bereit sein würden. Schon im November 1942 hatte Hull daher dem Präsidenten vorgeschlagen, zwischen Kolonien auf der einen, Völkerbundsmandaten und von den Feindstaaten abzulösenden Gebieten auf der anderen Seite zu unterscheiden und nur die zweite Gruppe unter die Treuhandverwaltung der Organisation zu stellen50. Dieser Rückzug von einer großen Idee beließ immerhin noch einen beachtlichen Teil des Problems in der Zuständigkeit der Vereinten Nationen, einen Teil außerdem, bei dem die USA auf Grund ihrer Eroberungen im Pazifik ein gewichtiges Wort in die Waagschale zu legen hatten. Aber der ersten Konzession folgte alsbald die zweite, entscheidendere. Unter dem Druck des Generalstabs 51 und bestimmter Kreise des Congress wichen Außenministerium und Präsident von dem Treuhandschaftsprinzip weiter zurück. Übrigblieb schließlich eine leere Formel, die die japanischen Mandate verbal einer amerikanischen UN-Treuhandschafl, de facto einer amerikanischen Herrschaft überstellte. In dem Moment, in dem direkte strategische Sicherheitsinteressen der USA auf den Plan traten, mußten die Möglichkeiten, die die kollektive Organisation bot, das Feld räumen. Die amerikanische Treuhandschaft über die pazifischen Inseln ist darum nicht im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen, sondern in dem der Gewährleistung der Sicherheit mit herkömmlichen eigenen Mitteln darzustellen. Die Westliche Hemisphäre, unmittelbare Sicherheitszone der USA, wurde ebenfalls gegen die internationale Organisation abgeschirmt. Das Interamerikanische System war auf der Konferenz von Mexico City (15.2. bis 8. 3.1945) neu befestigt und in der Act of Chapultepec in Richtung auf eine gegenseitige Beistandsorganisation ausgebaut worden. Anlaß dazu waren mehr die innerhemisphärischen, aus den amerikanisch-argentinischen Spannungen entstandenen Sorgen als außerhemisphärische Bedrohungen gewesen. Die zentrale Weltorganisation, die wenig später in San Francisco gegründet werden sollte, schien jedoch diesen regionalen Ansatz prinzipiell in Frage zu stellen. 50 51
Ibidem, S. 110.
Vgl. etwa das Memorandum Stimsons an H u l l vom 23. Januar 1945 in: Department of State, Malta and Jalta Conferences, S. 78—81.
78
3. Politische
Absichten
In Washington neigte man mehr zur Zentralorganisation, weil das Regionalprinzip, sollte es sich durchsetzen, den Einfluß der USA in den anderen Teilen der Welt gefährdete 52 . Ihre Interessen in der Westlichen Hemisphäre würden die USA, sollte es hart auf hart kommen, notfalls schon gegen den Sicherheitsrat behaupten können. Aber wie sollten sie in Asien oder im Nahen Osten einwirken, wenn solchen Regionen die Möglichkeit eingeräumt würde, ihre Angelegenheiten autonom zu regeln? Demgegenüber drängten die lateinamerikanischen Staaten aus den gleichen, nur seitenverkehrten Gründen darauf, dem Interamerikanischen System eine Sonderstellung in der kollektiven Organisation zu verschaffen; auf diese Weise konnten sie als kleine Staaten den Einfluß regionfremder Sicherheitsratmitglieder wenigstens mediatisieren 53 . Den Ausschlag in diesem Interessenkonflikt gab schließlich Senator Vandenberg, der mit einer Reservation des Senats drohte, wenn das Interamerikanische System als Ausdruck der traditionellen Monroe-Doktrin nicht aus der Kompetenz der internationalen Organisation herausgenommen werden würde 54 . Vandenberg setzte sich durch; das Recht der Selbstverteidigung, implizit ohnehin in allen Plänen enthalten, mußte jetzt dazu herhalten, explizit das regionale Prinzip zu legitimieren; es schwächte den universalen Charakter der Organisation. Ein weiterer Teil amerikanischer Interessen war damit praktisch der Kompetenz der Vereinten Nationen entzogen worden. Die Souveränität, die sich die USA der internationalen Organisation gegenüber vorbehielten, besaß hier also nicht, wie bei den wirtschaftlichen Vereinbarungen, lediglich den gewohnten völkerrechtlichen Aspekt, war nicht nur darauf gerichtet, die amerikanische Handlungsfreiheit in jedem Fall zu erhalten. Der Herrschaftsanspruch ging weiter, umklammerte Sektoren, die territorial nicht ohne weiteres unter ihn fielen, und reklamierte Kompetenzen, die mit der Idee der Kollektiven Sicherheit nicht ohne weiteres zu harmonisieren waren. Die USA dehnten den Platz, der ihnen in den U N zufiel, also beachtlich aus, schufen oder reservierten sich politische Felder, auf denen sie exklusiv oder doch wenigstens bevorzugt handeln konnten. Die ziselierten Formulierungen der Artikel 52 und 80, 82, 83 der U N - C h a r t a verbergen nicht, daß sie im Grunde Reserven der amerikanischen Großmacht darstellen. 52 Vgl. die Analyse des Außenministeriums für Präsident Truman, mitgeteilt bei Russell, UN Charter, S. 697. 53
Campbell, United
54
Vandenberg, Papers, S. 187 f.
States in World Affairs,
1945-1947,
S. 215.
Das Element des Einflusses
79
Das Element des Einflusses In diesen Vorbehalten reflektiert sich, daß die USA das andere Element ihrer Mitarbeit am Kollektiven Modell, den amerikanischen Einfluß, in den Vereinten Nationen nicht so absichern konnten wie bei den Wirtschaftsorganisationen. Die ökonomische Präponderanz, die ihnen dort das erste W o r t zufallen ließ, fand hier kein Äquivalent, das entsprechend gewichtig gewesen wäre. Natürlich waren die USA nach dem Kriege die stärkste Großmacht, wirtschaftlich wie militärisch; sie befanden sich auf dem Wege, die Atombombe zu verbessern, die ihnen auf Jahre hinaus die Stellung eines Weltschiedsrichters verschaffen konnte; und die wirtschaftliche Misere in allen europäischen Ländern richtete viele Augen nach Washington. Aber Elemente, die in einem Kooperationszusammenhang mit Gewißheit die amerikanischen Interessen schützen würden, ließen sich daraus nicht ohne weiteres entwickeln. Selbstverständlich hatten die USA von Anfang an alle Chancen wahrgenommen, die ihnen aus ihrer Initiative erwuchsen. Sie wußten, daß sie „die Errichtung jeder internationalen Organisation stark beeinflussen konnten" 5 5 ; praktisch hatten sie deswegen die Charta entworfen. Aber besondere, ausschließlich amerikanische Einflußmöglichkeiten erwuchsen eigentlich nur daraus, daß das Hauptquartier der Vereinten Nationen in den USA und nahe der amerikanischen Hauptstadt errichtet wurde. Zunächst scheint man sich in Washington um den Sitz der Organisation nicht einmal sonderlich gekümmert 56 , seine mögliche Bedeutung sogar erst später gewürdigt zu haben. Der amerikanische Delegierte enthielt sich dann zwar der Stimme, als im Exekutivkomitee der UN-Vorbereitungskommission am 3. Oktober 1945 darüber abgestimmt wurde, ob der ständige Sitz der Organisation in den USA errichtet werden sollte57. Aber das war nur politischer Takt, nicht politische Meinung. In Washington war man zu diesem Zeitpunkt entschlossen, und in der amerikanischen Öffentlichkeit machte sich die starke Neigung bemerkbar, die Vereinten Nationen einzuladen, ihren Sitz in den Vereinigten Staaten zu nehmen. Die amerikanischen Gouverneure sprachen sich auf ihrer Konferenz im Juli 1945 dafür aus und der republikanische Abgeordnete Case machte 55
Hull, Memoirs, II, S. 1634.
56
Vgl. das Memorandum von Stettinius für Roosevelt vom 15. November 1944 in: Department of State, Malta and Jalta Conferences, S. 53—54. 57
Presseerklärung des Vorsitzenden des Exekutivkomitees, Gromyko, vom 3. Oktober 1945, DoSB, XIII, 329, 14. Oktober 1945, S. 563.
80
3. Politische Absichten
diesen Gedanken zum Gegenstand einer entsprechenden Congress-Resolution. E r brachte sie indes nicht ein, weil er nach dem Beschluß des E x e kutivkomitees der UN-Vorbereitungskommission glaubte, alles sei bereits geregelt und es bedürfe keiner legislativen Initiative. D a s w a r
aber
keineswegs der Fall. England, Frankreich und H o l l a n d leisteten vielmehr energischen Widerstand.
Sie wußten, was der geographische O r t der
Organisation politisch bedeutete, und sie wollten diesen Vorteil für sich und Europa nutzen. D i e drei Staaten hatten darum im Exekutivkomitee dagegen gestimmt, daß das U N - H a u p t q u a r t i e r in den Vereinigten Staaten errichtet wurde. V o n den arabischen Staaten unterstützt, opponierten sie auch auf der Sitzung der Vorbereitungskommission im Dezember 1 9 4 5 in London. Als sie aber damit argumentierten, daß die U S A die U N nicht offiziell eingeladen hätten, reagierte der Congress sehr rasch. Case zog am 10. Dezember 1 9 4 5 seine Einladungsresolution wieder hervor und brachte sie dem Auswärtigen Ausschuß, dessen Vorsitzender sie noch am gleichen T a g vom Haus verabschieden ließ. D e r Senat folgte am nächsten T a g ohne jede Debatte 5 8 . Vier T a g e später, am 15. Dezember, entschloß sich die Vorbereitungskommission in London, die amerikanische Einladung anzunehmen. D i e Entscheidung w a r gefallen. M a n wird die politischen Möglichkeiten, die sich für die U S A daraus ergaben, daß die Vereinten Nationen in N e w Y o r k domizilierten, nicht unterschätzen dürfen. Das Weltzentrum bildete für die Großmächte den O r t , an dem sich alle Ereignisse auf der E r d e erfassen und beeinflussen, vielleicht sogar regeln ließen. Diese Möglichkeit mußte sich für diejenige Großmacht, die sie infolge der räumlichen N ä h e ständig und mit dem A u f gebot beliebig vieler Diplomaten nutzen konnte, um ein Vielfaches potenzieren. Es ist ein Unterschied, ob man die internationale Organisation über Tausende von Kilometern mit einer Delegation beschicken muß oder ob man die U N sozusagen im Hause hat. G a n z abgesehen davon, daß das Bewußtsein der Delegationen und des internationalen Personals durdi die gesellschaftliche und politische U m w e l t , in der sie arbeiten, beeinflußt wird. Führungsinstrumente dieser Art sind allerdings außerordentlich schwach und unzuverlässig. Es gab nur ein einziges Medium, den amerikanischen Einfluß in den U N kräftig und mit der Aussicht auf Dauer zu installieren, ein Medium, das sich bei einer internationalen Organisation geradezu an58
H . Con. Res. 75, verabschiedet im Haus am 10. Dezember 1945, C R 91, 9, 11748;
im Senat am 11. Dezember 1945, CR 91, 9, 11787. Einzelheiten nach Rep. Case, R , S. Dak., Appropriations, 10. Dezember 1945, C R 91, 9, 11748.
Das Element des Einflusses
81
bot: den Mehrheitsbeschluß. Er hätte auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Graden stärker etabliert werden können, als es geschah, und hätte dann den amerikanischen Einfluß erheblich vermehrt. Von einer solchen Konstruktion der U N wurden jedoch die U S A aus zwei Gründen, einem objektiven und einem subjektiven, abgehalten. Der objektive Grund lag im universalen Ausmaß der geplanten Organisation. Auf dieser Ebene ist der Konsens, der erwartet werden kann, praktisch gleich Null. Ohne einen solchen Konsens, der zumindest sicherstellen muß, daß die Teilnehmer sich ihre Existenz gegenseitig verbürgen, kann eine Großmacht, sofern sie es ernst meint, auf ihre Entscheidungsfreiheit nicht zugunsten von Mehrheitsbeschlüssen verzichten. Hinter dieser von der Situation der Staatengesellschaft vorgegebenen Barriere tauchte aber sofort eine zweite auf: die manifeste Abneigung des amerikanischen Nationalstaates gegen jede Souveränitätseinbuße. Sie war bei den wirtschaftlichen Organisationen kompensiert worden durch die Bereitschaft der anderen Teilnehmer, um der amerikanischen Finanzhilfe willen einen einseitig amerikanischen Einfluß in Kauf zu nehmen, der auf administrativem, nicht auf verfassungsmäßigem Wege einwirkte. Bei der politischen Organisation hätte ein solcher maßgebender Einfluß nur mit Hilfe des Mehrheitsprinzips entwickelt werden können—im Grunde war dies sogar die adaequate Methode. Ihre Anwendung wurde a priori durch das Souveränitätsbewußtsein des amerikanischen Nationalstaates verhindert. Im Falle der Vereinten Nationen wurde dieses subjektive Element durch das objektive weitgehend verdeckt. Es mußte aber sofort sichtbar werden, wenn der objektive Grund entfiel, wenn es sich nicht mehr um eine universale, sondern um eine kleinere, regionale Organisation handelte. Dann wird sich zeigen, daß das Prinzip der nationalstaatlichen Souveränität jener anderen Bedingung der amerikanischen Kooperation, dem Einfluß, hindernd entgegenstand und zu einem für die amerikanische Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg spezifischen Dilemma führte. Für die Legislative — das bestätigte die Ratifikation der UN-Charta 5 9 zur Genüge — stand die Sicherung der Souveränität im Vordergrund. Die gesetzgebende Gewalt übt ihre originäre Aufgabe in der Außenpolitik, durch Kontrolle die Ambitionen der Exekutive zu hemmen, auch dann aus, wenn diese Ambitionen fortschrittlich sind. Kontrollieren heißt in der » Beratungsdaten im Senat: 2 3 . - 2 8 . Juli 1945, C R 91, 6, 7 9 4 1 - 7 9 4 6 ,
7967-8004,
8008—8041, 8059—8093, 8095—8133, 8142—8143, 8151—8190. Zitate, wenn nicht anders vermerkt, bis auf weiteres aus dieser Debatte. 6
Czempiel
82
3. Politische
Absichten
Politik häufig, das, was sich entwickelt, an dem zu messen, was etabliert ist oder angestrebt wird; die konservative Wirkung des amerikanischen Congress in der Außenpolitik liegt hierin begründet. Das Leitbild im Haus und im Senat war, trotz aller Rhetorik, noch immer der unabhängige, sich selbst realisierende und nur auf diese Weise die Welt bereichernde amerikanische Nationalstaat, den es ungeschmälert zu erhalten galt. Die Aktionen des Congress bildeten Variationen über dieses Grundmotiv, das bei den einen kooperativ, bei den anderen unilateral klang. Das Thema selbst blieb unverändert. Es wurde, von einigen Nebentönen abgesehen, bei der Behandlung von ,Executive F , dem Ratifizierungsgesetz der Charta der Vereinten Nationen, rein ausgeführt.
Die Charta und der Senat Die Debatte im Senat glich eher einer Dokumentation als einer Diskussion. Die Pflege, die Hull dem Senat hatte angedeihen lassen, die Rücksicht auf dessen conditiones sine qua non, die intensive Vorbereitung der öffentlichen Meinung hatten schon dafür gesorgt, daß die Charta akzeptiert worden war, noch ehe sie diskutiert wurde. Sogar die unerhörte Idee konnte geäußert werden, der Senat möge die Hearings als überflüssig ausfallen lassen und sofort mit der Diskussion beginnen 60 . Wenigstens setzte der Auswärtige Ausschuß schon die Termine der Hearings fest, bevor noch Präsident Truman am 2. Juli 1945 die Charta mit einer persönlichen Ansprache dem Senat übergeben hatte 6 '. Die Hearings dauerten vom 9. bis zum 15. Juli und gestalteten sich zu einer fast einmütigen Demonstration der Zeugen für die Charta. Chairman Connally sorgte dafür, daß die Verhandlungsprotokolle jeweils schon in der Nacht gedruckt und am Morgen den Senatsmitgliedern zugeleitet wurden. Die Debatte, die am 23. Juli begann, nahm nur deswegen eine Woche in Anspruch, weil fast sämtliche Senatoren ihre Ansicht zum politischen Instrument der U N äußerten und außerdem die meisten, wie so häufig, ihre Reden nicht rechtzeitig vorbereitet hatten. Obwohl es zu keinerlei politischen Auseinandersetzungen kam, die Sonne der Einmütigkeit vielmehr so ostentativ über dem Senat strahlte, daß die Opposition geradezu vermißt wurde 62 , schattierten sich in dieser Inauguraldebatte für die Nach60 Sen. Overton, D, La., Manufactures, Chairman, 28. Juni 1945, C R 9 1 , 5, 6 9 1 6 bis 6920. 61
2. Juli 1945, CR 91, 6, 7 1 1 8 - 7 1 1 9 .
®2 Vgl. etwa Sen. Fulbright, D, Ark., Banking and Currency, C R 91, 6, 7962.
Die Charta und der Senat
83
kriegszeit die verschiedenen Positionen schon recht deutlich ab. Als unbeirrbare Isolationisten traten nur die Republikaner Langer (North Dakota) und Shipstead (Minnesota) auf; der dritte, Hiram W. Johnson von Kalifornien, lag schwerkrank im Hospital. Für diese kleine Gruppe bedeutete die Charta nach wie vor die große Verirrung, die das Schiff der amerikanischen Republik im Fahrwasser fremder Mächte in die Strudel der Weltpolitik steuerte. Langer lehnte jegliches Engagement der USA außerhalb der "Westlichen Hemisphäre ab, wobei er sich, unbekümmert um die veränderte weltpolitische Lage, auf die traditionellen Argumente berief 63 . Shipstead, der die amerikanischen Verpflichtungen in Ubersee theoretisch anerkannte, brachte das andere Element der isolationistischen Position herbei: die absolute Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit. Die Charta bedeutete für ihn das Ende der USA als unabhängige Nation 64 , das Ende auch der in seinen Augen immerhin noch realen Möglichkeit, sich von der "Welt zurückzuziehen. Langer und Shipstead drückten jene Position aus, die, wie weit immer sie rhetorisch in der Anerkennung der neuen Weltlage gehen mochte — und das war nie sehr weit—, doch stets die alte Antwort der Diastase gab. Diese beiden Senatoren votierten zwar als einzige gegen die Charta; sie waren aber keineswegs die einzigen Gegner, bildeten vielmehr nur die äußerste Flanke der Opposition. Die anderen stimmten für die Ratifikation, teils, weil sie jetzt nicht gegen den starken Strom der öffentlichen Meinung anschwimmen wollten und sich dafür die bessere und wichtigere Gelegenheit des kommenden Ausführungsgesetzes vorbehielten, teils, weil sie einfach nicht in der Lage waren, ein entsprechend ausgefeiltes Gegenkonzept vorzubringen. Sie beschränkten sich darauf, den hohen Preis, den die USA zu zahlen hatten, herauszustellen und zu beklagen. Sie operierten in der Debatte mit den beiden unleugbaren Kardinalschwächen der Charta: der drohenden Befestigung des Status quo und der unberechenbaren, mittels der Charta nicht korrigierbaren zukünftigen Politik der Sowjetunion. Der Status quo und das nicht gelöste, nur angedeutete Problem des peaceful change waren traditionell neuralgische Punkte. Sie hatten schon beim Völkerbundsvertrag, der mit dem Versailler Frieden verknüpft worden war, im Senat ihre Dienste geleistet; sie hatten bei den Beratungen
6*
63
CR 91, 6, 8189.
44
CR 91,6, 8117.
84
3. Politische Absichten
Hulls mit dem Committee of Eight erneut eine Hauptrolle gespielt 65 ; sie stellten angesichts der Osteuropapolitik der UdSSR aber auch angesichts der britischen Haltung gegenüber Ägypten 66 eine Dauerbelastung für eine Politik dar, die beanspruchte, für Gerechtigkeit und Selbstbestimmung einzutreten. Beides ließ sich gegen die Charta ins Feld führen, aber wer es tat, hätte seinerseits einen anderen, besseren Weg zeigen müssen, diese Probleme zu lösen. Das Veto zu beklagen, weil es Frieden und Sicherheit von der Gerechtigkeit trennte 67 , stand gerade Senator T a f t und seiner Gruppe schlecht an: sie wären wohl die letzten gewesen, die Mehrheitsbeschlüsse im Sicherheitsrat akzeptiert hätten. Daß der Rat in erster Linie opportunistisch und nicht gerechtigkeitsorientiert verfahren würde, daß die gesamte Organisation mehr darauf gerichtet war, keinen Konflikt aufkommen zu lassen, als Unrecht zu beseitigen, war klar. Aber Abhilfe konnte nicht dadurch geschaffen werden, daß man die Charta ablehnte, sondern daß man sie verbesserte. Diesen Weg versuchte Vandenberg, das außenpolitische H a u p t der republikanischen Senatsfraktion, zu gehen. Vandenberg hatte sich erst vollen Herzens zur internationalen Organisation bekannt, als Stettinius ihm versicherte, daß jeder Friedensvertrag später vor die Vereinten Nationen gebracht werden könnte 68 . Er hatte sich in San Francisco in dem nach ihm benannten Amendment dafür eingesetzt, daß die Kompetenzen der Generalversammlung in dieser Richtung vergrößert würden, damit den statischen Tendenzen des Sicherheitsrats entgegengewirkt werden könne. In der Tat war hier ein Mittel geschaffen worden, das angesichts des Zustands der internationalen Gesellschaft dem Ziel angemessen war. Bei T a f t hingegen blieb die Gerechtigkeit reine Forderung, und es zeigte sich bald, daß sie im Grunde nur das Gespann f ü r einen Wagen bildete, in dem ganz andere Ziele befördert wurden. Tafts Amendment zur Participation Act im Dezember 1945, das es dem amerikanischen Delegierten zur Pflicht machen wollte, nur für gerechte Lösungen zu stimmen 69 , wurde ,s
Vgl. etwa die Sitzungen vom 2. und 12. Mai 1944. Hull, Memoirs, II, S. 1660 ff.
•• Der Suez-Kanal wie die Selbständigkeit Syriens und des Libanons wurden vom Abgeordneten Dirksen, R, III., Appropriations, als einschlägige Beispiele in seiner Kritik der Charta erwähnt. Dirksen sprach während der Beratung eines Nachtragshaushalts am 27. Juni 1945, CR 91, 5, 6838-6842. «7 So Sen. Taft, CR 91, 6, 8153. ,8 Sitzung des Committee of Eight mit Stettinius am 24. November 1944. Vandenberg, Papers, S. 122.
«» Text abgedruckt CR 91, 8, 11036.
Die Charta und der Senat
85
von ihm selbst als Mittel interpretiert, die „unbegrenzten" Vollmachten, die das Gesetz dem Präsidenten verlieh, in milder Form zu beschränken70. Von hier aus fällt Licht auch auf die Haltung der Taft-Gruppe zur U N Charta. Ihre Forderung nach Gerechtigkeit war nicht progressiv-inhaltlicher, sondern retardierend-instrumentaler Natur. Das gleiche gilt von dem Hinweis der Gruppe auf die Sowjetunion. Diese Gegner konnten das Thema hochspielen, weil ihm die Anhänger der Charta peinlichst auswichen. Senator Wheeler bot eine sehr realistische Analyse der Sowjetpolitik und der Chancen der internationalen Kooperation 71 . In Europa sei ein Vakuum entstanden, das die Sowjetunion geradezu zwangsläufig ausfüllen müsse. Im Fernen Osten werde die Forderung nach unbedingter Kapitulation Japans Moskau einladen, in den Fußtapfen des zerstörten Inselreichs Nordchina, die Mandschurei und Korea unter seine Herrschaft zu bringen. Mit prophetischer Intuition schloß Wheeler aus dieser Analyse, daß die Charta von San Francisco zwar den Anfang internationaler Zusammenarbeit markiere, aber gleichzeitig auch ihr Ende72. Audi hier war die Absicht der Kritik nicht mit ihrem Inhalt identisch. Was bot Wheeler als bessere Alternative zu den UN? Den Krieg gegen die Sowjetunion, der eigentlich logisch hätte folgen müssen? Er lehnte ihn ab. Die Isolation? Wheeler wußte, daß seit 1935 zehn entscheidende Jahre vergangen waren. Er wollte, daß das amerikanische Volk nicht Dinge unterschreibe, die es nicht gutheißen könne73. Aber auch daraus ergab sich kein anderer Ansatz. Seine eigenen Argumentationsreihen führten ihn schließlich dazu, die Charta zu akzeptieren, weil keine anderen, besseren Möglichkeiten zu sehen seien74. Jedoch schon die nächste Gelegenheit wird zeigen, daß Wheelers Skepsis nur die Ablehnung der Charta übertünchte. Wie er und Taft verfuhren noch die Republikaner Moore (Oklahoma), Revercomb (West Virgina) und Wherry (Nebraska). Daß sie nicht gegen die Vereinten Nationen stimmten, hatte Ursachen, die nicht in der Sache begründet waren. Das Gros des Senats entschied für die Charta, weil sie ein brauchbares Instrument darstellte, das verhältnismäßig billig zu haben war. Die Sena70
Sen. Taft bei der Beratung der United Nations Participation Act, 28. November 1945, CR 91, 8, 11083-11085. 71 CR 91, 6, 7973-7994. 72 Ibidem, 7985. 75 Ibidem, 7981. 74 Ibidem, 7992.
86
3. Politische Absiebten
toren wußten, daß man mehr als Hoffnungen in die Organisation nidit setzen durfte; sie wußten aber auch, daß ohne die U N nicht einmal diese Hoffnungen existieren würden. Auf diesen Ton waren die Beiträge der meisten Befürworter gestimmt. Zusätzlich rührten republikanische Mitglieder des Marine- und des Militärausschusses noch eine Saite an, die bei allen Senatoren stumm mitschwang: wie notwendig es für die USA sei, gerüstet zu sein und starke strategische Positionen zu besitzen75. D a ß noch weitere Vorbehalte bei dieser Hauptgruppe bestanden, zeigte sich erst bei der Participation Act, als acht republikanische Senatoren für das Taftsche Gerechtigkeits-Amendment votierten 76 . Aber diese Reserven waren vorläufig nur latent, verhinderten nicht, daß die Betreffenden f ü r die Charta wie für ihre Ausführung stimmten. Am linken Flügel der Befürworter läßt sich eine weitere Gruppierung erkennen; ihr ging die Charta nicht weit genug. Dazu gehörten die Autoren der B 2 H 2 -Resolution 77 , ferner die Senatoren Pepper und Fulbright. Ihre Kritik richtete sich nicht so sehr gegen das Veto — dieser Punkt wurde nur epilogisch erwähnt — als vielmehr gegen die weitergehenden kleinen Schwächen der Charta, wie die Treuhandschaftsbestimmungen und das Statut des Internationalen Gerichtshofs; sie vermuteten hinter diesen Schwächen anti-kooperative Tendenzen 78 . Zwar sah auch diese Gruppe ein, daß die USA strategische Basen, daß sie reale militärische Macht behalten müßten — vom Irrealismus der Idealisten kann gar keine Rede sein —, sie wandte sich aber dagegen, daß die USA diese Macht über das von der Sicherheit bestimmte Maß hinaus ausbauten 79 . Sie leitete die Notwendigkeit, mit anderen Nationen zusammenzuarbeiten, konkret davon ab, daß der Nationalstaat für sich allein seine Aufgabe, das Volk vor dem Krieg zu bewahren, nicht mehr erfüllen könne. Darum müßten übergeordnete Gremien gebildet werden, die diese Aufgabe jetzt zu übernehmen hätten 80 . 75 Wiley, CR 91, 6, 7965; Saltonstall, 8081; Maybank, 8088; Brooks, 8104; Willis, 8184; ferner audi der Demokrat Walsh, 8165. Walsh (Chairman), Willis, Brooks und Saltonstall gehörten dem Marine-, Maybank dem Militärausschuß an. Nur Wiley war Mitglied von Foreign Relations. 79 29. November 1945, CR 91, 9, 11167. Die acht waren: Brooks, 111., Willis, Ind., Young, N. Dak., Donnell, Miss., Ball, Minn., Bushfield, S. Dak., Stanfill, Ky., Millikin, Colo. 77
Vgl. Sen. Ball, CR 91, 6, 8107.
78
Ibidem, 8108.
79
Sen. Pepper, D, Fla., Patents, Chairman, Foreign Relations, CR 91, 6, 8072.
80
Sen. Fulbright, D, Ark., Banking and Currency, CR 91, 6, 7964.
Die Charta und der Senat
87
Im Grunde vertrat diese Gruppe also die originären Gesichtspunkte, die zum Modell der Kollektiven Sicherheit geführt hatten, — vermindert eben um die Abstriche, die das Modell, indem es ausgeführt wurde, erlitten hatte. Dieser linke Flügel wäre bereit gewesen, mit der Zusammenarbeit ernstzumachen bis hin zur Delegation von Kompetenzen an übernationale Organe. Er kritisierte aber vor allem, daß nicht einmal der ohne Souveränitätseinbuße mögliche Grad der Zusammenarbeit erreicht worden sei, weder in der Treuhandschaftsfrage noch in der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs. Im Senat standen sich in der UN-Frage also gegenüber: eine kleine Gruppe Progressiver; die Masse derer, denen die Charta so, wie sie war, behagte oder wenigstens nicht mißfiel; eine Anzahl latenter Gegner, die aus mancherlei Gründen erst bei der Participation Act offen oder offener hervortraten; und schließlich das Häuflein der Isolationisten. N u r diese Gruppe bekannte Farbe, als über die Charta abgestimmt wurde, die anderen Schattierungen gingen in dem allgemeinen „Ja" unter 81 . Das Ausführungsgesetz, die Participation Act, polarisierte die Positionen auf der rechten Seite schon schärfer, so daß das Meinungsgefälle im Senat deutlicher wurde. Die Isolationisten standen nun nicht mehr allein in ihrer Opposition gegen die Charta; zu ihnen fanden sich jetzt diejenigen, die zwar nicht isolationistisch, aber so stark gegen die internationale Zusammenarbeit eingestellt waren, daß sie dagegen stimmten — wie sie schon gegen die Charta hätten stimmen müssen. D a ß diese Opposition jetzt deutlich an den Tag treten konnte, zeigt die Richtung an, in der sich die Meinungen im Senat differenzierten; sie führte fort von der Internationalen Organisation, hin zu traditionellen politischen Methoden. Am Ende dieser Bewegung werden alle Positionen um ein Feld nach rechts verschoben sein: die Progressiven plädieren dann für die U N , wie sie ist; das einstige Gros verspricht sich innerlich so gut wie nichts mehr von der internationalen Organisation und hat sich anderen Methoden zugewandt; und die latenten Gegner vom Juli 1945 sind akute Widersacher geworden, die mit den Isolationisten zusammengehen. In der Participation Act beginnt sich jene Positionsverschiebung im Congress abzuzeichnen, die über die kommenden vier Jahre anhält und die Umstellung des amerikanischen Bündnissystems reflektiert. Ein Ausführungsgesetz zur U N - C h a r t a war erforderlich. Einmal mußten die amerikanischen Delegationen bei den verschiedenen Gremien der 81
8190.
Executive F wurde am 28. Juli 1945 mit 89:2:5 im Senat angenommen, CR 91, 6,
88
3. Politische
Absiebten
Vereinten Nationen und die gesetzliche Basis für ihre Finanzierung festgelegt werden; vor allem war die amerikanische Mitarbeit an der Friedenssicherung verfassungsmäßig zu regulieren. Der Sicherheitsrat besaß ja unter K,apitel V I I der Charta beachtliche Kompetenzen, deren Folgen f ü r die Mitgliederländer groß sein konnten. Die Vorlage S. 1580 autorisierte zunächst den Präsidenten, die vom Sicherheitsrat beschlossenen nicht-militärischen Sanktionen auszuführen. Hinsichtlich der militärischen Maßnahmen sollte ein Vertrag mit dem Sicherheitsrat geschlossen werden, der freilich wiederum vom Congress genehmigt werden mußte. Das Gesetz gab dem Senat erneut und dem Haus zum erstenmal Gelegenheit, die internationale Organisation zu diskutieren 82 . Dabei kam es zu einer aufschlußreichen Akzentverschiebung. Auf Grund eines Antrags Senator Millikins, dem fast ein Drittel des Senats zustimmte, wurde die amerikanische Delegation bei der UN-Generalversammlung im Rang angehoben. Mit der erhöhten Bedeutung, die der Congress auf diese Weise der Generalversammlung zusprach, wollte er kollegial die UN-Legislative gegenüber der Exekutive würdigen, z u m anderen beruhte der Vorgang auch schon auf der Einsicht in die politischen Möglichkeiten, die die Generalversammlung als „die letzte Hoffnung der Welt" 83 gegenüber dem Sicherheitsrat bot. Der Auswärtige Ausschuß des Senats war von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Er hatte die amerikanische Vertretung bei der Generalversammlung — im Gegensatz zu denen beim Sicherheitsrat, beim Treuhandschafts- sowie Wirtschafts- und Sozialrat — mit wenigen Worten und keinem Salär abgetan, damit sicher auch die Absichten der Regierung getroffen 84 . Vorsitzender Connally tat ein übriges, indem er andeutete, man wolle vor allem Exponenten der öffentlichen Meinung zur Generalversammlung schicken, damit sie auf diese Weise populär werde 85 . Daß er die Generalversammlung so unverhüllt zu einem reinen Ausstellungsstück abwertete, 82
Beratungsdaten im Senat: 2 6 . - 3 0 . November, 3.—4. Dezember 1945. CR 91, 8, 10964-10979, 11013-11036, 11082-11118, CR 91, 9, 11159-11179, 11238-11248, 11296-11320, 11390—11409. Im Haus: 18.Dezember 1945, CR 91, 9, 12267-12288. Zitate, wenn nicht anders angegeben, bis auf weiteres daraus. 83
Sen. Tydings, D , Md., Territories and Insular Affairs, Chairman, CR 91, 9, 11318.
84
Vgl. den Entwurf der Vorlage in: Committee on Foreign Relations, S. Rp. 717, 79/1, 8. November 1945, on S. 1580, Providing for Appointment of Representatives of United States in Organs and Agencies of the United Nations, S. 1—3. Der Entwurf war mit dem Außenministerium abgestimmt worden, ibidem, S. 3. 85
CR 91, 9, 11317.
Kooperation und Organisation
89
kam Connally teuer zu stehen. Das Millikin-Amendment wurde zwar abgelehnt 86 ; aber der Auswärtige Ausschuß sah sich gezwungen, nachdem 27 Senatoren für den Antrag gestimmt hatten, dessen Inhalt praktisch in die Vorlage aufzunehmen87. Mit geringen Veränderungen durch das Repräsentantenhaus88 wurde sie in dieser Form Gesetz 89 . Der Congress hatte, vielleicht ohne sich aller Konsequenzen genau bewußt zu sein, den Aufbau der Vereinten Nationen ein wenig justiert. Beide Häuser verabschiedeten das Gesetz mit eindrucksvollen Mehrheiten 90 ; das politische Instrument, dem die Vereinigten Staaten ihre politischen Hoffnungen anvertrauen wollten, war fertiggestellt. Kooperation und Organisation Mehr als Hoffnungen hatte der Congress der internationalen Organisation nicht mitgegeben. Sie sollte lediglich als „Maschinerie" dienen, mit deren Hilfe internationale Streitigkeiten friedlich beigelegt werden könnten 91 . Vor die Wahl gestellt, ihre Sicherheit einer überstaatlichen, auf dem Mehrheitsprinzip beruhenden Organisation anheimzugeben oder sie in erster Linie selbst zu gewährleisten und sich zu diesem Zwedk der Möglichkeiten zu versichern, die eine auf dem Kooperationsprinzip arbeitende internationale Organisation bot, entschieden sich die USA alsbald für den zweiten Weg. Angesichts des sozialen und politischen Stands der internationalen Beziehungen blieb praktisch keine andere Lösung offen. Kritik kann erst jenseits dieser Linie und nur dort ansetzen, wo die USA ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit so weit abschwächten, daß nur noch die Form übrigblieb. Der andere Einwand: die USA hätten die Sowjetunion falsch eingeschätzt, trifft, soweit er auf die in die U N gesetzten Hoffnungen zielt, 86
27:31:38. C R 91, 9, 11320. Text des Amendments CR 91, 9, 11314.
Das Committee-Amendment wurde vom Senat mit voice vote angenommen, CR 91,9,11391. 67
8 8 Vgl. die Haus-Fassung des betreffenden Absatzes in: Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1383, 79/1, 12. Dezember 1945, on S. 1580, S. 4. 89
P. L. 264, 79/1, Text in DAFR VIII, S. 5 1 2 - 5 1 5 .
Im Senat verabschiedet mit 65:7:24, C R 91, 9, 11409. Im Repräsentantenhaus mit 344:15:72, CR 91, 9, 12288. 90
" Truman an den Congress, 16. April 1945, CR 91, 3, 3339. Vgl. auch Sen. Connally, der die U N als „Methode, den Frieden zu bewahren", bezeichnete. 26. November 1945, CR 91, 9, 10970.
90
3. Politische
Absichten
ins Leere. O b die amerikanischen Konzessionen in Jalta hätten vermieden werden können; ob es sinnvoll war, die Sowjetunion auf den asiatischen Kriegsschauplatz zu drängen, obwohl die USA die Atombombe bereits entwickelt hatten, gehört in einen anderen Zusammenhang. Die internationale Organisation war und blieb noch immer die einzige und beste Chance, jene indirekte und indistinkte Sicherheit auf universaler Basis zu gewährleisten, die ihr allein anvertraut wurde. N u r dieser Sicherheitsbegriff stand 1945 im Vordergrund. Es wurde zwar gesehen — wenngleich selten offiziell ausgesprochen —, daß die Sowjetunion der neue Gegenspieler der USA sein und sich die Auseinandersetzung nicht nur auf Machtansprüche erstrecken, sondern auch ideologischen Charakter tragen werde 92 . Die Formen des Ost-West-Konfliktes jedoch, die sich später entwickelten, ließen sich noch nicht erkennen. Aber selbst wenn dies möglich gewesen wäre, hätte sich dadurch am Nutzen der internationalen Organisation nichts geändert. Sofern der Ost-WestKonflikt die Sicherheit der USA direkt bedrohen würde, fiel er ohnehin nicht in den Aufgabenbereich, den die Vereinigten Staaten der Organisation zugedacht hatten, mußte also auf andere Weise bestanden werden. Da dieser Konflikt aber nie die ganze Erde erfassen konnte, deckte der universale Sicherheitsbegriff noch immer einen beachtlichen Teil der Welt. Für diesen Teil blieb die internationale Organisation wertvoll, ganz abgesehen von dem Nutzen, den sie als Meinungsforum oder gar als Kontaktstätte auch im Falle eines direkten Konflikts mit der Sowjetunion haben konnte. Wenn die USA nicht den ihnen aus Gründen des Interesses wie des Ideals gleichermaßen verschlossenen Weg unilateral-expansiver Weltdomination gehen wollten, etwa mit einem sofortigen Angriff auf die Sowjetunion 93 , bot sich die internationale Organisation nach wie vor als das am besten geeignete Werkzeug an. Sie barg Möglichkeiten, den amerikanischen Einfluß weltweit zur Geltung zu bringen, entweder über den Sicherheitsrat oder, vorzugsweise, über das eigene Schwergewicht der USA. Und sie bereitete so gut wie kein Risiko. Der Preis, den die USA für das kollektive Instrument zu zahlen hatten, bestand in der Verpflichtung, mit den anderen Nationen zusammenzuar82 Unter den Aspekten Gesellschaftsordnung und Regierungssystem wurde der Gegensatz zur Sowjetunion bereits von dem Vorsitzenden des Finanzausschusses, Sen. George, bei der Beratung der Reciprocal Trade Agreements Act analysiert. 12. Juni 1945, CR 91, 5, 5964. 93 Vor dieser Konsequenz wichen die Kritiker des Kooperativen Ansatzes sofort zurück: vgl. die gedankenreiche Auseinandersetzung zwischen den Senatoren La Follette, Fulbright und Barkley, 31. Mai 1945, CR 91, 4, 5315-5333.
Kooperation
und
Organisation
91
beiten. In erster Linie hieß das für die U S A als Großmacht, auf Gewaltanwendung zu verzichten. Der Entschluß dazu muß in seiner politologischen Bedeutung noch einmal hervorgehoben werden; er bezeichnet die außenpolitische Grundhaltung eines bürgerlich-republikanischen Regierungssystems in der Phase konsumorientierter Wirtschaft und kann von anderen Grundhaltungen anderer Systeme deutlich abgehoben werden. Richtung und Intensität der amerikanischen Interessen wiesen jetzt in die gleiche Richtung wie die amerikanischen Traditionen. Der Entschluß, ihnen zu folgen, war damit nicht zwingend, sondern nur leichter geworden. E r muß noch immer als politische Entscheidung gewertet werden, — im Lichte der Möglichkeit, daß auch radikal andere Ziele hätten verfolgt werden können.
4. R E C H T L I C H E
MÖGLICHKEITEN
D e r Schlagschatten der amerikanischen Souveränität fiel vor allem schwer auf die internationale Gerichtsbarkeit. Sie hätte eigentlich als ein vorzügliches Mittel im Rahmen der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten gelten müssen. Pazifizierung bedeutet, wie die Genesis der Staatengesellschaft zeigt, daß divergierende Ansprüche mehr und mehr nicht mit Gewalt ausgetragen, sondern friedlich ausgeglichen werden. Fortschritt heißt hier, Bereiche auszugliedern, in denen eine gemeinsame N o r m anerkannt. Politik durch Rechtsprechung ersetzt werden soll. Eben dieser Gedanke wurde in allen Reden und in vielen Überlegungen zur internationalen Organisation bemüht. Audi wenn feststand, daß das nur ein Wegweiser, nicht ein schon sichtbares Ziel war (die Grenze zu dem, das stets politisdi geregelt werden muß, ist kaum zu ziehen), hätte man doch erwarten können, daß die Mächte 1945 ein paar größere Schritte in dieser Richtung unternahmen. Das Haager Schiedsgericht und der Ständige Internationale Gerichtshof des Völkerbundes hatten sich anerkannt gut bewährt. Auf der Konferenz von San Francisco wurden viele Stimmen laut, die den bisher freiwilligen durch einen automatischen Beitritt zum Internationalen Gerichtshof ersetzen wollten 1 . Bezeichnenderweise forderten das die kleineren, vor allem 1 Vgl. etwa den Bericht des Unterausschusses D an den Ausschuß IV, 1, vom 31. Mai 1945 in UNCIO, Vol. XIII, S. 557—559. Zu den Einzelheiten des Statuts, seinen Problemen und Folgen vgl. die umfassende Arbeit von Rosenne, International Court of Justice.
92
4. Rechtliche Möglichkeiten
wieder die lateinamerikanischen Staaten. Sie sahen darin natürlich eine besondere Chance, ihre politische Minderstellung gegenüber den G r o ß mächten durch rechtliche Gleichstellung zu kompensieren und wenigstens eine Möglichkeit zu erlangen, sich bei der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten des Rechts gegen die Macht zu versichern. Sie unterlagen jedoch auf der Gründungskonferenz gegenüber den beiden Großmächten U S A und U d S S R , die in dieser Frage unter der Führung der U S A eine Interessengemeinschaft bildeten.
Gerechtigkeit
und
Handlungsfreiheit
D e r W i d e r s t a n d der Vereinigten Staaten gegen den Internationalen G e richtshof
kontrastiert eigentümlich mit dem amerikanischen Anspruch, für
Recht und Gerechtigkeit einzutreten. I m Senat wurde dieser Widerspruch besonders deutlich. Taft etwa wollte einerseits den amerikanischen V e r treter im Sicherheitsrat a u f die Gerechtigkeit verpflichten (s. o. S. 84), trat andererseits aber für das Connally-Amendment (s. u.) ein, womit die Entscheidung darüber, was rechtsfähig sei und was nicht, den U S A vorbehalten werden sollte. Etwas abgeschwächt gilt dasselbe für Senator Vandenberg, der sich in den Besprechungen im Außenministerium und mit dem nach ihm benannten Amendment sehr um die Gerechtigkeit sorgte, ebenfalls aber für den Antrag C o n n a l l y s stimmte. Diese Schizophrenie wird sich restlos nicht erklären lassen. Immerhin aber kann man einige Ursachen anführen. Zunächst wollte man der Organisation möglichst wenig Rechte anvertrauen.
Sodann scheint der
Begriff Gerechtigkeit nur eine Richtung: gegen die Sowjetunion gehabt zu haben; wenn von den Vereinigten Staaten die R e d e war, wurde nie der Begriff der Gerechtigkeit, sondern stets der der Handlungsfreiheit assoziiert. Dieses Phänomen ist nicht auf die U S A beschränkt, tritt vielmehr überall dort auf, w o existenzgefährdende Gegensätze herrschen und es keine Instanz gibt, die Recht zu sprechen und zu sanktionieren vermag. D i e U S A waren noch am meisten zu einer solchen Gedankenverbindung legitimiert, weil sie freiwillig versuchten, sich, soweit es ging, nach dem zu richten, was als Rechtens bezeichnet werden k a n n . Gleichwohl darf man in der gedanklichen Unschärfe die dritte Anlage für diese Mischung von Unvereinbarem suchen. E i n vierter, sehr gewidhtiger Grund w a r schließlich, daß sich der Senat in mehreren vergeblichen Anläufen nicht dazu durchgerungen hatte, das
Gerechtigkeit
und
Handlungsfreiheit
93
Statut des Ständigen Internationalen Gerichtshofs zu ratifizieren 2 . Sollte sich das Dilemma nicht wiederholen, so mußten Congress-Führung wie Außenministerium alles versuchen, um die vorhersehbaren Steine des Anstoßes aus dem Weg zu räumen. Da der Internationale Gerichtshof Teil der Charta war, hätte von hier aus das gesamte Werk gefährdet werden können. Dieser Gesichtspunkt hatte den Ausschlag dafür gegeben, daß die Vereinigten Staaten in San Francisco auf dem freiwilligen Beitritt beharrten 3 ; es war ein Ventil, das gegebenenfalls gezogen werden konnte. Wichtiger aber war, welche Aufgaben und Rechte die USA dem Gerichtshof beimessen wollten. Sie waren nämlich so empfindlich auf ihre Handlungsfreiheit bedacht, daß sie sich darin sogar durch eine gutachtliche Äußerung des Gerichtshofes beschränkt glaubten. Die USA erreichten, daß in Artikel 96 die Charta noch hinter Artikel 14 der Völkerbundsatzung zurückging. Denn das war das eigentliche Gravamen des Senats gegen den Ständigen Gerichtshof gewesen, daß er „in jedem Streit oder in jeder Frage, die ihm vom Rat der Versammlung zugewiesen wurde" (Artikel 14, Völkerbundakte), gutachtlich und damit praktisch auch politisch tätig werden konnte 4 . Das Ratifizierungsinstrument von 1926 trug den Vorbehalt, daß der Gerichtshof „ohne die Zustimmung der Vereinigten Staaten keine Aufforderung zu einem Gutachten behandeln sollte, das einen Streit oder eine Frage betreffe, von denen amerikanische Ansprüche oder Interessen berührt würden" 5 . Damit waren allerdings die anderen Unterzeichner des Statuts nicht einverstanden. Das dann mühsam ausgehandelte Kompromiß wurde vom Senat 1935 als unzulänglich abgelehnt; dazu mag das Gutachten des Gerichts über die deutsch-österreichische Zollunion, das in der Tat von politischen Aspekten nicht frei war, sein Teil beigetragen haben 6 . 2
Vgl. zu den Einwänden des Senats gegen das Geriditsstatut Reinhardt, Staaten und Haager Gerichtshof, S. 14 ff.
Vereinigte
3 Sen. Vandenberg, 28. November 1945, CR 91,8,11106. Vgl. dazu generell Preuss.L., The International Court of Justice and the Problem of Compulsory Jurisdiction, DoSB, XIII, 327, 30. September 1945, S. 471—478. 4
Stromberg, Collective
5
Zitiert nach Ferrell, Peace in Their Time, S. 44.
Security,
S. 55—56.
* So Stromberg, Collective Security, S. 56 und Anmerkung. Zum Problem der Gutachten vgl. auch das Kapitel IV des Statuts des Ständigen Gerichtshofs, das im Protokoll von 1929 neu angefügt wurde. Text in: Department of State, International Court of Justice, S. 13.
94
4. Rechtliche
Möglichkeiten
Auf Grund dieser Erfahrung wurde die Gutachtertätigkeit des neuen Internationalen Gerichtshofs von vornherein strikt auf „rechtliche Fragen" beschränkt. Auf den ersten Blick steckte darin nur eine Präzisierung; der Gerichtshof war ja für die Rechtssphäre bestimmt. Wenn aber das Selbstverständliche fixiert wird, soll meistens eine Einschränkung vorgenommen werden. Umgekehrt hatten es die U S A abgelehnt, die dem Gerichtshof entzogenen „inneren Angelegenheiten" näher erläutern zu lassen7, weil sie diesen Bereich eben uneingeschränkt wissen wollten. Der Gerichtshof sollte aber auf den Rechtskreis zurückgedrängt werden. Das war gewiß verständlich, weil es der Möglichkeit vorbeugte, das Gericht könnte später einmal über politische Interessen der U S A befinden; zugleich wurde aber dadurch verhindert, daß die rechtlichen Aspekte politischer Konflikte mehr und mehr in den Vordergrund treten konnten, — worin sich ein Fortschritt in den internationalen Beziehungen gezeigt hätte. Die U S A waren zwar bereit, an einer solchen Entwicklung mitzuwirken, insofern sie sich bemühten, Recht vor Macht gehen zu lassen. Aber dieser Entschluß war dadurch gekennzeichnet, daß er ausschließlich dem amerikanischen Ermessen entspringen und jederzeit widerruflich sein sollte. Man könnte sich vorstellen, daß es an dieser entfernten und begrenzten Stelle nicht erforderlich gewesen wäre, den Entscheidungsraum der Großmacht unberührt zu erhalten; zumal der Gerichtshof nicht von selbst, sondern nur auf Antrag der Generalversammlung und des Sicherheitsrats gutachtlich tätig werden konnte, in denen die U S A ja Sitz und — gewaltige — Stimme besaßen. Der Standpunkt, den die U S A in dieser Sache einnahmen, war nach den herrschenden Usancen ganz legal. E r läßt jedoch erkennen, wie absolut und total die Vereinigten Staaten ihre Handlungsfreiheit zu wahren gedachten. Recht und
Souveränität
Der neue Gerichtshof berührte noch eine weitere Voraussetzung der amerikanischen Kooperation: die Souveränität. Wer bestimmte den Kompetenzbereich des Gerichts? So unbestritten es galt, daß der H o f nur im zwischenstaatlichen Bezirk tätig werden konnte, so offen war die Frage, ob und wo sich dieser Bereich gegenüber der Innenpolitik überhaupt streng abgrenzen ließ. Schon 1923 hatte der Ständige Gerichtshof entschieden, daß diese Frage nur relativ und nur vom Entwicklungsstand der internationalen Beziehungen her zu beantworten sei8. Russell, UN Charter, S. 9 0 1 - 9 0 2 . * Wehberg, Der nationale Zuständigkeitsbereich 7
der Staaten, S. 261.
Recht und
Souveränität
95
Die Schwierigkeit ging nicht nur den Gerichtshof, sondern die Organisation insgesamt an. Die Charta der Vereinten Nationen hatte das Problem nicht gelöst; sie hatte es aber auf Betreiben der USA sehr viel deutlicher formuliert als der Artikel 15, Absatz 8 der Völkerbundsatzung. Die innere Zuständigkeit der Staaten wurde jetzt nicht mehr, wie beim Völkerbund und noch beim Entwurf von Dumbarton Oaks, nur im Zusammenhang mit der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten erwähnt; sie wurde jetzt vielmehr als abschließender Satz des ersten Kapitels, das die Ziele und Grundsätze enthält, prinzipiell formuliert. Lediglich bei der Zwangsschlichtung nach Kapitel V I I UN-Charta sollte das Prinzip aussetzen; hier aber bewahrte das Vetorecht die USA davor, daß sich die Organisation in inneramerikanische Belange mischen könnte. Im Bereich der politischen Organe der U N also praktisch eliminiert, tauchte das Problem beim Statut des Gerichtshofs erneut auf. Artikel 36 des Statuts hatte den Hof auf einen Katalog von Rechtsfragen festgelegt (Absatz 2), dabei aber in Absatz 6 dem H o f anheimgegeben, im Zweifelsfalle seine Zuständigkeit selbst zu bestimmen. Theoretisch war es also möglich, daß der Hof einen Fall an sich zog, der nach Meinung des betroffenen Mitglieds zu den „inneren Angelegenheiten" zu zählen war. Die Gründungskonferenz in San Francisco hatte diese Möglichkeit bewußt akzeptiert. Der amerikanische Senat schloß auch diese Lücke. Er hatte während der Ratifizierung der Charta dem Gerichtshof so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt. Nur der unermüdliche Senator Morse (Oregon) hatte am letzten Tag der Debatte eine Resolution eingebracht, die den Beitritt der USA zum Statut vorsah 9 ; er legte sie in veränderter Form während der Beratung der Participation Act erneut vor 10 , ohne deswegen erfolgreicher zu sein. Vandenberg hielt die Zeit noch nicht für gekommen, den Senat vor diese altbekannte Hürde zu führen 11 . Es dauerte bis zum Juni 1946, ehe der Auswärtige Ausschuß etwas unternahm. Zu dieser langen Verzögerung hatte allerdings auch die prozedurale Frage beigetragen, ob der Beitritt der USA vom Senat allein oder von beiden Häusern gemeinsam zu beschließen war 12 . 9 10
S. Res. 160, 28. Juli 1945, C R 91, 6, 8164. S. Res. 196, eingebracht von Sen. Morse, zusammen mit den Senatoren Taft,
Green, Fulbright, Smith, Ferguson, Aiken, Ball, Cordon, Wiley, Tobey, Magnuson, Johnston, Myers, McMahon, 28. November 1945, C R 91, 8, 11109. 11
Vandenberg, 28. November 1945, C R 91, 8, 11106.
12
Vgl. die aufschlußreiche Presseverlautbarung des Außenministeriums in DoSB,
X I V , 354, 14. April 1946, S. 633.
96
4. Rechtliche
Möglichkeiten
Der Auswärtige Ausschuß hatte sich mit der von Morse eingebrachten und von 14 Senatoren aus beiden Parteien unterstützten Resolution einverstanden erklärt. Darin war noch einmal ausdrücklich erwähnt worden, daß „Streitigkeiten, die wesentlich in der inneren Zuständigkeit der USA lägen", nicht in die Kompetenz des Hofs gehören sollten. Weiter wollte der Ausschuß aber nicht gehen; er lehnte es ausdrücklich ab, für die U S A das Recht zu verlangen, in Zweifelsfällen selbst zu entscheiden. Ein solcher Vorbehalt „würde dazu führen, sowohl die Ziele zu zerstören, die man sich von der vorgeschlagenen (Beitritts-) Erklärung erhoffe, wie die Ziele des Artikels 36, Paragraph 2 und 6 des Statuts" 1 3 . Einstimmig genehmigte der Ausschuß diesen Bericht14. Es kam aber ganz anders. In der Plenardebatte 15 machten sich von Anfang an starke Reserven auf republikanischer Seite bemerkbar. Senator Donnell (Missouri) brachte einen Vorschlag durch, die Autorisierung des Präsidenten vom Konditional in den Indikativ zu übersetzen, und damit die Vorbehalte bindend zu machen16. Stärkster Druck aber richtete sich auf die letzte offene Lücke, auf die Entscheidung über die „innere Zuständigkeit". Der Ausschußvorsitzende selbst beantragte plötzlich, diese Entscheidung den USA zu reservieren. Der Umschwung Connallys, mit dem er den Bericht seines Ausschusses desavouierte, war sicher auf starke republikanische Interessen zurückzuführen; er entsprach aber auch, wie Connallys Äußerungen über die Souveränität und das Prestige der USA erkennen lassen17, seiner eigenen Grundansicht. Sie wurde, wie die Abstimmung zeigt, von der überwiegenden Mehrheit des Senats geteilt 18 . Ein Antrag Millikins, der noch weitergehen und die Kompetenz des Gerichtshofs ausschließlich auf Fälle beschränken wollte, deren Rechtsgrundlage in internationalen Verträgen der USA zu finden sei, verfiel 19 . Er hätte allerdings den Beitritt der Vereinigten Staaten zum Internationalen Gerichtshof erneut praktisch zunichtegemacht. 1 5 Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1835, 79/2, 25. Juli 1946, on S.Res. 196, International Court of Justice, S. 5. 14
Ibidem, S. 4.
Die Vorlage kam am 29. Juli 1946 auf, wurde auf den 31. Juli und dann wieder auf den 1. August vertagt. Beratungsdaten: 1.—2. August 1946, C R 92, 8, 10613—10632, 10683-10705. 15
16
C R 92, 8 , 1 0 6 3 2 .
Vgl. etwa Sen. Connally, C R 92, 8, 10696. Zur Auseinandersetzung im Senat und zur späteren Entwicklung vgl. Doeker, Connally-Amendment, S. 157 ff. 17
18
51:12:33, C R 92, 8 , 1 0 6 9 7 .
19
11:49:36, C R 92, 8 , 1 0 7 0 5 .
Redit und Souveränität
97
Hier interessiert vornehmlich das Connally-Amendment, weil es den Empfindlichkeitsgrad des Souveränitätsbewußtseins im amerikanischen Senat erkennen läßt. Gewiß schrieb man den Juli 1946, die Pariser Außenministerkonferenzen hatten das eigentliche Klima des Ost-West-Verhältnisses bereits angezeigt. Aber davon war der Gerichtshof vorerst nicht betroffen. Der Stellvertretende Außenminister Acheson hatte noch Mitte Juli dem Auswärtigen Ausschuß mitgeteilt, daß Präsident Truman und er das Statut so, wie es war, für harmlos hielten 20 . Aktuelle Tagesereignisse dürfen also wohl kaum dafür verantwortlich gemacht werden, daß Connally in der Frage des Zuständigkeits-Vorbehalts eine Wendung um 180 Grad vollzog und ihm die Mehrheit des Ausschusses folgte. Selbst zwei von den drei Mitgliedern des federführenden Unterausschusses — Austin und Hatch — stimmten jetzt, allerdings wohl wider besseres Wissen21, gegen die Regelung, für die sie in ihrem Bericht so kräftig in die Schranken getreten waren. Ganz offensichtlich wäre das Statut ohne diese Einschränkung erneut abgelehnt worden. Der Vorgang wurde hier ausführlich behandelt, weil er symptomatische Geltung beanspruchen darf. Er läßt noch einmal erkennen, wie stark das amerikanische Modell der Kollektiven Sicherheit von den beiden Eckpfeilern Souveränität und Entscheidungsfreiheit der USA getragen wurde. Die Vereinigten Staaten übernahmen das Gerüst des Nationalstaats, auf das sich 1935 die Politik der Neutralität gestützt hatte, unverändert in die Epoche der Kollektiven Sicherheit. Beim Internationalen Gerichtshof zeigte sich erneut, welchen Wert der Souveränitätshabitus für die USA in der Eingangsstufe ihrer Nachkriegspolitik besaß, in welchem Maß sie darauf bedacht waren, die Handlungsfreiheit der nordamerikanischen Republik zu erhalten. Die Ursachen dieser Präokkupation müssen dahingestellt bleiben; der Hinweis mag genügen, daß gerade der republikanische Liberalismus, dessen historische Leistung der bürgerliche Nationalstaat ist, die unversehrte Unabhängigkeit dieser Schöpfung als absoluten Wert anzuschauen scheint. Im Jahre 1945 mochte das hingehen. Erst der spätere Betrachter erkennt in der Empfindlichkeit, mit der die USA bei der Ausführung des Kollektiven Modells auf ihre Souveränität bedacht waren, den Richtungsimpuls künftiger Entwicklungen. 20
Erklärung Achesons, abgedruckt in DoSB X V , 369, 28. Juli 1945, S. 157.
21
Vgl. Sen. Austin: „I would rather see the resolution not contain it (das Amend-
ment) but for many reasons I shall vote for the amendment." C R 92, 8, 10695.
7
Czempiet
II. Kapitel Das amerikanische Fundament 1. D E R B E G R I F F D E R D I R E K T E N
SICHERHEIT
Das von den USA entworfene Modell der Kollektiven Sicherheit erscheint in einer verzerrten Perspektive, wenn man es nur unter dem Blickwinkel der internationalen Organisation betrachtet. Sie bildete zwar das charakterisierende Element, aber keineswegs das Fundament dieses Modells. Die Basis des Konzepts lag vielmehr in den eigenen, direkt auf die Vereinigten Staaten bezogenen Sicherheitsleistungen der USA. Von ihnen wurde, während man die Organisation plante und errichtete, nicht gesprochen, weil sie in die militärischen Maßnahmen der USA während des Zweiten Weltkrieges eingeflossen waren. Das Stichwort der eigenen Stärke war zwar, wie erwähnt, im Senat während der Debatte über die U N Charta schon gefallen. Aktuell konnte das Thema aber erst werden, nachdem die Kapitulation Japans den Krieg beendet und die Frage aufgeworfen hatte, welche eigenen Mittel die USA im kommenden Frieden für ihre Sidierheit bereitstellen sollten. Am Horizont tauchte dabei sofort die mehr oder weniger präzise Erinnerung an die amerikanisdie Abrüstungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg auf, wobei die Gedanken an Tempo und Ausmaß der Demobilisierung einerseits, Verzögerung einer rechtzeitigen Rüstung in den dreißiger Jahren andererseits meist ineinanderübergingen. Daß der japanische Angriff auf Pearl Harbor und die Kriegserklärung der Achsenmächte die USA verhältnismäßig unvorbereitet trafen, war aber weniger auf die Demobilisierung als auf die hinter ihr stehende Politik zurückzuführen, die auch auf die Entwicklung zum Ende der zwanziger Jahre und in den dreißiger Jahren nicht rechtzeitig reagiert hatte. Zwischen 1919 und 1920 wurde die amerikanische Streitmacht um fast 70 %>, von 1 172 602 auf 343 301 Mann verringert 1 . Das war der Lage nicht unangemessen und bei 1
Angaben nach Bureau of the Census, Historical Statistics, S. 736.
Der Begriff der direkten
Sicherheit
99
weitem nicht so schlimm, wie daß der Truppenbestand bis 1936 bei 250 000 gehalten und bis 1939 nur um knapp 80 000 Mann erhöht wurde. Bei der amerikanischen Kriegsmarine ergibt sich ein anderes Bild, aber mit der gleichen Grundfarbe. Die Seemacht war nach der Washingtoner Konferenz vermindert worden, sie umfaßte Ende 1938 434 Schiffe mit 1 612 085 t, während es 1922 noch 533 Schiffe mit 2 063 173 t gewesen waren 2 . Die amerikanische Marine war 1938 damit zwar nicht mehr so groß wie die britische, aber immerhin knapp doppelt so groß wie die japanische (228 Schiffe mit 898 691 t), die sie 1922 nur um ein Drittel überragt hatte. Wer also den Umfang der amerikanischen Streitkräfte f ü r die Ereignisse von 1939 und 1941 verantwortlich machte, kritisierte in militärischen Begriffen etwas, was eigentlich eine politische Entscheidung darstellte. Dieses quid pro quo ist in der politischen Terminologie der USA gar nicht so selten. Auch 1945 sind es die Äußerungen zur zukünftigen militärischen Potenz, die am ehesten erkennen lassen, daß die Vereinigten Staaten die Konsequenzen aus ihrer veränderten Weltsituation zu ziehen bereit waren. Die USA waren als stärkste Militärmacht aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen; von Anfang an bestand kein Zweifel, daß sie diesen Vorrang behalten wollten. In Washington war man sich darüber klar, daß Macht — also militärische und wirtschaftliche Fähigkeit, den eigenen Willen durchzusetzen 3 —die Grundlage aller amerikanischen Außenpolitik bildete 4 . Da die Diastase in Führungsabsicht umgeschlagen war, mußten diese Fähigkeiten der Aufgabe entsprechend groß sein. Der Krieg und die Opfer, die er verlangte, hatten die Widerstände gegen ein Konzept amerikanischer Stärke weitgehend beseitigt. „Power or wealth, exercised for good, is a beautiful thing to witness" 5 . In diesem Satz, der fast aus der Ästhetik der englischen Romantik stammen könnte, fanden sich alle Positionen der amerikanischen Politik zusammen. 2
Angaben nadi Mitchell, History
of American
Navy, S. 264—265, 354—355.
3
Der Begriff der Macht ist terminologisch unbefriedigend. Er wird hier, wenn möglich, aufgelöst in das, was in den zwischenstaatlichen Beziehungen mit ihm gemeint wird, oder doch allein gemeint sein kann: die Fähigkeit, seinen Willen mit der Drohung oder dem Einsatz militärischer, wirtschaftlicher und politischer Mittel durchzusetzen. 4 5
Truman an den Congress, 14. Januar 1946, CR 92, 1, 138.
Rep. McCormack, D, Mass., Majority Leader, bei der Beratung von H. Con. Res. 80, 30. Oktober 1945, CR 91, 8, 10202. 7»
100
1. Der Begriff der direkten
Sicherheit
Dagegen fehlte eine eindeutige Rangfolge der Ziele, denen die militärisch-strategische Potenz der USA dienen sollte. In der Regel wurden vier Notwendigkeiten variiert: die früheren Feindländer zu befrieden, die Verpflichtungen innerhalb der Vereinten Nationen zu erfüllen, die Westliche Hemisphäre zu sichern und, schließlich, die USA selbst zu schützen6. Diese vier Ziele fielen im Oberbegriff ,Sicherheit der Vereinigten Staaten' zusammen. Sie wurde räumlich so weit gefaßt, daß sie mit der Erhaltung des Weltfriedens identifiziert werden konnte. In der Aufgabe der amerikanischen Militärmacht, die USA zu sichern, war daher ausdrücklich auch der Auftrag enthalten, den Frieden der Welt zu garantieren 7 . War damit ein Parallelkonzept zu dem der internationalen Organisation gegeben? Die Frage hat zwei Aspekte. Zunächst gingen die Gründer der Vereinten Nationen davon aus, daß deren Mitglieder Streitkräfte besitzen und der Organisation zur Verfügung stellen würden. Der Sicherheitsrat sollte nicht machtlos, sondern mächtig sein; darüber hinaus war in der Charta, anders als beim Völkerbund, von Abrüstung nicht gesprochen worden. Jedem Mitglied wurde das Recht der unmittelbaren Selbstverteidigung und damit entsprechender Militärmacht zugestanden. Darin unterschieden sich die USA also prinzipiell von keinem anderen Mitglied der Vereinten Nationen. Infolge ihrer Größe aber überragten sie die anderen dermaßen, daß die amerikanische Sicherheitsleistung eine globale Qualität bekam. Der Weltfriede hing tatsächlich weitgehend davon ab, daß die USA militärisch stark blieben 8 . Funktionsfähigkeit der U N und Sicherheit der USA fielen in weiten Bereichen zusammen. Die amerikanische Streitmacht erfüllte damit zwei Aufgaben: Sie bildete den Rückhalt der Vereinten Nationen; sie war gleichzeitig die „sicherste Garantie dafür, daß keine Nation es wieder wagen wird, uns anzugreifen.. ." 9 . Die Doppelfunktion des amerikanischen Militärs rührte daher, daß für die Weltführungsmacht USA die Zone der direkten Sicherheit geographisch genauso groß war wie der indirekten. Wenn es an irgendeinem Punkt der Erde zu einem Konflikt kam, in dem die Vereinigten Staaten eingreifen mußten, war die Möglichkeit einer direkten Gefährdung der USA 8 Vgl. etwa Trumans Ansprache am N a v y D a y , 27. Oktober 1945, DoSB, X I I I , 3 3 1 , 28. Oktober 1 9 4 5 , S. 654. Ferner: Truman an den Congress, 6. September 1 9 4 5 , C R 9 1 ,
6, 8370. 7
Vgl. etwa Truman an den Congress, 19. Dezember 1945, C R 9 1 , 9, 1 2 3 9 8 — 1 2 3 9 9 .
8
Truman an den Congress, 23. Oktober 1 9 4 5 , C R 9 1 , 8, 9935.
9
Ibidem.
Der Begriff der direkten
Sicherheit
101
gegeben. Wurde dieser Fall durch die Drohung einer vergleichbaren Großmacht ausgelöst, so mußten die Streitkräfte ebenfalls auf weltweiter Basis funktionieren können. Das Militär, dem die direkte Sicherheit der USA anvertraut war, war also in einer solchen Größenordnung zu halten, daß es, wie die internationale Organisation, auf universaler Basis operieren konnte. Der amerikanischen Streitmacht haftete damit unwillkürlich etwas Janusartiges an. Auf der einen Seite waren die USA völlig glaubwürdig, wenn sie versicherten, daß eine starke amerikanische Streitkraft nicht nur nicht im Gegensatz zu den Vereinten Nationen stehe, sondern diese erst verwirkliche 10 . Auf der anderen Seite bildete diese militärisch-strategische Position ein eigenes, exklusiv amerikanisches Mittel, Sicherheit auf universaler Basis zu gewährleisten. Faßt man diesen zweiten Aspekt ausschließlich ins Auge, so ergibt sich, daß er natürlich eine amerikanische Reserve f ü r den Fall enthielt, daß die Vereinten Nationen nicht richtig funktionieren oder überhaupt versagen würden. Von militärischer Seite wurde dies sogar offen vertreten. Sie wies den Streitkräften die Aufgabe zu, die amerikanischen „Interessen gegen jede Nation oder Kombination von Nationen zu verteidigen", und zwar so lange, bis bewiesen sei, daß die internationale Organisation wirklich in der Lage sein werde, Kriege zu verhindern 11 . Die militärische Potenz der USA nahm damit, wenngleich in sehr viel vergrößertem Maßstab, gegenüber der Kollektiven Organisation den gleichen Platz ein wie die Export-Import-Bank gegenüber den Instituten von Bretton Woods. Die Militärmacht, die jetzt die Vereinten Nationen stärkte, konnte, wenn der kollektive Aufsatz des Modells sich nicht bewähren oder gar zusammenstürzen sollte, die amerikanischen Sicherheitsinteressen in eigener Regie wahren. War es auch 1945 nicht relevant, so war doch durchaus erkennbar, daß dem Podest eigener Potenz, auf dem die USA die internationale Organisation errichteten, auch ein Ersatzcharakter innewohnte. Die militärisch-strategische Stärke, die sich die bürgerliche Republik verschrieb, um damit das Modell der Kollektiven Sicherheit zu fundamentieren, muß nun im einzelnen geprüft werden. Präsident Truman hatte im Dezember 1945 den rein militärischen und den militärisch-technischen Aspekt weiter ausgefächert und von Rohstoffplanung, der Möglichkeit, 10 11
Truman an den Congress, 19. Dezember 1945, CR 91, 9, 12398.
Beridit des Generalstabschefs der Armee George C. Marshall vom 1. September 1945, abgedruckt CR 91, 7, 9648.
102
2. Militärische
Stärke
die Wirtschaft kurzfristig zu mobilisieren, von wissenschaftlicher Forschung und schließlich von der Verwendung des Nachrichtendienstes gesprochen12. Wichtiger als diese Details sind indes die Instrumente, die Truman nicht erwähnte: klassisch die strategische Position, neu die Atomwaffen und revolutionär die Propaganda.
2. M I L I T Ä R I S C H E
Die
STÄRKE
Streitkräfte
Als Japan kapitulierte, standen ungefähr 12,1 Millionen Amerikaner unter den "Waffen: 8,2 Millionen bei der Armee und der Luftwaffe, 3,8 Millionen bei der Marine und dem Marine-Corps 1 . Von den Landstreitkräften und der Luftwaffe befanden sich im im im in
R a u m Europa und N o r d a t l a n t i k Pazifischen R a u m Karibischen R a u m Alaska
in den Vereinigten Staaten
2 524 0 0 0 1 9 6 7 000 86 0 0 0 46 0 0 0 3 4 0 0 000 Soldaten 2 .
Die Marine besaß 1 304 Kriegsschiffe und 1 0 292 Hilfseinheiten sowie kleinere Schiffe 3 .
Das laufende, erst im Juni 1945 verabschiedete Budget betrug ungefähr 70 Milliarden Dollar. Am 2. September 1945 sahen sich die USA der Frage gegenüber, was mit dieser riesigen Streitmacht geschehen solle. Die Antwort, die die Vereinigten Staaten darauf gaben, vermittelt erneut Aufschluß über die Ziele, die sie verfolgten. Um der Verwirrung zu entgehen, mit der später die Demobilisierungs-Entscheidungen der USA kritisiert wurden, muß man zwischen System und Tempo der Entlassungen auf der einen, ihrem Umfang auf der anderen Seite unterscheiden. In seiner Congressbotschaft zum Kriegsende hatte Präsident Truman den künftigen Streitkräften folgende Aufgaben zugewiesen: die USA direkt zu verteidigen, an den Sicherheitsaufgaben der U N mitzuwirken und als Sieger die 12
Truman an den Congress, 19. Dezember 1945, C R 91, 9, 1 2 4 0 0 .
1
United States Defense Policies since W o r l d W a r II, H. Doc. 100, 85/1, S. 78.
2
C R 92, 3, 3589.
3
Committee on N a v a l Affairs, H. Rp. 1 1 0 7 , 79/1, 9. Oktober 1 9 4 5 , on H. Con.Res.
80, Announcing the Sense of Congress as to Composition of the Postwar N a v y , S. 6.
Die
Streitkräfte
103
besetzten Länder zu verwalten 4 . Für diese Aufgaben forderte er Anfang 1946 die Zahl von 2 Millionen Soldaten 5 . Bei der Verlängerung des "Wehrpflichtsystems im Frühjahr 1946 wurde die Stärke der Streitkräfte endgültig auf 1 736 000 Mann festgesetzt 6 . Die USA waren 1945 entschlossen, den Fehler von 1920 nicht wieder zu begehen; sie wollten dafür sorgen, daß sich Aggression nicht wieder ereignen könnte, und sie wollten dazu auch mit ihrer militärischen Macht beitragen. Diese Potenz sollte darüberhinaus groß genug sein, die direkte Sicherheit der Vereinigten Staaten zu gewährleisten und den Sockel abzugeben, von dem aus sie ihren Einfluß geltend und ihre Mitarbeit in den Vereinten Nationen wirksam machen konnten. Auf dieses Ziel richteten sie die Größe ihrer Streitmacht aus. Gegenüber den 6 Millionen Soldaten, die die Sowjetunion 1946 schätzungsweise unter den "Waffen hielt 7 , konnte sich eine amerikanische Armee von knapp 2 Millionen Mann unmöglich zu Expansions-Unternehmungen gerüstet sehen. Mit dieser Anlage ihrer militärischen Macht bewiesen die USA einmal mehr, daß sie ihre Weiterentwicklung und ihren Fortschritt ausschließlich dem wirtschaftlichen Sektor anvertraut hatten. Den Streitkräften war von vornherein nur die Aufgabe zugewiesen worden, zu sichern. D a f ü r aber waren sie mit der Atombombe im Hintergrund ausreichend groß ausgelegt, so groß, daß sie bis zum Beginn des KoreaKrieges nur unwesentlich erhöht zu werden brauchten. Wer diese Zahlen als zu niedrig kritisierte, wies implizit oder explizit den USA andere, an Domination oder Expansion orientierte Ziele zu. Präsident Truman hatte die Grenze von 2 Millionen Soldaten allerdings unter der Voraussetzung empfohlen, daß die USA zusätzlich eine Art gemäßigter Wehrdienstpflicht, das Universal Military Training, einführten. Hier sollte jeder Jugendliche f ü r ein Jahr — später nur f ü r ein halbes Jahr — militärisch ausgebildet und dann Reserveeinheiten eingegliedert werden 8 . Auf diese Weise hätten die USA ihr traditionelles System einer kleinen stehenden Armee beibehalten und doch im Notfall auf eine breite geschulte Reserve zurückgreifen können. 4 5
Truman an den Congress, 6. September 1945, C R 91, 6, 8370. Truman an den Congress, 14. Januar 1946, CR 9 2 , 1 , 1 4 0 .
' H . R. 6064, To Extend the Selective Training and Service Act, 79/2, See. 2. 7 8
Reitzel, Foreign Policy, S. 99.
Zu den Einzelheiten vgl. McCloy, Plan of the Armed tary Training, S. 26—34.
Services for Universal
Mili-
104
2. Militärische
Stärke
Obwohl die Regierung alle Register der Überredung gezogen hatte, stieß sie im Congress auf taube Ohren. Die Nähe dieses Systems zu einer Allgemeinen Wehrpflicht war eben doch nicht zu verkennen, zumal Truman dem System auch die Aufgabe anvertrauen wollte, die Gesundheit und die berufliche sowie die politische Bildung dieser jungen Amerikaner zu fördern 9 . Diese Perspektive widerstrebte der bürgerlichen Gesellschaft so direkt, daß die Regierung auf Jahre hinaus vergeblich an die Türe der Volksvertretung pochte. Während ein gleiches Geschick auch dem Versuch Trumans beschieden war, den Wirkungsgrad der Streitkräfte durch ihre administrative Vereinigung zu erhöhen, traf der Präsident mit dem Vorschlag, den Militärdienst materiell besser auszustatten und damit einen Anreiz für Freiwilligenmeldungen zu schaffen, genau das Richtige. Die Regulär Army war immer ein Freiwilligenheer gewesen, und der Congress fand sich nur zu gern bereit, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß diese Struktur auch unter den veränderten Weltbedingungen ausreiche. Denn im Congress sah man sehr wohl, daß die Entlassungen, die sich, nachdem der Krieg einmal beendet war, sozusagen von selbst verstanden, nicht vorgenommen werden konnten, ohne gleichzeitig sicherzustellen, daß die Streitkräfte die als erforderlich erachtete Höhe beibehielten. Der Senatsausschuß für Militärische Angelegenheiten lehnte im September 1945 einen Vorschlag, auch noch die Einberufungen zu senken und nur noch die 21- bis 25jährigen einziehen zu lassen, entschieden ab 10 . Der Congress war zwar prinzipiell darauf bedacht, so rasch wie möglich zum Freiwilligensystem zurückzukehren, aber er wollte doch abwarten, wie sich Demobilisierung, Freiwilligenmeldungen und der Kurs der Weltpolitik zueinander verhalten würden 11 . Er behielt daher das Einberufungssystem in dem bisherigen Umfang bei und versuchte inzwischen, die militärische Karriere finanziell so anziehend zu gestalten, daß die Wehrpflicht, wenn sie im Mai 1946 abgelaufen sein würde, nicht mehr verlängert zu werden brauchte. Das Gesetz, das der Congress wenige Tage, nachdem der Präsident ihn dazu aufgefordert hatte, fast einstimmig verabschiedete 12 , tat vor allem 9
Truman, Memoiren,
I, S. 559.
10
Sen. Gurney, R, S. Dak., Military Affairs, 25. September 1945, CR 91, 7, 8979.
11
Ibidem.
12
H. R. 3951, Armed Forces Voluntary Recruitment Act of 1945. Beratungsdaten im Haus: 1 7 . - 1 8 . September 1945, CR 91, 7, 8621-8655, 8702-8720. Senat: 25. und 26. September 1945, CR 91, 7, 8967-8980, 9009-9024. P. L. 190, 79/1, 59 Stat. 393.
Die
Kriegsmarine
105
mit seinen verbesserten Pensionsbedingungen für Berufssoldaten zunächst die beabsichtigte "Wirkung. Hatten sich im September 1945 nur 12093 Freiwillige gemeldet, so stieg die Zahl im Oktober sprunghaft in die Höhe und erreichte im November mit 184 840 Meldungen einen Höhepunkt 13 . Das Problem schien gelöst zu sein, die Umstellung auf ein Freiwilligenheer in Gang. Es kann also keine Rede davon sein, daß sich der Congress den militärischen Konsequenzen aus der weltpolitischen Stellung der USA verschloß. Er wird im nächsten Jahr, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die sinkenden Quoten der Freiwilligenmeldungen die Lücken der Entlassungen nicht zu schließen vermochten, auch mit eindrucksvollen Mehrheiten die Wehrpflicht verlängern. Eine ganz andere Frage ist, ob das Punktsystem der Demobilmachung, bei dem nicht geschlossene Verbände, sondern einzelne nach Dienstalter aus den Einheiten entlassen wurden, unter dem Gesichtspunkt der militärisch-strategischen Erfordernisse so sinnvoll war wie unter dem der Gerechtigkeit. Diese Frage steht aber hier nicht zur Debatte. Hier war nur nachzuweisen, daß die USA sich zu einer Streitmacht entschlossen, die die amerikanische Position wahren konnte, ohne darüber hinauszugehen; und daß die Legislative die gesellschaftsbedingten Traditionen der bisherigen amerikanischen Militärpolitik zwar nicht verwarf, sie jedoch den Anforderungen anzupassen suchte. Weder kann von einer übertriebenen Demobilisierung, noch von einer übertriebenen, expansive Ziele indizierenden Militärpolitik die Rede sein. Die
Kriegsmarine
Die Behandlung der amerikanischen Kriegsmarine läßt die gemäßigte Politik besonders deutlich hervortreten. Für die USA stellte die Navy bisher den traditionell ausschlaggebenden Teil des militärischen Potentials dar. Nachdem die Vereinigten Staaten während des 19. Jahrhunderts im Schutz und im Schatten der britischen Seeherrschaft gelebt hatten, wurde nach dem Ersten Weltkrieg der Wunsch nach einer „Navy second to none" wach; 1945 war er erfüllt. Mit 1 3 0 4 Kampfschiffen und 10292 Hilfseinheiten lagen die USA als die unbestritten stärkste Seemacht an der Spitze der Welt 1 4 . "
Vgl. die Tabelle in C R 92, 5, 6198.
14
H . Rp. 1107, 79/1, on H . Con. Res. 80, S. 6. Die Entwicklung der Marine seit 1920
läßt sidi an folgenden Zahlen ablesen — wobei die Berechnungsgrundlage für 1945
2. Militärische
106
Stärke
Die Marineleitung entwickelte alsbald präzise Vorstellungen über die Friedensstärke der Navy, und der Congress unternahm es, diesem Projekt gesetzlich Nachdruck zu verleihen. Der Anlaß zu diesem Eifer war freilich taktisch; die Marine wollte den — von der Armee unterstützten — Versuch Trumans, die Wehrmachtsteile organisatorisch zu vereinigen, von vornherein erschweren. Der Präsident war entschieden dagegen, daß sich der Congress hier exekutive Funktionen aneignete15, und bestimmte den Senat, die Entschließung fallenzulassen16. Immerhin aber war das Haus vorgeprescht und hatte die Resolution verabschiedet. Sie ist von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie — obwohl in rechtlichem Sinne nicht zustandegekommen — die Richtlinie enthielt, nach der der Congress bei seinen künftigen Bewilligungsmaßnahmen vorging. Marineleitung und Congress waren sich einig darin, daß die Marine in der Friedenszeit praktisch in ihrer Kriegsstärke erhalten, nur in verschiedene Bereitschaftsgrade eingeteilt werden sollte17. Die Zahl der Hilfseinheiten wurde um die Hälfte verringert — von 10 292 auf 5 002 Einheiten —, die eigentliche Schlachtflotte hingegen nur um 222 offensichtlich veraltete Schiffe: von 1 304 auf 1 082 Einheiten. 30 °/o dieser Kapazität blieben sofort einsatzfähig, 10 % sollten Ausbildungszwecken dienen und innerhalb eines Monats kampfbereit gemacht werden können; die restlichen 6 0 % wollte man außer Dienst stellen, aber in einem solchen Zustand erhalten, daß sie „in kurzer Zeit" auf See eingesetzt werden konnten 18 . Hinzukamen 8 000 Flugzeuge. Für diese Navy waren 56 427 Offiziere und offenbar von der des House Report verschieden ist (Information des N a v y Department, abgedruckt C R 91, 8, 1 0 1 4 5 ) :
15
Jahr
Schiffe
Offiziere und Mannschaften
1920
937
1923
499
91 100
1927
306
92 978
119 0 5 9
1932
291
91 142
1937
325
110 7 4 6
1940
452
157 986
1941
623
273 027
1943
5162
1 678 197
1945
6097
3 377 4 7 0
Forrestal, Diaries, S. 115.
16
Sen. Walsh, D, Mass., N a v a l Affairs, Chairman, 2. August 1946, C R 92, 8, 10676.
17
Das Haus verabschiedete die Resolution einstimmig, 3 4 7 : 0 : 1 : 8 3 , 30. Oktober 1945,
C R 91, 8, 10206. 18
H . Rp. 1107, 79/1, on H . Con. Res. 80, S. 7.
Die
Kriegsmarine
107
500 000 Mann vorgesehen, dazu ferner die Marinetruppen in Höhe von 103 574 Offizieren und Mannschaften 19 . Insgesamt ergab sich damit folgende Zusammensetzung der Nachkriegsflotte20: aktiv
Bereitschaft
Reserve
Kriegsschiffe Kampfschi ffe Flugzeugträger (schwer) Flugzeugträger Flugzeugträger (leicht) Flugzeugträger (Begleitschiffe) Kreuzer (groß) Kreuzer (schwer) Kreuzer (leicht) Zerstörer Zerstörer (Begleitschiffe) Unterseeboote
5 3 7 0 10 3 8 20 135 36 70
6 0 4 1 11 0 9 9 40 4 20
7 0 13 9 58 0 14 19 192 260 109
Hilfseinheiten Minenboote Patrouillenboote Landungsboote Andere Einheiten
229 254 252 640
22 61 358 1 768
154 86 610 568
8 000
0
0
Personal Offiziere und Mannschaften
499 336
32 861
25 338
Marinecorps Offiziere und Mannschaften
103 574
0
0
Luftwaffe Flugzeuge
Verglichen mit dem Stand vor dem Uberfall in Pearl Harbor besaß die amerikanische Nachkriegsflotte 1945 dreimal so viele Kriegsschiffe wie 1941 (1082 : 345), das Tonnageverhältnis war ähnlich (4 698 900 :1382 026)21. Dabei muß man nodi berücksichtigen, daß die technische Entwicklung die Wirksamkeit der Flotte über die rein numerische Steigerung hinaus um ein Vielfaches potenziert hatte. Der aktiv verbleibende Teil der Flotte war kleiner als die amerikanische Marine von 1941. Trotzdem war er, aus nur neuen Schiffen bestehend, „unvergleichlich stärker in Feuerkraft und Luftwaffe" (aviation) 22 . 19
Ibidem, S. 29, 31.
20
Ibidem, S. 7, 8 , 2 9 , 3 1 .
21
Ibidem, S. 9.
22
Ibidem, S. 7.
108
2. Militärische
Stärke
Das amerikanische System der gestaffelten Reserven ist außerordentlich aufschlußreich. Es beließ die USA im vollen Besitz ihrer Seestreitmacht, ohne ihnen die vollen Kosten dafür aufzuladen. Die so geplante Marine würde die USA jährlich nur 3,5 Milliarden Dollar kosten und doch für den Notfall die gesamte Flotte, die stärkste der Welt, bereithalten. Die Größe des Aktivbestandes war einerseits darauf berechnet, daß die USA mit ihm den gesamten Pazifischen Raum, den N o r d - und den Südatlantik — zumindest deren westliche Gewässer—kontrollieren konnten, und zwar auf, über und unter dem Wasser 23 . Andererseits berücksichtigte diese Flottengröße, daß die amerikanische Gesellschaft weder politisch noch wirtschaftlich bereit war, erdrückend große Streitkräfte im Frieden zu dulden 24 . Im Hinblick auf die Ziele verrät die Anlage der N a v y indes eine gewisse Ambivalenz. Die Seestreitmacht war zunächst dazu bestimmt, die physische Unversehrtheit der Vereinigten Staaten, ihrer Überseebesitzungen und darüber hinaus der Westlichen Hemisphäre zu gewährleisten. Ferner sollte die N a v y es den USA ermöglichen, ihren Verpflichtungen unter dem System der Vereinten Nationen nachzukommen 25 . Insofern reflektierte die Anlage der Marine die Erfahrungen, die die USA seit den dreißiger Jahren gemacht hatten: es galt, vorbereitet stark zu sein. Die der Marine hier überwiesene Aufgabe stimmte durchaus überein mit dem Konzept der Kollektiven Sicherheit; nur in der Größe der erforderlichen Aufwendungen lag die Möglichkeit, im Falle des Bedarfs eine eigene verfügbare Reserve zu entwickeln. Indes lassen die Interpretationen der Marinepolitik im Congress noch einen anderen Aspekt durchschimmern. Die starke Seestreitmacht wurde nicht nur als das Sicherheitsinstrument begriffen, dessen ständige Präsenz durch die Erfahrungen von 1941, und dessen Größe durch den kriegstechnischen Fortschritt vorgeschrieben schienen, sondern auch als Machtpodest für die amerikanische Politik allgemein. Der Marineausschuß des Hauses erweiterte die Präambel der Resolution, so daß als Aufgabe der N a v y dort nicht nur der Schutz der amerikanischen Gebiete, sondern auch die „Unterstützung unserer nationalen Politik" und der „Sdiutz für unseren Handel und für unsere Bürger im Ausland" genannt wurden 26 . In 23
Ibidem, S. 5.
24
Rep. Bates, R, Mass., Naval Affairs, 29. Oktober 1945, CR 91, 8, 10159.
25
H . R p . 1107, 79/1, S. 5.
26
Ibidem, S. 1.
Die
Atombombe
109
der Plenardebatte wurde noch sehr viel deutlicher davon gesprochen, daß die N a v y auch die nationalen Interessen der USA zu fördern habe 27 . Die Marine wurde ausdrücklich als Mittel der Politik aufgefaßt, das nicht nur, wie selbstverständlich, den Vereinten Nationen als Subsidium, sondern den Vereinigten Staaten auch als eigenes Podium dienen sollte28. Es war beachtlich groß angelegt worden, wurde aber aus ökonomischen Gründen wie im Hinblick auf die politischen Ziele in einem Zustand mittlerer Bereitschaft gehalten, der sich gegebenenfalls rasch erhöhen ließ. Um Herrschaft zu errichten oder durch Domination und Zwang Ziele durchzusetzen, war das Instrument zu klein. Aber es war groß genug, die USA zur potentiell stärksten Seemacht zu madien und ihrem politischen Wort damit den Nachdruck zu geben, den eine solche Position verleiht. Die
Atombombe
Seltsamerweise spielte der ,große Stock', den die USA im August 1945 auf dem Rücken Japans zum erstenmal ausprobierten, in der Einschätzung des militärischen Potentials so gut wie keine Rolle. Die Größe der Streitkräfte wurde beraten, als ob es das amerikanische Monopol einer Superwaffe gar nicht gebe; nur von marinezugewandter Seite wurde gelegentlich vorgebracht, daß die Atombombe eine Kriegsmarine nicht überflüssig gemacht habe. Es schien, als dämpfte statt des Geheimnisses, das über dem Manhattan-Projekt gelegen hatte, nun der Schreck über die Zerstörungsgewalt der Bombe das Bewußtsein. Das Schweigen deutete auch an, daß sich die Vereinigten Staaten noch nicht darüber im klaren waren, welche militärischen und politischen Möglichkeiten der Besitz dieser Bombe letztlich barg und wie sie sich f ü r >die amerikanischen Ziele nutzen ließen. N u r das Extrem trat alsbald zutage: die Forderung, mit Hilfe der Bombe die Welt zu dominieren, die größte Luftflotte zu bauen und dann dem Rest der Welt zu sagen: „Wenn Sie Frieden wünschen, so zeigen Sie uns, daß Sie ihn halten" 29 . 27
Vgl. etwa McCormadc, D, Mass., Majority Leader, 30. Oktober 1945, CR 91, 8, 10202. 28
Vgl. die Kritik der Reps. Voorhis, D, Calif., Agriculture; Case, R, S. Dak., Appropriations; Folger, D , N . C., Banking and Currency, 30. Oktober 1945, CR 91, 8, 10198, 10205. 29 So der nationalistische und isolationistische Abgeordnete Rankin, D, Miss., Committee on World War Veteran's Legislation, Chairman, 26. September 1945, CR 91, 7, 9041.
110
2. Militärische
Stärke
Eine solche Politik wäre den USA vielleicht möglich gewesen, solange die Bombe ihr Monopol war; da das jedoch, wie man in Washington sehr genau wußte, nur für die kommenden 5 bis 10 Jahre der Fall sein würde, hätte der Vorschlag in praxi erfordert, die potentiellen Gegner jetzt mit Krieg zu überziehen und sie möglichst auf Dauer unter amerikanische Herrschaft zu bringen. Eine solche expansionistische Politik — vorausgesetzt, sie hätte sich verwirklichen lassen — lief aber den Interessen wie den Idealen der USA dermaßen zuwider, daß sie von vornherein ausfiel. Alles, was für die bürgerliche Gesellschaft der USA praktikabel sein sollte, mußte vor diesem Extrem liegen. Indessen brauchte man sich auch nicht sonderlich damit zu beeilen, über die Bombe zu disponieren. Die Monopolstellung der USA würde für die nächsten Jahre andauern — wenn man sie nicht freiwillig aufgab. Hier lag der andere Pol der Zielskala. Sollten die USA die furchtbare Kernwaffe für sich behalten oder sie den Vereinten Nationen zur Verfügung stellen? War nicht gerade sie das geeignete Mittel, mit dem der Sicherheitsrat seinen Entscheidungen Autorität verleihen und so den Frieden der Welt endgültig sanktionieren könnte? Und wenn nicht die UN, sollten nicht wenigstens England und Kanada, die beiden Mitarbeiter am Atomenergieprojekt, an seinen Möglichkeiten teilhaben? Es kann, nachdem die Elemente der amerikanischen Kooperationsbereitschaft nun schon an mehreren Fällen analysiert worden sind, nicht mehr überraschen, daß auch dieses zweite Extrem von vornherein ausschied. Für die Vereinigten Staaten verstand es sich von selbst, daß sie die atomaren Waffen nicht zu aggressiven Zwecken einsetzen würden, weil sie keine entsprechenden Ziele verfolgten. Mit der gleichen Entschiedenheit aber weigerten sie sich, die Entscheidung über diese Waffen aus der Hand zu geben, — sei es auch nur zu einem kleinen Teil und unter noch so vielen Kautelen. Der amerikanische Präsident hatte daran keinen Zweifel gelassen, als er am 3. Oktober 1945 den Congress aufforderte, die mit der neugewonnenen Energie zusammenhängenden organisatorischen Probleme gesetzlich zu regeln30. So sehr Truman die Notwendigkeit betonte, mit den anderen Vereinten Nationen, vorab mit Großbritannien und Kanada, zusammenzuarbeiten, damit Rivalität und Wettrüsten auf dem Gebiet der Atomenergie ausgeschaltet würden, so unmißverständlich lehnte er es ab, diese Zusammenarbeit auf den Herstellungsprozeß der Bombe auszudehnen. 30
Truman an den Congress, 3. Oktober 1945, CR 91, 7, 9322—9323.
Die
Atombombe
111
In dieser Technik der Kernspaltung aber, und nicht in deren Theorie, lag der eigentliche amerikanische Vorsprung. Wenige Tage später beseitigte Truman auch die letzten Hoffnungen darauf, daß die USA je das Geheimnis der Atombombenproduktion mit jemandem teilen würden 31 . Die amerikanische Entschiedenheit in diesem Punkt bekamen auch der britische Premier Attlee und sein kanadischer Kollege King zu spüren, mit denen Truman vom 10. bis zum 16. November 1945 in Washington zusammentraf. Während die öffentliche Erklärung der drei Staatsmänner Informationen über die Produktion der Atomenergie als unnütz und gefährlich bezeichnete und sie generell von der Weitergabe ausschloß32, hofften England und Kanada für sich auf eine Ausnahme. In einem nichtöffentlichen Memorandum hatten die drei Mächte verabredet, die Zusammenarbeit aus den Kriegstagen fortzusetzen. Truman weigerte sich jedoch, aus dieser Kooperation einen Anspruch der beiden Mächte abzuleiten, von den USA technische Daten zu erhalten 33 . Auch nicht durch engste Freunde, die schließlich zum amerikanischen Erfolg beigetragen hatten, wollten die USA ihre Entscheidungsmöglichkeiten einschränken lassen. Mit dieser Devise war keineswegs nur entschieden, was man nicht wollte. Truman hatte dem internationalen Aspekt der Atomenergie nur einen ganz kleinen Teil seiner Botschaft vom 3. Oktober gewidmet und den Akzent auf die Organisation des Nutzens gelegt, den die USA aus der Entdeckung ziehen könnten. Das Gesetz, das Truman dem Congress abforderte, sollte „die nationale Wohlfahrt fördern, die nationale Verteidigung sichern, den Weltfrieden bewahren und die Erlangung weiterer Kenntnisse auf dem Gebiet der Kernenergie fördern" 34 . Nahziel war also, die neugewonnene Energie weiterzuentwickeln: deren ökonomisch verwendbarer Teil sollte der amerikanischen Wirtschaft unmittelbar und direkt, der militärisch relevante Teil der amerikanischen Außenpolitik vorläufig als Potenz zukommen. Später, wenn die politische Entwicklung sich etwas deutlicher abzeichnen würde, konnte man entscheiden, ob diese Potenz innerhalb eines international kontrollierten Rahmens gemindert oder weiterhin uneingeschränkt der amerikanischen Militärmacht als ihr kräftigstes Instrument zur Verfügung stehen sollte. Das war cura posterior. 81
Truman, Memoiren, I, S. 578—579.
32
Erklärung Trumans, Attlees und Kings vom 15. November 1945, DoSB, XIII, 334, 18. November 1945, S. 781-782. 33
Truman an den Congress, 3. Oktober 1945, CR 91, 7, 9323.
34
Ibidem, 9322.
3. Strategische
112
Positionen
Zunächst mußte das Kriegsgeheimnis aus seinem militärischen Verlies in ein gesetzliches Gebäude verbracht werden. Die Aufgabe war ebenso groß wie die Zahl der wirtschaftlichen Interessen, die dabei berücksichtigt werden sollten. Im Senat war schon zwei Tage nach den Sommerferien 1945 von Senator McMahon ein Entwurf eingebracht worden, der die Atomenergie einem Regierungsamt unterstellen wollte 35 . Vandenberg parierte gleich anschließend mit einer Resolution, die einen aus Senatoren und Repräsentanten bestehenden Ausschuß forderte, mit dem die Probleme erst einmal untersucht werden sollten 36 . Von diesem Start an jagten sich die Entwürfe zum Gesetz selbst und zu dem zu errichtenden Congress-Ausschuß37. Ein vom Kriegsministerium unmittelbar nach Trumans Congressbotschaft eingebrachter Entwurf, der die neue Energie ausschließlich dem Militär anvertrauen wollte 38 , wurde von vornherein abgelehnt; ebenso Vandenbergs Vorschlag eines gemeinsamen Atomenergie-Aussdiusses. Die Geschichte dieser Gesetzgebung, die hinsichtlich ihrer Kompliziertheit auf Superlative Anspruch hat, ist hier nidit weiter darzustellen39. Die Atomic Energy Act kam erst 1946 zustande, zu einem Zeitpunkt also, in dem das Modell der Kollektiven Sicherheit schon ins Wanken geraten war. Die Richtung, in der die neue Waffe zu verwenden war, ließ sich dann schon sehr viel besser erkennen. Die Diskussion um die Atomstrategie fand allerdings nicht bei der Beratung des — wesentlich innenpolitischen — Atomenergie-Grundgesetzes statt, sondern anläßlich der Absicht der amerikanischen Streitkräfte im Frühjahr 1946, die militärischen Verwendungsmöglichkeiten der Bombe praktisch festzustellen.
3. S T R A T E G I S C H E
POSITIONEN
Von der militärischen Macht nicht zu trennen ist die Frage, in welchem Raum sie wirken oder wirksam werden soll. Nach dem Wortlaut der Charta der Vereinten Nationen war dies insofern unproblematisch, als der Sicherheitsrat die UN-Truppen in allen Ländern der Welt einsetzen 35
6. September 1945, CR 91, 7, 8361-8363.
38
Ibidem, 8363.
37
Vgl. die Übersicht in: Special Committee on Atomic Energy, S. Rp. 1211, 79/2, on
S. 1717, S. 1 - 3 . 38
Die sogenannte May-Johnson-Bill ist abgedruckt CR 91, 7, 9325—9329.
39
Vgl. dazu die Studie von Thomas und Northrop, Atomic
Energy and
Congress.
Stützpunkte
im Pazifik
113
können, und jedes Mitglied diesen Truppen das Durchzugsrecht zugestehen sollte (Art. 43, 1). Theoretisch war also die strategische Position eines Landes identisch mit dem Besitzstand aller Mitglieder. War sie es in der Praxis auch? Die Frage stellen hieß sie verneinen. Da die ¡Kollektive Organisation die Notwendigkeit der Selbstverteidigung nicht beseitigte, mußte auch deren Voraussetzung, die strategische Position, durch jedes Land selbst gewahrt werden. Ihr Ausmaß hatte der militärischen Macht des jeweiligen Landes zu entsprechen. Besetzte Länder Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges sah amerikanische Truppen in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, in Nordafrika und im Nahen Osten, in Japan, Korea, China und auf den pazifischen Inseln. Hinzukamen Stützpunkte wie auf Grönland und Island. Grad und Dauer der Kontrolle, die die amerikanisdien Truppen ausüben konnten, waren auf den verschiedenen Plätzen verschieden. Allgemein aber war zu erwarten, daß alles, was der Krieg — sei es durch Vertrag, sei es durch Eroberung — an strategischen Möglichkeiten gebracht hatte, mit seinem Ende, auf das hin diese Positionen bezogen worden waren, wieder verloren gehen würde. Der Zeitpunkt dazu war im einzelnen unbestimmt, konnte früher oder später liegen; der Prospekt als solcher war hingegen klar. Die USA hatten auf Landgewinn ausdrücklich verzichtet. Die Basen auf Grönland und Island waren nur für die Kriegszeit gedacht. Die besiegten Länder konnten nicht auf Dauer besetzt bleiben; dazu lag auch kein strategischer Grund vor, wenn es gelang, diese Staaten daran zu hindern, je wieder den Frieden zu gefährden. Daß diese Positionen noch in der ersten Besatzungsperiode einen neuen — wiewohl gänzlich anderen — strategischen Aspekt erhalten würden, ließ sich im Herbst 1945 noch nicht voraussehen1. Stützpunkte im Pazifik Aus diesen von den USA bei Kriegsausgang beherrschten strategischen Positionen ragte eine Kategorie heraus, die sich von den anderen in der 1 Die Komplikationen mit der Sowjetunion begannen vermutlich erst um die Jahreswende 1945/46, in den USA neue strategische Betrachtungen auszulösen. Vgl. das Treffen des S(tate) W(ar) N(avy)-Ausschusses am 20. November 1945, Forrestal, Diaries, S. 108. Die Frage, wann die neue Beurteilung die Oberhand bekam, ist außerordentlich schwer zu entscheiden. Bis zum Ende des Jahres 1945 dürfte grosso modo die Nachkriegsperspektive und nicht die künftiger Konflikte vorgeherrscht haben, s. u. S. 133 ff.
8 Czempiel
3. Strategische Positionen
114
geographischen Ausdehnung, der politischen Zugehörigkeit und des Dauercharakters ihres strategischen Werts für die USA deutlich unterschied: die Gruppe der sogenannten pazifischen Inseln. Im engeren Sinne wurden darunter die von Japan unter Völkerbundsmandat verwalteten früheren deutschen Besitzungen im Pazifik verstanden, also die Marianen (außer Guam), die Karolinen und die Marshall-Inseln. Es war klar, daß sie nicht bei Japan, das sie vertragswidrig zu starken militärischen Stützpunkten ausgebaut hatte, verbleiben konnten. Klar war auch, daß sie für die USA von besonderem Wert sein mußten. Der Pazifik bildet das unmittelbare Vorfeld der nach Asien blickenden Seite der Vereinigten Staaten. Sie hatten das 1919 nicht genügend berücksichtigt und den Fehler mit schweren Kämpfen und hohen Verlusten bezahlt. Japan war jetzt ausgeschaltet; es blieben aber auf dem asiatischen Subkontinent oder in dessen Nähe genug Staaten, die die Sicherheit der USA erneut gefährden konnten. Die USA hatten also allen Anlaß, dafür zu sorgen, daß über diese Inseln in einer Weise verfügt würde, die den amerikanischen Interessen auf Dauer Rechnung trug. Das Problem wurde 1945 sofort aktuell. Es gestattet daher — während die anderen strategischen Positionen vorläufig ungefragt in amerikanischem Besitz verblieben oder nur den Gegenstand geheimer Verhandlungen bildeten — einen aufschlußreichen Blick auf den Wert, den die Vereinigten Staaten ihren strategischen Möglichkeiten zumaßen. Die beiden Fragen, denen sich die USA gegenübersahen, betrafen erstens die Zahl der Inseln und dann die Form, in der sie den Amerikanern zur Verfügung gestellt werden sollten. Es ging nämlich nicht nur um japanische Mandate. Die USA hatten vielmehr seit 1940 fast 200 Basen im pazifischen Raum gebaut 2 . Die meisten befanden sich auf ihrem eigenen Gebiet; viele aber, wie etwa auf Manus in der Admiralitätsgruppe oder in Noumea auf Neu-Kaledonien, lagen auf alliiertem Territorium. Was sollte mit diesen Plätzen geschehen? Im Congress wurden ganz offen der N o r d - und Südatlantik, zumindest dessen westlicher Teil, und der gesamte Pazifik zur Sicherheitszone der USA erklärt, worin sie „unbestrittene Herrschaft" (undisputed control) 3 ausüben sollten; auf, über und unter dem Wasser. Obwohl die Vereinten Nationen nach den Worten Roosevelts wie Hulls das Ende aller Einflußsphären bedeuten sollten, brachte der Sidherheitsaspekt das gleiche Phänomen unter dem Namen 2 3
Weigert, Strategie Bases, S. 252.
Rep. Vinson, D, Ga., Naval Affairs, Chairman, bei der Beratung von H . Con. Res. 80, 29. Oktober 1945, CR 91, 8, 10152.
115
Stützpunkte im Pazifik
der Kontrolle „bestimmter strategischer ozeanischer Bereiche" 4 wieder hervor. Das Marineministerium hatte 40 Stützpunkte benannt, die unter allen Umständen für die Sicherheit der USA erforderlich seien. 27 davon lagen im Pazifik, nämlich in vollem Betrieb:
Kodiak,
Adak,
Hawaii,
Baiboa,
Guam-Saipan,
Bonin-
Volcano-Gruppe, Ryukyus, Manus, Tutu-Tawitawi, Subic, Leyte-Samar, Puerto-Princessa (Palawan); mit nur geringem Betrieb: Galapagos, Attu, Johnston-Insel, Midway, Wake, Samoa, Eniwetok, Kwajalein, Truk, Palau; und als Reserve:
Dutdi Harbor, Canton-Insel, Palmyra, Majuro, Ulithi 5 .
In der ersten Gruppe, die die wichtigsten Stützpunkte enthielt, waren die japanischen Mandate überhaupt nicht vertreten; vielmehr lagen vier Basen auf den Philippinen, zwei auf Inselgruppen, die seit dem 19. Jahrhundert japanischer Besitz waren, eine auf einem australischen Mandat, fünf auf amerikanischem Boden. Die japanischen Mandate tauchten erst im zweiten und dritten Bereitschaftsgrad auf. Der Marineausschuß des Repräsentantenhauses, der schon im Juli 1945 ein Subkomitee in den Pazifik entsandt hatte, verstand unter dem Begriff „pazifische Inseln" noch sehr viel mehr. Er hätte es am liebsten gesehen, wenn der pazifische Raum durch drei Fluchten amerikanischer Stützpunkte gesichert worden wäre: einen Mittelstreifen nördlich des Äquators, von den Hawaii-Inseln über Mikronesien zu den Philippinen; im Norden flankiert von einer über die Aleuten und die Kurilen führenden Linie; im Süden von einem Gürtel, der auf den Admiralitätsinseln, den Neuen Hebriden, Neu-Kaledonien und Samoa ruhte. Das ging nicht mehr nur Japan, sondern auch England, Frankreich und Australien an. Der Ausschuß unterschied, je nach Intensität der für die USA geforderten Kompetenzen, drei Gruppen: beherrschende Kontrolle für die japanischen Mandate und die „peripheren japanischen Inseln" (outlying islands) der Vulkan-, Bonin- und Ryukyu-Gruppe; einzelne, aber handfeste Rechte dort, wo amerikanische Basen auf den Inseln Alliierter errichtet waren; und schließlich volle Rechte an den Basen Manus, Noumea, Espiritu Santo, Guadalcanal, die auf Inseln lagen, die von anderen Nationen unter Mandat verwaltet oder beansprucht wur-
8*
4
H.Rp. 1107, 79/1, S. 5.
5
Ibidem, S. 10.
3. Strategische
116
Positionen
den 6 . Begründet wurde diese Forderung mit der Sicherheit der USA, der Hemisphäre und des Pazifik. Da die Eigentümer dieser Stützpunkte (von Japan abgesehen) zu schwach seien, sie zu erhalten, müßte diese Aufgabe den USA übertragen werden 7 . Unter dem Begriff der pazifischen Inseln müssen also nicht nur, wie es gemeinhin geschieht, die früheren japanischen Mandate, sondern sämtliche von den USA während des Krieges erbauten oder erweiterten Basen verstanden werden, die für die amerikanische Sicherheit reklamiert wurden. Dieser Anspruch berührte die verschiedensten Rechtstitel, denen später auf verschiedene Weise Rechnung getragen werden mußte, so z. B. im Militärhilfe-Abkommen mit den Philippinen vom 14. März 1947 oder im Friedensvertrag mit Japan von 1951. Die langanhaltende öffentliche Diskussion um die Form, unter der die USA die früheren japanischen Mandate verwalten sollten, hat diese Inselgruppe stark in den Vordergrund gerückt. Die strategische Position, mit der die USA den Pazifik kontrollieren wollten, umfaßte aber sehr viel mehr. Es gab zwei Möglichkeiten, dem amerikanischen Interesse an den japanischen Inseln und Mandaten Rechnung zu tragen: Die USA konnten die Inseln annektieren oder sich darauf beschränken, sie als Treuhänder im Auftrag der Vereinten Nationen zu verwalten. Die Alternative war in den USA lange Zeit heftig umstritten. Präsident und Außenministerium traten für eine Treuhandschaft ein, und zwar mit der dreifachen Begründung, daß die USA jegliche Expansion ausdrücklich abgelehnt hätten 8 , daß sich die amerikanischen Sicherheitsinteressen sehr wohl unter einer Treuhandschaft verwirklichen ließen 9 , und daß schließlich eine Annexion dieser Inseln anderen Mächten, vornehmlich der Sowjetunion, das Stichwort gebe, mit ihren Kriegseroberungen genauso zu verfahren 10 . Dem Militär leuchtete keiner dieser Gründe ein. Es hatte lediglich die Großmachtposition der USA im Auge und leitete aus der Rüdssicht, die in der internationalen Organisation auf die Großmächte genommen 6 Committee on Naval Affairs, H. Rp. 2741, 79/2, 2. Januar 1947, Investigations of the Progress of the War Effort, S. 16. 7
Ibidem.
So Roosevelt noch Anfang 1945, Rüssel, UN Charter, S. 510. Vgl. zu der inneramerikanischen Kontroverse jetzt auch Albertini, Die USA und die Kolonialfrage, S. 20 ff. 8
9 10
Hull, Memoirs, II, S. 1706-1707. Vandenberg, Papers, S. 169.
Stützpunkte
im Pazifik
117
wurde, das besondere Recht ab, die Inseln für die USA zu beanspruchen11. Daß Moskau dadurch zu ähnlichem Tun ermuntert werden könnte, schien den Militärs gleichgültig, gemessen an den strategischen Möglichkeiten, die den USA exklusiver Besitz bot 12 . Der Sicherheitswert der internationalen Organisation endlich, für die Präsident und Außenminister plädierten, wurde von militärischer Seite erheblich niedriger eingestuft. Er galt nur als so groß wie die strategisch-militärischen Möglichkeiten der Großmächte; ihnen sollte darum alles zustehen, was sie brauchten 13 . In den Augen der Militärs waren die Inseln keinerlei Objekt für Treuhandschaft oder Mandat; ihre Aneignung nicht Kolonisation oder Ausbeutung, sondern lediglich „Erwerb der erforderlichen Basen für die Verteidigung der Sicherheit des Pazifik zugunsten der zukünftigen Welt" 1 4 . Die erste Runde in dieser Meinungsverschiedenheit gewann der Form nach das Außenministerium. Nachdem es den Militärs zunächst gelungen war, die Treuhandschaft aus den amerikanischen Vorschlägen für Dumbarton Oaks herauszunehmen15, richtete die Charta schließlich doch ein solches System ein. Mandate und von Feindstaaten abgetrennte Gebiete sollten, Kolonien durften unter Treuhandverwaltung gestellt werden — allerdings erst in später abzuschließenden Einzelverträgen, in denen die gegenwärtigen Besitzer ihre Sonderinteressen geltend machen konnten. Den amerikanischen Sicherheitswünschen wurde dadurch Rechnung getragen, daß Gebiete oder Gebietsteile als strategische Zonen bezeichnet werden durften. Sie waren aus der Treuhandschaft sozusagen ausgeklammert, unterstanden nicht dem Treuhänderrat, sondern dem Sicherheitsrat 16 . Die diesem Organ, das zudem auf die Zustimmung der USA angewiesen war, eingeräumten Rechte waren jedoch derart minimal, daß die amerikanische Verfügungsgewalt über diese Inseln sich kaum von „kolonialem Besitz" 1 7 unterschied. Die U N waren dem Namen nach, die USA aber der Sache nach Herr dieser Mandate. 11
Stimson, Ort Active Service, S. 601—602.
12
Stimson an Stettinius, 23. Januar 1945, Department of State, Malta and
Conferences,
Jalta
S. 79.
13
Stimson, On Active Service,
14
Ibidem.
S. 601—602.
15
Zur Entwicklung der amerikanischen Pläne und zum Dialog zwischen Außen-
ministerium und Militär vgl. Russell, UN Charter,
S. 330 ff., 509 ff., 540 ff., 808 ff.
"
Zum Treuhandsystem im einzelnen vgl. Murray, UN Trusteesbip
"
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 889, 80/1, 11. Juli 1947, on H . J . Res. 233,
System.
Authorizing the President to Approve the Trusteeship Agreements for the Territory of the Pacific Islands, S. 4.
118
J. Strategische
Positionen
Die amerikanische Diplomatie selbst hatte diese Sonderform der strategischen Zonen entworfen, um die internationale Organisation nominell einschalten, die amerikanischen Sicherheitsinteressen dabei aber substantiell wahren zu können. Den Militärs erschien selbst diese tönende Konzession noch zu groß, sie wehrten sich bis in den Herbst hinein heftig dagegen, daß die U S A die japanischen Mandate in irgendeiner Form den Vereinten Nationen unterstellten 18 . Hier siegte erneut die diplomatische Seite. Die U S A hatten die Charta entworfen, sie konnten sich ihr nicht gut entziehen. Truman übergab am 6. November 1946 den Entwurf eines die japanischen Mandate betreffenden Treuhandschaftsabkommens der Presse 19 und am 26. Februar 1947 offiziell dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der am 2. April 1947 zustimmte. Der amerikanische Congress ratifizierte routinemäßig und ohne jegliche Debatte 2 0 das einst heiß umstrittene Projekt, nachdem nicht nur der Außenminister, sondern auch die Kriegs- und Marineminister, sowie die beiden Generalstabschefs wenigstens offiziell ihr Plazet dazu gegeben hatten 21 . Die militärischen Vertreter gaben sich jetzt damit zufrieden, daß der Gehalt des Abkommens, mit dem die Treuhandschaftsgebiete an die Innenpolitik der U S A angeschlossen wurden, „tantamount to sovereignty" war 2 2 . D a f ü r ging die zweite Runde — über die den Japanern abgenommenen Inselgruppen, also die strategisch wichtigeren Plätze — ganz an die Militärs. Japan mußte sich im Friedensvertrag von 1951 verpflichten, von vornherein einer UN-Treuhandschaft der U S A über die Ryukyu-, Daito-, Bonin- und Vulkan-Inseln sowie Parece Vela und Marcus zuzustimmen. Ein entsprechender amerikanischer Vorschlag an die Vereinten Nationen blieb jedoch aus. Nach
wie vor werden
die Inseln in dem völkerrechtlich
definierbaren Zustand zwischen „residualer Souveränität" 18
New York Times, 23. September 1946, S. 9.
18
Text in DoSB, XV, 385, 17. November 1946, S. 8 8 9 - 8 9 1 .
schwer
Japans 2 3
und
2 0 H. J . Res. 233. Beratungsdaten im Haus: 11. Juli 1947, CR 93, 7, 8731. Im Senat: 14. Juli 1947, CR 93, 3, 8850. P. L. 204, 80/1, 61 Stat. 271. 21 Sen. Vandenberg, CR 93, 7, 8850. Vgl. auch Committee on Foreign Relations, S. Rp. 471, 80/1, 10. Juli 1947, on S. J. Res. 143 (entspricht H. J. Res. 233 - Anm. 17 - ) , S. 2. 22
Byrnes zu Forrestal, 26. November 1946, Forrestal, Diaries, S. 216.
Vgl. das Zusatzabkommen zum Vertrag über gegenseitige Zusammenarbeit und Sicherheit zwischen den USA und Japan vom 19. Januar 1960, 71 AS 4509, Vol. X I , 2, 1646. 23
Stützpunkte
im Pazifik
119
nur latenter amerikanischer Absicht, diese Gebiete der UN-Treuhandschaft zu übergeben, ausschließlich von der amerikanischen Marine verwaltet. In der Kontroverse zwischen Diplomatie und Generalität stand die Legislative auf der Seite des Militärs. Die Marineausschüsse beider Häuser hatten sich mit dem Problem seit Anfang 1945 beschäftigt; ein Unterausschuß des Senats war sogar in San Francisco erschienen, um den Standpunkt der Militärs zu verstärken. Anfang April 1945 hatte das Marineausschuß-Mitglied Hebert eine Resolution eingebracht, dernach die USA sämtliche pazifischen Inseln, die mit amerikanischen Waffen befreit worden waren, besitzen und kontrollieren sollten 24 . Das war eine weitgehend irreale Forderung. Wichtiger war, daß das Repräsentantenhaus bei der Beratung des Marine-Etats, kurz vor Beginn der San Francisco-Konferenz, das Thema der pazifischen Basen aufgriff 25 . Dahinter stand ganz offensichtlich die Absicht, allen Gedanken an ein späteres amerikanisches Mandat von vornherein den Garaus zu machen. Gefordert wurde ausdrücklich das „vorbehaltlose Eigentum" der USA an diesen Inseln 26 . Von Treuhandschaft ganz zu schweigen, sollte die amerikanische Verwaltung dieser strategischen Außenposten „irgendeiner internationalen Organisation" nicht einmal verantwortlich sein27. Man sprach offen von Eroberung und Annexion 28 , forderte sogar Celebes, die Molukken, den Bismarck-Archipel und die Neuen Hebriden für die USA 29 . Interessant sind dabei weniger die einzelnen Äußerungen als die Richtung, in der sich die Meinungen bewegten. Sie gingen an der internationalen Organisation als einem friedensidiernden Mittel völlig vorbei. N u n ist es für eine bürgerlich-industrielle Republik gewiß schwierig, ihre Sicherheit dauernd zu gewährleisten, ohne ihre Grundauffassungen von Politik zu vergewaltigen. Wenn sie stets wartet, bis sie angegriffen wird; wenn sie nach jedem Sieg wieder in ihre Ausgangsstellungen zurückkehrt, gelangt sie in jenen Zyklus, den Admirai King sehr anschaulich be24
H . Con. Res. 41, eingebracht 9. April 1945, CR 91, 3, 3226-3228.
25
Beratung der Naval Appropriations Bill, 18. April 1945, CR 91, 3, 3506 ff. Der Krieg im Pazifik war zu dieser Zeit noch in Gang. 28
Rep. Mansfield, D, Mont., Territories, CR 91, 3, 3523.
27
Rep. Wadsworth, R, N . Y„ Foreign Affairs, CR 91, 3, 3517.
28
Vgl. etwa Rep. Poage, D, Tex., Agriculture, 4. Mai 1945, CR 91, 3, 4204. Sen. Butler, R, Nebr., Agriculture, 10. Mai 1945, CR 91, 4, 4398. 28
Sen. Butler, CR 91, 4, 4398.
J. Strategische Positionen
120
schrieben h a t : sie muß erobern, aufbauen, siegen, um, nachdem sie sich zurückgezogen hat, erneut erobern, aufbauen und siegen zu müssen 30 . Die
einfachste
Methode,
diesen
circulus
zu
durchbrechen,
besteht
scheinbar darin, zu behalten, was man erobert und aufgebaut hat. Das war die Empfehlung der amerikanischen Militärs und des Congress. D a s Militär dachte in rein strategisch-technischen Kategorien. D e r Congress jedoch, dessen Aufgabe die Politik ist, hätte erkennen müssen, daß diese anscheinend einfache Methode im Grunde die unbrauchbarste ist. Sie unterscheidet sich in nichts von denen, die in expansionistischen P r o g r a m men verwendet werden. Dabei ist es unerheblich, ob das Endziel Sicherheit heißt oder anders. D a das politische M i t t e l , nämlich D o m i n a t i o n und A n n e x i o n , das gleiche ist wie bei der E x p a n s i o n , ist es für die Betroffenen und Beteiligten unerheblich, welche Zwecke dabei proklamiert werden. D i e M a ß n a h m e , die Sicherheit bewirken soll, kann somit von der M e thode her eben jene Spirale von G e w a l t und Gegengewalt wieder in Bewegung bringen, die die Sicherheit erneut gefährdet. D e r wirklich brauchbare Ausweg aus diesem Dilemma verläuft anders: über die internationale Organisation. N u r sie ist imstande, den C h a r a k t e r des Zieles zu verbürgen und die Spiraldrehung zu unterbrechen. Fraglos mußten die japanischen Mandate — möglicherweise auch die drei Inselgruppen unmittelbar südlich Japans — dem Inselreich, das sie zu Aggressionen genutzt hatte, genommen werden. Unbezweifelt w a r ebenso, daß sie künftig v o n den U S A , der am meisten interessierten und am meisten befähigten Macht, verwaltet werden würden. D i e Vereinigten Staaten hatten sie erobert. N u r Amerika konnte den Frieden im pazifischen R a u m gewährleisten. Als der entscheidenden Großmacht gebührte ihr und niemandem sonst diese Kontrolle. A b e r auch die Vereinigten Staaten mußten zulassen, daß sich jedermann kontinuierlich ihrer Ziele versichern konnte. Ebenso wie sie die internationale Organisation gegründet hatten, um zusammenzuarbeiten und diese Zusammenarbeit zu dokumentieren, konnte die Kontrolle der pazifischen Inseln den Zweck nur erfüllen, wenn sie innerhalb des KooperationsRahmens der Vereinten Nationen vor sich ging. N u r damit — und nicht durch reine D e k l a m a t i o n — konnte für alle sichtbar und dauernd bewiesen werden, daß die U S A lediglich Sicherheit als Ziel verfolgten. N u r die Treuhandschaft konnte die U S A vor dem Verdacht bewahren, mit dem Mäntelchen der Sicherheit eine expansionistische Absicht zu verhüllen. 30
Admiral King vor der Academy of Political Science, zitiert nach Rep. Mansfield,
18. April 1945, C R 91, 3, 3523.
Ideologische
Bastion?
121
Im amerikanischen Außenministerium war man sich über diese Problematik durchaus im klaren und hatte für die Treuhandschaft plädiert. Strategische Interessen der U S A wären dadurch nicht gefährdet worden; es hätte Mittel und Wege gegeben, diese Interessen selbst bei ständiger Kontrolle zu gewährleisten. Dabei ging es nicht einmal um Kontrolle im strengen Sinn des Wortes, sondern nur um den Beweis, daß die Vereinigten Staaten lediglich Sicherheit — ihre Sicherheit und die aller Vereinten Nationen — anstrebten. Dieser Beweis war ganz einfach dadurch zu führen, daß die U S A von vornherein und ohne Reserven als Treuhänder auftraten. D a ß man im Congress (und beim Militär) diesen Aspekt nicht begriff, läßt zwei Schlüsse zu: Entweder waren hier wirklich Residuen expansionistischer Zielsetzungen vorhanden, oder es fehlte jedes Verständnis für die Leistung, die eine internationale Organisation in der Sicherheitspolitik einer bürgerlichen Großmacht in der Mitte des 20. Jahrhunderts vollbringen kann. O b der erste Schluß zutrifft, ist schwer zu entscheiden; er gilt wahrscheinlich für das Militär, das nun einmal an die Kategorien von Landerwerb und Landverlust gebunden ist. Auf jeden Fall ist, wie sich in den kommenden Jahren weiter erweisen läßt, der zweite Schluß berechtigt. Die Möglichkeiten, die eine internationale O r ganisation bietet, sind vom Congress nicht verstanden worden. E r war zu sehr in den traditionellen Auffassungen von Souveränität und H a n d lungsfreiheit des Nationalstaates befangen, als daß er entsprechenden politischen Konzepten, die bewährt, aber doch veraltet und darum nicht mehr ganz zureichend waren, zugunsten neuer Formen hätte entsagen können. 4.
IDEOLOGISCHE
BASTION?
Ein weiteres Instrument der amerikanischen Außenpolitik mußte schließlich, nachdem der Krieg zu Ende gegangen war, der Zukunft angepaßt werden: die Auslands-Propaganda. Eine im Grunde altbekannte Waffe, war sie erst in der Neuzeit in größerem Stile verwendet worden, seit die öffentliche Meinung zu einem maßgebenden F a k t o r der politischen Entscheidung geworden war. Die U S A hatten sie bereits in der R e v o lutionszeit benutzt 1 . Während des Ersten Weltkrieges wurde das Instrument stark ausgebaut und von da ab, wenn auch wieder etwas verkleinert, 1 Vgl. dazu die eindringende Arbeit von Davidson, Propaganda Revolution.
and the
American
122
4. Ideologische
Bastion?
in der Foreign Intelligence-Abteilung im Außenministerium ständig beibehalten 2 . Als Antwort auf die psychologische Kriegführung der Achsenmächte richtete die amerikanische Regierung das Amt für Kriegs-Information (Office of War Information) 3 ein, das 1945 10 375 Personen beschäftigte. Das Amt war ausdrücklich für den Krieg bestimmt: es sollte das In- und Ausland über den Stand der Kämpfe, über die Tätigkeit und Ziele der amerikanischen Regierung informieren 4 . Nachdem diese Aufgabe erledigt war, sah sich die Regierung vor der Frage, was mit dem Apparat geschehen solle. Natürlich konnte man ein Kriegs-Informationsamt im Frieden schlechterdings nicht gebraudien; noch bevor Japan offiziell kapituliert hatte, löste Präsident Truman das OWI auf und überwies dessen Funktionen einstweilen ins Außenministerium 5 . Damit war indessen noch nichts entschieden, nur Zeit gewonnen. Das weitere Schicksal der Propaganda-Dienste ist außerordentlich aufschlußreich für die Ziele der amerikanischen Außenpolitik und für deren Struktur. Propaganda, also Information mit dem ausschließlichen Zweck, beim Adressaten eine bestimmte Meinung zu erzeugen, verträgt sich durchaus mit dem System der bürgerlichen Republik, vorausgesetzt allerdings, daß sich die Regierung der Propaganda enthält. Sofern sie von Parteien und politischen Gruppen betrieben wird, ist gegen Propaganda in der Massengesellschaft grundsätzlich nichts einzuwenden 6 (was nicht heißen soll, daß sie unproblematisch sei). Wenn Propaganda außenpolitisch verwandt werden soll, entfallen sogar zunächst sämtliche Bedenken. Keine politische Einheit kann in ihren außenpolitischen Beziehungen auf Öffentlichkeitsarbeit verzichten. Das Dilemma entsteht erst beim Nebeneffekt, erst dadurch, daß Auslandspropaganda in größerem Stil nur durch die Regierung betrieben werden kann. Dagegen hat die bürgerliche Gesellschaft zweierlei einzuwenden. Zunächst ist nie ganz sicherzustellen, daß die Regierung die Apparatur, die ihr gegeben werden muß, nicht doch auch innenpolitisch 2
Ludden, Development
3
Vgl. dazu Barnes, Fighting
of Informational with
Activities,
S. 496 ff.
Information.
4 Vgl. die Executive Order No. 9182 Roosevelts vom 13. Juni 1942, 7, Fed. Reg. S. 4468. Hier zitiert nach dem Teilabdruck in DAFR IV, S. 190.
Executive Order No. 9608, 31. August 1945, 10, Fed. Reg. S. 11223. Zitiert nach DoSß, XIII, 323, 2. September 1945, S. 307. 5
6
Dazu Friedrich, Demokratie
und Propaganda,
bes. S. 109.
Das Ende der psychologischen
Kriegführung
123
verwendet, zumal eine Reihe außenpolitischer Ziele innenpolitischer Maßnahmen bedürfen. In jedem Fall aber wird die Regierung auf dem Gebiet der Publizistik tätig, das traditionell von der Privatwirtschaft bestellt wird. So entstehen ökonomische Konkurrenz und politisches Präzedenz: Die Kompetenzen der Regierung werden zum Schaden und auf Kosten des einzelnen Bürgers vergrößert. In diesen Folgeerscheinungen wurzelt die Abneigung, die man in bürgerlichen Republiken gegen die Regierungspropaganda hat. Nichtsdestoweniger kann Propaganda — im Kriege nur das psychologische Hilfsmittel der Waffen — im Frieden ein wichtiges Instrument darstellen. Mit ihr läßt sich zum Beispiel eine Ideologie, eine bestimmte Auffassung von Gesellschaft und Politik, verbreiten oder — im anderen Fall — neutralisieren und abwehren. Verzicht auf Propaganda bedeutet also speziell, daß eine Offensive nicht gewünscht, eine Defensive nicht für erforderlich angesehen wird. Umgekehrt zeigt starke propagandistische Aktivität an, daß einer dieser beiden Fälle vorliegt. Zwischen den Extremen: auf Propaganda gänzlich zu verzichten oder sie stark zu benutzen, liegen zahlreiche Mittelstufen. Wie im Bereich der Wirtschaft die Repräsentationsannonce die Mitte zwischen völligem Schweigen und einer Werbekampagne hält, kann man sich auch in der Propaganda darauf beschränken, seinen Standpunkt angemessen zurückhaltend zu dokumentieren. J e nach dem Maß, in dem die bürgerliche Republik ihre grundsätzlichen innenpolitischen Bedenken gegen die Propaganda hinter deren außenpolitischen Wirkungen zurücktreten läßt, zeigt sie, in welchem Stärkegrad außenpolitische Offensive gewünscht oder Verteidigung für erforderlich gehalten wird. Das hier abschließend zu behandelnde Mittel der Propaganda kann darum nochmals als Indikator für Richtung und Impuls der Machtposition gelten, die die U S A zu Beginn der Nachkriegszeit anstrebten. Das Ende der psychologischen
Kriegführung
Als Präsident Truman Ende August das O W I auflöste und den Informationsdienst dem Außenministerium eingliederte 7 , hatte die Glocke 7 Der amtierende Außenminister Acheson richtete am 10. September 1945 im State Department den Interim International Information Service ein, der bis zum 31. Dezember 1945 die Informationsarbeit des O W I weiterführen sollte. Erlaß Adiesons No. 1337, 10. September 1945, abgedruckt DoSB, X I I I , 325, 16. September 1945, S. 418. Außenminister Byrnes hatte am 31. August 1945, gleichzeitig mit dem Erlaß Trumans,
4. Ideologische
124
Bastion?
des Congress schon deutlich geschlagen. Im Juni 1945 war der E t a t der Kriegsämter beraten worden, wobei der des Office of "War Information sehr schlecht abschnitt. I m Fiskaljahr 1945 hatte das A m t über mehr als 6 0 Millionen Dollar verfügen können 8 , es beantragte selbst für 1946 nur noch 42 Millionen 9 . Der Bewilligungsausschuß des Hauses hatte nur 35 Millionen vorgeschlagen, das Plenum senkte den Betrag bis auf 18 Millionen 1 0 . D e r Senat trat für 39 670 215 Dollar ein 11 . I m K o m promiß der beiden Häuser wurden dem Informationsprogramm für das Fiskaljahr 1946 schließlich 35 Millionen Dollar gegeben, die Hälfte des Kriegsbudgets 12 . Für die Sache selbst war damit — außer einer Gnadenfrist — noch nichts entschieden. Während der Debatten hatte sich eine heftige Opposition bemerkbar gemacht; sie konnte nicht siegen, weil der Krieg noch in Gang war. Als Kampfmaßnahme mochte das Programm hingegangen sein wie jede andere außergewöhnliche Anstrengung der USA 1 3 . Psychologische Unterstützung des Krieges war aber etwas ganz anderes als Propaganda im Frieden. Dies gehörte zu den typisch europäischen Praktiken, wie sie von England, Rußland und Frankreich (und ehedem Deutschland) angewendet wurden, die, so sah es der Congress, ihre Völker gegenseitig propagandistisch bombardierten 1 4 . Neben diesem grundsätzlichen Einwand wurde die Frage erhoben, wann denn Propaganda nütze. Konnte man wirklich Völker, die nicht wollten, damit für die Demokratie interessieren? Und: wie sollte man sich weiterhin gegen die kommunistische Propaganda in den U S A und in Lateinamerika wenden können, wenn man selbst die gleichen Methoden anwandte 1 5 ? das Office of International Information and Cultural Affairs (OIC) eingerichtet, das nach der Übergangszeit endgültig die Arbeiten übernehmen
sollte. Erlaß
Byrnes'
No. 1336, 31. August 1945, abgedruckt DoSB, X I I I , 324, 9. September 1945, S. 387. 8
Ludden, Development
9
Sen. Morse, R, Oreg., Claims, 21. Juni 1945, C R 91, 5, 6435.
10
of Informationell Activities,
S. 501.
Das Amendment des Rep. Taber, D , N. Y . , Appropriations, den Betrag um die
Hälfte zu kürzen, wurde zunächst mit 106:106 Stimmen abgelehnt, 8. Juni 1945, C R 91, 5, 5820, 5827. Es gelang Taber jedoch, bei der Endabstimmung eine Kürzung um 17 Millionen durchzusetzen.
Sie wurde mit 1 3 8 : 1 2 8 : 1 6 6
Stimmen
angenommen,
S. 5832. 11
26. Juni 1945, C R 91, 5, 6740.
12
P . L . 156, 79/1, 59 Stat. 319.
13
Sen. Brooks, R, Iii., Appropriations, 26. Juni 1945, C R 91, 5, 6735.
14
Sen. Chandler, D , Ky., Commerce, 26. Juni 1945, C R 91, 5, 6732.
15
Chandler, 21. Juni 1945, C R 91, 5, 6438.
ibidem,
Das Ende der psychologischen
Kriegführung
125
Gegen diese Fragen hatten die Befürworter keine handfesten Argumente vorzuweisen. Es half ihnen nicht, daß sie — wie übrigens auch die Regierung — das Wort „Propaganda" peinlichst vermieden, immer nur von „Information" sprachen. Es hätte eines kräftigen Motivs bedurft, um das Projekt über die Schwelle der Abneigung zu ziehen. Die ideologische Offensive des Kommunismus wurde zwar genannt 16 , aber sie schien dem Plenum nicht real und groß genug, um solche exorbitanten Neuerungen zu rechtfertigen. Ein eigener amerikanischer Feldzug für die Demokratie stand nicht zur Debatte. Für die Umerziehung der besiegten Staaten war die Armee zuständig. Gewiß, einiges blieb vernünftigerweise zu tun. Die USA mußten auch im Informations-Bereich repräsentiert werden, zumal viel Falsches über sie verbreitet wurde 17 . Sie mußten auf dem europäischen Meinungsforum auftreten, wollten sie nicht ihren Einfluß und damit auch ihre Märkte in diesem Raum verlieren 18 . Und schließlich wollten sie allgemein dafür sorgen, daß die Idee des Totalitarismus, die den Zweiten "Weltkrieg ausgelöst hatte, nicht wiederkehren konnte — weder in alter noch in neuer Form 19 . Diese Sorge war wohl verwandt, aber keineswegs identisch mit einem ideologischen Feldzug für die Demokratie, unterschied sich von ihm vielmehr wie eine Unkraut-Prophylaxe von der Frucht-Aussaat. Dementsprechend war keiner dieser Gründe stark genug, um den Congress für eine ausgedehnte Informations-Tätigkeit der Regierung im Ausland einzunehmen. Die Legislative bewilligte 1945 schließlich einen ausreichenden Betrag; aber es war sehr fraglich, ob sie es ein zweites Mal tun würde, zumal zu diesem Zeitpunkt die Kampfhandlungen endgültig abgeschlossen sein würden. Im Repräsentantenhaus hatte sich schon die Mehrheit für eine Halbierung des Informationsetats ausgesprochen. Im Senat konnte sich die Erhöhung von 35 auf 39,6 Millionen Dollar nur mit einer Mehrheit von fünf Stimmen durchsetzen. Die Abstimmungsfronten verliefen in beiden Häusern ziemlich genau entlang den Fraktionsgrenzen: im Haus stimmten 88 °/o der Demokraten gegen und sämtliche Republikaner für die Kürzung, im Senat lagen die Verhältnisse 18
Sen. Morse, 21. Juni 1945, C R 91, 5, 6438.
17
Morse, 26. Juni 1945, CR 91, 5, 6733.
18
Sen. Tunneil, D, Del., Pensions, Chairman, Foreign Relations, 21. Juni 1945, C R 91, 5, 6737-6738. 19
Sen. Ball, R, Minn., Appropriations, 21. Juni 1945, CR 91, 5, 6738—6739.
126
4. Ideologische
Bastion?
ähnlich20. Das ließ die Aussicht noch düsterer werden. Wenn das Informationsprogramm zum Fokus der Partei-Gegensätze wurde, sanken seine Aussichten beträchtlich.
Der neue Tenor:
Repräsentation
Der Regierung blieb in dieser Lage nichts übrig, als bis zum Bewilligungstermin im nächsten Jahr ein Programm zu entwerfen, das die Steine des Anstoßes entweder beseitigte oder umging. Truman hatte schon angekündigt, daß die — verringerte — Informationstätigkeit, die beizubehalten er für erforderlich hielt, die privaten Informationsmedien nicht beeinträchtigen, sondern unterstützen sollte. Die Aufklärungsarbeit des OWI innerhalb der USA werde beendet und nicht weitergeführt werden. Was zu tun bleibe, sollte weder der Sache noch dem Umfang nach den Informationsprogrammen anderer Regierungen ähneln, sondern lediglich dem Zweck dienen, daß „andere Völker ein vollständiges und angemessenes (fair) Bild des amerikanischen Lebens sowie der Ziele und der Politik der Regierung der Vereinigten Staaten erhalten" 21 . Mit der heiklen Aufgabe der Umstellung betraute Truman William Benton — Vizepräsident der Universität von Chicago und Werbefachmann —, der als Nachfolger des Schriftstellers MacLeish zum Assistant Secretary of State for Public Affairs ernannt wurde. Benton gab sich sehr viel Mühe. Er verringerte das Personal des OWI um 60 Prozent; Mitte 1946 sollten nur noch 400 Beamte die Kultur- und Informationsarbeit in 60 Ländern leiten; 850 würden im Kurzwellenfunk tätig sein und weitere 799 für die anderen Arbeiten 22 . In Deutschland und Japan würden darüber hinaus weitere 850 Beamte fungieren, sie blieben aber außerhalb des regulären Programms. In einem Uberblick über die geplante Tätigkeit seiner Behörde mischte Benton sehr geschickt das Kontroverse unter das Unproblematische, stellte den Kulturaustausch, den die USA schon seit dem Ende der dreißiger Jahre mit den lateinamerikanischen Ländern gepflegt hatten, an die 2 0 Für das Gurney-Amendment, den Betrag v o n 39 Millionen auf 20 Millionen zu senken, stimmten 62°/o der Republikaner und 2 0 % der Demokraten, 26. Juni 1 9 4 5 , C R 9 1 , 5, 6739. Für die K ü r z u n g auf 35 Millionen (Bridges-Amendment, ibidem, 6 7 4 0 ) w a r e n 22 °/o der Demokraten und 80 °/o aller Republikaner. 21
Presseerklärung Trumans vom 31. August 1945, DoSB, X I I I , 323, 2. September
1 9 4 5 , S. 3 0 6 - 3 0 7 . 22
Pressemitteilung Bentons vom 28. Dezember 1945, DoSB, X I I I , 340, 30. Dezember
1 9 4 5 , S. 1 0 4 5 - 1 0 4 7 .
Der neue Tenor:
Repräsentation
127
Spitze, die Kurzwellensendungen des Außenministeriums an den Schluß. H i e r , bei der „Stimme Amerikas", lag die größte Schwierigkeit, weil sie die größte Propaganda-Möglichkeit für die Regierung brachte.
Benton
hatte sich schon früher bemüht, diesem P r o j e k t den Stachel etwas zu nehmen. E r kündigte an, statt wie bisher in 4 0 , nunmehr nur noch in 18 Sprachen
und nur während der Nachtzeiten senden zu lassen 23 . E r
versuchte, den Kurzwellenfunk der Regierung als neues, einem neuen Sicherheitsbegriff entsprechendes Instrument der amerikanischen Politik darzustellen. Das Kriegsschiff, das traditionelle Symbol amerikanischer Sicherheit, müsse ergänzt werden durch das Mittel, das Sicherheit durch Verständigung erreiche 24 . I n der Gegenwart müßten beide Instrumente eingesetzt werden; die Hoffnung aber gelte der Zeit, da die Verständigung die Macht abgelöst haben werde 2 5 . Das alles w a r theoretisch richtig, aber politisch keineswegs zwingend. D e r von Benton angezogene Sicherheitsbegriff war so allgemein und undifferenziert,
daß er fast inhaltlos zu sein schien.
Selbstverständlich
wurde Sicherheit durch Verständigung gefördert; aber diese Beziehung stellte sich so allgemein dar, daß sie noch weit oberhalb der unspezifizierten Zusammenarbeit zu liegen kam, mit der die K o l l e k t i v e Organisation die Sicherheit zu bewirken suchte. Darüber hinaus war Verständigung ein Euphemismus, der den unvermeidlich monologischen Charakter der geplanten Tätigkeit nur schwach verdeckte. Soweit die Argumentation darauf abzielte, das W o r t Propaganda zu vermeiden, w a r sie verständlich; zugleich entfiel aber damit der Begriff, der allein sachgerecht und zuständig gewesen wäre:
der Begriff
der
Beeinflussung. Einfluß w a r j a eines der Ingredienzen der Zusammenarbeit gewesen, die dem Congress besonders am Herzen lagen. Die Auslandspropaganda hätte ihm unter diesen Umständen eigentlich willkommen sein müssen, weil sie ein hervorragend geeignetes, überall anwendbares und bewährtes Einfluß-Medium darstellte. Die Abneigung der amerikanischen Gesellschaft gegen Regierungspropaganda w a r jedoch offensichtlich stärker als mögliche außenpolitische Vorteile. Der Congress war sofort bei der H a n d , den Einfluß der U S A zu etablieren, wenn das auf einem seinen Grundauffassungen entsprechenden Wege möglich war. Gerade diese Eigenschaft hatte die Propaganda nicht vorzuweisen, und die R e 23
Ibidem, S. 1046.
Ansprache Bentons vor dem New York Herald Tribune-Forum in New York am 30. Oktober 1945, DoSB, X I I I , 332, 4. November 1945, S. 7 1 2 - 7 1 4 . 24
25
Ibidem, S. 714.
4. Ideologische
128
Bastion?
gierung tat daher vermutlich gut daran, das M o t i v „Einfluß" nicht zu verwenden. Damit begab sie sich des Arguments, mit dem allein das Unternehmen gerechtfertigt werden konnte. Die U S A wollten nicht ideologisch expandieren; andererseits fühlten sie sich ideologisch weder angegriffen noch herausgefordert. Der ideologische Gegensatz zur Sowjetunion, auf der Ebene des Regierungssystems, wird erst ganz spät von den U S A diagnostiziert werden. Wenn aber keiner dieser beiden Gründe vorlag und der dritte, eigentliche, nicht genannt und benutzt wurde, so war der Versuch, aus einer Ausnahme in Kriegszeiten eine Friedensregel zu machen, natürlich vollem Gegenwind ausgesetzt. Das Außenministerium hatte dem Auswärtigen Ausschuß des Hauses noch im Oktober 1945 einen Gesetzentwurf ( H . R . 4368) zugeleitet. E r erschien diesem Gremium indessen als „äußerst unannehmbar" 2 6 , weil er dem Außenminister zu viele finanzielle Kompetenzen gab. Eine neue Vorlage wurde entworfen, H . R . 4 9 8 2 , die diesem Mangel abhalf. Sie blieb jedoch vor Weihnachten 1945 im Geschäftsordnungsaussdiuß (Rules Committee) des Hauses stecken, dem weder die finanziellen Belastungen noch die Tatsache behagten, daß auf diese Weise das OWI-Personal, dem man nicht über den Weg traute, ins Außenministerium aufgenommen wurde. Das Rules Committee billigte Präsident Truman guten Glauben zu, weil er vielleicht im August 1945 nicht anders gekonnt habe; es schob aber nun seinerseits jeden erdenklichen Riegel vor, um zu verhindern, daß mit der Elmer-Davis 2 7 -Gruppe und dem Stab Nelson Rockefellers 2 8 „viele, viele unerwünschte Personen" endgültig im Außenministerium verblieben 2 9 . W a r der Entwurf hier erst einmal gebremst worden, so wurde er wenige T a g e später total aus seinen Geleisen gehoben. Am 15. und 26. Januar 26
Rep. Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, während der Debatte über den Haushalt
des Außenministeriums, 10. April 1946, C R 92, 3, 3472. 27
Elmer Davis war der Leiter des O W I von 1942—1945.
28
Nelson Rockefeller, Assistant Secretary of State 1944—1945, war von 1940 bis
1944 als Coordinator of Inter-American Affairs tätig gewesen und hatte besonders den Kulturaustausch betreut, mit dem die USA in der westlichen Hemisphäre die Ideologische Offensive des Faschismus neutralisieren wollten. 29
Rep. Cox, D, Ga., Rules, bei der Beratung des Haushalts für das Außenministe-
rium, 2. Mai 1946, C R 92, 4, 4350. Diese Befürchtung, die sich gegen Kommunisten und Fellow Travellers im O W I riditete, wurde übrigens von Byrnes voll geteilt, vgl. All in One Lifetime,
S. 320 f.
Der neue Tenor:
Repräsentation
129
1 9 4 6 stellten die beiden amerikanischen Nachrichtenagenturen A P und U P ihre Arbeit für das Außenministerium ein. Sie weigerten sich, eine Regierungsarbeit zu unterstützen, die nur in Propaganda ausarten könne 3 0 . Damit war das Schicksal des Informationsprogramms für die nächste Zeit besiegelt. D e r Auswärtige Ausschuß zog seinen Entwurf zurück und begann ihn auf Grund dieser Widerstände zu überprüfen. Die Chance, daß bis zum 30. Juni 1946, bis zum Ende des Fiskaljahres, eine gesetzliche Grundlage für das Informationsprogramm gefunden und verabschiedet werden würde, war gering. Der Querschuß war von amerikanischen Wirtschaftskreisen abgegeben worden, die damit das sich abzeichnende Regierungsmonopol auf einem bisher ausschließlich der privaten Initiative vorbehaltenen Sektor im Ansatz zerstören wollte. Es ist nicht genau erkennbar, ob der V o r wurf, die Regierung treibe Propaganda, nur einen Vorwand oder wirklich einen substantiellen T e i l des Arguments bildete. Ausschlaggebend war, daß auf dem Gebiet der Auslandsinformation zum erstenmal ein E r f o r dernis der neuen Weltführungsstellung mit einem traditionellen sozialökonomischen Habitus der U S A kollidierte. Das Außenministerium hatte zwar recht, wenn es darauf hinwies, daß die von ihm betriebenen Kurzwellensendungen wirtschaftlich völlig uninteressant seien, da sie sich an Empfänger richteten, die — wie zum Beispiel die osteuropäischen Staaten — keine Gebühren entrichten würden. Die Wirtschaft sah sich deswegen noch lange nicht veranlaßt, der Regierung ein Stück — sei es noch so klein und in sich noch so gerechtfertigt — jenes Feldes abzugeben, das bisher ausschließlich von Privatunternehmen bestellt worden war. Sie befürchtete, daß damit eine Entwicklung eingeleitet werden könnte, an deren Ende schließlich doch finanzielle Verluste und Einbußen an Meinungsfreiheit stehen würden. D a kein außenpolitischer Grund genannt wurde, dieses innenpolitische und ökonomische Risiko einzugehen, entsprach es völlig dem System einer bürgerlichen Republik, daß in dieser Lage die innenpolitischen Interessen vorgingen 31 . Das Verhältnis konnte sich erst ändern, als am außenpolitischen Horizont ein Ziel auftauchte, das die innenpolitischen Interessen eindeutig überragte. D a ß ein soldies Ziel 1945 nicht formuliert wurde, erlaubt zweierlei Rückschlüsse, die das gesamte Modell der Kollektiven Sicherheit noch 80
Mitteilung der Associated Press vom 15. Januar 1946 und der United Press vom
27. Januar 1946. 31
Vgl. dazu die Darstellung des Verhältnisses von Innen- und Außenpolitik in
meinem Aufsatz über den Primat der Außenpolitik, 9
Czempiel
bes. S. 267 ff.
130
4. Ideologische
Bastion?
einmal charakterisieren. Erstens war Sicherheit keine ideologische, sondern nur eine militärisch-strategische Kategorie, orientiert an den beiden Präzedenzfällen von 1914 und 1939. Zweitens war mit diesem Modell in der Tat nur Sicherheit beabsichtigt. Weder kam eine ideologische Offensive in Frage noch, was im Grunde auf etwas Vergleichbares hinauslief, der Versuch, den amerikanischen Einfluß weltweit durchzusetzen. Wenn die internationale Organisation einem solchen Ziele dienen sollte, hätten die USA entweder das Mehrheitsprinzip akzeptieren oder stärkere administrative Vorkehrungen einrichten oder doch zumindest ihre Propaganda als weltweit wirkendes Instrumentarium entwickeln müssen. Jede dieser drei Möglichkeiten aber ordnete der amerikanische Congress weit unter innenpolitischen und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten an. Außenpolitischer Einfluß kam in dieser Rangfolge hinter privatwirtschaftliche Interessen zu stehen. Dieses Schema entspricht völlig dem Zielkatalog einer bürgerlichen Industriegesellschaft, in dem nur die Sicherheit in der Lage ist, als außenpolitisches Ziel innenpolitische, dem individuellen Wohlstand dienende Ordnungen zu verdrängen. Bei den wirtschaftlichen Organisationen hatten sich amerikanische Einflußmöglichkeiten ohne Schwierigkeit mit Instrumenten einrichten lassen, die der bürgerlichen Gesellschaft homogen waren. Bei der politischen Organisation verzichtete diese Gesellschaft eher auf außenpolitischen Einfluß, als daß sie sich adaptierte. Für die internationale Organisation ergab sich daraus natürlich eine Schwäche. Einfluß war eine der Grundbedingungen der amerikanischen Zusammenarbeit gewesen. Die Großmacht USA konnte darauf schlechterdings nicht verzichten. Wenn sie dies doch tat, weil es auf Grund ihrer Struktur nicht anders ging, so belastete dies unvermeidlich ihre Bereitschaft, sich in dieser Zusammenarbeit zu engagieren. Anders ausgedrückt: die internationale Organisation stellte in der Tat nur ein Modell dar. Es mußte funktionieren, wenn es funktionieren konnte, das heißt, wenn alle Teilnehmer kontinuierlich von selbst die einmal beschlossenen Ziele beibehielten. Gelang dies nicht, geriet ein Gegensatz in das Räderwerk dieses Modells, so war der Versuch gescheitert. Es gab keine Kraft, kein Engagement, die den Widerstand hätten überwinden können. Die Folge würde sein, daß sich die internationale Zusammenarbeit, auf der das Modell beruhte, abschwächte. Die Kooperation mußte das erste Opfer werden, wenn sich die Gemeinsamkeit der Vereinten Nationen nicht aus ihrer Kriegsallianz in die Kollektive Organisation übertragen ließ.
Zweiter Abschnitt Der Schatten der Sowjetunion
I. Kapitel Faktoren der Entfremdung Das Jahr 1946 stellte für die U S A — und damit für die internationale Politik — eine Zeit des Übergangs dar. An ihrem Anfang stand das Modell der Kollektiven Sicherheit, das auf den Konsens der Vereinten Nationen gegründet war, noch auf festem Boden. Am 24. März 1946 verständigten sich Rußland und Persien über den Rückzug der Sowjet-Truppen aus dem Iran; am 30. April und am l . M a i erklärten sich Frankreich und England bereit, ihre Truppen antragsgemäß aus dem Libanon und Syrien zurückzuziehen. Zehn Monate nach diesen Erfolgen wurde das Modell offiziell beiseite gesetzt. Irgendwo in dieser Spanne zwischen dem Frühjahr 1946 und dem Jahreswechsel muß der Umbruch zu suchen sein. Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben, den genauen Zeitpunkt solcher Richtungsänderungen festzustellen. Außenpolitische Konzepte — vom Ziel bestimmte und vom Willen geformte Möglichkeitsquerschnitte durch Raum und Zeit — bestimmen nicht nur das politische Verhalten, sie pflegen auch bis zu einem gewissen Grad die Analyse von Ereignissen und Vorgängen zu beeinflussen. Da solche Konzepte sich kaum kontinuierlich verändern, sondern nur durch andere ablösen lassen, wirken sie manchmal auch dann noch, wenn ihre Voraussetzungen infolge der veränderten Wirklichkeit bereits entfallen sind. Der maßgebliche Faktor der Entwicklung wurde natürlich vom Verhältnis der Vereinigten Staaten zur Sowjetunion gebildet. Das Modell der Kollektiven Sicherheit beruhte darauf, daß zwischen den Großmächten kein anhaltender, grundsätzlicher Gegensatz auftrat. Die TrumanDoktrin reflektierte die Tatsache, daß sich ein solcher Gegensatz eingestellt und ein neues Sicherheits^Konzept erforderlich gemacht hatte. Die Faktoren dieser Umstellung bilden das eigentliche Problem. 1. I D E O L O G I S C H E
DIFFERENZEN
Spätestens seit der Konferenz von Jalta wußte die amerikanische Regierungsspitze, daß die Ziele der Sowjetunion mit dem Katalog der
1. Ideologische
134
Differenzen
Atlantik-Charta nicht voll harmonierten; die Konferenz von Potsdam und selbst die von San Francisco bestätigten diese Erfahrung zur Genüge. Die USA hatten, wie wir gesehen haben, das Verhältnis zur Sowjetunion zunächst ausgeklammert und das System der Vereinten Nationen im politisch keimfreien Raum errichtet. Die Unterschiede im Regierungssystem waren zwar bekannt, wurden aber unter dem Eindruck der Kriegsallianz nach wie vor gering bewertet. Man wußte sich offiziell mit der Sowjetunion darin verwandt, daß beide Länder unabhängig, reich und nur auf das Wohl ihrer Völker, nicht aber auf Eroberung bedacht seien. Nirgendwo auf der Welt schienen vitale Interessen der beiden Staaten miteinander zu kollidieren; kleine Probleme, wie etwa Polen, könnten fraglos gelöst werden1. Sobald es darum ging, die Ergebnisse des Krieges in Friedenszustände umzuwandeln, mußten die Gegensätze, die ideologischen wie die wirtschaftlichen und politischen, stärker nach vorn rücken. Die Ideologie spielte dabei die zeitlich erste, sachlich aber nachgeordnete Rolle. Die privatwirtschaftlich organisierte bürgerliche Republik erkannte vielmehr in dem von der Sowjetunion vertretenen ökonomischen Kollektivismus den Gegner: nämlich den Konkurrenten 2 . Noch an einer anderen, empfindlichen Stelle wurde der Druck des Kommunismus registriert, in Asien. Schon im Herbst 1945 wurde im Congress — vorwiegend allerdings von republikanischer Seite — davor gewarnt, daß die zur Selbstbestimmung strebenden Kolonialvölker sich dem Kommunismus als Weltanschauung verschreiben könnten 3 . Diese Einsicht hatte jedoch keine großen Folgen. Der Congress fand sich jetzt dazu bereit, die amerikanischen Einwanderungsquoten für Inder zu erhöhen. Darüber hinaus blieb es bei allgemeinen Befürchtungen. Die Demokraten vermochten nicht, die Lage in China adaequat zu analysieren; die Republikaner nicht, aus einer richtigen Analyse eine entsprechende Politik zu folgern. Für den demokratischen Asien-Experten Mansfield, 1
MacLeish, United States-Soviet Relations, DoSB, X I I , 309, 27. Mai 1945, S. 950
bis 952. 2
Vgl. Sen. George, D, Ga., Finance, Chairman, bei der Beratung der Verlängerung
der Reciprocal Trade Agreements Act, 12. Juni 1945, C R 91, 5, 5964. 3
Vgl. etwa die Beratung von H. R . 3517, die die Section 303 der Nationality Act
von 1940 verändern und die Diskriminierung der Inder bei der Einwanderung in die U S A beseitigen sollte, 10. Oktober 1945. Vgl. etwa besonders die Stellungnahmen zweier Republikaner, des Asien-Spezialisten des Hauses, Judd, und von Frau BootheLuce, C R 91, 7 , 9541 ff. und 9527.
Ideologische
Differenzen
135
der im Regierungsauftrag im Herbst 1944 China bereist hatte, blieben die chinesischen Kommunisten bis zum Ende des Jahres 1945 mehr Evolutionäre als Revolutionäre, mehr Agrar-Reformer als Kommunisten 4 . Sein republikanischer Fachkollege Judd sah zwar, daß es sich in erster Linie um Kommunisten und nur in zweiter um Chinesen handelte. Er befürchtete nicht zu Unrecht, daß hier eine zweite Oktober-Revolution geplant sei. Aber er vermutete die Gefahr nicht in der Ideologie, sondern in der revolutionären K r a f t der Kommunisten, der durch Unterstützung Chiang Kai-Sheks begegnet werden könnte 5 . Die Ideologie bildete auch hier nur einen Zufluß zu dem übrigen politisch-militärisch erfaßten Ereignisstrom. Nicht aus dem ideologischen Gegensatz also stammte der Faktor, der das Modell der Kollektiven Sicherheit erschütterte und es schließlich einstürzen ließ. Die weltanschaulichen Unterschiede zur Sowjetunion waren den USA seit langem so vertraut, daß die Ideologie auch dort, wo sie—wie etwa in China — den Impuls einer Entwicklung abgab, kaum als akute Bedrohung des amerikanischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems aufgefaßt wurde. Das ideologische Element war traditioneller Bestandteil der Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR; es grundierte sozusagen lediglich die Wand, auf der die realen, die akuten Schatten über der geplanten Zusammenarbeit aufzogen. In den Worten Vandenbergs: „ . . . zwei große rivalisierende Ideologien finden sich der verzweifelten Notwendigkeit gegenüber, sich auf der Suche nach einer gemeinsamen Grundlage, auf der sich der Friede für beide anstreben läßt, zu verständigen. Letztlich bedeutet das, daß die beiden größten Sprecher dieser rivalisierenden Ideologien — Sowjetrußland und die Vereinigten Staaten — dem gleichen Zwang zur Verständigung unterliegen — innerhalb wie außerhalb der Vereinten Nationen" 6 .
2. S A C H L I C H E
DIVERGENZEN
Diese gemeinsame Basis: die Notwendigkeit, sich zu verständigen, hatte im Krieg geherrscht; sie sollte und konnte weiter andauern. Sie war 4 Vgl. seine Analysen vom 16. Januar 1945, CR 91, 1, 2 7 7 - 2 8 3 ; 22. Mai 1945, CR 91, 4, 4900-4903; 11. Dezember 1945, CR 91, 9, 11850-11854. 5 6
15. März 1945, CR 91, 2, 2294-2302.
Bericht Vandenbergs über die erste Tagung der UN-Vollversammlung in London, 27. Februar 1946, CR 92, 2, 1695. Vandenberg selbst bezeichnete diesen Bericht als das erste offizielle Anerkenntnis des Gegensatzes zwischen USA und UdSSR.
136
2. Sachliche Divergenzen
nur abgedunkelt worden, nachdem der Sieg über die Achsenmächte es den Alliierten erlaubt hatte, die straffe Bündelung ihrer Interessen aufzuschnüren, die sich daraufhin sofort wieder um die Pole der beteiligten Staaten gruppierten. Bis zu einem gewissen Grade war dies sogar ein normaler, unvermeidlicher, zu erwartender Prozeß. Aber stand die Sowjetregierung nicht im Begriff, diesen Grad zu überschreiten? Die Vereinigten Staaten erkannten das Interesse der Sowjetunion an, in ihren Nachbarstaaten „freundliche" Regierungen zu besitzen 7 . Aber hieß das, daß Moskau dort die Diktatur errichten und den Terror einführen könne 8 ? Und wenn nicht, was hieß es eigentlich? Die Meinungsverschiedenheiten darüber zerbrachen die erste Sitzung des Rats der Außenminister 9 , deren Moskauer Begegnungen vom Dezember 1945 den "Wagen der Gemeinsamkeit nur unvollständig reparieren konnten. Die Friedensverträge mit Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland, die das Beratungsthema des ganzen Jahres 1946 bildeten, bewiesen mit ihren unzähligen Einzelheiten nicht nur das Verhandlungsgeschick Molotows, sondern auch die Absicht der UdSSR, die Herrschaft über die Balkan-Staaten zu befestigen. Dazukamen der Versuch Moskaus, an den Dardanellen Fuß zu fassen, sowie die Auseinandersetzungen über den Kommunismus in China, über die Zukunft Koreas und über die Besatzungspolitik in Japan. Dazukam die Deutschlandfrage, in der, nachdem eine deutsche Zentralregierung am Widerspruch Frankreichs gescheitert war, jede Besatzungsmacht ihren eigenen Kurs verfolgte. Dazukamen, als heißeste Eisen, die Anwesenheit von Sowjet-Truppen in Persien und die Spannung um Aserbeidschan. Wie der Persien-Konflikt waren am Ende des Jahres 1946 die meisten Probleme, wenigstens vorübergehend, beruhigt, die Friedensverträge unter Dach und Fach. Aber die Grundlage des Kollektiven Modells, das Bewußtsein, gemeinsame Ziele oder wenigstens eine gemeinsame Basis zu besitzen, auf der auch divergierende Interessen ausgeglichen werden konnten, diese Grundlage war inzwischen zerbrochen. Woran das im einzelnen gelegen hat, wer und was wofür verantwortlich gemacht werden muß, ist ein Problem der Historie. Es genüge festzustellen, daß man auf beiden Seiten, in Washington und London wie in Moskau, zu der Ober7
Acheson, Problems of Security and Understanding in American-Soviet Friendship. DoSB, X I I I , 334, 18. November 1945, S. 788. 8 Ibidem. Acheson wandte sich dagegen, daß „persuasion and firmness become coercion, . . . a knock on the door at night strikes terror into men and women". 9 Vgl. zu den Konferenzen von 1945/46 das noch immer grundlegende Werk von McNeill, America, Britain and Russia, S. 693 ff.
Sachliche Divergenzen
137
zeugung gelangt war, an die Stelle der Partnerschaft sei potentielle oder aktuelle Rivalität getreten. Die erste Hälfte des Jahres 1946 scheint das meiste zu dieser Entwicklung beigetragen zu haben. Im März wurde im Zusammenhang mit der persischen Frage von Krieg gesprochen, und das amerikanische Kriegsministerium mußte Gerüchte dementieren, daß die Entlassungen aus der Armee gestoppt worden seien10. Die Senatoren Vandenberg und Connally, die an der ersten Sitzung der UN-Vollversammlung in London teilgenommen hatten, waren mit „gemischten Gefühlen" 11 zurückgekehrt, und Connally hielt es für erwähnenswert, daß die Sowjetunion seiner Meinung nach keinen Krieg wolle12. Der Ausblick, den die erste Phase der Pariser Außenministerratskonferenz (25. April bis 15. Mai 1946), auf der so gut wie nichts erledigt werden konnte, gewährte, schien noch düsterer zu sein. Kommunismus und Demokratie erwiesen sich als unfähig, die meisten Probleme gemeinsam zu lösen13: weder die Grenzen noch die Reparationen noch die Kolonien noch die Verwaltung Italiens, weder den österreichischen Friedensvertrag, weder Südtirol noch Nordepirus, weder die griechisch-bulgarisdie, noch die polnisch-deutsche Grenze. Vom Mittelmeer bis nach China fand sich die Welt in einem ungewissen, verwirrten, die Drohung des Krieges nährenden Zustand14. Dieser erste Teil der Außenministerratstagung in Paris markierte gleichzeitig den amerikanischen Entschluß, den Forderungen der Sowjetunion härter als zuvor zu begegnen, keinen der amerikanischen Grundsätze mehr preiszugeben, nur noch innerhalb dieses prinzipiellen Rahmens zu verhandeln15. Die Tage des Entgegenkommens, jetzt als appeasement abgewertet, waren vorüber16. Außenminister Byrnes, der die ersten Verhandlungen noch im Zeichen der Gemeinsamkeit zwischen USA und UdSSR geführt hatte, schwenkte auf die versteifte Linie, hinter der auch Truman stand, ein. Die mühsam errungenen Erfolge der Pariser Friedenskonferenz (29. Juli bis 15. Oktober 1946) vermochten wohl die Spannung zu mildern, aber 10
Sen. Pepper, D, Fla., Patents, Chairman, Foreign Relations, 20. März 1946, CR 92, 2, 2563. 11
Vandenberg, 27. Februar 1946, CR 92, 2, 1692.
12
Connally, 12. März 1946, CR 92, 2, 2138.
1S
Vandenberg, 21. Mai 1946, CR 92, 4, 5325.
14
Connally, 22. Mai 1946, CR 92, 4, 5404.
15
Vandenberg, 21. Mai 1946, CR 92, 4, 5325.
" Vandenberg, Papers, S. 285.
138
2. Sachliche
Divergenzen
nicht mehr das Gespenst des Gegensatzes zu bannen. Der wechselseitige Verdacht, einer wolle die Welt gegen den andern organisieren, war nicht mehr auszulöschen. Man konnte zwar wünschen, diesen Verdacht zu zerstören 17 , — und es gab nicht wenige im Congress, die angesichts der russischen Tradition der Balkanpolitik Moskaus mit Verständnis 18 und Churchills Fultoner Anregung einer amerikanisch-britischen Allianz mit Kritik begegneten19. Aber der Wunsch allein genügte nicht mehr, den Schatten zu verjagen. Die USA begannen wieder an ihre Verteidigung zu denken 20 . Es war ein langsamer Prozeß, der sich im Jahre 1946 vollzog und dabei die Gemeinsamkeit abschwächte. Weder von der Sache noch vom Zeitpunkt her läßt sich der Beginn des Kalten Krieges mit der Pariser Außenministerratstagung ansetzen21 (und was heißt überhaupt Kalter Krieg?). Bereits Anfang November 1945 verabschiedete das Repräsentantenhaus eine scharfe Maßnahme gegen die Sowjetunion (siehe unten), während noch im Juni 1946 der amerikanische Delegierte Baruch der UN-AtomenergieKommission anbot, bei Zusicherung entsprechender Kontrollen die Atombombe zu zerstören und den Vereinten Nationen das Geheimnis ihrer Herstellung anzuvertrauen. Die Entwicklung verlief also in mehreren Schichten, die parallel angeordnet waren. Ebensowenig wie der Zusammenschluß der britischen und amerikanischen Zone in Deutschland, den Clay vermutlich schon im Frühjahr 1946 vorgeschlagen hatte 22 , den Viermächte-Kontrollrat zerstörte, zerbrachen die Kontroversen über den Vorderen Orient und Osteuropa die Vereinten Nationen. Aber die Gründung der Bizone kündigte ebenso wie der Streit über die Friedensverträge an, daß nur noch die Form, nidit mehr der Geist der Zusammenarbeit vorhanden war, daß sich ein Ubergang vollzog. Seine Elemente sind in der amerikanischen Außenpolitik bereits seit Anfang des Jahres 1946 deutlich auszumachen. 17
Vandenberg, 16. Juli 1946, CR 92, 7, 9065.
Vgl. etwa Sen. Thomas, D, Utah, Military Affairs, Chairman, 15. März 1946, CR 92, 2, 2306. 18
1 9 So die demokratischen Abgeordneten Patterson, Calif., Merchant Marine; Voorhis, Calif., Postwar Economic Policy; May, Ky., Military Affairs, Chairman, und der Republikaner Smith, Ohio, Banking and Currency, 6. März 1946, CR 92, 2, 1970 bis 1972. 2 0 Connally, 19. Juli 1946, CR 92, 8, 9418. 21
So McNeill, America,
Britain and Russia, S. 717.
Clay an das Außenministerium, Mai 1946, abgedruckt in: Clay, Entscheidung Deutschland, S. 90 ff., 95. 22
in
II. Kapitel Sorge für das Fundament 1. V E R S U C H U N G
DER
ATOMENERGIE
D e r Anstoß, die reale "Wirksamkeit des Kollektiven Sicherheitsmodells zu überdenken, k a m von der Atomenergie. W a s sollte mit der A t o m bombe, die man besaß, geschehen? Drei Möglichkeiten boten sich an: M a n konnte die Bombe weiterentwickeln und der alleinigen amerikanischen Verfügung vorbehalten, mit dem Risiko, daß dieses M o n o p o l in wenigen J a h r e n nicht mehr bestehen würde. M a n konnte das Geheimnis der B o m b e den Vereinten Nationen überstellen, wobei die U S A sich des Monopols sofort begaben und außerdem nidit sicher waren, d a ß die Kenntnisse nicht von einem L a n d gegen die Vereinigten Staaten ausgenutzt werden würden. U n d man konnte, drittens, beides kombinieren: die B o m b e behalten und gleichzeitig den anderen Staaten Bedingungen vorschlagen, unter denen alle auf die Produktion von Atomenergie für militärische Zwecke verzichteten. Hierin lag, da die U S A die Bombe nicht auf Dauer monopolisieren konnten, wohl die vernünftigste Lösung. Sie wurde schließlich gewählt, aber erst nachdem die Nahziele des amerikanischen Militärs dazu beigetragen hatten, die Chancen dieser Lösung zu verringern. Kooperation
oder Monopol:
Der militärische
Aspekt
D e n Militärs lag verständlicherweise daran, sowohl die Bombe weiterzuentwickeln, wie ihre Wirkungen auszuprobieren. Nachdem die neue Waffe
einmal
entstanden
und angewandt worden war,
mußten
die
anderen militärischen M i t t e l entsprechend justiert werden, in erster Linie die stärkste amerikanische W a f f e : die Marine. In J a p a n ließ sich feststellen, wie die B o m b e gegen Landziele gewirkt hatte. W a s würde sie gegen Kriegsschiffe ausrichten können, und welche Konsequenzen ergaben sich daraus für diese Schiffe selbst? Diesen Fragen durch Versuche nach-
140
1. Versuchung
der
Atomenergie
zugehen, war in sich keineswegs abwegig. Das Flottenbauprogramm der USA lief ja weiter, Ende 1945 war der Schlachtkreuzer Kentucky in Bau, der bereits 60 Millionen Dollar gekostet hatte und noch weitere 40 Millionen kosten würde. Sollte die Konstruktion dem Atomzeitalter nicht standhalten, so war das Geld unnütz vertan. Zu fragen war jedoch, ob der militärisch-fiskalische Nutzen einer solchen Erprobung von atomaren Waffen nicht durch andere Wirkungen paralysiert werden würde. Hatte es nicht auch eine politische Bedeutung, wenn die USA, die ihre Sicherheit soeben erst der von ihnen ins Leben gerufenen internationalen Organisation anvertraut hatten, plötzlich ihre schärfste, gefährlichste Waffe auszuprobieren begannen? Kollektive Sicherheit setzte gemeinsame Härte voraus, aber einseitige Aufrüstung? Wie mußten sidi solche Versuche ausnehmen, da doch die amerikanischbritisch-kanadische Erklärung vom 15. November 1945 eine UN-Kommission vorgeschlagen hatte, die Empfehlungen zur Abschaffung der Atomwaffen ausarbeiten sollte? Wie würden sich Atomexperimente der USA mit ihrer Mitarbeit in der Atomic Energy Commission vertragen, die von den Vereinten Nationen auf ihrer ersten Vollversammlung eingerichtet worden war? Das Atom-Monopol zu behalten war etwas ganz anderes als es experimentell zu vergrößern. Die militärische Leitung der USA beantragte dessenungeachtet Anfang 1946, 97 alte und neue Schiffe bereitzustellen, an denen die Bombe ausprobiert werden könnte. Der Marineausschuß des Hauses bestätigte, daß ein solcher Test zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich sei1, und das Haus bewilligte die Schiffe am 12. März 1946 gegen nur 25 NeinStimmen, die zum überwiegenden Teil von Isolationisten stammten2. Die Mehrheit war dafür, teils, weil sie — wie der Rechtsextremist Rankin — den USA den atomaren Vorsprung für immer sichern wollte 3 , teils, weil sie sich davon eine Demonstration amerikanischer Macht und damit eine Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik versprach4. Selbst auf dem linken Flügel stimmten viele dafür: sie hofften, daß die Wieder* Committee on Naval Affairs, H. Rp. 1514, 79/2, 1. Februar 1946, on H . J. Res. 307, Authorizing the Use of Naval Vessels to Determine the Effect of Atomic Weapons upon such Vessels, S. 4. 2 Beratungsdaten: 11. M ä r z - 1 2 . April 1946, C R 92, 2, 2116—2130, Abstimmungsergebnis: 3 1 3 : 2 5 : 2 : 9 1 , ibidem, 2173.
2172-2173.
Rep. Rankin, D, Miss., Committee on World War Veteran's Legislation, Chairman, 11. März 1946, CR 92, 2, 2 1 2 7 - 2 1 2 8 . 5
4
Rep. Johnson, R, Calif., Military Affairs, 11. März 1946, C R 92, 2, 2128.
Der militärische
Aspekt
141
belebung des Schreckens von Hiroshima den Impuls verstärken werde, die Bombe endgültig abzuschaffen 5 . Der Senatsausschuß f ü r Marineangelegenheiten stimmte Mitte März ebenfalls zu; auch er hatte, freilich nicht so vorbehaltlos wie das Haus, dem Drängen des Marine-Ministeriums nachgegeben. Jetzt aber griff Außenminister Byrnes ein: ihm war der Kontrast zwischen der Betonung des Kollektiven Sicherheitskonzepts und dem atomaren Alleingang der USA doch zu groß. Am 25. März 1946 sollte die 24. Sitzung des UN-Sicherheitsrats beginnen, der zum erstenmal in New York tagte und damit gleichzeitig seine kontinuierliche Arbeit aufnahm. Byrnes spürte deutlich, daß ein Congressbeschluß, Atomversuche im Pazifik gutzuheißen, nicht den geeigneten Auftakt für diese bedeutungsvolle Tagung abgeben würde 6 ; er setzte im Kabinett am 22. März 1946 durch, daß der Präsident trotz des Widerstandes der Marineleitung die für den 15. Mai angeordneten Tests verschob7. Die Initiative des Außenministers wurde von einer kleinen Gruppe im Senat aufgenommen und zu dem Versuch entwickelt, die Tests, weil sie mit dem Konzept der Kollektiven Sicherheit unvereinbar seien, ganz zu verbieten 8 . Diese Gruppe sah sehr deutlich, daß solche Versuche in diesem Moment nicht den Frieden stärken, sondern nur den Verdacht der anderen Staaten vermehren mußten 9 ; sie empfand, wie widersprüchlich es war, in den U N die Atomenergie als Waffe ausschalten zu wollen und sie gleichzeitig im Pazifik zu erproben 10 . Der Widerspruch lag dabei weniger in der Sache als im Zeitpunkt. Niemand konnte von den USA verlangen — wie es der sowjetische Vorschlag vom 19. Juni 1946 in der UN-Atomenergiekommission tat —, daß sie ihre Kernwaffen vernichteten. Etwas ganz anderes aber w a r es, diese Waffe in aller Öffentlichkeit demonstrativ weiterzuentwickeln. N u r dagegen wandte sich der Vorstoß der Senatorengruppe. Sie vermutete hinter den Tests — die von der Mitte einer vernünftigen Politik 5
Rep. Holifield, D, Calif., Military Affairs, ibidem, 2129.
• Forrestal, Dianes, S. 149. 7
Vgl. die Mitteilung des Pressechefs des Weißen Hauses vom 23. März 1946, DoSB, XIV, 353, 7. April 1946, S. 560. Als Begründung wurde hier die Überlastung der Congressvertretung angegeben, die gern an den Versuchen teilnehmen wolle. 8 S. Res. 248, eingebracht von Sen. Huffman, D, Ohio, 29. März 1946, CR 92, 3, 2791.
» Sen. Fulbright, D, Ark., Banking and Currency, 29. März 1946, CR 92, 3, 2792. 10
Sen. Lucas, D, Iii., Foreign Relations, 29. März 1946, CR 92, 3, 2790.
1. Versuchung der
142
Atomenergie
genauso weit entfernt waren wie Gromykos Forderung nach Zerstörung der Waffen — die Absicht des Militärs und der Exekutive, „die . . . (amerikanische) Sicherheit zuerst und vor allem in der traditionellen nationalistischen Weise zu gewährleisten" 11 . Hier setzte die Kritik an; sie galt nicht so sehr der Sache als solcher wie ihrer Unvereinbarkeit mit der Kollektiven Organisation, der die drei Großmächte — wie diese Kritiker meinten — zwar mit Worten, aber nidit mit Taten anhingen 12 . Obwohl der Vorsitzende des Marineausschusses im Senat sich den Bedenken dieser Gruppe nicht verschloß, es vielmehr auch für wünsdienswert hielt, die Sache erneut zu überdenken 13 , zerrann die Initiative schließlich vor den militärischen Interessen. Präsident Truman ließ die Öffentlichkeit am 12. April 1946 ausdrücklich wissen, wie sehr er dem Vereinigten Generalstab sowie dem Kriegs- und dem Marine-Minister darin zustimme, daß die Tests von „lebenswichtiger Bedeutung" für die nationale Verteidigung seien14. Der Senats-Ausschuß schloß sich schließlich diesen Argumenten an. Er beschränkte die Zahl der Schiffe auf 33 15 , brachte aber die Resolution am 24. April vor das Plenum, das sie am 14. Juni nach einer knappen, lustlosen Debatte annahm 16 . Es war der gleiche Tag, an dem der US-Delegierte Bernard Baruch der UN-Atomenergiekommission den amerikanischen Plan für die Kontrolle der Kernenergie unterbreitete. Die Versuche fanden am 1. Juli und am 25. Juli 1946 am Bikini-Atoll statt 17 ; der dritte, ein Unterwassertest, wurde abgesagt. Die Atomversuche müssen unter zwei Blickwinkeln beurteilt werden. Gewiß konnte man sagen, daß die Explosion im Pazifik und der BaruchVorschlag in der Atomenergiekommission einander nicht widersprachen 18 . 11
Sen. Fulbright, 1 1 . A p r i l 1946, CR 9 2 , 3, 3508.
12
Ibidem.
13
Sen. Walsh, D, Mass., 29. März 1946, C R 9 2 , 3, 2793.
1 4 Pressemitteilung des Weißen 21. A p r i l 1 9 4 6 , S. 667.
Hauses v o m
12. A p r i l
1 9 4 6 , DoSB, X I V ,
335,
1 5 Committee on N a v a l Affairs, S. R p . 1 2 3 8 , 79/2, 24. A p r i l 1946, on H. J. Res. 307, S. 1. 14
C R 92, 6, 6 9 2 6 - 6 9 3 3 .
Vgl. die Berichte der v o m Präsidenten eingesetzten Beobachtungskommission, in der auch Congress-Mitglieder vertreten waren, abgedruckt DoSB, X V , 368, 2 1 . Juli 1946, S. 1 1 5 - 1 1 7 , und X V , 3 7 1 , 1 1 . August 1946, S. 2 7 2 - 2 7 5 . 17
1 8 S o etwa Sen. McMahon, D, Conn., Förderer der Atom-Gesetzgebung und späterer Vorsitzender des entsprechenden Senatsausschusses, 14. Juni 1 9 4 6 , C R 92, 6, 6 9 3 1 .
Der militärische
Aspekt
143
Der amerikanische Plan, der auf dem Acheson-Lilienthal-Bericht beruhte 19 , sagte unmißverständlich, daß die USA die militärische Potenz für sich behalten und benutzen würden, bis durch effektive Kontrollen gesichert sei, daß nur noch die zu gründende internationale Behörde über nicht-denaturiertes, militärisch verwendbares Material verfüge 20 . Insofern bestätigten die Tests im Pazifik nur etwas, woran die USA nie einen Zweifel gelassen hatten. Außerdem konnte geltend gemacht werden, daß nicht der Besitz der Bombe oder ihre Verbesserung entscheidend waren, sondern die Zwecke, denen sie dienen sollte. Es gab kein Anzeichen, daß die Vereinigten Staaten andere als defensive Ziele verfolgten, daß sie etwa ihr Vernichtungsmonopol als politisches Druckmittel verwenden wollten. Der exklusive Besitz der Bombe bildete die Grundlage der amerikanischen Sicherheit, erlaubte es ihnen, sich vergleichsweise unangreifbar und daher nicht genötigt zu fühlen, große Truppen zu unterhalten. Darüber hinaus sicherte das Monopol an Vernichtungskraft den USA einen besonderen Rang zu, hob sie über alle anderen Großmächte hinaus und vergrößerte damit ihre Einflußchancen. Hinter dem Wort der USA standen eben nicht nur eine reiche Wirtschaft und viele militärische Möglichkeiten, sondern auch jenes schreckliche Instrument, das in Sekunden ganze Städte in Schutt und Asche zu legen vermochte. Die Bikini-Versuche stellten daher schon eine gewaltige Demonstration der amerikanischen Möglichkeiten dar; aber nichts deutete darauf hin, daß von ihnen außerhalb des von den Vereinten Nationen abgesteckten Ziel-Rahmens Gebrauch gemacht werden sollte. So gesehen, konnte der Baruch-Vorschlag geradezu als Beleg dafür gelten, daß sich an den amerikanischen Zielen trotz der inzwischen aufgetretenen Spannungen nichts geändert hatte. Verändert wurde lediglich — und das ist der zweite Aspekt, unter dem die Bikini-Versuche gesehen werden müssen — eine kleine Strebe im Modell der Kollektiven Sicherheit. Mögen ursprünglich rüstungs- und waffentechnische Gesichtspunkte die Tests angeregt haben —, unter den politischen Bedingungen des Jahres 1946 hoben sie die Bedeutung hervor, 19
A Report on the International Control of Atomic Energy, Department of State Publication N o . 2498, teilweise abgedruckt in DAFR VIII, S. 552 ff. Der Baruch-Vorschlag erschien unter dem Titel ,United States Atomic Energy Proposais' als Department of State Publication N o . 2560. Der Vorschlag ist abgedruckt auch in DoSB, X I V , 364, 23. Juni 1946, S. 1057-1062. 20
Vgl. zu den wissenschaftlichen Voraussetzungen der amerikanischen Vorschläge Haskins, Atomic Energy and American Foreign Policy, passim.
144
1. Versuchung der
Atomenergie
die die Vereinigten Staaten der in ihren Händen befindlichen Sicherheitspotenz zumaßen. Das Phänomen blieb, wie weiter unten zu zeigen sein wird, auf den atomaren Sektor beschränkt; die anderen Verteidigungsmittel ließen zunächst keinerlei besondere Vergrößerungen erkennen. Aber in diesem von der Atombombe gebildeten Segment der amerikanischen Verteidigungsmöglichkeiten machte sich die Tendenz bemerkbar, das eigene Sicherheitspotential der Vereinigten Staaten zu stärken, es den Erfordernissen kommender Kriegstechnik anzupassen. Damit bewirkten die U S A eine — wenn auch nodi so kleine — Wertminderung der internationalen Organisation. Deren Sicherheitskoeffizient konnte nicht mehr die ursprüngliche Größe behalten, wenn die U S A es für erforderlich hielten, ihren Atomvorsprung, dessen sie auf Jahre hin sicher waren, weiter zu vergrößern. Unweigerlich gerieten die Atomtests damit in die politische Zone, auf die der Schatten der Sowjetunion gefallen war —, eine Optik, die dann auch dem Baruch-Plan manches von seiner Glaubwürdigkeit nehmen mußte.
Das Gesetz Bei der Regelung der mit der Produktion von Atomenergie zusammenhängenden Probleme ging es zunächst mehr um innen- als um außenpolitische Entscheidungen. Die Vorlage war Ende 1945 in das Getriebe der Interessen geraten (s. obenS. 112); als sie im Frühjahr 1946 anstand, ging es noch immer um die Frage, ob die Privatwirtschaft oder ein Regierungsmonopol den Löwenanteil an der neuen Energiequelle davontragen solle. Wie bei der Frage der Propaganda, wurde auch beim Komplex der Atomenergie die traditionell privatwirtschaftlich arbeitende amerikanische Gesellschaft mit einer Aufgabe konfrontiert, die ihre Sicherheit berührte und mit Hilfe von Einzelunternehmen sinnvoll nicht mehr geleistet werden konnte 21 . Wie bei der Propaganda versuchten auch hier die wirtschaftlichen Interessen, ein sich abzeichnendes Regierungsmonopol zu Fall zu bringen. Anders aber als dort gelang es der Regierung, angesichts der riesigen ökonomischen Dimensionen und der offenkundigen Sicherheitsrelevanzen bereits im ersten Anlauf die Form 21 Vgl. Vandenbergs Brief an einen Wähler vom 18. April 1946: „I agree that it involves a degree of centralized governmental control which is out of step with all of our essential principles in respect to free enterprise. But I am frank to say that I can see no other answer for the time being which will protect the national security." Papers, S. 252.
Das Gesetz
145
eines staatlichen, wenngleich immerhin nicht militärischen Monopols durchzusetzen. Im Krieg war das Atomprojekt von Militärs in Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft betreut worden 22 . Der im Kriegsministerium entstandene, in beiden Häusern gleich nach der Congress-Botschaft Trumans vom 3. Oktober 1945 eingebrachte Entwurf 2 3 sah im Grunde eine ähnliche Struktur für die Friedensregelung vor: sie war vorwiegend auf die militärische Seite der Atomenergie gerichtet; die entscheidende Kompetenz innerhalb der Atomenergiekommission würde bei einem Administrator, der ein Militär sein konnte (und sollte), liegen; die Interessen der Privatwirtschaft waren soweit wie irgend möglich zu berücksichtigen (See. 3 a). Während der Militärausschuß des Hauses den Ministerialentwurf aufgriff und, nachdem der anstößigste Punkt: die Allgewalt des Administrators, beseitigt worden war 24 , verabschiedete, blieb die Vorlage bei der ersten Kammer bereits im Plenum stecken, gelangte nicht einmal an einen Ausschuß. Der vom Senat eingesetzte Sonderausschuß für Atomenergie wandte sich statt dessen von vornherein einem von Senator McMahon eingebrachten Entwurf zu, der die Militärs aus der Atomenergie verbannte, die Leitung ausschließlich zivilen Beamten vorbehielt und ein straffes Regierungsmonopol begründete. Die beiden Häuser behandelten also Entwürfe, die sich in bezug auf den militärischen oder zivilen Charakter der Leitung wie hinsichtlich der der Privatwirtschaft zuzuweisenden Rolle drastisch voneinander unterschieden; zu den Differenzen in der Sache trat damit auch ein Element des Prestiges. Während sich Präsident Truman offiziell für die zivile Leitung aussprach25, versuchte Vandenberg ein Kompromiß in Richtung des HausEntwurfs insofern zu schaffen, als der zivilen Atomenergiekommission ein militärischer Verbindungsausschuß (Military Liaison Committee) mit weitreichenden Vollmachten und dem Recht des Immediatvortrags beim 22
Thomas, Atomic Energy, S. 5.
23
Text abgedruckt in CR 91, 7, 9325-9329.
24
Military Affairs Committee, H. Rp. 1186, 79/1, 5. November 1945, on H. R. 4566, Atomic Energy Act of 1945, S. 4. 25 Truman an Sen. McMahon, 2. Februar 1946, abgedruckt DAFR VIII, 429—431. Zu den weiteren Interventionen des Präsidenten in dieser Sache vgl. Truman, Memoiren. II, S. 7 ff. 10
Czempiel
146
1. Versuchung der
Atomenergie
Präsidenten beigegeben werden sollte26. Damit verstieß aber Vandenberg gegen ein anderes Tabu der amerikanischen Gesellschaft, das auch den May-Johnson-Entwurf schon entschieden behindert hatte: kein aktiver Militär darf in der Politik tätig sein. Gegen das Vandenberg-Amendment brach ein Sturm der Entrüstung los, der sich mit dem Hinweis, daß „die nationale Sicherheit ein vorrangiger Gesichtspunkt bei diesem Problem sei"27, keineswegs beschwichtigen ließ. Der Schatten der Sowjetunion war nicht so groß, als daß er das Ungeheuerliche, die unmittelbare Appellation von Militärs an den Präsidenten, rechtfertigte 28 . McMahon, der als einziger im Ausschuß gegen den Antrag Vandenberg gestimmt hatte, gelang es, das AusschußVotum revidieren und die Kompetenzen des militärischen Verbindungsausschusses entscheidend abschwächen zu lassen. Verteidigungs- und Sicherheitsfragen wurden ihm entzogen, er durfte sich nur mit der militärischen Anwendung der Atomenergie befassen, verlor das Recht zum Immediatvortrag und konnte, wenn er gegen Entscheidungen der Atomenergiekommission etwas einzuwenden hatte, nur noch über den Kriegsoder den Marineminister an den Präsidenten appellieren. In dieser Form, deren einzelne Bestimmungen hier nicht darzustellen sind29, passierte der Entwurf nunmehr mühelos in knapp zwei Stunden den Senat 30 . Bei der Debatte im Hause 31 zeigte sich aber, daß es nicht nur um die Rolle der Militärs — die ja ein Kompromiß gefunden hatte —, sondern auch um die wirtschaftlichen Aspekte ging. Der Militärausschuß, der im Haus das Projekt betreute, hatte sich nur ungern und wohl nur durch massiven Druck des Präsidenten von seinem favorisierten MayJohnson-Entwurf zugunsten der McMahon-Bill getrennt. Sein Vertrauen in das Militär hatte der Ausschuß dann wenigstens dadurch dokumentiert, daß er in die zivile Atomenergiekommission mindestens 21
Text des Vandenberg-Amendments ist abgedruckt in Vandenberg, Papers, Vgl. dort auch die Interpretation seiner Absichten, S. 252 ff.
S. 254.
27
Vandenberg in einer Kontroverse mit Sen. McMahon am 19. März 1946, C R 92, 2, 2413. 28
Vgl. McMahons Antwort, ibidem, 2412.
29
Vgl. die Erläuterung des Entwurfs in: Special Committee on Atomic Energy,
S. Rp. 1211, 79/2, 19. April 1946, on S. 1717, Atomic Energy A c t of 1946. 80 31
1. Juni 1946, CR 92, 5, 6076—6098. Abstimmung durch voice vote.
Beratungsdaten: 1 7 . - 2 0 . Juli 1946, CR 92, 7, 9 2 4 9 - 9 2 7 5 , 9340—9355; C R 92, 8, 9463-9493, 9545-9563.
Das Gesetz
147
ein, möglichst aber zwei Militärs aufnehmen lassen wollte 32 . Im Vordergrund aber standen wirtschaftliche Interessen. Neun der insgesamt vierzehn republikanischen Mitglieder des Ausschusses wandten sich ausdrücklich gegen denjenigen Teil des Entwurfes, der die Einziehung alter und die Nichtvergabe neuer Patente auf dem Gebiet der Atomenergie vorsah 33 . In den Augen dieser Gruppe war der Abschnitt 11 verfassungswidrig und der industriellen Entwicklung hinderlich. Die Opposition beschwor auch den Schatten der Sowjetunion, ohne darin recht glaubwürdig zu sein. Wenn das Sicherheitsbedürfnis so groß war, daß nur Militärs die Atomenergie verwalten durften 34 , wie konnte man dann gleichzeitig die Patente, in denen sich schließlich das Geheimnis niederschlug, in der Hand privater, folglich ganz unverpflichteter Firmen lassen35? Der Vorschlag, den Abschnitt über die Patente zu streichen36 oder so zu ändern, daß Patente nur im äußersten Sicherheits-Notfall beschlagnahmt werden konnten 37 , wurde dann auch mit großer Mehrheit angenommen38. Der Akzent lag vornehmlich auf den wirtschaftlichen Interessen. Der Sicherheitsfaktor war nur ein Vorwand, mit dessen Hilfe man die gesamte, ökonomisch unwillkommene Vorlage zu torpedieren hoffte. Denn auch nachdem die Änderungsanträge angenommen worden waren, stimmten deren Autoren: die republikanischen Militäraussschuß-Mitglieder Harness (Indiana) und Eiston (Ohio) sowie der Texas-Demokrat Lanham zusammen mit 76 anderen gegen die Vorlage. Ihnen ging es nicht in erster Linie um die Sicherheit der USA, sondern um einen Zustand der Atomenergie-Produktion, der sie vorteilhafter als der der McMahonBill dünkte 39 . Den Beweis dafür brachte ihr Verhalten bei einer Abstimmung, in der der Gegensatz zur Sowjetunion wirklich eine Rolle 32
Committee on Military Affairs, H . Rp. 2478, 79/2, 10. Juli 1946, on S. 1717,
Atomic Energy A c t of 1946, S. 1. Die Bestimmung setzte sich allerdings nicht durch, entfiel im endgültigen Kompromiß beider Häuser wieder. 33
Ibidem, Minority Views, S. 16—21.
34
Rep. Martin, R, Iowa, Military Affairs, 17. Juli 1946, C R 92, 7, 9267. Ferner
auch May, Chairman des Military Affairs Committee, ibidem, 9351. 35
So Rep. Eiston, R, Ohio, Military Affairs, 17. Juli 1946, C R 92, 7, 9 2 7 3 - 9 2 7 4 .
36
Eiston-Amendment, eingebracht 19. Juli 1946, C R 92, 8, 9484.
37
Lanham-Substitute, ibidem, 9487.
38
121:57, 19. Juli 1946, C R 92, 8, 9493.
39
Kopplemann, D, Conn., 20. Juli 1946, C R 92, 8, 9558. D a ß darin das eigentliche
Ziel der Gruppe lag, wurde auch außerhalb des Congress geglaubt, vgl. 10»
Congressional
148
1. Versuchung der
Atomenergie
spielte: bei der Anleihe an Großbritannien. Diese — vorwiegend republikanische — Gruppe, die bei der Atomenergievorlage die Sicherheit in den Vordergrund rückte, sah sie dort, wo sie wirklich im Spiel war, so wenig gefährdet, daß sie bequem gegen die Anleihe stimmen konnte 40 . Die Sicherheit der USA gegenüber einer möglichen Bedrohung durch die UdSSR spielte bei der Regelung der Atomenergie-Produktion also keine besondere Rolle. Beim Haus nicht, das ihr die wirtschaftlichen Interessen, beim Senat nicht, der ihr das Prinzip der ausschließlich zivilen Leitung überordnete. Beim Präsidenten schließlich nicht, der keinen Anlaß sah, außergewöhnliche, „nur zur Wahrung der Sicherheit der Nation" erlaubte Maßnahmen (wie die Einsetzung einer militärischen Leitung) zu ergreifen 41 . Senat und Präsident vertraten (und erlangten) wohl ein Regierungsmonopol, das mit den allgemein in der Atomenergie ruhenden Sicherheitsrisiken begründet wurde42. Ein politischer, aus dem Verhältnis zur Sowjetunion stammender Sicherheitsfaktor läßt sich bei der Regelung der Atomenergie-Produktion noch nicht feststellen. Kooperation
oder Monopol:
Der wirtschaftliche Aspekt
Eine andere, den Tests vergleichbare Erscheinung hingegen wurde deutlich von der Weltsituation verursacht oder doch zumindest ausgelöst: die Minderung der internationalen Kooperationsbereitschaft der USA. Die Paragraphen a 1 und b der Sektion 10 des McMahon-Entwurfes hatten vorgesehen, daß „Informationen über den Gebrauch der Atomenergie für industrielle Zwecke mit anderen Nationen auf der Basis der Gegenseitigkeit geteilt werden sollten, sobald der Congress mit einer Joint Resolution feststellt, daß wirksame und erzwingbare internationale Sicherungen gegen den Gebrauch dieser Energie für zerstörerische (destrucQuarterly,
II, 1946, S. 508. Die Absicht der Gruppe war, den Entwurf so zu verändern,
daß er langwierige Verhandlungen mit dem Senat erforderte, die dann nicht mehr rechtzeitig vor Vertagung des Congress abgeschlossen werden konnten. 40
Von den 7 9 Gegnern des Atom-Gesetzes stimmten 55, d. h. 70®/», gegen die Anleihe
für Großbritannien. Der Kontrast wird noch schärfer, wenn man berücksichtigt, daß diese Gruppe nodi wenige Tage vorher, Ende Juni, massiv gegen die Sowjetunion aufgetreten war (s. u.). 41
Truman, Memoiren,
42
Ibidem. Truman betonte in seiner Antwort auf ein Memorandum des Kriegs-
II, S. 8.
ministers Patterson in erster Linie „die für die ganze Nation erwachsende Gefahr, die sidi aus der Herstellung und Verwertung dieser gefährlichen Substanzen seitens x-beliebiger Personen ergäbe". S. 9.
Der wirtschaftliche
Aspekt
149
tive) Zwecke eingerichtet worden sind" 4 3 . Ferner sollte die Kommission Informationsdienste, Bibliotheken usw. zu diesem Zwecke einrichten. Beides wurde vom H a u s gestrichen 44 . M a n sah keinen Grund, anderen Nationen Mitteilungen zukommen zu lassen, die sie gegenüber der amerikanischen Industrie konkurrenzfähiger madien könnten 4 5 . Aber von republikanischer Seite des Auswärtigen Ausschusses wurden dem Wettbewerbsgedanken auch außenpolitische Argumente beigesteuert mit dem Tenor, daß jede wirtschaftliche Unterstützung audi zur militärischen Stärke gereiche, wenn keine Abrüstung gefordert und verwirklicht werde 4 6 . Die Möglichkeit eines politischen Gegensatzes schlug hier deutlich durch, und es ist interessant, daß sich der Senat dieser Auffassung anschloß. Von Informationsdiensten war in der verabschiedeten Fassung überhaupt nicht mehr die Rede; aus der eingeschränkten Aufforderung, Informationen mit anderen Nationen zu teilen, wurde ein Verbot, das lediglich Ausnahmen vorsah 4 7 . Wenn es auch vielleicht übertrieben war, in der Haus-Maßnahme die Wiederkehr des Isolationismus zu erblicken 48 , so konnte doch kein Zweifel daran bestehen, daß der Geist weltweiter Verständigung und Mitarbeit an der Wohlfahrt aller Nationen, auf dem das Konzept der Kollektiven Sicherheit fußte, erneut eine Abschwächung erfahren hatte. Der Autor des Gesetzes, Senator McMahon, gab diesen Umschwung in seiner Analyse des Entwurfes deutlich zu erkennen. Die Forderung nach internationaler Zusammenarbeit in der Kontrolle der Atomenergie rangierte bei ihm an letzter Stelle; Sicherheit und wirtschaftliche Vorteile für die U S A nahmen den ersten und zweiten Platz ein. Zudem erhielt die internationale Kooperation jetzt einen ganz anderen Stellenwert. In der Konzeption des Modells der Kollektiven Sicherheit war sie die conditio sine qua non gewesen, die Grundlage, von der alles abhing; jetzt erschien sie nur noch als ferner Silberstreif eines erstrebenswerten Maximums, als Bestandteil einer zukünftigen Welt ohne Krieg, in der dann „vollständige und vollkommene Sicherheit" herrschen würde. In 43
Dieser ursprüngliche Text des Entwurfs ist abgedruckt C R 92, 8, 9470.
Elston-Amendment und Harness-Amendment, angenommen 19. Juli 1946, C R 92, 8, 9479, 9481, allerdings nur mit knappen Mehrheiten. 44
45
So Eiston, R, Ohio, Military Affairs, 19. Juli 1946, C R 92, 8, 9471.
46
Rep. Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, ibidem, 9474.
4 7 Vgl. die endgültige Fassung der Section 10, a, 1, des P. L. 585, 79/2, 60 Stat. 724. Das Gesetz ist abgedruckt in DAFR VIII, S. 431 ff. 48
So Rep. Thomason, D, Tex., Military Affairs, 19. Juli 1946, C R 92, 8, 9479.
150
2. Ambivalenz militärischer
Stärke
der Gegenwart aber sah McMahon Sicherheit für die USA nur darin, „die Führung zu behalten, die wir jetzt in dem Wettrennen um Wissen innehaben, worin die einzige reale Quelle der Macht und die einzige reale Garantie der Freiheit liegt" 49 . Praktisch formulierte McMahon hier den Tenor der Atomversuche im Pazifik und den der Neuregelung der Atomenergie-Produktion überhaupt. Es war, wie noch zu erweisen sein wird, der Tenor des ganzen Jahres. Die USA fühlten sich nicht in ihrer Sicherheit bedroht, aber sie schwächten ihre Bereitschaft ab, im Rahmen der Kollektiven Organisation zusammenzuarbeiten.
2. A M B I V A L E N Z
MILITÄRISCHER
STÄRKE
Last der Wehrpflicht Der Congress hatte im Sommer 1946 noch mehrfach Gelegenheit, äußere Sicherheit und inneren Wohlstand der USA gegeneinander abzuwägen. Zunächst lief das Wehrpflichtgesetz, das im Vorjahr verlängert worden war, nun im Mai 1946 erneut ab, und es war zu entscheiden, ob man die ebenso unpopuläre wie traditionswidrige Maßnahme beibehalten sollte oder nicht. Die Hoffnungen, mit denen man im Herbst 1945 den Wehrdienst materiell lukrativer ausgestattet hatte, waren nur vorübergehend erfüllt worden. Im November 1945 hatten sich 184 840 Freiwillige gemeldet; seit diesem Höhepunkt war ihre Zahl ständig zurückgegangen, sie betrug im April 1946 nur noch 63 867 1 , bei eindeutig fallender Tendenz. Die Sollstärke der Streitkräfte lag jetzt unterhalb der zwei Millionen, die Präsident Truman zunächst in seiner Jahresbotschaft genannt hatte. Eine Gesamtstärke von 1 736 000 Mann wurde als ausreichend angesehen: 1 070 000 für die Armee, 558 000 für die Marine und 108 000 für das Marine-Corps 2 ; auf diesen Stand sollten die Streitkräfte bis zum 1. Juli 1947 gesenkt werden. Aber es war schon abzulesen, daß diese Zahlen durch Freiwillige allein nicht erreicht werden konnten, wenn die Meldungen nicht zunahmen. In dieser Lage konnte man entweder die Wehrpflicht verlängern oder den Berufssoldatenstand 48 1
Sen. McMahon, 1. Juni 1946, CR 92, 5, 6095. Zahlen nadi C R 92, 5, 6198.
2 Diese Höhe wurde gesetzlich bei der Verlängerung der Wehrpflicht festgelegt, vgl. See. 3, b, des P. L. 473, 79/2, 60 Stat. 522.
Last der
Wehrpflicht
151
materiell weiter anheben, um mehr Freiwillige anzuziehen. Man konnte schließlich beides tun. Es kam darauf an, wie man die Weltlage beurteilte. Die Leitung der Streitkräfte plädierte von Anfang an dafür, die Wehrpflicht zu verlängern. Ihr Argument war, daß mit der Wehrpflicht auch die Einberufungsämter und damit die Möglichkeiten entfallen würden, den Apparat, sollte es erforderlich sein, rasch wieder in Gang zu bringen. Der Gedanke ließ die allgemeine Neigung des Militärs zur Konskription nur zu deutlich durchblicken. Sie beeilten sich daher, auf die politische Lage und auf die militärisch-strategische Aufgabe der USA zu verweisen. Die meisten Mitglieder des Militärausschusses sahen die Weltlage sehr viel ruhiger als die Militärs. Der Vorsitzende selbst stellte fest, daß das Ausmaß der Unruhe sachlich nicht begründet sei3. Um so bewegter gestalteten sich unter dem Druck der Generalität die Beratungen im Ausschuß. Man war sich klar darüber, daß es nicht zu vermeiden sein werde, die Wehrpflicht gesetzlich weiter zu verlängern; man versuchte jedoch, sie faktisch zu umgehen. Den Weg dazu fand man in einer beträchtlichen, teilweise 50°/oigen Solderhöhung für die Soldaten; und die langwierigen Beratungen im Committee galten den Möglichkeiten, die Solderhöhung so rasch zur Wirkung zu bringen, daß Einberufungen praktisch überflüssig würden. Gesellschaftliche Prinzipien Der Ausschuß wurde dabei von der Uberzeugung der meisten seiner Mitglieder befeuert, daß die „Wehrpflicht in Friedenszeiten traditionell unamerikanisch" sei4; er reflektierte damit das Unbehagen im ganzen Lande, und zwar um so stärker, als 1946 ein Wahljahr war, an dessen Ende sich das gesamte Repräsentantenhaus den Wählern zu stellen hatte. Nur auf zwei Jahre gewählt, steht das Haus den Schwingungen des öffentlichen Bewußtseins sehr viel näher als der Senat. Im Militärausschuß gingen die Wogen der Vorschläge und Gegenvorschläge rasch und hoch; an einem Tag wurde über mehr als fünfzig Anträge abgestimmt, so daß schließlich niemand genau wußte, was die Meinung des Ausschusses war und was nicht5. Die Vorlage, die schließlich an das Plenum kam, verlängerte die Wehrpflicht bis 3
Rep. May, D, Ky., Military Affairs, Chairman, 12. April 1946, C R 92, 3, 3585.
4
Rep. Eiston, R, Ohio, Military Affairs, 12. April 1946, CR 92, 3, 3604.
Rep. Short, R, Miss., Military Affairs, 13. April 1946, CR 92, 3, 3655. Vgl. dazu die Schweigsamkeit des Ausschußberidits, H. Rp. 1923, 79/2, 10. April 1946, on H. R. 6064, To Extend the Selective Training and Service Act. s
2. Ambivalenz militärischer Stärke
152
zum 15. Februar 1947, sah aber vor, daß nur so viele Einberufungen vorgenommen werden sollten, wie in Anbetracht der Freiwilligenmeldungen erforderlich sei. E s ist bezeichnend, daß ausgerechnet die Vorsitzenden der beiden militärischen Ausschüsse, M a y und Vinson, den E n t w u r f während der D e b a t t e weiter abschwächten. M a y beantragte,
das
Einberufungsalter
von 18 auf 2 0 J a h r e anzuheben 6 ; Vinson, die Einberufungen bis zum 15. O k t o b e r
1946
zu suspendieren 7 .
In
den Augen
der
Regierungs-
anhänger höhlten diese beiden Anträge in ihrer Kombination die W e h r pflicht fast völlig aus 8 . I n der Diskussion um das Vinson-Amendment zeigte sich, d a ß weder Anhänger noch Gegner die Sicherheit der U S A in irgendeiner Weise bedroht sahen. Beide Gruppen waren sich einig darüber, daß, sollte dieser F a l l eintreten, die erforderlichen Gesetze sofort erlassen werden würden. Die K o n t r o v e r s e entspann sich vielmehr am außenpolitischen Stellenwert der M a ß n a h m e . Die Gruppe um Vinson h a t t e lediglich die Verteidigungsbereitschaft im Auge. D a sie gewährleistet war, glaubte sich die Gruppe berechtigt, die Einberufungen so k n a p p wie möglich zu halten. D i e Gegner des Vinson-Amendments blickten auf die Spannungen mit der Sowjetunion, auf die internationalen K o n f e r e n z e n . Sie wollten, daß das diplomatische W o r t der Vereinigten Staaten durch militärische Potenz unterstrichen werde. Zumindest sollte es nicht dadurch geschwächt werden, daß die U S A irgendeinen Zweifel an ihrer Bereitschaft zur G e w a l t anwendung aufkommen ließen. Keine
der beiden Gruppen analysierte eine akute Bedrohung
der
amerikanischen Sicherheit. Es handelte sich vielmehr um einen Konflikt zwischen den gleichberechtigten Interessen innenpolitischer T r a d i t i o n und außenpolitischer Verhandlungsvorteile — einen K o n f l i k t , der durch den Spannungszustand ausgelöst wurde, in den die internationale
Politik
geraten w a r . D a s H a u s entschied zugunsten der Innenpolitik. Es
verabschiedete
M i t t e A p r i l mit beträchtlicher Mehrheit das Einberufungsgesetz, das die Wehrpflicht z w a r verlängerte, aber bis zum 15. O k t o b e r aussetzte 9 ; und 8
Eingebracht 13. April 1946, C R 92, 3, 3 6 3 2 ; angenommen mit 195:96, 3649.
7
13. April 1946, C R 92, 3, 3649, angenommen mit 149:127, 3660.
8
Rep. Sparkman, D, Ala., Military AfTairs, 13. April 1946, C R 92, 3, 3655. Spark-
man war seit November 1945 audi Majority Whip. 9
15. April 1946, C R 92, 3, 3714. 2 9 0 : 1 0 8 : 3 2 .
Last der
Wehrpflicht
153
es schuf gleich anschließend in einer großen, vor allem den unteren Dienstgraden zugutekommenden Besoldungsreform 10 den finanziellen Anreiz, der die Freiwilligenmeldungen zu vermehren und damit die Einberufungen überflüssig zu machen bestimmt war. Vor die Alternative gestellt, die Traditionen der amerikanischen Gesellschaft zu verletzen oder mehr Geld auszugeben, entschied sich das Haus für das letztere. Damit war zwar ein gewisses Risiko verbunden, aber das Haus schlug es gering an. Eine Bedrohung der amerikanischen Sicherheit wurde selbst von den Generälen nicht konstatiert, und die anderen Gründe: die internationalen Verpflichtungen und Aufgaben der Besatzung, wogen für das Repräsentantenhaus die gesellschaftlichen Traditionen nicht auf. Für die Verteidigung war mittels der großen Reserven gesorgt — es standen ja praktisch Millionen größtenteils kriegserprobter Reservisten zur Verfügung —, und vor allen anderen außenpolitischen Interessen hatten die inneren den Vorrang. Der Senat war an sich mit dieser Anordnung einverstanden. Er registrierte nur stärker, welchen Eindruck es auf der internationalen Szenerie hinterlassen mußte, wenn die U S A überhaupt keine Rücksicht darauf nahmen, ob sie die ohnehin geringe Zahl von aktiven Soldaten, die sie sich verordnet hatten, auch tatsächlich stellen konnten. Der Senatsausschuß, nicht weniger mit sich uneins als sein Gegenstück im Haus, hatte darum eine etwas straffere Vorlage ausgearbeitet, die das Einziehungsalter bei 18 Jahren beließ, die Wehrpflicht bedingungslos verlängerte und lediglich vorsah, daß bei den Einberufungen die Anzahl der Freiwilligenmeldungen berücksichtigt werden mußte. U m diese so hoch wie irgend möglich zu treiben, hatte auch die erste Kammer eine Besoldungsreform geplant und sie gleich in das Wehrpflichtverlängerungsgesetz eingearbeitet. Der Senat kam indessen nicht dazu, sich dem Entwurf zuzuwenden, weil ihn die Anleihe an Großbritannien wochenlang beschäftigte und anschließend schon die ebenfalls stark kontroverse Arbeitsgesetzgebung auf ihn wartete. D a aber die Wehrpflicht, wenn nichts geschah, am 15. Mai automatisch endete, entschloß sich der Senat zu einem Kunstgriff, der ihm mehrfach vorteilhaft zu sein schien. Sechs T a g e vor dem Auslauf10 H . R. 6084, to Amend the Pay Readjustment Act of 1942, Beratungsdatum im Haus: 15. April 1946, C R 92, 3, 3729-3740. Das Gesetz, die erste generelle Besoldungsreform seit 1908, wurde in einem verkürzten Verfahren, der Suspension of the Rules, verabschiedet. Für die Einzelheiten der Maßnahme vgl. H . Rp. 1930, 79/2.
2. Ambivalenz
154
militärischer
Stärke
datum verlängerte er das bisherige Gesetz um sechs Wochen11 und überließ es dem Haus, entweder mitzuziehen oder das Odium auf sich zu nehmen, die Wehrpflicht zu Fall gebracht zu haben. Mit dieser Verlängerung ließ sich vorerst Zeit gewinnen; ferner waren die Einschränkungen, die das Haus vorgenommen hatte, auf sechs "Wochen sistiert, und drittens behielt der Präsident die Möglichkeit, mit Hilfe der verlängerten Kriegsgesetzgebung in den zur Zeit herrschenden Bergarbeiterstreik mit Beschlagnahmen von Bergwerken und Fabriken einzugreifen12. Das Haus ließ sich jedoch nicht so leicht die Schelle umhängen. Es verschob zunächst die Beratung auf den letzten Termin, den 13. Mai, setzte sodann das Einziehungsalter wieder auf 20 Jahre hinauf und stellte seinerseits die erste Kammer vor das Dilemma, entweder diese Einschränkung zu akzeptieren oder ihre eigene Maßnahme zu torpedieren13. Außenpolitische Interessen Der Senat fügte sich ins Unvermeidliche und nahm die so abgeschwächte Verlängerung des Gesetzes am 15. Mai an 14 . Zu diesem Zeitpunkt, am Ende der ersten Phase der Pariser Außenministerrats-Konferenz, hatte das außenpolitische Interesse weiter an Gewicht gewonnen. Was im Ausschuß-Bericht vom April nur angeklungen war, bestimmte nun die Argumentation: Die demokratische Führungsspitze warnte das Ausland davor, die Zwangslage, in der sich der Senat befinde, mißzuverstehen15; die Vereinigten Staaten seien keinesfalls auf dem Wege, den Fehler von 1920 erneut zu begehen. Der führende Republikaner im Militärausschuß Austin hatte vorher die gleiche Ansicht vertreten 16 ; und der Militärausschuß ließ durch den Mund seines Vorsitzenden ausdrücklich versichern, daß auch er nur der Not gehorche, wenn er diese verkrüppelte Maßnahme gutheiße17. 11
S. J. Res. 159, eingebracht von Sen. Johnson, D, Colo., Military Affairs, verab-
schiedet am 9. Mai 1946, C R 92, 4, 4 7 0 4 - 4 7 0 5 . 12
Dieser Beweggrund wurde vom Vorsitzenden des Militärausschusses des Hauses,
dem Demokraten May, offen zugegeben, 10. Mai 1946, C R 92, 4, 4826. 13
Das Haus verabschiedete die Resolution am 13. Mai 1946 mit 2 8 0 : 8 4 : 6 6 . C R 92,
4, 4965. Die Nein-Stimmen wurden zu 75 °/o von Republikanern abgegeben. Vgl. zur Entscheidung des Hauses auch H . Rp. 1995, 79/2, on S. J. Res. 159. 14
C R 92, 4, 4995. Abstimmung durch voice vote.
15
Sen. Barkley, D, Ky., Majority Leader, C R 92, 4, 4974.
16
Ibidem, 4972.
17
Sen. Thomas, D, Utah, Military Affairs, Chairman, C R 92, 4, 4971.
Last der Wehrpflicht
155
Den gleichen Drall gab der Senat auch dem neuen Gesetz, mit dem er drei Wochen später die Wehrpflicht verlängerte. In zehn Tagen, am 15. Juni 1946, sollte die zweite Phase der Pariser Konferenz beginnen. Diese Perspektive änderte nichts an der sachlichen Relevanz des Gesetzes: die unmittelbare Sicherheit, die Verteidigung der USA, bildete nach wie vor das Schlußlicht der Beweggründe18. Im Vordergrund standen die Aufgaben: Feindländer besetzt zu halten, lang gediente Soldaten auswechseln zu können, die Ubersee-Basen sowie die Nachschub- und Verbindungslinien zu bemannen19. Aber die Bedeutung dieser Aufgaben hatte gewechselt. Bisher Teil der internationalen Zusammenarbeit, wurden sie nun als „Rettungsring" aufgefaßt, der die USA in unbekannte Gewässer begleitete 20 . Entsprechend wurde der Vorlage, die einst lediglich die Streitkräfte bis zur Soll-Stärke hatte auffüllen sollen, der außenpolitische Auftrag mitgegeben, in den erwarteten Auseinandersetzungen mit Moskau „die Hand des Präsidenten und des Außenministers in der Führung unserer Außenpolitik zu stärken" 21 . Das war nun schon eine deutliche Warnung an die Sowjetunion 22 . Der Gegensatz, der von ihr ausging, wurde vom Senat lebhaft empfunden 23 und mit einer demonstrativen gemeinsamen Reaktion beantwortet. Die Verlängerung der Wehrpflicht rückte damit in einen neuen Stellenwert ein, wurde zum Instrument der Außenpolitik. Als Folge der bereits erfahrenen wie der antizipierten Kontroverse mit der Sowjetunion begann das gesamte Bezugssystem der amerikanischen Außenpolitik sich zu verändern. Vor allem verblaßte der Wert der Vereinten Nationen. Senator Austin, einer der führenden Anhänger der U N , der an dem gleichen Tag, an dem der Senat das Wehrdienstgesetz verabschiedete (5. 6. 1946), zum 18
Vgl. etwa die Aufzählung der Gründe in: Committee on Military Affairs, S. Rp.
1167, 79/2, 11. April 1946, on S. 2057, S. 2. 19
Sen. Gurney, R, S. Dak., Military Affairs, 3. Juni 1946, C R 92, 5, 6122. Gurney
war der Sachwalter der Bill und steuerte die Senatsdebatte. In der Regel wird diese Aufgabe von der Mehrheitspartei in dem jeweiligen Ausschuß geleistet. Daß sie hier von einem Republikaner übernommen wurde, läßt auf die Schwierigkeiten und Meinungsverschiedenheiten auch innerhalb des Militärausschusses des Senats schließen. 20
Gurney, C R 92, 5, 6123.
21
Gurney, ibidem, 6121.
22
Das wurde natürlich vor allem von denjenigen hervorgehoben, die der internatio-
nalen Zusammenarbeit von Anfang an skeptisch gegenüberstanden, vgl. etwa Sen. Wherry, R, Nebr., Minority Whip, 5. Juni 1946, C R 92, 5, 6330. 23
Vgl. Gurney, C R 92, 5, 6121.
156
2. Ambivalenz
militärischer
Stärke
amerikanischen Chefdelegierten bei den Vereinten Nationen ernannt wurde, sprach von den United Nations eigentlich nur noch im Futur. Er interpretierte die Wehrdienstverlängerung als Zeichen dafür, daß die USA nicht mehr zum Isolationismus zurückkehren, vielmehr als der stärkste Führer die Vereinten Nationen militärisch unterstützen und auf diese Weise den amerikanischen Kontinent schützen würden 24 . Für die Zeit aber, bis die Vereinten Nationen funktionierten, und diese Zeit „könne lang sein" 25 , setze die Wehrpflicht die Vereinigten Staaten instand, schützende Basen und strategische Positionen zu besetzen und die Sicherheit der USA selbst zu gewährleisten. „Wir freuen uns auf den Tag (an dem die kollektive Organisation arbeiten werde), aber in der Zwischenzeit müssen wir leben. In der Zwischenzeit müssen wir uns so verhalten, daß wir die Welt nicht infolge unserer eigenen Schwäche und Unwirksamkeit dem Krieg aussetzen. Mit anderen Worten: in der Zwischenzeit müssen wir Truppen in solcher Zahl und solcher Qualität sowie solche militärischen Geheimnisse besitzen, daß wir annähernd sicher sein können, unsere geliebten Vereinigten Staaten von Amerika werden nicht das Opfer (subject) einer Aggression werden" 26 . Der zukünftige Chefdelegierte der USA bei den Vereinten Nationen gab das Kennwort f ü r die Entwicklung im Sommer 1946: die H o f f n u n gen, die die USA auf die U N gesetzt hatten, zerbröckelten langsam. Die Pariser Friedenskonferenz zeigte, daß der aufkommende Gegensatz zur Sowjetunion sich nicht innerhalb der Kollektiven Organisation bewältigen lassen würde; das Koordinatensystem der Vereinten Nationen, unter dem die internationale Politik 1944/45 konzipiert worden war, schwächte sich ab. Von den beiden Aufgaben, die der amerikanischen Streitmacht zugewiesen worden waren — der auf die USA und der auf die Vereinten Nationen bezogenen —, blieb nur noch die eine, für die USA gültige, übrig. Eine Zwischenzeit begann. Das Gesetz, das schließlich zustande kam, war ein Kompromiß zwischen den beiden Häusern. Es verlängerte die Wehrpflicht bis zum 31. März 1947 und setzte das Einziehungsalter auf 19 Jahre herauf. Die Einberufungen wurden nicht, wie vom Haus vorgesehen, formell suspendiert, aber die Besoldungsreform, schließlich doch als eigenes Gesetz ver24
Sen. Austin, R, Vt., Foreign Relations, 4. Juni 1946, CR 92, 5, 6212.
25
Austin, ibidem.
26
Austin, ibidem, 6214.
Bürde der
Rüstung
157
abschiedet 27 , war dazu bestimmt, Einberufungen praktisch überflüssig werden zu lassen. In der T a t wurde die Wehrdienstpflicht kaum in Anspruch genommen. Bürde der Rüstung Was sich im Sommer 1946 abspielte, läßt sich vielleicht am ehesten dahin beschreiben, daß derjenige Teil der amerikanischen Sicherheit, der der Kollektiven Organisation zugewiesen worden war, wieder auf die eigenen K r ä f t e der U S A zurückgenommen wurde — ohne daß sich diese zunächst vergrößerten. Ein Teil des Modells begann zu zerfallen, aber das Modell bestand zunächst weiter. Die Wehrpflicht wurde verlängert, aber deswegen der Demobilisierungsprozeß, der die Armee von 1,5 Millionen M a n n am 1. Juli 1946 auf rund 1 Million am 1. Juli 1947 verringern sollte, keineswegs gestoppt. Im Moment ließ sich nichts anderes machen, die Wehrpflicht sollte nichtsdestoweniger ein deutlich bezeichneter Notbehelf bleiben. N i e m a n d sah im Sommer 1946 die Sicherheit der USA dermaßen bedroht, d a ß ihm die Idee gekommen wäre, die Wehrpflicht als Dauereinrichtung beizubehalten. Präsident T r u m a n war sehr darauf bedacht, das von ihm vorgeschlagene Allgemeine Ubungsprogramm — das die Reserven vergrößern sollte — von einer Wehrpflicht abzusetzen. Der Sicherheitsfaktor hatte sich seit 1945 keineswegs vergrößert, er stand noch im gleichen Verhältnis zu den Traditionen u n d den wirtschaftlichen Interessen der USA. Er h a t t e nur seinen Aspekt, nicht seinen Inhalt verändert. Die Rüstungspolitik der Regierung und des Congress während des J a h res 1946 ergibt ein ähnliches Bild. Sidierheitseffekt und wirtschaftliche Bedeutung einer Maßnahme standen gleichberechtigt nebeneinander. Beispielsweise w a r es rüstungstechnisdi angebracht, sich kriegswichtiger Mineralien zu versichern, die die USA entweder nicht genügend förderten oder nicht genügend besaßen. Schon das Verteidigungsgesetz von 1920 hatte dieses Problem berührt; aber erst der Zweite Weltkrieg hatte seine Ausmaße deutlich vor Augen geführt 2 8 . Der Congress verabschiedete darum im Sommer 1946 ein Gesetz, das die Regierung ermächtigte, solche Mine27
P. L. 474, 79/2, 60 Stat. 523. Der Senat hatte ursprünglidi die Solderhöhung in das Verlängerungsgesetz aufgenommen, während das Haus sie, wie erwähnt, als eigenes Gesetz H. R. 6084 verabschiedet hatte. Ihm schloß sidi der Senat jetzt an. 28
Vor allem der Vergleich mit Deutschland hatte hier anregend gewirkt, vgl. dazu Mason, American Security, bes. S. 151 fi.
158
2. Ambivalenz
militärischer
Stärke
ralien fördern zu lassen und zu horten 29 . Eine gefährliche und kostspielige Abhängigkeit der USA von anderen Nationen im Krisenfall sollte damit vermieden werden 30 . Aber es gab noch einen ganz anderen Anlaß, eine solche Maßnahme sobald nach 1945 zu ergreifen: Die amerikanischen Minenbetriebe, die während des Krieges ihre Kapazität erweitern und voll ausnutzen konnten, waren durch den Rückgang der Staatsaufträge wirtschaftlich schwer geschädigt, teilweise sogar stillgelegt worden. Wenn sie mit H i l f e dieses Gesetzes wieder stärker beschäftigt werden konnten, so kam dieser der Verteidigung gewidmeten Maßnahme natürlich auch ein bedeutender wirtschaftlicher Wert zu 31 . Das Repräsentantenhaus unterstrich ihn, indem es die vom Senat beschlossene Zollfreiheit für die Einfuhr solcher Mineralien rückgängig machte und die Regierung ausdrücklich anwies, vor allem die amerikanischen Fundorte zu entwickeln. Ein ähnliches Gleichgewicht zwischen Wohlstand und Sicherheit mußte bei den Rüstungsbewilligungen erreicht werden. Das war natürlich sehr viel schwieriger, weil es sich um andere Größenordnungen handelte. Im Congress registrierte man, daß sich etwas gegenüber 1945 verändert hatte; da aber die Entwicklung nicht genau auszumachen war und das „Stundenglas der Zukunft" sich nicht erkennen ließ, wurden die Interessen der Sicherheit und die der Wirtschaft nach den Maßstäben des Kollektiven Modells in Ubereinstimmung gebracht: eine kleine aktive Streitmacht und eine große, kräftige Reserve 32 . Die Marine Wie erinnerlich, hatten Repräsentantenhaus und Marineleitung ihre Ansicht über die Größe dieses Wehrmachtteils schon 1945 ausführlich dargelegt. Wenn auch Truman damals interveniert und erreicht hatte, daß sich der Senat diese Zahlen nicht zu eigen machte, so legte sie die Marineleitung nichtsdestoweniger bei ihren Anforderungen zugrunde. Das Budget-Büro der Regierung strich jedoch 2 Milliarden Dollar, so daß sich die N a v y gezwungen sah, ihre Pläne zurückzustecken. Das Repräsentantenhaus, dem bei Bewilligungen das erste Wort zufällt, 29
S. 752, Strategie and Critical Materials Stock Piling Act, P. L. 520, 79/2, 60 Stat.
590. 30
Ibidem, See. 1.
31
So Rep. Harless, D, Ariz., Interstate and Foreign Commerce, bei der Beratung von S. 752, 24. Mai 1946, CR 92, 5, 5682. Ähnlich auch Granger, D, Utah, Agriculture, ibidem. 32
Committee on Appropriations, H. Rp. 2085, 79/2, 21. Mai 1946, on H. R. 6496, Naval Appropriations Bill, 1947, S. 2, 4.
Bürde der
Rüstung
159
stand der Marine seit jeher aufgeschlossen und fördernd gegenüber: der Bewilligungsausschuß war bereit, die Kürzung des Budget-Büros etwas zu mildern. Die Kriegsmarine wurde als der „rechte Arm" der amerikanischen Verteidigung aufgefaßt, der den Frieden bewahren und notfalls sogar erzwingen solle33. Das Haus war sich darin einig, daß die alte Forderung nach einer amerikanischen Navy „second to none" längst überholt sei; daß die Flotte vielmehr in der Lage sein müsse, notfalls sofort gegen sämtliche Flotten der Welt vorzugehen34, zumindest aber „jeder einigermaßen vernünftig zu erwartenden Entwicklung in der Zukunft zu begegnen"35. Entscheidend blieb jedoch, daß die der Marine vom Haus verordnete Stärke nach wie vor in die Reserve verlegt wurde. Der Bewilligungsausschuß erhöhte zwar die vom Budget-Büro vorgeschlagene Summe, wies den Zusatzbetrag jedoch den Ausbildungs-Programmen der Reserve zu36. Man wollte zwar für alle Fälle gerüstet sein, sah aber die Sicherheit nicht als bedroht an. Das Haus ging damit in seiner Bewilligung unter die Linie, die es selbst mit seiner Concurrent Resolution 80 im Jahr zuvor gezogen hatte. Es fand sich damit ab, daß infolge der Kürzung die aktive Flotte nurmehr 291 (statt 319) Schiffe, die Reserve nur 42 (statt 73) und die Bereitschaft nur 632 (statt 687) Schiffe umfassen werde. Der Marine-Ausschuß hatte zunächst Sturm gegen diese Kürzung gelaufen, wobei er vor allem um 80 Einheiten kämpfte, die tatsächlich bereits existierten37. Aber er gab sich, zumal die Marineleitung selbst keine präzisen Vorstellungen zu entwickeln vermochte, dann mit der Versicherung zufrieden, daß keine Schiffe mehr verschrottet werden würden. Mehr stand nicht zur Debatte. Die Armee Wie das Marine-Budget für 194738, reflektierten auch die Bewilligungen für die Armee keine Veränderung des Sicherheitsbewußt33 Rep. Sheppard, D , Calif., Appropriations, Chairman des Navy-Subcommittee, bei der Beratung von H . R. 6496, 23. Mai 1946, C R 92, 5, 5537. 34
Rep. Ploeser, R, Mo., Appropriations, ibidem, 5543.
35
H . Rp. 2085, 79/2, S. 3.
89
Vgl. H . Rp. 2085, 79/2, passim, und die Darstellung des Vorsitzenden des Unteraussdiusses Sheppard im Plenum, 23. Mai 1946, CR 92, 5, 5533. 37 38
Rep. Vinson, D , Ga., N a v a l Affairs, Chairman, ibidem, 5541 ff.
D i e Bewilligung wurde v o m Senat am 20. Juni 1946 beraten und teilweise verändert, C R 92, 6, 7 2 0 3 - 7 2 0 6 . Vgl. auch den begründenden Bericht, S. Rp. 1947, 79/2. Für die endgültigen Summen vgl. P. L. 492, 79/2, 60 Stat. 543, und den Überblick über die Bewilligungen im 79. Congress in C R 92, 8, 10760.
2. Ambivalenz
160
militärischer
Stärke
seins. Der Voranschlag von 7 208 207 429 Dollar wurde vom Congress um 55,3 Millionen Dollar erhöht, aber damit nicht wesentlich verändert. 7,2 Milliarden mußten als ansehnlicher Betrag erscheinen, wenn man bedachte, daß im letzten Friedensjahr, 1940, nur 668,5 Millionen ausgegeben worden waren39; verglichen mit dem Etat von 1946 (rd. 28 Milliarden Dollar), stellten sie eine Kürzung um 75 °/o dar. Das Repräsentantenhaus war sogar noch unter den Voranschlag gegangen, hatte unter anderem das GARIOA-Programm gekürzt. Der Senat seinerseits hatte zu der Haus-Ziffer 504,4 Millionen Dollar hinzugefügt, den Regierungsvorschlag also um 387,2 Millionen überschritten40. Aber dahinter standen keine sicherheitspolitischen, sondern rüstungstechnische Gesichtspunkte, und der endgültige Betrag pendelte sich um 55 Millionen Dollar über dem Regierungsvorschlag ein41. Im Grunde waren es, wie beim Marine-Budget, auch hier nur einzelne Stimmen, die während der Beratungen erkennen ließen, daß sich die internationale Lage verändert hatte. Sie stellten die Sicherheit der USA nicht in Frage, werteten aber das Kollektive Sicherheitssystem ab. Man wollte zwar weiter mit den Vereinten Nationen zusammenarbeiten, wollte aber parallel dazu das amerikanische „Programm militärischer Vorbereitung vorantreiben — in der Hoffnung auf die Zeit, wenn die Nationen ihre Waffen beiseite legen und in Frieden leben werden"42. Die beiden Elemente der amerikanischen Sicherheitskonzeption blieben also unverändert; nur verließen sich die USA von jetzt an fast ausschließlich auf die eigene Stärke. Sie wurde freilich nicht erhöht, sofern man nicht die 100 Millionen Dollar, die der Senat für den Bau von Unterkünften auf den amerikanischen Stützpunkten hinzugefügt hatte, in diesem Sinne interpretieren will. Die Forschung Allerdings war in diesen Bewilligungen ein Faktor enthalten, der die Wirksamkeit der Verteidigungsleistung automatisch zu 39
Vgl. die Aufstellung der Militärausgaben von 1916 bis 1946 in: Committee on
Appropriations, House, Military Establishment Appropriations Bill, 1947, Hearings, Washington 1946, S. 101. 40
Committee on Appropriations, S. Rp. 1590, 79/2, 27. Juni 1946, on H . R. 6837,
Military Establishment Appropriations Bill, 1947, S. 1, Einzelheiten der Änderungen S. 3 - 4 . 41
P. L. 515, 79/2. 60 Stat. 583.
42
Rep. Mahon, D, Tex., führendes Mitglied des Armee-Unteraussdiusses des Com-
mittee on Appropriations bei der Beratung des Militär-Etats, 21. Juni 1946, C R 92, 6, 7332.
Bürde der Rüstung
161
verbessern hatte: der Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung. Man kann zwar nicht sagen, daß die Gelder f ü r dieses Aufgabengebiet ausdrücklich im Hinblick auf die sich verändernde Weltlage gegeben wurden; aber es ist doch bezeichnend, daß gerade dieser Budget-Posten sehr häufig zum Anlaß genommen wurde, die politische Lage zu schildern. In der wissenschaftlichen Erkenntnis und in der technischen Fähigkeit, sie auszunutzen, lag ja — wie der Zweite Weltkrieg erwiesen hatte — ein besonders starkes Verteidigungspotential. Der naturwissenschaftlichen Forschung verdankten es die USA, daß sie den ersten und exklusiven Rang der Welt-Atommacht einnahmen; die technischen Erfindungen waren es, die die Schlagkraft der amerikanischen Nachkriegsflotte gegenüber der Marine von 1940 verdoppelten — obwohl diese zahlenmäßig stärker gewesen war. Letztlich entschied also der wissenschaftliche Fortschritt über das Sicherheitsproblem. Das gesamte Atomenergie-Programm, die Tests sowohl wie die Anlage des Gesetzes, hatte dieser Einsicht Sorge getragen, war deswegen vorgezogen und für sich verwirklicht worden. N u n mußte noch die Zukunft der allgemeinen Forschungsprogramme geregelt werden, die während des Krieges dem „Amt f ü r Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung" unter der Leitung von Dr. Vannevar Bush 43 anvertraut war. Präsident Truman hatte in seiner großen, den Ubergang zum Frieden behandelnden Botschaft an den Congress vom 6. September 194544 eine Bundes-Anstalt (Federal Agency) gefordert, die in allen wissenschaftlichen Aspekten der Verteidigung und Sicherheit zuständig sein sollte. Die unzähligen Schwierigkeiten, die sich diesem Unterfangen entgegenstellten und die in Interessengegensätzen der verschiedensten Art begründet lagen 45 , können hier nicht dargestellt werden. Das Haupthindernis auf dem Weg, der von Trumans Congressbotschaft von 1945 bis zur National Science Foundation Act of 1950 führte, lag darin, daß die Aufgabe erneut die der amerikanischen Gesellschaft widerstrebende staatliche Lösung erforderte. Die Atomenergie hatte wegen ihrer Bedeutung das Hindernis vergleichsweise leicht genommen; bei der Nationalen Wissenschafts-Stiftung wie bei der Informationstätigkeit der Regierung konnten sich die Widerstände stärker bemerkbar machen. 43
Office of Scientific Research and Development, eingerichtet mit Executive Order No. 8807 vom 28. Juni 1941. 44
Truman an den Congress, 6. September 1945, CR 91, 6, 8371.
45
Vgl. dazu Committee on Military Affairs, Senate, Hearings on Science Legislation, 79/1, Pt. 1 - 5 , Washington 1945. 11 Czempiel
162
3. Notwendigkeit
der
Propaganda?
Diese Differenzen gingen allerdings nicht zu Lasten der unmittelbaren militärtechnischen Forschung. Wenn es auch nicht gelang, für die Zwischenzeit einen eigenen Forschungsrat für die Nationale Sicherheit zu schaffen46, so wurden dodi in den Budgets für die Streitkräfte regelmäßig Mittel für Forschungs- und Entwicklungsprogramme bereitgestellt. Sie kamen in erster Linie der Luftwaffe zugute. Die Marine erhielt für Forschung und Entwicklung im Jahre 1947 insgesamt 2 5 0 Millionen Dollar, 1 0 0 Millionen davon ausschließlich für die Luftwaffe 47 . Entsprechend dienten bei der Armee diesem Zweck 185 Millionen von den insgesamt für Forschung und Entwicklung bewilligten 2 8 1 , 5 Millionen Dollar. Man darf also, wenn man den Verteidigungsetat beurteilen will, nicht nur seine Höhe ansehen. 5 % der 11,3 Milliarden Dollar waren dazu bestimmt, den rüstungstechnischen Vorsprung der U S A zu erhalten, also denjenigen Verteidigungsbereich zu stärken, der — wie man genau wußte 48 — über Sieg und Niederlage entscheiden würde. In diesem Bereich, der in erster Linie durch die Atombombe bezeichnet wird, lag der besondere Sicherheitsfaktor der USA. E r vermittelte ein Bewußtsein der Überlegenheit, das angesichts der ungeklärten Weltlage von 1946 beruhigend wirkte. Indes wurde weder dieser Bereich noch die Verteidigung insgesamt 1946 verstärkt. Es wurde auch kein Grund genannt, dies zu tun. Für die Spannungen des Sommers 1946 reichten die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen vollauf. Insoweit konnte das Modell von 1945 unverändert bleiben. Der Schaden trat an einer anderen Stelle auf: an der Kollektiven Organisation und an der Bereitschaft der U S A zur internationalen Zusammenarbeit.
3. N O T W E N D I G K E I T
DER
PROPAGANDA?
Noch deutlicher als in den Verteidigungsmaßnahmen spiegelte sich das Sicherheitsbewußtsein im Schicksal der Regierungspropaganda. Lange 48
Ein solches Gremium für den Übergang wurde von der Marine und vom Marine-
Ausschuß des Senats befürwortet, vgl. dessen S. Rp. 551, 79/2, on S. 825, Establishing a Research Board for National Security, bes. S. 6 ff. 47
Rep. Sheppard, D, Calif., Appropriations, bei der Beratung des Marine-Etats,
23. Mai 1946, C R 92, 5, 5533. Rep. Mahon, D , Tex., Appropriations, bei der Beratung des Militär-Etats, 21. Juni 1946, CR 92, 6, 7 3 3 2 . 48
Sheppard, 23. Mai 1946, C R 92, 5, 5533.
Der fiskalische Ausweg
163
bevor ein Gegensatz in den zwischenstaatlichen Beziehungen militärische Vorbereitungen erfordert, überschattet er die weiter vorgelagerten Bereiche der Sicherheit; es müßte sich gerade bei der Propaganda sehr genau zeigen, wie weit die U S A in den politischen Spannungen des Jahres 1946 ihre Sicherheit gefährdet sahen. Die politischen Kontroversen mit der Sowjetunion waren an der Tagesordnung; wurden sie als stark genug empfunden, um auch auf dem Gebiet der Information den traditionellen Widerwillen der amerikanischen Gesellschaft gegen ein Regierungsmonopol zu überwinden? Daran war die Gesetzgebung an der Wende der Jahre 1945/1946 gescheitert (s. oben S. 129). Der Auswärtige Ausschuß des Hauses hatte den Entwurf des Außenministeriums umgearbeitet und schließlich ganz zurückgezogen, nachdem die beiden größten amerikanischen Nachrichtenagenturen sich geweigert hatten, für die Informations- und Nachrichtentätigkeit der amerikanischen Regierung zu arbeiten. Die Ereignisse des Jahres 1946 bewirkten nicht, daß der Congress seine Einstellung grundsätzlich änderte. Es wurde zwar inzwischen zugegeben, daß die Vereinigten Staaten auf dem Feld der internationalen Meinungsbildung vertreten sein und Verfälschungen entgegenarbeiten müßten. Aber von der Auffassung der Regierung, daß die Informationstätigkeit ein unerläßliches Instrument der Außenpolitik sei 1 , war der Congress, waren vor allem die republikanischen Fraktionen weit entfernt. Der fiskalische Ausweg D a die kontroverse Sache überhaupt keine Chance hatte, im Frühjahr 1946 bereits Gesetz zu werden, und da andererseits ohne gesetzliche Grundlage kein Geld bewilligt werden konnte, behalf man sich mit einem häufig angewandten Kniff: man autorisierte im Bewilligungsgesetz die Maßnahme, für die das Geld bestimmt war. Dieses Verfahren war an sich unzulässig, aber auch dafür gab es ein Auskunftsmittel: den Beschluß, keine Geschäftsordnungs-Einwände gegen das Verfahren zuzulassen. Mit H i l f e der demokratischen Mehrheit wurde dieses Mittel im Haus knapp, aber sicher zur Anwendung gebracht 2 . Gewonnen war indessen zunächst 1
Vgl. etwa den Brief von Außenminister Byrnes an Truman, 31. Dezember 1945,
DoSB, X I V , 342, 20. Januar 1946, S. 5 7 - 5 8 . 2
H . Res. 588, verabschiedet mit 1 4 1 : 1 3 3 : 1 5 6 , 2. Mai 1946, C R 92, 4, 4351. Das Ver-
fahren galt in erster Linie, aber nicht ausschließlich, dem Informationsprogramm. Audi das Handelsministerium, dessen Etat gleichzeitig genehmigt wurde, profitierte davon. Die Abstimmung verlief streng nach Parteilinien: nur ein Demokrat stimmte gegen, nur zwei Republikaner stimmten für diese sogenannte ,gag rule*.
ll»
164
3. Notwendigkeit
der
Propaganda?
nicht sehr viel, weil das Haus sich der Empfehlung seines Bewilligungsausschusses3 anschloß und das Informationsprogramm um die für den Kurzwellendienst vorgesehenen 9 Millionen Dollar kürzte4. Erst der Senat setzte es durch, daß der Betrag wiederhergestellt5 und das Außenministerium wenigstens nicht gezwungen wurde, die neueingerichtete Abteilung am 1. Juli 1946 wieder nach Hause zu schicken. Das politische
Problem
Der Stein des Anstoßes war und blieb das geplante Grundgesetz und das Regierungsmonopol auf dem Gebiet des Ausland-Informationswesens. Es wurde noch immer, vor allem von den Republikanern, als unamerikanisch und insofern auch als nutzlos abgelehnt, weil jede Regierungsaktivität unweigerlich den Stempel der Propaganda trage und daher bei den Empfängern ihre Wirkung verfehle 6 . Zu diesen Argumenten gesellte sich nun aber doch schon die Einsicht, daß man weder die propagandistischen Angriffe der Sowjetunion hinnehmen noch darauf verzichten könne, den amerikanischen Standpunkt bei den Völkern hinter dem Eisernen Vorhang zu vertreten7. Sogar die ideologischen Differenzen zwischen den U S A und der UdSSR wurden erwähnt und daraus die Notwendigkeit für die Vereinigten Staaten gefolgert, das Problem der Information auch unter dem Gesichtspunkt der amerikanischen Führungsaufgabe zu betrachten8. Langsam entstand damit auf diesem Gebiet ebenfalls eine deutliche Spannung zwischen der innenpolitischen Tradition und den außenpolitischen Interessen der USA. Man sah am Beispiel der Sowjetunion, wie Propaganda wirken und was sie erreichen konnte: ganz allmählich tauchten die Sicherheitsaspekte des Problems auf. Sie verhielten vorab noch vor der Frage, wie denn eine der Presse- und Redefreiheit verpflichtete 3
Committee on Appropriations, H . Rp. 1890, 79/2, 9. A p r i l 1946, on H . R . 6056,
State, Justice, Commerce, and the Judiciary Appropriations Bill, 1947, S. 7. 4
Vgl. die Debatte und Verabschiedung der Bewilligung, 10. April, 2 . - 3 . Mai 1946,
C R 92, 4, 3450-3474, 4345-4368, 4404-4435. 5
Vgl. Committee on Appropriations, S. Rp. 1510, 79/2, 18. Juni 1946, on H . R.
6056. Ferner den Conference Report des Hauses, N o . 2434, 79/2 und den endgültigen T e x t der Bewilligung P. L . 490, 79/2, 60 Stat. 541. 6
Sen. White, R , Maine, Minority Leader, 1. Juli 1946, C R 92, 6, 8022-8023.
7
Rep. Stefan, R , Nebr., Appropriations, 10. A p r i l 1946, C R 92, 3, 3456.
8
Rep. McCormack, D , Mass., Majority Leader, 2. Mai 1946, C R 92, 4, 4355, und
Sparkman, D , Ala., Majority Whip, ibidem, 4357.
Das politische
Problem
165
Republik mit der regierungskontrollierten Propaganda totalitärer Staaten konkurrieren könne 9 . Diese Frage konnte sich der Congress nicht vom Außenministerium beantworten lassen, er konnte sie aber auch nicht mehr einfach beiseite schieben10. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses versuchte sich dementsprechend daran, die unleugbar wichtige Informationstätigkeit der Regierung mit den traditionellen wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA in Einklang zu bringen. Solche Interessen, von den beiden Nachrichtenagenturen vertreten, hatten das Problem hochgespielt; und dem mit dem Informationsprogramm beauftragten Abteilungsdirektor Benton war es, obwohl er häufig die Flucht in die Öffentlichkeit antrat 11 , nicht gelungen, das Dilemma zu lösen. Was dem Beamten versagt blieb, gelang — jedenfalls zum Teil — dem Ausschuß. Er nahm in den Gesetzentwurf das sogenannte Vorys-Amendment auf, das lediglich eine Entschließung der American Society of Newspaper Editors paraphrasierte 12 , also die Wünsche der interessierten Wirtschaft weitgehend berücksichtigte. Der Zusatz wies den Außenminister an, die Informationstätigkeit privater Unternehmungen zu fördern und dort, wo sie ausreichte, das Regierungsprogramm entsprechend zu kürzen. Ein Beirat aus der Privatwirtschaft sollte das Ministerium beraten und dessen Arbeit prüfen. Dem Ministerium wurde ferner zur Auflage gemacht, bei allen Programmen anzugeben, ob ihnen private oder offizielle Quellen zugrunde lägen. Schließlich wurde ausdrücklich festgestellt, daß dem Außenministerium kein Monopol bei Kurzwellensendungen oder einer anderen Art von Informationsmitteln zukomme13. Der Abgeordnete Vorys, der zusammen mit den Vertretern der Nachrichtenagenturen im Ausschuß das Amendment durchbrachte, hatte schon bei der Geldbewilligung, die ja eine Art Vorschuß auf das Gesetz darstellte, versucht, ähnliche Einschränkungen anzubringen: Die Gelder sollten nach dem 1. September 1946 nicht mehr für Radiosendungen und 8 10
Rep. Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, 10. April 1946, CR 92, 3, 3472. Ibidem.
11
Vgl. etwa seine Stellungnahmen in DoSB, XIV, 343, 27. Januar 1946, S. 92—95, wo seine Presse-Erklärungen und sein Briefwechsel mit dem Vorsitzenden des Direktoriums der Associated Press McLean abgedruckt sind; ferner DoSB, XIV, 345, 10. Februar 1946, S. 2 1 7 - 2 1 8 . 12
So Vorys selbst bei der Beratung von H. R. 4982, Cultural Relations Bill, 20. Juli 1946, CR 92, 8, 9593. 13
See. 2, 1 - 4 des Entwurfes. Vgl. den Abdruck in CR 92, 8, 9591-9592.
166
3. Notwendigkeit
der
Propaganda?
überhaupt nicht dazu benutzt werden dürfen, die Sendezeit privater Anstalten aufzukaufen 1 4 . Der Vorstoß sollte der Regierung, solange das Gesetz noch nicht verabschiedet war, die Gelegenheit nehmen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Dies war mißlungen. Es glückte jedoch jetzt, die Cultural Relations Bill in ihrer neuen Form verhältnismäßig einfach durch das Repräsentantenhaus zu bringen. Die zweite Kammer glaubte, sowohl die wirtschaftlichen Interessen ausreichend berücksichtigt wie die Zügel des Außenministeriums kurz genug gehalten zu haben, und verabschiedete das Gesetz innerhalb einer Stunde 15 . Jetzt aber zeigte sich, daß die republikanischen Senatoren doch sehr viel weitergehende Absichten verfolgten als ihre Kollegen im Haus. Sie entschlossen sich wohl leichter, die Gelder für ein Jahr zu bewilligen. Aber sie waren sehr viel zurückhaltender, wenn es um gesetzliche Fixierung, also um Dauerregelungen ging. Der Vorsitzende des Auswärtigen Senatsausschusses, Connally, versuchte am letzten Tag der Sitzungsperiode, das Gesetz im Senat aufzubringen, stieß aber auf den Widerstand Senator Tafts 16 . Connally wurde auf den Anfang des nächsten Jahres vertröstet. Es mußte indes noch ein weiteres Jahr vergehen, die außenpolitische Lage beträchtlich verschärft und das Gesetz erheblich zugunsten der Privatinitiative gestrafft werden, ehe es das Plazet des Senats erhielt. Die Beziehungen zwischen Sicherheitsfunktion und Traditionswidrigkeit der Regierungspropaganda waren also 1946 noch im Grunde die gleichen wie 1945. Das außenpolitische Interesse hatte sich zwar schon erheblich verstärkt: infolge der Spannungen um die Pariser Friedenskonferenzen und der Einsicht in die osteuropäischen Absichten der Sowjetunion zeichnete sich die Rolle, die die Regierungspropaganda spielen konnte, in ihren Umrissen schon ab. Aber diese Motive wogen noch leicht, hatten zwar an Gewicht gewonnen, waren aber noch immer nicht gewichtiger als die wirtschaftlichen Interessen und innenpolitischen Traditionen der USA. Ihnen versuchte das Vorys-Amendment schon Rechnung zu tragen. Es reichte aber offenkundig nicht aus, um auch nur eine Balance zwischen den Waagschalen der beiden Interessen hervorzubringen. 14
2. Mai 1946, CR 92, 4, 4367.
15
20. Juli 1946, CR 92, 8, 9591-9594.
16
2. August 1946, CR 92, 8, 10716, 10730.
III. Kapitel Abbau der Internationalen Zusammenarbeit 1. D A S E N D E D E R U N R RA
Das Verhältnis von Verfügungs-Verlust und Einfluß-Gewinn, das die U N für die USA bedeuteten, mußte sich insgesamt verändern, nachdem erwiesen war, daß die Sowjetunion weite Teile der Welt dem amerikanischen Einfluß zu entziehen begann. Wenn die amerikanischen Ziele nicht mehr durch Zusammenarbeit erreicht werden konnten, weil die weltweite Gemeinsamkeit der Interessen zerbröckelte, dann mußte das Konzept verändert werden. Davon war zunächst nur die universale Anlage der Kooperation betroffen, nicht Zusammenarbeit als Mittel. Aber es war unvermeidlich, daß auch die grundsätzliche Frage nach Wert oder Unwert internationaler Kooperation wieder gestellt wurde. Die notorischen Isolationisten hatten diese Frage von Anfang an verneint; zu ihnen stieß, wenigstens der Absicht nach, noch die Gruppe, die im Congress die Position Tafts vertrat. Alle anderen waren zunächst für die internationale Zusammenarbeit als das geeignete Mittel eingetreten, die indirekte Sicherheit der USA weltweit zu gewährleisten. Hier, an diesem Teil des kollektiven Modells, ist — wie nun schon mehrfach vermerkt — seit dem Herbst des Jahres 1945 die einschneidende Änderung zu verspüren: die amerikanische Bereitschaft, universal zu kooperieren, minderte sich rasch. Von Anfang an ist dabei festzustellen, daß der Anlaß zwar partiell war, daß hingegen die von ihm eingeleitete Revision die gesamte Breite der internationalen Zusammenarbeit erfaßte. Der den Vereinten Nationen zugrundeliegende Ansatz war prinzipiell nicht dadurch hinfällig geworden, daß er sich auf universaler Ebene nicht verwirklichen ließ. Aber er wurde, wie später zu zeigen sein wird, auf regionaler Ebene nidit wieder erneuert. Er versank vielmehr; und sein Schicksal läßt darauf schließen, daß die hinter ihm stehenden Antriebe von Anfang an nicht stark gewesen
168
1. Das Ende der UN RR A
sind, daß sich in der Betonung der amerikanischen Souveränität und Handlungsfreiheit mehr ausdrückte als nur das unabdingbare Requisit der Teilnahme an einer universal angelegten Organisation: nämlich eine Reserve gegenüber allen den Nationalstaat übersteigenden Gebilden. Es ist noch zu früh, auf diesen Zusammenhang näher einzugehen, aber man sollte ihn von Anfang an im Auge behalten. Die strukturellen Unterschiede zwischen den Vereinten Nationen und der Nordatlantik-PaktOrganisation beschreiben einen Spannungsbogen der amerikanischen Außenpolitik von 1945 bis 1949. Der
Anlaß
Am Schicksal der United Nations Relief and Rehabilitation Administration läßt sich am besten verfolgen, in weldien Intervallen die amerikanische Bereitschaft zur Zusammenarbeit abgebaut wurde. Zwar gehörte die U N R R A im strengen Sinne nicht zur Nachkriegsorganisation; sie war im Krieg gegründet worden und sollte von vornherein nach dem Wiederaufbau der befreiten Länder eingestellt werden. Aber dieser Zeitpunkt war 1945/46 noch nicht erreicht, der Bedarf an Hilfe vielmehr noch sehr groß. Die U N R R A erforderte nach wie vor ein aktives Engagement der Vereinten Nationen und stellte somit ein Brückenunternehmen dar, das von der Kriegsallianz in die internationale Organisation hinüberreichte: sie symbolisierte die Zusammenarbeit. Jede Erschütterung der Kooperation mußte also von dem Gemeinschaftsunternehmen U N R R A verspürt werden. Der Seismograph verzeichnete alsbald den ersten Stoß. Die USA wollten trotz aller humanitären Absichten nicht zulassen, daß die zu drei Vierteln aus amerikanischen Geldern gespeiste Hilfe die politische Position der amerikanischen H i l f e in Griechenland für militärische Zwecke verwendet. Ferner wurden die für den Wiederaufbau vorgesehenen Beträge um die H ä l f t e gekürzt, dagegen die für die Nahrungsmittel u m das Dreifache erhöht. Vgl. die A u f stellung in S. Rp. 1017, 80/2, 23. März 1948, Aid to Greece and Turkey, S. 8—9.
Kooperieren
221
kommensunterschiede abzutragen. Voraussetzung dafür wäre jedoch gewesen, daß die U S A ihren Einfluß erheblich, praktisch bis zur Herrschaft verstärkt hätten. Solche Reformen verlangten personelle und strukturelle Veränderungen der Regierungen, an denen die, die davon betroffen waren, unmöglich interessiert sein konnten. Die Vereinigten Staaten hätten also Teile der Verantwortung dort übernehmen, den Sicherheitsbereich in gewisser Weise integrieren müssen. Damit tauchten alle Probleme wieder auf, die die U S A schon einmal beantwortet hatten, als Domination an sich zur Debatte stand. Sie waren damals negativ entschieden worden, und sie wurden auch jetzt wieder negativ entschieden. Der Aufwand, den die U S A leisten mußten, stand in keinem Verhältnis zu dem Ziel, das sie verfolgten. Ihnen lag nichts daran, ihren Herrschaftsbereich auszudehnen, sie wollten Sicherheit gegen den Kommunismus zum geringsten Preis. Das erforderte jetzt, weil sich das Sicherheitsproblem verschärft hatte, mehr als Einfluß, erforderte die Möglichkeit zu konkretem Eingriff in Wirtschaft und Politik der hilfeempfangenden Länder. Was über dieses Minimum hinausging, wie die Einmischung in das Regierungssystem Griechenlands etwa, war den U S A zu kostspielig. Sie waren bereit, den Preis der Führung aufzubringen, aber nicht den der Herrschaft. Eine Typologie der Führung als Muster außenpolitischen Verhaltens liegt noch nicht vor. Triepel hat als Charakteristikum von Führung die „Selbstbändigung der M a c h t " herausgearbeitet 26 ; in diesem Sinne wird der Begriff hier verwendet. Er bezeichnet die Entscheidung der Vereinigten Staaten, auch nachdem ihre Sicherheit distinkt bedroht worden war, nicht auf Erweiterung der Herrschaft, auf Domination auszuweichen, sondern sich in der Zusammenarbeit nur so weit zur Geltung zu bringen, daß die Entscheidungsfreiheit der Partnerregierungen wohl umstellt, aber nicht aufgehoben wurde. Der Begriff Führung wird hier dementsprechend verwandt als Bezeichnung eines maßgeblichen Einflusses innerhalb eines Kooperationszusammenhanges, in dem die Entscheidungsfreiheit der Teilnehmer letztlich nicht aufgehoben ist. Der aus der politischen Struktur der U S A erwachsende Entschluß, sich auf Führung zu beschränken, hat den Vereinigten Staaten in der Folge manche Schwierigkeiten beschert. Auf die erste, vielleicht die wichtigste, hatten die — gutgemeinten aber nicht durchdachten — Reformvorschläge schon hingewiesen. W o immer die Vereinigten Staaten auf eine Regie29
Triepel, Hegemonie,
S. 123 ff., S. 139.
222
4. Das Verhältnis zum Kollektiven
Modell
rung trafen, die anti-kommunistisch, aber nicht demokratisch war, mußten sie sie aus Gründen der Sicherheit akzeptieren, ohne sie — aus Gründen des eigenen Wohlstandes — demokratisieren zu können. Dauer-Schwierigkeiten entstanden bei dieser Koalition nicht: Unterschiede zwischen Regierungssystemen pflegen zurückzuweichen, wenn sie nicht virulent sind, und wenn die Träger sich zu einem gemeinsamen Zweck, wie ihn die Abwehr einer gemeinsamen Gefahr darstellt, zusammenfinden 27 . Läßt diese Interessengemeinschaft nach, treten die konstanten Differenzen wieder auf. Die akuten Probleme jedoch, die das Dilemma den USA brachte, waren erheblich. Die Verschiebung nach rechts, die sich während der kommenden zwei Jahre an der amerikanischen Außenpolitik beobachten läßt, hat in diesem Widerspiel von Sicherheit und Wohlstand ihren Ursprung. Was die Truman-Botschaft an Undeutlichkeiten enthalten hatte, wurde durch die Auseinandersetzung im Congress über die Reform-Amendments weitgehend geklärt: Die bürgerliche Gesellschaft blieb trotz ihrer akut gewordenen Bedrohung dabei, als Ziel lediglich Sicherheit zu verfolgen, und zwar zu dem geringsten, den Wohlstand so wenig wie möglich beeinträchtigenden Preis. Das Mittel blieb Kooperation, nicht Domination. Der amerikanische Einfluß wurde erhöht, aber bei der Marke der Führung gebremst. Der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik stellte damit nur eine Variante, keine Revision des Grundkonzepts dar, das zum Kollektiven Modell geführt hatte. An die Stelle von Zusammenarbeit und Einfluß waren Zusammenarbeit und Führung getreten.
4. D A S
VERHÄLTNIS
ZUM
KOLLEKTIVEN
MODELL
I n einem weiteren Punkt korrigierte der Congress die Doktrin des Präsidenten. Die Legislative war bereit, dem Vorstoß der Sowjetunion zu begegnen, aber sie sah bei weitem keinen Anlaß, ihn so zu dramatisieren, wie es Truman getan hatte. Niemand begriff, worin sich die internationale Lage am 12. März 1947 dermaßen drastisch von der im Vormonat oder im Dezember 1946 unterscheiden sollte. Niemand verstand vor allem, warum Truman der Sowjetregierung zwei Tage nach Beginn der Moskauer Außenministerkonferenz in so scharfen Worten Kampf ansagte, daß er die Vereinten Nationen — Zeichen und Medium der 27
Vgl. dazu meine Ausführungen in: Primat der Außenpolitik,
S. 272.
Die Bezishungen
zur
Sowjetunion
223
Zusammenarbeit — keines Wortes mehr würdigte. W a r die Lage wirklich so gespannt, wie Truman sie schilderte, oder trugen nicht erst Tonlage und Apodiktik der Botschaft des Präsidenten dazu bei, sie so zuzuspitzen? Der Congress — unter republikanischer Leitung — reagierte empfindlich und bestürzt auf das Gesamtprogramm 1 . W ä h r e n d der Ausarbeitung der D o k t r i n waren Congressvertreter nur selten hinzugezogen worden. Der neue Vorsitzende des Auswärtigen Senatsausschusses Vandenberg griff infolgedessen zu dem ungewöhnlichen Verfahren, dem Außenministerium einen umfangreichen Fragebogen zuzuschicken, zu dessen Ausarbeitung er sämtliche Senatoren eingeladen hatte 2 . In den entscheidenden Punkten der A n t w o r t wich das Ministerium deutlich von der Truman-Botschaft zurück. Es bestritt die Absicht der Sowjetunion, in Griechenland Fuß zu fassen, sah die Gefahr f ü r das Land nicht so sehr in den Kommunisten wie in der Zahl derer, die wegen der wirtschaftlichen Misere dem Kommunismus folgten. Das Außenministerium nahm der geplanten Aktion auch den sowjetfeindlichen Anstrich: die H i l f e sei kein unfreundlicher A k t gegen die Sowjetunion, der sie zu irgendwelchen Vergeltungsmaßnahmen berechtigen könne 3 . Von dieser Interpretation aus, mit der Trumans scharfe Sprache diplomatisch interpretiert und gemildert worden war, konnte Vandenberg zwei Korrekturen vorbereiten, an denen ihm besonders lag. Er wollte den sowjetfeindlichen Charakter des griechisch-türkischen Unternehmens abschwächen und das kollektive Bezugssystem, das T r u m a n ganz beiseite gelegt zu haben schien, wenigstens formal wiederherstellen. Die Beziehungen
zur
Sowjetunion
In Trumans Version gab es keine Gemeinsamkeit mehr zwischen den beiden Großmächten, keine Chance friedlichen Nebeneinanders. In dieser Konsequenz, im absoluten Widerstand gegen die „aggressiv-expansionistischen Doktrinen Sowjetrußlands" 4 , mit denen es kein K o m p r o m i ß 1 Vgl. Vandenberg, Papers, S. 343. Für einige Reaktionen der Presse vgl. Fleming, Cold War, I, S. 450 ff. 2
17. März 1947, CR 93, 2, 2135.
3
Vgl. die Antworten des Außenministeriums in DoSB, XVI, 409 A, 4. Mai 1947, Aid to Greece and Turkey, S. 866—895. Vgl. bes. die Antworten auf die Fragen Nr. 14, 31,60. 4
Sen. Connally, D , Tex., Foreign Relations, CR 93, 3, 3276.
224
4. Das Verhältnis zum Kollektiven
Modell
geben könne, „weil es kein Kompromiß mit dem Tod gibt" 5 , stimmten dem Präsidenten vornehmlich Südstaaten-Demokraten zu. Viele andere aber wandten sich dagegen, weil die Konsequenz falsch placiert war. Wer jegliche Lösungsmöglichkeit von vornherein ausschloß, verschärfte nur den Konflikt, entzog dem Gegner jede Chance, einzulenken und damit die Ursache der Auseinandersetzung zu beseitigen. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Senatsausschusses dachte staatsmännischer. Er wollte das Vorgehen der USA nicht als Gegenschlag verstanden wissen, sondern als Prophylaxe, als fair play der Vereinigten Staaten, die ihre Karten offen auf den Tisch legten. Die Sowjetunion sollte daraus entnehmen, daß es sehr wohl „eine Chance f ü r Moskau und Washington gibt, zusammen zu leben — leben und leben lassen" 6 , und daß „der Preis einer Ubereinkunft (agreement) in dieser Welt, in der Kommunismus und Freie Wirtschaft (private enterprise) leben und leben lassen können, in der Anerkenntnis besteht, daß die Vereinigten Staaten von Amerika für einige Rechte des Menschen und fundamentale Prinzipien eintreten, die zu kostbar sind, als daß sie preisgegeben werden könnten" 7 . Vandenberg brachte damit einen ganz anderen Tenor in die Aktion hinein. Präsident Truman hatte eine Breitseite abgefeuert, die den weltweiten amerikanischen Feldzug gegen den Kommunismus eröffnen sollte; Vandenberg wollte nur einen Warnschuß abgeben, um die Sowjetunion möglicherweise zu einer Kursänderung zu veranlassen. Die griechischtürkische Hilfe der USA richtete sich dann gar nicht gegen Moskau, sondern stellte eine Warntafel auf, der die Sowjets entnehmen konnten, welche Veränderungen Washington nicht zulassen würde. Auf dieser Warntafel stand gleichzeitig zu lesen, daß die USA genau wüßten, wie wichtig ihr Verhältnis zur Sowjetunion für den Frieden der Welt sei und daß sie jederzeit für die legitimen Interessen der UdSSR eintreten würden. Die USA wollten die Sowjetunion nicht herausfordern, sie nur „freundlich aber entschieden" wissen lassen, daß sie dabei war, eine gefährliche Grenze zu überschreiten. Vandenberg versuchte, die Fugen der Gemeinsamkeit, die unter dem Druck der Sowjetunion auseinanderzugehen drohten, durch nicht zu starken Gegendruck wieder zu schließen. Während Truman die Beziehungen zur Sowjetunion mitsamt allen Ansätzen seit 1945 aufgegeben zu 5
Sen. Eastland, D, Miss., Judiciary, CR 93, 3, 3328.
6
Sen. Vandenberg, R, Mich., Foreign Relations, Chairman, CR 93, 3, 3698.
7
Vandenberg, CR 93, 3, 3477.
Die Stellung z« den Vereinten
Nationen
225
haben schien, bemühte sich Vandenberg, den notwendigen amerikanischen Alleingang therapeutisch zu verwenden 8 . Vordringlich war dabei das Etikett. Der Regierungsentwurf für die amerikanische Hilfe an Griechenland und die Türkei war ohne viel Federlesens gleich zur Sache gekommen; Vandenberg entwarf eine ausführliche erklärende und interpretierende Präambel und setzte sie mit Hilfe von Connally, dem Führer der Demokraten im Ausschuß, durch9. Diese Präambel verwies die Grenzzwischenfälle wenigstens formal in die Kompetenz des Sicherheitsrates; sie rückte ferner die amerikanische Hilfe in eine Linie mit den Empfehlungen der FAO-Kommission, die Griechenland aufgefordert hatte, um Hilfe bei den Vereinten Nationen, Großbritannien und den USA anzusuchen. Der Charakter der Maßnahme war damit umbezeichnet worden; eine eindeutig gegen den Bolschewismus gerichtete amerikanische Aktion wurde zur Nothilfe, die von den U S A vertretungsweise gegeben wurde, weil — und so lange wie — die Vereinten Nationen nicht einspringen konnten. Connally hatte dem Vandenberg-Entwurf noch zwei Absätze vorgeschaltet, die nun wieder die politische Bedrängnis Griechenlands und der Türkei und die Bedeutung ihrer Unabhängigkeit für die USA und alle freiheitliebenden Völker ausdrückten. Insgesamt aber hatte die Präambel der Maßnahme eine neue Aufschrift gegeben, die auch dem Inhalt, ohne ihn zu verändern, ein anderes Aussehen verlieh. Die Stellung zu den Vereinten
Nationen
Vandenberg hatte in der Präambel das Kernproblem, den eigentlichen Scheidepunkt der Geister schon anklingen lassen: die Stellung zu den Vereinten Nationen. In der Sache selbst, der Hilfe an Griechenland und die Türkei, waren sich die meisten einig, abgesehen natürlich von Isolationisten wie Smith (Wisconsin), Hoffman (Michigan), Wherry (Nebraska) 8 Aus dieser Kritik lernte die Regierung: Bei der Fortsetzung der Hilfe, dem ERP, wurde die Sowjetunion zur Teilnahme eingeladen. Eine leere Geste, gewiß, aber doch ein deutlicher Unterschied zur Truman-Doktrin. Außenminister Marshall sprach die Einladung erst aus, nachdem ihm Kennan versichert hatte, daß keinerlei Risiko darin liege, Moskau sicher ablehnen werde. Jones, Fifteen Weeks, S. 252 ff. 9 C R 93, 2, 2378. Vandenberg brachte sie in seinem und Connallys Namen ein. Vgl. den ursprünglichen Entwurf Vandenbergs, der nur die Absätze 3 bis 6 enthielt, in: Vandenberg, Papers, S. 345—346. Diese Fassung begann mit dem Sicherheitsrat und hätte die Vereinten Nationen dementsprechend noch stärker betont.
15
Czempiel
226
4. Das Verhältnis zum Kollektiven
Modell
und Langer (North Dakota) 10 . Die Auseinandersetzung entzündete sich vielmehr an der zukünftigen Rolle, die den United Nations in der amerikanischen Außenpolitik zugedacht war. Präsident Truman war über die U N mit dem dürren Satz hinweggegangen, daß sie nicht in der Lage seien, Hilfe dieser Art zu gewähren. Das stimmte. War das aber Grund genug, die Vereinten Nationen völlig zu den alten Akten zu legen? In der Vorbereitung der Botschaft hatten die United Nations in der Tat nur die Rolle einer quantité négligeable gespielt". Beging Truman damit nicht aber den gleichen Fehler wie mit seiner überspitzt scharfen Sprache gegen die Sowjetunion? Die Vereinten Nationen waren zwar für den ihnen ursprünglich zugedachten Zweck nicht mehr voll zu gebrauchen, aber deswegen doch nicht wertlos geworden. Zudem war es wohl politisch außerordentlich ungeschickt, wenn ausgeredinet die Vereinigten Staaten das Odium auf sich luden, die Kollektive Organisation zu zerstören. Die unverständliche Abschiebung der Vereinten Nationen löste im Congress wie im Lande die breiteste und schärfste Kritik an Truman aus. Getragen von einer gewaltigen Woge der Zustimmung beseitigte Vandenberg auch dieses Extrem der Doktrin. In der Sektion 5 des Hilfsgesetzes wurde der Präsident der Vereinigten Staaten verpflichtet, die Hilfe zu beenden, wenn Sicherheitsrat oder Generalversammlung der U N feststellten, daß Leistungen der Vereinten Nationen die amerikanische Hilfe unnötig oder unerwünscht gemacht hatten. Für einen solchen Beschluß des Sicherheitsrates verzichteten die USA sogar von vornherein auf ihr Veto. Die Hilfe sollte auch eingestellt werden, wenn der Präsident zu der Überzeugung gelangte, daß ihr Zweck infolge der Tätigkeit anderer zwischenstaatlicher Organisationen erfüllt worden sei (See. 5, 3). Das war sicherlich der „größte Akt freiwilliger Unterwerfung" unter die Vereinten Nationen 12 , der je geleistet wurde. Darüber hinaus war 10 Vgl. etwa das Amendment des republikanischen Abgeordneten Smith, Wis., statt 400 Millionen Dollar nur 200 zu bewilligen, CR 93, 4, 4938—4939, abgelehnt mit 49:121. Vgl. ferner das Amendment Benders, die Hilfe für die Türkei ganz und den militärisdien Teil für Griechenland zu streichen, ibidem, 4928, 4929. 11 Acheson hatte, auf Anregungen aus der Politischen Abteilung des Außenministeriums, einen längeren Text vorgeschlagen, der die amerikanische Maßnahme deutlich als Aushilfe für die U N interpretierte; Jones, Fifteen Weeks, S. 161. Das Weiße Haus übernahm aber nur die beiden Einleitungssätze und ließ die Interpretation weg — eine verschärfende Verkürzung, die Jones in der Aufregung dieser Tage nicht einmal bemerkte. Ibidem. 12
Vandenberg, Papers, S. 346.
Die Stellung zu den Vereinten
Kationen
227
es ein geschickter und praktisch risikofreier D o p p e l - Z u g im politischen Schach. E i n m a l wurde die amerikanische H i l f e eindeutig als Ausnahme und Stellvertretung deklariert. Zusammen mit der P r ä a m b e l
madite
der V a n d e n b e r g - T e x t klar, daß die U S A lediglich eingesprungen seien, weil die U N im M o m e n t dazu nicht imstande waren. Sowie sich dies änderte, würden die Vereinigten Staaten ihr einseitiges Vorgehen einstellen. Zum anderen aber schob der A n t r a g Vandenberg den Schwarzen Peter den Vereinten N a t i o n e n und damit der Sowjetunion zu. Wenn sich die U N
nicht einigten, konnte dies, da die U S A von
vornher-
ein a u f das V e t o verzichtet hatten, nur an der Sowjetunion
liegen.
D a b e i w a r es sicher, daß die Vereinten N a t i o n e n niemals diese H i l f e leisten konnten. Sie dazu instandzusetzen, w a r mehr erforderlich, als daß sich die U S A nur der Stimme enthielten: sie hätten
vorangehen
müssen. Schon von daher w a r das amerikanische Angebot ein sicherer Stich. Außerdem hätte die Sowjetunion kaum die Initiative ergriffen, die Vereinten N a t i o n e n zur H i l f e an Griechenland zu bewegen. D a r i n wiederum lag die sachliche Berechtigung dieses Vandenberg-Amendments: So lange die Sowjetunion nichts unternahm, um die U N zu aktivieren, lieferte sie den Beweis für die N o t w e n d i g k e i t der amerikanischen A k t i o n . I m H a u s hatten Mitglieder des Auswärtigen Ausschlusses mehrfach probiert, die M a ß n a h m e noch stärker in den R a h m e n der Vereinten N a t i o n e n zurückzubiegen. D e r Abgeordnete J a v i t s hatte in einer eigenen Stellungnahme zum Ausschuß-Bericht ausdrücklich betont, daß die „ H o f f nungen der W e l t nicht in unilateraler, sondern in kollektiver A k t i o n " lägen 1 3 . D i e demokratische Abgeordnete Douglas wollte die Regierung darauf verpflichten, wenigstens das türkische Problem zunächst erst einmal v o r die U N zu bringen 1 4 . W ä h r e n d Griechenland sich in
einer
erkennbaren wirtschaftlichen N o t l a g e befinde, fühle sich die Türkei lediglich von der Sowjetunion bedrückt. D a s sei ein Fall, der klar in die K o m p e t e n z der Vereinten N a t i o n e n falle. D e r A n t r a g Douglas machte der Regierungsmehrheit schwer zu schaffen. J a v i t s machte es ihr noch schwerer, indem er die Bedingung milderte: nur parallel zur Hilfeleistung sollten die U S A die Lage der Türkei (wie jede andere, die große militärische Anstrengungen bedinge) im Sicherheitsrat zur Sprache bringen 1 5 . D a m i t w ä r e die Regierung praktisch
15*
13
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 314, 8 0 / 1 , on H . R. 2616, S. 19.
14
8. Mai 1947, C R 93, 4, 4809.
15
Ibidem, 4810.
228
4. Das Verhältnis zum Kollektiven
Modell
gezwungen worden einzugestehen, d a ß rein strategische Gründe sie zu der H i l f e an die Türkei bewogen hatten. So weit wollte die Mehrheit des Hauses aber auf keinen Fall gehen. Beide Anträge wurden abgelehnt, ebenso ein dritter, von Smith (Wisconsin), der das gesamte Hilfsprojekt f ü r zwei Monate den Vereinten Nationen überweisen und erst d a n n die amerikanische Aktion starten wollte 16 . Allerdings f ü h r t e hier der sparsame Isolationismus und nicht die Idee Kollektiver Sicherheit die Feder. Äußerlich kehrte also die geplante amerikanische M a ß n a h m e in den Rahmen des Kollektiven Modells zurück; die Legislative mäßigte und milderte das Extrem, das der Präsident vorgeschlagen hatte. Sie setzte es durch, daß der US-Vertreter die Vereinten Nationen wenigstens offiziell von der amerikanischen Aktion in Kenntnis setzte 17 — auch das h a t t e die Regierung nicht mehr f ü r erforderlich gehalten. Vor allem verhüllte der Congress die schärfste Spitze der T r u m a n - D o k t r i n , ihren Versuch, die Legitimität der Vereinten Nationen in ausschließlich amerikanische Verwahrung zu nehmen. I m übrigen aber, in den entscheidenden Punkten der Sache selbst, bejahte die Legislative den Kurswechsel der Regierung. Mit der H i l f e an Griechenland und die Türkei nahmen die U S A ihre Sicherheit aus den Vereinten Nationen heraus, um sie zunächst unilateral und später durch ein kleineres und anderes System der Zusammenarbeit zu gewährleisten. Die Chance der Internationalen
Organisation
Die Bereitschaft, ein Kollektives Modell zu akzeptieren, w a r schon 1945 nicht über die Grenze hinausgegangen, die von Souveränität, H a n d lungsfreiheit und Einflußmöglichkeit der U S A gezogen wurde. 1946 flachte sich diese Bereitschaft weiter ab, weil sie die gewünschten Ziele nicht erreichte. 1947 wurde sie schließlich durch die unilaterale Aktion der U S A ersetzt — als Ubergang zu einem neuen Stadium der Zusammenarbeit in einem neu zusammengesetzten Kreis. Die Bedeutung dieser Entwicklung liegt weniger in der Tatsache des Übergangs der amerikanischen Außenpolitik vom kollektiven auf ein unilaterales Konzept als in 16 17
Eingebracht 9. Mai 1947, CR 93, 4, 4944, abgelehnt mit 65:137, ibidem, 4953.
Vgl. das Statement Austins auf der Sicherheitsrats-Tagung vom 28. März 1947, Security Council, Official Records, second year, N o . 30, S. 617—625. Zu der Initiative des Congress vgl. Vandenberg, Papers, S. 345.
Die Chance der Internationalen
Organisation
229
der Leichtigkeit, mit der er vollzogen wurde. Der Versuch, der 1945 unternommen worden war, war gewiß gescheitert: die Sowjetunion wollte sich nicht damit begnügen, nur die Eigenbewegungen des Status quo zu regeln, sie wollte den Besitz- und Einflußstand verändern. Die Konstrukteure des Kollektiven Modells waren sich von Anfang an einig darüber gewesen, daß eine solche Interessen-Divergenz zwischen den Großmächten unbedingt tödlich f ü r den Versuch verlaufen müßte. Nichtsdestoweniger aber war der methodische Ansatz fruchtbar gewesen. Die grundsätzlichen Äußerungen im Congress ließen erkennen, daß Legislative wie Exekutive sich über den Wert der Internationalen Organisation zur Friedenssicherung in einer interdependenten Welt im klaren gewesen waren. Dieser Wert wurde nicht im mindesten dadurch beeinträchtigt, daß er sich auf universaler Basis, die Welt umspannend, nicht verwirklichen ließ. Er blieb vielmehr gültig. Aber er erhielt von der Regierung keinerlei und im Congress nur sehr wenige Nachrufe. Gewiß durfte man bei einer Gelegenheit, an der ein altes Konzept umgestoßen werden sollte, nicht schon ein neues erwarten. Es war jedoch bezeichnend, wie das alte eingeschätzt wurde: N u r diejenigen, die 1945 über das UN-Konzept hinauszugehen bereit gewesen waren, betrauerten es im März 1947. Der Gegenvorschlag Senator Peppers, die USA sollten die geplanten Sachleistungen nicht direkt, sondern über die Vereinten Nationen an Griechenland und die Türkei gelangen lassen und auf einer Sondersitzung der U N die Probleme des Nahen und Mittleren Osten zur Diskussion stellen 18 , war gut gemeint, half aber im Konflikt mit der Sowjetunion nicht weiter. Pepper hatte mit der Meinung recht, daß die USA, um Griechenland und der Türkei zu helfen, die Vereinten Nationen nicht zu zerstören brauchten 19 , und daß die Truman-Doktrin, wie sie verkündet worden war, USA und UdSSR in einen Konflikt auf Tod und Leben führen konnte 20 . Aber sein Vorschlag, einfach zu den Vereinten Nationen zurückzukehren, war im gleichen Maße — nur in anderer Richtung — extrem wie die Truman-Doktrin. Die Regierungsanhänger konnten geltend machen, daß man sich Tatsadien gegenübersehe, die realistisch behandelt werden wollten 21 . 18 S. J. Res. 93, eingebracht von Sen. Pepper für sich und Sen. Taylor, 25. März 1947, CR 93, 2, 2527. Dort audi der Text des Entwurfs. 19 25. März 1947, CR 93, 2, 2525-2526. 2 ° Ibidem, S. 2527. 21 Vandenberg, 8. April 1947, CR 93, 3, 3197. Connally, 25. März 1947, CR 93, 2, 2529.
230
4. Das Verhältnis zum Kollektiven Modell
Auf diese Weise ging die Diskussion am eigentlichen Objekt vorbei. Kritiker wie der Senator Pepper hatten in der Theorie recht; sie diskutierten und verteidigten aber eine konkrete Verwirklichung, deren Versagen nachweisbar war. Die Regierungsanhänger stellten eben jenes Mißgeschick der U N heraus; ihr Fehler wiederum lag darin, daß sie auch die Theorie der Kollektiven Sicherheit der Vergangenheit zuwiesen. Sie irrten, indem sie in den Vereinten Nationen nicht auch einen prinzipiellen, sondern lediglich den historischen Wert erkannten, der mit der Situation verging, in der er ausprobiert worden war. Die Diskussion um die Hilfe an Griechenland und die Türkei ließ insofern schon erkennen, daß die USA nicht nur die UN, sondern auch den Typus der internationalen Zusammenarbeit, den sie 1945 kreiert hatten, in Zunkunft kaum mehr verwenden würden. Internationale Organisation als Medium zwischenstaatlicher Zusammenarbeit, als erste Stufe einer Regelungs-Struktur, die der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen und den Nationalstaat zu überwölben begann — dieses Medium verkümmerte wieder. Die Entscheidung der USA vom Frühjahr 1947 wies in eine andere Richtung, auf einen bekannteren, konventionelleren Typ von Zusammenarbeit.
III. Kapitel Der Ansatz 1. D E R A N S A T Z
IM
FÜHRUNGSBEREICH
Das Instrument der Wirtschaftshilfe Um die erste Anwendung des neuen Konzepts der amerikanischen Außenpolitik zu erfassen, muß der Blick zunächst von der TrumanDoktrin und der griechisch-türkischen Hilfe wieder ein Stück zurückgleiten zu jener Maßnahme, die die Methode schon enthielt, bevor sie noch verkündet wurde: zur Post-UNRRA-Hilfe. Hier interessiert dabei nur die politisch-instrumentale Struktur der Auslandshilfe; ihre außenwirtschaftlichen Probleme bleiben außer acht, auch wenn sie, wie zum Beispiel die eigenartige Vermengung von Zuwendungen und Anleihen, sehr wohl in den Gesichtskreis politikwissenschaftlicher Fragestellung einrücken können 1 . Der Begriff des subsidium eröffnet die historische Perspektive, in der die Auslandshilfe der Gegenwart gesehen werden muß. Zuwendungen im zwischenstaatlichen Bereich sollen stets die Außenpolitik des Empfängers beeinflussen2, wobei sidi die Formen danadi unterscheiden lassen, ob — und in welchem Maß — die politischen Interessen des Empfängers den Absichten des Gebers entgegenkommen. Der Bedarf an amerikanischer Hilfe war bei Griechenland und der Türkei, bei den Post-UNRRAEmpfängern wie bei allen westeuropäischen Ländern groß, vermutlich größer als das Hilfs-Interesse der USA. Der Krieg hatte viel verheerender gewirkt, als 1943/45 angenommen worden war: Die ursprünglichen amerikanischen Leistungen: 3,1 Milliarden Dollar für die International Bank for Reconstruction and Development und 3,5 Milliarden Dollar 1 2
Zu diesem Problemkreis vgl. Malenbaum, Grants and Loans, passim.
Liska, New Statecraft, S. 127. Der Ansatz des Budies ist sehr bedeutsam, die hoch theoretische Ausführung bietet indessen wenig konkrete Ergebnisse.
232
1. Der Ansatz im
Führungsbereich
für die amerikanische Export-Import-Bank reichten bei weitem nicht aus. Vielmehr mußten die USA in den Jahren 1946—1949 der westlichen Welt mit 29 Milliarden zu Hilfe kommen3. Die Führungselemente, die die Vereinigten Staaten in dieses Hilfswerk einbauten, setzten an zwei Stellen an: dauerhaft an den Grundsatzentscheidungen, vorübergehend an den Einzelentscheidungen (die ja dann später die neuen großen Entscheidungen bedingten). Die Bestandteile dieses Führungsmodus sind nicht en bloc entworfen worden, sondern entstanden nach und nach beim Aufbau des neuen Systems. Ob man sie aber jeweils für sich oder insgesamt betrachtet: die Freiheit des Empfängers blieb auf Dauer bestehen, sie wuchs sogar mit dem Erfolg der Hilfe. Die Entscheidungen des Empfängerlandes wurden umstellt, konditioniert, beeinflußt — niemals jedoch aufgehoben. Der amerikanische Eingriff blieb auf Führung beschränkt. Wie schon kurz erwähnt, war es der Congress gewesen, der, als er sich mit der Post-UNRRA-Hilfe auseinandersetzte, die wichtigsten Hebel der amerikanischen Führung einbaute. Er verwehrte der Regierung die Möglichkeit, mit dieser Hilfe politisdi in den Einflußbereich der Sowjetunion vorzustoßen, gab ihr dafür aber zahlreiche Handhaben, den eigenen Einfluß außerhalb der Sowjet-Sphäre zu verstärken. Steuerung der Politik Das wichtigste Instrument dabei bildeten die amerikanischen Missionen, die in den Empfängerländern die Verteilung der Hilfe kontrollieren sollten, und zwar notfalls bis hinab zum Verbraucher. Die Einrichtung solcher Missionen war vom Abgeordneten Mündt vorgeschlagen worden, um zu verhindern, daß der Congress amerikanische Hilfe für Ungarn und Polen von vornherein verbot. Nach dem Vorschlag Mündts konnten Länder, deren Regierungen von der Sowjetunion beherrscht wurden, amerikanische Hilfe unter der Bedingung erhalten, daß sie mit Kontrollfunktionen ausgestattete amerikanische Hilfsmissionen einließen4. Das Außenministerium wurde aufgefordert, solche Missionen einzurichten und sie einer Zentralinstanz, gemeint war ein Relief Administrator, zu unterstellen. 3
Zahlen nach Kaplan, Foreign Aid, S. 57—58.
Eingebracht 29. April 1947, CR 93, 3, 4222, angenommen mit 324:75:32, CR 93, 3, 4293. Die Demokraten des Auswärtigen Ausschusses stimmten, bis auf Mansfield und Colmer, dagegen; die Republikaner bis auf Merrow und Javits, dafür. 4
Das Instrument
der
Wirtschaftshilfe
233
Der Senat stimmte den Änderungen, die das Haus vorgenommen hatte, gern zu 5 , verschärfte sie sogar noch. Die Bedingung: mit der Hilfe eine amerikanische Mission zu akzeptieren, wurde auf alle Empfängerländer ausgedehnt. Damit vermied man, die Sowjetunion ausdrücklich erwähnen zu müssen, und erreichte gleichzeitig, daß nun die Verwendung der gesamten Auslandshilfe durch die USA kontrolliert werden konnte. Der Administrator, dem die Missionen unterstanden, erhielt seine Weisungen vom Präsidenten oder vom Außenminister (P. L. 84, 80/1, See. 1 und See. 4). Diese Konstruktion unterschied sich von der U N R R A wie die alten Absichten von den neuen. In der U N R R A hatten die USA starken, aber nicht ausschließlichen Einfluß gehabt. Sie stellten den Generaldirektor und die meisten Lieferungen; bei der Verteilung sprach aber der Empfänger mit, und der Generaldirektor war formal eine internationale Position. Auch bei der P o s t - U N R R A - H i l f e gab es wieder einen Administrator; er war aber jetzt ausschließlich amerikanischer Beamter, der über die Missionen die amerikanischen Hilfeleistungen direkt steuerte. Der Congress konstruierte damit hier einen Führungsapparat, dessen Elemente später in den Marshall-Plan übernommen wurden: aus den Hilfs-Missionen wurden die ECA-Missionen, allerdings als selbständige, direkt dem Präsidenten unterstehende Organisation. In der Diskussion um den Administrator zwischen Haus und Senat wurde auch die spätere Arbeitsteilung zwischen ECA-Administrator und Special Representative schon angelegt: das Haus wollte den Administrator in Washington, der Senat in Europa placieren. Der Senat setzte sich durch. Zwar nannte das Gesetz nicht mehr den Arbeitsort des Verwalters, wohl aber sein Arbeitsgebiet: als „field administrator" kam ihm die Kontrolle in Europa zu. Er residierte in Rom. Ein weiterer wichtiger Hebel wurde in der Bestimmung geschaffen, daß Unterstützung nicht gegeben und dann verbraucht, sondern — soweit sie nicht in Dollar zurückgezahlt wurde — in ein sich selbständig auffüllendes Reservoir verwandelt werden sollte, aus dem neue Hilfsmaßnahmen gespeist werden konnten. Das Haus hatte bereits vorgesehen, daß Erlöse in lokaler Währung, die aus dem Verkauf nicht zurückzahlbarer amerikanischer Hilfslieferungen an Einheimische stammten, auf ein Sonderkonto eingezahlt werden sollten, aus dem — mit Zustimmung des amerikanischen Vertreters — weitere Hilfsvorhaben finanziert werden konnten. 5
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 153, 80/1, S. 5.
234
1. Der Ansatz im
Führungsbereich
Der Senat hatte das Konto genauer als „revolving fund" bezeichnet6; über seinen Endbestand am 30. Juni 1948 sollte der Congress selbst verfügen (See. 6). Ein solches Konto empfahl sich aus währungspolitischen Gründen, um inflationären Tendenzen im Empfängerland entgegenzuwirken. Davon abgesehen, erhöhte dieses Konto natürlich die Wirkung der amerikanischen Hilfe. Die Regierungen der Empfängerländer konnten mit dem Konto wirtschaftspolitisch arbeiten; insofern sich die USA vorbehielten, über die Verwendung mitzubestimmen, verstärkte sich auch ihr Einfluß auf die Wirtschaftspolitik des Empfängerlandes. Bei dem finanziell gewiß kleinen Projekt der Post-UNRRA-Hilfe — es handelte sich praktisch nur um 332 Millionen Dollar — hatte der Congress somit einen Führungsmodus entworfen, der später nur noch erweitert zu werden brauchte. Eine Disproportion zwischen Anlaß und Aufwand scheint darin nur dann zu liegen, wenn man den Zweck der Post-UNRRAHilfe außer acht läßt: sie war der erste Ansatz, mittels der Auslandshilfe politische Affiliationen zu schaffen, Bindungen herzustellen, Entscheidungen zu beeinflussen. War der Umfang der Aktion auch gering, sie erforderte ein Instrument, mit dem die amerikanischen Pläne ausgeführt werden konnten. Werbung in der Öffentlichkeit Die Absichten, die der Congress mit der Hilfe verfolgte, ließen ihn sich jetzt der Hürde der Propaganda um einen großen Schritt nähern. Einer seiner Haupteinwände gegen die UNRRA war ja gewesen, daß amerikanische Vertreter keinen Zugang zu den im Sowjetbereich liegenden Empfängerländern erhielten, und daß dort zuweilen die Kommunisten sogar als Spender der Hilfe auftraten. In der Sektion 3 des Gesetzes stellte der Congress darum zunächst einen Katalog von neuen Forderungen auf, mit dem er verhindern wollte, was ihm an der UNRRA nicht gefallen hatte. Den freien Zugang amerikanischer Regierungsvertreter zur Verteilung der Hilfe, der schon durch die Missionen und den Administrator ausreichend garantiert war, forderte der Congress im Abschnitt 3 erneut und gleich zweimal. Zwei weitere Forderungen hatte der Senat eingefügt: jedes Land sollte seine Öffentlichkeit ständig und umfassend über Zweck, Quelle, Charakter, Ausmaß, Umfang und Fortschritt der amerikanischen Hilfe informieren (See. 3 c). Darüber hinaus sollten alle Lieferungen sichtbar und dauerhaft den Vermerk erhalten, daß sie aus dem Hilfsprogramm der Vereinigten Staaten 9
Die Senatsfassung ist abgedruckt C R 93, 4, 5122—5123.
Das Instrument
der
Wirtschaftshilfe
235
stammten. War dies wegen der Beschaffenheit der Ware nicht möglich, so mußten andere Wege der Bekanntmachung beschritten werden (See. 3 i). Läßt sich die Kennzeichnungspflicht noch als Reaktion auf die UNRRA-Erfahrungen verstehen, so verfolgte die Forderung nach umfassender und ständiger Publizität der amerikanischen Hilfe eindeutig propagandistische Zwecke. Die öffentliche Meinung des Empfängerlandes sollte auf die Leistung des amerikanischen Steuerzahlers hingewiesen und für die USA eingenommen werden. Das war gewiß keine übertriebene Forderung — darüber wird später noch ein Wort in der Gesamtbeurteilung der von den USA verwendeten Mittel zu sagen sein. Hier interessiert zunächst das Neuartige dieser Forderung. In der PostU N R R A - H i l f e nahmen die USA zum erstenmal den Gegensatz zur Sowjetunion aktiv auf; und sofort wurde dem Congress, der sich bis dahin abweisend verhalten hatte, die Bedeutung der Propaganda klar. Sie trat hier allerdings erst in der spezifischen Form kommerzieller Werbung auf, als Herkunftsbezeichnung und als Mitteilung über Erfolge. Sie war vor allem eine Auflage an die Empfänger-Regierung. Die H ü r d e eigener Regierungspropaganda wurde damit noch keineswegs genommen. Aber die H ü r d e wurde kleiner. Im Congress erhob sich gegen die Forderungen der Abschnitte 3 c und 3 i kein Einwand; die Einsicht machte sich geltend, daß es nicht nur zu helfen und darin zu führen galt, sondern daß die USA auch durch Information Einfluß nehmen mußten. Dieser Gedanke an das politische Bewußtsein derjenigen, die von den Vereinigten Staaten wirtschaftlich unterstützt wurden, ließ später auch die letzten Vorbehalte der Legislative vor der Regierungspropaganda verschwinden. Rücksicht auf die amerikanische Wirtschaft In diesem Einleitungsgesetz vom Frühjahr 1947 trat noch ein weiteres Element auf, das f ü r die jetzt einsetzende Wirtschaftshilfe der USA charakteristisch war: die Rücksicht auf die Bedürfnisse der amerikanischen Wirtschaft. Das Gesetz bestimmte, daß fast alle Hilfslieferungen aus den Vereinigten Staaten bezogen werden mußten (See. 2 a). Das Repräsentantenhaus hatte ursprünglich Waren im Werte von wenigstens 1 0 % des Gesamtbetrages ausnehmen wollen. Der Auswärtige Ausschuß des Senats hatte den Satz jedoch auf 6 % gesenkt, und dabei blieb es. Die Bestimmung versteht sich angesichts der Aufgabe, die die Auslandshilfe im amerikanischen Außenhandel erfüllen sollte, fast von selbst7. D a ß über7
Vgl. dazu die Schlußfolgerungen von Kretschmar in seiner detailreichen Arbeit über die amerikanische Auslandshilfe, S. 130.
236
1. Der Ansatz im
Führungsbereich
haupt ein Bruchteil der Summe freigegeben wurde, der nicht in den Vereinigten Staaten ausgegeben zu werden brauchte, war vor allem auf die Versorgungssituation in den USA zurückzuführen, die hinsichtlich einiger Waren wie etwa Weizen, Stahl und Dünger angespannt war. Auch in dieser Absicht, die amerikanische Hilfe weitgehend den Bedürfnissen der Wirtschaft des Geberlandes anzupassen, sollte sich das Public Law 84 als Muster für spätere Hilfsaktionen erweisen. Die Ergänzung:
Militärhilfe
Den ökonomischen Führungsmitteln, die in der P o s t - U N R R A - H i l f e enthalten waren, gesellten sich alsbald militärische hinzu, und zwar in der H i l f e für Griechenland und die Türkei. Diese Maßnahme schob sich zwar zeitlich zwischen den Beginn und das Ende der Beratungen über die P o s t - U N R R A - A i d . Die Bedeutung der Hilfe für Griechenland und die Türkei liegt, systematisch gesehen, jedoch in erster Linie darin, daß sie den militärischen Teil des Entwurfs der amerikanischen Außenpolitik ausdrückte. Die Türkei erhielt ausschließlich, Griechenland zum überwiegenden Teil militärische Unterstützung (wirtschaftlich war Griechenland außerdem Empfänger von P o s t - U N R R A - A i d ) . Militärhilfe war von Anfang an das Analogon zur Wirtschaftshilfe. N u r wenn man dies berücksichtigt, läßt sich in der verwirrenden Vielfalt von Maßnahmen, in denen sich die amerikanische Außenpolitik der Jahre 1947—1949 niedergeschlagen hat, der Faden des Verständnisses beibehalten. D a ß die Wirtschafts- und die Militärhilfe komplementäre Funktionen darstellten, erhellt sofort, wenn man sich erinnert, wie die Drohung der Sowjetunion in den Vereinigten Staaten analysiert wurde. Das verflochtene Zusammenspiel ideologischer und strategischer Komponenten, das durch den auf beiden Ebenen vorgehenden Angriff des Bolschewismus ausgelöst wurde, erforderte eine entsprechende Anordnung wirtschaftlicher und militärischer Aktionen. D a ß beide Mittel unabhängig voneinander, zeitweilig sogar scharf getrennt eingesetzt wurden — wie die wirtschaftliche Unterstützung Griechenlands durch P o s t - U N R R A - A i d und die militärische Aufrüstung des Landes durch die griechisch-türkische H i l f e —, darf nicht verdedien, daß beide Mittel dem gleichen Zweck dienten: den nicht-kommunistischen Bereich zu stärken und zu führen. Wenn Wirtschafts- und Militärhilfen nicht immer gleichzeitig und gemeinsam eingesetzt wurden, so deswegen, weil die amerikanische Regierung Rücksicht auf die vordringlichen Bedürfnisse der Hilfsempfänger sowie auf die öffentliche Meinung im In- und Ausland nehmen mußte.
Die Ergänzung:
Militärhilfe
237
Außerdem machte sowieso jede Wirtschaftshilfe beim Empfänger Mittel für den Verteidigungssektor frei, wie umgekehrt jede Militärhilfe die Wirtschaft entlastete. Der Konzeption nach aber gehörten beide Mittel zusammen; und es braucht nicht zu überraschen, daß die Regierung offenbar schon im Frühjahr 1947 erwog, den Teilnehmern am europäischen Wiederaufbauprogramm auch Militärhilfe zu geben8. Von den 400 Millionen Dollar, die der Congress am 24. Juli 1947 für Griechenland und die Türkei bewilligte 9 , waren mehr als die Hälfte, nämlich 264 Millionen, für militärische Zwecke bestimmt. Die 100 Millionen, die die Türkei bekam, dienten überhaupt nur dazu, die Ausrüstung der türkischen Armee zu modernisieren 10 . In Griechenland erhielt das Militär den Löwenanteil, 164 (von 300) Millionen. Der Betrag sollte in erster Linie die Vergrößerung des Heeres ermöglichen; ein Rest von 15 Millionen floß der Marine und der Luftwaffe zu 11 . Der Natur dieser vorwiegend militärischen Verwendung entsprechend, konnte von so strengen Kontrollen, wie sie der Congress bei der PostU N R R A - H i l f e vorgeschrieben hatte, nicht die Rede sein. Es fehlte vor allem der sich erneuernde Fonds; der militärische Zweck ist in aller Regel ein Endzweck. Es fehlte — verständlicherweise — die Kennzeichnungspflicht für die Lieferungen. Hingegen wurde die Zulassung von amerikanischen Regierungs- und Pressevertretern verlangt 12 , ebenso blieb das subtilste Führungsinstrument erhalten: die zivilen und militärischen Beratergruppen (See. 1, 2—3). Wiederum waren regelrechte Missionen der USA für die beiden Länder vorgesehen (See. 8). Ende 1947 umfaßte dieser Beraterstab in Griechenland 286 Personen, 142 davon auf wirtschaftlichem, 136 auf militärischem Gebiet. Später wurde das Personal der Militär-Mission auf 242 Personen erhöht; seit dem 7. Dezember 1947 begannen sie, die sich bis dahin nur um die Verwendung der Hilfe gekümmert hatten, auch die griechischen Truppen für den Kampf gegen die Guerillas zu schulen13. 8
Truman weigerte sidh, nadi einer Meldung der New York Times vom 6. Mai 1947,
das Geheimnis soldier Pläne zu lüften. Sen. Jenner, R , Ind., 21. September 1949, C R 95, 10,13103. 9 10
H . R. 4269, Supplemental Appropriations for 1948, P. L. 271, 80/1, 61 Stat. 361. Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1017, 80/2, on S. 2358, S. 8.
11
Ibidem.
12
P. L. 75, 80/1, 61 Stat. 81, Sec. 3.
18
S. Rp. 1017, S. 1 0 - 1 1 .
1. Der Ansatz im Führungsbereich
238
Die Militär-Mission in der Türkei umfaßte Ende 1947 erst 182 Mann, obwohl insgesamt 251 vorgesehen waren. Der Schwerpunkt der Beratung lag auf der Armee, es folgten Luftwaffe und Marine 14 . Der Ansatz des Frühjahres 1947 enthielt damit die wichtigsten Elemente der Hilfe, mit der die USA der kommunistischen Bedrohung begegnen wollten. Das Mittel wurde im ökonomischen und militärischen Sektor der Vorfeldländer angesetzt, sollte dort der darniederliegenden Wirtschaft helfen, den Lebensstandard heben, die Initiative stimulieren sowie die militärische Abwehrkraft direkt vermehren — gleichgültig ob diese Kraft aktuell oder nur potentiell herausgefordert worden war. Die Form der Führung Mit der amerikanischen Hilfe kam die amerikanische Führung. Darüber wird ausführlicher im Zusammenhang mit dem Marshall-Plan und dem Mutual Defense Assistance Programm gesprochen werden, weil dort die Mittel ihre eigentliche Größenordnung erreicht haben. Aber so viel kann hier schon gesagt werden: auf dem militärischen Sektor beeinflußte die amerikanische Führung weniger die großen politischen Entscheidungen des Empfängerlandes, sondern mehr die Maßnahmen, mit denen solche Entscheidungen ausgeführt wurden. In Griechenland und in der Türkei modernisierte die amerikanische Hilfe Waffen und Gerät der beiden Armeen, bildeten amerikanische Militärs Offiziere und Soldaten aus. Die empfangenden Länder gerieten so in eine direkte Abhängigkeit von der amerikanischen Führung. Sie wirkte indes nur so lange, wie amerikanische Beratergruppen im Lande arbeiteten; wurden sie zurückgezogen, reduzierte sich die Führung auf die geringen Einfluß-Möglichkeiten, die mit der Waffenlieferung verbunden waren. Der unter amerikanischer Leitung errichtete Aufbau der Streitkräfte konnte natürlich nicht leicht verändert werden; doch lag darin allein keine besondere Bedeutung. Amerikanische Führung auf dem militärischen Sektor hing also davon ab, daß die Empfänger der Hilfe ständig dieser Führung zustimmten. Die amerikanischen Offiziere waren immer nur als Berater tätig, übernahmen niemals führende Kommandostellen in der Armee des Empfängerlandes. Auf einen derartigen militärischen Einfluß konnten die USA gegebenenfalls ganz verzichten, dann nämlich, wenn das betreffende Land über eine entsprechend ausgebildete loyale militärische Elite verfügte, die von sich 14
Ibidem, S. 11.
Die Form der Führung
239
aus imstande war, die militärisch-strategischen Konsequenzen der politischen Entschlüsse zu planen und vorzubereiten. Worauf es den USA in erster Linie ankommen mußte, war demnach, Einfluß auf diese politischen Entscheidungen im Empfängerland zu nehmen. Auch hier gingen sie indirekt vor. Sie ließen das Herrschaftssystem unangetastet. Sie mischten sich nicht in die konkrete politische Einzelentscheidung ein. Aber sie veränderten einen großen Teil des Feldes, aus dem die Politik erwächst: die wirtschaftliche Struktur. Auf dem ökonomischen Gebiet beeinflußten die USA so gut wie jede Maßnahme und jeden Entschluß des Empfängerlandes. Jedes größere Objekt oder jede Klasse kleinerer Objekte mußten mit den Vereinigten Staaten abgestimmt werden 15 . Die amerikanischen Missionen, die sich um die Verwaltung, die Planung und die Kontrolle aller einzelnen Objekte kümmerten 16 , waren Steuerungsinstrumente, die mit Präzision arbeiteten. Dieser Führungsansatz bietet einen ersten Beleg dafür, daß die spezifische Struktur der amerikanischen Außenpolitik im Ubergang vom Modell der Kollektiven Sicherheit zu dem neuen Entwurf keine Veränderung, sondern nur einen neuen Ausdruck erfahren hatte. Im Mittelpunkt dieser Politik standen nach wie vor ökonomische Interessen. Es ging um den Aufbau und die Synchronisation der wirtschaftlichen Systeme — wie unter dem Kollektiven Modell. N u r die Bedingungen waren anders, die Hilfsbedürfnisse größer geworden; die akute Bedrohung beschränkte den Anwendungsbereich und erforderte eine schärfere Steuerung des wirtschaftlichen Aufbaus. Die spezifische Hemmung der amerikanischen Außenpolitik, die durch die Richtung und die Intensität ihrer Interessen einerseits, ihre Grundauffassungen andererseits bewirkt wurde, diese Hemmung war jedoch geblieben. Wirtschaftliche Zusammenarbeit erforderte Partner, keine Satelliten. Die Partnerschaft wurde durch eine entsprechende Anlage des Wirtschaftssystems gesichert; dem sich darin realisierenden Führungsanspruch der USA kam generell die Bereitschaft der empfangenden Länder entgegen, dieses System zu akzeptieren. Der Bereich der Zusammenarbeit hatte sich verkleinert und verengt, er hatte eine strengere Kohäsion erhalten, und die Einwirkung der führenden Macht hatte sich verstärkt. Aber sie war noch immer darauf gerichtet, Zusammenarbeit zu bewirken. 15
Munkman, American
16
Ibidem, S. 29.
Aid to Greece, S. 72.
240
1. Der Ansatz im
Führungsbereich
Der Maßstab der
Ausführung
Der Congress, der sich aktiv daran beteiligt hatte, das neue Instrumentarium zu entwerfen, bewilligte Ende Juli die Gelder für die PostU N R R A - A i d und die H i l f e an Griechenland und die Türkei. Die Bewilligungsausschüsse, die jetzt die Feder führten, steuerten das letzte Ingrediens für den neuen Entwurf bei: die Sparsamkeit. Der Hausausschuß verkündete schon bei dieser ersten Auslandshilfe, daß die Mittel der Vereinigten Staaten nicht unbegrenzt seien, Hilfe daher kein Dauerzustand werden sollte17. Zwar erfolgte jetzt keine Kürzung. Aber der Congress ließ von Anfang an keinen Zweifel daran, daß es für ihn stets nur einen Maßstab der Ausführung geben würde: den kleinsten. Das charakterisierende Prinzip bürgerlicher Außenpolitik ließ einen anderen nicht zu. Bei der Autorisierung der Post-UNRRA-Hilfe war in beiden Häusern zunächst versucht worden, den vorgesehenen Betrag von 350 Millionen Dollar auf 200 zu kürzen, im Haus zunächst sogar mit Erfolg 18 . Im Senat war ein gleicher Vorstoß mit 19 gegen 64 Stimmen unterlegen 19 , und der Vermittlungsausschuß beider Häuser hatte die ursprüngliche Zahl von 350 Millionen wiederhergestellt. Bei der Bewilligung schlug ein erneuter Angriff im Haus fehl 20 ; 25 °/o derer, die ursprünglich f ü r die Kürzung eingetreten waren, hatten ihre Meinung nun geändert. Der Betrag von 350 Millionen wurde vom Haus mit der überwältigenden Mehrheit von 289 zu 86 Stimmen votiert 21 . Wie üblich stammte die Opposition von Republikanern aus dem N o r d Osten und Pennsylvanien. Sie lehnten eine Zusammenarbeit selbst unter Vorzeichen ab, die ausschließlich von den USA selbst bestimmt wurden. Bedeutsamer war, daß mehr als 4 0 % derer, die schließlich für die 350 17
Committee on Appropriations, H . Rp. 990, 80/1, 18. Juni 1947, on H . R. 4269,
The Supplemental Appropriation Bill, 1948, S. 2. 19
Republikaner aus den Bereichen Nord-Mitte, Mittel-Atlantik, Pazifik sowie D e m o kraten aus dem Bereich Süd-Mitte hatten die Kürzung mit 225:165 durchgesetzt. 30. April 1947, C R 93, 4, 4292. 19
14. Mai 1947, C R 93, 4, 5245.
20
Der Antrag des Abgeordneten Jonkman, R, Midi., Foreign Affairs — der audi der Urheber des ersten Kürzungsversudis war —, die Vorlage an den Ausschuß zurückzuverweisen (motion to recommit) wurde mit 205:170 Stimmen abgelehnt. 21. Mai 1947, C R 93, 5, 5 6 2 5 - 5 6 2 6 . 21
21. Mai 1947, CR 93, 5, 5 6 2 6 - 5 6 2 7 .
Der Maßstab der Ausführung
241
Millionen stimmten, zuvor für die Kürzung eingetreten waren. Hier zeigte sidi eine latente Kritik, die ebenfalls (107 von 121) republikanisch war, sich jedoch nur zum kleineren Teil (46) aus dem Nord-Mitte-Bereich rekrutierte; die meisten (50) stammten vielmehr interessanterweise aus den Küstengebieten des Ostens und des Westens. Diese Unentschiedenen standen dem Unternehmen skeptisch gegenüber, teils, weil sie es für verfrüht und ungenügend vorbereitet ansahen, teils, weil sie offensichtlich der demokratischen Regierung und ihrer Beurteilung der Lage nicht recht trauten. Vorläufig blieb es jedoch bei Ermahnungen. Der Betrag für die Post-UNRRA-Hilfe wurde zwar auf 332 Millionen Dollar gesenkt, aber nur, weil man erwartete, daß weder Polen noch Ungarn die amerikanische Mission akzeptieren würden 22 ; das Appropriations Committee hatte vorsorglich sofort die dafür vorgesehenen Gelder gestrichen. Mit 732 Millionen Dollar unter zwei Programmen: der Hilfe für Griechenland und die Türkei (400 Millionen) und der Hilfe für die vom Krieg zerstörten Länder Österreich, Griechenland, Italien, China sowie den Freistaat Triest (332 Millionen) materialisierten die Vereinigten Staaten in der ersten Hälfte des Jahres 1947 den neuen Entwurf ihrer Außenpolitik. Er erfaßte das amerikanische Vorfeld wirtschaftlich und militärisch, etablierte also in jener Zone, die durch den Besitz- und Einflußstand der Sowjetunion definiert wurde, den neuen Modus der amerikanischen Führung. Als die Gelder dieser ersten Maßnahmen im Juli 1947 bewilligt wurden, war bereits zu sehen, wie der Ansatz weiterentwickelt werden würde: General Marshall hatte am 5. Juni mit seiner Rede in Harvard ausgesprochen, was Präsident Truman in seiner Congress-Botschaft schon angedeutet und der Stellvertretende Außenminister Acheson am 8. Mai vor dem Delta Council in Cleveland näher ausgeführt hatte: daß der neue Entwurf der amerikanisdien Außenpolitik auf das gesamte nichtkommunistische Europa erweitert werden würde — zunächst in seinem wirtschaftlichen Teil 23 . Am 12. Juli 1947 begann die Konferenz über die Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Paris, an der 16 Nationen teilnahmen. 22
Rep. Wigglesworth, R, Mass., 18. Juli 1947, C R 93, 7, 9334.
2S
Noch immer die beste Darstellung der Vorgänge in der amerikanischen Admin-
istration bietet Jones, Fifteen 16
Czempiel
Weeks.
242
2. Ansatz im 2. D E R
ANSATZ
IM
Führungszentrum FÜHRUNGSZENTRUM
Das Militär Obgleich Präsident Truman in seiner Botschaft an den Congress vom 12. März 1947 recht alarmierende Töne angeschlagen hatte, blieb die Streitmacht des Landes, abgesehen von der Luftwaffe, auf dem Stand, der 1946 geplant worden war. Die Etats der Wehrmachtsteile wurden im Zuge der Rückkehr zur Friedensstärke weiter gekürzt, der Haushalt der Marine um rund eine Milliarde Dollar. Die amerikanische Militärpolitik des Jahres 1947 war damit ebenso gemäßigt wie die Politik, die die Praxis schließlich aus der Botschaft des Präsidenten herausgefiltert hatte. Truman selbst hatte dem Congress, wenige Tage bevor er ihm den neuen Entwurf der Außenpolitik dramatisch antrug, vorgeschlagen, das Wehrdienst-Gesetz nicht mehr zu verlängern. Obwohl die Freiwilligenmeldungen die erforderliche Höhe nicht erreichten, sah der Präsident keinen Anlaß, die Wehrpflicht beizubehalten. Er regte sogar an, die Einberufungsämter aufzulösen und nur ihre Akten an zentraler Stelle aufzuheben 1 . Am 31. März 1947 wurde die amerikanische Wehrmacht trotz anfänglicher Bedenken des Senats gegen diese rigorose Maßnahme wieder auf das Freiwilligensystem umgestellt 2 . In seiner Analyse der Lage war Präsident Truman mit keinem Wort auf politische Spannungen eingegangen, hatte auch nichts davon erwähnt, daß es erforderlich sei, die Truppen zu verstärken. Selbst seine Lieblingsidee, das Allgemeine Militär-Ubungsprogramm, zu dem er den Congress bereits im Vorjahr hatte bewegen wollen, wurde 1947 nicht anders begründet als 1946 auch. Der Beirat des Präsidenten, der im Winter 1946 das Studium der mit diesem Programm zusammenhängenden Probleme aufgenommen hatte, zog im Frühjahr 1947 keinerlei beunruhigende Konsequenzen aus der Weltlage. Er forderte eine gesunde und informierte Nation, einen koordinierten Nachrichtendienst, wissenschaftliche Forschung, wirtschaftliche Vorbereitung auf einen Überraschungsangriff, eine starke Luftwaffe, die zur „Verteidigung durch Angriff" imstande sei, Waffenspezialisten, genügend Truppen, sichere Nachschubwege, die Vereinigung der Wehrmachtsteile und schließlich die Allgemeine Militär1
Truman an den Congress, 3. März 1947, CR 93, 2, 1622-1623.
2
S. 918, P. L. 26, 80/1, 61 Stat. 26.
Das
Militär
243
Übung 3 . Das war im wesentlichen ein Routine-Programm. Während der Hearings über den Marine-Etat wurde dem Ausschuß von den geladenen politischen und militärischen Beamten „nicht einmal eine Andeutung zuteil, daß wir uns irgendeiner Art von unmittelbarer Gefahr (emergency) gegenübersehen" 4 . Die direkte Sicherheit der USA war nicht stärker bedroht als früher. National Security Act of 1947 Die wichtigste Maßnahme des Jahres 1947 auf dem Gebiet der Verteidigung, die National Security Act of 1947 5 , antwortete denn auch nicht auf die außenpolitische Lage, sondern auf militärische Bedürfnisse, die sich während des Weltkrieges herausgestellt hatten. Bereits am 19. Dezember 1945 hatte Präsident Truman angeregt, das Kriegs- und das Marineministerium in ein einziges Ministerium für Verteidigung zu verwandeln, dem die Armee, die Marine und die als selbständiger Wehrmachtsteil zu gründende Luftwaffe unterstehen sollten. Das Projekt wurde lange durch Rivalitäten zwischen Armee und Marine gehemmt, konnte erst 1947 und nur unter großen Schwierigkeiten verabschiedet werden. Es organisierte die gesamte Verteidigungsstruktur der Vereinigten Staaten neu unter einem Verteidigungsminister (der ursprünglich Minister der Nationalen Sicherheit heißen sollte); ihm wurden die Ministerien der Armee, Marine und Luftwaffe unterstellt. Als Beirat für den Präsidenten in allen die Sicherheit berührenden Fragen wurde ein Nationaler Sicherheitsrat geschaffen; unter ihm die Zentrale Nachrichtenbehörde (Central Intelligence Agency), die damit endlich einen festen Platz bekam; neben ihm sodann das National Security Resources Board, das die wirtschaftlichen Potenzen des Landes im Hinblick auf die militärischen Bedürfnisse koordinieren sollte. Natürlich handelte es sich bei dem Gesetz nicht nur um Lehren von gestern; den Anlaß, sie zu beherzigen, gab die strategische Situation der USA am Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Barriere der Ozeane, die bislang den amerikanischen Kontinent geschützt hatte, war durch den waffentechnischen Fortschritt abgebaut worden. Die Vereinigten Staaten würden im Falle eines erneuten Krieges keine Schutzfrist mehr haben; die Kampfbereitschaft, die bis dahin jeweils ad hoc herbeigeführt und nach Kriegsschluß wieder aufgehoben werden konnte, mußte nun bis zu 3
A Program for N a t i o n a l Security. Report of the President's A d v i s o r y Commission
o n Universal Training. 29. Mai 1947. Auszugsweise gedruckt in DAFR 4
1947, C R 93, 4, 5552. 5
16*
I X , S. 284 ff.
Rep. Scrivner, R, Kans., N a v y Subcommittee des Bewilligungsausschusses, 20. Mai S. 758, P. L. 253, 80/1, 61 Stat. 343.
244
2. Ansatz im
Führungszentrum
einem gewissen Grad ein Dauerzustand werden 6 . Daran war jedoch nicht die Drohung der Sowjetunion schuld, sondern die Waffentechnik, der Amerikas insulare Lage heute schon nicht mehr viel, morgen überhaupt nichts mehr bedeuten würde7. Die Luftwaffe Die neue Gestalt der Sicherheit, die mit der Erfindung von Atombomben und Raketen aufgetaucht war, bewirkte auch den wichtigsten Teil der Neuorganisation: die Ausgliederung der Luftwaffe. Bislang war sie ein Anhängsel des Heeres gewesen. Jetzt mußte ihr, da sie die Ozeane überbrücken konnte, eine Hauptrolle zufallen. Bei der Bestimmung dieser Rolle nun zeigten sich erstmals auch Spurenelemente des Gegensatzes zur Sowjetunion. Wie stark mußte diese Luftwaffe sein? Hier, wo es um Verteidigung ging, griff der Congress sofort zum Maximum: die Air Force sollte nicht nur einen Angriff abwehren, sondern auch sofort dessen Absprungbasen im Gegenschlag zerstören können, und zwar, entsprechend der Weltmachtposition der USA, an jedem Punkt der Erde 8 . Damit war das Maß bestimmt: die Luftwaffe mußte die gleiche Größe besitzen wie die Marine — die andere, Entfernungen überbrückende Waffengattung —, sie mußte die größte Luftflotte der Welt sein. In dieser theoretischen Betrachtungsweise kam einer Luftmacht, die solchen Anforderungen genügen konnte, automatisch eine weitere Funktion zu: die Abschreckung. Wenn der potentielle Gegner wußte, daß die Vereinigten Staaten in der Lage waren, nicht nur seinen Angriff abzufangen, sondern seine Aufmarschgebiete und seine Luftbasen im Gegenschlag zu vernichten, würde seine Angriffsneigung entsprechend abnehmen 9 . Diesen allgemeinen Gesichtspunkt brachte die Sicherheitsfunktion der Luftstreitkräfte gleichsam von selbst auf. Sie erlaubte also auch schon einen Seitenblick auf die Spannungen mit der Sowjetunion, der einzigen Macht, die ihrer Größenordnung nach die Sicherheit der USA militärisch bedrohen konnte. Ließ sich nicht mit einer solchen amerikanischen Luftflotte und der Atombombe auch die Drohung der Sowjetunion abschrecken und damit bannen? 6 Committee on Expenditures in the Executive Departments, H. Rp. 961, 80/1, 16. Juli 1947, on H. R. 4214, National Security Act of 1947, S. 2. 7
Sen. Hill, D, Ala., Armed Services, 9. Juli 1947, CR 93, 7, 8500.
Report of the Air Coordinating Committee to the President, 19. August 1947, in DoSB, XVII, 426, 31. August 1947, S. 433. 8
A Program for National Security. Report of the President's Advisory Commission on Universal Training. 29. Mai 1947, DAFR I X , S. 2 8 5 - 2 8 6 . 9
Das
Militär
245
Mochte diese Möglichkeit nur bei denen aufleuchten, die den Konflikt mit der Sowjetunion für vornehmlich militärisch lösbar hielten 10 , so drängte sich eine etwas andere Gedankenverbindung allerdings auf. Präsident Truman hatte es am 12. März als den Kern des neuen Entwurfes der amerikanischen Außenpolitik bezeichnet, den bedrängten Nationen Beistand zu leisten. Vom konkreten Fall im Nahen Osten abgesehen, sollte die Truman-Botschaft den Kommunisten überall zur Warnung, den von ihnen bedrohten Nationen überall zur Hoffnung dienen. Die Vereinigten Staaten versprachen Schutz. Er bestand vor allem in der Wirtschaftshilfe; aber es konnte gar nicht ausbleiben, daß die Empfänger bei der Abschätzung des Schutzes nicht nur die ökonomische, sondern auch die militärische Stärke der Vereinigten Staaten in Anschlag brachten. Diese Funktion der amerikanischen Militärmacht sah der Congress von Anfang an. Die Stärke der Vereinigten Staaten erschien ihm als Element, das auf die geführten Länder integrierend wirken konnte: „Die friedlichen Nationen der Welt wissen, daß sie nur dann in der Bewahrung des Friedens zusammenarbeiten können, wenn sie durch starke Vereinigte Staaten gestützt (backed) werden — stark nicht nur an moralischen Werten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln, sondern stark an militärischem Potential" 11 . Den Kampfmitteln der USA wurde hier ein Wert beigemessen, der nicht so sehr auf den Gegenspieler, die UdSSR, wie auf den eigenen Führungsbereich der USA bezogen war. Setzten sich die Vereinigten Staaten an die Spitze der nicht-kommunistischen Welt, so mußte ihre Führungschance um so stärker sein, je größer ihre Fähigkeit war, physische Gewalt gegen den gemeinsamen Gegner anzuwenden. Dieser politische Aspekt militärischer Macht konnte auch allgemein interessant sein: in den Gremien der Welt mußte die Stimme der Vereinigten Staaten um so stärkeres Gewicht haben, je klarer es war, daß sie die Macht besaßen, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen 12 . Solche Überlegungen bestimmten zwar nicht den Tenor der Debatte um die National Security Act; sie wurden nur gelegentlich angestellt, nur dort, wo es um die neue, die veränderte Gestalt des Sidierheitsproblems charakterisierende Waffengattung der Luftwaffe ging. Aber es ist inter10
Vgl. etwa Rep. Owens, R, III., Education and Labor, 19. Juli 1947, CR 93, 7, 9456.
11
Sen. Hill. D, Ala., Armed Services, 9. Juli 1947, CR 93, 7, 8500.
12
Rep. Mahon, D, Tex., Appropriations, bei der Beratung des Militärhaushalts, 4. Juni 1947, CR 93, 5, 6355.
246
2. Ansatz im
Führungszentrum
essant, daß schon bei dieser ersten Erörterung des militärischen Sicherheitspotentials der USA die ihm innewohnende Ambivalenz auftauchte: konzipiert worden war es angesichts der theoretischen Möglichkeit direkter Bedrohung der USA; aber seine Verwendung wurde (von dem Extrem, die Sowjetunion militärisch niederhalten zu wollen, abgesehen) in erster Linie unter dem Gesichtspunkt betrachtet, die Führungsposition der Vereinigten Staaten zu verbessern. Militärische Stärke galt vor allem als politischer Faktor. Die Militär-Etats für das Jahr 1947/48 nahmen auf die theoretischen Horizonte des Sicherheitsproblems, die sich bei der Beratung der National Security Act eröffnet hatten, so gut wie keine Rücksicht. Die republikanische Leitung des Congress strebte vor allem den Ausgleich des Budgets an, und unter diesem fiskalischen Gesichtspunkt galt nicht die theoretische, sondern die effektiv greifbare Bedrohung der Sicherheit. Die Republikaner teilten nicht die Meinung der Demokraten, daß die Verteidigungsausgaben auch im Lichte der internationalen Politik gesehen werden müßten 13 ; sie interpretierten den Auftrag der Wähler, für Sicherheit zu sorgen, enger: nämlich beschränkt durch den zweiten Auftrag, zugunsten des Wohlstandes die Ausgaben der Bundesregierung zu beschneiden14. Die Kontroverse entzündete sich bezeichnenderweise an der Bewilligung für die Luftwaffe. Der Betrag von 444 Millionen Dollar, die für den Bau von 932 neuen Flugzeugen, vorab Bomber und Kampfmaschinen, vorgesehen waren, sah bescheiden genug aus. Mehr aus prinzipiellen Gründen, so scheint es, setzten die Republikaner im Bewilligungsausschuß kurz vor Schluß der Beratungen noch eine Kürzung um 10°/o durch; und die Auseinandersetzung im Hause drehte sich nur darum, ob die gestrichenen 44 Millionen Dollar wieder eingesetzt werden sollten. Die Republikaner verloren. Ihr Hinweis, daß die Vereinigten Staaten über mehr als 30 000 intakte Flugzeuge verfügten 15 , verfing nicht, weil die Maschinen zum großen Teil veraltet waren. Darüber hinaus hatte das Neubauprojekt auch noch das Argument für sich, daß die Flugzeugindustrie nicht auftraglos gelassen werden konnte. Um ihre Kapazität auszunutzen, hätten jährlich 3600 Flugzeuge gebaut werden müssen. Daran gemessen erschienen die 749 Maschinen, die die Teuerung von den eigent13
Rep. Kerr, D, N. C., Appropriations, 3. Juni 1947, C R 93, 5, 6278.
14
Rep. Case, R, S. Dak., Appropriations, ibidem, 6280.
15
Rep. Engel, R, Mich., Appropriations, Chairman des zuständigen War Depart-
ment Subcommittee, 4. Juni 1947, CR 93, 5, 6356.
Das
Militär
247
lieh geplanten 932 Neubauten übriggelassen hatte 16 , wirklich als Minimalprogramm 1 7 . Die Kürzung hätte die Zahl weiter auf 561 verringert. Der Erfolg der Demokraten läßt das allgemeine Wohlwollen erkennen, dessen sich die Luftwaffe als jüngstes Kampfinstrument erfreute, keinesfalls aber reflektierte er das Bewußtsein einer besonderen Bedrohung. Im Gegenteil. Der wiederhergestellte Betrag von 444 Millionen war an sich schon das Ergebnis einer drastischen Kürzung. Die Luftwaffe hatte ursprünglich 70 Flugzeug-Gruppen in voller Friedensstärke gefordert. Das Kriegsministerium beantragte aber nur 58 Gruppen, die restlichen 12 sollten lediglich Rumpfstärke besitzen (skeletonized air groups). Das Budget-Bureau verschlechterte das Verhältnis erneut, in 55 zu 15, und das Haus genehmigte mit den 444 Millionen Dollar praktisch nur 50 volle und 20 reduzierte Gruppen 18 . Dieses stark verkleinerte Programm hätte nun nochmals linear um 1 0 % gekürzt werden sollen, und nur darum drehte sich die vorwiegend parteitaktisch orientierte Debatte. Von einer Vergrößerung war nie die Rede. Der Senat verhielt sich ähnlich. Hier versuchte Senator Lodge, die ursprüngliche Luftwaffenforderung nach 70 vollen Gruppen mit den beiden Argumenten der Sicherheit und der Wirtschaft durchzusetzen 19 , hatte aber keinen Erfolg. Die Notwendigkeit, Flugzeuge wieder im Kriegsausmaß bauen zu müssen, schien so weit entfernt, daß es als sinnlos galt, dafür eine eigene Industrie voll am Leben zu erhalten 20 . Der Senat erhöhte zwar die Zahlen des Hauses ein wenig und schloß sich der Budget-Ziffer von 55 kompletten und 15 reduzierten Gruppen an. Auf dieser Basis aber sah er das Land angemessen geschützt 21 . Dabei blieb es im wesentlichen 22 . Selbst auf diesem hochempfindlichen Sektor der Verteidigung kann also keine besondere Veränderung festgestellt werden. Gewiß, die USA waren 16 Vgl. den Brief des Kriegsministers Patterson an den Abgeordneten Cannon, langjährigen Vorsitzenden des Bewilligungsausschusses und jetzigen Führer der demokratischen Minderheit in diesem Gremium, 2. Juni 1947, abgedruckt C R 93, 5, 6288. 17
Rep. Hinshaw, R, Calif., Interstate and Foreign Commerce, ibidem.
18
D i e Übersicht bei der Senats-Debatte, 10. Juli 1947, C R 93, 7, 8605. Im Grunde standen der Luftwaffe infolge von Übertragungen mehr Gelder zur Verfügung, vgl. die Aufstellung in: Committee on Appropriations, H . Rp. 495, 80/1, 28. Mai 1947, on H . R. 3678, Military Establishment Appropriation Bill, 1948, S. 8. 19
Sen. Lodge, R, Mass., Foreign Relations, 10. Juli 1947, C R 93, 7, 8605 ff.
20
Sen. Barkley, D , Ky., Minority Leader, 10. Juli 1947, C R 93, 7, 8608.
21
Sen. Bridges, R, N . H . , Appropriations, Chairman, ibidem, 8609.
22
P. L. 267, 80/1, 61 Stat. 357. Für die einzelnen Zahlen vgl. Committee o n Con-
ference, H . Rp. 1091, 80/1, 25. Juli 1947, on H . R. 3678.
248
2. Ansatz im
Führungszentrum
als stärkste Luftmacht aus dem Krieg hervorgegangen, und diese Überlegenheit war geblieben. Man wußte aber, daß die Sowjetunion inzwischen mehr Flugzeuge produzierte als die Vereinigten Staaten 23 . Weder diese Kenntnis, noch die von Truman geschilderte Lage regte den Congress dazu an, die Verteidigung zu erhöhen. Die Regierung forderte ihn audi nicht dazu auf; von einer Bedrohung der direkten Sicherheit war nicht die Rede. Das Ende der Wehrpflicht Dementsprechend setzten auch die beiden anderen klassischen Teile der amerikanischen Streitmacht ihren Weg in den Friedenszustand fort. Präsident Truman selbst hatte, wie erwähnt, vorgeschlagen, die Wehrpflicht aufzuheben. Die Armee umfaßte am 31. Dezember 1946 1 319 583 Offiziere und Mannschaften 24 , sie sollte am 1. Juli 1947 den vorgesehenen Stand von 1 070 000, die Marine den von 471 000 Offizieren und Mannschaften erreichen. Die Frequenz der Freiwilligenmeldungen ließ erkennen, daß am 1. Juli 1948 allein der Armee 120 000 Soldaten fehlen würden. Präsident Truman sah indessen keinen Grund, dieses Risiko nicht einzugehen, zumal sich das Selective Service System notfalls immer wieder einführen ließ25. Der Congress verlängerte wenigstens die Armed Forces Voluntary Recruitment Act von 1945 (s. oben S. 104—105) mit ihren zahlreichen Vergünstigungen für Freiwillige. Gleichzeitig wurde das Eintrittsalter auf 17 Jahre gesenkt, und die Auswahl der Verpflichtungszeiten vergrößert 26 . Damit glaubte der Congress für die Mannschaftsstärke von Heer und Marine genügend vorgesorgt zu haben; er kürzte sogar den für die Offiziersbesoldung vorgesehenen Betrag, weil er den Anteil der Offiziere, den die Armee gern bis auf 13,7% gesteigert hätte, wieder den traditionellen 1 0 % näherbringen wollte27. Das Schicksal des Übungsprogramms Unter diesen Umständen konnte es kaum noch überraschen, daß Präsident Trumans Steckenpferd, das All23
Rep. Engel, R, Midi., Appropriations, 3. Juni 1947, CR 93, 7, 6277.
24
Committee on Appropriations, hearings on H . R. 3678, S. 40.
25
Truman an den Congress, 3. März 1947, CR 93, 2, 1622—1623.
26
H . R. 3303, P. L. 128, 80/1, 61 Stat. 162. Der Senat nahm das Gesetz am 16. Juni 1947 an, CR 93, 6, 7023—7024, das Haus am gleidien Tag, ibidem, 7094. Vgl. dazu H . Rp. 558 sowie 645, 80/1; S. Rp. 262, 80/1. 27 Committee on Conference, H. Rp. 1091, 80/1. Das Haus hatte ursprünglich einen Kürzungsbetrag von 106 250 000 Dollar vorgesehen, von dem 20 100 Offiziere betroffen worden wären. Vgl. Committee on Appropriations, H . Rp. 495, 80/1, on H . R. 3678, S.2.
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gemeine Militär-Ubungsprogramm, nicht vorankam. Der Congress sah keinen Grund, in dieser Frage die Tradition zu durchbrechen. Einige der von der Kommission des Präsidenten genannten Motive — zum Beispiel die geistige und moralische Schulung der amerikanischen Jugend — wirkten geradezu abschreckend. N u r ein Argument verfing wenigstens teilweise: daß dieses Programm rasch und billig die militärischen Reserven der USA erhöhen könne. Die Reserve-Einheiten befanden sich in einem desolaten Zustand, besaßen durchweg nur zwischen 14 und 35°/o ihrer Soll-Stärke 28 . Die Reserven waren aber f ü r den gesamten Mobilisierungsplan der Vereinigten Staaten besonders wichtig, weil ohne sie die regulären Streitkräfte auf 4,5 Millionen Mann erhöht werden mußten — was eine riesige Belastung gewesen wäre 29 . In der Praxis war das Reserveproblem allerdings zur Zeit deswegen nicht so dringlich, weil man, wenn nötig, noch immer auf die ausgebildeten Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges zurückgreifen konnte. U n d nur der vagen Möglichkeit, eines Tages rasch auf junge Reserven angewiesen zu sein, wollte der Congress seine Abneigung gegen jegliche Abart allgemeiner Wehrpflicht keinesfalls opfern. Für die bürgerliche Gesellschaft ist der Begriff der akuten Bedrohung identisch mit dem einer direkten Bedrohung. Da diese Gesellschaft primär daran interessiert ist, daß keine große bewaffnete Auseinandersetzung stattfindet, die Probleme vielmehr friedlich gelöst werden, vermag sie sich nur temporär, nur in der Zeit militärischer Gefahr für die Verteidigung zu organisieren. Dieser Zustand kann für sie nicht von Dauer sein, weil er ihren auf Wohlstand gerichteten Interessen widerspricht. Sie erfaßte, wie der Fall der USA zeigt, sehr wohl, daß Sicherheit nach 1945 anders gewährleistet werden mußte als vorher, und der Congress trug maßgeblich dazu bei, daß die Vereinigten Staaten über die modernen militärischen Instrumente wie Atombombe, Flugzeuge und Schiffe in einem zureichenden, fast maximalen Ausmaß verfügten. Aber Sicherheit durfte, außer im Verteidigungsfall, nicht zum Selbstzweck der Gesellschaft werden. Vom Congress zu verlangen, er solle in einer Zeit, in der niemand, auch der Präsident nicht, von einer direkten Gefahr für die USA sprach, große Teile der Gesellschaft — wenn auch nur vorübergehend — von ihrem eigentlichen Lebensinteresse weg auf die Verteidigung ausrichten, hieß, das politische Bewußtsein dieser Gesellschaft zu verkennen. 28
Committee on Armed Services, H. Rp. 1107, 80/1, on H. R. 4278, Universal Military Training, S. 9. Dort auch die einzelnen Zahlen. 29
Ibidem.
250
2. Ansatz im
Führungszentrum
Natürlich präsentiert die moderne Kriegstechnik der bürgerlichen Gesellschaft insofern ein Dilemma, als im Falle eines Krieges keine Zeit mehr bleibt, die Bürger zu den Waffen zu rufen, auszubilden und auf die Kriegsschauplätze zu verfrachten. In der Praxis war das Problem nicht ganz so groß. Überraschungsangriffe auf die Vereinigten Staaten waren nur durch die Luft zu erwarten; um sie abzuwehren, brauchte man keine Reserven, sondern eine einsatzbereite Luftwaffe, die auch zurückzuschlagen vermochte. Damit würde der Krieg zwar nicht beendet, aber doch vom amerikanischen Festland so gut wie abgewendet (oder aber eben, wenn die Luftwaffe fehlte, verloren) sein. Erst dann brauchte man die Armee, die sich mit dem Feind — wo auch immer — auseinandersetzen konnte. Das Ziel der direkten Sicherheit verlangte also von den Vereinigten Staaten eine entsprechende Luftwaffe und eine entsprechende Marine. Dazu aber waren in erster Linie Berufssoldaten erforderlich, keine Reservisten. Der Congress handelte also gesellschaftlich ganz konsequent, wenn er für eine starke Luftwaffe und eine starke Marine sorgte, aber den Hoffnungen Trumans auf ein Allgemeines Militär-Ubungsprogramm keine große Chance gab. Die Regierung argumentierte auch später nicht überzeugend, wenn sie die Wehrpflicht und das Ubungsprogramm forderte, sich aber gleichzeitig dagegen wandte, daß der Congress die Luftwaffe vergrößerte. Die Legislative vermutete nicht zu Unrecht, daß die Regierung nicht nur der Sicherheit, sondern auch typischen Neigungen der Militärs Rechnung tragen wollte, und verhielt sich, wie später zu zeigen sein wird, entsprechend reserviert. 1947 jedenfalls gedieh Trumans Vorschlag wiederum über den Streitkräfte-Ausschuß des Hauses nicht hinaus. Die Marine Im Marine-Etat für das Jahr 1947/1948 bewirkte der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik ebenfalls keinerlei sichtbare Reflexe. Die Regierung hatte sich mit ihren Anforderungen durchweg an die Vorstellungen gehalten, die die Marine 1945 entwickelt und das Haus mit der Concurrent Resolution 80 gutgeheißen hatte. Die Marineleitung wollte zwar jetzt weit darüber hinausgehen, hatte 8,1 Milliarden Dollar verlangt, war aber im Verlauf des üblichen Justierungsprozesses bereits vom Budget-Bureau auf 3,5 Milliarden Dollar gedrückt worden30. Die Größe der aktiven Marine, die damit bestritten werden sollte, belief sich auf 425 000 Mann und 46 000 Offiziere sowie auf 293 30
Rep. Plumley, R, Vt., Appropriations, Chairman des Navy Subcommittee, 20. Mai
1947, CR 93, 4, 5544.
Das
251
Militär
Kriegsschiffe in folgender Verteilung 31 (die Zahlen in Klammern geben die Planziffern von 1945 an, s. o. S. 107): Flugzeugträger Kampfsdiiffe Kreuzer Zerstörer Zerstörer (Begleitschiffe) U-Boote Hilfseinheiten
20 4 32 135 24 78 557
(20) (5) (31) (135) (36) (70) (1375)
Die Marine-Luftwaffe sollte 7980 Flugzeuge umfassen 32 , praktisch also ebenfalls die Größe von 1945 (8000) haben. Im großen und ganzen passierte diese Anforderung den Congress. Das Haus strich 377 Millionen, teils aus republikanischer Gewohnheit, teils, weil ihm von Marineseite versichert worden war, man könne auch ohne diesen Betrag auskommen 33 . Der Effekt der Kürzung war deswegen etwas größer als geplant, weil der Präsident sich geirrt und in seinem Budget zwar 471 000 Seeleute, Geld aber nur f ü r 445 000 Offiziere und Mannschaften vorgesehen hatte 34 . Die Demokraten im Haus verlangten, ebenfalls aus Gewohnheit, daß die ursprünglichen Zahlen wiederhergestellt würden; im Grunde war die Bewilligung nicht kontrovers. Dem Senat gelang es mit Hilfe fiskalischer Raffinessen, die man im Haus sarkastisch als „book-keeping with mirrors" 35 bezeichnete, die Sachforderungen der Regierung praktisch zu erfüllen, ohne mit mehr als 176 Millionen Dollar über die vom Haus bewilligte Summe hinauszugehen. Der Endbetrag lag dann im Kompromiß der beiden Häuser 24 Millionen Dollar unter der Budget-Forderung 36 . Es blieb also bei den Vorstellungen von 1945. In der militärischen Planung hinterließ der Ansatz des Frühjahrs 1947 keinerlei Spuren. 31
Committee on Appropriations, S. Rp. 338, 80/1, 23. Juni 1947, on H. R. 3493, N a v y Department and Naval Service Appropriation Bill, 1948, S. 3. 32
Ibidem, S. 4.
83
Committee on Appropriations, hearings on H. R. 3493, Appropriations for the N a v y Department and the Naval Service, 1948, S. 570. 34
Sen. Sai tonstall, R, Mass., Appropriations, 24. Juni 1947, CR 93, 6, 7588.
35
Rep. Ploeser, R, Mo., Appropriations, 15. Juli 1947, CR 93, 7, 8928.
38
Vgl. die detaillierte Zusammenstellung der einzelnen Posten in CR 93, 3, 8927 bis 8928.
252
2. Ansatz im
Die
Führungsientrum
Propaganda
Der neue Aspekt Auf den ersten Blick könnte es scheinen, als habe sich auch bei der Propaganda nichts verändert: wie im Vorjahr strich das H a u s die Mittel für diese Tätigkeit im Außenministerium; wie im Vorjahr setzte der Senat wieder einen kleinen Betrag dafür durch. Wie 1946 verabschiedete das Haus einen Gesetzentwurf, der das neue Instrument endlich legalisieren sollte; wie 1946 blieb der Senat die erforderliche Antwort schuldig. Aber diesmal täuscht der äußere Eindruck. Hinter dem gleichen Vorgang läßt sich eine veränderte Einstellung erkennen. 1946 hatte sich der Congress um die Informationstätigkeit nicht sonderlich gekümmert, 1947 war er interessiert. In dem neuen Entwurf der amerikanischen Außenpolitik, der theoretisch den gesamten nicht-kommunistischen Bereich zum Vorfeld der amerikanischen Sicherheit erklärte, mußte der Information eine aktive Rolle zufallen. Wie sollte man dem Kommunismus begegnen, wenn man ihm nicht auf dem zentralen Gebiet der Propaganda Widerstand leistete? Und wie sollte es den USA gelingen — das war der zweite Aspekt —, die freien Völker zu führen, ohne das weitreichende, bequeme und umfassende Mittel der Propaganda zu benutzen? Bei der Post-UNRJRA-Hilfe, der ersten gegen die Sowjetunion gerichteten unilateralen Hilfsmaßnahme der Vereinigten Staaten, war dieser Aspekt schon deutlich hervorgetreten; der Congress selbst hatte mit drastischen Bezeichnungsvorschriften dafür gesorgt, daß die Empfänger amer i k a n i s i e r Hilfslieferungen über den Geber und seine Absichten informiert würden. Die Staaten mußten sich verpflichten, audi in ihren eigenen Publikationsorganen diese amerikanische Hilfe ausreichend zu würdigen. In dem griechisch-türkischen Projekt ließen sich solche Bestimmungen nicht so leicht unterbringen; aber gerade diese Maßnahme rückte Dringlichkeit und Notwendigkeit der Propaganda in den Vordergrund der Aufmerksamkeit. Wenn totalitäre Ideologien bekämpft werden sollten, kam dem Instrument, mit dem sich der Geist des Menschen beeinflussen ließ, besonderer Wert zu. Es war nur logisch, daß diese Aspektveränderung, die das Propaganda-Programm mit der Truman-Doktrin automatisch erfuhr, sofort hervorgehoben wurde. Die spärlichen Mittel, die das Außenministerium bisher in Griechenland und der Türkei ausgeben konnte, kontrastierten seltsam mit dem jetzt erklärten Ziel, in diesen Ländern den Kommunismus zu bekämpfen 3 7 . 37
Sen. Lucas, D , Iii., Finance, 21. April 1947, CR 93, 3, 3 7 4 6 - 3 7 4 7 .
Die Propaganda
253
I n dem neuen E n t w u r f der amerikanischen Außenpolitik wurde damit P r o p a g a n d a zu einem Element der Sicherheit. M a n brauchte nicht nur wirtschaftliche, politische und militärische Stärke, sondern auch die S t ä r k e der amerikanischen Ideen und ihre kraftvolle adaequate Präsentation im Ausland 3 8 . Methoden, die die Tatsachen zugunsten der Ideen zurechtbogen, wurden abgelehnt. Aber Außenminister Marshall verlangte eine klare, redliche und bejahende Darstellung der Vereinigten S t a a t e n im Ausland, die sich keineswegs nur auf die primären Medien der I n f o r m a t i o n : Presse, R u n d f u n k und F i l m beschränken sollte. I m Austausch von Studenten und Büchern und in der Entsendung von B e r a t e r n für ausländische Regierungen sah Marshall weitere Instrumente für die D a r stellung der „amerikanischen Tatsachen" 3 9 . Zunächst mußte die Regierung dennoch den erwarteten Rückschlag einstecken. D e m I n f o r m a t i o n s p r o g r a m m fehlte noch immer die gesetzliche Grundlage; der N o t b e h e l f vom J a h r zuvor — befristete legislative Genehmigung im Zuge der Geldbewilligung —, reichte nur bis zum E n d e des Fiskaljahres, also bis zum 3 0 . J u n i 1 9 4 7 . D e r für das A u ß e n m i n i sterium zuständige Bewilligungsunterausschuß, v o m Abgeordneten S t e f a n , einem entschiedenen Gegner des Regierungsprogramms, geleitet, nützte die Lage: die beantragten 31 381 2 2 0 D o l l a r für das I n f o r m a t i o n s - und K u l t u r p r o g r a m m wurden kurzerhand gestrichen 4 0 . D e r Ausschuß begründete dies dreifach: formal mit dem Mangel einer gesetzlichen Grundlage; grundsätzlich mit der Traditionswidrigkeit: das C o m m i t t e e sei nicht der Meinung, die amerikanische Regierung solle sich am
Presse-Geschäft
beteiligen; der dritte Grund schließlich war, daß das P r o g r a m m schlecht gehandhabt werde 4 1 . H i n z u kamen natürlich die eingewurzelte A b n e i gung der Republikaner gegen das Außenministerium, verstärkt durch das Mißtrauen gegen das Personal des O W I , und schließlich das Leitmotiv des 8 0 . Congress: Sparsamkeit. H i e r w a r eine exzellente Gelegenheit dazu, und der Bewilligungsausschuß und das H a u s ließen sie sich nicht entgehen. 39
Außenminister Marshall an den Abgeordneten Mündt, 19. Juni 1947, abgedruckt
C R 93, 6, 7 5 1 5 - 7 5 1 6 . 38
Ibidem.
40
Committee on Appropriations, H . Rp. 336, 80/1, 5. Mai 1947, on H . R. 3311,
Appropriations for the Departments of State, Justice, Commerce and the Judiciary, 1948, S. 6. 41
Ibidem.
254
2. Ansatz im
Führungszentrum
Näherhin ging es um die Traditionswidrigkeit und die mangelhafte Ausführung des Programms. Das bisher fehlende Gesetz wurde ja seit langem vorbereitet; es kam schon 14 Tage später vor das Haus, so daß bei der Debatte um die Geldbewilligung die Diskussion über die Sache in diesen beiden Punkten schon ein wenig vorweggenommen wurde. Die Kritik am Programm war verbreitet. Die Informations-Abteilung hatte den Fehler begangen, eine Kunstausstellung nur mit avantgardistischen Bildern zu beschicken, deren Qualität auch in Fachkreisen nicht unbestritten war 42 . Der Ausschuß ließ es sich nicht nehmen, die zahlreichen Protestbriefe, die ihm zugegangen waren, wohlgefällig zu registrieren 43 . Aber auch die Rundfunksendungen dieser Abteilung ließen viel zu wünschen übrig. Die Entschuldigung, daß es sich um ein neues Unternehmen handelte 44 , wollte angesichts der langjährigen Praxis des Office of War Information nicht so recht wirken, so daß sich Gegner und Freunde des Programms darin weitgehend einig wurden, hier etwas zu ändern. Die fundamentale Meinungsverschiedenheit betraf nach wie vor die Rolle der Regierung in der Propaganda. Der Ausschuß hatte zweifellos die grundsätzlichen, wiewohl nicht unbedingt die historischen Argumente für sich, wenn er auf die Unvereinbarkeit zwischen der Freiheit, wie sie die Väter der Republik verstanden hatten, und einem zentralisierten Informationsamt hinwies 45 . In der Theorie widersprechen sich Freiheit und Regierungspropaganda. Andererseits konnte sich selbst der Ausschuß-Vorsitzende nicht der Einsicht verschließen, daß der Hüter dieser Freiheit, die Demokratie, gegenwärtig bedroht und herausgefordert wurde. E r erklärte sich bereit, alle Talente der USA einzusetzen, um diesen ideologischen Krieg zu bestehen46 — aber eben privatwirtschaftlich, nicht in Form einer Regierungsinstanz. Die Diskussion drehte sich nur um die Frage, ob eine solche Methode in der Kontroverse mit der Sowjetunion ausreichen würde, oder ob hier nicht Ziel und Mittel wiederum, wenngleich auf eine andere Weise, miteinander unvereinbar seien. 42
Barrett, Truth is our Weapon, S. 57—58. Barrett, der seit den Tagen des O W I
führend in der amerikanischen Propaganda tätig war, sieht indessen in dieser Kunstausstellung den alleinigen Grund für die Kürzung, was abwegig ist. 43
H . R p . 336, 80/1, S . 7 .
44
Rep. Mündt, R, S. Dak., Foreign Affairs, 14. Mai 1947, C R 93, 4, 5285.
45
H . R p . 336, 80/1, S. 7.
4
* Rep. Stefan, R, Nebr., Appropriations, Chairman des federführenden Unteraus-
schusses, 13. Mai 1947, C R 93, 4, 5206.
Die
Propaganda
255
Das Bewilligungsproblem dagegen löste sich in der üblichen Form. Der Senat stellte dem Außenministerium 13 Millionen Dollar für das Informations- und Kulturprogramm zur Verfügung 47 , wenngleich im Kompromiß beider Häuser noch einmal eine Million Dollar auf der Strecke blieb 48 . Allerdings hatte der Senat seiner Großmut schon einen bezeichnenden Akzent mitgegeben: der Personaletat der Internationalen Rundfunkabteilung wurde unverrückbar auf 687 000 Dollar beschränkt. Damit sollte das Ministerium gezwungen werden, die Sendungen von privaten Firmen herstellen zu lassen, statt sie selbst zu produzieren 49 . Später stockte der Senat diesen Betrag um 470 000 Dollar auf, damit wenigstens die f ü r Rußland, Deutschland, den Orient und den Balkan bestimmten Sendungen im Ministerium hergestellt werden konnten 50 . Der Tenor der kommenden Debatte war damit auch im Senat gesetzt. Der Versuch, dem Informationsprogramm der Vereinigten Staaten endlich eine gesetzliche Basis zu geben, hatte im Haus von Anfang an kein leichtes Leben. Allein über den Antrag, die Beratungen fortzusetzen, mußte an den beiden Tagen namentlich abgestimmt werden; zwischendurch wurde fünfmal beantragt, den Gesetzentwurf von der Tagesordnung abzusetzen. Die Animosität war scharf, aber sie ging im wesentlichen nur von denen aus, die den neuen Entwurf der Außenpolitik, wie er sich in der Hilfe an Griechenland und die Türkei ausdrückte, ablehnten. Diese Gruppe stimmte fast geschlossen (63 von 66) gegen die MundtBill51. Diejenigen aber, die für diesen Entwurf gestimmt hatten, bekannten sich jetzt auch zu dem Informationsprogramm als der logischen Folge. Der Nutzen des Programms für die neue Außenpolitik wurde entsprechend herausgestellt. Der Abgeordnete Mündt hatte schon, als es noch um die Geldbewilligung ging, ein Argument genannt, das jedem wirtschaftlich denkenden Menschen sehr einleuchten mußte: das Argument 47
3 0. Juni 1947, CR 93, 6, 7 8 8 6 - 7 8 9 6 .
48
P. L. 166, 80/1, 61 Stat. 211. Vgl. auch Committee on Conference, H. Rp. 787, 80/1, 3. Juli 1947, on H. R. 3311. 49
Committee on Appropriations, S. Rp. 343, 80/1, 24. Juni 1947, on H. R. 3311, S. 3. Dort auch die Einzelaufstellung. 50 51
Sen. Ball, R, Minn., Appropriations, 30. Juni 1947, CR 93, 6, 7886.
Die Gruppe bestand fast ausschließlich aus Republikanern (60 von 63), die vorwiegend (zu 81 %>) aus dem Bereich Nord-Mitte und aus Pennsylvania stammten. Fast die Hälfte dieser Republikaner kam aus Pennsylvanien (10), Ohio (8) und Illinois (7), aus drei Staaten also, von denen nur einer, Ohio, in das Smuckler-Spektrum der Opposition paßte.
256
2. Ansatz im
Führungszentrum
der Werbung: „Es ist nidits anderes als guter kluger Yankee-Geschäftssinn (business judgment), daß man den Bruchteil eines Prozentes vom Gesamtbetrag d a f ü r ausgibt, im Ausland die Ziele bekanntzumachen (advertise), die wir mit diesen vielen Millionen anstreben" 52 . Werde die Absicht der Vereinigten Staaten nicht verstanden, sei der A u f w a n d vergeblich. Dies aus dem Geschäftsleben entnommene Argument hatte der Congress auch schon bei der Post-UNRRA-Hilfe berücksichtigt. Es bekam aber jetzt ein anderes Gewicht, weil sich die Zielsetzung erweitert hatte. Die United States Information and Educational Exchange Act of 1947 sollte nicht mehr nur — wie noch der Entwurf von 1946 — der gegenseitigen Verständigung dienen, sondern auch die Mißverständnisse korrigieren, die in anderen Ländern über die Vereinigten Staaten herrschten (See. 2). Das war nicht übertrieben; die unglücklichen Formulierungen der Truman-Botschaft hatten es der Sowjetunion leichtgemacht, das Lied vom wirtschaftlichen Imperialismus der Vereinigten Staaten anzustimmen 53 — es war nun häufig genug zu hören. Das Informationsprogramm konnte sich also nicht mehr darauf beschränken, zu werben, es mußte auch schon verteidigen. Es bekam damit einen direkten Bezug zur Sicherheit, und erst diesem Aspekt war es zu verdanken, daß das Gesetz die Schwelle der Abneigung überwinden konnte. Der veränderte Entwurf Die Mundt-Bill sah drei Aktionsbereiche vor: den Austausch von Personen und Kenntnissen, sowie die Entsendung von Technikern; die Beratung fremder Regierungen durch Fachleute; und schließlich die Auslandsinformation im engeren Sinne. Die beiden ersten Programme waren verhältnismäßig unkontrovers. Sie waren seit dem Ausgang der dreißiger Jahre gegenüber Lateinamerika praktiziert worden 54 , wurden jetzt also nur auf die ganze Welt erweitert. Gegen den Austausch von Personen, der nach Meinung des Auswärtigen Ausschusses 52
14. Mai 1947, CR 93, 4, 5284.
53
Barrett, Truth is our Weapon, S. 6 2 - 6 3 .
54
Siehe die Einzelheiten wie die betreffenden Gesetze in: Committee on Foreign Relations, S. Rp. 573, 80/1, 16. Juli 1947, on H. R. 3342, Enabling the Government of the United States more effectively to carry on its foreign relations by means of promotion of the interchange of persons, knowledge, and skills between the people of the United States and other countries, and by means of public dissemination abroad of information about the United States, its people, and its policies, S. 2.
Die
Propaganda
257
des Hauses auf strenger Wechselseitigkeit beruhen sollte 55 , wandten sich lediglich einige Republikaner aus der Nord-Mitte-Gruppe und aus Pennsylvanien sowie extrem anti-kommunistische Abgeordnete wie der Demokrat Rankin, der im Austausch nur eine Schleuse für Kommunisten sah56. Kernpunkt der Debatte war und blieb das Informationsprogramm der Regierung. Allgemein fiel den Demokraten die Zustimmung nicht ganz so schwer wie den Republikanern. Bei beiden wurde sie aber erst möglich, nachdem eine entsprechende Praxis anderer Nationen erwiesen war und der propagandistische Angriff der Sowjetunion das amerikanische Ansehen zu beeinträchtigen begann. 1947 strahlten bereits 18 Länder Radiosendungen in die USA aus, insgesamt 37 Stunden täglich 57 . Die Sowjetunion bestritt davon zwei Stunden. Die eigentliche Herausforderung aber lag in den Sendungen Moskaus, die an andere Staaten gerichtet waren. Die USA wurden darin als imperialistisch bezeichnet, ihr Vorgehen im Mittleren Osten als Dollar-Diplomatie 5 8 . Damit war praktisch ein ideologischer Verteidigungsfall gegeben, der vom Regierungslager entsprechend betont wurde. Die USA sahen sich, ihr Volk und ihre Regierung verzerrt dargestellt: „Das Prestige der Vereinigten Staaten und der Demokratie selbst leidet als Folge dieses ungleichen Kampfes der Ideen" 59 . Die Folgen ließen sich leicht ausmalen; die anderen Völker, denen die USA in einem solchen Licht präsentiert wurden, konnten ihr Vertrauen in das demokratische System verlieren und demTotalitarismus verfallen 60 . Auf republikanischer Seite beurteilte man die Lage ähnlich, formulierte aber die Folgerungen etwas allgemeiner, schnitt sie nicht ausschließlich auf das zu gründende Regierungsamt zu. Aber darin stimmten die Republikaner den Demokraten zu, daß die Demokratie ein ExportArtikel sein müsse, und daß man nidit zu geistiger Isolation zurückkehren dürfe 61 . 55 Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 416, 80/1, 21. Mai 1947, on H . R . 3342, United States Information and Educational Exchange Act of 1947, S. 3. Die Empfehlung wurde bei der Plenardebatte mit dem Allen-Amendment zur Bedingung verschärft. 18. Juni 1947, CR 93, 6, 6963. 56
6. Juni 1947, CR 93, 5, 6540.
57
H. Rp. 416, 80/1, S. 7.
58
Rep. McCormack, D , Mass., Minority Leader, 18. Juni 1947, CR 93, 6, 6966.
59
S. Rp. 573, 80/1, S. 10.
60
Rep. Richards, D , S. C., Foreign Affairs, 6. Juni 1947, CR 93, 5, 6553.
61
Vgl. etwa Reps. Lodge, R, Conn., Foreign Affairs, und Dirksen, R, Iii., Appropriations, 6. Juni 1947, CR 93, 5, 6560, 6561. 17
Czempiel
258
2. Ansatz im
Führungszentrum
Damit hatte die außenpolitische Sicherheit das Feld der innenpolitischen Auseinandersetzung betreten und im Grunde die Debatte schon entschieden. So lange es sich nur darum gehandelt hatte, der Regierung eine irgendwie vorteilhafte Waffe in die H a n d zu geben, beanspruchten die wirtschaftlichen Interessen und die innenpolitischen Traditionen unbestritten den Vorrang. Der Angriff, mit dem die Sowjetunion auf die Truman-Doktrin reagiert hatte, brachte aber die Sicherheit als den wichtigsten Aspekt ins Sichtfeld, so daß sich die Gewichte verschieben mußten: „ . . . nichts ist widerwärtiger für uns in Amerika als eine Regierungspropaganda-Maschine. Auf der anderen Seite . . . brauchen wir eine solche Propaganda-Maschine in einer Welt, in der eine Schlacht der Ideen in Gang ist . . ," 62 . Von da an ging es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie der Ausführung: um das Ausmaß, in dem das unvermeidliche Regierungsunternehmen durch die Privatindustrie mediatisiert, der innenpolitische Nachteil des außenpolitischen Erfordernisses gemildert werden konnte. Strittig war ferner, wieviel Einfluß und Kontrolle sich der Congress vorbehalten wollte. Die Rolle der Privatwirtschaft ließ das Haus so groß, wie es sie 1946 bestimmt hatte: die Regierung sollte nur einspringen, wenn die privaten Informationsmedien, die der Staat in jeder Weise zu unterstützen und zu fördern hatte, nicht mehr zureichten (See. 502). In der Praxis hatte der Congress diese Arbeitsteilung schon sanktioniert, indem er, wie erinnerlich, den Personaletat der Informationsabteilung kürzte um zu erreichen, daß die Sendungen weitgehend von privater Seite angefertigt wurden. Diese Einschaltung der Privatwirtschaft hatte den Congress am meisten interessiert; er trug ihr im Gesetz in voller Höhe Rechnung, obwohl sich das Ministerium verzweifelt dagegen zur Wehr setzte. Ohne dieses Kompromiß hätte sich der Congress jedoch vermutlich auch 1947 noch nicht entschlossen, das Informationsprogramm anzugehen. Sieben Monate hatte es gedauert, ehe die Brücke errichtet werden konnte, über die der Congress dem Außenministerium in dem Abenteuer der Regierungspropaganda entgegenzukommen vermochte 63 . Die Beteiligung der Privatwirtschaft bildete nach wie vor die Basis, auf der das Haus — und vor allem der Senat — das neue Informations-Grundgesetz überhaupt in Erwägung zogen. Das Sicherheitsgewicht mußte erst entschieden verstärkt und der Nachteil der geplanten Konstruktion deutlich 62
Rep. Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, 18. Juni 1947, C R 93, 6, 6992.
63
Ibidem.
Die
Propaganda
259
erfahren werden, bevor dieses letzte Reservat des Privaten, das die Vertretung der bürgerlichen Gesellschaft in das Gesetz eingebaut hatte, der außenpolitischen Wirkung geopfert wurde. Im Sommer 1947 bemühte sich das Haus, das als unumgänglich erkannte Unternehmen noch durch weitere Direktiven abzusichern, und zwar hinsichtlich der Programme. Gegen die Redakteure des Office of War Information hatte sich stets der größte Verdacht der Legislative gerichtet, gegen die Leute sowohl wie gegen ihr Werk. Der republikanische Abgeordnete Dirksen schlug daher vor, einen Beirat (Advisory Commission) einzurichten, der aus dem Außenminister und zehn Personen des öffentlichen Lebens bestehen sollte. Sie waren vom Präsidenten zu ernennen und vom Senat zu bestätigen. Der Beirat sollte die Politik des Austausch- wie des Informationsprogramms formulieren und bestimmen (Titel IX). Damit war aus dem geplanten Regierungsprogramm ein Unternehmen geworden, das nur zum kleinsten Teil von der Regierung betrieben werden sollte — und selbst dabei hatte sie nach Anweisung eines privaten Gremiums zu handeln. Im Beirat sollten je ein Vertreter aus dem Erziehungsbereich, den Streitkräften, den Arbeitnehmern und der Landwirtschaft stammen, ferner je einer aus dem Zeitungs-, Film- und RadioSektor; drei sollten schließlich allgemein wirtschaftserfahren sein. Die im engeren Sinne interessierte Wirtschaft war im Beirat also mit mindestens sechs Stimmen vertreten. Sie nahm damit, nachdem ihr schon die Anfertigung der Sendungen zum größten Teil zugefallen war, auch den Löwenanteil in dem die Richtlinien bestimmenden Beirat ein. Mit Hilfe dieser Regelung wollte der Congress nach wie vor vermeiden, daß die Exekutive Kompetenzen an sich zog, die nach der Tradition der amerikanischen — und das heißt: nach den Prinzipien einer bürgerlichen — Gesellschaft nicht Sache des Staates, sondern der privaten Wirtschaft waren. D a ß dabei dem Beirat auch Funktionen zufielen, die (wie zum Beispiel die Auswahl von Beratern fremder Regierungen) bis dahin traditionell Regierungssache gewesen waren, wurde offenbar als angenehme Beigabe mit in Kauf genommen. Diese Berater hatten dem H a u s im übrigen doch ein wenig K o p f zerbrechen bereitet. Zu ihren Aufgaben konnte auch gehören, die Finanzen eines fremden Landes zu verwalten (See. 303). Einige Republikaner im Auswärtigen Ausschuß waren in Anbetracht der Propaganda-Offensive der UdSSR für alles empfindlich geworden, was die Schlagworte Imperialismus und Dollar-Diplomatie heraufbeschwören konnte. Dabei 17*
260
2. Ansatz im
Führungszentrum
hatte die amerikanische Regierung schon immer solche Berater zur Verfügung gestellt: in Lateinamerika, in Polen und auch in Persien, wo der amerikanische Finanzmann Morgan W. Shuster in den Jahren 1911 und 1912 als Schatzmeister die persischen Finanzen saniert hatte64. Es handelte sich also um eine langgewohnte Übung, und das Haus verwarf den Vorschlag, sie zu unterbinden. Ein anderer Antrag, ähnlich gerichtet aber von anderem Schwergewicht, setzte sich jedoch durch: Das Informationsamt sollte nicht nur über die USA, sondern auch über die Vereinten Nationen und die Rolle der USA darin berichten (See. 2, 4). Der Fehler, den Truman begangen hatte, als er die Vereinten Nationen kurzerhand aus der amerikanischen Politik ausließ, sollte vermieden und, wenn möglich, wieder wettgemacht werden. Den Vereinten Nationen wurde damit innerhalb der amerikanischen Außenpolitik wieder demonstrativ ein Platz zugewiesen65. In dieser Form verabschiedete das Haus ein zweites Mal den Entwurf des Propagandagesetzes66. Die alten Reserven Der Senat, der sich prinzipiellen Neuerungen gegenüber vorsichtiger verhielt als die Zweite Kammer, war immer noch nicht überzeugt. Vandenberg hatte im Foreign Relations Committee einen Unterausschuß eingesetzt. Er bestand aus den Senatoren Smith und Hatch, zwei Freunden des Projektes, und empfahl dem Gesamtausschuß bereits Mitte Juli, die Haus-Bill zu befürworten. Dazu konnte sich jedodi der Ausschuß nicht ohne weiteres entschließen. Er bejahte zwar die Vorlage, forderte aber gleichzeitig die Einrichtung eines Gemeinsamen Ausschusses beider Häuser (Joint Committee on Government Information Program). Das Joint Committee sollte dem Congress bis zum 1. Februar 1948 über die Richtlinien und Methoden des Programms, die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die Kosten der Unternehmung und schließlich auch darüber berichten, „ob solche Tätigkeiten eine angemessene Funktion (proper funetion) der Regierung darstellten oder nicht besser durch private Organisationen, mit oder ohne Hilfe, auszuführen wären" 67 . Der Ausschuß bejahte also den Gesetzentwurf grundsätzlich68, stellte aber gleichzeitig seinen Nutzen und seine Vereinbarkeit mit dem amerikanischen Regierungssystem in Frage. Der Senat sollte damit ein Gesetz 64
Rep. Judd, R, Minn., Foreign Affairs, 18. Juni 1947, C R 93, 6, 6989.
65
Angenommen mit 70:50, 10. Juni 1947, C R 93, 5, 6747.
66
273:97:1:58, 24. Juni 1947, CR 93, 6, 7617.
«7 S. Rp. 573, 80/1, S. 6 - 7 . 88
Ibidem, S. 6.
Die Propaganda
261
verabschieden, das in seinen Schlußbestimmungen seine Existenzberechtigung anzweifelte. Diese bemerkenswerte Entscheidung des Ausschusses läßt auf die großen Schwierigkeiten schließen, denen der E n t w u r f im Senat begegnete. Sie waren der gleichen A r t wie die im Haus, nur konnten sie sich hier stärker durchsetzen. G a n z offensichtlich wäre die Vorlage erneut im Ausschuß stecken geblieben, hätte Vandenberg nicht das K o m promiß akzeptiert, mit dem das Gesetz im letzten Teil aufhob, was es im ersten bestimmte. E i n solcher E n t w u r f hatte verständlicherweise wenig Chancen, im Plenum angenommen zu werden. Der Vorsitzende des Unterausschusses, Senator Smith, machte einen schwachen Versuch, die Bill zwei
Tage
v o r Schluß der Sitzungsperiode aufzubringen, mußte aber fluchtartig den Rückzug antreten: Senator Taft verlangte, daß alles bis auf den Gemeinsamen Ausschuß gestrichen werde 6 9 . D a m i t wäre die Vorlage in ihrem sachlichen Teil erledigt worden und hätte im nächsten J a h r erneut durch beide Häuser gequält werden müssen. Senator Hatch, das zweite Mitglied des Unterausschusses, setzte am folgenden T a g mittels eines kleinen Filibusters ein K o m p r o m i ß durch: Der Gemeinsame Ausschuß wurde von dem Gesetz abgetrennt und als eigene Sache (S. Con. Res. 2 9 ) verabschiedet 7 0 . Damit w a r dem berechtigten Einwand Tafts, daß der v o m Auswärtigen Ausschuß vorgeschlagene E n t w u r f den Wagen vor das P f e r d spanne, Rechnung getragen, die Haus-Bill jedoch am Leben erhalten worden. Das Problem konnte nicht als erledigt gelten, sondern wurde lediglich um ein halbes J a h r verschoben. Für den Senat hatte das Sicherheitsproblem noch immer nicht solche Dringlichkeit gewonnen,
daß er sich der vom Haus
verabschiedeten
Fassung, obwohl sie voll von Vorbehalten steckte, ohne weiteres verschrieben hätte. D e r Durchbruch sollte erst im Winter 1 9 4 7 kommen, als die U S A
ihr neues Sicherheitssystem auszubilden begannen.
Die
Regierungspropaganda gewann dann nicht nur größeres Gewicht, sie erhielt auch eine neue Bedeutung. Sie zeigte plötzlich eine direkte Beziehung zur Führungsposition der Vereinigten Staaten, und dieser Aspekt ließ die bürgerliche Gesellschaft die Barriere nehmen, vor der sie bisher immer gescheut hatte. Die Flut der Zustimmung wurde dann so mächtig, daß sie rasch auch die restlichen Felsbrocken des Privatinteresses mit sich fortriß. 89
24. Juli 1947, CR 93, 8, 9931.
™ 26. Juli 1947, CR 93, 8, 10128 ff-, 10134, 10310.
IV. Kapitel Probleme der Erweiterung Während sich der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik in Griechenland und der Türkei, in Österreich, Italien, Triest und China langsam auszuwirken begann, zeigten sich schon die Probleme, die mit seiner Erweiterung verbunden sein würden. Man konnte zwar eine geographisch begrenzte Region mit begrenzten Mitteln absichern; etwas ganz anderes aber war es, mit Wirtschafts- und Militärhilfe die gesamte nichtkommunistische Welt gegen den Bolschewismus stärken und hinter der amerikanischen Führung formieren zu wollen. Konnten die USA sich ein solches Unternehmen leisten? Würde Auslandshilfe andererseits überhaupt ausreichen, um der Drohung der UdSSR zu begegnen, oder mußten andere Mittel, etwa militärische, eingesetzt oder doch zumindest hinzugezogen werden? Welche Rolle sollten die Vereinten Nationen spielen? Die USA konnten schließlich nicht gut eine weltweite Aktion rein als Aushilfe für die U N ausgeben. Entscheidungen dieser Art standen der amerikanischen Außenpolitik in den kommenden beiden Jahren 1948 und 1949 bevor, als sie das neue System der Sicherheit in die Wirklichkeit umsetzte. In dem Maße jedoch, in dem das System 1947 vorbereitet wurde, waren Grundprobleme schon während dieses Jahres zu klären. Die europäische Wirtschaftskrise war ein dringliches Problem, das nach einer baldigen Lösung verlangte. Außenminister Marshall hatte den europäischen Ländern am 5. Juni 1947 die amerikanische Absicht avisiert; bereits im Sommer tagte in Paris das Committee of European Economic Cooperation und stellte einen Katalog von Hilfsnotwendigkeiten zusammen. Truman mußte im Oktober 1947 eine Sondersitzung des Congress einberufen, die sich — außer mit den inflationistischen Tendenzen der amerikanischen Wirtschaft — vor allem mit der ökonomischen Misere in Österreich, Italien und Frankreich zu beschäftigen hatte. Zwar handelte es sich bei der Interim Aid noch um eine Hilfsmaßnahme, die auf die dringendste Not, noch nicht auf den Wiederaufbau dieser europäischen Länder gerichtet war. Sie leitete aber
Probleme
der
Erweiterung
263
das System, das entwickelt werden mußte, ein und war darum mit dessen wichtigsten Grundentscheidungen schon notwendigerweise befrachtet. Trumans Doktrin war in zweierlei Hinsicht überdimensioniert gewesen: in der Analyse der Sowjetunion und in der Ankündigung, daß die USA sämtlichen Staaten gegen den Kommunismus helfen würden, praktisdi also die gesamte nicht-kommunistische Welt für sich reklamierten. Beide Extreme erklärten sich aus der Funktion der Truman-Botschaft, die die Richtung der amerikanischen Außenpolitik offiziell verändern sollte. Dazu war kurzfristig ein starker Ruderausschlag erforderlich; nachdem er seine Aufgabe erfüllt und den Kurs umgelegt hatte, konnte und mußte er weitgehend zurückgenommen werden. Denn das eine Extrem hätte in seiner logischen Folge zum Krieg gegen die Sowjetunion geführt, das andere war unnötig und überstieg selbst die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Vereinigten Staaten. Es kam also darauf an, das Verhältnis zur Sowjetunion und damit den Spannungszustand in der geteilten Welt zu bestimmen. Es galt ferner, die geographischen Ausmaße des zu errichtenden Systems festzulegen. Schließlich mußte man sich über die Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer des Systems und über die Zwecke der Hilfe Klarheit verschaffen.
1. D E R
CHARAKTER
DER
SICHERHEIT
Der Wortlaut des Hilfsgesetzes für Griechenland und die Türkei hatte die Sprache Trumans schon beträchtlich gemildert, indem es die Maßnahme wenigstens dem Namen nach in den Rahmen der Vereinten Nationen zurückbrachte. Im ganzen aber sahen sich die USA der Schwierigkeit gegenüber, daß der Angriff des Kommunismus f ü r sie zwar deutlich erkennbar war, daß er aber, weil er indirekt über das Gesellschaftssystem der Länder ihres Führungsbereiches erfolgte, nur schwer demonstriert, kaum bewiesen und schon gar nicht zum Anlaß irgendeiner traditionellen Verteidigungsaktion gemacht werden konnte. Dieser Nachteil wurde in der Praxis dadurch wettgemacht, daß das amerikanische Gegeninstrument, die Wirtschaftshilfe, auch viele Vorteile aufwies. Sie waren sogar größer als die, die Moskau aus der subversiven Taktik zog. Denn die ökonomischen N ö t e der meisten Länder waren evident und ihr Wunsch nach Unterstützung offenkundig und beweisbar. Für sich betrachtet, setzte die amerikanische Wirtschaftshilfe nur fort, was zur Zeit des Kollektiven Modells als allseits willkommen gepriesen worden war. Sie konnte insofern beanspruchen, völlig unpolitisch zu
264
1. Der Charakter der Sicherheit
sein. Moskau war überhaupt nicht in der Lage, in dieser Hilfe verbindlich eine feindliche Absicht nachzuweisen. Die amerikanische H i l f e unterstützte lediglich die Wirtschaft der Empfängerländer, und nur mittelbar, sozusagen als unvermeidliche Folge, auch deren politisches System. Das konnte als feindliche Maßnahme nur von solchen aufgefaßt werden, die diese Herrschaftsordnung stürzen wollten, praktisch also nur von den Kommunisten. N u r im Bereich ihrer Oboedienz galt, daß Wirtschaftshilfe ein anti-kommunistisches Instrument der amerikanischen Außenpolitik sei. In der nicht-kommunistischen Sphäre konnte die Sowjetunion nur mit propagandistischen Verzerrungen arbeiten, wollte sie die amerikanische Aktion zu diskreditieren versuchen. Selbst dabei waren ihre Chancen gering. Wirtschaftshilfe paßt nicht ins Klischee des Imperialismus; sie unterscheidet sich davon, wie Defensive von Offensive, Kooperation von Domination. Die Hilfsempfänger fühlten sich nicht unterjocht, sondern unterstützt. Vor allem die Westeuropäer wußten sich mit den USA in vielen Grundanschauungen über das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben dermaßen verbunden, daß sie die Auflagen, mit denen die Vereinigten Staaten ihre Wirtschaftshilfe versahen, nicht als sonderlich störend empfanden. Diese Auflagen dienten schließlich der Wiederherstellung einer durchweg akzeptierten, weil bewährten, wirtschaftlichen und politischen Ordnung. Die Schwierigkeit, die kommunistische Bedrohung nicht verbindlich nachweisen zu können, wurde f ü r die USA somit mehr als ausgeglichen durch den Vorteil, die politische Abwehr des Kommunismus als zwar indirekte, aber automatisch-sichere Folge amerikanischer Wirtschaftshilfe erzielen zu können. Sie traf im Führungsbereich auf ein objektives Bedürfnis und damit auf Zustimmung. Für die Vereinigten Staaten bot dies die Möglichkeit, sich gegenüber der Sowjetunion offiziell zurückhalten zu können. Man brauchte nicht vom Bolschewismus, man brauchte nur von Wirtschaft zu reden. Der Gegensatz zur Sowjetunion hatte zwar den neuen Entwurf der amerikanischen Sicherheit ausgelöst; aber seine Erweiterung zu einem die nicht-kommunistische Welt erfassenden Sicherheitssystem ließ sich bewerkstelligen, ohne daß man die Sowjetunion ständig erwähnen mußte. Alles andere hätte sogar nur geschadet. Der Charakter der kommunistischen Aggression verwandelte jede amerikanische Hilfsaktion von selbst in einen den Bedingungen des jeweiligen Empfänger-Landes genau angepaßten politischen Erfolg gegen die Sowjetunion. Das Containment des Bolschewismus — um einen bekannten Ausdruck zu verwenden —
Der auslösende
Faktor
265
wurde somit automatisch bewirkt durch die Stabilisierung bürgerlichprivatwirtschaftlicher Ordnungen, die dem liberalen demokratischrepublikanischen Herrschaftssystem entsprachen. Der auslösende
Faktor
Aus diesem Zusammenhang erklärt es sich, daß sich die Äußerungen amerikanischer Staatsmänner im Verlauf des Jahres 1947 immer weiter von den Schärfen der Truman-Doktrin lösten. Der scheidende Stellvertretende Außenminister Acheson hatte den Versuchsballon, den er in seiner Rede vom 8. Mai in Cleveland, Missouri, steigen ließ, schon im wesentlichen mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen Europas sowie den korrespondierenden Interessen der U S A gefüllt und ihn nur noch ein wenig mit den Perspektiven des Gegensatzes zur Sowjetunion beschwert 1 . Dieser Trend verstärkte sich noch, offenbar unter dem Einfluß der von George F. Kennan geleiteten Planungsgruppe im Außenministerium. Ein Memorandum dieser Gruppe warnte am 22. Mai ausdrücklich davor, die Truman-Doktrin mißzuverstehen und die amerikanische Außenpolitik lediglich als Reaktion auf eine kommunistische Bedrohung, die amerikanische Wirtschaftshilfe nur als Teil dieser Reaktion erscheinen zu lassen 2 . Es lag ganz auf dieser Linie, daß Außenminister Marshall in seiner berühmten Rede vom 5. Juni in Harvard die Sowjetunion ausdrücklich aus dem Schußfeld der Wirtschaftshilfe herausnahm. Die amerikanische Politik richte sich gegen kein Land und gegen keine Lehre (doctrine). „Ihr Zweck soll vielmehr die Wiederbelebung einer arbeitsfähigen Wirtschaft in der Welt sein, damit gesellschaftliche und politische Bedingungen geschaffen werden, in denen freie Institutionen bestehen können" 3 . Vom ursprünglichen Anlaß war in dieser ersten Phase des amerikanischen Sicherheitssystems kaum noch die Rede. Die Schaffung gesellschaftlich-politischer Bedingungen, unter denen freie oder doch wenigstens — um den untersten Nenner zu nehmen — anti-kommunistische Regierungen entstehen konnten, wurde nicht mehr auf die Drohung der Sowjetunion zurückgeführt, sondern als Notwendigkeit sui generis bezeichnet. Natürlich müssen Stellungnahmen wie die Marshalls auch pragmatisch verstanden werden, als geläufiger diplomatischer Versuch, eine Maß1
Acheson, The Requirements of Reconstruction, DoSB, X V I , 411, 18. Mai 1947,
S. 991—994. Vgl. bes. S. 994. Acheson trat am 12. Mai 1947 von seinem Amt zurück. 2
Zitiert nadi dem Teil-Abdrudc des Memorandums bei Price, Marshall Plan, S. 23.
3
Marshall, European Initiative Essential to Economic Recovery, DoSB, X V I , 415,
15. Juni 1947, S. 1160.
266
1. Der Charakter
der
Sicherheit
nähme durch Worte umzumünzen, ihren internationalen Streitwert zu verringern. Darüber hinaus aber kam es den USA durchaus nicht mehr darauf an, den Gegensatz zur Sowjetunion hochzuspielen, nachdem sich der neue Entwurf der Außenpolitik einmal durchgesetzt hatte. Er war jetzt fast unabhängig von diesem Gegensatz, hatte eine Eigenbewegung gewonnen, die eines neuen Antriebs nicht mehr bedurfte. Außenminister Marshall ließ es sich sogar selbst angelegen sein, innerhalb der USA abzuwiegeln und die Presse zur Zurückhaltung aufzufordern 4 . Marshall nahm die Kritik an der Sowjetunion so weit zurück, daß der amerikanisch-russische Gegensatz lediglich als Meinungsverschiedenheit über den Wiederaufbau Europas erschien und nicht etwa als direkter Interessenkonflikt der beiden Mächte 5 . Der Unterschied zu der Botschaft Trumans war gar nicht zu verkennen. Eine ähnliche Tendenz zeigte sich im Congress. Präsident Truman hatte ihn am 23. Oktober 1947 zu einer Sondersitzung einberufen, um Maßnahmen gegen die Inflation in den USA und gegen die wirtschaftliche Not in Frankreich, Italien und Österreich zu beraten. Die Legislative holte jetzt die Grundsatzdebatte nach, die im Sommer nicht stattgefunden hatte, und diskutierte dabei in erster Linie die Politik der Sowjetunion und die amerikanische Reaktion. Der Fortschritt, der inzwischen mit der Wirtschaftshilfe für Europa gemacht worden war, zeigte auch hier seine Wirkung. Der Gegensatz zur UdSSR wurde nur noch ganz allgemein als Gefährdung der amerikanischen Sicherheit aufgefaßt; die Aufmerksamkeit widmete sich statt dessen den Einzelproblemen des neuen Ansatzes. Als wichtigstes Ziel der Nothilfe (Interim Aid) wurde die wirtschaftliche Situation in Europa bezeichnet; erst in zweiter Linie wurde die Abwehr der Partei genannt, die auf Zerstörung und Verwirrung hinarbeite 6 . Man sprach natürlich deutlich aus, daß die ökonomische Misere durch die auf die Weltherrschaft zielenden Pläne und Aktionen des Kommunismus besonders verschärft werde 7 ; die Neugründung des Kominform (Ende September in Polen), regte dazu an, den Anlaß des neuen Entwurfes der amerikanischen Außenpolitik und seiner Erweiterung entsprechend zu betonen. Zumindest die führenden Köpfe des Congress 4
Marshall, The Problems of European Revival and German and Austrian Peace Settlements, DoSB, X V I I , 439, 30. November 1947, S. 1027. 5
Ibidem, S. 1025.
® Committee on Foreign Relations, S. Rp. 771, 80/1, 21. November 1947, on S. 1774, European Interim Aid Act of 1947, S. 16. 7
Rep. Kee, D , W. Va., Foreign Affairs, 5. Dezember 1947, CR 93, 9, 11111.
Das bewegende
Element
267
aber vermieden es, die amerikanische Wirtschaftshilfe lediglich als Antwort auf die Bedrohung durch die Sowjetunion hinzustellen 8 . Selbst dort, wo diese Nuance nicht erschien, wurden der Sowjetunion kaum aggressive Tendenzen unterstellt. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses ließ sich zwar vom Kriegsministerium über das militärische Potential in West- und Osteuropa orientieren, weil der kommunistische Widerstand gegen den Wiederaufbau Europas einen Punkt erreicht habe, an dem eine Betrachtung der militärischen Verhältnisse angebracht sei9. Aber die militärische Lage diente nicht zur Begründung der amerikanischen Hilfe. Der Ausschuß hielt sich vielmehr an Präsident Truman, der nun auch seinerseits in der Congress-Botschaft über die Interim Aid kaum noch vom Gegensatz zur Sowjetunion, sondern nur noch davon gesprochen hatte, sich in der Zusammenarbeit mit freiheitliebenden Staaten nicht durch „ständige Differenzen mit einigen Nationen" stören zu lassen10. Uberspitzt läßt sich formulieren, daß der Aufbau eines neuen Sicherheitssystems im amerikanischen Führungsbereich von der Beurteilung der Sowjetunion weitgehend unabhängig geworden war. Das bewegende Element Diese Diskontinuität entspricht durchaus der Wirkungsweise des Zieles Sicherheit. Sicherheit ist, neben Nahrung, die wichtigste Voraussetzung für die Existenz einer politischen Einheit. In der Skala der Ziele steht Sicherheit daher mit zuoberst. Sie ist von sehr viel größerer Bedeutung als ihre aktuelle Variante, die Verteidigung. Während diese sich gegen einen konkreten Angriff richtet und dazu eine zwar starke, aber doch nur vorübergehende Anstrengung aller Kräfte erfordert, orientiert sich das Ziel der Sicherheit an der ständig und unaufhörlich gegebenen Möglichkeit einer Schädigung lebenswichtiger Interessen. Das Ziel erfaßt 8 Vgl. etwa Vandenberg, Foreign Relations, Chairman: Der kommunistische Vorstoß bedinge das amerikanische Interesse, die Freiheit in anderen Ländern zu stützen. — Dennoch interpretierte Vandenberg Interim Aid und das ERP nicht als Erklärung eines Wirtsdiafts-Krieges an die Sowjetunion, sondern als Zusammenarbeit kriegsgeschädigter Nationen, die sich an die USA um Hilfe gewandt haben. 24. November 1947, CR 93, 9, 10702, 10704. 9 Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1152, 80/1, 2. Dezember 1947, on H. R. 4604, Emergency Foreign Aid, S. 12. Die Aufstellung über diese Streitkräfte (S. 12—13) ist die erste Erwähnung des militärischen Aspekts im Congress. 10
Truman an den Congress, 17. November 1947, CR 93, 9, 10595.
268
1. Der Charakter
der
Sicherheit
den gesamten Besitzstand einer politischen Einheit und wird praktisch von jeder Veränderung im politischen Feld angesprochen. Sicherheit ist somit ein außerordentlich empfindliches Ziel. Es verlangt nicht nur, Vorsorge für die reine Potentialität zu treffen — so wurde etwa das Kollektive Sicherheitssystem zu einer Zeit begründet, als ernstere Spannungen noch überhaupt nicht zu sehen waren. Das Ziel reagiert auch auf das geringste Anzeichen, daß sich die potentielle Gefährdung aktualisiere. Sicherheit verlangt, daß sich die politische Einheit sofort auf die Abwehr dieser möglichen Gefahr einrichtet; und der Prozeß dieser Umstellung pflegt, da es sich um eines der beiden obersten Ziele handelt, fast automatisch abzulaufen. So mußten die Vereinigten Staaten von dem Moment an, in dem sich eine bestimmte, distinkte Gefährdung ihrer Sicherheit ankündigte, ihr Rechnung tragen. Es war Vorsorge zu treffen, und zwar unabhängig davon, wie sich diese Gefährdung weiter entwickeln würde. Ihre Existenz reichte aus, um den Aufbau eines entsprechenden Abwehrsystems auszulösen, und dieser Prozeß vollzog sich sodann mit der Eigengesetzlichkeit, die von der Bedeutung des Zieles Sicherheit verlangt wird. Diese Eigenbewegung kann weit über den Umfang, in dem sich die den Prozeß auslösende Aktion bewegte, hinausgehen, und zwar nicht nur geographisch, sondern auch in der Intensität. Ein lokaler Interessenkonflikt oder die Erfahrung, daß Übereinstimmungen zwischen zwei Mächten kontinuierlich ausbleiben, könnten an sich ohne Schwierigkeiten überstanden werden. Sobald jedoch eine Seite die Differenzen auf die Ebene der Sicherheit hebt, kommt jene Entwicklung in Gang, die von keiner Seite beabsichtigt zu sein braucht, in keinem Verhältnis mehr zum Anlaß stehen und sehr leicht in einen schweren Konflikt münden kann. Damit ist angedeutet, daß das Ziel der Sicherheit in der Tat imstande ist, von sich aus Konflikte zu verschärfen oder sie überhaupt erst heraufzubeschwören. Rein tritt dieses Sicherheitsdilemma jedoch sehr selten auf; in der Regel dürften mindestens auf einer Seite Absichten mitwirken, die sich nicht unter Sicherheit rubrizieren lassen — oder doch nur dann, wenn man als das Stadium, das allein Sicherheit zu verbürgen vermag, die "Weltherrschaft ansieht. Eine solche Konsequenz zu ziehen, ist zwar theoretisch richtig, sie läßt sich jedoch auf die Analyse der internationalen Beziehungen in der bisherigen Weltgeschichte nicht anwenden 11 . 11
Die These, daß jedes Phänomen sich auf ein „Sicherheits- und Machtdilemma", also darauf zurückführen läßt, daß Nationen wie Individuen „töten, um nicht getötet
Das bewegende
269
Element
Es ist Sache der Geschichtsschreibung, die Gründe des Ost-West-Konfliktes im einzelnen festzustellen und die Frage zu beantworten, ob die ideologischen Vorstöße des Kommunismus seit 1945 auf Motive der Sicherheit zurückzuführen waren; f ü r eine politologische Untersuchung, die auf die Struktur der amerikanischen Außenpolitik abzielt, ist allein wichtig, daß die Expansion einer gegen die bürgerlich-liberale Gesellschaftsordnung und damit letztlich gegen den Bestand der USA gerichteten Ideologie in den Vereinigten Staaten die Bildung eines Sicherheitssystems in Gang gebracht hatte. Einmal in Bewegung, vollzog sich dieser Vorgang, wie dargetan, unabhängig von einer kontinuierlichen Analyse des auslösenden Faktors. Sie kann auch hier fernerhin vernachlässigt werden. Sie war zu verfolgen, solange sie als Ferment der Umbildung wirkte. Nachdem dieser Prozeß für den zu behandelnden Zeitraum abgeschlossen ist, muß sich die Aufmerksamkeit vornehmlich dem neuen, im Ausbau begriffenen System zuwenden. Denn hier liegen jetzt die relevanten Probleme, die über die Grundelemente der amerikanischen Außenpolitik Aufschluß geben.
2. D I E
BEZIRKE
DER
SICHERHEIT
Truman hatte in seiner Congress-Botschaft im Grunde die gesamte nicht-kommunistische Welt in den Entwurf einbezogen und ihn nur insoweit differenziert, als er die europäischen Länder eigens erwähnte. Indes konnten die Vereinigten Staaten nicht der ganzen Welt helfen. Ein solcher Versuch mußte nicht nur zwecklos bleiben; er war im Grunde auch gar nicht vonnöten. Das Memorandum des Planungsstabes im amerikanischen Außenministerium wünschte selbst die sachlich nicht ungerechtfertigte Interpretation zu beseitigen, daß die Truman-Doktrin ein Blankoscheck auf amerikanische Wirtschafts- und Militärhilfe für jedes Land sei, wo der Kommunismus erfolgreich auftrete 1 . Es war aus praktischen Gründen unvermeidlich, daß hier eine Einschränkung erfolgte. zu werden", wird vor allem von Herz, Politischer Realismus, vertreten, S. 15—31, 256 ff. Sie wendet sich zu Recht gegen die Machttheorie der Realistischen Schule, vgl. Herz, International Politics, S. 231 ff. und bes. Anm. 1. Das Sicherheitsdilemma ist gewiß der zutiefstliegende Faktor in den zwischenstaatlichen Beziehungen; seine Wirkung zeigt sidi gerade heute beim Versuch zur Koexistenz. Zu fragen bleibt indes, ob man nidit in anderen Zeiten und Gesellschaften auch andere, den Sekuritätsinteressen gleichgesetzte Ziele findet. 1
Memorandum vom 23. Mai 1947, zitiert bei Price, Marshall
Plan, S. 23.
270
2. Die Bezirke der
Sicherheit
Außenminister Marshall räumte im Herbst ein, daß es in vielen Weltgegenden schwere Wirtschaftsprobleme gebe, daß jedoch gerade die Größe der Aufgabe verlange, amerikanische Hilfe auf die kritischen Bereiche zu konzentrieren 2 . Zu dieser Zone zählte jedes Land, das bedroht und/ oder für die amerikanische Sicherheit relevant war. Danach lassen sich zentrale und periphere, darin wieder bedrohte und unbedrohte Bereiche unterscheiden, sowie eine entsprechend abgestufte Skala der amerikanischen Mittel. Lateinamerika Im Vordergrund des Interesses standen 1947 selbstverständlich die europäischen Länder, weil sie sowohl bedroht wie für die amerikanische Sicherheit zentral waren. Im Hintergrund vollzog sich jedoch ein wichtiger Vorgang, der einem anderen, zwar minder bedrohten, keineswegs aber minder zentralen Bezirk galt: Lateinamerika. Die Westliche Hemisphäre stellt die unmittelbare, engste Sicherheitszone der Vereinigten Staaten dar, ihren traditionellen Einfluß- und Führungsbereich. In dieser zentralen, aber nicht gefährdeten Region wurde am 2. September 1947 der Gegenseitige Beistands-Vertrag der amerikanischen Staaten abgeschlossen. Für sidi betrachtet, stellte der Pakt die Fortsetzung der Integrationsbestrebungen dar, die die USA während des Zweiten Weltkrieges entfaltet hatten 3 . Das Abkommen war in der Act of Chapultepec vom 6. März 1945 verabredet worden und sollte den intensiven gegenseitigen Beziehungen vertraglichen Ausdruck verleihen. Nach Kriegsende rückte das Projekt in den Hintergrund, weil es Vordringlicheres zu tun gab, und weil die Kontroverse der Vereinigten Staaten mit dem faschistisch tendierenden Argentinien die weitere Zusammenarbeit erschwerte. Erst der sich ankündigende Bruch mit der Sowjetunion aktualisierte wieder das amerikanische Interesse, und argentinische Konzessionen machten es den USA leichter, einzulenken 4 . Die immer wieder verschobene Konferenz fand endlich vom 15. August bis 2. September 1947 in Petropolis (Brasilien) statt, wo der Pakt geschlossen wurde. 2
Marshall, Effects on World Economy of Long-Range and Interim Aid Programs,
DoSB, X V I I , 438, 23. November 1947, S. 967. 3 Vgl. dazu School of Inter-American Affairs, Post-World ments in Latin America, S. 33 ff. 4
Campbell, United States in World Affairs
1945-1947,
War II Political
Develop-
S. 229 ff., bes. S. 2 3 1 - 2 3 2 .
Europa
271
Als der Congress im Winter 1947 zur Sondersitzung zusammentrat, um die ersten Schritte in Richtung auf das neue Sicherheitssystem zu tun, hatte er nicht nur die Nothilfe für einige europäische Länder, sondern auch den Gegenseitigen Beistands-Pakt der amerikanischen Staaten zu genehmigen5. Das war die gleichsam amtliche Kennzeichnung Lateinamerikas als eines zentralen Bezirks der amerikanischen Sicherheit. Ein besonderes militärisches oder wirtschaftliches Schwergewicht besaß dieser Bezirk nicht; die Beziehungen der U S A zu Lateinamerika waren indes seit jeher so intensiv, der nordamerikanische Vorrang darin so unbestritten, daß der Senat den Zusammenschluß, der doch einen verhältnismäßig hohen Integrationsgrad aufwies, ohne weiteres guthieß.
Europa Die Abstufung der Sicherheitsbezirke außerhalb der Westlichen Hemisphäre bot keine großen Schwierigkeiten. Es gab nur eine Region, die als traditionell bedeutsam für die amerikanische Sicherheit angesehen wurde: Europa. Sie lag zudem der Sowjetunion am nächsten und war daher besonders gefährdet. Der Wert Europas für die U S A ließ sich mit Händen greifen. Sie hatten in zwei europäischen Weltkriegen interveniert, beim letzten sogar um ihrer direkten Sicherheit willen. Die moderne Waffentechnik hatte den Analysen Mackinders unerwartete Aktualität verliehen: in der Tat konnte eine Macht, die das ,Herzland' der ,Weltinsel' und deren Hilfsquellen besaß, die britisch-amerikanische Flotte ausschalten und beide Staaten, vor allem eben jetzt die U S A direkt bedrohen. Konsequent hatte Roosevelt seit 1940 darauf hingewiesen, daß die Verteidigung Englands und Frankreichs ein integrierender Bestandteil der Verteidigung Nordamerikas sei. Das berühmte Joint Board Estimate of United States Overall Production Requirements, von den Stabschefs General Marshall und Admiral Stark am 11. September 1941 vorgelegt, leitete aus dieser Möglichkeit direkter Bedrohung der Vereinigten Staaten die Notwendigkeit der amerikanischen Intervention im Zweiten Weltkrieg ab6. Es war nur logisch, daß den U S A an einer kontinuierlichen Sicherung Europas gelegen sein mußte. 5
Der Senat ratifizierte den Vertrag am 8. Dezember 1947, nach nur kurzer Debatte,
mit 72:1:23, C R 93, 9, 11121-11137. • Zitiert nach Sherwood, Roosevelt and Hopkins, S. 323—324.
272
2. Die Bezirke der Sicherheit
Zu der strategischen Bedeutung Europas trat die ideologische. Der alte Kontinent war nicht nur die Wiege jener Gesellschaftsordnung gewesen, gegen die jetzt der Kommunismus anrannte; er stellte noch immer eine starke Bastion dieser Ordnung dar. Für die Vereinigten Staaten, die jetzt die Hauptmacht der Abwehr bildeten, mußte daher der freie Teil Europas der natürliche und wichtigste Bundesgenosse sein. D a der Ost-West-Konflikt im Kern eine ideologische Auseinandersetzung enthielt, bildete Europa auch unter diesem Aspekt einen zentralen Bereich der amerikanischen Sicherheit. Fiel er an den Kommunismus, so war die wichtigste Schlacht f ü r die USA verloren. Europa war aber für die USA nicht nur strategisch, sondern auch wirtschaftlich wichtig. „Ernährung" stellt das zweite, der physischen Sicherheit gleichzuordnende Grundziel jeder politischen Einheit dar. Soweit davon ihre Existenz abhängt, bildet Ernährung nur den wirtschaftlichen Ausdruck der Sicherheit. Darüber hinaus hängt f ü r eine bürgerliche Republik jegliche Wohlstandssteigerung von den Möglichkeiten der Wirtschaft ab. Sowohl die Existenzsicherung wie die Entfaltung des Wohlstands wiesen also die Vereinigten Staaten — wenngleich in entsprechend variierten Dringlichkeitsstufen — auf die wirtschaftliche Bedeutung Westeuropas hin. Es hatte vor dem Zweiten Weltkrieg fast die Hälfte des Welthandels bestritten und über nahezu zwei Drittel der Handelsflotte verfügt. In den Grundindustrien überragten die westeuropäischen Länder sogar die Vereinigten Staaten 7 . Daraus ergab sich einmal, daß sich die Weltwirtschaft nicht wiederbeleben ließ, bevor nicht Europa arbeitsfähig geworden war 8 . Daraus ergab sich vor allem, daß die amerikanische Wirtschaft ohne die europäischen Staaten nicht florieren konnte. Die 16 westeuropäischen Staaten, die die O E E C gründeten, hatten 1938 mehr als ein Drittel ( 3 5 % ) des amerikanischen Exports abgenommen 9 . Die europäische Wirtschaft war für den Stand der Weltwirtschaft maßgebend und somit für die Vereinigten Staaten entscheidend. Die Bedrängnis dieses wirtschaftlich wie politisch zentralen Bereichs im Sommer 1947 war ein objektiver Zustand, dem unbedingt abgeholfen werden mußte: ihm galt das Angebot Marshalls vom 5. Juni. 7 Marshall, Effects on World Economy of Long-Range and Interim Aid Programs, DoSB, XVII, 438, 23. November 1947, S. 968. 8 Norman Armour, America's Challenge in World Affairs, DoSB, XVII, 438, 23. November 1947, S. 977. 9
Derselbe, America's Stake in Europe, DoSB, XVII, 435, 2. November 1947, S. 864.
Europa
273
Präsident Truman hatte drei Sonderausschüsse eingesetzt, die die wichtigsten Probleme klären sollten: Maßgebliche Personen des öffentlichen Lebens prüften, unter Handelsminister Harriman, die Grenzen amerikanischer Hilfeleistung. Unter dem Vorsitz des Innenministers Krug untersuchte ein zweiter Ausschuß die Hilfsquellen der Vereinigten Staaten. Der Council of Economic Advisors schließlich, geleitet von E. G. Vourse, widmete sich den Folgen der Auslandshilfe für die amerikanische Wirtschaft. Der Congress hatte sich den unabweisbaren Fakten ebenfalls schon gebeugt. Das Haus setzte einen Spezialausschuß für Auslandshilfe ein, der vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Eaton, praktisch jedoch vom Abgeordneten Herter, geleitet wurde 10 . Die republikanische Mehrheit wollte sich damit einen eigenen Uberblick über Umfang und Problem der Europa-Hilfe verschaffen. Vor allem sollte versucht werden, das übliche Stückwerk zu vermeiden und statt dessen — eine Lieblingsidee der republikanischen Führung im 80. Congress11 — von vornherein das gesamte Ausmaß des Projekts deutlich zu machen. Der Herter-Ausschuß legte 1947 und 1948 zahlreiche Berichte vor, die durchweg hochspezialisiertes und vorzügliches Material über die Lage der europäischen "Wirtschaft, ihre Bedürfnisse auf bestimmten Sektoren und über die inneramerikanischen Probleme der Auslandshilfe enthielten. Angesichts der Wirtschaftskrise in Europa stand die Notwendigkeit sofortiger amerikanischer Hilfe außer Frage12. Um den Anschluß an das geplante große Programm zu erreichen und den Winter 1947/48 zu überstehen, brauchten Österreich 42, Italien 227 und Frankreich 328 Millionen Dollar 13 . In der Rekordzeit von nur drei Wochen verabschiedete der Congress im Dezember 1947 sowohl das Gesetz wie die Geldbewilligung14. 10
H . Res. 295, 80/1, verabschiedet am 22. Juli 1947, CR 93, 8, 9 / 6 1 - 9 7 6 3 .
11
Carroll, House of Representatives, S. 118. Der .omnibus approadi' wurde ergänzt durdi die Einrichtung eines Stabes von qualifizierten Mitarbeitern für den Auswärtigen Ausschuß, ibidem, S. 104 ff. 12 Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 1152, 80/1, on H. R. 4604, Emergency Foreign Aid, S. 3. 15
Truman an den Congress, 17. November 1947, CR 93, 8, 10595.
14
Beratungsdaten im Senat: Gesetz: 24. November—28. November, 1. Dezember 1947, CR 93, 9, 10700—10722, 10822-10848, 10889-10919, 10921-10934, 10955-10980. Bewilligung: 19. Dezember 1947, CR 93, 9, 11678—11704. 18
Czempiel
274
2. Die Bezirke der Sicherheit
Die Diskussionen ließen die Bedeutung der europäischen Region und die politische Absicht der Hilfsmaßnahmen deutlich erkennen. Humanitäre Gesichtspunkte spielten gewiß eine Rolle, ausschlaggebend aber war der politische Zweck: die Hilfe sollte die politische Haltung der Empfängerländer beeinflussen und sie gegen den Kommunismus stabilisieren15. Es ging darum, „die freien Nationen Westeuropas zu stärken und damit ein Machtgleichgewicht zu schaffen, das in Zusammenarbeit mit den USA den Frieden der Welt bewahren wird. Wir schlagen vor, hungernde Städte zu ernähren, um den Sturz nicht-kommunistischer Regierungen zu verhindern, um die Integrität uns freundlich gesinnter Mächte in Westeuropa zu erhalten, sie wirtschaftlich unabhängig (self-sustaining) zu machen und dadurch die weitere Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern und den Frieden der Welt zu bewahren. Das ist der Zweck dieses Gesetzes. Es ist in der Tat ein Gesetz zur nationalen Verteidigung" 16 . Europa war die vorderste Front der Vereinigten Staaten17. Die europäischen Mächte zu stärken, hieß darum, die Fundamente zu legen, auf denen später selbsttragende Pfosten der amerikanischen Sicherheit stehen konnten. Zunächst mußten es wirtschaftliche Fundamente sein. Die europäische Industrie lag darnieder; in Italien wie in Frankreich ließ sich die Größe der Kommunistischen Parteien zu weiten Teilen auf den Hunger und die Not der Bevölkerung zurückführen. Wirtschaftshilfe war in Europa die conditio sine qua non. Die politischen und militärischen Ziele, die damit erreicht werden sollten, schimmerten jedoch von Anfang an durch. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses hatte sich vom Kriegsministerium die Militärstärken in Ostund West-Europa geben lassen. Danach standen den 199 Divisionen der Sowjetunion und der Satellitenstaaten 104 europäische Divisionen gegenüber18. Das war wenig genug; aber es war viel, wenn man berücksichtigte, Im Haus: Gesetz: 4 . - 1 1 . Dezember 1947, CR 93,9, 11035-11072, 11077-11116, 11148-11184, 11188—11231, 11242—11272, 11276—11307. Bewilligung: 16.-17. Dezember 1947, CR 93, 9, 11465-11484, 11537-11567. Zitate, wenn nicht anders vermerkt, bis auf weiteres aus diesen Debatten. 15
Sen. Barkley, D, Ky., Minority Leader, CR 93, 9, 10908.
16
Rep. Cannon, D, Mo., Appropriations, CR 93, 9, 11470.
17
Vgl. die Stellungnahmen der Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses des Hauses: Vorys, R, Ohio, Jarman, D, Ala., Jackson, R, Calif., Lodge, R, Conn., CR 93, 9, 11043, 11046,11070,11096. 18
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1152, 80/1, S. 12-13.
Asien
275
daß die U S A selbst nur über 3V3 (allerdings starke) Divisionen verfügten. Die 104 europäischen bedeuteten dann eine maßgebende Verstärkung, zumal sie sich direkt an der vordersten Linie der Auseinandersetzung befanden. Diese militärischen Folgen der amerikanischen Wirtschaftshilfe wurden durchaus gesehen 19 . Wie in Nahost sollte die ökonomische Unterstützung auch bei den europäischen Ländern unmittelbar die militärische K a p a z i t ä t fördern. Anders aber als im N a h e n Osten blieb der Zusammenhang hier nicht nur auf diesen direkten N u t z e f f e k t beschränkt. Es klang schon — wenn auch noch schwach und unscharf — der Gedanke an, daß man die europäischen Länder zu Bundesgenossen haben müßte 2 0 . In der Erweiterung des E n t w u r f s der amerikanischen Außenpolitik war Europa somit als der wichtigste Bereich ausgezeichnet. Er lag zentral und war akut bedroht. Ihm mußten die größten Anstrengungen gelten. Asien Eine solche zentrale Bedeutung f ü r die Sicherheit und f ü r den Wohlstand der Vereinigten Staaten hatten die anderen Bereiche der Welt nicht aufzuweisen. Theoretisch freilich ließ sich argumentieren, daß Asien nicht minder wichtig sei als Europa, daß im Grunde sämtliche wirtschaftlichen Notstandsgebiete die Aufmerksamkeit der USA beanspruchen müßten. W o immer das Entwicklungsniveau eines Landes hinter den Wünschen seiner Bewohner zurückblieb, f a n d der Kommunismus einen Ansatzpunkt vor: im N a h e n und Mittleren Osten, in Asien, A f r i k a oder in Lateinamerika. In der Wirklichkeit herrschte hier allerdings ein starkes Bedeutungsgefälle. Die Mittel der Sowjetunion waren erheblich kleiner als die der Vereinigten Staaten, und die Möglichkeit, daß ein kommunistischer Vorstoß stattfand, n a h m mit der Entfernung des Landes von den beiden Antipoden ständig ab. Es k a m also darauf an, auch in diesen peripheren Bereichen den P u n k t zu finden, bis zu dem sich das amerikanische Sicherheitsinteresse wenigstens in irgendeiner Form in amerikanischen Aktionen ausdrücken mußte. Dieser P u n k t mußte dort liegen, w o die Bedeutung des betreffenden Landes f ü r die U S A sich mit der Grenzlinie schnitt, die den Vereinigten Staaten von ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten auferlegt wurde.
18»
19
Vgl. Rep. Vorys, Foreign AfFairs, C R 93, 3, 11043.
20
Vgl. etwa Rep. H a y s , R, Ark., Banking and Currency, C R 93, 9, 11062.
276
2. Die Bezirke der Sicherheit
Größere Schwierigkeiten bereitete lediglich die Einordnung Chinas. Seine Relevanz für die USA war seit den Tagen John Hays offiziell anerkannt; jedoch war sie niemals klarer definiert worden als mit der Forderung nach der „Offenen Tür". Die japanisch-chinesische Auseinandersetzung hatte wohl eine neue Doktrin, aber nicht — wie in Europa — eine Intervention der USA ausgelöst. Der japanische Angriff auf die Vereinigten Staaten hatte das strategische Interesse der Militärs geweckt, dem vorübergehend durch die Besetzung Japans und auf die Dauer durch den — gerade geregelten (s. o. S. 113 ff.) — Besitz der Stützpunkte im Pazifik Rechnung getragen wurde. Die pazifische Flanke der Vereinigten Staaten war damit strategisch abgesichert; die Asien-Politik konnte sich freilich darin nicht erschöpfen. Das Kardinalproblem war und blieb China. Das Land wurde akut durch den Kommunismus bedroht, daran herrschte inzwischen kein Zweifel mehr. War China aber für die amerikanische Sicherheit peripher oder zentral? Diese Frage wurde niemals grundsätzlich, sondern immer nur von Fall zu Fall praktisch beantwortet, als Kompromiß zwischen den jeweiligen Zuständen in China und den amerikanischen Möglichkeiten. Marshalls Mission 1946 war ergebnislos verlaufen, was indes nicht als beunruhigend aufgefaßt wurde. Seitdem hatte sich der Bürgerkrieg verschärft und die amerikanische Politik der Halbheiten hinfällig werden lassen. Während die Regierung China faktisch als peripher ansah, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil jede Höherbewertung die Vereinigten Staaten vor kaum lösbare Aufgaben gestellt hätte, griffen die Republikaner seit dem Sommer 1947 diese Einschätzung heftig an. Auch sie gingen nicht so weit, China als zentral zu bezeichnen, aber sie wollten es wenigstens nicht so weit in den Hintergrund schieben wie die Regierung, die China nicht in die Hilfsprogramme aufgenommen und den Congress seit Kriegsende mit der China-Frage nicht mehr befaßt hatte 21 . Die Auseinandersetzung drehte sich also um den Stellenwert Chinas im peripheren Bereich der amerikanischen Sicherheit, und die Meinungsverschiedenheit hielt praktisch bis zum Sieg Mao Tse Tungs an. Von dieser Kontroverse abgesehen, verursachte die Einteilung der Welt in zentrale und periphere, darin in bedrohte und unbedrohte Bezirke der amerikanischen Sicherheit keine Schwierigkeiten. Das System, das aus dem Entwurf entstand, differenzierte ihn beträchtlich nach den jeweiligen Sicherheitszonen. 21
Vandenberg, 24. November 1947, CR 93, 9, 10708.
Aufwertung der 3. D I E K O N S E Q U E N Z E N
Feindstaaten DER
277
SICHERHEIT
Aufwertung der Feindstaaten Der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik revidierte alte Frontstellungen. Davon profitierten unmittelbar die beiden Hauptfeindstaaten des Zweiten Weltkrieges, Deutschland und Japan. Daß sich Deutschlands politischer Stellenwert geändert hatte, ließen Führungskreise des Congress erstmals bei der Diskussion um die TrumanDoktrin erkennen 1 . Bis dahin war Deutschland wohlwollend nur unter humanitären Aspekten genannt worden, besonders von Congressmitgliedern aus Bezirken mit vorwiegend deutschstämmiger Bevölkerung. Jetzt, nach der Wende gegen die Sowjetunion, gewann Deutschland wieder einen Eigenwert, und zwar zunächst wirtschaftlich. Ohne das Land schien der Wiederaufbau Europas schwierig, wenn nicht unmöglich zu sein. Jedenfalls wurde die Lücke, die das Fehlen Deutschlands in der Wirtschaft Westeuropas hinterließ, sehr rasch als einer der wesentlichsten Gründe für die wirtschaftliche Misere auf dem Kontinent gewertet2. Konsequenzen aus dieser veränderten Einstellung machten sich zunächst nur sehr vorsichtig bemerkbar, nur als Kritik an den offensichtlich gewordenen Widersprüchen. In der Tat war es sinnlos, Westeuropa wirtschaftlich aufhelfen zu wollen, wenn man gleichzeitig in einem wichtigen Land dieses Bereiches die Wirtschaft demontierte. Dies war um so zweckwidriger, als die demontierten Fabriken zum Teil gerade an dasjenige Land geliefert wurden, vor dem man sich mit der Wirtschaftshilfe schützen wollte. Und war es nicht schließlich absurd, diese in zweifacher Hinsicht obsolet gewordene Politik der Schwächung des früheren Feindstaates auch noch vom amerikanischen Steuerzahler durch das GARIOA-Programm bezahlen zu lassen? Der Abgeordnete Case, Vorsitzender des für Deutschland zuständigen Unterausschusses des Select Committee on Foreign Aid, hatte darum im Auswärtigen Ausschuß, mit dem er zusammenarbeitete, eine Entschließung durchgesetzt, die das Außenministerium zu einer Stellungnahme aufforderte. Natürlich spielten dabei parteitaktische Gesichtspunkte ihre Rolle; aber das Haus erkannte die sachlichen Argumente als berechtigt an und 1 Vgl. etwa Sen. Connally, Foreign Relations, bei der Beratung von S. 938, Aid to Greece and Turkey, 10. April 1947, CR 93, 3, 3276. 2
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1152, S. 9.
278
3. Die Konsequenzen der Sicherheit
verabschiedete die Resolution am 18. Dezember 19473. Sie befaßte sich nur mit der wirtschaftlichen Folge der Demontage; seine politischen Erwägungen hatte der Auswärtige Ausschuß nur insofern zu erkennen gegeben, als er hervorhob, wie sehr sich die Lage der Welt seit Jalta und Potsdam verändert habe 4 . Der Deutschland-Unterausschuß des Foreign Aid Committee, der Deutschland im September und Oktober 1947 bereist hatte, war in seinen Empfehlungen schon sehr viel weiter gegangen und hatte aus der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands bereits die politischen Konsequenzen gezogen. Er hielt jedoch seinen Bericht noch zurück, veröffentlichte ihn erst im März 1948, zu einer Zeit, als nach dem Scheitern der Londoner Konferenz, nach dem Staatsstreich in der Tschechoslowakei und mitten in der Arbeit am European Recovery Program die Aufnahmebereitschaft für soldi radikale Schlußfolgerungen offensichtlich als größer eingeschätzt wurde 5 . Vorab äußerte sich die veränderte Beurteilung Deutschlands nur in der Demontage-Frage. Der Bewilligungsausschuß des Senats hatte, der Linie des Hauses folgend, die Gelder für alle Personen gestrichen, die mit der Demontage nicht-militärischer Anlagen in der Bizone beschäftigt waren. Diese Kürzung wurde nun auf Betreiben Vandenbergs wieder rückgängig gemacht, weil sie nicht nur Rußland, sondern auch die westlichen Empfänger von Reparationslieferungen betroffen hätte. Das Abkommen vom 14. Januar 1946, das in Paris zwischen den USA und 18 Nationen geschlossen worden war und das die Inter-Allied Reparations Agency errichtet hatte, konnte nicht gut einseitig durch einen Federstrich des Congress gebrochen werden 6 . In der eigentlichen Sache aber, der Bewertung Deutschlands und der Demontage zugunsten Rußlands, war sich der Senat völlig einig. Vandenberg sagte zu, daß die erforderlichen Korrekturen spätestens bei dem European Recovery Program vorgenommen werden würden 7 . In dem neuen System der amerikanischen Sicherheit mußte der alte Feind eine neue Rolle spielen. 3
H. Res. 365, 18. Dezember 1947, CR 93, 9, 11636-11640.
4
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 1225, 80/1, 18. Dezember 1947, on H . Res. 365, Dismantlement and Removal of Plants from Germany, S. 4. 5 Select Committee on Foreign Aid, H . Rp. 1500, 80/2, 4. März 1948, Report on Germany, Preliminary Report 13. 6 Vgl. die Debatte bei der Verabschiedung von H . R. 4748, Third Supplemental Appropriation Act, 1948, im Senat, 19. Dezember 1947, CR 93, 9, 11680 ff. 7
Ibidem, 11682.
Wendung nach rechts
279
Wendung nach rechts Bei der Interim Aid stieß der Congress erneut auf ein Problem, das ihm schon bei der Hilfe für Griechenland und die Türkei Schwierigkeiten gemacht hatte; er stieß auf ein Land, das zwar anti-kommunistisch, aber undemokratisch war: China. Die Regierung war dem Problem entgangen, weil sie für China keine Hilfe mehr verlangt hatte. Ihre Hoffnungen, den innerchinesischen Konflikt beizulegen, waren nach der Rückkehr General Marshalls aus China zerronnen; sie schrieb das jedoch nicht nur den Kommunisten zu, sondern ebenso jenen „unversöhnlichen Gruppen innerhalb der Kuomintang, die auf die Wahrung ihrer eigenen feudalen Kontrolle Chinas bedacht" seien8. Das China-Problem bewegte darum 1947 in der Regierung keine großen Räder 9 . Hier setzten nun die Republikaner des Hauses, angeführt vom ChinaExperten Judd, ein. Der Auswärtige Haus-Ausschuß hatte auf Grund der Studien des Select Committee von den für die Interim Aid vorgesehenen 597 Millionen Dollar 67 gestrichen, und J u d d benutzte die Gelegenheit, in dieser Lücke 60 Millionen Dollar für China unterzubringen 10 . Sie sollten vorläufig nur genehmigt und erst dann bewilligt werden, wenn das Außenministerium ein spezielles China-Hilfe-Gesetz eingebracht haben würde. Das Hauptargument, mit dem sich Judd bei seinem Plädoyer für China auseinanderzusetzen hatte, lieferte die Korruption der chinesischen Regierung. Sie drohte nicht nur den Kampf gegen den Kommunismus praktisch aussichtslos werden zu lassen, sie senkte den Nutzeffekt amerikanischer Hilfe in den meisten Fällen bis auf Null. Die Lieferungen verschwanden gewöhnlich auf dem Schwarzen Markt. Judd leugnete nicht die Korruption 1 1 . Er ordnete sie aber dem Gegensatz zu den Kommunisten völlig unter. Judd verwies auf die traditionelle amerikanische Politik der Offenen Tür in China, der es weder auf 8
Marshall, The Situation in China, DoSB, XVI, 394, 19. Januar 1947, S. 84.
9
Vgl. für die Haltung der beiden Parteien zur China-Frage 1947 Westerfeld, Party Politics, S. 245 ff. 10
Zu den Kürzungen vgl. die Tabelle des Abgeordneten Chiperfield, R, 111., Foreign Affairs, CR 93, 9, 11063. Zu der Initiative Judds vgl. Judd selbst CR 93, 9, 11297. 11
CR 93, 9, 11106.
280
3. Die Konsequenzen
der Sicherheit
Demokratie noch auf Nicht-Korruption, sondern stets nur darauf angekommen sei, daß China unabhängig und den USA freundlich gesonnen sei12. Dementsprechend hielt er es nicht für das Wichtigste, daß China besser regiert werde, sondern daß es eine „freie und unabhängige und chinesische Regierung" habe13. Die amerikanischen Interessen verlangten nicht die innere Reinigung Chinas; zur Wahl stehe nicht die jetzige Regierung oder eine bessere, sondern die jetzige Regierung oder die Kommunisten 14 . Judds Stellungnahme läßt in extremer Weise die Positionsverschiebungen erkennen, die der neue Gegensatz zum Kommunismus bewirkte. China führte die USA in das gleiche Dilemma, das sich schon in der Startphase des Sicherheitssystems gezeigt hatte. Erneut waren weite Kreise des Congress bereit, zugunsten des Zieles Sicherheit ausgeprägt reaktionäre Regierungssysteme zu akzeptieren, die sie wegen des Zieles Wohlstand nicht zu ändern vermochten. Entschieden demokratische Abgeordnete, wie der Senator Pepper, kritisierten dagegen scharf die von Judd implizit vertretene Auffassung, daß sich der Friede sichern lasse, wenn man mit Hilfe von Faschisten die Kommunisten zu besiegen versuche15. Dieser Kritik stimmten auch viele zu. Sie konnten aber ebenfalls die Frage nicht beantworten, was mit China zu tun sei — es dem Schutz der Vereinten Nationen zu überantworten16, bedeutete schließlich keinen realen Ausweg. Wie sollten sich die USA grundsätzlich einem anti-kommunistischen, aber nidit demokratischen Land gegenüber verhalten? Von den drei Möglichkeiten: ein solches Land auszusparen, seine Herrschaftsstruktur zu verändern oder es zu akzeptieren, wie es war, blieb in der Spannung zwischen den Zielen Sicherheit und Wohlstand immer nur die dritte. Man konnte sie auf die einfadie Formel bringen, daß die USA in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion jede Position zu unterstützen haben, die den Kommunismus bekämpfe 17 . Das ideologische Niveau eines solchen Sicherheitssystems konnte sich zwangsläufig nur auf einer mittleren Höhe bewegen. In den Ländern des 12
Ibidem, 11108.
13
Ibidem.
14
CR 93, 9,11287.
15
CR 93, 9,10975.
16
Pepper, CR 93, 9, 11352.
17
Sen. Bridges, R, N . H., Appropriations, Chairman, CR 93, 9, 11352.
Suspendierung
der Vereinten
Nationen
281
amerikanischen Führungsbereichs hob sich das demokratische Bewußtsein in dem Maß, in dem die USA im Wege der Zusammenarbeit Korrekturen durchzusetzen vermochten — der Pegel der Demokratie zum Beispiel in der Türkei stände heute ohne die Allianz mit den USA niedriger. Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten selbst hingegen machte eine Wendung nach rechts durch. Die Ausbildung des Systems zwang die USA zu immer zahlreicheren Konzessionen an die Partner und verschlechterte damit die amerikanische Position gegenüber bis dahin Unbeteiligten, vor allem gegenüber den zur Selbständigkeit drängenden Kolonien. Die Kontroverse mit Holland, von der noch zu sprechen sein wird, gab ein Musterbeispiel für das Dilemma, in das die USA infolge ihres Entschlusses gerieten, zu kooperieren und nicht zu dominieren. Daß dem Vorstoß der Republikaner kein voller Erfolg beschieden war, lag weniger an ideologischen, sondern mehr an politisch-strategischen Bedenken der Regierung und der Demokraten. Immerhin wurde China doch noch in der Foreign Aid Act of 1947 als Empfängerland aufgeführt 18 ; und hinsichtlich der Größenordnung, in der es finanziell bedacht werden sollte, einigten sich beide Häuser auf ein Kompromiß. Da das Außenministerium keinen besonderen Eifer an den Tag legte, China zu helfen19, konnte die Congress-Aktion nur einen Hinweis darstellen, daß „die Lage in China von Bedeutung für die amerikanische Sicherheit"20, und „Amerika an dem Kampf, den China gegenwärtig in Asien führt, wirklich interessiert" sei21. Dieser sehr zurückhaltenden Formulierung entsprechend wollte der Senat nur 20 Millionen Dollar für China bereitstellen; schließlich einigte man sich auf die Idee Vandenbergs, lediglich die seinerzeit beim P. L. 84 übriggebliebenen 18 Millionen Dollar für China zu bewilligen22. Alles andere wurde bis zu dem Zeitpunkt vertagt, an dem das Außenministerium einen Plan für die amerikanische Hilfe an China vorlegen würde. Suspendierung
der Vereinten
Nationen
Im Zuge seiner Erweiterung ließ der Entwurf nun auch die letzte Konsequenz erkennen: den Positionswechsel gegenüber den Vereinten Natio18
S. 1774, P. L. 389, 80/1, 61 Stat. 520, See. 2.
19
Sen. Bridges, CR 93, 9, 11679.
20
Sen. Vandenberg, Foreign Relations, Chairman, CR 93, 9, 11679.
21
Bridges, ibidem.
22
Vandenberg, ibidem. Vgl. den Text von H. R. 4748, P. L. 393, 80/1, 61 Stat. 524.
282
3. Die Konsequenzen
der
Sicherheit
nen. Als Präsident Truman bei der Verkündung seiner Doktrin die U N ausließ, hatten Congress und Außenministerium diesen abrupten Ausdruck der amerikanischen Kursänderung wieder abgemildert. Die Korrektur war nur äußerlich gewesen, aber sie hatte der amerikanischen Aktion einen anderen Aspekt verliehen. Solche Rücksicht schien im Winter 1947, nachdem die O E E C verabredet und durch die Errichtung des Kominform beantwortet worden war, nachdem der Rat der Außenminister auf der Londoner Konferenz den Gegensatz in allen mitteleuropäischen Fragen faktisch bestätigt hatte, nicht mehr erforderlich zu sein. Selbst Vandenberg hatte schon im Juni 1947, bei der Beratung des Friedensvertrages mit Italien, die Zweiteilung der Welt konstatiert 23 und für den Westen Handlungsfreiheit diesseits des Eisernen Vorhangs gefordert. Die Vereinten Nationen bildeten nur noch ein Objekt guter Wünsche: „Ich hoffe und bete immer noch, und glaube noch immer bis zu einem gewissen Grade, daß sich in den Vereinten Nationen ein gemeinsames funktionierendes Welt-Bewußtsein schaffen läßt, das für einen Frieden mit Gerechtigkeit wirksam werden kann. Ob dies eine vergebliche Hoffnung ist oder nicht, kann allein die Zeit erweisen; aber ich bin sehr stolz darauf, zumindest noch immer die Hoffnung zu nähren" 24 . Konsequent ging das Auslandshilfegesetz von 1947 ohne rhetorische Umschweife zur Sache über. Im Senat wurde diese Entwicklung überhaupt nur noch, sieht man von dem Radikalen Taylor ab, von Senator Pepper bedauert. Taylor hatte einen Gegenvorschlag eingebracht, der den für die Interim Aid vorgesehenen Betrag von 597 000 000 Dollar den Vereinten Nationen zur Verfügung stellen sollte. Unter den veränderten Bedingungen erregte der Antrag nicht einmal mehr Aufsehen25. Auch Pepper hatte keine Argumente zu bieten, sondern verwies nur auf die Zukunft, die es eines Tages als Fehler ausweisen werde, daß Amerika die Vereinten Nationen zugunsten unilateraler Aktionen umgangen habe 26 . Die Vereinten Nationen rückten damit an eine ganz andere Stelle, die noch genauer formuliert werden mußte. Vorerst waren sie am Ende des Jahres 1947 und in der Anfangsphase des neuen Sicherheitssystems als Mittel der amerikanischen Sicherheitspolitik praktisch suspendiert worden. 23
Vandenberg, 3. Juni 1947, C R 93, 5, 6237.
24
Ibidem.
25
Sen. Taylor, D, Idaho, Banking and Currency, C R 93, 9, 10970, abgelehnt 10971.
26
C R 93, 9, 10972.
283
Verträge 4. D I E
MITTEL
DER
SICHERHEIT
Verträge Die wichtigste Aufgabe bei der Erweiterung des neuen Entwurfs der amerikanischen Außenpolitik bestand darin, die Mittel nodi einmal zu bestimmen und zu überprüfen, mit denen sich das Sicherheitssystem schaffen und führen ließ. In erster Linie ging es dabei natürlich um das Instrument der Auslandshilfe. Es gab aber noch das stärkere Mittel des vertraglichen Zusammenschlusses, und auch dieses Mittel war schon einmal eingesetzt worden: beim Pakt von Rio. Seiner Entstehung nach war er ein Verteidigungs-Abkommen, seiner Struktur nach ein Regional-Pakt im Sinne des Kapitels V I I I der U N Charta. Sein spezifischer Gehalt lag darin, daß er nicht nur nach außen, sondern auch nach innen gerichtet war: über die Regelung von Streitigkeiten untereinander sollten die Teilnehmer jeweils, außer beim Einsatz militärischer Macht, mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Seinem Anlaß nach schließlich war der Vertrag von Rio aber auch ein Stück des OstWest-Konflikts und insofern ein Element des werdenden amerikanischen Sicherheitssystems. Historisch muß die Frage vorläufig offenbleiben, ob der Rio-Pakt allgemein als Muster des amerikanischen Vorgehens im NordatlantikBereich gedient hat. Für einen so wichtigen Mann wie Vandenberg kann dies bereits jetzt als sicher gelten: er hatte in seiner Cleveland-Rede vom 11. Januar 1947 den Rio-Pakt im Zeichen des Ost-West-Konflikts gefordert1, ebenso wie er im Juni 1948 mit der nach ihm benannten Resolution den Zusammenschluß der USA mit den europäischen Staaten anregen sollte. Systematisch gesehen stehen der Vertrag von Rio und der Nordatlantik-Pakt in einer Linie. Genau so wie das Kollektive System die U N Charta gebraucht hatte, bedurfte das amerikanische Sicherheitssystem dauerhafter vertraglicher Bindungen. Sie konnten flexibel sein und sich der Bedeutung und der Art des Bereichs anpassen, um den es jeweils ging. Aber sie durften nicht fehlen, bildeten vielmehr die entscheidenden Schlußsteine der Teile, aus denen sich das Sicherheitssystem der USA zusammensetzte. Die oberste Stufe solcher Bindungen drückte der RioPakt aus; ihm folgte der Nordatlantik-Vertrag, an den sich dann eine in der Intensität absteigende Reihe vertraglicher Abmachungen schloß bis hin zu traditionellen militärischen Beistandsverträgen. 1
Campbell, United States in World Affairs 1945—1947,
S. 231—232.
284
4. Die Mittel der
Militärische
Sicherheit
Zusammenarbeit
Lateinamerika, als die zentrale, zwar nicht akut bedrohte, aber traditionelle Region der amerikanischen Sicherheit kann so in gewisser Weise als außenpolitisches Laboratorium gelten, aus dem Instrumente, die sich dort bewährt hatten, in andere Bereiche übernommen wurden. Audi militärische Zusammenarbeit gehört dazu. Präsident Truman wiederholte 1947 seinen Versuch vom Vorjahr (s. o. S. 182), den Congress zu einem Arrangement zu bewegen, das die Standardisierung der Rüstungen und Ausbildungsmethoden im panamerikanischen Bereich ermöglichen sollte2. Das Programm scheiterte wiederum, weil die verlangten Kompetenzen dem Congress viel zu weit gingen3. Aber ein ähnlicher Vorschlag kehrte, wenngleich abgeschwächt, im Zusammenhang mit der Aufrüstung der europäischen Staaten wieder. Das Jahr 1947 hatte damit schon — ausgeführt oder geplant — zwei System-Elemente hervorgebracht, die zwar im Moment nur für die amerikanische Region galten, die jedoch in abgewandelter Form später auch in dem anderen zentralen Bezirk verwandt wurden. Auslandshilfe Im Winter 1947/48 wurde die Aufmerksamkeit indes von Europa und von dem hier zunächst einzusetzenden Mittel der Wirtschaftshilfe absorbiert. Das Instrument mußte zurechtgemacht werden, und zwar schon für die Überbrückungsmaßnahme der Interim Aid. Sie bezog sich zwar nur auf Hilfe, noch nicht auf Wiederaufbau; im weiteren Sinne aber war die Maßnahme eindeutig ein Vorläufer des Marshall-Planes und mußte entsprechend auf die Ziele des neuen Entwurfs zugeschnitten werden. Audi hier, wie beim Public Law 84, gab der Congress den Ton an. Das Außenministerium hatte eine verhältnismäßig summarische Vorlage entworfen 4 , die sich in bezug auf die Pflichten der Empfängerländer schon stark an die vom Congress beim P. L. 84 entworfenen Richtlinien anlehnte. Die Kennzeidinungs- und Propagierungsbestimmungen kehrten verschärft wieder, ebenso auch der wichtige Revolving Fund, bei dem die USA ein Mitverfügungsrecht beanspruchten. Das Ministerium 2
Truman an den Congress, 23. Mai 1947, abgedruckt zusammen mit einem Gesetz-
entwurf in DoSB, X V I , 414, 8. Juni 1947, S. 1 1 2 1 - 1 1 2 4 . 3
Vgl. dazu Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 996, 80/1, 18. Juli 1947, on H . R. 3836, Contributing to Effective Maintenance of International Peace and Security 4
Abgedruckt DoSB, X V I I , 438, 23. N o v e m b e r 1947, S. 9 7 2 - 9 7 3 .
Auslandshilfe
285
war hier sogar weiter gegangen als der Congress. Vom Revolving Fund und den in ihm ruhenden Steuerungsmöglichkeiten offensichtlich angetan, hatte der Ministerialentwurf gefordert, daß für sämtliche Lieferungen sofort der volle Gegenwert in lokaler Währung eingezahlt werden müsse. Das schien dem Congress nun entschieden übertrieben; er verlangte den Gegenwert nur dann, wenn die Lieferungen nicht in Dollar bezahlt wurden. Das Haus hatte überhaupt nur die Regelung des Public Law 84 vorsehen wollen, wonach lediglich der Erlös eingezahlt zu werden brauchte, der aus dem Verkauf von Hilfslieferungen an die Bevölkerung erzielt wurde. Der Auswärtige Ausschuß hatte die Ansicht vertreten, daß die Interim Aid in erster Linie eine Hilfsmaßnahme sei. Die Empfängerländer müßten also Nahrungsmittel an Hungernde auch verschenken 5 dürfen, sollte aus der Hilfe nicht ein reiner Verkauf in Landeswährung werden, der zudem noch mit zahlreichen Auflagen versehen sei6. Man könne aber doch wohl nicht Waren verkaufen und dazu noch zusätzlich finanz- und handelspolitische Bedingungen stellen 7 . Im Endeffekt setzte sich zwar nicht die Ministerialfassung, wohl aber die härtere Bedingung durch, daß der Gegenwert für alle Lieferungen, die nicht in Dollar beglidien würden, sofort auf jenes Kapitalkonto eingezahlt werden mußte 8 . Die zahlreichen Zusatzbestimmungen, mit denen der Congress der Wirtschaftslage der USA, beispielsweise dem Preisauftrieb für Weizen und Mehl sowie der Stützung landwirtschaftlicher Preise gerecht zu werden versuchte, können hier außer acht bleiben. Sie sind uns schon begegnet und werden beim E R P in größerer Zahl wiederkehren. Eine Änderung hingegen, die der Congress vornahm, war zukunftsträchtig: sie betraf die Verwaltung der Hilfsaktion. Hier war das Außenministerium in seinem Entwurf bezeichnenderweise vom Schema des Public Law 84 abgewichen, in dem die Legislative besonders arbeitende Hilfsmissionen eingerichtet hatte (s.o.S. 232). Diese Organisation unterstand, durch Delegation seitens des Präsidenten 9 , dem Außenminister, der dem Field Administrator gegenüber weisungsberedi6
Rep. Fulton, R, Pa., Foreign Affairs, C R 93, 9, 11226.
6
Ibidem.
7
Rep. Judd, R, Minn., Foreign Affairs, ibidem.
8
Vgl. Committee on Conference, H . Rp. 1161, 80/1, 13. Dezember 1947, on S. 1774.
• Executive Order N o . 9864, 12 Fed. Reg. 3559, abgedruckt DoSB, X V I , 8. Juni 1947, S. 1125.
414,
286
4. Die Mittel
der
Sicherheit
tigt war. Abgesehen davon stellten Missionen und Administrator jedoch bereits eine eigene, niciit dem Ministerium eingegliederte KompetenzHierarchie dar, die nur noch in der Spitze selbständig gemacht zu werden brauchte 10 . Dem Ministerium lag natürlich nichts daran, diese Entwicklung zu fördern; es hatte darum in seinem Gesetzentwurf weder Field Administrator noch Hilfs-Missionen erwähnt (See. 9). Indes kam die Legislative sofort wieder auf die von ihr bevorzugte Hilfsorganisation zurück und verpflichtete den Präsidenten, entweder direkt oder über den Außenminister die Verwaltung der H i l f e in den einzelnen Ländern dem Field Administrator zu übertragen (See. 10). Das Verwaltungsmuster, das f ü r die Post-UNRRA-Hilfe verwendet worden war, wurde damit in großen Zügen auch in die Eingangsstufe des Europäischen Wiederaufbau-Programms übernommen. Die enge Verbindung zwischen den beiden Programmen wurde damit auch von der administrativen Seite her sichtbar. In der Sache selbst lag sie klar zutage: eine direkte Linie führte vom Public Law 84, der ersten Maßnahme, mit der die USA wirtschaftliche Hilfe politisch — gegen die Sowjetunion — einsetzten, zur Foreign Aid Act of 1947, der Vorstufe des Marshall-Planes. Die Hilfe f ü r Griechenland und die Türkei war die frühe militärische Komponente dieser Grundlinie. Das Public Law 84 stellte also die Eingangsstufe des amerikanischen Sicherheitssystems dar 11 . Es bildete die Instrumente vor, mit denen die Wirtschaftshilfe verteilt und gesteuert werden sollte: Gegenwert-Konto, Hilfs-Missionen, Propaganda. Sie wurden, entsprechend vergrößert, in dem Gesetz über die Wirtschaftliche Zusammenarbeit von 1948 wieder verwandt. Die Missionen als militärisches Führungsinstrument, wie sie in der griechisch-türkischen Variante des neuen Ansatzes von 1947 eingerichtet worden waren, kehrten ebenfalls zurück: im Gesetz über die Gegenseitige Verteidigungshilfe von 1949. Im Rückblick auf den Herbst 1947 läßt sich mithin erkennen, daß das System der gegenseitigen Sicherheit sachlich wie methodisch nur die Linien fortführte, die der neue Entwurf der Außenpolitik im Winter 1946/1947 gezogen hatte. 10
In einer rein juristischen Betrachtungsweise entfällt dieser politische Aspekt; vgl.
die im übrigen sehr nützliche Zusammenstellung v o n Vorschriften-Gruppen in den Hilfsgesetzen bei C r a w f o r d , Foreign
Assistance
Legislation,
S. 899. C r a w f o r d erwähnt
weder den Field Administrator noch die Missionen. 11
Vgl. zu dieser Funktion des P. L. 84 den materialreichen Überblick über die Aus-
führung des Gesetzes, D o S B , X I X , 473, 25. Juli 1948, S. 9 5 - 1 0 3 .
Vierter Abschnitt Das System der gegenseitigen Sicherheit
I. Kapitel Das wirtschaftliche Element 1. D I E
ZIELE
Der politische
Aspekt
Den ersten der beiden großen Pfeiler ihres neuen Sicherheitssystems legten die Vereinigten Staaten mit dem Gesetz über die Auslandshilfe vom 3. April 1948 1 . Aus mehreren Gründen stellte er eine ökonomische Konstruktion dar. Das Humanitäre verstand sich von selbst: die Kriegsschäden waren sehr viel größer als angenommen; die Menschen vieler Staaten litten noch immer Not. Es war von vornherein klar, daß die USA als die reichste Nation der Welt hier nicht untätig zuschauen würden. Sodann konnte der wirtschaftliche Wiederaufbau der nicht-kommunistischen Länder aber als politische Maßnahme par excellence gelten 2 . Wenn es gelang, diese Nationen in ihrer Unabhängigkeit zu erhalten und sie so zu konsolidieren, daß die vom Kommunismus bevorzugten Mittel der Infiltration und Indoktrination unwirksam abprallten, dann war der Vorstoß der Sowjetunion entschieden und auf Dauer gebremst. E r war auch 1 S. 2022, P. L. 472, 80/2, 62 Stat. 169. Beratungsdaten im Senat: 1.—5. März, 9 . - 1 3 . März 1948, C R 94, 2, 1915-1920, 1961-1986, 2019—2048, 2106—2131, 2 1 8 7 - 2 2 1 7 , 2 2 8 5 - 2 2 8 7 , 2 2 9 7 - 2 3 2 9 , 2 3 6 6 - 2 4 0 0 , 2448-2471, 2516-2548, 2617-2709, 2713-2793.
Haus: 2 3 . - 2 5 . März, 2 9 . - 3 1 . März 1948, C R 94, 3, 3 3 1 1 - 3 3 4 2 , 3 4 1 5 - 3 4 5 4 , 3516 bis 3573, 3618-3659, 3 7 0 5 - 3 7 6 6 , 3809—3875. Beratung der Verlängerung 1949 (S. 1209), im Senat: 24—25. März, 28.—31.März, 1 . - 2 . April, 4 . - 8 . April 1949, C R 95, 3, 3 0 7 9 - 3 1 0 2 , 3 1 4 7 - 3 1 9 9 , 3 2 4 7 - 3 2 7 7 , 3352 bis 3394, 3 4 4 0 - 3 4 8 6 , 3 5 5 2 - 3 5 9 2 , 3638—3700, 3 7 3 9 - 3 7 7 2 , 3 7 8 1 - 3 8 0 2 , 3 8 4 8 - 3 8 9 9 , 3967—4005, 4 0 2 1 - 4 0 3 1 , 4049—4070, 4 1 2 5 - 4 1 4 8 . Im Haus: 9. April, 1 1 . - 1 2 . April 1949, CR 95, 3, 4 1 8 8 ^ 2 2 3 , C R 95, 4, 4 2 9 6 - 4 3 4 7 , 4394—4422. Wenn nicht anders vermerkt, Zitate bis auf weiteres aus diesen Debatten. 1 Vgl. die Zusammenfassung des Harriman-Reports (The President's Committee on Foreign Aid) in DoSB, X V I I , 437, 16. November 1947, S. 937 ff., 948.
19
Czempiel
1. Die Ziele
290
entmutigt, weil sich seine Chancen sichtbar verringerten 3 . Er konnte schließlich sogar selbst in die Defensive gedrängt werden, wenn der Gedanke der westlichen Freiheit von mit amerikanischer Hilfe aufgebauten Staaten aus in solche Länder getragen würde, in denen der Kommunismus die Freiheit bereits ausgelöscht hatte 4 . Es gab also kein geeigneteres Mittel, dem Kommunismus weltweit Widerstand zu leisten als den weltweiten Einsatz amerikanischer Wirtschaftshilfe. Diese Einschätzung hing allerdings davon ab, daß ein bewaffneter Angriff der Sowjetunion nicht stattfand, sie vielmehr nach wie vor nur politisch und ideologisch vorstieß. Daß diese Analyse zutraf, wurde im Congress kaum bezweifelt. Es hatte bisher keinen offenen Akt militärischer Aggression gegeben, und es war keiner zu erwarten, es sei denn durch einen unglücklichen Zufall 5 . Diese Beurteilung wurde durch den Staatsstreich in der Tschechoslowakei nicht revidiert, er hinterließ in der Congress-Debatte über die Auslandshilfe kaum Spuren. Man war sich klar darüber, daß die Kommunisten in der Tschechoslowakei seit geraumer Zeit den vorherrschenden Einfluß gehabt hatten; der Fall wurde als tragisch, aber nicht als Indiz für aggressive Absichten der Sowjetunion empfunden. „Die Kommunisten haben lediglich ihre Position in der Tschechoslowakei konsolidiert; es hat keine militärische Erweiterung, keine militärische Aggression gegeben, und zwar seit Kriegsende nicht"6. Senator Taft kritisierte damit die scharfe Sprache, mit der Präsident Truman und Außenminister Marshall auf den Fall der Tschechoslowakei reagiert hatten 7 . Wenn die Lage so ernst sei, sollte man das Geld nicht in den wirtschaftlichen Aufbau anderer Länder, sondern in die eigene Rüstung stecken8. Nach der herrschenden Meinung war aber die Lage eben nicht so dramatisch, Krieg nicht in Sicht. Die rüstungspolitischen Maßnahmen, die Präsident Truman eine Woche später, am 17. März 1948, dem Congress antrug, waren weder durch den Fall Prags verursacht, noch deuteten sie in ihrem Umfang auf eine bevorstehende militärische Auseinandersetzung. 3
Vandenberg, C R 94, 2, 1983.
4
Rep. Dirksen, R, Iii., Appropriations, C R 94, 3, 3725.
5
Vandenberg, C R 94, 2, 2039.
6
Sen. Taft, R, Ohio, Banking and Currency, C R 94, 2, 2644.
7
Die H a l t u n g Marshalls war indes ziemlich gemäßigt gewesen, vgl. seine Antwort
auf der Pressekonferenz v o m 10. März 1948, DoSB, X V I I I , 455, 21. März 1948, S. 381. 8
Taft, C R 94, 2, 2643.
Der politische
Aspekt
291
Der Präsident benutzte hier vielmehr einen Anlaß, militärische Maßnahmen durchzusetzen, die seit längerem geplant und viel allgemeineren Aufgaben zugedacht waren. Davon wird im Zusammenhang mit dem militärischen Sektor des Sicherheits-Systems noch zu sprechen sein. Die Analyse der Weltlage schränkte also die Brauchbarkeit des ökonomischen Mittels in keiner Weise ein; im Gegenteil, gerade dieses Mittel wurde dem Charakter des kommunistischen Angriffs gerecht, ließ sich weltweit anwenden und dabei genau dosieren. Die Aufgaben der Hilfe Die — wenigen — Gegner der Auslandshilfe im Congress taten sich dementsprechend schwer, eine Alternative anzubieten. Es mochte verlockend scheinen, die für das Hilfsprogramm vorgesehenen 17 Milliarden Dollar in die amerikanische Rüstung zu stecken und „die Welt wissen zu lassen, daß wir gewillt und imstande sind, auf uns selbst aufzupassen . . B e i näherem Zusehen erwies sich aber dieses Konzept aus mehreren Gründen als wenig sinnvoll. Es würde die Natur der Bedrohung spezifisch verfehlen und darum seinen Zweck, den Kommunismus einzudämmen, nidit erreichen. Zweitens war es im Endeffekt sehr viel teurer. Die Eigenrüstung der USA mußte dauernd unterhalten werden, während das Hilfsprogramm nach vier Jahren auslaufen und dennoch weiterwirken würde10. Zweieinhalb Milliarden Dollar hätten jährlich allein für die Armee und die Luftwaffe aufgewendet werden müssen11. Drittens empfahl es sich aus rein strategischen Gründen überhaupt nicht, den Betrag in die amerikanische Rüstung zu stecken. Der wirtschaftliche Aufbau der europäischen Staaten produzierte ja von selbst einen beachtlichen militärischen Faktor. Diese Wirkung der amerikanischen Hilfe brauchte nur gesteuert und gefördert zu werden, und schon entstand in den Empfänger-Gebieten automatisch ein militärisches Potential. Es war viel billiger; in der Türkei zum Beispiel kostete es nur ein Zehntel des Preises für eine entsprechende amerikanische Streitmacht12. Und es befand sich schon dort, wo es gegebenenfalls gebraucht wurde. In Europa besaßen England, Frankreich und Belgien 1 883 500 Soldaten 9
Dies war die These der Gegner aus dem Süden, vgl. Rep. Rankin, D, Miss., U n -
American Activities, C R 94, 3, 3562, ferner Rep. Dorn, D, S. C., 3570—3571. Die Republikaner aus dem Bereich Nord-Mitte argumentierten vorwiegend wirtschaftlich, s. u. 10
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 935, 80/2, 27. Februar 1948, on S. 2022,
European Recovery Program, S. 51. 11
Ibidem.
12
Rep. Engel, R , Appropriations, Chairman des Defense Department Subcommittee,
C R 94, 3, 3619. 19»
1. Die Ziele
292
(Stand am 1. Januar 1947); die Zahl ließ sich im Notfall rasch vermehren. Es war leicht zu beweisen, daß es mehr als die geplanten 17 Milliarden Dollar wert war, diese Truppenkontingente ständig an der Seite der USA und an der europäischen Front zu haben13. Zum politischen Nutzen wirtschaftlicher Hilfe gesellte sich damit ein militärischer. Er war bei der Interim Aid bereits angeklungen und wurde jetzt vor allem von den Republikanern im Haus vorgewiesen. Die Demokraten und der Senat hielten sich stärker zurück, weniger wegen der Sache selbst als wegen des Eindrucks nadi außen. Der Senat folgte der Regierung, die die Wirtschaftshilfe an Europa von der Militärhilfe an Griechenland und die Türkei trennen wollte. Die Europäer waren nämlich zunächst doch ein wenig besorgt gewesen über das Ausmaß der Bedingungen, das Amerika ihnen für seine Hilfe auferlegen könnte 14 . Auch viele Congress-Mitglieder befürworteten wohl amerikanische Wirtschaftshilfe, lehnten aber militärische Konsequenzen, vor allem gar militärische Unterstützung, strikt ab15. Die Aversion war so stark, daß die Ergänzung des Europäischen Wiederaufbauprogramms, das Gesetz über die Militärhilfe, bis in den Spätherbst 1949 verschoben werden mußte. Wegen dieser Widerstände hielten sich Senat und Demokraten von der Diskussion militärischer Aspekte der Wirtschaftshilfe zurück; der Auswärtige Senatsausschuß beschränkte sich auf die Andeutung, daß Wirtschaftsaufbau in Europa amerikanische Rüstungslasten vermeide16. Der Senat hatte deshalb das ERP als selbständiges Gesetz behandelt; das Haus aber folgte der republikanischen Neigung und faßte alle Hilfsprogramme: das wirtschaftliche für Europa, das militärische für Griechenland und die Türkei, das gemischte für China (und den Beitrag für die U N I CEF) in einem Gesetz zusammen. Da sich das Haus mit seiner Methode durchsetzte, machte die Anlage der Foreign Assistance Act implizit kenntlich, was auch schon explizit gesagt worden war und was in der Logik des Sicherheitssystems lag: daß amerikanische Wirtschaftshilfe bei den Empfängern auch militärische Stärke hervorbringen sollte, die ihrerseits dann von den USA wieder zu unterstützen wäre, kurz: daß wirtschaft13
Engel, CR 94, 3, 3620.
14
S. Rp. 935, 80/2, S. 40.
15
Vgl. etwa Rep. Klein, D , N. Y., Interstate and Foreign Commerce, CR 94, 3, 3524, 3866. 16
S. Rp. 935, 80/2, S. 51.
Der politische
Aspekt
293
licher Aufbau und militärische Potenz nur zwei Seiten eines und desselben Zweckes waren. Ganz deutlich wurde der Zusammenhang bei der ersten Verlängerung des E R P im Frühjahr 1949. Das Programm war inzwischen voll in Schwung, das Bewußtsein des Congress durch die Vandenberg-Resolution und die Verhandlungen über den Nordatlantik-Pakt (s. u. S. 403 ff.) weiterentwickelt. N u n gestanden selbst die Demokraten ein, daß „der Marshall-Plan auch vom militärischen Standpunkt aus vernünftig (wise) ist" 17 , als „Element des Aufbaus unserer Außenposten, als Element der Stärkung unserer (Verteidigungs-)Linie weit außerhalb der Vereinigten Staaten . . ." 18 . Es genügte nicht, daß die USA selbst kräftig waren, auch die europäischen Nationen, mit denen sie zusammengehen wollten, mußten es sein. „Sie können aber nicht militärisch stark sein, wenn sie nicht wirtschaftlich stark sind" 19 . Die Logik war an sich zwingend. Die Sicherheit der USA war so fest an die Europas gebunden, daß Europa unter keinen Umständen an den Kommunismus fallen durfte. Die Vereinigten Staaten mußten eingreifen und die ökonomische Anfälligkeit dieser Länder heilen. Sie mußten dafür Sorge tragen, daß Europa ständig gesichert blieb; dazu war selbstverständlich auch militärische Stärke erforderlich. Als letzte Konsequenz trat sogar, da Europa nunmehr auf Dauer als Vorplatz amerikanischer Sicherheit zu gelten hatte, eine Dauerverbindung zwischen den USA und Westeuropa ins Blickfeld. Sie konnte zwar, verglichen mit der pressierenden Wirtschaftslage Europas, zunächst als cura posterior gelten. Aber sie lag deutlich in der Perspektive einer Maßnahme, die mit so großem wirtschaftlichen Aufwand begonnen wurde. Das isolationistische Programm Unter diesem Aspekt muß die Argumentation der Gegner dieser Hilfe nochmals geprüft werden. Sie konnten nicht im Ernst meinen, daß es sinnvoller und nützlicher sei, die USA aufzurüsten, als die europäischen Länder zu stärken. Der Widerstand mußte andere Gründe haben, und sie traten in der Debatte um die Verlängerung des Programms 1949 klar hervor: den Gegnern ging es weniger um die Wirtschaftshilfe an sich als vielmehr darum, daß das neue System der 17
Sen. Tydings, R, Md., Armed Services, Chairman, Foreign Relations, CR 95, 3,
3661. 18
Ibidem, 3661-3662. Sen. Connally, D, Tex., Foreign Relations, Chairman, CR 95, 3, 3686.
294
1. Die Ziele
Sicherheit wiederum auf dem kooperativen Prinzip aufruhte. Dagegen wandten sie sich. Ihr Projekt: an Stelle der Hilfe für die europäischen Länder Amerika aufzurüsten, drückte in erster Linie ihre Abneigung gegen jede Art der Zusammenarbeit mit anderen Nationen aus. Sie fürchteten für die Handlungsfreiheit der Vereinigten Staaten; darum lehnten sie jegliche Bindung an Staaten außerhalb der beiden Amerikas ab und vertraten statt dessen ein Konzept der Isolation, das sie für traditionell amerikanisch hielten. Da Isolation etwa im Stil der dreißiger Jahre nicht mehr möglich war, mündete diese Denkrichtung in die einzige Bahn ein, auf der sich die Handlungsfreiheit der USA unter modernen Bedingungen erhalten ließ: Domination. Die Vereinigten Staaten konnten sich von der Welt nicht zurückziehen, folglich mußten sie die Welt beherrschen. Das spezifisch nationalistische Element, das dem amerikanischen Isolationismus zugrunde liegt, ließ keine andere Zielsetzung als die Domination zu. Hier lag der Grund, warum die Isolationisten gegenüber dem Europäischen Wiederaufbau-Programm die Alternative der eigenen Rüstung vertraten. Sie war nicht besser als das ERP, sogar schlechter und teurer; aber sie barg ein anderes außenpolitisches Konzept. Darum ging es. Seinethalben griffen die Gegner bei der Verlängerung des Programms, 1949, nicht einmal so sehr das ERP als dessen logische Folge, den Nordatlantik-Pakt an20. Deswegen ventilierten sie seit dem Frühjahr 1948 ihr Alternativkonzept der eigenen militärischen Stärke. Ihre Thesen befanden sich jenseits der von der realen Lage gezogenen Linie. War es nicht absurd, auf natürliche und starke Bundesgenossen zu verzichten, wenn die damit gewonnene Unabhängigkeit nicht nur vielfach aufwendiger, sondern auch unzulänglich war, weil sie sehr viel größere — wiewohl andere — Abhängigkeiten begründete? Es gab eine Reihe von Dingen im Regierungskonzept, denen opponiert werden konnte, und die gemäßigten Gegner um den Senator Taft wandten sich zum Beispiel heftig gegen die militärische Aufrüstung der Europäer. Aber die Idee, die amerikanische Sicherheit durch Kooperation mit Westeuropa zu gewährleisten, war insgesamt so plausibel auf die Natur der Bedrohung wie auf das ökonomische Prinzip zugeschnitten, daß die Idee nur abgelehnt werden konnte, wenn man Kooperation als solche verwarf. Gerade das tat die isolationistische Gruppe. Sie wandte sich gegen einen Ansatz, dessen Prinzip zu Folgerungen führen mußte, die sie grundsätzlich ablehnte. 20
Vgl. etwa Sen. Donneil, R, Miss., und Sen. Watkins, R, Utah, CR 95, 3, 3158.
Der politische
Aspekt
295
Von solchen Folgen: vom vertraglichen Schlußstein des neuen Sicherheitssystems in Europa war schon — wenngleich noch verschwommen und undeutlich — im Winter 1947 und erst recht bei der Debatte um das Europäische Wiederaufbau-Programm die Rede gewesen. Die Phase, in der nach dem Ende des Kollektiven Systems der Gegensatz zur Sowjetunion von den USA allein getragen werden mußte — diese unilaterale Phase erreichte mit dem Auslandshilfegesetz vom Frühjahr 1948 ihren Höheund Wendepunkt. Sowie die wirtschaftliche Fundierung des amerikanischen Sicherheitsbereiches in Gang gebracht worden war, konnte der Gedanke näherrücken, diesen Bereich (oder doch seine wesentlichen Teile) erneut organisatorisch zu formen. Die Leitideen dazu variierten natürlich stark. Man sprach von der Abschaffung des Vetos in den Vereinten Nationen zugunsten des Mehrheitsprinzips21; Vandenberg erwog ein regionales Arrangement im Sinne des Artikels 51 der UN-Charta 2 2 (und des Rio-Pakts); andere sprachen von irgendeiner „Allianz aller demokratischen Nationen" 23 . Aber die Perspektive war klar und wurde von den Gegnern auch klar gesehen: der Ernährung der Hungrigen folgte der Aufbau der Wirtschaft in Europa. Dann würden die Europäer eine Verteidigungsgemeinschaft bilden und die Vereinigten Staaten sie bewaffnen. Schließlich würden sich die USA mit Europa in einem gegenseitigen Verteidigungspakt zusammenschließen und damit die Monroe-Doktrin praktisch bis nach Berlin und Griechenland ausdehnen24. Der Isolationismus spürte das Bewegungsmoment der Entwicklung. Die Dimensionen der Hilfe Eben deshalb legte die Congressführung Wert darauf, daß der politische Aspekt der Wirtschaftshilfe nur in dem engeren Rahmen diskutiert wurde, der durch die unmittelbaren Meriten dieser Hilfe gebildet wurde. 1948 war das einfach eine Vorsichtsmaßnahme, weil sonst das ohnehin schon schwierige Auslandshilfe-Projekt mit den noch schwierigeren Problemen einer neuen Sicherheitsorganisation beschwert worden wäre. Aber auch 1949, als die Verbindung zwischen 21
Rep. Holtfeld, D, Calif., C R 94, 3, 3 5 5 7 - 3 5 5 8 .
22
Vandenberg stellte die Frage, ob „the possibilities of regional arrangements do
not offer something worthy of study in the aspect of the area . . ( E u r o p a ) . C R 94, 2, 1985. 2S
Rep. Javits, R, N . Y . , Foreign Affairs, C R 94, 3, 3426. Der Gedanke einer Mili-
tärallianz wurde auch in der Öffentlichkeit ventiliert; die Gebrüder Alsop sprachen schon von der „proposed defensive alliance between the Western European powers and the United States". Washington Post, 10. März 1948. 24
Rep. Vursell, R , Iii., Public Works, C R 94, 3, 3527.
296
1. Die Ziele
dem European Recovery Program und dem Nordatlantik-Pakt klar zutage lag — geradezu symbolisiert dadurch, daß der Senat die Diskussion um die Verlängerung des ERP am 4. April 1949 unterbrach, damit die Senatoren der Unterzeichnung des Pakts beiwohnen konnten —, wurde tunlichst zwischen den unmittelbaren direkten und den mittelbaren indirekten Folgen der Wirtschaftshilfe unterschieden. Das war sachlich nicht unberechtigt. Die Auslandshilfe war keineswegs nur das wirtschaftliche Substrat des Nordatlantik-Pakts, sondern ein in sich selbständiges Element, das Grundelement des amerikanischen Sicherheitssystems. Auslandshilfe reichte weit über die europäischen Länder und über die vertraglichen und militärischen Sektoren des Sicherheitssystems hinaus. Die Truman-Doktrin hatte Hilfe als das Mittel bestimmt, das dem Kommunismus weltweit Widerstand leisten sollte, indem es durch ökonomischen Beistand die politische Ordnung stabilisierte. Es würde unterschätzt, betrachtete man seine politischen Wirkungen nur im Hinblick auf die in Europa herrschende Situation. Gewiß, Europa stellte den zentralen und akut bedrohten Bereich der amerikanischen Sicherheit dar; das European Recovery Program trug dieser Tatsache sowohl durch sein gewaltiges finanzielles Ausmaß wie durch den Vorrang Rechnung, der dem Programm eingeräumt wurde. Aber die Foreign Assistance Act schloß nicht nur die künftigen NATO-Länder, sondern darüber hinaus Westdeutschland, Irland, Österreich und Schweden ein. Der Titel III des Gesetzes brachte Griechenland und die Türkei, Titel IV China hinzu. Trumans Punkt-Vier-Programm 25 schloß 1949 Afrika, den Nahen und Fernen Osten sowie einige Gebiete Zentral- und Mittelamerikas der Wirtschaftshilfe an. Sie war hier schwächer, wie es der Lage und der Bedrohung dieser Länder entsprach. Aber das Ziel der Hilfe war das gleiche wie in Europa. Sie sollte die wirtschaftliche Basis für das demokratische System schaffen, damit sich die Völker von falschen Doktrinen abwandten und sich in der gemeinsamen Sache der menschlichen Freiheit mit den USA verbündeten 26 . Europa stand zwar im Vordergrund, seinem Gewicht und seiner aktuellen Bedeutung nach; aber als wirtschaftliches Element des Sicherheitssystems zielte Auslandshilfe mit den politischen Folgen, die sich die USA davon erhofften, auf alle in irgendeiner Form relevanten Länder und Gebiete der Welt. 25
Die Bezeichnung stammt daher, daß es der letzte von vier Programmpunkten war, die Präsident Truman in seiner Inaugural-Adresse 1949 aufgeführt hatte; Truman an den Congress, 20. Januar 1949, CR 95, 1, 477—478. 28
Truman an den Congress, 24. Juni 1949, CR 95, 6, 8397-8399.
Der ökonomische
Der ökonomische
Aspekt
297
Aspekt
Die wirtschaftlichen Absichten, die sich mit der Auslandshilfe verbanden, müssen in der gleichen Weise differenziert werden: geographischgraduell, aber nicht prinzipiell. Die Ziele des Punkt-Vier-Programms: Einfuhrmöglichkeiten f ü r bestimmte, in den USA benötigte Waren und Rohstoffe, Exportchancen für die amerikanische Industrie und Landwirtschaft27 waren die gleichen wie die, die der Marshall-Plan verfolgte. N u r war Europa auch wirtschaftlich für die USA von größerem Wert als etwa Afrika oder der Ferne Osten. Im Falle des Europäischen Wiederaufbau-Programms läßt sich schwer abschätzen, ob die politischen oder die wirtschaftlichen Aspekte überwogen. 1948 dürfte der politische dringlicher gewesen sein; später und auf Dauer standen die beiden Aspekte einander nicht viel nach. Allgemein waren wirtschaftliche Absichten mit dem neuen Sicherheitssystem genauso verknüpft wie seinerzeit mit dem Kollektiven Modell: sie bildeten einen ausschlaggebenden Bestandteil jeder Weltordnung, die für die USA auch nur einigermaßen interessant sein sollte. Die europäischen Bedürfnisse Immer deutlicher stellte sich heraus, daß der Krieg die europäische Wirtschaft sehr viel stärker geschädigt hatte, als ursprünglich angenommen; daß der desolate Zustand, in dem sich Westeuropa im Sommer 1947 befand, zum großen Teil eine Folge des Krieges war. Die USA mußten jetzt doch nachholen, was ihnen 1944/ 1945 unnötig geschienen hatte: die grundlegende Sanierung der europäischen Wirtschaften. Die Lage in den einzelnen Ländern war verschieden. Teilweise hatte der Produktionsindex den Stand von 1937 ( = 100) bereits überschritten, so in Dänemark (117), Frankreich (106), Irland (109), Norwegen (122), Schweden (107) und England (115); teilweise blieb er erheblich darunter: in Österreich (51), Westdeutschland (42), Italien (80), Benelux (89)28. Die Lage wurde verschärft durch zwei Mißernten und durdi den politisch bedingten Ausfall von Lebensmitteleinfuhren aus Osteuropa, so daß der kontinuierliche, wenngleich langsame Aufstieg der europäischen Länder 1947 stockte. Ihr Bedarf an Einfuhren aus Amerika stieg; ihre Fähigkeit, sie zu bezahlen, sank. Als Folge stellten sich verstärkt alle jene Erscheinungen wie Importrestriktionen und Währungsdiskriminierungen wieder ein, denen die USA über den International 27
Ibidem.
28
Vgl. die Tabelle nach Informationen des Außenministeriums, CR 94, 2, 2129.
298
1. Die Ziele
Monetary Fund und die geplante International Trade Organization hatten gerade abhelfen wollen. Die Probleme traten 1947 nicht neu auf, sie wurden lediglich gravierend. Seit dem Krieg hatten die USA immer schon vier Fünftel der ImportÜberschüsse der europäischen Länder finanzieren müssen, 1947 waren es alle fünf Fünftel. Gleichzeitig stieg das Volumen des amerikanischen Exports von 15,3 Milliarden Dollar im Jahre 1946 auf fast 20 Milliarden an 29 . Der amerikanische Aktiv-Saldo im Handel mit den 16 ERP-Staaten betrug zunächst 2,5 Milliarden, 1947 bereits ca. 4,3 Milliarden Dollar 30 . Der gesamte Exportüberschuß der USA im Jahr 1947 belief sich auf 11,5 Milliarden Dollar 31 . Diese schwindelnde Höhe kennzeichnet das Krisenjahr, in den folgenden Jahren bewegte sich der Überschuß zwischen 4 und 6 Milliarden Dollar. Fiel die Auslandshilfe — deren wichtigster Teil das Europäische Wiederaufbau-Programm war — fort, so war also eine Einschränkung des amerikanischen Exports um jährlich rund 5 Milliarden Dollar zu erwarten32. Die amerikanischen Interessen Ein solcher Exportrückgang wäre für die amerikanische Wirtschaft im ganzen nicht so sehr groß gewesen, auf einzelne Branchen indes hätte er beträchtlich wirken können. Die Landwirtschaft hatte etwa 1947 im Durchschnitt die Hälfte ihrer Ausfuhr in die OEEC-Länder geliefert, bei Fleisch, Milch, Eiern und Tabak waren es 60 % , bei Baumwolle 54 °/o. Die Holzindustrie exportierte rund 45 % ihrer Gesamtausfuhr in die OEEC-Staaten, die Eisen- und Stahlindustrie ein Viertel, die Kupferindustrie sogar 63 % . Im Maschinen- und Fahrzeugbau nahm der OEEC-Raum durchschnittlich 28°/o, bei schweren Lastwagen sogar 95 % des amerikanischen Exports ab. Für diese Wirtschaftszweige mußten Importrestriktionen der europäischen Länder erhebliche Einbußen mit sich bringen, vor allem im landwirtschaftlichen Süden der Vereinigten Staaten33. Selbst wenn sich das im Moment dank der inneramerikanischen Hochkonjunktur nicht drastisch auswirkte, 2 9 Council of Economic Advisers, Report to the President Summary, DoSB, X V I I , 437, 16. November 1947, S. 933. 30
Vgl. die Einzelaufstellung in CR 93, 9, 10841.
31
Humphrey, American
(Nourse-Report),
Imports, S. 10.
Zusammenstellung des möglichen Exportrückganges nach Industrien in CR 93, 9, 10842. Vgl. dazu die ins einzelne gehende Erörterung des Zusammenhangs von Auslandshilfe und Zahlungsbilanz der USA bei Kretsdimar, Auslandshilfe, S. 64 ff. 32
33
Sen. Eastland, D, Miss., Judiciary, CR 94, 2, 2380.
Der ökonomische
Aspekt
299
waren auf Dauer einschneidende Anpassungen der exportintensiven Wirtschaftsbranchen unvermeidlich 34 . Auf lange Sicht griffen die möglichen Folgen noch viel tiefer. Blieb die europäische Ökonomie gelähmt, so wurden Weltwirtschaft und Welthandel an einer entscheidenden zentralen Stelle gehemmt. Damit fielen die jahrzehntelangen und seit Kriegsende erheblich intensivierten Bemühungen der USA, den Welthandel zu liberalisieren, praktisch in sich zusammen. Der für die Vereinigten Staaten wichtigste Weg, ihren Wohlstand zu vergrößern, wäre bis auf weiteres blockiert. Dieser Weg w a r im Artikel VII des Mustervertrages über die Leih- und Pacht-Hilfe mit Großbritannien angelegt (s. o. S. 36 ff.) und mit der Gründung des International Monetary Fund verbreitert worden. Die geplante International Trade Organization, deren Charta auf der Konferenz von H a v a n n a am 24. März 1948 fertiggestellt worden war, sollte ihm jetzt seine endgültige Breite geben. Die wichtigen europäischen Länder konnten in der Konvention über die Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit vom 16. April 1948 schon auf die Grundsätze der ITO-Charta verpflichtet werden 35 , ehe sie noch in Kraft trat. Ein zentraler Teil der Weltwirtschaft war damit f ü r die amerikanischen Ziele bereits gewonnen worden; das stellte sich später als um so wichtiger heraus, als die I T O bekanntlich — nicht zuletzt infolge der Widerstände im amerikanischen Congress — niemals verwirklicht wurde 36 . Hätte man die europäischen Länder ihrem Schicksal überlassen, so würde auf Dauer die gesamte amerikanische Wirtschaft Schaden genommen haben. Die Möglichkeit, den Wohlstand ständig zu steigern, hätte sich erheblich verringert. An diesem Punkt berührte sich das wirtschaftliche Interesse mit dem politischen. Würden die Westeuropäer das kapitalistische Wirtschaftssystem beibehalten, wenn es so drastisch versagte? Hieß es nicht geradezu, sie Formen zentralverwalteter Wirtschaft zuzutreiben, wenn man sie in der Krise im Stich ließ? Das konnte im Extrem dem Kommunismus die Tür weit öffnen, das zog aber in jedem Fall nachteilige Folgen f ü r die USA nach sich. Der Kapitalismus ließ sich in den Vereinigten Staaten nur aufrecht erhalten, wenn ihm in Europa ein ähnliches System korrespondierte 37 . War das nicht der Fall, so mußten sich unvermeidliche Konse34
Nourse-Report, S. 933.
35
Vgl. insbesondere Artikel V I dieser Konvention, abgedruckt DAFR
X,
1948,
S. 246. 36
Vgl. dazu Diebold, End of
37
Sen. McMahon, D , Conn., Interstate and Foreign Commerce, C R 94, 2, 2021.
ITO.
300
/. Die Ziele
quenzen für das amerikanische Wirtschaftssystem und damit auch für die amerikanische Gesellschaftsordnung einstellen. Präsident Truman hatte diesen in der Tat zentralen Punkt schon in seiner ERP-Botschaft anklingen lassen 38 . Die Möglichkeit, daß Europa bolschewistisch werden könnte, bildete nur die oberste Stufe einer ganzen Skala von Folgen, die eine durch die Krise bewirkte Abwendung Europas vom kapitalistischen Wirtschaftssystem mit sich bringen konnte. Jede Folge hätte die wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung der Vereinigten Staaten mehr oder weniger beeinträchtigt. Im Hinblick auf Westeuropa enthielt die Auslandshilfe also einen ganzen Fächer wirtschaftlicher Interessen: unmittelbare Exportchancen, die langfristige Sicherung von Absatzmärkten, die Erhaltung eines f ü r Welthandel und Weltwirtschaft ausschlaggebenden Zentrums und schließlich den allgemeinen Wert Europas f ü r die amerikanische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Daran gemessen schlugen die 2 bis 3 °/o des Bruttosozialproduktes, die die U S A bis dahin für die Auslandshilfe aufgewendet hatten und noch aufzuwenden haben würden, wahrlich kaum zu Buch. Die isolationistische Kritik Eine solche Rechnung wurde im Congress lediglich von denen abgelehnt, die wirtschaftlichen Nutzen nur in Begriffen unmittelbaren und konkreten Gewinns erfaßten. Es war dieselbe Gruppe, die auch den politischen Aspekt der Wirtschaftshilfe verworfen hatte, und es waren die gleichen Argumente. Lag für sie das politische Heil primär in der militärischen Macht, mit der die Vereinigten Staaten der Welt den Frieden diktieren sollten, so das wirtschaftliche in der maximalen wirtschaftlichen Potenz der U S A , die demzufolge ungeschmälert erhalten werden müßte. Diese Gruppe war wirtschaftlich wie politisch gegen Zusammenarbeit; wie sich ihre Methode in einer wechselseitig verflochtenen Weltwirtschaft auf Dauer realisieren ließ, blieb offen. Die Gruppe kritisierte die Höhe der Summe, den Zwedt, dem sie dienen, und die Art, wie sie eingesetzt werden sollte. In den Augen dieser Gegner bedeutete das Programm nur eins: daß die Amerikaner insgesamt 17 Milliarden Dollar aufbringen sollten, mit denen die europäischen Regierungen ihre Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den U S A erhöhen konnten. Der amerikanische Steuerzahler finanziere praktisch seinen eigenen Konkurrenten 3 9 ; darauf lag der Schwerpunkt der 38
Truman an den Congress, 19. Dezember 1947, C R 93, 9, 11749.
Reps. Smith, R, Wis., Foreign Affairs; Keefe, R, Wis., Appropriations, C R 94, 3, 3815, 3651; ferner die republikanischen Senatoren Malone, Nev., Public Works; Rever39
Der ökonomische Aspekt
301
Kritik. Ferner wies die Gruppe darauf hin, daß eine Auslandshilfe solchen Stils den inflationistischen Druck in den USA verstärken müßte40 (was für bestimmte Warengruppen 1948 nicht ganz von der Hand zu weisen war); sie beanstandete vor allem, daß die Hilfe nicht zu normalen wirtschaftlichen Bedingungen gegeben werde. Die Gegenvorschläge dieser Gruppe im Haus und im Senat unterschieden sich in den Einzelheiten beträchtlich41, im Prinzip waren sie eng verwandt: sie trennten Nothilfe (relief), für die Senator Capper 2 Milliarden, der Abgeordnete Gwinn 500 Millionen Dollar vorgesehen hatte, und Wiederaufbau (rehabilitation), der unter geschäftlichen Bedingungen finanziert werden sollte. Capper hatte dafür 5 Milliarden eingesetzt, die die Reconstruction Finance Corporation verteilen sollte; Gwinn wollte lediglich die amerikanische Industrie zu Investitionen anregen. Während der Vorschlag Gwinns reine Störaktion blieb, zog der sehr ins einzelne gehende und gründlich ausgearbeitete Gegenvorschlag des Senators Capper Aufmerksamkeit und immerhin 22 Stimmen auf sich42. Nichtsdestoweniger waren seine Chancen gering, weil sein Entwurf dem nun schon seit einem dreiviertel Jahr in Vorbereitung befindlichen Programm diametral widersprach. Die nationalökonomischen Theorien bei Befürwortern und Gegnern der Wirtschaftshilfe stehen hier nicht zur Debatte. Ein so kenntnisreicher Mann wie der Senator Taft stimmte aus politischen Gründen für das ERP, wirtschaftlich hielt er es nicht für gerechtfertigt43. Gerade mit dieser Differenzierung unterschied er sich von denen, die die Lage der USA in den Kategorien einer vergangenen Zeit analysierten, und, wenn sie mit der kommunistischen Drohung konfrontiert wurden, auf Grund ihrer nationalistischen Einstellung in imperialistische Konzepte auswichen. Die Wasserscheide im Congress verlief dort, wo der Hang zum Nationaliscomb, W. Va., Public Works, Chairman; Brooks, 111., Rules and Administration, Chairman, CR 94, 2, 2125, 2192, 2759. 40
Sen. Jenner, R, Ind., Labor and Public Weifare, CR 95, 3, 3276.
41
Im Haus das Substitute des Abgeordneten Gwinn, R, N . Y., Education and Labor, abgedruckt CR 94, 3, 3627—3628; im Senat das Substitute Senator Cappers, R, Kans., Agriculture and Forestry, Chairman, Foreign Relations, abgedruckt CR 94, 2, 2766 bis 2772. 41
Er verlor 22:68:6, 13. März 1948, CR 94, 2, 2775. Sogar die Senatoren Fulbright und Pepper stimmten dafür. 43
CR 94, 2, 2642.
302
1. Die Ziele
mus keinerlei Gedanken an internationale Zusammenarbeit aufkommen ließ. Die überwiegende Mehrheit des Congress folgte der Ansicht der Regierung, daß die Auslandshilfe aus menschlichen Gründen erforderlich, politisch zur Sicherung des amerikanischen Vorfeldes gegen die Sowjetunion geeignet und darüber hinaus für die amerikanische Wirtschaft vorteilhaft sei. Die USA gaben die Auslandshilfe, um den Kommunismus aufzuhalten; nebenher halfen sie damit bestimmten Wirtschaftsgruppen innerhalb der Vereinigten Staaten über eine ausgesprochen kritische Situation hinweg44 und sicherten sich auf Dauer die erwünschten Handels- und Absatzbedingungen mit einem potenten Partner. In den Jahren 1948 und 1949 setzten damit die USA den Entwurf, den sie im Winter 1946 begonnen hatten, und dessen Grundprinzipien von Präsident Truman am 12. März 1947 formuliert worden waren, in die von dem ubiquitären Sicherheitsproblem bestimmten weltweiten Maßstäbe um. Die Foreign Assistance Act, die GARIOA-Hilfen, zweiseitige Hilfsverträge und das Punkt-Vier-Programm bildeten das wirtschaftliche Element, mit dem die Sicherheit gewährleistet werden sollte (wobei man berücksichtigen muß, daß Titel III und IV des Auslandhilfegesetzes vorwiegend auf Militärhilfe ausgerichtet waren). Die nichtkommunistischen Regierungen sollten stabilisiert und immunisiert werden; das Programm hatte zum Ziel, den Kommunismus nicht weiter vordringen zu lassen. Die Ziele der Wirtschaftshilfe lassen sich also als eindeutig defensiv bezeichnen: sie sollten lediglich Sicherheit vor der Sowjetunion bewirken. Nirgendwo wurde versucht, in den kommunistischen Bereich vorzudringen. Nur das Punkt-Vier-Programm lag insofern in einer Zwischenzone, als es bezweckte, noch nicht gebundene Nationen für das westliche Herrschaftssystem zu gewinnen. Strenggenommen müßte man in diesem Fall von einer Expansion des westlichen Systems sprechen, vergleichbar etwa einer Präventiv-Aktion. Der geringe Aufwand, den die USA im Punkt-Vier-Programm trieben, läßt einen solchen Vergleich als etwas absurd erscheinen. Er macht aber zumindest noch einmal besonders deutlich, daß die Auslandshilfe nicht nur nach ihrer Zielsetzung der Sowjetunion gegenüber beurteilt werden muß, sondern auch nach ihren Wir44
3656.
Sen. Tydings, D, Md., Armed Services, Chairman, Foreign Relations, CR 95, 3,
European Recovery
Program
303
kungen bei den Hilfsempfängern. Hier sollte sie amerikanische Führung ermöglichen. In der Theorie war bereits im Frühjahr 1947 entschieden worden, daß der Einfluß der USA über die Stufe der Führung nicht hinausgehen, nicht zur Domination entwickelt werden sollte. Jetzt ist also nachzuprüfen, ob es, als der Entwurf verwirklicht wurde, bei dieser Entscheidung blieb, und wie sich die amerikanische Führung in der Praxis ausnahm.
2. D I E
MITTEL
Die Hilfsmaßnahmen, mit denen die Vereinigten Staaten die wirtschaftliche Komponente des neuen Sicherheitssystems aufbauten, waren nach dem durch Lage und Bedrohung bestimmten Dringlichkeitsgrad der einzelnen Regionen und Länder gestaffelt. Die Republikaner im Congress hatten zwar 1948 die drei wichtigsten Hilfsmaßnahmen in einem Gesetz, der Foreign Assistance Act, vereinigt und damit die zugrunde liegende ubiquitäre Absicht deutlich unterstrichen. Nichtsdestoweniger aber handelte es sich um verschieden gewichtige und unterschiedlich ausgestattete, nämlich den Bezirken der amerikanischen Sicherheit entsprechend angepaßte Aktionen. Im zentralen und bedrohten Bezirk: European Recovery
Program
Europa galten zwei Maßnahmen: das Europäische Wiederaufbau-Programm, das den Löwenanteil einnahm, und die Verlängerung der Griechenland-Türkei-Hilfe vom 22. Mai 1947. Das ERP war auf vier Jahre projektiert, sein Auslauf wurde 1952 in die neugegründete Mutual Security Agency übernommen. Bis dahin hatte das Programm 12 Milliarden Dollar nach Europa gesdiidkt, drei Viertel davon rückzahlungsfrei. Die Industrieproduktion Europas hob sich in diesen Jahren um 64 % und lag um 141 %> über dem Stand von 19381. Das Europäische Wiederaufbau-Programm kann hier weder in seinem diplomatisch-historischen, noch in seinem wirtschaftlichen Teil behandelt werden 2 , sondern nur in seiner Bedeutung als Instrument der amerikanischen Politik. In der Anlage folgte das ERP dem Muster des Public 1
Vgl. den Auszug aus der zusammenfassenden Übersicht der ECA vom 30. Dezember 1951, DAFR XIII, S. 1 6 3 - 1 6 5 . 2
Zu den diplomatischen Verhandlungen von 1947 vgl. neuerdings Mallalieu, Origin of Marshall Plan, passim. Ferner noch immer grundlegend Price, Marshall Plan, und
304
2. Die
Mittel
Law 84, projizierte die Mittel der neuen amerikanischen Politik vom Winter 1946/47 in die entsprechend größere Dimension. Im Grunde stellte das System nichts weiter dar als die maßstabgetreue Vergrößerung der Elemente, die eineinhalb Jahre zuvor erwogen und eingesetzt worden waren. Politische Bedingungen Die bekannten Bestimmungen, die auch in die Interim Aid eingegangen waren, begegnen hier wieder: die Empfänger mußten den Gegenwert der Zuwendungen auf ein Sonderkonto einzahlen, über das nur mit Zustimmung der Vereinigten Staaten verfügt werden durfte (See. 115b 6); die nicht verbrauchten Summen aus der Post-UNRRA-Aid und der Interim Aid flössen ebenfalls in jenes Konto. Mit seiner Hilfe sollten Währung und Finanzen stabilisiert, die Produktion allgemein und besonders die von Rohstoffen, die den USA fehlten, stimuliert, neue Quellen des Reichtums erschlossen und ferner die Ausgaben der amerikanischen Verwaltung bestritten werden 3 . Die Hilfe selbst wurde wiederum von eigenen Hilfsmissionen verteilt und überwacht (See. 109 a). Deren Organisation hatte aber jetzt das schon im Public Law 84 angelegte Endstadium erreicht und war zu einer eigenen Verwaltung, der Economic Cooperation Administration, aufgestiegen (See. 104 a). Ihr Leiter unterstand direkt dem Präsidenten und war dem Außenminister praktisch gleichgeordnet. Im Falle von Differenzen hatten beide das Recht, an die Entscheidung des Präsidenten zu appellieren (See. 105 b 2—3). Entsprechend war das Verhältnis zwischen den Hilfsmissionen und den diplomatischen Vertretungen in den einzelnen Ländern geregelt. Der Leiter der ECA-Mission war zwar dem Diplomaten im Rang nachgeordnet, in der Kompetenz hingegen gleichgestellt. Uber Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden entschied letztlich der Administrator in Washington (See. 109 b). Damit hatte der Congress gesiegt, der stets eine vom Außenministerium getrennte Organisation gewollt hatte. Diese Lösung besaß den objektiven Vorteil, daß die amerikanische Diplomatie von den belastenden Implikationen, die mit dem Hilfsunternehmen unweigerlich verbunJones, Fifteert Weeks. Die im übrigen kaum zu übersehende Literatur zu diesem Objekt hat ihren ersten bibliographischen Niederschlag gefunden in: Wittkowski, Schrifttum zum Marshall-Plan. s
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 935, 80/2, on S. 2022, S. 37. Mit Hilfe dieser Gegenwertkonten wurden vor allem die Energie-Erzeugung erhöht sowie die Verkehrswege (Eisenbahnen, Straßen, Flugplätze) verbessert und ergänzt. Bericht der ECA (Anm. 1), S. 163-164.
European Recovery
Program
305
den waren, freiblieb. Andererseits mußte eine solche Zweigleisigkeit die straffe Leitung der Außenpolitik sehr erschweren, Kompetenzkonflikte geradezu produzieren. Der Congress hatte mit dieser Regelung in erster Linie sicherstellen wollen, daß die wirtschaftlichen Gesichtspunkte gegenüber den politischen nicht zu kurz kamen. E r setzte es auch durch, daß der Special Representative, der von Paris aus die verschiedenen Hilfsmissionen koordinieren und als USA-Botschafter bei der zu gründenden Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit fungieren sollte — daß also dieser wichtige Mann weniger die Regierung, sondern in erster Linie den Administrator und dann erst die Regierung zu vertreten hatte 4 . Dieser Botschafter bildete damit die einzige direkte Verbindung zwischen der Diplomatie und der Auslandshilfe-Politik. Er erhielt seine Weisungen vom Administrator, sie mußten aber zuvor mit dem Außenminister abgestimmt werden (See. 108). Den „cold business aspects" 5 des Congress war damit Rechnung getragen. Entsprechend dem veränderten Charakter der Auslandshilfe, die jetzt nicht nur gegen Hunger und Kälte ankämpfen, sondern die europäische Wirtschaft wiederaufbauen sollte, waren sowohl die Bedingungen der Hilfe wie die Verpflichtungen der Empfänger schärfer gefaßt. Die europäischen Länder sollten am Ende des E R P von jeder außergewöhnlichen Hilfe unabhängig sein (See. 102 a); darum wurden sie darauf festgelegt, ihre industrielle und landwirtschaftliche Produktion zu vergrößern, mit finanziellen und währungspolitischen Maßnahmen ihre Währung zu stabilisieren, einen bleibenden Wechselkurs zu fixieren, das Budget auszugleichen und im allgemeinen das Vertrauen in ihre Geldpolitik wiederherzustellen. Sie mußten sich verpflichten, zusammen mit den anderen Teilnehmern den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu erleichtern und zu steigern, sowie die Handelsbarrieren untereinander und gegenüber Dritten abzubauen (See. 115 b 1—3). Die generellen Anweisungen des Rahmengesetzes wurden in den Abkommen, die mit den einzelnen Empfängerländern zu schließen waren, deren konkreten Verhältnissen angepaßt 6 . Diese Abkommen stellten 4
Ein entsprechendes Amendment Vandenbergs wurde vom Senat
angenommen,
nachdem ein weitergehendes von Senator Brooks abgelehnt worden war, C R 94, 2, 2538, 2542. Brooks wollte auch im Titel des Botschafters zum Ausdrude bringen, daß er ein Geschäftsmann und kein Diplomat sein sollte. 5
Sen. Cain, R, Wash., Banking and Currency, C R 94, 2, 2538.
6
Vgl. etwa das Abkommen mit Italien vom 28. Juni 1948, DAFR
Die Daten der anderen Abkommen ibidem, S. 242. 20
Czempiel
X , S. 2 2 9 - 2 3 8 .
2. Die Mittel
306
strenge Zügel dar, mit denen die USA die Richtung ihrer Hilfeleistungen steuerten; sie lassen aber auch erkennen, daß die Auflagen nur temporär sein und, nachdem sie ihre Wirkung in den Empfängerländern getan hatten, wieder entfallen würden. Mit Hilfe direkter amerikanischer Unterstützung sollte wenigstens im nicht-kommunistischen Bereich, vornehmlich in Europa, erreicht werden, was sich mit den Verträgen von Bretton Woods auf weltweiter Ebene nicht hatte erreichen lassen: die Festigung der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und die Schaffung eines ihr entsprechenden Außenhandelssystems. Spezielle Rücksichten Infolge der sehr viel größeren Anstrengungen, die das auch für amerikanische Verhältnisse riesige Unternehmen den USA abverlangte, hatte der Congress auch mehr Rücksicht auf die unmittelbaren Interessen der eigenen Wirtschaft genommen. Ein ganzer Abschnitt (112) der Economic Cooperation Act war dazu bestimmt, die Belastungen für die amerikanische Ökonomie so zu verteilen, daß Engpässe (zum Beispiel bei ö l ) tunlichst vermieden und Uberschüsse (etwa bei landwirtschaftlichen Produkten) abgebaut wurden. Die durch Stützungskäufe der Commodity Credit Corporation angesammelten Regierungsvorräte sollten vermindert werden, wobei ausdrücklich vorgesehen war, diese Überschüsse proportional zu ihrem früheren — und durch den Krieg verlorenen — Marktanteil auf die europäischen Länder zu verteilen 7 . Überdies verstand es sich von selbst, daß bei einem solchen Projekt jeder auch nur annähernd interessierte Industriezweig beteiligt zu werden hoffte. Die Auswärtigen Ausschüsse der beiden Häuser hatten sich aller Ansinnen zu erwehren versucht, die den Anschein hätten erwecken können, daß nicht die Sicherheit des Landes, sondern ökonomische Spezialinteressen gefördert würden 8 . Großenteils war ihnen das gelungen, und die abgewiesenen Interessen, so etwa die Fisch- und Konservenindustrie, versuchten nun ihre Wünsche bei der Plenardebatte durchzusetzen. Den kräftigsten Vorstoß führte die mächtige Handelsschiffahrt. Sie erreichte, daß 50 °/o aller Lieferungen auf amerikanischen Schiffen trans7
Das traf vor allem für den Tabak zu. Die gesamte Bestimmung (See. 112 d—f) hatte Sen. Aiken, R, Vt., Agriculture and Forestry, als Zusammenfassung mehrerer einzelner Amendments eingebracht, CR 94, 2, 2720. Die Begründungen dieses speziell auf die Interessen der amerikanischen Landwirtschaft zugeschnittenen Amendments finden sich in der Diskussion, ibidem, 2716 ff. 8
Rep. Mündt, R, S. Dak., Foreign Affairs, CR 94, 3, 3749.
European Recovery
Program
307
portiert werden mußten 9 ; zudem wurde der geplante Verkauf von 300 Liberty-Schiffen an die Empfängerländer untersagt 10 . Die Mühlenindustrie setzte durch, daß 25 % des Weizens als Mehl versandt wurden, was den Export-An teil des Mehls, der in den Jahren 1920—1940 durchschnittlich 18,6 % betragen hatte, also beträchtlich erhöhte und die Mühlen in den Empfängerländern entsprechend benachteiligte. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses wollte diese Bestimmung 1949 wieder streichen, was ihm aber nur halb gelang: 12,5 % des Weizens mußten nach wie vor vermählen geliefert werden11. Wirtschaftliche Gegenseitigkeit In einem Punkt indessen machte sich der Congress insgesamt zum Anwalt der amerikanischen Wirtschaft. Den Vereinigten Staaten fehlten — ganz oder teilweise — eine Reihe von Mineralien, die für die industrielle Produktion wichtig waren. Antimon, Kobalt, Industriediamanten, Graphit, Mangan, Nickel, Zinn, Gummi wurden 1940 in den USA überhaupt nicht gewonnen12. Die Vorkommen an Chrom, Mangan, Asbest, Antimon, Platin waren praktisch erschöpft. Von Anfang an hatte der Congress die Absicht verfolgt, diesen Mangel durch das Wiederaufbau-Programm beheben zu lassen; die Empfängerländer sollten verpflichtet werden, solche Rohstoffe den USA entweder als Vergütung zu überlassen oder aber ihnen den Zugang zur Produktion zu ermöglichen13. Nicht zuletzt mit Rücksicht darauf waren die überseeischen Besitzungen der OEEC-Länder in das Hilfsprogramm aufgenommen worden: auf diese Weise konnten die USA an den Bodenschätzen der Kolonien teilhaben. Die Economic Cooperation Act verpflichtete darum 1948 die Empfängerländer in milder Form, den USA solche knappen Rohstoffe zugänglich zu machen, sei es durch Verkauf oder Tausch (Sec. 115 b 5); und die Gel• Im Senat: Amendment Knowland, R, Calif., Appropriations, C R 94, 2, 2298. Im Haus: Amendment Bradley, R, Calif., Merchant Marine and Fisheries, CR 94, 3, 3748. Details der einzelnen Wünsche bei Kretschmar, Auslandshilfe, S. 52 ff. 10 I m Senat: Amendment Brewster, R, Finance, C R 94, 2, 2462. Im Haus: Amendment Colmer, R, Miss., Foreign Affairs, C R 94, 3, 3748. 11 Committee o n Foreign Affairs, H . Rp. 323, 81/1, 25. März 1949, on H . R. 3748, T o Amend the E C A Act of 1948, S. 27. 12
Vgl. die Aufstellung in C R 95, 3, 3753, die auch Angaben über die Weltproduk-
tion dieser Materialien enthält. 13
Select Committee on Foreign Aid, H . Rp. 1142, 80/1, 25. November 1947, Foreign
A i d and Exhaustion of Natural Resources in Relation to a Stock-Piling Program. Preliminary Report 10, S. 6 f. 20*
2. Die
308
Mittel
der des Gegenwertkontos sollten zum Teil dazu benutzt werden, die Anlagen für die Gewinnung solcher Mineralien zu erweitern 14 . Bei der Geldbewilligung für das ERP wurde der Congress schon präziser: 5 °/o der Gegenwertkonten durften die Vereinigten Staaten für den Erwerb knapper Rohstoffe ausgeben 15 . Der Erfolg blieb indes im Jahre 1948 weitgehend aus. Die USA konnten lediglich Gummi, Sisal und Diamanten erwerben, sowie einige Verträge über die Lieferung von Blei (Marokko), Kyanite (Kenya) und Graphit (Madagaskar) abschließen16. Der Congress stellte eine spezifische Abneigung der Empfängerländer fest, die USA mit solchen Rohstoffen zu versorgen 17 . Bei der Verlängerung der Economic Cooperation Act wurde daher nicht nur die 5 °/o-Klausel mit in das Gesetz aufgenommen, sondern audi der Administrator ausdrücklich angewiesen, mit den Empfängerländern, vor allem mit deren kolonialen Dependancen, langfristige Verträge über Produktion und Lieferung soldier Rohstoffe zu schließen18. Darüber hinaus erwog der Congress, Anleihen von der Zusicherung künftiger Lieferungen abhängig zu machen, weitere 5 % der Gegenwertkonten für die Ausbeutung von Vorkommen zu reservieren, private Investitionen auf diesem Gebiet stärker zu garantieren und die Beteiligung amerikanischer Minen an Förderungsvorhaben im Ausland, vor allem in den unterentwickelten Kolonien, zu unterstützen 19 . Die reichen Bodenschätze der europäischen Kolonien hatten den Congress bewogen, neben dem politischen Zweck der Hilfsmaßnahmen auch spezifische wirtschaftliche Vorteile zu verfolgen. Dies war aber der einzige Fall, und bei ihm müssen drei Momente berücksichtigt werden: die Bedeutung solcher Rohstoffe für die moderne Produktion (nicht nur für die Rüstung, sondern allgemein); die Geringfügigkeit des für diesen Zweck vorgesehenen Betrages — 5 %> der Gegenwertkonten machten im ersten Jahr des ERP nur 193,5 Millionen Dollar aus20, und ein Antrag, 1 4 Select Committee on Foreign Aid, H. Rp. 1 1 4 1 , 80/1, 25. November 1947, Proposed Principles and Organization f o r any Program of Foreign Aid. Preliminary Report 8, S. 9. 15
H. R. 6801, 80/1, P. L. 793, 62 Stat. 685.
18
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 323, 81/1, S. 30.
1 7 Joint Committee on Foreign Economic Cooperation, S. Rp. 140, 81/1, 22. März 1949, EC A and Strategic Minerals, S. 19. 18
P. L. 47, 63 Stat. 77, Sec. 9, c.
19
Joint Committee on Foreign Economic Cooperation, S. Rp. 140, 81/1, S. 39—42
20
Ibidem, S. 33.
European
Recovery
309
Program
den Prozentsatz auf 25 zu erhöhen, unterlag21 —; drittens schließlich, die rein geschäftliche Handhabung des größten Teils der Käufe und Investitionen, die aus der Rückzahlung von Anleihen und dem Zinsendienst finanziert werden sollten. Auch in diesem Punkt, der gemäßigten Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der USA, ähnelte das ERP seinem Prototyp, dem Public Law 84. Die Strukturen blieben gleich, nur die Größenordnung hatte sich verändert. Finanzielle Grenzen Der zentrale und akut bedrohte Bereich Europa zog durchschnittlich rund 80 % der amerikanischen Hilfe auf sich22. Im Rahmen des ERP gaben die USA im ersten Jahr 6,2 Milliarden und im zweiten Jahre 4,0 Milliarden Dollar aus23. Die Höhe des Aufwands blieb im Congress allerdings nicht unwidersprochen. Senator Taft hatte schon versucht, den vorgesehenen Betrag von 5,3 Milliarden auf 4 Milliarden Dollar zu senken, war aber mit 5 6 : 3 1 Stimmen abgewiesen worden24. Die eigentliche Bataille wurde jedoch in den Bewilligungsausschüssen ausgefochten, deren traditionelle Neigung zur Sparsamkeit sich unter republikanischer Leitung erheblich verstärkt hatte. Der Hausausschuß, dem am ERP vor allem mißfiel, daß es die Zahlungsbilanz der Empfängerländer auszugleichen versuchte25, beschnitt den von der Regierung geforderten Betrag von 4,245 Milliarden gleich dreifach. Er senkte die Bewilligung direkt auf 4 Milliarden, verlängerte gleichzeitig ihre Laufzeit von 12 auf 15 Monate und kürzte schließlich ein drittes Mal, indem er das Wiederaufbau-Programm für Triest, Japan, Korea und die Ryukyus, das eigentlich aus anderen Fonds gedeckt werden sollte, ebenfalls noch in der für Europa vorgesehenen Summe unterbrachte. Der Senatsausschuß verhielt sich nicht weniger kritisdi. Er bemängelte vor allem, daß keine verläßlichen Zahlen über den wirklichen Bedarf der europäischen Länder vorlägen und der Congress praktisch einen Blankoscheck unterschreiben müsse. Immerhin wollte dieser Ausschuß der Regierung 4 Milliarden für 12 Monate zur Verfügung stellen und diesem 21
Amendment Sen. Ellenders, D , La., Agriculture and Forestry, abgelehnt mit 22:56:18, C R 95, 9, 3848. 22
Brown/Opie, Foreign Assistance,
23
Ibidem,
S. 175. H i n z u
S. 431.
kommen
die G A R I O A - M i t t e l
für Deutschland
und
Österreich. 24
C R 94, 2, 2708.
25
Committee on Appropriations, H . Rp. 2173, 80/2, 3. Juni 1948, on H . R. 6801,
Foreign Aid Appropriations Bill 1949, S. 3—4.
2. Die
310
Mittel
Betrag lediglidi die Hilfe für Triest zur Last legen26. Im Endeffekt blieb es dabei. Die Regierung erhielt 4 Milliarden Dollar für die ECA und Triest. Die Laufzeit betrug 15 Monate, doch wurde die Möglichkeit vorgesehen, den Betrag auch innerhalb von 12 Monaten auszugeben27. Hinzu kamen 225 Millionen Dollar für die Militärhilfe an die Türkei und Griechenland. Ähnlich wurde 1949 verfahren. Der Congress hatte, als er das Programm verlängerte, 5,43 Milliarden Dollar vorgesehen28. Damit sollte 1949 die Spanne zwischen dem April und dem am 1. Juli beginnenden Fiskaljahr überbrückt und dieses Haushaltsjahr selbst gedeckt werden. Bewilligt wurden schließlich 4,72 Milliarden, die aber wiederum, falls erforderlich, in kürzerer Zeit ausgegeben werden konnten; ferner wurden 45 Millionen für militärische Hilfe an Griechenland und die Türkei zur Verfügung gestellt29. Trotz der Tendenz, den Aufwand auf der untersten Ebene zu halten, wandten die USA allein unter dem ECA-Programm in den Jahren 1948 bis 1950 insgesamt mehr als 12,5 Milliarden Dollar auf, um den für ihre Sicherheit entscheidenden und für ihre Wohlfahrt ausschlaggebenden Bereich Westeuropa gegen den Kommunismus zu stabilisieren. Europa war mit dem Public Law 84 als erste Region in dieser neuen Weise angegangen worden, Europa hatte, als der Entwurf zum System wurde, den größten Hilfsaufwand erhalten. Und an der südöstlichen Spitze Europas zeigte sich auch schon die enge Verbindung von wirtschaftlichem Aufbau und militärischer Potenz. Die militärische Variante War der griechisch-türkische Teil des zentralen Sicherheitsbereichs im Titel I der Foreign Assistance Act — der Economic Cooperation Act — schon mit amerikanischer Wirtschaftshilfe bedacht worden, so tauchten die beiden Länder im Titel III des Gesetzes noch einmal auf, und zwar unter dem Aspekt der Militärhilfe. Auch das war eine Parallele zum Frühjahr 1947, wo Griechenland unter dem Public Law 84 wirtschaftlich und unter dem griechisch-türkischen Programm 26 Committee on Appropriations, S. Rp. 1626, 80/2, 14. Juni 1948, on H. R. 6801, S. 12. Vgl. die Tabelle auf S. 16—17 und die allgemeine Kritik des Ausschusses, S. 10—11. 27
P. L. 793, 80/2, 62 Stat. 685.
28
P . L . 47, 81/1, 63 Stat. 77.
29
H. R. 4830, 81/1, P. L. 327, 63 Stat. 621. Für die Aktionen der beiden Häuser bei den einzelnen Posten vgl. die Aufstellung in Committee on Appropriations, S. Rp. 655, 81/1, 12. Juli 1949, on H. R. 4830, Foreign Aid Appropriation, 1950, S. 14. Für einen generellen Überblick vgl. Brown/Opie, Foreign Assistance, S. 173—176.
European Recovery
Program
311
militärisch versorgt worden war. Da jetzt auch die Türkei in das E R P miteinbezogen wurde, zeichnete sich die Komplementarität militärischer und wirtschaftlicher Hilfe erneut und deutlicher ab als 1947. Die Demokraten waren über diese Verknüpfung nicht sehr glücklich, auch der Senat nicht, der die Militärhilfe f ü r Griechenland und die Türkei von der Wirtschaftshilfe trennte und in einer eigenen Vorlage verabschiedete 30 . Die Republikaner im Haus waren den entgegengesetzten Weg gegangen, hatten die Verlängerung der Militärhilfe für diese beiden Länder in die Foreign Assistance Act aufgenommen und dabei das ursprüngliche Gesetz vom 22. Mai 1947 noch um China erweitert. Wirtschaftshilfe f ü r China war dann als eigener Titel IV der FAA erschienen, so daß auch für dieses Land der ergänzende Charakter der Militärhilfe deutlich zutage trat. Die Demokraten versuchten vergeblich, gegen diese Kombination Sturm zu laufen: sie wollten sowohl die Militärhilfe insgesamt, wie auch im besonderen China als Hilfsempfänger streichen. Beides mißlang: das Haus erklärte sidi mit 152 gegen 18 Stimmen für die Einfügung der Militärhilfe 31 . Später wurde die f ü r China bestimmte Wirtschaftshilfe in den Titel I V überwiesen, in dem dann — wie bei Griechenland und der Türkei — militärische und wirtschaftliche Hilfe zusammen erschienen. Was den Demokraten im Hinbiidt auf Griechenland und die Türkei gefährlich vorkam, war der Eindruck, den diese frühe Demonstration der Zusammengehörigkeit militärischer und wirtschaftlicher Hilfe hervorrufen mußte. Nach wie vor war es weniger der Grad der Bedrohung, der die Vereinigten Staaten zur H i l f e für die beiden Länder veranlaßte, als vielmehr deren strategische Schlüsselposition 32 . Hinsichtlich Griechenlands konnte man sich wenigstens auf die Guerillas berufen, sie waren sogar seit dem Beginn der amerikanischen Hilfsaktion von 14 000 auf 20 000 angewachsen. Der Anteil der Kommunisten hatte sich indessen nicht vergrößert, betrug unverändert 1 0 % . Was die Türkei anging, so hatte die Regierung nach wie vor nur das Verlangen der Sowjetunion 30
S. 2358, To Provide for Assistance to Greece and Turkey, 23. März 1948, CR 94, 3, 3275-3288. 31 Abstimmung über das Amendment Mansfields, D, Mont., Foreign Affairs, CR 94, 3, 3867. 32
Select Committee on Foreign Aid, H. Rp. 1505, 80/2, 4. März 1948, Report on Greece, S. 3.
2. Die Mittel
312
vorzuweisen, an der Kontrolle der Dardanellen teilzunehmen33. Natürlich ließ sich das Prestige der USA anführen, das es jetzt, im Jahre 1948, nicht mehr zulasse, eines dieser beiden Länder an den ideologischen Widerpart zu verlieren34, — eine für die Öffentlichkeit ganz plausible Erklärung für militärische Hilfe an Griechenland und die Türkei lag auch darin nicht. Die Demokraten hätten es daher lieber gesehen, wenn die militärische Variante der Wirtschaftshilfe, die zu dem frühen Zeitpunkt leicht Komplikationen hüben wie drüben aufstören konnte, auf einen etwas versteckteren Platz verwiesen worden wäre. Ganz andere und sehr viel schwerer wiegende Probleme entstanden den USA daraus, daß die Militärhilfe das einzige Mittel war, das sie außer der Wirtschaftshilfe einzusetzen hatten. Im hochindustrialisierten Europa konnte Wirtschaftshilfe optimale Erfolge bringen, weil sie einen Prozeß in Gang setzte, der ständig von selbst neue Faktoren politischstrategischer Sicherheit auf der einen, ökonomischer Fortschrittsmöglichkeit auf der anderen Seite produzierte. Waren diese Bedingungen nicht gegeben, so konnte Hilfe nur sehr geringfügige Resultate erzielen. In Ländern mit feudal-agrarischer Struktur ließ sich eine entscheidende Erhöhung von Wohlstand und Sicherheit weder durch Wirtschafts- noch durch Militärhilfe allein erreichen. Der Wirkung des wichtigsten Instruments der amerikanischen Außenpolitik waren in solchen Ländern sehr enge Grenzen gesetzt. Was geschah, wenn das Sicherheitsproblem in einem nichteuropäischen Land Anforderungen stellte, die sich durch Hilfe nicht bewältigen ließen? Hatten die Vereinigten Staaten noch andere Möglichkeiten? Was blieb überhaupt übrig, wenn sich das amerikanische Medium der Kooperation: Hilfe, nicht anwenden ließ? Auf dieses Dilemma stießen die Vereinigten Staaten zum ersten Mal in China. Im peripheren
und bedrohten Bezirk: China Aid Act
Die amerikanischen Entscheidungen in der China-Politik lassen die spezifischen Strukturen des Sicherheitssystems deutlich hervortreten. Die Republikaner hatten, seitdem sie die Mehrheit besaßen, stets darauf gedrängt, China einen besseren Platz in der Außenpolitik der Regierung zuzubilligen. Die Republikaner hatten es durchgesetzt, daß das Land an 33 Vgl. den Brief Marshalls an beide Häuser vom 28. Februar 1948, in: Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1017, 80/2, 22. März 1948, on S. 2358, Aid to Greece and Turkey, S. 2 - 3 . 34
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1585, 80/2, on S. 2202, S. 53.
China Aid Act
313
der Interim Aid beteiligt wurde, und die Republikaner im Haus wollten jetzt die Hilfe für China dem Tenor und dem Instrumentarium nach an das Europäische Wiederaufbau-Programm anschließen. Die Regierung war sehr vorsichtig vorgegangen. Präsident Truman hatte, als er dem Congress das ERP vorschlug, nur summarisch von der Notwendigkeit wirtschaftlicher Stabilität im Fernen Osten gesprochen35, sie zudem deutlich von der Europas getrennt. Das Hilfsprogramm für China, das die Regierung am 19. Februar 1948 schließlich vorlegte36, belief sich auf 570 Millionen Dollar, die bis zum 30. Juni 1949, also für 15 Monate reichen sollten. Gemessen an den für Europa, besonders für Griechenland und die Türkei beantragten Summen, gemessen vor allem an der Größe Chinas, stellten diese 570 Millionen nur den sprichwörtlichen Tropfen auf den heißen Stein dar. Präsident Truman machte daraus auch kein Hehl. Er gab zu, daß sich die Lage in China ständig verschlechterte, hatte aber „unter den Umständen, wie sie sind", nichts anderes vorzuschlagen. Die USA konnten nur versuchen, den wirtschaftlichen Niedergang Chinas aufzuhalten; alle anderen entscheidenden Maßnahmen mußten von der Nationalregierung selbst kommen. Der Präsident wurde nicht müde zu wiederholen, daß die amerikanische Hilfe nicht einmal in geringem Umfang die erforderlichen Eingriffe ersetzen könne, die von der chinesischen Regierung vorgenommen werden müßten37. Die Aufgabe in China Truman spielte damit auf die Unfähigkeit der Nationalregierung an, die schon Außenminister Marshall bei seiner Rückkehr aus China zur Hälfte für den Verlauf des Bürgerkriegs verantwortlich gemacht hatte und die auch im Congress scharf kritisiert wurde. In der Tat war der Wirkungsgrad des Instruments Auslandshilfe davon abhängig, wie es vom Empfänger eingesetzt wurde. Das war die subjektive Seite des Problems. Es gab aber auch eine objektive. Sie lag in der wirtschaftlichen Verfassung des Landes und in den Erfolgen der Kommunisten. Das Riesenreich war vornehmlich agrarisch und befand sich seit Jahren in einem erbitterten Bruderkrieg. Wie konnte Wirtschaftshilfe unter solchen Umständen überhaupt wirken? Die Republikaner im Haus taten sich natürlich leicht mit der Feststellung, daß die USA China ebensowenig wie Griechenland und die Türkei •5 Truman an den Congress, 19. Dezember 1947, C R 93, 9, 11753. 36
Truman an den Congress, 19. Februar 1948, C R 94, 1, 1426.
37
Ibidem.
314
2. Die Mittel
an ein anderes System fallen lassen konnten 38 . Sie setzten es durch, daß die China-Hilfe in die ECA-Organisation eingegliedert und unter die gleichen, entsprechend abgewandelten politischen Ziele gestellt wurde wie das Europäische Wiederaufbau-Programm 39 . Der Senat, der die China-Hilfe getrennt verabschieden wollte — und sich später dem Haus beugte —, sah viel genauer, daß „die künftige und konstruktive Rolle der USA nicht leicht zu bestimmen" sei40. Wirtschaftshilfe allein konnte wohl als Beweis für das amerikanische Interesse an der Unabhängigkeit, Integrität und Wohlfahrt Chinas dienen41, aber sie konnte die Lage in China nicht mehr ändern. Dazu wäre ein erheblich stärkeres, qualitativ anderes amerikanisches Engagement erforderlich gewesen, das letztlich in militärischer Teilnahme enden mußte. Im Haus forderten die Republikaner unter der Führung des Abgeordneten und China-Spezialisten Judd, daß die Wirtschaftshilfe durch Militärhilfe ergänzt und der Gesamtbetrag auf 1,5 Milliarden Dollar erhöht werde. Mehr sei „nach den besten Schätzungen" nicht erforderlich, damit China in den kommenden drei Jahren den Krieg siegreich beenden könne42. In der Praxis hätte Militärhilfe soldien Ausmaßes den Krieg aber bestenfalls verlängert. Um seinen Ausgang zu verändern, hätte ein anderes Mittel, nämlich eine unabsehbar große Zahl amerikanischer Soldaten in China eingesetzt werden müssen, und nicht nur zur Ausbildung chinesischer Truppen, sondern audi zur aktiven Teilnahme am Kampf 43 . China hatte seit der Niederlage Japans für mehr als 2 Milliarden Dollar Wirtschafts- und Militärhilfe erhalten, ohne daß diese Summen etwas genutzt hätten. Unter den Bedingungen, die im Lande herrschten, konnte Hilfe allein nichts ausrichten. Die Alternative war: langsame, aber kontinuierliche Siege der „RotChinesen" oder militärische Intervention der Vereinigten Staaten. Außenminister Acheson stellte 1949 fest, daß eine direkte Einmischung der USA 38
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1585, 80/2, 20. März 1948, S. 57.
39
62 Stat. 169, Titel IV, China Aid Act of 1948, Sec. 402.
40
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1026, 80/2, 25. März 1948, on S. 2393, Aid to China, S. 5. 41
Ibidem, S. 13.
42
Rep. Judd, R, Minn., Foreign Affairs, CR 94, 3, 3332.
43
Außenminister Adieson an Connally, Chairman des Auswärtigen Senatsausschusses, 15. März 1949, abgedruckt DAFR XI, 1949, S. 548. So auch Department of State, Relations with China, S. 352.
China Aid Act
315
in den chinesischen Bürgerkrieg der traditionellen China-Politik wie den Interessen der Vereinigten Staaten widerspreche 44 . Der Senat hatte diese Auffassung, vor allem was das amerikanische Interesse anlangte, seit je vertreten. Er war sehr darauf bedacht, daß die China-Hilfe die USA nicht in militärische Verpflichtungen verwickelte 45 . Vandenberg warnte ausdrücklich davor, mit der China-Hilfe den Eindruck zu erwecken, „als unterschrieben wir den militärischen Feldzug der Nationalregierung. Was immer unser Herzenswunsch sein mag, jede solche Implikation würde angesichts der Größe des Landes unmöglich sein" 46 . Im Repräsentantenhaus fand sich niemand, der dieser Auffassung grundsätzlich widersprochen hätte. Die Republikaner gingen nur so weit, die Regierung wegen ihrer Versäumnisse zu kritisieren, aber sie dachten nicht daran, den Einsatz amerikanischer Truppen in China zu verlangen. Dementsprechend blieb es im wesentlichen bei der von der Regierung geforderten Summe; nur die bereits erwähnte Nuance trat hinzu, daß die China Aid Act in das Auslandshilfegesetz aufgenommen, die Verwaltung der China-Hilfe der ECA einverleibt wurde. Ferner reservierte das Gesetz, hierin drangen die Republikaner des Hauses ebenfalls durch, 125 Millionen Dollar des Betrages f ü r Militärhilfe. Das China-Projekt 1948 umfaßte schließlich 275 Millionen für Wirtschafts- und 125 Millionen Dollar f ü r Militärhilfe 47 . Was immer das an Wirkungsmöglichkeiten bedeuten mochte — sie wurden von der Regierung, als sie das Gesetz ausführte, noch weiter abgeschwächt; erst im Dezember 1948 erreichten die Waffenlieferungen China; die militärische Beratergruppe wurde in ihrer Tätigkeit sogar eingeschränkt 48 . Als 1949 das Europäische Wiederaufbau-Programm erneut beraten wurde, sah auch der Auswärtige Hausausschuß, nunmehr wieder unter demokratischer Leitung, daß die Lage in China praktisch aussichtslos war. Die Kommunisten hatten inzwischen gewaltige Fortschritte gemacht und das Anwendungsgebiet amerikanischer H i l f e erheblich verkleinert. Es erschien geboten, die ECA-Vorräte in China tunlichst zu verbrauchen 44
Acheson an Connally, 15. März 1949, DAFR X I , S. 547.
45
S. Rp. 1026, 80/2, S. 10.
48
Vandenberg, Foreign Relations, Chairman, bei der Verabschiedung von S. 2393, China Aid Act of 1948, 30. März 1948, CR 94, 3, 3668. 47 48
P. L. 793, 80/2, 62 Stat. 685.
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 323, 81/1, 25. März 1949, on H. R. 3748, Extension of European Recovery Program, Minority Views, S. 4—5.
316
2. Die
Mittel
und die noch nicht ausgeführten Programme zu stoppen 49 . Es ging nur noch um eine Gnadenfrist. Das Haus wollte wenigstens den Schein retten und verabschiedete ein eigenes Gesetz mit politischen Erklärungen: Da die Hilfe in dem „engen, aber bedeutsamen" Sinne wertvoll gewesen sei, daß sie eine weitere Verschlechterung der Situation vermieden und die Unruhe in den Küstengebieten verringert habe, sollte der Rest der Bewilligung von 1948 noch in „China und Taiwan" ausgegeben werden können 50 . Diese 54 Millionen Dollar wurden also nun bis zum 15. Februar 1950 verlängert. In der Praxis betraf dies nur das landwirtschaftliche Aufbauprogramm; alle anderen Hilfsmaßnahmen wurden im August 1949 eingestellt, und das Verwaltungspersonal kehrte in die Vereinigten Staaten zurück 51 . Fünf Monate später, am 21. September 1949, konstituierte sich die Volksrepublik China. Die amerikanischen Möglichkeiten In China zeigten sich die Grenzen, die dem Instrument der Wirtschaftshilfe gezogen waren; es zeigte sich vor allem, daß die Vereinigten Staaten lieber diese Grenzen respektierten, als zu anderen Mitteln griffen. Der Nutzen der Auslandshilfe hing davon ab, daß die Empfängerregierung sie akzeptierte und entsprechend kooperierte 52 . Das setzte die subjektive Bereitschaft dieser Regierung, aber auch ihre objektive Fähigkeit voraus. Anders ausgedrückt: der unmittelbare Effekt ökonomischer H i l f e mußte um so größer sein, je ausgeprägter die Aufnahmefähigkeit des betreffenden Landes war. I n einem unterentwickelten Riesenreich, in dem auch noch Krieg, der denkbar schwerste politische Druckzustand herrschte, konnte ökonomische H i l f e notwendigerweise nur wenig ausrichten. Die USA standen damit in China vor der Frage, ob sie sich auf Hilfe beschränken oder zu dem stärkeren Mittel der Intervention greifen sollten. Die Antwort läßt auch hier wieder deutlich werden, wie die Ziele Sicherheit und Wohlstand in der amerikanischen Gesellschaft angeordnet waren. Die amerikanische Entscheidung China lag nicht, wie die pazifischen Inseln, im direkten Sicherheitsbereich der Vereinigten Staaten, sondern in dessen Vorfeld. Die USA mußten also die Bedeutung Chinas und ihre 49 Comraittee on Foreign Affairs, H. Rp. 329, 81/1, 28. März 1949, on H . R. 3830, Amending the China Aid Act of 1948, S. 3. Dort auch die Aufstellung der seit 1948 ausgegebenen Beträge und ihrer Verwendung. 50
Ibidem, S. 5.
51
Rep. Kee, D , W. Va., Foreign Affairs, Chairman, bei der Beratung von H . R. 3830, 4. April 1949, CR 95, 3, 3824. 52
Statement Adiesons, 5. August 1949, abgedruckt DAFR X I , S. 536.
317
China Aid Act
eigenen Möglichkeiten gegeneinander abwägen. Man war sich klar darüber, daß die Zukunft Chinas weitgehend die Zukunft Asiens bestimmen würde; es war keine Übertreibung, in den Entscheidungen Asiens ein Kernproblem des 20. Jahrhunderts zu sehen53. Überdies herrschte in den Vereinigten Staaten, vor allem im Westen, seit Jahrzehnten ein ChinaMythos 54 . Auf der anderen Seite war unbestritten, daß China, obwohl es der Bevölkerungszahl wie der Landmasse nach um vieles größer als Europa war, sich mit dessen militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung in gar keiner Weise messen konnte 55 . Ging Europa verloren, so waren die USA militärisch direkt gefährdet und wirtschaftlich in ihrer Entfaltungsmöglichkeit bedroht. Nichts davon traf für China zu. Gewiß würde seine Bedeutung mit der Zeit stark zunehmen; aber ein solches Zukunftspotential besaßen schließlich die anderen aufsteigenden Länder auch, wenngleich nicht in derselben Größenordnung. Der geringeren Wichtigkeit Chinas stand der riesige Aufwand gegenüber, den eine militärische Intervention der USA erfordert hätte. Unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit kann es auch einer wirtschaftsorientierten Republik als sinnvoll erscheinen, Gebiete zu besetzen; aber dann muß der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Sicherheitseffekt stehen. Bei den pazifischen Inseln hatte sich gezeigt, daß die USA sehr wohl zu annektieren verstanden, freilich unter ganz anderen Umständen. Dort hatte es sich um kleine Inselgruppen gehandelt, die die U S A im Kriege bereits erobert hatten, und deren strategischer Wert außerordentlich hoch war, weil sie die Seewege zum amerikanischen Kontinent kontrollierten. In China hätte ein ganzer Subkontinent erobert werden müssen. Und was dann? Hatte es Zweck, den Uhrzeiger zurückzudrehen und die Auseinandersetzung zwischen Nationalchinesen und Kommunisten noch einmal beginnen zu lassen? Oder sollten die USA China auf Dauer besetzt halten? Militärisch war das — vom Aufwand ganz zu schweigen — eine kaum lösbare Aufgabe. Außerdem hätte sich die Sicherheit der USA damit eher verringert. Die Angriffsflächen wären ganz erheblich und zu strategisch höchst ungünstigen Bedingungen vergrößert worden; das Schicksal der Philippinen im Zweiten Weltkrieg hatte eben erst ein abschreckendes Anschauungsbeispiel geliefert. 5S
Rep. Judd, R, Minn., Foreign Affairs, C R 94, 3, 3329.
54
Vgl. dazu die aufschlußreiche Studie von Neumann, Determinism,
Myth in the American 55
Image of China, bes. S. 10 ff.
Sen. Lodge, R, Mass., Foreign Relations, C R 95, 3, 3695.
Destiny,
and
318
2. Die Mittel
Für die Sicherheit der USA war China nicht wichtig genug, um unter den gegebenen Bedingungen eine militärische Intervention zu rechtfertigen. Untergeordneten Zielen, die vielleicht einen militärischen Eingriff empfehlen konnten, stand um so mehr der unermeßliche Aufwand und damit das Ziel des Wohlstands entgegen. Für Sidierheitsrelationen dieser Art im Vorfeld hatten die U S A ja gerade die Wirtschaftshilfe bereitgestellt. Sie sollte das amerikanische Dilemma: überall intervenieren zu müssen, ohne überall intervenieren zu wollen, beseitigen. Wirtschaftshilfe vermied ein direktes Engagement der U S A und bewirkte trotzdem Sicherheit, jedenfalls bis zu einem gewissen Grade. Wo dieses Mittel versagte, mußte sich die Bedeutung des betreffenden Landes für die Sicherheit der USA schon sehr erheblich verstärken oder verändern, um die Schale des amerikanischen Wohlstandes nach oben schnellen zu lassen. Ein solches Gewicht kam 1948 China gewiß nicht zu. Die Diskussion um die China-Politik der Vereinigten Staaten, die seit langem entbrannt ist56, wird um diese Relationen, die sich aus der Grundorientierung der amerikanischen Gesellschaft herleiten, nicht herumkommen. Es ließen sich zwar viele außenpolitische Lösungen für den Bürgerkrieg in China denken, aber nur sehr wenige, die der „Verfassung" der amerikanischen Außenpolitik entsprochen hätten. An Einzelheiten bleibt manches zu klären, beispielsweise warum Marshall eine Koalition zwischen den chinesischen Kommunisten und der Kuomintang für möglich und sinnvoll hielt; ferner, warum sich die Vereinigten Staaten in China nicht gleich nach dem Sieg über Japan stärker engagiert hatten, zu einer Zeit, als mit angemessenem Aufwand große und dauerhafte Erfolge möglich gewesen wären. Spätestens nach der Rückkehr Marshalls aus China — wenn nicht schon früher — hieß die Alternative nur noch: unterstützen oder intervenieren. Angesichts der geringen Bedeutung Chinas für die Ziele der Vereinigten Staaten konnten sich die USA kaum anders entscheiden als sie es taten. Im Zwischenbereich: GARIOA,
ECA, Zweiseitige
Verträge
Das Verhältnis von Sicherheit und Wohlstand trat, soweit es im Wirtschaftlichen sichtbar werden kann, noch einmal deutlich bei den vier anderen Empfängern amerikanisdier Wirtschaftshilfe im Fernen Osten zutage: bei Korea, Japan, den Ryukyus und den Philippinen. Sie sind in Vgl. neuerdings Tang Tsou, America's Failure; zu den Vereinigten Staaten. u
ferner Franke, Verhältnis
Chinas
GARIOA,
ECA, Zweiseitige
Verträge
319
dreifacher Weise als Zwischenbereich des Sicherheitssystems zu zählen. Einmal wegen des Grades ihrer kommunistischen Bedrohung: Südkorea war außenpolitisch dem kommunistischen Norden exponiert; innenpolitisch stabil. Japan besaß infolge der harten Wirtschaftspolitik der ersten Besatzungsjahre einen beachtlichen kommunistischen Flügel, war indes außenpolitisch fest in amerikanischer Hand. Die Ryukyus kannten keinerlei nennenswerte kommunistische Bedrohung. Dagegen hatten die Philippinen jahrelang mit dem Hukbalahap-Aufstand zu tun, der sich auch kommunistischer Unterstützung erfreute. Einen Zwischenbereich bildete die Länder-Gruppe auch insofern, als sie teils innerhalb, teils außerhalb des pazifischen Perimeters der direkten amerikanischen Sicherheit lag57. Er verlief von den Aléuten über die Ryukyus zu den Philippinen, ließ also Japan (wegen seiner Eigenbedeutung) und Korea (wegen seiner Lage) aus. Innerhalb dieses Perimeters verfügten die USA herrschaftlich über die meisten der strategisch wichtigen Plätze. Mit den Philippinen, die sie 1946 aus jahrzehntelanger Abhängigkeit entlassen hatten, waren sie eng verbunden, hatten mit ihnen 1947 einen militärischen Hilfsvertrag geschlossen und von ihnen Stützpunkte erhalten (s. o. S. 116). Schließlich wurden die vier Hilfsempfänger noch durch den unterschiedlichen Status, in dem sie sich befanden, als Zwischenbereich ausgewiesen. Alle vier waren im Zuge der Kriegsereignisse von den Vereinigten Staaten besetzt worden. Inzwischen hatten die Philippinen die Unabhängigkeit erlangt; Korea war besetzt und sollte, wenngleich nur in seiner südlichen Hälfte, selbständig werden. Japan war besiegt und besetzt, hatte aber Aussicht, daß der Besatzungszustand eines Tages enden werde. Für die Ryukyus galt das gleiche, nur mit dem Unterschied, daß diese Aussicht fehlte. Der gemeinsame Nenner war, daß alle vier im pazifischen Raum Empfänger amerikanischer Wirtschaftshilfe waren. Hilfe war jedoch nicht das einzige Sicherheitsinstrument. Für Japan und die Ryukyus überhaupt nicht; sie standen unter amerikanischer Jurisdiktion, in beiden konnten die USA praktisch unbeschränkt schalten und walten. Die Philippinen waren durch zahlreiche andere Bindungen mit den Vereinigten Staaten verknüpft. Nur in Korea stand die Hilfe alsbald allein: die Vereinigten Staaten hielten 1948 das Land noch besetzt, zogen sich aber Anfang 1949 67
Vgl. die Bestimmung dieses „Defense Perimeter" durch Adiesons Rede vom 12. Januar 1950, abgedruckt DAFR XII, 1950, S. 426-^33.
2. Die Mittel
320
zurück, nachdem im August 1948 eine koreanische Regierung die Geschäfte übernommen hatte. Korea Bis Ende 1948 war Korea wirtschaftlich durch das von der Armee geleitete GARIOA-Programm unterstützt worden58. Wie erinnerlich, hatte das Repräsentantenhaus versucht, die Hilfe für Korea wie die GARIOA-Programme überhaupt in die Bewilligung für das Europäische Wiederaufbau-Programm einzubringen; damit wäre sowohl der finanzielle Gesamtbetrag gesenkt wie gleichzeitig die Bedeutung dieser Empfängerländer angehoben worden. In gewisser Weise mißlang beides. Die Bewilligung für Korea wie für Japan und die Ryukyus erschien wieder unter dem Titel des Armee-Ministeriums59, und statt ihrer Aufnahme in die ECA wurde lediglich vorgesehen, daß Wirtschaftshilfe in den GARIOALändern mit den „allgemeinen Zielen der Economic Cooperation Act of 1948 übereinstimmen" müsse. Wurde die Besatzung beendet, so sollten unverbrauchte Gelder weiterhin der wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung des betreffenden Landes dienen; doch mußte zuvor diese Verwendung vertraglich gesichert und das Empfängerland nach Möglichkeit auf die Abschnitte 5, 6 und 7 des Interim Aid-Gesetzes vom Dezember 1947 (Revolving Fund, Kennzeichnungspflicht und Einstellung der Hilfe) verpflichtet werden60. Nachdem sich am 15. August 1948 die Regierung der Republik Korea konstituiert und die amerikanische Regierung am 20. September den Abzug der US-Truppen angekündigt hatte, schloß Korea am 10. Dezember 1948 das entsprechende Abkommen mit den Vereinigten Staaten61. Unter dem GARIOA-Programm hatte Korea bis 1949 292,8 Millionen Dollar erhalten62. Für das Wiederaufbau-Programm, das seit dem 1. Januar 1949 also der ECA unterstand, verlangte Präsident Truman vom Congress 150 Millionen Dollar63. Jetzt, nachdem an die Stelle direkter 58
Vgl. für die Einzelheiten Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 962, 81/1, 1. Juli
1949, on H . R. 5330, Aid to Korea, bes. S. 24—25. Der sehr ausführliche Bericht stellt audi die Vorgeschichte sowie die wirtschaftlichen und politischen Probleme Koreas eingehend dar. 59
62 Stat. 685. Ibidem.
81
Text abgedruckt H . Rp. 962, 81/1, S. 5 8 - 6 2 .
62
Vgl. die Tabelle bei Brown/Opie, American
Assistance,
S. 316. Aufschlüsselung
bei Committee on Foreign Relations, S. Rp. 748, 81/1, 22. Juli 1949, on S. 2319, Aid to the Republic of Korea, S. 6. 63
Truman an den Congress, 7. Juni 1949, C R 95, 6, 7 3 5 8 - 7 3 5 9 .
GARIOA,
ECA, Zweiseitige
Verträge
321
amerikanischer (Militär-)Herrschaft die eigenständige koreanische Regierung getreten war, wurden dem Instrument der Wirtschaftshilfe wieder die vollen Aufgaben zugewiesen. Auf dem „Prüffeld" Korea sollten Gültigkeit und praktischer Wert der demokratischen Prinzipien demonstriert werden; hier sollte die einheimische Regierung dem Kommunismus Widerstand leisten und als Leuchtfeuer für die Völker Nordasiens wirken64. Den Republikanern im Auswärtigen Hausausschuß war das zu wenig. Sie waren sich klar darüber, daß das Instrument der Wirtschaftshilfe unter den Bedingungen des Fernen Ostens, besonders Südkoreas, nicht ausreichte65. Hier wie seinerzeit im Fall China bemängelten sie, daß die Administration nicht energischer handeln wollte, sondern auch noch die amerikanischen Truppen — bis auf den Rest einer erweiterten Gruppe militärischer Berater — abgezogen hatte. Tatsächlich war Korea trotz des ECA-Instruments schlechter bedacht worden als die Philippinen oder Japan. Aber auch hier vermochten die Republikaner nur Kritik, keine Alternative anzubieten. Korea teilte — wenn auch in anderer Größenordnung, die später die amerikanische Intervention im Korea-Krieg ermöglichte — mit China das Schicksal, so wichtig zu sein, daß es amerikanische Wirtschaftshilfe auf sich zog, aber nicht wichtig genug für die amerikanische Sicherheit, um die Verwendung stärkerer Mittel auszulösen. Wie in China waren die Amerikaner auch in Korea 1948 eher bereit, die Konsequenzen aus der Unzulänglichkeit der Wirtschaftshilfe auf sich zu nehmen, als Mittel anzuwenden, die einen größeren und qualitativ anderen Aufwand erfordert hätten. Die Philippinen Im Fall der Philippinen lagen die Dinge von Anfang an anders. Auch hier waren die amerikanischen Truppen abgezogen worden, aber die Vereinigten Staaten waren noch immer durch Stützpunkte, umfangreiche militärische Kontingente und durch entsprechend große Berater- und Ausbildergruppen vertreten. Ein militärisches Hilfsabkommen wurde, wie erwähnt, schon 1947 geschlossen; 1946 war ihm ein Gesetz über die Wiedergutmachung der von den Philippinen erlittenen Kriegsschäden vorausgegangen66. Wirtschaftshilfe war hier von 64
Ibidem, 7359.
«5 H . Rp. 962, 81/1, pt. 2, Minority Views, S. 2—3. 96
P. L. 370, 79/2, 60 Stat. 340.
21 Czempiel
322
2. Die
Mittel
vornherein eingebettet in andere, stärkere Engagements der Vereinigten Staaten. Japan und die Ryukyus Bei dem Feindstaat des pazifischen Krieges war das wirtschaftliche Element des Sicherheitssystems vom Besatzungsregime noch völlig verdeckt. Japan erhielt amerikanische Hilfe ausschließlich unter dem GARIOA-Programm, das sich bis Ende 1947 darauf beschränkte, Epidemien und Unruhen zu verhindern. Der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik bewirkte in Japan vor allem, daß die Hilfe nunmehr auch zum Wiederaufbau verwendet wurde. Die Grundsätze des Pauley-Berichts von 1946, der japanische Reparationen vorgesehen hatte, wurden langsam durch die Empfehlungen des JohnstonCommittees, dem auch der ECA-Administrator Hoffmann angehörte, ersetzt67. Seit Beginn des Jahres 1948 spürte Japan die Kehrtwendung der amerikanischen Politik 68 . Da die Vereinigten Staaten Japan besetzt hielten, bestand jedoch kein Anlaß, für die Wirtschaftshilfe ein neues Instrument einzusetzen; GARIOA brauchte nur eine neue Richtung zu bekommen. Immerhin ist bemerkenswert, daß Japan erheblich mehr Hilfe erhielt als China, relativ sowohl wie absolut69. Darin schlug sich einmal der größere strategische Wert Japans für die USA nieder, der weiter anstieg, je deutlicher sich der unaufhaltsame Ausfall Chinas abzeichnete; zum anderen wirkte sich hier auch aus, daß die japanische Wirtschaft in unvergleichlich viel höherem Maß industrialisiert war, was der Hilfe entsprechend größere Wirkungen verlieh. In Japan wandten die USA also, wenn auch nur vorübergehend, ebenfalls jene Vielzahl von Mitteln an, die eigentlich erst den amerikanischen Verteidigungsperimeter im pazifischen Raum kennzeichnen. Innerhalb der direkten Sicherheitszone war Wirtschaftshilfe nicht mehr das ausschlaggebende, sondern nur noch das ergänzende Mittel der Sicherheitspolitik, die sich auf stärkere Bindungen wie Besitz oder de facto-Annexion stützte. Als exklusives Mittel war Wirtschaftshilfe nur im Vorfeld zu finden, nur im Bezirk der indirekten Sicherheit. Hier aber — von Japan zeit67
Auszüge siehe DAFR X , S. 160—162. Vgl. ferner die Gegenüberstellung der Vorschläge Pauleys und Johnstons bei Brown/Opie, American Assistance, S. 361. 68 69
Yanaga, United States Policy towards Japan, S. 207 ff.
Vgl. die Aufstellung bei Brown/Opie, Foreign Assistance, S. 317; Japan erhielt in der Zeit vom 1. Juli 1945 bis 31. Dezember 1951 2,2 Mrd. Dollar, China 1,7 Mrd. Bis zum Juni 1950 bekam Japan 1,8, China 1,5 Mrd. Dollar.
Investitionen
323
weilig abgesehen — gingen die Vereinigten Staaten über das ihnen adäquate Instrument der Wirtschaftshilfe nicht hinaus, und zwar auch dann nicht, wenn es, wie in China seit 1947 faktisch und wie in Korea seit 1948 mindestens vermutlich, nicht ausreichte. Die USA wählten für ihre Sicherheit nicht den größten, sondern den kleinsten Nenner, denjenigen, der ihrem Wohlstand die meisten Entfaltungsmöglichkeiten bot oder beließ. Im zentralen und unbedrohten
Bezirk:
Investitionen
Die Tendenz der bürgerlichen Republik, das Optimum der Sicherheit nach dem Minimum an erforderlichem Aufwand zu bestimmen, wirkte sich in Lateinamerika, dem traditionellen ,Hinterland' der Vereinigten Staaten, besonders kraß aus. Als Teil des amerikanischen Kontinents war Lateinamerika derjenige Bereich, in dem die USA empfindlich auf alles reagierten, was ihre Sicherheit beeinträchtigen konnte. Sie hatten den Rio-Pakt geschlossen und 1948 in Bogota die Charta der Organisation der Amerikanischen Staaten aufgesetzt. Beide Bindungen ließen den besonderen Wert Lateinamerikas für die Sicherheit der USA erkennen. Von dem spezifisch auf den Ost-West-Konflikt zugeschnittenen Mittel, der Wirtschaftshilfe, war indes keine Rede. Südamerikanische Wünsche Dabei gab es in Lateinamerika große ökonomische Probleme. Es war gelungen, den durch das Ende der Kriegslieferungen bedingten Exportrückgang weitgehend aufzufangen; nichtsdestoweniger blieb Südamerika wirtschaftlich eine unterentwickelte Region. Diesem Zustand ließ sich mit der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, deren Kapazität zu klein war, ebensowenig beikommen wie mit der amerikanischen Export-Import-Bank, deren Kredite ohnehin nur zu einem Zehntel nach Südamerika flössen70. Die lateinamerikanischen Länder hielten darum beständig hoffnungsvolle Ausschau nach den Vereinigten Staaten71. Was sie erwarteten, war ein „kleiner Marshall-Plan". Die amerikanische Antwort blieb aus. Auf der Konferenz von Rio hatte Außenminister Marshall nur den Trost zu bieten, daß der Wiederaufbau Europas im Endeffekt auch der lateinamerikanischen Wirtschaft 70
Brown/Opie, American Assistance, S. 115.
71
Wallich, Latin American Economic
Relations
with the United States, S. 161 ff.
Vgl. ferner jetzt die im Auftrag des Congress verfaßte umfassende Studie:
States Latin American Relations, S. Doc. 125, 86/2, 1960, bes. S. 419 ff. 21»
United
324
2. Die
Mittel
zugute kommen werde72. Das war richtig, brachte aber keinen unmittelbaren Nutzen. In der Economic Cooperation Act von 1948 wurden die lateinamerikanischen Länder als Helfer für Europa genannt (See. 116), was in der Praxis lediglich bedeutete, daß die USA einige offshore-Käufe bei ihnen tätigen würden. Als auf der Konferenz von Bogota die Gründung einer Inter-American Development Bank mit einem Kapital von fünf Milliarden Dollar angeregt wurde73, zogen sich die USA auf den Gegenvorschlag zurück, das Kapital der Export-Import-Bank speziell für Lateinamerika um 500 Millionen Dollar aufzustocken. Südamerika reagierte mit „offener Feindschaft"74. Das Wirtschaftsabkommen von Bogota beschränkte sich auf Allgemeinheiten. Es bestätigte die Bedeutung technischer Zusammenarbeit, verwies aber Staatsanleihen in eine untergeordnete Rolle und rückte statt dessen private Investitionen weit in den Vordergrund der Aufmerksamkeit 75 . Die Meinungsverschiedenheit beruhte darauf, daß die lateinamerikanischen Länder von ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen (und dem Komplex, von den USA ungebührlich benachteiligt zu werden) ausgingen, während die nordamerikanische Wirtschaftshilfe auf Sicherheitsinteressen reagierte. Lateinamerika hatte darin zwar seinen Dauerplatz, war aber nicht akut gefährdet. Der Kommunismus spielte dort keine große Rolle, die Sowjetunion war weit entfernt. Zudem herrschte die amerikanische Militärmacht unbestritten in der Westlichen Hemisphäre; es war sozusagen die einzige Region, wo das Sicherheitsmoment für die Vereinigten Staaten kein gravierendes Problem darstellte. Natürlich hätten sich hinreichend viele Gründe denken lassen, auch Lateinamerika Wirtschaftshilfe zu gewähren. Voraussetzung dazu wäre aber gewesen, daß die Vereinigten Staaten Sicherheit extensiv interpretiert hätten — und genau dazu waren sie nicht bereit. In ihrer wirtschaftlichen Orientierung stellten Sicherheit und Führung keine abstrakten oder isoliert zu bewertenden Ziele dar, sondern konkrete Aufgaben. Sie bemaßen sich nach dem Verhältnis von Notwendigkeit und Aufwand, wobei sich die Notwendigkeit auch nach der Höhe des Aufwands richtete 72
Ansprache Marshalls bei der Eröffnung der Konferenz, DoSB, X V I I , 31. August 1947, S. 4 1 4 - 4 1 5 . 73
Behrman, U.S. International 60) Literatur. 74 75
Brown/Opie, American
Financial Cooperation,
Assistance,
426,
S. 455. Dort (Anm. 59 und
S. 432.
Vgl. Norman Armour, Achievements of the Bogota Conference, DoSB, XVIII, 465, 30. Mai 1948, S. 7 1 4 - 7 1 5 .
Investitionen
325
— und nicht umgekehrt. Ziele wie Mittel wurden auf dem untersten Nenner gehalten: Sicherheit zu den geringsten Kosten. D a die Sicherheit in Lateinamerika nicht gefährdet war, sahen die U S A keinen A n l a ß , das Mittel der Wirtschaftshilfe anzuwenden. Erst nachdem dieses Grundverhältnis klar war, konnte sich eine weitere Perspektive eröffnen. Die Vereinigten Staaten wußten, daß der Kommunismus seine Offensive nicht auf die Schwerpunkte Europa und Asien beschränken würde. Präsident Truman hatte in seine Doktrin theoretisch die gesamte Welt einbezogen; praktische, der Relation von Dringlichkeit und A u f w a n d entspringende Gesichtspunkte hatten dazu geführt, daß Schwerpunkte gebildet wurden. Dahinter tauchten natürlich auch die anderen Bereiche der Welt auf, in denen die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung dem Kommunismus griffige Ansatzflächen bot. A n diesem Punkt mußte sich die Überlegung umkehren. Sicherheit war, geographisch gesehen, kein statischer, sondern ein fluktuierender Zustand. A u f dieser Einsicht beruhte der ubiquitäre Sicherheitsbegriff. Wenn die U S A es sich nicht leisten wollten, überall mit ihrer Auslandshilfe aufzutreten, so konnten sie es sich andererseits nicht leisten, weite Teile der Welt völlig unbeachtet zu lassen; waren sie im Moment nicht akut bedroht, so waren sie auf Dauer doch gefährdet. Starkes Gefälle zwischen den Gesellschaftsschichten und niedriges Wirtschaftsniveau mußten unweigerlich den Kommunismus anziehen. D a m i t waren auch diese Länder für die amerikanische Sicherheit von Bedeutung, sie w a r sehr schwach, konnte aber nicht außer acht gelassen werden. Das galt für Asien, A f r i k a , den N a h e n und Mittleren Osten; das galt aber auch für die lateinamerikanischen Länder. O h n e jede Frage standen sie, was die Sicherheit der U S A betraf, zumindest auf derselben Rangstufe wie andere unterentwickelte Länder; wegen der räumlichen N ä h e zu den Vereinigten Staaten kam ihnen vielleicht sogar ein höherer R a n g zu.
Nordamerikanische Leistungen Bei diesem erneuten Blick auf die südamerikanischen Republiken zeigte sich, daß die U S A deren wirtschaftliche Entwicklung ohnehin niemals völlig vernachlässigt hatten. Sie ließen ihnen vielmehr seit dem Ende der dreißiger Jahre technische H i l f e zukommen. Lag hierin nicht ein Instrument, das sich auch allgemein verwenden ließ, weil es wenig aufwendig, in seiner Wirkung aber gerade stark genug war, die Vereinigten Staaten zureichend in den peripheren, nicht akut bedrohten Bezirken der Sicherheit zu präsentieren?
2. Die Mittel
326
Präsident Truman hat das Punkt-Vier-Programm als „kühn und neu" bezeichnet76. Dem Typ nach aber lehnte es sich deutlich an die Methoden an, die die Vereinigten Staaten seit 1902, als das Pan American Sanitary Bureau zu arbeiten begann, in Südamerika angewandt hatten 77 . Es scheint, als gaben erneut die Erfahrungen, die die Vereinigten Staaten in Lateinamerika gesammelt hatten, den Werkstoff für ein Instrument ab, das sie jetzt für ihre Weltpolitik verwandten. Im peripheren
und unbedrohten Bezirk:
Punkt-Vier-Programm
Das Punkt-Vier-Programm Präsident Trumans verlängerte, wenngleich abgeschwächt, das wirtschaftliche Element des amerikanischen Sicherheitssystems in die nicht bedrohten und peripheren Bereiche hinein. Waren die europäischen Kolonien dem Marshall-Plan angeschlossen, so erfaßte das Punkt-Vier-Programm die anderen unterentwickelten Länder, vor allem im Nahen und Mittleren Osten und in Lateinamerika. Für sie verlangte Präsident Truman vom Congress ein zweiteiliges Instrumentarium: Bereitstellung technischer Hilfe und Förderung privater Investition durch westliche Garantien 78 . Das Punkt-Vier-Programm stellte damit eine spezifische Reduktion der den Marshall-Plan bildenden Mittel dar. Statt Dollar-Zuwendungen gab es nur Investitionsgarantien, die Lenkungsaufgaben der Hilfs-Missionen wurden zur Beratung durch technische Experten. Für diese Rudimente der Auslandshilfe forderte Präsident Truman im ersten Jahr lediglich 45 Millionen Dollar, das war ein Drittel der Summe, die er allein für Korea angesetzt hatte. Der Congress bewilligte 1950 schließlich 26,9 Millionen. Im Einklang mit dem Leitprinzip „relationship of cost to benefits" 79 entsprach das Punkt-Vier-Programm genau dem geringen Grad, in dem die Sicherheit der Vereinigten Staaten in diesen Ländern betroffen war. Der Impuls, der hinter dem Programm stand, war so schwach, daß die beiden Bestandteile von Anfang an getrennt gehalten wurden. Die 7 6 Truman, Memoiren, I I , S. 258. E r schreibt, daß ihm das Modell mit Beginn des Marshall-Plans eingefallen sei.
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 139, 85/1, 1957, S. 50. Die 660 Seiten starke Analyse der Technical Assistance bietet einen umfassenden Überblick über die Entstehung und Arbeitsweise des Punkt-Vier-Programms. Über die Vorstufen im 19. Jahrhundert unterrichtet Curti/Birr, Prelude to Point Four. 77
78
Truman an den Congress, 24. Juni 1949, C R 95, 6, 8 3 9 7 - 8 3 9 9 .
79
S. Rp. 139, 85/1, Technical Assistance, S. 19.
327
Punkt-Vier-Programm
Regierung hatte Investitionsgarantien und Technische Hilfe in zwei verschiedene Vorlagen aufgespalten; der Congress war darüber nicht glücklich, aber er vertiefte die Trennung noch, indem er die Investitionsgarantien nicht verabschiedete. Sie wurden erst 1951 mit der Mutual Security Act verwirklicht, während die Technische Hilfe ein Jahr eher, als Act for International Development (Titel I V der Foreign Economic Assistance Act of 1950 80 ) ins Leben trat. Die Organisation des Programms war so kompliziert wie möglich: für Europa und die europäischen Kolonien zeichnete die E C A verantwortlich, für Lateinamerika das Institute of Inter-American Affairs, so daß für die neugegründete eigentliche Technical Cooperation Administration im Außenministerium nur der Mittlere Osten und Südostasien übrig blieben. Ein Beirat für Technische Zusammenarbeit sollte versuchen, die verschiedenen Tätigkeiten zu koordinieren. Die Ausführung des Punkt-Vier-Programms, die in die Zeit nach 1950 fällt, braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden 81 . Die Act for International Development weitete das wirtschaftliche Element des amerikanischen Sicherheitssystems auf die gesamte noch verbleibende nichtkommunistische Welt aus. Der Löwenanteil des Programms kam den Ländern zu, die keinerlei andere amerikanische Hilfe erhielten: den nahöstlichen und arabischen Staaten. Danach folgten der Ferne Osten und Lateinamerika mit ungefähr gleichen Beträgen, später wurde Lateinamerika etwas bevorzugt 82 . In Europa trat das Programm überhaupt nur mit dem Austausch von Technikern und Kenntnissen in Erscheinung. Die Zielsetzung des Punkt-Vier-Programms war dieselbe wie die der großen Hilfsprogramme: die demokratische Lebensanschauung wachsen zu lassen, den gegenseitigen Handel auszudehnen und den Weltfrieden zu fördern (See. 402 a). In der Praxis war das politische Profil des Programms natürlich viel flacher. Das Aufgabengebiet war entschieden zu groß, und seine aktuelle Bedeutung für die amerikanische Sicherheit zu gering, als daß mehr als allgemeine Entwicklungshilfe zu leisten war. In dem Maß, in dem sie wirtschaftlichen Aufstieg ermöglichte, verminderte sie die Chancen des Kommunismus. Darin lag ihr Bezug zur amerikanischen Sicherheit. Diese allgemeine Funktion des Programms machte es möglich, daß die USA hier, wie sonst bei keiner Hilfsmaßnahme, die Vereinten Nationen 80
64 Stat. 204.
81
Vgl. dazu Bingham, Shirt-Sleeve
Diplomacy.
Amuzegar, Point Tour, auch Brown/Opie, American 82
Ferner den conzisen Aufsatz von Assistance,
S. 391 ff.
Vgl. die Tabelle in S. Rp. 139, 85/1, Technical Assistance, S. 58.
328
2. Die
Mittel
hinzuzogen. Auf Anregung der USA setzte der Wirtschafte- und Sozialrat der Vereinten Nationen am 15. August 1949 ein Technical Assistance Committee und ein Technical Assistance Board ein, die technische Hilfsprojekte ausführen sollten83. Zu den Kosten dieses UN-Programms steuerten die Vereinigten Staaten in den ersten Jahren durchschnittlich 60°/o, später rund 5 0 % bei84. Im peripheren und unbedrohten Bereich war der amerikanischen Sicherheit dadurch Genüge getan, daß sich der Lebensstandard der unterentwickelten Länder langsam hob. Das Punkt-Vier-Programm bildete in Aufwand und Ausrüstung die unterste Stufe der amerikanischen Auslandshilfe. An der Spitze stand Europa und dessen Wiederaufbau-Programm. Von den 12,5 Milliarden Dollar reiner Zuwendungen und den 3,1 Milliarden Dollar an Krediten, die die USA in den Jahren 1948 bis 1950 vergaben, nahm Europa sämtliche Kredite und 76 % der Subventionen (9,5 Milliarden Dollar) in Anspruch. Von den verbleibenden 3 Milliarden Dollar Subventionen gingen 8 0 % , nämlich 2,4 Milliarden Dollar, an Asien und den pazifischen Raum; Lateinamerika erhielt nur 200 Millionen Dollar, die Hälfte davon in Krediten 85 . Jenseits der europäischen Spitzenempfänger: Großbritannien (5 Milliarden Dollar), Frankreich (2 Milliarden), Italien (1 Milliarde), Niederlande (900 Millionen) und Westdeutschland (900 Millionen), nahm die amerikanische Auslandshilfe der Jahre 1948 bis 1950 in steilen, teilweise abrupten Sprüngen ab. Der unterschiedliche Aufwand läßt die unterschiedliche Bedeutung der einzelnen Abschnitte des amerikanischen Sicherheitssystems noch einmal deutlich hervortreten. Desgleichen zeigt die nach Europa jäh absinkende Kurve der Auslandshilfe besonders gut, wie ausschließlich es den Vereinigten Staaten um Sicherheit ging und wie sehr sie bemüht waren, dieses Ziel auch noch zu den geringsten Kosten zu erreichen. 3. D I E
FÜHRUNG
Führung und
Intervention
Der Grad der Führung, die die USA auszuüben vermochten, hing natürlich eng mit dem Umfang der gewährten Wirtschaftshilfe zusammen. 83
United Nations Document E/1553, S. 4 - 8 . Vgl. die Aufstellung der Länder-Beiträge in S. Rp. 139, 85/1, Technical Assistance, S. 172. 85 Brown/Opie, American Assistance, S. 552. 84
Fährung
und
Intervention
329
I m Punkt-Vier-Programm war er klein, so klein, daß die Vereinten Nationen bequem eingeschaltet werden konnten 1 . Im Europäischen Wiederaufbau-Programm, dem Schwerpunkt des Systems, war die amerikanische Führung beachtlich. Das Gesetz machte kein H e h l daraus, daß die Wirtschaftshilfe in Europa ganz bestimmte politische und wirtschaftliche Strukturen herbeiführen oder festigen sollte: das Prinzip der persönlichen Freiheit, freie Institutionen (also das westlich-liberale H e r r schaftssystem) und echte Unabhängigkeit (gegenüber der Sowjetunion). A u f ökonomischem Gebiet sollten Freiheit des Außenhandels, finanzielle Stabilität und wirtschaftliche Zusammenarbeit erzielt werden 2 . W o und wie setzte die amerikanische Führung an, um im Sicherheitssystem diese Ziele zu verwirklichen? Führung wird hier verstanden als maßgeblicher Einfluß innerhalb eines Kooperationszusammenhanges, bei dem die Teilnehmer die Freiheit der letzten Entscheidung behalten. Das charakterisierende Element ist die Zusammenarbeit, weil der Entschluß dazu einen Konsens-Bereich herstellt, in dem der Eingriff der Führungsmacht nicht als Intervention erscheint, weil er nicht gegen den Willen der Geführten erfolgt. Kriterium der Intervention ist die Ablehnung durch den passiven Teil 3 . Demgegenüber heißt Führung, Steuerungsmöglichkeiten nur temporär in Richtung gemeinsamer Interessen und nur an solchen Punkten und nur bis zu solchem Grade zu benutzen, daß der Konsens der Geführten als Entscheidung bestehen bleibt. I m zwischenstaatlichen Bereich ist der Konsens vorläufig eine formale, legale Kategorie, bedeutet Zustimmung der Regierungen. Sie kann, wie die Fälle Griechenland und Türkei gezeigt haben, in Konflikt geraten mit den Prinzipien demokratischer Legitimität und so die Führungsmacht mit der Alternative konfrontieren, entweder die Legitimität hintanzusetzen oder die Legalität des Konsens zu durchbrechen und zu intervenieren. Das Problem stellte sich im amerikanischen Sicherheitssystem noch öfter; es konnte an sich nur gelöst werden, wenn Führung zur Herrschaft erweitert worden wäre. Soweit ihm die Regierungen zustimmten, konnte der amerikanische Eingriff für sich beanspruchen, keine Intervention darzustellen. Insofern waren Feststellungen sachlich berechtigt, die sonst merkwürdig kontradiktorisch anmuten müßten: „Wir intervenieren nicht, um unseren 1
Vgl. Economic Cooperation Act of 1950, P. L. 535, 81/2, 64 Stat. 220, Titel IV,
Act for International Development, See. 402, a und b. 2
Foreign Assistance Act of 1948, P. L. 472, 80/2, 62 Stat. 169, See. 102, a.
3
Vgl. Graber, Crisis Diplomacy,
S. 2 , 1 7 .
3. Die
330
Führung
Willen anderen aufzuzwingen, sondern um andere vor Beherrschung zu retten. Wir intervenieren in der Sache der Freiheit. Wir intervenieren in der Sache des Friedens" 4 . Der Gegensatz zur Sowjetunion hatte eine Gemeinsamkeit entstehen lassen, die die Führungsmacht durch ihre Bereitschaft ausdrückte, verlorene Zuschüsse zu geben5, und die Geführten dadurch, daß sie mit der Hilfe bestimmte Auflagen akzeptierten. Es wäre den europäischen Staaten nicht unmöglich gewesen, die amerikanische Unterstützung zurückzuweisen, falls ihnen die Bedingungen unzumutbar erschienen wären. Die Führungsprobleme der USA entstammten hauptsächlich der Frage, auf welche Gebiete sich der Konsens im einzelnen erstreckte. Seine Grenzen wurden vom Gegensatz zur Sowjetunion ja nur grob definiert. Auf dem wirtschaftlichen Sektor konnte die Zustimmung der meisten Länder von vornherein, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, als sicher gelten. Abwehr des Kommunismus erforderte aber auch politische Zusammenarbeit. Sollte ihr Maß ganz in das Belieben der Teilnehmer gestellt bleiben, oder mußten die USA nicht auch hier einen Führungsanspruch erheben und mit der Wirtschaftshilfe durchsetzen? Die amerikanische Entscheidung läßt sich an H a n d mehrerer Beispiele feststellen. Wirtschaftshilfe
als Eingriff in die
Legitimität
Die Wahlen in Italien Den umfassendsten, aber zugleich schwächsten Versuch, politische Entscheidungen durch Auslandshilfe zu steuern, unternahmen die USA bereits im Anfangsstadium des Sicherheitssystems: sie versuchten, mit dem Europäischen Wiederaufbau-Programm den Ausgang der Wahlen in Italien zu beeinflussen. Italien war neben Frankreich dasjenige europäische Land, das den USA die größten Sorgen bereitete. Die Kommunistische Partei verfügte dort über einen so starken Anhang, daß Senator Fulbright vorgeschlagen hatte, die Ratifikation des Friedensvertrages mit Italien um ein halbes Jahr, vom Juni 1947 auf den Januar 1948 zu verschieben6. Darin stimmten ihm nicht nur rechtsorientierte Kreise, sondern auch so regierungstreue Senatoren wie 4
Rep. Lodge, R, Conn., Foreign Affairs, bei der Beratung der Interim Aid Bill, 5. Dezember 1947, CR 93, 9, 11097. 5
Vgl. dazu Erler, der im ,Grant' das Charakteristikum sich bildender Integrationszusammenhänge sieht. Internationale Finanz- und Wirtschaflshilfe, S. 42 ff. 6
Amendment Fulbrights zum Friedensvertrag mit Italien, Executive F, 5. Juni 1947, CR 93, 5, 6408, abgelehnt mit 22:67:6.
Eingriff in die
Legitimität
331
McMahon zu, weil ihnen das weitere Verbleiben amerikanischer Truppen ein genügend starkes Mittel zu bieten schien, die italienische Situation zu stabilisieren. Der Antrag Fulbright wurde nicht angenommen; Congress und Regierung sahen sich nach einem anderen Mittel um, das weniger drastisch, aber nicht minder erfolgreich zu sein versprach. Es fand sich in der Wirtschaftshilfe. Bereits die Interim Aid im Winter 1947 war Italien mit deutlichem Blick darauf gegeben worden, daß wirtschaftliche N o t das Land einer kommunistischen Regierung in die Arme treiben könnte 7 . Beim MarshallPlan trug der Gedanke, daß Hilfe „vielleicht ein entscheidender (determining) Faktor für den Ausgang dieser kritischen Wahlen" sein werde 8 , maßgeblich dazu bei, das komplizierte Gesetz rechtzeitig vor dem 18./19. April zu verabschieden. Die Führungsgruppen beider Parteien im H a u s wie im Senat waren sich darin einig, daß der Wahltermin in Italien der äußerste Zeitpunkt für die Annahme des Marshall-Planes darstellte; die republikanische Führung im Haus ging sogar so weit, den Auswärtigen Ausschuß ausdrücklich und dringlich darauf hinzuweisen 9 . Präsident Truman konnte das Gesetz am 3. April 1948 unterzeichnen. Seit der Bewilligung der Übergangshilfe hatte die amerikanische Regierung unter dem Titel „Aiuti del? America" eine intensive Kampagne in Italien entfaltet, um die Wahlen zu beeinflussen. Jedes hundertste Schiff mit amerikanischen Lieferungen wurde mit einer Zeremonie empfangen, an der auch der amerikanische Botschafter teilnahm; das sechshundertste Schiff lief genau drei Trage vor dem Wahltermin ein. Einen Tag davor wurde die zweite Hilfs-Rate in Höhe von 8,1 Millionen Dollar angekündigt 10 . Die United States Relief Mission in Italien versorgte die gesamte italienische Presse mit Informationsmaterial, Filmen, Wochenschauen und Wanderausstellungen. Die Auflage des Congress, alle Liefe7
Select Committee on Foreign Aid, H. Rp. 1145, 80/1, 25. November 1947, The Italian Crisis and Foreign Aid, S. 2. 8
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1585, 80/2, 20. März 1948, on S. 2202, Foreign Assistance Act of 1948, S. 3. 9
Rep. Fulton, R, Pa., Foreign Affairs, 29. März 1948, CR 94, 3, 3643. Vgl. für den Senat die Ausführungen von Sen. Lodge, R, Mass., Foreign Relations, 11. März 1948, CR 94, 2, 2524. 10 Sen. Kern, R, Mo., bei der Beratung von S. 1209, 4. April 1949, CR 95, 3, 3800. Vgl. auch das Statement des Hilfsmissons-Chefs Zellerbach vor dem Auswärtigen Senatsaussdiuß, zitiert ibidem.
3. Die Führung
332
rungen mit der Herkunftsbezeichnung
zu versehen 1 1 , wurde so voll-
ständig erfüllt, daß sogar die Gas-Rechnungen für die privaten H a u s halte den Aufdruck erhielten, das Gas sei mit amerikanischer hergestellt worden 1 2 . D e r
Congress
bemühte sich, diese
Kohle
Propaganda
weiter zu fördern, indem er das Außenministerium ermächtigte, für die Auslandsarbeit die amerikanische Filmbranche zu engagieren 1 3 . 1 9 4 9 nahm die demokratische Leitung befriedigt zur Kenntnis, d a ß das Europäische W i e d e r a u f b a u - P r o g r a m m einen
bei den W a h l e n in
Italien
„beherrschenden (dominating) E i n f l u ß " ausgeübt habe 1 4 . K r i t i k
w u r d e nur von den Isolationisten
geübt, die damit einen T e i l ihrer
Opposition gegen die Auslandshilfe überhaupt bestritten.
Selbst
der
republikanische Senator T a f t , sonst ein gestrenger M a h n e r vor jeglichem Interventionismus, rechtfertigte den Eingriff in die italienischen W a h l e n und die Gelder, die er gekostet habe: „. . . ich meine, wir müssen zugeben, d a ß wir angesichts der politischen W i r k u n g in einschlägigen Fällen von dem allgemeinen wirtschaftlichen Zweck abweichen müssen, um dem moralischen Zweck zu dienen und einen direkten K a m p f gegen den K o m munismus zu f ü h r e n " 1 5 . D i e Legislative sah also sehr genau, daß die U S A massiv auf die italienischen W a h l e n einwirkten; was sie nicht erkannte, war, daß es sich hierbei unbestritten um einen F a l l von Intervention handelte. Es gab, da W a h l e n das O b j e k t des Eingriffs bildeten, keine Regierung, die legitimiert gewesen wäre, ihn zu erbitten, ihn also zu legalisieren und aus der K a t e g o r i e der Intervention herauszulösen. D e r Congress glaubte sich gerechtfertigt, weil der Eingriff dem gleichen Ziel diente wie die Wirtschaftshilfe überhaupt: dem K a m p f gegen den Kommunismus. D a r i n w a r er sich der Zustimmung der italienischen Regierung sicher; sie hatte die Wirtschaftshilfe akzeptiert und sah auch die Schützenhilfe in den 11
61 Stat. 90, See. 3, i.
12
Smith, D., „Aid from America": Foreign Relief Operations in Italy,
X V I I I , 467, 13. Juni 1948, S. 7 5 5 - 7 5 7 , 777.
DoSB,
Der Artikel gibt ein detailreiches Bild
der Öffentlichkeitsarbeit, die die amerikanische Mission für die Wahlen leistete. 13
Amendment Fultons, bei der Beratung des Haushalts des Außenministeriums,
4. M ä r z 1948, C R 94, 2, 2151. P. L. 597, 8 0 / 2 , 62 Stat. 400. Die Bestimmung, die zunächst für die italienischen Wahlen gedacht war, kam dort nicht mehr zurecht, da die Bewilligung erst am 3. Juni 1948 Gesetz wurde. 14
Sen. Connally, D, Tex., Foreign Relations, Chairman, bei der Verlängerung des
E R P , 1. April 1949, C R 95, 3, 3686. 15
Sen. Taft, R, Ohio, Finance, 30. März 1949, C R 95, 3, 3450.
333
Eingriff in die Legitimität
W a h l e n nicht ungern, die sich ausschließlich gegen die Kommunistische P a r t e i richtete. Für den Congress reichte das aus. U n t e r dieser Zweckbestimmung konnte der amerikanische
Eingriff
sicherlich einen italienischen Konsens voraussetzen; aber er bezog sich auf das italienische V o l k und nicht auf die Regierung, w a r legitimer, aber nicht legaler N a t u r . D i e N u a n c e mag subtil scheinen, aber sie verm i t t e l t einen interessanten Aufschluß: D i e Vereinigten Staaten setzten im Führungsbereich offensichtlich ein gewisses M a ß an Legitimität fest: den Anti-Kommunismus. Zu seinen Gunsten griffen sie auch dann ein, wenn sie dafür keinen Rechtstitel vorzuweisen hatten, wenn sie also, völkerrechtlich gesehen, intervenieren mußten. D a das System gegen die Sowjetunion gerichtet war, bildete der A n t i Kommunismus das unerläßliche M i n i m u m an gemeinsamem Bewußtsein. Der
Begriff
„Anti-Kommunismus"
war
dafür
aber eigentlich
unzu-
reichend, weil er nur negativ ausdrückte, was positiv hätte formuliert werden sollen. Anti-Kommunismus k o n n t e doch wohl nicht nur die S t o ß richtung einer Allianz bezeichnen, so wie man im 18. J a h r h u n d e r t etwa anti-preußisch oder anti-österreichisch gewesen war. H i n t e r dem Begriff stand vielmehr die Überzeugung, daß die westliche D e m o k r a t i e
das
einzige dem Menschen angemessene Herrschaftssystem darstelle, und daß sich dieser Sachverhalt o b j e k t i v
nachweisen und gegen andere
Auf-
fassungen behaupten lasse. D i e P r ä a m b e l der Foreign Assistance A c t nannte ausdrücklich die politischen Grundforderungen, nämlich persönliche Freiheit und freie Institutionen. H i e r lag die eigentliche Basis des amerikanischen Sicherheitssystems: die demokratische Legitimität. D i e Vereinigten Staaten sahen sich damit einer ganzen S k a l a von Problemen gegenüber. W i e sollten sie m i t Staaten verfahren, die zwar anti-kommunistisch, gleichzeitig aber anti-demokratisch w a r e n ? W i e mit solchen, die sich nicht gerade als anti-demokratisch, aber als undemokratisch, reaktionär erwiesen? W a s h a t t e — das bildete den leichtesten G r a d des Problems — m i t solchen Teilnehmerländern zu geschehen, die durchaus als demokratisch-westlich bezeichnet werden konnten,
deren
Legitimitätskonzept aber veraltet und damit auf andere Weise dem K a m p f gegen den Kommunismus hinderlich war? K o n k r e t : Sollten die Vereinigten Staaten auf den politischen Zusammenschluß der europäischen N a t i o n a l s t a a t e n hinwirken? Sollten sie — diese Frage w a r j a schon 1 9 4 7 aufgetaucht — undemokratische L ä n d e r wie Griechenland und die T ü r k e i zu R e f o r m e n zwingen? U n d wie sollten sie sich verhalten, wenn sie auf
334
3. Die Führung
den Extremfall, auf ein Land wie Spanien stießen, das heftig anti-kommunistisch, aber genauso heftig anti-demokratisch war? Die Rolle Spaniens Spanien war von den Alliierten des Weltkrieges als faschistisch bezeichnet und praktisch geächtet worden. Die USA hatten ihren Botschafter im Dezember 1945 zurückgezogen; die Vereinten Nationen verabschiedeten am 12. Dezember 1946 die Empfehlung, Spanien nicht zu den U N zuzulassen und die Botschafter der Mitgliedstaaten abzuberufen. Andererseits war Spanien eindeutig anti-kommunistisch und für ein gegen die Sowjetunion gerichtetes System strategisch von besonderer Bedeutung. Der Konflikt zwischen divergierenden Legitimitätsprinzipien und konvergierenden außenpolitischen Interessen konnte nur aufgehoben werden, wenn die USA sich entschlossen, den Sicherheitsbereich zu integrieren oder wenigstens Schritte in dieser Richtung zu unternehmen. Der dazu erforderliche Aufwand wäre jedoch so immens gewesen, daß er für die USA von Anfang an nicht in Betracht kam. Das Äußerste, was sie leisten konnten und wollten, war Führung; mit einem so geringen Aufwand ließ sich aber bei einem Land wie dem faschistisch-diktatorialen Spanien nichts ausrichten. Man mußte sich entscheiden, ob man auf Spanien oder auf den letzten Rest an demokratischer Legitimität im Führungsbereich verzichten wollte. Sicherheit gegen die Sowjetunion war aktuell und dringlich; es konnte also naheliegen, ihr den Vorzug zu geben, zumal sidi die ideologischen Gegensätze zwischen den USA und Spanien zwar nicht verflüchtigt, aber doch im Moment weitgehend beruhigt hatten. Der Fall lag ähnlich wie 1941 die Kriegsallianz mit der Sowjetunion. Nur die Rollen zwischen Congress und Regierung und zwischen den einzelnen Gruppen im Congress selbst waren jetzt anders verteilt. Beim Bündnis mit der Sowjetunion war die Regierung vorangegangen und im Congress der Kritik vor allem von rechts begegnet. Im Falle Spaniens preschte der Congress vor, während die Regierung zu bremsen versuchte; und zwar waren es gerade die Rechtsgruppen, die sich der Sache Spaniens annahmen. Im Auswärtigen Hausausschuß waren die Meinungen geteilt16; seine Mehrheit stand dem von rechts-republikanischer Seite vorgebrachten Antrag, Spanien als potentiellen Empfänger von ERP-Hilfe in die Economic Cooperation Act von 1948 aufzunehmen, nicht ablehnend 16
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1585, 80/2, S. 11. Vgl. dazu Rep. Javits, R, N . Y., Foreign Affairs, 30. März 1948, CR 94, 3, 3706.
Eingriff in die
Legitimität
335
gegenüber17. Im Haus wurde das Amendment mit beachtlicher Mehrheit angenommen18. Im Kompromiß der beiden Häuser setzte sich dann der Regierungsstandpunkt durch, daß die USA nicht ein Land zur Zusammenarbeit einladen könnten, das von den Europäern nicht in die OEEC aufgenommen worden war. Im Congress ließ der Druck jedoch nicht nach. 1949 lehnte der Senat einen Versuch, Spanien in die ECA-Bewilligungen einzubringen, noch unter dem Zureden Trumans ab. 1950 aber bewilligte er Spanien eine Anleihe von 62,5 Millionen Dollar, so daß das Land, wenngleich unter Sonderbedingungen und ohne selbst darum ersucht zu haben, am Marshall-Plan beteiligt wurde 19 . Mit der Klarheit, die dem Extrem eignet, zeigt der Fall Spanien die Konsequenzen, die der amerikanischen Außenpolitik aus ihrer cost to benefits-ratio erwuchsen. War der Sicherheitswert eines Landes groß, so mußte es von den USA auch dann akzeptiert werden, wenn sein Legitimitätsstandard nur das formale Minimum — Anti-Kommunismus aufwies. Sicherheit ist ein so überragendes Ziel, daß es keinen potentiellen Faktor auszulassen gestattet, zumal wenn er die strategische Bedeutung von Spanien besitzt. Aber auch bei geringerwertigen strategisch-militärischen Positionen war das Verhältnis nicht anders. Die Vereinigten Staaten mußten ihren Legitimitätsanspruch auf das formale Minimum beschränken, weil alles andere vorausgesetzt hätte, daß sie ihren Sicherheitsbereich stärker integrierten. Das Legitimitätsniveau zu verändern erforderte starke Eingriffe, und eben sie wurden von den USA als für das Ziel Sicherheit unnötig und darum zu aufwendig abgelehnt. Führung war der äußerste Aufwand, zu dem sie sich bereitfanden; ihm war der Legitimitätsbereich a priori entzogen, und zwar auch dann, wenn das Legitimitätskonzept nur hätte korrigiert und nicht — wie im Fall Spanien grundlegend verändert werden müssen. Die Reformen in Griechenland und der Türkei Vom Charakter des Regimes in Griechenland und der Türkei war im System kaum mehr die Rede. Es kam zwar noch zu sanften Ermahnungen 20 ; im übrigen diente das Argument nur noch der China-Gruppe, die der Regierung damit 17
Sehr w o h l w a r den meisten indessen dabei nicht, vgl. Rep. Vorys, R, Ohio, For-
eign Affairs, ibidem. 18
A m e n d m e n t des Abgeordneten O'Konski, R, Wis., Veteran Affairs, angenommen
mit 188:104, 31. März 1948, C R 94, 3, 3874. 19
B r o w n / O p i e , American
20
Select C o m m i t t e e o n Foreign A i d , H . Rp. 1505, 80/2, Report on Greece, S. 4.
Assistance,
S. 423—424.
336
3. Die
Führung
nachwies, wie wenig glaubwürdig ihre Politik gegenüber Chiang KaiShek sei, wenn sie von der Kuomintang Reformen verlange, auf die sie beim griechischen Königshaus verzichte21. Aber das war nur akademisches Geplänkel. Die USA konnten beiden Ländern genauso wenig Reformen oktroyieren, wie sie Spanien zur Demokratie zu bekehren vermochten. Und wenn das amerikanische Interesse an Anti-Kommunismus und wirtschaftlich-politischer Stabilität ohne Reformverlangen befriedigt werden konnte, mit ihm aber möglicherweise gefährdet wurde, dann mußte es auch unter pragmatischen Gesichtspunkten sehr viel ratsamer sein, Führung auf das unerläßliche, aber eben leicht zu erlangende Minimum zu beschränken. Selbst wenn sich erweisen sollte, daß undemokratische Regierungen auf Dauer nicht zu Korrekturen zu bewegen waren, und das demokratische Gesamtniveau im Führungsbereich abfiel, stellte sich der Schaden vergleichsweise nicht hoch. Weil der Bindungsgrad gering war, wurden die USA mit den ideologischen Abweichungen ihrer Partner wenig belastet. Praktisch fielen solche Abweichungen überhaupt nicht ins Gewicht, solange der Kommunismus abgewehrt und Stabilität gewährleistet wurde. Das optimale Verhältnis von Aufwand zu Erfolg war am ehesten zu erreichen, wenn die USA darauf verzichteten, die Legitimitätsprinzipien der von ihnen geführten Länder zu beeinflussen. Die Einigung Europas Ausläufer dieser Abwägung von Aufwand und Erfolg bestimmten auch die Stellung der USA zur europäischen Einigung. Gemessen an einer Demokratisierung Griechenlands oder Spaniens war das hier gestellte Problem zugleidi kleiner und wichtiger. Es war kleiner, weil es nur einen einmaligen, wenngleich kräftigen amerikanischen Schub erfordert hätte, der in Europa zudem vielfach begrüßt worden wäre. Es war wichtiger, weil die europäische Einigung schon in die Ziele Sicherheit und Stabilität hineinragte. Das zersplitterte Westeuropa war bis dahin ein notorischer Unruheherd gewesen; zumindest konnte es in seiner Zersplitterung bei weitem nicht die Kraft entfalten, die ein vereinter (Halb-)Kontinent haben konnte. In der Praxis hieß es aber eine neue Legitimität schaffen, wenn man die europäischen Länder vereinigen wollte. Jeder darauf abzielende Vorstoß der USA mußte sich gegen die bestehenden Regierungen wenden, im Endeffekt also in Intervention münden. Im Congress wollten starke progressiv eingestellte Kräfte die amerikanische Wirtschaftshilfe, sei es implizit oder explizit, als Hebel zur Rep. Smith, R, Wis., Foreign Affairs, 9. April 1949, C R 95, 3, 4 2 0 6 - 4 2 0 7 . Vgl. audi Rep. Judd, R, Ohio, Foreign Affairs, 23. März 1948, C R 94, 3, 3 3 2 9 - 3 3 3 2 . 21
Ein%riß in die
337
Legitimität
Einigung Europas benutzen. Die Regierung stellte sich beiden Möglichkeiten strikt entgegen; sie wollte auf keinen Fall die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Europäer durch politische Experimente gefährden 22 . Die Legislative vertrat den Standpunkt, daß das Grundkonzept der Wirtschaftshilfe für Europa „Einigkeit und Koordinierung" sei23. Das Haus hatte schon 1948 versucht, diese politischen Absichten in der Präambel des Hilfsgesetzes anzudeuten, war damit aber nur insoweit durchgedrungen, daß die Hoffnung, die Europäer würden wirtschaftlich zusammenarbeiten, in den Rang eines politischen Ziels der USA erhoben wurde 24 . Im Senat wollte Fulbright, der schon zuvor häufig als beredter Anwalt der europäischen Einigung aufgetreten war, weitergehen und die politische Einigung (unification) Europas direkt zum Ziel der Vereinigten Staaten erklären lassen25. Er ließ sich jedoch von Vandenberg und Barkley, dem Fraktionsführer der Demokraten, überreden, seinen Antrag wieder zurückzuziehen26. Beide bestätigten ihm, daß die europäische Integration nach herrschender allgemeiner Auffassung die große und realistische Hoffnung darstelle; es komme aber den USA nicht zu, auf die Europäer in dieser Richtung offiziell Druck auszuüben. Ein Jahr später, 1949, entschloß sich der Congress, doch deutlicher zu werden. Der Auswärtige Hausausschuß sprach sich lobend über den Brüsseler Pakt sowie über die O E E C aus, stellte aber direkt die Frage, ob nicht nunmehr der politische Zusammenschluß für die wirtschaftliche Erholung wesentlich sei27. Der Ausschuß trat jedenfalls jetzt offen dafür ein, daß es zur amerikanischen Politik erklärt werde, die „Einigung und Föderierung von Europa zu fördern (encourage)" 28 . Das Plenum stimmte ihm zu, wobei mehr als ein Drittel der Abgeordneten sogar noch 22
Vgl. dazu neuerdings BelofT, United
States and the Unity
of Europe,
S. 46. Das
Buch bietet gute Einblicke in die amerikanische Haltung zur europäischen Einigung. 2 3 Sen. Vandenberg, R, Midi., Foreign Relations, Chairman, 2. März 1948, C R 94, 2, 1969, 1961. 2 4 Rep. Lodge, R, Conn., Foreign Afíairs, 25. März 1948, C R 94, 3, 3526. Die Hinweise auf die Notwendigkeit politischer Vereinigungen waren in der Endfassung wieder entfallen, vgl. Committee on Conference, H. Rp. 1655, 80/2, on S. 2202, hier zitiert nadi dem Abdruck in C R 94, 3, 4061—4064. Die ursprünglichen Fassungen beider Häuser sind abgedruckt in C R 94, 3, 3886—3900. 25
22
Sen. Fulbright, D, Ark., Banking and Currency, 3. März 1948, C R 94, 2, 2030.
26
8. März 1948, C R 94, 2, 2286.
27
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 323, 81/1, 25. März 1949, on S. 1209, S. 12.
28
Ibidem, S . l l .
Czempiel
338
3. Die Führung
ein Übriges tun und die Einigung als wirtschaftlich, die Föderierung ausdrücklich als politisch deklarieren wollte 29 . Im Senat schlug Fulbright vor, 5°/o der Geldbewilligung von 1949 als Anreiz solchen Ländern zu geben, die sich zusammenschließen wollten30. Wieder griff Vandenberg ein, um den Vorstoß zunächst auf rein wirtschaftliches Gebiet abzulenken; auch in dieser Form wurde er dann zurückgewiesen31. Die demokratische Führung sah klarer, daß man die Einigung Europas wohl erhoffen, aber nicht erzwingen könne32. Zwar ließ sie jetzt zu, daß es offiziell zum Ziel der amerikanischen Politik gemacht wurde, „die Einigung Europas zu fördern". Aber sie weigerte sich nach wie vor, diese Einigung näherhin als politisch' bestimmen zu lassen33. Dementsprechend brachte sie auch die Formulierung des Hauses zu Fall, in der direkt von der Föderation Europas gesprochen wurde. N u r die schärfere Sprache, mit der das Haus auf die Notwendigkeit einer besseren wirtschaftlichen Zusammenarbeit der Europäer hingewiesen hatte, blieb bestehen. M i t dieser Forderung und der Erklärung, daß die U S A die europäische Einigung fördern wollten, drückte die Fassung von 1949 deutlich die amerikanische Führungsabsicht auf wirtschaftlichem Gebiet aus34. Davon wird weiter unten noch zu reden sein. Möglicherweise hätte sich die Legislative doch stärker für die Forderung nach einer politischen Union Europas verwandt, wenn nicht die Regierung unmißverständlich abgewinkt hätte35. Sie befürchtete, daß die europäischen Regierungen eine solche, ihre Existenzberechtigung in Frage stellende Forderung strikt ablehnen würden. Dieser Widerstand hätte vielleicht überwunden werden können, aber wiederum nur mit einer massiven Intervention, deren Preis in keinem Verhältnis zum Resultat für die Sicherheit stand. Immer wieder stießen die Vereinigten Staaten auf die Grenzen, die sie sich selbst dadurch gezogen hatten, daß sie ihr 29
Amendment Judds, 11. April 1949, C R 95, 4, 4306—4307. Abgelehnt mit 72:133,
ibidem 4315. 30
Amendment eingebracht 5. April 1949, C R 95, 3, 3873. Zur Begründung vgl. Ful-
bright, 30. März 1949, C R 95, 3, 3457 ff. 31
Abgelehnt mit 23:59:14, 6. April 1949, C R 95, 3, 3967.
32
Sen. Connally, D, Tex., Foreign Relations, Chairman, 6. April 1949, C R 95, 3,
3967: „ . . . I do not think it is our business to coerce them to unify . . 33
Amendment Fulbrights, abgelehnt mit 15:67:14, 8. April 1949, C R 95, 3, 4144.
34
Committee on Conference, H . Rp. 440, 81/1, 13. April 1949, on S. 1209, hier
zitiert nach dem Abdruck in C R 95, 4, 4628. 35
Fulbright, For a Concert of Free Nations, S. 13.
339
Eingriff in die Politik
außenpolitisches Engagement auf Führung beschränkten. Dieser „Selbstbändigung der Macht" waren die Legitimitätsgrundlagen der Partner entzogen. Die USA konnten den Ländern des europäischen Sicherheitsbereichs weder die Preisgabe des nationalstaatlichen Prinzips noch andere durchgreifende Reformen vorschreiben36. Sie konnten in den Entwicklungsländern nicht einmal sicherstellen, daß das erklärte Ziel der Wirtschaftshilfe: die Beeinflussung der gesellschaftlichen und politischen Struktur37, auch tatsächlich erreicht wurde. Die amerikanischen Eingriffsmöglichkeiten begannen erst jenseits der Grenze, bis zu der eine Integration des Sicherheitsbereiches erforderlich gewesen wäre. Dann aber gruppierten sich die Objekte sehr deutlich um das Ziel der Sicherheit. In der Wirtschaftspolitik war der amerikanische Führungseingriff sehr groß, praktisch identisch mit dem Umfang der Wirtschaftshilfe. Es lassen sich aber auch Eingriffe in die Politik der Empfängerstaaten nachweisen. Wirtschaftshilfe
als Eingriff
in die
Politik
Holland und Indonesien Das Paradigma eines solchen Falles bietet die Indonesienpolitik Hollands. Das Land hatte seit 1946 ständig versucht, die Agonie seiner Herrschaft in Niederländisch-Ost-Indien zu unterbrechen. Am 18. Dezember 1948 kündigte Holland das RenvilleAbkommen vom 17. Januar 1948 und nahm 24 Stunden später den Kampf gegen die Indonesische Republik wieder auf. Im Sicherheitsrat wandte sich der amerikanische Delegierte Jessup scharf gegen diese holländische Politik 38 ; der amerikanische Vertreter bei dem UN-Vermittlungsausschuß (Committee on Good Offices) Professor Frank P. Graham bemühte sich, Den Haag zum Einlenken zu bewegen39. Der 36
Vgl. Holborn, American
Foreign
vom selben Autor: Die amerikanische
Policy and European Außenpolitik
Integration,
und das Problem
der
S. 25. Ferner europäischen
Einigung. 37
Vgl. dazu Würfel, Foreign
Aid.
Das gewählte Beispiel der Philippinen enthebt
Würfel jedoch der Notwendigkeit, sidi mit der Integrations-Problematik auseinanderzusetzen. Morgenthau, Political
Theory of Foreign
Aid, unterstreicht die Unzulänglich-
keit der Auslandshilfe als eines politischen Steuerungsinstruments, wenn sie isoliert eingesetzt wird. 38
Security Council, Official Records, Jg. 4, N r . 2, Sitzung vom 11. Januar 1949,
S. 2 - 1 0 , N r . 6, Sitzung vom 21. Januar 1949, S. 6—10. 39
Vgl. seine systematische Analyse der niederländisch-indonesischen Differenzen seit
dem Linggadjati-Abkommen in C R 95, 3, 3839—3848. Graham war 1949/1950 Senator für den Staat North Carolina. 22*
3. Die
340
Führung
Sicherheitsrat forderte mit seiner Entschließung vom 28. Januar 1949 beide Parteien auf, die Kampfhandlungen einzustellen; Holland sollte die indonesischen Politiker, die es am 19. Dezember in der indonesischen Hauptstadt gefangengenommen hatte, freigeben 40 . Als die Niederlande noch immer zögerten und keine Anstalten trafen, der Empfehlung des Sicherheitsrates Folge zu leisten41, griff nun auch der amerikanische Congress ein, der im März gerade über die Verlängerung des Europäischen Wiederaufbau-Programms beriet. D a die Niederlande zum Sidierheitsbereich der USA gehörten, von ihnen Wirtschaftshilfe unter dem E R P erhielten und als Mitglied des Brüsseler Pakts 1949 auch in das kommende Bündnis mit den Vereinigten Staaten eintreten sollten, war Washington vom Vorgehen Hollands in Indonesien mit betroffen. Bis zum Kriegsende hatten die USA in Südostasien die Reputation einer Vormacht des Anti-Kolonialismus besessen. Dieser Ruf war durch das Hin und Her über die pazifischen Inseln schon beeinträchtigt worden; er mußte Schaden nehmen, wenn Amerika den holländischen Kolonialismus mit der Wirtschaftshilfe praktisch sanktionierte. Teile dieser Hilfe, rund 57 Millionen Dollar, waren an den holländischen Herrschaftsbereich in Indonesien geflossen und hatten damit, wie immer man es wenden wollte, auch den Kampf der Niederländer gegen Indonesien finanziert. In dieser extremen Situation zögerte die amerikanische Regierung nicht: bereits drei Tage nach dem holländischen Überfall auf die indonesische Hauptstadt, am 22. Dezember 1948, stellte die ECA ihre Lieferungen nach Indonesien ein. In einem Teilbereich, und sozusagen rein negativ, hatte damit die Regierung Wirtschaftshilfe zum politischen Druckmittel gemacht. Im Congress wollte man aber sehr viel weitergehen. Der republikanische Senator Brewster schlug eine Bestimmung vor, wonach eine Regierung, die den Empfehlungen oder Anordnungen des Sicherheitsrats nicht 40
Security Council, Official Records, Jg. 4, N r . 9, Sitzung vom 28. Januar 1949,
S. 20—33. Die USA stimmten für alle Teile der Resolution, jedoch gegen den von der UdSSR eingebrachten Antrag, der zum sofortigen Rückzug auf die Linie des RenvilleAbkommens aufforderte, S. 24. Die Empfehlung ist abgedruckt DAFR
X I , S. 5 7 4 — 5 7 8 .
Vgl. zur Stellung der USA in der Indonesien-Frage allgemein Good, United States and the Colonial Debate, 41
S. 233 ff., bes. S. 2 3 9 ff.
Vgl. den Bericht der U N Commission for Indonesia (d. i. der Vermittlungsaus-
schuß, dem der Sicherheitsrat in seiner Empfehlung vom 28. Januar 1949 eine neue Bezeichnung gegeben hatte), Security Council, Official Records, Supplements, März 1949, S/1270 & Corr. 1, S. 9.
Eingriff in die
Politik
341
folgte, überhaupt keine Hilfe erhalten sollte 42 . Davon wäre nicht mehr nur die indonesische Dependance, sondern Holland insgesamt betroffen worden. Das Mutterland wurde ja nach wie vor beliefert, weil Washington zwar die Indonesier schützen, gleichzeitig aber die Niederlande in der anti-kommunistischen Front behalten wollte 43 . Es war nämlich gut denkbar, daß Holland einen verschärften Versuch, Wirtschaftshilfe als Druckmittel einzusetzen, nicht widerstandslos hinnehmen, sondern mit dem Ausscheiden aus dem sich bildenden Paktsystem beantworten würde. Die USA standen damit vor der Frage, was wichtiger sei: die Geschlossenheit des zentralen Sicherheitsbereichs Europa oder ihr Ansehen und damit ihre politische Position in Südasien. D a ß es zu dieser Alternative gekommen war, lag auch wieder am Entschluß der USA, sich auf Führung zu beschränken, den Sicherheitsbereich nicht zu integrieren. Allerdings waren die Probleme, die die Alternative aufwarfen, jetzt anderen, kleineren Ausmaßes. Es ging nicht mehr um Grundfragen der Herrschaftsordnung, sondern um konkrete politische Handlungen. Hier konnte die amerikanische Führung ansetzen, konnte die Wirtschaftshilfe an die Bedingung knüpfen, daß der Empfänger keine elementaren politischen Entscheidungen treffe, die gegen elementare politische Interessen der USA verstießen. Ein solcher Fall war in der Indonesien-Politik Hollands zweifellos gegeben. Im Endergebnis scheute der Congress doch davor zurück, Wirtschaftshilfe als Instrument gegen politische Entscheidungen der Empfänger zu verwenden. Er ging zwar jetzt einen Schritt weiter als seinerzeit, wo es sich um Legitimitätsprobleme gehandelt hatte, und erklärte Wirtschaftshilfe wenigstens theoretisch zum politischen Führungsinstrument. Aber er setzte es in der Praxis nicht ein. Die Legislative war sich zwar darüber klar, daß der Atlantik-Pakt keinen großen Nutzen haben konnte, wenn sich gleichzeitig im Fernen Osten eine Milliarde Menschen von den USA abwandten 4 4 . Es herrschte jedoch die Meinung vor, daß im Kampf gegen den Kommunismus Europa — und damit Holland — wichtiger sei45. Vor allem wurde eingewandt, daß Wirtschaftshilfe nicht das geeignete Mittel zum Zweck darstelle: ihr Entzug würde die indonesische Frage keineswegs lösen, mit Sicherheit aber das E R P gefährden 46 . Wie sich heraus42
Amendment eingebracht 29. März 1949, C R 95, 3, 3383.
43
Sen. Douglas, D , III., Banking and Currency, ibidem, 3391.
44
Sen. Aiken, R, Vt., Agriculture and Forestry, ibidem, 3387.
45
Rep. McCormadt, D , Mass., Majority Leader, 11. April 1949, CR 95, 4, 4321.
** Rep. Lodge, R, Conn., Foreign Affairs, ibidem, 4322.
342
3. Die Führung
stellte, w a r auch bei politischen Differenzen ein Führungsaufwand erforderlich, der über die Möglichkeiten, die die Wirtschaftshilfe bot, hinausging. Vor dieser Konsequenz wich der Congress erneut zurück. Es blieb bei einer Deklamation. Brewster selbst änderte seinen A n t r a g ab, offenbar nach Beratung mit Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses. Die Bestimmung erschien nun unter den Gründen, die zur Einstellung der H i l f e führten (See. 118 ECA), und z w a r an dritter Stelle. Gleichzeitig wurde sie in doppelter Weise abgeschwächt. W a r die Ubereinstimmung mit dem Sicherheitsrat von Brewster ursprünglich als Voraussetzung f ü r den E m p f a n g amerikanischer Wirtschaftshilfe gedacht gewesen, so wurde sie jetzt zu einem Wunsch, bei dessen Nicht-Befolgung die H i l f e eingestellt werden konnte. Diese Möglichkeit sollte — das w a r die zweite Milderung — nicht schon bei Verstößen gegen Empfehlungen oder Anordnungen des Sicherheitsrats, sondern erst bei Widerstand gegen Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen angewandt werden können 4 7 . In dieser Form, die auch vom H a u s nicht verschärft wurde 4 8 , drückte die Klausel nur noch eine Selbstverständlichkeit aus. Ehe der Sicherheitsrat zu Sanktionen greifen konnte, mußten Sowjetunion und Vereinigte Staaten zugestimmt haben 4 9 ; dieser Fall hatte aber nicht nur keine große Wahrscheinlichkeit f ü r sich, er zog, sollte er wirklich eintreten, die Einstellung der amerikanischen H i l f e automatisch nach sich. Dennoch kommt dieser Bestimmung politologische Bedeutung zu. Es ist nicht so wichtig, ob sie die Indonesien-Politik Hollands beeinflußt hat 5 0 ; entscheidend ist vielmehr, d a ß Wirtschaftshilfe hier zum ersten Mal, wenn auch n u r in der Theorie, unmißverständlich als Steuerungsinstrument bezeichnet wurde. D a es sich nicht mehr um die Herrschaftsordnung, sondern um politische Entscheidungen der Empfängerregierungen handelte, waren einerseits die aktuelle Beziehung zu Sicherheit und Stabilität größer u n d das amerikanische Interesse stärker wie andererseits der amerikanische A u f w a n d kleiner. D a s Verhalten Hollands schädigte die westliche Position im Konflikt m i t der Sowjetunion, fiel also eindeutig in den K o n sens-Bereich, der dem Sicherheitssystem zugrunde lag. Die U S A mußten 47
Vgl. die beiden Fassungen in CR 95, 3, 3990.
48
Ein Vorstoß des Abgeordneten Javits wurde mit 5 gegen 136 Stimmen abgelehnt, 11. April 1949, CR 95, 4, 4322. 49 50
Vgl. die Kritik von Javits, ibidem, 4315.
Vandenberg versprach sich davon eine „immense and highly timely importance", 6. April 1949, CR 95, 3, 3992.
Eingriff in die
Wirtschaftspolitik
343
eingreifen, wenn sie nicht vollständig auf Führung verzichten wollten. Ein Land wirtschaftlich zu unterstützen, das politisch den USA Abbruch tat, widersprach jeder Vernunft. Wenn es soweit kam, mußte die Hilfe eingestellt oder ihr Ende zumindest angedroht werden. Darin lagen freilich nur sehr grobe Führungsmöglichkeiten, sie konnten erst im Extremfall benutzt werden und waren dann für sich allein unzureichend. Um die Teilnehmerländer zu zwingen, ihre Einzelentscheidungen total den amerikanischen Interessen anzupassen, hätten die USA ganz andere Mittel anwenden und sich zu einem viel größeren Führungsaufwand entschließen müssen. Die Vereinigten Staaten hatten statt dessen einen anderen Weg eingeschlagen, von dem zwar nicht totale, aber doch zureichende und dem Aufwand genau proportionale Erfolge zu erwarten waren. Die USA versuchten, mit der Wirtschaftshilfe Bedingungen zu schaffen, unter denen gemeinsame Interessen von selbst gemeinsame Absichten hervorbringen konnten. Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer außerhalb dieser Gemeinsamkeit liegenden Interessenkollision im Führungsbereich kam, ließ sich, wie das holländische Beispiel zeigte, nicht ganz ausschalten, aber sie war, zumal es ja ohnehin nur um einen Sektor des Ost-West-Konflikts ging, nicht sehr groß. Die amerikanische Führung setzte weniger an den politischen Einzelentscheidungen, als an der ökonomischen Struktur der Empfängerländer an. Hier bestand infolge der Natur der kommunistischen Bedrohung eine enge Beziehung zu Sicherheit und Stabilität; der Aufwand war klein und entsprach der Interessenrichtung der amerikanischen Außenpolitik. Hier griff die amerikanische Führung direkt und unmißverständlich an. Wirtschaftshilfe
als Eingriff in die
Wirtschaftspolitik
Wirtschaftsform Der amerikanischen Wirtschaftshilfe waren von Anfang an straffe Bedingungen mitgegeben worden; der Marshall-Plan vergrößerte sie, wie er die Hilfe selbst erweiterte. Die Auflagen waren so beschaffen, daß sie in einigen Sektoren der Empfängerländer „beachtlichen Einfluß ausüben" konnten51. Die europäischen Staaten wurden auf eine bestimmte Außenhandels- und Finanzpolitik geradezu verpflichtet. Sie war kapitalistisch und spiegelte zu weiten Teilen die Auffassungen und Interessen des Gebers wider. Die Gegenwertkonten beeinflußten die 51
Mikeseil, U. S. Economic
über die Auslandshilfe
Policy,
S. 265. Leider ist Kretschmar in seiner Studie
den wirtschaftspolitischen Wirkungen des E R P in Deutschland
nicht im einzelnen nachgegangen, vgl. S. 2 0 0 ff.
344
3. Die Führung
Finanzpolitik der Empfängerländer, vor allem in Richtung auf Finanzreformen. Die Verwendung dieser Konten bedurfte der Zustimmung des Administrators, den das Marshall-Plan-Gesetz zum Mitglied des — gelegentlich der Bretton Woods Agreements Act 52 gegründeten — National Advisory Council on International Monetary and Financial Problems gemacht hatte (See. 106). Das Gremium, das die gesamte internationale Finanzpolitik der USA koordinierte, steuerte also praktisch auch die amerikanische Hilfe in den Empfängerländern, steuerte damit alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die mit diesen Geldern und ihrem Rücklauf in die Gegenwertkonten verwirklicht wurden. Der Einfluß beschränkte sich nicht auf den ökonomischen Sektor, sondern richtete sich bewußt auch auf die Folgen für die politischen und gesellschaftlichen Strukturen der Länder. Die Empfänger mußten sich in den bilateralen Abkommen mit den USA auf die Ziele der politischen Präambel, also auf das liberale Wirtschafts- und Gesellschaftssystem verpflichten. Auch wenn die Formulierungen der Präambel allgemein gehalten waren, bestand kein Zweifel, daß von ihrer Befolgung der Empfang von Hilfe abhing 53 . Natürlich waren graduelle Abweichungen je nach der besonderen Lage des jeweiligen Landes möglich, die Grundrichtung aber war verbindlich. Auch die Methoden des Wirtschaftsaufschwungs blieben den Empfängern so lange überlassen, wie sie mit demokratischen Grundprinzipien übereinstimmten. „Ständige Befolgung solcher Prinzipien stellt eine wesentliche Bedingung ständiger Hilfe dar, wenngleich diese Bedingung weder eine bestimmte Form wirtschaftlicher Organisation noch die Aufgabe von Plänen erfordern sollte, die auf freie und demokratische Weise ausgearbeitet und in Angriff genommen worden sind" 54 . Der Grad des Dirigismus in Frankreich oder Holland konnte also schwanken, solange er in beiden Ländern dem Aufbau einer prinzipiell freien Verkehrswirtschaft diente. Gerade in diesem Punkt der staatlichen Wirtschaftslenkung befanden sich die USA selbst in einer schwierigen Lage. Der Mechanismus der Wirtschaftshilfe, die an die Regierungen gegeben wurde, stärkte zwangsläufig das dirigistische Prinzip, das eigentlich abgebaut werden sollte. Da die Zeit nicht ausgereicht hatte, eine andere, mehr marktkonforme Methode zu entwickeln 55 , mußten die Vereinigten Staaten dirigistisch dafür sorgen, daß im Sicherheitsbereich so wenig Dirigismus wie möglich auftrat. " 59 Stat. 339, s. o. S. 53 f. 53 Committee on Foreign Relations, S. Rp. 935, 80/2, S. 65. 54 Zusammenfassung des Harriman-Reports, DoSB, XVII, 437, 16. November 1947, S. 938. 55 Mikesell, U. S. Economic Policy, S. 267.
Eingriff
in die
Wirtschaftspolitik
345
In erster Linie richtete sich der amerikanische Eingriff also auf die Wirtschaftsstruktur der Empfängerländer und auf die Konditionen, die sich daraus für die Politik ergaben. Hatten es sich die USA versagt, auf die politische Einigung der Europäer politisch einzuwirken, so wurde der wirtschaftliche Zusammenschluß der europäischen Teilnehmer von Außenminister Marshall am 5. Juni 1947 sofort zur Voraussetzung der amerikanischen Hilfe erklärt. Der Druck der USA brachte OEEC und Europäische Zahlungsunion zustande. In politische Reformen der Empfänger mischten sich die Vereinigten Staaten nicht ein; wirtschaftliche Reformen bildeten jedoch ein Hauptobjekt amerikanischer Führung. Einzelentscheidungen Während sich die USA um politische Einzelentscheidungen der Empfängerländer nicht sonderlich kümmerten, mußte auf wirtschaftlichem Gebiet jedes Vorhaben, wenn es aus ERP-Mitteln bestritten wurde, mit der amerikanischen Administration abgestimmt werden. Hier zögerte der Congress auch nicht, auf Maßnahmen der Empfängerländer, die er nicht billigte, sofort mit dem Entzug der Hilfe zu antworten. Als Beispiel dafür mag der Ost-West-Handel dienen. Die Republikaner hatten am Ost-West-Handel insgesamt schon lange Anstoß genommen, ihn für unvereinbar mit der neuen Gesamtrichtung der amerikanischen Außenpolitik erklärt. Das Haus hatte am 5. Dezember 1947 vom Außenminister Auskunft über den amerikanischen Export in die Sowjetunion verlangt 56 ; der Ost-West-Handel der Europäer bot dementsprechend eine beliebte Thematik für die Reden der Hilfe-Gegner. Nach herrschender Meinung der Europäer wie der amerikanischen Regierung aber war dieser Handel für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas57 wesentlich; er konnte unter Umständen dazu dienen, den Eisernen Vorhang zu durchlöchern58. Das Haus interpretierte jedoch Sicherheit sehr viel enger — wenngleich nicht so eng wie die Gegner der Hilfe. Es verbot die Auslieferung von Gütern, die von den Empfängern zu solchen für den Ost-Export bestimmten Waren verarbeitet zu werden pflegten, deren Export in den 5
« H. Res. 366, 5. Dezember 1947, CR 93, 9, 11076.
57
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 935, 80/2; 27. Februar 1948, on S. 2202, European Recovery Program, S. 41. 58
Connally, 4. März 1948, CR 94, 2, 2120.
346
3. Die
Führung
U S A lizenzpflichtig war 5 9 . U n d 1951 strich der Senat die gesamte H i l f e f ü r Länder, die Kriegsmaterial irgendwelcher A r t an die Sowjetunion oder ihre Satelliten lieferten 60 . Charakter
der Führung
Der amerikanische Eingriff in die Wirtschaften der E R P - E m p f ä n g e r länder w a r straff und stark. Er m u ß jedoch danach beurteilt werden, daß er von vornherein auf vier Jahre begrenzt war und im großen und ganzen im Einvernehmen mit den Empfängern erfolgte. Keines dieser Länder stand dem ökonomischen System, das der amerikanische Eingriff erstrebte, ablehnend gegenüber; im G r u n d e handelte es sich um eine Revitalisierung, die unter amerikanischer Anleitung vorgenommen wurde. Wenn es noch weiterer Beweise bedarf, daß das Mittel der Führung die gleiche Selbstbeschränkung der USA aufwies wie ihre Zielsetzungen, so wurden diese Beweise dadurch erbracht, daß die Vereinigten Staaten das Instrument der Wirtschaftshilfe, das nur in hochindustrialisierten W i r t schaften wirksam sein konnte, auch dort anwandten, wo diese Voraussetzungen nicht gegeben waren. In Europa genügte ein vergleichsweise kleiner Einschuß von Kapital, um die Wirtschaft wieder in G a n g zu setzen; daraus gingen dann fast von selbst stabile demokratische antikommunistische Verhältnisse und eine Wiederbelebung des Welthandels hervor. W o andere Voraussetzungen als in E u r o p a herrschten, konnte Wirtschaftshilfe keineswegs die gleichen Ziele verwirklichen, mußte zu gänzlich verschiedenen, den amerikanischen Interessen unter Umständen zuwiderlaufenden Ergebnissen führen 6 1 . Daraus haben die USA nur insofern Konsequenzen gezogen, als sie die beiden Mittel des Marshall-Plans: Kapitalinfusion und Lenkung der Wirtschaft, stark reduzierten, bevor sie sie unter dem Punkt-Vier-Programm auf die unterentwickelten Länder anwandten. Die Hauptinstrumente wurden weder verändert, noch durch stärkere Mittel ergänzt, obwohl nur eine solche Adaption einen wirklichen Sicherheitseffekt im Gefolge gehabt haben würde. Das P u n k t Vier-Programm stellte sich damit dar als ein Verfahren, das nicht seiner Resultate halber, sondern deswegen angewendet wurde, weil es das einzige w a r , das den U S A zur Verfügung stand. 5
" Mundt-Substltute zum Colmer-Amendment, angenommen 30. März 1948, C R 94,
3, 3760 (See. 117, F A A ) . 60
B r o w n / O p i e , American
61
D a r a u f hat neuerdings wieder Morgenthau, Theory
Assistance,
S. 165. of Foreign
Aid,
hingewiesen.
Charakter
der
Führung
347
Die Anlage des wirtschaftlichen Elements im amerikanischen Sicherheitssystem gibt sich unschwer als eine Variante der Ziele und Methoden von 1945 zu erkennen. Vorfeld-Sicherung und Wohlstand wurden mit Mitteln angestrebt, die geringen A u f w a n d mit wirtschaftlichem Vorteil verbanden. Im zentralen Sicherheitsbereich bewirkte eine zeitweilige finanzielle Anstrengung der USA, was sie der Absicht nach auch in den anderen Bereichen hätte bewirken sollen: Abwehr des Kommunismus, große ökonomische Möglichkeiten, demokratische Strukturen und eine politische Affiliation mit den Vereinigten Staaten. In Europa traf alles ein: Ein Optimum an Sicherheit wurde mit einem Minimum an Aufwand und einem Maximum an Möglichkeiten ökonomischer Wohlstandssteigerung erzielt. Im wirtschaftlichen Element des Sicherheitssystems zeigte sich deutlich und erneut die auf Kooperation gerichtete Struktur der amerikanischen Außenpolitik; sie hatte sich unter dem Druck eines distinkten Gegensatzes nicht qualitativ verändert, sondern nur quantitativ angepaßt. Das Ziel Sicherheit hatte die USA nidit bewogen, zum Mittel der Domination zu greifen, wie es in der als Dollar-Imperialismus bezeichneten Epoche mitunter an der Tagesordnung gewesen war 62 . Der grundlegende Unterschied ist darin zu finden, daß die Auslandshilfe in der Regel Zuwendungen aus öffentlichen Geldern vergab; private Anleihen und Investitionen machten nur einen kleinen Teil der Hilfe aus. Den Zuwendungen folgte kein Versuch, auf Dauer Herrschaft zu errichten, sondern nur zeitlich befristete, auf dem Kooperationsprinzip beruhende Führung. Das wirtschaftliche Sicherheits-Element stellte keine DollarDiplomatie dar, sondern — um den Ausdruck von Feis zu gebrauchen — Diplomatie des Dollar 6 3 : die einer an wirtschaftlidiem Wohlstand und demzufolge außenpolitisch nur an Sicherheit interessierten Macht allein adaequate Methode. 62
Vgl. dazu z. B. Salz, Imperialismus der Vereinigten Staaten. Salz trennt aber nicht scharf zwischen finanziellen und politischen Gewinnen, z. B. S. 607—608. Vgl. ferner das Buch von Nearing/Freeman, Dollar-Diplomatie, das bezeichnender Weise in den zwanziger Jahren ins Deutsche übertragen wurde, und die einen guten Oberblick über die amerikanischen Interpretationen bietetende Sammlung v o n Greene, American Imperialism in 1898. 63 Feis, The Diplomacy Imperialist?
of the Dollar,
S. V. Vgl. auch Feis, Is the United
States
II. Kapitel Das militärische Element Wirtschaftshilfe bildete nur ein Element des amerikanischen Sicherheitssystems, das größte und wichtigste, gewiß, aber nicht das einzige des Systems. Vielmehr kam eine Hauptrolle der amerikanischen Militärmacht, eine weitere der Militärhilfe, eine wichtige Aufgabe der ideologischen Führung und eine abschließende der neuen Sicherheitsorganisation zu. Ihnen müssen wir uns jetzt zuwenden. Wenn die Vereinigten Staaten ihre Sicherheit mit H i l f e eines Führungssystems gewährleisten wollten, dann mußten sie dafür sorgen, daß die Teilnehmer dieses Systems keine schwachen Stellen aufwiesen. Stärke ist aber eine Kategorie, die einem Gegner gegenüber auch — manchmal sogar in erster Linie — militärisch bestimmt werden muß. D i e Wirtschaftshilfe verfolgte durchaus den Zweck, solche militärisch meßbaren Effekte entstehen zu lassen; soweit sie nicht ausreichten, mußte amerikanische Militärhilfe hinzukommen. Dies konnte, wie im N a h e n Osten, zugleich oder, wie in Westeuropa, nacheinander geschehen — die zeitliche Reihenfolge verdeckt nicht den sachlichen Zusammenhang: Militärhilfe mußte der Wirtschaftshilfe folgen, militärische Führung die wirtschaftliche ergänzen. Allerdings unterschied sich das militärische Element vom wirtschaftlichen dadurch, daß es nicht nur im Führungsbereich, sondern auch in dessen Zentrum bestimmt werden mußte. D i e ökonomische Potenz der U S A war so groß, daß sie dem Kommunismus keinerlei Chance ließ. Die Möglichkeit eines sowjetrussischen Angriffs war indes stets gegeben, und der Kernsektor der Sicherheit, die Verteidigung der U S A , mußte und konnte nur von ihnen selbst betreut werden. Der entsprechende amerikanische A u f w a n d war seit den Tagen des Kollektiven Modells gleichgeblieben. Er hatte damals als Reserve gedient, und wenn diese Funktion sich mit dem Zerfall des Modells auch verändert hatte, so war die Leistung nicht vergrößert worden. Der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik war auf der Analyse entstanden, daß die Sicherheit nicht
Die
349
Funktion
direkt, sondern nur im Vorfeld bedroht wurde, und daß sie demzufolge weniger durch amerikanische Aufrüstung als durch Stärkung des Vorfeldes zu gewährleisten war. Nachdem aber der Ansatz zum System erweitert worden war, mußte die Rolle der amerikanischen Streitkräfte erneut überdacht werden. Das Sicherheitssystem war gegen die Sowjetunion gerichtet und konnte dort Reaktionen hervorrufen, deren Richtung und Intensität sich nicht im vorhinein bestimmen ließen. Das war der eine Aspekt. Zum anderen aber stellte das System selbst einen Beziehungszusammenhang dar, für dessen innere Ordnung die militärische Stärke der U S A von maßgeblicher Bedeutung sein mußte. Das Ziel der direkten Sicherheit wie die Methode der Führung verlangten, daß zunächst die Funktion der amerikanischen Streitkräfte im Sicherheitssystem geprüft und ihre Größe entsprechend bestimmt wurde. Dann war mit der Militärhilfe der zweite Pfeiler des Systems zu errichten.
1. D I E
STÄRKE
Die
DER
USA
Funktion
Am 17. März 1948 forderte Präsident Truman in einer persönlichen Ansprache den Congress auf, das E R P zu verwirklichen, das Allgemeine Militär-Ubungsprogramm einzurichten und die Wehrpflicht wieder einzuführen 1 . Es war der gleiche Tag, an dem der Brüsseler Pakt unterzeichnet wurde; wenig zuvor hatte der Senat das Europäische WiederaufbauProgramm verabschiedet. Trumans Rede sah in der Anlage jener anderen ähnlich, mit der er fast genau ein J a h r zuvor die nach ihm benannte Doktrin verkündet hatte. Auch jetzt vermischte er den Hinweis auf aktuelle Ereignisse — den Staatsstreich in der Tschechoslowakei, den russischen Druck auf Finnland, den Aufstand in Griechenland und den Kommunismus in Italien — mit einer Gesamtbeurteilung der Politik der Sowjetunion. Unter den drei von Truman vorgeschlagenen Maßnahmen war denn auch nur eine, die Wiedereinführung der Dienstpflicht, wirklich neu 2 . Der 1
Truman an den Congress, 17. März 1948, CR 94, 3, 2996—2998.
Sie war, genau genommen, nur einige Tage alt, war als Kompromißlösung auf dem von Forrestal erzwungenen Treffen der Vereinigten Generalstabschefs vom 11. bis 14. März 1948 verabredet worden, Forrestal, Diaries, S. 393. Zum Alternativcharakter von UMT und Selective Service vgl. ibidem, S. 390. 2
1. Die Stärke der USA
350
Marshall-Plan war schon halb bewilligt und das Militär-Übungsprogramm seit 1945 auf der Agenda Präsident Trumans. Die Wehrpflicht hatte im Winter 1947/1948 im Zusammenhang mit der ständig abfallenden Heeres-Stärke eine Rolle gespielt; der Streitkräfte-Ausschuß des Senats befaßte sich damit und hatte schon seit längerem Hearings auf den 17. März festgesetzt 3 . Die Tatsache, daß der Außenminister bereits eine Stunde nach der Rede des Präsidenten vor dem Streitkräfte-Ausschuß erschien, zeugte also nicht von einer besonderen Dramatik der Situation, sondern eher vom Gegenteil: Audi im Congress hatte man sich seit einiger Zeit Sorgen darüber gemacht, daß die militärische Stärke so tief unter dem vorgesehenen Pegel stand. Mehr verlangte auch Präsident Truman in seiner Rede nicht: die Stärke der Streitkräfte sollte nicht angehoben, sondern nur tatsächlich erreicht werden. Bei der Marine und der Luftwaffe war das ohnehin der Fall; nur bei der Armee hatte das Freiwilligensystem trotz aller Anreize versagt. Hier sollte die Wehrdienstpflicht also einspringen. Zwangsläufig mußten damit die allgemeinen Militärausgaben erhöht werden. Diesen Punkt hatte Truman in seiner Ansprache nicht erwähnt; er verstand sich aber von selbst, so daß in beiden Häusern die Bewilligungsausschüsse, die bereits das Militär-Budget des kommenden Fiskal-Jahres berieten, sich auf Mehranforderungen der Regierung gefaßt machten4. Präsident Truman nahm also die Zeichen des sich versteifenden Widerstandes der Sowjetunion gegen das amerikanische Sicherheitssystem in Europa zum Anlaß, um den Congress zu bewegen, das amerikanische Militärpotential zu erhöhen. Obwohl die äußeren Umstände der Botschaft wiederum etwas dramatisiert wurden — der Präsident hatte ursprünglich nur bei einem Essen in New York für das Militär-Übungsprogramm plädieren wollen und entschied sich erst kurzfristig für die feierliche Form der persönlichen Congress-Botschaft —, enthielt sich diesmal Truman jeglicher alarmierenden Begründungen. Das Ziel, das er an Hand der Reaktionen Moskaus in das Bewußtsein des Congress rücken wollte, war vielmehr langfristig: „ . . . wirtschaftliche Erholung . . . muß von einem gewissen Maß an Schutz gegen innere und äußere Aggression begleitet sein".
3
Committee on Armed Services, S.Rp. 1268, 8 0 / 2 , 12. Mai 1948, on S. 2655, Selec-
tive Service Act of 1948, S. 2. 4
Rep. Plumley, R, Vt., Appropriations, N a v y Subcommittee, Chairman, 3. Juni
1948, C R 94, 6, 7073. Die Nachforderungen befinden sich in H. Doc. 602 und 652, 8 0 / 2 .
Die
Funktion
351
Unter diesem Aspekt begrüßte der Präsident zunächst den Brüsseler Pakt und stellte, wobei ihm die Abgeordneten applaudierten, Hilfe dafür in Aussicht. Mit diesem Aspekt begründete er auch die angemessene und ausgeglichene Stärke, die er für die USA forderte. Das war nicht die Antwort auf irgendeine akute Krisis, sondern Ausdruck der allgemeinen Erkenntnis, daß militärische Stärke erforderlich sei, um den Frieden zu bewahren. Die USA müßten stark genug sein, die europäischen Mächte zu unterstützen und aller Welt „unmißverständlich unsere Entschlossenheit klarzumachen, den Willen zum Frieden mit der Stärke für den Frieden zu kräftigen" 5 . Das Programm widersprach nicht dem Konzept, daß wirtschaftliche Unterstützung der System-Mitglieder amerikanische Militärausgaben erspare. Diese Beziehung galt noch immer, sie hatte sich nur ein wenig verschoben. Wenn das Sicherheitssystem auf Widerstand stieß, mußte seine militärische Bereitschaft verstärkt werden. D a die anderen Länder dazu vorläufig nicht in der Lage waren, mußten zunächst die U S A einspringen und das wirtschaftliche Hilfsprogramm durch eine Erhöhung des amerikanischen Militär-Niveaus ergänzen und absichern. Damit ließ sich die Zeitspanne überbrücken, bis das militärische Element des Sicherheitssystems errichtet werden konnte. Im Spannungszustand kam der militärischen Kapazität der Vereinigten Staaten aber auch ein eigener und dauernder Wert zu. Wenn sie eine erfolgreiche Politik treiben wollte, durfte die Führungsmacht auf militärischem Gebiet wenigstens kein Desinteressement an den Tag legen. Das gleiche lehrten die Erfahrungen der USA vor dem Zweiten Weltkrieg. Diplomatie ohne entsprechende Militärmacht konnte immer nur in Beschwichtigung enden6. Ein gewisses militärisches Potential war darum mit der Erweiterung des außenpolitischen Entwurfs der USA unweigerlich verbunden. Die Führungsmacht eines ubiquitär angelegten Sicherheitssystems konnte ihr militärisches Potential nicht einfach verkommen lassen, wenn sie das Ziel des Systems nicht gefährden wollte. Die USA mußten zumindest für die absehbare Zukunft eine Stellung vor der Welt einnehmen, die ihnen als der Vormacht der Freien Welt angemessen war 7 . Darin waren sich Regierung und Congress im wesentlichen einig. Zu entscheiden blieb, welchen Grad die militärische Stärke erreichen und 5
Truman an den Congress, 17. März 1948, C R 94, 3, 2997.
Marshall, Relation of Military Strength to Diplomatie Action, DoSB, X V I I I , 456, 28. März 1948, S. 421. 6
* Ibidem.
1. Die Stärke der USA
352
welcher A r t sie sein sollte. Hier gingen die Meinungen von Legislative und Exekutive weit auseinander. Der Congress kam erst im April und ausführlich erst im Juni dazu, sich zu den Vorschlägen Präsident Trumans zu äußern. E r widerlegte dabei erneut die landläufige Annahme, daß Parlamente dazu neigen, Sicherheitsprobleme sofort dramatisch zuzuspitzen. Im Congress herrschte vielmehr eine betont ruhige Stimmung. Niemand vermutete — im Gegensatz zu den vielen Gerüchten — eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Sowjetunion; sie erschien höchstens als entfernte Perspektive 8 . Keiner der Generäle, selbst Außenminister Marshall nicht, hatte dem Congress etwas anderes gesagt. Bei der Beratung des Militärhaushalts im Jahre 1949 herrschte noch immer die gleiche Auffassung; man sprach allenfalls von unvorhersehbaren Entwicklungen, aber auch von ihnen mit der vergleichsweise festen Erwartung, daß sie nicht eintreten würden 9 . Erst recht war 1948 die Congress-Debatte auf den Tenor „ruhiger Erwägung und nicht (den der) Hysterie" gestimmt 10 . Die außenpolitische Spannung wurde im wesentlichen darauf zurückgeführt, daß die Erfolge des Marshall-Plans die Sowjetregierung überrascht und ihre Pläne zunichte gemacht hätten. Die Sowjetunion habe die Bemühungen der Vereinigten Staaten und Westeuropas, den Zustand Europas zu verändern, gespürt und setze ihnen verstärkten Widerstand entgegen 11 . In gewisser Weise wurde dies als natürlich und als Erfolgsbestätigung mit Befriedigung aufgenommen. Aber da sich die Weltlage dadurch geändert und der Ost-West-Konflikt einen bestimmten Spannungsgrad erreicht hatte, mußte nun dafür gesorgt werden, daß die Entwicklung nicht außer Kontrolle geriet 12 . Damit war die Notwendigkeit militärischer Stärke, aber gleichzeitig auch ihr Maß bestimmt. U m die Sicherheit der Vereinigten Staaten zu gewährleisten und eine Versicherung gegen Konfliktmöglichkeiten einzugehen, entschied sich der Congress 8
Sen. Gurney, R, S. Dak., Armed Services, Chairman, 3. Juni 1948, C R 94, 6, 6998,
7008. 9
Rep. Mahon, D, Tex., Appropriations, Military Subcommittee, bei der Beratung
des Militärhaushalts für 1950, 12. April 1949, C R 95, 4, 4427. 10
Sen. Gurney, bei der Beratung von S. 2655, 3. Juni 1948, C R 94, 6, 6998.
11
Committee on Armed Services, H . Rp. 1881, 80/2, 7. Mai 1948, on H . R. 6401,
Selective Service Act, S. 1, 2. 12
Rep. Cole, R, N . Y . , Armed Services, bei der Beratung von H. R. 6401, 15. Juni
1948, C R 94, 7, 8355.
Die
Funktion
353
für ein „gesundes Verteidigungsprogramm", für „ein vernünftiges Maß an militärischer Wirksamkeit" 13 . Was immer das im einzelnen heißen mochte—der militärischen Rüstung waren damit von Anfang an vom Congress wie von der Regierung zwei Aufgaben zugewiesen worden: eine politische und eine militärische. Die militärische war die einfachste. Die Vereinigten Staaten besaßen vorläufig noch das Monopol der Atombombe und waren damit imstande, den Frieden der Welt bis zu einem gewissen Grad zu garantieren 14 ; das galt auch noch 1949. Um die Bombe anwenden zu können, mußte man eine entsprechend große Luftflotte besitzen und fähig sein, im Falle eines Konfliktes bestimmte strategische Punkte wie Island, Spitzbergen, die Azoren in amerikanische H a n d zu bringen. Das hinderte den Gegner, sie seinerseits als Startbasen gegen die USA zu benutzen, und schob die amerikanische Luftflotte auf Einsatzweite an den vermutlichen Gegner heran 15 . Uber die entsprechende Kapazität verfügten die Vereinigten Staaten praktisch seit Kriegsende, Sorge bereitete lediglich der Schwund der Landstreitkräfte, der sich nicht auffangen ließ. Seit dem Frühjahr 1948 kam aber etwas anderes hinzu: die Kenntnis, daß die Sowjetunion nun auch technisch in der Lage sei, die Atombombe herzustellen 16 . Es war also nur noch eine Frage der Zeit, bis das amerikanische Atombombenmonopol verschwunden sein würde; und dieses zu erwartende Manko sollte mit einer entsprechend großen Luftüberlegenheit ausgeglichen werden 17 . Allerdings glaubte man, damit noch bis 1951/52 Zeit zu haben; und diese Datierung trug nicht wenig dazu bei, daß die rein militärische Seite der Rüstung etwas in den Hintergrund rückte. Die politische Seite hingegen stand deutlich im Bewußtsein. Das amerikanische Sicherheitssystem hatte dadurch, daß die UdSSR ihm opponierte, ein sehr viel schärferes Profil bekommen. Der Congress folgte Präsident Truman darin, daß der Anspruch, die nicht-kommunistische Welt zu schützen, sich auch in der militärischen Kapazität der USA ausdrücken 13
Sen. Gurney bei der Beratung von S. 2655, CR 94, 6, 6998, 7008.
14
Rep. Mahon bei der Beratung des Militärhaushalts für 1950, 13. April 1949, CR 95, 4, 4501. 15
Rep. Vinson, D , Ga., Armed Services, bei der Beratung von H. R. 6401, 15. Juni 1948, CR 94, 7, 8361. 16
Der Streitkräfteaussdiuß des Hauses hatte dies am 13. April 1948 zum ersten Mal erfahren; Rep. Brooks, R, La., Armed Services, bei der Beratung des Nachtragshaushalts, 14. April 1948, CR 94, 4, 4456. " Sen. Bridges, R, N . H., ibidem, 6. Mai 1948, CR 94, 4, 5396. 23
Czempiel
354
1. Die Stärke der USA
müsse. Der Begriff der Führung gewann damit an Farbe. Wenn sie militärisch den Schutz der nicht-kommunistischen Länder zu übernehmen hatten, so rückten die USA für den System-Bereich mehr und mehr in die Funktion ein, die 1945 der Kollektiven Organisation zugedacht worden war. Eine solche Tendenz hatte sich bereits bei der Truman-Doktrin im Frühjahr 1947 feststellen lassen; sie verblaßte in der Folge, kräftigte sich aber, je mehr sich das System der USA entfaltete. Das Konzept der Führung spielt damit fortan bei der militärischen Rüstung der Vereinigten Staaten eine beachtliche Rolle. Führung war das Stichwort, unter dem der Congress den Empfehlungen Trumans, die Wehrpflicht wiedereinzuführen, nachkam 18 . Allerdings entschied er sich auch hier wieder für ein Minimalprogramm, das er angesichts der Erfordernisse für notwendig und hinsichtlich der Belastungen für tragbar hielt. Das
Ausmaß
Mannschaflsbestand Von den beiden Maßnahmen, die Präsident Truman am 17. März dem Congress abverlangt hatte, erblickten das Allgemeine Militär-Ubungsprogramm gar nicht und die neue Wehrdienstpflicht nur verstümmelt das Licht der Welt. Verteidigungsminister Forrestal hatte einen Gesetzentwurf übersandt, der beide Maßnahmen miteinander verband. Das Projekt stieß von Anfang an auf so entschiedenen Widerstand, daß es erst am letzten Tag der Sitzungsperiode, nach bedeutenden Abänderungen und aucii dann nur mit allergrößter Mühe verabschiedet werden konnte. An sich stimmten beide Häuser -darin überein, daß nicht nur der Schwund an Soldaten gestoppt, sondern auch die Soll-Zahlen etwas erhöht werden müßten. Die Kontroverse entbrannte vielmehr um die Methode. Das obligatorische Ubungsprogramm fiel der gemeinsamen Abneigung zum Opfer. Der Senatsausschuß hatte zwar zunächst eine einjährige Dienstpflicht für 18- bis 19jährige vorgesehen, wich aber unter dem Druck des Hauses sofort zurück. Übrig blieb lediglich, daß eine freiwillige Meldung zu Ubungsprogramm und anschließendem Reservedienst als Ableistung der — an sich zweijährigen — Wehrdienstpflicht anerkannt werden konnte 19 . Sonst wurde von dem Programm nicht einmal mehr 18 Vgl. Vinson, 15. Juni 1948, CR 94, 7, 8362, Harris, 17. Juni 1948, CR 94, 7, 8668, Johnson, ibidem 8671, Michener, ibidem, Vorys, ibidem 8708. 19 Sen. Gurney, R, S. Dak., Armed Services, Chairman, bei der Beratung von S. 2655, Selective Service Act of 1948, 9. Juni 1948, CR 94, 6, 7553. Behandlungsdaten des Gesetzes im Senat: 2 . - 4 . Juni, 7—10. Juni 1948, CR 94, 6,
Das Ausmaß
355
gesprochen. Die Legislative sah darin weniger ein Erfordernis der außenpolitischen Lage als die Lieblingsidee des Militärs, das eine gute Gelegenheit wittere, zum Zuge zu kommen. Das Haus hatte schon seit langem alle diesbezüglichen Initiativen der Armeeführung argwöhnisch verfolgt und ihr erst vor kurzem nachgewiesen, daß sie geradezu organisierte Propagandafeldzüge für das Übungsprogramm veranstaltet hatte 20 . Die Aussichten des Programms standen daher von Anfang an ganz tief, zumal schlechterdings kein außenpolitischer Anlaß genannt wurde, der eine so drastische Abkehr von den Traditionen der amerikanischen Gesellschaft gerechtfertigt hätte. Nicht einmal dem Korea-Krieg gelang dies sofort; erst ein Jahr später wurde mit Mühe ein solches Projekt verabschiedet. Das Mißtrauen des Congress gegen das Militär, die ,brasshats', erstreckte sich in beachtlichem Maß auch auf die Wehrpflicht. Sie war 1947 nach energischem Drängen der Legislative abgeschafft worden (s. o. S. 248), und man vermutete, daß die Armeeführung die Krise bewußt hochspielte, um das System wiederzubekommen 21 . Diese Theorie wurde insbesondere von der konservativen Rechten vertreten, die ein kostbares Stück der amerikanischen Gesellschaftsordnung gefährdet sah, wenn in Friedenszeiten die Wehrpflicht eingeführt werde 22 . Die Jugend werde militarisiert und zum Töten erzogen, die Produktion kontrolliert, kurz, der American way of life empfindlich gestört werden. Aber die Rechte stand keineswegs allein. Der Eindruck, daß die außenpolitische Gefahr von der Armee erheblich überzeichnet worden sei, herrschte verbreitet. Würden nicht die USA ihrerseits die Spannung erst erhöhen, wenn sie mitten im Frieden ihr Militärprogramm, von dem die Wehrpflicht schließlich nur ein Teil war, so drastisch aufstockten 23 ? Beging nicht der Congress einen folgenschweren Fehler, wenn er den Militärs nachgab, die doch nur das ihnen bequeme System der Einschreibung durchsetzen wollten? Luft6 9 9 7 - 7 0 1 4 , 7 1 3 9 - 7 1 5 4 , 7 2 2 5 - 7 2 8 0 , 7 2 9 1 - 7 3 6 7 , 7 4 8 9 - 7 5 9 6 , 7 6 5 9 - 7 6 8 1 . Im Haus: 1 5 . - 1 8 . Juni 1948, C R 94, 7, 8 3 4 0 - 8 3 9 8 , 8 5 0 2 - 8 5 2 3 , 8 6 5 2 - 8 7 1 3 , 8 8 2 8 - 8 8 2 9 . Wenn nicht anders vermerkt, Nachweise aus diesen Debatten. 20
Committee on Expenditures in the Executive Departments, H . Rp. 1510, 80/2,
4. März 1948, Investigation of Participation of Federal Officials of the Department of the Army in Publicity and Propaganda as it Relates to Universal Military Training. Supplement Report to the 4th Intermediate Report, S. 1 , 5 . 21
Sen. Morse, R, Oreg., Armed Services, C R 94, 6, 7325.
22
Committee on Armed Services, H . Rp. 1881, 80/2, Minority Views, S. 21, bes.
5. 23 f. Dieser Minderheiten-Bericht enthält eine glänzende Argumentation gegen die Wehrpflicht aus der Sicht des klassischen Liberalismus. 23
23'
Rep. Mansfield, Mont., Foreign Affairs, C R 94, 7, 8709.
356
1. Die Stärke der USA
waffe und Marine erhielten ja genügend Freiwillige; nur die Armee blieb zurück. Statt mehr f ü r die Freiwilligenwerbung zu tun, hatte die Armee auch noch die Mindestanforderungen im Eignungstest von 59 Punkten im Winter 1946 zunächst auf 70 und jetzt sogar auf 80 Punkte heraufgeschraubt. Damit waren die Einschreibungen zwangsläufig stark zurückgegangen, und die Armee mußte sich sagen lassen, daß sie erst das Freiwilligensystem zerstört habe und nun nach der Wehrpflicht rufe 24 . Auf der anderen Seite fehlten der Armee inzwischen an der Sollstärke 129 000 Mann; angesichts der unleugbaren Spannungen verlangte das Wort des Präsidenten, der die Wehrpflicht für erforderlich hielt, Beachtung. Wenn der Congress auch das Ubungsprogramm ablehnte, so konnte er an der Tatsache, daß die Armee langsam einschrumpfte, nicht vorbei. Er entschloß sich darum zum Selective Service als der „most democratic method" 2 5 . Aber er bestand darauf, daß die Wehrpflicht nur eine Überbrückungsmaßnahme darstellen könne, bis das Freiwilligensystem wieder funktioniere; und der Congress tat, was er konnte, um den Aushilfscharakter des Verfahrens deutlich hervortreten zu lassen. Die Streitkräfte hatten ursprünglich 21 Milliarden Dollar verlangt, eine zweijährige Dienstzeit für die nächsten fünf Jahre und die Allgemeine Militär-Ausbildung. Der zuständige Senatsausschuß hatte diese Forderungen schon zugunsten eines „konservativeren" Modus erheblich abgeschwächt, den Betrag auf 15 Milliarden gesenkt, die Soll-Zahlen der Streitkräfte überhaupt nur für das kommende Jahr festgesetzt, die obligatorischen Militärübungen gestrichen und statt dessen die erwähnte freiwillige einjährige Ausbildung für 18- bis 19jährige vorgesehen, die einmal die Ist-Zahlen erheblich erhöhen, zum anderen aber die Reserven schnell und zuverlässig auffüllen sollte26. Denn darin lag die Hoffnung des Ausschusses: große und geübte Reserven würden die notwendige ständige Bereitschaft ermöglichen und es somit erlauben, sich mit einer nur kleinen und darum nicht so teuren, vor allem aus Freiwilligen bestehenden Armee zu begnügen 27 . Im Plenum des Senats wurde dieses Konzept weiter verdünnt. Senator Morse setzte mit dem Argument, daß eine Ausnahme nicht fünf Jahre 24
Sen. Revercomb, R, W. Va., Public Works, Chairman, CR 94, 6, 7660.
25
Sen. Gurney, R, S. Dak., Armed Services, Chairman, CR 94, 6, 7553.
28
Committee on Armed Services, S. Rp. 1268, 80/2, on S. 2655, Selective Service Act, S. 3, 5 ff. 27
Sen. Gurney, CR 94, 6, 6998-6999.
Das
Ausmaß
357
dauern könne, die Verkürzung des gesamten Gesetzes auf zwei Jahre durch; er hatte dabei die H ä l f t e der Mitglieder des Streitkräfte-Aussdiusses auf seiner Seite28. Die zahlreichen anderen Versudie, das Gesetz abzuschwächen, mißlangen; sie zeigten aber, daß der Senat entschieden dazu neigte, die Maßnahme eher minimal zu interpretieren. Senator Morse wollte die Dienstpflicht auf 18 Monate beschränken 29 ; der Antrag Capeharts, das Inkrafttreten des Gesetzes für zweieinhalb Monate auszusetzen 30 , fand sogar die Zustimmung Vandenbergs; und der Versuch, die Karenzzeit auf sechs Monate auszudehnen und gleichzeitig die Freiwilligenwerbung zu intensivieren, zog immerhin noch zehn von den Senatoren an, die später f ü r das Gesetz stimmten 31 . Das Haus verfuhr von Anfang an sehr viel radikaler; um Haaresbreite wäre die Vorlage schon im Geschäftsordnungsausschuß (Rules Committee) stedtengeblieben 32 . Der Streitkräfte-Ausschuß wollte die Rekrutierung für drei Monate aussetzen und erst dann beginnen lassen, wenn der Präsident nach 75 Tagen amtlich feststellte, daß die erforderlichen Mannschaftsstärken durch Freiwillige nicht erreicht werden konnten. Darin lag im Wahljahr 1948 auch eine gehörige Portion Taktik, weil das Odium, die Wehrpflicht eingeführt zu haben, in praxi damit auf den Präsidenten fiel. Der Antrag wurde jedoch mit der großen Mehrheit von 145 zu 38 Stimmen angenommen 33 und noch weiter verschärft: die Karenzzeit wurde bis zum 31. Januar 1949 hinausgeschoben 34 , sollte also fast ein halbes Jahr dauern. Gleichzeitig ordnete das Haus eine verstärkte Freiwilligenwerbung an und setzte die Eignungsgrenze wieder auf 70 Punkte herab 35 . Mit Gewalt sollte versucht werden, das Freiwilligensystem fruchtbringend zu machen. Schließlich senkte die Zweite Kammer die Dienstzeit auf ein Jahr. Mit diesen Einschränkungen verabschiedete das Haus die Vorlage 36 . Deren Schicksal hing jedoch noch immer am seidenen Faden. Da der Con28
CR 9 4 , 6 , 7 3 2 6 , Abstimmung: 47:33:16.
29
CR 94, 6, 7679, Abstimmung: 22:66:8.
30
Ibidem, 7570, Abstimmung: 24:57:15.
31
Ibidem, 7680, Abstimmung: 20:69:7.
32
Rep. Allen, R, La., Rules, Chairman, CR 94, 7, 8341.
83
CR 94, 7, 8510.
34
Amendment des Rep. Shafer, R, Mich., Armed Services, angenommen mit 135:90; CR 94, 7, 8667. 35
Amendment des Rep. Rees, R, Kans., Post Office and Civil Service, Chairman, angenommen mit voice vote, CR 94, 7, 8667. 3
» CR 94, 7, 8829, Abstimmung: 282:131:1:16.
358
1. Die Stärke der
USA
gress am folgenden Tag in Ferien gehen wollte, zuvor aber noch ein Kompromiß zwischen den von den beiden Häusern verabschiedeten Fassungen gefunden werden mußte, war die Chance groß, daß das Gesetz dem Zeitdruck zum Opfer fiel. Die Gegner von links und rechts hatten sich verabredet, nadh K r ä f t e n dazu beizutragen 37 . Der ultralinke Senator Taylor hielt denn auch zusammen mit seinem ultrarechten Kollegen Langer die ganze Nacht hindurch das angekündigte Filibuster und brach es nur ab, weil er sich für die faire Behandlung durch den Senat erkenntlich zeigen wollte 38 . Kurz vor dem Schluß der Sitzungsperiode beschloß der Congress die Selective Service Act 39 . Die Legislative bewilligte damit in den kommenden beiden Jahren eine zweijährige Dienstpflicht für den Fall, daß sich innerhalb von drei Monaten weder die Lage entspannt noch die Freiwilligenmeldungen erhöht haben sollten. In begrenzter Anzahl konnten sich 18-bis 19jährige f ü r einen einjährigen Ubungsdienst bei einem der drei Truppenteile einschreiben und später zur Reserve überstellen lassen. Gleichzeitig wurde die Soll-Stärke der drei Truppenteile auf folgenden U m f a n g angehoben: Erhöhungen Truppenteil Heer Marine und Marine Corps Luftwaffe Insgesamt
Aktiv
Einjährige
Bisher
(o.Einjährige)
837 000 666 882 502 000
110 000 36 000 15 000
667 000 527 271 412 273
20 %> 21 %> 17 »/o
2 005 882
161 000
1 606 544
19%
In der Praxis blieb es allerdings bei den bisher gültigen Stärken, die 1946 festgesetzt worden waren (s. o. S. 103 ff.) 40 . Präsident Truman ging über sie nicht hinaus; sie konnten zudem in der Regel doch durch Freiwillige erreicht werden 41 . Die Forderungen Präsident Trumans vom 17. März und die Antwort der Legislative müssen unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten beurteilt werden. Zunächst war das Truman-Programm nicht gerade exorbitant; 37
Vgl. Rep. Powell, D , N . Y., Education and Labor, CR 94, 7, 8691.
38
Vgl. 18. Juni 1948, C R 94, 7, 8778 ff., 19. Juni 1948, ibidem 8999.
39
P. L. 759, 80/2, 62 Stat. 625.
40
Siehe die Aufstellung per 1950 in: Committee on Appropriations, H . Rp. 417, 81/1, 9. April 1949, on H . R. 4146, National Military Establishment Appropriation Bill, 1950, S. 5. 41
Trumans Budget-Botsdiaft an den Congress, 10. Januar 1949, C R 95, 1, 139.
Das Ausmaß
359
es zielte mehr auf Reserven-Bildung als auf große aktive Truppenverbände ab. Das Ubungsprogramm sollte diese Reserven hervorbringen. Verglichen mit den rund 6 Millionen Soldaten, auf die die Sowjetunion geschätzt wurde, konnte die amerikanische Streitmacht, die unter Einschluß der National-Garde und der Organisierten Reserve schließlich rund 4 753 100 Offiziere und Mannschaften umfaßte 42 , noch immer als gemäßigt gelten. Sie war jedenfalls kein Instrument, mit dem sich irgendeine Art militärischer Aggression unternehmen ließ. Die Zurückhaltung der Legislative gegenüber der militärischen Ausbildung und der Wehrpflicht hatte aber bei den verschiedenen Gruppen ganz verschiedene Wurzeln. Nur wenige lehnten das Programm ab, weil es ihnen, wie dem Abgeordneten Mansfield und dem Senator Morse, den Kalten Krieg zu verschärfen schien. Den meisten Gegnern war nicht die Aufrüstung als solche ein Dorn im Auge, sondern die Art und Weise. Sie waren, zumal im Wahljahr 1948, gegen die Wehrpflicht, weil sie den Traditionen der Gesellschaft widersprach, der Exekutive Funktionen gab, die ihr bisher nur in Kriegszeiten zugestanden hatten, und weil sie schließlich nicht sonderlich produktiv war. Solche Argumente drückten insofern auch defensive Haltungen aus, als sie die Zahl der Soldaten vernachlässigten. Im ganzen gesehen bildeten diese Argumente aber nur die Kehrseite einer massiven Forderung: die Kapazität der amerikanischen Luftwaffe zu erhöhen. Hierin ging das Haus, und vor allem sein konservativ-republikanischer Flügel, über die Anforderungen der Regierung weit hinaus; von den 131 Abgeordneten, die die Selective Service Act abgelehnt hatten, stimmten fast 8 0 % für die Vergrößerung der Luftwaffe 43 . Luftwaffe Im Jahr zuvor war die Luftwaffe, der jüngst selbständig gewordene Teil der amerikanischen Streitmacht, noch verhältnismäßig schlecht weggekommen: er hatte nur erhalten, was ihm von der Regierung zugedacht gewesen war (s. o. S. 246 ff.). Inzwischen war die Neigung, diesen Waffenzweig zu stärken, erheblich gewachsen; als hinderlich erwies sich nur die Rivalität zwischen der Marine und der nun verselbständigten (ehemals dem Heer zugehörigen) Luftwaffe. Darauf kann hier nicht weiter eingegangen werden. Präsident Truman hatte jedenfalls im Vorjahr 42
Rep. Mahon, D, Tex., Appropriations, Military Subcommittee, Chairman, bei der
Beratung des Militär-Haushalts, 1950, 12. April 1949, C R 95, 4, 4428. Dort audi Einzelheiten. 43
Nämlich 20 Demokraten und 83 Republikaner, mit dem Schwerpunkt in N o r d -
Ost-Mitte und Pennsylvanien.
360
1. Die Stärke der USA
eine Air Policy Commission unter Vorsitz von Thomas K . Finletter ins Leben gerufen, die in ihrem Bericht vom 13. Januar 1948 eine Luftwaffe von 70 Flugzeuggruppen empfahl. Seinerseits hatte der Congress im Juli 1947 einen alten Plan verwirklicht und einen eigenen Ausschuß eingerichtet 44 . Das Temporary Congressional Aviation Policy Board, unter der Leitung von Senator Brewster, veröffentlichte am 1. März 1948 seinen Bericht 45 . Darin wurden die beiden den Congress am meisten interessierenden Aspekte, der militärische und der wirtschaftliche, behandelt. Die Luftwaffe erschien als die unter modernen strategischen Bedingungen maßgebende Waffe, die durch die Drohung massiver Vergeltung jeden Angreifer entmutigen konnte. Dahinter stand die unausgesprochene Uberzeugung, daß nur die Luftwaffe die Sowjetunion erreichen und niederhalten könne. Das war der politisch-militärische Aspekt. Das Board hatte aber auch die wirtschaftlichen Vorteile einer extensiven Luftwaffenpolitik erwähnt: die Erhaltung einer umfangreichen Luftfahrtindustrie 46 . Unter diesem Gesichtspunkt wurden langfristige Rüstungskontrakte vorgeschlagen und sogar schon militärische Lieferungen an befreundete Nationen ins Auge gefaßt 47 . Eine starke Luftwaffe verband dann mehrere Vorteile: sie würde „Aggression entmutigen, die nationale Sicherheit schützen und die gesamte soziale und wirtschaftliche Wohlfahrt der Vereinigten Staaten fördern" 4 8 . Das Board hatte zwei Pläne ausgearbeitet. Plan A sah als Anfangsstufe das 70-Gruppen-Programm vor, das die USA instandsetzen würde, „sofort eine wirksame, dauerhafte und erfolgreiche Luftoffensive gegen jeden größeren Gegner zu starten". Plan B verfolgte bescheidenere Ziele: eine kleinere Luftwaffe sollte einen ersten Angriff aushalten, die Grundlage starker territorialer Verteidigung abgeben und „wirksame Vergeltung üben, jedoch keine anhaltende Offensivaktion ausführen" können 49 . Ungeachtet dieser Berichte hatte Präsident Truman seine am 17. März angekündigten Nachtragsforderungen nur auf eine Luftwaffe von 44
H . R. 3587, 61 Stat. 397.
45
Temporary Congressional Aviation Policy Board, S. Rp. 949, 80/2, 1. März 1948,
National Aviation Policy. 46
Ibidem, S. 4, 34 ff.
47
Ibidem, S. 39.
48
Ibidem, S. 4.
48
Ibidem, S. 7.
Das
Ausmaß
361
55 Gruppen abgestellt; er verlangte zusätzlich für die Air Force 450 Millionen und für die Marine-Luftwaffe 275 Millionen Dollar 50 . Dem Congress war das zu wenig. In einem Gespräch zwischen Verteidigungsminister Forrestal und den Vorsitzenden der beiden Bewilligungsausschüsse kam die Idee auf, die für das kommende Fiskaljahr geplanten Bewilligungen für den Flugzeugbau vorzuziehen, jetzt schon zu genehmigen und damit die Industrie instand zu setzen, ihre Bauprogramme zu beschleunigen 51 . Auf diese Weise ließ sich Trumans Nachtragsforderung von 725 Millionen Dollar bequem um weitere 1 651 100 000 Dollar - nämlich 728100 000 in bar und 923 000 000 Dollar in Auftragsgenehmigungen (contract authorizations) — auf 2 376 100 000 Dollar erhöhen, praktisch also verdreifachen. Damit veränderte sich nur der Zeitplan, nicht aber die Größe der Luftwaffe. Die Beträge wurden nicht vermehrt, sondern nur früher zur Verfügung gestellt. Nach wie vor ging es um 55 Gruppen, und der Bewilligungsausschuß des Hauses hatte sich damit auch zunächst zufriedengegeben52. Allerdings ließ er schon durchblicken, daß sein Ziel, das Land „mit der größtmöglichen Zahl der modernsten Flugzeuge" zu versorgen, nicht erreicht sei53. Im Prinzip war die Regierung diesem Ziel gar nicht abgeneigt. Sie sah nur den Zeitpunkt noch nicht gekommen, weil die Kapazität der Luftfahrtindustrie ein so großes Projekt im Moment gar nicht aufnehmen konnte. Außerdem war es angesichts der Kontroverse zwischen den Streitkräften kaum zu erwarten, daß eine sprungartige Verstärkung der Luftwaffe gegenwärtig sinnvoll ausgenutzt würde. Vor allem mußte sorgfältig geprüft werden, wie der Zuwachs auf MarineLuftwaffe und Air Force zu verteilen war. Solche Gründe ließ der Bewilligungsausschuß des Hauses nicht gelten. Er wollte sich zwar nach den industriellen Kapazitäten richten; jedoch sollten ihn interne Querelen der Streitkräfte nicht davon abhalten, die 50
Committee on Appropriations, S. Rp. 1223, 80/2, 3. April 1948, on H . R. 6226, Supplemental National Defense Appropriation Bill for 1948, S. 3. In diesem Bericht findet sich auch die beste Übersicht über die aus den Einzelposten nur schwer erkennbare Bewilligungsaktion des Congress, S. 3—5. 51
O b die Initiative bei Forrestal ( D i a n e s , S. 411—412) oder beim Hausausschuß-
Vorsitzenden Taber gelegen hat (wie es v o n Rep. Case, R, S. Dak., Appropriations, 15. April 1948, C R 94, 4, 4537 dargestellt wurde), kann hier offenbleiben. 52
Committee on Appropriations, H . Rp. 1729, 80/2, 14. April 1948, on H . R. 6226, Supplemental N a t i o n a l Defense Appropriation Bill, 1948, S. 3. 5S
Ibidem, S. 2.
362
1. Die Stärke der USA
von ihm als erforderlich angesehene Zahl von Flugzeugen zu beschaffen 54 . Seinen Andeutungen ließ er alsbald den Vorstoß folgen. Kurz vor Beginn der Haus-Debatte über den Nachtragsetat einigten sich Demokraten und Republikaner des Bewilligungsausschusses darauf, zusätzlich Aufträge in Höhe von 822 Millionen Dollar zu genehmigen 55 , um damit das 70-Gruppen-Programm in Angriff zu nehmen. Allerdings sollte die Summe nicht hur f ü r ein Jahr, sondern für zwei Jahre ausreichen. Dem entsprechenden Antrag stimmte das Haus einstimmig zu 56 ; die Gesamtvorlage fand nur drei Gegner 57 . Der Senat war wie das Haus der Meinung, daß „unsere Nation eine Luftflotte haben sollte, die in Qualität, Quantität und Konstruktion genauso gut oder besser ist als die jedes möglichen Gegners" 58 . 70 Flugzeug-Gruppen erschienen dem Senat als das Minimum, das im Frieden zur Sicherheit der USA erforderlich war 59 . Angesichts dieser Entschlossenheit hatte der Versuch der Regierung, den Senat von der Haus-Ziffer abzubringen und auf ein Kompromiß von 66 Gruppen festzulegen, wenig Aussicht auf Erfolg. 74 Senatoren entschieden sich f ü r den großen Luftwaffen-Plan, indem sie dessen finanzielle Voraussetzungen zu schaffen begannen 60 ; es fanden sich nur zwei Gegenstimmen, eine von ganz links (Taylor), die andere von ganz rechts (Cain). Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Löwenanteil der bewilligten Nachtragsforderung von 3 198 100 000 Dollar, nämlich 2 275 000 000 Dollar, nicht in bar, sondern nur als Genehmigung gegeben wurde, Aufträge in dieser Höhe zu erteilen. Nachdem der Congress in der Luftwaffenfrage zunächst seinen Kopf durchgesetzt hatte, kam es im Laufe der kommenden Monate zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung, die die Leistungsfähigkeit 54
Ibidem.
55
Forrestal, Diaries, S. 413. Über das disparate Verhalten der Streitkräfte in dieser Frage, siehe ibidem S. 413—421. Zur Bewilligung generell vgl. Huzar, Purse and Sword, S. 185 ff. 56
Taber-Amendment zur Supplemental Appropriation Bill 1949, angenommen 115:0, 15. April 1948, CR 94, 4, 4542. Die Beratungsdaten der Bewilligung: Haus: 14.-15. April 1948, CR 94, 4, 4442-4458, 4530—4548. Senat: 6. Mai 1948, CR 94, 4, 5395-5408. « 15. April 1948, Abstimmung: 343:3:84, CR 94, 4, 4548. 58
Committee on Appropriations, S. Rp. 1223, 80/2, S. 2.
59
Ibidem, S. 1.
60
Abstimmung: 74:2:20, 6. Mai 1948, CR 94, 4, 5408. P. L. 547, 80/2, 62 Stat. 333.
Das Ausmaß der
Industrie,
und
363
dem Repräsentantenhaus,
das
deren
Interessen
zugrunde legte. E n d e 1 9 4 8 verfügten die U S A erst über 4 9 FlugzeugGruppen, und das Budget Präsident Trumans für das J a h r 1 9 4 9 / 1 9 5 0 6 1 sah wiederum nur eine Stärke von 4 8 Gruppen v o r . Dieser Ermessensfreiheit der Regierung wollte das Haus nun endgültig gesetzliche Zügel anlegen. Nachdem es gleich schon im Juni 1 9 4 8 das Eisen der „Air Force A c t of 1 9 4 8 " 6 2 zu schmieden versucht hatte, dabei aber erfolglos geblieben war, fixierte es im „ H e e r - und Luftwaffen-Gesetz von 1 9 4 9 " die 7 0 Gruppen erneut in folgender Verteilung 6 3 : Flugzeugklasse
Anzahl der Gruppen
Schwere Bomber
4
Mittlere Bomber
16
Strategische Aufklärer Leichte Bomber Jagdmaschinen Taktische Aufklärer
Obwohl
6 5 25 4
Schwere Transportmaschinen
4
Leichte Transportmaschinen
6
das H a u s dabei sowohl v o m Luftwaffenminister wie vom
Generalstabschef der Air Force unterstützt wurde 6 4 und die Maßnahme wiederum so gut wie einstimmig verabschiedete 65 , ging der Vorstoß wieder ins Leere. Der Senat hatte sich jetzt dem Regierungsstandpunkt genähert und zog nicht mit, so daß die Aktion des Hauses bedeutungslos wurde. W a s ihm als Gesetz mißlungen war, versuchte das Haus bei der Bewilligung durchzusetzen, und hier hatte es zum Teil Erfolg. H a t t e der Haushaltsvoranschlag Trumans 4 8 Gruppen vorgesehen 6 6 , so ging das H a u s wieder darüber hinaus und stellte Gelder für 58 Gruppen zur 61
Truman an den Congress, 10. Januar 1949, C R 95, 1, 134—153.
62
H. R. 6247, To Provide for the Air Security and Defense of the United States,
to Establish the Composition of the Air Force. Verabschiedet 14. Juni 1948, C R 94, 6, 8172-8174. 63
Rep. Vinson, D, Ga., Armed Services, Chairman, bei der Beratung von H . R . 1437,
Army and Air Force A c t of 1949, 16. März 1949, C R 95, 2, 2630. 84
Committee on Armed Services, H . Rp. 64, 81/1, 10. Februar 1949, on H. R . 1437,
Personnel and Composition of the Army and Air Force, S. 9. 85
Abstimmung: 3 6 8 : 1 : 6 4 , 22. März 1949, C R 95, 3, 2 6 2 8 - 2 6 2 9 .
86
Committee on Appropriations, H . Rp. 417, 81/1, 9. April 1949, on H. R . 4146,
National Military Establishment Appropriation Bill, 1950, S. 30—31.
364
1. Die Stärke der
USA
Verfügung 67 . Der Senat wollte auch hier zunächst der Regierung folgen und Gelder nur für 48 Gruppen bewilligen 68 . Im Verlauf zweier harter Konferenzen gelang es jedoch dem Haus, sich — wenngleich unter bestimmten Anpassungen — mit seiner Zahl durchzusetzen 69 . Der Congress bewilligte zehn Gruppen mehr, als die Regierung verlangt hatte. Die Gesetzgebung für Wehrpflicht und Luftwaffe beleuchtet die der militärischen Stärke der Vereinigten Staaten zugewiesene Aufgabe. Weder Regierung noch Congress dachten daran, das Militär offensiv einzusetzen oder auch nur damit zu drohen. D a f ü r waren die Ausmaße der Streitmacht zu klein gehalten. Innerhalb dieses an der Defensive orientierten Rahmens gab es jedoch beachtliche Meinungsverschiedenheiten. Die Regierung wollte das militärische Gesamtniveau linear und gleichmäßig anheben, um damit die politische Position der Vereinigten Staaten zu unterstreichen. Die USA besaßen noch immer das Atomwaffen-Monopol und würden es aller Wahrscheinlichkeit nach bis in die fünfziger Jahre oder noch länger behalten 70 ; danach blieb ihnen mindestens nodi ein großer Vorsprung. Dem Gegenspieler brauchte nur klargemacht zu werden, daß die USA keine Ubergriffe über seinen jetzigen Einflußbereich hinaus dulden würden. Das amerikanische Sicherheitssystem, bis dahin vorwiegend wirtschaftlich fundiert, wurde durch die Erhöhung des militärischen Potentials vorsorglich abgesichert. Gleichzeitig diente dies auch der Führungsposition der Vereinigten Staaten im Sicherheitsbereich. Nachdem die Sowjetunion die amerikanische Wirtschaftshilfe nicht widerstandslos hingenommen hatte, mußte den Empfängern dieser Hilfe der amerikanische Schutz auch auf militärische Weise demonstriert werden. Die Legislative verschob die Akzente. Sie entschied sich für den Plan A des Board und ging damit etwas über das hinaus, was im engeren Sinne zur Sicherheit erforderlich gewesen wäre. Sicherheit hätte auch der Plan B geboten, den die Regierung vertrat. Der Plan A verschaffte Uberlegen97
D a s A m e n d m e n t des Rep. Coudert, R, N . Y., Appropriations, das den Betrag v o n
1 9 9 2 755 000 D o l l a r auf die Budgetziffer v o n 1 415 000 0 0 0 D o l l a r kürzen
wollte,
w u r d e durch voice v o t e abgelehnt, 13. April 1949, C R 95, 4, 4530. 68
Committee on Appropriations, S. Rp. 745, 81/1, 22. Juli 1949, on H . R. 4146,
S. 6; vgl. die Unterschiede bei den einzelnen Posten in der Tabelle, S. 31—33. 69
Committee on Conference, H . Rps. 1386, 7. Oktober 1949, und 1454, 18. Oktober
1949, 81/1, on H . R. 4146. D i e Endziffern siehe audi P. L. 434, 81/1, 63 Stat. 787. Für eine detaillierte Analyse des Militär-Budgets von 1950 vgl. Schilling, Politics Defense, 70
of
National
bes. S. 41 ff.
D i e Vereinigten Stabschefs vermuteten, daß die U d S S R 1952 über die erste A t o m -
bombe verfügen würden, Schilling, Politics
of National
Defense,
S. 38.
Das
Ausmaß
365
heit. Sie diente natürlich auch der Sicherheit, vergrößerte sie, weil sie mögliche Angriffsabsichten durch die Perspektive massiver Vergeltung abschreckte. Aber das 70-Gruppen-Programm erhielt darüber hinaus auch eine politische Aufgabe: die riesige Luftflotte konnte die Atombombe überall hintragen und die Vereinigten Staaten somit instand setzen, als Wahrer des Weltfriedens zu fungieren 7 1 . Audi das war zunächst kein aggressives Konzept, bewegte sich durchaus noch auf der Linie des Zieles Sicherheit. Als reine Zerstörungskapazität vermag eine Luftwaffe nur zu verhindern, aber nicht zu erobern. Etwas anderes aber ließ sich mit ihr erreichen: eine Verbesserung der amerikanischen Führungsposition. Wenn die Vereinigten Staaten die größte Luftflotte der Welt und die stärkste Bombe besaßen, dann konnten sie jede Entwicklung, die ihren Interessen zuwiderlief, damit unterbinden, daß sie eine Zerstörung aus der Luft androhten oder notfalls sogar ausführten. Welche Folgen dies haben, welchen weiteren militärischen Aufwand es erfordern und welche Verwicklung daraus entstehen könnte, wurde dabei zunächst nicht bedacht. Die Einflußmöglichkeiten als solche, die die U S A mit einer großen Luftwaffe gewinnen konnten, reichten als Anreiz aus. Meistens drang die Analyse nicht einmal bis zu diesem Punkt vor, sondern endete schon in dem Wunsch, die größte Luftwaffe der Welt zu besitzen. Wie das Haus sich 1945 die stärkste Marine der Welt verschrieben hatte, weil sie die damals ausschlaggebende Waffe für die U S A war, so wählte es für den Rangnachfolger, die Luftwaffe, unbesehen die gleiche Größenordnung. D i e Differenzen in der Luftwaffenpolitik zwischen der Regierung einerseits, der Legislative, namentlich dem Repräsentantenhaus und seinem rechts-konservativen Flügel andererseits stammten offensichtlich aus der unterschiedlichen Bewertung des Faktors der internationalen Zusammenarbeit. Unter dem Kollektiven Modell war die militärische Stärke der 71
Vgl. etwa Cannon, D, Mo., Appropriations, Chairman, bei der Beratung des Mili-
tär-Haushalts für 1950, 13. April 1949, C R 95, 4, 4501. Vgl. ferner Rep. Plumley, R, Vt., Appropriations, Chairman des Navy-Subcommittee, bei der Beratung des MarineHaushalts: „I have the peculiar notion that the people of the United States are God's chosen agents to undertake to see to it that the peoples of every nation shall be enabled to carry out civilization's program, to dioose their own form of government. . . . (Die U S A ) must be well prepared and have an overpowering military, naval, and air force establishment which will command and deserve respect and be able if necessity requires to enforce our demand that the world shall be at peace." 3. Juni 1948, C R 94, 6, 7073.
366
1. Die Stärke der USA
USA für die Regierung nur die conditio sine qua non, f ü r den Congress aber die ausschlaggebende, für die Rechts-Konservativen sogar die einzige Grundlage von Sicherheit und Außenpolitik gewesen. Das gleiche Gefälle herrschte im Hinblick auf das neue Sicherheitssystem. Die Regierung hatte bei ihrer Entscheidung, sich auf den kleinen Luftwaffen-Plan zu beschränken, natürlich auch den Wert des Sicherheitssystems im Auge: den militärischen Beitrag, den die Teilnehmer leisten konnten. Der Entwurf der amerikanischen Außenpolitik beruhte ja darauf, daß die Zusammenarbeit mit anderen Staaten die Rüstungslast der USA verringern, gleichzeitig aber ihre militärischen Wirkungsmöglichkeiten vergrößern würde. Das System war im Frühjahr 1948 zwar erst in seinem wirtschaftlichen Element voll angelegt und erkennbar, die militärische Ergänzung war aber auch im Congress schon gelegentlich verhandelt, teilweise auch bereits verwirklicht worden. Für die Regierung stand diese Ergänzung vollkommen fest in der Logik des Entwurfs. Die Rüstung der USA brauchte darum nur bis zu dem Punkt angehoben zu werden, der Sicherheit dafür bot, daß die Zusammenarbeit im Führungsbereich weder von außen noch von innen angetastet oder gestört werden konnte. Keinesfalls brauchten die amerikanischen Streitkräfte allein für die gesamte, vor allem nicht für die indirekte Sicherheit der USA aufzukommen. Indem er sich für den großen Luftwaffen-Plan entschied, ließ der Congress erkennen, daß er den Faktor Kooperation nicht so hoch anschlug wie die Regierung. Die Mehrheit der Legislative ließ diesen Faktor nicht außer acht, sie bejahte ihn, wie jetzt zu zeigen sein wird, nach wie vor. Aber es ist aufschlußreich, daß die Mehrheit doch der rechts-konservativen Opposition, die diese Kooperation um der Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit der Vereinigten Staaten willen strikt ablehnte, zwar nicht in der Argumentation, aber in der praktischen Konsequenz folgte: in der Schaffung einer Luftflotte, die von der Regierung als zu groß angesehen wurde. Die Luftwaffenpolitik des Congress fällt damit zweifellos aus der sonst vom Congress bevorzugten Aufwand-Erfolg-Rechnung heraus. Der Sicherheitsgedanke wurde in einer Weise maximiert, die nicht mehr ausschließlich mit der Bedeutung der Luftkriege und der damit gegebenen Gefährdung der USA zusammenhing, sondern auch andere, möglicherweise imperialistisch tendierende Haltungen begünstigte. Vielleicht ist es auf diese Beimischung zurückzuführen, daß von 24 Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses im H a u s 11 der Abstimmung über den Luftwaffen-
Die Ziele
367
Etat fernblieben, darunter fünf von denen, die später auch gegen die Wiedereinführung der Dienstpflicht auftraten 72 , weil sie die internationale Lage verschärfte. Insgesamt gesehen stiegen die Ausgaben für die Streitkräfte von 1947 bis 1948 um rund ein Fünftel, von 10,2 Milliarden auf 12,9 Milliarden Dollar 73 , zu denen 1948 noch 3,02 Milliarden an Auftragsgenehmigungen (contract authorizations) kamen. Für das Jahr 1949/50, bei dem zum ersten Male ein gemeinsamer Haushalt für alle Wehrmachtsteile vorgelegt wurde, verlangte Präsident Truman 14,2 Milliarden 74 . Die Marine nahm, von ihrer Luftwaffe abgesehen, an den Erhöhungen so gut wie nicht teil 75 ; es wurde sogar gefragt, ob man nicht, wenn sich die Lage stabilisiert haben würde, mit einer kleineren Marine auskommen könnte 76 . Heer und Luftwaffe wurden jedoch verstärkt, wobei die Aufwendungen für die Luftwaffe über das Maß hinausgingen, das erforderlich gewesen wäre, um möglichen militärischen Verwicklungen in einer Zeit vorzubeugen, in der das Sicherheitssystem noch nicht vollständig war.
2. D I E
STÄRKUNG
DES
F Ü H R U NG S B E R E ICH S
Die Ziele Bis zum Frühjahr 1948 waren die Vereinigten Staaten ihrem Führungsbereich in erster Linie wirtschaftlich zu Hilfe gekommen; dies war das wichtigste, während militärische Maßnahmen entbehrlich schienen, solange die amerikanische Atom-Suprematie ungeschwächt herrschte. In manchen Teilen des Bereichs, beispielsweise in den unterentwickelten Ländern, bei denen es im wesentlichen nur um die künftige Wirtschaftsund Gesellschaftsstruktur ging, war Wirtschaftshilfe überhaupt das ein7 2 Die fünf waren die Republikaner Chiperfield, Bolton, Javits und die Demokraten Pfeifer und Mansfield. Die Abgeordneten Bloom und Smith, Wis., die ebenfalls die Wehrpflicht abgelehnt hatten, stimmten für die Luftwaffenerhöhung — Smith dabei als typischer Vertreter der redits-konservativen Gruppe. 73
Vgl. die Zusammenstellung in C R 94, 8, 9818.
74
Truman an den Congress, 10. Januar 1949, C R 95, 1, 138.
Vgl. den Überblick in C R 94, 7, 8297: die Bewilligungen betrugen für 1947 4,413 Milliarden, für 1948 4,706 Mrd. und für 1949 4,036 Mrd. Dollar — stets ohne MarineLuftwaffe. 75
7 8 Committee on Appropriations, H . Rp. 2136, 80/2, 2. Juni 1948, on H. R . 6772, Department of the Navy Appropriation Bill, 1949, S. 3.
368
2. Die Stärkung
des
Fiihrungsbereichs
zige brauchbare Instrument. Uberall dort aber, wo die amerikanische Sicherheit stärker betroffen war, in Europa und im Fernen Osten, zielte auch schon die wirtschaftliche Unterstützung auf militärische Resultate. Im hochindustrialisierten Westeuropa ließ sich beides ohnehin nicht scharf voneinander trennen: der Wiederaufbau von Stahlwerken oder Verkehrsanlagen konnte ebenso militärische Bedeutung haben, wie Auslandskredite einheimische Mittel für die Rüstung freizustellen vermochten. Militärhilfe ist darum zumeist nur eine besondere, nämlich streng sachgebundene Form der Wirtschaftshilfe. Sie versetzt den Empfänger in den Stand, sich mit bestimmten Waffen und Geräten zu versorgen, die er im Moment weder herstellen noch kaufen kann. Militärhilfe war von Anfang an als der zweite Grundpfeiler des amerikanischen Systems geplant. Da sein Prinzip darin bestand, das Vorfeld zu stärken, damit Sicherheit angemessen und mit geringster Belastung f ü r die USA gewährleistet werde, gehörten Wirtschafts- und Militärhilfe wie Zwillinge zusammen. „Die wirtschaftlichen und militärischen Anstrengungen, mit denen die Vereinigten Staaten die Weltstabilität erreichen wollen, ergänzen einander und sind voneinander abhängig (interdependent)" 1 . In Griechenland und der Türkei, in Korea und China waren sie sofort zusammen aufgetreten, weil ein aktueller Bedarf vorlag. Im übrigen Sicherheitsbereich zog Militärhilfe, so früh es eben ging, nach. Beide Elemente: die wirtschaftliche und die militärische Hilfe, bildeten das ubiquitäre amerikanische Sicherheitssystem; von ihnen wurde es bezeichnet und definiert. Bereits in seiner Congress-Botschafl vom 17. März 1948 hatte Präsident Truman im Zusammenhang mit dem Brüsseler Pakt den freien Nationen eine entsprechende Hilfe der Vereinigten Staaten angekündigt 2 . Die ursprünglichen Pläne der Regierung waren jedoch viel früher, vermutlich gleichzeitig mit dem neuen Entwurf der amerikanischen Außenpolitik entstanden. Ihre Verwirklichung machte aber Schwierigkeiten. Schon beim ersten Versuch — in Griechenland und der Türkei — hatte sich hartnäckiger Widerstand im Congress geregt. Anders als die Wirtschaftshilfe erweckte die Militärhilfe sofort den Argwohn, der Kriegsvorbereitung und dem Kräfteaufgebot gegen die Sowjetunion zu dienen. Für den Congress war Militärhilfe ferner mit dem doppelten Odium belastet, nicht nur die 1
Rep. Cole, R, N . Y., Armed Services, 15. Juni 1948, CR 94, 7, 8355.
2
Truman an den Congress, 17. März 1948, CR 94, 3, 2997.
Die Ziele
369
USA in Europa fest zu engagieren — das wäre allenfalls noch hingegangen und wurde auch hingenommen —, sondern sie auch eng mit der Politik jedes einzelnen Landes zu verknüpfen. Da das Militär ein ausgesprochen politisches Instrument war, konnte man von den Zielen, denen es jeweils diente, nicht einfach absehen. Die USA gerieten damit automatisch in den Mahlstrom nationalstaatlicher Querelen, die seit jeher den Gang der europäischen Geschichte bestimmt und den Amerikanern immer Abneigung eingeflößt hatten. Wegen dieser Widerstände schob die Regierung ihr Militärhilfe-Programm immer weiter hinaus. Am 8. April 1949 veröffentlichte das Außenministerium die Korrespondenz mit den Brüsseler Pakt-Mächten und mit Norwegen, Dänemark und Italien, die die USA um militärische Unterstützung gebeten hatten 3 . Aber erst am 25. Juli 1949, erst an dem Tage, an dem er das Ratifikationsinstrument des Nordatlantik-Pakts unterzeichnete, übersandte Präsident Truman dem Congress seine Forderung nach Militärhilfe 4 . Truman hatte vermeiden wollen, daß das umstrittene Projekt der Militärhilfe die Verabschiedung des Verteidigungspakts verzögerte oder gar gefährdete. Aus diesem Grunde wies die Regierung auch ständig darauf hin, daß die Militärhilfe vom Nordatlantik-Pakt unabhängig sei. Darin hatte sie zweifellos recht, obwohl es auf einen gewissen Zusammenhang zu deuten schien, daß die Hilfsersuchen der europäischen Länder gleich nach der Unterzeichnung, und die Militärhilfe-Botschaft Trumans an den Congress gleichzeitig mit der Ratifizierung des Nordatlantik-Pakts veröffentlicht wurden. Der Präsident hatte in seiner Congress-Botschaft den Nordatlantik-Pakt nicht erwähnt, vielmehr ganz deutlich die Militärhilfe als Komplement der Wirtschaftshilfe ausgewiesen, die sich keineswegs auf die europäischen Länder beschränkte. Der Congress war sich darüber durchaus im klaren. Auch in Europa war die Militärhilfe nicht die Folge des Nordatlantik-Pakts, sondern des Europäischen Wiederaufbau-Programms5, eine Folge, die auch dann eingetreten wäre, wenn sich der Verteidigungsvertrag aus irgendwelchen Gründen zerschlagen hätte. Der 3
DoSB, X X , 511, 17. April 1949, S. 4 9 3 - ^ 9 8 .
4
Truman an den Congress, 25. Juli 1949, C R 95, 8, 1 0 1 2 2 - 1 0 1 2 4 .
5
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 1265, 81/1, 15—16. August 1949, on H. R .
5895, Mutual Defense Assistance Act of 1949, pt. 2, Supplemental Report, S. 7, 8, 19. Der Bericht bietet eine detaillierte Übersicht der Politik, die zu diesem
Programm
führte, und über dessen Inhalt. Vgl. ferner die ausdrückliche Stellungnahme des Außenministeriums vom 11. Juli 1949, in C R 95, 7, 9139. 24
Czempiel
2. Die Stärkung
370
des
Führungsbereichs
Pakt stand außerhalb der Komplementarität von Wirtschafts- und Militärhilfe, die das System ausmachten. Er ergänzte es im zentralen und akut bedrohten Bereich durch eine zusätzliche Struktur, die der besonderen Bedeutung der Region Rechnung trug; er war aber unabhängig von den beiden das System bildenden Elementen. Erst der Congress stellte die Paktländer als die wichtigste Gruppe der Empfänger von Militärhilfe eigens heraus und förderte damit das Mißverständnis, als sei die Militärhilfe ein Anhängsel des Nordatlantik-Paktes. Militärischer Beitrag Die Ziele der Militärhilfe waren von denen der Wirtschaftshilfe nicht verschieden, sie boten sich nur in anderer, stärker auf den Gegensatz bezogener Form dar. Die Militärhilfe antizipierte keinen akuten Konflikt mit der Sowjetunion. Man war nach wie vor davon überzeugt, daß die UdSSR in absehbarer Zeit keinen Angriff plane, weder gegen die USA selbst, nodi gegen die europäischen Länder 6 . John Foster Dulles, der seit dem 7. Juli 1949 den Staat New York im Senat vertrat 7 , bestritt mit seiner Autorität, daß „die Sowjetunion gegenwärtig offene militärische Aggression in Betracht" ziehe8. Die Kommunisten seien zwar aggressiv, zielten auf die Weltherrschaft, aber sie benutzten dazu die Mittel politischer Durchdringung, Fünfter Kolonnen und der Revolution. Es sei ganz unwahrscheinlich, daß die Sowjetführer von diesen Methoden, in denen sie Meister seien, abließen, um gegen das amerikanische Atom-Monopol und die allgemeine militärische Überlegenheit der USA anzutreten 9 . Freilich hielt Dulles eine solche Wendung der Sowjetregierung nicht auf Dauer für ausgeschlossen. In dem Moment, in dem sich erwies, daß die revolutionäre Methode versagt habe, könnte die Sowjetunion sehr wohl aggressiv werden; für diesen Fall müßten die europäischen Nationen gerüstet sein. Die Analyse John Foster Dulles' ist insofern aufschlußreich, als sie den ideologischen Vorstoß der Sowjetunion weniger als Konsequenz eines 6 Rep. Judd, R, Minn., Foreign Affairs, bei der Beratung von H . R. 5895, Mutual Defense Assistance Program, 17. August 1949, C R 95, 9, 11677. Beratungsdaten im Haus: 17.—18. August 1949, C R 95, 9, 1 1 6 5 8 - 1 1 6 9 1 , 11751 bis 11808. Im Senat: 1 9 . - 2 2 . September 1949, C R 95, 10, 1 3 0 1 6 - 1 3 0 3 4 , 1 3 0 4 3 - 1 3 0 6 4 , 13079 bis 13113, 13130—13168. Nachweise, wenn nicht anders vermerkt, aus diesen Debatten. 7
Dulles war an Stelle von Senator Wagner, der am 28. Juni 1949 zurückgetreten war, zum (Interim-)Senator v o n N e w York ernannt worden. Er bekleidete diese Position vier Monate lang. 8
Sen. Dulles, C R 95, 10, 13086.
9
Ibidem.
Die Ziele
371
politischen Konzepts, denn als zeitweiliges Auskunftsmittel angesidits der amerikanischen Atom-Überlegenheit verstand. Bei einer solchen Interpretation konnte Aufrüstung in der Tat auch als Antwort auf den ideologischen Konflikt gelten. Welchen Wert auch immer diese Analyse der kommunistischen Politik haben mochte: aus ihr leitete sich die Zeittafel ab, nach der sich die Militärhilfe richtete. Sie war kein Mittel für die Gegenwart, sondern für die Zukunft. Wenn die UdSSR 1948 nach Westeuropa vorstoßen würde, war sie praktisch nicht aufzuhalten. Die amerikanische Atombombe schreckte aber einen solchen Angriff ab. In einigen Jahren, wenn auch die Sowjetunion die Bombe besaß, wäre das Verhältnis ganz anders. Dann würde die amerikanische Atombombe nicht mehr von großem Nutzen sein, weil sie durch das sowjetrussische Gegenstück in Schach gehalten werde. Für diese Situation brauchte man in Europa 50 bis 60 Divisionen, mit denen man den 100 Sowjet-Divisionen erfolgreich Widerstand leisten konnte 10 . Auf diesen Zeitpunkt hin arbeitete die Militärhilfe der Vereinigten Staaten. Wenn der Schutz der amerikanischen Atombombe versagte, mußte die Streitmacht der Europäer, vor allem deren Heer, bereit sein. Politische Stabilisierung Hinter der zweiten Aufgabe, die der Militärhilfe zugewiesen wurde, läßt sich die gleiche Einschätzung des ideologischen Elements erkennen, wie sie Dulles gegeben hatte. Die militärische Stärke der Empfängerländer sollte nicht nur später nach außen, sondern auch jetzt schon, und zwar nach innen wirken: auf die Stabilisierung der Herrschaftsverhältnisse. Truman hatte diese Aufgabe sogar vorangestellt, wenn er es als die beiden Leistungen der Militärhilfe bezeichnete, „die innere Ordnung aufrecht zu erhalten und den ersten Phasen eines Angriffs von außen Widerstand entgegenzusetzen" 11 . Die USA lieferten denn auch in erster Linie kleinere Waffen, die hauptsächlich dazu dienen sollten, die innere Sicherheit der Empfänger „gegen kommunistische Infil10 Sen. Tydings, D , Md., Armed Services, Chairman, C R 95, 10, 13026—13027. Laut Sen. Dulles, ibidem, 13086, sah das Kräfteverhältnis in Europa folgendermaßen aus:
Ostblock
Westeuropa
4 800 000 Mann davon in der U d S S R
1 000 000 Mann 4 100 000
in den Satelliten, ausgenommen Jugoslavien, 11
24*
davon in Italien
250 000
in Frankreich
500 000
700 000
Truman an den Congress, 25. Juli 1949, C R 95, 8, 10123.
372
2. Die Stärkung des Führungsbereichs
trationen und Überwältigungen durch Gruppen der Fünften K o l o n n e " 1 2 zu gewährleisten. Erst später — der interne Zweck würde dann schon erfüllt sein — sollte die Militärhilfe ihre gegen die Sowjetunion gerichtete militärisch-defensive Aufgabe übernehmen. Angesichts der umstürzlerischen Praktiken, die die U d S S R erst kurz zuvor in der Tschechoslowakei angewandt hatte, w a r eine solche Zielsetzung der Militärhilfe verständlich. Sie empfahl sich auch in den westeuropäischen Ländern, obwohl sich deren Situation von der hinter dem Eisernen Vorhang hinlänglich unterschied. Immerhin befanden sich die westeuropäischen Staaten in einer Krise, die von den kommunistischen Parteien zu einem Putsch ausgenutzt werden konnte. Gefährlich w a r es jedoch, wenn die Abwehr des Kommunismus überhaupt als militärisch lösbare Aufgabe angesehen wurde. Diese Tendenz hatte sich schon im Fall Griechenlands und der Türkei gezeigt, sie zeigte sich erneut im Zusammenhang mit den Problemen, die Spanien und die Indonesien-Politik Hollands aufgegeben hatten. Die Ziele, die jetzt der Militärhilfe mitgegeben wurden, lassen erkennen, daß hinter der militärischen Stärke alle anderen Faktoren zurücktraten. Die HerrschaftsOrdnung der System-Mitglieder wurde irrelevant, wenn sie strategisch von Bedeutung und anti-kommunistisch waren.
O b Portugal
demo-
kratisch regiert wurde oder nicht, w a r dann gleichgültig angesichts der Tatsache, daß es die Azoren besaß 13 . Diese Gleichsetzung von militärischer Potenz und Abwehrfähigkeit gegenüber dem Kommunismus verstärkte damit die Richtung nach rechts, die das amerikanische Sicherheitssystem aus anderen, strukturellen Gründen schon eingeschlagen hatte. Die
Mittel
Die Militärhilfe erstreckte sich, wie die Wirtschaftshilfe, in Abstufungen über sämtliche Bezirke der amerikanischen Sicherheit. Allerdings w a r das Ausmaß, da es sich nur um eine Ergänzung handelte, entsprechend kleiner: Präsident Truman hatte für das gesamte P r o g r a m m im ersten J a h r lediglich 1 4 5 0 0 0 0 0 0 0 Dollar verlangt, eingeschlossen die Militärhilfe für Griechenland und die Türkei in H ö h e von 5 0 Millionen Dollar. Mit diesem Betrag sollte ein dreiteiliges Projekt bestritten werden: Dollarhilfe, Sachlieferungen und Überlassung von Experten. 12
Rep. Ribicoff, D, Conn., CR 95, 9, 11672.
Sen. Connally, D, Tex., Foreign Relations, Chairman, CR 95, 10, 13024: „ . . . I do not know how mudi democracy Portugal has, but I know she has the Azores." 13
Die Mittel
373
Der Schwerpunkt lag auf den westeuropäischen Ländern, dann wurden Griechenland und die Türkei, ferner Iran, Korea und die Philippinen bedacht. Von China war bei Truman nicht mehr die Rede, wohl aber von den lateinamerikanischen Staaten, denen jetzt zuteil werden sollte, was ihnen die Regierung in Washington schon lange zugedacht hatte. Die Militärhilfe, die die Vereinigten Staaten für ihre Sicherheit aufwenden wollten, war also nicht besonders groß. Präsident Truman hatte das Programm zwar wiederum mit der amerikanischen Führerschaft begründet, als Maß der Ausführung zugleich aber wiederum dasjenige genannt, das schon bei der Wirtschaftshilfe angewandt worden war, das minimale: „Wir können uns die Kosten der Militärhilfe nur bei solchen Ländern leisten, die für unsere nationale Sicherheit lebenswichtig sind, in denen die Gefahr am größten und deren Zahlungsfähigkeit am geringsten ist" 14 . Unter dieser Ratio (die hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit nicht ganz korrekt angegeben war) fiel die amerikanische Militärhilfe von dem zentral-bedrohten Bereich Europa über den Nahen und Fernen Osten bis nach Lateinamerika steil ab. Allerdings hatte Truman in seinem Gesetzentwurf nichts darüber gesagt, wie die Gelder auf die einzelnen Regionen verteilt werden sollten. Der Präsident wollte selbst entscheiden, welches Land welche Art von Hilfe bekommen sollte. Eine solche Allmacht der Exekutive ging dem Congress natürlich gegen den Strich. Trumans Entwurf wurde zwar noch in beiden Häusern eingebracht, im Senat aber schon eine Woche später durch eine andere Fassung ersetzt 15 . Sie beseitigte die meisten Punkte, an denen die Legislative Anstoß genommen hatte, vor allem die „total worldwide war-lord power in the White House" 1 6 . Militärhilfe wurde jetzt an Verträge gebunden und deren Inhalt durch ein Rahmengesetz generell festgelegt. Die Legislative gruppierte die Empfänger, die Truman nur lose aufgezählt hatte, wieder nach Sicherheitsbereichen. Hier erschienen jetzt die europäischen Staaten unter dem Titel „Nordatlantik-Pakt-Länder" — damit waren aus der ERP-Gruppe Irland, Österreich, Schweden und die deutschen Westzonen entfallen. In Titel II folgten Griechenland und die Türkei; unter III Korea, die Philippinen und der Iran. In Titel IV, der 14
Truman an den Congress, 25. Juli 1949, CR 95, 8, 10124.
Der Regierungs-Entwurf wurde als S. 2341 von Connally am 27. Juli 1949 eingebracht, CR 95, 8, 10256, und am 5. August 1949 durch S. 2388 ersetzt, CR 95, 8, 10807. 15
" Vandenberg, CR 95, 10, 13044.
374
2. Die Stärkung
des
Führungsbereichs
an sich schon Ausführungsbestimmungen enthielt, tauchte an ganz versteckter Stelle eine Bestimmung auf, die den Präsidenten ermächtigte, an weitere Länder, sofern sie mit den USA regional oder kollektiv verbündet waren, amerikanische Ausrüstungen sowie Dienstleistungen verkaufen zu lassen (See. 408 e). Das betraf Kanada, Island und Portugal, die nicht um amerikanische Hilfe ersucht hatten, und auch sämtliche Mitglieder des Rio-Paktes. Im zentralen und unbedrohten Bereich Die Section 408 e war alles, was von den alten Plänen der amerikanischen Regierung für den eigenen Doppel-Kontinent übriggeblieben war. Truman hatte schon 1946 (s. o. S. 182) und 1947 (s. o. S. 284) den Congress zu überreden versucht, den lateinamerikanischen Schwesterrepubliken Militärhilfe zu gewähren. Sie sollte die Zusammenarbeit innerhalb der Westlichen Hemisphäre verstärken, die Rüstungen mit denen der Vereinigten Staaten koordinieren und auf diese Weise den USA ein gewisses Maß an Kontrolle verschaffen. Der Congress hatte sich dieser Aufforderung stets verschlossen. Während des Krieges oder danach waren zwar in den meisten lateinamerikanischen Staaten US-Militärmissionen eingerichtet worden: in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Haiti, Honduras, Mexico, Panama, Paraguay, Peru, Venezuela17. Die Entsendung solcher Missionen gehörte inzwischen zur unbestrittenen Kompetenz der amerikanischen Regierung. Mehr aber war bis dahin vom Congress nicht zu erreichen gewesen. Erst jetzt, als Militärhilfe zu einem allgemeinen außenpolitischen Instrument erhoben werden sollte, fand die amerikanische Regierung die Gelegenheit, auch die lateinamerikanischen Staaten zu berücksichtigen. Entsprechend der für die bürgerliche Republik geltenden und von Truman ausdrücklich anerkannten Aufwand-Erfolg-Ratio, konnte dieser Anschluß Lateinamerikas nur sehr schwach ausfallen, er durfte jedoch nicht mehr fehlen. So entstand die Bestimmung, den lateinamerikanischen Republiken — und darüber hinaus Kanada, Island und Portugal — Waffen und Dienstleistungen gegen Entgelt zu überlassen. Im peripheren und unbedrohten Bereich Unter dieser Ratio kamen Länder, die nur im Rahmen des Punkt-Vier-Programms an die amerikanische Außenpolitik angeschlossen waren, für Militärhilfe überhaupt nicht in Betracht. Sie hätte weder die Sicherheit dieser Länder noch die 17
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 7.
Die Mittel
375
der USA gefördert, hätte vielmehr nur geschadet. Die lose Bindung an die amerikanische Politik, die das Punkt-Vier-Programm bewirken sollte, wäre durch den Versuch, diese Länder dem amerikanischen Verteidigungssystem anzugliedern, grob gestört worden. Genau diese Erfahrung mußte der Congress 1951 machen, als er — unter dem Eindruck des Korea-Krieges — der wirtschaftlichen und technischen Hilfe des PunktVier-Programms schließlich doch militärische Hilfe hinzufügte 18 . Im Zwischenbereich Titel III des Militärhilfe-Gesetzes faßte zunächst die beiden bereits laufenden Beistandsprogramme für die Philippinen und Korea zusammen. Es fügte neu den Iran hinzu. Das Land hatte bisher an keinem der großen amerikanischen Hilfsprogramme direkt teilgenommen; die Vereinigten Staaten hatten sich aber, was für den Zwischenbereich charakteristisch ist, im Iran schon längst und stärker engagiert. Wenn der Iran auch nicht die strategische Bedeutung der Türkei besaß, so war er doch wegen seiner Schlüsselposition im Mittleren Osten und wegen seiner Öl-Vorkommen für die USA unentbehrlich. Seit dem 2. Oktober 1942 arbeitete eine amerikanische Militärmission im Iran, später kam noch eine weitere hinzu. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten die USA das Land nachdrücklich gegen die Forderungen der Sowjetunion unterstützt. Die amerikanische Regierung in Washington und ihr Botschafter in Teheran George V. Allen betonten bei jeder Gelegenheit, daß die USA fest hinter dem Iran stünden. Aus den amerikanischen Uberschußmitteln hatte Persien nach Kriegsende Material im Wert von 26,4 Millionen Dollar erhalten, 1948 bekam es einen Kredit in Höhe von 26 Millionen Dollar zum Ankauf von Kriegsmaterial19. Die jetzt erfolgende Aufnahme in das Hilfsprogramm war dem Titel nach neu, der Sache nach aber nur die Fortsetzung einer seit langem bestehenden Politik. Den Philippinen war amerikanische Militärhilfe seit geraumer Zeit zuteil geworden. Noch kurz bevor sie unabhängig wurden, am 26. Juni 1946, hatte der Congress ein Gesetz verabschiedet, das den Präsidenten ermächtigte, den Philippinen, wenn sie darum ersuchten, Militärhilfe zukommen zu lassen20. Nach der Unabhängigkeit des Inselreichs hatte ihm die amerikanische Regierung drei Gruppen militärischer Berater zur Verfügung gestellt. Am 14. März 1947 überließen die Philippinen 18
Amuzegar, Point Four, S. 533.
19
Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 52.
20
P. L. 454, 79/2, 60 Stat. 500.
2. Die Stärkung des
376
Führungsbereichs
den Vereinigten Staaten die gewünschten Stützpunkte für 99 Jahre; kurz darauf, am 21. März 1947, wurde dann das amerikanisch-philippinische Abkommen über die Militärhilfe der USA geschlossen21. Insgesamt hatten die Philippinen bis 1949, wo sie in die Mutual Defense Assistance Act eingegliedert wurden, von den USA militärische Ausrüstungen im Werte von 1,4 Milliarden Dollar erhalten. Korea war bis Ende 1948 unter dem GARIOA-Programm geführt worden und hatte dabei auch kostenlos Militärhilfe im Werte von 40 Millionen Dollar erhalten 22 . Während die Wirtschaftshilfe ab Anfang 1949 von der ECA übernommen wurde — ohne jedoch im Laufe des Jahres die erforderliche gesetzliche Legitimation zu erhalten (s. o. S. 320) — mündete die Militärhilfe planmäßig in das Gesamtprogramm ein. Im peripheren und bedrohten Bereich Ebensowenig wie bei der Wirtschaftshilfe war China von Präsident Truman als Anwärter auf amerikanische Militärhilfe genannt worden. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses hatte sich zwar noch ganz allgemein für ein fernöstliches Gegenstück zum Nordatlantik-Pakt ausgesprochen: eine gemeinsame Organisation sollte auf der Grundlage von Selbsthilfe und gegenseitiger Zusammenarbeit die „freien Völker des Fernen Ostens" schützen und fördern 23 . Mehr als diese unverbindliche Erweiterung der politischen Zielsetzung der Militärhilfe kam aber nicht heraus 24 . Die republikanische Seite des Auswärtigen Ausschusses versuchte vergeblich, das Plenum wenigstens zu einer kleinen Verteidigungshilfe für China in Höhe von 100 Millionen Dollar zu bewegen, wovon 75 Millionen für China direkt, 25 für .andere' Regionen bestimmt sein sollten 25 . Der Versuch schlug fehl, weil die Republikaner, wie schon 1948, den demokratischen Einwand nicht entkräften konnten, daß eine solche Hilfe zu einem militärischen Engagement der USA in China führen müsse. Das Land hatte seit Kriegsende f ü r mehr als 2 Milliarden Dollar ameri21 22
TIAS1662. H. Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 6.
23
Ibidem, S. 4.
24
CR 95, 9, 11751.
25 Admendment des Rep. Lodge, R, Conn., Foreign Affairs, CR 95, 9, 11782. Das Amendment verkörperte die sogenannte Lodge-Walter-Bill, die bereits im Ausschuß eingebracht, dort jedoch abgelehnt worden war. Sie hatte ursprünglich 200 Millionen Dollar vorgesehen; angesichts der ablehnenden Haltung des Plenums forderte Lodge nurmehr noch die Hälfte. Vgl. auch die von Judd und Lodge unterzeichneten Additional Supplemental Minority Views zum H. Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 68—70.
Die
Mittel
377
kanische Wirtschaftshilfe erhalten, ohne einen Erfolg zu zeigen. Am Materialmangel lag es also nicht 26 . Und mehr als Material wollten die Vereinigten Staaten nach wie vor nicht investieren. Wiederum zeigte sich der Sicherheits-Minimalismus. Die USA wußten, daß jede aktive militärische Hilfe Krieg in China bedeuten würde 27 , und Krieg wollten sie unter allen Umständen — und mit stillschweigender Zustimmung der Republikaner — vermeiden. Dieses Grundziel beschränkte von vornherein den amerikanischen Handlungsspielraum. Der Regierung blieb nichts weiter übrig — Außenminister Acheson hatte das auch vor dem Auswärtigen Ausschuß ausgeführt —, als sich ins Unvermeidliche zu schicken28. Dem Senat war diese Einsicht so klar, daß er ohne jegliche Kontroverse 75 Millionen Dollar für China bewilligte und schließlich auch durchsetzte. Der Betrag stellte sozusagen die Endabfindung der amerikanischen China-Politik dar. Die Begründung war nicht ohne Ironie: Die Regierung habe zwar kein Geld für ihre China-Politik verlangt, „vermutlich . . . weil sie keine China-Politik besitzt" 29 . Der Senat gebe jedoch das Geld für den Fall, daß die Regierung doch noch eine solche Politik entwickeln sollte. Der Präsident bekam sogar völlig freie H a n d : Er konnte das Geld in dem „allgemeinen Bereich" (general area) Chinas ausgeben, und brauchte darüber noch nicht einmal, wenn er es nicht für richtig hielt, Rechenschaft abzulegen (See. 303). Die außergewöhnliche Großzügigkeit des Congress machte deutlich, daß der Fall China als abgeschlossen betrachtet wurde. Die Legislative ließ es sich 75 Millionen Dollar wert sein, ihr Interesse an China noch einmal zu bekunden; es war der Schwanengesang. Im zentralen und bedrohten Bereich Das geographische Ausmaß der bisher erwähnten Regionen darf nicht den Blick darauf verstellen, daß ihr Anteil an der Militärhilfe insgesamt nur 7 % betrug; sie verteilten sich auf Korea, die Philippinen und den Iran, sowie auf die „general area" von China. Lateinamerika mußte seine Käufe an Kriegsmaterial selbst bezahlen, die Punkt-Vier-Länder wurden noch gar nicht einbezogen. Der Löwenanteil der Militärhilfe ging, wie bei der Wirtschaft, an den zentralen und bedrohten Bereich: Europa. 28
Rep. Mansfield, D , Mont., Foreign Affairs, C R 95, 9, 11784.
27
Rep. Kee, D , W. Va., Foreign Affairs, Chairman, C R 95, 9, 11790.
28
Rep. Douglas, D , Calif., Foreign Affairs, CR 95, 9, 11789—11790.
29
Sen. Dulles, R, N . Y., C R 95, 10, 13086.
2. Die Stärkung des Führungsbereichs
378
Griechenland und die Türkei erhielten seit 1947 amerikanische Militärhilfe. Beide Länder hatten ja von Anfang an die enge Beziehung zwischen Wirtschafts- und Militärhilfe erfahren und so etwas wie einen Prototyp des amerikanischen Sicherheitssystems dargestellt. Jetzt, nachdem Militärhilfe zu einem allgemeinen Programm geworden war, mußte ihm der auf Griechenland und die Türkei entfallende Anteil zweckmäßigerweise einverleibt werden. Der Senat sprach sich lobend über die erreichten Erfolge aus: in Griechenland war ein Ende des Guerilla-Krieges abzusehen, und in der Türkei hatte sidi der Anti-Kommunismus weiter verstärkt 30 . Für beide Länder sah das Militärhilfe-Programm 211 370 000 Dollar vor, das waren 14,6 % der gesamten Militärhilfe, beziehungsweise 17,5 % der für den zentralen und bedrohten Bereich vorgesehenen Summe von 1,211 Milliarden Dollar. Während Militärhilfe bei den anderen Adressaten des Gesetzes schon vertraut war und praktisch nur zusammengefaßt und verlängert zu werden brauchte, stellte sie bei den N(orth) A(tlantic) T(reaty)-Ländern eine neue amerikanische Aktivität dar. In diesem Bereich war bis dahin nur das E R P tätig gewesen. Jetzt kam Militärhilfe in Höhe von einer Milliarde Dollar hinzu. Zusammen mit dem Nordatlantik-Pakt stellten diese Maßnahmen die oberste Spitze des amerikanischen Sicherheitssystems dar. Es machte sich jetzt bezahlt, daß die Regierung die Militärhilfe f ü r Europa erst vor den Congress brachte, nachdem der Senat den N o r d atlantik-Pakt ratifiziert hatte. Der Vertrag war das Endstück des Sicherheitssystems in Europa und hier von sehr viel größerer Tragweite als die Militärhilfe. Sie erhielt nun den Anschein, eine Ergänzung des Paktes zu sein. Das stimmte zwar nicht, erleichterte aber die Annahme der Vorlage beträchtlich. Der Congress versprach sich von der Militärhilfe, daß sie den Vertrag unterstützen und fördern, die Entwicklung der Organisation sogar beschleunigen werde 31 . Gleichzeitig hatte der Congress ECA-Beamte an der Ausarbeitung des Programms beteiligt, um sicherzustellen, daß es sein wichtigeres Gegenstück, den wirtschaftlichen Aufbau Europas, nicht gefährden würde 32 . Der Widerspruch gegen die Militärhilfe war indes nicht verstummt. I m Haus lehnten 76 Abgeordnete, die für das Europäische Wiederauf30
Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1068, 81/1, 13. September 1949, on H . R. 5895, Military Assistance Program, S. 10—11. 31 32
Ibidem, S. 9. Ibidem, S. 10. Vgl. auch H . Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 18 ff.
Die
Mittel
379
bau-Programm gestimmt hatten —17 Demokraten sowie 59 Republikaner aus der Nord-Mitte und dem Süden —, die Militärhilfe ab. Im Senat entschieden sich gegen die Militärhilfe 5 Demokraten und 6 Republikaner, vornehmlich aus dem Süden. Diese Gruppe gesellte sich im Fall der Militärhilfe zu denen, die jegliches Hilfsengagement ablehnten — das waren im Haus 9 Demokraten und 32 Republikaner, im Senat 1 Demokrat und 5 Republikaner. Interessant ist nur die Haltung der Gruppe, die für die Wirtschafts-, aber gegen die Militärhilfe war. Sie argumentierte, daß ein Programm, das auf die Aufstellung von Bodentruppen in Europa abziele, veraltet sei. Kein Landheer würde einem Angriff der Sowjetunion standhalten können; praktisch kämen die amerikanischen Waffenlieferungen eines Tages den Sowjets zugute. Auf der anderen Seite belasteten militärische Anstrengungen die europäische Wirtschaft, deren Erholung wichtig sei. Diese Gruppe, zu der im Senat Taft, im H a u s die Abgeordneten Chiperfield, Smith, Jackson aus dem Auswärtigen Ausschuß zu zählen sind33, war nicht gegen den Nordatlantik-Pakt. Ihn bejahten sie, weil er die faktisch vorhandene Verbindung Amerikas zu Europa auch politisch sichtbar mache und damit mögliche Aggressionsabsichten der UdSSR abschrecke. An Stelle der Militärhilfe hingegen befürworteten sie amerikanische Luftbasen in Europa, von denen aus die Langstreckenbomber der USA mit der atomaren Drohung jeglichen Angriff niederhalten sollten. Ein entsprechender Antrag des Abgeordneten Jackson, der den Präsidenten beauftragte, von den Europäern Luftstützpunkte zu erwerben, wurde mit 80 gegen 40 Stimmen verworfen 34 . Obwohl sich in der Diskussion herausstellte, daß der Präsident eine solche Vollmacht bereits besaß 35 , lehnte die Gruppe um Jackson, Smith und Chiperfield die amerikanische Militärhilfe an die europäischen Staaten ab. Sie fürchteten im Grunde nämlich etwas anderes: das ,entanglement', das die Militärhilfe den USA bescheren würde. Der militärische Wert der europäischen Bodentruppen wog für sie die politischen Nachteile nicht auf, die den Vereinigten Staaten aus der Verwicklung in die europäischen Händel sowie daraus entstünden, daß sie ihre Handlungsfreiheit weitgehend einbüßten. 33 Vgl. deren Supplemental Minority Views zum H. Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 62—67. Vgl. ferner Sen. Wherry, R, Nebr., Appropriations, CR 95, 10, 13145. 34
CR 95, 9, 11780.
35
Rep. Kee, Foreign Affairs, Chairman, CR 95, 9, 11778.
380
2. Die Stärkung des
Führungsbereichs
Was geschehen sollte, nachdem das Atom-Patt eingetreten wäre, wurde von dieser Gruppe nicht diskutiert; im Moment reichte das amerikanische Atom-Monopol zusammen mit der Schlagkraft der US-Luftwaffe jedenfalls aus, um — was durchaus bejaht wurde — Westeuropa vor einem Ubergriff der Sowjetunion zu schützen. In dieser extremen Form konnte den Befürchtungen, die nidit einmal der absehbaren Zukunft Rechnung trugen, kein besonderer Erfolg beschieden sein. Die Militärhilfe war ein viel zu wichtiger Pfeiler des amerikanischen Sicherheitssystems, als daß man ihn, nur weil er möglicherweise nicht ganz stabil war, hätte weglassen können. Das Projekt wurde darum in beiden Häusern — ein wenig gekürzt — mit großen Mehrheiten votiert 36 . Indes waren Befürchtungen und Besorgnisse mitnichten nur auf der Nein-Seite zu finden. Sie wurden vielmehr vom gesamten Congress geteilt, kamen nur anders zum Ausdruck: Der Congress versah die Militärhilfe mit Auflagen, die die Bewegungsfreiheit der Empfänger einengten. Die Militärhilfe wurde so zu einem weiteren kräftigen Versuch der Vereinigten Staaten, Hilfe als politisches Steuerungsinstrument zu benutzen. Die Führung Wenn die USA auf die europäischen Soldaten nicht verzichten wollten, sich aber gleichzeitig vor den möglichen politischen Konsequenzen einer solchen Verbindung sorgten, dann war es das beste, die ebenso wichtigen wie gefährlichen Partner fest an sich zu binden. Das ließ sich natürlich nicht über die Militärhilfe allein bewerkstelligen, dazu war vielmehr in erster Linie der Nordatlantik-Pakt da, der in diesem Herbst 1949 verwirklicht wurde. Er enthielt den eigentlichen Ansatz der amerikanischen Führung auf dem Verteidigungssektor der Europäer. Der Militärhilfe kam hier insofern nur der Charakter eines wichtigen Zwischenstückes zu. Sie wurde als Hebel verwandt, der die im Verteidigungspakt vorgesehenen Führungsmöglichkeiten möglichst rasch zur Wirkung bringen sollte. Die Militärpolitik der nicht-europäischen Länder wurde indes von den USA in erster Linie über die Militärhilfe und die ihr beigegebenen Missionen gesteuert. 3
» Im Senat: 55:24:17, CR 95, 10, 13168; im Haus: 238:122:1:71, CR 95, 9, 11808. P. L. 329, 81/1, 63 Stat. 626.
Die Führung
381
Verwaltung In Europa wurde dementsprechend die Verwaltung der Hilfe nur provisorisch und nur schwach ausgebaut. Die in Washington zu erfüllenden Aufgaben übertrug der Präsident den Ministerien für Auswärtiges und Verteidigung sowie dem ECA-Administrator. Federführend war das Außenministerium, in dem ein Director of Foreign Military Assistance die Leitung innehatte. Dieser Aufbau wiederholte sich — ähnlich wie beim E R P — in Europa: Das European Coordinating Committee bestand aus dem amerikanischen Botschafter in London, dem Oberkommandierenden der amerikanischen Streitkräfte in Europa sowie dem Special Representative; das Gremium residierte in London. Die Leitung des Programms lag in den H ä n d e n eines Executive Director for the Mutual Assistance Program in Europe, dessen Stab eng mit dem der amerikanischen Delegation beim Brüsseler Pakt zusammenarbeitete. In den einzelnen Ländern sollte der Chef der diplomatischen Mission die Aufsicht führen; gegebenenfalls konnte das für die jeweilige Region zuständige amerikanische Hauptquartier Anleitungen geben37. Wie bei der Wirtschaftshilfe verfügte der Congress auch hier, daß die europäischen Empfänger Abkommen mit den USA zu schließen hatten. Darin mußten sie sich verpflichten, die H i l f e nur in Übereinstimmung mit den im Gesetz genannten Zielen zu verwenden, die Lieferungen nicht weiterzugeben und ihrerseits den USA sowie anderen Staaten Hilfe zu gewähren. In diesem letzten Punkt lag die Gegenseitigkeit'; sie kam vor allem in der Verpflichtung der Empfänger zum Ausdrude, bestimmte Rohstoffe und Halbfertigprodukte an die Vereinigten Staaten zu liefern, soweit sie dort knapp waren 38 . Alles in allem waren das Routine-Bestimmungen. Seiner politischen Absicht verlieh der Congress darin Ausdruck, daß er die gesamte Militärhilfe von der Integration der europäischen Verteidigung und der Aufstellung entsprechender gemeinsamer Pläne im Sinne des Artikel 9 des Nordatlantik-Pakts abhängig machte. In diesem Artikel war neben einem R a t und den ihm nachgeordneten Gremien ein Verteidigungs-Aussdiuß (Defense Committee) vorgesehen, der die gemeinsamen Bemühungen bestimmen und organisieren sollte. Ihm war der Versuch aufgetragen, die Militärpolitik der europäischen Länder aus dem nationalstaatlichen Antagonismus herauszulösen und 37
Siehe die Einzelheiten in H . Rp. 1265, pt. 2, 81/1, S. 34 ff.; ferner S. Rp. 1068, 81/1, S. 21 f. 38
Vgl. etwa das Abkommen mit Belgien vom 30. März 1950, Artikel II, abgedruckt DAFR X I I , S. 222.
382
2. Die Stärkung des
Führungsbereichs
zu einer Gemeinsamkeit zu verschmelzen. Auf diese Weise konnte die traditionelle Struktur der zwischenstaatlichen Beziehungen in Europa mit einer Kooperation überwölbt werden, die den traditionellen europäischen Nationalismus überwinden und daneben den Vereinigten Staaten die Möglichkeit bieten würde, ihre Führung konzentriert anzusetzen. Bedingungen Der Congress begnügte sich nicht damit, die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Verteidigung zur unerläßlichen Voraussetzung amerikanischer Hilfe zu erklären (See. 101). Er machte die Hilfe konkret davon abhängig, daß die militärische Integration eingeleitet wurde. Der Auswärtige Ausschuß des Hauses regte an, die Hilfe in BarZuschüsse in Höhe von 655 840 000 Dollar und Auftragsgenehmigungen (contract authorizations) im Werte von 505 150 000 Dollar aufzuteilen. Nach dem 31. März 1950 sollte der Präsident diese Auftragsgenehmigungen nur dann erteilen dürfen, wenn er vorher dem Congress bestätigt hatte, daß gemeinsame Pläne für die Verteidigung der NordatlantikRegion aufgestellt und von den USA gebilligt worden seien39. Das Plenum des Hauses ging jedoch sehr viel weiter. Es folgte dem Vorschlag des Abgeordneten Richards, eines Mitgliedes des Auswärtigen Ausschusses, zunächst überhaupt nur die Hälfte des vorgesehenen Betrages, nämlich 580 495 000 Dollar, zu bewilligen. Damit bewiesen die USA ihren guten Willen. Dann sollten die Europäer erstmal gemeinsame Pläne zur integrierten Verteidigung entwerfen. Darauf würde der Congress gern den Rest der Gelder zu Verfügung stellen 40 . Das Haus verabschiedete die radikale Bestimmung mit 209 gegen 151 Stimmen. Zieht man von den 209 Abgeordneten die 117 ab, die die Militärhilfe überhaupt ablehnten, so bleiben 92, gleichmäßig auf beide Parteien verteilt, die die Militärhilfe zu einem dermaßen kräftigen Werkzeug der Außenpolitik zuspitzen wollten. Im Senat herrschte eine ähnliche Tendenz. Sein Auswärtiger Ausschuß hatte vorgeschlagen, den für Europa vorgesehenen Betrag auf 1 Milliarde Dollar zu senken und ihn zu gleichen Teilen in Bar-Zuwendungen und Auftragsgenehmigungen aufzuspalten. Von den 500 Millionen Dollar in bar wollte der Ausschuß aber jetzt überhaupt nur 100, und die restlichen 400 erst dann zur Verfügung stellen, wenn der amerikanische Präsident die Empfehlungen von Rat und Verteidigungs-Ausschuß des N A T gutgeheißen habe. In dieser Prozedur sah der Ausschuß die Sicher39
Amendment des Auswärtigen Ausschusses, CR 95, 9, 11801.
40
Vorys, R, Ohio, Foreign Affairs, CR 95, 9, 11668.
Die
Führung
383
heit, daß die Militärhilfe „eine integrierte Verteidigung der Nordatlantik-Region fördern sowie die Entwicklung von Verteidigungsplänen durch den Rat und den Verteidigungsausschuß erleichtern würde" 41 . Der Ausschuß machte keinerlei Hehl daraus, daß er mit der Auflage die Integrierung der europäischen Verteidigung erzwingen wollte 42 . Im Verlauf der Plenardebatte wurden auch die 500 Millionen Auftragsgenehmigung noch unter diese Bedingungen gestellt 43 . Dafür hatten Versuche, den Bar-Betrag auf 300 Millionen 44 oder mindestens auf 400 Millionen Dollar zu senken45, keinen Erfolg. Der Senat hatte zwar die Militärhilfe finanziell großzügiger ausgestattet als das Haus, dafür aber auch die politische Bedingung deutlicher herausgearbeitet. Sie war elastischer gehalten, weil sich Verteidigungspläne, wie das Haus selbst zugeben mußte, in einem solchen Aktionsrahmen nicht von heute auf morgen entwerfen ließen. Das Prinzip aber, daß alle Pläne von Anfang an die Einheit der Verteidigung zur Grundlage haben sollten, dieses Prinzip war in der Senats-Version deutlich niedergelegt. Sie setzte sich im Kompromiß der beiden Häuser durch46. In der Darlegung dessen, was er unter der Integration verstand, die er so massiv an die amerikanische Militärhilfe knüpfte, hielt sich der Congress nicht zurück. Enttäuscht über die geringen Fortschritte, die der wirtschaftliche Zusammenschluß Europas unter dem E R P erzielt hatte, zeigte sich der Congress fest entschlossen, die Forderung an die Europäer diesmal unmißverständlich zu formulieren. Die militärische Integration sollte das nationalstaatliche Denken in Europa aufheben, das zu fördern „keine Investition, sondern lediglich Geldvergeudung" sei47. Statt dessen sollte Integration zu einer militärischen Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Partnern führen: „Jede Nation muß ihren durch ihre Lage wie durch ihre Möglichkeiten bestimmten Beitrag im Hinblick auf die gemeinsame Sicherheit aller leisten. Kein Staat darf seine Streitkräfte 41
See. 102 der vom Senat verabschiedeten Fassung, abgedruckt C R 95, 10, 13016.
42
S.Rp. 1068, 81/1, S. 16.
43
Amendment des Sen. Ferguson, R, Midi., Appropriations, C R 95, 10, 13166.
44
Amendment des Sen. George, D, Ga., Foreign Relations, C R 95, 10, 13168.
45
Amendment des Sen. Knowland, R, Calif., Armed Services, ibidem. Die republi-
kanische Seite des Streitkräfteausschusses, ausgenommen Sen. Morse, stimmte für die Kürzungsanträge. Committee on Conference, H. Rp. 1346, 81/1, 27. September 1949, on H. R. 5895, S. 13. Vgl. die Fassung der See. 101 und 102, 63 Stat. 626. 46
« H. Rp. 1346, 81/1, S. 13.
384
2. Die Stärkung
des
Führungsbereichs
für rein nationale Zwecke behalten oder vergrößern wollen. Jeder muß sich der Verpflichtung bewußt sein, seine Kräfte in Einklang mit den Erfordernissen der gesamten Region aufzubauen. Für einige Staaten mag das bedeuten, daß sie in bezug auf gewisse Waffentypen nur eine zweitrangige Stellung einnehmen. Für andere mag das eine Spezialisierung in militärischen Aufgaben mit sidi bringen, die sie, könnten sie sich als Nationalstaat frei entscheiden, vielleicht nicht gewählt haben würden. Alle Staaten müssen bereit sein, auf solche typisch nationalen, aber mit der gemeinsamen Verteidigung einer Region unvereinbaren Tendenzen zu verzichten. Dieses Prinzip der Einheit muß früh eingeführt und dann rigoros angewandt werden" 48 . In der Praxis verstand man zum Beispiel darunter, daß die Atombombe amerikanisches Privileg sein, die Flotte in erster Linie Stärke Englands bleiben, und Bodentruppen vornehmlich der Beitrag der anderen Teilnehmer werden sollten49. Der Congress plante also eine arbeitsteilige Verteidigungsgemeinschaft mit integrierter Befehlsstruktur, in der die USA den Ausschlag geben würden. Diese Ziele und die amerikanische Führung, die dazu gehörte, fallen schon in den Rahmen des Nordatlantik-Pakts. Die Militärhilfe diente nur als Instrument, mit dem die Europäer in die Richtung der gewünschten Integration gelenkt werden sollten. Der Druck, den die U S A dabei ausübten, war zwar von kürzerer Dauer, dafür aber sehr viel stärker als bei der Wirtschaftshilfe. Auf militärischem Gebiet, das ja in erster Linie der Sicherheit zuzuordnen ist, wollten die U S A in Europa kein Risiko eingehen. Hier waren sie zu einer partiellen Integration bereit und entschlossen; hier überschritten sie das Minimum an Führung, auf das sie sich sonst im Sidierheitsbereich beschränkten. Außerhalb Europas diente die Militärhilfe voll als militärisches Führungsinstrument. Uber die Military Assistance Advisory Groups (MAAG) beeinflußten die Vereinigten Staaten die Militärpolitik der Empfängerländer. Diese Praxis brauchte im Militärhilfe-Gesetz von 1949 nur verlängert zu werden. Mit der Mutual Defense Assistance Act, die am 6. Oktober 1949 in Kraft trat, war das Sicherheitssystem der Vereinigten Staaten in seinen beiden Grundelementen fertig ausgebildet. Die Elemente wurden später abgeändert oder vertraglich fixiert, prinzipiell sind sie seitdem ver48 4
Ibidem.
» Vgl. etwa Sen. Dulles, C R 95, 10, 13087.
Die Führung
385
wendet worden. Wirtschaftshilfe und Militärhilfe stellten die Mittel dar, mit denen die Vereinigten Staaten den Gegensatz zur Sowjetunion ubiquitär zu bestehen versuchten. Über dieser Grundkonstruktion erhob sich — wie der Vertrag von Rio — der Nordatlantik-Pakt als das regionale Schlußstück des Sicherheitssystems im zentralen und bedrohten Bezirk der amerikanischen Sicherheit.
25
Czempiel
III. Kapitel Der ideologische Faktor 1. I D E O L O G I E
UND
PROPAGANDA
Beim Ausbau des amerikanischen Sicherheitssystems hatte sich mehrfach gezeigt, daß die USA darauf verzichteten, in ihrem Führungsbereich die demokratische Herrschafts- und Gesellschaftsordnung durchzusetzen. Sie beschränkten sich darauf, von ihren Partnern einen formalen AntiKommunismus zu verlangen. Die Motive dieses Verzichts sind, soweit sie in der cost to benelits-ratio zu finden waren, nun schon mehrfach erörtert worden. Es kommt aber noch ein weiterer Aspekt hinzu. Die bürgerliche Republik der Vereinigten Staaten war ideologisch nicht mehr expansiv, wobei Ideologie hier in jenem landläufigen Sinne als Konzept einer bestimmten Herrschafts- und Gesellschaftsordnung verstanden wird. Nachdem der Liberalismus sein Ziel erreicht und in Westeuropa und den Vereinigten Staaten die auf der individuellen Freiheit des Bürgers beruhende Herrschaftsordung verwirklicht hatte, minderte sich seine Antriebskraft. Das geschieht mit jeder geschichtlichen Bewegung. Beim Liberalismus kommt aber noch hinzu, daß sein System, wenn es voll ausgeprägt ist, in erster Linie nach innen und nicht nach außen orientiert ist. Der Bürger: der wirtschaftend auf Lebensunterhalt und Wohlstandsmehrung bedachte Einzelne, ist nicht daran interessiert, um der Ausbreitung der von ihm bevorzugten Herrsdiaftsordnung große Opfer auf sich zu nehmen. Er schützt diese Ordnung vor Angriffen, aber er neigt nicht zur ideologischen Kampagne. Sowie das Prinzip der bürgerlichen Freiheit zureichend verwirklicht ist, hört es auf, außenpolitischer Schlachtruf zu sein. Präsident Wilson wurde von Amerika desavouiert, als er sein Land auf einen Dauer-Feldzug für die Demokratie verpflichten wollte. In diesem Grundverhalten der bürgerlichen Republik gegenüber ideologischen Zielen in der Außenpolitik liegt — neben der cost to benefits-ratio — ein weiterer Schlüssel für das Verständnis der Konstruk-
Ideologie
und
Propaganda
387
tion des amerikanischen Sicherheitssystems. Die USA spürten im Angriff der Sowjetunion durchaus die ideologische Komponente. D a sie ihr aber keine Offensive der Demokratie entgegenzusetzen hatten, beschränkten sie sich darauf, den Vorstoß des Kommunismus dort abzufangen, wo er konkrete Folgen haben konnte: auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Militärpolitik. Die kommunistische Ideologie mußte ja versuchen, in politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Maßnahmen Gestalt zu gewinnen. Verhütete man diese Folgen, stabilisierte man die bestehenden Systeme, dann war der ideologische Vorstoß des Kommunismus zwar nicht niedergekämpft, aber doch seiner unmittelbaren Wirkungsmöglichkeiten beraubt. Freilich wäre es das beste gewesen, wenn die USA in den zu ihrem Sicherheitsbereich gehörenden Ländern die demokratische Herrschaftsordnung durchgesetzt hätten; aber die von ihnen angewandte Methode war, was das Ziel der Sicherheit anlangt, durchaus erfolgreich. Indes setzte die Sowjetunion noch eine andere auf das Bewußtsein der Menschen gerichtete Waffe ein: die Propaganda. Propaganda steht in einem engen Verhältnis zum jeweiligen Konzept von Herrschafts- und Gesellschaftsordnung, vor allem in der Innenpolitik totalitärer Staaten. In der Außenpolitik erschöpft sich die Bedeutung der Propaganda keineswegs in der Verbreitung dieses Konzeptes; Propaganda dient vielmehr der ganzen Bandbreite außenpolitischer Zielsetzungen. Sie versucht, die Menschen, an die sie sich wendet, für den Standpunkt des Propaganda treibenden Staates einzunehmen und — in welchem Maße immer — auf seine Seite zu bringen. Die Propaganda der Sowjetunion in den USA und ihrem Sicherheitsbereich diente in erster Linie dazu, die Völker gegen die Politik der Vereinigten Staaten aufzubringen. Dieser Propaganda entgegenzuwirken, erforderte also nicht, die demokratische Herrschaftsordnung zu verbreiten, sondern nur, den Standpunkt und die Politik der USA klarzumachen. Gleichzeitig handelte es sich dabei um ein Erfordernis, das mit dem Aufbau des Sicherheitssystems aufs engste zusammenhing. Die USA konnten sich nicht darauf beschränken, die wirtschaftliche Lage und die militärische Stärke der Länder zu verbessern. Sie mußten auch dafür sorgen, daß die propagandistischen Angriffe und Verzerrungen der Sowjetunion richtiggestellt und mit der Darstellung der amerikanischen Wahrheit beantwortet würden. Der Verzicht auf ideologische Homogenität im Sicherheitsbereich durfte nicht zu einem Verzicht auf Propaganda werden.
25»
388
2. Propaganda 2. P R O P A G A N D A
als
Werbung
ALS
WERBUNG
Aus solchen Überlegungen heraus hatte die Legislative schon in dem Prototyp der Wirtschaftshilfe, dem Public Law 84, vorgeschrieben, daß die amerikanischen Lieferungen deutlich als solche gekennzeichnet und die amerikanischen Hilfeleistungen in den Publikationsorganen der Empfängerstaaten gebührend herausgestellt werden sollten. Es verstand sich ganz von selbst, daß eine ähnliche Bestimmung in der Interim Aid Act, die den Marshall-Plan vorbereitete, erschien1. In dieser oder jener Form wurden sämtlichen Wirtschaftshilfegesetzen solche Vorschriften mitgegeben; wie sie wirkten, konnte am Beispiel der italienischen Wahlen gezeigt werden (s. o. S. 330 ff.). Seit dem Marshall-Plan kam noch hinzu, daß amerikanische Informationsmedien, die im Hilfebereich arbeiteten und deren Tätigkeit mit dem Interesse der Vereinigten Staaten übereinstimmte 2 , ihre Gewinne in Dollar konvertieren durften 3 . Diese Vorkehrungen ließen im Congress die Meinung entstehen, daß „Europa angemessen über die Marshall-Plan-Hilfe informiert werde" 4 . Solange Propaganda als Form der Werbung auftrat, bereitete sie dem Congress keinerlei Schwierigkeiten. Der Senat hatte sich bisher nur dagegen gestemmt, daß die Auslandsinformation zu einem Instrument der Regierung gemacht würde. Das erwies sich jedoch in dem Moment als unumgängliche Konsequenz, in dem Wirtschaftshilfe zum großen tragenden Pfeiler des Sicherheitssystems ausgebaut wurde. Ein solches System konnte auf ein Mindestmaß gezielter politischer Information durch die Führungsmacht nicht verzichten. Es war sinnlos, Gelder, Waren und Sachleistungen auszuteilen, wenn man sich um das Bewußtsein der Empfänger nicht stärker kümmern wollte, als es der Werbung möglich war. Es galt nicht nur, den Verzerrungen der Sowjet-Propaganda zu wehren; in gewisser Weise mußte auch positiv der Konsens im Sicherheitsbereich gepflegt werden. Propaganda konnte sich nicht mehr auf Werbung, auf reine Publizierung der amerikanischen Hilfeleistungen beschränken; sie mußte zu einem Instrument der amerikanischen Führung werden. 1
P. L. 389, 80/1, 61 Stat. 520, See. 7, See. 5, c. Diese Bestimmung wurde 1949 bei der Verlängerung des ERP-Programms vom Committee on Foreign Affairs durchgesetzt, vgl. dessen H. Rp. 323, 81/1, 25. März 1949, on H. R. 3748, Extension of the European Recovery Program, S. 22. Vgl. die See. 6, b, 2 des P. L. 47, 81/1, 63 Stat. 77. 3 P. L. 472, 80/2, 62 Stat. 169, See. 111, b, 3. 4 Rep. Gordon, D, Iii., Foreign Affairs, bei der Beratung von S. 1209, Extension of the European Recovery Program, 11. April 1949, CR 95, 4, 4304. 2
389
Der erste Schritt 3. P R O P A G A N D A
UND
FÜHRUNG
Der erste Schritt Daß diese Entwicklung in der Folge des Sicherheitssystems lag, leuchtete schließlich auch dem Senat ein. Er hatte bis dahin alle Anläufe des Hauses, die Propaganda-Vorlage zu verabschieden, gebremst, den letzten erst zu Ausgang des Sommers 1947. Damals war von den Bestimmungen des Entwurfs nur der Ausschuß übriggeblieben, der Erfordernis und Opportunität der Propaganda untersuchen sollte. Er hatte im September und Oktober 1947 22 Länder bereist und einen umfänglichen Bericht ausgearbeitet, der sowohl das amerikanische Ansehen in der europäischen Öffentlichkeit wie die bisherigen Möglichkeiten der Informationsarbeit behandelte 5 . Noch bevor jedoch der Bericht am 30. Januar 1948 erschien, hatte der Senat die Konsequenzen aus dem Ausbau des Sicherheitssystems gezogen und das einst so kontroverse Gesetz als „necessary corollary" 6 des wirtschaftlichen Elements fast sang- und klanglos angenommen. Es trat am 27. Januar 1948 in Kraft 7 . Das propagandistische Führungsinstrument, das der Congress den USA verschrieb, war noch immer so klein wie möglich gehalten. Theoretisch hätten die Vereinigten Staaten versuchen können, mit Hilfe der Propaganda den gesamten Sicherheitsbereich auf die amerikanische Auffassung festzulegen, ihn, soweit es der allgemeine Grad der Führung erlaubte, gleichzuschalten. Die USA wählten jedoch auch auf dem Gebiet der Propaganda das Minimum. Sie beschränkten sich darauf, die Verfälschungen der kommunistischen Presse zu widerlegen und ihnen als Positivum das Bild Amerikas entgegenzustellen. Selbst dabei unterlag die amerikanische Aktivität zunächst noch beachtlichen Beschränkungen. Was der Senat verabschiedete, entsprach im wesentlichen der Hausfassung, die neben der Auslandsinformation noch ein Austauschpro5 Committee on Foreign Relations, S. Rp. 855, 80/2, 30. Januar 1948, The United States Information Service in Europe. 8 Committee on Foreign Relations, S. Rp. 811, 80/2, 7. Januar 1948, on H. R. 3342, Promoting the Better Understanding of the United States among the Peoples of the World and to Strengthen Cooperative International Relations, S. 4. 7
P. L. 402, 80/2, 62 Stat. 36. Beratungsdaten im Senat: 16. Januar 1948, CR 94, 1, 243—274. Das Haus stimmte der Senatsfassung ohne weiteres zu, ibidem. Sie unterschied sich nur unwesentlich von der des Hauses, betonte das private Element noch stärker und trennte den Austausch- und den Propaganda-Teil deutlich voneinander (vgl. Rep. Mündt, 19. Januar 1948, CR 94, 1, 316).
3. Propaganda
390
und
Führung
gramm vorgesehen hatte (s. o. S. 256 f.). Nach wie vor machte das Informationsprogramm dem Senat schwer zu schaffen. Er ließ es passieren, aber nur aus Rücksicht auf die Weltverhältnisse, nicht etwa aus politischer Absicht. Er fügte sich ins Unvermeidliche, in die „Anomalie", Propaganda betreiben und politische Informationen verbreiten zu müssen. Aber er fühlte sich nach wie vor durch „diese neue Erscheinung in den internationalen Beziehungen" entschieden beunruhigt 8 . Und er tat, was er konnte, um die Neuheit möglichst zu stutzen. Der Senat trennte die beiden Bestandteile des Gesetzes deutlich voneinander, um die Propaganda zu isolieren. Das Austauschprogramm bereitete ihm keine Schwierigkeiten. Es war eine den USA als vertraut und angemessen geltende Methode, die geistige Elite der Länder des Führungsbereichs mit den Vereinigten Staaten bekanntzumachen und sie für sich zu gewinnen. Das Programm sollte nicht darunter leiden, daß der Auslandsinformation unweigerlich der Geruch der Propaganda anhaftete. Es sollte vielmehr „objektiv und unpolitisch sein und . . . keinerlei propagandistische Bezüge aufweisen" 9 . Das Austauschprogramm nahm im Gesetz den ersten Platz (Titel II) ein; es wurde einer eigenen Beratungskommission unterstellt, damit selbst auf dieser Ebene die Berührung mit dem Informationsprogramm vermieden würde. Die Informationstätigkeit der Regierung — die Rundfunksendungen und die Arbeit des Information Service — hatte „begreiflicherweise gewisse Propaganda-Bezüge... und (konnte) vielleicht sogar in politische Verwicklungen geraten" 10 . Es war nicht zu sehen, wie sich dies vermeiden ließ, Propaganda sollte ja gerade ein politisches Instrument sein. Der Congress, der sich dieser Notwendigkeit jetzt beugte, tat gleichzeitig alles, um die dem bürgerlichen System artfremde RegierungsPropaganda, d. h. die pointiert an einen politischen Zweck gebundene und unvermeidlich einseitige Präsentation von Tatsachen durch die Exekutive, auf das Allernötigste zu beschränken. Die Handhabe dazu hatte noch das Haus eingefügt: die Auslandspropaganda sollte in erster Linie privaten Trägern überlassen bleiben. Das Außenministerium hatte 8
Sen. Barkley, D, Ky., Minority Leader, C R 94, 1, 271.
9
Ibidem.
10
Sen. Smith, D, N . J., Foreign Relations, C R 94, 1, 247. Smith war (zusammen
mit dem Abgeordneten Mündt) Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses der beiden Häuser gewesen, der die Untersuchung über den Information Service geführt hatte; Smith war ferner Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses des Committee on Foreign Relations.
Die alte Bedingung
391
nur ergänzend tätig zu werden und sollte niemals eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Auslands-Information, nicht einmal auf dem der Kurzwellensendungen, erlangen dürfen 11 . Die alte Bedingung Die starke Beteiligung privater Anstalten war nach wie vor die Voraussetzung, unter der allein sich der Congress dazu verstanden hatte, der Regierung eigene Rundfunksendungen zu erlauben. E r sah ein, daß die USA nicht ein ubiquitäres Sicherheitssystem aufbauen und führen konnten, ohne sich auf das im Zeitalter der Massenkommunikationsmittel entscheidende Führungsinstrument der Propaganda zu stützen. Die Rückwirkungen dieser Notwendigkeit auf das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft sollten jedoch so klein wie möglich gehalten werden. Das hatte einmal den Vorteil, daß die Propaganda von selbst auf das Unerläßliche beschränkt wurde; zum anderen eröffneten sich damit der Regierung nur solche Gebiete des Informationswesens, die sonst nicht zu betreuen und im übrigen ökonomisch uninteressant waren. Die 33 Stunden, in denen die Voice of America täglich sendete, wurden zu fast drei Vierteln von den beiden Privatanstalten CBS und N B C bestritten, nur zu einem Viertel vom Außenministerium selbst12. Dieses Viertel umfaßte sämtliche Sendungen in die Ostblockstaaten, sowie die Nachrichten und die im engeren Sinne politischen Ausstrahlungen 13 . Auf die Beteiligung der privaten Medien versteifte sich nun, da das Informationsprogramm der Regierung endlich über eine gesetzliche Basis verfügte, die mürrische Kritik der Bewilligungsausschüsse14. Der Hausausschuß ermahnte das Außenministerium, die Informationstätigkeit zu einem Programm des amerikanischen Volkes und nicht seiner Regierung oder gar noch einiger Personen in dieser Regierung zu machen15. Für die 11
See. 502.
12
Committee on Expenditures in the Executive Departments, H . Rp. 2350, 80/2,
15. Juni 1948, Investigation of the State Department, Voice of America Broadcast; 14th Intermediate Report, S. 13. 13
Assistant Secretary of State Allen an Sen. Smith, 27. Mai 1948, abgedruckt C R 94,
5, 6 5 6 1 - 6 5 6 2 . 14
Committee on Appropriations, H . Rp. 1433, 80/2, 27. Februar 1948, on H. R .
5607, State, Justice, Commerce, and the Judiciary Appropriation Bill, 1949, S. 10. 15
Ibidem, S. 11. Vgl. auch Rep. Stefan, R, Nebr., Appropriations, Chairman des
State Department Subcommittee, bei der Beratung des Haushalts des Außenministeriums, 3. März 1948, C R 94, 2, 2064.
392
J. Propaganda und Führung
republikanischen Mitglieder des Ausschusses hing der Erfolg des Programms geradezu davon ab, daß „es in der Hauptsache darauf abgestellt ist, die Tätigkeit privater Unternehmen zu koordinieren und zu lenken und sie (nur) dort durch die Bundesregierung zu unterstützen, w o dies erforderlich ist" 16 . D a das Außenministerium diese Direktive bisher noch nicht zufriedenstellend ausgeführt hatte, sah sich der Ausschuß berechtigt, von den geforderten 34 378 000 Dollar f ü r das gesamte Austausch- und I n f o r m a tionsprogramm im Jahre 1949 6,378 Millionen abzuziehen' 7 . Die Demokraten versuchten vergeblich, die K ü r z u n g wenigstens zum Teil rückgängig zu machen 18 ; das H a u s schloß sich der republikanischen Meinung an, daß das Außenministerium gegenüber dem Vorjahr genügend Geld bekommen habe. Audi der Senat erwies sich diesmal als nicht so großzügig. Er verteilte immerhin die Beträge anders, so daß die f ü r neue Relaisstationen vorgesehenen 4,4 Millionen Dollar nicht mehr voll dem Informationsprogramm zur Last fielen19. W ä h r e n d das H a u s neben diesen 4,4 Millionen Dollar nur 23,6 Millionen f ü r das Gesamtprogramm geben wollte, ging der Senat wenigstens um eine Million Dollar darüber hinaus 20 ; im K o m p r o m i ß der beiden Häuser blieben schließlich genau 24 Millionen f ü r das Austausch- und Informationsprogramm übrig 21 . D a s war immerhin mehr als das Doppelte des Vorjahrsbetrages, aber doch ein Drittel weniger, als die Regierung verlangt hatte. In der Gunst der Legislative stand das Programm nach wie vor nicht hoch.
Die letzte
Hürde
Alsbald wurde der Congress jedoch auf dem Informationsgebiet in voller Schärfe vor die Frage gestellt, ob ihm die außenpolitische Führungsposition oder die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Traditionen 18
Stefan, ibidem.
17
Committee on Appropriations, H. Rp. 1433, 80/2, S. 11.
18
Amendment des Rep. Gary, D, Va., Appropriations, 4. März 1948, CR 94, 2, 2150.
19
Committee on Appropriations, S. Rp. 1166, 80/2, 23. April 1948, on H. R. 5607, Departments of State, Justice, Commerce, and the Judiciary Appropriation Bill, 1949, S.4. 20 21
Der Senat beschloß die Bewilligung am 26. April 1948, CR 94, 4, 4 8 2 3 - 4 8 2 7 .
Committee on Conference, H. Rp. 2088, 80/2, 28. Mai 1948, on H. R. 5607. Das Kompromiß wurde erst sehr spät angenommen, am 1. Juni 1948, Senat: CR 94, 5, 6 8 1 1 - 6 8 1 2 ; im Haus: ibidem, 6827-6837. P. L. 597, 80/2, 62 Stat. 400.
Die letzte
Hürde
393
der USA höher standen. Das Gesetz vom Januar 1948 hatte die Alternative umgangen, indem es die staatliche Informationstätigkeit genehmigte, sie aber in der Praxis zugunsten der privaten Medien wieder stark beschnitt. Dieser Ausweg wurde nun im Sommer 1948 zugeschüttet. Paradoxerweise kam der Anstoß dazu von der Seite, die das privatwirtschaftliche Prinzip besonders heftig gegen jeden staatlichen Eingriff zu verteidigen pflegte. In der Senatssitzung vom 26. Mai 1948 griff der republikanische Senator Capehart (Indiana) das Außenministerium scharf an 22 . Er verlas Teile von Sendungen, die von der N B C im Informationsprogramm für Lateinamerika ausgestrahlt worden waren. Unter dem Titel ,Know N o r t h America' hatten sie in Fortsetzungen die Vereinigten Staaten dargestellt und dabei so gut wie keine Primitivität und Albernheit ausgelassen, die sich audi nur entfernt angeboten hatte. Capehart traf mit seiner Kritik auf einmütige Zustimmung. Schon tags darauf beschloß der Senat, den Auswärtigen Ausschuß mit einer Untersuchung zu betrauen 23 ; an ihr beteiligte sich dann audi der Untersuchungsausschuß des Committee on Expenditures in the Executive Departments. Ein Parallelausschuß im Haus, der schon seit dem Frühjahr 1947 sein Augenmerk auf die Informationstätigkeit der Regierung gerichtet hatte, wandte sich ebenfalls dem von Capehart aufgeworfenen Problem zu. Das Außenministerium begegnete der Kritik sofort mit dem Hinweis, daß solche Schlappen dem Congress selbst zuzuschreiben seien: Er habe das Ministerium verpflichtet, soweit wie möglich private Unternehmen heranzuziehen, und er habe es durch Kürzung des Personal-Etats auch noch unmöglich gemacht, diese privaten Leistungen zu beaufsichtigen 24 . Der Congress konnte, wollte er seine eigenen Entscheidungen nicht desavouieren, ein solches Argument schlecht gelten lassen 25 . Aber er mußte jetzt endgültig entscheiden, ob er dem privatwirtschaftlichen Prinzip oder der außenpolitischen Wirkung den Vorzug geben wollte. Das Problem lag nicht bei der National Broadcasting Company und nicht 22
CR 94, 5, 6 4 6 2 - 6 4 7 3 .
23
27. Mai 1948, CR 94, 5, 6 5 5 2 - 6 5 5 4 . Der Text der S. Res. 245 ist abgedruckt ibidem, 6552. 24 Assistant Secretary of State Allen an Sen. Smith, 27. Mai 1948, abgedruckt CR 94, 5, 6 5 6 1 - 6 5 6 2 . 25 Committee on Expenditures in the Executive Departments, H . Rp. 2350, 80/2, S. 10: „It is obvious that the State Department failed to assume its responsibilities by not supervising these programs."
394
3. Propaganda
und
Führung
beim Autor der Sendungen (der übrigens von der Gesellschaft sofort entlassen wurde, nachdem im Congress die ersten Angriffe laut geworden waren 26 ). Das Problem lag in der Inkonsequenz, mit der ein Rundfunkprogramm, das als außenpolitisches Instrument wirken sollte, nicht dem für die Außenpolitik zuständigen Ministerium, sondern weitgehend der Privatwirtschaft übergeben worden war. Der Congress hatte versucht, den Kreis zu quadratisieren und das Informationsprogramm zwar unter die Regierungskompetenzen aufzunehmen, seine Ausführung aber gleichzeitig zu weiten Teilen der Regierung zu entziehen. Von der Privatwirtschaft konnte man aber nicht gut verlangen, daß sie die politischen Ziele voranstellte; sie untersdhied sich gerade — und in den Augen des Congress durchaus wohltuend — vom Staat dadurch, daß sie sich von wirtschaftlichen und im Gegenstand selbst liegenden, nicht aber von politischen Gesichtspunkten leiten ließ. Die Alternative war also ziemlich deutlich gestellt. Entweder entschied sich die Legislative für ein politisches Informationsprogramm, dann mußte sie auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und das Rundfunk-Instrument der Regierung fest in die Hand geben. Oder aber sie verzichtete erneut auf Propaganda; dann konnte sie aber den ganzen darauf bezüglichen Titel des Gesetzes streichen. Die beiden Senatsausschüsse ebenso wie der Hausausschuß hielten Anfang Juni 1948 Hearings ab. Das Ergebnis war Kritik sowohl am Außenministerium wie an der N B C . Während die beiden Senatsgremien aber dann weitere Untersuchungen vornahmen und ihren Bericht erst Anfang Januar 1949, als alles schon geregelt war, veröffentlichten, stellte sich der Hausausschuß sogleich dem eigentlichen Problem. Er entschied die Alternative im Prinzip zugunsten der politischen Notwendigkeit — er hoffte aber auf ein erneutes Kompromiß in der Praxis. Der Ausschuß verlangte, daß die Verträge mit den privaten Gesellschaften gekündigt würden, falls deren Sendungen in der Zukunft nicht das erforderliche Niveau aufwiesen. Aber er glaubte immer noch, daß auf die Beteiligung privater Anstalten nicht verzichtet zu werden brauchte, wenn nur das Außenministerium die notwendigen Kontrollen ausübte27. Der letzte Akt in diesem Anpassungsprozeß rollte ohne Zutun der Legislative ab. Die beiden Rundfunkanstalten zogen auf Grund der 26
Vgl. die Briefe des Autors der Sendungen René Borgia an die Abgeordneten Taber
und Brown, abgedruckt C R 94, 5, 6564. 27
H . R p . 2350, 80/2, S. 15.
Die letzte
Hürde
395
Hearings von selbst die naheliegenden Konsequenzen: sie kündigten ihre Dienste am Regierungsprogramm. Unterdes begann das Außenministerium, sich auf die Übernahme dieser Sendungen vorzubereiten. Vom 1. Juli bis zum 30. September 1948 arbeiteten die beiden Anstalten noch hilfsweise f ü r das State Department; am 1. Oktober trat dort die International Broadcasting Division in Funktion 28 . Von diesem Datum an war das Außenministerium imstande, „alle (Kurzwellen-)Sendungen vollständig zu kontrollieren" 29 . Zugleich wurden die für die Sowjetunion bestimmten Programme ganz, die Sendungen für den Ostblock bis auf 3 %> auf Politik umgestellt. Auch in den Sendungen für die übrigen Weltteile erhöhte sich der Anteil der Politik auf Kosten der reinen Unterhaltung 3 0 . Ohne viel Aufhebens war damit das Kompromiß beseitigt, die letzte Konsequenz gezogen, ein Stück der amerikanischen politischen Tradition zugunsten von Sicherheit und Führung aufgehoben worden. Der Vorgang hatte drei Jahre in Anspruch genommen und war nicht leichtgefallen. Er kam erst zum Abschluß, als dem innenpolitischen Prinzip geringstmöglicher Regierungskompetenz das außenpolitische Ziel der Sicherheit entgegentrat. Diesem Grundziel mußte die gewohnte Machtverteilung im Innern des amerikanischen Staates weichen. D a ß hier ein Ziel-Konflikt herrschte, war erstmals 1947 sichtbar geworden, nachdem der neue Entwurf der amerikanischen Außenpolitik den Gegensatz zur Sowjetunion und damit die Dimension des Sicherheitsproblems deutlich gemacht hatte. Die Spannung verschärfte sich, je mehr der Aufbau des amerikanischen Sicherheitssystems die Konturen der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus hervortreten ließ. Die Lösung konnte nur in der Genehmigung des Informationsprogramms gefunden werden, weil es als politisch-logische Ergänzung des Versuchs, mit der Auslandshilfe ein amerikanisches Sicherheitssystem zu bilden, unumgänglich war. War so der Konflikt erst einmal grundsätzlich entschieden, so war der Fall der letzten Bastion unvermeidlich. Das Kurzwellenprogramm war so ausschließlich auf politische Zwecke zugeschnitten, daß 29
Pressemitteilung Allens, DoSB, X I X , 471, 11. Juli 1948, S. 57.
29
Subcommittee of the Committee on Foreign Relations and Investigations Subcommittee of the Committee on Expenditures in the Executive Departments, S. Rp. 2, 81/1, 13. Januar 1949, Voice of America, S. 3. 30
Siehe die Einzelheiten der Reform in dem Report of the International Broadcasting Division . . . Department of State, from June 1 to December 1, 1948, abgedruckt in S. Rp. 2, 81/1, S. 6—10.
396
3. Propaganda
und
Führung
die privaten Rundfunkfirmen hier nur noch Handlangerdienste hätten verrichten können. Sie verzichteten von selbst, als dieses Verhältnis zutage trat 3 1 . Das volle
Programm
Damit hatte das Informationsprogramm die letzte Hürde genommen, es begegnete im folgenden Jahr nur noch den üblichen Bewilligungsschwierigkeiten, bei denen diesmal der Senatsausschuß den Reigen der Kürzungen anführte 3 2 . Der Grund für diese Abstriche dürfte aber mehr in der allgemeinen Abneigung gegen ein zu hohes Budget als in der gegen das Programm zu suchen sein. Der Hausausschuß, jetzt wieder unter demokratischer Leitung, äußerte sich zustimmend zum Programm und zu seiner Ausführung. Er kürzte zwar ebenfalls, weil er von einer zu rasdien Ausdehnung der Propaganda und ihres Apparates abraten wollte, verband damit aber keinerlei Kritik mehr 33 . Es gelang ihm sogar, den Senat zu bewegen, die höhere Summe von 34 000 000 Dollar für das Information and Cultural Exchange Program zu akzeptieren 34 . Sie lag nur noch um 2 Millionen unter der Anforderung des Ministeriums. 1949 hatte sich der Congress somit nun auch finanziell der Auffassung angeschlossen, die von den Befürwortern der Regierungspropaganda seit jeher vertreten worden war. Wenn die U S A die Auseinandersetzung zwischen den gegensätzlichen wirtschaftlichen und politischen Systemen gewinnen wollten, dann mußten sie „den Menschen vernünftig davon überzeugen, daß unsere Position gesund und richtig ist" 3 5 . Eine amerikanische Antwort auf die ideologische und propagandistische Offensive der Sowjetunion war unerläßlich. Unter dem Ziel der ideologischen Sicherheit 31
Es muß nochmals betont werden, daß es sich hier nur um das Kurzwellenprogramm
handelte, nicht etwa um die anderen Bereiche des Informationsprogramms; bei ihnen spielte die Wirtschaft, etwa die Filmindustrie, nach wie vor eine beachtliche Rolle. 32
Committee on Appropriations, S. Rp. 435, 81/1, l . J u n i 1949, on H . R . 4016,
Departments of State, Justice, Commerce, and the Judiciary Appropriation Bill, 1950, S. 4. Vgl. die Tabelle der einzelnen Kürzungen, S. 19—20. 33
Committee on Appropriations, H. Rp. 386, 81/1, 5. April 1949, on H. R . 4016,
S. 11. 34
Committee on Conference, H . Rp. 1068, 81/1, 14. Juli 1949, on H. R. 4016, S. 4 ff.
P. L. 179, 81/1, 63 Stat. 354. 35
Sen. Mündt, R, S. Dak., bei der Beratung von H . R. 4016, 7. Juni 1949, C R 95, 6,
7340. Mündt, einer der Väter des Informations-Gesetzes, war 1948 in den Senat gewählt worden.
Das volle
Programm
397
nahm die bürgerliche Gesellschaft die Hürde, die der Regierungspropaganda vorgelagert war. Die H ü r d e wurde überwunden, wie die amerikanische Gesellschaft ihre traditionelle Neigung zur Enthaltsamkeit in der Außenpolitik überwand. Ebenso aber wie diese Neigung unter dem Druck einer distinkten Gefahr nicht in Aggressivität umgeschlagen war, sondern sich in einen gemäßigten Ansatz, in Führung eines Kooperationsbereichs verwandelt hatte, trat an die Stelle der bisherigen ideologischen Askese kein ideologischer Kreuzzug. Das Propaganda-Programm, zu dem sich die USA nach langen Mühen entschlossen, sollte nur die Angriffe der Sowjetunion abwehren; positiv beschränkte es sich darauf, die USA in der Welt zu präsentieren. Es verlieh dem traditionellen Stolz auf den .American way of life' weltweite Resonanz. Das war alles. Der ideologische Faktor im amerikanischen Sicherheitssystem war identisch mit dem Ansehen, das die Vereinigten Staaten als Vorbild westlich-demokratischer Herrschafts- und Wirtschaftsordnungen genossen.
IV. Kapitel Die neue Organisation 1. D E R
ANLAUF
Sicherung des
Systems
Nachdem das amerikanische Sicherheitssystem in seinem wirtschaftlichen und militärischen Element errichtet worden war, stellte sich sofort die Frage, wie das System auf Dauer haltbar gemacht werden konnte. H i l f e konnte ein zeitweilig wirkendes Mittel sein, im hochindustrialisierten Europa w a r seine Anwendung von vornherein nur auf vier J a h r e berechnet. War der Regenerationsprozeß vollendet und die europäische Wirtschaft wieder in eigenen Schwung gekommen, so konnte und sollte die amerikanische H i l f e eingestellt werden. Darin lag ja die Ökonomie des Ansatzes: ein kräftiger, aber zeitlich und finanziell beschränkter A u f w a n d würde in der Auseinandersetzung mit der Sowjetunion die gesamte Potenz Westeuropas an die Seite der Vereinigten Staaten führen. Diese Zusammenarbeit sollte natürlich länger als vier Jahre dauern, sonst hätte sich die große Investition der Vereinigten Staaten nicht rentiert. Auf wirtschaftlichem Gebiet w a r folgerichtig die O E E C gegründet worden, sollte nicht auch die Sicherheitsleistung des Systems auf einen längeren Zeitraum festgelegt werden? Wie das Kollektive Modell sein Gerüst in der U N - C h a r t a gefunden hatte, konnte schließlich auch die gegenseitige Zusammenarbeit im amerikanischen Sicherheitssystem auf Dauer eine festere Form nicht entbehren. Das galt v o r allem f ü r die Region Europa, die f ü r die Vereinigten Staaten lebenswichtig w a r . Die Zusammenarbeit mit Ländern anderer Bereiche des Systems ließ sich später und mit dem herkömmlichen Mittel zweiseitiger Verträge fixieren. Für Europa aber mußte eine Regelung gefunden werden, die den alten Kontinent an den neuen band und darin den Interessen beider Rechnung trug. Die Amerikaner mußten sicher sein, daß ihre riesigen Anstrengungen mit der fortdauernden Bereitschaft
Schicksal der Vereinten Nationen
399
der Europäer zu gemeinsamer Verteidigung und dem entsprechenden M a ß an gemeinsamer P o l i t i k honoriert werden würden. D i e E u r o p ä e r mußten wissen, daß sie auf den Schutz und die H i l f e der U S A zählen konnten. Gleichzeitig mußte der Sowjetunion gezeigt werden, womit sie zu rechnen hatte, wenn sie den zentralen Bereich der amerikanischen Sicherheit bedrohte. W i e immer die Bindung zwischen A m e r i k a und E u r o p a
aussehen
mochte, sie mußte auch in ihrem Verhältnis zur Organisation der V e r e i n ten N a t i o n e n bestimmt werden. D a m i t tauchte das sehr viel größere P r o blem auf, welche Stellung das amerikanische Sicherheitssystem überhaupt zu den Vereinten N a t i o n e n haben und welche R o l l e die U N künftig in der Außenpolitik der U S A spielen sollten. D a r a n hing schließlich eine letzte Frage, sie w a r die wichtigste: das Mittel der K o l l e k t i v e n O r g a n i sation hatte sich so, wie es zunächst konstruiert worden war, zweifellos nicht bewährt. Audi daraus mußten j e t z t Konsequenzen gezogen werden. Es gab dazu mehrere Möglichkeiten: man konnte sich bemühen, das P r i n z i p innerhalb der bestehenden universalen Organisation zu verbessern. D i e Chancen, daß dies gelang, sahen nach den Erfahrungen der J a h r e 1 9 4 5 bis 1 9 4 8 allerdings nicht besonders groß aus. Zweitens k o n n t e man versuchen, das Prinzip in einem politisch wie geographisch kleineren R a h m e n als den U N zu revitalisieren, etwa innerhalb des amerikanischen Sicherheitssystems. In einem solchen F a l l e würde die vertragliche Fixierung dieses Systems mit der R e f o r m der internationalen Organisation identisch werden. Schließlich konnte m a n die U n i t e d N a t i o n s so lassen, wie sie waren, und überhaupt darauf verzichten, das ihnen zugrunde liegende P r i n z i p zu beleben und zu benutzen. D i e Notwendigkeit, das Sicherheitssystem zu organisieren, geriet damit in engen Zusammenhang mit der Aufgabe, die Vereinten N a t i o n e n zu reformieren. D i e U S A waren v o r die Frage gestellt, ob sie den A n s a t z von 1943/1945 — Zusammenarbeit mittels einer internationalen O r g a n i sation — weiterverfolgen oder endgültig aufgeben wollten.
Schicksal der Vereinten
Nationen
V o m S t a r t des neuen E n t w u r f s der amerikanischen A u ß e n p o l i t i k bis zur ersten Phase seiner Systematisierung im F r ü h j a h r 1 9 4 8 hatten sich die U S A über die U N keine großen Sorgen gemacht. D i e Vereinigten S t a a t e n waren von dem Modell, das sich nicht bewährt hatte, im H e r b s t 1 9 4 6 stillschweigend abgewichen und ungeachtet der Erklärungen, die der
400
1. Der
Anlauf
Congress der Truman-Doktrin mitgegeben hatte, nicht mehr darauf zurückgekommen. Als Truman dem Congress den Marshall-Plan abforderte, vermied er allerdings den politischen Fehler vom Frühjahr 1947 und ordnete das Programm äußerlich in die Zielsetzung der Vereinten Nationen ein. Es könne zwar nicht von den U N ausgeführt werden, da fünf Hilfsempfänger der Organisation nicht angehörten, andererseits wiederum nicht alle europäischen UN-Mitglieder am E R P teilnähmen 1 . Er hoffe jedoch, daß von den UN-Einrichtungen der „größtmögliche Gebrauch" gemacht werde 2 . Das Gesetz schränkte die Möglichkeit freilich sofort durch das Verbot ein, den Vereinten Nationen irgendeine maßgebende Kompetenz beim E R P einzuräumen (See. 121 FAA). Als Truman drei Monate später dem Congress das Militär-Programm vorlegte, formulierte er die Konsequenzen, die sich aus dem neuen Entwurf für das amerikanische Interesse an den U N ergaben, viel deutlicher: Die Charta bilde nach wie vor den Kodex der internationalen Ethik, der die USA verpflichtet seien. „Aber wir können unsere Augen nicht vor der rauhen Tatsache verschließen, daß dieser große Traum durch Obstruktion . . . einer Nation noch nicht zur vollen Realität geworden ist" 3 . In dieser Auffassung stimmte der Congress mit dem Präsidenten überein. Während sich aber die Regierung zunächst damit beschied, den Obelstand festzustellen, mehrten sich in der Legislative die Entwürfe, die das Prinzip der Internationalen Organisation wieder lebensfähig machen wollten. Schon im Sommer 1947 lagen dem Auswärtigen Ausschuß des Hauses 12 Entschließungen vor, die den Präsidenten aufforderten, eine Konferenz zur Revision der Charta zustande zu bringen 4 . Kurz vor Beginn der Sommerpause beschloß der Ausschuß, gleich Anfang 1948 das Studium dieses Problems aufzunehmen. Zu jenem Zeitpunkt, im Frühjahr 1948, lagen ihm bereits weitere 16 Entschließungen vor, von denen allein 6 von Mitgliedern des Ausschusses eingebracht worden waren 5 . Ähnliches spielte sich im Senat ab. Nachdem ein erster Vorstoß schon im Juli 1947 erfolgt war, unterbreiteten 16 Senatoren im April 1948 die 1
Truman an den Congress, 19. Dezember 1947, C R 93, 9, 11753.
2
Ibidem, vgl. auch S. Rp. 935, 80/2, on S. 2202, S. 4 2 - 4 3 .
3
Truman an den Congress, 17. März 1948, C R 94, 3, 2997.
4
Committee on Foreign Affairs, H. Rp. 2291, 80/2, 9. September 1948, on H . R.
6802, United Nations Participation Act, S. 1. 5
Ibidem, S. 2. Vgl. C R 94, 3, 2 9 8 5 - 2 9 8 6 .
Schicksal der Vereinten
Nationen
401
S. Res. 50, die unter dem Namen ABC-Plan bekanntgeworden ist. Im Laufe der Zeit folgten weitere Entschließungen; bis zum Herbst 1949 hatten sich 43 Senatoren für die eine oder andere Resolution ausgesprochen. Die Entwürfe unterschieden sich im einzelnen beträchtlich, waren teils nicht einmal voll ausgearbeitet, sondern recht summarisch. In dem entscheidenden P u n k t aber ähnelten sie sich: jeder von ihnen betonte die friedliche Regelung von Streitigkeiten und wollte dabei das Veto ausschalten 6 . Damit war angedeutet, daß die beabsichtigte Reform das Prinzip der Internationalen Organisation nicht aufgeben, sondern stärken sollte. Nach wie vor war nicht an eine ausschließlich nach außen gerichtete Allianz gedacht, sondern an eine Kollektive Organisation, die möglicherweise — da die Sowjetunion vermutlich nicht teilnehmen würde — auch nach außen wirken konnte, die aber in der Hauptsache Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern verhindern oder ausgleichen sollte. Nicht von ungefähr häuften sich die Entschließungsentwürfe im Frühjahr 1948. Während der Marshall-Plan das amerikanische Sicherheitssystem eröffnete, entstand in Europa der Brüsseler P a k t ; und es mochte scheinen, als sei er ein Vorbild für die Richtung, in der eine Reform der U N verlaufen könnte. Von solchen Perspektiven waren weder die Anhänger einer internationialen Organisation erbaut noch die RechtsKonservativen, die im Brüsseler Pakt mehr das Vorbild einer militärischen Allianz zwischen Europa und Nordamerika witterten. Bei der Debatte über den Marshall-Plan wurde daher das Gelände der zukünftigen Organisation zum ersten Mal, wenngleich sehr vorsichtig, abgeschritten. Die Linien, die sich abzeichneten, waren noch undeutlich und verschwommen. Die Absicht, eine arbeitsfähige Kollektive Organisation ohne Veto im Falle friedlicher Schlichtung zu schaffen, und der Zweck, dem gegen die Sowjetunion gerichteten Sicherheitssystem eine vertragliche Basis zu geben, wurden teils getrennt und unabhängig verfolgt, teils flössen sie ineinander. Sie ließen sich nur daran unterscheiden, ob sie den Hauptakzent auf Sicherheit gegen die Sowjetunion oder auf die Funktionsfähigkeit als internationale Organisation legten. Für Vandenberg stand Sicherheit im Vordergrund. Er streute einen Gedanken in die Debatte, der ihm schon im Herbst 1947 7 gekommen 6 Siehe die Zusammenstellung der Entwürfe mit kurzer Inhaltsübersicht bei Sen. Sparkman.D, Ala., Banking and Currency, 21. September 1949, CR 95,10,13112—13113. 7
26
Vandenberg, Papers, S. 400. Czempiel
402
1. Der Anlauf
w a r . Vandenberg hatte seit dem Januar 1947 auf einen panamerikanischen Regionalpakt im Sinne der Act of Chapultepec gedrängt (s. o. S. 283). Ließ sich die Idee nicht auch auf Europa anwenden? „Ich bin nicht sicher . . o b nicht die Möglichkeiten regionaler Vereinbarungen (auch) im Hinblick auf E u r o p a des Studiums wert sind . . . Ich bin völlig der Meinung, daß Sicherheit der Kern der gesamten Problematik ist, der wir uns gegenübersehen" 8 . Gelegentlich wurde sogar schon ausdrücklich von einer Militärallianz mit Westeuropa gesprochen 9 , auch in der Öffentlichkeit 10 . Dieser primär sicherheitsorientierten Richtung stand die andere gegenüber, der es vornehmlich darum ging, den Gedanken der Internationalen Organisation in die T a t umzusetzen. Senator Ball brachte einen A n t r a g ein, aus den United Nations eine International Agency zu bilden, deren Oberster R a t Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit — in der eine Mehrheit der Ständigen Mitglieder enthalten sein mußte — treffen können sollte 11 . Der A n t r a g wurde zwar abgelehnt, er hatte aber eine lebhafte Diskussion hervorgerufen; und der ihm zugrunde liegende Gedanke — Aufhebung des Vetos in Fällen friedlicher Schlichtung — hatte sogar bei Senator Connally, dem Kronanwalt der amerikanischen Souveränität, Anklang gefunden 1 2 . Weder die führenden Gruppen im Congress noch die Regierung legten besonderen Wert darauf, daß bei dem ersten Schritt des Marshall-Planes schon der nächste diskutiert wurde, zumal er noch gar nicht recht abzuschätzen war. Aber die Debatte gab zu erkennen, daß das Problem der R e f o r m der Vereinten Nationen dem Congress — und der Öffentlichkeit — sehr nahe stand. Senator Vandenberg, einer der Väter der Vereinten Nationen, sah sich dadurch veranlaßt, in Zusammenarbeit mit dem Stellvertretenden Außenminister Lovett die anstehenden Probleme einer gedanklichen K l ä r u n g zuzuführen und dabei die verschiedenen Meinungsströme möglichst in eine einheitliche Richtung zu lenken. 8 Sen. Vandenberg, Foreign Relations, Chairman, bei der Beratung des MarshallPlans, 2. März 1948, CR 94, 2, 1985. 9
Sen. Cain, R, Wash., Banking and Currency, 13. März 1948, CR 94, 2, 2746.
10
Vgl. etwa die Stellungnahme der Brüder Alsop in der Washington 10. März 1948. 11 12
Post
vom
13. März 1948, CR 94, 2, 2744.
„For myself, I favor the abolition of the veto, except in the one case involving taking up arms or going to war." 9. März 1948, CR 94, 2, 2383.
Die Entschließung
Die Entschließung
Vandenberg
403
Vandenberg
Auf den ersten Blick schien die Entschließung 239, die die Erste Kammer am 11. Juni 1948 verabschiedete, beide Probleme: die amerikanische Sicherheit und die Reform der U N nebeneinander und gleichmäßig zu behandeln. Von den sechs Punkten der Entschließung waren drei der Reform der Vereinten Nationen und drei dem Problem der Sicherheit gewidmet. Der Form nach stellte die Entschließung eine Meinungsäußerung des Senats im Sinne jener Beratungsfunktion dar, die dem Senat laut Verfassung ausdrücklich übertragen, in der Praxis der Außenpolitik aber seit langem etwas verkümmert war. Der politischen Bedeutung nach war die Entschließung der Connally-Resolution vergleichbar, mit der der Senat sich 1943 für die Gründung der Vereinten Nationen ausgesprochen hatte. Im einzelnen sollte der Präsident jetzt im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen folgendes anstreben: 1. Freiwillige Ubereinkommen über die Beseitigung des Vetos bei der friedlichen Regelung internationaler Streitigkeiten und GefahrenSituationen sowie bei der Zulassung neuer Mitglieder. 2. Fortschreitende Entwicklung regionaler und anderer Einrichtungen (arrangements) zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung in Übereinstimmung mit den Zwecken, Prinzipien und Bestimmungen der Charta. 3. Beteiligung der USA — auf verfassungsmäßigem Wege — an regionalen und anderen kollektiven Einrichtungen, die sich auf dauernde und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung gründeten und die amerikanische Sicherheit berührten. 4. Beitrag zur Erhaltung des Friedens durch klare Bekanntgabe der Entschlossenheit der USA, im Fall eines ihre Sicherheit berührenden bewaffneten Angriffs vom Recht der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung unter Artikel 51 der UN-Charta Gebrauch zu machen. 5. Äußerste Anstrengungen, um sowohl die in der Charta vorgesehenen Verträge über die Ausrüstung der Vereinten Nationen mit bewaffneten Streitkräften zu schließen wie auch Abkommen über eine weltweite kontrollierte Regulierung und Minderung der Rüstung. 6. Angemessene Bemühungen, die Vereinten Nationen zu stärken; falls erforderlich, Uberprüfung der Charta zu gegebener Zeit durch eine 26*
404
1. Der Anlauf
allgemeine Konferenz entsprechend dem Artikel 109 UN-Charta oder durch die Generalversammlung 13 . Den Wortlaut der Entschließung hatte Vandenberg in den sogenannten „500-G-Treffen" mit dem ihm befreundeten Stellvertretenden Außenminister Lovett ausgearbeitet 14 . Die wichtigsten Formulierungen gelangten über das Außenministerium auch an den Auswärtigen Ausschuß des Hauses, der sich seit dem Frühjahr 1948 ebenfalls mit der Zukunft der Vereinten Nationen beschäftigte. Er verfaßte eine eigene, aber in den wesentlichen Punkten mit dem Entwurf Vandenbergs übereinstimmende Meinungsäußerung 15 . Sieht man den Text der Entschließung Vandenberg näher an, so zeigt sich, daß die die Reform der Vereinten Nationen betreffenden Teile mehr oder weniger Arabesken darstellten. Den eigentlichen Zweck der Entschließung enthielten die Punkte 2, 3 und 4; sie waren indes so unscharf und vieldeutig abgefaßt, daß sie bequem sämtlichen politischen Schattierungen im Congress als Panazee für ihre Wünsche erscheinen konnten. Unter den Bemühungen, das Veto abzuschaffen, verstand die Resolution nichts weiter, als daß sich die Regierungen im Gebrauch des Vetos zurückhalten sollten. Beileibe war nicht an eine Revision der Charta gedacht, sie wurde vielmehr als „äußerst unklug" bezeichnet16. Die U S A hatten in Lake Success eine Liste mit 32 Fällen vorgelegt, in denen möglicherweise auf das Veto verzichtet werden könnte; den freiwilligen Entschluß der UN-Mitglieder zu solchem Verzicht zu fördern, war alles, was sich der Auswärtige Ausschuß des Senats unter der UN-Reform vorstellte. 13
DAFR
Text der Vandenberg-Resolution X , S. 3 0 2 - 3 0 3 .
ist abgedruckt C R 94, 6, 7791, ferner in:
1 4 Der Name stammt von der Nummer des Vandenbergschen Appartments im Wardman Park Hotel, wo Lovett Vandenberg zu besudien pflegte. Über die Einzelheiten dieser Zusammenarbeit siehe Vandenberg, Papers, S. 404 ff. 1 5 Sie war als politische Präambel zu einer „omnibus bill" H. R. 6802 gedacht, die verschiedene mit der Beteiligung der USA an den U N zusammenhängende Probleme, wie etwa die Anleihe für das UN-Hauptquartier, zusammenfaßte. Das Haus kam nicht zum Zuge, weil der Senat sowohl die Sammelvorlage zugunsten einzelner Entwürfe verwarf, wie auf seiner verfassungsmäßigen Prärogative als politischer Berater des Präsidenten bestand. Vgl. dazu allgemein H . Rp. 2291, 80/2, on H. R. 6802. Die politische Präambel ist abgedruckt C R 94, 8, 9898. Dort auch die Erklärung des Auswärtigen Ausschusses über seine Gründe, auf die politische Präambel zu verzichten. 1 6 Committee on Foreign Relations, S. Rp. 1361, 80/2, 19. Mai 1948, on S. Res. 239, Reaffirming the Policy of the United States to Adiieve International Peace and Security through the United Nations and Indicating Certain Objectives to be Pursued, S. 4.
Die Entschließung
Vandenberg
405
Von daher verstand sich auch die äußerst zurückhaltende Formulierung im Punkt 6 über die Revision der Charta. Wenn eine solche Revision „unseren nationalen Interessen wie dem Weltfrieden schädlich" war 17 , dann unterblieb sie am besten. Die Forderung, die Vereinten Nationen mit einer Streitmacht auszurüsten, konnte angesichts des Dilemmas, in das die U N erklärtermaßen geraten waren, unmöglich besonders ernstgenommen werden. Die Erinnerung an die Abrüstung konnte ebenfalls keine Aktualität beanspruchen, da Präsident Truman eben erst eine Erhöhung der amerikanischen Rüstung gefordert und der Senat die Wiedereinführung der Wehrpflicht beschlossen hatte. Wenn die Punkte 1, 5 und 6 also einen positiven Sinn hatten, dann war er zunächst gut verborgen. Ihrer Formulierung nach bedeuteten diese Punkte praktisch, daß die USA an einer Reform der Vereinten Nationen im Moment kein Interesse hatten. Die Entschließung verfolgte hier offenbar nur den Zwedk, die zahlreichen Wünsche, die in die Richtung der Reform zielten, aufzufangen und sie als gutgemeint, aber durchweg gefährlich 18 in die Sackgasse reiner Deklamation abzuleiten. In der Tat blieb kaum etwas anderes übrig. Das Versagen der Vereinten Nationen ließ sich nicht mit einem Federstrich reparieren, schon gar nicht durch Abschaffung des Vetos. Die Forderungen danach waren ohnehin nur cum grano salis zu verstehen; die USA waren genauso wenig bereit, auf das Veto zu verzichten, wie die Sowjetunion. Erst ein halbes Jahr zuvor hatte der Senat den amerikanischen Beitritt zu der nun wirklich harmlosen Welt-Gesundheitsorganisation mit einer Austrittsklausel eingeschränkt; die Verfassung der Organisation konnte nämlich mit Zweidrittelmehrheit der Mitglieder — also möglicherweise gegen den Willen der USA — verändert werden 19 , und selbst dieses, in den möglichen Konsequenzen geringfügige Risiko war dem von Vandenberg geführten Auswärtigen Senatsausschuß schon zu groß gewesen. Sollte er ein solches Risiko in politischen Streitigkeiten eingehen, wo es sich um ganz andere Größenordnungen handelte? Die den Vereinten Nationen geltenden Punkte der Vandenberg-Resolution verfolgten also in erster Linie den Zweck, einer Meinungsrichtung, 17
Ibidem, S. 8.
18
Vandenberg, Papers, S. 407.
19
Vgl. Vandenberg bei der Beratung des Ratifikationsinstruments S. J. Res. 98, 3. Juli
1947, CR 93, 7, 8253.
1. Der Anlauj
406
die als gutgemeint, aber unnütz, unklar und daher störend angesehen wurde, den W i n d aus den Segeln zu nehmen. Die Wirkung dieser drei Absätze ging aber noch weiter. Sie stellten zusammen mit der Präambel — in der der Senat erneut die Absicht bekräftigte, „Frieden und Sicherheit durch die Vereinten Nationen zu erreichen", — einen so betonten Bezug zu der R e f o r m der Vereinten Nationen her, daß davon auch der Stellenwert der drei anderen Punkte beeinflußt wurde, die der amerikanischen Sicherheit galten und den eigentlichen Zweck der Entschließung ausmachten. Auf diese Weise war es nicht nur gelungen, die beiden Themenkreise: R e f o r m der U N und Sicherheit der U S A miteinander in Beziehung zu setzen; es gelang auch, den Aufbau des amerikanischen Sicherheitssystems von vornherein äußerlich in die Vereinten Nationen einzupassen. Konkret war damit nur festgestellt, daß die Vereinten Nationen, obwohl sie ihren ursprünglichen Zweck nicht erfüllt hatten, nicht zerstört werden sollten. D a v o n wird unten noch kurz gesprochen werden. Welcher A r t aber die neue Einrichtung sein und welchen Platz sie in der Ordnung der Vereinten Nationen einnehmen würde, blieb unklar. D i e Formulierungen der Vandenberg-Resolution verbreiteten mystisches Dunkel. Punkt 3 der Entschließung wies den Präsidenten an, für die Entwicklung regionaler und anderer Vereinbarungen zu sorgen. Als universales Gebäude hatte die Kollektive Organisation nicht standgehalten; regionale Stützen einzuziehen, war in gewisser Weise eine logische und vernünftige Konsequenz 2 0 , die sich zudem auf Kapitel V I I I der U N - C h a r t a berufen konnte. Die Unklarheit kam erst damit hinein, daß den regionalen auch „andere" Arrangements hinzugefügt und beide als Vorkehrungen für individuelle und kollektive Selbstverteidigung ausgegeben wurden. Eine solche Kombination konnte selbst mit Gewalt nicht in die Charta hineingelesen werden. Artikel 51 gab den Mitgliedern das Recht zu individueller und kollektiver Selbstverteidigung, aber unter der Voraussetzung: „wenn ein bewaffneter Angriff stattfindet". Artikel 52 gab den Mitgliedern das Recht, regionale Einrichtungen zu gründen, um damit regionale Angelegenheiten zu erledigen. Darunter konnte natürlich auch ein Angriff von außen fallen, aber er bildete die Ausnahme, nicht die Regel. Die Trennung wurde ganz deutlich dadurch bezeichnet, daß nach Artikel 51 und vor Artikel 52 ein neues Kapitel mit neuem Inhalt, eben dem der Regionalen Vereinbarungen begann. Die Diskussion in San Francisco war zwar durch den Artikel 51 ausgelöst worden, weil die lateinamerikanischen Länder für das inter-amerikanische System fürchteten, wenn das 20
S. Rp. 1361, 80/2, S. 5.
Die Entschließung
Vandenberg
407
Recht auf Selbstverteidigung nicht auch kollektiv, im Rahmen bereits bestehender Abkommen, wahrgenommen werden dürfte 2 1 . Aber kollektive Selbstverteidigung war immer nur eine Aufgabe am Rande, niemals der Hauptinhalt regionaler Vereinbarungen. Der vielberufene R i o - P a k t bildete geradezu ein Musterbeispiel dafür. Der Vertrag enthielt eine scharfe und ausgeprägte Spitze nach außen; der Hauptteil seiner Bestimmungen aber regelte das Verfahren innerhalb des panamerikanischen Systems. Zweifellos war der R i o - P a k t kein „regionales Arrangement für individuelle und kollektive Selbstverteidigung". Mit der Kreierung des Begriffs „regional and other collective arrangements for individual and collective self-defense in accordance with the purposes, principles, and provisions of the C h a r t e r " schuf die Vandenberg-Resolution die erste Unklarheit. D e r Senat durfte raten, ob der Ton mehr auf einer regionalen Vereinbarung oder auf einer Defensiv-Allianz liegen sollte. Die zweite Unklarheit betraf die amerikanische Stellung zu diesen „arrangements". D e r von der Entschließung verwendete Ausdruck ,association' konnte mancherlei Grad der Verbindung ausdrücken, und der Hinweis auf die ,mutual aid' ließ nur durchblicken, daß bei dieser ,Assoziation' amerikanische H i l f e in irgendeiner F o r m eine Rolle spielen würde. Eindeutig ging aus der Resolution nur eines hervor: daß die U S A entschlossen waren, jedem Angriff sofort kollektiv oder individuell zu begegnen. Die negativen Erfahrungen zweier Vorkriegssituationen hatten den Schluß nahegelegt, daß es dem Frieden diene, wenn die Verteidigungsbereitschaft von vornherein und unmißverständlich betont werde. D a s war daher ein Kernpunkt der Entschließung Vandenberg, und er konnte mit ungeteilter Zustimmung im Senat rechnen. Welches Gebilde auch immer aus den wolkigen Formulierungen der Entschließung auftauchen würde: es mußte den Entschluß der U S A ausdrücken, das, was sie wirtschaftlich begonnen hatten, auch politisch abzusichern — „die SicherheitsAspekte der wirtschaftlichen Erholung der Welt (konnten) nicht übersehen werden" 2 2 . 2 1 Vgl. etwa die Stellungnahme des Vorsitzenden des Committee III/4, des kolumbianischen Außenministers Lleras Camargo, zitiert bei Russell, UN Charter, S. 704. Zur Frage des Verhältnisses von Nordatlantik-Pakt und UN-Charta vgl. Kelsen, Is the North Atlantic Treaty in Conformity with the Charter of the United Nations?, S. 145 ff. Zum Unterschied zwischen Kollektiver Sicherheit und Kollektiver Verteidigung allgemein vgl. ferner Wülfers, Collective Defense, S. 53, 59. 22
S . R p . 1361, S . 2 .
408
1. Der Anlauf
Der Senat nahm sich nur einen Tag Zeit, um diese Weichenstellung der amerikanischen Außenpolitik zu diskutieren; er war sehr in Druck, hatte sich gerade zehn Tage lang mit der Wehrpflicht beschäftigt und mußte vor dem Ende der Sitzungsperiode, das mit dem Beginn des Nationalkonvents der Republikanischen Partei am 22. Juni 1948 unwiderruflich festgelegt war, noch eine Menge erledigen. Selbst die wichtigsten Probleme, die die Entschließung aufgab, konnten nur knapp erwähnt werden 23 . Die Kritik konzentrierte sich auf die Kernfrage, was unter den regionalen und anderen Vereinbarungen* gemeint sei, und wie die amerikanische Verbindung zu ihnen aussehen solle. Rechts und Links vermuteten von vornherein, daß eine Militärallianz geplant sei. Die Rechts-Konservativen befürchteten dabei vor allem, daß die Grenze der USA bis an den Rhein ausgedehnt und die traditionelle Linie der amerikanischen Außenpolitik endgültig zugunsten europäischer ,power politics' verlassen werde24. Die Tränen, die ausgeredinet diese Seite jetzt um die Vereinten Nationen vergoß, wirkten nicht sonderlich überzeugend; aber sie verrieten das Gespür dafür, daß die bevorstehende Bindung der amerikanischen Außenpolitik an Europa sehr viel stärker vom Konzept der Unabhängigkeit abweichen würde, als es die Beteiligung an den U N je getan hatte. Die linke Seite beanstandete, daß dem Gedanken der regionalen Organisation offensichtlich Gewalt angetan werde. Die Vandenberg-Resolution enthalte ein „großes Mißverständnis" dessen, was die Charta eigentlich meine. Dahinter stedte aber Absicht: „ . . . diese Resolution ist die Zusammenfassung eines sorgfältig ausgearbeiteten Plans, der den Congress und das Land letzten Endes auf eine militärische Allianz zwischen den Vereinigten Staaten und Westeuropa vorbereiten soll"25. Diese Kritik vermochte allerdings keinen großen Eindruck zu hinterlassen, weil sie sich infolge der unklaren Formulierungen der Resolution nur auf Vermutungen stützen konnte. Ein Versuch Peppers, die Punkte 2 und 3 aus der Entschließung streichen zu lassen, mißlang26. " Beratungsdaten: 11. Juni 1948, CR 94, 6, 7797-7846. 24
Sen. Malone, R, Nev., Public Lands, C R 94, 6, 7811, 7812.
25
Sen. Pepper, D, Fla., Agriculture and Forestry, C R 94, 6, 7834. Vgl. auch Sen. Flanders, R, Vt., Banking and Currency, C R 94, 6, 7805. 26
Abgelehnt mit 6:61:29, C R 94, 6, 7864. Drei der sechs Ja-Stimmen wurden von Rechts-Konservativen (Malone, Kern, Langer), zwei von Linken (Pepper, Taylor), eine von dem Gemäßigten McKellar abgegeben.
Die Entschließung
Vandenberg
409
Auch im Auswärtigen Ausschuß herrschte keineswegs Klarheit über den Zweck der Entschließung. Senator Hatch hätte gegen die Resolution gestimmt, wenn er in ihr mehr entdeckt hätte als militärische Unterstützung und Hilfe für die Europäer 27 . Auch andere Ausschußmitglieder sahen in dem Begriff „association" keine eindeutige Verpflichtung zu einer Militärallianz mit Westeuropa, sondern nur bestimmte Überlegungen, die die amerikanischen Interessen zu sichern bestimmt seien28. Vandenberg steuerte zur Erleuchtung des Senats nichts bei. Er wandte sich scharf gegen den Verdacht, daß eine Militärallianz geplant sei — die der Resolution zugrunde liegenden Gedankengänge schlössen dergleichen aus. Die Entschließung drücke lediglich das Interesse der USA an regionalen Vereinbarungen aus und sehe die amerikanische Mitarbeit daran „in one way or another" vor 29 . Welcher Art die Mitarbeit sein werde, blieb also offen. Das war doch aber die entscheidende Frage. Vandenberg hatte festen Grund unter den Füßen, wenn er — im Gegensatz zu seinen Kritikern von rechts und links — in der „neuen Betonung regionaler Vereinbarungen" eine Möglichkeit sah, die Charta unendlich viel wirksamer zu machen, ohne sie ändern zu müssen 30 . Mit Hilfe solcher Vereinbarungen konnte nicht nur dem amerikanischen Sicherheitssystem eine feste politische Gestalt gegeben und das Prinzip der Internationalen Organisation — reformiert — verwirklicht werden; der Regionalismus erlaubte es auch, die Vereinten Nationen unangetastet zu erhalten. War aber wirklich Regionalismus gemeint, wenn die Entschließung von der Assoziation mit „regionalen oder anderen Vereinbarungen zu individueller oder kollektiver Verteidigung" sprach? War etwa wirklich nur an militärische Unterstützung und Hilfe gedacht? Oder würde die geplante Sicherung des Systems nicht schließlich doch in einem Militärpakt enden?
2. D E R
NORDATLANTIK-PAKT
Für die politische Leitung war das eine rhetorische Frage. Noch im Juni 1948, zwölf Tage nachdem der Senat die Entschließung Vandenberg verabschiedet hatte, nahm der Stellvertretende Außenminister Lovett die Verhandlungen mit den Brüsseler Pakt-Mächten auf, und am 4. April " Sen. Hatch, D, N. Mex., Foreign Relations, CR 94, 6, 7843. 28
Sen. George, D, Ga., Foreign Relations, CR 94, 6, 7839.
19
Sen. Vandenberg, Foreign Relations, Chairman, CR 94, 6, 7792.
50
Vandenberg, CR 94, 6, 7801.
410
2. Der
Nordatlantik-Pakt
1949 wurde der North Atlantic Treaty in Washington unterzeichnet. Es ist interessant, daß dieser Lauf der Dinge im Congress kaum Aufsehen erregte. Präsident Truman konnte sich unwidersprochen darauf berufen, daß der Vertrag dem „ R a t " (advice) des Senats entspreche 1 . Der Auswärtige Ausschuß bescheinigte dem Präsidenten ausdrücklich, daß die Exekutive die Meinung des Senats „redlich" (faithfully) befolgt habe 2 , und der Autor der Resolution selbst, Senator Vandenberg, bezeichnete sie als „den eindeutigen Vorreiter dieses Pakts" 3 . In der Ratifizierungsdebatte zeigte sich, daß für die meisten Senatoren — mochten sie sich bei der Entschließung Vandenberg darüber im klaren gewesen sein oder nicht — das Vorgehen der Regierung in der T a t den Vorstellungen der Legislative am meisten entsprochen hatte. Militärisch-strategische
Aufgabe
Die politische Leitung war sich nicht ganz so sicher gewesen, ob der Senat ihre Interpretation seines „advice" auch wirklich billigen würde. Einen Moment lang wurde ernsthaft überlegt, ob man die von der Sowjetunion auf der Tagung des Außenministerrats im Juni 1949 in Paris angebotene Aufhebung der Berliner Blockade überhaupt akzeptieren solle. Die damit verbundene Entspannung konnte sehr leicht die Wachsamkeit im amerikanischen Volk einschläfern, so daß es zweckmäßig scheinen mochte, die Spannung künstlich zu erhalten 4 . Dieser Gedanke wurde von Außenminister Acheson jedoch alsbald verworfen, und der Erfolg gab seiner Einschätzung des politischen Bewußtseins in den U S A recht. Nicht einen Moment wurde bezweifelt, daß es unvermeidlich und dringend war, für das Sicherheitssystem in Westeuropa eine feste politische Form zu finden. Darüber war sich auch der Senat so gut wie einig 5 . Westeuropa war für die Vereinigten Staaten lebenswichtig; sie hatten seinethalben in zwei 1
Truman an Sen. Watkins, 17. März 1949, abgedruckt CR 95, 3, 2843.
Committee on Foreign Relations, S. Ex. Rp. 8, 81/1, on Executive L, The North Atlantic Treaty. Hier zitiert nach dem Abdruck in C R 95, 7, 9816—9824, 9818. 2
3
Vandenberg, Foreign Relations, 6. Juli 1949, C R 95, 7, 8895.
Sen. Dulles, 12. Juli 1949, C R 95, 7, 9276. Dulles hatte an der Tagung des Außenministerrats als Berater teilgenommen, seine Mitteilung verursachte verständlicherweise ziemliches Aufsehen. Vgl. etwa die Kommentare des Washington Evening Star vom 16. Dezember 1949. 4
5 Behandlungsdaten im Senat: 5 . - 8 . , 1 1 . - 1 5 . , 18., 2 0 . - 2 1 . Juli 1949, C R 95, 7, 8812-8820, 8891-8904, 9011-9033, 9090-9123, 9190-9214, 9254-9288, 9352-9381,
Militärisch-strategische
Aufgabe
411
Weltkriegen interveniert; ihm galten die größten finanziellen Anstrengungen unter dem Marshall-Plan. Würde die Region angegriffen werden, mußten die U S A erneut eingreifen. Der Kern des Nordatlantik-Paktes, der Artikel 5 mit der Erklärung, daß ein Angriff gegen einen Partner als Angriff gegen alle gelten sollte, definierte also nur eine Politik, die die U S A auch ohne den Vertrag verfolgten 6 . Wenn es einen Zweck der Entschließung Vandenberg gegeben hatte, dem fast alle Senatoren unbesehen zustimmten, dann war es der, aus diesem Sachverhalt ein politisches Axiom zu machen. Politische Sicherung des Systems hieß zuerst und zuvörderst, „jeden möglichen Zweifel und jede Ungewißheit in den Köpfen potentieller Aggressoren zu beseitigen. Wir müssen diesmal unmißverständlich beweisen, daß die freien Nationen zusammenstehen werden, um jeglichen bewaffneten Angriff zurückzuweisen" 7 . Das war die Lehre, die die Vereinigten Staaten aus den beiden Weltkriegen gezogen hatten, und ihr wurde von keiner Seite widersprochen. Wenn der Kaiser und der Führer gewußt hätten, daß die U S A eingreifen würden, so hätten sie nicht angegriffen 8 . Was immer an dieser Kurzfassung historisch schief sein mag: politisch war sie richtig. Die einzige Möglichkeit, eine bewaffnete Auseinandersetzung zu vermeiden, lag in der offen bekundeten Entschlossenheit, dem K a m p f nicht auszuweichen. An die „volle Kraft dieses Arguments" glaubte selbst Senator Taft 9 . Es war evident. Form der Lösung Die Auseinandersetzung — und sie war nicht sehr groß — drehte sich nur um die Form, in der dieses Axiom der amerikanischen Außenpolitik ausgedrückt werden sollte. Die Regierung hatte dafür die Militärallianz gewählt, also wiederum einen Modus von Zusammenarbeit, wenngleich den untersten. Dagegen wandte sich vor allem das unbeirrbare Häuflein der Rechts-Konservativen, von den Isolationisten um Senator Jenner bis zu den Perfektionisten der amerikanischen Unabhängigkeit um Senator Taft. Sie bestritten nicht die Notwendigkeit, Westeuropa durch eine politische Formel abzusichern, sie hätten ihr nur gern die Form einer uni9 4 2 6 - 9 4 7 0 , 9 5 3 4 - 9 5 3 7 , 9 5 5 2 - 9 6 0 4 , 9 6 2 3 - 9 6 5 0 , 9 7 6 7 - 9 8 2 8 , 9 8 7 9 - 9 9 1 6 . Zitate, wenn nicht anders vermerkt, aus diesen Debatten. 9
S . E x . R p . 8, 81/1, 9822.
7
Connally, Foreign Relations, Chairman, C R 95, 7, 8817.
8
Connally, ibidem.
0
C R 95, 7, 9208.
412
2. Der
Nordatlantik-Pakt
lateralen Erklärung der U S A gegeben. Diese Gruppe wollte die MonroeDoktrin bis nach Europa ausdehnen und den U S A die gesamte Verantwortung für diesen Bereich überweisen10, aber sie wollte keine Vereinbarung mit den europäischen Staaten, durch die die amerikanische Handlungsfreiheit auch nur im geringsten eingeschränkt werden könnte. Die Erweiterung der Monroe-Doktrin hingegen „würde einfach sein; das würde unilateral sein; das würde traditionell amerikanisch sein" 11 . Diese Gruppe versuchte vergeblich, die bekannten Sorgen der Legislative über die Verkümmerung ihres Rechts zur Kriegserklärung vor den Wagen des Unilateralismus zu spannen; sie wurde in zwei Abstimmungen mit 84 zu 11, beziehungsweise 81 zu 8 Stimmen abgewiesen 12 . Größeren Zuzug erhielt sie nur bei dem Versuch, die Verpflichtung zur Waffenhilfe zu streichen. Denn auch in aufgeschlossenen Kreisen des Senats wurde befürchtet, daß die Sowjetunion auf die Bewaffnung der Europäer, vor allem auf die Bewaffnung der skandinavischen Staaten, möglicherweise hart reagieren würde. John Foster Dulles bestätigte, daß es schwierig sei zu entscheiden, ob die amerikanische Waffenhilfe Moskau abschrecken oder provozieren werde 13 . Schließlich stimmten aber doch nur 21 Senatoren dafür, im zentralen Bereich der amerikanischen Sicherheit auf Waffenhilfe zu verzichten 14 ; und im Endeffekt blieb die Gruppe, die sich prinzipiell gegen jegliche Form der Zusammenarbeit wandte, auf 11 Senatoren beschränkt. Die Kritik von links, von der fortschrittlichen Seite, war noch sehr viel schwächer vertreten. Ganz rein wurde sie nur von Senator Pepper repräsentiert, der sich seit je als eloquenter Anwalt der Vereinten Nationen und des Prinzips der Internationalen Organisation betätigt hatte. In einer großen Rede zeichnete er den Gang der amerikanischen Außenpolitik seit ihrem neuen Entwurf und die Folgerichtigkeit des Nordatlan10
Sen. Taft, R , Ohio, Banking and Currency, C R 95, 7, 9207.
11
Sen. Jenner, R, Ind., Judiciary, C R 95, 7, 9559.
12 Abstimmung über die erste Reservation Watkins: Eingreifen der U S A erst nach Congress-Beschluß, C R 95, 8, 9916; Abstimmung über die zweite Reservation Watkins: völlige Entscheidungsfreiheit für den Congress, C R 95, 8, 9916. w Sen. Dulles, C R 95, 7, 9284. Dulles hatte solche Besorgnisse in einer Rede in Cleveland ausführlich erörtert, vgl. New York Times, 9. März 1949; seine Befürchtungen waren jetzt, wie er im Senat sagte, etwas abgeklungen.
Reservation der Senatoren Wherry, Taft und Watkins, abgelehnt mit 21:74:1, C R 95, 8, 9915. 14
Form der Lösung
413
tik-Pakts nach15. Pepper konnte für sich in Anspruch nehmen, an der entscheidenden Weiche, der Vandenberg-Resolution, auf die Richtung aufmerksam gemacht und gegen sie gestimmt zu haben. Jetzt gebe es kein Zurück. Pepper stimmte für den Atlantik-Pakt, um dazu beizutragen, daß diese Politik -wirklich den Frieden sichere16. Sieht man von dem radikalen Taylor ab, so rügte nur noch Senator Flanders, daß der Hoffnung auf eine Verbesserung der Vereinten Nationen lediglich ein Militärpakt erwachsen sei17. Daneben gab es Stimmen, die die Allianz als verfehlt 18 oder doch als ergänzungsbedürftig 19 kritisierten, weil die Auseinandersetzung letztlich ideologischer Natur sei. Es gab Warner, die schädliche Rückwirkungen von der Aufnahme eines so undemokratischen Landes wie Portugal verhießen20. Sie alle wandten sich jedoch nur gegen die Stoßrichtung oder die Einseitigkeit des Pakts, nicht gegen seine Organisationsform. Als Ausdruck des politischen Engagements der USA in Westeuropa akzeptierten sie ihn. Die Mitte des Senats, lang ausgestreckt zwischen den beiden rudimentären Eckpositionen, verlor kein Wort über die Struktur der neuen Organisation, die aus dem Anlauf entstanden war, die Fehler der Vereinten Nationen zu revidieren. Sie fand sich ohne weiteres damit ab, daß das Prinzip der Kooperation auf militärische Zusammenarbeit innerhalb einer Allianz reduziert worden war. Vermutlich hätte sie jeder anderen, engeren Form der Zusammenarbeit Widerstand geleistet. Der Auswärtige Ausschuß selbst hatte dafür gesorgt, daß die politischen Verpflichtungen aus dieser Zusammenarbeit so klein wie irgend möglich gehalten blieben. Auf Verlangen des Ausschusses wurde im Vertrag ausdrücklich festgestellt, daß jedes Paktmitglied die Freiheit hatte, im Bündnisfall seine Maßnahmen nach eigenem Ermessen zu treffen 21 . 15
Sen. Pepper, D , Fla., Foreign Relations, CR 95, 7, 9591 ff.
16
Pepper, ibidem, 9593.
17 Sen. Flanders, R, Vt., Banking and Currency, CR 95, 7, 9013. Flanders stimmte gegen die Ratifizierung. 18
Sen. Gillette, D , Iowa, Agriculture and Forestry, C R 95, 7, 9203.
" Sen. Graham, CR 95, 7, 9799. 20 21
Sen. Mündt, CR 95, 7, 9014.
Der Einschub bestand aus den Worten „as it deems necessary". Vgl. dazu Vandenberg, Papers, S. 476. Vgl. ferner S. Ex. Rp. 8, 81/1, 9820: „These words were included in article 5 to make absolutely clear that eadi party remains free to exercise its honest judgment in deciding upon the measures it will take . . . " .
2. Der
414
Nordatlantik-Pakt
Der Auswärtige Ausschuß gab sich allerdings redlich Mühe, den Vertrag nicht als Militärpakt erscheinen zu lassen22. Er scheute sogar nicht vor einem Vergleich mit der Heiligen Allianz zurück. Den einzigen Punkt jedoch, der den Pakt wirklich über den Rang einer Militärallianz hätte erheben können, erwähnte der Ausschuß nicht: den Artikel 1 des Vertrages. Darin verpflichteten sich die Mitglieder, Streitigkeiten untereinander mit friedlichen Mitteln zugunsten von Frieden, Sicherheit und Gerechtigkeit zu regeln und auf den Gebrauch der Gewalt sowie auf deren Androhung zu verzichten. Die Bestimmung war sehr allgemein gefaßt, ebenso wie die des Artikels 2, der die Mitglieder auf solche Generalia wie freie Institutionen und wirtschaftliche Zusammenarbeit festlegte 23 . Immerhin hätte aus diesem Artikel 1 heraus eine wirklich regionale Struktur der Zusammenarbeit entwickelt werden können. Genau davon schwieg der Ausschuß. Von den „regional and other collective arrangements", die zu fördern die Entschließung Vandenberg den Präsidenten aufgefordert hatte, war praktisch nur die Kollektive Vereinbarung zu Sicherheitszwecken übriggeblieben. Von Regionalismus war im Nordatlantik-Pakt außer dem Titel, der außerdem geographisch fragwürdig war, nichts mehr zu sehen. Die Unschärfe der Vandenberg-Resolution hatte sich zugunsten einer eindeutigen Bescheidung auf den Sicherheitseffekt verflüchtigt. Wer sich auf Grund des Wortlauts der Entschließung auch ein „pilot plant" für die Vereinten Nationen erhofft hatte 24 , wurde bitter enttäuscht. Mit dieser Klarstellung wich der Vertrag nun eindeutig von der Vandenberg-Resolution ab. Er bildete zwar in den Worten des Ausschusses in erster Linie eine Kollektive Verteidigungsvereinbarung (collective defense arrangement), kein regionales Ubereinkommen im Sinne des Kapitels V I I I UN-Charta 2 5 . Während diese regionalen Einrichtungen „untergeordnete Organisationen der Vereinten Nationen darstellten, um Kontroversen und Streitigkeiten zu regeln", sollte der Pakt „völlig unter Artikel 51 (UN-Charta), völlig unabhängig von den Vereinten Nationen" sein26. Zwar wurde die Möglichkeit, daß der Pakt auch als Regional22
Ibidem, 9823.
23
Vgl. die Erläuterung dieses Artikels im Ausschuß-Bericht, ibidem, 9819.
Der
Bericht machte klar, daß der Inhalt des Artikels keinerlei „Obligation" enthielt. Anderenfalls hätte ein Staat wie Portugal kaum NAT-Mitglied werden können. 24
Sen. Flanders, C R 95, 7, 9013.
25
S. Ex. Rp. 8, 8 1 / 1 , 9822.
26
Sen. Connally, Foreign Relations, Chairman, C R 95, 7, 9629.
Form der Lösung
415
Organisation fungieren konnte, nicht ganz aus der W e l t geschafft 27 , wegen des Artikels 1 w ä r e das wohl auch nicht gut angegangen. In der P r a x i s aber sollten Streitigkeiten zwischen Mitgliedern nicht etwa von Organen des Pakts, sondern von den Vereinten N a t i o n e n geregelt werden 2 8 . M i t dieser säuberlichen Trennung zwischen der Verteidigung
nach
außen und der Regelung innerer K o n f l i k t e unterschied sich der N o r d a t l a n t i k - P a k t von seinem so häufig zitierten V o r b i l d , dem R i o - P a k t . D e r Vertrag von R i o hatte eine auf die innere Ordnung der Westlichen Hemisphäre
gerichtete Organisation
begründet,
die auch bei
einem
Angriff von außen wirksam werden sollte. D e r N o r d a t l a n t i k - P a k t w a r eine Verteidigungsallianz, die auf K o n f l i k t e zwischen den Mitgliedern außer in den allgemeinen Wendungen des Artikels 1 überhaupt nicht einging, sie vielmehr den Organen der Vereinten N a t i o n e n überwies. D i e berühmte Vandenbergsche F o r m e l von dem P a k t „inside the C h a r t e r but outside the v e t o " stimmte in ihrem ersten Teil nur sehr bedingt, in ihrem zweiten gar nicht. D e r P a k t war zwar außer Reichweite des Vetos der Sowjetunion, weil sie an ihm j a nicht teilnahm. Innerhalb der A l l i a n z aber herrschte streng das Einstimmigkeitsprinzip 2 9 . Audi hierin unterschied sie sich diametral vom R i o - P a k t , in dessen Organ o f Consultation mit Zweidrittelmehrheit entschieden wurde (Art. 17). M i t dem N o r t h A t l a n t i c T r e a t y k a m die Entwicklung, die der C o n gress seit 1 9 4 5 in seiner H a l t u n g zum Prinzip der Internationalen O r g a nisation durchgemacht hatte, zu einem vorläufigen Stillstand. D e r V e r l a u f dieses Prozesses h a t t e die Legislative vom N o v u m der K o l l e k t i v e n O r g a nisation zurückgeführt zu den mehr traditionellen Formen einer militärischen A l l i a n z . Als treibendes E l e m e n t dieser Bewegung hatten die beiden Bedingungen gewirkt, die die U S A von A n f a n g an ihrer Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit mitgaben. Souveränität und Entscheidungsfreiheit erlauben prinzipiell keine andere Bündnisstruktur als die der klassischen Allianz. Notwendigerweise gerieten diese beiden Bedingungen aber in K o n f l i k t mit der dritten, der Führung. D e r K o n f l i k t hätte sich nur lösen, Souveränität und Führung hätten sich nur in E i n k l a n g bringen lassen, wenn die U S A an Stelle der K o o p e r a t i o n das M i t t e l der D o m i n a t i o n 27
S.Ex.Rp. 8,81/1,9818.
28
Ibidem, 9819.
29
„No party will have a veto, ñor can it be coerced into taking a decisión against
its will." S . E x . R p . 8, 9821.
416
2. Der
Nordatlantik-Pakt
gewählt hätten. Nur wenn die Vereinigten Staaten ihren Sicherheitsbereidi beherrscht und dessen Teilnehmer auf den Stand nidit-souveräner Satelliten herabgedrückt haben würden, hätten sie Souveränität und Führung vereinen können. Da die USA dieses Mittel ablehnten, weil es sowohl ihrer Grundanschauung wie ihren Interessen widersprach, gerieten sie in das Dilemma, zwischen Souveränität einerseits, Intensität der Führung andererseits wählen zu müssen. Die Souveränität ließ sich natürlich in der Zusammenarbeit leicht bewahren. Dann aber war die Führungsmöglichkeit der USA nur so groß, wie die freiwillige Zustimmung jedes einzelnen Partners reichte. Diese Zustimmung ließ sich, wie wir gesehen haben, einengen und umstellen, letzten Endes war sie ausschlaggebend. Legten die Vereinigten Staaten hingegen größeren Wert auf gesteigerte Möglichkeiten der Führung, dann gab es im Rahmen der kooperativen Methode nur einen Weg: es mußten Formen der Zusammenarbeit gewählt werden, die nicht mehr auf dem Souveränitätsprinzip beruhten. In einer Organisation, in der Entscheidungen mit Stimmenmehrheit gefällt wurden, hätten sich den Vereinigten Staaten fast unbeschränkte Führungsmöglichkeiten eröffnet. Sie waren nicht risikofrei, da theoretisch eine Entscheidung gegen den Willen der USA getroffen werden konnte. In der Praxis war dieser Fall jedoch ganz unwahrscheinlich, weil das Gewicht der USA ihn verhindert haben würde. Bei einer solchen Regelung hätten die Vereinigten Staaten also an ihrer Entscheidungsfreiheit inhaltlich nichts eingebüßt, sie wäre praktisch unangetastet geblieben. Formal allerdings waren Teile der amerikanischen Souveränität in eine solche Organisation einzubringen. Das war der Preis für große Führungsmöglichkeiten in einer Kooperationsstruktur. Es zeigte sich schon beim Aufbau des Sicherheitssystems, daß die Vereinigten Staaten eher auf weitergehende Chancen der Führung verzichteten als auf das Souveränitätsprinzip. Der politische Aufwand war ihnen zu hoch; gleichzeitig war für sie der Nationalstaat die maßgebende Bezugseinheit der Außenpolitik. Dieselbe Entscheidung trafen sie bei der Gründung des Nordatlantik-Pakts, die ja ursprünglich auch eine Reform des Prinzips kollektiver Zusammenarbeit ausdrücken sollte. Theoretisch wäre eine Regionale Vereinbarung durchaus möglich gewesen. Einige Formulierungen der Entschließung Vandenberg schienen auf etwas derartiges hinzudeuten. In der Öffentlichkeit und im Congress gab es manche Stimmen, die es als vorbildhafte Fortbildung des Prinzips der Internationalen Organisation begrüßt haben würden, wenn die Vereinbarung
Die Rolle der alten
Organisation
417
der N o r d a t l a n t i k - L ä n d e r nicht nur Verpflichtungen nach außen, sondern auch nach innen enthalten hätte 3 0 . Dadurch wären die Vereinten Nationen nicht notwendig geschädigt worden: in der Praxis hatte sich das Regionalprinzip ohnehin schon als unerläßlicher Unterbau der universalen Organisation erwiesen. Der Senatsausschuß hatte z w a r Bedenken dieser A r t angeführt 3 1 , aber nicht sie hielten die USA von einer Regionalen Gründung zurück. Die Vereinigten Staaten verzichteten auf die Führungsmöglichkeiten, weil sie weder ihre Souveränität antasten noch ihre Entscheidungsfreiheit im geringsten beeinträchtigen noch den erforderlichen A u f w a n d leisten wollten. Sie suchten Sicherheit zum geringsten Preis, das bot die Militärallianz. Der Minimalismus, der die amerikanische Außenpolitik unter dem Kollektiven Modell ebenso wie im A u f b a u des Sicherheitssystems charakterisiert hatte, bestimmte auch den Maßstab der neuen Organisation. In dieser Grundentscheidung wurzeln alle Schwierigkeiten, denen die USA in der N A T O wie im gesamten Sicherheitsbereich seit den sechziger Jahren begegnen. Die Krise, in die die amerikanische Führung geriet, ist eine Folge dieses Minimalismus. D a ß er solche Konsequenzen nach sich ziehen, die amerikanische Sicherheit wiederum, wenngleich andersartig, gefährden könnte, haben die USA 1949 nicht gesehen. Die Möglichkeit solcher Entwicklungen wäre nur d a n n gleich ins Blickfeld gerückt, wenn die Vereinigten Staaten Führung als außenpolitischen Selbstzweck und nicht in erster Linie als kostenfixiertes Mittel der Sicherheit aufgefaßt hätten. Die Führungskrise hätte sich vermeiden lassen, wenn die U S A entweder die Methode der Domination angewandt oder den Ansatz zur internationalen Organisation, den sie 1943/1945 gemacht hatten, in der Atlantisdien Gemeinschaft weiterentwickelt hätten. Zu beidem waren sie nicht bereit. Die bürgerliche Republik formulierte das Ziel der Sicherheit wie die Methode der Zusammenarbeit und das Mittel der Führung auf dem untersten möglichen Nenner. Die Rolle der alten Organisation Der N o r d a t l a n t i k - P a k t hatte von den beiden Strömen: Sicherheit und U N - R e f o r m , die zu ihm geführt hatten und in der Vandenberg-Resolution noch nebeneinander hergelaufen waren, n u r den ersten kanalisiert und in ein neues, festes Bett geleitet. Das Sicherheitsproblem wurde gelöst,
27
80
Vgl. etwa Armstrong, Regional
31
S. Ex. Rp. 8, 81/1, 9821.
Czempicl
Pacts.
418
2. Der
Nordatlantik-Pakt
aber die Hoffnungen auf eine reformierende Weiterentwicklung des Prinzips der Internationalen Organisation blieben unberücksichtigt. Die drei Punkte in der Entschließung Vandenberg, die sich darauf bezogen hatten, waren praktisch in der Luft hängengeblieben. Vandenberg sah sich während der Debatte über den Nordatlantik-Pakt peinlichen Fragen nach dem Schicksal der anderen Hälfte seiner Entschließung ausgesetzt32. Er versuchte sich aus der Affäre zu ziehen, indem er auf die Vorschläge hinwies, die das Außenministerium der Generalversammlung zugeleitet hatte; offensichtlich spürte aber auch er, daß man es dabei nicht bewenden lassen konnte. Zwei Tage nach der Ratifizierung des Pakts erklärte Vandenberg öffentlich, daß damit nur drei Forderungen seiner Resolution erfüllt worden seien. Im übrigen beschränkte er sich darauf, seine Hoffnung, daß der Präsident nun auch den Inhalt der drei anderen Punkte verwirklichen werde, ins Parlamentsprotokoll aufnehmen zu lassen33. Damit war die Aktivität, die der Reform der U N in dieser Phase gewidmet war, erschöpft. Die Organisation wurde jedoch nicht zum alten Eisen gelegt. Das wäre, wie Washington seit dem Frühjahr 1947 wußte, ein schwerer politischer Fehler gewesen. Es gab aber auch sachliche Argumente dafür, die U N nicht nur beizubehalten, sondern sogar auszubauen. Die Reichweite der universalen Organisation umfaßte politisch und geographisch mehr als den Raum, der vom Ost-West-Konflikt im engeren Sinne betroffen war. In diesem weiteren Rahmen konnten die U N nach wie vor das bieten, was die USA von ihnen erwarteten: Möglichkeiten des Einblicks und des Eingriffs. Diese Möglichkeiten hatten sich sogar, wie die vier Jahre Praxis der Vereinten Nationen erwiesen, verbessert. Die USA konnten in der Generalversammlung in den meisten Fällen mit guten und leichten Mehrheiten rechnen. Ihre Position war so stark, daß Präsident Truman das schwächste der wirtschaftlichen Sicherheits-Instrumente, das Punkt-VierProgramm, teilweise wieder mit den U N zusammenfügte 34 . Die Vereinten Nationen konnten den USA also manche Arbeit abnehmen und ihr, indem sie sie zur gemeinsamen Sache einer StaatenMehrheit machte, zu größeren Erfolgen verhelfen. Die U N ließen sich schließlich auch im Ost-West-Konflikt selbst verwenden: als Stätte ständigen Kontakts mit der Sowjetunion sowohl wie als Möglichkeit, einen Meinungsdruck gegen sie zu erzeugen. Kurz, die Kollektive Organisation 32
11. Juli 1949, CR 95, 7, 9199.
33
25. Juli 1949, CR 95, 7, 10054.
34
Truman an den Congress, 24. Juni 1949, CR 95, 6, 8399.
Die Rolle der alten
Organisation
419
konnte in der amerikanischen Außenpolitik manch nützliche Funktion erfüllen. Die USA führten daher, während sie ihr Sicherheitssystem ausbauten, ihr Engagement in den Vereinten Nationen weiter, gewissermaßen mit der linken Hand. Der Congress stellte 1948 den Vereinten Nationen eine Anleihe von 65 Millionen Dollar zur Verfügung, mit denen sie auf dem von Rockefeiler geschenkten Gelände ihr ständiges Hauptquartier erbauen konnten 35 . Die Legislative dachte dabei nicht nur an die Auszeichnung, die es für die USA bedeutete, wenn sie die Weltorganisation beherbergten, sondern audi an die besonderen Einflußmöglichkeiten, die sich für die Vereinigten Staaten daraus ergaben36. Im Herbst 1949 baute der Congress die amerikanische Beteiligung an den Vereinten Nationen aus. Die amerikanisdie Delegation wurde vergrößert und die Kompetenz des Präsidenten erweitert, der Organisation militärisches und technisches Personal zur Verfügung zu stellen37. Das Hauptinstrument des Modells, unter dem die Vereinigten Staaten in die Nachkriegszeit eingetreten waren, wurde also beibehalten. Aber es war doch eindeutig in den Hintergrund gerückt worden. Es spielte noch eine beachtenswerte, aber keine große Rolle. Vor allem spielte die Idee der Internationalen Organisation keine Rolle mehr. Darin lag das ausschlaggebende Moment der Entwicklung von 1945 bis 1949. Die USA blieben ihrer Grundentscheidung treu, als sie ihre Sicherheit aus dem Kollektiven Modell herausnehmen und in ein kräftigeres, der distinkten Bedrohung angemessenes System bringen mußten. Aber sie entwickelten den Ansatz, dem sie 1945 ihre Sicherheit anvertraut hatten, nidit weiter. Er verkümmerte mit dem System der gegenseitigen Sicherheit, das seinen politischen Ausdruck in mehr- und zweiseitigen Militärallianzen fand. Der Rio-Pakt und die Organisation der Amerikanischen Staaten, die das Prinzip der Internationalen Organisation nodi enthielten, blieben einmalige Ausnahmen, Sonderformen des amerikanischen Engagements, die sich aus den einmaligen Bedingungen in der Westlichen Hemisphäre und der unbestrittenen Vormachtstellung der USA gegenüber Lateinamerika erklären. Allgemein ruhte das amerikanische Sicherheitssystem auf den traditionellen Elementen Souveränität und Unabhängigkeit. Waren diese Bedin85
S. J. Res. 212, P. L. 903, 80/2, 62 Stat. 834.
3
» Committee on Foreign Affairs, H . Rp. 2452, 80/2, 3. August 1948, on S. J. Res. 212, United Nations Headquarters Loan, S. 10. 87
27*
P.L. 341, 81/1, 63 Stat. 660.
420
2. Der
Nordatlantik-Pakt
gungen einst dem Rahmen und den Aufgaben der universalen Organisation angemessen gewesen, so versperrten sie in dem gegen eine distinkte Bedrohung gerichteten amerikanischen System den Weg, auf dem die Vereinigten Staaten das ihnen gemäße Mittel der Kooperation hätten beibehalten und dennoch in zureichendem Maß Führung erringen und damit Sicherheit bewirken können. Die ,Verfassung' der amerikanischen Außenpolitik hatte zu einem Konflikt von Grundzielen geführt, der unlösbar war. Mit ihm gingen die USA in die zweite Phase der Nachkriegszeit, die durch die Explosion einer sowjetrussischen Atombombe im Herbst 1949 — viel früher als erwartet — eröffnet wurde.
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Personenregister Kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf Nachweise. Adieson, Dean 36, 36, 41, 97, 97, 123, 136, 143, 171, 182, 194, 194, 226, 241, 265, 265, 314, 314, 3IS, 316, 319, 377, 410. Aiken, George D. 93, 306, 341. Allen, A. Leonard 357. Allen, George V. 375, 391, 393, 395. Attlee, Clement Richard 111, 111. Austin, Warren R. 42, 68, 71, 97, 97, 154, 155, 156, 228. Baldwin, R a y m o n d E. 218. Ball, Joseph H . 55, 56, 69, 86, 95, 125, 172, 255, 402. Barkley, Alben W. 71, 90, 154, 247, 274, 337, 390. Baruch, Bernard Mannes 138, 142, 143, 143.
Bates, George J. 108. Bender, George H . 226. Benton, William 126, 126, 127, 127, 165. Bloom, Sol 68, 71, 367. Bolton, Frances P. 367. Borgia, René 394. Bowman, Isaiah 67. Bradley, Willis W. 307. Brewster, O w e n 176, 307, 340, 342, 360. Bridges, Styles 247, 280, 281, 353. Brooks, C. W a y l a n d 86, 124, 301, 305. Brooks, O v e r t o n 353. B r o w n , Clarence J. 394. Buffet, H o w a r d H . 20. Burton, H a r o l d H . 64, 69. Bush, Vannevar, 161. Bushfield, H a r l a n J. 86. Butler, H u g h 119. B y r d , H a r r y Flood 55.
Byrnes, James Frances 118, 123, 124, 128, 137, 141, 163, 181, 181, 184. Cain, H a r r y P. 305, 362, 402. Cannon, Clarence 171, 247, 274, 365. Capehart, H o m e r E. 357, 393. Capper, A r t h u r 75, 75, 301, 301. Case, Francis 79, 80, 81, 109, 246, 277, 361.
Chandler, Albert B. 124. Chavez, Dennis 73. Chiang Kai-Shek 135, 336. Chiperfield, Robert B. 195, 279, 367, 379. Churdiill, Winston L. S. 36, 138, 176. Clay, Lucius D . 138, 138. Clayton, William L. 172. Cohen, Benjamin V. 67. Cole, W. Sterling 352, 368. Colmer, William M. 196, 196, 232, 307, 346.
Connally, Tom 68, 69 if., 71, 89, 92, 96 f., 96, 137, 137, 223, 225, 225, 229, 277, 293, 332, 338, 346, 372, 373, 402, Cordon, G u y 95. Coudert, Frederic R., J r . 364. Cox, E d w a r d E. 128.
82, 88 f., 166,
138,
314,
315,
411,
414.
Davis, N o r m a n H . 67. Davis Elmer 128, 128. D e Lacy, H u g h 183. Dewey, Thomas E. 30. Dirksen, Everett M. 84, 169 f., 169, 172, 177, 257, 259, 290. Donnell, Forrest C. 86, 96, 294. Dorn, W. J . Bryan 291. Douglas, Helen G a h a g a n 217, 227, 377. Douglas, Paul H . 341.
432
Personenregister
Dulles, John Foster 370 f., 370, 371, 377, 384, 410, 412, 412. D u n n , James C. 67. Eastland, James O. 224, 298. Eaton, Charles A. 68, 71, 176, 196, 273. Ellender, Allen J. 309. Elston, Charles H . 147, 147, 149, 151. Engel, Albert J. 246, 248, 291, 292. Ferguson, Homer, 64, 95, 383. Finletter, Thomas K. 360. Flanders, Ralph E. 218, 408, 413, 413, 414. Flannagan, John W., Jr., 42. Folger, John H . 109. Forrestal, James V. 118, 349, 354, 361, 361. Fulbright, J. William 69, 73, 82, 86, 86, 90, 95, 141, 301, 330 f., 330, 337 f., 337, 338. Fulton, James G. 285, 331, 332. Gary, J. Vaughan 392. George, Walter F. 64, 68, 71, 90, 134, 383, 409. Gillette, Guy M. 71, 413. Gordon, Thomas S. 388. Graham, Frank P. 339, 339, 413. Granger, Walter K. 158. Green, Theodore Francis 95. Gromyko, Andrej 79, 142. Gurney, Chan 104, 155, 352, 353, 354, 356. Gwinn, Ralph W. 301, 301. Hackworth, Green H . 67. H a l i f a x , Edward F. L. W. Earl of 36. Harless, Richard F. 158. Harness, Forest A. 43, 147. Harriman, W. Averell 273. Harris, Oren 354. Hatch, Carl A. 69, 97, 260 f., 409, 409. Hays, Brooks 275. Hébert, F. Edward 119. Herter, Christian A. 273. Hickenlooper, Bourke B. 176. Hill, Lister 64, 69, 244, 245. Hinshaw, Carl 247.
H o f f m a n , Clare E. 225. Hoffmann, Paul G. 322. Holifield, Chet 141, 295. Hoover, Herbert 27, 198. Hope, Clifford R. 42. Hornbeck, Stanley K. 67. Huffman, James W. 141. Hull, Cordell 27 ff., 29, 30, 33, 35, 37, 38, 66 if., 70 f., 74, 77, 77, 82, 84, 114. Hurley, Patrick J. 182. Jackson, Henry M, 274, 379. Jarman, Pete 274. Javits, Jacob K. 217, 218, 227, 232, 295, 334, 342, 367. Jenner, William E. 301, 411, 412. Jessup, Philip C. 339. Johnson, Edwin C. 154. Johnson, H i r a m W. 83. Johnson, Leroy 140, 354. Johnson, Luther A. 68. Johnston, Olin D. 95. Johnston, Perey H . 322, 322. Jonkman, Bartel J. 240. Judd, Walter H . 134, 135, 196, 217, 260, 279 f., 279, 285, 314, 314, 317, 336, 338, 370, 376. Kee, John 226, 316, 377, 379. Keefe, Frank B. 300. Kem, James P. 331, 408. Kennan, George F. 191, 212, 225, 265. Kerr, John H . 246. Keynes, John Maynard 40, 51 f., 174. King, Ernest Joseph 119, 120. King, W. L. Mackenzie 111, 111. Klein, Arthur G. 292. Knowland, William F. 307, 383. Kopplemann, H e r m a n P. 147. Krug, Julius A. 273. La Follette, Robert M., J r . 71, 90. Langer, William 17, 20, 83 f., 226, 358, 408. Lanham, Fritz G. 147. Leahy, William D. 30, 30. Lilienthal, David Eli 143.
Personenregister Lleras Camargo, Alberto 407. Lodge, H e n r y Cabot, Jr. 217, 218, 247, 247, 317, 331. Lodge, John Davis 196, 217, 257, 274, 330, 337, 341, 376. Lovett, Robert A. 402, 404, 404, 409. Lucas, Scott W. 61, 73, 141, 252. Luce, Clare Boothe 134, 183.
Magnuson, Warren G. 95. Mahan, Alfred Th. 11. Mahon, George H . 160, 162, 245, 352, 353, 359. Malone, George W. 300, 408. Mansfield, Mike 119, 120, 134, 183, 217, 232, 311, 355, 359, 367, 377. Mao Tse Tung 276. Marshall, George C. 101, 183, 190, 190, 199, 225, 241, 253, 253, 262, 265 f., 270 f., 276, 279, 290, 290, 312, 313, 318, 323, 324, 345, 352. Martin, Thomas E. 147. Mason, N o a k M. 20. May, Andrew J. 138, 147, 151, 152, 154. Maybank, Burnet R. 86. McClellan, John L. 64. McCormack, John W. 99, 109, 164, 175, 179, 257, 341. McDougall, L. F. 41. McFarland, Ernest W. 178. McKellar, Kenneth 172, 176, 184, 408. McLean, Robert 165. McMahon, Brien 95, 112, 142, 145 f., 145, 146, 148 ff., 150, 299, 331. McLeish, Archibald 126. Merrow, Chester E. 232. Michener, Earl C. 354. Millikin, Eugene D. 86, 88, 96. Molotow, Wjatscheslaw 136. Monroe, James 10. Moore, Edward H . 20, 85. Morse, Wayne 95, 95, 96, 124, 125, 179, 355, 356 f., 359, 383. Mundt, Karl E. 176, 196, 217, 232, 253, 254, 255, 306, 346, 389, 390, 396, 413. Myers, Francis J. 95. 28
Czempiel
433
Notter, Harley 67. O'Konski, Alvin E. 31, 335. Overton, John H . 82. Owens, Thomas L. 245. Pasvolsky, Leo 27, 29, 66 f. Patterson, Ellis E. 138. Patterson, Robert P. 148, 247. Pauley, Edwin W. 322, 322. Penrose, Ernest Francis 40. Pepper, Claude 21, 70, 71, 86, 86, 137, 229 f„ 229, 280, 280, 282, 301, 408, 408, 412 {., 413. Pfeifer, Joseph L. 367. Ploeser, Walter C. 159, 251. Plumley, Charles A. 250, 350, 365. Poage, William R. 119. Porter, Paul 198. Powell, Adam C., Jr. 358. Rabaut, Louis C. 171. Radcliffe, George L. 54 f. Rankin, John E. 109, 140, 140, 257, 291. Rayburn, Sam 177. Rees, Edward H . 169, 357. Revercomb, Chapman 20, 43, 85, 218, 300, 356. Ribicoff, Abraham A. 372. Richards, James P. 171, 196, 257, 382. Rockefeller, Nelson A. 128, 128. Roosevelt, Franklin D . 20, 28 if., 28, 29, 34, 36, 37, 40 f., 44, 44, 48, 52, 57, 57, 60 {., 66 ff., 74 f., 79, 114, 116, 271. Roosevelt, Theodore 11. Russell, Richard B. 55. Saltonstall, Leverett 64, 86, 251. Scrivner, Errett P. 243. Shafer, Paul W. 357. Sheppard, H a r r y R. 159, 162. Shipstead, Henrik 20, 83 f. Short, Dewey 151. Shuster, Morgan W. 260. Smith, Frederic C. 138. Smith, H . Alexander 95, 260 f., 390, 391, 393.
434
Personenregister
Smith, Lawrence H . 225, 226, 228, 300, 336, 367, 379. Sparkman, John J. 152, 164, 401. Spence, Brent 49. Stanfill, William A. 86. Stark, Harold R. 271. Stefan, Karl 164, 253, 254, 391, 392. Stettinius, Edward R., Jr. 31, 31, 64, 67, 71, 79, 84, 84, 117. Stimson, Henry L. 77, 117. Sumner, Jessie 20, 42. Taber, John 124, 361, 362, 394. Taft, Robert A. SI, 52, 54 f., 59, 84 (., 84, 85, 92, 95, 166 ff., 178, 261, 290, 294, 301, 309, 332, 332, 379, 411, 412. Taylor, Glen H. 17, 229, 282, 282, 358, 362, 408, 413. Taylor, Myron C. 67. Thomas, Elbert D. 64, 68, 138, 154. Thomason, R. Ewing 149. Tobey, Charles W. 95. Truman, Harry S. 31, 78, 82, 89, 97, 100, 101, 101, 102 ff., 102, 103, 106, 110 ff., Ill, 118, 122 f., 123, 126, 126, 128, 137, 142, 145, 145, 148, 150, 157 f., 161, 161, 163, 182, 182, 184, 193, 194, 194, 204, 205, 206 ff., 206, 210 ff., 210, 214, 216, 219, 222 ff., 226, 237, 241 ff., 242, 245, 248, 248, 250, 260, 262 f., 266 f., 267, 269, 273, 273, 282, 284, 284, 290, 296, 300, 300, 302, 313, 313, 320, 320, 325 f., 326, 331, 335, 349 ff., 349, 351, 354, 358 ff., 358, 363, 367 ff., 367, 368, 369, 371 ff., 371, 373, 376, 400, 400, 405, 410, 410, 418, 418. Tunnell, James M. 125. Tydings, Millard E. 88, 293, 302, 371.
Vandenberg, Arthur H . 28, 43, 55, 55, 68, 71, 71, 74, 75, 76, 78, 84, 92, 93, 95, 95, 112, 118, 135, 135, 137, 137, 138, 144, 145 f., 146, 170, 178, 179, 217, 223 ff., 224, 225, 229, 260 f„ 267, 276, 278, 281 ff., 281, 282, 290, 295, 295, 305, 315, 315, 337 f., 337, 342, 357, 373, 401 ff., 402, 404, 405, 409, 409, 410, 418. Vinson, Carl 52, 114, 152, 159, 353, 354, 363. Voorhis, Jerry 42, 109,138. Vorys, John M. 50, 128, 149, 165, 165, 258, 274, 275, 335, 354, 382. Vourse, E. G. 273. Vursell, Charles W. 295. Wadsworth, James W. 42, 43, 119. Wagner, Robert F. 370. Walsh, David I. 86, 106, 142. Washington, George 10, 10. Watkins, Arthur V. 294, 410, 412. Welles, Sumner 29, 35, 66 f., 76. Wheeler, Burton K. 31, 85, 176. Wherry, Kenneth S. 20, 30, 31, 85, 155, 225, 379, 412. White, Wallace H., Jr. 68, 71, 164. Wigglesworth, Ridiard B. 241. Wiley, Alexander 86, 95, 168. Willis, Raymond E. 86. Wilson, Woodrow 11, 27, 32, 63, 68, 70, 386. Winant, John G. 40. Wolcott, Jesse P. 179. Woodruff, Roy O. 176. Young, Milton R. 86. Zellerbach, James D. 331.
Sachregister Kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf Nachweise. Ständig wiederkehrende Begriffe wie USA, Sowjetunion, Kommunismus, Ost-West-Konflikt, Congress, Senat, Haus wurden nidit in das Register aufgenommen, einzelne Gesetze nur dann, wenn sie besondere Bedeutung besitzen oder besonders bekanntgeworden sind.
ABC-Plan 401. Abrüstung, der USA 98 f. Absolutismus 4. Acheson- Lilien thal-Bericht 143. Achsenmächte 28, 76, 98. Advisory Committee on Post-War Foreign Policy 66. Advisory Committee on Problems of Foreign Relations 35, 39, 66. Afrika 42, 61, 113, 275, 296, 297. Aggression, wirtschaftliche 48. Aggressivität, und Lebensstandard 42. Ägypten 84. Air Coordinating Committee, The 244. Air Force Act of 1948 363. Air Policy Commission 360. Albanien 201. American Society of Newspaper Editors 165. Anglo-amerikanisches Finanzabkommen (British Loan) 148, 153, 173, 174 ff., 185. Arabische Staaten 327. Armed Forces Voluntary Recruitment Act of 1945 104, 248. Armee der USA 102 ff., 159 ff., 248, 291. Aserbeidsdian 136, 190. Asien 78, 134, 275 ff., 328. Associated Press 128. Atlantik-Charta 66, 76, 134, 169. Atlantik-Konferenz 29, 35. Atombombe 62, 79, 90, 103, 109 ff., 138, 139, 162, 244, 365, 371, 420. 28*
Atomenergie 110 f., 139 ff., 161. Atomic Energy Act of 1945 (May-Johnson-Bill) 112, 112, 145 f. — of 1946 (McMahon-Bill) 144 ff., 146. Atomic Energy Commission 145 f. Atomtests (Bikini) 140 ff. Auslandshilfe, als Mittel der Außenpolitik 178 ff., 194 ff., 215 ff., 231 ff., 262 ff., 296, 312, 313 ff., 330 ff., 342, 343 ff. Ausschuß für Geld- und Kreditwesen (siehe Committee on Banking and Currency). Auswärtiger Aussdiuß, Haus (siehe Committee on Foreign Affairs, House). Auswärtiger Aussdiuß, Senat (siehe Committee on Foreign Relations, Senate). Außenministerium der USA (siehe Department of State). Außenministerrat 30. Außenministerratskonferenzen — London 1945 136, 193. — London 1947 282. — Moskau 1945 136. — Moskau 1947 222. — New York 1946 189. — Paris 1946 97, 137, 138, 154, 155. — Paris 1949 410. Außenpolitik, Bewegungsgesetze 3. — und Gesellschaft 6 f. — und Grundansdiauung 4. — und Ideal 3. — und Ideologie 30.
436
Sachregister
— Interessen, in der 3, 5 f. — Mittel, in der 8. — Struktur 2 f. — Verfassung 3, 6. — Ziele 7 f. Außenpolitik der USA (siehe audi Domination, Expansion, Kooperation) — Grundansdiauungen 10 f., 19, 64 f., 210, 416. — Interessen 11 f., 32 ff., 35, 38 ff., 48 ff., 91, 213, 416. Azoren 353, 372, 372.
Balkan 255. Baruch-Plan 142 f. Belgien 291, 381. Benelux 297. Berliner Blockade 410. B 2 H 2 -Resolution 64, 69, 73, 86. Bizone 138, 278. Bogotá, Konferenz von 1948 323, 324. Bosporus 203 f. Bretton Woods, Konferenz von 1944 48 ff., 71, 174, 306. Brüsseler Pakt 337, 340, 349, 368, 369, 401, 409. Bulgarien 136, 201. Bureau of the Budget 158 f., 250.
Central Intelligence Agency 243. Chapultepec, Act of 77, 182, 270, 402. China 42, 46, 68, 85, 113, 134, 136, 137, 182, 183 f., 184, 190, 197, 241, 262, 276 f., 279, 292, 296, 321, 322, 323, 335, 368, 373, 376 f. — Herrschaftssystem in 279 f., 313 f. — H i l f e an 241, 279, 311, 312 ff. Columbia Broadcasting System 391, 394. Committee on Appropriations, House 124, 158, 160, 164, 169, 169, 240, 240, 241, 246, 247, 248, 253 f., 309, 309, 3)8, 361, 361, 363, 367, 391, 391, 396, 396. Committee on Appropriations, Senate 160, 164, 170, 172, 2)1, 2)5, 278, 309, 310, 361, 362, 364, 392, 396, 396. Committee on Armed Services, House 249, 3)2, 3)3, 3)), 357, 363.
Committee on Armed Services, Senate 350, 3)0, 354, 356, 3)6, 357, 383. Committee on Banking and Currency, House 38, 53, )7, 176, 176. Committee on Banking and Currency, Senate 48, 54, )), )8, 177. Committee of Eight 71, 84, 84. Committee on Expenditures in the Executive Departments, House 244, 3)), 391, 393, 393, 394. Committee on Expenditures in the Executive Departments, Senate 393, 394. Committee on Foreign Affairs, House 41, 89, 117, 128, 129, 149, 163, 183, 183, 184, 196, 227, 227, 232, 256, 257, 259, 267, 267, 273, 274, 274, 277, 277, 278, 279, 284, 285, 306, 307, 308, 312, 314, 315, 31), 316, 320, 321, 331, 334, 334, 337, 337, 366, 369, 374, 37), 376 f., 379, 382, 382, 388, 400, 404, 419. Committee on Foreign Relations, Senate 43, 43, )), 82, 88, 88, 95 f., 96, 118, 166, 169, 182, 182, 200, 219, 219, 233, 235, 237, 2)6, 260 f., 266, 291, 304, 306, 312, 314, 320, 326, 344, 346, 378, 382, 389, 393, 404, 404, 409, 410, 410, 413, 414, 417. Committee on Military Affairs, House 145, 14), 146, 147, 151 f., 181, 181. Committee on Military Affairs, Senate 104, 153, 154, 1)), 161, 181. Committee on N a v a l Affairs, House 102, 108, 116, 119, 140, 140, 159, 183. Committee on N a v a l Affairs, Senate 119, 141, 142, 142. Committee on Rules, House 128, 357. Committee on Territories and Insular Affairs, Senate 184. Commodity Credit Corporation 306. Connally Amendment ( I . C . J . ) 92, 97 f. Connally Resolution, 1943 69 f., 403. Council of Economic Advisers 298. Council on Foreign Relations 73. Dänemark 297, 369. Dardanellen 136, 203 ff., 312. Department of Commerce 163. Department of Defense 243.
Sachregister Department of State 43, 66, 74, 80, 89, 93, 95, 117, 121, 122, 123, 128, 128, 163, 172, 184, 190, 196, 199, 212, 223, 252, 253, 255, 258, 284, 297, 327, 332, 369, 381, 391, 393, 395, 404, 418. — Planungsstab 265, 269. Department of War 137, 145, 267. Deutschland 50, 113, 124, 136, 138, 189, 191, 255, 277 f., 296, 297, 328. — Demontage 277 f. Doktrinen, außenpolitische 199 f. Dollar-Diplomatie 257, 259, 347. Domination 8, 37, 62 f., 210 ff., 264, 294, 303, 415, 417. Draft Constitution 66, 76. Dumbarton Oaks, Konferenz von 1944 67, 71, 95. Economic Cooperation Administration 304. — Administrator 304 f., 344, 381. — Missionen 304 f. — Special Representative 305, 305, 381. Einfluß der USA 45 ff., 73, 79 ff., 127,179, 210, 215. Embargo 196. Entkolonialisierung 76. Europa 271 ff., 291 ff., 297 ff., 303 ff., 309, 327, 328, 341, 346, 368, 398 ff. Europäische Einigung 336 ff., 345. Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) — Ausschuß 262. — Konvention 299. — Organisation 272, 337, 345, 398. Europäische Zahlungsunion 345. European Coordinating Committee 381. European Recovery Program (s. auch Marshall-Plan) 267, 278, 285, 286, 289 ff., 303 ff., 329. — Administrator 304 f. — Missionen 304 f. — Special Representative 305, 305, 381. — Verlängerung 1949 293, 310, 315, 388. Exchange Stabilization Fund 40. Executive F 82 ff., 87. Expansion 33, 36, 103, 110, 116, 119 f., 200, 210.
437
Export-Import-Bank 40, 53, 57, 169, 232, 323, 324. — Erweiterung 57 ff. Federal Reserve System 53. Fernost 85, 183, 190, 296, 297, 313, 327, 341, 368. Finnland 136, 349. Flugzeugindustrie, amerikanische 246 f. Food and Agricultural Organization 40 ff., 41, 43, 48, 198. — Kommission in Griechenland 225. Foreign Aid Act of 1947 (siehe audi Interim Aid) 281, 286. Foreign Assistance Act of 1948 289 ff., 297 ff., 303, 311, 333, 400. Forschung 160. Frankreich 77, 80, 113, 124, 133, 179, 191, 262, 271, 273, 274, 291, 297, 328, 330, 344. Free Press Amendment (UNRRA) 168 ff. Freiwilligensystem 104 f., 242, 350, 356. Freiwilligenmeldungen 104 f., 150 ff. Friedenskonferenz, Paris 1946 137, 156, 166, 173, 189. Friedensverträge 136, 189. Führung 212, 219 ff., 328 ff., 346 ff., 354. — und Allianz 415 ff. — in der Militärhilfe 238 f., 380 ff. — im Nordatlantik-Pakt 380. — in der Wirtschaftshilfe 232 ff., 328 ff. Fulbright Resolution 1943 69. GARIOA 46, 160, 277, 302, 309, 318 ff., 376. GATT 47. Gegenwertkonten (Revolving Fund) 233 f., 284, 285, 304, 308, 320, 343. Gerechtigkeit 84 f., 92. Griechenland 179, 191, 193, 197, 198, 200 ff., 216 ff., 226, 227, 228, 229, 230, 252, 262, 296, 329, 349, 368, 372, 373, 378. — Herrschaftssystem 208, 216 ff., 333, 335 f. — Hilfe an 236 f., 241, 255, 263, 286, 310, 311 f. Grönland 113.
438
Sachregister
Großbritannien 30, 35, 39, 40, 46, 47, 49, 51, 54, 56, 68, 77, 80, 110, 124, 133, 153, 174 ff., 193, 271, 291, 297, 328.
Havanna, Konferenz von 1940 28, 36. — Konferenz von 1948 299. Holland 80, 281, 328, 344, 372. — und Indonesien 339 ff. Hot Springs, Konferenz von 1943 40 ff., 71. Hukbalahap-Aufstand 319.
Idealistische Schule 9, 33. Ideologie, im Ost-West-Konflikt 133 ff., 164 ff. — und bürgerliche Republik 386. Inder, Einwanderung 134, 134. Indonesien 339 ff., 372. — und Holland 339 ff. Informal Political Agenda Group 67. Informationsprogramm 124 ff., 163 ff., 252 ff., 255 ff., 389 ff. — Kurzwellenprogramm 127, 164 ff., 390 ff. — Stimme Amerikas 127, 391. Inter-Allied Reparations Agency 278. Inter-American Development Bank 324. Interamerikanisches System 77 f., 407. Interim Aid (siehe auch Foreign Aid Act of 1947) 262, 266, 267, 279, 284 ff., 292, 304, 320. Interim International Information Service 123. International Broadcasting Division 395. International Development, Act for, 1950 327. International Trade Organization 47, 298, 299. Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung 48 ff., 58 ff., 231, 323. Internationale Beziehungen, Theorie 1 ff. Internationale Organisation, Prinzip der 30, 32, 33, 37, 41, 43, 64 ff., 73, 76, 78, 89 ff., 116 ff., 119 ff., 130, 144, 168, 211, 228 ff., 399 ff., 412, 415, 416, 417, 419.
Internationaler Gerichtshof 76, 86, 87, 91 ff. Internationaler Währungsfonds 48 ff., 58 ff., 299. Internationalisten 21. Intervention 216 ff., 328 ff. Iran 133, 136, 182,182, 190, 260, 373, 375. Irland 296, 297. Island 133, 353, 374. Isolationismus 20, 28 ff., 83 f., 87, 140, 149, 167, 176, 225, 293 f., 300 f., 332, 411. Italien 113, 137, 179, 191, 197, 241, 262, 273, 274, 297, 305, 328, 349, 369. — Friedensvertrag 136, 282, 330, 330. — Wahlen in 330 ff. Jaita, Formular 74 ff. — Konferenz von 1945 31, 67, 74, 90, 133, 204. Japan 85, 98, 109, 113, 114, 122, 126, 136, 139, 181, 190, 309, 314, 318, 319, 320, 322 f. — Friedensvertrag 116, 118. Japanische Inseln und Mandate 76 ff., 114 ff. — Treuhandschaft der USA 116 ff. Johnston-Ausschuß 322. Joint Board Estimates of United States Overall Production Requirements 271. Joint Chiefs of Staff 77, 142. Joint Committee on Foreign Economic Cooperation 308. Joint Committee on Government Information Program 260 f. Jugoslawien 201. Kanada 110, 374. Kapitalexport 12. Kapitalismus, außenpolitische Interessen 12.
Kenya 308. Keynes-Plan 40. Kollektive Sicherheit, Modell der 60, 78, 87, 97, 101, 129, 133 ff., 139 ff., 143, 149, 157, 162, 167 f., 179, 184 f., 189, 192, 200, 208, 365, 399. Kolonien 77, 117, 281, 308, 326.
Sachregister
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Kominform 266, 282. Kontrollrat, in Deutschland 138. Kooperation 8, 37, 62 f., 89 ff., 139 ff., 148 ff., 155, 162, 167 ff., 171 f., 185, 194, 210, 213 ff., 264, 329, 365. Korea 85, 113, 136, 309, 318, 319, 320 f., 320, 321, 368, 373, 376. — Krieg 103. Kuba 76. Kuomintang 190, 279, 318, 336.
Moskau, Außenministerkonferenz von 1943 67. — Deklaration 70. München, Konferenz von 1938 29. Multilateralisten 21. Mutual Aid Agreement, mit Großbritannien 39 f., 41, 47, 51, 54. Mutual Defense Assistance Act of 1949 15, 286, 372 ff., 384. Mutual Security Act of 1951 327.
Lateinamerika 15, 92, 180 ff., 256, 270 f., 275, 284, 296, 323 ff., 327, 374, 393, 407, 419. Leih-Padit-Hilfe 36 f., 174, 299. Libanon 84, 133. Liberalismus 9, 97. Linggadjati-Abkommen 339. Luftfahrtindustrie, amerikanische 361, Luftwaffe der USA 161, 246 ff., 291, 359 ff.
Nahost 78, 113, 209, 245, 275, 296, 325, 326. National Advisory Council on International Monetary and Financial P r o blems 53, 58, 344. National Broadcasting Company 393, 394. National Interest 3. National Science Foundation Act of 1950
260, 328,
363. 350,
Maditpolitik 4, 14, 33. Madagaskar 308. Mandate (Völkerbund) 76. Mandschurei 85. Marine der USA 99, 102, 105 ff., 139, 158 ff., 162, 244, 248, 250 f., 350, 367. Marokko 308. Marshall-Plan (siehe auch European Recovery Program) 197, 233, 284, 289 ff., 326, 344, 346, 352, 401, 402. Mexico City, Konferenz von 1945 71, 77. Militärhilfe der USA 180 ff., 236 ff., 262, 292, 302, 310 f., 349. — und E R P 377 f. — und Führung 380 ff. — Missionen 237 f., 384. — Verwaltung 381 f. — und Wirtschaftshilfe 236 ff., 286, 368 ff. Militärmissionen 180 ff., 237 ff., 384. Minenindustrie, amerikanische 158. Mineralien, kriegswichtige 157 f., 307 ff. Mittelmeerraum 203 ff. Mittelost 190, 257, 325, 326. Monroe-Doktrin 78, 412. Montevideo, Konferenz von 1933 35. Montreux, Konvention von 1936 204.
161.
National Security Act of 1947 243 f. National Security Council 243. National Security Resources Board 243. Nationality Act of 1940 134. Neutralitätsgesetzgebung 27 f., 68. New York Herald Tribune-Forum 127. Nichteinmischung 218 ff. Niederländisch-Ost-Indien 339. Nordatlantik-Pakt 168, 283, 293, 294 f., 341, 369, 384, 409 ff. — und Militärhilfe 378 ff. — und militärische Integration 382 ff. — R a t 381, 382. — Verteidigungsausschuß 381, 382. Nordepirus 137. Norwegen 297, 369. O E E C (siehe Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit). Österreich 113, 197, 241, 262, 273, 296, 297. — Friedensvertrag 137, 189. Office of International Information and Cultural Affairs 123. Office of Scientific Research and Development 161. Office of War Information 121 ff., 123, 128, 253, 254, 259.
440
Sachregister
Orientalische Frage 203. Ost-West-Handel 345. Pauley-Beridit 322. Pazifik 76 f., 108, 114, 276, 319 ff. Pazifische Inseln (siehe auch Japanische Inseln und Mandate) 77, 113 ff., 317. Peaceful Change 83. Pearl Harbor 28, 66, 98, 107. Philippinen 76, 180, 317, 318, 319, 321 f., 373, 375 f. — Militärhilfeabkommen mit den USA 1947 116, 184, 319, 376. Polen 179, 195, 197, 232, 241, 260, 266. Portugal 372, 372, 374, 414. Possible Plan 67. Post-UNRRA-Hilfe (siehe auch Public Law 84) 195 ff., 200, 201, 206, 216, 231 ff., 240 ff., 252, 256, 286, 304. — Administrator 232 f. — Missionen 232 f., 286. Potsdam, Konferenz von 1945 134. President's Advisory Commission on Universal Training, The 242, 243, 244. President's Committee on Foreign Aid, The 289. Propaganda 15, 121 ff., 144, 162 ff., 254 ff., 387. — im Sicherheitssystem 389 ff. — in der Wirtschaftshilfe 234 f., 388. Public Law 84 (siehe auch Post-UNRRAHilfe) 231 ff., 284 f., 304, 309. Punkt-Vier-Programm 296, 297, 302, 326 ff., 326, 346. — und Militärhilfe 374. Rationalismus 32. Realistische Schule 33, 269. Reciprocal Trade Agreements 29, 34, 40, 56. Reciprocal Trade Agreements Act, Verlängerung 1945 57 f., 134. Regionen, in den USA 17 f. Regionalprinzip 78 f., 409, 414, 417. Renville-Abkommen 1948 339, 340. Reparationen, deutsche 277 f. Rio-Pakt 270, 283, 295, 323, 385, 407, 415, 419.
Rüstung der USA 157 ff. — statt Auslandshilfe 291, 294. — im Sicherheitssystem 351 ff. Rüstungsindustrie, und Krieg 12. Rumänien 136. Ryukyu-Inseln 115, 118, 318, 319, 320, 322 f.
San Francisco, Konferenz von 1945 67, 71, 76, 84, 91, 95, 119, 134, 406. Schweden 296, 297. Selbstverteidigung, Redit auf 78, 100, 406, 407. Select Committee on Foreign Aid, House (Herter-Ausschuß) 273, 278, 278, 307, 308, 311, 331, 335.
Select Committee on Small Business 13. Selective Service Act of 1948 350, 354 ff. Selective Service System 104, 150 ff., ISO, 157, 248, 349, 349, 354 ff. Selective Training and Service Act, Verlängerung 1946 104, 150 ff., 157. — Aufhebung 1947 242, 248. Sicherheit 267 ff. — direkte 98. — direkte und indirekte 61 ff. — distinkte 206 ff. — und Ernährung 5, 267, 272. — ideologische und strategische 200 ff., 209. — ubiquitäre 207 ff. — universale und indirekte 61 ff. — und Verteidigung 267. Sicherheit der USA 89 ff., 100 ff., 157, 160, 185, 200 ff., 207 ff., 221, 249 f., 258, 275, 316 ff., 324 f., 339 ff. — Bezirke 208, 269 ff., 303 ff. — Mittel 283 ff. Sicherheitsdilemma 268 f., 268. Sicherheitssystem der USA 262 ff., 283, 286, 289 ff., 303 ff., 333, 350 ff., 370, 385, 400 ff. — ideologisches Niveau 280 f., 372, 397. — Legitimität 330 ff. Souveränität der USA 43 ff., 56, 73 ff., 76, 94 ff., 415. Spanien 334 ff., 372.
Sachregister Special Committee on Atomic Energy, Senate 112, 146. Special Committee on Post-War Economic Policy and Planning, House 195, 196, 198. Spitzbergen 353. Staatsraison 3. Ständiger Internationaler Gerichtshof 76, 91, 94. Staff Charter 66. Sterlingblock 51, 54, 178. Strategische Positionen der USA 112 ff. Streitkräfte der USA 99 f., 102 ff., 150 ff., 242 ff., 349 ff. — und amerikanische Außenpolitik 154 ff., 351, 365 f. — Funktion im System der gegenseitigen Sicherheit 245, 353 f., 364. — Funktion im System der kollektiven Sicherheit 99 ff., 108 f. Südtirol 137. Suez-Kanal 84. Syrien 84, 133. Taiwan 316. Technical Assistance 326, 326, 327. Technical Assistance Board 328. Technical Assistance Committee 328. Technical Cooperation Administration 327. Temporary Congressional Aviation Policy Board 360, 360. Tentative Proposals for a General International Organization 67. „Town Meeting of the World" 73. Treuhandschaft, der USA über die pazifischen Inseln 67, 76 f., 86, 87, 116 ff., 117,119 ff. — Abkommen von 1947 118. — Verwaltung 77. Triest 241, 262, 309, 310. Tripolitanien 204. Truman-Doktrin 179, 198 ff., 206 ff., 206, 22S, 245, 252, 256, 258, 263, 265, 269, 296, 354, 400. — und Vereinte Nationen 210 ff., 225 ff. Tschechoslowakei 278, 290, 349. Türkei 179, 195, 197, 201 ff., 20S, 209, 216 ff., 226, 227, 228, 229, 230, 252,
441
262, 281, 291, 296, 329, 368, 372, 373, 378. — Herrschaftssystem 333, 335 f. — Hilfe an 236 f., 241, 255, 263, 286, 310, 311 f. Ukraine 171. Unabhängigkeit der USA 57 ff. Ungarn 136, 195, 197, 232, 241. U N I C E F 292. Unilateralisten 21. United Nations (siehe auch Vereinte Nationen) — Commission for Indonesia 340. — Headquarters Loan 404, 419. — Participation Act 75, 84, 85, 86, 87 ft"., 95. United Press 128. United States Advisory Commission on Educational Exchange 390. United States Information and Educational Exchange Act for 1947 (MundtBill) 256 if. — of 1948 389 ff. — Advisory Commission 259. United States Information Services 390. Universal Military Training 103 f., 103, 157, 242, 249, 250, 349, 349, 354 f. U N R R A 41, 46 ff., 52, 167 ff., 169, 174, 177, 179, 192, 193, 194, 194, 201, 205, 206, 215, 233, 234, 235. — Konferenzen in Genf und Washington, 1946 172 f. Vandenberg Amendment (UN-Charta) 75, 84. Vandenberg Resolution 293, 403 ff., 404, 409, 413, 414, 416, 417. Vereinte Nationen (siehe auch United Nations) 30, 31, 40, 54, 100, 155, 168, 173, 177, 192 f., 206, 280, ¡281 f., 329, 334, 399 ff., 417 ff. — Atomenergiekommission 138, 140, 142. — Charta 66 ff., 73 ff., 79, 81 ff., 95, 211, 398. — Generalversammlung 75, 84, 88, 418. — Hauptquartier 79 f., 419. — Reform 399 ff., 403 ff., 413.
442
Sachregister
— Sicherheitsrat 74 ff., 84, 88, 117, 141, 340, 342. — Treuhandschaftsrat 88, 117. — Vorbereitungskommission 79. — Wirtschafts- und Sozialrat 88, 328. Versailles 27, 83. Völkerbund 29, 63, 75, 76, 83, 91. — Satzung 93, 95. Wardman Park Hotel 404. Wehrpflicht (siehe Selective Service System). Weißrußland 171. Welt-Gesundheitsorganisation 405. Weltwirtschaftskonferenz, London 1933 34. Weltwirtschaftskrise 38. Westliche Hemisphäre 77,83,128,180,374, 415, 419.
White-Plan 40, 49. Wirtschaftshilfe der USA (siehe auch Auslandshilfe, European Recovery Program, Post-UNRRA-Hilfe) 178 f., 194 ff., 213 ff., 231 ff., 262 ff., 284 ff., 289 ff., 367, 370. — und amerikanische Wirtschaft 235 f., 285, 298 f., 306 f. — und Führung 328 ff. — und Militärhilfe 368, 369, 370. — Missionen 232 f., 285 f., 304 f. — und Nordatlantik-Pakt 296. — und Propaganda 234 f. — und Wirtschaftsform der Empfänger 343 ff. Ziel-Mittel-Komplex 7 f.
Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika Von Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode Klein-Oktav. Mit 10 Karten im Text. 192 Seiten. 1956. DM 5,80 (Sammlung Göschen Band 1051/1051a)
Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika im Zeitalter Bismarcks Von Otto Graf zu Stolberg- Wernigerode Groß-Oktav. XI, 368 Seiten. 1933. DM 13,50
Lebenserinnerungen Von Karl Schurz Unwesentlich gekürzte Ausgabe in einem Band von Kurt Thesing Groß-Oktav. 505 Seiten. 1952. Ganzleinen DM 12,80
Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im 20. Jahrhundert Von Gerhard Leibholz 3., durch einen Vortrag erweiterte Auflage Groß-Oktav. Etwa 250 Seiten. 1966. Etwa DM 30,—
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Marxismus — Leninismus Universitätstage 1961. Veröffentlidiung der Freien Universität Berlin Oktav. 232 Seiten. 1961. DM 2,—
Strukturwandlungen der modernen Demokratie Von Ernst Forsthoff Oktav. 25 Seiten. 1964. DM 5 , (Sdiriftenreihe der Juristischen Gesellschaft Berlin, Heft 15)
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Geschichtlichkeit Wege und Irrwege eines Begriffs Von Gerhard Bauer Oktav. XII, 208 Seiten. 1963. DM 18,— (Die kleinen de-Gruyter-Bände 3)
Historische Theorie und Geschichtsforschung in der Gegenwart Herausgegeben von Richard Dietrich Oktav. V m , 149 Seiten. 1964. DM 9,80
Faktoren der politischen Entscheidung Festgabe für Ernst Fraenkel zum 65. Geburtstag Herausgegeben von Gerhard A. Ritter und Gilbert Ziebura Mit 1 Bildnis. Groß-Oktav. X, 451 Seiten. 1963. Ganzleinen DM 38,—
Einführung in die Geschichtswissenschaft Von Paul Kirn 4., durchgesehene Auflage. Klein-Oktav. 128 Seiten. 1963. DM 3,60 (Sammlung Göschen Band 270)
Einführung in die Zeitgeschichte Von Bodo Scheurig Klein-Oktav. 101 Seiten. 1962. DM 3,60 (Sammlung Göschen Band 1204)
Zwischen Demokratie und Diktatur Verfassungspolitik und Reichsreform in der W e i m a r e r Republik Von Gerhard Schulz 2 Bände. Groß-Oktav. Ganzleinen I. Die Periode der Konsolidierung und der Revision des Bismarckschen Reichsaufbaus 1919-1930 XIV, 678 Seiten. 1963. DM 56,— Germany 1815-1945 Deutsche Geschichte in britischer Sicht Von J. E. Passant und W. O. Henderson Oktav. Vm, 269 Seiten. 1962. Ganzleinen DM 14,— (Die kleinen de-Gruyter-Bände 2)
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