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German Pages 142 [209] Year 1927
CÄSAREN-PORTRÄTS III. TEIL BEITRÄGE ZUR PHYSIOGNOMIK UND PÄTHOGRAPHIE DER RÖMISCHEN KAISERHÄUSER NACH IHREN MÜNZEN UND ANDEREN ANTIKEN DENKMÄLERN VON
DR. MED. E R N S T MULLER OBERARZT UND MEDIZINALRAT AN DEN THÜRINGER HEILANSTALTEN ZU STADTRODA
WALTER DE GRUYTER & CO. / BERLIN W10 19 2 T
Alle R e c h t e , b e s o n d e r s das der in f r e m d e S p r a c h e n ,
Übersetzung
vorbehalten.
Otto Wigand'sche Buchdruckerei G . m. b . H., Leipzig
A . Cäsarendiagnosen, Körperbau und Charakter, die geistesgesunden Cäsaren. Vorroort. ein zweiter Teil ist im Inland und an einigen Auslandsstellen günstig besprochen worden. Da es nicht üblich ist, sifch über gute Kritiken zu verbreiten, will ich über einige sprechen, die neben wohlwollenden Urteilen anders geartete mischen. Herr Professor Kubitschek spricht erst anerkennend von meiner Arbeit, setzt dann aber aus, daß ich die Skulpturen und Münzen ohne Quelle oder sonst eine Autorität angezogen hätte. Freilich habe ich mich immer erst, wie angegeben, bei Bernoulli versichert, ob die Skulptur echt war, bei der großen Arbeit unterließ ich aber die Fundorte der Büsten und Bildwerke genauer zu charakterisieren, ebenso unterließ ich es, von jeder einzelnen Münze anzugeben, wo sie herstammt. In diesem Buch will ich versuchen, beide Wünsche möglichst zu befriedigen, gebe allerdings zu, daß ich das nicht für alle Rundporträts tun kann, weil ich nicht immer finde, wo sie aufgestellt sind. Manchmal kann ich überhaupt erst infolge meiner ärztlichen Untersuchungen den Kopf identifizieren. Das Ziel meiner Arbeit war nicht, die römische Nationalität geringer einzuschätzen als ihr Verwischen. Mein Satz, der das römische Weltbürgertum rühmt, sollte bloß eine leichte Verbeugung gegen den römischen Internationalismus sein. Keineswegs huldige ich, außerdem etwa, was Kunst, Wissenschaft und Verkehr anlangt, internationalen Tendenzen, der Römer blieb ja auch trotz dieses Internationalismus national. Ich weiß, daß die Frage, ob Cäsaren des 3. Jahrhunderts i*
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zum Teil Germanen waren, eine noch recht umstrittene ist, sehe aber nicht ein, weshalb ich sie nicht anschneiden soll, weil diese Frage doch zur Biologie, also auch zur Medizin gehört. Daß Herr Professor Kubitschek gleich von Abgründen spricht, in die ich führen solle, ist mir nicht recht klar, ich betrachte die Rassenfrage in rein geschichtlicher Beziehung, ohne jede Tendenz, nur um die Wahrheit zu erforschen. Jedenfalls habe ich den wirklich römischen Cäsaren ebensoviel gute Seiten gelassen wie denen angenommenerweise germanischen Geblüts; der sogenannte Cäsarenwahnsinn 1 ) hat ja allerdings besonders in den beiden ersten Jahrhunderten seine Rolle gespielt. Ich bewundere ja gerade die Cäsaren und Römer, nur nicht ihre pathologischen Züge. Im numnismathischen Literaturblatt, Halle, 240/241 IV, 25 steht, daß die Münzabbildungen zum Teil ungenügend seien. Hierzu bemerke ich, daß ich diesmal nur Münzabgüsse, und zwiar von Kabinettstücken aus den bekanntesten Münzmuseen Deutschlands verwandt habe. Mediziner und andere Gelehrte haben die Münzabbildungen für gut befunden. Ein Arzt kann natürlich die psychischen Abweichungen leichter erkennen. Herr Ed. Beck hat erst meinen zweiten, dann meinen ersten Teil kritisiert. Dabei dürfte ihm entgangen sein, daß ich meine Studien vertieft habe, wie die meisten Kritiker angeben. Man sollte nicht Sätze anführen, die aus dem Zusammenhang herausgerissen sind, so zitiert er von mir: „Bei Cäsar wie bei Napoleon war die Epilepsie mehr Begleiterscheinung der Genialität — ein Ausgleich der Natur, damit die Bäume nicht in den Himmel wuchsen — und mehr als eine Störung des körperlichen Organismus anzusehen." Und unterläßt weiter zu zitieren: „Es ist bekannt, wie geistig rege beide bis zuletzt waren." Natürlich ist mir von Wert, daß bei meinen Studien etwas herauskommt, denn ich habe doch mit als erster erkannt, daß Münzen und Skulpturen der römischen Kaiser meist als Geschichtsquelle dienen können, wenigstens glaube ich, daß ich der erste war, der versucht hat, die relative Treue dieser Porträts zu beweisen. Band I und Band II stimmen deshalb in ihren Folgerungen überein, 1 ) v. Hentig hat nachgewiesen, daß es keinen Cäsarenwahnsinn gibt und daß die geistigen Abnormitäten der Cäsaren keine Berufspsychosen waren. (Über den Cäsarenwahnsinn, die Krankheit des Kaisers Tiberius, München 1924.)
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weil ich in Band II ausführte, was ich in Band I intuitiv erkannte und weil es Tatsache ist, daß Quellen und Bildnisse meist übereinstimmen; siehe Delbrück, Bildnisse römischer Kaiser. — Man hat mich getadelt, daß ich keine Anmerkungen beifügte 1 ). Nachdem wir die Kritiken betrachtet haben, gehe ich dazu über anzugeben, wo mein Material zum 3. Band herstammt. Die Abbildungen der Skulpturen habe ich aus Rom und Neapel mitgebracht. Sie sind meist von Alinari (Neapel) photographiert oder von der Neuen Photographischen Gesellchaft m. b. H. Berlin, die sie nach Rom oder Neapel gab, wo ich sie kaufte. Diesmal will ich von den Skulpturen auch möglichst immer angeben, wo sie sich befinden, eventuell auch, wo sie gefunden wurden. Des weiteren handelt es sich um die Münzabbildungen. Diese wurden nach Gipsabgüssen photographiert; ich werde möglichst jedesmal angeben, ob es sich um eine Gold-, Silber-, Bronze- oder Kupfermünze handelt. Des weiteren sollen Stammtafeln der Kaiser gebracht, ferner ein Sach- und Personenregister eingeschalten werden. Ferner werde ich diesmal ein Literaturverzeichnis bringen. Die Münzabgüsse stammen aus dem Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin, aus dem Münzmuseum in Gotha, aus dem Münzmuseum in Dresden und aus der Staatlichen Münzsammlung in München. Diese Münzmuseen und das Münzmuseum in Leipzig habe ich besucht und eingehend besichtigt. Ich bin den Herren: Professor Regling, Berlin, Geheimrat Pick, Gotha-Jena, Dr. Hilliger, Leipzig und Dr. Schwinkowski, Dresden, und Professor Bernhart, München, zu großem Dank verpflichtet, die in der liebenswürdigsten Weise meine Studien förderten und begünstigten; auch durfte ich vergangenen Sommer das hervorragende Kolleg des Herrn Geheimrat Pick über antike Münzen in Jena hören. Ich habe auch die Auslagen der Münzmuseen in Rom, Neapel, München, Nürnberg und Döbeln gesehen. Die Neue Photographische Gesellschaft in Berlin war so gütig, mir wiederum die Reproduktion einer Anzahl Bildnisse zu gestatten. — Für die Ausstattung des zweiten Teils danke ich besonders dem rühmlichst bekannten Verlag Marcus & Weber in Berlin, für den Druck der Otto Wigand'schen Buchdruckerei in Leipzig, J
) Sollte Neuauflage von Bd. I u. II erfolgen, würde ich dies nachholen.
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für die Reproduktion der Skulpturen der Firma Schmitt & Herrmann in Köln, für die Anfertigung der Münzbildnisse und der auf dem Einband wiedergegebenen Porträts der Firma H. F. Jütte in Leipzig. Die Münzbildnisse des 2. Bandes sind gut; wenn einige Münzen weniger charakteristisch herausgekommen sind, so kommt das daher, daß die Originale anstatt der Gipsabgüsse dieser angewandt wurden und weil meine Sammlung nicht reich an sogenannten Kabinettstücken ist. Dieser Mangel fällt aber auf mein Konto. Für gütige Förderung meiner Arbeiten bin ich ferner Herrn Dr. med. et phil. Kanngießer sehr dankbar, der mir wertvolle Literatur sandte und mich auf solche aufmerksam machte, auch Herrn Professor Richard Delbrück in Gießen, der sich für meine Arbeit interessierte, meinen Freunden, Herrn Geh. Legationsrat, Sächsischen Gesandten in München, Hans Schmidt 1 ) und Herrn Ministerialrat M. Wilisch in Dresden, die mir wichtige ausländische Adressen verschafften, Herrn Oberstaatsarchivar Dr, Hans Beschorner, Dresden, für wissenschaftliche Anregung, in demselben Sinne den Herren Universitätsprofessoren für Geschichte Georg Mentz und Friedrich Schneider in Jena. Beim Literaturverzeichnis sind die Arbeiten mit aufgezählt, die Band I und II und den Vorarbeiten zugrunde gelegen haben, da ja jede Arbeit auf die vorhergehende sich aufbaut. Inzwischen verstorben.
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Cäsarendiagnosen.
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ach diesen einleitenden Worten wenden wir uns nun zu dem
ersten Abschnitt des Buches, zu den Cäsarendiagnosen. Unter Cäsarendiagnosen verstehe ich, wie die geistig abnormen Kaiser psychiatrisch zu klassifizieren sind. Wir wollen die Diagnosen umändern und sie präziser fassen; wir wollen die alten Diagnosen gebrauchen, die auch sonst in der psychiatrischen Nomenklatur üblich sind. Daß es sich nicht um Berufspsychosen handelt, habe ich schon erwähnt. Bei unseren Cäsaren war es nicht die unerhörte Machtfülle, sondern das ungesunde Milieu, das die Entarteten und Schwachsinnigen auf die schiefe Bahn gelangen und schließlich untergehen ließ. Von meiner früheren Einteilung: „Cäsarenentartung, Cäsarenwahnsinn und Cäsarenschwachsinn" bin ich also abgekommen, weil schließlich doch bloß die alten Psychosen vorliegen. Die Kaiser teile ich ein in die geistig gesunden und in die von der Norm abweichenden Cäsaren. Dann folgen Berichte über Forschungen in Münzmuseen und über wissenschaftliche Werke, in denen Cäsarenporträts (Statuen, Münzen, Gemmen) abgebildet sind, um recht viel Beweise von der relativen Treue der Cäsarenporträts 3 ) zu bringen, um schließlich einiges über die Sittengeschichte des römischen Volkes, die Geschichte seines Verfalls, über Geschlecht und Charakter und über das Rasseproblem anzuführen, welche Besprechungen meine Beweisführungen vervollständigen sollen. Man könnte eine Geschichte der römischen Kaiser allein mit Hilfe ihrer Bildwerke, Münzen und Gemmen schreiben. Denn das war eine ganz hervorragende Eigenleistung der Römer, ihre Bildnisse (Skulpturen, Münzen und Gemmen) wahrheitsgetreu zu gestalten. Man könnte einwenden, die antiken römischen Quellen seien wichtiger Ottokar Lorenz hat in seinem Werk: „Die Geschichtswissenschaft in Hauptrichtungen und Aufgaben", 2. Band (Berlin 1891), S. 217, dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß in 50 Jahren sicher einmal die Geschichte mehr die Porträtsammlung und die Stammbäume studieren werde.
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als die Skulpturen und Münzen, das heißt, was ich auch beweisen kann, daß die Quellen wertvoll sind, weil nämlich die Bildnisse meist mit denselben übereinstimmen. Den Körperbau werde ich diesmal auch zu dem Charakter der zu besprechenden Persönlichkeiten in Beziehung setzen.
Körperbau und Charakter. Als Grundlage hierzu dienen mir die beiden hervorragenden Werke von Prof. Kretschmer: „Körperbau und Charakter" und von Prof. Liepmann: „Gynäkologische Psychotherapie". Kretschmer teilt die ganze Menschheit in zwei Gruppen; in Zyklothyme und Schizothyme, entsprechend den beiden Formenkreisen des manischdepressiven Irreseins und des Jugendirreseins. Die Manisch-Depressiven sind erregt, heiter oder verstimmt, ideenflüchtig und gemütvoll, andere Symptome lasse ich, um nicht zu komplizieren, weg. Die Jugendirren zeigen gemütliche Verblödung und Verschrobenheit, neben anderen, hier nicht näher zu erörternden Krankheitszeichen, Nun gibt es von diesen Formenkreisen fließende Übergänge bis zur Norm. Der Manisch-Depressive ist meist Pykniker, hat mit reichlichem Fettansatz einhergehenden Habitus und ist meist bei guten, gemütlichen Anlagen Tatenmensch. Der dem anderen Formenkreis Angehörige ist bizarr, vielleicht genial oder genialisch, zeigt eventuell Abnormitäten im Geschlechtsleben und stellt vielleicht den Typus des Herrenmenschen oder kalten Despoten dar. Vielfach sind die beiden Typen gemischt. Die praktische Anwendung dieser Probleme findet auf folgende Weise statt.
Meine Arbeitsmethode. Damit man sehe, wie ich zu meinen für die Altertumswissenschaft jedenfalls nützlichen, wenn nicht überraschenden Resultaten gelange, möchte ich folgendes erwähnen: Unsere Anstalt ist fast die einzige Irrenanstalt Deutschlands, mit der ein Kreiskrankenhaus verbunden ist. Die Tätigkeit in demselben bewahrt den Psychiater, dessen Arbeit manchmal unberechtigter- und unnötig gehässigerweise als das Sezieren des seelischen Organismus gedeutet wird, vor Einseitigkeit. Diese schwindet vollends, da sich hierselbst auch
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eine der größten thüringischen Zentralen für psychopathische Mädchen und Kinder befindet und ein Haus für erziehbare schwachsinnige Kinder (Martinshaus). Mein Chef, Herr Obermedizinalrat Friedel *), war nicht bloß ein hervorragender Psychiater, sondern auch ein guter Chirurg und überhaupt ganzer Arzt. Er erwartete von uns Ärzten, daß wir, wenn wir beispielsweise ein psychopathisches Mädchen (meist gefallenes Mädchen) oder Kind aufgenommen hatten und nun die Krankengeschichten schrieben, dann auch die Gesichtszüge des betreffenden Individuums nach seelischen und moralischen Qualitäten ausdeuteten, in welcher Kunst er ein Meister war. Natürlich ist es schwer, den Charakter und den Grad des Intellekts eines Menschen aus den Gesichtszügen zu deuten, wenn man die Anamnese des Betreffenden nicht kennt! Deshalb ist es auch schwierig, Bildnisse auszudeuten, deren Vorgeschichte man nicht kennt. Nun besitze ich ja aber die vorgeschichtlichen Angaben der Kranken und lasse sie auch erst rechnen und erforsche ihren Verstand; auf Grund dieser Vorarbeiten gehe ich nun an die Ausdeutung der Gesichtszüge heran. Natürlich fällt das Resultat etwas subjektiv, in der Hauptsache aber objektiv aus; es kommt ein guter Mittelwert heraus, der für die Praxis wohl brauchbar ist. Warum soll man nicht ebenso mit den römischen Kaisern verfahren dürfen? Ihre Anamnese (Charakter und Intelligenz) kenne ich aus den Schriftstellern der Alten. Ich lasse sie also so Revue passieren, als wenn sie bei mir in der Sprechstunde wären. Auch dies gibt einen praktischen Mittelwert, der freilich auch nicht ganz frei von Subjektivismus ist. Man wird natürlich versuchen, bei der seelischen Erforschung der Bilder die Vorgeschichte möglichst außer acht zu lassen, und man bekommt auch allmählich Übung in solchen Forschungen. Die Vorgeschichte vor der Untersuchung zu kennen, ist nur nötig bei Fällen, in denen es zweifelhaft ist, ob Beschränktheit vorliegt oder nicht. Den ausgeprägten Schwachsinn erkennt man ebenso leicht wie intelligente Züge. Neulich habe ich bei Herrn Dr. med. et phil. Kanngießer in Braunfels bei Wetzlar, den ich besuchte, die Bilder seiner Verwandten und Freunde, die an den Wänden seines Museums hängen, psychoanalysiert, ohne ihre Anamnese zu kennen, und trotzdem vielmals das Richtige getroffen. In Stadti
) Inzwischen verstorben.
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roda nehme ich auch bei jedem Patienten den Körperbau auf und ziehe meine Schlüsse. Man wird nun hoffentlich nicht über mich herfallen und sagen, nun sieht man ja, er liest fast alles hinein. Als Gegenargument möchte ich aber erwähnen, daß ich gefunden habe, daß an Skulpturen und Münzen von Caligula, Commodus und Geta Schwachsinn zu sehen ist, während das die alten Schriftsteller nicht eindeutig berichten, ferner, daß ich das Bildnis des L. Verus besser finde als den Bericht über ihn, daß ich also manchmal mehr bzw. etwas anderes sehe, als die Berichte erkennen lassen, was für die Objektivität meiner Arbeit spricht.
Die geistesgesunden Cäsaren. Bevor ich meine Bildbeschreibungen beginne, muß ich noch auf folgendes aufmerksam machen: die Beschreibung der Charaktere der römischen Kaiser soll etwas Endgültiges sein, insoweit ein menschliches Werk endgültig sein kann. Ich erinnere in der Beziehung an das ausgezeichnete Buch des Altmeisters deutscher Psychiatrie, an das Lehrbuch der Psychiatrie Kräplins, der trotz seines kapitalen Werkes doch von Zeit zu Zeit Verbesserungen desselben gebracht hat. Zu dem Problem „Körperbau und Charakter" möchte ich erwähnen, daß ich einen muskulösen Typ einführe, einen solchen, der zwischen der asthenischen und athletischen Klasse Kretschmers liegt und den Kolle 1 ) asthenisch-athletisch nennt. Keineswegs will ich Kretschmers glänzende Theorien verbessern, sondern mein Tun ist bedingt dadurch, wie die antiken Bildhauer die Kaiser und ihre Angehörigen dargestellt haben. Das Majestätische der kaiserlichen Persönlichkeit glaubten sie offenbar dadurch am besten auszudrücken, daß sie die Muskulatur, namentlich von Beinen und Armen, manchmal in leicht übertreibender Weise darstellten. Da nun pyknisch veranlagte Menschen nicht ausgesprochen muskulös zu sein pflegen (Goethes Mutter, Luther), schlägt meine Kategorie ins Schizoide. Und mit Recht. Denn das Schizoide überwiegt ja auch wie bei den Geisteskranken, so bei der Allgemeinheit. Sehr richtig hat Kretschmer betont, man müsse bei den Studien über Körperbau 1 ) Kolle, Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Körperbauuntersuchungen an Schizophrenen, Bd. 75, Heft 1. Kretschmer spricht von „asthenischathletisch gemischt".
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und Charakter intuitiv vorgehen, sollte dabei nicht zuviel messen. Ich habe mir hunderte von Menschen in Versammlungen, auf den Eisenbahnen, in Wartesälen usw. angesehen und habe Kretschmers Lehre bestätigt gefunden, ich maß mit dem Auge, und das schien in vielen Fällen zu genügen. Übrigens habe ich mit Herrn Dr. Kolle aus der psychiatrischen Klinik in Jena 1 ) unsere männlichen Geisteskranken vermessen. Bei dieser Lehre muß man großzügig vorgehen. Daß die römischen Kaiserskulpturen und Münzen den Quellen parallel gehen, habe ich auch erst an einigen Beispielen intuitiv erkannt. Natürlich sind Mischtypen häufig, was Kretschmer auch zugibt. Ganz konsequent haben mich meine psychiatrischen Studien auf die Suche nach Geschichtsquellen gebracht, weil die Quellen zum Teil unsicher schienen und für die Diagnosen nicht ausreichten. Nach diesen Erörterungen beginne ich mit den Bildbeschreibungen. Wir fangen bei Julius Cäsar an (ermordet 44 v. Chr.) und besprechen zunächst die Münzen 2 ) (lauter Silbermünzen). Der Kopf Cäsars zeigt auf den drei ersten Abbildungen eine wenig schöne Nase und eine ziemlich steile Stirn, das erste Bildnis die Andeutung einer Stirnfalte, das zweite auch, das dritte mit einem Priesterschleier bedeckt, eine vertiefte Nasenlippenfalte. Dieses, sowie die beiden folgenden Bildnisse, verraten Ernst, Das letzte Bildnis zeigt mehr Schönheit und entspricht, wie wir weiter unten sehen werden, der bekannten Berliner Basaltbüste. Der Kopf Cäsars ist im ganzen gut mittelgroß, der Lorbeerkranz, der überall den Scheitel umgibt, soll von ihm erfunden sein, um die Blöße seines Haupthaares zu bedecken. Das Porträt spricht überall für einen bedeutenden Mann. Alle Cäsarmünzen sind in seinem Todesjahre geprägt worden. Ein Winkelprofil ist bei den beiden letzten Münzen angedeutet. Nun gelangen wir zu den Skulpturen Cäsars, Cäsar I. Es handelt sich um eine Büste aus dem Capitolinischen Museum zu Rom, (Von Bernoulli angegeben Bd. I, S. 156, Nr, 4,) Der Kopf J ) Jetzt in Kiel. Ich beabsichtige in einiger Zeit mit meinem derzeitigen Chef, Herrn Professor Dr. Walter Jacobi, Kranke unserer Anstalt zu vermessen. -') Bei den Münzen bedeutet der erste Buchstabe die Stadt (Münzmuseum), aus der sie stammt, der zweite die Art des Metalls, B = Berlin, D = Dresden, M = München; B = Bronze, G = Gold, K = Kupfer, S = Silber.
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sieht etwas greisenhaft aus und kommt der berühmten Basaltbüste aus dem Berliner Museum ziemlich nahe. Die sogenannten Hofratsecken sind bei unserem Bildnis ausgeprägter, die Stirn höher als bei der Basaltbüste und so die ganze Kopfform nach oben schlanker. Die Pupillen sind nicht angedeutet, die Gesichtszüge und Falten bis auf die Krähenfüße fast dieselben wie bei der Basaltbüste, die Stirnfalten ausgeprägter, das Gesicht noch markierter. Das Antlitz ist weise und nicht ohne einen Zug von Wohlwollen. Cäsar II. Das Bildnis stammt aus dem Nationalmuseum in Neapel und zeigt muskulösen Typus, was wohl etwas geschmeichelt sein dürfte. Denn wenn auch Cäsar feldzugsgewöhnt und gestählt war, die Fallsucht setzte seinem Körper unweigerlich zu, und er war keiner von jenen Epileptikern, deren Körper sich auf Kosten des Geistes mehrte und stärkte. Das Muskulöse paßt zum schizothymen Kreis und der wieder gut zu Cäsars großer Begabung. Die Hände und besonders die Füße sind nicht klein, was der Natur abgelauscht sein dürfte. Der Kopf ist groß, fast von Wasserkopf ähnlichen Dimensionen, größer als die beiden vorher erwähnten Köpfe, er spricht von einem bedeutenden Mann mit reifen Zügen und Wohlwollen. Das Schwert steht ihm deshalb nicht sehr gut, weil er seine Schärfe nur gegen den äußeren Feind benutzt hat, was seinen Untergang herbeiführte L). Cäsar III. (Nach Bernoulli, Buch I, Fig. 21, aus dem Konservatorenpalast in Rom.) Von diesem Cäsarstandbilde gilt fast dasselbe wie von dem vorigen, es zeigt muskuläre Form, die ich als höfische Übertreibung ansehe; der Hals ist wie bei dem vorigen Bildnis etwas breiter und v. Ranke, Weltgeschichte III, S. 3: Das Kaisertum trug seinen Namen von Julius Cäsar, der die Grundlage geschaffen, aber in dem Augenblicke, als er weitergreifen wollte oder doch zu wollen schien, den Untergang über sich hereingezogen hatte. — Plutarch, Cajus Julius Cäsar, 57: Die Römer widmeten, wie es scheint mit gutem Grunde, der Göttin d e m e n t i a (Gnade) einen Tempel, aus Dankbarkeit für seine Güte und Sanftmut, da er vielen, die gegen ihn die Waffen geführt hatten, verzieh usw.
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muskulöser als bei den beiden erwähnten Büsten. Der Gesichtsausdruck ist derselbe wie beim Standbild aus dem Neapeler Nationalmuseum. Das Ohr ist bei allen Rundbildnissen groß. Ein Winkelprofil ist bei der Basaltbüste und bei einigen Münzen angedeutet. Das paßt auch zum schizothymen Typus, wie das auch dem historischen Bild entspricht: geniale Pläne, großer Verstand, sexuelle Extravaganzen und rücksichtsloses Losschlagen auf der einen, neben jovialem, bis zur Empfindsamkeit gutmütigem Wesen auf der anderen Seite. Wird man da nicht an Tiberius und an Friedrich den Großen erinnert? Zusammenfassend möchte ich bemerken, daß die Cäsarbildnisse, sowohl Münzen als auch Skulpturen, unter sich relativ treu sind, daß aber auch die Skulpturen einigermaßen zu den Münzen passen. Die relative Treue des Cäsarbildnisses ist hiermit erwiesen. Heckler machte auf die Verschiedenheit der Rundbildnisse Cäsars aufmerksam; steht es mit den Bildnissen der Genies Goethe und Schiller anders? Antonius (f 30 v. Chr.). Sein Erbe trat zunächst Antonius an. Von ihm veröffentliche ich folgende sechs Münzen: Auf den Porträts derselben kann man gut den Werdegang des Machthabers verfolgen. Das erste Bildnis zeigt ihn fast noch kindlich, das zweite schon mit Vollbartanflug, das dritte ernster und die drei letzten bekunden das ausgesprochene männliche Gesicht. Die letzte Münze ist als der bekannte ptolemäische Typus zu erkennen, die Rückseite dieser Münze stellt Kleopatra, die Königin von Ägypten, dar. Das ausgebildete Gesicht des Antonius spricht von seiner Energie, namentlich durch das prominente Kinn, das entsprechend dem allgemeinen Wachstum größer geworden ist. Der Hals ist bei den zwei letzten Münzen dicker, entsprechend der Völle des ganzen Gesichtes. Nicht zu verkennen ist, daß von dem letztgenannten Typus die erste und letzte Münze etwas, man kann sagen, Frivoles andeuten. Die drei letzten Münzen zeigen unverkennbar eine kraftvolle Persönlichkeit. Warum die jugendlichen Münzen mit den späteren zu vereinbaren sind? Die Kopfform aller Münzen ist groß, bei der dritten etwas weniger groß, der Gesichtsschnitt ist verschieden, entsprechend den Altersstufen, 13
später voller und markierter. Man kann sich ein Bild machen, trotz Verschiedenheit der Bildnisse. Die relative Treue derselben ist vorhanden. Daß sich Marc Anton auch Imperator III hat auf den Münzen nennen lassen, hierüber werden wir weiter unten hören. Bei der relativen Verschiedenheit einiger von diesen Münzen denke man an die Nuancen anderer Porträts. Daß verschiedene Altersstufen wiedergegeben wurden, zeigt gerade, daß man ähnliche Bildnisse wünschte. Nach Seneca 83. Brief habe Marc Anton nichts so zugrunde gerichtet als die Trunkenheit und die Liebe zu Kleopatra. Bei schlemmerhaftem Mahle ließ er sich nach ihm die Häupter der ersten Männer des Staates über die Tafel reichen, denn Grausamkeit sei immer im Gefolge der Völlerei. Das Erbe Cäsars ging nun auf den Großneffen Augustus über. Augustus (31 vor bis 14 nach Chr.). Zunächst beginne ich mit den Münzen: Der Kopf des Kaisers Augustus zeigt überall Energie und Verstand. Ein Winkelprofil ist an den drei ersten deutlich, an den zwei folgenden angedeutet. Der Kopf ist schön. Ausgenommen die letzte Münze, die einen unschönen, etwas verzerrten Typus zeigt. Ich habe diese Münze nur angeführt als Ausnahme, zwei ähnliche solche Münzen fand ich unter den Hunderten Augustusmünzen im Leipziger Münzmuseum. Diese Ausnahme soll beweisen, daß an Tausenden von Augustusmünzen der bekannte gute Typus vorhanden ist. Die beiden vorletzten Münzen lassen übrigens auch Wohlwollen ahnen. Unterstrichen wird die Bedeutung dieser Porträts dadurch, daß es sich meist um Goldmünzen handelt, weil solche selbstverständlich im ganzen feiner ausgeführt wurden (nach Delbrück). Die ersten drei Münzen zeigen die Andeutung eines Hochkopfes, die vierte hält die Mitte von einem mehr eckigen zu einem rundlichen Kopf, die beiden letzten Münzen repräsentieren mehr einen Rundkopf. Die Verschiedenheit der Kopfbildung beweist gar nichts gegen meine Ansichten, man bedenke doch die geistige Verschiedenheit der Künstler und daß Münzschneider in entfernten Provinzen vielleicht Augustus gar nicht sahen. 14
Nun folgen die Skulpturen. Augustus /., im Capitolinischen Museum, Salone Nr. 18, zu Rom, Muskulös (idealisierend), Kopf aufgesetzt, Hände ergänzt (nach Bernoulli Bd. II, S. 24, Nr. 3). Augustus II., ein Standbild, das sich in der Münchner Pinakothek befindet; auch muskulöser Typus. Sein Lichtbild stammt aus Furtwänglers Buch „100 Tafeln nach den Bildwerken der Kgl. Glyptothek zu München", München 1903. Augustus III., dieses Bildnis im Berliner Museum (Bernoulli Bd. II, S. 42, Nr. 87), asthenisch-muskulös, wie das Standbild aus der Villa der Livia. Augustus IV., stammt aus dem Nationalmuseum in Neapel. Idealisiert, muskulärer Typus (idealisierende Übertreibung). Daneben leicht pyknisch. Erzstatue aus Herculanum, 3. Bronzesaal, von Bernoulli angegeben Bd. II, S. 34, Nr. 39. Augustus V. (Louvre1) in Paris). Hier erscheint der Fuß etwas groß, das Gesicht sieht etwas leidend aus, dadurch noch ernster; das Standbild stellt den alternden, kränkelnden Fürsten dar. Lag Tuberkulose vor oder Marasmus senilis? Für letzteres würde die kurze Leidenszeit sprechen, gegen ersteres auch, daß, wenn ein Lungenleiden diagnostiziert worden wäre, dies von den Historikern wahrscheinlich gierig in ihre Schriften aufgenommen worden wäre. Allerdings verstand es wohl kein Hof besser als der seine, auch solches zu verschleiern. Asthenischer Habitus. Augustus VI., das berühmte Standbild, gefunden in der Villa der Livia in Primaporta, unweit Roms, das ich für das ähnlichste Bildnis des Augustus halte. Von Bernoulli angegeben (Bd. II, Taf. I). Zwar in mehrere Stücke zerbrochen gefunden, aber vollständig bis auf einige Finger und das Szepter, welche Tenerani ergänzt hat. Im Altertum wurden Erneuerungen vorgenommen, der Kopf ist aus einem besonderen Stück gearbeitet, gehört aber zweifellos zum Rumpf. Ich glaube, daß die Körperformen dieses Bildwerkes der Wahrheit entsprechen. Denn wenn auch der Kaiser öfters krank war, die Statue zeigt doch bloß mittlere Konstitution, die MuskuBildnis von Bernoulli Bd. II, S. 36, Nr. 53 beschrieben.
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latur kann nicht einmal als besonders kräftig bezeichnet werden. Alles ist schön: Kopf, Hals, Gestalt, Arme, Hände, Füße, die Füße weder klein noch groß. Die Konstitution möchte ich mit asthenischmuskulös bezeichnen. Der ernste Führer des Volkes ist deutlich. Das Schizomuskuläre paßt auf seine an Genialität grenzende Begabung und auf seine Tatkraft. Augustus VII., im Vatikanischen Museum in Rom als Pontifex Maximus. Muskulös. Bernoulli Bd. II, S. 31, Nr. 18. Augustus VIII., ist eine Skulptur, die im Herculanum gefunden wurde und angeblich im Nationalmuseum in Neapel steht'); es handelt sich um eine Kolossalfigur des Kaisers. Sie hat große Hände und Füße, die Körperform ist beinahe athletisch-pyknisch. Das Pyknische ist recht deutlich (frauenhafte Brüste), der Ausdruck energisch und klug, welche Züge durch alle Skulpturen gehen. Augustus als Pontifex zeigt auch Wohlwollen an. Unser Bildnis spricht am meisten von den hier angeführten, von einer gewissen Rücksichtslosigkeit, die dem historischen Augustus eigen war. Jedenfalls dürfte klar sein, daß der Gesichtsausdruck überall völlig der Geschichte entspricht, der Körperbau im ganzen, von der heroisierenden Übertreibung abgesehen, auch. Der Charakter konnte im allgemeinen mit den Körperbauformen in Einklang gebracht werden. Wir haben also gesehen, daß die Münzen und Skulpturen des Augustus sich decken, so daß die Treue des Augustusporträts erwiesen ist, denn ich habe Hunderte von Münzen desselben angesehen und viele Rundporträts veröffentlicht. Kaiser Augustus war einer der weisesten Herrscher, vielleicht der weiseste, den es gegeben hat. Das Weltreich ließ sich wegen der widerstrebenden Parteiungen nicht mehr in Form eines Stadtparlaments regieren. Das erkannt und die Einherrschaft durchgeführt zu haben, ist sein großes Verdienst. Man wird beim Betrachten seiner Geschichte an den deutschen Kaiser Wilhelm I. erinnert, der ebenso volkstümlich und durch seine Tugenden ebenso vorbildlich war, dazu ebenfalls Reichsgründer. Beide konnten nur mit gewaltigen Paladinen das neue Reich schaffen. Auch mit Napoleon I. ist Augustus 1 ) Nach Bernoulli in Villa Albani, nach ihm der Kopf aufgesetzt und ein schlechtes Bildnis. Es fehle die breite Stirn (?) und der charakteristische Zug um die Brauen (Bernoulli Bd. II, S. 32, Nr. 22).
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Caesar B. S.
Antonius B. G.
Augustus B. G.
Caesar B. S.
Antonius B. S.
Caesar B. S.
Antonius B. S.
Augustus B. G.
Caesar B. S.
Antonius B. S.
Augustus B. G.
Augustus B. G.
Antonius B. S.
Augustus D. S.
Caesar B. S.
Antonius B. S.
Augustus B. G.
verglichen worden. Doch was die Dauer der Erfolge anlangt, steht Kaiser Wilhelm Augustus näher. Das Kaisertum ist ja zwar in Deutschland nicht mehr, aber das Reich ist doch geblieben. Was des Augustus moralische Qualitäten anlangt, so ist zu bemerken, daß er zeitweise hart, ja grausam war; man könnte dabei an ein epileptisches Äquivalent denken. Ich bin jetzt doch der Ansicht geworden, daß man von dem Julischen Erbübel der Epilepsie zu sprechen Ursache hat (s. Kanngießer). Auch glaube ich, daß Augustus in der Schlacht bei Naulochos ein epileptisches Äquivalent (Petit mal) hatte, als er während derselben „bulbi protrusi" auf dem Verdeck seines Schiffes lag. So wird auch die Epilepsie bei Britannicus erklärlicher und werden die epileptischen Äquivalente bei Claudius und Nero, die man vielleicht annehmen kann, worüber wir weiter unten mehr hören werden, verständlicher. Bei einem Ohnmachtsanfall pflegen die Augenlider geschlossen zu werden, bei Fallsucht die Augen offen zu stehen im Anfall. Augustus wegen dieses einen geschichtlich beglaubigten Anfalls für epileptisch zu erklären, hat sein Mißliches. Sein Dreinschlagen J ) zur Zeit der Bürgerkriege dürfte wohl einer geschichtlichen Notwendigkeit gleichgekommen sein, später war er mit wenigen Ausnahmen milde 2 ) und leutselig. Wenn man freilich bedenkt, daß Ca jus Julius Cäsar trotz seiner mutmaßlichen Fallsucht, die ihn aber nicht zum Geisteskranken stempelte, am Ende seiner ereignisreichen Laufbahn im höchsten Grade milde auftrat, was schließlich seinen Untergang herbeiführte, indem er das römische Volk, namentlich die Senatoren, zu hoch einschätzte, so sehen wir also hier wieder Gleiches bei den beiden Verwandten und könnten allerdings daran denken, auch in Augustus einen Epileptiker zu sehen. Nun darf man freilich nicht vergessen, daß Cäsar sowohl wie Augustus in so bewegten Zeitläuften als Feldherren und Machthaber sehr wohl entschuldigterweise ihr scharfes Schwert zeitweise in die Wagschale werfen konnten, so daß sich solche Handlungen ganz normal und in römischem Geist vollzogen. Wenn Augustus Sueton, Lebensbeschreibungen, Augustus, 15: Nach der Einnahme von Perusia lies er die meisten Gefangenen töten. 2)
Von seiner M i l d e und seinem leutseligen Betragen hat man mannigfache
Beweise, Sueton II, 51.
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seine Tochter Julia x ) verbannte und trotz „Volkesstimme" (vox populi vox dei) nicht aus ihrer unwürdigen Lage befreite, so kann man auch dieses 2 ) verstehen und mit der Staatsräson erklären; der Staat galt ihm mehr als sein Haus — das sah man auch daran, daß er unbegreiflicherweise die scheußlichen Skandalgeschichten der eigenen Familie selbst im Senat vorlas, wo er allen Grund hatte, die Tradition des beginnenden Cäsarenhauses schonend zu behandeln, Das ist die alte Erfahrung, daß große Männer manchmal Unvorsichtigkeiten begehen, wie es selbst Napoleon ging, der manchen seiner Fehler zugegeben hat. Die Nichtbegnadigung der Julia war um so auffallender, als sie schließlich den Hang zur Sinnlichkeit ihm und ihrer Mutter Scribonia verdankte und er nichts weniger als sexuell sittlich war. Man entschuldigte letzteres mit politischen Motiven, er habe die Frauen 8 ) der Großen aushorchen wollen. Er hat eben das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Wenn er dann trotzdem Gesetze gegen die Unsittlichkeit gab, so kann man nur sagen, zwei Seelen lebten, ach, in seiner Brust und quod licet Jovi non licet bovi. Der Kaiser war ein gewaltiger Mensch und fühlte sich als solcher selbst erhaben über menschliche Gesetze. Daß er ein goldenes Zeitalter herbeigeführt hat trotz allem, gereicht ihm zur Ehre und zeigt, was doch in diesem Mann und im römischen Volk steckte. Nach gewonnenen Kriegen pflegen Dichter zu singen, die Wissenschaften zu blühen, Keine Regel ohne Ausnahme: Man denke an Deutschland nach dem Dreißigjährigen Kriege und zur Zeit Napoleons I. — Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Augustus den 3 ) v. Hentig deutet an, daß Augustus Incest an seiner Tochter J u l i a begangen hat. Dann wäre aber die spätere Behandlung durch Augustus noch unerklärlicher. Er handelte wie ein strenger Römer der Vorzeit. 2 ) Sueton schreibt Bd. II, S. 65 von Augustus, daß er, wenn des Agrippa Postumus oder der J u l i a Name genannt wurde, tiefseufzend den griechischen Vers aussprach: „Wäre ich unverehelicht und kinderlos doch gestorben." 3 ) Sueton II, 69 gibt an, daß Augustus häufig Ehebruch getrieben habe, was selbst seine Freunde nicht in Abrede stellten. — Dio, Buch 53, 11 u. 12: So hatte er denn (scheinbar) an den Tag gelegt, wie sehr ihm daran liege, die Alleinherrschaft niederzulegen. Er hatte sich also auf diese Weise seine Herrschaft bestätigen lassen. — Dio, Buch 53, 16: Augustus wünschte Romulus genannt zu werden, bestand aber nicht darauf und wurde Augustus genannt, als ob er ein hehres, übermenschliches Wesen wäre.
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Befehl gegeben hat, den Agrippa Postumus umzubringen, wenn er stürbe. Bei sonst gezeigter Menschlichkeit gegen seine Verwandten kann man nur folgern, daß er die Minderwertigkeit dieses Cäsarensprossen voll erkannt hat, ja wir dürfen bei des Fürsten hohem Intellekt annehmen, daß er die ganze Schwere des Leidens des nachgeborenen Agrippa durchschaut hat, daß er intuitiv sah, daß es nicht bloß Psychopathie war, sondern eine Form des Entartungsirreseins. An den Nachfolgern sehen wir, wie weise Augustus handelte. An der kolossalen Realität der römischen Skulpturen erkennt man, daß die Römer intuitiv den größten Sinn für Psychologie besaßen. Bei der feindlichen Einstellung der Senatoren und anderer Kreise gegen seinen Stiefsohn Tiberius, der in das göttliche Geschlecht der Julier eingeschlichen schien, mußte damit gerechnet werden, daß bei Tiberius' Regierungsantritt, falls Agrippa postumus noch lebte, Volksaufstände zugunsten des letzteren stattfinden würden. Daß diese seine Rechnung stimmte, sah man aus der Geschichte des falschen Agrippa, die später eine Rolle spielte. Ich kann also Augustus wegen dieser Tat nicht anklagen, die Zeitverhältnisse erforderten sie. Es war ein anderes Zeitalter, noch kein christliches; wenn das später gegen die Dynastie ausgenutzt wurde, so geschah es bloß, um das Kaisertum anzuschwärzen, dessen manchmal notwendige und unnötige Auswüchse man sehr übel aufnahm, Augustus kann ich trotz der Ähnlichkeit mit Cäsar nicht schlechthin als Epileptiker bezeichnen. Möglicherweise bringen wiederzufindende alte Quellen (Livius?) Aufklärung, die vielleicht von anderen Anfällen des Fürsten zu berichten wüßten. Daß er mit solcher Härte den berühmten Dichter Ovid in der Verbannung zurückhielt, ja, an der Küste des Schwarzen Meeres, war auch nur der Ausfluß der klugen Staatsräson dieses Mannes. Für das Volk brauchte, wünschte er sittliche 5 ) Zustände, deshalb konnte er den der Dekadenz allzusehr schmeichelnden modernen Dichter nicht brauchen, wenn er auch 1 ) Dio, Buch 54, 16: Auf Ehelosigkeit setzte er für beide Geschlechter harte Strafen an, bestimmte dagegen Belohnungen auf Verheiratung und Kindererzielung. — Herr Professor H.Wolf sagt in seiner Weltgeschichte der Lüge, S. 73: Augustus suchte der Ehe- und Kinderlosigkeit entgegenzutreten. Aber in welchem Kontrast stand dazu das ehebrecherische Treiben in der kaiserlichen Familie selbst!
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selbst moralisch nicht viel besser war wie jener. Er war aber Fürst und jener nur Dichter, Ovid war auch der Kaisertochter zu nahe getreten, ebenso wie der Sohn des Antonius Antyllus, der deshalb sogar sein Leben lassen mußte, Augustus soll bei aller Milde der Nachstellung auch des geringsten Mannes nicht sicher gewesen sein. Was Wunder, wenn er Frauen der ersten Gesellschaft politisch verhörte, wenn Tiberius des Kaisers Leichenbegängnis durch Militär schützen mußte. Das Volk fühlte doch die verschleierte Monarchie hindurch und wurde durch republikanisch gesinnte Kreise aufgestachelt, Das römische Volk war zu konservativ, um sich so leicht einen Herren gefallen zu lassen. Wenn F e r r e r o d e r Ansicht ist, Augustus sei kein Monarch 2 ), nur Präsident der römischen Republik gewesen, so muß er das als Italiener und Historiker wohl am besten beurteilen können. Freilich blieben die republikanischen Formen erhalten, jedoch mit dem Unterschied, daß der Cäsar als princeps senatus auf erhöhtem prachtvollem Sessel zwischen den Konsuln seinen Platz im Senat einnahm, Augustus auch immer wieder gewählt wurde. Hatte der Präsident Wilson während des Krieges weniger Macht wie ein Kaiser? Augustus hat als Leiter des Staates auch Kriege geführt. Ich glaube, der Unterschied zwischen einem immer wieder gewählten Präsidenten und einem Kaiser dürfte um so weniger ins Gewicht fallen, als es Augustus durchzusetzen verstand, daß sein Stiefsohn sein Nachfolger wurde. Die sehr beachtlichen Ausführungen von Ferrero über diese Angelegenheit scheinen mir aber nicht genügend zu erwähnen, daß sich doch wie ein roter Faden durch die Geschichte des späteren Augustus das Bestreben zieht, eine Dynastie zu gründen, wenn dies auch in sehr verschleierter Form geschah. Erst sollte Agrippa Nachfolger sein, dann einer von dessen Söhnen, bis nur noch der gewaltige Stiefsohn Tiberius übrigblieb, dem er freilich wegen seiner eisernen Ferrero, Der neue Freistaat des Augustus, 1913, S. 5, über Augustus: Den man für gewöhnlich so grundlos als den ersten römischen Kaiser bezeichnet. 2 ) v. Ranke, Weltgeschichte III, S. 1: Das Prinzipat konnte sich nicht von den republikanischen Formen losreißen; Senat und Volk blieben immer mit gewissen Rechten bekleidet. Bury nennt die erste Kaiserherrschaft „Dyarchy", Zweiherrschaft, und die Position der ersten Kaiser „constutional". History of the Laster Roman Empire, Bd. I, S. 5, oben.
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Energie wohl nicht ganz getraut haben mag. Beide haben recht, Ferrero und die deutschen Historiker, man kann Augustus als Präsidenten der Republik einerseits und als Kaiser *) andererseits bezeichnen, jedenfalls War die alte Verfassung umgestoßen. Das Betonen der traditionellen Momente durch Augustus, der von ihm eingesetzte Kultus Julius Cäsars, sein Bestreben, die Glieder seiner Familie in die höchsten Staatsämter zu bringen, wenn auch nicht schon zu ungesetzlichen Zeiten, gibt doch zu denken. Siehe weiter unten die Umschriften auf den Münzen aus augusteischer Zeit. Der Historiker Dessau hält Augustus für einen Kaiser. Agrippa2) (f 12 v. Chr.). Ein weiterer bedeutender Mann aus der werdenden Kaiserzeit war Agrippa (f 12 v, Chr.). Wir besprechen diesmal bloß eine Büste desselben, da ich wegen des ungeheueren vorliegenden Materials mir in diesem Fall, wie in anderen, versagen mußte, Münzabgüsse machen zu lassen. Die Büste stammt aus dem Capitolinischen Museum in Rom, und zwar aus dem Philosophenzimmer (Nr. 16). Sie ist in doppelter Lebensgröße angefertigt, Der Kopf ist weniger Dio erwähnt Buch 52, 18: Mein gewiß begründeter Rat, dem Staat eine monarchische Verfassung zu geben, ist nicht neu; er möchte sich nicht in Gefahr setzen, wenn er sich der Herrschaft begebe, von wem werde er Schonung erwarten, wie sei es Pompejus gegangen (so sprach Maecenas zu Augustus). — Nach Josephus, Antt. Ind. X I X , 4, 3, war das Prinzipat eine Art Hegemonie, v. Ranke sagt Weltgeschichte III, S. 3: Diesen alten Unabhängigkeiten gegenüber (Senat, innere Autonomie der griechischen Städte im Orient, Duldung der religiösen Kulte, republikanische Formen) bildete das Kaisertum keine eigentliche Monarchie, er nennt es wie Josephus, eine Art Hegemonie, deren Machteinfluß hinreichte, um jedes Widerstreben zu unterdrücken und welche die Idee der Gesamtheit repräsentierte. — v. Ranke, Weltgeschichte III, S. 7: Glorreich und prächtig ist die Schilderung, die Augustus in dem Monumentum Aucyranum (Corpus inscript. lat. III, 2, p, 773 ff.) von dem Erfolg seiner Kriegstaten entwirft: Ausdehnung des Reiches bis an den Atlantischen Ozean und bis zur Elbe, andererseits bis Äthiopien und Arabien (Tab. V u. V I ) . — Ich möchte noch erwähnen, daß er im Seeräuberkrieg gegen Sextus Pompejus ungefähr 30 000 Sklaven, die er gefangennahm, ihren Herrn zur Kreuzigung übergab. Die Schilderung seiner Taten zeigt, daß er, wie kaum ein zweiter Mann, an der Spitze eines Staates gefeiert wurde und wie er nur als primus inter pares (Reichspräsident) gelten wollte, um dem Schicksal Julius Cäsars zu entgehen. (Die Taten des Kaisers Augustus, von ihm selbst erzählt. Mon. Ancyranum Dr. Willing.) -) Dio, Buch 54, 29: Der beste Mann seiner Zeit.
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gerundet wie sonst, nach oben schmaler. Die Augenbrauen sind an der Nasenwurzel mehr nach abwärts gewölbt, ihre Muskeln nicht überhängend, Stirn und Wangen sind durchfurcht. Krähenfüße. Nicht der finstere Trotz. Bernoulli zweifelt sehr (Bernoulli I, S. 261). Es ist trotzdem ein Bildnis des Agrippa. Der Ausdruck verrät Verstand und Nachdenklichkeit, die durch Stirnfalten und Gesichtsfurchen noch unterstrichen wird. Die gewaltigen Augenbögen sprechen für Kraft. Sogar das leicht Traurige fehlt nicht; ein Zug von Härte, der den Münzen manchmal eigen ist, ist dagegen nicht zu erkennen. Hierauf eine Statue seines Sohnes (von Bernoulli angegeben). Der Kopf der Statue des Sohnes des Agrippa ist aufgesetzt, paßt aber in seiner Kolossalität, bei der Kürze des Halses und der gedrungenen, beinah athletischen Bauart des Körpers ganz gut zum Torso. Das Antlitz ähnelt Agrippa, namentlich in der Augen-, Nasen-, Mund- und Kinnpartie. Freilich ähnelt es auch Caligula VI. (Band II). Dagegen, daß doch Caligula gemeint sein könnte, spricht, daß bei Caligula VI. die Innervation des linken Mundfaziales leicht gestört ist, d, h, der linke Mundwinkel hängt etwas herab, während bei unserer Statue umgekehrt der rechte Mundwinkel leicht herabhängt, so daß der Mund diesmal in anderer Richtung leicht schief steht. Der Marschallstab in der Rechten spricht dafür, daß ein kaiserlicher Prinz dargestellt ist, und zwar ein solcher, der sich einer gewissen Aktivität erfreut. — Die beiden frühe verstorbenen Söhne des Agrippa scheinen nicht untüchtig gewesen zu sein, wenn sie auch durch ihr Verhalten Augustus mißfielen. Prinz Cajus (f 4 n. Chr.), der Verfolger des Tiberius, dürfte der Dargestellte sein. Prinz Lucius starb in der Pubertät an einer nicht bekannten Krankheit. Die Augen sind etwas klein und wie zusammengekniffen, die Ohren sind groß, der Kopf gewaltig. Der Prinz, in militärischer Pose vorm Heere stehend, spricht offenbar zu demselben. Die Körperform ist beinah athletisch 1 ). Körper und Extremitäten sind schön, die Haltung 1
) W e n n beim Anlegen der Hände an den K ö r p e r eine Dreiecksform des K ö r -
pers resultiert, dessen Spitze unten und Basis in den Schultern zu suchen ist, sprechen wir von athletischer Konstitution,
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königlich. Prinz Ca jus gehört also dem schizothymen Kreis an: verschroben oder an Genialität streifend und Tatenmensch (Verfolgung des Tiberius, Beteiligung am Kriege). Nach einer infolge eigener Unvorsichtigkeit im Feldzug empfangenen Wunde wollte sich Prinz Cajus, weil er geistig und körperlich geschwächt war (er litt nach v. Hentig an Schizophrenie) ins Privatleben zurückziehen, starb aber schon auf der Reise nach Italien in Limyra. Eine Verwandte des Cäsarenhauses war die Frau des Augustus, Livia (f 29 n. Chr.). Wir betrachten das Standbild der Kaiserin aus dem Louvre, das auch Bernoulli beschreibt (Band II, S. 102), wo sie als Ceres dargestellt ist. Wie ich schon nachgewiesen habe, gehören Kopf und Rumpf dieser herrlichen Statue zusammen. Deutlich ist die athletisch-pyknische Konstitution. Das entspricht ihren genialen Fähigkeiten und ihrer Tatkraft *). Eine gewisse Kälte eignet dem Bildnis. Die Kopfform ist eher hoch. Das Pyknische an ihr wird durch die Tatsache unterstrichen, daß sie zwei Kinder und eine Fehlgeburt (von Augustus) hatte; sie hat schlanke aristokratische Finger, der Fuß ist scheinbar nicht klein. Dies entspricht ihrem Bestreben, nicht auf kleinem Fuße leben zu wollen. Ob sie grausam war, wie Tacitus vermutet, läßt sich aus diesem und anderen Porträts nicht schließen, jedenfalls dürfte sie aber sehr intrigant und sehr herrschsüchtig gewesen sein. Sie wird wohl zu weltklug gewesen sein, um kaiserliche Prinzen verschwinden zu machen, höchstens ist sie am Tod des Agrippa Postumus mit schuld, was aber verzeihlich gewesen wäre. Sie lebte in einer harten Zeit, das muß berücksichtigt werden. Da sie auch nach Augustus' Tode, wie Agrippina II. nach Claudius' Tode, noch herrschen wollte, geriet sie mit ihrem Sohn Tiberius auseinander. Der kluge Augustus beriet die größten Staatsgeheimnisse mit ihr und bereitete sich hierauf sogar schriftlich vor. Des Augustus Ausschweifungen übersah sie mit großzügiger Gelassenheit. ' ) Die Pykniker pflegen auch tatkräftig zu sein (Luther, Goethes Mutter); siehe
Kretschmer,
Körperbau
und
Charakter.
Die
ruhig-gelassenen
Bäcker-
Fleischertypen gehören auch hierher, sie fallieren selten, werden im Gegenteil infolge ihrer ruhigen Tüchtigkeit meist wohlhabend.
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Ihr Enkel Germanicus sollte später, wenn nicht regieren, so doch eine große Rolle spielen. Germanicus
(f 19 n, Chr.).
Zunächst betrachten wir Germanicus I., die StatHe des Prinzen aus dem Louvre in Paris. Der Körperbau ist athletisch, der Kopf hoch, die Ohren sind groß, Hände und Füße kräftig. Der Palmbaumstumpf, an den er sich lehnt, soll wohl seine Beziehungen zum Orient, den er bereiste und beruhigen sollte, andeuten. Sehr wahrscheinlich spricht dies auch dafür, daß die Statue aus einer späteren Zeit stammt. Das Gesicht ist mittelenergisch und gutmütig. Die Herrscherattribute sollen den Thronprätendenten andeuten (Bernoulli I, S. 240, Nr. 7). Die schönste Germanicus-Statue ist die von Gabii im Louvre. Germanicus
II.
Diese Statue stammt aus dem Lateranischen Museum zu Rom. Körperbau muskulös-athletisch, Gesicht hier schöner, im Ausdruck weniger streng, sonst gleich; Kopfform etwa gleich. Auch hier leicht pyknische Mischung. Hände und Füße wie bei voriger Statue: nach v. Hentig soll er wenig tatkräftiggewesen sein. Er meint vielleicht, weil er die günstige Gelegenheit, Tiberius vom Throne zu stoßen, ungenutzt ließ. Germanicus III. Ohr auch hier groß, Nase neu, Ausdruck durch senkrechte und wagrechte Stirnfalten besorgt, großartiger, Kinn voluminös. Geistig bedeutender, energischer Kopf. Kopfform wie früher. Die Büste steht im Kapitolinischen Museum in Rom, Die Münzen entsprechen im ganzen den Bildnissen, ebenso die Münzen der Livia ihren Bildnissen, wenn auch beide, namentlich die Münzen der letzteren, vielfach idealisiert sind. Wir sprechen nun von seiner Frau, ) Nach Sueton, Leben des Caligula, 5 u. 7: Bezeigten sogar auswärtige Könige ihre Trauer beim Tode des Germanicus, Tempel wurden mit Steinen beworfen, Altäre umgestürzt. Agrippina hatte neun Kinder von ihm. Ein gestorbener Sohn war so schön, daß Augustus sein Bildnis in seinem Schlafzimmer aufstellte und küßte, sobald er hereintrat. 1
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Agrippina
I. (f 33).
Zwei Münzen der Agrippina beschäftigen uns nunmehr. Die Bronzemünze zeugt von Ernst und Schönheit, der Hals ist in der Gegend des Kehlkopfes kaum vorgebuchtet. Die Silbermünze zeigt auch den ziemlich großen, etwas hohen Kopf, das Gesicht weniger schön, das Kinn größer. Der Ausdruck ist auf der Silbermünze weniger energisch; die Münzen sind sich ähnlich, der Hals ist bei beiden schlank, auf der zweiten Münze vorn gerade. Das Standbild der Agrippina, das sich im Lateranischen Museum zu Rom befindet, soll nun besprochen werden. Der Körper ist etwas ungeschlacht (Füße auch), worauf schon als auf ein Erbteil ihres Vaters Agrippa hingewiesen worden ist 1 ). Das Gesicht ist schön und ernst zu nennen. Der Hals ist nicht vorgebuchtet. Agrippina war schizo-athletisch, exzentrisch und herrschsüchtig. Bernoulli bespricht die Statue (I, Taf. XIX). Natürlich ist sie als Rasseweib auch leicht pyknisch (Büste), Sie hat neun Kinder geboren, siehe unter Germanicus, Bernoulli will in diesem Standbild die jüngere Agrippina erkennen. Ihre Tochter war Agrippina II.2)
(jedenfalls 59 f ) .
Es handelt sich um die bekannte schöne Statue aus dem Vatikan in Rom, von Bernoulli erwähnt (II, S. 246). Die Kopfform ist hoch, der Kopf mehr massiv und dadurch an Claudierköpfe erinnernd, die Konstitution pyknisch-muskulös. Der Faltenwurf ist zu bewundern. Über Haar, Hände, Füße und Gewandung ist schon gesprochen, Sie war intrigant, kalt, despotisch, erinnert an Kleopatra; sie gilt als Mörderin des Claudius, wenn dies auch nicht erwiesen ist, sie war Mutter des schizophrenen Nero. Bernoulli zweifelt sehr und denkt eher an Agrippina I. ! ) Zweiter Teil, Seite 25. 2
) Dio, Buch 60, 3 2 : Sobald Agrippina Kaiserin war, ließ sie ihren Stiefsohn
Britannicus eine Erziehung geben, als ob er nicht zur Kaiserfamilie gehörte.
Den
Domitius (Nero) aber mußte Claudius erst zu seinem Tochtermann nehmen und sodann selbst adoptieren. —
Buch 60, 3 3 : Bei Agrippina wagte niemand
an-
zustoßen, da sie mehr M a c h t als selbst Claudius besaß und öffentlich Aufwartung annahm, was in den Staatsprotokollen angemerkt wurde.
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Ich habe versucht, die Rundbildnisse dieser Kaiserin mit denen ihrer Mutter auseinanderzuhalten, die Münzen zeigen Unterschiede zwischen beiden. Agrippina II. erscheint öfter im jugendlichen Alter, mit ihrem Sohne N e r o z u s a m m e n erscheint sie dann auch älter. Auf den Münzen, wo sie älter dargestellt ist, ähnelt sie der Mutter am meisten. Die Münzen der Kaiserin Agrippina: erst eine Goldmünze, dann eine Kupfer-, dann zwei Silbermünzen; der Hals ist bei dreien deutlich vorgebuchtet. Auf der ersten Münze sieht sie schön, auf der zweiten weniger schön und etwas grämlich aus, mit starker Nasen-Lippenfalte und noch einer Gesichtsfalte. Auf den beiden Münzen, auf denen sie mit dem jugendlichen Nero dargestellt ist, sieht sie majestätisch aus, auf der ersten ernster, auf der zweiten heiterer, auf dieser öffnet sie das Auge weit. Auf der letzten Münze erkennt man nichts, was an eine vergrößerte Schilddrüse denken lassen könnte, Die Münzen der Kaiserin ähneln den Gesichtszügen der Statue, namentlich auf der ersten Münze, wo sie mit Nero dargestellt ist. Wenn man auch sagen kann, die Bildnisse der Agrippina I., namentlich die Skulpturen, sind unsicher und mit denen der Agrippina II. nicht streng auseinanderzuhalten, so kann man das andererseits wenigstens sagen, daß die Münzen auseinanderzuhalten sind, aber auch nur, weil sie durch Umschrift legitimiert sind, so ähnlich sah die Tochter in vorgerückteren Jahren der Mutter. Da ich die Agrippinen nicht trennen konnte, kommt jetzt erst die Kaiserin Valeria Messalina
(f 48).
Ihre Büste aus dem Kapitolinischen Museum, Kaisersaal, zu Rom; Bernoulli beschreibt sie (II, S. 362 unten). Etwas stärker dekolletiert. Gesicht hat etwas Kurtisanenhaftes, kokette Haartracht. Übereinstimmung mit den griechischen Münzen. Die Nase ist angesetzt, die knöchernen Augenbögen sind nicht auffällig, aber deutlich entwickelt, sie sprechen im Verein mit dem kräftigen Kinn vielleicht für Energie. Schönheit und Intelligenz sind zu erraten. Dio, Buch 61, 13: Als die Kaiserin ihren Mörder kommen sah und seine Absicht ahnte, sprang sie vom Bett auf, zerriß ihr Kleid und entblößte ihren Unterleib, indem sie rief: „Durchbohre ihn, Anicet, durchbohr ihn, daß er einen Nero gebären konnte."
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Eine volle Unterlippe soll Sinnlichkeit anzeigen. Wenn auch der römische Künstler offenbar absichtlich das Kurtisanenhafte andeutete, so kann aus dem Antlitz doch nichts Böses weiter in der Hinsicht gefolgert werden. Man sagte ihr bekanntlich höchste Unsittlichkeit und wahren Heißhunger nach sinnlichen Genüssen nach, man erzählte sogar Einzelheiten, sie habe ihre Brüste vergolden lassen usw., nach v. Hentig sprächen solche ins Einzelne gehende Erzählungen (siehe seine Schrift über Tiberius) in sexuallibus für die Wahrhaftigkeit der Berichterstattung. Damit sagt er nur, was ich auch sage, daß wahrscheinlich die alten Texte viel wertvoller sind, als wir bis jetzt ahnen, und daß fast alles wahr ist, was man geschrieben hat, abgesehen von einzelnen senatorisch gefärbten Übertreibungen. Von ihr stammt der medizinische Ausdruck messalinisch, der bedeutet: höchste sexuelle libido, und der Ausdruck Mesalliance. Sie soll auch Justizmorde auf dem Gewissen haben. Wir glauben nach dem Vorhergehenden, daß dies wahr sein kann. Das etwas Weiche im Gesicht würde auch gut zum geschichtlichen Bericht passen. Denn sie ist unbesonnen in ihr Unglück gewissermaßen gestolpert und hat sich dann in diesem klein und keineswegs fest gezeigt. Heinrich Stadelmann hat neuerdings im Verlag von Paul Aretz, Dresden, zwei Bände über die Kaiserin erscheinen lassen. Ich habe hier einen Auszug aus dem Werk in der neuen Badischen Landeszeitung, Morgenausgabe Nr. 516, vor mir und muß gestehen, daß das Werk recht gut geschrieben zu sein scheint. Jedenfalls scheint er die erlauchte Hetäre in demselben Geist zu sehen wie ich und wie die alten Schriftsteller sie wollen lebendig machen. Sie hatte eine Tochter Octavia (f 62). Die Statue befindet sich im Lateranischen Museum. Bernoulli erwähnt das Standbild nicht. Vielleicht ist der rechte Arm falsch wieder hergestellt; es erscheint zwar richtig, daß sie zum Volk redend dargestellt werden soll, allein die Stellung des rechten Armes sieht ungeschickt aus. Von ihrem Vater hat sie das etwas dreieckige Gesicht, das sich nach unten verjüngt. Mit der Mutter hatte sie größere Ähnlichkeit wie mit dem Vater, von ihm aber 27
männliche Züge. Die großen abstehenden Ohren hatte sie von Claudius geerbt, die Mutter hatte nicht so große und mehr anliegende Ohren. Verkürzte Eiform des Gesichtes, Sie wird nicht gerade schön gewesen sein und war die typische asthenische Jungfrau, vielleicht auch kühl (intersexuelle Form Liepmanns), Gründe genug, daß sie für den feurigen Prinzen Nero nicht anziehend war. Das Gesicht ist nicht direkt schön zu nennen. Das Gewand, das sie anhat, ist auch typisch für sie und scheint ihre Weltflucht zu unterstreichen; sie ist förmlich wie eine Mumie schon bei Lebzeiten eingewickelt und kommt einem namentlich durch das Untergewand vestalisch vor. Sogar die nicht kleinen Füße — wohl väterliches Erbteil — werden zum Teil von der schleppenden Gewandung bedeckt, Besser konnte der Künstler diese jungfräuliche Dulderseele allerdings nicht darstellen. Sicher ist das alles dem Leben abgelauscht. Sogar die Stellung erscheint ohne Grazie. Vielleicht spricht sie zum Volk, als sie verbannt worden war, was einen Aufstand und ihren Tod im Gefolge hatte. Die Extremitäten scheinen auch leicht dysplastisch zu sein, namentlich die Arme, die Hände sind fein, aristokratisch, das Untergewand ist königlich. Die Faltung des Gewandes ist hervorragend schön gearbeitet x ). Die Münze der Octavia, die auf Münztafel 4 neben Nero abgebildet ist, zeigt kaum Andeutung von Winkelprofil, mittlere Intelligenz, kein direkt unangenehmes, aber ein beinahe unschönes Gesicht. Das angedeutete Winkelprofil paßt zum asthenischen Körperbau. Das Auge blickt nicht freudig. Die Münze kann man wohl mit der Statue in Einklang bringen. Neben die Statue der Kaiserin stelle ich die Kranke unserer Anstalt mit asthenischem Habitus, eine Jugendirre, die außerdem dysplastischen Körperbau zeigt. Man möchte die Ähnlichkeit der Körperbaue betrachten. Hierneben bringe ich das Profil derselben Kranken, die ein sehr deutliches Winkelprofil hat, das noch deutlicher ist als bei der Kaiserin. Ich mache auch auf die flachen Brüste aufmerksam, die gut zum asthenischen Körperbau passen. M a n wird mir natürlich entgegenhalten, die Statue sei nicht verbürgt, vielleicht gut erfunden; ich glaube sie erst richtig psychologisch begründet zu haben und halte sie für durchaus echt.
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Nun zu dem Problem Kaiser Vitellius
(Jan. bis Dez. 69).
Wir besprechen zunächst eine Goldmünze, Forder- und Rückseite, eine Bronzemünze in derselben Weise und eine Silbermünze. Charakteristisch ist, daß sich Vitellius auf keiner Münze Cäsar nennt, d. h,, daß er darauf verzichtet, seine Tradition direkt an das Cäsarenhaus anzuschließen. Dies dürfte einer der mannigfachen Beweise sein, daß er wirklich Fürst war, wirklich regiert hat. Sein Bildnis auf der ersten Münze zeigt Entschlossenheit. Sie scheint aus der ersten Zeit seiner Regierung zu stammen, sieht dem Kaiser Otho etwas ähnlich und zeigt erst Andeutung eines Doppelkinns, den Hals noch nicht so dick, mittlere Intelligenz. Auf der Rückseite sind zwei Kinder mit entsprechender Umschrift dargestellt, ein weiterer Beweis dafür, daß er geherrscht hat. Auf der Bronzemünze zeigt er, wie auf der Silbermünze, eine fliehende Stirn und einen kleinen Kopf, ferner eine Speckfalte im Nacken und ausgesprochenes Doppelkinn. Der Gesichtsaus druck ist bei beiden genannten Münzen nicht geistreich, sondern, wie man sagt, stur. Auf der ersten Münze ist die Stirn nicht ganz so fliehend dargestellt, denn sie bildet mit der Nase ziemlich eine Linie, Ein weiterer Beweis dafür, daß Vitellius wirklich auf dem römischen Kaiserthron saß, erhellt daraus, daß die Umschrift auf der Rückseite der Bronzemünze lautet: Concordia Augusti, Das soll heißen, daß nach den Wirren, die auf den Sturz des Cäsarischen Hauses folgten und mit der Thronerhebung Galbas und Othos begannen, Eintracht nötig war, die er glaubte dem römischen Volke gebracht zu haben. Der Ausdruck ist deshalb charakteristisch, weil auf den römischen Münzen derselbe dann erscheint*), wenn die Eintracht im kaiserlichen Hause gerade nicht groß ist, wie zum Beispiel später unter Caracalla, Man wünscht Eintracht, diese ist aber nicht vorhanden, weil der Thron erschüttert ist, Büste des Vitellius2). Diese steht im Kapitolinischen Museum, Kaiserzimmer, Nr, 20, und soll alt sein. „Er verbrachte sein Leben meist an den Höfen des 1
) Dasselbe sagt Professor Schulz-Leipzig. ) Tacitus, Historien, Buch 2, 60: Hierauf wurden die Kenturionen, welche die entschlossensten unter den Othonianern gewesen waren, hingerichtet. — Buch 2, s
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Tiberius, Caligula, des Claudius, des Nero und hatte sein Vermögen verpraßt. V. glänzte als Wagenlenker, Sänger, Schauspieler und Schlemmer und wußte sich daneben beim Volke beliebt zu machen." So schildert Bernoulli das Leben des Kaisers. Er führt diese Büste an (Bd. III, S. 14), zweifelt aber sehr an ihrer Echtheit; wir haben aber gesehen, daß der bedeutende Gelehrte auch manchmal zweifelt, wo es nicht nötig ist, was auch Delbrück zugibt. Die Kopfform stimmt nicht ganz zu den Münzen, die Stirn ist zu steil, die Kopfform zu quadratisch. Breite Schildform des Gesichts, Das Besorgliche ist durch die senkrechten und queren Stirnfalten, das Schlemmerhafte durch das Doppelkinn gut wiedergegeben. Der untere Teil der Nase scheint ergänzt zu sein. Das Ohrläppchen ist angewachsen (Degenerationszeichen). Der Hals ist dick, der Ausdruck kaum intelligent zu nennen und nähert sich so dem einiger Münzen, auf denen er direkt einen beschränkten Eindruck macht. Der Mund ist leicht schief, die Nasen-Lippenfalten sind verschieden. Vielleicht hat er einmal eine leichte Gehirnblutung gehabt, was bei seinem Leben nichts Auffallendes sein würde. Auch das Weiche, Unbestimmte der Gesichtszüge dürfte den Hofmann, politischen Jongleur und von Charakter entfernten Mann gut charakterisieren. Warum soll das Bildnis nicht echt sein? Gerade wenn auch die Stirnform den Münzen adäquater wäre, könnte man eher an eine spätere Nachahmung antiker Vorbilder denken. Es wäre sehr wichtig festzustellen, ob dieses Bildnis wirklich echt (alt) ist, weil einige Altertumsforscher glauben (wie Stückelberg, s, weiter unten), daß Vitellius vielleicht gar nicht als Kaiser regiert hat. Die Büste würde dem geschichtlichen Bericht nicht entgegen sein. Im großen ganzen stimmen die Münzen zu dem Bildwerk, das Nichtpassende ist schon angegeben. Wenn auch zugegeben werden muß, daß Vitellius eine Streitfrage ist, so scheint man sich doch wenigstens über seinen Charakter einig zu sein. Der Mund ist bei den Münzen nicht schief wiedergegeben. Dieser schiefe Mund J ) aber, der einen vorausgegangenen Schlaganfall bedeuten kann, 63: Doch ließ Vitellius, nach der Ankunft seines Bruders und durch die sich einschleichenden Lehrmeister des Despotismus hochfahrender und härter, Dolabella töten. 1 ) Der linke Mundwinkel hängt etwas herab.
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scheint mir bedeutend zu sein und vielleicht für die Wahrheit dieses Bildnisses zu zeugen, wenn man bedenkt, wie lebenswahr die Römer ihre Kaiser zu porträtieren pflegten. Sueton erwähnt in seinen Lebensbeschreibungen, Vitellius, 12, die Unzucht des Kaisers und seine Grausamkeit und Schwelgerei (13) '). Demnach zerteilte er die Mahlzeiten immer in drei, manchmal auch in vier Abschnitte, das Frühstück, die Vormahlzeit, die Hauptmahlzeit und das Gelage, und machte alle mit Leichtigkeit mit wegen seiner Übung im Erbrechen, Es folgen zwei Vertreter des Flavischen Hauses. Titus (79—81). Als Titus I, die Togastatue im Braccio Nuovo Nr, 26 des Vatikan, bei Bernoulli angegeben (Bd. III, Taf. XII). Kopf aufgesetzt, aber zugehörig, abgesehen von den Ohrrändern völlig erhalten, Kopf etwas zu groß, das erklärt Nibby dadurch, daß Kopf und Torso von verschiedenen Händen gemacht seien. Pykniker, Tête carée. Breite Schildform des Gesichts. Kopf schon beschrieben. Wunderbarer Faltenwurf der Toga, Der Körperbau zeigt rustikane Formen: große Hände und Füße. Tatenmensch. Er hat seinen Vater in Britannien herausgehauen, Jerusalem zerstört, das Kolosseum gebaut. Titus II. Neapel, Museum, erster Korridor links, von Bernoulli erwähnt (Bd. III, S.33, Nr. 12). Mit aufgesetztem, doch wohl zugehörigem Kopf, stammt aus Herculanum. Die Haare sind rötlich gefärbt. Der Hinterkopf ist ergänzt. Die Statue ist plumper wie die vorige gearbeitet. Das Schwert scheint darauf hinzudeuten, daß eine frühere Zeit des Titus, vielleicht seine Mitregentenzeit, gemeint ist, wo er es manchmal gebrauchte, oder eine noch frühere, die Feldherrenzeit, in der er siegte. Der Ausdruck ist weniger weise und gütig, aber nicht unedel ; Sueton, Lebensbeschreibungen, Vitellius, 13: Bei einer Mahlzeit ließ Vitellius Lebern von Lippfischen, Gehirne von Fasanen und Pfauen, Zungen von Rotfedern und Milcher von Muränen, welche man bis aus Parthien und der Spanischen Meerenge durch Schiffskapitäne und Dreiruderer hatte holen lassen, zu einer Speise mischen.
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er spricht wohl zum Heer. Das Auge ist groß, die Stirn zeigt Falten, Pyknische Konstitution, sogar die weiblich anmutenden Mammae, sind durch den Panzer hindurch sichtbar. Übrigens war diese feminine Gestaltung der männlichen Mammae dieser Kunstperiode eigen. Die stark hervortretende Vene am rechten Unterarm soll vielleicht andeuten, daß er Vollblut ist. Titus
III.
Museum Neapel, kolossale Herme, erster Korridor links, von Bernoulli beschrieben (Bd. III, S. 33, Nr, 13), Nase und Kinn ergänzt. Realistische und idealisierende Auffassung, Auffallend sind die Stirnhöcker (Augenknochenwülste), die für Energie sprechen. Das Doppelkinn ist an jedem Kopf deutlich, Titus
IV.
Kapitolinisches Museum, Kaiserzimmer, Nr, 22, von Bernoulli angegeben (Bd, III, S, 32, Nr, 1), Von diesem Bildnis sagte ein Kollege: „Wie ein jüdischer 1 ) Bankier," Titus
V.
Büstenzimmer des Vatikan, Nr, 280, von Bernoulli erwähnt (Bd, III, S. 32, Nr, 4), Vom Hals abwärts neu. Dieser ist überall kurz und dick, der Ausdruck überall fast gleich: edel. Allenthalben breite Schildform des Enface, Selbstverständlich sind die Rundbildnisse des Kaisers untereinander treu, sie stimmen auch durchaus mit den Münzen überein. Das Titusbildnis ist treu zu nennen. Der Kopf des Titus ist sehr groß, sein Umfang, schätzungsweise nach einem Bildnis berechnet, 58 bis 60 cm. Das bedeutet, wenn wir die bekannte Vorgeschichte in Anschlag bringen, Kapazität und viel Geist, Gesicht und Extremitäten zeugen davon, daß sein Geschlecht aus dem unteren Volk stammt, aus hartem Holz geschnitzt ist, wenn auch die Gesichtszüge, namentlich der Kopf des Vatikanischen Museums, der Güte nicht ermangeln. Der epglische Historiker Gibbon hat Vespasian übelgenommen, daß er hetzerische Demagogen hat hinrichten lassen, welche Tat dem Titus wohl nicht mit Unrecht zugeschrieben wird. Aber der Cäsarismus konnte es Titus hat die jüdische Fürstentochter Berenice geliebt.
32
Agrippina I. D. S. Agrippina I. D. B.
Agrippina II. G. G.
Vitellius D. G.
Agrippina II. G. K.
Kinder des Vitellius D. G.
Nero u. Agrippina II. G. S.
Vitellius B. B.
Vitellius G. S.
Nero u. Aprippina II. D. S.
Vitellius B. B.
sich schließlich nicht gefallen lassen, daß an den Grundstützen des Staates gerüttelt wurde, Gibbon hat recht, Titus hatte es aber auch. Das Geschlecht des Kaisers zeigte gerade durch seine körperliche Beschaffenheit, sozusagen seinen Bauernadel, daß es wohl zu Höherem berufen war. Der Aufstieg war in vollem Gange, nur wohl zu schnell vor sich gegangen. Die einfache Frau des Vespasian brachte noch nicht den Ausgleich. Bei Domitian wie Napoleon sieht man, daß sie wohl tüchtige Rasse sind, daß aber das Edelste fehlt (die Humanität). Joviales Wesen ist, was die Skulpturen anlangt, besonders an der Herme aus dem Nationalmuseum in Neapel zu erkennen. Etwas Interessantes möchte ich hier über die flavische Dynastie einflechten. Bekanntlich wird das Konstantinische Haus die zweite flavische Dynastie genannt. Nun ist mir aufgefallen, daß zwei bedeutende Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Häusern existieren, die allerdings sehr dafür sprechen, daß tatsächlich Blutsverwandtschaft zwischen ihnen besteht. Man betrachte die Büste des Constantius Chlorus (Kapitol, Saal der Imperatoren, Nr, 80), die Dury im 4. Band S. 625 abbildet, und vergleiche hiermit das Bildnis von Vespasian aus dem I. Teil meiner Cäsarenporträts (Tafel III, VIII); die Kopfform ist ähnlich, desgleichen Nase, Mund, Kinn (Doppelkinn), Ohren, Hals, sogar die geraden Stirnfalten sind beiden Büsten eigen. Solche auffallende Ähnlichkeiten dürften um so weniger auf Zufall beruhen, als man die Konstantiner auch Flavier nennt. Auch der ernste Ausdruck ist beiden Büsten gemein. Auch die manchmal harten Eigenschaften beider Häuser (Domitian, Konstantin der Große, zum Teil seine Söhne) stimmen gut zu der Annahme des verwandten Blutes. Ferner vergleiche man die Münze Constantius II,, die Dury Buch 5, S. 369 abbildet, mit Münze Domitian 3 in meinen Cäsarenporträts II. Teil, S. 30. Die Profile sind sehr ähnlich, namentlich Nase, Mund, Kinn, Hals; der Kopf des Constantius lädt hinten mehr aus, Domitian hat mehr Augenwulst. Das Haar des Constantius ist weitwellig, das des Domitian eher kraus. Das Haar und die oblonge Kopfform des ersteren lassen an germanische Blutmischung denken (Ähnlichkeit der Kopfform mit Magnentius, Decentius usw., Verwandtschaft mit Claudius Gothicus, der vielleicht germanischer 3
33
Blutmischung war). Man sollte alle Skulpturen 1 ) und Münzen der beiden flavischen Dynastien vergleichen. Wir gelangen zu der Tochter des Titus, der Prinzessin
Julia I. (f 91).
Die uns beschäftigende Statue stammt aus dem Vatikanischen Museum, wo sie im Braccio nuovo (Nr. 56) aufgestellt ist, von Bernoulli beschrieben (Bd. III, S. 49, Nr, 3). Sie ist mit Szepter und Opferschale dargestellt; wulstige, sehr ausladende Haartour, Diadem, Schopf ineinandergeflochtener Zöpfe. Die Zugehörigkeit des Kopfes zum Torso ist ganz unsicher. Die Hälfte der Nase ist ergänzt, die Oberlippe, wahrscheinlich auch das Kinn neu, Schöne Römerin. Muskulärer, beinah athletischer Körperbau, dabei pyknisch (Mammae), Gesichtsausdruck edel, ihrem Vater ähnlich, aber wenig ausdrucksvoll, nicht bedeutend, Hände und Füße nicht klein; dies entspricht ganz ihrer Abstammung aus ländlichen Verhältnissen und einfachen Kreisen (Mutter des Titus, die ehedem eine Freigelassene war, ihr Urgroßvater, der Vater des Kaisers Vespasian, der Steuerpächter war). Durch ihren scheußlichen Onkel Domitian ging sie ebenso königlich wie elend zugrunde. Jedenfalls spricht ihr sexueller Verkehr mit diesem Kaiser dafür, daß sie schön und anziehend gewesen sein wird. Vielleicht hat ja auch dieser Wüterich ihre Ehe absichtlich gestört, um ein Thronprätendententum durch ihren Mann und ihre Kinder zu verhindern. Prinzessin
Julia
II.
Eine Büste aus dem Nationalmuseum in Neapel. Bernoulli bildet sie ab auf Tafel XIII (Bd. III). Hier sieht sie durch ihre gebogene Nase fast etwas semitisch aus. Ein Teil der Nase scheint allerdings ergänzt zu sein. Das Ohr ist, wie bei allen Flaviern, groß. Bei den 1
) Der monumentale Kopf Konstantins des Großen, den Delbrück in seinen antiken Porträts Tafel 55 abbildet — gefunden wurde er in der Konstantinsbasilika in Rom —, wurde früher für Domitian gehalten. Beweis: Auf der von Delbrück nicht mit abgebildeten Marmorplatte, auf der der Inschriftensockel ruht, steht: Domitianus Caesar Augustus. Ich bezweifle nun keineswegs die Annahme Delbrücks, möchte nur darauf hinweisen, daß das Profil des Kopfes, das Delbrück als Abbildung 27 desselben Werkes zeigt, der oben erwähnten Domitianmünze sehr ähnlich sieht (infolge der Blutsverwandtschaft).
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Münzen ist dies mehr bei Titus und Domitian deutlich. Die Juliamünzen haben teils ein mittelgroßes, teils ein größeres Ohr, Die Augen der Büste sind, wie auf der Statue, groß, die Unterlippe könnte Sinnlichkeit andeuten. Der Ausdruck ist derselbe wie an dem Standbild. Die volle Büste ist angedeutet. Winkelprofil leicht angedeutet. Die Münzen zeigen kein Winkelprofil. Entschuldigt werden möge, daß ich nun zwei Münzen aus der älteren Zeit einschiebe, weil ich sie nach Fertigstellung der Münztafel I erst erhalten habe. Drusus der Ältere
(f 9 v. Chr.).
Eine Kupfermünze des Prinzen zeigt einen muskulösen und etwas steifen Hals, wie die meisten Münzen des Drusus. Der Gesichtsausdruck ist ernst, in diesem Fall ausnahmsweise nicht sehr intelligent. Der Kopf ist rundlich, wie bei seinem Sohn Claudius, die Stirn erscheint etwas niedrig infolge des in die Stirn gekämmten Haares. Das Kinn ist klein, desgleichen der Mund, Das Ganze zeigt, wie die meisten Drususmünzen, etwas Militärisches an. Ich glaube bestimmt, daß die genaue künstlerische Durchbildung des Halses auf den Münzen meist beabsichtigt und nicht bloß zufällig ist. Auch scheint mir eine gewisse Steifheit auf den Münzbildern, wie schon im zweiten Teil erwähnt, Festigkeit andeuten zu sollen. Otho (69, Januar bis April). Der Kaiser ist auf einer Goldmünze dargestellt; das Gesicht sagt wenig aus. Es ist etwas gedunsen, das Auge blickt nicht freudig. Das perrückenähnliche Haar und die Glätte des Gesichts, ferner das Doppelkinn sprechen für den Lebenskünstler und Lebemann. Dieses Bildnis entspricht auch ganz der von mir im zweiten Teil abgebildeten Büste und beide ähneln dem historischen Bild. Wir nehmen den Faden wieder auf und gelangen zur Adoptionsdynastie des Nervo
(96—98).
Statue des Nerva in der Rotunde des Vatikans Nr. 548 (von Bernouilli angegeben Bd. III, S, 69, Nr. 4). Ursprünglich bloß nackter Oberkörper nebst Kopf, von Cavaceppi später mit dem be3*
35
kleideten Unterteil einer anderen Statue ergänzt. Nase, Oberlippe und der metallene Eichenkranz neu. Stirn stark gefurcht, Augen tiefliegend, energischer Gesichtsausdruck. Falsch ist, daß der kränkliche Mann beinah athletisch dargestellt ist. Er war magenleidend3) und konnte vor seinem Ende keine Speisen mehr bei sich behalten; wahrscheinlich litt er an Magenkrebs. Seine Körperform ist pyknisch, das beinahe Athletische idealisierende Übertreibung. Man kann also sogar mit Hilfe der Kretschmerschen Lehre Fehler an den antiken Skulpturen nachweisen — vielleicht handelt es sich allerdings um ein Denkmal aus der ersten Regierungszeit des Kaisers —. Daß diese Fehler recht selten sind, ist ein weiterer Beweis dafür, wie lebenswahr die antike Darstellung ist. Das Pyknische bedeutet Gemüt und Tatenfreudigkeit, beides hat er vollauf besessen. In letzterer Hinsicht möchte ich nur an den Mord an Domitian erinnern, an dem er nicht unbeteiligt war, und mit Recht, um eine neue Zeit heraufzuführen, und an die Wahl Trajans, des besten Mannes, zu seinem Nachfolger. Freilich tritt das Gemütvolle sehr zutage, als Soldaten die Bestrafung der Domitianmörder forderten, da wurde er schwach 2 ), da er ja auch Dreck am Stecken 3 ) hatte, dieser Akt verwässerte seine Tatkraft. Das Energische des Kopfes ist idealisiert dargestellt, wie aus dem eben Gesagten hervorgeht. Die Münzen des Kaisers decken sich mit seinen Skulpturen. Sein Bildnis ist relativ treu. Sein Adoptivsohn Trojan
(98—117).
Die gepanzerte Statue des Kaisers aus dem Nationalmuseum in Neapel, erster Korridor, von Bernoulli verzeichnet (Bd. III, S. 76, Nr. 4). Der Kopf ist aus zwei Stücken zusammengesetzt, der untere Dio, Buch 68, 1: er war von Alter und Kränklichkeit so geschwächt, daß er, was er genoß, nicht bei sich behalten konnte. 2 ) Man begreift, wenn der damalige Konsul Fronto sagte, es sei schlimm unter einem Kaiser zu stehen, der alles verbiete, aber schlimmer noch unter einem solchen, der alles erlaube. Ranke, Weltgeschichte III, S. 266. 3 ) Denn es kann kein Zweifel sein, daß er sich eventuell zur Annahme des Prinzipats bereit erklärt und den Mördern sichernde Versprechungen gemacht hat, wenn er auch nicht Teilnehmer der Verschwörung war. Ranke, W e l t geschichte III, S. 264.
36
Teil nach diesem alt, Er war, wie Cäsar, zu sexuell, um mit großen Körperkräften aufzuwarten. Beinah asthenisch, was der Natur abgelauscht sein dürfte, denn selbst wenn der Torso nicht zugehörig wäre, darf man annehmen, daß der Künstler nur einen passenden ausgesucht hat. Das Asthenisch-Muskuläre, das auf sein genialisches Wesen hinweist, ergänzt gut das geschichtliche Bild. Die Ohren sind groß, die Stirn ist niedrig, mehr infolge der Haaranordnung, der Ausdruck kraftvoll und weise. Trajan
II.
Panzerbüste aus dem Kasitolinischen Museum, Kolossalkopf mit Eichenkranz, Salone Nr. 17, von Bernoulli erwähnt (Bd. III, S. 78, Nr. 16). Gesicht bedeutend ergänzt. Dieser sagt, die Formen und Proportionen des Kopfes seien verfehlt. Scharfe Nasolabialfalten, Die Stirnfalten sprechen für späteres Alter, Ausdruck auch entsprechend etwas ernst. Trajan
III.
Büste aus dem Kapitolinischen Museum. Des Sinnlichen im Ausdruck dieses Kopfes ist schon gedacht. Augenbögen bedeutend. Trajan
IV.
Ein Basrelief aus dem Laterarischen Museum. Überall derselbe Gesamtausdruck: edel und energisch. Hier der Arm etwas muskulöser. Kein Winkelprofil, Ihm zu Ehren sind die Profile der anderen abgebildeten Römer ihm angeähnelt. Die Münzen sind den Rundbildnissen völlig adäquat, sein Bildnis ist treu überliefert. Weiter unten noch mehr über seine Münzen. Sein Vetter Hadrian I. (117—138). Panzerstatue aus der Villa Albani, Porticus Nr. 82, von Bernoulli angegeben (Bd. III, S. 108, Nr. 5). Diese herrliche Statue scheint ganz der Natur abgelauscht zu sein. Muskulär (schizoid). Das Becken erscheint etwas weiblich. Die Pose ist königlich, das Schwert an seiner Linken charakteristisch. Bei ihm als einem Mann hat der Panzer auch Taille. Kräftige Hände und Füße, Der Kopf ist schon besprochen. Das Schizoide paßt gut zum historischen Bild. Hadrian 37
war genialisch, weise. Er trug deshalb einen Vollbart, weil er sein pockennarbiges Gesicht verdecken wollte. Diese Eitelkeit tat niemand weh, sie gehörte zu dem Künstler und ruhmbegierigen Herrscher. Seine Justizmorde waren gewiß nicht schön, man wolle sie aber nicht so tragisch nehmen. Hadrian II. Ein Philosophenantlitz; ruhig und weise. Hadrian
III.x)
Panzerbüste aus dem Nationalmuseum in Neapel, erster Korridor links, von Bernoulli beschrieben (Bd. III, Taf, X X X V I I ) . Kopf ungebrochen. Derselbe besagt dasselbe, seine Form ist oben gerundeter als bei der Statue. Hochkopf bei allen drei Bildnissen. Die Münzen des Kaisers, die in sehr großer Anzahl auf uns gekommen sind (siehe weiter unten), zeigen alle das Durchgeistigte dieses Mannes, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die ersteres wiederum beweisen. Die Münzen entsprechen durchaus den Rundbildnissen, Das Porträt des Kaisers ist treu zu nennen. Die Bildnisse dieses bedeutenden Kaisers sagen viel mehr von der Bedeutung desselben wie die Überlieferung; die senatorisch eingestellten Geschichtsschreiber schwiegen den Mann tot, daher die geringen Nachrichten, umgekehrt proportional der Größe dieses Cäsaren. Sehen sie doch, was er geleistet hat; die alten Trümmer erzählen genug von ihm, in Athen, in Tivoli, die Moles Hadriani, ganz abgesehen von den vielen herrlichen Monumentalbauten, die er im Riesenreich geschaffen hat, nahm er doch Baumeister mit auf die Reise und schon ging das Bauen los. Und selbst wenn nicht alles bezahlt wurde (bayerische Königsschlösser, Bauten Augusts des Starken), es wurde später bezahlt. Sollte des Riesenreiches Handel und Wandel das nicht bezahlt gemacht haben? War das Deutsche Reich nicht reich ge*) Spartianus Hadrian 7: Dem Volke gab Hadrian sechs Tage nacheinander Fechterspiele und an seinem Geburtstage eine Hetze von tausend wilden Tieren. — 13: Überhaupt hat nicht leicht ein Kaiser so viele Länder mit einer solchen Schnelligkeit durchreist wie Hadrian. Er weihte auf seiner Reise durch Asien viele Tempel seines Namens ein. — 17: Seine Feinde vom Privatleben her bestrafte er als Kaiser bloß mit Verachtung. — 25: Kurz vor seinem Tod zwang er den neunzigjährigen Servianus, sich zu töten.
38
worden infolge seines Welt- und Binnenhandels? Um wievielmal mehr das größte Reich, das vor dem brittischen Weltreich je war. Wieviel Meere befuhren sie, wieviel Karawanen durchquerten fruchtbare Länder und Wüstenlande, welcher Umtrieb herrschte wohl in Alexandria, in Rom, in Antiochia, in Athen? Sein Nachfolger Antoninus
Pius 1.
(138—161).
Statue aus dem Museum Chiaramonti (Nr. 682) mit Panzer, Bernoulli erwähnt sie Bd. III, S. 140, Nr. 1. Kopf aufgesetzt, trotzdem vorzüglich passend. Muskulär bis athletisch (agrarische Formen), schizoid-genialisch. Ein herrlicher friedlicher Fürst, Das Schwert dürfte in dem Fall mehr heißen, daß er die Feinde an den Grenzen abwehren ließ, es gehört zum Imperator, Sein Kopf ist schon besprochen. Man hat ihn auch der Schwäche geziehen, weil man jedem Kaiser etwas angehängt hat. Aber sein ausgezeichneter Charakter, der wohl die schönste Friedensperiode während der ganzen römischen Geschichte herbeiführte, seine fromme Anhänglichkeit an seinen Atoptivvater Hadrian, seine einfache Lebensweise, seine Güte, Humanität und Freundlichkeit selbst trotz manchmal mißlicher häuslicher Angelegenheiten haben ihn weltberühmt gemacht und sichern ihm unter den römischen Kaisern einen der ersten Plätze zu. Antoninus
Pius II.
Statue aus der Villa Ludovisi, von Bernoulli Bd. III, S. 141, Nr. 3 registriert. Untere Hälfte des Kopfes, der zugehörig sein soll, ergänzt. Wie voriges Standbild. Hände etwas groß; Ausdruck milde, weise, edel. Etwas idealisiertere Form als bei dem vorigen Standbild. Brüste leicht feminin, vielleicht infolge der Stilart dieser Zeit. Antoninus
Pius
III.
Kolossalkopf aus der Sammlung Farnese im Museum zu Neapel, erster Korridor links, in nacktes modernes Bruststück eingelassen (nach Bernoulli Bd. III, S. 143, Nr. 35). Etwas hohläugig, Gesicht und Bart breiter, Augen groß, schildförmiges Enface. 39
Antoninus
Pius IV.
Büstenzimmer des Vatikans Nr. 272 (nach Bernoulli Bd. III, S. 142, Nr. 15). Kopf und Büste nicht zugehörig. Ausdruck leicht kummervoll. Er ging später gebückt und suchte dem zu begegnen, indem er sich Brettchen an die Brust band. Antoninus
Pius V.
Museum zu Neapel, dritter Korridor, von Bernoulli Bd. III, Tai. XLIVb angegeben. Ungebrochene Büste, ohne Stirnfalten. Antoninus
Pius VI.
Kaiserzimmer, Kapitel Nr. 35 (nach Bernouilli Bd1. III, S. 141, Nr. 9). Überall derselbe Ausdruck; vornehme Ruhe. Seine Frau Kaiserin Faustina I. (* 105). Kolossalbüste in der Rotunde des Vatikans Nr. 541 (nach Bernoulli Bd. III, S. 154, Nr. 11). Faustina trägt eine Haarbinde, die nur von vorn in der Mitte sichtbar, an den Seiten vom Schläfenhaar verdeckt wird. Die Nase und sehr viel am Haar ist ergänzt, die Brust modern. Das Gesicht ist zwar schön, aber die Züge sind etwas grob. Pupillen sind angegeben, der Blick ist kalt. Das Sinnliche ist durch die Lippen, die geschmeidige Glätte der Haut und durch die gute Ernährung deutlich. Das Ohr ist groß (siehe weiter unten). Breite Schildform des Gesichtes. Die Kamee der Kaiserin, die Gebhart in seinem Werk „Gemmen und Cameen", Berlin 1925, S. 102 abbildet, entspricht sehr wohl den Münzen und zeigt Schönheit neben dicklicher Molligkeit. Die Münzen der Kaiserin entsprechen den Skulpturen, so daß die Treue ihres Bildes gesichert ist. Ihr Schwiegersohn Marc Aurel (161—180). Erste Statue aus dem Nationalmuseum in Neapel, erster Korridor rechts, nach Bernoulli Bd. III, S. 166, Nr. 9. Der Kopf ist aufgesetzt, der Torso paßt aber ganz gut zum Kopf. Die Augen sind weit geöffnet, das obere Lid ist breit. Die rechte Hand ist recht groß, doch kann das richtig sein. Bei bedeutenden Leuten kommen offen40
bar manchmal vor: großer Kopf, große Hände und Füße (vergleiche Tiberius), gleichsam als ob das Genie sich darin äußere, es nötig hätte festzustehen und fest zufassen zu können. Er stammte auch aus Kreisen, die die Landwirtschaft betrieben. Die Falten in der Stirn Weisen auf ein höheres Alter des Kaisers hin, sie sollen wohl hauptsächlich die Sorgen um den Sohn, um das Reich, vielleicht auch um seine Ehe ausdrücken. Das Schwert deutet auch das spätere Alter an, wo viele Kriegszüge (Parther, Germanen) den Imperator in Arbeit setzten. Typus zwischen asthenisch und muskulös. Die Vene am rechten Unterarm spricht für Vollblut. Schizoid, genialisches Wesen, philosophischer Kopf, er spricht wohl in den Kriegsnöten zum Heer, Marc Aurel Relief im Konservatorenpalast. groß.
II.
Die Hand erscheint hier nicht so
Marc Aurel
III.
Relief aus demselben Palast. Hier ist die Hand auch groß, Stirnfalten. Die Konstitution ist bei allen Ganzbildnissen die gleiche. Marc Aurel
IV.
Relief aus demselben Palast. Überall derselbe Gesichtausdruck. Marc Aurel V. Aus dem Neapeler Museum, erster Korridor links, Nr. 164 (nach Bernoulli Bd. III, S. 169, Nr. 36). Die Augen mit vorquellenden Augäpfeln, die Pupillen angegeben. Marc Aurel
VI.
Büste im Büstenzimmer Nr, 291 des Vatikans (nach Bernoulli Bd. III, S, 168, Nr, 21). Diese und die vorige Büste aus jüngeren Jahren, ohne Stirnfalten, Pupillen auch hier angegeben. Nicht so gereift, aber edel. An der Büste glaubt man zu sehen, daß er auch etwas Pykniker ist. Verkürzte Eiform des Gesichts. Die Münzen des Kaisers stimmen mit den Bildnissen sehr gut überein. Sein Bildnis ist auch treu. Genaueres über seine Münzen siehe weiter unten. 41
Sein Mitregent Lucius Verus I. (161—169). Gepanzerte Statue aus dem Vatikanischen Museum, Statuengalerie Nr. 420 (nach Bernoulli Bd. III, S. 206, Nr. 2). Der Kopf aufgesetzt, nicht zugehörig. Wenn der Torso nicht zugehörig ist, so behaupte ich doch, daß kein besserer gefunden werden konnte. Auf dem Torso könnte vordem auch ein Kopf gerade dieses Kaisers gesessen haben. Der Kopf ist schon besprochen. Körperform zwischen asthenisch und muskulös. Vielleicht etwas verschroben, jedenfalls eitel, vielleicht kunstliebend (schizoid), Die aristokratischen Hände, die feinen Füße, der ganze schöne Kopf und Körper passen wunderbar zu diesem schönen Dandy. Das Schwert gab man ihm vielleicht in leichter Ironie; er gebrauchte es wohl weniger dem äußeren Feind gegenüber. Lucius Verus II. Panzerstatue in Neapel, erster Korridor links (nach Bernoulli Bd. III, S. 207, Nr. 7). Der Mantel hinten herumgeschlagen. Mehr muskulös, heroische Haltung; die Hände entsprechend kräftiger, das Schwert fehlt auch nicht. Ausdruck etwas leer, nichtssagend, in höheren Regionen schwebend, Selbstvergötterung andeutend (wie bei Caligula V, 2. Teil). Körperform mehr faßförmig (späteres Alter, Emphysem?); ausgenommen den Ausdruck, gilt von diesem Standbilde dasselbe wie vom vorigen. Lucius Verus III. Heroische Statue im Braccio nuovo des Vatikans Nr. 123 (nach Bernoulli Bd. III, S. 206, Nr, 1). Als Torso gefunden, vielleicht ein Veruskopf durch Pacetti erst aufgesetzt, in heroischer Nacktheit; das Schwert fehlt wieder nicht. Er trägt in seiner Linken die Sieges göttin, die auf einer Kugel steht. Muskulöser Typus (Übertreibung). Kopf wenig ausladend, mehr gutmütig als das Gegenteil. Stirn überall niedrig, wohl mit infolge der lockigen Haartracht. Lucius Verus IV. Kolossalkopf im Louvre Nr. 140 (nach Bernoulli Taf. LVIa). Schöner Kopf mit reichem Bartwuchs, der vielen Münzen entspricht. 42
Pupillen angegeben. Zwischen Gut und Böse, etwas Düsteres. Das Ohr scheint an den Skulpturen überall groß zu sein, Lucius Verus V. Panzerbüste im Kapitolinischen Museum, Kaiserzimmer, Nr. 41 (nach Bernoulli Bd. III, S. 208, Nr. 14). Augen wie gekniffen, Pupillen. Ausdruck indifferent, aber mittelintelligent. Sinnliche Lippen. Eine Goldmünze des Kaisers zeigt einen schönen Kopf und mittlere Intelligenz, sonst nichts Besonderes. Winkelprofil kaum angedeutet. Die Münzen stimmen i. a. sehr gut zu den Rundporträts, so daß auch sein Bild treu zu nennen ist. Ich glaube bestimmt, daß im allgemeinen das wahr ist, was man über Lucius Verus in den alten Quellen liest, freilich wird man, entsprechend den senatorisch gefärbten Berichten der römischen Historiker, etwas abziehen müssen. Verus war kein Engel, aber auch kein Nero; er war ein schöner Römer, Dandy dazu, sicher vergöttert von den Frauen und warum sollte er seine Chancen in der Hinsicht als Kaiser nicht genießen? Daß man sich um ihn riß, wird wohl kaum Wunder nehmen. Er wird ab und an jemand haben über die Klinge springen lassen, aber wohl mehr nur, um freches Gerede über ihn und sein Haus zu zügeln oder weil er als kaiserlicher Richter Verbrecher richtete. An den weisen Marc Aurel wagte man sich in der Hinsicht nicht so heran. Wie groß die Gemeinheit der damaligen Menschen war, erhellt daraus, daß man sogar argwöhnte, der herrliche (für Römer, nicht für Germanen und Christen) Marc Aurel hätte seinen Verwandten und Mitkaiser Lucius Verus umgebracht, woran natürlich kein Wort wahr ist, man braucht nur psychologisch sein Leben durchzugehen, um dies klar zu sehen. Nach dem Untergang des Hauses herrschte Pertinax1)
(193 Januar bis März).
Die Münze zeigt einen großen Kopf, Stirnfalten und weitgeöffnetes Auge. Der Ausdruck ist etwas nichtssagend, aber nicht direkt unHerodian, Kaisergeschichten II, Buch 4: Pertinax verfügte, Ländereien sollten nicht mehr kaiserliche heißen und daß in ganz Italien und in den übrigen
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intelligent. Lockenkopf und welliger Vollbart. Weiter unten werden noch mehr Münzen des Kaisers besprochen werden. Nach seiner Ermordung Didius Julianus (193). Die Münze des Kaisers ist der Münze des Kaisers Pertinax angeähnelt, worauf verdienstvollerweise Herr Professor Bernhart aufmerksam gemacht hat 1 ). Kopfhaar und Bart sind der vorigen Münze ähnlich, auch die Kopfform (Stirn) und der etwas leere Gesichtsausdruck. Das Gesicht ist schöner als das seines Vorgängers. Weiter unten werden noch mehr Münzen desselben besprochen werden. Nach Herodians Kaisergeschichte II, Buch 6 rief er den Römern zu, als es sich um seine Kaiserwahl drehte, er wolle so viel geben als sie verlangten, da er Geld und eine Schatzkammer habe, die mit Gold und Silber angefüllt sei. Kap. 7, Buch 2: Nachdem Julian die Regierung angetreten hatte, überließ er sich sogleich der Schwelgerei und Trinkgelagen. Ein anderer Gegenkaiser des Sept. Severus Pescenius Niger2) (193—194). Die Münze zeigt einen unschönen Kopf mit wulstigen Lippen und fliehender Stirn. Unrömischer Typus. Ausdruck nichts Bestimmtes aussagend. Kopf etwas eckig. Weiter unten wird noch eine Münze des Kaisers besprochen werden. Frau des Sept. Severus Kaiserin Julia (f 217). Kolossalkopf in der Rotunde des Vatikans, Nr. 554 (nach Bernoulli Bd. IV, S. 38). Nasenspitze ergänzt. Frisur nicht ganz wie Ländern unangebaute und ganz brachliegende Felder in Besitz genommen werden könnten zur Bearbeitung. Dio, Buch 73, 1: Pertinax war ein Ehrenmann. — Dury, Geschichte des röm. Kaiserreichs, übers, v. Hertzberg, 4. Bd., S. 29 u. 30: Pertinax war Sohn eines Kohlenhändlers, eines Freigelassenen. Siehe Organ des Numismat. Vereins zu Dresden und der Bayr. Numismat. Gesellschaft, April-Mai 1925, S. 270 u. 271. 2 ) Herodian II, 7: Niger war Statthalter von ganz Syrien, er war in Jahren schon ziemlich vorgerückt und hatte sich durch viele große Taten Ruhm erworben. Er führte eine milde Regierung. Später übergab er sich mit den Antiochinern dem Wohlleben und trieb sich in Festen und Schauspielen herum (Kap. 8). — Dio, Buch 74, 6: Niger war ein Italiener aus dem Ritterstande.
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bei den Münzen. Perrücke soll nach Heibig neu sein. Dieser herrliche Kopf spricht von der Anmut und Schönheit der Dargestellten. Die Irides sind angegeben, die Augensterne ausgehöhlt, die Augen sehr sprechend dargestellt: Der Ausdruck besagt Wohlwollen und Verstand, Sinnlichkeit, die der Schönheit oft parallel geht, kann höchstens gemutmaßt werden; temperamentvoll sehen die geschwungenen Lippen allerdings aus. Kein Wunder, daß diese Frau, die Caracallas Korrespondenz führte, diesen begeistern konnte. Die Münzen dieser Kaiserin stimmen zu dieser Büste. Ihr Bildnis ist relativ treu. Der dritte Gegenkaiser des Sept. Severus Clodius Albinus
(193—197).
Panzerstatue im Vatikan, Statuengallerie, Nr. 248 (Bernoulli Bd. IV, S. 19). Kopf aufgesetzt, die Nase ist neu. Schnurrbart ähnlich wie auf den Münzen, ebenso die Kopfform, das Haar zeigt allerdings bei der Statue nicht die sogenannten Hofratsecken wie auf den Münzen, sondern ist vorn in rundlichem Bogen angeordnet. Muskulärer Typus, theatralische Pose. So spricht man nicht zum Heer, indem man den Feldherrnstab in die Höhe hält, es müßten sich denn die Sitten geändert haben. Die Stirn zeigt Falten, sein Lebensgang war kein leichter. Großes Ohr, das Unrömische ist hier wenig deutlich. Vielleicht ist die Nase verschönt dargestellt, sie ist ja ergänzt. Das krause Gelock von Haar und Bart kämen für die afrikanische Blutmischung mit in Betracht. Die Antonine haben, zumal Lucius Verus, auch so grauses Haar. Sie stammen aus Spanien 1 ), von da könnten sie leicht afrikanisches Blut mitbekommen haben. Der Ausdruck besagt: Nachdenklichkeit. Die gesenkten oberen Lider unterstreichen diese und verraten Mattigkeit. Der Blick ist nicht frisch (Pupillen angegeben). Weiter unten werden zwei Münzen von ihm besprochen werden. T r a j a n stammte nach Dio aus Spanien; da nun Hadrian Trajans
war
Commodus
und
sämtliche
Kaiser
(siehe C ä s a r e n p o r t r ä t s
der
Adoptionsdynastie
B d . I, S. 21)
Blutsverwandter von
Hadrian
sich ähnlich sahen mit
bis Ein-
schluß der Veri, liegt der Gedanke nahe, Blutsverwandtschaft, wenn auch bloß eine entfernte, und landsmannschaftliche Verwandtschaft zwischen diesen Kaisern anzunehmen.
Man kann dies rückläufig aus dem H a a r schließen.
45
Der Mörder Caracallas Macrinus (April 217 bis Juli 218). Büste aus dem Kapitolinischen Museum, Kaiserzimmer, Nr. 55 (von Bernoulli Bd. IV, S. 75 angegeben). Das Haar ist über die Ohren nach vorn gestrichen, die Nase tritt aus der Profillinie hervor und ist zu dreiviertel ergänzt. Etwas gemeiner Ausdruck. Parvenü. Unrömisch, Ohr ziemlich groß, Stirnfalten, Pupillen angegeben. Die Beschreibung Dios scheint ziemlich genau zu der Büste zu passen: Demnach war der Kaiser Mauretanier von ganz unbekannten Eltern und zeitweise feig, er war in Algier geboren und durch Intelligenz und Talente aus einfachen Sphären emporgekommen, Mut zeigte er nicht, Caracalla beseitigte er in feiger, hinterlistiger Weise mit rächender Hand. Er ahmte Marc Aurel nach, durch eine ähnliche Barttracht und einen würdigen Gang. Die auf uns gekommenen Münzen von ihm sind dieser Büste ähnlich. Dury schreibt in seiner Geschichte des römischen Kaiserreiches, von Hertzberg übersetzt, S. 297: Macrinus war Afrikaner aus Caesa rea in Algerien und von sehr niederer Herkunft. Nach Capitolinus (Macr. 12) ließ er Männer und Frauen, die des Ehebruchs schuldig waren, zusammen — junctis corporibus — lebendig verbrennen. Sein Sohn Diadumenian1)
(gest. 218).
beschäftigt uns jetzt in einer Münzabbildung (Kupfermünze). Der Gesichtsausdruck ist dem seines Vaters ähnlich und zeigt dieselbe Nase, ein ähnliches Profil. Die Münze stellt den Prinzen sehr jugendlich dar, das Gesicht sieht ganz geweckt aus, die Lippen sind nicht dünn, der Hals ist etwas steif. Besonderes ist sonst dem Antlitz nicht zu entnehmen. Wir kehren noch einmal zum Septimischen Haus zurück, Lampridius Diadumenianus III: Der junge Antonius (so hatte ihn sein Vater nennen lassen) war von ausgezeichneter Schönheit, ziemlich langem Wuchs, hatte blonde Haare, schwarze Augen, eine spitzige Nase, ein sehr schön gerundetes Kinn, einen Mund zum Küssen und war stark von Körper, zur E r tragung von Anstrengungen aber zu zart gebaut. Im Kriegsschmuck glänzte er als ein Stern von himmlischer Schönheit.
46
Mamaea (222—235). Standbild im Louvre mit Ährenbüscheln, Saal des Septimius Severus, von Bernoulli Bd. IV, S. 110 erwähnt, nach demselben Autor von den sonstigen Mammaeaköpfen ziemlich verschieden. Der Kopf ist aufgesetzt, der Torso paßt aber gut zum Kopf. Das Antlitz ist schon besprochen. Pyknischer Typus, breite Schildform des Gesichts. Rasseweib, schöne Büste, kokett: das Freilassen fast der ganzen einen Brust, Nabel durchs Gewand sichtbar. Königliches Aussehen. Sinnlichkeit kann höchstens gemutmaßt werden, Hals schlank, griechische Idealform, Sie war eine tüchtige Frau, die nur den einen Fehler beging, den Sohn in ewiger Unselbständigkeit zu belassen, teils aus mütterlicher Ängstlichkeit, teils aus Herrschsucht. Über Herrschsucht der Frauen habe ich schon gesprochen (II. Teil). Wenn Hände und Füße nichts Besonderes erkennen lassen, bleibt dies unerwähnt. Die Fußzehen scheinen reichlich lang zu sein, besonders die zweiten Zehen. Das keusch allzulang schleppende Gewand steht in gewissem Gegensatz zu der Brustdekoletierung, das erinnert an den französischen Ausdruck Demivierge, vielleicht wollte man das auch andeuten. Das tut dem Römischgöttlichen keinen Abbruch, denn Göttern wurden auch menschliche Schwächen angedichtet. Die Münzen der Mammaea verraten zum Teil einen ziemlichen Grad von Schönheit und sind dem Kopf der Statue ähnlich. Die Münzabbildungen sind von ungleicher Qualität, die Bildnisse der Kaiserin sind relativ treu zu nennen. Nach Sturz des Septimischen Hauses und des Maximinus Haus der Gordiane.
Qordianus^) I. (238).
Eine Silbermünze des Kaisers ist zu besprechen. Die Nase ist ziemlich stark gebogen, die Stirn gewölbt und leicht fliehend, der Kopf nicht groß. Das Auge ist geöffnet, der Ausdruck energisch und milde: feiner Kopf. Cordianus II. (238). Seinen Sohn sehen wir in einer Silber- und Kupfermünze vor uns. Die größere Kupfermünze zeigt weitgeöffnetes Auge, die Nase ähnNach Visconti, Iconographie Romaine, Band 1, Paris 1817, stammen die Gordiane von Marcus Antonius ab. — Es wird auch von griechischer Abkunft und von Blutsverwandtschaft mit den Gracchen, T r a j a n und Marc Aurel gesprochen.
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lieh gebogen wie beim Vater, die Stirn etwas steiler, auch schön gewölbt, starker Augenbogen, der Kopf rund und größer als beim Vater, kein Winkelprofil, während ein. solches beim Vater angedeutet ist, guter Ernährungszustand, Lippen dick, Hals etwas steif, Kinn massiv. Die Silbermünze zeigt die gute Ernährung weniger deutlich, bei ihr lädt der Hinterkopf mehr aus, ist die Kopfform hoch und nicht so rund, das Kinn sieht noch energischer aus. Dieses Bildnis ist aber im ganzen der Kupfermünze sehr ähnlich. Aus den beiden Porträts spricht Energie und Wohlwollen. Diesmal stimmen die dicken Lippen gut zum geschichtlichen Bericht (s, weiter unten). Der Gesichtsausdruck des Sohnes ist dem des Vaters ähnlich, auch das Antlitz des Sohnes macht keinen unedlen Eindruck. Die Porträts von Vater und Sohn würden der Geschichte durchaus nicht entgegen sein. Gordianus II. sieht tatsächlich Marcus Antonius ähnlich (vgl. ihre Münzen). Weitere Kaiser des 3. Jahrhunderts. Victorinus
(265—267).
Die Münze zeigt eine stark gebogene Nase, ein weit geöffnetes Auge, weitwelliges Haar, dicke Lippen und einen nach germanischer Art getragenen Vollbart, der Hals ist etwas steif, vorn oben etwas vorgebuchtet. Das Gesicht sieht unrömisch, man kann sagen orientalisch oder germanisch aus. Die dicken Lippen passen wieder gut zum Bericht, denn er wurde ermordet aus Eifersucht, weil er in die Familien anderer eingedrungen war. Der Gesichtsausdruck ist nicht unenergisch. Weiter unten werden noch zwei Bildnisse des Kaisers besprochen. Claudius 11. (268—270). Die Kupfermünze zeigt den Kaiser 3 ) mit der Strahlenkrone. Der Kaiser sieht unrömisch aus und erinnert an einen deutschen Landsknechtsführer. In der Gegend des Kehlkopfes eine leichte Vorwölbung. Nach Trebellius Pollio 2) habe er in seinen Fingern eine solche Kraft besessen, daß er Pferden und Mauleseln öfters mit seiner Faust die Zähne ausschlug. Das breite Gesicht wird von ') Claudius II. hatte nach Wermuth den Wahlspruch: lebendige Gesetz. 2) Treb. Claud. 13.
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Der Herrscher ist das
Drusus I. G . K .
Pertinax G. G.
Did. Julianus „ M. G.
Pescennius Niger M. G.
Diadumenianus G. K.
Malalas *) bestätigt, nach ihm hatte er ferner schlichtes, blondes Haar, eine stumpfe Nase, einen verzogenen Mund und einen vorstehenden Bauch (Pykniker). Aurelian (270—275). Die Goldmünze des Kaisers zeigt Stirnfalten, etwas niedrige Stirn und einen mittelgroßen Kopf. Das Gesicht blickt energisch, der Hals ist etwas steif, scharfe Nasolabialfalte, das Antlitz verrät auch etwas Wohlwollen, Aurelian war der Sohn eines Kolonen und Freigelassenen, Colonus sagt der Verfasser der Epitome, 35, Probus (276—282), Die Goldmünze veranschaulicht ein scharf geschnittenes, edles Gesicht mit eigentümlich geformtem, vorn oben etwas eckigem großem Kopf. Der Hals ist lang und steif. Der Kopf des Kaisers sieht hier mehr römisch aus. Dury bildet in Buch 4, S. 601, eine Münze des Kaisers Diocletian 2 ) ab (mit Vollbart), auf der er eher germanisch, ernst und ziemlich energisch aussieht. Der Kopf ist groß, die Stirn sehr steil, die Nase eher germanisch. Auf derselben Seite sagt Dury, daß der Kaiser Sohn eines früheren Sklaven und in Dalmatien, in der Gegend des heutigen Skutari, geboren war. Im Münzmuseum (Stallhof) zu Dresden zeigt eine Goldmünze des Diocletian vorwiegend germanische Abstammung durch Kopfform und Ausdruck, Nach Dury (Buch 4, S, 613) war Maximian, Sohn eines panonischen Kolonen, tapfer und ein guter Heerführer, aber roh und von sehr geringer Bildung (nicht römischer Abstammung). Nachdem wir einen großen Teil der geistig gesunden römischen Kaiser mit ihrem männlichen und weiblichen Anhang besprochen haben, wenden wir uns zu dem psychiatrischen Teil unserer Aufgabe, der mit Minderwertigkeit beginnt und mit Schwachsinn endigt. Der Kaiser Claudius beginne den Reigen. 1) Mal. XII, p. 298, 18. 2 ) Diocletian hatte nach Wermuth den Wahlspruch: Nichts ist schwieriger als gut zu herrschen. — Interessant ist, daß dieser Kaiser, der germanisches Blut in den Adern hatte und angeblich von Constantin dem Großen zum Selbstmord gezwungen worden sein soll, die Christen verfolgte, während der Römer Constantin sie beschützte. 4
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B. Die geistig t>on der Norm abroeichenden Kaiser, Minderwertigkeit (Psychopathie). Claudius
(41—54).
Sieben Münzen des Kaisers bespreche ich, zunächst zwei große Bronzemünzen, Auf der ersten sieht er ernst aus, auf der zweiten ebenso. Münze drei, von Silber, zeigt ein grämliches Gesicht, ebenso die folgende Goldmünze. Die folgende Silbermünze zeigt eine stark gefaltete Stirn und die Verdrießlichkeit noch deutlicher, der Ausdruck sieht beschränkt aus. Die nächste Silbermünze, die auf der Rückseite einen Tempel zeigt und in Asien geprägt ist, verrät in hervorragender Weise das Verdrießliche, Die letzte Münze, eine Kupfermünze (vielleicht aus Nicaea), mit Agrippina auf der Rückseite, offenbart einen Gesichtsausdruck, der als leicht schwachsinnig bezeichnet werden muß, die Stirnfalten sind nicht vergessen. Also im großen ganzen geht das Ernste bzw. Traurige durch alle Bildnisse. Man kann annehmen, daß mit zunehmendem Alter auf den Münzen nicht nur das Verdrießliche, sondern auch das Beschränkte im Zunehmen begriffen ist. Der Kopf zeigt zum Teil, deutlich auf den beiden ersten Münzen, wasserkopfähnliche Dimensionen. Vielleicht hat er die englische Krankheit durchgemacht. Claudius I. Zwei Skulpturporträts des Kaisers. Das erste, der prachtvolle Torso aus dem Lateranischen Museum Nr. 208, zeigt, wie die beiden folgenden Standbilder, auch den Wasserkopf. Leicht pyknischmuskuläre Konstitution, das Muskuläre ist übertrieben, da er magenleidend war, der Kopf ist schon beschrieben (Bernoulli Bd. II, S, 333, Nr. 7). Claudius II. Arme und Oberteil des Adlers sind ergänzt samt Zepter und Schale, die Verbesserungen am Kopf sind schon erwähnt, Kopf 50
schon beschrieben, höheres Alter. Das Pyknische ist ebenso übertrieben wie das Athletische, da er magenleidend war (Magengeschwür oder Zwölffingerdarmgeschwür?). Wunderschöne Gruppe. Prächtiger Faltenwurf. Bernoulli hat beide Standbilder angegeben. Die letzte Statue stammt aus dem Vatikanischen Museum; Claudius ist als Jupiter dargestellt (Bernoulli Bd. II, Taf. XVII). Der Gesichtsausdruck der Rundbildnisse veranschaulicht, um mit Bernoulli zu reden, gutmütige Beschränktheit. Die Münzen sagen etwa dasselbe, nur finde ich, die beiden ersten Münzen, die aus seinem ersten Regierungsjähre stammen, zeigen nicht deutlich Beschränktheit. Und so kommen wir auf die Krankheitsdiagnose dieses Fürsten; meiner Meinung nach war Claudius ein Psychopath'). Was seine geistigen Fähigkeiten anlangt, so möchte ich erwähnen, daß nach den Bildnissen meiner Ansicht nach nur Beschränktheit sichergestellt ist. Wenn andere Autoren, z. B. von Hentig, von ihm glauben, daß er imbezill oder blödsinnig war, so beruht das offenbar darauf, daß er ähnlich von den alten Schriftstellern dargestellt worden ist; ich erinnere nur an Seneca und seine Schrift: Die Verkürbissung des Claudius. Das Urteil der Alten kommt wahrscheinlich daher, daß Claudius im vorgerückten Alter offenbar senil war, was sich auch ganz gut mit den späteren Münzen deckt. Daß ihm später der Speichel herunterfloß und die Nase troff, paßt allerdings zu schlimmen Urteilen über ihn. Ich glaube also auch, daß er, zunächst ein zeitweise beschränkter Psychopath, im Alter an leichtem Altersschwachsinn gelitten hat. Nun kommen wir nochmals auf den Vergleich mit den Quellen zurück. Nach denselben war er teils ein begabter Historiker, teils hat er alberne Memoiren verfaßt. Ich kann deshalb nicht annehmen, daß er von vornherein als einfach beJ ) Dio, Buch 60, 1.4: Einmal ans Blutvergießen gewöhnt, ließ er (Claudius) sich auch schneller zu anderen Mordtaten verleiten, von denen die Schuld die kaiserlichen Freigelassenen und Messalina trugen. a ) Dio, Buch 60, 1: Sofort übergab man ihm einstimmig, weil er von kaiserlichem Geschlecht und als guter Mann bekannt war, die Obergewalt. Hierzu die Bemerkung von Zonaras, daß die Soldaten ihn wählten, um nicht von anderen einen Kaiser zu erhalten. — Dio, Buch 60, 2: An Körper war er so schwach, daß er an Kopf und Händen zitterte und die Stimme ihm oft versagte, auch feige war er und hatte bald, einmal in Furcht gesetzt, alle Besonnenheit verloren.
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schränkt anzusehen ist, sondern er wird eben wie manche Menschen Begabung für einige Lebenszweige besessen haben, für andere nicht, und da seine Schattenseiten oft grell hervortraten, kamen die Alten zu diesem Urteil. Kanngießer, der sehr Interessantes über römische Kaiser geschrieben hat und mit am tiefsten in ihre Seele eingedrungen ist, nennt ihn einen alkoholischen Neurotiker, was ja ganz richtig ist. An einer anderen Stelle hat er auch den Verdacht ausgesprochen, daß er schwachsinnig sei. Natürlich können nach dem Vorhergehenden die Ansichten schwanken. Freilich war er auf dem Thron nicht am Platze. Er war der erste, der den Thron kaufte, welche Einrichtung dann nicht mehr abzuändern ging. Die Soldaten allein hatten ihn erwählt, weil sie die Wiederkehr der Republik befürchteten, intuitiv den roten Faden des römischen Schicksals und der Weltgeschichte witternd. Nach v. Ranke, Weltgeschichte Bd. III, S. 108 u. 109, ist es fraglich, ob Claudius ermordet worden ist. Freilich sagt R., er erdreiste sich nicht die Untiefen der Seele einer leidenschaftlichen und ehrgeizigen Frau (Agrippina II.) zu ermessen. Wir kommen zu einem anderen Leiden, zur Epilepsie mit Seelenstörung, und es ist kein Wunder, daß wir sogleich auf den Sohn des Vorigen stoßen, können wir doch in gewissem Grad von dem Julischen Erbübel der Fallsucht sprechen.
Epilepsie (Fallsucht). Britannicus
(f 55).
Standbild aus dem Lateranischen Musuem, von Bernoulli angegeben. Dysplastischer Typus der Statue. Schwammiges Gesicht, wenig intelligente, wenig energische Züge; Körper ohne Taille, wie ein Klotz (dysplastisch), auch die Beine wenig gut geformt. Ohr groß. Neben die Statue des Prinzen stelle ich eine Idiotin mit dysplastischem Körperbau. Sie wollen erkennen, daß auch hier die Extremitäten, namentlich die Arme, unschön, wie aus Holz geschnitzt sind. Ferner stelle ich neben den epileptischen Britannicus einen Epileptiker typischer Beschaffenheit, der auch wie der Prinz beschränkt ist. Sie sehen etwas leere Züge, starren Blick, die Nase 52
leicht schief, Stirnfalten, starke Augenbögen, massives Kinn, Henkelohren. Eine uns aus dem Altertum überkommene Münze des Prinzen, des Sohnes des Claudius, zeigt indolente Züge (siehe weiter unten). Die Münze stimmt zum Kopf des Bildwerkes einigermaßen, natürlich sind die Münzen sehr selten, und diese wohl auch die einzige überkommene Statue. Aber interessant ist, daß man sich diesmal aus dem Körperbau einen bestimmten Schluß auf die Identität der Person gestatten darf. Weil nämlich dysplastischer Typus vorliegt, an den Sohn des Claudius gedacht wurde, der Kopf auch der Münze des Britannicus ähnlich sieht, das ganze Arrangement auch gut für diesen kaiserlichen Prinzen paßt (Panzer, Feldherrnmantel, Schwert, Pose des Redners), ist wohl sicher, daß es sich um ein Standbild des Ebengenannten handelt. Außerdem können wir uns aus der Körperbeschaffenheit ein Urteil über die psychischen Fähigkeiten des Prinzen erlauben. Ich glaube nämlich, daß er beschränkt oder vielleicht auch leicht schwachsinnig war, weil man die erwähnte Körperbauform am meisten bei Degenerierten findet, und die Münze und das Gesicht der Statue widersprechen dem auch nicht. Außerdem war er Epileptiker, was aus einer Stelle der alten Schriftsteller hervorgeht, die Nero in den Mund gelegt wird. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Britannicus um fortschreitende Degeneration, auch hierzu paßt vorzüglich der dysplastische Körperbau. Wir kommen zu einer weiteren Erkrankungsform, deren erster Vertreter Domitian ist: Verrücktheit.
Verrücktheit. Domitian
(81—96).
Domitian I. Panzerstatue im Braccio nuovo des Vatikans Nr. 129 (von Bernoulli Bd. III, Taf. XIX angegeben), Kopf aufgesetzt. Es scheinen nur Spitzen der Nase und des Kinnes ergänzt. Arme mit Kugel und Feldherrnmantel neu, das übrige retuschiert. Jedenfalls scheint die Ergänzung sehr gut getroffen zu sein. Kopf schon beschrieben, Körperbau leicht athletisch. Kräftige Extremitäten, besonders Hände. 53
Domitian
II.
Büste aus Herkulanum, zurzeit im Neapeler Museum, erster Korridor links, von Bernoulli Bd. III, Tai. X V I I I erwähnt. Sie steht neben einer Titusstatue. Die Vorderstirn ist vorquellend, wie bei dem vorigen Standbild. Auch dieser Kopf zeigt eine Stirnfalte. Kopfform etwas anders, oben rundlicher. Kolossaler Kopf, Umfang schätzungsweise, richtige Verhältnisse vorausgesetzt, 58 cm. Das in die Stirn gekämmte Haar erinnert entfernt an Nero. Ohren auch hier groß. Auch hier etwas Weiches im Ausdruck, nichts Gewalttätiges, Wangen voll (soll viel gegessen haben). Stirn und Kinn sprechen für Energie. Die Münzen passen gut zu den Standbildern, so daß sein Bildnis treu genannt werden kann. Diagnose der K r a n k h e i t des
Kaisers.
Derselbe litt an Verrücktheit, wie ich schon nachgewiesen habe (Paranoia). Die Senatoren haßten ihn, weil er so selbstherrlich, gewalttätig und verschroben war. Wenn auch aus den Bildnissen ebensowenig wie aus denen z. B. Napoleons mit Sicherheit hervorgeht, daß er gewaltsam war, so halte ich doch für sicher, wenn ich Bildnisdokumente und alte Quellen zusammennehme, daß er grausam war. Seine Grausamkeit war die Folge seiner Geistesstörung. Hekler spricht von gemeiner, schrankenloser Arroganz einer Domitianbüste. Er war ein guter Reichsverwalter und als solcher klug. Plinius ist Zeuge seiner Grausamkeit, und Nerva hätte sich nicht für seine Beseitigung mit eingesetzt, wenn dem nicht so gewesen wäre. Man sage nur nicht, man wisse nicht, was Domitian für ein Mensch war. Wenn feststeht, daß er einer der besten Verwalter des römischen Reiches war, ferner daß er einer derjenigen war, die das größte Kunstinteresse und -Verständnis hatten, so liegt auf der Hand, daß man keinen Grund gehabt hätte, diesen hervorragenden Mann umzubringen, wenn nicht schlechte Eigenschaften die guten überwogen hätten. Zugegeben, daß er ein selbstherrliches Regiment führte, er wird nicht wie Karl I. von England unwirtschaftlich regiert haben. Aus seinen Porträts erkennt man, daß er ein großes Maß von Selbstgefühl und Energie besaß — der beträchtliche Stirnhöcker und das mächtige Kinn legen dies, trotz aller amerikanischer Ver-
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suche das Gegenteil zu behaupten, nahe. Man würde einen bedeutenden Kaiser keineswegs ohne weiteres ermordet haben; Marc Aurel sagt ganz richtig, die guten Kaiser hätten die Römer nicht ermordet und Aufstandsversuche unter diesen wurden auch wirklich bald im Keime erstickt. Erst später war der Kaisermord wie bei russischen Zaren eine Milderung des Despotismus, so daß der kluge Diocletian als erster es vorzog abzudanken, da er den Kaisermord nicht legitimieren wollte. Alles in allem genommen und 10 Prozent als Übertreibung gehässiger alter Schriftsteller abgezogen, hat Domitian so viele Menschen umbringen 1 ) lassen, daß Grund genug vorlag, ihn ermorden zu lassen. Sonst hätte der edle Nerva nie seine Hand beim Kaisermord mit im Spiel gehabt. Man sieht eben, meine Behauptung dürfte ziemlich zwingend sein: Da die Bildnisse der römischen Kaiser den Geschichtsquellen meist parallel gehen, darf man schließen, daß die alten Berichte, namentlich die über die früheren Kaiser, zumeist sehr wahr sind. Ich prophezeie, daß man dahin gelangen wird, alle Berichte, bei höchstens 10 Prozent Abzug wegen gehässiger Entstellung, als wahr zu erkennen. Bei Caligula, Ellagabal und Commodus hat die Phantasie dazugemacht, was die Gehässigkeit angeregt. Aber ziehen sie mal 10 Prozent ab von den berichteten Mordtaten des Tiberius, Caligula, Commodus, Ellagabal, es wird eine erkleckliche Anzahl von ihnen Getöteter übrigbleiben. Wenn man psychologisch vorgeht, kann man viel Wahres per exclusionem erkennen. Das Gegenstück in vieler Beziehung zu Kaiser Domitian, besonders auch was die Geisteskrankheit anlangt, ist Caracalla. Caracalla (211—217) 2 ). Die Silbermünze des Fürsten ist ein vortreffliches Porträt und zeigt die Energie, den Ernst und die schlechte Laune des Herrschers a
) Plenum exsiliis mare; infecti caedibus scopuli. Ranke, Weltgeschichte III, S. 264. 2 ) Herodian, Buch 4, 1: Nach Severus' Tode eilten Caracala und Geta sogleich der Hauptstadt zu, doch bereits unterwegs hatten sich Zwistigkeiten unter ihnen entsponnen; daher sie weder die gleichen Herbergen bezogen, noch gemeinschaftlich speisten. — Buch 4, 3: Jedoch war die Mehrzahl für Geta gestimmt, dagegen benahm sich Caracalla in allem gewalttätig und leidenschaft-
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an. Die Lippen sind nicht dünn, der Kopf ist rund, der Hals, wenn auch kurz, so doch etwas steif. Bei Caracalla liegt auch, wie wir schon gesehen haben, Verrücktheit vor. Erwähnt werden mag noch, daß Münzen und Büsten gut übereinstimmen. Der fürchterliche Charakter dieses Kaisers, seine Falschheit und Grausamkeit, ferner sein Größenwahn legen diese Diagnose nahe. Natürlich liegt es nahe, auch bei Domitian und Caracalla an Jugendirresein zu denken, hatten doch beide ebenso wie die Hebephrenen Tiberius, Caligula, Nero einen Verwandten bzw. Bruder beseitigt, als sie zur Herrschaft gelangten (Agrippa Postumus, Tiberius Gemellus, Britannicus, Titus, Geta). Ludwig und Otto von Bayern waren auch Hebephrene. Domitian war stark verschroben, erinnern seine Leichenmahle, mit denen er die Senatoren ängstigte, nicht an Caligulas und Neros bizarres Regententum, die nachts Senatoren rufen ließen, weil sie ihnen vortanzen oder einen neugefundenen Musikton vorstellen wollten? Caracallas Hinterlist und Auftreten in Alexandria war doch auch sehr verschroben und krankhaft. Sollten nicht dieselben Handlungen denselben Psychosen entspringen? Da Verrücktheit eine seltene Erkrankung ist, das Jugendirresein aber mit die häufigste, muß bei Caracalla und Domitian auch an dieses Leiden gedacht werden, diese schärfere Diagnosenstellung 1 ) möchte ich aber der Zukunft überlassen. Wir besprechen jetzt eine Silbermünze seiner Frau Plautilla 2 ), welche geistig normal war, so daß die Münze der Fürstin eigentlich hätte eher besprochen werden müssen. Aber ich wollte sie gern neben den Kaiser stellen. Das Bildnis sieht jugendlich, ernst und nicht unschön aus, ein Winkelprofil ist angedeutet. Die Haartour lieh. — Buch 4, 4: Geta empfing eine tödliche Wunde (von seinem Bruder) und beströmte mit seinem Blute sterbend die Brust seiner Mutter. — Buch 4, 9: Und so entsetzlich war das Blutbad in Alexandria, daß ganze Blutbäche durch die Ebene flössen. — Ranke, Weltgeschichte III, S. 377: Der verrufene Caracalla trug sich mit universalhistorischen Gedanken, wollte Römer- und Partherreich verschmelzen usw. Die chronische, halluzinatorische Verrücktheit wird ja jetzt meist mit dem Jugendirresein identifiziert. 2 ) Dury, Geschichte des röm. Kaiserreichs usw., S. 112, führt geschnittenen Stein an, auf dem sie auch ernst aussieht.
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entspricht etwa derjenigen, die man sonst bei ihren Bildnissen antrifft. Wir gelangen nun zum ersten Jugendirren (Jugendirresein [Dementia praecox]), 1. Agrippa Postumus (f 14). Wenn auch kein Bildnis dieses Prinzen hinterlassen ist, das aligeführte des Sohnes des Agrippa sieht für ihn zu intelligent aus, so möchte ich doch behaupten, daß Agrippa Postumus eine gröbere Degenerationsform war wie z. B. Claudius und Caligula, die beide den Thron erlangten. Man muß unbedingt an Jugendirresein denken, wenn man die ebenso kurze wie klassische Beschreibung des Tacitus über Agrippa Postumus liest: „Bei aller rohen Vermessenheit 1 ) war er doch keiner Schandtat überführt." Man sieht förmlich, daß der Körper auf Kosten des Geistes gewuchert ist und wahrscheinlich athletische Formen angenommen hat, wie bei Geisteskranken bei eintretendem Schwachsinn manchmal beobachtet wird. Ein athletischer Körperbau würde auch gut zur Schizothymie passen. Seine Mutter Julia soll von sich selbst gesagt haben, daß sie erst mit anderen Männern zu verkehren pflegte, wenn der Kahn befrachtet war, so daß angenommen werden kann, daß Agrippa Postumus von Julia abstammt. Wir sehen hier wiederum, daß bedeutende Männer (Agrippa) minderwertige Nachkommen haben können. Die Mutter und Großmutter (Scribonia), die erste Frau des Augustus, wirkten durch ihre Lasterhaftigkeit verderblich auf den Stamm ein, ferner muß berücksichtigt werden, daß die Julische Epilepsie, latent vererbt durch diese beiden Frauen — Augustus hatte einmal einen epileptischen Anfall gehabt —, möglicherweise verschärfend auf die Erbmasse einwirkte. Die Verwandtschaft zwischen Fallsucht und Jugendirresein möchte ich dabei nicht unerwähnt lassen, so daß Mischformen beider Leiden nicht so selten in die Erscheinung treten. Dazu kommt, daß Agrippa vielleicht brutal, wenn auch nicht direkt grausam war. Nun ereignet es sich zuweilen unglücklicherweise, daß gerade die schlechten Eigenschaften vorwiegend vererbt werden, so 1 ) Die Annalen des Tacitus I, Buch 3. Nach Tacitus bildete er sich besonders auf seine große Körperstärke viel ein.
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daß hier also möglicherweise vererbte Epilepsie, sexuelle Zuchtlosigkeit und väterliche Brutalität die Degenerationsform eines Agrippa Postumus zustande brachten. Agrippa Postumus muß doch noch mehr aufgefallen sein wie Caligula und Claudius, sonst hätte man ihn nicht verbannt. Leider ist nicht berichtet, worin die rohe Vermessenheit bestand, auch nicht, ob sie vielleicht auf sexuellem Gebiet oder mehr auf dem des Benehmens lag. Ein Psychopath soll sicher gekennzeichnet werden, und zwar einer gröberen Kalibers. Leichte Psychopathie dürfte leicht übersehen werden und bei den günstigen Bedingungen eines humanen Hofes unter Umständen ohne Bedeutung bleiben. Freilich werden auch gerade am Hofe deutlicherere Psychapathien — Claudius — leicht schlecht behandelt. Ich erinnere an Don Corlos und an den Sohn Peters des Großen. Beide sind vielleicht jugendirre gewesen, sie endeten ebenso wie Agrippa Postumus. Vermessenheit dürfte auch auf die zwei zuletzt Genannten gut passen. Über den unglücklichen Prinzen habe ich gesprochen, weil ich ein Porträt eines Sohnes des Agrippa angeführt habe und weil sich evident zeigt, wie gerade die Schizophrenie (das Jugendirresein), so ziemlich die letzte der Degenerationsformen, im Julisch-Claudischen Kaiserhause wütete (siehe v, Hentig). 2. Tiberius (14—37 n. Chr.).
(Jugendirresein.)
Wir haben drei Gold- und eine Silbermünze des Kaisers vor uns. Auf der ersten Goldmünze sieht er schön aus, sie wird in der Zeit geprägt sein, wo man ihn den schönsten Mann seiner Zeit nannte. Der Ausdruck ist ernst, der Wasserkopf angedeutet. Die folgende Goldmünze zeigt den Wasserkopf — das Abweichen der Stirn nach vorn — noch deutlicher. Die Silbermünze und die dritte Goldmünze zeigen auffallenden Ernst, ja eigentümlich verzerrte Züge, die an die Krankheit des Fürsten gemahnen. Namentlich die Silbermünze zeigt sehr markierte Züge. Der Hals ist überall schlank und soll wohl auch seine fürstliche Haltung andeuten. Tiberius I. Der Kopf steht im Nationalmuseum delle Terme in Rom, von Bernoulli erwähnt. Der Kopf stellt ohne Zweifel den jungen Tiberius 58
dar. Die Augen sind groß, auch die Ohren, sowie der ganze Kopf. Das Durchgeistigte ist deutlich. Die rechte Gesichtshälfte ist, wie bei der Vatikanstatue (als Jupiter), mehr ausgebildet als die linke. Die Skulptur zeigt schon die eigentümliche Haaranordnung, das in die Stirn gekämmte Haar. Tiberius
II.
In der Sal. lapidaria zu Neapel aufgestellt, von Bernoulli Bd. II, S, 149, Nr, 22 angegeben. Der Kopf ist sehr geflickt und unzuverlässig, der ganze Oberteil und die Nase neu. Haar viel zu lockig restauriert. Es ist trotzdem Tiberius. Ausdruck wie beim vorigen Bildnis: klug und energisch. Schwert, Helm und Panzer sind bezeichnend für ihn. Der Konstitutionstypus ist überall derselbe: athletischer Kreis mit pyknischer Mischung. Das scheint der Natur abgelauscht und nicht übertrieben. In der Tat soll er nie ernstlich krank gewesen sein. Kopf, Hände und Füße sind auch hier groß. Man könnte an Akromegalie denken. Vielleicht gibt es eine Beziehung zwischen Akromegalie und Genialität 1 )? Die Konstitution paßt zum Charakter: genialisch und Tatmensch. Damals war er auch wohl noch nicht geisteskrank (schizophren). Tiberius
III.
Aus dem Lateranischen Museum, von Bernoulli Bd. II, S. 148, Nr. 8 verzeichnet. Kopf und Torso an gleichem Ort gefunden und aufeinanderpassend. Nase ergänzt. Hier ist das Pyknische durch die fast femininen Brüste noch deutlicher. Tiberius
IV.
Im Vatikanischen Museum, Bernoulli erwähnt Bd. II, S. 146 das Standbild. Nase neu, Kinn und Oberlippe geflickt. Rechter Vorderarm und linke Hand mit der Rolle ergänzt. Der Hinterkopf ist ausladend, der Mund, wie fast überall bei den Skulpturen, klein. Kopf, Hände und Füße sind groß. Die überall wiederkehrenden großen Füße möchte ich als Beweis dafür ansehen, wie wahrheitsgetreu er abgebildet wurde, denn sonst hätte man schwerlich seine Füße so Es gibt ja auch eine Beziehung zum Gegenteil, zur Beschränktheit.
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häßlich dargestellt. Sonst gilt, was das Pyknische anlangt, dasselbe wie beim vorigen Bildnis. Tiberius
V.
Vatikanisches Museum, von Bernoulli Bd. II, S. 145 beschrieben. Die Finger der linken Hand mit dem Schwert sind ergänzt, sonst alles erhalten. Der Kopf zwar aufgesetzt, aber zugehörig. Dieses herrliche Bildwerk zeigt, wie kein anderes, die Größe und den C h a r a k t e r d e s Tiberius. Alle Köpfe haben den Wasserkopf, zeigen den bedeutenden Menschen. Das letzte Bildnis zeigt vielleicht in dem sarkastischen Zuge um den Mund krankhafte Züge. Aus dem späteren Alter ist außer einer Büste, die Hekler dekadent nennt, wohl nur eine Büste oder Statue erhalten. Die Ohren sind überall groß. Ernst sind alle Bildnisse. Das Sprechendste ist das letzte, das ihn etwa so schildert wie Tacitus; man sieht dem gewaltigen Standbild förmlich an, daß dieser Mann ein gewaltiger Herrscher ist, während Grausamkeit nicht direkt herauslesbar ist. Dieses Standbild gibt wieder Zeichen der Akromegalie. Ranke sagt folgendes über eine Büste des Kaisers (Weltgesch, III, S. 77): In einer Büste des Tiberius, die man für die schönste von allen erklärt, die von einem Imperator auf uns gekommen ist, ist nichts wahrzunehmen, was Blutdurst oder Heuchelei verriete, wohl aber atmet sie ein Bewußtsein eingeborener Kraft und der höchsten Würde mit einem Zug von Verachtung der Gegner, die er für überwältigt zu halten scheint. Die Münzen des Kaisers stimmen unverkennbar zu den Rundbildnissen. Das Bildnis des Kaisers ist mindestens relativ treu zu nennen. Die Diagnose über Tiberius gründet sich auf eine Arbeit des Herrn v. Hentig, die dieser 1924 in München erscheinen ließ unter dem Titel: „Über den Cäsarenwahnsinn, die Krankheit des Kaisers Tiberius", Mit dieser ausgezeichneten Arbeit hat er die ganzen Diagnosen über Tiberius umgestoßen. Ich pflichte aber der Ansicht *) Die straffe Haltung des Nackens und seinen majestätischen Gang beschreibt Sueton (Tiberius c. 6, 8 ) : incedebat cervice rigida et obstipa.
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v. Hentigs bei, daß der Kaiser an Schizophrenie 3 ), später an leichtem Schwachsinn gelitten hat. Er erwähnt die ausgeprägte Prognathie seines Oberkiefers, die für zahlreiche Claudier charakteristisch sei, und führt eine Kamee des Fürsten aus Florenz an, die dies in der Tat zeigt. Dann erwähnt er die leicht zusammengezogenen Brauen, die Bernoulli bei dem jungen Tiberius von Berlin angeführt hat. Ein sehr guter Gedanke des Herrn v. Hentig scheint mir der zu sein, daß Tiberius die Regierung auch deshalb übernommen hat, weil er wahrscheinlich ermordet worden wäre, wenn er es nicht getan hätte. Der vorerwähnte Autor erwähnt noch, daß Gregorovius in einer Büste des alten Kaisers aus dem Louve in Paris etwas widerwärtig Starres, hartherzig Verschlossenes, selbst Gemeines gefunden hat. Tiberius war beim Heere unbeliebt, so daß Meutereien unter den Soldaten ausbrachen, als Augustus gestorben war. Tiberius wurde von allen Seiten verfolgt, vom Volk, weil er ihnen die Wahlen nahm, vom Senat, der seinen Charakter haßte. Nachdem sein Sohn ermordet war, zog er sich nach Capri zurück und ich glaube bestimmt, daß er ermordet worden wäre, wenn er sich nicht nach Capri zurückgezogen hätte. Sogar Caligula soll ihn mit dem Dolch bedroht haben. Was Wunder, wenn der verbitterte, kranke Kaiser um sich schlug, nachdem sein Sohn dahin und eine Verschwörung gegen den Thron angezettelt war (Agrippina). Was soll das Gerede über die Grausamkeit des Kaisers, grausam waren die römischen Kaiser fast alle. Die römische Kaiserzeit war die höchste Kulturepoche, die je war, aber eine etwas rohe Zeit. Man unterlasse es nur künftig, soviel über die Grausamkeit der römischen Kaiser zu sprechen. Sogar der vermeintlich Beste (Marc Aurel) war es gegen die Christen. Aber der Cäsarismus heischte Strenge, Der römische Kaiserstaat war, um mit unserem großen Philosophen Spengler zu reden, in Form und Der Negativismus des Kaisers, die Sucht abzulehnen, in sich zu verschließen, erhellt aus folgender Stelle des Tacitus, Annalen, Buch 6, 1: Als der Kaiser über die Meerenge fuhr, unschlüssig, ob er die Stadt betreten solle, oder, weil er schon das Gegenteil beschlossen hatte, den Schein zu geben, als ob er kommen wolle. So kehrte er denn auch, nachdem er oft Ausflüge in die Umgebung gemacht und in den Garten an der Tiber sich begeben hatte, wieder heim zu seinen Felsen und zur Meereseinsamkeit, seiner Freveltaten und Lüste sich schämend usw.
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cs kam nicht auf ein paar Köpfe an, die fielen. Frug man denn am Ende des Weltkrieges danach, ob deutsche Köpfe fielen und später, ob Kinder und Rentner verhungerten? Ist das Leben eines deutschen Bürgers jetzt etwas wert? Man soll nur langsam aufhören sich über die Grausamkeit des Tiberius aufzuregen — er ist ja durch Geisteskrankheit entschuldigt — und noch mehr dieselbe anzuzweifeln 1 ), dann versteht man gar nicht diese gewaltige Epoche mit ihren großen Umwälzungen, die wichtige Zeit der Befestigung der Monarchie unter Tiberius trotz der Senatsfronde. J a , man kann sich wundern, daß Tiberius trotz seiner Geisteskrankheit und seines schließlichen Schwachsinns das Reich so geleitet hat. Die e n d g ü l t i g e R e t t u n g des K a i s e r s
Tiberius2).
Ich habe in meinem Buch „Cäsarenporträts" s ) versucht, der Wahrheit über den Charakter dieses vielbesprochenen Fürsten auf Grund seiner Bildnisse näherzukommen und werde diese Studien fortsetzen. Aus diesen Bildnissen konnte ich ersehen, daß Tiberius anfangs eine genialische und durchaus körperlich gesunde Persönlichkeit war. Auch der Körperbau stimmt zu seinem Charakter; sein athletischer Körper paßt zu seinen schizoiden Zügen, zu seiner Genialität, Härte und Verschrobenheit seine Konstitution ist außerdem mit pyknischen Zügen gemischt. Wir sehen den genialen und Tatenmenschen vor uns. Nach Kretschmer kann man alle Menschen in Schizothyme und Zyklothyme einteilen, die Gesunden mit eingerechnet, d. h. in solche, die dem Jugendirresein (Schizophrenie) und solche, die dem manisch-depressiven Irresein nahestehen. Der 1 ) Seneca berichtet im dritten Buch „von den Wohltaten", daß unter Tiberius die Angeberei eine ungeheuere Rolle spielte, er erzählt da von dem Auflaurer Maro und dem Präter Paullus eine ebenso köstliche wie ernste Geschichte. Dieser hatte nämlich beim Abendgastmahl sein Nachtgeschirr benutzt, wobei er einen Ring am Finger trug, dessen geschnittener Stein den Kaiser darstellte. Er war betrunken. Sein Sklave merkte das und zog ihm beizeiten den Ring ab, nur das rettete ihm das Leben. 2 ) Dieser Aulsatz erscheint auch gesondert mit der Überschrift: „Ein Beitrag zur Rettung des Kaisers Tiberius" in der Zeitschrift „Humanistisches Gymnasium". Nach Abgang der Korrektur für die Philologische Zeitschrift habe ich hier die abgeänderte Überschrift angegeben, weil man sagt, Tiberius sei schon gerettet. s) Erschienen bei A. Marcus & E. Weber. I. Band 1914, II. Band 1924.
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pyknische Körperbau geht mit beträchtlicherer Fettentwicklung einher. Durch diese Untersuchung werden die Vergleichsmomente mit Friedrich dem Großen noch größer. Freilich wird bei Tiberius das Sarkastische weniger durch zyklothyme Bonhomie, durch zyklothymen Humor gekreuzt. Beider Absonderlichkeiten sind groß; man denke nur an ihr Liebesleben. Beider Staatskunst ist groß und bis zu einem gewissen Grad wahrhaft demokratisch, volksbeglückend. Nun kommt der schwierige Punkt in der Vergleichung beider. Wir kommen auf die Grausamkeit, und deshalb hauptsächlich schreibe ich diesen Aufsatz, Freilich sehen Skulpturen und Münzen des Kaisers keineswegs, im ganzen genommen, bösartig aus, wenn auch Hekler eine Büste aus seinen älteren Jahren dekadent nennt. Wenn der große Preußenkönig zu seinen Beamten sagte: „Sie haften mir mit ihrem Kopf dafür," daß dies und das geschieht, so war das freilich sehr ernst gemeint, und wenn der Betreffende auch im Falle des Versagens den Kopf nicht wirklich verloren hätte, so war doch der Ton nahe an Grausamkeit (aufgeklärter Despotismus), Wenn Tiberius' Bildnisse nicht für Grausamkeit sprechen, so kann das daher kommen, daß nicht jeder grausam aussieht, der grausam ist. An Napoleons I, Bildnissen erkennt man auch bloß die strenge Härte. Nun wollen wir an der Hand der Annalen des Tacitus sehen, wie es mit dem Vorwurf steht, Tiberius sei grausam gewesen. Bekanntlich wurde der Kaiser, auf den Thron gelangt, vom Senat schlecht behandelt, da er persönlich nicht liebenswürdig war und in die Julische Familie — das zum Herrschen geborene Geschlecht — eingeschlichen schien. Der Senat erscheint als revulotionär, Tiberius als Machthaber. Man reizt ihn, ein Senator heiratet seine von ihm geliebte, auf höheren Befehl verstoßene Frau. Der Caesar stößt auf schlechtes Menschenmaterial in der Kurie und erboßt sich über „diese zur Knechtschaft willigen Menschen" 1 ). Interessant ist, wie man an der Hand der Lebensschicksale des Fürsten erkennen kann, wie sich sein Charakter 2 ) ändert, wie Tacitus ganz richtig erkennt. ) Die Annalen des Tacitus, Buch 3, 65. ) Tacitus schreibt in den Annalen Buch 4, 1, daß bei Tiberius nach der Blüte seines Hauses und anfangs ruhiger Regierung plötzlich das Schicksal begonnen hätte, Verwirrungen anzurichten, er selbst sich als Tyrann zu zeigen oder Tyrannenkräfte zu leihen anfing. 1
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Seit seines Sohnes Drusus Tod nach achtjähriger, untadelhafter, glorreicher Regierung. Selbstverständlich mußte der Tod seines Sohnes Drusus um so mehr auf das Gemüt des Tiberius einwirken, als dies schon durch den Tod des herrlichen Bruders Drusus, die Verfolgungen in jüngerem Alter, die nicht unfreiwillige Verstoßung der geliebten Frau, den Schmerz, den seine neue Frau Julia durch ihr schändliches Leben ihm bereitete, umdüstert war. Seines Sohnes Tod wird wohl nicht mit Unrecht dem ehrgeizigen Machthaber und falschen Freund, dem praefectus Praetorio Sejan, zur Last gelegt, der sich für Handgreiflichkeiten des jugendlichen Kronprinzen rächend, Aspirationen für den Thron hatte. Darüber, ob Sejan auch die Ehe des Drusus zerstört hat, wird kaum Klarheit zu schaffen sein. Zuzutrauen war freilich diesen Mann vieles. Denn sogar eine kaiserliche Prinzessin bat er sich von Tiberius zur Frau aus. Wenn Tacitus Tiberius vorwirft, daß er nach dem raschen Hinsterben seines Sohnes in der Arbeit Trost gesucht, so geht er m. E, in dem Bestreben zu weit, dem bedeutenden Mann Fehler nachzuweisen. Man muß in der Literatur über den Kaiser — wir werden das des weiteren sehen — Abstriche machen, da sie senatorisch zu ungunsten desselben beeinflußt ist. Als der Cäsar nach dem Tode des Drusus dem Senat die Kinder des Germanicus empfiehlt, die er zu dem Zwecke rufen läßt, läßt Tacitus auch hierüber seinen Unmut aus, weil der Kaiser dieses Ereignis damit verknüpft habe, dem Senat seine Stellung zurückzugeben. Tacitus meint, aus dieser Unehrlichkeit könne man schließen, daß der erste Akt auch unehrlich gemeint sei. Das glaube ich keineswegs. Freilich ahmte Tiberius seinen Lehrmeister und Adoptivvater Augustus darin nach, daß er von Zeit zu Zeit scheinbar die Herrschaft an den Senat zurückgab, um dadurch demokratischer zu erscheinen, eine Regierungshandlung, der man keineswegs K l u g h e i t u n d politischen Sinn absprechen kann, wenn man auch insofern Tacitus rechtgeben mag, daß beide Fürsten das Angebot an den Senat nicht ernsthaft gemeint haben. Sie waren der Nichtannahme ihres Antrages sicher. Tacitus bringt auch Klatsch, 1 ) Ranke, Weltgeschichte III, S. 45: Man besitzt Bruchstücke aus den Briefen des Augustus an Tiberius, in denen ihm dieser Hochachtung, Zuneigung und zugleich die Überzeugung von seiner großen Bedeutung für die Republik zu erkennen gibt (Sueton: Tiberius, c. 21).
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Claudius B. B.
Claudius B. S.
Claudius B. B.
Claudius
Claudius
B. G.
B. S.
Caracal la D. (i.
Claudius G. S.
Claudius G. K.
Plautilla G. S.
Tiberius
Tiberius
Tiberius
Tiberius
B. G.
B. G.
B. S.
D. G.
und auffallend genug ist — und das empfindet er selbst — daß er ganze Jahre manchmal fast nur mit kriminellen Begebenheiten ausfüllt, wodurch man ein ganz falsches Bild der Zeit erhält; man muß nur bedenken, wie beliebt Tiberius in den Provinzen war und daß sich das Kriminelle meist bloß in und bei Rom abspielte. Der Kaiser brauchte die Majestätsprozesse, weil er verfolgt und angefeindet wurde. E s gehörte zu seinem Regierungssystem, die cäsarische, die auf Julius Cäsar zurückgehende Tradition unter allen Umständen zu wahren, um dem Kaisertum Halt zu geben; auf diesen Gedanken hat mich das vortreffliche Buch von Gundolf, „Cäsar und sein Ruhm", gebracht und gerade hier scheint mir diese Idee sehr angebracht und einleuchtend zu sein. Agrippina die Ältere haßte Tiberius, weil sie ganz offenbar weibliche Intrigen um ihn spann und mit ihren Söhnen Hochverrat plante. Das geschah aber erst später; zunächst verfolgte sie ihn mit einer Politik von Nadelstichen und erdreistete sich sogar, ihn wegen Mordabsichten gegen sie zu verdächtigen (Obstaffäre bei Hofe), Agrippina hatte durch Eingehen einer neuen Ehe zu erreichen gesucht, was ihr vordem nicht gelungen war — zur Herrschaft zu gelangen. Der durchsichtige Wunsch wurde vom Kaiser natürlich durchkreuzt. Tiberius ging offenbar nach Capri, weil er den ernstesten Verfolgungen ausgesetzt, jugendirre und verbittert, durch Schicksalsschläge gebeugt war und die Ränke und Herrschsucht seiner Mutter nicht mehr ertragen konnte. Daß ihm sein Hausarzt auf Capri Weib, Wein und Gesang verschrieb, wie so schön gesagt worden ist, schadete nichts, tat niemand weh. Hieraus aber die Legende von dem durch Lüste geschwürigen Antlitz des Gewaltigen zu machen, ist, wie ich schon erwähnt habe, bösartige Entstellung, Man wollte ihn offenbar als syphilitisch hinstellen, obgleich viel näher liegt, an eine Hauteiterung oder Gesichtsfurunkulose zu denken. Sehr wahrscheinlich ist, daß bei dem Untergang der beiden ältesten Söhne des Germanicus, des Nero und Drusus, Ränke des Sejan eine Rolle spielten. Daß der Kaiser den Ritter Titius Sabinus wegen seiner Freundschaft mit der Familie des Germanicus bestrafte, kann nach allem und dem Ton im Weltreich der Cäsaren nicht wundernehmen, da Parteinahme für diese Familie zu Zeiten als Hochverrat galt. Tacitus schmückt dessen Überführung und Untergang theatralisch aus. Man 5
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kommt unwillkürlich auf den Gedanken, daß Tacitus zum Teil Memoirenliteratur benutzt hat. Daß er zum Beispiel die der jüngeren Agrippina verwertet hat, ist ja bekannt. Freilich neige auch ich zu der Ansicht, die Liebenam vertritt, daß im großen und ganzen bewußte Unwahrheit dem großen römischen Schriftsteller nicht nachgesagt werden kann. Daß bei dem damals herrschenden Despotismus 1 ) und den angeblich fürchterlichen Zeitläuften, wo kein Freund dem anderen traute, Angebereien an der Tagesordnung waren und viele Selbstmorde stattfanden, dürfte Tacitus übertrieben und zu schwarz gemalt haben. Es war eben eine Übergangszeit und die römische Welt, infolge des Glanzes und Luxus' des Kaisertums zum Teil auf Abwegen, erschüttert, verdorben, gemein, niedrig, sogar die besten Kreise zuweilen. Daß Tiberius' Charakter allmählich infolge des Schwachsinns sank, erhellt daraus, daß er, nachdem er gute verwandte Thronanwärter hatte dem Verderben preisgeben lassen, den Phaeton Caligula zur Nachfolge bestimmte, dessen Charakter er erkannt hatte. Einen schlechteren Dienst konnte er Rom nicht erweisen. Allerdings gestehe ich, daß es Friedrich dem Großen mit seinem Neffen im Zeitalter des aufgeklärten Despotismus ähnlich, natürlich aber in viel milderer Form, erging. Lächerlich erscheint, daß Tacitus verwerflich findet, daß der Senat Tiberius eine Leibwache von Senatoren stellen und ihn so sicher von Capri nach Rom zurückgeleiten will. In seiner republikanischen Gesinnung übersieht er, daß ein Teil auch der Besten des Staates bereits monarchisch geworden war und1 sich dementsprechend äußerte. Tacitus braucht seinen Senat gar nicht so in Schutz zu nehmen, denn zum Beispiel unter Nero hat sich dieser doch zeitweise — bei Mord der Gattin und Mutter Neros — sehr gemein und niedrig gezeigt. Freilich war Tiberius nicht einfach. Er verlangte eine gewisse Festigkeit von jedem, wenigstens bei solchen, die vor ihm angegriffen waren und erst dann war er böse, wenn ihm nicht genügend begegnet wurde. Wenn der Fürst die Goldgruben des Sextus Marius aus Spanien annektieren ließ, unser großer Historiker schreibt, zu perNach dem von Majus aufgefundenen Fragment bestrafte Tiberius die Angeklagten sehr streng. Nach Zonaras rief er seine Frau Julia nicht nur nicht aus der Verbannung zurück, sondern ließ sie noch enger einkerkern, so daß sie vor Gram und Hunger starb.
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T
sönlichen Zwecken, nachdem jener wegen Blutschande vom tarpejischen Felsen gestürzt war, so verband Tiberius eben das Angenehme mit dem Notwendigen: er war einen Gegner loß und nahm die Einkünfte aus den Goldgruben nicht ungern mit. Hierin kann ich keine Entgleisung des Imperators erblicken, natürlich vorausgesetzt, daß die Verurteilung zu Recht erfolgt war. Tacitus glaubt, der Kaiser habe es von vornherein auf dessen Reichtum abgesehen. Ich halte dies für senatorische Übertreibung; Tiberius war nicht so unedel, er schlug nur zu, wenn er sich verfolgt oder die cäsarische Tradition gefährdet glaubte. Möglich ist, daß er infolge seines Schwachsinns Leute beim Sterngucken ins Meer stürzen ließ. Tacitus berichtet, die Römer habe zum Selbstmord getrieben, daß bei Verurteilungen nicht einmal Bestattung gestattet worden sei; der kranke Kaiser wollte die Verbrecher warnen. Das Blutbad im Anschluß an die Sejanische Verschwörung leugnet ja niemand, der Kaiser mußte so vorgehen, um die Dynastie und damit den Staat zu retten, so gleichsam, nach Ranke, einen Aufstand im Keime erstickend. Übersehen wir alles noch einmal, so müssen wir zusammenfassend sagen, daß Tiberius sehr angefeindet wurde und deshalb manchmal losschlug. Tacitus hat übertrieben, vor allem in seinem Verallgemeinern; die Einzelgeschichten mögen meist einen wahren Hintergrund haben. Er hat tendenziös gegen das Kaisertum geschrieben und durch die Anhäufung des Klatsches und kriminellen Stoffes ein Zerrbild geliefert. Der Fürst neigte in späteren Jahren, durch viele Unglücksfälle gebeugt und infolge seiner Krankheit, zur Härte, wir wollen ruhig zugestehen, zur Grausamkeit — Karl der Große war auch grausam und führt trotzdem den Titel des Großen und eines Volkshelden —, aber die Grausamkeit ist in vielen Fällen entschuldbar, Spengler spricht vom großen Tiberius, Ranke sagt, er war kein großer Mann, aber der geborene Herrscher. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Der Kaiser war ein Mann von genialen Fähigkeiten und müßte groß genannt werden, wenn er nicht geisteskrank und deshalb so oft hart gewesen wäre. Seine Grausamkeit ist aber vielfach durch Zeitumstände und politische Notwendigkeiten zu entschuldigen. Daß der Kaiser nicht frei von Schuld ist und sich auch nicht so fühlte, geht daraus hervor, daß er erwiesenermaßen Unwahrheiten in seine Memoiren einflocht, die eine Rechtfertigungsschrift sein 5*
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sollten. Ich bin der Ansicht, daß er das große Verdienst hat, die Monarchie erst wirklich begründet — Ferrero nennt Augustus bloß einen Präsidenten der römischen Republik —, befestigt und ihre rund 500 Jahre lange Dauer inauguriert zu haben. Somit hat er trotz allem etwas Ungeheueres geleistet; denn das römische Kaiserreich war nach Kultur, Zivilisation und zusammenhängender Größe der bedeutendste Staat, der je bestanden hat. Wir kommen auf meinen Satz zurück und das beweisen die ehernen und lapidaren Geschichtsdokumente (Münzen und Skulpturen), daß die schriftstellerischen Quellen sicher, im ganzen genommen, viel besser, wertvoller, wahrhaftiger sind, als die Historiker anzunehmen scheinen. Zum Beispiel geht die von den alten Schriftstellern, auch von Tacitus, hervorgehobene Genialität des Tiberius als Prinz und in seiner früheren HerrscherzeU auch konform mit Gesichtsausdruck und Kopfform, wie ich nachgewiesen habe; sogar an den Münzen ist dies deutlich (Wasserkopf), wenn auch nicht so deutlich wie an den Skulpturen, was bei den viel kleineren Münzbildnissen begreiflich ist. Diese körperlichen Merkmale sind so bedeutend und unterscheidend, daß ich die große Gemme (Türkispaste) aus Wien, abgebildet bei Delbrück, Antike Porträts, Tafel 59, 4, die Delbrück für Augustus hält, für Tiberius halten muß, da die Stirn leicht die Tendenz zeigt, nach außen abzubiegen, während bei Augustus Stirn und Nase mehr in einer Flucht liegen. Furtwängler hält die angezogene Gemme auch für Tiberius. Später hat Delbrück auch an Tiberius gedacht. Die etwas mehr gewölbte Nase spricht auch für diesen Kaiser, Der Kopf der Gemme erscheint im ganzen etwas voluminöser als der Augustuskopf (vgl. die Augustusgemmen 3 und 5 auf derselben Tafel bei Delbrück) . Schließlich möchte ich noch ganz kurz etwas über die Literatur sagen, die zur Frage der Rettung des Tiberius erschienen ist. Ich habe dieselbe bereits in einer früheren') Arbeit zum Teil zusammengestellt und kritisch verwertet; die ausgezeichnete Dissertation von Arno Lang, „Beiträge zur Geschichte des Kaisers Tiberius" (Jena 1911), bringt in ausführlichster Weise auch die übrige Literatur. Zu 1
) Die Regenten des julisch-claudischen Kaiserhauses in historischer, genea-
logischer und psychiatrischer Beleuchtung. richtliche Medizin, Bd. 70.
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Zeitschrift für Psychiatrie und ge-
dieser Arbeit möchte ich nur bemerken: mit ihren Ausführungen bin ich völlig einverstanden; auch ich bin der Ansicht, daß der Kaiser, bei seinem vorgerückten Alter von 56 Jahren, zunächst kurze Zeit geschwankt haben wird, ob er die Bürde der Herrschaft auf sich laden solle, daß dann aber seine angeborene Herrschsucht und die ihn reizenden feindlichen Äußerungen einiger Senatoren Tiberius ebensosehr bestimmten, die Herrschaft zu übernehmen, wie das Staatsinteresse es von ihm forderte, siehe v. Hentig. An eine Teilung der Herrschaft kann er sehr wohl aus oben angedeuteten Gründen zunächst gedacht haben. Auch ich glaube, daß Mommsen recht hatte zu sagen, daß Tiberius zu Zeiten der tüchtigste Herrscher war, den das Reich gehabt hat, und daß das schiefe Bild von ihm durch die römischen Schriftsteller, namentlich durch Tacitus, auf uns gekommen ist, weil die kriminelle Statistik tendenziöser- und falscherweise in diesen Werken wie ein roter Faden das Ganze durchzieht, v, Hentig glaubt an seine geschlechtlichen Ausschweifungen auf Capri, weil so viele Einzelheiten angegeben werden, Tiberius 1 ) ist somit jetzt erst richtig gerettet, auch weil man feststellen konnte, daß er geisteskrank war. 3. Caligula
(37—41).
(Jugendirresein.)
Wir betrachten 17 Münzen des Kaisers, darunter neun Großbronzen, eine Goldmünze, fünf Silbermünzen und zwei Kleinbronzen. Interessanterweise zeigen im allgemeinen die Münzen des Kaisers aus dem dritten Regierungsjähre geistig freiere Züge als die aus dem ersten Regierungsjahre, Ich möchte hieraus schließen, daß die Krankheit des Kaisers schubweise erfolgte und er im ersten Jahre kränker war; das Nähere kommt weiter unten. Über die ersten vier Bronzemünzen ist zu sagen: Der Fürst hat außer höchstens auf Münze 2 kein intelligentes Gesicht, auf Münze 5 sieht er gemein aus, auf Münze 6 filouartig, auf Münze 7, auf der das Auge sehr groß dargestellt ist, wie geistesabwesend, auf Münze 8 sieht er geistesabwesend und gemein aus, 9 nähert sich dem normalen Typus. Der Historiker Dessau urteilt über Tiberius in seiner „Geschichte der römischen Kaiserzeit": Der Kaiser war grausam, später verschroben, zwischen den Zeilen kann man lesen seelisch krank. Tacitus habe die Tatsachen richtig angegeben, aber etwas tendenziös geschrieben.
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Die zweite Reihe Großbronzen: Der Ausdruck ist ein leidlich lebhafter, bei der zehnten Münze ist er etwas undeutlich. Die Kleinbronzen: Die erste von ihnen zeigt wenig Verstand an, die letzte Silbermünze sieht krankhaft aus. Überall Hochkopf und schlanker, aber muskulöser, etwas steifer Hals. Da ich nur Münzen aus dem ersten und dritten Regierungsjähre des Kaisers, aber nur durch Zufall und bunt ausgewählt habe, dagegen die Münzen aus seinem zweiten Regierungs jähre, aus schlechtem Gold geprägt, seltener sind, wäre zu erwägen, ob nicht die Numismatiker versuchen könnten, alle Münzen Caligulas, deren es doch nur eine relativ beschränkte Zahl gibt, daraufhin nachzusehen, ob es nicht deshalb so wenige Münzen aus dem zweiten Regierungs jähre gibt, weil nach der Vergeudung des Staatsschatzes weniger Geld da war und andererseits, ob es später wieder mehr Geld gab, nachdem er durch weißbolschewistische Morde den Staatsschatz wieder angehäuft hatte. Herr Professor Bernhart aus München hat mir am 21. 9. 1925 liebenswürdigerweise mitgeteilt, daß Caligulamünzen, die auf der Rückseite die Umschrift P. M. T R . POT. ITER. zeigen, nicht gerade seltene Halbaurei des Kaisers sind; auf der Rückseite befindet sich eine auf einer Kugel sitzende Siegesgöttin. Caligula I. Statue aus dem Vatikanischen Museum, Statuengalerie Nr. 262, von Bernoulli Bd. II, Taf. III erwähnt. Asthenisch-muskulös. Dicker Bauch fehlt. Idealisiert. Caligula war asthenisch - pyknisch, Kopfform hoch, verschleierter Blick, sonst nicht unschönes Gesicht, senkrechte Stirnfalten, Stirn nicht sehr hoch. Mund leicht gekniffen. Aussehen leicht herrisch. Charakteristisch das Schwert. Hände fein, eher klein, Füße eher klein (weibliches Erbteil?), Vene am rechten Unterschenkel. Schizoid (pyknisch). Kalter Despot 1 ) mit Gefühls1 ) Man hat daran gedacht, daß die uns überkommenen Caligula- bzw. Neroskulpturen zum Teil gut erfunden sind, um das Despotische, Degenerierte zu karrikieren. Ich glaube hieran nicht. Es liegt näher, nachdem wir gesehen haben, daß Bildnisse und Quellen meist übereinstimmen, anzunehmen, daß die Römer gute Psychologen und Porträteure waren und daß die Bildnisse echt sind. Namentlich bei dem Despotismus der Kaiser glaube ich nicht an das angedeutete Verfahren.
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Wallungen (beim Tod der Drusilla), Kunstsinn, der sich in Monumentalbauten äußert, Tatendrang, der sich auch in Grausamkeiten offenbart.
Caligula II. Aus dem Louvre Nr. 37, Caligula im Panzer, von Bernoulli Bd. II, Taf. XVI angegeben. Ich finde nicht, daß der Kopf zu klein zum Torso ist; der Kopf ist aufgesetzt, aber Kopf und Torso sollen beide von Gabii stammen, Hals hier länger und muskulöser. Athletischer Typus, die Verbesserung am Kopf schon erwähnt, Gesicht schon beschrieben, hier Füße größer, vielleicht entsprechend dem fortschreitenden Wachstum, wohl auch etwas zu groß angegeben. Schizoid (pyknisch). Neben die Caligulaporträts möchte ich einen Kranken aus unserer Anstalt stellen, der auch an Jugendirresein leidet. Der Kranke ist, wie die folgenden Patienten, die ich neben die römischen Kaiser stelle, unserer Anstalt entnommen. Ich mache darauf aufmerksam, daß das Profil unseres Kranken sehr wohl einige Ähnlichkeit mit dem des Kaisers hat: Auch hier Hochkopf, eine ähnliche Nase, das Kinn wurde leider während des Photographierens x ) von dem Kranken manierenhaft vorgeschoben. Der Blick ist noch etwas kränker wie bei Caligula, das Ohr noch degenerierter (Andeutung von Spitz- und Henkelohr) 2 ), das Kinn des Kranken noch massiver. Das zweite Bildnis eines Kranken, das ich auch neben Caligula stelle, stellt eine leichte mongoloide Idiotie dar, das leicht bezieht sich auf Idiotie; das Bild sieht etwa ähnlich meinem Caligula VI. aus Band II. Caligula soll übrigens auch Stirnfalten gehabt haben, die man vielleicht aus Furcht vor dem Kaiser weggelassen hat. Caligula hat auch auf einem Porträt (Caligula IV., Bd. II) Henkelohren. Wenn nach diesen Vergleichen Caligula beinah als Idiot erscheint, wenn man auf die Porträts sehr viel Wert legen wollte, so wäre bei einem weiteren Vergleich Claudius nicht Idiot. Beides stimmt nicht ganz. Aber daraus folgt jedenfalls, daß Caligula dümmer oder kränker war als Claudius. Eine weitere Bronzemünze des Caligula aus seinem ersten Regie2
Der Photograph Trebitz in Stadtroda hat die Kranken photographiert. ) Das Ohr steht schief (siehe Agrippina II, Teil II).
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rungs jähre ist noch zu besprechen; es geschieht an diesem Platze, weil Herr Geheimrat Pick sie mir freundlicherweise geschickt hatte, nachdem ich die vorige Münztafel fertiggestellt. Der Kaiser sieht, ähnlich wie die anderen Bronzemünzen aus dieser Regierungszeit, wenig intelligent aus, das Auge erscheint verschleiert, der Kopf nur mit wenig Haaren besetzt, wenn man die gleich zu beschreibenden beiden Großbronzen Neros dagegenhält. Auf die Steifigkeit des schlanken Halses ist schon hingewiesen. Der Hinterkopf bildet mit demselben fast eine gerade Linie. Herr v. Hentig hält Caligula auch für schizophren, Ich bin übrigens selbständig auf diese Diagnose gekommen und habe vorigen Winter bei einem Vortrag über römische Kaiser im Gymnasium zu Jena darüber berichtet. Kanngießer erwähnt die Beschreibung Senecas über Caligula in seinem Werk „cont. acc. sap.", 18 (aus des Autors Arbeit: „Die Pathographie der Julisch-Claudischen Dynastie", Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Bd. 53). „Er war abscheulich blaß, hatte gräßlich verdrehte Augen unter runzlicher Stirn, einen deformierten Kahlkopf mit einigen erbettelten Härchen besetzt, dürre Schenkel, übergroße Füße und einen mit Borsten umwachsenen Nacken. Sein Kind von der Caesonia war sehr wild," so daß man an ein degeneriertes Kind denken muß. Nach Dio, Buch 59, 2, ließ der Kaiser kurz nach seinem Regierungsantritt alle Legate auszahlen und gewann dadurch bei der Menge den Ruhm des Edelmutes. In demselben Buch erwähnt Dio 25, daß es wenig gefehlt hätte, daß er den ganzen Senat hätte hinrichten lassen, weil er ihm nicht göttliche Verehrung zuerkannte. E r warf Silber und Gold unter die Menge, wobei auch spitzige Eisen daruntergemischt waren. Cassius Betillinus wurde hingerichtet; als der Vater bat, bei der Hinrichtung die Augen schließen zu dürfen, wurde er auch hingerichtet. 26 erzählt er, daß man ihm zuliebe einen Mann in Stücke riß, worauf die Senatoren ihm das Recht zusprachen, um von niemand erreicht werden zu können, im Senat auf einer hohen Bühne Platz zu nehmen und eine Wache von Soldaten um sich zu haben. 27: Er bot den Senatoren selbst den Fuß zum Kusse dar. Als Vitellius siegreich aus dem Felde heimkehrte, wollte er ihn aus Neid und Furcht umbringen lassen. Als jener aber sich klein machte und ihm göttliche Ehren erwies, nahm er ihn unter seine vertrautesten Freunde auf. 28: In der Provinz Asien in Milet ließ er einen Tempel sich zu Ehren erbauen. Er wälzte sich auf Haufen Gold und Silbers herum. Damit wichtige Steuerbestimmungen übersehen würden, ließ er dieselben in ganz kleiner Schrift aufschreiben und sehr hoch hängen, so daß ein Aufstand entstand.
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Caligula.
Caligula.
B. S.
Caligula litt offenbar an ganz leichtem Jugendirresein; an ganz leichtem, deshalb sieht man den mit diesem Leiden meist verbundenen Schwachsinn nicht deutlich an den Porträts, ja an den Münzen kaum, an den Rundbildnissen nicht immer. Der Ausdruck auf den Münzen, die ich veröffentlicht habe, ist deshalb von Bedeutung, weil ich aus Berlin (Kaiser-Friedrich-Museum) mindestens 1 ) 20 Prozent aller Caligulamünzen abgebildet habe. Eines der Hauptmerkmale des Jugendirreseins, der gemütliche Schwachsinn, war bei diesem Fürsten in hervorstechendem Maße vorhanden, man denke nur daran, wie er seine hervorragende Großmutter, diese hochsinnige Frau, behandelte, wie er in Despotenlaune seine Schwestern entehrte, wie er Antonius' orientalische Aspirationen nachahmte, indem er Drusilla wie ein Ptolemärkönig gleichsam freite, wo doch nach römischem Brauch nicht einmal der Onkel seine Nichte heiraten durfte — so kluge Gesetze hatten sich die Römer instinktiv empirisch, sie Naturgesetzen gleichsam ablauschend, gegeben, damit die Folgen der Blutverwandtenheiraten auf ein weniges herabgedrückt würden. Die Ptolemärabkömmlinge, durch Inzucht gezeugt, waren zwar intelligent, aber wüteten durch Mord im eigenen Haus, was doch wohl einer degenerativen Anlage gleichkommen dürfte. — Sultane, die plötzlich Menschen verschwinden ließen oder sich ähnlich aufführten, lassen auch an Degeneration denken. — Man vergegenwärtige sich, wie gefühlroh Caligula manchmal die Konsulen und andere ehrenwerte Männer behandelte. Der Ausspruch, was er mit dem römischen Volke machte, wenn alle Römer nur einen Hals hätten, kann sehr wohl seiner sarkastischen Despotenlaune entschlüpft sein und würde sein sadistisches Gemütsleben auf das trefflichste charakterisieren. Wir haben gesehen, wie Claudius, Nero, Caracalla, Elagabal nicht gleich in frühester Jugend aus der Rolle fielen. Caligula, dessen Psychopathentum Tiberius allerdings erkannt hatte, denn er hatte ihn einen Phaethon genannt, wurde erst geisteskrank 2 ), als er einige 1 ) Selbstverständlich haben nicht alle Münzschneider Caligulas Schwachsinn bzw. Degeneration erfaßt und demgemäß auch nicht abgebildet; bei Commodys schon mehr Künstler.
) Dessau hält Caligula nicht für geisteskrank im Gegensatz zu Professor Schulz - Leipzig. (Die Rechtstitel und Regierungsprogramme auf römischen Kaisermünzen, Seite 57, § 31.) 2
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Monate regiert hatte. Offenbar erfolgte damals der erste Schub seines Jugendirreseins, denn er war damals schwer krank, vorher hatte er milde regiert und war von der Bevölkerung als Sohn des Germanicus vergöttert worden. Die zutage getretene Geistesstörung dürfte geflissentlich vom Hofe verschwiegen worden sein. Möglicherweise wurden sogar die anwesenden Krankenpfleger (Sklaven), die die Krankheit hätten beschreiben können, beseitigt, wie die Arbeiter in ägyptischen Königsgräbern. Vielleicht gingen fieberhafte körperliche Erscheinungen nebenher, was gar nichts Auffälliges hätte, es könnte sich auch um zufälliges Zusammentreffen eines geistigen und körperlichen Leidens gehandelt haben. Jedenfalls resultierte, daß er nach der Krankheit erst despotisch wurde, frühere Anordnungen umstieß, sich unkonsequent, vielleicht auch zerfahren zeigte, sich überhob und solchen Unsinn tat, daß man später die Quellen über ihn zum Teil aus einer Komödie übernommen glaubte. Ich vertrete jetzt die Ansicht, daß das meiste an den sagenhaften Berichten über Tun und Lassen dieses Kaisers der Wahrheit entsprechen dürfte, freilich ist es begreiflich, daß die senatorische Berichterstattung an einigen Stellen dick auftrug. Man muß vielleicht Abstriche machen. Als seine Schwester und Geliebte Drusilla starb, bekam er offenbar den zweiten Schub seiner Dementia praecox, der sich in einer melancholischen Phase äußerte; er durchzog umherirrend das Land, ließ sich einen Bart wachsen und traf unsinnig strenge Trauerverordnungen, Ein solcher Schub mit depressiven Zügen dürfte auch der erste gewesen sein; deshalb stieß eiserne Verordnungen um — Negativismus —, zeigte ein anderes Gesicht. Die furchtbare Schlaflosigkeit paßt auch gut zu unserem Krankheitsbild. Der Mann, der kraft seiner Gewalt allen Lüsten fröhnen konnte, wurde dessen leid über den Dämonen der Schlaflosigkeit. Seine rohen sexuellen Ausschweifungen hat Sueton vorzüglich geschildert und man wird gut tun, das im ganzen für bare Münze zu nehmen. Der Fürst soll übrigens bisexuell gewesen sein, welche Mitteilung an und für sich einer übertriebenen Darstellung seinen Ursprung verdanken könnte. Da aber feststeht, daß er die häßliche Caesonia, scheinbar eine Hetäre übelster Sorte, geehelicht hat, scheint doch ein wahrer Kern an dieser Nachricht zu sein. Nur raffinierte sexuelle Künste dürften Caligula dahin gebracht haben, 74
diese Eheverbindung einzugehen. Die Münze der Caesonia, über die weiter unten zu sprechen sein wird, ist uns erhalten und dürfte auch ein historisches Dokument sein. Denn zu des Kaisers Lebzeiten würde man sicher nicht gewagt haben, eine Spottmünze auf seine Frau zu prägen, und nach seiner Ermordung hatte man weder Zeit noch Interesse daran, eine solche zu erfinden. Das würde auch Claudius, der Chaerea tötete, nicht geduldet haben. Was mich noch mehr für die Diagnose Jugendirresein bei Caligula einnimmt, ist die Tatsache, daß sein Körperbau meist athletisch dargestellt ist, vielleicht mit etwas idealisierender Übertreibung, daß er eine Andeutung von Winkelprofil hat, ferner einen Hochkopf — Kanngießer sagt richtig beinah Turmschädel — und kalter Despotismus') und moralischer Schwachsinn vorzüglich auf den schizothymen Typus passen. Auch das ihm nachgesagte Dickbäuchige würde sich ohne weiteres einreihen lassen, dann wäre er eben eine Mischung von Schizo- und Zyklothym. Denn Tatenmensch oder vielmehr Untatenmensch war er ja auch. Man denke nur an die Schiffsbrücke, den Arkadenbau zum Jupitertempel, an die weißbolschewistischen Morde. Daß auch Caligula eine gewisse Ähnlichkeit mit Ludwig II. von Bayern besitzt, möchte ich gar nicht bestreiten. Trotz aller Schattenseiten und seines Schwachsinns erscheint es nicht ausgeschlossen, daß er etwas Genialisches an sich hatte: Gedankenblitze, Kunstverständnis. Jedes Stück, was er anschaffte, war vielleicht ein Kunstwerk, Seine dämonische, impulsive Grausamkeit würde den schlechten Eigenschaften König Ludwigs entsprechen, ebenso seine Überheblichkeit. In der modernen Zeit konnten sich aber König Ludwigs schlechte Eigenschaften nicht so auswirken, nicht so in Grausamkeit umsetzen. Ich möchte noch einige Stellen aus Werken Senecas über den Kaiser anführen. In seiner Schrift „Über den Zorn", Buch 2, 33, erwähnt er folgendes: Caligula ließ den Sohn des angesehenen Ritters Pastor hinrichten, bloß weil er dessen gekräuselte Haare und geputztes Wesen nicht ersehen konnte. Als sein Vater ihn bat, dem Sohn das Leben zu schenken, ließ er letzteren sofort hinrichten, als ob ihn der Vater erst hieran erinnert hätte. Dem Vater wurde Wein !} Nach Sueton „Leben des Caligula" 27 ließ er viele Männer aus angesehenem Stande zum Kampfe mit wilden Tieren verurteilen oder auf allen Vieren wie wilde Tiere in Käfige einspannen oder mitten auseinandersägen.
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vorgesetzt, von dem er trinken mußte, und er wurde des weiteren unwürdig behandelt. Er mußte aber gute Miene zum bösen Spiel machen, weil er noch einen Sohn hatte. In Buch 3, 22 steht: Caligula ließ ein sehr schönes Landgut in der Nähe von Heraclea verwüsten, weil seine Mutter dort gefangen gelegen hatte. In der Trostschrift an Polybius, 36, erwähnt er des Kaisers Grausamkeit nach Drusillas Tod. In seiner Schrift „Von der Unerschütterlichkeit des Weißen", 18: Caligula schmähte Asiaticus wegen seiner Frau öffentlich beim Gastmahl, die er entehrt hatte. Nach Tacitus war Asiaticus, der frühere Freund Caligulas, infolgedessen die Haupttriebfeder zu des Fürsten Ermordung. Über dieselbe Angelegenheit siehe die Annalen des Tacitus XI, 1 und Sueton, „Das Leben des Caligula", Kap, 56 und folgende. Sueton schreibt 99, Bd. 11: Doch konnte er schon damals seine wilde und wollüstige Natur nicht zurückhalten, so daß er auch bei den Strafen und Hinrichtungen der Verurteilten sehr gern zugegen war. 18 erwähnt er seine Impulsivität. 19 die verrückte Schiffsbrücke. 21: Er wollte die Königsburg des Polykrates auf Samos wieder aufbauen, eine Stadt auf den Höhen der Alpen gründen. 4. Nero1)
(54—68).
(Jugendirresein.)
Zunächst betrachten wir fünf Münzen des Kaisers, Eine Großbronze aus Berlin, zwei Kupfermünzen aus Gotha, eine Goldmünze aus Dresden und eine Silbermünze aus Gotha, Die Großbronze, Dio, Buch 61, 9: Der Senator Julius Montanus, wegen seiner Gemahlin aufgebracht, die Nero belästigt hatte, weswegen er den Kaiser so verprügelte, daß er wegen der blauen Flecke mehrere Tage sich verborgen halten mußte, schrieb einen Entschuldigungsbrief an Nero. Dieser las und fuhr auf: Wie er, der den Kaiser schlug, hat sich nicht schon längst das Leben genommen? — Dio, Buch 61, 17: Seine Muhme Domitia ließ er vergiften, weil sie sehr reich war; in den so gewonnenen Besitzungen ließ er dann prachtvolle Gymnasien aufführen, Daß Nero während des Quinquenniums Stiefbruder und Mutter, zum Teil aus politischen Motiven, umbrachte, nahm man in den alten Zeiten nicht so schwer. Das war aber bereits das Wetterleuchten des beginnenden Jugendirreseins.
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sowie alle anderen Neromünzen zeigen das Aufgeschwemmte und den dicken Hals, zum Teil auch das Doppelkinn, Die eine Kupfermünze, Nero 4, von der auch die Rückseite abgebildet ist, zeigt ihn schöner, weniger dick und den Hals schlanker: ein schönes Porträt. Auf der Rückseite ist der Fürst als Sänger 1 ) dargestellt, mit der Lyra in der Hand einherschreitend. Dies ist sogar eine vom Senat geprägte Münze. Ich habe die Rückseite der Münze nur veröffentlicht, weil sie die Schande des Kaisers offenbart, öffentlich als Sänger aufzutreten, was gegen alles Zeremoniell war, und weil sogar der Senat diese Schande sozusagen veröffentlichen ließ, Münze Nero 1 und 2 haben durch ihr massives Kinn etwas Gemeines 2) an sich, der Blick von Nero 3 ist auch düster, vielleicht despotisch, Nero 5 sieht durch seine übertriebene Schwammigkeit sehr gewöhnlich aus. Nero I. Die Skulptur stammt aus dem Louvre, Republikanersaal Nr, 31, Bernoulli erwähnt sie Bd, II, S. 396, Nr, 28, das Gesicht ist im II, Teil schon beschrieben. Der Kopf ist eher etwas hoch, massiv, erinnert an Claudierköpfe (Caligula). Kopf schizoid, Kinn massiv, Körperbau pyknisch-athletisch, rednerische Geste, kräftige Hände und Füße. Wundervoller Faltenwurf, Der Palmstamm dürfte seine Weltherrschaft und seine in südliche Dimensionen ausladende Seele versinnbildlichen, die Früchte am Palmstamm sollen vielleicht den Nutzen seiner ausgezeichneten Regierung — in den ersten fünf Jahren — andeuten. An seine Grausamkeit gegenüber Frau, Mutter, Bruder und Senat möchte ich erinnern, ferner an sein goldenes Haus, an Griechenland, an seine zum Teil gerühmten Versuche zu dichten, an seine Gewohnheit, vor allem Volk das Wagenrennen mitzumachen. 1 ) Ranke, Weltgeschichte III, S. 116 u. 117: Noch mehr Vergnügen machte es ihm, da er ein treffliches Organ besaß, als Virtuose des Gesanges angesehen zu werden. Ein Citharöde zu sein, schien ihm mit seiner Herkunft von den Göttern und dem Dienste Apollos, den die Cäsaren besonders verehrten, sehr vereinbar. 2 ) Dio, Buch 61, 9: Nachts aber streifte er durch die ganze Stadt, schändete Weiber und Knaben, plünderte, schlug, verwundete und tötete selbst, wer ihm begegnete. — Tacitus, Annalen, Buch 16, 5: Vespasian schlief ein, als Nero auf der Bühne vortrug; nur durch die Fürsprache der Besseren geschützt, entging er nachher dem drohenden Verderben durch höhere Fügung.
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Nero II. Aus dem Museum in Neapel, Vorderstirn vorquellend, gutmütiger Ausdruck, wahrscheinlich stammt die Büste aus den ersten fünf Jahren seiner Regierung. Normaler Intellekt, dicke Oberlippe. Ich habe schon gesagt, daß man Bildnisse während und nach dem Quinquennium unterscheiden kann. Münzen aus den ersten Regierungsjahren zeigen auffallenderweise mehrfach schon die Aufgeschwemmtheit.
Nero III. Steht im Römersaal in München 1 ), muskulös-pyknisch, sinnlich gedunsen, besonders niedrige Stirn, idealisiert. Während ich mich im zweiten Band darüber wunderte, daß zwei verschiedene Nerotypen in der Plastik zu unterscheiden seien, fällt es mir jetzt wie Schuppen von den Augen und ich finde dies weniger bewundernswert. Natürlich stimmt es, daß Nero, solange er anständig regierte, besser aussah als später, wo er despotisch regierte. Den Schlüssel zu allem dürften die Übergangsbilder geben, Bilder, auf denen er noch gutmütig, aber an der Grenze des Despotischen erscheint, so ein Übergangsbildnis haben wir hier vor uns. Die Büste, die Bernoulli Bd. II, S. 393 erwähnt, auf der er in jugendlicher Schönheit als Apollo idealisiert dargestellt ist, ist übrigens Nero gar nicht ganz unähnlich und wahrscheinlich echt; natürlich ist sie geschmeichelt und soll ihn zum griechischen Künstler stempeln. Sie besitzt einen ähnlichen ikonographischen Wert wie Goethes Büste von Trippel (beide als Apollo). a ) Abgebildet bei Furtwängler: „Einhundert Tafeln nach den Bildwerken der Kgl. Glyptothek zu München", München 1903. — Dio, Buch 61, 4: Nero war kein Freund von Geschäften und hatte es gern, wenn er davor Ruhe hatte. — Dio, Buch 61, 5: Die Reichen verloren durch allerlei Ränke ihren Besitz und oft auch noch ihr Leben. Diejenigen, die nicht reich waren, sich aber durch Geburt oder Verdienst auszeichneten, beargwöhnte, haßte er und ließ sie ums Leben bringen. Nach Dessau war Nero gar nicht so unbeliebt, weil er Sänger war, schließlich wurde er vom Heer verlassen, weil er bedeutende Führer, wie zum Beispiel Corbulo, beseitigte. Der Kaiser war begabt.
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Nero IV. Ein Relief, das in Rom gefunden wurde, zusammen mit seiner Frau Poppaea Sabina, die Vorderstirn ist vorquellend, Brutalität deutlich erkennbar an Auge, Mund und Kinn. Nero war schwarzhaarig geboren (Lanugo). Tiberius, sein Vater, und Drusus der Ältere hießen auch Nero 1 ). Die nordische Rasse schlug aber durch, denn Nero hatte später einen rötlichen Bart. Sein Vorfahr Ahenobarbus war blond und blauäugig, also das Kräftigere schlug durch, in dem Fall die nordische Rasse, obwohl sonst das Brünette durchzuschlagen pflegt. Suetons Lebensbeschreibungen, Nero 12: Zum Fechten verwendete er auch 400 Senatoren und 600 römische Ritter. Bei dem Fechterspiele, das er in einem binnen Jahresfrist erbauten hölzernen Amphitheater im Viertel des Marsfeldes gab, ließ er niemand, selbst nicht Verbrecher töten. — 27: Mit der Zeit aber nahm seine Lasterhaftigkeit zu und jetzt wollte er nichts mehr von lustigen Streichen im Verborgenen wissen, sondern brach ohne alle Verstellung ganz offen in größerem Maßstabe los. — 29: Seine eigene Keuschheit gab er in dem Grade preis, daß er, nachdem fast alle Glieder seines Körpers durch Unzucht befleckt waren, zuletzt noch eine Art Spiel erfand, das wegen seiner fürchterlichen Schändlichkeit hier nicht beschrieben werden kann. Nun möchte ich noch neben die Nerobildnisse vier Porträts moderner Geisteskranker stellen, um zu zeigen, daß ähnliche Typen wie Nero und Caligula, auch in der Welt der Geisteskranken und Verbrecher zu finden sind. Das erste Bild stellt einen jugendirren jungen Mann dar, den ich in kühner Pose hingestellt habe, damit er wenigstens äußerlich etwas in diese Sphäre paßt. Sein Körperbau ist, wie der Neros, athletisch-pyknisch, sein Profil zeigt einen ähnlich großen Kopf, ferner eine ähnliche Nase und ein ähnliches Kinn wie unsere abgebildete große Kupfermünze. Des weiteren zeige ich Ihnen einen schwachsinnigen Degenerierten, einen Verbrecher, der 46 Vorstrafen hat, darunter auch Sittlichkeitsverbrechen, auch Henkelohren fehlen nicht. Das Profil dieses Kopfes sieht der Großbronze Neros etwas ähnlich, wenn auch bei dem Geisteskranken die Stirn flieht und die Augenbögen stärker entwickelt sind. Der interessante Kopf des Modernen zeigt allerdings mehr atavistische !) Nach Hans Günther, „Kleine Rassenkunde Europas", München 1925.
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Deformität, entschieden etwas Affen- oder Neandertalschädelähnliches. Außerdem zeigt das Gesicht starke Stirnfalten und ein schlecht geformtes Ohr, was nicht zu Nero paßt. Einen weiteren schwachsinnigen Degenerierten führe ich vor, der zu Nero und Caligula einigermaßen passend sein soll. Auch er hat Sittlichkeitsverbrechen in der Vorgeschichte. Henkelohren, Augenwülste und sehr massives Kinn zeichnen ihn aus. Er sieht Nero und Caligula nicht direkt ähnlich, aber immerhin kann man diesen Verbrechertypus samt dem vorigen ganz gern neben die Caligulabüste von Stückelberg aus Kopenhagen und neben das Relief von Nero, was vorhin besprochen wurde, setzen. Kanngießer stellt bei Nero die Diagnose Epilepsie oder Paranoia. Ich bin mit v. Hentig der Ansicht, daß er an Schizophrenie1) gelitten hat. Kanngießer hat sehr treffende Bildbeschreibungen, ebenso wie v. Hentig, der römischen Kaiser geliefert. Von Seneca wollte ich nur noch etwas erwähnen aus seiner Schrift „Von der Gnade, an den Kaiser Nero" Buch 2, 1. Da läßt er Nero ausrufen: „Ich wollte, daß ich nicht schreiben könnte", als Nero Ausreißer bestrafen sollte und ihm das dahinzielende Schreiben gereicht wurde. Suetons Lebensbeschreibungen, Nero 31: So erbaute er ein Haus, das vom palatinischen bis zum esquilinischen Berge reichte, und das er später das goldene Haus nannte. Im Innern des Hauses war alles mit Gold bedeckt und mit Edelsteinen und Perlmuscheln geschmückt, dazu bemerkte er, er fange jetzt endlich an wie ein Mensch zu wohnen. — 32: Nero ordnete an, daß alle Reden und Handlungen, wenn nur überhaupt ein Angeber dafür sich finde, nach dem Majestätsgesetz gerichtet werden sollten. — 33: Beim Tode des Claudius war er mitschuldig, und dies sucht er auch nicht zu verheimlichen, wie er denn die Pilze, in welchen derselbe das Gift bekommen hatte, später mit einem griechischen Sprichwort als eine Götterspeise zu preisen pflegte, Neros Frau Poppaea Sabina (62—65), Die Münze stammt aus Gotha und besteht aus Kupfer, sie ist in Kleinasien geprägt, auf der Rückseite ist Nero abgebildet. Die Kaiserin sieht schön aus, ein Winkelprofil ist nicht vorhanden. Die Stirn erscheint infolge des Haares etwas niedrig, der Kopf ist leicht hoch, das Kinn energisch, Intelligenz ist zu erraten. Die Geistesstörung war wie bei Caligula leicht.
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Nero D. B.
Caligula G . K .
Nero D. G.
Nero G. K.
Octavia G. S.
Geta B. G.
Nero G . K .
Nero G. K.
Nero G. S.
Poppaea Sabina G. K.
Geta B. B.
Elagabal D. G.
Da Poppaea Sabina gesund war, gehört die Münze eigentlich nicht hierher, aber es geschah, da die zwei Porträts neben Nero zu stellen waren. Ich stelle neben die Münze der Kaiserin ein in Rom mit ihrem Mann Nero zusammen gefundenes Relief, das ein schönes Profil zeigt. Wenn auch die Haartour eine verschiedene ist, so sind doch Stirn, Nase, Mund, Kinn von Münze und Relief ganz ähnlich, ebenso der schlanke Hals, der allerdings bei der Münze noch schlanker erscheint. Die Stirn ist nicht hoch, Augenbogen sichtbar. Münze wie Relief deuten einen angenehmen Charakter an, von Grausamkeit ist nichts zu bemerken. 5. Geta (Kaiser 211—213). (Schwachsinn, vielleicht Jugendirresein.) Wir besprechen nun zwei Münzen des Kaisers Geta. Eine Goldmünze und eine Bronzemünze aus Berlin. Auf beiden sieht der Kaiser schwachsinnig aus, da er keine Züge aufweist. Ich stelle neben die Münzbildnisse das Porträt eines Jugendirren, die Ähnlichkeit der Bildnisse ist nicht von der Hand zu weisen, sogar das Winkelprofil ist ähnlich, freilich sieht der Kranke unserer Anstalt noch degenerierter, sogar etwas affenähnlich aus, und sein Ohr zeigt auch Verbildungen, leichtes Spitzohr und schlechtes Relief der Ohrmuschel. Die eben besprochenen Münzen des Kaisers Geta stimmen untereinander überein und auch zu dem im zweiten Band veröffentlichten Rundporträt. Die relative Treue der Bildnisse ist vorhanden. Weiter unten wird noch des weiteren über Geta zu sprechen sein. 6. Elagabal (218—222). (Schwachsinn, vielleicht Jugendirresein.) Nun interessiert uns eine Goldmünze des Kaisers Elagabal aus Dresden. Dieselbe zeigt durch den Mangel an Zügen Beschränktheit an, während sie nicht so deutlich auf den Schwachsinn dieses Fürsten hinweist. Auch das Afrikanische ist an dem Bildnis nicht so ausgeprägt, wie an einer weiter unten zu besprechenden Großbronze. Die Unterlippe ist dick, das Gesicht hat etwas Gewöhnliches und Glattes an sich, der Hals ist etwas steif. Sie entspricht 6
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gut" dem im ersten Band wiedergegebenen Bildnis (Taf. IV, XII). Nun möchte ich neben das Münzporträt die Photographie eines Jugendirren stellen und man wird erkennen, daß eine geistige Ähnlichkeit zwischen den Bildnissen vorhanden ist. Man vergleiche vor allem mein Bildnis mit dem Elagabal vom Kapitol, das Professor Delbrück in seinen Antiken Porträts, Bonn 1912, abbildet. Ferner vergleiche man das Bild mit der vorhin aus meinem ersten Band angegebenen Skulptur. Der leere Gesichtsausdruck ist allen drei Porträts eigen, ebenso die dicken Lippen, und zeigt auch Verwandtschaft mit der Münze. Demnach kann man sagen, daß die Bildnisse relativ treu sind, wenn ich auch zugebe, daß wegen der Ähnlichkeit zwischen Geta und Elagabal Irrtümer in bezug auf die Skulpturen vorkommen können. Dagegen sind die Münzen Elagabals dadurch präzise zu unterscheiden, daß sie jedesmal auf der Rückseite einen Stern tragen, welches Erkennungszeichen bloß ab und an an kaiserlichen Münzen erscheint. Eigentlich hätte ich über Geta und Elagabal erst nach Commodus handeln dürfen, aber aus technischen Gründen (Münztafel) mußte ich den zeitlich vorangehenden Commodus später bringen.
Nach Lampridius Elagabal 4 errichtete der Kaiser auch einen kleinen Senat, d. h. einen Weibersenat. Außerdem war er der einzigste Kaiser, unter dem eine Frau als Clarissima gleich einem Senator den Senat besuchte3). 7. Commodus (180—192).
(Myxödematöser Schwachsinn oder Jugendirresein.) Wir besprechen zunächst drei Münzen des Kaisers. Zwei Großbronzen aus Berlin und eine Silbermünze aus Dresden. Alle drei Münzen zeigen durch das Geistlose, Zuglose des Gesichts Schwach1 ) Als Elagabal nach seinem Winteraufenthalte zu Nikomedien in jeder B e ziehung auf das Unflätigste sich betrug und sich selbst, wollustentbrannt, anderen preisgab, da gereute es die Truppen ihn ausgerufen zu haben, denn wer hätte einen Fürsten ertragen können, dem jede Öffnung seines Körpers zur Befriedigung seiner Wollust diente, da man dieses selbst bei einem unvernünftigen Tiere nicht dulden würde! — 6: Militärische Würden sowie Verwaltungs- und Hofstellen wurden von ihm verkauft. — 8: Er brachte auch Menschenopfer dar, wozu edle und schöne Knaben aus ganz Italien auserlesen wurden, welche noch
ihre Eltern haben mußten, um, wie ich glaube, deren Schmerzen zu erhöhen.
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sinn an. Die Bronzemünzen zeigen jugendlichere Bildnisse, der Bart ist entsprechend kürzer. Münze I und III geben leichtes Winkelprofil. Die Augen sind groß, der Hals besonders bei den Großbronzen eher schlank. Bei Commodus muß man, wenn man die Büste XVII b, Tai. IX meines zweiten Bandes betrachtet, nach Sanitätsrat FürbringerPrerow unbedingt an Myxödem denken. Dies ist eine Erkrankung der Schilddrüse, die zu schwachem Sinn bzw. Schwachsinn führen kann, wenn sie entartet oder gering entwickelt ist; das ist eine sehr beachtliche Bemerkung. In der Tat sieht man an den Bildnissen des Kaisers sehr wenig von einer Halsvorwölbung, die man auf eine mittlere Ausbildung dieses wichtigen Organs deuten könnte, ja, die Jugendbildnisse zeigen einen äußerst schlanken Hals. Es kommt also bei dem Fürsten myxödematöser Schwachsinn oder Jugendirresein in Frage. Nach Herodians Kaisergeschichten wünschte Commodus kurz nach Übernahme der Regierung, indem er sich vor dem Feind befand, plötzlich in die Heimat zurückzukehren, es möchte ihm sonst jemand von den Reichen und Vornehmen in der Besitznahme des geheiligten Kaiserpalastes zuvorkommen. Herodian I, Buch 6: In demselben Kapitel steht, daß er durch starke Geschenke vom Feinde den Frieden erkaufte. Buch 1, 7: Er war blond und sein Haar wie mit Goldstaub bestreut. Was seine Körperbaudiagnose anlangt, so stehen mir zwei Statuen aus dem Vatikanischen Museum zur Verfügung. Commodus I. Von Bernoulli Bd, III, S. 234, Nr. 52 erwähnt. Dieses Bildnis im Braccionuovo Nr. 8 des Vatikans, stellt ihn mit der Lanze, vielleicht einer Saulanze, einherschreitend dar. Der Körperbau zeigt athletische Formen, w'as gut zum schizothymen Kreis paßt, auch das Breitschultrige und Gedrungene würde gut passen. Es scheint ja auch, Dury, Geschichte des röm. Kaiserreichs, übersetzt von Hertzberg, 4. Bd., S. 1 u. 2: Jedenfalls war er (Commodus) ein Mensch so schwachen und beschränkten Geistes. — Aul seinen Brustbildern und Denkmünzen zeigt er in der Tat einen Ausdruck von Stumpfsinn. — S. 11 bildet Dury einen geschnittenen Stein ab aus dem Cabinet de France, Nr. 2D96, auf dem er eine Tigerin mit dem Wurfspieß erlegt. Der Gesichtsausdruck ist sehr deutlich schwachsinnig.
6
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als ob das Myxödem eine Beziehung zum Jugendirresein hätte. Die Geschlechtsdrüse, die zur Schilddrüse auch in Beziehung zu setzen wäre, hat ja auch im Leben des Commodus eine große Rolle gespielt. Da man unter dem faltigen Gewand einen mittleren Fettbauch vermuten muß, wäre athletisch-pyknische Mischung mit Vorwiegen des ersteren vorhanden. Es würde trefflich zum Charakterbild stimmen; denn Commodus zeigt sich nicht nur moralisch schwachsinnig und als kalten Despoten (schizothymer Kreis), sondern auch als Tatmenschen, d. h. Untatmenschen (zyklothymer Kreis). Das Gedunsene breitet sich auf den ganzen Körper, auf das Gesicht, auf die Hände und auf die Füße aus; alles erscheint dicklich. Er ist wohl weniger als Herrscher, als als kunstgerechter Jäger von Wildsauen dargestellt. Commodus
II.
Auch dieses Bildwerk erwähnt Bernoulli (Bd. III, S. 235, Nr. 53). Es bringt ihn hoch zu Roß, auf einem Löwenfell sitzend, in der Rechten den Imperatorstab (Vatikan, Saal der Tiere, Nr. 139). Wahrscheinlich hat eine Lanze in die Rechte gehört und der Cäsar ist auf einer J a g d dargestellt, als er gerade den tödlichen Lanzenwurf abzugeben im Begriff steht. Auch hier ähnliche Körperformen, Breitschultrigkeit, der Körperbau etwas weniger athletisch, Gesicht, Hände und Füße etwas weniger schwammig. Die Hände sind hier auch groß, die Füße nicht klein. Da Bernoulli, wie beim vorigen Bildnis, an der Bezeichnung Commodus zweifelt, möchte ich darauf hinweisen, daß die Ähnlichkeit des Gesichts und das Weidmännische durchaus auf diesen Kaiser hinweist, während bei dem zweiten Bildnis wieder die Ähnlichkeit mit dem Kaiser, das Arrangement, die Löwenhaut, die Weinblätter am Baumstamm, die die Liebe des Dargestellten zu Bachus darstellen sollen, entschieden für Commodus sprechen. Vor allem auch die Körperbaudiagnose, Auch hier wittere ich unter den Falten des Gewandes reichliche Fettentwicklung des Bauches und der Brust, siehe sein Brustbild mit der Löwenhaut (I, Band), so daß auch hier die Diagnose Mischung von Schizothym und Zyklothym berechtigt erscheint. Auf diese Weise kann man aus der Körperbaudiagnose rückläufig auf die Identitätsbestimmung sich einen Schluß gestatten. Ich stelle neben die Bildnisse des Kaisers 84
das Bild eines Schwachsinnigen aus unserer Anstalt, eines Patalytikers. Man wird erkennen, daß auch hier das Zuglose des Gesichts den Schwachsinn offenbart, sogar bei diesem Geisteskranken sind die Ohren groß wie bei Commodus. Das Tertium comparationis ist nur der Schwachsinn. Nach Kanngießer „Zur Pathographie des römischen Kaisers Commodus", Wiener Medizinische Wochenschrift 1912, Nr. 20, galt er schon a prima pueritia (Lamprid. Commod. Kap. I) als: „turpis, improbus, crudelis, libidinosus ore pollutus et constupratus". Lambridius (Lamprid. 17) gibt an: „vultu insubido, ut ebriosi solent, et sermone incondito", das bedeutet: er hatte das einfältige Gesicht eines Alkoholikers und eine unordentliche Sprache. Kanngießer nennt ihn einen Degeneré mit überwertigen Ideen 1 ), einen gekrönten Verbrecher. Ich glaube also, daß sein Leiden eine Abart des Jugendirreseins darstellt. Auf eins wollte ich noch aufmerksam machen. Bekanntlich war der Kaiser ein vorzüglicher Schütze, so daß er einst in der Arena an einem Tage mit hundert Wurfspießen 2 ) hundert Löwen erlegte. Diese einseitige Begabung ist übrigens etwas Typisches für Geisteskranke, Ich erinnere nur an das Spucken solcher Kranker, das kaum einmal sein Ziel verfehlt. Das kommt davon, daß die Affekte multipliziert gesteigert sind. Die Bildnisse des Commodus, Münzen wie Skulpturen, stimmen durchaus überein, sein Bildnis ist treu zu nennen. Nach diesen Besprechungen interessiert uns von neuem die Rassenforschung. Sollten nicht Rassentypen unter den spätrömischen Kaisern zu unterscheiden sein? Ich behaupte es. Die Frage ist umstritten. Laßt uns Biologen ein Körnchen zur Wahrheit beitragen. 1 ) Dury, Geschichte des röm. Kaiserreichs, übersetzt von Hertzberg, 4. Bd., S. 12: Die aus seiner Kanzlei ausgehenden Schriftstücke werden „ex saeculoaureo" datiert. — Lampridius, Commodus 10 u. 16: Als er einmal einen Gladiator tödlich verwundet hatte, tauchte er seine Hand in die Wunde und wischte sie an seinen Haaren wieder ab. Einem Standbilde des Sonnengottes ließ er den Kopf abnehmen und seinen Kopf aufsetzen und an das Fußgestell schreiben „Sieger von tausend Fechtern". Herodians Kaisergeschichte I, Buch 15. 2
) Herodians Kaisergeschichte I, Buch 15.
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C. Rassentypen. Wir kommen zu etwas Neuem. Ich habe gefunden, daß wir bis jetzt zwei fremdrassige Typen unter den römischen Kaisern unterscheiden können, nämlich die von afrikanischer und die von germanischer Rasse.
a) Afrikanischer Typus. Elagabal. Die Bronzemünze dieses Fürsten aus Berlin zeigt nicht nur deutlich Schwachsinn, Lüsternheit und Gemeinheit, sondern auch negroiden Typus durch das krauslockige Haar, die dicken Lippen, die Barttracht und die ganze Gesichtskonfiguration, der Hals der Münze ist steif und schlank; diese Kennzeichen sind auf dieser Münze deutlicher wie auf der anderen Elagabalmünze, ich meine die Rasseneigentümlichkeiten, deshalb habe ich die erste Münze nicht auch hier angeführt. Dury spricht von der „wilden Sinnlichkeit (negroid) dieses Schandbuben" und führt einen Cameo aus weißem Jaspis an (Nr. 253 im Cabinet de France), dessen Bild den Angaben des Lampridius entspricht: Elagabal steht nackt auf einem Wagen und läßt sich, eine Geißel schwingend, von nackten Frauen ziehen (sed plerumque nudus, quum illum nudae traherent). Septimius Severus I. (193—211). Von Bernoulli Bd. IV, Taf. XII angegeben, Panzerbüste im Vatikan, erstes Büstenzimmer, Nr. 286. Bart zweigeteilt, ohne Stirnlöckchen; Bernoulli zweifelt. Pupillen angegeben. Es handelt sich aber sicher um einen Septimius Severus. Afrikanischer Einschlag: Negerhaar, Augen, Nase, Bart, Ohr sehr groß. Stirnfalten: Des Kaisers Sorgen um das Reich (Bürgerkriege) und um seine Familie wohl andeutend. Kopf mehr rundlich. Ausdruck energisch, nachdenklich, beinahe gutmütig. Kopfhaltung militärisch. Septimius Severus II. Von Bernoulli Bd. IV, S. 23, Nr. 3 angegeben, der allerdings zweifelt (Büste, Kapitol, obere Gallerie, Nr. 3). Vier Stirnlöckchen. Stirnbildung wie bei der vorigen Büste, senkrechte Stirnfalten, 86
auch wagerechte, dieses Gesicht noch wohlgenährter, sonst alles wie bei der vorigen Büste. Gesicht weniger energisch 1 ). Neben die Bildnisse des Kaisers Septimius Severus stelle ich drei Bilder aus Schneiders Typenatlas, und zwar Nr, 6, 11, 3, einen Haussa, einen Abessinier und eine Berberfrau; einen Berber konnte ich leider nicht bekommen. Die Ähnlichkeit der drei Rassentypen mit dem Kaiser ist einleuchtend. Des weiteren stelle ich neben den Kaiser Elagabal, von dem ich zwei Münzen und ein Skulpturporträt im ersten Band veröffentlicht habe, Bildnis 7 und 19 in demselben Atlas, einen Fur und einen Akkaknaben, ferner ein Negerporträt, das Herr Kunstmaler C, Bilz in Weimar nach dem Leben gezeichnet hat. Die Ähnlichkeit durch Kopfform, Haar, Lippen und Ausdruck ist einleuchtend. In dem Werk von Leo Frobenius, „Das sterbende Afrika", I. Bd., München 1923, sind auf Abbild. 2 „Die Schutzleute in Bida" abgebildet. Der Reiter sieht Sept. Severus ziemlich ähnlich, Ich stelle noch zwei Wüstenhäuptlinge neben den Kaiser, Es folgt
b) Germanischer Typus. Wir betrachten eine Kupfermünze des Lälianus aus Dresden, ferner eine Goldmünze des Postumus, eine Bronzemünze des Magnentius und eine Bronze- und Goldmünze des Decentius, Alle Münzen stammen aus Dresden. Die Münze des Postumus (Kaiser 258—267 in Gallien) zeigt durch seine Nase, sein langwelliges Haupthaar und seine Barttracht germanischen Typus, noch deutlicher sieht man das neben dem Gott mit dem antikklassischen Profil (Herkules). Bernoulli sagt, er habe ein fast gemeines Profil. Einige französische Archäologen wollen sein Bildnis in einer hübschen kleinen Panzerstatuette von Bronze, gefunden zu Bayonne, jetzt im Musée von St. Germain, erkennen 2 ). ) Septimius Severus vermehrte den Sold der Soldaten an Getreide, erlaubte ihnen goldene Ringe zu tragen und sich zu verheiraten; lauter Zugeständnisse, die als der Kriegszucht und der Beweglichkeit und Marschfertigkeit eines Kriegsheeres hinderlich angesehen wurden. Herodian III, Buch 8. — Buch 3, Kap. l t steht, daß der Kaiser ein Libyer war. — Dury nennt Septimius Severus „großen Afrikaner", 4. Bd., S. 525. 2 ) Nach Nowat die Virtus Augusti mit den Zügen des Postumus (siehe Gaz. Arch. a. a. 0., p. 125 ff.). — Eutropius nennt IX, 9 Postumus „obscurissime natus", 1
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Lälianus
(Kaiser 267 in Gallien);
von ihm gilt vor allen Dingen, daß der Gesichtsschnitt ein germanischer ist, besonders auch durch das weitwellige Kopfhaar und die Art, den Bart zu tragen. Mein Gipsabguß ist übrigens nicht ganz gelungen, er sieht sonst noch germanischer aus und vor allen Dingen auch schöner, wie ein germanischer Heerkönig. Neben diese Kaiser stelle ich Bildnisse mittelalterlicher germanischer Könige bzw. Kaiser. Die Bildnisse sind dem Buch Max Sauerkandts „Deutsche Plastik des Mittelalters", Königstein und Leipzig, entnommen. Erstes Bild, S. 19: König Rudolph von Schwaben; ich mache auf den schlanken, oben dickeren Kopf aufmerksam. Zweites Bild, S. 22: Barbarossa darstellend. Drittes Bild, S. 42: mit Kaiser Heinrich. Man beachte, was ich über Haupt- und Barthaar und über den länglichen Gesichtstypus gesagt habe. Ich möchte noch erwähnen, was sehr interessant in diesem Buch ist, daß Riemenschneider (1491—93) Adam und Eva in Sandstein gebildet hat, die hier S. 109 wiedergegeben sind. Interessanterweise zeigt Adam asthenischen Typus, was sehr richtig dem Typus der Mehrzahl der Männer entspricht, weil ja auch die Schizothymen überwiegen, während Eva pyknisch dargestellt ist, anscheinend ohne Winkelprofil, also vollkommen richtig den normalen Weibtypus des Herrn Prof. Liepmann darstellt. So hat intuitiv der geniale Künstler Kretschmer und Liepmann vorgearbeitet. Hinzufügen möchte ich noch das Bildnis des Reiters im Bamberger Dom, S. 53 des eben erwähnten Buches, das Porträt Konrads III., von dem Scheffauer in seinem Buch „Wenn ich Deutscher wär", S. 206, sagt, es verkörpere die höchsten Ideale der germanischen Rasse. „Das war die Wiedergeburt eines romantischheldischen Typus, der verschwunden, doch nicht untergegangen war." Eine andere germanische Königsfigur, der vorigen sehr ähnlich, doch mit anderer Krone und anderem Kleid, führe ich noch an; Dury hochgesinnt, reichbegabt, tapfer und allgemein beliebt, ganz besonders, weil er die Grenzen des Landes vortrefflich zu schützen wußte (4. Bd., S. 489). — Diese Eigenschaften können für germanische Abstammung in Anschlag gebracht werden.
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Laelianus D. K.
Postumus D. G.
Magnentius D. B.
Elagabal B. B.
Decentius D. B.
Decentius D. G.
1 sie ist abgebildet von Kunze in „Die gothische Skulptur in Mitteldeutschland", 1925. Die germanischen Typen sind absichtlich den zwei afrikanischen Typen zur Seite gestellt. Magnentius
(Kaiser Jan. 350 bis Aug. 353).
Seine Gesichtskonfiguration weicht auch deutlich vom römischen Typus ab, schon durch die Schlankheit des Kopfes, der fast ein leichtes Viereck darstellt. Dem Gesichtsausdruck ist nichts Besonderes zu entnehmen. Dury nennt Magnentius einen Franken (5. Bd., S. 275). Decentius
(Mitregent des Vorigen, sein Bruder, 351—353).
Sieht ihm zum verwechseln ähnlich. Die zweite Münze zeigt Stirnfalten. Von diesen beiden Köpfen gilt dasselbe wie von dem. Vorigen. Die Augen sind überall groß, die Hälse etwas gedrungen und dick, die Gesichter auch, wohl ein Zeichen, daß sie trotz der gefährlichen Situation ihres Herrschertums nicht vergaßen prächtig zu leben. Das Kopfhaar ist langwellig. Hans Günther hat in seinem Buch „Kleine Rassenkunde Europas", München 1925, interessante Angaben über Rassenkundliches bei den römischen Kaisern gemacht. Von Cäsar berichtet er, daß er nordisch sei, er besitze aber dunkle Augen und Haare, sei aber hellhäutig gewesen. Augustus sei auch nordischer Rasse, sein Ausdruck lege das nahe. Nach Sueton sei Nero blond, seine Galba und Nero blauäugig gewesen. „Die meisten Bildwerke, die Römer darstellen, zeigen einen nordischen und vorwiegend nordischen Ausdruck. Das schmale Gesicht, der lange Schädel, das scharfe Kinn, die Römernase — all' diese Züge zusammen ergeben immer wieder Köpfe, die von harten nordischen Köpfen unserer Zeit nicht unterschieden sind." S. 28 erwähnt er von Elagabal ..westisch mit negerischem Einschlag", Abbild. 56. Ferner erwähnt er, daß Neger im römischen Heer gedient hätten, S.62. S. 149: „Die späteren Kaiser der römischen Verfallszeit waren oft aus „barbarischem Blut", aus dem Blut nordischer Völker und werden von den alten Schriftstellern oft als nordische Männer geschildert. Valentinian I., gestorben 375, war barbarischen Blutes, blond und blauäugig." Herr Günther war so liebenswürdig, 89
mich auf die Königsbilder der französischen Dome in Reims und Chartres (germanische Einschläge) aufmerksam zu machen, leider konnte ich die Bilder nicht bekommen. Aus dem sehr bekannten Buch „Versuche über die Ungleichheit der Menschenrassen" von Gobineau, Deutsche Ausgabe von Herrn Prof. Schemann, möchte ich nochmals den Satz hervorheben, worauf sich meine Germanenforschung bei römischen Kaisern gründet. Der Verfasser schreibt S. 127: „Und ebenso wiederum, wenn wir Decius, Aurelian, Claudius, Maximian, Diocletian und die meisten, wenn nicht alle ihre Nachfolger bis auf Augustulus unter ihrer römischen Toga und Rüstung für Germanen und Germansöhne erkennen, so werden wir zugeben, daß die Geschichte durch jene Schriftsteller aus alter und neuer Zeit vollständig gefälscht worden ist, deren unwandelbare Methode darin besteht, daß sie das schließliche Einrücken der germanischen Gesamtvölker in die romanisierte Gesellschaft als eine ungeheuerliche Tatsache, als einen unerwarteten Umsturz darstellen," Herr Professor Schemann war so liebenswürdig, mir auf eine Anfrage hin mitzuteilen, daß ihm von einer Sinnesänderung Gobineaus in der berührten Frage nichts bekannt ist. Bury spricht von dem Anstieg des germanischen Elementes in der römischen Armee im 4. Jahrhundert und von Barbarisation, die durch Heiraten zwischen Provinzialen und Barbaren entstand (growing ascendancy of the German element in the army etc.) siehe History of the Later Roman Empire, 1. Bd., S. 3 oben und Anm. 1, Herr Professor Delbrück war so liebenswürdig, mir auf eine Anfrage wegen der Kaiser angeblich germanischen Blutes, am 13.10.25 folgendes zu antworten: „Marius und Postumus dürften schwerlich Germanen gewesen sein; sicher ist das bei Magnentius und Decentius, von denen es aber nur Münzbildnisse gibt, ferner wahrscheinlich bei Maximinus Thrax." Ich wollte nun noch auf Delbrücks Vorschlag von den Germanenköpfen der Völkerwanderungszeit den Stockholmer Kopf abbilden, der nach diesem Archäologen wohl der beste ist. Das Bildnis ist bei Arndt-Bruckmann, Porträts, Taf. 317/18, abgebildet. Leider konnte ich das Bildnis nicht erhalten.
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T
Nach Secck war Maximinus Thrax der erste Barbar auf dem römischen Kaiserthron, Preußische Jahrbücher, LVI, S. 292. Wenn ich trotzdem Postumus für einen Germanen oder für germanischen Blutes halte, so tue ich das aus biologischen und physiognomischen Gründen. Bei Postumus glaube ich an Mischung mit ostischer Rasse wegen seiner Gesichtsbreite. Bekanntlich ist ja ein großer Teil der Deutschen ostisch gemischt, warum sollte es ein Teil der Vorfahren nicht gewesen sein? Das Enface des Kaisers auf den Münzen zeigt das breite Gesicht sehr deutlich. Nach O. Schräder, „Die Indogermanen", 1911, waren Slaven und Germanen durch Kulturaustausch schon lange eng verbunden. Seeck schreibt in seinem Werk, „Geschichte des Untergangs der antiken Welt", I. Bd., Berlin 1895, folgendes über die germanische Frage: S. 179: Nicht die Germanen haben das Römerreich zu Falle gebracht, sondern innere Krankheit verzehrte es und warf den Koloß einem Feinde, der ihm niemals ebenbürtig gewesen und tausendmal von ihm geschlagen war, im entscheidenden Augenblick wehrlos vor die Füße. S. 180: Der pessimistische Tacitus habe die Barbarei als solche der Kultur für überlegen gehalten. S. 181: Als die Römer mit den Germanen in engere Beziehung kamen, befanden sich diese in einem Zustande, der sich über die primitive Kultur des arischen Urvolks kaum erhob, ja, vielleicht zum Teil darunter zurückgesunken war. S. 199: Diese Schwäche des Staatsbewußtseins und des Nationalgefühls, so schwer wir sie bei den Deutschen noch heute zu beklagen haben, hat sie doch erst zu der historischen Rolle befähigt, welche ihnen damals beschieden war. S. 289: Die Ausrottung der Besten, welche jenen schwächeren Völkern die Vernichtung brachte, hat die starken Germanen erst befähigt, auf den Trümmern der antiken Welt neue dauernde Gemeinschaften zu errichten. S. 329: Nein, nicht das feindliche Schwert war es, das die antiken Staaten entvölkerte, sondern der Mangel an jungem Nachwuchs. S. 386: Gerade darum ist die Regierung des Marcus so epochemachend gewesen, weil seit dem Markomannenkriege das Römertum, ohne seine alten Traditionen aufzugeben oder die äußeren Formen seines Daseins zu verändern, doch in seiner Blutmischung ein ganz anderes wird und immer klarer die germanischen Züge hervortreten läßt. 91
Anhang: Die Münchner M ü ^ e n . Gewissermaßen als Anhang bringe ich eine Serie schöner Münzen, die mir Herr Professor Bernhart liebenswürdigerweise als Gipsabgüsse aus München geschickt hat. Stücke, teils aus der Staatssammlung, teils aus dem Handel und deshalb von besonders guter Erhaltung. Weil sie zum Teil aus dem Handel stammen, konnte ich in dem Fall nicht von allen erfahren, wenigstens was die kleineren Münzen anlangt, ob sie von Gold, Silber oder Kupfer sind. Wir besprechen zunächst die acht Großbronzen mit ihren Rückseiten, Die Münzen konnte ich nicht anders einreihen, weil die anderen Münztafeln schon fertig waren. Die erste Münze stellt die Kaiserin Plotina dar. Dieselbe zeigt ein ruhiges, edles Gesicht, der Kopf ist nicht klein, das Bildnis entspricht mit seiner Milde der geschichtlichen Überlieferung. Die Stirn scheint eine leichte Falte zu haben. Ein Winkelprofil ist angedeutet, das Kinn ist etwas klein. Die Rückseite zeigt Fides, in den Händen einen Ährenbüschel bzw. eine Opfergabe, in dem Profil der allegorischen Gestalt glaubt man die Züge der Kaiserin zu erkennen. Ich möchte hier gleich erwähnen, daß ich die Rückseiten nur dann beschreibe, wenn sie von künstlerischem oder geschichtlichem Wert sind. Der zweite Kopf stellt den Kaiser Pertinax dar; die Stirn des ziemlich großen Kopfes zeigt Furchen. Der Gesichtsausdruck ist nicht schön und etwas ins Gewöhnliche, von Energie ist nichts darin, eher etwas von Ängstlichkeit oder Unsicherheit. In der Wange zeigt sich eine Furche. Die Rückseite stellt den Kaiser opfernd dar. Das Porträt ist selbst in dieser Kleinheit angedeutet. Die dritte Münze bringt Kaiser Julian, desgleichen die vierte. Nicht zu verkennen ist auch hier die Ähnlichkeit mit Pertinax, wenn auch Julian schöner, aber auch zugloser dargestellt ist. Der Bart ist von besonderer Schönheit, entspricht der reichen Eleganz dieses Mannes und ist auch besonders gut ziseliert. Das Porträt entspricht übrigens durchaus dem oben wiedergegebenen. Auf der Rückseite beide Male Fortuna mit Zepter und Füllhorn. Es schien nur zu berechtigt, ihm gerade die Glücksgöttin zur Seite zu stellen. Eine weitere Münze zeigt die Kaiserin Manlia Scantilla, die Frau des vorigen. Ihr Antlitz zeigt einen mittelgroßen Kopf, besondere Haartour und an92
genehme und schöne Züge. Auch hier ist das Kinn etwas klein, ein Winkelprofil leicht angedeutet. Auf der Rückseite die Göttin Juno mit dem Pfau. Diese Rückseite und das Gesicht der Kaiserin passen zu der schönen Eleganz der letzteren. Zwei weitere Münzen bringen Clodius Albinus. Die Köpfe sind sich ähnlich, die Kopfform auf der ersten Münze ist aber bedeutend breiter. Auf beiden, namentlich auf der letzteren, sieht er Septimius Severus ähnlich. Beide Münzen zeigen eine Stirnfalte, krauses Haar, krausen Bart und einen Gesichtsausdruck, der nahe an Gutmütigkeitherankommt. Der Hals ist auf der ersten Münze, entsprechend der anderen Kopfkonfiguration, bedeutend breiter als auf der anderen Münze dargestellt. Die Rückseite der ersten Münze zeigt eine afrikanische Gottheit mit Ähren und Heroldstab in der Rechten, dem Dreizack in der Linken und die Aufschrift „Saeculo Frugifero". Diese Umschrift, zu Deutsch „Dem fruchtbaren Jahrhundert", ist Kennzeichen dafür, daß kurze Regierungen die prächtigsten Umschriften anzuführen pflegen. Die letzte Großbronze bringt Cordianus I. Der Kopf sieht energisch aus, die Stirn hat eine Falte, das Auge ist weit geöffnet und blickt scheinbar in die Ferne, auch hier ist die Unterlippe voll und ein leichter Backenbart angedeutet. Etwas Edles ist daneben nicht zu verkennen. Die Rückseite hat als Bild eine behelmte Roma Victrix mit der Umschrift: „Dem ewigen Rom" (Romae Aeternae), wohl ein Fingerzeig darauf, daß man hofft, Maximinus und somit den germanischen Landesfeind zu stürzen. Wir gelangen zu den kleineren Münzen aus München; zunächst haben wir zwei Rückseiten vor uns. Die Rückseite einer Münze Julians, auf der der Kaiser in ganzer Gestalt, eben noch erkennbar, mit der Erdkugel in der Hand, als Leiter des Erdkreises dargestellt ist. Die Rückseite der anderen Münze gehört einer solchen des Pescenius an; wunderbarerweise findet sich hier die Umschrift wie vorhin, „Romae Aeterne", was einen um so mehr in Erstaunen setzt, als der Kaiser offenbar kein Römer war 2 ). Die nächste Münze stellt Pertinax dar. Der Kopf ist schöner als bei der GroßDury, Geschichte des röm. Kaiserreichs, übersetzt von Hertzberg, 4. Bd., S. 67: Man rühmte seine vornehme Abkunft. 2 ) Beides sind Goldmünzen.
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bronze. Der einzige Unterschied ist die Falte über der Wange und der etwas ernstere Ausdruck. Dann kommt die Kaiserin Manlia Scantilla (Goldmünze). Der Kopf sieht der entsprechenden Großbronze ähnlich. Vom Ausdruck gilt dasselbe. Ein Winkelprofil wäre hier weniger leicht zu konstruieren. Nun Pescenius. Der Kopf ist unschön, mit Falte in der Wange und Falten in der Stirn. Der Kopf etwas eckig, beinahe wie Turmschädel, die Nase eher gewöhnlich, der Ausdruck unrömisch und sonst nichts Besonderes aussägend. Eine sehr interessante und seltene Münze folgt mit Uranius Antonin (Goldmünze). Der Kopf sieht orientalisch aus, das Auge tritt sehr stark hervor, was v. Hentig Königsauge nennt, die Lippen sind auffallend dick, das Gesicht zwar nicht unintelligent, aber sehr glatt und etwas zuglos, die Stirn ist niedrig, das Lockenhaupt und der Backenbart erinnern an syrisch-orientalische Landsmannschaft. Sodann Cordianus I. in zwei Abbildungen. Das Antlitz wie auf der Großbronze. Die Rückseite der zweiten Münze bringt den Kaiser mit Zweig und Stab. Nun Cordianus II. Der Kopf desselben ist vielleicht etwas größer als der seines Vaters. Die Unterlippe ist hier etwas dicker als die der zwei vorhergehenden Bildnisse des Cordianus I. Allein ich gestehe, daß die Cordiane sich so ähnlich sind und die Umschriften der Vorderseite zum Teil so gleichlautend, daß es schwer ist, ihre Köpfe zu unterscheiden. Die Rückseite von Cordianus II. bringt die Providentia mit Füllhorn und Stab, zu den Füßen die Erdkugel, Victorinus in zwei Abbildungen. Victorinus 1 ist Goldmünze. Der Kopf sieht nicht römisch aus, das weitgewellte Haar und die Barttracht gemahnen an den Germanen 1 ), Auf der ersten Rückseite die Siegesgöttin mit Kranz und Palme und er als comes (Mitregent des Kaisers) bezeichnet. Auf der anderen Rückseite Herkules, Eine Goldmünze Julians II. Der Kopf ist etwas eckig, die Stirn zeigt Falten, Der pannonische Fürst zeigt unrömischen Einschlag, das Gesicht ist energisch. Auf der Rückseite die Freiheitsgöttin mit Freiheitsmütze, Füllhorn und Stern. Wunderbar, daß dieser Nichtrömer gerade die Freiheit einführen will. Die letzte Münze eine Rückseite einer Victorinusmünze, in wunderbarer 1 ) Bernoulli erwähnt eine Berliner Büste Nr. 463, die nicht ohne Grund, aber nach ihm fälschlich auf Victorinus bezogen wird. Hübner hat sie als Germanenkopf publiziert in der Arch, Zeitung 1868, Taf. 8.
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Ziselierung das Medusenhaupt darstellend. Die Darstellung der Rückseiten ist absichtlich meist weggelassen, da nur Porträts darzustellen sind. Diese künstlerischen Leistungen der Prägung, namentlich auch der kleinen Münzen, kann man nicht genug bewundern. Namentlich einige Rückseiten der letzteren übertreffen zum Teil an Anmut und Linienführung alles, was die Münzprägung je hervorgebracht hat. Nachdem wir aus Münzen und Skulpturen der römischen Kaiser und ihrer Angehörigen Schlüsse auf die Treue der Porträts und auf ihre Rassenzugehörigkeit gezogen haben, wollen wir an Hand von gelehrten Büchern usw. zeigen, daß diese relative Treue der Cäsarenporträts immer vorhanden und in diesen Werken zum Ausdruck gebracht ist, wenn auch zum Teil unbewußt.
D. Beroeise durch andere Autoren (wie die Kaiser usw. aussahen und wie sie waren).
Der ausgezeichnete Gelehrte G n e c c h i hat in seinem zweibändigen Werk „Medaglioni Romani", das 1912' in Mailand erschien, die schönsten Medaillons und Münzen der römischen Kaiser und ihrer Angehörigen aus den berühmtesten Museen Europas zur Darstellung gebracht. Zunächst behandelte er die Goldmedaillons. Kaiser Augustus wird sehr lebenswahr abgebildet; ein schöner, intelligenter, ruhiger Kopf mit Andeutung von Winkelprofil. Wir bemerken dann Caracalla T. (Tafel) 1, B, (Bildnis) 3: Der Kopf ist raubtierschön, zeigt den degenerierten, verrückten Despoten sehr gut. Kein Winkelprofil, vielleicht etwas Negerhaftes. Der Kaiser Gallienus macht T. 2, B, 6 und 12 vielleicht einen etwas gemeinen Eindruck; die Vorderstirn quillt teilweise etwas vor, der stoppelhafte Bart gibt dem Bildnis etwas Unkultiviertes, der schlemmerhaft breite Hals ist überall zu entdecken. Nach Gibbon soll er sich durch einen besonders gemeinen Charakter ausgezeichnet haben, was damit gut übereinstimmen würde, daß er seinen Vater Valerian in schimpflichster Weise vor dem äußeren Feinde im Stiche ließ (Partherfeldzug). D'iocletians Bild T. 4, B. 12 zeigt einfache Abstammung und 95
Ziselierung das Medusenhaupt darstellend. Die Darstellung der Rückseiten ist absichtlich meist weggelassen, da nur Porträts darzustellen sind. Diese künstlerischen Leistungen der Prägung, namentlich auch der kleinen Münzen, kann man nicht genug bewundern. Namentlich einige Rückseiten der letzteren übertreffen zum Teil an Anmut und Linienführung alles, was die Münzprägung je hervorgebracht hat. Nachdem wir aus Münzen und Skulpturen der römischen Kaiser und ihrer Angehörigen Schlüsse auf die Treue der Porträts und auf ihre Rassenzugehörigkeit gezogen haben, wollen wir an Hand von gelehrten Büchern usw. zeigen, daß diese relative Treue der Cäsarenporträts immer vorhanden und in diesen Werken zum Ausdruck gebracht ist, wenn auch zum Teil unbewußt.
D. Beroeise durch andere Autoren (wie die Kaiser usw. aussahen und wie sie waren).
Der ausgezeichnete Gelehrte G n e c c h i hat in seinem zweibändigen Werk „Medaglioni Romani", das 1912' in Mailand erschien, die schönsten Medaillons und Münzen der römischen Kaiser und ihrer Angehörigen aus den berühmtesten Museen Europas zur Darstellung gebracht. Zunächst behandelte er die Goldmedaillons. Kaiser Augustus wird sehr lebenswahr abgebildet; ein schöner, intelligenter, ruhiger Kopf mit Andeutung von Winkelprofil. Wir bemerken dann Caracalla T. (Tafel) 1, B, (Bildnis) 3: Der Kopf ist raubtierschön, zeigt den degenerierten, verrückten Despoten sehr gut. Kein Winkelprofil, vielleicht etwas Negerhaftes. Der Kaiser Gallienus macht T. 2, B, 6 und 12 vielleicht einen etwas gemeinen Eindruck; die Vorderstirn quillt teilweise etwas vor, der stoppelhafte Bart gibt dem Bildnis etwas Unkultiviertes, der schlemmerhaft breite Hals ist überall zu entdecken. Nach Gibbon soll er sich durch einen besonders gemeinen Charakter ausgezeichnet haben, was damit gut übereinstimmen würde, daß er seinen Vater Valerian in schimpflichster Weise vor dem äußeren Feinde im Stiche ließ (Partherfeldzug). D'iocletians Bild T. 4, B. 12 zeigt einfache Abstammung und 95
Energie; nichts direkt von Grausamkeit; der Kopf sieht sehr vulgär aus, wenn dies auch zum Teil mit auf die schlechte Münzprägung kommen mag. Auf T. 5 zeigt Maximian bei B. 1, 5 und 7 deutlich einen Wasserkopf, auf B, 3, 5 und 7 deutlich seine Abstammung aus einfachen Kreisen; B, 2 ist so fein charakterisiert, daß der größere und gröbere Kopf Maximians sich deutlich von dem kleineren und feineren des Diocletian abhebt. Die Bildnisse des Magnentius und Decentius T. 14, B. 1—4 lassen das Nichtrömische ihrer Stammeszugehörigkeit und die große Ähnlichkeit der Brüder erkennen. Das glattgewellte Haar tritt zwar in damaliger Zeit öfter auf, doch weniger bei rein römischem Geblüt. Auffallend ist noch die Doppelkinnbildung beider, wohl ein Zeichen, daß sie trotz ihrer schwierigen Lage sich einer guten körperlichen Gesundheit erfreuten und ein gewisses Wohlleben nicht vergaßen, Silbermedaillons. Der Kaiser Domitian hat ausgeprägten Stirnhöcker und ein energisches Kinn (T, 21). Geta sieht T. 22, B. 5 durch seine leblosen Züge schwachsinnig aus, der Blick ist etwas stier, der Kopf afrikanisch. Elagabal zeichnet sich durch eine starke Unterlippe aus (B. 6). Alexander Severus läßt B. 9 und 10 afrikanischen Einschlag wahrnehmen, auch eine Andeutung von Wasserkopf, auf 10 ein vorquellendes Auge. T. 23 sieht Maximinus auf B. 9 gewalttätig aus, man glaubt einen Fürsten der italienischen Renaissance vor sich zu haben. Bei Mammaea sieht man auf B. 6 und 7 das Feingeistige, überlegenes Lächeln bei 6. T. 25 erscheint Trebonianus Gallus auf B. 6 stumpf und energielos bei niedriger Stirn, die Falten zeigt, und beinahe schielendem Auge; energielos erscheint er auf allen Porträts, Valerian hat T, 26, B, 2 ein Doppelkinn, im ganzen ein edles Gesicht, nicht als ob er von geringer Abkunft wäre; die Kupfermünzen scheinen ihn nicht so lebenswahr zu charakterisieren. Man gewahrt (B. 6 und 8) die große Ähnlichkeit zwischen Valerian und seinem Sohn Gallienus. Auf B. 5 macht Valerian einen (vielleicht
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Plotina M. B.
Pertinax M. B.
Plotina M. B.
D i d . Julianus M. B.
D i d . Julianus M. B,
Pertinax M. B,
Manlia Scantilln
Clodius Albinus
M. B.
M. B.
Gordianus II.
Clodius Albinus
M. B.
M. B.
um Gallienus) besorgten Eindruck. Beide konnten sehr energisch sein (kräftige Kinnbildung beider). Die Kaiserin Salonina erscheint T. 26 namentlich auf B, 2 ernst, ihre Bildnisse sind alle ernst; dieser Ausdruck dürfte eine gewisse Reserviertheit in sich schließen. Man vergesse nicht, daß ihr Mann Gallienus ein Frauenjäger war, Magnentius sieht auf T. 33 unrömisch aus (B. 9 und 10). Decentius (B. 11) hat ein weniger unrömisches Gesicht, seine Nase ist gebogener, er sieht Constancius Gallus in der Kopfbildung ähnlich. Bronzemedaillons. Der Kaiser Hadrian gibt T. 40 und sonst überall dasselbe durchgeistigte, weise Gesicht, die Nase ist leicht verschieden, gerade oder gebogen. Er hat meist kein Winkelprofil. T. 41, B. 4 zeigt Andeutung eines solchen, Stirn und Nase sind fast in einer Flucht. Seine Frau Sabina sieht ernst aus (Eifersucht), ihre Ähnlichkeit mit ihrem Mann beweisen die Bildnisse 4 und 6. Antonius Pius zeigt überall einen wunderschönen, ernsten und weisen Kopf. Nur B. 2, T. 43 fällt aus dem Rahmen, weil die Prägung nicht gut erhalten ist. Ein Winkelprofil ist nicht vorhanden, Man sieht dem Bildnis förmlich an, daß er ein Friedenskaiser war. Friedrich der Große hat seine Büste bei seinem Schloß Sanssouci neben den Büsten Alexanders des Großen und Trajans in richtiger Würdigung dieses Mannes, trotzdem er kein eigentlicher Kriegsheld war, aber desto mehr Diener des Staates, aufgestellt. Die Kaiserin Faustina die Ältere ist T. 56, B. 5 und 58, B. 1 in wunderschönen Porträts dargestellt, manchmal findet sich leichte Andeutung von Winkelprofil, in den genannten zwei Fällen allerdings nicht. Sinnlich dicklich sieht sie T, 57, B, 9 aus, Marc Aurel hat meist ein Winkelprofil und immer einen philosophischen Kopf, T, 60, B. 6 ein sehr weites Auge, wie das oft auf Bildnissen seines Sohnes Commodus erscheint. Jugendbildnisse des Kaisers Marc Aurel sind schon ernst, er war schon als junger, bartloser Mann Kaiser (Augustus). Einen Vollbart hat er sich sehr bald zugelegt. Die Bildnisse der jüngeren Kaiserin Faustina sind schön, B. 2, T, 69 zeigt Andeutung von Winkelprofil, B. 1, T. 70 sinnliche Molligkeit. 7
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Lucius Verus hat manchmal ein Winkelprofil, z, B. auf B. 8, T, 74. Der Gesichtsausdruck ist allenthalben ernst. T. 75, B. 2 ist er Marc Aurel angeähnelt, sie sehen sich ja von Natur ähnlich. Gewalttätigkeit kann man aus keinem Bildnis herauslesen. Commodus sieht T. 77, B. 2, T. 78, B. 9 und 3, T. 79, B. 3, 7, 8 und 10 schwachsinnig aus, infolge des Mangels an Zügen. Der Exophthalmus ist meist deutlich, ein Winkelprofil manchmal angedeutet, so T. 78, B. 7, meist nicht vorhanden, T. 87, B. 1 ist er mit Herkules auf einer Doppelherme dargestellt; zu bewundern ist hierbei, wie der geistreiche Künstler in richtiger Würdigung neben das durchgeistigte Bildnis des Halbgottes das finster-geistlose des Kaisers gesetzt hat. Von den Jugendbildnissen kann man keineswegs sagen, daß sie schon Schwachsinn beweisen; das jugendliche Gesicht ist schön, aber mehr puppenschön, und zeigt wenig Ausdruck. T. 87 hat B. 10, auf der Grenze junger Männlichkeit, schon deutlich das ganz Ausdruckslose, Zuglose des Schwachsinns; die Rückseite des Medaillons gibt an, daß er damals vier Jahre Kaiser war (Alleinherrscher), Bei Septimius Severus ist auf den Bildnissen nirgends Gewaltsamkeit zu entdecken, Julia Domna sieht nicht sinnlich aus (T. 94). Aus B. 9 und 10, T. 94 und B. 1, T, 95 ist zu schließen, daß sie eine schöne Büste gehabt hat, was Caracalla angezogen haben mag. Geta sieht T. 95, B. 9 und 10 schwachsinnig aus, weil er keine ausgesprochenen Gesichtszüge zeigt, dasselbe gilt von B. 2 und 3 auf T. 96, auf letzterem Bildnis sieht er jugendlicher aus. Elagabal erscheint T. 98, B. 2 negroid und gemein, ersteres durch sein krauses Haar, sein großes Auge, die dicken Lippen, letzteres hauptsächlich durch dien Augenausdruck und die sinnlicheUnterlippe. Alexander Severus sieht T. 99, B. 8 aus, als wenn er einen Wasserkopf hätte, was bei B. 5 angedeutet ist. Gbrdianus III. sieht überall kindlich 1 ) aus; so hat er sich auch kurz vor seinem Tod benommen. Nach Gibbons Beschreibung, die doch auch bloß eine Wiedererzählung der Alten ist, hat er in demütigster Weise seinen Verräter Philipp in letzter Stunde um sein Leben an) Nach Wermuth lautete sein Wahlspruch: Omnis vita supplicium (Das ganze Leben eine Qual). Hiernach stimmt wieder Münze und Bericht, der Unselbständigkeit andeutet, genau überein. 1
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gefleht und mußte er dann in gemeiner Weise wie ein Verbrecher von Soldaten ausgezogen und hingerichtet werden. Der Sohn des Kaisers Philippus hat T. 108, B. 9 ein mißmutiges Aussehen. Gallienus sieht T. 114, B. 1 ziemlich gemein aus; die Löwenfelldrapierung kann diesen Eindruck nicht verwischen, höchstens erhöhen, wenn ich auch zugebe, daß diese Art der Darstellung selbst bei einem guten Kaiser, wie z. B, bei Probus, erscheint, Victorinus sieht T. 116, B. 9 nicht römisch, eher germanisch oder orientalisch aus. Haupthaar und Bart gemahnen an damalige deutsche Tracht, die Nase sieht mehr jüdisch aus. Claudius Gothicus erscheint T. 117, B. 7 wie ein Landsknechtsführer, damit will ich auch sagen, daß er nichtrömisch aussieht. Tacitus sieht doch eher römisch aus, angedeutet ist bei ihm ein Wasserkopf. Auf T. 124, B. 6 zeigt Diocletian einfache Abstammung, Maximianus Herculeus auf T. 126, B. 10 dasselbe; sein Kopf ist groß, aber nicht hoch. Der Kaiser Vitellius hat T, 142, B. 11 eine etwas günstigere Kopfform wie sonst, vorgewölbten Augenbogen, die Stirn nicht so kraß fliehend, den Kopf nicht gar so klein. Das Doppelkinn und der dicke Hals sind deutlich, er sieht aber intelligenter aus, als er sonst auf den Münzen dargestellt worden ist. Das Werk Gnecchis ist natürlich bewunderungswürdig und für unsere Beweisführung, aber auch sonst, von großer Bedeutung. Gnecchi führt von jedem Medaillon und von jeder Münze an, wo sie herstammen. Dies wolle der gütige Leser nachsehen, wenn er das wissen will. Natürlich hätte es zu weit geführt, hätte ich auch das noch erwähnt, Gnecchi beschreibt die Bildnisse im I. Band. Es folgt eine Besprechung einiger Auktionskataloge des Herrn Dr. Hirsch, 1. Sammlung des verstorbenen München
Konsuls Weber, 1909.
Hamburg,
Herr Dr, Hirsch hat in diesen Katalogen ausgezeichnete Münzabbildungen gebracht, von denen die wichtigsten hier beschrieben werden sollen. 7*
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T. 3, B. 721: Doppelbildnis von Cäsar (Vorderseite) und Augustus (Rückseite). Bei Cäsar steht: C. Caesar Dictator Perpetuus Pont. Max., bei Augustus: C. Caesar Cos. Pont. Aug.; Goldmünze, gute Porträts beider, eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden, Cäsar zeigt mehr Winkelprofil als Augustus. B. 723: Auf Vorderseite der Münze Cäsar und Augustus, sich zugekehrt; Umschrift: Divos Julius. — Divi f. (ilius); diese Porträts sind sich weniger ähnlich. Auf der Rückseite steht: M. Agrippa Cos. Desig. Diese Münze, die natürlich wie die vorige aus der Zeit des Augustus stammt, zeigt wie die erstere schon ganz das monarchische Gepräge der Zeit des Augustus. Cäsar wird hier gleichsam als Gründer der Monarchie, Augustus als ihr Fortsetzer, Agrippa als der Mitbegründer der Fortsetzung hingestellt. Und dies alles geschieht unter verschleiernden alten republikanischen Titeln. Schon Antonius hatte sich Imperator auf Münzen genannt, wie wir weiter unten noch sehen werden. Antonius ist verschieden dargestellt. Auf B. 755, 760, 762, 767; 755 draufgängerisch, 760 und 762 zahmer, 767 leicht idealisiert, mehr an die spätere Darstellungsweise erinnernd, an eine Zeit, wo der Charakter mehr ausgeprägt war wie auf Münze 755. Bei B. 767 steht: Ant. Aug. Imp. III. V, R. P, C.; staunenswerterweise hat sich also schon Antonius Imperator genannt. Das besagt, daß er sich als Machthaber, ja als Fürst gefühlt hat. Man könnte soweit gehen, ihn als zweiten Kaiser nach Cäsar zu bezeichnen, hieran hat man wohl auch gedacht, wenn man seine wie des Pompejus und des Cäsar Münzen Kaisermünzen genannt hat. Nach den Revolutionen war eben eine neue Zeit, eine monarchische Zeit angebrochen. Auf T. 4, B. 770 erscheint Antonius auf der Vorderseite, Augustus auf der Rückseite der Münze. Wir haben das ausgesprochene, charakteristische, charaktervolle Antlitz des Marc Anton vor uns. Der Kopf des Augustus ist viel kleiner dargestellt, auf der Rückseite steht: Caesar Imp. Pont. Charakteristisch für Antonius ist, daß er den Kopf des Nebenbuhlers, den er wohl zu besiegen hoffte, kleiner prägen ließ. Man sieht aus diesem Beispiel, wie man aus diesen Münzen eine ganze Kaisergeschichte zusammenschreiben könnte; wie zwei Könige, die nebeneinander regieren, nehmen sie sich auf dieser Münze aus. Das Porträt des Augustus, auf das scheinbar 100
wenig Wert gelegt ist, weicht mit seiner fliehenden Stirn von den anderen Augustusbildnissen ab, ist aber als solches erkennbar. B. 832 gibt einen schönen Augustuskopf, das Winkelprofil ist sehr deutlich, der Ausdruck energisch und ruhig. B. 834 ein schöner Augustuskopf, Andeutung von Winkelprofil, es zeigt überlegene Ruhe. Die Umschrift: Imp. Caesar Divi F. Cos VI Libertatis R. P. Vindex; auf der Rückseite: Pax und die Friedensgöttin. In meisterhafter Weise wird hier die Monarchie verschleiert; Augustus spielt sich als den Rächer der freien Republik auf, nennt sich aber in einem Atemzuge den Sohn des vergöttlichten (Julius). Man wird lebhaft an die Geschichte Napoleons III. erinnert, der sagte, das Kaisertum bedeute den Frieden und dann, ähnlich wie Augustus, über Barrikaden schritt, als er die Monarchie aufrichtete. Augustus ist überall als solcher erkennbar, in verschiedenen Altern dargestellt, daher erscheint die Nase verschieden, bis markiert gebogen (B. 939, T. 6 u n d B . 945, T. 7). Der Kaiser Tiberius zeigt T. 7, B. 965 deutlich einen Wasserkopf, die Stirn weicht leicht nach außen ab, das Bildnis zeigt ein großes Auge und läßt Klugheit erkennen, Strenge dagegen nicht, der Mund lächelt scheinbar. Caligula sieht auf B. 987, T. 7 dumm aus, das Bildnis stammt aus dem ersten Regierungsjähre, auf der anderen Seite der Münze erscheint Germanicus; die Nase des Caligula ist sehr lang, die Stirn steil, Hochkopf und Winkelprofil sind deutlich, das Auge ist wie gekniffen und blickt wie traurig (Goldmünze). Der Kaiser erscheint auf der Rückseite der Münze. Eine zweite Goldmünze des Caligula, B. 991, wobei seine Mutter Agrippina die Ältere auf der Vorderseite erscheint, stellt den Kaiser im dritten Regierungs jähre dar. Das Auge liegt tief, sein Blick ist verschleiert und streng. Bei Agrippina erscheint der Hals oben leicht vorgewölbt. Eine dritte Goldmünze des Kaisers hat auf der Vorderseite sein Bildnis (1003), auf der Rückseite das des Augustus. Das Auge des Caligula wie bei voriger Münze, die Nase aber anders, mehr gewölbt, konvexer. B. 1001 führt auch Caligula und Augustus vor, das Bild des ersteren fällt diesmal aus der Rolle, indem die Stirn fliehend dargestellt ist. Das Bildnis ist noch eben erkennbar, solche Abweichungen sind zwar seltener, aber leicht begreiflich, weil nicht alle Münzschneider erstklassig 101
waren oder den Kaiser nicht immer zum Porträtieren zu Gesicht bekamen. Auf der Münze aus dem dritten Regierungsjahr sieht er vollsinniger aus als auf der vom ersten Regierungsjahr. Kaiser Claudius hat T. 7, auf B. 1005 Stirnfalten, einen traurigen Blick, Winkelprofil, Andeutung von Wasserkopf und relativ niedrige Stirn, die Nasolabialfalte ist sehr deutlich,. Agrippina die Ältere, T. 8, B. 989, zeigt den Hals leicht vorgebuchtet, das Gesicht ist etwas streng. Hochkopf, kein Winkelprofil, B, 1020: Claudius mit Stirnfalten, wie blöde, mit Winkelprofil (Goldmünze) . Hierzu ist zu bemerken, daß die meisten Münzen wie Skulpturen dieses Fürsten diese Blödigkeit nicht zeigen, ich habe deshalb diese Münze als Ausnahme vorgeführt. Die alten Schriftsteller berichten ja zwar von dem Blödsinn des Claudius, deshalb ist es nicht zu verwundern, wenn im Volke solche Ansichten verbreitet waren und ein Münzschneider gelegentlich dieselben anwandte. Auf den Bildnissen 1029 und 1032 ist bei Agrippina der Jüngeren der Hals leicht vorgewölbt. Claudius sieht auf der Goldmünze B. 1017 etwas beschränkt aus, Nero auf der Goldmünze 1047 gemein, auf der Goldmünze 1049 schlemmerhaft, ebenso auf B. 1034, auf Münze 1049 sieht er auch bestimmt aus (sehr energisch), die Lippen sind zusammengekniffen, T. 9, B. 1074 ist Nero mit dickem aufgedunsenem Gesicht dargestellt, namentlich sind Kinn und Halspartie dick, am Hals befinden sich Fettfurchen. Vitellius auf T. 10, B, 1130: Doppelkinn, Ausdruck etwas stumpf, der Hals zeigt hinten Fettfalten, der Fresser ist gut charakterisiert. Der Kopf ist klein, die Stirn niedrig und leicht fliehend, der Stirnhöcker deutlich. Bei B. 1128 ist bei Vitellius alles dick im Gesicht, sogar Nase und Ohr, der Ausdruck ist auch hier etwas stumpf (Goldmünze). T. 11, B. 1134 zeigt dieser Kaiser eine Schafsphysiognomie, T, 12, B, 1196: Goldmünze, auf der Vorderseite Vespasian, einen sehr schönen Kopf zeigend, der an Goethe erinnert, auf der Rückseite der schöne Kopf seines Sohnes Titus mit einer Stirnfalte, das Auge weit geöffnet, das Gesicht etwas dick mit Doppelkinn. T. 16, B. 1419: Medaillon Hadrians, durchgeistigter, schöner Kopf. T, 17, B. 1455, 1468, 1464: Kaiserin Sabina überall ernst und kalt, namentlich auf Münze 1464; 1455 und 1468 sind Goldmünzen. 102
T. 23, B, 1684: Lucius Verus etwas finster, Winkelprofil angedeutet. 1686 Goldmünze: Gesicht nicht zu beanstanden. 1685 ebenfalls nicht, die beiden letzten Münzen zeigen ein schönes Gesicht. T. 24, B. 1711 und 1714: Commodus erscheint schwachsinnig, weil ohne Züge, ebenso T. 25, B. 1716 und 1736. T. 27, B. 1782: Pescennius Niger sieht häßlich aus, er hat Stirnfalten, das Gesicht ist unrömisch, das verraten Nase und Bart; in Syrien wurde er proklamiert. Das Auge ist weit geöffnet. T. 29, B. 1871: Caracalla, vorn steht: Divo Antonino Magno; hinten: Consecratio. Das Bildnis zeigt Stirnfalten, ich führe es hauptsächlich wegen der Aufschriften an. Selbstverständlich ist die Münze auf Betreiben seiner Anhänger nach seinem Tode geprägt worden, denen es paßte, daß er das allgemeine Bürgerrecht im großen Weltreich eingeführt und durchgesetzt hatte zum Schaden der alten römischen Rasse. Daß er vollends der Große genannt wird, ist nach seinen vielen Niederträchtigkeiten eine haarsträubende Übertreibung. T. 30: Geta sieht auf den Bildnissen 1916 und 1928 schwachsinnig aus (Mangel an Zügen); Macrinus auf B. 1951 durch Barttracht und Nase unrömisch. T. 31, B. 1977 und 1986: Elagabal sieht auf B. 1977 gemein und beschränkt aus, auf beiden Bildnissen ist das Winkelprofil angedeutet. B. 1986 zeigt ein weitgeöffnetes Auge und Selbstbewußtsein. Alexander Severus zeigt auf B. 2009 eine Andeutung von Wasserkopf. T. 33 B. 2100 und 2103: Kaiser Balbinus hat einen Fetthals, auf B. 2116 zeigt Kaiser Pupienus einfache Abstammung. T. 39, B. 2333 und 2334: Postumus nichtrömisch (beides Goldmünzen) . B. 2351: Goldmünze des Victorianus, der Fürst erscheint nichtrömisch, germanisch oder orientalisch, vielleicht jüdisch, namentlich durch seine Lippenbildung. B. 2349: Goldmünze, Lälianus erscheint als nichtrömisch. B. 2370: Aurelian, Goldmünze, unrömisch. B. 2356: Tetritus, Goldmünze, unrömisch. T. 40, B. 2343: Postumus unrömisch. 103
T. 41, B. 2405: Probus, Anton. Pius sehr ähnlich, nur eckigere Kopfform, T. 41, B, 2433: Carinus, Mangel an Zügen, Verdacht auf Schwachsinn. B. 2393: Florianus, etwas finster mit Falten in der Stirn. T. 42, B. 2453: Diocletian, einfache Abstammung, nichtrömischer Kopf. B. 2429: Carinus zeigt finsteren Blick, der vielleicht Bösartigkeit andeutet. B. 2473: Maximian, Goldmünze, nichtrömisch, ziemlich großer Kopf, intelligent, der steife Hals deutet vielleicht Energie an. T. 44, B. 2524: Galerius Maximianus, nichtrömisch, wie Germane der Völkerwanderungszeit aussehend, B. 2567: Goldmünze, Licinius Filius, nichtrömisch, ostisch (Gesichtsbreite, auch der Kopf ist breit). T.49, B. 2684: Magnentius, nichtrömisch, B, 2689: Decentius, nichtrömisch, T, 57, B. 2925: Trajan, kaum erkennbar, das Haar ist das Ähnlichste. Ich führe diese Münze an, um nicht Unähnliches zu unterschlagen. Diese Münze ist sicher später geprägt und hat nur eine ungefähre Ähnlichkeit mit dem Kaiser. Das Bildnis führe ich deshalb an, um zu zeigen, daß eine absolute Treue der Cäsarenporträts nicht möglich ist, daß natürlich immer bei den Hunderttausenden römischer Kaisermünzen, die es auf der Erde gibt, einige abweichen werden, aber diese Ausnahmen beweisen die Regel, daß die Porträts meist treu oder relativ treu sind.
2. Auktionskatalog, Baron Friedrich von Schennis, Berlin, Dr. B. K. in M. und eines bekannten englischen Archäologen, München 1913. T. 24, B. 1065: vorn Cäsar, hinten Augustus, Goldmünze. Umschriften: Caesar Dictat. Perpet. Pont. Max., bei Augustus Cons und Pont. Diese Münze ist sicher nach dem Tode Cäsars geprägt, die Bildnisse sind etwas ähnlich und erkennbar, sie zeigen wieder die Beziehungen zur Monarchie, der junge Augustus kann sich noch nicht Pontifex Maximus nennen. B. 1067: erscheint Antonius mit Schleier, das Bildnis ist jugendlich und etwas abweichend, aber erkennbar.
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T. 25, B. 1107, 1108 und 1109: Goldmünzen, zeigen gut den Wasserkopf des Tiberius. Bei B. 1107 und 1108 ist das Auge groß. Grausam sieht er nirgends aus. Bei B. 1111 ist der Wasserkopf dieses Kaisers gut angedeutet, es ist ein Jugendbildnis. Die Stirn ist steil, der Blick ernst. T. 29, B. 1198: Julia, Tochter des Titus, Vollblutweib. Sie ist deutlich in die Rasse der Flavier geschlagen, das Gesicht ist zwar schön, der Kopf aber groß und robust. T, 31, B. 1311: sehr schönes Porträt der jüngeren Faustina, für Männer nicht ungefährlich, Untreue der Kaiserin möglich. T. 32, B. 1314: ebenso schönes Bildnis derselben Kaiserin, dem vorigen ähnlich, die Nase weniger gebogen. B. 1317 und 1320: L. Verus, die Münzen haben etwas Jüdisches an sich durch Nase und Bart. B. 1320 ist Goldmünze, dieses Bildnis erinnert an einen Juden auf dem Brühl in Leipzig. Das B. 1317 ist durch den Augenausdruck etwas finster, B. 1334: Commodus, durch seelenloses Gesicht auffallend, das Schwachsinn verrät, Exophthalmus, Goldmünze. T. 33, B. 1369: Macrinus nichtrömisch, namentlich durch Nase und Barttracht. Lippen unrömisch, mehr afrikanisch. T. 36, B. 1492: Magnentius, typisch unrömisch. Herr Dr. Hirsch hat im vorderen Abschnitt dieser Kataloge die Münzen und Medaillons eingehend beschrieben. Durch die Genauigkeit und Wissenschaftlichkeit, mit der er verfahren ist, und die vollendete Technik hat er so meisterliche Abbildungen geschaffen, daß diese Kataloge eine Fundgrube, ähnlich wie das Medaillonwerk Gnecchis, für wissenschaftliche Forschungen geworden sind. Wir gehen zu Bernoulli über. 1. Bernoulli, Die Bildnisse berühmter Römer mit Ausschluß Kaiser und ihrer Angehörigen, Stuttgart 1882.
der
Münztafel 5, B. 102 ist Agrippa abgebildet mit einer Stirnfalte und düsterem Augen- und Mundausdruck. Bei der Gemme des Agrippa, B, 106 erscheint auch eine Stirnfalte oben, das Kinn vorgeschoben, das Auge leicht düster, der Mund zusammengekniffen, so daß der ganze Ausdruck leicht düster-energisch erscheint. 105
B. 108 sieht Varus etwas dümmlich aus. Er fiel in der Varusschlacht inmitten seiner Legionen, nachdem er sich hatte von Hermann dem Befreier düpieren lassen. Man sieht also, daß das Münzbildnis der geschichtlichen Ansicht über seine Persönlichkeit nicht entgegen ist. Varus war mit dem Hause des Augustus verwandt, um so eher dürfen wir eine Porträtähnlichkeit erwarten. Das Ganze erweist wiederum die relative Treue der Porträts. 2. Bernoulli, Die Bildnisse der römischen Kaiser und ihrer gehörigen, Stuttgart, Berlin (Leipzig) 1886 (1891).
An-
T. 32, B. 12: Wunderschönes Bildnis der Livia, meiner Ansicht nach das getreueste Münzbildnis, weil es Tiberius sehr ähnlich ist, besonders was die Nase anlangt. Kein Winkelprofil. Verstand, fast Güte kann man dem Antlitz entnehmen, Intrigue dagegen nicht. Ihr Sohn Tiberius ist B. 19 jugendlich mit Backenbart dargestellt, der Wasserkopf ist deutlich, das Ohr ziemlich groß, das Auge Königsauge, der Blick ist ernst und energisch. T. 33, B. 5—8: Drusus der Ältere soldatisch (steifer Hals), männlich, ziemlich ernst. Die Schönheit dieses berühmten Römers ist an der Münze 6 am deutlichsten. T. 34, B. 1 und 2: Caligula zeigt auf B. 1 ein verschleiertes Auge, die Münze stammt aus dem ersten Regierungsjähre. Auf Münze 2, die aus dem dritten Jahre seiner Herrschaft herrührt, ist er intelligenter dargestellt. Ein Winkelprofil ist bei 1 angedeutet. T. 35, B. 1—8: Agrippina die Jüngere hat überall einen gerade verlaufenden Hals, nur bei B. 4, 5 und 6 ist er leicht vorgewölbt.
Band II. Münztafel 1, B. 7 und 8: Otho als Jüngling dargestellt, abweichend von den übrigen Porträts; es handelt sich um griechische Münzen, sie sind aber noch als Bildnisse des Kaisers erkennbar, Nun zu Delbrück, 1. Delbrück,
Antike
Porträts,
Bonn
1912.
T. 59, B, 8: Gemme des Nero, entspricht der Neroskulptur in meinen Cäsarenporträts, 2. Teil, T. 6, X, Nero gutartig, aus der Zeit des Quinquenniums. 106
Mit Gemme 4 ist Tiberius, nicht Augustus gemeint; die Nase ist eher die des Tiberius, die Stirn ist nicht wie bei Augustus beinahe mit der Nase in einer Flucht. Fortwängler hat die Gemme auch auf Tiberius gedeutet, 1914 hat Delbrück auch an Tiberius gedacht. Auch das weit geöffnete Auge spricht mehr für Tiberius. Der Ausdruck ist ernst. T. 62, B. 45: Elagabal sieht gemein aus, 2. Delbrück, Bildnisse römischer Kaiser, Berlin 1914. T. 27: Septimius Severus, Bronzebüste, fremdländischer Einschlag sehr deutlich: Haar, Bart, Augenausdruck afrikanisch. T. 28: bei Caracalla gemeiner, raubtierartiger Ausdruck, senkrechte und quere Stirnfalten, Verrücktheit. Haar, Nase, Bart: römisch-afrikanische Mischung. T. 36: Gallienus; hervorzuheben ist das Sinnliche am Augenausdruck (Lebemann). Büste aus dem Thermenmuseum in Rom. T. 38: Carinus zeigt eine niedrige Stirn und einen beschränkten Ausdruck durch leere Züge. Wir gelangen zu Burgess. Burgess, Chats On Old Coins, London 1913. Figur 40: Caligula etwas dümmlich, Hochkopf, rechteckige Kopfform, Hals steif, was vielleicht Energie andeuten soll. Gesichtszüge etwas wie Wetterleuchten (drittes oder viertes Regierungsjahr). Auf der Rückseite der Münze steht im Kranz Ob Cives Servatos. Geradezu lächerlich wirkt diese Inschrift bei diesem Fürsten. Fig. 50: Commodus sieht beschränkt aus, weil ohne Züge. Fig. 58: bei Tiberius ist der Wasserkopf sehr deutlich, die Stirn weicht nach vorn ab, Fig. 77: Luc, Verus, gutartig, Winkelprofil angedeutet. Fig. 78: Commodus, schwachsinnig, namentlich durch das stiere Auge. Fig. 79: die Kaiserin Crispina hat einen leeren Gesichtsaus druck, besonders das Auge; vielleicht ist sie leicht debil. Sie war erst Beischläferin des Kaisers Marc Aurel. Auf anderen Bildnissen erscheinen die Züge nicht immer so leer. Bezeichnend genug ist, daß der Kaiser Marcus seinem Sohn seine Maitresse zur Frau gab; dies 107
zeigt einesteils, wie gering er seinen Sohn einschätzte, anderenteils, für wie unselbständig er ihn hielt, wenn er glaubte, ihm so unter die Arme greifen zu müssen, und ferner, ein wie trauriger Mann der junge Commodus war, der sich solches gefallen ließ. Die Ausrede, solches hätte man einem kaiserlichen Vater nicht abschlagen können, hatte er nicht für sich, weil die Gutmütigkeit seines Vaters berühmt war, Fig. 84, 85: Geta zeigt einen etwas leeren Gesichtsausdruck. Fig. 87: Elagabel sieht gemein aus. Nun folgt Seeck. Seeck, Kaiser Augustus, Bielefeld
und Leipzig
1902.
Abbildung 3 und 4: die berühmte Basaltbüste Cäsars aus dem Berliner Museum; Seeck weist sehr richtig an der Hand eines Denars nach, daß diese Büste sehr wohl Cäsar ähnlich sieht. Freilich fällt sie etwas aus dem Rahmen seiner Porträts. Aber sie ist doch als Cäsar erkennbar. Profil scharf geschnitten, der Ausdruck wie auf der Münze ernst, die Kopfform, ähnlich wie bei der Münze, etwas rhombisch, ein Winkelprofil ist an Münze und Skulptur angedeutet. Das Enface offenbart wie das Profil (Denar) ein bedeutendes Gesicht, das selbst nicht ganz der Gutmütigkeit entbehrt und etwas markiert ist; am Auge Krähenfüße, die Pupillen angedeutet, Stirn und Wangen gefurcht. Die Stirn ist in der Mitte merkwürdig, wie gedellt, anders als auf der Münze. . Abb. 15 und 16: nach der Münze der Fulvia, Abb. 16, ist Abb. 15 sicher auch ein Porträt dieser Frau. Die Büste deutet einen angenehmen Charakter an, der mit Schönheit gepaart ist, von der Münze gilt dasselbe. Ich finde Büste und Münze überaus übereinstimmend, das Haar stimmt fast ins kleinste. Abb. 53: diese Goldmünze des Gnaeus Domitius Ahenobarbus führe ich an, weil er ein Vorfahre des Kaisers Nero ist. Diesem gewaltigen Kopf mit den großen Dimensionen und seiner Eckigkeit, er stellt im Profil etwa ein Fünfeck dar, sieht man förmlich an, daß er einem rauhen Geschlecht angehört; aus solchem Holze war Nero geschnitzt, somit mußte man von Nero ähnliches erwarten; Ahenobarbus soll auch schon durch Schändlichkeit aufgefallen sein. Das Doppelkinn und das etwas Schwammige des ganzen Gesichts be108
sagt, daß auch dieser Vorfahre Neros ein Genießer war. Die Münze spricht außerdem von Intelligenz, Draufgängertum und Energie. Deutlich ist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Vorfahren Antonius, auch was die Kopfform anlangt. Abb. 56 und 57: Münze und Skulptur der Octavia, der Schwester des Augustus und Frau des Antonius. Ich halte die Büste nach dieser Münze für ein sicheres Bild der Octavia, die Haartouren sind fast gleich, ein Winkelprofil beiden eigen, bei der Skulptur allerdings deutlicher. Diese veranschaulicht einen nicht unschönen Kopf, der Gesichtsausdruck ist an der Münze weniger schön dargestellt, die Nase an dieser ähnlich der der Skulptur, aber etwas häßlicher. Beide Bildnisse verraten einen angenehmen Charakter. Abb. 89: eine Goldmünze des Tiberius stellt diesen in aller Schönheit mit stark gebogener Nase dar. Der Gesichtsausdruck ist edel, fast gutmütig zu nennen. Wahrscheinlich stammt diese Münze aus der ersten Regierungszeit des Fürsten, in der die Geistesstörung noch nicht so hervortrat. Der Mund zeigt einen Ausdruck von Bitterkeit, Oberkiefer deutlich vorgeschoben. Nun zu Imhoof-Blumer. Imhoof-Blumer,
Porträtköpfe auf römischen Leipzig und Berlin 1922.
Münzen,
T. 1, B. 1: Der Hals des Pompejus ist dicker als der meiner Münze, die ich in meinen Cäsarenporträts Bd. II, S, 9 abgebildet habe. Die Nase ist hier gebogener, etwa so wie am Profil der Spadastatue, B. 25 sieht Vespasian senil aus. T. 3, B. 62: Aquilia Severa, Frau Elagabals, sieht geistig nicht normal, vielleicht debil aus, T. 4, B. 92, 93, 94, 97, 98: Das nichtrömische Aussehen der Kaiser Laelian, Victorinus, Marius, Tetricus und Quintillus ist einleuchtend. Schließlich kommen wir zu Stückelberg, Stückelberg,
Die Bildnisse der römischen Kaiser gehörigen, Zürich 1916.
und ihrer
An-
Stückelberg schreibt S, VII: „Das einjährige, nicht unbestrittene Regiment des Vitelius scheint keine monumentalen Spuren hinterlassen zu haben,"
109
S. XIII: Antonius auf ägyptischer Silbermünze sehr porträtähnlich, man kann den tüchtigen Machthaber erkennen, auch sieht man mehr an ihr von der ihm nachgesagten Schönheit. T. 4: Julia, die Tochter des Augustus, sieht auf dieser Silbermünze ihrem Vater ähnlich, sie sieht nicht ausschweifend, aber auch nicht jungfräulich verschämt aus. T. 10: Drusus der Ältere, militärisch streng, intelligent, man glaubt die alte Römerzucht zu erkennen. T. 14: Caligula, Skulptur aus Kopenhagen. Wenn ich nicht wüßte, wer dargestellt ist, würde ich als Psychiater sagen, hier ist ein Jugendirrer, Epileptiker oder Debiler dargestellt. Fast Verbrechertyp, abstehendes Ohr, tiefliegende Augen, lichtes Haar. Dies Bildnis paßt genau zu der Beschreibung der Alten. T. 15: Caesonia, die Frau des Vorigen, würdig ihres Mannes, häßlich, Ich verweise in bezug auf das Nähere auf das, was ich bei Caligula über dieses Bildnis bemerkt habe. T. 19: Messalina I., große Schönheit, zweifellos faszinierend, kein deutliches Winkelprofil; auf einer Büste ist sie dekolletiert dargestellt, was wohl manches sagen soll. Ob sie so ausschweifend war, wie die Geschichte sie darstellt, kann nicht gesagt werden. Der senile Claudius war verhaßt, deshalb sie auch. Von intrigantem Wesen kann man nichts an diesem Bildnis erkennen, T, 20: Agrippina II, hat etwas vorgewölbten Hals, Sie ist schön, jugendlich, von intrigantem Wesen ist nichts zu entdecken; allerdings dürfte dies eine Goldmünze sein, die kurz nach ihrer Heirat geprägt wurde. T. 21: Britannicus, leichter Wasserkopf, er hat vielleicht auch, wie sein Vater, die englische Krankheit gehabt, Stirn leicht nach vorn abbiegend, Ausdruck dümmlich, ohne Energie. T. 63: Didius Julianus, etwas Schlemmerhaftes im Gesicht, das leicht gedunsen aussieht. T. 70: Getabüste, schwachsinniger Ausdruck. T. 75: Elagabal, gemein und schwachsinnig. T. 78: Julia Paula, erste Frau des Kaisers Elagabal, unschön, leicht debil (?), etwas Männliches in den Zügen, scharfe Nasolabialfalte. 110
T. 79: Aquilia sieht infolge ihrer dicken Lippen und aufgestülpten Nase skrofulös aus (Status lymphaticus). Das Gesicht hat etwas Dümmliches. Diese zwei Frauen des Kaisers Elagabal fallen auch bei anderen Autoren aus dem Rahmen. T. 80: Faustina III., ein Abkömmling Marc Aurels, dritte Frau Elagabals, hat ein großes Auge, durch dieses und ihre gebogene Nase erscheint sie dem Geschlecht des Marcus verwandt. Sie zeigt auch eine leichte Andeutung eines Winkelprofils, die Stirn quillt vor, vielleicht infolge früherer englischer Krankheit. Der Intellekt scheint normal zu sein, T. 93: Die Falschheit 1 ) des Philippus kann man gut aus dessen Augen und Gesamtausdruck erkennen (Büste im Vatikan). T. 95: Sein Sohn Philippus sieht auf der Goldmünze nicht sehr intelligent aus, Psychopathengesicht (?), T. 118: Laelian, durchaus germanisches Gesicht, wie germanischer Heerkönig. T. 121: Tetricus I. wie Laelian. Zusammenfassend muß ich sagen, daß ich viele Münzbildnisse nicht erwähnt habe, weil die meisten derselben treu bzw. relativ treu sind, dieselben Charakterzüge der Dargestellten immer wiederholen, Ich kann nicht immer dasselbe sagen. Wenn ich einige Porträts herausgegriffen und erläutert habe, so geschah dies, um Besonderheiten, z, B. was die Rasse anlangt, hervorzuheben, oder weil Schwachsinn oder Entartung oder auch anderes sehr deutlich war. Ich habe nicht das einzelne hervorgeholt, um auf jeden Fall zu beweisen, daß die Porträts mit den alten Schriftstellern übereinstimmen, sondern es ist vielmehr so, daß diese Übereinstimmung uns bei unseren Untersuchungen gleichsam wie eine reife Frucht in den Schoß fällt. Hier wird ohne Tendenz und nur nach Wahrheit geforscht und die Wahrheit ist eben, daß Skulpturen und Münzen meist den alten Quellen kongruent sind. Sie werden vielleicht sogar bemerkt haben, daß ich z, B, mehrfach erwähnte, daß bei der älteren Agrippina der Hals manchmal vorgewölbt erscheint, was auch an einen leichten Kropf denken ließe, wo es doch umgekehrt mir lieber sein müßte, das Gegenteil zu zeigen, weil ich gern die beiden Agrippinen Nach Wermuth besteht der Wahlspruch des Kaisers: Arglist ist ein gutes Mittel zur Herrschaft.
111
auseinanderhalten möchte. Aus diesem Beispiel möchte man meine Objektivität erkennen. Wir fahren in unserer Beweisführung fort.
B e r o e i s e durch M ü i r j m u s e e n . 1. Berlin,
Kaiser-Friedrich-Museum.
In den Auslagen bemerkte ich folgendes: Goldmünze des Gallienus: nichts Bösartiges; Gallienus als Herkules. Probus: steile Stirn, Diocletian: steile Stirn. Julia, Augustus' Tochter: Augustus ähnlich, gerade Nase, kein ausgesprochenes Winkelprofil, Goldmünze des Tiberius: Wasserkopf deutlich. Vitellius: Doppelkinn, Speckfalte im Nacken. Trajan: Winkelprofil angedeutet. Von Commodus zwei Münzen abweichend, weniger ähnlich. Die Frauen Elagabals sehen düster aus, eher häßlich und wenig intelligent. Laelianus (Goldmünze): sieht wie ein Germane aus. Victorinus (Goldmünze): J u d e ? Tetricus (Goldmünze): Germane. Allectus: Germane? Dies scheint besonders die Nase anzudeuten. Carausius: sieht auch eher germanisch 1 ) aus.
Besichtigung der eigentlichen Museumsschä^e. Caligula (Großbronzen): steile Stirn, Schöne Großbronze mit Trib, Potestate III., vorstehendes Kinn, Blick etwas streng, Claudius (Großbronze): eine abweichend: Oberlippe vorgebuchtet, Hals dicker. Vitellius (Großbronzen): mehrere Münzen zeigen zwei Nackenfalten neben dem Doppelkinn, Elagabal (Gipsabguß von Großbronze): hier sieht er negerhaft aus, Postumus (Goldmünze): sieht wie deutscher Professor aus, a ) N a c h Dury, 4. Bd., S. 617, war er Menapier und hatte früher als R u d e r knecht auf der römischen F l o t t e gedient.
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Hadrian (Goldmünzen): alle haben das Durchgeistigte. Großbronzen Hadrians: kein Winkelprofil, Nase verschieden gekrümmt, fast gerade bis leicht hakenförmig. Großer Kopf, Hals meist schlank, einmal breit, zweimal schlank aber kurz. Manchmal die Nase etwas lang. Hunderte Großbronzen von ihm, überall derselbe geistreiche Gesichtsausdruck. Titus (Goldmünzen): alle gleich, auch die Gipsabgüsse, sie geben alle Titus bekanntes edles Bild. Geta als Junge und im Vollbart (in letzterem Falle schwachsinnig, da ohne Züge). Trajan: eine Trajangoldmünze Nerva angeähnelt, aus dem ersten Regierungsjähre Trajans. Nie Winkelprofil, immer derselbe Kopf, den energischen Herrscher darstellend. Großbronzen alle gleich. Eine mit etwas häßlicherer Nase und sehr vorstehendem Kinn, wie manchmal. Nase zum Teil gebogener und weniger gebogen. Bei einer Großbronze (Gipsabguß) Oberlippe lang und wie vorgetrieben. Einmal wie Hakennase, Hals meist gerade, immer der männliche, entschlossene Kopf. Bei zwei Großbronzen Kopf niedriger und nach hinten ausladend, Hals kürzer und dicker. Auf diesen Münzen heißt er Parthicus, also stammen diese Münzen aus späterer Zeit. Hunderte Großbronzen von ihm. Stirn überall durch das in dieselbe gekämmte Haar etwas niedrig, Hälse bald schlanker, bald etwas dicker, Plautilla: auf einem Gipsabdruck mehr heiter, ein Denar mit Revers: Concordiae Aeternae, die Kaiserin wohl ihrem Mann die Hand reichend, ernst. Vorn Plautilla Augusta. Ein Revers: Propago Imperi (Ausbreitung des Reiches) durch Ehebund, Kind? Viel Concordiatypus hinten. Die Kaiserin fast immer ernst, ihr Haar als Nest oder hinten schopfartig; syrischer Typus. Auffallenderweise ist auf den Münzen dieser Kaiserin viel von Eintracht die Rede, in dem Fall wohl bemerkt, weil die Eintracht offenbar keine gute war. Auch die Ausbreitung des Reiches durch eine kindergesegnete Ehe wird scheinbar gewünscht, weil nicht alles im kaiserlichen Hause stimmt. Reich und Kaiser sind eins (1 etat c'est moi); wenn das kaiserliche Haus sich ausdehnt, wird es das Reich auch tun. Hadrian, Denare: gerade, mehr oder weniger gebogene Nase, Kopf manchmal dicker, Hals auch. Stirn manchmal wie in einer Flucht mit der Nase, Hals meist schlank, überall der geistig bedeutende 8
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Kopf. Stirn etwas niedrig infolge der Locken, die die Stirn umspielen- Auf einigen Münzen erscheint hinten der Halbmond, darüber das Siebengestirn. Vielleicht soll dies des Kaisers Reisen andeuten, die bekanntlich bei jedem Wetter, auch bei Nachtzeit, und entblößten Hauptes durch das riesig ausgedehnte Reich stattfanden. Hunderte Silbermünzen: Porträts sehr selten etwas abweichend, dann gewöhnlich schlechtere Prägung, Im allgemeinen kein Winkelprofil, ganz selten Andeutung eines solchen. Eine Münze etwas anders, Bart verwischt, Nase weniger lang und krummer. Lucius Verus (Goldmünzen): eine, auf der er etwas düster aussieht. Kein Winkelprofil, selten Andeutung eines solchen. Ausdruck nicht direkt bösartig. Manchmal nicht sehr geistvolles Gesicht, auf schlecht geprägten Münzen sieht er häßlicher aus. Bart verschieden, meist nach vorn zu, manchmal mehr nach abwärts oder hinten auslaufend. Hunderte Denare von ihm. Großbronzen des Lucius Verus: schöner Lockenkopf, manchmal Winkelprofil, Bart wie bei den Denaren; eine patinierte Großbronze mit klassisch schönem Kopf. Mittelbronzen: Stirn durch Haar niedriger wie bei Hadrian. Überall derselbe Typus. Verus nirgends bösartig, mittelintelligent, manchmal etwas düster, Plautilla (Goldmünze): hinten mit Zepter und Kind in 'den Armen, jugendlich, ernst, 2. Gotha, Herzogliches
Münzkabinett,
Schloß.
Neroporträts zum Teil untereinander sehr abweichend. Kein Winkelprofil, Hals verschieden, meist dick, aber auch schlanker. Doch ist der Charakter Neros überall deutlich, das Schwammige des Gesichts, das den Lebemann verrät, neben despotischen Köpfen und harmlosen Jugendporträts, Pompejus: Verschiedenartigkeit der Bildnisse, Jedoch deuten sie denselben Charakter an, Augustus: einige fallen aus dem Rahmen heraus, ohne ganz unähnlich zu sein, Tiberius: eine Münze häßlich, mit großer Nase, aber erkennbar. Der Wasserkopf im Profil selten deutlich, Caligula: Kopf im ganzen wenig geistvoll und häßlich, Andeutung von Turmschädel, Ähnlichkeit mit Germanicus, 114
Claudius: große Silbermünze, die deutlich Verdrießlichkeit und starke Stirnfalten zeigt, er rümpft die Nase; Ähnlichkeit mit seinem Vater. Nero: sehr hübsche Goldmünzen aus seiner Jugendzeit, solche mit Mutter Agrippina, auf einer dieser Münzen hat Agrippina II. einen etwas dicken Hals. Commodus: Gesicht im ganzen wenig geistvoll, zum Teil beschränkt aussehend. Schwachsinn nicht so deutlich, wie in meinen Cäsarenporträts II. Teil abgebildet, und wie auf großen Stücken (Dr. Hirsch, Gnecchis Medaillons), 3. Dresden,
Münzkabinett,
Stallhof.
In Dresden habe ich mir die Münzen, die ich oben veröffentlicht habe, ausgesucht und über die anderen keine besonderen Notizen gemacht. Es gilt aber von diesen dasselbe, wie von den übrigen. 4. Leipzig,
Universitäts-Bibliothek.
Drei Münzen des Augustus, jugendliche, die aus dem Rahmen herausfallen, aber eben nur so wie in Gotha. Alle anderen Augustusmünzen (sehr viele) geben den bekannten Typ, das energische Bild des klugen Herrschers. Die drei abweichenden Münzen sehen eher häßlich aus und gleichen etwa der von mir beschriebenen Goldmünze. Goldmünzen des Vespasian mit vielen Falten. Otho erinnert an Antonius, das Münzbild zeigt männliches Wesen, Vitellius, Rückseite: Fides Exercitum und zwei verschlungene Hände, Dies dürfte ein weiterer Beweis dafür sein, daß Vitellius wirklich regiert hat, denn diese Umschrift zeigt, daß er auf die Treue der Heere Wert legte, wahrscheinlich, weil sie selten oder nicht vorhanden war. Dies scheint die damals düsteren, um nicht zu sagen revolutionären Verhältnisse andeuten zu sollen. Zwei Vitelliusmünzen, auf denen er Otho angeähnelt ist; andere Kopfform, nämlich die des Otho. Wenn die Münzen des Kaisers denen Othos angeähnelt wurden, so scheint mir das wiederum ein Beweis zu sein, daß Vitellius Kaiser war, weil bei raschem Regierungswechsel manchmal alte Stempel des vorigen Kaisers benutzt und nur wenig verändert wurden (das Bildnis), weil die Prägung rasch vor sich 8*
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gehen mußte. Und dies alles trifft für unsern Fall zu, namentlich für solch bewegte Zeit. Schöne Goldbronze des Vitellius: Doppelkinn. Eine Großbronze des Vespasian zeigt dessen Senilität: viele Stirn- und Gesichtsfalten, das Auge wie zusammengekniffen. Titus (Großbronze): starke Stirnfalten, sehr schön. Domitian: nicht bösartig. Commodus: etwas Winkelprofil, auch Verus der Sohn; dieser einmal auf Großbronze etwas finster. Elagabal: einmal gemein und orientalischer Typus. Aurelian: Denar, vielleicht Germane. Carausius: (Kropf), Allectus Germanen? Die Beweise werden zu vervollständigen gesucht. Beweise durch Münzbesichtigungen in Jena (Material aus Münzkabinett Gotha). Schöne Drususmünzen (Drusus der Ältere). Das Münzrecht war den Kaisern und Mitregenten vorbehalten oder denen, die vom Kaiser bestimmt waren. Drusus zeigt auf den Münzen einen schönen Kopf und einen schlanken, aber muskulösen Hals. Das Militärisch - Energische ist deutlich. Bildnis des Varus dümmlich, Münze von Achulla, die sehr selten und nur in sechs Exemplaren auf uns gekommen ist. Caligula: drei Münzen; erste: Kopf hoch, Gesicht häßlich, Auge tief, wenig geistvoll, gemein; zweite: hübscher Jüngling, Auge nicht so tief liegend; dritte: deutet schlechten Charakter vielleicht an, wenig geistvoll. Vitellius: Kopf meist gleich, ein Kopf ungleich. Nach einem bedeutenden Gelehrten war der Geschichtsschreiber Tacitus parteiisch und tendenziös. Domitian überstand sehr ernste und erfolgreiche Germanenkämpfe, Tacitus hat dies falsch dargestellt. Domitian hat einen gemeinen Charakter. Seine Münzen lehren, wieviel Schlachten stattgefunden haben, auf einer Münze steht Imperator 22, das deutet seine vielen Siege an (Acclamationes). Falsche Münze; man weiß nicht ob es Augustus, Tiberius oder Drusus ist. Die nichtfalschen Münzen erkennt man fast immer sofort. 116
Hadrian hat nur ein Konsulat als Kaiser geführt, sein drittes, Domitian: Kinn übertrieben vorstehend (Gipsabguß), mehrfach, Nerva (Silbermünze): Hakennase, dicke Unterlippe, schlanker Hals, Winkelprofil kaum angedeutet. Jüdisch? Trajan: Denar, Hals kurz, breit, Andeutung von Winkelprofil, Goldmünze desselben: kein Winkelprofil, Hals eher schank, aber gute Halsmuskulatur, Schönes Profil, das für Charakterfestigkeit spricht, Hadrian: Denare, bei einem ist der Kopf breiter dargestellt, Großbronze desselben: Hals auch breit, kein Winkelprofil, kein Hochkopf. Nach demselben Gelehrten war Lucius Verus ein sehr unbedeutender Mann, Goldmünze des Marcus und Verus, beide Winkelprofil, kein Hochkopf, Verus harmlos, beide niedrige Stirn. Marcus: Denar, Stirn höher, Winkelprofil infolge Vollbarts nicht so deutlich, Hals dicker und kürzer. Verus: Denar, Stirn niedrig, sonst wie dieser Marcus, was Winkelprofil anlangt, Unterlippe groß, Ausdruck eher harmlos. Marcus (Großbronze): nichts Besonderes, Stirn mittelhoch. Andere Münze desselben: Auge groß, weit auf. Vom Senat wurden zuweilen Gold- und Silbermünzen geprägt, was allerdings umstritten ist, die Kaiser prägten auch Kupfermünzen. Marcus (Goldmünze): Winkelprofil, Andere Münze dieses Kaisers: großes Auge, Denar desselben: weit geöffnetes Auge. Commodus: Gesicht indifferent. Andere Münze des Kaisers: normaler Gesichtsausdruck, Hals steif. Marc Aurel (Kupfermünze): Winkelprofil, weites Auge, schöner Kopf. Eine Goldmünze von ihm mit schlankem Hals ist sehr schön und zeigt einen philosophischen Kopf. Kindliche Commodusmünzen sehen nicht krankhaft aus. Kopf des jungen Commodus nach hinten ausladend 1 ). Schon als Kind wurde er mit der tribunizischen Gewalt bekleidet und in den Krieg geschickt. Auf Kontorniaten sieht Commodus übel aus. Er hat durch Zahlungen die Feinde abgewehrt, ') Stimmt zu seinen sexuellen Extravaganzen.
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Caracalla (Bronzemünze): mit Stirnfalten, leidliches Bildnis. Ein Gipsabguß dieses Kaisers zeigt das Auge finster, wie den ganzen Ausdruck. Caracalla hat die Germanen verraten und niedergemacht, Bronzemünze desselben Kaisers: kein Winkelprofil, ernst, nicht bösartig. Zwei Kupfermünzen des Fürsten ernst. Ein Denar gibt nichts Besonderes an, eine Goldmünze Stirnfalten. Nie Winkelprofil. Alle Porträts sehen ernst aus, Maximinus Thrax, eine Bronze- und eine Silbermünze, offenbaren nichts Besonderes, kein Winkelprofil, sehr vorstehendes Kinn, Philippus: Denar, nicht semitisch, Denar desselben Kaisers: Unterlippe nach unten und dick. Ein Denar: Falten in der Stirn, Philippus, Sohn des vorigen: zwei Denare, Unterlippe etwas herabhängend, Bildnis nicht auffällig. Diocletian (Silbermünze): Energie, Hals fast gerade. Eine andere Silbermünze desselben Herrschers besagt dasselbe, der Schnurrbart geht schließlich nach unten. Eine dritte Silbermünze des Diocletian: Kopf sehr dick, Hals dick und kurz, Maximianus, zwei Silbermünzen: Kopf ähnlich, der eine plump, auch die Nase. Eine Goldmünze: Stupsnase. Germanisch? Die besichtigten Münzen sind so geordnet und nacheinander beschrieben, wie sie in den Museen und in Jena nacheinander gesehen worden sind. Man möge daher diese scheinbare Unordnung gütigst entschuldigen*). Die Besichtigungen fanden zu verschiedenen Zeiten statt, z. B. im Kaiser Friedrich Museum bei drei verschiedenen Aufenthalten. Die geschauten Münzen beweisen wiederum, daß die Porträts treu bzw. relativ treu sind. Solche Münzen, die von dieser Richtlinie abweichen, habe ich keineswegs gemieden anzugeben, sondern im Gegenteil hervorgehoben. Es erhellt wiederum, daß nur ausnahmsweise die Münzen voneinander und vom historischen Bericht abweichen, was beweist, daß sie im ganzen der Geschichte parallel gehen. Es ist ja ganz klar, daß Abweichungen da sein müssen, ebenso wie die Goethe-, Schiller- und andere Bild1 ) Ich weiß sehr wohl, daß zum Beispiel alles über Münzen des Augustus Gesagte zum Kapitel über diesen Kaiser gehört hätte. Bei dieser Anordnung hätte ich J a h r länger schreiben müssen. Ein gütiges Geschick möge die Neuordnung bewerkstelligen (neue Auflage).
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nisse untereinander und manchmal sehr differieren. Die Künstler (Münzschneider) waren und arbeiteten, je nach Talent und Intelligenz, verschieden, zum Teil sahen sie den Herrscher gar nicht. Nachtragen möchte ich noch, daß Friedländer in seinem Buch: „Über einige Medaillons", 1873, einige schöne Stücke beschrieben hat; es handelt sich um solche aus dem Königlichen Münzkabinett in Berlin. Die Münzen aus der Constantinischen Epoche lasse ich weg. 1. Bronzemedaillon des Philippus, seiner Frau Otacilia und seines Sohnes Philippus: Otacilia Doppelkinn, Sohn beiden Eltern ähnlich, mehr dem Vater, hat aber etwas Weichliches. 2. Hadrian (Silbermedaillon): sehr schön, das Durchgeistigte sehr deutlich. Erwähnen will ich noch, daß Visconti in einem Werk, das ich in der Jenaer Bibliothek nachgesehen habe, über Anthyllus, einen Sohn des Antonius, berichtet und seine Münze abbildet; auf dieser ist er seinem Vater sehr ähnlich. In seinem Buch erwähnt er, daß er von Augustus ermordet wurde. Eine Münze des Antonius mit der Umschrift: „Aug. Imperator" wird erwähnt. Hiernach müssen, um die römischen Kaiser in ihren Charakteren sowie die ganze Geschichte zu verstehen, Bemerkungen zur Kulturgeschichte des römischen Kaiserreiches folgen. Dies kann nicht besser geschehen als dadurch, daß ein Auszug aus dem hervorragenden Werk Friedländers: „Darstellung aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine" gebracht wird, dem ich meinerseits Bemerkungen anfüge. Man wird leicht erkennen, was von Friedländer und was von mir stammt,
Friedländers Sittengeschichte. Die Freigelassenen, die in Claudius' Namen regierten, waren die Chefs des Rechnungsamtes, des Sekretariats und des Amtes für Bittschriften und Beschwerden, Man vergegenwärtige sich nur, daß die Republik der Alten eine ganz andere Staatseinrichtung war, wie eine moderne Republik. In der alten Republik wurden die einfachen, arbeitenden Stände meist von der ungeheuren Menge der Sklaven 119
gebildet, die rechtlos waren und nichts zu sagen hatten, so in Griechenland, so in Rom, Die erste römische Kaiserzeit erinnert an die napoleonische Zeit nach der französischen Revolution, hatten doch auch die Römer ihre Revolution durchgemacht. Eigentlich müßte es umgekehrt heißen, die französische Zeit erinnert an die römische, aber das näherliegende Französische begreifen wir eher und deshalb habe ich dies so ausgedrückt. Ich meine damit, daß es damals bei den Römern anfing, daß jeder den Marschallstab im Tournister trug, daß aufstrebende Elemente in die Höhe kamen und Ruhm und Ehre erwerben konnten. Die allmächtigen Freigelassenen an Commodus' Hofe waren Kammerdiener. Claudius wollte die Freigelassenen offenbar gegen die Senatoren und Ritter (Geburts- und Geldadel) ausspielen. Wenn die Freigelassenen Leute von anständiger Gesinnung waren, mochte das gehen, schließlich führte dies aber zum Teil dazu, daß Unwürdige die wichtigsten Sachen zur Entscheidung bekamen infolge der Schwäche des Fürsten. Unter Caligula gelangte der Sklave Callistus zu ungeheuerem Reichtum und zu einer der kaiserlichen fast ebenbürtigen Allmacht. Man sieht daraus, daß Caligula viel zu weit ging, namentlich wo jener Sklave war. Natürlich wurden diese Elemente manchmal unverschämt und versuchten über ihren Herrn hinauszuwachsen. Freigelassene besaßen prachtvolle Bäder, Villen aus kostbaren Marmorarten, zum Teil höheren Rang; sie erhielten z. B. den Ring bei der Erhebung zum Ritter, durften Senatssitzungen beiwohnen. Sejan war der erste Ritter, der prätorischen Rang erhielt. Narcissus erhielt vom Senat quästorische, Pallas sogar prätorische Abzeichen. Claudius hatte Freigelassene über sein Privatvermögen gesetzt. Dabei fiel er hinein; es war überhaupt sehr gewagt, mit diesen Leuten und Neureichen zu regieren. Das waren eben wie revolutionäre Zustände, die nach Caligulas Tod vorhanden waren, da vollends ein so charakterschwacher Fürst folgte. Narcissus und Domitians Kämmerling Parthenius hätten das Abzeichen des Schwertes geführt (hohes kriminelles Abzeichen). Claudius bewilligte seinem Freigelassenen Harpocras, sich in der Stadt der Sänfte zu bedienen und öffentliche Schauspiele zu veranstalten (anscheinend damals Vorrechte der Senatoren). Claudius verlieh bei dem britannischen 120
Triumph dem Eunuchen Posides „mit gewohnter Taktlosigkeit" militärische Auszeichnungen. Claudius war kein feiner Mann, zu ängstlich und unbeständig, gab allerdings zeitweise Zeichen von Edelmut. Verschwägerungen von Freigelassenen mit edlen Geschlechtern fanden statt, selbst mit den kaiserlichen Familien, und zwar wohl nicht selten. Die Standesunterschiede verwischten sich, die Rassen dadurch auch. Fast während des ganzen ersten Jahrhunderts waren die Freigelassenen im Besitz der drei höchsten Prokurationen: des Rechnungsamtes, des Amtes der Bittschriften und Beschwerden und des Sekretariates. Diese Ämter erforderten nicht bloß persönliches Ansehen, sondern hauptsächlich Zuverlässigkeit, Ergebenheit und Brauchbarkeit. Das zeigt doch, daß tüchtige Leute unzweifelhaft unter diesen Elementen waren, auch traute man den ersten Kreisen wohl nicht immer ganz. Claudius Etruscus, ein ehemaliger Sklave, hatte das Rechnungsamt (a rationibus) unter sich; im ersten Jünglingsalter an den Hof des Tiberius gekommen, war er noch jung schon freigelassen worden. Unter Caligula hatte er eine bescheidene Stelle bei dessen Reise nach Gallien inne. Unter Claudius, Nero und Domitian diente er; unter letzterem fiel er in Ungnade und wurde verbannt, er starb aber über achtzigjährig. Sein Grabmal duftete von Blumen, Künstler verewigten sein Bild; die beiden gefeiertsten Dichter schrieben über ihn Trauergesänge, Alexandrinisches Kristallglas, Goldbergwerke, die immer den Kaisern gehörten, Elfenbein, Getreide und Heereslieferungen, alles hatte er unter sich, sein Schlaf und seine Mahlzeiten waren kurz, Gelage mied er ganz, das Vergnügen war seinem Geist fern. Offenbar war er ein tadelloser Mann. Amt der Bittschriften
und
Beschwerden.
Unter Claudius hat Polybius dieses Amt versehen, Seneca richtete an ihn die „unwürdige" Trostschrift. Das Amt der Depeschen und Briefe (ab epistulis). Der allmächtige Narcissus hatte das Sekretariat unter Claudius unter sich, der kaiserliche Sekretär Abascantus die mit dem ganzen Reich in griechischer und römischer Sprache geführte Korrespondenz. 121
Statius verfertigte ein Gedicht an den Freigelassenen Abascantus unter Domitian nach dem Tod seiner Frau Atttistia Priscilla. Ihr Leichenbegängnis war von ungeheuerer Pracht. Er war nach dem Gedicht sehr nüchtern, bescheiden, tüchtig, rechtschaffen. Ihr Grabmal war ein Palast, wo sie in Gestalt verschiedener Göttinnen stand. Sie beschwor (nach dem Gedicht) ihren Mann auf dem Totenbett, dem Kaiser ein goldenes Bild von 100 Pfd. zu errichten. Der Rhetor Avidius Heliodorus wurde als Freigelassener Vizekönig von Ägypten, sein Sohn Avidius Cassius machte einen Griff nach der Kaiserkrone unter Marcus; Avidius Cassius war tüchtig, aber grausam, ein Parvenu, Die
Oberkämmerer.
Der Ägypter Helikon, Oberkämmerer Caligulas, besaß Talent zu Witz, Spott und Scherz und war als Ägypter Judenfeind. Diese Feindschaft verstand er dem Kaiser einzuimpfen. Als Ägypter war er außerdem giftig boshaft. Er war hochmütig, schroff und ließ sich von den Alexandrinern bestechen. Wegen Schandtaten wurde er von Claudius hingerichtet. Parthenius und Gigerus, die Kämmerer Domitians, die Anteil an seiner Ermordung hatten, wirkten zur Thronerhebung Nervas mit, Parthenius war ein vorzüglicher Dichter, nach der Ermordung Domitians soll er gefallen sein, als die Prätorianer wegen des Kaisermordes Bestrafung forderten. Die Kämmerer des Commodus vertraten, wie in einer orientalischen Despotie, den oft von Rom abwesenden Kaiser, Natürlich waren das furchtbare Zustände, Der Untergang des Reiches wurde durch Septimius Severus eingeleitet, weil dieser, das Militär bevorzugend, Gelder verschwendete und neue drückende Steuern einführte, Hofschauspieler
und
Hoftänzer.
Apelles aus Ascalon, der berühmteste Trägode seiner Zeit, ständiger Begleiter Caligulas, fiel in Ungnade, weil er mit der Antwort zögerte, ob Jupiter oder er größer sei. Er wurde ausgepeitscht, der Kaiser freute sich an seinem Schreien, Dieses Benehmen war typisch für den Kaiser, wird dies vielleicht auch für normal gehalten? 122
Konkubinen. Die Sklavin Akte aus Kleinasien, die der Kaiser Nero heiraten wollte, hat später Nero mit begraben und seinen Grabhügel betreut. Die Freundin Vespasians Cänis verkaufte Ämter des Kaisers, Todesurteile wurden in Geld umgesetzt, so daß sie sehr reich wurde. Der Kaiser war ein Parvenü, aber kein schlechter Kaiser; kleine Schattenseiten hatte jeder von diesen, diese war nicht die übelste. So wurden sogar Leben gerettet. Die Geliebte des Verus, Panthea, war ausgezeichnet durch Schönheit, Geist, Sittsamkeit und Bescheidenheit; dies spricht doch etwas für Verus.
Kaiserliche
Sklaven.
Selbst Bewerber um die höchsten Ämter machten diesen den Hof, sie waren Rechnungsführer und Kassenbeamte. Ein Sklave des Tiberius hatte wiederum 16 Sklaven unter sich, darunter einen Arzt. Zuverlässige Leute werden immer geschätzt, selbst wenn sie Sklaven sind, hier wuchsen sie proportional der Bedeutung des Hofes. Warum auch nicht?
Leibärzte. Interessant ist die Ähnlichkeit der damaligen und jetzigen Zustände: Privatärzte verdienten im allgemeinen mehr als beamtete Ärzte, selbst wenn sie beim Kaiser angestellt waren.
Hofastrologen. Dies waren fast immer Griechen oder Orientalen, Nero ließ auf den Rat des Barbillus im Jahre 65 mehrere Adelige hinrichten. Barbillus wird eben ein kluger Mann gewesen sein, der eine Verschwörung entstehen sah; es wird nicht allzu schwer gewesen sein, Neros Untergang zu prophezeien. Da Domitian offenbar die Bedeutung, das Ansehen und die Beliebtheit des Senators Nerva bemerkte, wollte er diesen hinrichten lassen; ein Astrolog rettete ihn, er machte dem Kaiser Glauben, jener habe nur noch wenige Tage zu leben.
Freunde des
Kaisers.
Drei Klassen derselben, häufig waren die Konsuln, der Präfekt des Militärlagers oder städtischen Heerlagers, der Vizekönig von 123
Ägypten der Freund des Kaisers. Tiberius ließ einen Philologen hinrichten, das heißt zwang ihn, sich das Leben zu nehmen (nach Sueton), weil er sich nach der Lektüre des Kaisers erkundigt hatte, Nerva duldete aus übergroßer Milde die verhaßtesten Freunde Domitians an seinem Hof. An diesem Beispiel sieht man, daß Nerva wohl ein edler Mann, aber doch zu weich, zu sentimental war. Kaiserliche
Wache.
Sie bestand aus tausend Mann. Der sehr ängstliche Claudius ließ sich erst später und mit Mühe bewegen, daß Frauen und unerwachsene Knaben und Mädchen beim Empfang nicht daraufhin betastet wurden, ob sie Waffen bei sich trügen. Diesen Unsinn stellte Vespasian ab. Das Hof leben. Trajan lebte musterhaft einfach im Palast. Seine edle Frau Plotina war ein Beispiel für die alten guten Sitten und für einen vornehmen Charakter. Der Kaiser war trotzdem Knabenliebhaber und Weintrinker, auch richtete er gelegentlich einmal einen hin (Partherfeldzug, einen widerspenstigen Christen); gegen die Christen erließ er allerdings zu deren Gunsten mißzuverstehende Befehle. Trajan war trotz allem im ganzen ein ausgezeichneter Fürst. Nero und Commodus überhoben sich über das Hofzeremoniell und die Sitte, indem sie Kleidung trugen, die anstößig war. Caligula ließ sich die Füße küssen. In Domitians Palast herrschte Angst und Schrecken beim Empfang. Über seine Grausamkeit kann kein Zweifel sein, wie Plinius bezeugt. Einige Kaiser, z. B. Domitian, schwelgten sehr; wenn bloß ein Drittel von dem wahr ist, was in der Beziehung über diesen Kaiser berichtet wird, so ist dies bezeichnend und beschämend genug. Statius hat ihn entgegengesetzt geschildert. Die Wahrheit liegt also in der Mitte. Elagabal bediente sich goldener Überzüge über den Speisesofas. Caracalla machte einen früheren Sklaven zum Senator. Der rücksichtslose Despot hätte gewiß aus den höheren Ständen einen ebenso tüchtigen Mann auswählen können. Kaiser Nero reiste nur mit 124
1000 Karossen. Die Hufe der Zugtiere ließ er mit Silber, seine Frau Poppaea sogar mit Gold beschlagen. Man sieht hieraus, wie trotz der Zeit des Caligula und Claudius das Reich blühte, denn sonst wäre solcher Luxus undenkbar gewesen. So märchenhaft die Reisen Neros, z. B. die nach Griechenland, geschildert worden sind, werden sie wohl auch gewesen sein. Neros goldenes Haus erinnert an die Königsschlösser Ludwigs II. von Bayern. Unsittlichkeit
der
Frauen.
Ein Mann ohne ein Liebesverhältnis zu einer Frau wurde verachtet und für einen Mägdeliebhaber gehalten. Die Entsittlichung muß doch sehr groß gewesen sein. Warum hatten die Kaiser oft keine Kinder bzw. Söhne? Ganz abgesehen davon, daß es vielleicht so besser war. Wenn nicht einmal der Hof mit gutem Beispiel voranging, sogar Antoninus Pius und Marc Aurel duldeten die Untreue ihrer Frau stillschweigend. Aus der Darstellung dieser Sittengeschichte zieht Friedländer den Schluß, daß dem Aufstieg der tüchtigen unteren Elemente der Abstieg des entarteten Adels parallel ging. Dio sagt in seinen Fragmenten, 189: Nachdem die Römer die üppige Lebensart der Asiaten gekostet und bei reicher Beute und der Freiheit der Sieger sich in den Besitz der Besiegten eingewohnt hatten, nahmen sie auch bald ihre schwelgerischen Sitten an und traten in kurzem die väterliche Sitte mit Füßen. So drang das Übel von dorther auch in die Hauptstadt ein.
W a s sagt Gibbon über die römische Vcrfalls3cit ? Gibbon ist ein glänzender Schriftsteller und hat in seinem hervorragenden Werk in ausgezeichneter Weise die römischen Kaiser und die letzten Zeiten des römischen Weltreichs geschildert („Geschichte des Verfalles und Unterganges des römischen Weltreichs", Leipzig 1837). Man sagt, Gibbon sei veraltet; ist Tacitus veraltet? Diesem ähnelt er in manchem, er ist aber objektiver. Den Kaiser Commodus beurteilt er sehr richtig; wenn er auch nicht geradezu sagt, daß er schwachsinnig sei, so schildert er ihn doch so, daß man ihn für beschränkt oder geistesschwach halten muß. 125
Septimius Severus schätzt er nicht gut ein, er nennt ihn falsch und verschlagen und geißelt seine Rache gegen Byzanz. Über Geta bemerkt er: wir betrachten den jungen Fürsten als unschuldiges Opfer des Ehrgeizes seines Bruders, ohne zu bedenken, daß ihm mehr die Macht als die Neigung fehlte, dieselbe Tat der Rache und des Mordes zu verüben. Caracalla ließ Fadilla, die Tochter Marc Aurels, hinrichten, weil sie Trauer über die Ermordung Getas gezeigt hatte. Dieser Kaiser setzte das römische Bürgerrecht für alle Provinzialen durch und verordnete eine doppelte Steuer aus Habsucht, weil er die Soldaten beschenken wollte, ein Grund des Untergangs des Reiches. Gibbon hält Maximinus für tyrannisch, grausam und undankbar; den Senator Magnus ließ er mit 4000 seiner angeblichen Mitschuldigen hinrichten. Gordian I, stammte von väterlicher Seite von den Griechen, von mütterlicher Seite von Trajan ab. Sein Sohn Cordian II., sein Stellvertreter in Afrika, hatte 22 Konkubinen, von jeder drei bis vier Kinder. Die sog. 30 Tyrannen unter Gallienus — es waren aber bloß 19 — waren die Folge der schlaffen und gemeinen Regierung dieses Kaisers, Er nennt ihn einen höchst verächtlichen Fürsten. Marius war der verächtlichste aller Thronkandidaten, aber redlich und kolossal stark. Fast alle Tyrannen Waren geringer Herkunft, nur zwei aus edlem Hause. Von 250 bis 265 herrschte die Pest und Hungersnot, so daß die Hälfte des Menschengeschlechts zugrunde ging. Victorinus hatte gute Eigenschaften, war aber ein gewalttätiger Liebhaber; er fiel einer Verschwörung eifersüchtiger Ehemänner in Köln zum Opfer, Carinus war ein grausamer Wüstling, neun Frauen hatte er in wenigen Monaten, fast alle verließ er in schwangerem Zustand. S. 300 schreibt Gibbon: „Die Kaiser, obschon vielleicht von afrikanischer oder illyrischer Herkunft," Der Kaiser Carus bemerkte, daß er reineren Blutes sei als andere Kaiser. Gallerius, ein Barbar, wollte den Senat ausrotten und das Volk durch das Schwert vernichten, Diocletian förderte zunächst den Frieden und Wohlstand der Kirche, Galerius stimmte ihn erst zu Verfolgungen, Der Brand des Palastes von Nikomedien wurde den Christen wohl nicht ohne Grund schuldgegeben. Magnentius war ein ehrsüchtiger Krieger von barbarischer Abkunft.
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Dr. Weininger, Geschlecht und Charakter. Nun ist es noch nötig, das Buch von Dr. Weininger, „Geschlecht und Charakter", 1904, zu besprechen, Weininger schreibt: „Die innere Sekretion der Keimdrüsen komplettiert also erst die Geschlechtlichkeit des Individuums. Sapho hatte wenig Haarwuchs. Die Frau ist nur sexuell, der Mann auch sexuell. Das Weib besitzt keine Logik, Kurzsichtig ist man, wenn man die Krankenpflege der Frauen für einen Beweis ihres Mitleids hält. Er erwähnt die Schamlosigkeit der Frauen und das Unvermögen derselben zur Wahrheit. Antonius und Cleopatra seien Gottesgeißeln, Dirne und Tribun, da sie als antimoralische Phänomene empfunden werden." Ich finde das Buch von Weininger interessant und bedeutend, doch die Einstellung den Frauen gegenüber etwas zu feindlich. Aus der Geschichte der römischen Kaiserzeit geht hervor, daß Weininger vielfach recht hat. Die Römerinnen, namentlich die Frauen der Cäsaren, und besonders in der späteren Zeit, zeigten sich allerdings so unmoralisch, daß man unbedingt auch hierauf mit den Untergang der römischen Welt basieren muß, „Dazu kam, daß der Mann von der Zeit Theoderichs des Großen an keinen Panzer (keine Waffen) mehr tragen wollte, dies eine Folge des üppigen Lebens im Kaiserreiche überhaupt. Leider haben kulturell und zivilisatorisch sehr bedeutende Epochen an sich, daß moralischer Rückgang ihnen parallel zu gehen scheint," Deshalb rede ich aber noch lange nicht den Leuten das Wort, die zu Anfang des Weltkrieges meinten, es sei gut, daß losgeschlagen worden sei, sonst sei das deutsche Volk durch Üppigkeit degeneriert. Weit gefehlt. Wir hätten ruhig noch 100 Jahre nach 1914 unsern Glanz aufrecht erhalten können. Denken Sie doch an die Jahrhunderte währende friedliche Blüte Syriens und der Nachbarländer während der römischen Kaiserzeit. Auch hat Kemmerich in seinem Buch: „Die Lebensdauer und Todesursachen innerhalb der deutschen Kaiser- und Königsfamilien" nachgewiesen, daß infolge Reichtums die Kultur eines Volkes wächst.
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Weitere Beroeise. Hans Gebhardt,
Gemmen
und Kameen,
Berlin
1925.
Aus diesem Werk habe ich die Kamee der Faustina schon angeführt, ich möchte noch bemerken, daß er interessanterweise mitteilt, daß mittelalterliche deutsche Kaiser sich zum Siegeln antiker geschnittener Steine bedienten, die römische Kaiser darstellen. Zum Beispiel ist das Gemmensiegel Ludwigs des Deutschen (843—876) ein unverkennbares Brustbild des Kaisers Hadrian; seine durchgeistigten Züge sind auch hier deutlich. Ein einwandfreies Bildnis des Kaisers Caracalla ist in Abb. 190 gezeigt. Das Gemeine und Despotische des Fürsten ist erkennbar (Kamee)' Regling,
Die antike
Münze als Kunstwerk,
Berlin
1924.
Auf Tafel XLV ist Julia Domna als Göttin dargestellt, Ihr schönes Gesicht ist sprechend ähnlich, auch hier scheint die schöne Büste dem Leben entnommen zu sein. Aus dem sehr interessanten Werk möchte ich folgendes hervorheben. Herr Professor Regling schreibt: „Um der Kaiserbildnisse willen sind diese Münzen (die römischen Kaisermünzen) für alle Zeiten berühmt und immer wieder in den verflossenen zwei Jahrtausenden vorbildlich für die Münz- und Metallkunst geworden. Beim Anwachsen des griechisch-klassizistischen Einflusses in der Cäsarisch-Augustinischen Zeit folgt eine stärkere Neigung zum Idealisieren (Augustus), worauf seit Nero wieder eine stärkere Betonung der individuellen Züge einsetzt, also ein realistischer Zug weht. Unter Traianus wird, wie auch bei den Marmorbüsten dieser Zeit, eine tiefe Büstenform geliebt. Das erneute Einsetzen des griechischen Einflusses in Kunst und Kultur unter Hadrianus führt wieder zu einem gräzisierenden, oft etwas weichlichen Idealismus der Bildnisauffassung (Antoninus Pius). Die Bildniskunst hält sich später bei den Bildnissen der Domna und des Caracalla, unter dem die Verwandtschaft der Münzbildnisse und Büsten besonders stark hervortritt, auf einer Höhe, von der sie erst seit der Münze des dritten Jahrhunderts nach Christus herabsinkt. Die kommemorativen Bilder gestalten sich zu einem metallenen Bilderatlas der Ge128
schichte des Römerreiches in Krieg und Frieden aus. Auch sie für alle Zeiten ein nie erreichtes Vorbild. Ihre eigentliche kunstgeschichtliche Note erhalten die Darstellungen der Kaisermünzen durch die zutage tretende Anlehnung an die beiden Kunstgattungen, die in der Kaiserzeit vornehmlich und eigenartig blühen, die Wandmalerei und das große Staatsrelief, Als Endergebnis sehen wir, wie die Münze in der Kaiserzeit den Anschluß an die gleichzeitige „große" Kunst nicht nur in Nachahmung und Wiederholung der Motive der Malerei und des großen Staatsreliefs, sondern auch in einer Anpassung des Münzstils an diese Kunstarten wiedergefunden hat, der ihr seit 300 Jahren gewissermaßen verloren gegangen war, und so zu einer neuen, eigenartigen Blüte gelangt ist." Herr Geheimrat Dr. Lippert aus Dresden schrieb mir, als ich ihm meine Cäsarenporträts geschickt hatte, in so interessanter und schöner Weise, daß ich dies hier bemerken muß. „Ich habe zweimal (1909 und 1913) Reisen in Algerien und Tunisien unternommen, auch in minderbesuchte Gegenden im Innern Tunisiens. Da bekommt man doch einigen Respekt vor der Bedeutung dieser Kultur. Mag es immerhin so etwas wie Epigonenkultur sein, die sich literarisch und künstlerisch nicht mit den Blütezeiten beider Gebiete vergleichen läßt; aber an Umfang und Intensität steht ihr in der Antike nichts Gleichbedeutendes zur Seite. Noch in den Ruinen der Städte, nicht der großen Hauptstädte, sondern der Landstädte (Timgad, Tebessa, Dougga, Kapsa usw.), in den gewaltigen Resten der Bewässerungsanlagen, Bassins, Kanäle, Brücken, dem trefflichen Straßennetz prägt sich die Größe dieses alle Lande umspannenden Imperiums aus. — Welche Fülle von Charakterbildern in den Herrschern! Selbst die Verbrechernaturen darunter, wie Nero, Caligula (Tiberius vermag ich nicht unter die Verbrechernaturen einzureihen), entbehren einer gewissen imponierenden Größe nicht, wobei Nero mir mehr schauspielerisch, Caligula origineller erscheint. Selbst so ein toller Ausspruch, wie der Wunsch, daß das römische Volk nur e i n e n Kopf und Nacken haben möchte, um mit e i n e m Hiebe die ganze Bande zu erledigen, verrät bei aller Brutalität doch eine imponierende Idee; ein Alltagsverbrecher der Dutzendsorte von Mördern, Incestuosen usw. ist solch wuchtigen Ausdruckes des Hasses und der Verachtung gar nicht fähig." Herr Prof. Schroeder, Dresden, sprach sich in einem vor einiger Zeit gehaltenen Vortrage über römische Porträts folgendermaßen aus: „Die Begabung für das Porträt erhebt die Römer über die Griechen, für das dem Römer sein unbestechlicher Tatsachensinn zugute 9
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kam. Die römischen Köpfe (Republik und Kaiserreich) wurden nicht nur als eine den Umkreis menschlicher Möglichkeiten füllende Versammlung von Charakteren, sondern auch als Stufenfolgen der Formentwicklung geschildert. Aus dem griechischen Barock herübergenommene Anfänge, Klassizismus der Augustinischen Zeit, Barock seit Nero und schließlich Verrohung." (Dresdener Neueste Nachr., 18. X I . 1925.)
Cäsarenporträts fast überall. Zum Beweise dafür, daß man sich jederzeit für die Cäsarenporträts interessiert hat, diene, daß in Sanssouci bei Potsdam eine ganze Reihe römischer Kaiser abgebildet ist. Gleich hinter dem schönen Eisentor Marc Aurel oder Commodus, vielleicht auch Julia Domna und Mammaea. Vor dem Schloß ist das Julisch-Claudische Haus aufgestellt, freilich sind wohl alle Büsten nicht alt, aber meist wohl erkennbar. Nero ist mit Schnurrbart dargestellt, Claudius hat einen etwas zu kleinen Kopf, Auch die Antonine sind da und die Fürsten von Galba bis Domitian, Der feine Friedrich II, hat Agrippina neben Ares im Schloß aufstellen lassen. Hier finden sich noch mehr Kaiser und Kaiserinnen, unter anderen Mammaea. Septimius Severus steht im Sterbezimmer. Im Berliner Kaiserschloß steht gleich im Eingangskorridor eine untreue Statue Julius Cäsars. Ferner finden sich Cäsarenporträts im Schadowsaal an römischen Standarten an der Wand. Neben dem Weißen Saal finden sich Bildnisse römischer Kaiser in einem Glasschrank, weiß mit grünen Kränzen, von Laudin gearbeitet, vielleicht in Porzellan, etwa 7 cm im Durchmesser haltende Medaillons (1627 bis 1695). Sie sind porträtähnlich. Als ich im vergangenen Sommer Herrn Dr, med, et phil, Kanngießer besuchte, dessen Museum in Braunfels alle Beachtung verdient, entdeckte ich beim Schloß Braunfels eine Kanone, die Bildnisse Kais V. und hinten je zwei erkennbare Bildnisse des Augustus und Antoninus Pius eingraviert besitzt; die Kanone stammt aus dem 16. Jahrhundert. Versuche, die Cäsarenbildnisse (Kanone) zu photographieren, mißlangen leider. Im Schloß zu Moritzburg befindet sch ein eingelegter altertümlicher wertvoller Schrank mit erkennbaren Cäsarenmedaillons. 130
Sdiluf^beiraditung. Da wir uns viel mit römischer Kultur beschäftigt haben, möchte ich auch noch ein Wort über die Griechen sagen. Man soll nur nicht die Griechen aus lauter Heiligkeit, weil man die Cäsaren nicht versteht oder nicht schätzt, unbedingt über alles stellen. Zu jeder Zeit gestehe ich, daß ich die römische Kultur, schon aus hygienischen, allgemeinen menschlichen und politischen Gründen für die höchste r J halte, die je war, mögen immerhin die Griechen in Beziehung auf Baukunst und Dichtwerke nie zu Übertreffendes geleistet haben. Die Griechen gleichen uns Deutschen. Politisch waren sie so und geistig auch. Nur lehrt die Geschichte, daß nur das Geistige, Küstlerische und Militärische ein großes Volk allein nicht ausmachen, nicht zur Herrschaft befähigen. Außerdem kennen wir von den Griechen bloß Bruchstücke, in unserer Begeisterung nehmen wir an, daß das Verlorengegangene unendlichen Wert hat, aber bloß vielleicht mit Recht. Nur die Engländer geben ein etwas ähnliches Bild — ohne die Monumentalbauten und Bäder der Römer —, wie etwa die römische Weltherrschaft, wie die Kultur und Zivilisation der Römer beschaffen war, indem sie in bezug auf politische Klugheit, Handel, Zivilisation und Großzügigkeit (auch wörtlich zu verstehen) ihnen am nächsten kommen, aber auch in bezug auf Erreichung und Bewahrung einer Weltherrschaft, die selbstverständlich nur große Männer und ein ebenso großes Volk aufzurichten und zu erhalten vermögen. Herr Professor Wolf 2 ) ist anderer Ansicht, Er schreibt: Vor allem hätte eine wirkliche Erneuerung des Volkes mit dem Kampf gegen den Dronenkapitalismus beginnen müssen, mit einer B o d e n r e f o r m in S t a d t u n d L a n d , — Gerade durch die Bautätigkeit und die Verschönerungspolitik der Kaiser wurde die Wohnungsnot gesteigert, — Überaus lehrreich ist Pöhlmanns Preisschrift über „Die Übervölkerung der antiken Großstädte"; dort lesen wir von dem ungesunden Wachstum Roms, Vergiftend wirkt besonders die Almosenwirtschaft: „Das Streben, vermehrte Armut mit vermehrtem Wohltun zu heilen, führt zum entgegengesetzten Ziel; weshalb die Armut gerade da, wo am meisten für sie getan wird, sich am ) Plutarch (de fort, Rom, cap, 2) bezeichnet die Schöpfung der römischen Macht als das schönste aller menschlichen Werke. 2 ) H.Wolf, Weltgeschichte der Lüge, Bl. 73—75, Leipzig 1922, 1
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rapidesten vermehrt." „Wo Tausende in ihrem Bürgerrecht eine Versicherung gegen das Verhungern besaßen, mußte notwendig die Pflicht der Fürsorge und Voraussicht, der Gedanke an Selbsthilfe durch eigene Kraft dem Volksbewußtsein entfremdet, wenn nicht im Keime erstickt werden." Unheimlich war das Wachsen der gefährlichen Elemente in Rom: des Bettler- und Vagabundentums, des lungernden, arbeitsscheuen Gesindels aller Art, der Prostitution, des Gauner- und Verbrechertums, Mit Recht bezeichnet Pöhlmann (gegen Mommsen) als verhängnisvoll, daß das hauptstädtische Armenwesen nicht Gemeinde-, sondern Staatssache war; das weite Reich mußte die Kosten für das Dronentum Roms tragen, ja sogar zu den hauptstädtischen Lustbarkeiten beisteuern. — Welch ein Wahn, die Vereinigung der ganzen alten Kulturwelt, die Entstehung eines die „Menschheit" umfassenden Weltreichs, die „internationale Kulturgemeinschaft" als etwas Großes, als das höchste Glück und das letzte Ziel aller Entwicklungen hinzustellen! Damals und heute gibt es Schwärmer, die sich für die „eigentliche Menschheitsorganisation" begeistern: Ein Wahn! Eine Selbsttäuschung. Trotzdem ich das Werk des Herrn Professor Wolf mit großem Interesse gelesen habe, kann ich ihm nicht in allem folgen. Zweifellos hat der gebildete Bürger des römischen Weltreichs sehr viel von dieser großartigen Kultur gehabt, die untersten Stände gewiß auch durch die Bäderfürsorge und das Zirkuswesen, ferner konnten sie sich an all dem Schönen erfreuen. Freilich hat er recht, man tat zu viel für das einfachste Volk, man hätte ihm Häuser bauen und es arbeiten lassen sollen; seine Bildung und Aufklärung wünschte man offenbar nicht. Um schließlich das Resümee über die Bildnisstudien zu geben, müssen wir bedenken, daß die Skulpturen und Münzen amtliche Bildnisse darstellen, also nicht die ganz wirklichen. Also muß die Wahrheit über die Cäsaren zwischen ihren amtlichen Bildnissen und den Geschichtsquellen liegen. Da ich aber nachweisen Konnte, daß die Bildnisse meist mit den Quellen übereinstimmen, sind wir der Wahrheit über die Cäsaren nähergekommen. Bevor ich kritisiert werde, möchte ich bitten, Nachuntersuchungen vorzunehmen. Herr Professor Delbrück hat bei einer zwischen uns im Juli v. J . stattgefundenen Unterhaltung ausdrücklich die Treue der römischen 132
Kaiserporträts zugegeben, welchem Gedanken er ja auch schon schriftlichen Ausdruck verliehen hat. Herr Professor Schulze von der Columbia-Universität in Neuyork, Germanist, ebenso der Historiker Philipp Kropp aus Ulrichswalde, geben zu, daß Germanen unter den Kaisern des dritten Jahrhunderts gewesen sein dürften. Herr Geheimrat Pick gab zu, daß die Gesichtszüge der Kaiser derselben Persönlichkeit meist konform seien, daß also z. B. Nero und Augustus meist ähnliche Gesichtstypen zeigen. Aus meinen Betrachtungen über Körperbau und Charakter geht jedenfalls soviel hervor, daß die römischen Statuen durchaus mit den Kretschmerschen Theorien übereinzustimmen scheinen. Das Dickbäuchige, falls es vorkam, möge man aus ästhetischen Gründen in schönere Formen verbessert haben. Bei den gewalttätigen Kaisern, die meist schizoid sind, könnte man auch manchmal an pyknische Körperformen denken, aber das Schizoide ist ja auch der Gewaltsamkeit und Tatkraft konform. Im ganzen muß man bewundern, wie feine Beobachter die Römer waren, und andererseits wiederum sprechen meine Beobachtungen für die Richtigkeit der Kretschmerschen und Liepmannschen Theorien. Ich glaube nachgewiesen zu haben, daß man mit Hilfe derselben sogar manchmal erst die Identität eines Kopfes oder Körpers (Kaiser oder Kaiserin) bestimmen kann. Wie ähnlicher Körperbau, so dürften auch ähnliche Gesichtszüge ähnlichen Eigenschaften entsprechen, das legen unsere Porträts nahe. Ottokar Lorenz hat dies in seinem berühmten Lehrbuch der Genealogie bereits angedeutet (S. 399 u. 400). Er fügt hinzu: Man kann aber trotzdem Haupteigenschaften von einem Aszendenten haben, dem man nicht ähnlich sieht. Infolge der Größe des psychologischen Scharfblicks der Römer dürfte es ziemlich irrelevant sein, ob ein Kopf aufgesetzt ist. Die relative Treue der Cäsarenporträts glaube ich zur Genüge bewiesen zu haben. Wir sehen also, indem ich betone, daß uns die Bildnisse in der Erforschung der Charaktere der Kaiser und Kaiserinnen weitergebracht haben, daß anzunehmen ist, daß sehr vieles wahr ist, was in den alten Quellen steht, so daß wir erstaunt sehen, wie das, was wie eine Märchenwelt unsere Jugend begleitete, nun auf einmal als nackte Wirklichkeit vor uns tritt, wenigstens mit geringen Abstrichen, die römische Geschichte, diese wohl größte aller geschichtlichen Überlieferungen, 133
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