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German Pages 385 Year 2017
Constantinus Arabicus
Islamic History and Thought
4 Series Editorial Board Series Editor
Peter Adamson Isabel Toral-Niehoff Isabel Toral-Niehoff Ahmad Khan Manolis Ulbricht Jack Tannous Jan Just Witkam
Peter Adamson
Ahmad KhanBoard Advisory Editorial
Binyamin Abrahamov Konrad Hirschler Jack Tannous Asad Q. Ahmed James Howard-Johnston Mehmetcan Akpinar Maher Jarrar Manolis Ulbricht Abdulhadi Alajmi Marcus Milwright Mohammad-Ali Amir-Moezzi Harry Munt Jan Just Witkam Massimo Campanini Gabriel Said Reynolds Agostino Cilardo Walid A. Saleh Godefroid de Callataÿ Jens Scheiner Farhad Daftary Delfina Serrano Beatrice Gruendler Georges Tamer Wael Hallaq
Islamic History and Thought provides a platform for scholarly research on any geographic area within the expansive Islamic world, stretching from the Mediterranean to China, and dated to any period from the eve of Islam until the early modern era. This series contains original monographs, translations (Arabic, Persian, Syriac, Greek, and Latin) and edited volumes.
Constantinus Arabicus
Die arabische Geschichtsschreibung und das christliche Rom
Jonathan Stutz
gp 2017
Gorgias Press LLC, 954 River Road, Piscataway, NJ, 08854, USA www.gorgiaspress.com Copyright © 2017 by Gorgias Press LLC
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2017
ISBN 978-1-4632-0652-9
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A Cataloging-in-Publication Record is Available from the Library of Congress. Printed in the United States of America
TABLE OF CONTENTS Vorwort und Dank ................................................................................. vii A. Einführung ........................................................................................... 1 B. Bemerkungen zur arabischen Historiographie ............................. 31 C. Konstantin bei den Arabischen Geschichtsschreibern ............... 53 D. Schluss ..............................................................................................315 Abkürzungsverzeichnis........................................................................329 Literaturverzeichnis ..............................................................................331 Transliteration .......................................................................................367 Index .......................................................................................................369
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VORWORT UND DANK Seinen Anfang nahm das Dissertationsthema, als sich das Toleranzedikt von Mailand (313) zum 1700. Mal jährte. Die folgende Studie über die Rezeption Konstantins in der arabischen Geschichtsschreibung hat daher von der neu erstarkten Aufmerksamkeit der Forschung und der Öffentlichkeit für den ersten christlichen Kaiser Roms profitieren können. Was in der zu diesem Anlass herausgegebenen Enzyklopädie Costantino I: Enciclopedia costantiniana sulla figura e l’immagine dell’imperatore del cosiddetto editto di Milano (Rom 2013) in Form eines mehrere Seiten füllenden Eintrages behandelt wurde, die Rezeption Konstantins in der arabischen Historiographie, wird im Folgenden zum Gegenstand einer ganzen Monographie. Wenn die Arbeit einen Beitrag für die Rezeptionsgeschichte Konstantins leistet, nimmt sie gleichzeitig einen zweiten Gegenstand in den Blick, und zwar die arabische Historiographie selber. Auch dieses Forschungsgebiet hat in den letzten Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit bekommen. Insofern Geschichtsschreibung Selbst- und Fremdidentifikationen reproduziert, eignet sich dieses Themengebiet schließlich gut für kulturgeschichtliche und anthropologische Überlegungen. Allerdings galt diese Aufmerksamkeit vor allem der Behandlung der muslimischen Zeitgeschichte. Wenn sich also der Beitrag, den diese Arbeit leisten möchte, in erster Linie auf die Rezeption der (christlichen) Spätantike bezieht, soll damit nicht nur eine Lücke in der aktuellen Forschungslandschaft geschlossen werden. Es soll damit vor allem dem Sachverhalt Rechnung getragen werden, dass arabische Schreiber die Spätantike als Teil ihrer eigenen Geschichte betrachteten und in Form von universalen Geschichtswerken für sich in Anspruch zu nehmen versuchten. Darum hoffe ich mit dieser Arbeit also den Ton zu treffen, der in den Koranstudien vor allem von Angelika Neuwirths Der Koran als Buch der Spätantike vii
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angeschlagen wurde und der auch die jüngsten Debatten über die Entstehung des Islams geprägt hat. Gewinnbringend war es für die Arbeit, mit Prof. Dr. Martin Wallraff (München) und Prof. Dr. Johannes Pahlitzsch (Mainz) zwei Betreuer an der Seite gehabt zu haben, die mit ihrer Erfahrung im Bereich der Konstantinforschung bzw. in der christlicharabischen Literatur des Mittelalters entscheidende Impulse, Denkanstöße und Orientierung gegeben haben. Beiden sei daher mein herzlichster Dank gesagt. Auch bedanke ich mich bei all denen, die mir in den letzten Jahren bei sachspezifischen Fragen zur Verfügung standen, wie Dr. Jack Tannous (Princeton), Dr. Mayte Penelas (Granada), Dr. Philip Wood (Aga Khan University) und Prof. Dr. Renate Würsch (Basel). Ein spezieller Dank geht auch an die Dominikanerbrüder des Institut Dominicain d’Études Orientales (IDEO), die mich seit mehreren Jahren während meiner Besuche in Kairo aufgenommen haben und mir die Dienstleistungen ihrer Bibliothek zur Verfügung gestellt haben. Ebenso gebührt mein Dank denjenigen FreundInnen und KollegInnen, die mir bei der Besprechung der arabischen Texte wertvolle Hinweise gegeben haben, allen voran Radwa Shalaby (Göttingen), Dorothea Reule (Hamburg), Abdul-Hamid al-Hasan (Basel) und Aya El-feky (Kairo). Für das akkurate Lektorat hingegen bedanke ich mich bei Ann Cathrin Riedel (Berlin), Dorothea Dietzel (Tübingen) und Dr. Cornelia Hannah Brüllmann (Basel). Alle sprachlichen und sachlichen Fehler, die sich noch in dieser Arbeit befinden sollten, liegen allein in meiner Verantwortung. Natürlich gehört der größte Dank meinen Eltern und meiner Familie, die mich in den bisherigen Lebensentscheidungen unterstützt und begleitet haben. Basel, Dezember 2016
A. EINFÜHRUNG 1. KONSTANTIN ALS GEGENSTAND DER ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBUNG
Der ostsyrische Katholikos Timotheus I (780–823), eine der bekanntesten Gestalten des östlichen Christentums in der Zeit der abbasidischen Herrschaft, erläutert in einem seiner Briefe an maronitische Mönche, warum er der gegenwärtigen Herrschaft islamischer Fürsten mehr als einem Leben unter den christlichen Kaisern Roms abgewinnen kann: Bei uns hingegen hat es nie einen christlichen König gegeben. Hingegen herrschten bei uns zuerst für etwa 400 Jahre die Magier, dann die Muslime. Weder die einen noch die anderen haben sich darum bemüht, etwas der christlichen Religion hinzuzufügen oder von ihr abzutragen, sondern sie haben im Gegenteil dafür Sorge getragen, dass niemals unser Glaube ausgerottet werde, vor allem jene gesegneten muslimischen Herrscher, die uns in Glaubenssachen nie irgendeinen Zwang auferlegt haben. 1
Die syrische Kirche des Ostens, der er als Patriarch in Bagdad vorstand, befand sich im Gegensatz zu anderen christlichen Konfessionen stets unter der Obhut nichtchristlicher Herrscher. Dennoch oder gerade deshalb kann Timotheus mit Dankbarkeit auf die geschichtliche Tatsache zurückblicken, dass sich seine Kirche stets „außerhalb des konstantinischen Paradigmas“ befand. 2 Les lettres du Patriarche Nestorien Timothée I, hg. und übers. von Raphaël Bidawid, (Studi e Testi, 187), Città del Vaticano 1956, 121. 2 Berti, Vittorio: Vita e studi di Timoteo I († 823), patriarca cristiano di Baghdad. Ricerche sull’epistolario e sulle fonti contigue, Paris 2009, 68. 1
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Dadurch blieben der nestorianisch geprägten Kirche im Zweistromland und Persien Entfaltungsmöglichkeiten gewährt, die den anderen nicht-chalkedonensischen Kirchen innerhalb der Grenzen des römischen Reiches meistens verwehrt blieben. Nun standen zu den Tagen des Patriarchen Timotheus neben der ostsyrischen auch die koptische, die westsyrische und auch die melkitische Kirche unter islamischer Herrschaft, die also allesamt damit beschäftigt waren, mit diesen politischen Bedingungen zurechtzukommen. Ihnen gemeinsam war damit auch die Außenperspektive, die sie einnahmen, wenn sie auf die Geschichte des byzantinischen Reiches blickten. Diese Außenperspektive teilten sie schließlich auch mit den muslimischen Geschichtsschreibern, die die vorislamische Geschichte zum Gegenstand ihrer Universalchroniken machten. Dabei ist die Geschichte Roms in der Wahrnehmung sowohl christlicher als auch muslimischer Schreiber eng mit der Geschichte des Christentums verbunden, und zwar sowohl wegen der Entstehung des Christentums zu Zeiten der ersten römischen Kaiser, vor allem aber wegen der erfolgten Bekehrung des gesamten Reiches unter Konstantin. Eine Arbeit, die die Rezeption Konstantins in der arabischen Geschichtsschreibung zum Ausgangspunkt nimmt, wird also notwendigerweise vom Einbezug von Quellen unterschiedlicher konfessioneller Herkunft leben und durch ihre Wechselwirkung strukturiert sein.
2. ZIELSETZUNG DER ARBEIT, EINGRENZUNG DES GEGENSTANDES UND AUFBAU
Da sowohl christliche als auch muslimische Geschichtsschreiber herangezogen werden, wird die Frage anzusprechen sein, ob und wie der jeweilige konfessionelle Kontext auf die Konstantindarstellung eingewirkt hat. Gibt es Versuche, Gesichtszüge eines Konstantinbildes auszuhandeln, in dem sich sowohl Christen wie auch Muslime erkennen konnten oder bleibt Geschichtsschreibung ein weitgehend konfessionelles Unterfangen? Gibt es von muslimischer Seite überhaupt einen Versuch, das Bild eines „muslimischen Herrschers“ herzustellen, ihn sozusagen zum Islam zu bekehren? Leitfrage der folgenden Untersuchung wird also sein, wie in der arabischen Geschichtsschreibung die Konstantingeschichte jeweils anders
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funktionalisiert wurde und wie dies methodologisch realisiert wurde. Bevor auf diese Fragestellungen überhaupt eingegangen werden kann, ist es aber notwendig, einige Bemerkungen in Bezug auf die Wahl des Quellenmaterials zu machen. Die Arbeit soll sich in erster Linie auf die historiographische Literatur beschränken. Wie weiter unten aber zu sehen ist, sind bereits bei der Abgrenzung dieser Gattung einige Schwierigkeiten gegeben, die uns zwingen, mit einer breiteren Definition von Geschichtsschreibung zu arbeiten. Dadurch entstehen immer auch Überschneidungen mit anderen Literaturgattungen, etwa mit der geographischen, ethischen oder auch mit der apologetischen Literatur. An einschlägigen Stellen wird es darum möglich bzw. notwendig sein, auf Werke Bezug zu nehmen, die jeweils hervorheben können, wodurch sich die historiographische Rezeption Konstantins auszeichnet. Von der Sprache her wird sich die Arbeit auf arabische Quellen beschränken. Damit fallen christlicherseits griechische, koptische, syrische oder armenische und muslimischerseits persische und osmanische Geschichtswerke aus dem primären Blickwinkel. Vor allem bei den christlichen Geschichtsschreibern wird es aber in manchen Fällen nützlich sein, auf griechische oder syrische Geschichtswerke zu verweisen, mit denen sich der jeweilige arabische Text vergleichen lässt. Für die westsyrische Geschichtsschreibung sind wir sogar darauf angewiesen. Auch die zeitliche Eingrenzung der Arbeit ergibt sich eher pragmatisch, vor allem in Anbetracht des auffindbaren Materials. Um die Wende vom 9. Jh. zum 10. Jh. tauchen nämlich etwa zeitgleich sowohl unter Muslimen als auch unter Christen die ersten auf Arabisch verfassten Universalgeschichten auf, die also auch die Geschichte des römischen Reichs und somit auch Konstantin zu ihrem Gegenstand machen. Mit al-Maqrīzī hingegen, dem letzten in unserer Arbeit behandelten Geschichtsschreiber, befinden wir uns bereits im letzten Jahrhundert der mamlukischen Herrschaft und nähern uns also langsam dem Beginn der osmanischen Zeit, der symbolisch mit der Eroberung Ägyptens durch Selim I im Jahr 1517 festzumachen ist. Danach hörte die Produktion arabischer Geschichtswerke nicht auf, sie fand aber unter politischen Rahmenbedingungen statt, die eine gesonderte Darstellung erfordern würden, auch unter Einbeziehung osmanischer Quellen.
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Der abgedeckte Zeitraum entspricht also im Großen und Ganzen dem, was man in der Islamwissenschaft als „formative period of classical Islam“ bezeichnet. Die Zahl der Geschichtswerke, die sich auch zu Konstantin äußern, übertrifft natürlich die Anzahl der in dieser Arbeit ausgewählten Autoren bei Weitem, vor allem für den muslimischen Kontext. Die ausgewählten Geschichtsschreiber haben dabei vor allem Beispielcharakter. Es sollen vordergründig diejenigen Geschichtswerke behandelt werden, die zu erkennen geben, dass die Konstantingeschichte dem jeweiligen Verfasser als historiographisch relevant erschien und dass sie ihm somit als Projektionsfläche dienen konnte, auf der geschichtliche, religiöse oder ethische Diskurse geführt werden konnten. Diese Diskurse sind dabei häufiger zwischen den Zeilen als im Text selber erkennbar. Wir werden nämlich damit leben müssen, dass explizite kommentierende Eingriffe der Verfasser nur in seltenen Fällen auftreten. Auch die wenigen redaktionellen Eingriffe erweisen sich oft als Wiederholung von Topoi, in denen nicht ein vom diskursiven Kontext losgelöster Autor zu Wort kommt. Es wird also wichtig sein, zu überprüfen, ob die Gestaltung der Konstantingeschichte an einschlägigen Stellen auf Schlüsselbegriffe oder Konzepte zurückgreift, die an tragende Strukturelemente des jeweiligen Geschichtswerks anknüpfen und dadurch eben Teil von übergeordneten Diskursen werden. Letztendlich wird es in der folgenden Arbeit also nicht nur um eine motivgeschichtliche Nachzeichnung der Rezeption Konstantins gehen, sondern um eine Offenlegung von Kategorien, in denen die Konstantingeschichte jeweils gelesen werden konnte. Es sei dabei vorweggenommen, dass sich diese Diskurse oft im Sinne von Identitätsdiskursen lesen lassen, die aber unterschiedliche Facetten annehmen können und sich jeweils als theologischer, kulturgeschichtlicher, staatstheoretischer oder auch rechtlicher Diskurs gebärden. Dass gerade die geschichtliche Erinnerung ein konstituierendes Element von Identität ist, muss an dieser Stelle nicht weiter hervorgehoben werden. Auch die Überlieferung des geschichtlichen Wissens verkörpert letztendlich – um einen Begriff aus der Kulturtheorie Jan Assmanns zu bemühen – eine „Partizipationsform“ im Prozess der Identitätskonstitution einer
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Gesellschaft. 3 Auch im Rahmen dieser Arbeit kann darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Rolle der Geschichte Konstantins und der Spätantike überhaupt für die Konstituierung eines geschichtlichen Bewusstseins jeweils von Neuem ausgehandelt wurde – sei es in Form einer gemeinsamen und „integrativen“ oder den jeweils Anderen ausschließenden und „distinktiven“ Erinnerung. 4 Gleichzeitig wird sich in der Arbeit auch zeigen, dass die arabischen Geschichtsschreiber nicht bloß eine gemeinsame geschichtliche Erinnerung aushandeln, sondern auch darum bemüht sind, als deren Voraussetzung eine gemeinsame historiographische Kultur zu schaffen. Die Darstellung der Konstantingeschichte weist zwischen Geschichtsschreibern unterschiedlicher religiöser Herkunft flächendeckende Gemeinsamkeiten auf, während auf der anderen Seite die Unterschiede zwischen den einzelnen Geschichtsschreibern oft durch quellenkritische bzw. methodologische Vorgaben zu erklären sind. Diese Beobachtungen lassen also auf eine gemeinsame historiographische Kultur rückschließen, die Christen und Muslime gleichzeitig einer je anders gefüllten Erinnerungskultur und einem dennoch darüber hinaus weisenden Wissenschaftsdiskurs verpflichtet. Für den Aufbau der Arbeit bieten sich grundsätzlich zwei Vorgehensweisen an. Zum einen kann man eine Analyse der Rezeption Konstantins in der arabischen Geschichtsschreibung thematisch strukturieren, indem man die Arbeit nach den wichtigsten Motiven einteilt, die mit der Konstantingeschichte in Zusammenhang gebracht werden. Dafür würden sich z.B. Themen wie die Kreuzeserscheinung, die Kreuzesauffindung, die Gründung Konstantinopels oder das Konzil von Nizäa anbieten. Zu jedem dieser Themen würden die einzelnen Geschichtsschreiber jeweils neu herangezogen werden, um nach wiederkehrenden Topoi der Konstantindarstellung zu fragen. Demnach würde die Arbeit einen motivgeschichtlichen Aufriss bekommen. Dieser Ansatz bietet natürlich seine Vorzüge und wird darum auch immer wieder Vgl. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 62007, 57. 4 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 153. 3
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angewendet, so z.B. in der Studie von Kurt Franz über die historiographische Rezeption des Aufstandes der Zanğ. 5 Vom Arbeitsmaterial her würde sich dieser Ansatz gerade dadurch rechtfertigen, dass wir es in der arabischen Geschichtsschreibung in erster Linie mit kompositorischen Arbeiten zu tun haben, in welchen Überlieferungen jeweils neu zusammengestellt und angeordnet werden. Für historiographische Untersuchungen, die sich mit Ereignissen aus der frühislamischen Geschichte befassen und die darum auch die Rekonstruktion der sozialgeschichtlichen Konstellationen jener bestimmten Ereignisse anvisieren, ist es nicht nur ratsam, sondern auch notwendig, „die nach Provenienz und Komposition unterschiedlichen [Berichte] doch in vergleichbarer Form zu erfassen und anhand gleichbleibender Kriterien kleinste stoffliche Einheiten zu sondern.“ 6 Dennoch ist mit Franz hervorzuheben, dass auch die kompositorische Arbeit als eigentliche literarische Tätigkeit in den Blick genommen werden kann, insofern Auswahl, Anordnung, Abkürzung und Ergänzung der vorliegenden Quellen nach bestimmten Auswahlkriterien geschehen, die dem Kompilator eine eigenständige „literarische Leistung“ anerkennen. 7 Die Individualität der „BearbeiterVerfasser“ der arabischen Geschichtswerke, die zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert erschienen sind, bietet sich dementsprechend auch als Kategorie der inhaltlichen Analyse an. 8 In der folgenden Arbeit soll diesem Aspekt der arabischen Geschichtsschreibung Rechnung getragen werden, indem also die Analyse nach Geschichtsschreibern geordnet werden soll und dadurch die je einzelnen und kontextualisierbaren Veränderungen der Konstantinrezeption hervorgehoben werden können. Die Individualität der einzelnen Verfasser darf sich also nicht an den Vgl. Franz, Kurt: Kompilation in arabischen Chroniken: Die Überlieferung vom Aufstand der Zanğ zwischen Geschichtlichkeit und Intertextualität vom 9. bis ins 15. Jahrhundert (Studien zur Geschichte und Kultur des islamischen Orients, 15), Berlin 2004. 6 Franz, Kompilation, 25. 7 Vgl. Franz, Kompilation, 266. 8 Für die Gegenüberstellung von „Überlieferer-Verfasser“ und „Bearbeiter-Verfasser“ siehe Franz, Kompilation, 269. 5
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alleinigen quellentechnischen Abhängigkeitsverhältnissen messen lassen. Der Befund der Individualität „ist statt dessen an der Verantwortung des Schriftstellers für den Umfang, die stoffliche Zusammensetzung, innere Form und Tendenz des Textes zu bemessen.“ 9 Die Anordnung der einzelnen Geschichtsschreiber soll im Großen und Ganzen chronologisch geordnet werden. Dadurch können Entwicklungen und Tendenzen innerhalb der arabischen Geschichtsschreibung sichtbar gemacht und innovative Elemente der jeweiligen Autoren hervorgehoben werden. Die einzelnen Geschichtsschreiber wiederum sollen durch einen einführenden Abschnitt eingeleitet werden, um die aktuelle Forschungslage zusammenzufassen und um auf noch offene Fragestellungen hinzuweisen. In diesem ersten Schritt wird also bereits auf die Möglichkeiten und Einschränkungen hingewiesen, die die jeweilige Verfassung des handschriftlichen Befundes bzw. die Qualität der Editionen für die Analyse der Konstantingeschichte mit sich bringen. In einem zweiten Schritt werden dann einzelne Textabschnitte diskutiert, die exemplarisch für die Darstellung Konstantins stehen. Thematisiert werden vor allem die Erzählungen der Kreuzeserscheinung und der Taufe Konstantins. Auch die mit der Kaisermutter Helena in Verbindung stehende(n) Kreuzesauffindungslegende(n) wie auch die Darstellung des Konzils von Nizäa werden dabei zur Sprache kommen. Auch wenn die Person Konstantins nicht im Mittelpunkt dieser zwei zuletzt angesprochenen Erzählkomplexe steht, ist es gleichzeitig wahr, dass beide sowohl von Seiten der christlichen als auch der muslimischen Geschichtsschreiber als Topoi der Konstantingeschichte präsentiert werden. Die Besprechung dieser Textabschnitte wird vor allem auf quellenanalytische Bemerkungen zurückgreifen. Dadurch können einschlägige Bemerkungen im Hinblick auf Auswahl und Sortierung des jeweils zur Verfügung stehenden Materials gemacht werden – und darum auch im Hinblick auf feststellbare Schwerpunktsetzungen. Vor allem aber wird es unentbehrlich bleiben, auch den literarischen 9
Franz, Kompilation, 270.
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Gesamtkontext – womit vor allem die Behandlung der Geschichte Roms gemeint ist – im Auge zu behalten.
3. RELEVANZ FÜR DIE FORSCHUNGSGESCHICHTE
Mit der oben angegebenen Zielsetzung soll mehr als eine deskriptive Nachzeichnung der Rezeption der Konstantingeschichte anvisiert werden. Diese ist sicher eine wichtige Komponente unseres Unternehmens. Ebenso wichtig kann zum einen auch der Beitrag sein, den die Einzelanalysen für die Forschung zum jeweils besprochenen Geschichtswerk leisten können. Zum anderen will die folgende Arbeit auch einen Beitrag für die Forschung zur arabischen Historiographie leisten, insofern sie Geschichtsschreiber aus mehreren konfessionellen Hintergründen und Zeitepochen einbeziehen wird und dadurch einen Längsschnitt durch die arabische Geschichtsschreibung vornehmen kann. Die Forschung zur arabischen Historiographie hat zwar relativ früh angesetzt, hat sich aber meistens entweder auf ihre christliche oder muslimische Ausprägung beschränkt und vor allem mit einzelnen Autoren bzw. Themen der Historiographie beschäftigt. Im Bereich der christlichen Geschichtsschreibung ist es bezeichnend, dass eine Abhandlung über die christlich-arabische Historiographie als solche für den Moment noch ein Desiderat bleibt. Dabei liegen uns mit Georg Grafs Geschichte der christlich-arabischen Literatur und Joseph Nasrallahs Histoire du mouvement littéraire dans l’Eglise melchite du Ve au XXe siècle immerhin zwei eindrückliche Versuche vor, eine erste Grundlage für eine Geschichte der christlich-arabischen Literatur zu schaffen. 10 Besser als um die Erforschung der arabischsprachigen ist es vor allem um diejenige der syrischsprachigen Geschichtsschreibung bestellt, die nicht nur verschiedene einschlägige Beiträge zu einzelnen Geschichtswerken hervorgebracht hat, sondern auch bereits zu ersten systematischen Graf, Georg: Geschichte der christlich-arabischen Literatur, 5 Bde., Città del Vaticano, 1944–1953 und Nasrallah, Joseph: Histoire du mouvement littéraire dans l’Eglise melchite du Ve au XXe siècle. Contribution à l’étude de la littérature arabe chrétienne, 4 Bde., Leuven 1979–1989. 10
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Abhandlungen geführt hat. 11 Bis dieses Unternehmen auch für die arabische Geschichtsschreibung in Angriff genommen werden kann, muss aber einiges an Arbeit nachgeholt werden, was die Ausgabe von wissenschaftlich auf den aktuellsten Stand gebrachten Editionen betrifft. Dies betrifft die meisten in dieser Arbeit behandelten Geschichtswerke, deren Editionen oft auf die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts zurückgehen. Eine Ausnahme ist im Kitāb Hurūšiyūš gegeben, einer arabischen Übersetzung der Historiae adversum paganos des Paulus Orosius, die auch von weiteren arabischen Autoren als Quelle verwendet worden ist. Bei anderen Geschichtsschreibern wie Ibn ar-Rāhib oder Ibn al-ʿAmīd hingegen ist man wegen des Fehlens einer Edition weiterhin auf den handschriftlichen Befund angewiesen. Dabei sind einige christlicharabische Autoren im Westen bereits seit mehreren Jahrhunderten bekannt. Das ist vor allem für das Geschichtswerk des melkitischen Patriarchen Saʿīd ibn Baṭrīq (Eutychios von Alexandrien) der Fall, dessen Editionen durch John Selden und Edward Pococke (1659) und Abraham Ecchellensis (1661) das steigende Interesse der frühen Neuzeit für den christlichen Orient bezeugen. 12 Das Editionsprojekt Ibn Baṭrīqs war damit auch ein Austragungsort konfessioneller Auseinandersetzungen zwischen evangelischen (Selden/Pococke) und katholischen (Ecchellensis) Gelehrten über die frühe Geschichte der Kirche Ägyptens und der östlichen Kirchen überhaupt. 13 Sowohl für Ibn Baṭrīq als auch für die Vgl. die gerade erschienene Monographie Debié, Muriel: L’écriture de l’histoire en syriaque: Transmissions interculturelles et constructions identitaires entre hellénisme et islam, Leuven, 2015. 12 Zu Einzelheiten der verschiedenen Ausgaben und zur westlichen Rezeption vgl. Breydy, Michael: Études sur Saʿid Ibn Batriq et ses sources, CSCO 450, Leuven 1983, viif und Griffith, Sidney: ,,Apologetics and Historiography in the Annals of Eutychios of Alexandria: Christian SelfDefinition in the World of Islam“, in: Teule, Herman (Hg.): Studies on the Christian Arabic Heritage – In honour of Father Prof. Dr. Samir Khalil Samir S.J. (Eastern Christian Studies 5), Leuven 2004, 65–89, hier 74. 13 Vgl. Heyberger, Bernard: „Abraham Ecchellensis dans la République des Lettres“, in: Ders. (Hg.), Orientalisme, Science et Controverse: Abra11
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weiteren christlichen Geschichtsschreiber, denen wir uns im Verlauf der Arbeit zuwenden werden, sind vor allem in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Einzelstudien erschienen, die sich sowohl mit quellentechnischen als auch mit inhaltlichen Aspekten befasst haben. Insofern unsere Arbeit also Geschichtsschreiber aus mehreren Zeitepochen einbeziehen wird, kann für die christliche Geschichtsschreibung umso bewusster ein diachronischer Ansatz ausprobiert werden, der auf Eigenarten und Konstanten hinweisen kann. Im Bereich der muslimischen Historiographie sind vor allem Franz Rosenthals History of Muslim Historiography und Bernt Radtkes Weltgeschichte und Weltbeschreibung im Mittelalterlichen Islam maßgebend geblieben. 14 Auch die in jüngerer Zeit erschienenen Beiträge von Chase Robinson und Abdessalam Cheddadi werden in Zukunft wohl zur Standardliteratur zu zählen sein.15 Allerdings hat sich das Interesse bisher vor allem auf die arabischsprachige Literatur konzentriert, während z.B. die Erforschung der persischsprachigen Geschichtsschreibung hintenan gestanden hat. Auch in diesem Bereich dürfte die Lücke aber nach und nach gefüllt werden, auch weil erste wichtige Beiträge schon geleistet wurden. 16 Ein weiteres Merkmal der bisherigen Forschung zur muslimischen Geschichtsschreibung ist die Tatsache bzw. der Umstand, dass das Hauptinteresse vor allem der Behandlung der muslimischen Zeitgeschichte galt und dass der Behandlung der vorislamischen Geschichte bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Das ham Ecchellensis (1605–1664) (Bibliothèque de lʼÉcole des Hautes Études Sciences Religieuses, 143), Turnhout 2010, 9–51, hier 34–38. 14 Vgl. Rosenthal, Franz: A History of Muslim Historiography, Leiden 1968 und Radtke, Bernt: Weltgeschichte und Weltbeschreibung im Mittelalterlichen Islam, Beirut 1992. 15 Vgl. Robinson, Chase F.: Islamic Historiography, Cambridge 2003 und Cheddadi, Abdessalam: Les Arabes et l’appropriation de l’histoire, Paris 2004. 16 Eine zum Standardwerk über die Entstehungszeit der persischen Historiographie gewordene Einführungsstudie ist Meisami, Julie Scott: Persian Historiography to the End of the Twelfth Century (Islamic surveys), Edinburgh 1999.
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hängt auch damit zusammen, dass viele Chroniken vor allem aus der Zeit der Mamluken wenig bis gar kein Interesse für die vorislamische Geschichte gezeigt haben und sich eher der Geschichte einer bestimmten Dynastie verpflichtet fühlten. Am Beispiel Ibn Ḫaldūns oder al-Maqrīzīs sieht man aber auch, dass das Interesse für die Geschichte der vorislamischen Völker noch im 14. und 15. Jh. vorausgesetzt werden konnte. Von den vielen Einzelbeiträgen zur muslimischen Geschichtsschreibung seien hier nur zwei genannt, die diese Tendenz veranschaulichen. Mit Fred Donners Narratives of Islamic Origins und Donald Littles Introduction to Mamluk Historiography kann nämlich das Forschungsgebiet ausgemacht werden, das bis heute am meisten Aufmerksamkeit herangezogen hat, nämlich die Behandlung der frühislamischen Geschichte durch die historiographischen Werke der ersten Jahrhunderte nach der Hiğra einerseits und die reiche Produktion an Geschichtswerken in der Zeit der mamlukischen Herrschaft andererseits. 17 Für dieses Unterfangen erwies sich gerade der komplementäre Blick der christlichen Geschichtsschreiber als wertvoll. Mit Blick auf die Rekonstruktion der frühislamischen Geschichte sind in jüngster Zeit vor allem die Arbeiten von James Howard-Johnston und Robert Hoyland zu erwähnen. 18 Auch für die Rekonstruktion der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse der Mamluken-Zeit hat sich die Einbeziehung von muslimischen und christlichen Quellen schon länger bewährt, auch im Hinblick auf Vgl. Donner, Fred: Narratives of Islamic Origins: The Beginnings of Islamic Historical Writing (Studies in Late Antiquity and Early Islam, 14), Princeton 1998 und Little, Donald P.: An Introduction to Mamluk Historiography: An Analysis of Arabic Annalistic and Biographical Sources for the Reign of al-Malik an-Naṣir Muhammad ibn Qalaʾūn (Freiburger Islamstudien, 2), Wiesbaden 1970. 18 Vgl. Howard-Johnston, James: Witnesses of a World Crisis: Historians and Histories of the Middle East in the Seventh Century, Oxford 2010; Hoyland, Robert G.: Seeing Islam as others saw it: A Survey and Evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian Writings on Early Islam (Studies in Late Antiquity and Early Islam, 13), Princeton 1997 und ders.: In God’s Path: The Arab Conquest and the Creation of an Islamic Empire, Oxford 2015. 17
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die Darstellung der Kreuzzüge durch die arabischen Geschichtsschreiber. 19 Auch die folgende Arbeit will diesen Ansatz aufnehmen und ein Thema der Historiographie sowohl anhand christlicher wie muslimischer Schreibern bearbeiten. Da wir mit der Konstantingeschichte ein Kapitel aus der vorislamischen Geschichte zum Thema der Arbeit ausgesucht haben, steht aber von der Natur des Gegenstandes her nicht so sehr die Frage nach der historischen Zuverlässigkeit der jeweiligen Geschichtsschreiber im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die nach den erkennbar gemachten historiographischen Diskursen. Damit wird es auch möglich sein, den Umgang der arabischen Chronisten mit der Geschichte der Antike zu beleuchten. Diese Zielrichtung wurde in jüngster Zeit von Marco di Branco aufgenommen, der in seiner Monographie Storie arabe di greci e romani (Arabische Erzählungen über Griechen und Römer) eine systematische Darstellung zu diesem Thema geboten hat. 20 In diesem Kontext hat er sich auch mit der Darstellung der Konstantingeschichte auseinandergesetzt. 21 Auf ihn wird also im Verlauf der Arbeit immer wieder zu verweisen sein, auch wenn sich unsere Schlussfolgerungen und Beobachtungen nicht immer mit den seinigen decken. Dennoch ist es Di Branco durchaus gelungen, zu zeigen, dass die griechische und römische Antike die Phantasie vieler muslimischer Gelehrten hat anregen können. Eine der erfolgreichsten Erzählungen aus der Antike ist auch in der arabischen Literatur die Geschichte Alexander des Vgl. Little, Donald P.: History and historiography of the mamluks (Collect Studies, 240), London 1986 und zuletzt Massoud, Sami, G.: The Chronicles and Annalistic Sources of the Early Mamluk Circassian Period (Islamic History and Civilization, 67), Leiden 2007. 20 Di Branco, Marco: Storie arabe di Greci e di Romani: La Grecia e Roma nella storiografia arabo-islamica medievale (Greco, arabo, latino. Le vie del sapere, 1), Pisa 2009. 21 Di Branco, Storie arabe, 136–142 und ders.: Art. „L’immagine di Costantino nelle fonti arabe: Il primo imperatore cristiano nello specchio dell’islam“, in: Costantino I: Enciclopedia costantiniana sulla figura e l’immagine dell’imperatore del cosiddetto editto di Milano 313–2013, Volume 2, Roma 2013, 365–378. 19
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Großen. Dieser Sachverhalt ist wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass der Koran mit dem enigmatischen ḏū al-qarnayn die Geschichte eines Weltenherrschers umrissen hat, die bereits in den frühen Korankommentaren – vor allem durch die Vermittlung des Alexander-Romans – mit Alexander in Verbindung gebracht wurde. Dementsprechend lang ist darum die Liste der Bibliographie, die sich mit seiner Rezeption in der arabischen Literatur beschäftigt hat. 22 Eine Beschäftigung mit der Rezeption Konstantins wurde dadurch aber nicht entbehrlich gemacht. Mit Konstantin ist nämlich ein Herrscher auf die Bühne der Geschichte der Antike getreten, der sich von der heidnischen Religion der Griechen abgewandt und sich zu einer der Buchreligionen bzw. zum Christentum bekehrt hatte. Damit stellt sich also für uns die Frage, wie die arabischen Geschichtsschreiber die christliche Antike thematisieren. In eine ähnliche Richtung geht der Ansatz von Nadia Maria El-Cheikhs Byzantium viewed by the Arabs. 23 Im Unterschied zu Di Branco behandelt sie vor allem die Wahrnehmung Konstantinopels, der Hauptstadt des byzantinischen Reiches, die bereits vom Namen her unwiderruflich mit Konstantin verbunden war. Darum ergibt sich auch für sie die Gelegenheit, einige Bemerkungen über die Rezeption Konstantins zu machen. 24 Ihr ist es dabei mit konkreten Beispielen gelungen, darauf aufmerksam zu machen, dass die muslimischen Geschichtsschreiber für die Vgl. zuletzt Doufikar-Aerts, Faustina: Alexander Magnus Arabicus: A Survey of the Alexander Tradition through Seven Centuries: From PseudoCallisthenes to Ṣūrī (Mediaevalia Groningana n.s., 13), Leuven 2010 und Zuwiyya, David: „The Alexander Romance in the Arabic Tradition“, in: Ders. (Hg.): A companion to Alexander Literature in the Middle Ages (Brills Companions to the Christian Tradition, 29), Leiden 2011, 73–112. 23 Vgl. El-Cheikh, Nadia Maria: Byzantium viewed by the Arabs (Harvard Middle Eastern Monographs, 36), Cambridge – Mass. 2004. 24 Vgl. El-Cheikh, Byzantium, 113–118. Vgl. auch ders.: „Arab Christian contributions to Muslim historiography on Byzantium“, in: Bulletin of the Royal Institute for Inter-Faith Studies 1/2 (1999), 45–60 und ders.: „The Conversion of Constantine the Great: A Reading of Arabic-Muslim Sources“, in: Journal of Turkish Studies 36 (2011), 69–83. 22
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Behandlung der Geschichte Roms von der christlich-arabischen Geschichtsschreibung abhängig blieben. Gleichzeitig hat sie durch das Heranziehen apologetischer Vergleichstexte sowohl christlicher wie islamischer Herkunft die theologischen Diskurse aufgezeigt, welche bei der Darstellung vor allem des Konzils von Nizäa auf dem Spiel standen. 25 Die zentrale Leitfrage ihrer Darstellung betrifft letzteren Endes die Repräsentationen des Fremden, die in den Darstellungen Konstantinopels erkennbar werden und die dabei ihrerseits mit bestimmten Eigenwahrnehmungen einhergehen: From the very beginning of Arabic-Islamic historical consciousness, Byzantium served as one of the primary sites of otherness in contrast to which it constituted itself. In other words, Islam defined itself partly in relation to Byzantium’s otherness […]. Similarly, the attitudes of the Byzantines themselves also informed Muslim responses, including their creation of a certain image of Byzantium. A dependent correlation existed between the self-image of the Byzantines and that of the Muslims: one was in reciprocal contrast to the other. 26
Wegen der geographischen Lage erstaunt es nicht, dass sich die meisten arabischen Geschichtsschreiber vor allem mit der oströmischen Geschichte befassen und nur allmählich die Geschichte des weströmischen Reiches bzw. der germanischen Völker und Staatengebilde entdeckten, die auf dieses gefolgt sind. Daniel König hat in seiner Monographie Arabic-Islamic Views of the Latin West diese Entwicklung nachgezeichnet und aufgezeigt, dass das erst mit der Zeit wachsende Interesse muslimischer Geschichtsschreiber für die Geschichte des Westens durch äußerliche Faktoren wie die geographische Lage, Netzwerkbildung und Quellenlage mitbedingt wurde und dass Verweise auf ein vermeintliches Überlegenheitsgefühl muslimischer Autoren gegenüber der christlichen Welt kein hinreichendes
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So vor allem in El-Cheikh, „Conversion“, 75–78. El-Cheikh, Byzantium, 14.
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Erklärungsmodell anbieten. 27 Wie sich auch in der folgenden Arbeit zeigen wird, lesen sich die immer wieder ausformulierten Überlegungen zu chronologischen Problemen und der bewusste und unvoreingenommene Einsatz von einschlägigen und sich ergänzenden Quellen unterschiedlicher Herkunft als Erweis dafür, dass sich die jeweiligen Geschichtsschreiber den methodologischen mindestens so gewissenhaft wie den ideologischen Vorgaben verpflichtet fühlten. In der Darstellung der Geschichte Roms kommen die Letzteren natürlich immer wieder zum Tragen. Sowohl mit Byzanz als auch mit den lateinischen Staaten im Westen Europas kommen nämlich politische Akteure in den Blick, mit denen sich die muslimischen Herrscherdynastien militärisch und kulturell gemessen haben. Wie Daniel König in den Schlussfolgerungen seiner Arbeit aber gezeigt hat, lassen sich in der Darstellung der lateinischen Gesellschaften und ihrer Institutionen sowohl Motive erkennen, die ihre spezifische Andersheit (otherness) hervorheben, wie auch Motive, die die Gemeinsamkeiten mit den eigenen und vertrauten Lebensformen erkennen lassen und daher auf Wiedererkennung im Fremden abzielen. 28 In der Behandlung der vorislamischen Geschichte Roms lässt sich diese doppelte Bewegung in zweierlei Hinsicht beobachten, anhand von zwei größeren Diskursen, die beide auch in die Geschichte Konstantins hineingelesen werden konnten und in sich die Spannung zwischen Entfremdung und Wiedererkennung nachweisen. Und zwar handelt es sich um einen kulturgeschichtlichen und um einen herrschaftstheoretischen Diskurs. Der erste ist eng mit der Übersetzungsbewegung verbunden und taucht vor allem in den abbasidischen Autoren auf. Die Relevanz dieses Diskurses ist vor allem durch die politische und kulturelle Konkurrenzsituation zwischen Bagdad und Konstantinopel bestimmt. Vor allem Dimitri Gutas hat dabei hervorgehoben, dass der „Philohellenismus“, der die abbasidische Gesellschaft durchdrang, mit einem ebenso engagierten König, Daniel G.: Arabic-Islamic Views of the Latin West: Tracing the Emergence of Medieval Europe, Oxford 2015. 28 Vgl. König, Arabic-Islamic Views, 325–328. 27
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„Antibyzantinismus“ einherging und gerade in der Bekehrung Konstantins den Grund des Niedergangs der byzantinischen Wissenschaften festmachen wollte. 29 Dennoch ist gleichzeitig zu bedenken, dass die Konkurrenzsituation alleine nicht erklären kann, warum noch vor der Auseinandersetzung mit der byzantinischen Geschichte ein mindestens so vertieftes Interesse für die vorislamische Geschichte Persiens entstehen konnte, obwohl das sassanidische Reich mit den arabischen Eroberungszügen unterging und dessen Territorien restlos in den Herrschaftsbereich des Islams eingegliedert wurden. Mit der Behandlung der Geschichte Persiens wird aber eine Zivilisation zum Gegenstand gemacht, deren Erbe das islamische Kalifat angetreten ist und zu eigen gemacht hat. Das gilt auch für die Übernahme der zoroastrischen Herrschaftsideologie und ihrer Hervorhebung des babylonischen Ursprunges alles menschlichen Wissens. 30 Gerade in der Rezeption der Geschichte Persiens ist also zu beobachten, wie die Konstruktion von Alterität in diejenige von Identität übergehen kann. Die Frage ist also, ob auch das rege Interesse für die Geschichte Roms durch die Intention erklärt werden kann, diejenigen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen darin zu suchen und erkennbar zu machen, mit denen man in der Zwischenzeit durch die Übersetzungsbewegung vertraut wurde. Auch der herrschaftstheoretische Diskurs zeigt sich bereits bei den abbasidischen Autoren und findet gerade in den Fürstenspiegeln der Zeit literarische Gestalt. Mit Miskawayh werden wir einen Geschichtsschreiber behandeln, der für dieses Vorhaben auch auf die Geschichte Konstantins zurückgreifen kann. Es ist aber vor allem der in der Mamluken-Zeit lebende Ibn Ḫaldūn, der diesen Ansatz zu einem historiographischen Thema par excellence macht. Auch hier lässt sich eine Spannung zwischen Fremdem und Eigenem erkennen. Auf der einen Seite wird versucht, die unterschiedlichen Dynastien als Manifestationen von Vgl. Gutas, Dimitri: Greek Thought, Arabic Culture: The Graeco-Arabic Translation Movement in Baghdad and Early ʿAbbāsid Society (2nd–4th/8th–10th centuries), London 1998, hier vor allem 83–95. 30 Vgl. Gutas, Greek Thought, 34–45. 29
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Herrschaft oder die Geschichten einzelner Herrscher als Verkörperungen politischer Tugenden darzustellen. Damit soll die Geschichte Roms mit Wiedererkennungsmerkmalen versehen und daher verständlich gemacht werden. Gleichzeitig weisen Geschichtsschreiber wie Ibn Ḫaldūn auch auf die Besonderheiten islamischer Herrschaft hin, die sich in der Geschichte des christlichen Roms nicht wiederfinden lassen. Der Gesamteindruck, den man aus der Behandlung der historiographischen Literatur gewinnt, kann man in den Worten Daniel Königs zusammenfassen: Thus, mental barriers did exist and found expression repeatedly in Arabic-Islamic scholarship. Notwithstanding, LatinChristian societies and their members were not only subject to ‘othering’ in religious terms, but were often simply regarded as alternative manifestations of human life and its social and political organization. 31
4. EINIGE INHALTLICHE VORAUSSETZUNGEN
Zwischen der historischen Figur Konstantins und den arabischen Geschichtsschreibern, die über ihn berichten, ist eine mehrschichtige und mehrere Etappen durchlaufende Rezeptionsgeschichte auszumachen. Diese führt durch mehrere Sprach- und Kulturräume, in denen jeweils neue Adaptationen vorgenommen wurden. Einige der unter den arabischen Geschichtsschreibern verbreiteten Konstantin-Traditionen waren bereits in der lateinischen und byzantinischen Geschichtsschreibung anzutreffen und wurden auch von syrischen Geschichtswerken aufgenommen. In einigen Fällen sind diese Überlieferungen nur im syrischen Kulturraum anzutreffen. Darum ist es nötig, zu Beginn nochmals auf die wichtigsten Motive aufmerksam zu machen, die auch in die arabische Geschichtsschreibung hineingewirkt haben. Die Silvesterlegende Die vielleicht größte Hypothek, die Eusebius von Caesarea und andere frühbyzantinische Autoren über Konstantins Leben und 31
König, Arabic-Islamic Views, 327f.
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Herrschaft hinterlassen haben, ist die – historisch wohl zutreffende – Überlieferung, wonach sich Konstantin kurz vor seinem Tod vom arianischen Bischof Eusebius von Nikomedien hat taufen lassen. 32 Darum ist es nicht erstaunlich, dass relativ früh ein neues Narrativ über die Taufe Konstantins entstand, das herkömmlicherweise im Zusammenhang der Silvester-Akten überliefert aber auch historiographisch rezipiert wurde. 33 Darin wird erzählt, dass der an Lepra erkrankte Kaiser von den heidnischen Priestern dazu bewegt wurde, eine große Zahl an Kindern zu töten, um sich in deren Blut vom Aussatz zu reinigen. Als er sich über ihr Schicksal erbarmte und sie wieder freiließ, erschienen ihm im Traum die Apostel Petrus und Paulus, die ihn aufforderten, nach Silvester, dem Bischof von Rom zu suchen, der vor der Christenverfolgung aus Rom geflüchtet war. Nachdem Konstantin ihn zu sich holen ließ und nachdem dieser dem König die Identität der zwei Männer kundtat, die ihm im Traum erschienen waren, bekannte er sich zum Christentum und ließ sich von Silvester taufen. Als er sich vom Taufbecken erhob, fiel der Aussatz wie Schuppen von seiner Haut, und so wurde er wieder gesund. Die Silvester-Akten dürften ihren Ursprung im Rom des fünften Jahrhunderts haben, auch wenn eine letztgültige Sicherheit über die genaue Herkunft nicht gegeben ist. 34 Auch ist es unklar, Vgl. Während Eusebius von Caesarea in seiner Konstantinvita (Vita Constantini, 4,61f), wie später noch Sokrates (Historia ecclesiastica, 1,39), lediglich behauptet, dass sich Konstantin in Nikomedien kurz vor seinem Tod hat taufen lassen, ist es vor allem seine von Hieronymus übersetzte und erweiterte Chronik, die die Nikomedien-Taufe ausdrücklich mit dem arianischen Bischof Eusebius von Nikomedien in Verbindung bringt. Vgl. Hieronymus, Chronicon ad. 337, Ed. Helm, 234: Constantinus extremo vitae suae tempore ab Eusebio Nicomediensi episcopo baptizatus in Arrianum dogma declinat. A quo usque in praesens tempus ecclesiarum rapinae et totius orbis est secuta discordia. 33 Zur Silvesterlegende vgl. Amerisi, Marilene: Il Battesimo di Costantino il Grande: Storia di una scomoda eredità (Hermes, 95), Stuttgart 2005 und Canella, Tessa: Gli Actus Sylvestri: Genesi di una leggenda su Costantino imperatore (Uomini e mondi medievali, 7), Spoleto 2006. 34 Vgl. Canella, Actus Sylvestri, 34–46. 32
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wie und wann die unterschiedlichen narrativen Elemente der Silvester-Akten zusammengetragen wurden. Neben der TaufErzählung werden nämlich auch weitere Episoden aus dem Leben Silvesters überliefert. Für die Konstantingeschichte relevant ist dabei vor allem die Erzählung über das Streitgespräch zwischen Silvester und den Juden, das von Konstantin einberufen wurde, da ihn seine Mutter Helena, die zum Zeitpunkt seiner Bekehrung noch Jüdin war, dazu aufforderte, zum Judentum zu konvertieren. Was als sicher gilt, ist die Tatsache, dass die Silvester-Akten sowohl in der lateinischen, griechischen und syrischen Geschichtsschreibung in einem kurzen Zeitraum bereits weitläufig rezipiert worden sind. Es haben sich dabei unterschiedliche Überlieferungsstränge herausgebildet, die man herkömmlicherweise den Gruppen A, B und C zuweist, wobei der lateinische Überlieferungsstrang A der älteste ist. 35 Jeder dieser Überlieferungsstränge teilt sich noch in unterschiedliche Untergruppen ein. Eine genaue Zuordnung eines bestimmten Textzeugen würde darum auch eine ausführliche Sichtung und Kollation von mehreren Handschriften verlangen, was über das Ziel dieser Arbeit hinausgehen würde. Dieser Aufwand würde sich aber für unsere Arbeit ohnehin nicht lohnen, da wir es oft mit verkürzten Wiedergaben zu tun haben, welche zudem auch redaktionelle Überarbeitungen nachweisen können. Wie bereits vorweggenommen, wurde die Silvesterlegende auch historiographisch breit rezipiert. In der syrischen Geschichtsschreibung sind vor allem die Epitome der Kirchengeschichte des Zacharias Rhetors 36 und die Chronik von Zuqnin 37 zu nennen. Vor allem der Erstgenannte ist für die Für die Textgeschichte vgl. Canella, Actus Sylvestri, 3–8. Für eine lateinische Edition sind wir weiterhin auf die Edition von Boninus Mombritius aus dem 15. Jh. angewiesen (Sanctuarium sive Vitae Sanctorum, Bd. 2, Paris 1910, 508–31). 36 Vgl. Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, hg. und übers. von Brooks, CSCO 83–84/Syr. 38–39 (Text) und CSCO 87–88/Syr. 41–42 (Übers.). Für die Silvesterlegende vgl. Ed. Brooks, CSCO 83, 56–93 (Übers. Brooks, CSCO 87, 39–65). 37 Vgl. Chronik von Zuqnin, hg. und übers. von Chabot, CSCO 91/Syr. 43 und 104/Syr. 53 (Text) und CSCO 121/Syr. 66 (Übers.). Für 35
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Textgeschichte von besonderem Interesse, insofern der überlieferte Text älter als die handschriftlichen Zeugen der Silvester-Akten ist. 38 Auch in der homiletischen Literatur ist diese Erzählung vertreten, so in der Predigt des Jakob von Sarug über die Taufe Konstantins. 39 Auch in der arabischen Literatur hat sich die Silvesterlegende sowohl innerhalb als auch außerhalb der Geschichtsschreibung verbreitet. Wir können hier bereits vorwegnehmen, dass vor allem der melkitische Geschichtsschreiber Maḥbūb al-Manbiğī (Agapius von Hierapolis) und der anonyme Autor der Chronik von Siirt auf diese Legende zurückgegriffen haben. Im zweiten Fall hat vielleicht sogar eine vollständige arabische Übersetzung der Silvester-Akten als Vorlage gedient. 40 Für die homiletische Literatur ist hingegen vor allem die Predigt zum 3. Sonntag nach Ostern aus der Feder des Jerusalemer Patriarchen Athanasius II (1231–1244) zu nennen, die die Erzählung der Heilung Konstantins durch das Taufwasser ausführlich wiedergibt. 41
die Silvesterlegende vgl. Ed. Chabot, CSCO 91, 151–154 (Übers. Chabot, CSCO 121, 113–15). 38 Vgl. Canella, Actus Sylvestri, 27. 39 „L’omelia di Giacomo di Sarūg sul battesimo di Costantino imperatore“, hg. von Frothingam A. L. jr., in: Atti della Reale Accademia dei Lincei, ser. 3, Memorie 8 (1883), 167–242. 40 In der Handschrift Par. Arab. 147, 261r–321v ist uns ein Beispiel einer arabischen Übersetzung der Silvester-Akten aus dem 13. Jh. gegeben Vgl. Graf, GCAL I, 318. 41 Pahlitzsch, Johannes: Graeci und Suriani im Palästina der Kreuzfahrerzeit: Beiträge und Quellen zur Geschichte des griechisch-orthodoxen Patriarchates von Jerusalem (Berliner Historische Studien, 33), Berlin 2001, 359–382. Für eine Gegenüberstellung der Taufe Konstantins mit der Suche Alexanders nach der „Quelle des Lebens“ vgl. Casari, Mario: „Il battesimo di Costantino e l’ingresso di Alessandro nell’Islam“, in: Favaro, Rudy (Hg.): L’albero della Croce, prima, dopo, nell’esilio e nell’Islam (Studi sull’Oriente Cristiano, 7.2), Roma 2003, 193–213.
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Die Kreuzesauffindungslegenden Neben der Silvesterlegende fand auch die Erzählung über die Kreuzesauffindung durch die Kaisermutter Helena eine vielschichtige Rezeption. Die Erzählung, wonach Helena sich auf den Weg nach Jerusalem machte, um dort das Kreuz Christi aufzusuchen und an dessen Auffindungsstelle die Grabeskirche erbauen zu lassen, geht eigentlich auf den Kirchengeschichtsschreiber Gelasius von Caesarea (gest. 395) zurück. 42 Mit der Zeit entstanden unterschiedliche Legenden, die je nach Kulturraum auch unterschiedlich breit rezipiert wurden. Dem Inhalt nach kann man diese Legenden nach den weiteren Protagonisten benennen und einteilen, die in der Erzählung auftauchen: Die Makarios-Legende, die Judas-Kyriakos-Legende und die Protonike-Legende. 43 Der Vorlage des Gelasius am nächsten liegend ist die Makarios-Legende, nach der Helena mithilfe des Jerusalemer Bischofs Makarios das Kreuz ausfindig machen konnte. Der vielleicht prominenteste Vertreter dieser Legende ist in der Predigt De inventione sanctae crucis (BHG 410) erhalten, die herkömmlicherweise Alexander Monachus Vgl. Borgehammer, Stephan: How the Holy Cross was Found: From Event to Medieval Legend (Bibliotheca theologiae practicae/ Kyrkovetenskapliga studier, 47), Stockholm, 1991, hier vor allem 31–55. Eine Edition der Kirchengeschichte des Gelasius ist in Vorbereitung, Fragments of the Church History of Gelasius of Caesarea, hg. von Martin Wallraff, Berlin 2017. 43 Für einen Überblick über die mehrschichtige Entstehungsgeschichte der Kreuzesauffindungslegende und ihrer unterschiedlichen Varianten vgl. Drijvers, Jan Willem: Helena Augusta: The Mother of Constantine the Great and the Legend of Her Finding of the True Cross, Leiden 1992, 79–180 und ders.: ,,Helena Augusta: The Cross and the Myth: Some new Reflections“, in: Millenium 8 (2011), 125–174. Die Benennung der unterschiedlichen Versionen als Protonike-, Helena- und Judas-Kyriakos-Legende geht auf J. Straubinger zurück, auf den Drijvers, „The Cross and the Myth“, 151n hinweist. Da Helena die Hauptdarstellerin sowohl der Helena- als auch der Judas-KyriakosLegende ist, ziehe ich es vor, die Helena-Legende als Makarios-Legende zu umschreiben. 42
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zugeschrieben wird und auf einen Zeitraum datiert wird, der sich vom 6. bis ins 8. Jh. erstreckt. 44 Im syrischen Sprachraum fand aber die sog. Judas-KyriakosLegende die größte Verbreitung. 45 Diese Legende fand dabei nicht nur historiographisch eine breite Rezeption, sondern war auch Gegenstand liturgischer Texte. So sind eine Predigt Jakobs von Sarug und zwei auf Syrisch verfasste Vers-Homilien aus dem 6.–7. Jh. überliefert. 46 Wie aus dem Namen der Legende bereits zu entnehmen ist, wird – neben Helena – der Jude Judas-Kyriakos zum zweiten Hauptdarsteller der Erzählung gemacht. Es wird dabei erzählt, dass Helena nach ihrer Ankunft in Jerusalem die Juden der Stadt versammeln ließ und sie nach dem Ort fragte, wo das Kreuz begraben sei, diese ihr aber keine Auskunft darüber geben konnten. In ihrer Mitte befand sich auch Judas, der seinen Glaubensgenossen kundtat, dass er von seinem Vater über den Ort informiert wurde und dass dieser wiederum von seinem Großvater darüber unterrichtet worden war. Als die Juden daraufhin Judas der Kaisermutter präsentierten, weigerte er sich, sie an den Ort zu führen, weshalb sie ihn in einen trockenen Brunnen einsperren ließ, De Inventione Crucis, hg. und übers. von Migne, PG 87/3, 4016– 4076. Der Abschnitt über die Kreuzesauffindung ist auch ediert in Nesbitt, John W.: „Alexander the Monk’s Text of Helena’s Discovery of the Cross (BHG 410)“, in: Ders. (Hg.): Byzantine Authors: Literary Activities and Preoccupations (The Medieval Mediterranean, 49), Leiden 2003, 23–39. Zur Datierung vgl. Van Esbroeck, Michel: „L’opuscule sur la croix d’Alexandre de Chypre et sa version géorgienne“, in: Bedi Kartlisa. Revue de Kartvélologie 37 (1979), 102–132, vor allem 106f und Khazdan, Alexander: „,Constantin imaginaire‘: Byzantine Legends of the ninth century about Constantine the Great“, in: Byzantion 57 (1987), 197–250, hier vor allem 229. Für das Verhältnis der Makarios-Legende zur Judas-KyriakosLegende vgl. Drijvers, „The Cross and the Myth“, 167–174. 45 Vgl. Drijvers, Helena Augusta, 164–180. Für eine Edition und Übersetzung des syrischen Textes vgl. The Finding of the True Cross: The Judas Kyriakos Legend in Syriac, hg. und übers. von Han Jan Willem Drijvers und Jan Willem Drijvers, CSCO 565/Sub. 93, Leuven 1997. 46 Vgl. Brock, Sebastian: ,,Two Syriac Poems on the Invention of the Cross“, in: Lebendige Überlieferung (FS H.-J. Vogt), Beirut 1992, 55–82. 44
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bis er sich bereit erklärte, ihr bei der Suche nach dem Kreuz zu helfen. Der genaue Ort, an dem das Kreuz begraben lag, wurde Judas durch ein göttliches Zeichen offenbart, nachdem er sich im Gebet zu Gott gewandt hatte. Ähnlich wie in der MakariosLegende heißt es anschließend, dass drei Kreuze ans Licht kamen und dass man nur durch ein Heilungswunder das Kreuz identifizieren konnte, an das Jesus genagelt wurde. Judas wurde danach Christ, weshalb er den Namen Judas-Kyriakos annahm, und wurde schließlich auch zum Bischof von Jerusalem gewählt. Wie die Makarios-Legende war die Judas-Kyriakos-Legende über die Historiographie hinaus auch durch die liturgische Praxis bekannt, wie unter anderem im koptischen Synaxarion zu sehen ist. 47 Die Judas-Kyriakos-Legende ist in der arabischen Geschichtsschreibung aber nicht nur wegen der Kreuzesauffindung selber relevant, sondern auch wegen des geschichtlichen Vorspanns, mit dem die Legende eingeführt wird. 48 Darin wird berichtet, wie Konstantin gegen die Barbaren-Völker auszog, die über die Donau in das römische Reich einzudringen versuchten. In der Nacht vor der Schlacht sah er im Traum das Kreuzeszeichen mit einer Inschrift, die ihm den Sieg verhieß. Nachdem er das gegnerische Heer am folgenden Tag geschlagen hatte und nach Vgl. Zanetti, Ugo: ,,Costantino nei calendari e nei sinassari orientali“, in: Bonamante, Giorgio u.a. (Hg.): Costantino il Grande: Dall’Antichità allʼUmanesimo, Bd. 2, Macerata 1993, 893–914. Als wichtigste Eckpunkte der liturgischen Erinnerung an die Kreuzesauffindung gelten das Fest zur Einweihung der Auferstehungskirche am 16. Tūt (13. September), bei dem die Lektüre einer harmonisierten Kurzfassung der unterschiedlichen Traditionen vorgesehen ist (Le synaxaire arabe Jacobite, Ed. Basset, PO 3, 273–75), und das Fest der Kreuzeserhöhung am 17. Tūt (14. September), an dem eine sich an der Judas-Kyriakos-Legende orientierende Version vorgesehen ist (Le synaxaire arabe Jacobite, Ed. Basset, PO 3, 275). Eine weitere Version der Judas-Kyriakos-Legende gibt das Synaxarion für das Fest der Kreuzesauffindung am 10. Baramhāt (6. März) wieder (Le synaxaire arabe Jacobite, Ed. Basset, PO 78, 213f). Zum koptischen Synaxarion vgl. auch Atiya, Aziz: Art. „Synaxarion“, in CE VII, 2171b–2190a und CMR V, 92–100. 48 Vgl. Drijvers, The Finding of the True Cross, 54–56. 47
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Rom zurückgekehrt war, wurde er von den Christen in die Bedeutung des Zeichens, das er in seinem Traum gesehen hatte, eingeweiht und ließ sich von Eusebius, dem Bischof von Rom, taufen. Zuletzt sei noch die Protonike-Legende zumindest erwähnt. 49 Im Unterschied zu den zwei vorherigen Versionen wird die Kreuzesauffindung nicht in der Zeit Konstantins verortet, sondern in das erste christliche Jahrhundert zurückprojiziert, indem nun der römische Kaiser Claudius und seine Frau Protonike auftreten. Auch diese Version der Kreuzesauffindungslegende fand im syrischen Sprachraum weite Verbreitung, auch wegen ihrer Überlieferung innerhalb der Doctrina Addai. 50 Dadurch wurde sie auch der arabischen Geschichtsschreibung bekannt, wie unter anderem al-Manbiğī bezeugt, der die Erzählung in einer Kurzfassung wiedergibt. 51 Der Konzilsbericht von Maruta Eine besondere Präsentation der Konstantingeschichte, die auch von verschiedenen arabischen Geschichtsschreibern rezipiert wird, ist uns im syrischen Konzilsbericht des Maruta von Maipherqat erhalten. 52 Im Mittelpunkt dieses Berichtes stehen eigentlich die 20 Kanones von Nizäa und die 73 Maruta zugeschriebenen PseudoKanones von Nizäa. Die der Edition von Vööbus zugrunde liegenden Handschriften überliefern dazu noch unterschiedliche Texte zum Leben Konstantins und Helenas. Einen ersten Schwerpunkt bildet die Kindheitsgeschichte Helenas, als deren Herkunftsstadt Edessa angegeben wird, wo sie durch den Bischof Vgl. Drijvers, Helena Augusta, 147–163. Vgl. Drijvers, Helena Augusta, 150–54. 51 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasliev, PO 7, 487f. 52 Für eine Ausgabe vgl. The Canons ascribed to Mārūtā of Maipherqat and related sources, hg. und übers. von Arthur Vööbus, CSCO 439/Syr. 191 (Text) und CSCO 440/Syr. 192 (Übers.). Vgl. auch Drijvers, Jan Willem: ,,Marutha of Maipherqat on Helena Augusta, Jerusalem and the Council of Nicaea“, in: Studia Patristica 34, Leuven 2001, 51–64. 49 50
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Barsamya in den christlichen Glauben eingeweiht wurde. 53 Einen zweiten Schwerpunkt bildet dann der Bericht über die Reise Helenas nach Jerusalem und die dort in Angriff genommene Bautätigkeit. In diesem Zusammenhang fällt auch die Erzählung über die Begegnung mit dem aus Alexandrien stammenden Bischof Alexander, der sie dazu aufgefordert habe, sich angesichts der arianischen Gefahr bei Konstantin für die Einberufung eines Konzils einzusetzen. 54 Das Konzil, zu dem insgesamt 2048 Bischöfe zusammentrafen, bildet den dritten Schwerpunkt des Dossiers und wird als Versammlung der Konfessoren und Wunderheiler inszeniert, unter denen besonders Thomas von Marʿaš hervorragt, der von den Arianern für mehrere Jahre ins Gefängnis geworfen und am gesamten Körper gefoltert wurde, sodass er schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt wurde. 55 Auch der schon genannte Alexander fand auf der Reise nach Nizäa den Märtyrertod, sein an Konstantin gesandter Brief mit dem darin enthaltenen Glaubensbekenntnis aber wurde auf Geheiß Konstantins von den Konzilsvätern feierlich angenommen. Wegen der überlieferungsgeschichtlichen Nähe zu den Kanones des Maruta wurde diese Version der Konstantingeschichte auch in die syrischen Kanonsammlungen aufgenommen. Ab dem 8. Jh. wurden auch byzantinische Rechtssammlungen ins Arabische übersetzt, wobei hier die Vgl. Drijvers, ,,Marutha of Maipherqat“, 58f. Der Name dieses Bischofs ist dabei mit dem Namen desjenigen Bischofs zu identifizieren, der in der Doctrina Addai als Schüler des Addai und als Bischof der selbigen Stadt auftaucht und unter Trajan schwere Verfolgungen zu leiden hatte. 54 Zur möglichen Herkunft dieses uns unbekannten Bekenners vgl. Drijvers, ,,Marutha of Maipherqat“, 59f. 55 Zum Ursprung der in der Geschichtsschreibung üblichen Zählung von 318 Konzilsteilnehmern vgl. Markschies Christoph, „Nachwort“, in: Gelzer, Heinrich; Hilgenfeld, Heinrich and Cuntz, Otto: Patrum Nicaenorum Nomina Latine, Graece, Coptice, Syriace, Arabice, Armeniace. Neudruck der 1. Auflage (1898), Stuttgart 1995, 267–291, hier vor allem 271f. 53
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Konstantingeschichte erst mit der Zeit eingefügt wurde. 56 Am Ende dieses Überlieferungsprozesses finden wir diese Erzählungen über Helena und Konstantin jedenfalls sowohl im syrischen Nomokanon ʿAbdīšōʿ bar Brīkās (Ebedjesu), in den koptischen Sammlungen des Pseudo-Makarios oder aṣ-Ṣafī ibn al-ʿAssāls. 57 Zur übersichtlichen Darstellung sei die Konstantingeschichte am Beispiel einer melkitischen Kanon-Sammlung aus dem 13. Jh. (Par. Arab. 234) angeführt, wobei auch die entsprechenden Stellen aus dem Konzilsbericht des Maruta in eckigen Klammern angegeben werden: 58 Helena und Constantius (53v,15–54r,17 [Übers. Vööbus, 15,27–16,12]) – Spaltungen und Häresien innerhalb der Kirche und Häretikerliste (54r,17–58r,12 [Übers. Vööbus, 17,3–24,12]) – Helenas Rolle in der Bekehrung Konstantins (58r,13–58v,13 [Übers. Vööbus, 103,3–104,2]) – Helenas Pilgerreise nach Jerusalem, Bau der Kirchen und Begegnung mit Alexander (58v,14–59v,3 [Übers. Vööbus, 104,3–37]) – Briefe Helenas an Konstantin (59v,4–12 [Übers. Vööbus, 105,1–24]) – Brief Konstantins an Alexander (59v,12–15 [Übers. Vööbus, 106,3– 28]) – Martyrium Alexanders (59v,16–60r,11 [Übers. Vööbus, 107,3–20]) – Einberufung des Konzils (60r,11–60v,4 [Übers.
Vermutlich gehen diese Kanonsammlungen auf das antiochenische Corpus Canonum zurück. Vgl. Der arabische Procheiros Nomos, hg. von Johannes Pahlitzsch (Forschungen zur Byzantinischen Rechtsgeschichte, 31), Frankfurt a.M. 2014, 13*–136*, hier vor allem 26*– 33*. Die erste handschriftlich überlieferte arabische Kanonsammlung, die auf das Jahr 918 zu datierende Handschrift Brit. Mus. 5008, überliefert noch nicht die Geschichte Konstantins. Vgl. Pahlitzsch, Der arabische Procheiros Nomos, 26 und Nasrallah, Histoire, Bd. 2.2, 189f. 57 Für ʿAbdišōʿ bar Brīkā (Nomokanon) vgl. Angelo Mai, Scriptorum Veterum Nova Collectio X, Rom 1838, 197–201 (Text) und 29–33 (Übers.). Zu den Kanonsammlungen in der ostsyrischen Kirche vgl. Kaufhold, Hubert: „Sources of Canon Law in Eastern Churches“, in: Hartmann, Wilfried (Hg.): The History of Byzantine and Eastern Canon Law to 1500, Washington D.C., 2012, 215–342, hier vor allem 296–313 und für die koptischen Kanonsammlungen Graf, GCAL I, 560, 562f und 591. 58 Für die Handschrift vgl. Graf, GCAL I, 562. 56
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Vööbus, 108,3–109,2]) – Von den 2048 Konzilsteilnehmern stimmen 318 dem Glaubensbekenntnis Alexanders zu (60v,4–6 [Übers. Vööbus, 111,3–7]) – Heilige und Konfessoren am Konzil (60v,6–61r,2 [Übers. Vööbus, 113,3–114,11]) – Konstantins Ansprache an die Konzilsteilnehmer und Ehrerbietung an die Konfessoren (61r,2–61v,12 [Übers. Vööbus, 111,8–112,6]) – Erlassungen und Gesetzgebungen des Konzils (61v,12–62r,17 [Übers. Vööbus, 28,4–21 und 36,3– 20]).
Wir werden sowohl bei christlichen als auch bei muslimischen Geschichtsschreibern Motive aus der historischen Einführung zum Konzil finden. Dabei kann nicht entschieden werden, ob die jeweiligen Autoren sich direkt auf die Konzilsberichte des Maruta stützten oder ob sie bereits arabische Kanon- bzw. Rechtssammlungen als Vorlage benutzten. Einige Besonderheiten der arabischen Kanonsammlungen aber finden sich auch in einigen der arabischen Geschichtswerke, denen wir begegnen werden. In den Kanones des Maruta heißt es zum Beispiel, dass die Konzilsteilnehmer „15 Propheten“ verfasst haben, um alle möglichen Häresien zu widerlegen, womit wohl antihäretische Refutationsschriften gemeint sind. 59 In den arabischen Kanonsammlungen hingegen werden jeweils drei, 15 oder 40 Bücher gezählt, in denen entweder die Widerlegung der Häresien oder die vom Konzil erlassenen Gesetzgebungen gesammelt wurden. 60 Wie wir sehen werden, greifen nicht nur christliche, Vgl. Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 28 (Übers. ders., 25). Im Nomokanon des ʿAbdišōʿ bar Brīkā (Ed. Mai, Scriptorum Veterum Nova Collectio X, 200 [Übers. ders., 32]) ist von 40 Büchern bzw. Propheten die Rede, die die Widerlegungen der Häresien beinhalteten, und dazu noch von weiteren drei Büchern, in denen die Gesetzesbestimmungen gesammelt wurden. Auch in der melkitischen Sammlung von Par. Arab. 234, 61v–62r wird zwischen einer Konfutationsschrift in 40 Büchern, einer Gesetzessammlung in 15 Büchern und einer weiteren Gesetzessammlung in drei Büchern unterschieden. Für die Hinweise bedanke ich mich bei Prof. Dr. Hubert Kaufhold. 59 60
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sondern auch muslimische Geschichtsschreiber auf dieses Motiv zurück und zählen z.B. 40 Bücher, die die Gesetzesbestimmungen des Konzils festgehalten haben. Wie immer man sich diese widersprüchlichen Angaben über die Anzahl und die Natur der vom Konzil erlassenen Bücher erklären will, bleibt die breite Rezeption des Konzilsberichtes des Maruta in der arabischen Historiographie beachtlich, was auch dadurch zu erklären ist, dass er ein Narrativ zum Konzil von Nizäa zur Verfügung stellte, in welchem sich alle Konfessionen wiedererkennen konnten. Der „Julian-Roman“ Ein weiterer Erzählzusammenhang, der an dieser Stelle noch eingeführt werden muss, ist der sog. syrische Julian-Roman, der innerhalb der arabischen Geschichtsschreibung einige Berührungspunkte mit der Rezeption der Konstantingeschichte aufweist. 61 Die genannte Erzählung ist in der syrischen Handschrift BL 14.641 (British Library) aus dem 6. Jh. überliefert und wurde zum ersten Mal von Theodor Nöldeke erwähnt, der die Entstehungszeit des Textes zwischen 502 und 532 ansetzte. 62 Kurze Zeit nach der Entdeckung durch Nöldeke erschien die bis heute verwendete Edition des Julian-Romans von J. G. E. Vgl. dazu Drijvers, Han Jan Willem: „The Syriac Romance of Julian: Its Function, Place of Origin and Original Language“, in: Lavenant, R. (Hg.): VI Symposium Syriacum 1992 (Orientalia Christiana Analecta, 247), Rom 1994, 201–214, Drijvers, Jan Willem: „Julian the Apostate and the City of Rome: Pagan-Christian Polemics in the Syriac Julian-Romance“, in: Ders. u.a. (Hg.): Syriac Polemics (Orientalia Lovaniensia Analecta, 170), Leuven 2007, 1–20 und Wood, Philip: ‘We have no King but Christ’: Christian political thought in greater Syria on the eve of the Arab conquest (c. 400–585), Oxford 2010, 132–162. Für die Edition der arabischen Version des JulianRomans aus der Sinai-Handschrift Sinai ar. 516 vgl. Lulianos: Die arabische Übersetzung des Julianromans, hg. von A. Muraviev and M. van Esbroeck, Leuven 2015. 62 Vgl. Nöldeke, Theodor: „Über den syrischen Roman von Kaiser Julian“, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 28 (1874), 263–292 und Drijvers, „Syriac Romance of Julian“, 201. 61
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Daneben erwähnte Nöldeke noch ein Hoffmann. 63 handschriftliches Zeugnis eines zweiten Julian-Romans, der sich vom ersten grundsätzlich unterscheidet, uns aber nicht weiter interessieren soll. 64 Sowohl Nöldekes Bezeichnung der Erzählung als „Roman“ wie auch Hoffmanns Edition haben dabei den Eindruck vermittelt, dass es sich um einen einheitlichen Text handeln würde. Bei dem uns vorliegenden Text handelt es sich im Gegenteil um eine Komposition von drei Erzählungen unterschiedlicher Provenienz. 65 Die erste dieser Erzählungen behandelt eigentlich die Lebens- und Leidensgeschichte des Eusebius von Rom. 66 Der uns erhaltenen Handschrift des Julian-Romans sind allerdings weite Teile dieser ersten Erzählung abhandengekommen Muraviev konnte aber Teile davon in einem syrischen Palimpsest nachweisen und zusammen mit einer Übersetzung herausgeben. 67 Die zweite Erzählung behandelt die eigentlichen Auseinandersetzungen zwischen Eusebius und Julian. 68 Im Mittelpunkt steht dabei vor allem Julians Versuch, die Stadt Rom wieder zur heidnischen Religion zurückzuführen. Eusebius tritt hier als Hauptakteur des Widerstandes der Stadt auf, der Julian schließlich dazu veranlasste, die Stadt mit Gewalt einzunehmen. Die dritte und längste Erzählung hat Kaiser Jovian zum eigentlichen Helden. Bereits als Vgl. Iulianos der Abtrünnige: Syrische Erzählungen, hg. von J. Hoffmann, Leiden 1880. Neben der Übersetzung von H. Gollancz (Julian the Apostate. Now translated for the first time from the Syriac original, Oxford 1928) ist auch die eben erschienene Übersetzung von Michael Sokoloff (The Julian Romance, Piscataway 2017) zu erwähnen. 64 Vgl. Nöldeke, „Kaiser Julian“, 660–674. 65 Vgl. Drijvers, „Julian the Apostate“, 3 und 5. 66 Vgl. Iulianos der Abtrünnige, Ed. Hoffmann, 3–5, Übers. in: Gollancz, Julian the Apostate, 7–9. Vgl. Drijvers, „Julian the Apostate“, 2. 67 Vgl. Muraviev, Alexei: „The Fragments of the Syriac Julian Romance from the Manuscript Paris Syr. 378“, in: Khristianskii Vostok 2(8) (2000), 14–34. 68 Vgl. Iulianos der Abtrünnige, Ed. Hoffmann, 5–59, Übers. in: Gollancz, Julian the Apostate, 10–65. Vgl. auch Drijvers, „Julian the Apostate“, 6–8. 63
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General in Julians Armee war er den Christen gegenüber freundlich gesinnt. Als Julian während des militärischen Feldzuges gegen die Perser umkam, wurde er zum neuen König berufen und machte den Christenverfolgungen ein Ende. 69 Der Julian-Roman wurde oft rezipiert und hinterließ auch Spuren in unterschiedlichen arabischen Geschichtswerken. Wie wir im Verlauf der Arbeit sehen werden, kann man vor allem bei christlich-arabischen Geschichtsschreibern beobachten, dass einzelne Motive aus diesen Erzählungen auch mit Konstantin in Verbindung gebracht werden. Wie es dazu gekommen ist, kann weder hier noch an den einschlägigen Stellen in unserer Arbeit nachgezeichnet werden. Das hängt auch damit zusammen, dass der Julian-Roman Andeutungen und intertextuelle Bezüge zu anderen Erzählzusammenhängen aufweist, die vermuten lassen, dass seine Überlieferungsgeschichte vielschichtiger ist, als uns die wenigen erhaltenen Textzeugen erahnen lassen. In der Eusebius-Erzählung scheinen dabei sowohl die Silvesterlegende als auch die JudasKyriakos-Legende vorausgesetzt zu sein. 70 Vielleicht ist es auch die historisch kaum greifbare Figur des Eusebius von Rom, die in mehreren Kontexten das Entstehen von legendarischem Erzählstoff fordern konnte. Wir müssen also bei der arabischen Geschichtsschreibung davon ausgehen, dass sich die Motive aus unterschiedlichen Erzählzusammenhängen bereits überlagert haben und darum nicht immer eine klare Unterscheidung zwischen ihnen möglich ist.
Iulianos der Abtrünnige, Ed. Hoffmann, 59–242, Übers. in: Gollancz, Julian the Apostate, 66–255. Vgl. Drijvers, „Julian the Apostate“, 2f. Nach Drijvers, „Syriac Romance of Julian“, 202f datiert diese dritte Erzählung aus dem Ende des 4. Jh. und diente als Propagandaschrift, um die für das römische Reich demütigende Übergabe von Nisibis an das persische Reich zu rechtfertigen. 70 Vgl. Drijvers, „Julian the Apostate“, 11f und 13f. 69
B. BEMERKUNGEN ZUR ARABISCHEN HISTORIOGRAPHIE 1. DIE CHRISTLICHE GESCHICHTSSCHREIBUNG 1.1. Der syrische Kulturraum Im syrischen Kulturraum konnte sich die Geschichtsschreibung auf eine gefestigte Tradition und auf eine umfangreiche Produktion an kirchengeschichtlichen Werken und Universalchroniken stützen. 1 Dem ging zuerst eine umfangreiche Übersetzung griechischer Werke ins Syrische voraus. Neben der Bibel konnte man auf Josephus und auf die ersten christlichen Geschichtsschreiber zurückgreifen, namentlich Julius Africanus und Eusebius sowie deren Nachfolger Sokrates, Theodoret, Sozomenos oder Johannes Malalas. 2 Von den Schriften des Eusebius hat vor allem seine Chronik in die syrische Geschichtsschreibung hineingewirkt. 3 Vgl. Debié, Muriel: „Syriac and Syro-Arabic Historical Writing c. 500 – c. 1400“, in: Chase F. Robinson und Sarah Foot (Hgg.): The Oxford History of Historical Writing. Volume 2: 400–1400, Oxford 2012, 155–179 und Palmer, Andrew: „Les chroniques brèves syriaques“, in: Debié, Muriel: L’historiographie syriaque (Etudes Syriaques, 6), Paris 2009, 57–87. Für eine übersichtliche Präsentation der Werke und eine Bibliographie der Editionen zu den unterschiedlichen Chroniken und Geschichtswerken vgl. Debié, “Historical Writing”, 159f bzw. 176–179. 2 Vgl. auch Debié, Muriel: „L’Héritage de l’Historiographie Grecque“, in: Ders. (Hg.): L’historiographie syriaque (Etudes Syriaques, 6), Paris 2009, 11–31. 3 Vgl. Witakowski, Witold: „The Chronicle of Eusebius: Its Type and Continuation in Syriac Historiography“, in: ARAM 11–12 (1999– 2000), 419–437 und Brock, Sebastian: „Eusebius and Syriac Christianity“, 1
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Insbesondere aus der Tradition der westsyrischen Chronographie kann eine große Zahl an längeren und kürzeren Chroniken aufgezählt werden, die die Chronik des Eusebius aufgenommen, fortgesetzt oder adaptiert haben. 4 Neu ist dabei die Hinzufügung der Königslisten der sassanidischen und arabischen Herrscher oder die Verwendung der Zeitrechnung ab Antiocho, die sich also am Beginn der seuleukidischen Herrschaft 311 v.Chr. orientiert. Damit wird auch das Bewusstsein der geschichtlichen Ursprünge der syrischen Kirchen aus der syro-hellenistischen Tradition ausgedrückt. 5 Die ostsyrische Kirchengeschichtsschreibung hat sich hingegen eher an der Kirchengeschichte des Eusebius orientiert. Oft beginnen die entsprechenden historiographischen Werke mit der Geburt Christi oder mit der Regierung Konstantins und erzählen die Geschichte der Kirche als eine Abfolge von Viten von Heiligen, Klöster- oder Schul-Gründern (z.B. die Geschichte der Schule von Nisibis, die Geschichte des Klosters von Sabrisho oder die Mönchsgeschichte des Thomas von Marga). 6 Das Interesse für die politische Geschichte ist dabei eher gering geblieben. So vermissen wir in diesen Geschichtswerken, obwohl sie eigentlich aus dem persischen Raum stammen, Informationen über die Geschichte Irans während der sassanidischen Herrschaft. Eine Klassifizierung der verschiedenen Produkte der syrischen Geschichtsschreibung lässt sich jedenfalls nicht einwandfrei über in: Attridge, Harold (Hg.): Eusebius, Christianity and Judaism, Leiden 1992, 212–234. Ein Hinweis auf eine Übersetzung der Vita Constantini ist bei ʿAbdišōʿ überliefert. Vgl. Winkelmann, Friedhelm: „Die Beurteilung des Eusebius von Caesarea und seiner Vita Constantini im griechischen Osten“, in: Irmscher, Johannes (Hg.): Byzantinische Beiträge (1964), 91–119, hier 109f. 4 Vgl. Witakowski, „Chronicle of Eusebius“, 427–33. Trotz ihrer Beliebtheit ist die Chronik des Eusebius verloren gegangen und nur über eine – für das erste Buch – armenische (Ed. Karst, Leipzig 1911) und eine – für das zweite Buch – lateinische Übersetzung des Hieronymus (Ed. Helm, Berlin 1956) erhalten geblieben. 5 Vgl. Debié, „Historical Writing“, 163. 6 Vgl. Debié, „Historical Writing“, 169f.
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die konfessionellen Grenzen von „Chalkedonensern“, „Nestorianern“ oder „Miaphysiten“ machen. Wie Chronicon 506 oder Chronicon 540 zeigen, ist ein konfessionelles Bewusstsein nicht immer die Triebfeder dieser literarischen Tätigkeit. 7 Dass die Chronik des Eusebius auch in der ostsyrischen Geschichtsschreibung rezipiert wurde, ist hingegen bei Elias von Nisibis sichtbar. 8 Im ersten Teil seiner Chronik werden in Tabellen Königs- und Patriarchenlisten aneinandergereiht, darunter auch die Liste der Katholikoi des Ostens. Der zweite Teil listet dann in chronologischer Reihe Jahr für Jahr die wichtigsten Ereignisse auf. Die unterschiedlichen Informationen folgen dabei einem genauen Schema: Zuerst wird die Jahreszahl angeführt (nach seleukidischer und islamischer Zeitrechnung), woraufhin die Quellen angegeben werden, aus denen die folgenden Informationen entnommen worden sind. Durch diesen Sachverhalt kann somit ein guter Überblick über die Vielzahl der damals in Umlauf gewesenen und heute nicht mehr erhaltenen syrischen Geschichtswerke gewonnen werden. Daraufhin folgen kurze Lemmata zu den Ereignissen, die sowohl auf Syrisch als auch auf Arabisch verfasst werden. Wenn man also die Unterscheidung einer „ostsyrischen“ und einer „westsyrischen“ Geschichtsschreibung beibehalten will, sollte man dies am ehesten in Bezug auf die jeweils vorherrschenden Gattungen machen, mit dem Vorbehalt also, dass es auch in dieser Hinsicht immer wieder zu Ausnahmen kommt. Die ersten noch vorhandenen arabischsprachigen Geschichtswerke gehen auf das frühe zehnte Jahrhundert zurück, und zwar auch auf der Grundlage heute verloren gegangener syrischer Vorlagen. 9 Dies hatte aber nicht zur Folge, dass in den Jahrhunderten danach keine Werke mehr auf Syrisch verfasst wurden. Im Gegenteil, eine Kirchengeschichtsschreibung auf Syrisch hat sich kontinuierlich über die verschiedenen Vgl. Palmer, „Chroniques brèves“, 75f. Vgl. Elias von Nisibis, Chronicon, hg. und übers. von J.-B. Chabot und E. W. Brooks, CSCO 62*–62**/Syr. 21–22 (Text) und CSCO 63*– 63**/Syr. 23–24 (Übers.), Leuven 1954. Vgl. auch Witakowski, „Chronicle of Eusebius“, 431f und Debié, „Historical Writing“, 167. 9 Vgl. Debié, „Historical Writing“, 158. 7 8
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konfessionellen Grenzen hinweg bis weit ins 14. Jh. gehalten, wie die Beispiele Michaels des Syrers oder von Barhebräus zeigen. Von der Arabisierung der Geschichtsschreibung sind in je unterschiedlichem Maße alle Konfessionen betroffen, die sich im syrischen Kulturraum befanden. Mit Maḥbūb al-Manbiğī (Agapius von Mabbug) und Saʿīd ibn Baṭrīq (Eutychios von Alexandrien) haben wir dabei die zwei heute bekanntesten Autoren aus der melktischen Kirche genannt. Beide Autoren werden wir ausführlich behandeln. Auch wenn letzterer in Ägypten wirkte, ist sein Geschichtswerk vor allem von syrischen Quellen abhängig, die sowohl im Sinai-Kloster wie in Palästina aufzufinden waren. Dabei ist daran zu erinnern, dass bei den melkitischen Christen Palästinas bis in das achte Jahrhundert hinein nicht das Griechische, sondern das Palästinisch-Christlich Aramäische Umgangssprache war und dass gerade hagiographische Texte in diesem Dialekt verfasst wurden. 10 Wie wir weiter unten sehen werden, ist es durch Sekundärzeugnisse möglich, auch Fragmente aus dem Geschichtswerk Qusṭā ibn Lūqās zu rekonstruieren, das heute nicht mehr vorhanden ist, aber von anderen arabischen Geschichtsschreibern zitiert wird. Etwa zeitgleich wurden auch in der syrischen Kirche des Ostens erste Werke auf Arabisch verfasst. Der schon genannte Elias von Nisibis überlieferte sein Werk mit bereits eingebauten arabischen Übersetzungen. Am prägendsten aber waren für die ostsyrische Kirche vor allem Kompilationen, in denen historiographische und hagiographische Quellen verschiedenster Provenienz gesammelt und ineinander verwoben wurden. Mit der Chronik von Siirt und mit der damit verwandten Muḫtaṣar al-aḫbār al-bīʿīya werden wir auch zwei solcher Kompilationen untersuchen. Aus der westsyrischen Tradition hingegen sind uns – mit der Ausnahme der von Barhebräus selbst angefertigten Übersetzung seines Werkes – kaum auf Arabisch verfasste Geschichtswerke überliefert. Dennoch scheint es auch Vgl. Levy-Rubin, Milka: „Arabization versus Islamization in the Palestinian Melkite community during the early Muslim period“, in: Kofsky, Arieh and Stroumsa, Guy G. (Hgg.): Sharing the Sacred: Religious Contacts and Conflicts in the Holy Land. First-Fifteenth Centuries CE, Jerusalem 1998, 149–162, hier vor allem 156–58. 10
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hier – und dazu noch relativ früh – miaphysitische Geschichtsschreiber gegeben zu haben, die auf Arabisch schrieben. Von dem muslimischen Geschichtsschreiber al-Masʿūdī wissen wir von einem Abū Zakarīyāʾ Dinḫā, der bereits im frühen zehnten Jahrhundert eine Chronik über die „Geschichte der Könige Roms und der Könige der Griechen“ verfasste. 11 Diese letzten Bemerkungen geben jedenfalls zu verstehen, dass wir die quellenkritische Einordnung der uns überlieferten Geschichtsschreiber nicht lückenlos nachzeichnen können und dass wir gerade bei Konstantindarstellungen christlicher und muslimischer Geschichtsschreiber Spuren vieler heute nicht mehr identifizierbarer Autoren vorfinden. Aus den wenigen vorher angebrachten biographischen Beobachtungen lassen sich zum Schluss noch Merkmale erschließen, die wohl auch für die arabischen Geschichtsschreiber gelten: Diese stammten aus der Bildungselite und hatten meistens hohe kirchliche Ämter inne. So finden wir unter den Autoren Klöstervorsteher (Thomas von Marga), Bischöfe und Metropoliten (Johannes von Ephesos, Jakob von Edessa, Elias von Nisibis) und Patriarchen (Dionysius von Tell Mahre, Eutychios von Alexandrien, Michael der Syrer) bzw. Maphriane (Barhebräus). Der hohe Bildungsstand ging auch mit einer beachtlichen Mehrsprachigkeit und mit einem kosmopolitischen Netzwerk an Beziehungen einher. Der bereits erwähnte Dionysius von Tell Mahre hatte sowohl zu arabischen und syrischen als auch zu griechischen Quellen Zugang und sammelte durch seine Reisen in die verschiedenen Zentren der muslimischen Welt Kontakte zu Gelehrten und politischen Führungspersonen. 12 Die syrische Historiographie entstand in einem Netzwerk von Gelehrten, welches weite Teile des islamischen Herrschaftsgebietes abdeckte, von Ägypten bis weit nach Zentralasien hinein. Man täte der syrischen Geschichtsschreibung also unrecht, sie nur als Ausdruck eines geschlossenen und nach innen ausgerichteten Identitätsdiskurses zu lesen. 11 12
Vgl. al-Masʻūdī, Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf, Ed. de Goeje, 155. Vgl. Debié, „Historical Writing“, 171–173.
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1.2. Der koptische Kulturraum Mit der Kirchengeschichte des Eusebius – bzw. mit deren Übersetzung ins Koptische – lässt sich auch ein Anfangspunkt der koptischen Kirchengeschichtsschreibung setzen. 13 Diese ist uns im ersten Teil der sog. Kirchengeschichte Alexandriens erhalten, eines Geschichtswerkes, das im Lauf der Jahrhunderte fortlaufend erweitert wurde, zunächst auf Koptisch, dann auf Arabisch. 14 Einer der ersten Autoren einer koptischen Chronik ist Johannes von Nikiu. Sein Werk deckt die gesamte Weltgeschichte von der Schöpfung bis zur Abfassungszeit Ende des siebten Jahrhunderts ab und wurde sehr wahrscheinlich ursprünglich auf Koptisch verfasst. 15 Im 13. Jh. wurde diese Chronik dann ins Arabische und 1602 ins Äthiopische übersetzt. Während die arabische Übersetzung verloren gegangen ist, fand die äthiopische Übersetzung durch die Ausgabe von Zotenberg und deren Übertragung ins Englische von R. H. Charles bis heute Beachtung. 16 An der Rezeption dieser zwei Werke lässt sich der allmähliche Sprachübergang erkennen, den die kirchliche Literatur der koptischen Kirche – und darum auch der Kirchengeschichtsschreibung – vom Koptischen ins Arabische durchlaufen hat. Dieser Prozess schien bereits im zehnten Jahrhundert in vollem Gang gewesen zu sein, wie es das auf koptische Quellen zurückgehende und auf Arabisch verfasste Werk Geschichte der Patriarchen von Alexandrien suggeriert, dessen arabischer Titel aber eher mit Biographien der heiligen Kirche wiederzugeben ist. 17 Wie der handschriftlich überlieferte Titel Siyar al-bīʿa al-muqaddasa Vgl. für diesen Abschnitt Witakowski, Witold: „Coptic and Ethiopic Historical Writing“, in: Chase F. Robinson und Sarah Foot (Hgg.): The Oxford History of Historical Writing. Volume 2: 400–1400, Oxford 2012, 138– 154. 14 Vgl. Witakowski, „Historical Writing“, 139f. 15 Vgl. Witakowski, „Historical Writing“, 140f. 16 Vgl. Witakowski, „Historical Writing“, 140 und The Chronicle of John, Bishop of Nikiu, hg. von R. H. Charles, Oxford 1916. 17 Vgl. Witakowski, „Historical Writing“, 141 und History of the Patriarchs of the Coptic Church of Alexandria, hg. und übers. von B. T. A. Evetts, 4 Häfte, PO 1, 5, 10. 13
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nämlich vermuten lässt, handelt es sich um eine Sammlung von Viten (siyar) der Patriarchen von Alexandrien, vom Evangelisten Markus bis zum Patriarchen, der bei der aktuellsten Redaktion jeweils im Amt war. Während man ursprünglich Sāwīrus ibn alMuqaffaʿ als den Autor der anfänglichen Sammlung betrachtete, hat Johannes den Heijer mit seinen einschlägigen Studien diese Autorschaft widerlegen und sie Mawhūb ibn Manṣūr ibn Mufarrağ (1020–1100) zuschreiben können. 18 Anhand einiger vom Redaktor selbst eingefügter Bemerkungen und Einleitungen lassen sich einschlägige Informationen über die Entstehung dieses Textes und daher auch über die logistischen und materiellen Rahmenbedingungen gewinnen, welche die arabisch-christliche Geschichtsschreibung geprägt haben. 19 Ohne auf Einzelheiten einzugehen, lässt sich sagen: Das redaktionelle Projekt Mawhūbs begann im Jahr 1088, als er im Makarios-Kloster mit der Anfertigung einer Kopie der dort aufbewahrten Viten 56–65 begann. Danach begab er sich ins Nahya-Kloster (bei Gizah), wo er die Vorlagen für die Viten 1–42 und 47–55 fand und kopierte. Weitere Vorlagen fand er im Kloster in Manha bei Fayyum. Zu den ihm zeitgenössischen Patriarchen Christodulos und Kyrillos verfasste er schlussendlich selber jeweils eine Biographie (Viten 66 und 67). Auf der Grundlage der daraus resultierenden zweiteiligen Urfassung, wurden weitere Überarbeitungen und Ergänzungen vorgenommen. 20 Was für den syrischen und vor allem für den ostsyrischen Raum ersichtlich wurde, zeigt sich also auch im Fall der koptischen Geschichtsschreibung: Die Bedeutung der Klöster für die Tradierung des historischen Wissens von der Antike in die arabische Kultur hinein. Eine zweite und wichtigere Beobachtung 18 Vgl.
Witakowski, „Historical Writing“, 14 und vor allem Den Heijer, Johannes: Mawhub ibn Mansur ibn Mufarrag et l’historiographie Copto-Arabe: Étude sur la composition de l´Histoire des Patriarches d´Alexandrie, CSCO 513/Sub. 83, Leiden 1989, hier 81–116. Der Handschriftenbestand lässt an die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen einer Urfassung und einer durch spätere redaktionelle Arbeiten entstandenen VulgataRezension denken. Vgl. Den Heijer, „Ibn Mufarrag”, 19–22. 19 Vgl. Den Heijer, „Ibn Mufarrag“, 83–85. 20 Vgl. Den Heijer, „Ibn Mufarrag“, 100–103.
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lässt sich aus der Verfasserschaft dieses Werkes machen. Nach der handschriftlichen Überlieferung lautet der Name des Kompilators, wie schon vorweggenommen, Mawhūb ibn Manṣūr ibn Mufarrağ al-Iskandarānī, von dem sich in der Patriarchengeschichte öfters autobiographische Notizen finden lassen. Die Verbindung seines Namens mit der Beschlagnahmung der Markus-Reliquien (um 1050), mit deren Konservierung er von der koptischen Gemeinde betraut wurde, und die Erwähnung der Gefangennahme des Patriarchen Christodulos (1066–1072), für den er das Lösegeld zahlte, lassen erkennen, dass er innerhalb der koptischen Kirche eine Person von Rang und Namen war. Aus anderen Textzusammenhängen, in denen sein Name erscheint, geht zudem hervor, dass er selber ein Funktionär im Dienste der muslimischen Machthaber Ägyptens war, auch nach der Machtübernahme des Militärherrschers Badr ağ-Ğamālī (1074). 21 Diese Beobachtungen lassen sich umso deutlicher für die zwei im Verlauf dieser Arbeit noch anzutreffenden Geschichtsschreiber Ibn ar-Rāhib und Ibn alʿAmīd wiederholen, die für die mamlukische Herrschaft im Staatsdienst standen und mit denen oft die Blütezeit der koptischen Geschichtsschreibung verbunden wird. Auch für diesen Kulturbereich gilt also, was wir schon im obigen Abschnitt bemerkt haben. Da viele der Geschichtsschreiber zur religiösen und eben auch zur politischen Elite ihrer jeweiligen Zeit gehörten, bekommt die Geschichtsschreibung und die Konstruktion von geschichtlicher Identität auch eine politische Dimension und dient einem politischen Diskurs, der letztendlich auch die Verhältnisse zwischen Christen und Muslime abbildet. 1.3. Eine Geschichtsschreibung jenseits von Sprache und Konfession Die oft vorhandene Mehrsprachigkeit setzte auch die christlichen Geschichtsschreiber in die Rolle kultureller Vermittler zwischen griechischer Antike und islamischer Zivilisation. Nicht nur konnten die muslimischen Autoren dabei auf ihre christlichen Vorgänger zurückgreifen, sondern die christlichen Autoren griffen bei der 21
Vgl. Den Heijer, „Ibn Mufarrag“, 86–89.
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Darstellung der islamischen Zeitgeschichte selber auf muslimische Geschichtsschreiber zurück. Bekannt sind dafür vor allem Saʿīd ibn Baṭrīq, Elias von Nisibis oder Barhebräus. 22 Zu nennen ist an dieser Stelle auch das nicht erhalten gebliebene Werk des Theophilus von Edessa, von welchem der byzantinische Chronist Theophanes der Bekenner, Maḥbūb al-Manbiğī und das ebenfalls verloren gegangene Werk des Dionysius von Tell-Mahre abhängen. 23 Die Verarbeitung von gemeinsamem historischem Material bei griechisch-, syrisch- und arabischsprachigen Werken ist durchaus als Hinweis auf die Durchlässigkeit der Sprach- und Konfessionsbarrieren zu verstehen, die in der Zeit nach der arabischen Eroberung die religiöse Landkarte des östlichen Mittelmeerraums kennzeichneten. Gleichzeitig passten sich auch die unterschiedlichen Kirchengemeinschaften – allen voran die melkitische und die koptische – relativ schnell an die neue sprachliche Situation an und verwendeten früh das Arabische als literarische und liturgische Sprache. Auch die Geschichtsschreibung vollzog diesen Schritt der Anpassung. Somit zirkulierten bereits ab dem zehnten Jahrhundert sowohl in Ägypten als auch im Zweistromland christliche Geschichtswerke auf Arabisch. Wie der weitere Verlauf dieser Arbeit zeigen wird, wurde es dadurch möglich, dass sowohl koptische als auch nestorianische Autoren auf melkitische Quellen zurückgreifen konnten. Wir haben es also mit einem Prozess zu tun, den man mit Conrad als allmähliche „Erosion der Sprachbarrieren“ bezeichnen kann. 24 Unter diesem Vorzeichen und in diesem Klima der Interkulturalität Vgl. Debié, „Historical Writing“, 175. Vgl. dazu Conrad, Lawrence I.: „Theophanes and the Arabic Historical Tradition: Some Indications of Intercultural Transmission“, in: Byzantinische Forschungen 15 (1990), 1–44 und Hoyland, Robert: Theophilus of Edessa’s Chronicle and the Circulation of Historical Knowledge in Late Antiquity and Early Islam (Translated Texts for Historians, 57), Liverpool 2011, 6– 34. Siehe auch dagegen Conterno, Maria: La “descrizione dei tempi” all’alba dell’espansione islamica: Un’indagine sulla storiografia greca, siriaca e araba fra VII e VIII secolo (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 47), Berlin 2014. 24 Conrad, „Theophanes“, 33. 22 23
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ist also eine christlich-arabische Geschichtsschreibung entstanden, die sich im Laufe der Zeit verselbstständigte und somit direkt auf arabischsprachige Quellen zurückgreifen konnte.
2. DIE MUSLIMISCHE GESCHICHTSSCHREIBUNG 2.1. Begriffsklärung und Abgrenzungen der Literaturgattung Begrifflich wird die muslimische Geschichtsschreibung herkömmlich mit zwei Begriffen in Verbindung gebracht: aḫbār und taʾrīḫ. Mit dem ersten Begriff sind ganz allgemein „Informationen“ oder „Berichte“ gemeint. Dabei können auch Anekdoten gemeint sein, was wir im Englischen mit story in Verbindung bringen würden. Dieser Begriff konnte unter Umständen auch als Synonym von ḥadīṯ (Erzählung, Bericht) verwendet werden, im Sinne der Weitererzählung der Aussprüche und Taten von autoritativen Persönlichkeiten, allen voran der des Propheten. 25 Die Nachzeichnung der Begriffsgeschichte von taʾrīḫ hingegen ist stark hypothetisch. Er scheint erst ab dem neunten Jahrhundert als terminus technicus für Geschichtsschreibung in Gebrauch gewesen zu sein und ist etymologisch mit „Datierung durch Mondbeobachtung“ zu übersetzen, also im Sinne der Datierung von wichtigen Ereignissen oder von Geburts- und Todestagen. 26 Über die Ursprünge der muslimischen Geschichtsschreibung wurde bereits viel geschrieben. 27 Wir können uns also darauf beschränken, einige gattungsgeschichtliche Beobachtungen zu machen, die uns helfen, die im Laufe der Arbeit anzutreffenden Werke besser einordnen zu können. Anfänglich bildeten vor allem die Berichte aus der Prophetenbiographie und aus den Vgl. Rosenthal, Historiography, 11. Vgl. Rosenthal, Historiography, 11–14. 27 Für eine Übersicht über die wichtigsten Beiträge vgl. Di Branco, Marco: „A Rose in the Desert? Late Antique and Early Byzantine Chronicles and the Formation of Islamic Universal Historiography“, in: Liddel, Peter (Hg.): Historiae Mundi: Studies in Universal History, Bristol 2010, 189–206 und – für den Diskurs über die Entstehung der muslimischen Literatur überhaupt – Schöler, Georg: Écrire et transmettre dans les débuts de l’islam, Paris 2002, 1–14. 25 26
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Eroberungszügen seiner Nachfolger wichtige Eckpfeiler der entstehenden muslimischen Geschichtsschreibung, um dann in den Propheten-Geschichten (qiṣaṣ al-anbiyāʾ) allmählich auch die Erzählungen über die vorislamischen Propheten einzuschließen. Parallel dazu entwickelte sich, angeregt durch andere Bedürfnisse und unter anderen Voraussetzungen, auch eine historiographische Tradition, die die Geschichte des Kalifats zum Gegenstand machte und den Blick nach und nach auch auf die vorislamischen Völker ausweitete. 28 In den muslimischen Bücherkatalogen und Chase Robinson unterteilt den Entwicklungsprozess der Geschichtsschreibung in drei Phasen: In der ersten Phase (610–730) formierten sich die für die prophetische Historiographie maßgeblichen mündlichen Traditionen, wobei auch schon erste schriftliche Vorgaben auftauchten, so vor allem mit ʿUrwa ibn az-Zubayr (gest. 712), der zur Zeit des Umayyaden-Kalifen ʿAbd al-Mālik ibn Marwān (692–705) wirkte und für ihn in Form von Briefen kleinere „Traktate“ über das Leben des Propheten verfasste (vgl. Robinson, Historiography, 20–24 und Schöler, Écrire, 46f). In der zweiten Phase (730–830) finden dann diese mündlichen Überlieferungen den Eingang in erste literarische Formen. Die überlieferten Berichte (aḫbār) wurden zusammengetragen und fanden durch die Sammlungen Ibn Isḥāqs (gest. 761) oder al-Madāʾinīs (gest. um 840) literarische Gestalt, vor allem durch die Gattung der sīra- und maġāzīLiteratur bzw. in Form der Prophetenbiographie und der Eroberungszüge des Propheten und seiner Nachfolger. In der Regel handelt es sich bei diesen Verfassern aber nicht um Autoren im modernen Sinne. Ihre Schriften sind eher in der „Schüler-Lehrer-Beziehung“ zu verorten und dienten als Notiz- und Lehrbücher für die Studenten, welche dann diese Schriften erweitert und überarbeitet haben (Robinson, Historiography, 24– 30). Es handelt sich – wie Schöler es mit W. W. Jaeger formuliert – um eine „Literatur der Schule für die Schule“ (Schöler, Écrire, 82f). In der dritten Phase (830–925) mündete dieser Fortschreibungsprozess auch in mehr oder weniger stabile Rezensionen. So fand z.B. das Werk Ibn Isḥāqs durch die Rezension Ibn Hišāms (gest. 834) seine heute bekannte Überarbeitung. Gleichzeitig lassen sich gegen Ende dieser Phase auch die ersten chronographischen Werke verorten, wie diejenigen ad-Dīnawarīs (gest. 891), al-Yaʿqūbīs (gest. um 900) oder aṭ-Ṭabarīs (gest. 923), die nun die prophetischen Traditionen sowohl mit der Kalifengeschichte als auch mit der vorislamischen Geschichte verbinden (vgl. Robinson, 28
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Enzyklopädien der Wissenschaften wird der nichtprophetischen Geschichtsschreibung vor allem ein Unterhaltungszweck oder eine propädeutische Funktion zugeschrieben. Im dritten Kapitel des Fihrist Ibn an-Nadīms werden all diejenigen, die sich mit der „Niederschreibung von Ereignissen“ befassen, umfassend als aḫbārī („Überlieferer von Berichten“) bezeichnet und so von den Koranexegeten, den Hadith-Überlieferern, den GrammatikMit Gelehrten oder den Dichtern unterschieden. 29 „Geschichtsschreibung“ ist im muslimischen Kontext also ein Sammelbegriff für verschiedenste Gattungen gemeint, die von der Niederschreibung von Propheten-Geschichten über topographisch organisierte Geschichtswerke bis hin zu Chronographien im engeren Sinne reichen. Auch die für die muslimische Gelehrsamkeit wichtige prophetische oder prosopographische Historiographie ist darin eingeschlossen. 30 Will man eine Historiography, 30–38). Für den Übergang von der mündlichen Überlieferung zur schriftlichen Fixierung des historiographischen Wissens spielte gerade der Hof der Umayyaden- und Abbasiden-Kalifen eine wichtige Rolle: Die dort ansässigen Sekretäre und die Schreibaufträge an einzelne Traditionisten – so z.B. an ʿUrwa ibn az-Zubayr von Seiten ʿAbd al-Māliks oder an Ibn Isḥāq von Seiten al-Manṣūrs – haben wichtige Impulse in diese Richtung gegeben. Vgl. Schöler, Écrire, 57–60 und – für Ibn Isḥāq – 64–68 und 75–77. 29 Vgl. Rosenthal, Historiography, 31ff, hier 33. Auch die späteren Wissenschaftsenzyklopädien weisen der Geschichtsschreibung eine sekundäre Rolle zu. Im 11. Jh. noch hebt Ibn Ḥazm in seiner Enzyklopädie der Wissenschaften (Marātib al-ʿulūmāʾ) den propädeutischen und pädagogischen Wert der Geschichtsschreibung hervor. Sie diene zur Vorbereitung für die Sprachwissenschaften und sie lehre, dass die Ungerechtigkeit und Tyrannei bestraft werden. Dennoch gehört für ihn vor allem die prophetische Geschichtsschreibung zum festen Bestandteil des muslimischen Bildungskanons. Diesen teilt er in ein Trivium (Religionsgesetz, Geschichte, Sprachwissenschaften) und ein Quadrivium (Astronomie, Mathematik, Medizin, Philosophie) auf. Vgl. Rosenthal, Historiography, 37f. 30 Für einen Überblick über die Gattungen Biographie, Prosopographie und Chronographie vgl. Robinson, Historiography, 55–79.
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angemessene Definition von „muslimischer Geschichtsschreibung“ heranziehen, empfiehlt es sich also, mit breit angelegten Definitionen zu arbeiten. Mit Chase Robinson kann man sie als „narrative praxis“ umschreiben, als „prose representations of the past, in which chronology, whether explicit or implicit, is an essential feature.“ 31 Im Falle der Konstantingeschichte im Besonderen wird sich uns auch die Frage nach dem Verhältnis der muslimischen Historiographie zu der spätantiken bzw. zu der christlicharabischen Geschichtsschreibung stellen. Dass dabei sowohl die byzantinische als auch die persische Geschichtsschreibung einen Einfluss auf muslimische Autoren ausgeübt haben, ist unbestreitbar. 32 Dieser Einfluss hat aber nicht den inneren Impuls
Bei der prosopographischen Literatur handelt es sich um enzyklopädische Sammlungen von biographischen Notizen einzelner Personen, die nach einem bestimmten Ordnungsprinzip gruppiert werden. Die biographischen Einheiten können dabei entweder alphabetisch oder chronologisch geordnet werden. Im ersten Fall handelt es sich eigentlich um Lexika (muʿğam), im zweiten Fall um die sog. ṭabaqāt („Schichten“) Literatur (vgl. Robinson, Historiography, 67). Bekanntes Beispiel eines historischen Lexikons ist die „Geschichte Bagdads“ al-Ḫatīb al-Baġdādīs (gest. 1071), eine Sammlung von biographischen Einheiten zu bekannten Persönlichkeiten, die mit der Geschichte Bagdads in Verbindung stehen. Enzyklopädische Werke dieser Art gibt es für Vertreter der verschiedensten Wissenschaftsbereiche (Medizin, Grammatik, Musik, Lexikographie) – nicht aber der Geschichtsschreibung (!) – theologisch bedeutsam waren vor allem die Lexika und ṭabaqāt-Werke zu HadithÜberlieferern oder zu Rechtsgelehrten der einzelnen Rechtsschulen, insofern sie wichtige Anhaltspunkte hergaben, um die Glaubwürdigkeit der einzelnen Tradenten abzuwägen bzw. um mit Hilfe der genau erörterten Lebensdaten die Abhängigkeitsverhältnisse der unterschiedlichen Personen chronologisch zueinander einzuordnen (vgl. Robinson, Historiography, 70 und 72f). 31 Robinson, Historiography, 5f. und 55. 32 Vgl. Rosenthal, Historiography, 75f und Hoyland, Robert G.: „Arabic, Syriac and Greek Historiography in the first Abbasid century: An inquiry into inter-cultural traffic“, in: ARAM 3 (1991), 211–233, hier 215– 219.
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der muslimischen Gemeinschaft zu einer Universalgeschichtsschreibung ersetzt: „It is hard to imagine that muslim historians would have produced universal histories on the scale that they did, were it not for the position given to Muḥammad in the monotheist lineage that extended back through Abraham to Adam, and the absolutist claims of the caliphate itself, which ruled, either directly or indirectly, so much of the civilized world.“ 33 Gerade die um Muḥammad entstehende muslimische Gemeinde hat dieses das arabische Denken revolutionierende geschichtliche Bewusstsein aus ihrer Mitte heraus freisetzen können, wonach die Geschichte mit der Schöpfung der Menschheit ihren Anfang nahm und mit dem Jüngsten Gericht zu ihrem Ende kommen wird. 34 Dieser universale Anspruch lebte auch im politischen Auftrag der Umayyaden- und Abbasiden-Kalifen fort, die sowohl im Bauprogramm – wie im Felsendom in Jerusalem oder in der Umayyaden-Residenz in Quṣayr ʿAmra – wie auch in den in Auftrag gegebenen Kalifenund Universal-Chroniken ihre Macht darstellen und legitimieren konnten. 35 Gleichzeitig sollte die Diskussion über die Profilierung der Historiographie im Kontext der muslimischen Literaturgattungen nicht außer Augen verlieren, dass die mündliche Dimension auch nach der Herausbildung der Schriftkultur weiterhin maßgebend für die Tradierung historischen Wissens blieb. Ein wichtiges Kontinuum blieb gerade das Lernen im Kontext der LehrerSchüler-Beziehung. Das Geschichtswerk aṭ-Ṭabarīs fand nicht in der Form einer bestimmten schriftlichen Edition Eingang in das Geschichtswerk Miskawayhs, sondern in der Form, wie dieser es von seinem Lehrer Abū Bakr Aḥmad ibn Kāmil gehört hatte, der seinerseits Schüler aṭ-Ṭabarīs gewesen war. 36 Von ihm hat Miskawayh die „Lehrerlaubnis“ (iğāza) bekommen, seinerseits seinen eigenen Schülern die Schriften „vorzulesen“, die ihm gelehrt Robinson, Historiography, 42f. Vgl. Rosenthal, Historiography, 24f und Cheddadi, Appropriation de l’histoire, 130. 35 Vgl. Robinson, Historiography, 42–45, Di Branco, Storie arabe, 30–2 und – für Quṣayr ʿAmra – ebd., 231–59. 36 Vgl. Robinson, Historiography, 174f. 33 34
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worden sind. Bücher haben also die mündliche Überlieferung nicht ersetzt, sondern wurden eher in sie integriert. „To ‘hand a book over’ from a scholar to a student (munāwala) and to ‘find a book’ in a recognized scholar’s hand (wiğāda) came to be accepted forms of transmission, but the culture of transmission, straining as it did against the rising tide of books, was never completely inundated.“ 37 Die „Autorschaft“ eines bestimmten Werkes wurde so zu einem mehrere Generationen von Gelehrten umfassenden Projekt. 38 Das hat gerade im Islam zu einer weiteren Ausdifferenzierung mehrerer Untergattungen geführt, die auch für die Geschichtsschreibung von Relevanz sind. Wenn ein Gelehrter die Schrift seines Lehrers tradieren wollte, schrieb er es nicht einfach ab, sondern konnte eine Zusammenfassung (muḫtaṣar bzw. taqrīb), eine Verbesserung (tahḏīb), oder sogar eine Fortsetzung (ṣila) davon erstellen. So wurde das al-Kamāl fī maʿrifat ar-riğāl („Die Gesamtheit umfassendes Werk über das Wissen der Menschen“) Taqī ad-Dīn al-Maqdisīs (gest. 1203) von al-Mizzī (gest. 1341) neu bearbeitet und mit dem Titel Tahḏīb al-kamāl („Verbesserung des die Gesamtheit umfassendes Werk“) weitergegeben, welches wiederum von Ibn Ḥağar alʿAsqalānī (gest. 1449) abgekürzt wurde und als Tahḏīb al-tahḏīb („Verbesserung der Verbesserung“) weitergegeben wurde, von welchem wiederum eine Kurzfassung angefertigt wurde, die Taqrīb tahḏīb al-tahḏīb („Die Kurzfassung der Verbesserung der Verbesserung“). 39 In der christlichen Geschichtsschreibung ist uns mit dem Muḫtaṣar al-aḫbār al-bīʿīya bereits ein Beispiel begegnet, das darauf hinweist, wie sich die muslimische und die christliche Literatur bereits auf der Gattungsebene vergleichen lassen. Als symbolischer Schlusspunkt dieses langen Prozesses der Profilierung einer selbstständigen und sich selbst diversifizierenden Geschichtsschreibung sei mit dem ägyptischen Hadith-Gelehrten und Geschichtsschreiber Šams ad-Dīn as-Saḫāwī (gest. 1497) ein Robinson, Historiography, 176. Vgl. Robinson, Historiography, 177f. 39 Robinson, Historiography, 178. So ist auch die Prophetenbiographie Ibn Hišāms als eine Zusammenfassung des Werkes Ibn Isḥāqs zu betrachten, welche dann wiederum neue Epitomatoren herbeigerufen hat. Vgl. Robinson, Historiography, 179. 37 38
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Name genannt, dessen Verteidigungsschrift – das al-Iʿlān bi-tawbīḫ li-man ḏamma ahl at-taʾrīḫ („Die öffentliche Zurechtweisung der Verächter der Geschichtsschreiber“) – als Verkörperung des nun erstarkten Selbstbewusstseins der chronographischen Geschichtsschreibung betrachtet werden kann. 2.2. Heilsgeschichte, Kulturgeschichte und Dynastiegeschichte Im Angesicht des Gesagten kann mit Bernd Radtke bei der islamischen Geschichtsschreibung zwischen einer heilsgeschichtlich und einer kulturgeschichtlich orientierten Geschichtsschreibung unterschieden werden. 40 Als klassische Repräsentanten des ersten Typus werden dabei vor allem aṭ-Ṭabarī, Ibn al-Ğawzī oder Ibn alAṯīr angeführt, während der zweite Typus die für uns wichtigen Autoren al-Yaʿqūbī, al-Masʿūdī oder Ibn Ḫaldūn umfasst. Diese Unterscheidung hat natürlich etwas Vereinfachendes, sie kann aber darauf aufmerksam machen, dass hinter der muslimischen Geschichtsschreibung jeweils andere Tradentengruppen standen mit ihren je eigenen Geschichtsverständnissen. Man könnte mit Cheddadi behaupten, dass die heilsgeschichtliche Geschichtsschreibung ähnlich wie der Koran auf eine epistemologische Erfassung der Wirklichkeit als auf Gott hinweisende Zeichen (āyāt) zielt. Während der Koran die Welt als Schöpfung entziffert und auf ihren Schöpfer hin transparent macht, erfasst die Geschichtsschreibung die Geschichte als eine Artikulierung der Wahrheitsbekundung der koranischen Offenbarung. 41 Anders als der Koran aber, der dem Anspruch nach von sich aus die Wahrheit offenlegt, braucht die Geschichtsschreibung als menschliche Rede auch menschliche Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, vor allem 139–205 wie auch eine kürzere Fassung davon in Ders.: „Das Wirklichkeitsverständnis islamischer Universalhistoriker“, in: Der Islam 62 (1985), 59–70. 41 Cheddadi, Appropriation de l’histoire, 308. Cheddadi spricht darum von einer im Islam konzipierten „absoluten“ Geschichte, einer also schon vor Ewigkeiten – im himmlischen Buch festgehaltenen Geschichte – die dann in den Abläufen der Menschheitsgeschichte entfaltet wird. Vgl. ebd., 306f. 40
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Vergewisserungsstrategien. Der Form nach drückt sich das vor allem mit der Herbeiführung von einzelne Berichte (aḫbār) stützenden Überlieferungsketten (isnād) aus. Dadurch gewinnt die Überlieferung eines bestimmten Ereignisses aus dem Leben des Propheten oder seiner Nachfolger Autorität und Glaubwürdigkeit. Das gibt der Tradierung geschichtlichen Wissens aber gleichzeitig eine atomische Gliederung in Einzelberichten, die je einzeln überliefert und gesammelt werden müssen. 42 Darum ist es nicht erstaunlich, dass viele der Geschichtsschreiber, die sich diesem ersten Typus zuordnen lassen, aus Theologen-Kreisen stammen. Am bekanntesten ist wohl aṭ-Ṭabarī, der eigentlich nicht als Geschichtsschreiber, sondern als Koranexeget und Verfasser mehrerer juristischer Werke bekannt war. Sein vielbändiges Taʾrīḫ ar-rusul wa-l-mulūk („Geschichte der Propheten und der Könige“) hat er angeblich nicht in seiner Tätigkeit als Lehrer, sondern in der ihm nachts zur Verfügung stehenden Zeit verfasst. 43 Insofern also die Geschichtsschreibung ähnlich wie die religiösen Wissenschaften auf Überlieferung und Bewahrung von Traditionen aus ist, kann man diese auch als „traditionalistische“ Geschichtsschreibung bezeichnen, deren Ziel dem Anspruch nach nicht Innovation sondern Erhaltung ist. 44 Natürlich beschreibt das für die muslimische Historiographie eher ein Ideal als die Realität. Schon die komplexe Komposition der bekannten Prophetenbiographie Ibn Isḥāqs zeigt, dass er nicht bloß auf seine Tätigkeit als „Übermittler von aḫbārs“ reduziert werden kann, sondern als innovativer Kompilator gewürdigt werden muss. 45 Ganz grundsätzlich stellt aber bereits die Behandlung der vorislamischen Geschichte ein Problem dar, insofern Autoren wie aṭ-Ṭabarī sich dadurch genötigt sahen, auch auf nichtmuslimische Quellen und Traditionen zurückzugreifen. Beim Typus der Kulturgeschichte hingegen können nicht nur die heilsgeschichtlich relevanten und durch Autorität von Tradenten gestützten Erzählungen, sondern grundsätzlich alle Vgl. Cheddadi, Appropriation de l’histoire, 310f. Vgl. Robinson, Historiography, 112f. 44 Vgl. Robinson, Historiography, 85–92, hier 85. 45 Vgl. Cheddadi, Appropriation de l’histoire, 312f. 42 43
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„durch Reflexion zu Wissen erhobenen Erfahrungen“ weitergegeben werden. 46 Bezüglich der Akteure zeichnet sich dieser Typus der Geschichtsschreibung dadurch aus, dass die Verfasser oft der bürokratischen Elite angehörten und in der Staatsverwaltung wichtige Verwaltungsfunktionen übernahmen. 47 Mit ihr entfaltete sich auch eine Theoretisierung über das Bildungsideal, an dem die Mitglieder dieser neuen Herrschaftselite gemessen wurden und zu welchem, neben dem Beherrschen der arabischen Sprache oder der Rhetorik, eben auch das Geschichtswissen gehörte. 48 Gerade im Rahmen dieser Theoretisierung trat ein Begriff auf, der zum Inbegriff dieses Bildungsideals wurde: adab. Bezeichnete dieser Begriff ursprünglich – ähnlich wie der Begriff sunna – ein Verhalten nach den althergebrachten Sitten, wurde er in der Umayyaden- und Abbasidenzeit allmählich zur Bezeichnung der „Fähigkeiten, die etwa der hohe Staatsbeamte, der Schreiber (kātib) oder Wesir, zur Ausübung seines Berufs benötigte.“ 49 Bildung wurde mit der Zeit aber nicht nur am Hof des Kalifen kultiviert, sondern kannte in den „Literats-Salons“ (mağālis al-adab) und in Schüler-Lehrer Kreisen wichtige Institutionen für ihre Verbreitung. 50 Dabei meinte adab das weite Spektrum profaner Wissenschaften und stand den religiösen Wissenschaften (ʿilm) in einem Spannungsverhältnis gegenüber. 51 Bildung im Sinne von adab bezeichnet eine Lebensklugheit, die sich aus Welterfahrung speist und praxisorientiert ist. 52 Geschichtsschreibung im Sinne der adabLiteratur ist also an den historischen Ereignissen und Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 169. Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 169 und Khalidi, Tarif: Arabic historical thought in the classical period (Cambridge Studies in Islamic Civilization), Cambridge 1994, 90. 48 Vgl. Khalidi, Historical thought, 91f. 49 Radtke, Weltbeschreibung, 151. 50 Vgl. Khalidi, Historical thought, 96. 51 Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 152. Zum Verhältnis von adab und ʿilm vgl. vor allem Rosenthal, Franz: Knowledge Triumphant: The Concept of Knowledge in Medieval Islam, Leiden 1970, 240–333. 52 Vgl. Rosenthal, Knowledge, 276. 46 47
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Persönlichkeiten interessiert, die Exempel für die Gegenwart für die politische Elite hergeben können, wie es vor allem das Beispiel Miskawayhs zeigen wird. 53 Ein anderes wichtiges Merkmal der sich als adab-Literatur verstehenden Geschichtsschreibung ist zudem ihr anthologischer Charakter: Wie wir sehen werden, verbindet al-Masʿūdī in seinen zwei historiographischen Werken Geschichtsschreibung mit geographischen und kulturgeschichtlichen Beschreibungen und Exkursen, durch welche sein Geschichtswerk auch den Bildungskanon seiner Zeit abbildet, mit dem sich der Leser in der gepflegten Konversation und in Debatten beweisen konnte. 54 „In other words, it [sc. historiography] formed part of what was called adab – that combination of skills, attitudes and knowledge that distinguished the learned amateur from the boorish ignoramus. Historical events and anecdotes were frequently the topic of conversation and dictation in circles of learned men.“ 55 Über die engeren Kreise der Herrschaftselite hinaus fand die kulturgeschichtliche Geschichtsschreibung auch bei den an Allgemeinbildung interessierten Bewohnern der Zentren und Städte der muslimischen Herrschaftsgebiete ein geeignetes Publikum, das ebenso eine Teilhabe an das bis an die entferntesten Ecken der Welt zirkulierende Wissen anstrebte. Für diese nicht spezialisierte Leserschaft hat die chronographische Tradition dann auch vereinfachende und zusammenfassende Überarbeitungen der schon zirkulierenden Autoren hervorgebracht. 56 Besonders im Hinblick auf die späteren Entwicklungen könnte man noch einen dritten Typus der muslimischen Geschichtsschreibung benennen, auch wenn er vom zweiten Typus nicht ganz so leicht zu trennen ist, und zwar die dynastiegeschichtliche Historiographie. Wenige Jahrhunderte nach dem Erscheinen der ersten Universalgeschichten scheint das Interesse für die vorislamische Geschichte bereits abgeschwächt worden zu sein und Raum für die Lokal- oder Dynastiegeschichte Vgl. Khalidi, Historical thought, 170–176, hier vor allem 173f. Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 170. 55 Robinson, Historiography, 116. 56 Vgl. Robinson, Historiography, 117f. 53 54
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gelassen zu haben. Diese Entwicklung lässt sich mit Robinson auch auf die politische Fragmentierung des islamischen Kalifats ab dem zehnten Jahrhundert zurückführen: „Universal history would continue to be written, but now, in a politically fragmented and culturally competitive world of provincial states, its horizons grew narrower.“ 57 Dies kam vor allem dadurch zum Tragen, dass mehr und mehr Geschichtsschreiber ihre Werke von lokalen Machthabern in Auftrag bekamen. Das Phänomen begann eigentlich relativ früh. So wurde das schon erwähnte Geschichtswerk aṭ-Ṭabarīs von Balʿamī (gest. vor 997) ins Persische übersetzt, dem Wesir des Samaniden-Herrschers ʿAbd alMalik ibn Nūḥ. 58 Diese Entwicklung hatte aber im mamlukischen Ägypten des 14. Jh. und 15. Jh. ihren Höhepunkt erreicht. 59 Geschichtsschreiber wie Baybars al-Manṣūrī (gest. 1325), Abū-lFidāʾ (gest. 1331), an-Nuwayrī (gest. 1333), Ibn ad-Dawādārī (gest. 1335) oder Ibn Taġrī Birdī (gest. 1470) waren oft Söhne von Gouverneuren oder wichtigen Funktionsträgern der Herrschaftsverwaltung. 60 In diese Liste sind auch die christlichen Geschichtsschreiber Ibn ar-Rāhib und Ibn al-ʿAmīd einzufügen. Ihre soziale Herkunft legt dabei nahe, dass ihre Werke auch als Mittel der Selbstrepräsentation und -legitimation eines bestimmten Herrschers oder einer bestimmten Dynastie dienen konnten: „The historian had an especially important role to play in this selfpresentation, since historiography offered a medium through which states could broadcast claims about the past, present or future, legitimize themselves and undermine their critics.“ 61 Auch hier aber gilt es, nicht voreilig zu generalisieren. Gerade mit Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) ist ein Geschichtsschreiber genannt, dessen Geschichtswerk wiederum neue Maßstäbe gesetzt hat, indem er beides, Universalgeschichte und Dynastiegeschichte, im Sinne einer Theorie der Zivilisation vereinte: „It is hardly coincidental that this later, more confident period also produced the Muqaddima of Ibn Robinson, Historiography, 139. Vgl. Robinson, Historiography, 115. 59 Vgl. Robinson, Historiography, 166–170. 60 Vgl. Robinson, Historiography, 167f. 61 Robinson, Historiography, 119. 57 58
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Ḫaldūn, the most theoretically sophisticated program of historical thought produced by any pre-modern historian, be he Christian, Muslim or otherwise.“ 62 Fassen wir nochmals zusammen: Auch wenn die nichtprophetische Geschichtsschreibung Zeit brauchte, um Konturen anzunehmen und um sich gegenüber den traditionellen muslimischen Disziplinen wie auch gegenüber der traditionalistischen Geschichtsschreibung überhaupt als eigene Literaturgattung zu etablieren, konnte die chronographische Literatur dennoch eine für den öffentlichen Diskurs der muslimischen Gesellschaft wichtige Funktion übernehmen. Liegt die Bedeutung der heilsgeschichtlichen Geschichtsschreibung in der Vergewisserung über den geschichtlichen Erfolg der prophetischen Mission Muḥammads, so liegt die Bedeutung der kulturgeschichtlichen Geschichtsschreibung darin, für den Leser eine Identifikationsfläche sowohl mit dem historischen und kulturellen Erbe des Islams als auch mit den Institutionen der zwar weltlichen, aber durch den Islam in Auftrag gegebenen Macht bereitzustellen. 63 Darin bleibt auch der Chronographie ein spezifisch muslimisches Element erhalten.
Robinson, Historiography, 102. Rosenthal, Historiography, 47f: Here we clearly see the tremendous significance of historiography in Islam. It helped to inspire loyalty to and enthusiasm for the religious and cultural heritage of Islam at an age in the life of the individual in which other intellectual influences would have been far less effective. 62 63
C. KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 1. KONSTANTIN UND DIE SASSANIDEN: AṬ-ṬABARĪ 1.1. Bemerkungen zu Person und Werk Der erste Geschichtsschreiber, mit dem wir uns beschäftigen wollen, ist Abū Ğaʿfar Muḥammad ibn Ğarīr aṭ-Ṭabarī (839–923). 1 Als Autor eines der bekanntesten Korankommentare führt kaum ein Thema der muslimischen Theologiegeschichte an ihm vorbei. Auch sein Geschichtswerk – Taʾrīḫ ar-rusul wa-l-mulūk („Geschichte der Gesandten und Könige“) – wurde aber breit rezipiert. 2 Die Behandlung der vorislamischen Geschichte konzentriert sich dabei – neben der biblischen – vor allem auf die persische Geschichte, als deren Erbe aṭ-Ṭabarī die islamische Zivilisation auch darstellen wollte. 3 Damit folgt aṭ-Ṭabarī das Beispiel seines Zeitgenossen Abū Ḥanīfa Aḥmad ibn Dāwūd ad-Dīnawarī (gest. 896), eines Universalgelehrten kurdischer Abstammung, der mit seinem Geschichtswerk al-Aḫbār aṭ-ṭiwāl („Lange Geschichten“) über die Geschichte der arabischen Eroberungen hinaus auch das geschichtliche Erbe Persiens zum Bestandteil der islamischen Historiographie machte. 4 15.
1
Zu aṭ-Ṭabarī vgl. Bosworth, C. E.: Art. „aṭ-Ṭabarī“, in: EI X, 11–
Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, hg. von M. J. de Goeje, Annales quos scripsit Abu Djafar Mohammed Ibn Djarir at-Tabari, 15 Bde. Leuven 1879–1881 und – für eine Übersetzung – The History of al- Ṭabarī, übers. von Ehsan Yar-Shater u.a., 31 Bde., New York 1985–1999. 3 Vgl. Khalidi, Historical thought, 78f. 4 Vgl. ad-Dīnawarī, al-Aḫbār aṭ-ṭiwāl, Ed. ʿIṣām Muḥammad al-Ḥāğğ ʿAlī, Bayrūt 2001 und Pourshariati, Parvaneh: „The Akhbār al-ṭiwāl of Abū Ḥanīfa Dīnawarī: A Shu‘ūbī Treatise on Late Antique Iran“, in: Gyselen 2
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Dazu beigetragen hat unter anderem auch das Vorhandensein von einschlägigen Quellen, die den Geschichtsschreibern zwischen Dinawar, Tabaristan und Bagdad zur Verfügung standen. Bedeutend war dabei vor allem die Tradition der sassanidischen Herrscherbiographien (Ḫudāynāma). Es handelt sich dabei um je unterschiedlich lange Sammlungen von zum Teil pseudohistorischen Erzählungen über die Könige Persiens, die die Zeit der mythologischen Ursprünge bis zur sassanidischen Dynastie umfassen und von denen sowohl auf Pahlavi als auch in arabischer Übersetzung mehrere Versionen im Umlauf waren. 5 1.2. Texte zu Konstantin Der Geschichte des römischen Reichs hingegen wird noch kein abgesonderter Abschnitt gewidmet. Notizen zu einzelnen römischen Herrschern verstreuen sich aber durch die Geschichte des persischen bzw. des sassanidischen Reichs und verleihen somit der Geschichte Roms die Rolle eines Gegenübers, mit dem sich das sassanidische Reich politisch und militärisch messen musste. Die Bekehrung Konstantins wird im Laufe der Geschichte Persiens gleich zweimal erwähnt. Die erste der zwei Erwähnungen ist dabei die ausführlichere, obwohl sie noch im Abschnitt über die Zeit der R. (Hg.): Sources for the history of Sasanian and post-Sasanian Iran (Res Orientales, 19), Bures-sur-Yvette 2010, 201–238. 5 Entscheidend für die Identifizierung von Werken der ḪudāynāmaTradition war unter anderem Nöldekes Geschichte der Araber und Perser zur Zeit der Sasaniden aus dem Jahr 1879. Gegenüber der aber oft vertretenen Meinung, dass es sich beim Ḫudāynāma um ein klar umrissenes Werk handelt, hat Jackson-Bonner darauf hingewiesen, dass es bereits in vorislamischer Zeit zur Redaktion mehrerer biographischen Sammlungen gekommen ist, die sich unter dem Begriff der Ḫudāynāma-Tradition summieren lassen und die von verschiedenen arabischen Autoren – darunter von Ibn al-Muqaffaʿ – übersetzt wurden. Vgl. Rubin, Zeev: „Ibn al-Muqaffaʿ and the account of Sasanian History in the Arabic Codex Sprenger 30“, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 30 (2005), 52–93, hier vor allem 65ff und Jackson-Bonner, Michael Richard: Al-Dīnawarī’s Kitāb al-Aḫbār al-Ṭiwāl: An Historiographical Study of Sasanian Iran (Res Orientales, 23), Leuven 2015, 46–50.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 55 „regionalen Herrscher“ (mulūk aṭ-ṭawāʾif) anzutreffen ist, womit die Epoche zwischen dem Tod Alexanders und dem Beginn des Sassaniden-Reiches mit Ardaschir gemeint ist. 6 Der unmittelbare Kontext der Erwähnung Konstantins befasst sich eigentlich mit dem Krieg zwischen den Römern und den Persern, um den von Arsakes gestürzten Seleukiden-Herrscher Antiochus zu rächen. 7 Der damit entfachte Krieg soll unter der Herrschaft Balāš’ (Vologaeses) stattgefunden haben und konnte dank dem Eingreifen des Prinzen von al-Ḥaḍr (Hatra) zugunsten der Arsakiden (Parther) entschieden werden. Diese von aṭ-Ṭabarī dargestellten Ereignisse sind eigentlich auf den von Vologaeses V geführten Kriegszug gegen Optimus Severus (195–202) bezogen und sind historisch auch gut bezeugt: Nach der römischen Besetzung von Nisibis und der Plünderung Ktesiphons schlug der Angriff auf Hatra fehl und zwang die Römer letzten Endes einzulenken und Frieden zu Die hier dargestellten kriegerischen schließen. 8 Auseinandersetzungen führten eine Reihe weiterer militärischer Konfrontationen zwischen den zwei Weltreichen an, weshalb aṭṬabarī bereits vorausblickend auf die Herrschaft Konstantins greifen kann: Das war für die Römer der Anlass, Konstantinopel zu gründen und den Sitz ihrer Herrschaft weg von Rom dorthin zu verlegen. Derjenige, der die Stadt erbaute, war König Konstantin, der als erster das Christentum annahm. Er vertrieb die dort verbliebenen Juden aus Palästina und Jordanien, weil sie, wie er behauptete, Jesus getötet hätten. Konstantin war derjenige, der das Kreuz gefunden hatte, auf dem nach der Meinung der Christen Jesus gekreuzigt worden sei. Die Römer
Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 704–711 (Übers. Perlmann, in History, Ed. Yar Shater IV, 96–101). 7 Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 705 (Übers. Perlmann, in History, Ed. Yar Shater IV, 97). 8 Vgl. dazu Chaumont, M. L: Art. BALĀŠ, in: EncIr III, 574–580. 6
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CONSTANTINUS ARABICUS priesen es und stellten es in ihre Schatzkammern, wo es bis heute bleibt. 9
Auf die Gründe der Bekehrung Konstantins wird hier nicht eingegangen. Auffallend ist dafür das hier anzutreffende Motiv der Kreuzesauffindung, auch weil auf die Wiedergabe einer bestimmten Version der Legende mit Helena als Protagonistin verzichtet wird. Die Anschuldigung Konstantins an die Juden, Jesus getötet zu haben, erinnert aber an Überlieferungen, die eigentlich nicht mit der Person Konstantins zusammenhängen und die von aṭ-Ṭabarī auch an anderer Stelle aufgenommen wurden, um über die Judenverfolgung unter Kaiser Tiberius zu berichten, ohne jedoch den Namen des Herrschers zu nennen: Nach Ibn Ḥumayd – Salama – Ibn Isḥāq: Der Rest der Apostel wurde angegriffen, bösartig der Sonne ausgesetzt, gefoltert und unehrenhaft vorgeführt. Dies kam dem König der Römer, der über sie herrschte und der ein Götzendiener war, zu Ohren. Es wurde ihm berichtet: „Einer der Juden, der unter deiner Herrschaft lebte, wurde angegriffen und umgebracht. Dieser hätte ihnen verkündigt, dass er ein Gesandter Gottes sei. Er vollbrachte Wunder, weckte Tote wieder auf und heilte die Kranken. Er erschuf sogar einen Vogel aus Lehm und hauchte ihm seinen Atem ein, so dass er mit Gottes Erlaubnis fliegen konnte. Und er sprach über das Verborgene.“ Da sagte der König: „Warum habt ihr mir bisher nichts über ihn und die Juden berichtet? Bei Gott, hätte ich davon erfahren, hätte ich es nicht zugelassen, dass sie ihm irgendetwas angetan hätten!“ Danach ließ er nach den Aposteln suchen und befreite sie aus den Händen der Juden. Er befragte sie über die Religion Jesu
aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 705f (Übers. Perlmann, in: History, Ed. Yar Shater IV, 98): Wa-ḏālika hayyağa r-rūma ʿalā bināʾi l-qusṭanṭīnīyati wa-naqli l-mulki min rūmīyata ilayhā. fa-kāna llaḏī waliya inšāʾahā l-maliku qusṭanṭīn wa-huwa awwalu mulūki r-rūmi tanaṣṣara wa-huwa ağlā man baqiya min banā isrāʾīl ʿan filasṭīn wa-lurdunn li-qatlihim bi-zaʿmihi ʿīsā bin maryam. fa-aḫaḏa l-ḫašabata l-latī wağadahum yazʿumūna annahum ṣalabūna l-masīḥa ʿalayhā. fa-ʿaẓẓamahā r-rūmu fa-dḫalūhā ḫazāʾinahum fa-hiya ʿindahum ilā l-yawmi. 9
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 57 und seine Geschichte. Sie berichteten ihm darüber und er wurde zu einem Nachfolger seiner Religion. Er ließ auch Sergius befreien und verstecken. Er nahm auch das Holz, an dem Jesus gekreuzigt wurde, verehrte es und ließ es aufbewahren, da Jesus es berührt hatte. Der König wurde darum ein Feind der Juden und tötete viele unter ihnen. Ab diesem Zeitpunkt entstand das Christentum in Rom. 10
Die Erzählung ist mit der apokryphen Pilatusliteratur verwandt, welche in der Spätantike eine rege Verbreitung fand. Zu denken ist vor allem an den Brief des Pilatus an Tiberius über die Vorgänge der Kreuzigung Jesu oder an den Bericht über die Bekehrung des Tiberius im Martyrium Pilati, dessen arabische Übersetzung auch davon berichtet, wie Tiberius in Jerusalem alle Juden umbringen ließ. 11 Noch im zehnten Jahrhundert berichten al-Manbiğī und Ibn Baṭrīq, dass sich Pilatus in einem Brief an Tiberius gewandt hätte, um über die Vorfälle um Jesus zu berichten, und dass Tiberius aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 739f (Übers. Perlmann, in: History, Ed. Yar Shater IV, 124): Ḥaddaṯanā ibn ḥumayd qāla Salama ʿan ibn isḥāq qāla: ṯumma ʿadū ʿalā baqīyati l-ḥawārīyīna yušammisūnahum wa-yuʿaḏḏibūnahum wa-ṭāfū bihim fa-samiʿa bi-ḏālika maliku r-rūmi wa-kānū taḥta yadayhi wa-kāna ṣāḥibu waṯani. fa-qīla lahu: inna rağulan kāna fī hāʾulāʾi n-nāsi l-laḏīna taḥta yadayka min banā israʾīl ʿadū ʿalayhi fa-qatalūhu wa-kāna yuḫbiruhum annahu rasūlu llahi qad arāhum al-ʿağāʾiba wa-ḥyā lahum al-mawtā wa-braʾa l-asqāma wa-ḫalaqa lahum mina ṭ-ṭīni ka-hayʾati ṭ-ṭayri wa-nafaḫa fīhi fa-kāna ṭāʾiran bi-ḏni allahi. wa-ḫbarahum bi-l-ġuyūbi. qāla: wayḥakum fa-mā manaʿakum an taḏkurū hāḏā lī min amrihi wa-amrihim. fa-wallahi law ʿalimtu mā ḫallaytu baynahum wa-baynahu. ṯumma baʿaṯa ilā l-ḥawārīyīna fa-ntazaʿahum min aydīhim wa-saʾalahum ʿan dīni ʿīsā wa-amrihi fa-ḫbarūhu ḫabarahu fatābaʿahum ʿalā dīnihim. wa-stanzala sirğus fa-ġayyabahu wa-aḫaḏa ḫašabatahu l-latī ṣuliba ʿalayhā fa-kramahā wa-ṣānaha li-mā massahā minhu. wa-ʿadā ʿalā banā isrāʾīl fa-qatala minhum qatlā kaṯīratan. fa-min hunālika kāna aṣlu n-naṣrānīyati fī r-rūmi. 11 Vgl. Dermandt, Alexander: Pontius Pilatus, München 2012, 101f. Für den Brief des Pilatus vgl. EvAp, 433f. Mit dem arabischen Pilatusmartyrium beschäftigt sich auch eine laufende Dissertation von Bishara Ebeid. 10
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daraufhin die von Jesus gepredigte Religion angenommen hätte. 12 Die Version der hier wiedergegebenen Erzählung lässt sich – wie von Di Branco bemerkt – aber auch mit der Protonike-Legende in Verbindung bringen, vor allem in Bezug auf die Suche und Verehrung des Kreuzes. 13 Die oben wiedergegebene Erzählung ist aṭ-Ṭabarī aus Muḥammad ibn Isḥāq (704–768) bekannt, dem von der muslimischen Tradition in Ehre gehaltenen Verfasser einer Lebensbeschreibung (sīra) Muḥammads. 14 Vor der redaktionellen Überarbeitung Ibn Hišāms – durch welche uns das Werk Ibn Isḥāqs überhaupt bekannt ist – bestand dessen Werk bekanntlich nicht nur aus der besagten Lebensbeschreibung des Propheten, sondern beinhaltete auch eine Sektion über die vorislamische Geschichte (Kitāb al-Mubtadaʾ) wie auch einen Anhang über die Geschichte der Kalifen (Taʾrīḫ al-ḫulafāʾ), wobei letzteres auch ein sekundärer Nachtrag sein könnte. 15 Auch wenn der erste Teil dieses Gesamtwerkes mit seinen Erzählungen über die vorislamischen Propheten verloren ging, wurde es zu einer wertvollen Fundgrube für spätere Autoren wie eben aṭ-Ṭabarī oder den vielleicht bedeutendsten Verfasser der Gattung der Prophetengeschichten (qiṣaṣ al-anbiyāʾ), Abū Isḥāq Aḥmad ibn Muḥammad ibn Ibrāhīm aṯṮaʿlabī (gest. 1036). 16 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Cheikho, CSCO 65, 143f und Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 148. 13 Vgl. dazu Drijvers, Helena Augusta, 147–163 und Di Branco, Storie arabe, 116. 14 Wie andere Abschnitte, bei denen aṭ-Ṭabarī auf Ibn Isḥāq zurückgreift, zieht er auch bei der besagten Erzählung über die erste Kreuzesauffindung seinen Lehrer Muḥammad ibn Ḥumayd als Mittler heran, der seinerseits Schüler des Salama ibn al-Faḍl war, eines Schülers Ibn Isḥāqs. Vgl. Schöler, Gregor: Charakter und Authentie der muslimischen Überlieferung über das Leben Mohammeds (Studien zur Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Orients, N.F. 14), Berlin 1996, 91. Zu Ibn Isḥāq vgl. Jones J. M. B.: Art. „Ibn Isḥāq“, in: EI III, 810f. 15 Vgl. Schöler, Écrire, 65f. 16 Vgl. ʿArāʾis al-mağālis fī qiṣaṣ al-anbiyāʾ or „Lives of the Prophets“, übers. von William M. Brinner, Leiden 2002. Ein Versuch einer Rekon12
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 59 Dass aṭ-Ṭabarī über muslimische Überlieferungsketten Zugriff auf christliches Material hatte, war für die frühen muslimischen Geschichtsschreiber nichts Ungewöhnliches. Es ist allgemein bekannt, dass gerade jüdische Motive in der frühen Koranexegese verbreitet waren. 17 Die muslimische Tradition selber bezeichnet diese Überlieferungen mit dem Fachbegriff israʾīlīyāt („Judaica“), wobei damit auch Erzählungen mitgemeint werden können, die aus dem christlichen Kulturgut stammen. Wie die bei Ibn Isḥāq vorhandene Tiberius-Erzählung können diese Überlieferungen nachträgliche Adaptationen erfahren, um sie für muslimische Ohren verständlicher zu machen. Der dem Kaiser zu Ohren gekommene Bericht über Jesus orientiert sich nämlich vor allem an den zwei Suren-Abschnitten zu seiner Person (Q 3,35–55 und Q 19,18–34). Die Erwähnung der Schöpfung eines Vogels greift sogar im Wortlaut auf Q 3,49 zurück. Diese Verzahnung von Koranexegese und Geschichte, vor allem in Form der Prophetengeschichte (sīra), ist ein charakteristisches Merkmal für einen Vertreter der früheren Geschichtsschreibung wie Ibn Isḥāq. 18 Auch die Erwähnung der Bekehrung des römischen Kaisers und der Verfolgung der Juden ist davon nicht ausgenommen, insofern sie auf Q 3,55 zu verweisen scheint: „Ich will jene, die dir [Jesus] nachfolgen (ittabaʿūka), über jene stellen, die ungläubig sind [die Juden], bis zum Tag der Auferstehung“ (Bobzin). Es ist dabei vor allem die Stichwortverbindung zwischen der Aussage, dass der römische Kaiser der Religion Jesu nachgefolgt sei (tābaʿa), und dem koranischen ittabaʿūka, welches den Zusammenhang sichtbar struktion des ersten Teiles wurde unternommen von Newby, Gordon D.: The making of the Last Prophet: A Reconstruction of the Earliest Biography of Muhammad, Columbia 1989. 17 Für eine Einführung in die Entwicklung der muslimischen Koranexegese vgl. Gilliot, Claude: „Kontinuität und Wandel in der „klassischen“ islamischen Koranauslegung“, in: Der Islam 85.1 (2011), 1– 155, hier vor allem 10ff, und ders.: „The beginning of Qur’ānic Exegesis“, in: Rippin, Andrew (Hg.): The Qur’an: Formative interpretation, London 1999, 1–27. 18 Vgl. Shoshan, Boaz: Poetics of Islamic Historiography: Deconstructing Ṭabarī’s History (Islamic History and Civilization, 53), Leiden 2004, 91f.
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macht. Gänzlich vereinnahmen lässt sich aber auch dieser erste römische Kaiser nicht vom muslimischen Geschichtsschreiber. Auffallend bleibt nämlich der Sachverhalt, dass in aṭ-Ṭabarīs Bericht die Verehrung der Kreuzesreliquie einen wichtigen Platz einnimmt. Auffallend ist überhaupt die Beobachtung, dass Jesus selber am Kreuz gemartert wurde. Gerade die mit Ibn Isḥāq verbundene Autorität hat es anscheinend nicht zugelassen, den Bericht über die Kreuzesauffindung durch den christlichen Kaiser gänzlich zu verschweigen. 19 Aus der Überlagerung dieser unterschiedlichen christlichen Überlieferungen und der koranischen Ausfärbungen kristallisiert sich schließlich in aṭ-Ṭabarīs Bericht aus Ibn Isḥāq das typologische Bild des zum Christentum bekehrten Kaisers, wodurch auch eine Motivübertragung auf Konstantin möglich wird. In diese Richtung deutet auch die Beobachtung hin, dass aṭ-Ṭabarī in seinem KoranKommentar die Meinung überliefert, dass in Q 3,55 eben die zum Christentum bekehrten Römer gemeint sind, welchen die koranische Verheißung gelten soll, dass sie über die Juden herrschen werden. 20 Der im 11. Jh. lebende aṯ-Ṯaʿlabī, der sich auch auf das Werk Ibn Isḥāqs stützt, hat diese Ambivalenz nur bedingt aufgehoben. Bei ihm heißt es an der einschlägigen Stelle: „Dann bekannte er [sc. der König] sich vor den Jüngern zur Religion Jesu, ließ denjenigen herunterholen, der ihm [sc. Jesus] ähnlich ist, und ließ auch das Holz bringen, auf dem er gekreuzigt wurde. Er zollte ihm [sc. dem Kreuz] Ehrerbietung und ließ es aufbewahren für alle, die sich der Geschichte Jesu nicht gewahr sind.“ Vgl. aṯ-Ṯaʿlabī, Lives of the Prophets, Übers. Brinner, 673f. 20 Allerdings verbindet aṭ-Ṭabarī diese Meinung nicht mit der Autorität Ibn Isḥāqs. Vgl. aṭ-Ṭabarī, Ğāmiʿ al-bayān ʿan taʾwīl al-Qurʾān, Ed Beirut 1992, Bd. 3, 291. Es wäre dabei äußerst interessant zu wissen, ob auch der Korankommentar Muqātil ibn Sulaymāns (gest. 767) die Geschichte der Bekehrung des römischen Kaisers auch in seinen Kommentar zu Sure 3 eingebaut hat. Leider ist dies nicht mehr möglich, da nur eine von den zwei überlieferten Fassungen seines Kommentars erhalten ist. Die sog. iranische Fassung, die wohl näher am Original liegt, ist hingegen verloren gegangen, gerade wegen den für den orthodoxen Islam problematisch gewordenen Anthropomorphismen, auf die immer 19
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 61 Im Gesamtkontext der Geschichte Persiens bleibt es aber dabei, dass die Bekehrung Konstantins selber mit nur kurzen Anmerkungen erwähnt wird, wie gerade diese kurze Notiz im Kontext der Berichterstattung über die Herrschaft Schapurs zeigt: Schapur führte einen Waffenstillstand mit Konstantin ein, dem König von Rom, der Konstantinopel gebaut hat und der als erster König von Rom Christ geworden ist. 21
Die Kürze dieser Notiz steht in einem ungleichen Verhältnis zur Ausführlichkeit, mit der direkt im Anschluss über die Feldzüge Julians („Lulianos“) im Osten berichtet wird, für die aṭ-Ṭabarī sogar zwei unterschiedliche Überlieferungen zusammenfügt. Bei der ersten der zwei Erzählungen handelt es sich um eine stark verkürzte und zum Teil auch adaptierte Wiedergabe aus dem Julian-Roman, mit welcher über die Kriegshandlungen zwischen dem Christenverfolger Julian und Schapur und über die Friedensverhandlungen zwischen dem siegreichen König der Sassaniden und Jovian, dem Nachfolger Julians, berichtet wird. 22 Die Wiedergabe aṭ-Ṭabarīs lässt dabei die eindeutig christlichen Färbungen der Erzählung aus und überspringt den wundersamen Bericht darüber, wie sich die Krone von alleine und ohne menschliche Einwirkung von der Standarte auf das Haupt Jovians setzte. 23 Für die Beliebtheit dieser Quelle spricht auch, dass sich wieder zurückgegriffen wird. Zusätzlich muss noch daran erinnert werden, dass auch die handschriftliche Überlieferung der uns erhaltenen bagdadischen Version mehrere Überarbeitungen durchgehen musste, weshalb die vorhandenen Ausgaben Ibn Sulaymāns vorsichtig zu verwenden sind. Vgl. Gilliot, „Koranauslegung“, 14. 21 aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 840 (Übers. Bosworth, in: History, Ed. Yar Shater V, 58). 22 Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 840–843 (Übers. Bosworth, in: History, Ed. Yar Shater V, 58–63) und die jeweiligen Fußnoten in der Übersetzung von Bosworth wie auch die Fußnoten in Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber, 60ff. 23 Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje II, 842 (Übers. Bosworth, in: History, Ed. Yar Shater V, 61) und Gollancz, Julian the Apostate, 213f.
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eine – ebenso stark gekürzte – Version dieser Erzählung auch in ad-Dīnawarī finden lässt. 24 Die zweite Erzählung wiederum ist persischen Ursprungs. 25 Es wird darin erzählt, wie sich Schapur heimlich ins Reich des Kaisers (Qayṣar) wagte, um sich nach der Schlagkraft der römischen Streitkräfte zu erkundigen, und wie er – nachdem er von einem Hellseher überführt wurde – vom Kaiser gefangen genommen wurde und in Stierhaut gewickelt wurde. Nachdem der römische Kaiser daraufhin Persien angriff, konnte sich Schapur befreien und die römischen Armeen wieder zurückschlagen. Schapur war sogar in der Lage, in das römische Reich einzudringen, das Land zu verwüsten und viele Gefangene zu nehmen. Diese zweite Erzählung wurde wohl der ḪudāynāmaTradition entnommen, wie die parallele Überlieferung vermuten lässt. 26 Das Vorkommen des Julian-Romans im Geschichtswerk adDīnawarīs lässt aber gleichzeitig die hypothetische Frage aufkommen, ob zur Zeit der ersten muslimischen Universalgeschichten auch Redaktionen der persischen Herrscherbiographien im Umlauf waren, die bereits mit Erzählungen aus dem christlich-syrischen Raum ergänzt wurden. 27 Im Kontext des Gesamtwerks aṭ-Ṭabarīs taucht das Motiv der Bekehrung des römischen Herrschers zu einem späteren Moment wieder auf, diesmal aber mit einer anderen Zielrichtung, und zwar in der Gestalt des zur Zeit Muḥammads lebenden Kaisers Vgl. ad-Dīnawarī, al-Aḫbār aṭ-ṭiwāl, Ed. ʿIṣām, 94–96. Im Unterschied zu aṭ-Ṭabarī berichtet Letzterer, dass Julian bereits während der Belagerung der Stadt Ktesiphon tödlich getroffen wurde. 25 Vgl. aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa l-mulūk, Ed. de Goeje II, 844–845 (Übers. Bosworth, in: History, Ed. Yar Shater V, 63–65). 26 Vgl. vor allem Nöldeke, Geschichte der Perser und Araber, 64n. Auch der christliche Geschichtsschreiber Ibn Baṭrīq überliefert diese Erzählung, schreibt aber die Rolle des römischen Kaisers dem Galerius zu. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 186. 27 Für eine breitere Diskussion über christliche Einflüsse auf die Rezeption vgl. Jackson-Bonner, Kitāb al-Aḫbār al-Ṭiwāl, 55–57 und Wood, Philip: „The Christian Reception of the Xwaday-Namag: Hormiz IV, Khusrau II and their successors“, in: Journal of the Royal Asiatic Society 26 (2016), 407–422. 24
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 63 Heraklios. 28 Wie viele weitere muslimische Quellen berichtet auch aṭ-Ṭabarī über die Sendung eines Schreibens Muḥammads an die Machthaber seiner Zeit, in welchem er sie dazu aufrief, sich zum Islam zu bekehren. Der byzantinische Kaiser, Heraklios, hat sich dabei in ein besonders positives Licht für die nachkommende Geschichtsschreibung gestellt, indem er die prophetische Mission Muḥammads anerkannte, und nur durch den erbosten Widerstand seiner Minister von der Bekehrung abgehalten wurde. 29 Es bleibt aber dabei, dass auch diese unterschiedlichen Schlaglichter auf die Geschichte Roms nicht davon hinwegtäuschen können, dass dieser eine sekundäre Rolle zukommt. Dieser Grundentscheid, Rom in erster Linie die Rolle eines Gegenspielers der Sassaniden anzuerkennen, wird in den folgenden Jahrhunderten noch in weiteren Geschichtswerken Nachahmer finden, welche die Geschichte aus einer persischen Perspektive darstellen wollen. 30 Es sind aber vor allem Geschichtsschreiber wie al-Yaʿqūbī, die die Geschichte Roms zu einem eigenständigen Gegenstand machen und in einem eigenen Kapitel behandeln.
2. AL-YAʿQŪBĪ UND DIE MULŪK AR-RŪM 2.1. Bemerkungen zu Person und Werk Der erste Geschichtsschreiber, der sich ausführlich über die Herrschaft Konstantins aufgehalten hat, ist Aḥmad ibn Abī Yaʿqūb ibn Ğaʿfar ibn Wahb ibn Wāḍiḥ al-Kātib al-ʿAbbās, bekannt als alZur Darstellung des Heraklios in der muslimischen Geschichtsschreibung vgl. El-Cheikh, Byzantium, 43–48. 29 aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ al-rusul wa-l-mulūk, Ed. de Goeje III, 1561–68 (Übers. Fishbein, in: History, Ed. Yar Shater VIII, 100–107). Vgl. ElCheikh, Byzantium, 43.47 und Shoshan, Islamic Historiography, 62f. 30 Zu nennen ist dabei vor allem aṯ-Ṯaʿālibīs Universalgeschichte und die darin enthaltene Geschichte der persischen Könige, wobei die Autorschaft nicht zweifelsfrei ist. Vgl. Orfali, Bilal: „The Works of Abū Mansūr al-Taʿālibī (350–429/961–1039)“, in: Journal of Arabic Literature 40 (2009), 273–318, hier vor allem 297f. 28
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Yaʿqūbī (gest. um 900). 31 Wie viele Gelehrte seiner Zeit hat auch er weite Teile der muslimischen Welt bereist und darum ein breites Netzwerk an Informanten aufbauen können. Zwischen seinen Aufenthalten in Bagdad und Ägypten hat er in Chorasan auch als Sekretär für die Tahiriden gewirkt. Seine Biographie weist also Merkmale auf, denen wir auch bei anderen Geschichtsschreibern begegnen werden. Beides, sowohl das weit ausgedehnte Netzwerk an Kontakten durch die islamische Welt als auch die Übernahme von politischen Verwaltungsposten und der dadurch gesicherte Lebensunterhalt ermöglichten es auch, nach neuen Bildungsidealen zu streben. Die Einbindung in die Administration des Staates verlieh dem literarischen Arbeiten zudem eine öffentliche Funktion. Von ihm sind sowohl eine Universalgeschichte (Taʾrīḫ alYaʿqūbī) wie auch ein Geographiewerk überliefert (Kitāb al-Buldān). Die Abfassung des Geschichtswerkes wird irgendwann zwischen dem Jahr 872, mit dem sein Geschichtswerk beendet wird, und dem Tod des Verfassers kurz nach der Jahrhundertwende anzusetzen sein. Anders als bei dem weiter unten zu behandelnden al-Masʿūdī sind bei ihm Geographie und Geschichte also noch in zwei unterschiedliche Werke unterteilt. Er verfolgt aber ein ähnliches Projekt wie al-Masʿūdī, indem er versucht, sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Beschreibung der ihm bekannten Welt zu verfassen, um darin das gesamte Wissen über die Geschichte, Kultur und Religion der Menschheit zu organisieren. 2.2. Texte zu Konstantin Die Universalgeschichte al-Yaʿqūbīs ist in zwei Teilen überliefert. 32 Während der zweite Teil vor allem die muslimische Geschichte bis zum Jahr 872 überliefert, bietet der erste Teil einen Überblick über die Geschichte der vorislamischen Völker. Der uns interessierende Abschnitt über die christlichen Könige Roms (mulūk ar-rūm almutanaṣṣara) folgt einem Abschnitt über die Geschichte der
Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 11–15 und Zaman, Qasim M.: Art. „al-Yaʿqūbī“, in: EI XI, 257–258. 32 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, hg. von M. Th. Houtsma, 2 Bde. Leiden 1883. 31
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 65 heidnischen Könige Roms (mulūk ar-rūm), der sich wiederum an die – sehr kurz gehaltene – Geschichte der Könige der Griechen (mulūk al-yūnānīyīn) anschließt. 33 Die zwei Abschnitte über die Geschichte Roms werden im Sinne einer Herrscherliste wiedergegeben, die mit „fahāsāṭuq Julius der Jüngere (al-aṣġar), Sohn des rūm“ bzw. mit Konstantin ansetzen und zu einzelnen Herrschern stichwortartige Beobachtungen zu deren jeweiligen Regierung macht, wobei der Abschnitt zu Konstantin mit Abstand den bedeutendsten Platz einnimmt. 34 Die Geschichte des römischen Reichs verläuft bis zu Konstantin V (reg. 741–775), wobei damit vor allem die Kaiser des Ostreiches gemeint sind. Die linear gehaltene Darstellung der Herrscherliste Roms schließt er mit Exkursen über die im alten Rom verbreiteten philosophischen Schulmeinungen bzw. über die römischen Monatsnamen und Städte. 35 Wie es dazu gekommen ist, dass al-Yaʿqūbī gegenüber seinen Zeitgenossen aṭ-Ṭabarī oder ad-Dīnawarī seinen Blick auch auf die Geschichte der Griechen und Römer ausweitete, bleibt der Spekulation anheimgestellt. Eine wichtige Rolle dürfte wohl das al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 161–64 (griechische Könige), 164–71 (heidnische Könige Roms) und 171–178 (christliche Könige Roms). Zur Darstellung der Geschichte Roms in al-Yaʿqūbī vgl. auch König, Arabic-Islamic Views, 123–125. 34 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 164f. Die Nennung Caesars als Julius der Jüngere mag vielleicht eine orthographische Korrumpierung von Julius der Gelbe (al-aṣfar) sein. Die Benennung der Römer als banū alaṣfār (die Gelben) ist nämlich ein oft vorkommendes Motiv in der muslimischen Literatur. Vgl. Di Branco, Storie arabe, 110–112 und ElCheikh, Byzantium, 24. Dabei ist auch zu bemerken, dass wenig später Theodosius II gleichermaßen als Tīdūsiūs al-aṣġar (al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 174), also Theodoius der Jüngere, genannt wird. Mit Fragezeichen verbunden ist auch die Einordnung der Bezeichnung fahāsāṭuq, die im Zusammenhang mit Julius Caesar erscheint. Möglich ist allerdings, dass es sich um eine Korrumpierung von mūnarḫus (μόναρχος) handelt, mit dem z.B. Ibn Baṭrīq (Annales, Ed. Breydy, 42,14) Julius Caesar bezeichnet. 35 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 166–171 und 176–178. 33
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Vorhandensein von Chroniken und Herrscherlisten gespielt haben, angefangen vom Kanon der Könige des Claudius Ptolomaeus, das – zusammen mit seinen astronomischen und geographischen Werken – wohl bereits seit dem achten oder neunten Jahrhundert auf Arabisch vorlag und welches von al-Yaʿqūbī zu Beginn des Abschnitts über die Geschichte der Griechen auch genannt wird. 36 Auch Herrscherlisten aus der Geschichte Roms scheinen unter muslimischen Geschichtsschreibern des zehnten Jahrhunderts weitgehend bekannt, auch wenn nicht immer zugänglich zu sein. Der persische Chronist Ḥamza al-Iṣfahānī (gest. 961) berichtet am Ende seiner Herrscherliste von Alexander dem Großem bis zu Heraklios davon, dass er mit einer griechischen bzw. byzantinischen Quelle gearbeitet hat, die er nur mithilfe eines Dolmetschers ins Arabische übersetzen konnte. 37 Neben dieser ersten Liste überliefert al-Iṣfahānī auch eine zweite, mit Konstantin ansetzende Herrscherliste des bagdadischen Richters al-Wakīʿ, der auch seinerseits auf die Hilfe eines Übersetzers angewiesen war. 38 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 161 und Di Branco, Storie arabe, 39f. 37 Und zwar behauptet al-Iṣfahānī, dass er „diese chronologische Liste“ (hāḏihi at-tawārīḫ) von einem in Gefangenschaft geratenen Römer erhalten habe, der bei ʿAbd al-ʿAzīz Dulaf als Kammerdiener angestellt war und der der griechischen Sprache zwar mächtig war, aber nur mit viel Mühe Arabisch konnte. Es war aber der im Heer des Sultans dienende Sohn dieses Römers der ihm aus „einem Buch in griechischer Sprache“ (min kitāb lahu rūmī l-ḫaṭṭ) übersetzte, welches von seinem Vater gelesen bzw. diktiert wurde (ʿan lisāni abīhi). Vgl. al-Iṣfahānī, Taʾrīḫ, Ed. Gottwaldt, 70 (Übers. ebd., 52f) und dazu Di Branco, Storie arabe, 131, Pourshariati, Parvaneh: „Ḥamza al-Iṣfahānī and Sāsānid Historical Geography of Sinī mulūk al-ʾarḍwʾ al-anbiyāʾ“, in: Gyselen, Rika (Hg.): Des Indo-Grecs aux Sassanides: Données pour l'histoire et la géographie historique (Res Orientales, 17), Bures-sur-Yvette 2007, 111–140, hier vor allem 119, und Rubin, Zeev: „Ḥamza al-Iṣfahānī’s sources for Sasanian History“, in: Jerusalem Studies in Arabic and Islam 35 (2008), 27–58, hier vor allem 29f. 38 Der genannte Richter hat – so die Aussage al-Iṣfahānīs – die Herrscherliste aus der „Schrift eines römischen Kaisers“ (kitāb malikin min mulūk ar-rūm) entnommen, welches er mithilfe eines Übersetzers ins 36
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 67 Damit gibt al-Iṣfahānī zu erkennen, dass die Beschäftigung mit der Geschichte Roms das Interesse für griechischsprachige Quellen aufkommen ließ, dass diese aber nur selten in arabischer Übersetzung vorlagen, weshalb es umso nennenswerter erschien, Angaben über die vorhandenen Übersetzungsmöglichkeiten zu machen. Über eine weitere mögliche Herkunft solcher Herrscherlisten unterrichtet uns der noch zu behandelnde Geschichtsschreiber al-Masʿūdī, indem er eine Chronik erwähnt, die er in Antiochien in der Cassianus-Kirche (kanīsa al-Qusyān) gefunden haben will. 39 Indem er also auf die vorhandenen Handschriften in kirchlichen Archiven bzw. Bibliotheken der unter islamischer Herrschaft sich befindenden Städte angewiesen blieb, teilt al-Masʿūdī ähnliche materielle und logistische Voraussetzungen mit den Übersetzern, die in den Jahrhunderten zuvor wissenschaftliche und philosophische Werke aus dem Griechischen übertrugen. 40 Diese Herrscherlisten können eine Nähe zu den Kurzchroniken des eusebianischen Typus gehabt haben. In kurzen Notizen – allerdings von den Listen abgesondert – macht alIṣfahānī nämlich auch einige Angaben zu einzelnen römischen Herrschern. Bei Konstantin scheint ihm dabei noch vor der Erwähnung seiner Bekehrung zum Christentum die Beobachtung wichtiger zu sein, dass sich Konstantin nach Byzanz begeben hat und die Stadt in Konstantinopel umbenannte und zum Sitz seiner Herrschaft machte. 41 Aus al-Iṣfahānī wiederum entnimmt der Universalgelehrte Abū ar-Raiḥān Muḥammad ibn Aḥmad al-Bīrūnī (gest. 1048) in seinem chronographischen Hauptwerk, dem Kitāb al-Āṯār al-bāqiya, Arabische übertragen konnte. Vgl. al-Iṣfahānī, Taʾrīḫ, Ed. Gottwaldt 76– 80 (Übers. ebd., 57–60) und Di Branco, Storie arabe, 132. 39 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 719. Zur Cassianus-Kirche vgl. Kennedy, Hugh: „Antioch: From Byzantium to Islam and back again“, in: Rich, John (Hg.): The City in Late Antiquity (Leicester-Nottingham in Ancient Society, 3), London 1992, 181–198, hier vor allem, 187f. 40 Vgl. Gutas, Greek Thought, 179. 41 Vgl. al-Iṣfahānī, Taʾrīḫ, Ed. Gottwaldt, 73f (Übers. ebd., 55f).
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die mit Konstantin ansetzende Liste der Könige von Konstantinopel. 42 Daneben überliefert er noch zwei chronologische Tafeln über die Herrschaftsjahre der römischen Kaiser von Augustus bis Carus bzw. von Diokletian bis Basileios I, wobei er wie al-Yaʿqūbī die zweite Tafel als Liste der „christlichen Könige“ (mulūk an-naṣrānīya) einführt. 43 Dazu ergänzt er die Herrschernamen auch mit kurzen Einträgen zum Leben der jeweiligen Kaiser. Über Konstantin berichtet er: Konstantin: Der erste König, der das Christentum angenommen hat. Er baute die Mauern Konstantinopels. Im ersten Jahr seiner Herrschaft suchte seine Mutter Helena nach dem Kreuz und fand es. Im 19. Jahr seiner Herrschaft versammelten sich die Bischöfe in Nizäa und legten die Gesetze des Christentums fest. 44
Auch al-Yaʿqūbī könnte eine oder mehrere tabellarische Darstellungen der Geschichte Roms vor sich gehabt haben, verzichtete aber auf die Wiedergabe der Herrschaftsjahre und überhaupt des tabellarischen Layouts, was ihm aber im Gegenzug die Möglichkeit gab, die sehr knöchrigen Notizen zu den einzelnen Monarchen gegebenenfalls auszubauen. Es fällt dabei auf, dass sich der Geschichtsschreiber, der über die jüdischen Kriege unter Titus und Adrian zu berichten weiß, 45 mit keinem Wort zu den Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte äußert. Die in der christlichen Tradition mit besonders heftigen Christenverfolgungen in Zusammenhang gebrachten Kaiser Domitian, Decius oder Diokletian werden hier nur mit Namen erwähnt. 46 Damit gibt er auch zu erkennen, dass er nicht beabsichtigt, die Herrschaft Vgl. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 97f (Übers. ders., 106). Vgl. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 93–96 (Übers. ders., 104f). 44 al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 95 (Übers. ders., 105): Qūsṭanṭīnūs: awwalu malikin tanaṣṣara wa-huwa bānī suwari qusṭanṭīnīyata wa-fī awwali sanatin min mulkihi ṭalabat ummuhu hīlānī ḫašabata ṣ-ṣalībi ḥattā wağadathu wa-fī t-tāsiʿata ʿašrata iğtamaʿa l-asāqifatu bi-niqīyata fa-waḍaʿū šarāʾiʿa n-naṣrānīyati. 45 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 164f. 46 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 164f. 42 43
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 69 Konstantins als Ende einer „Verfolgungszeit“ darzustellen. Mit der Bekehrung Konstantins wird dennoch eine Zäsur in der Geschichte des römischen Reichs markiert. Dies kommt kompositorisch dadurch zum Ausdruck, dass der an sich summarische Bericht über die Herrschaft Konstantins im Kontext der gesamten Geschichte Roms mit Abstand am meisten Platz einnimmt und weit über das hinausgeht, was die Herrscherlisten zu Konstantin berichten konnten: Der erste der Könige Roms, der von der Religion der Griechen in das Christentum eintrat, war Konstantin. Der Grund dafür war, dass er gegen ein fremdes Volk zum Krieg auszog. In einem Traum sah er, wie Lanzen vom Himmel herabkamen, und wie darüber Kreuze erschienen. Am Morgen ließ er auf seine Lanzen Kreuze anbringen. Daraufhin zog er in den Kampf und errang den Sieg. Das ist der Grund, warum er Christ wurde. Von da an stand er für die christliche Religion ein, baute Kirchen und ließ die Bischöfe aus allen Ländern versammeln für die Aufrichtung der christlichen Religion. Es war ihre erste Synode und es trafen in Nizäa 318 Bischöfe und vier Patriarchen zusammen, und zwar der Patriarch von Alexandrien, der Patriarch von Rom, der Patriarch von Antiochien und der Patriarch von Konstantinopel. Der Grund, weshalb Konstantin sie versammeln ließ, war, dass er Christ geworden war und die christliche Religion zu Herzen trug und sich darum wünschte, mehr über das Christentum zu lernen. Und er ließ die Lehrmeinungen zählen und er fand deren dreizehn. […] Und so versammelte Konstantin die 318 Bischöfe und die vier Patriarchen. Zu jener Zeit gab es keine anderen als sie. Der Patriarch von Alexandrien nahm das Wort und sagte dass Christus eine geschaffene Gottheit sei. Als sie sich versammelten, widersetzten sie sich ihm und alle gemeinsam stimmten mit der Lehre überein, dass Christus vom Vater vor aller Schöpfung geboren wurde und von der gleichen Natur des Vaters sei. Sie erwähnten aber noch nicht den Heiligen Geist. Sie bekräftigten weder, dass er Schöpfer sei noch dass er geschaffen sei. Sie kamen aber darüber überein,
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CONSTANTINUS ARABICUS dass der Vater Gott sei und der Sohn eine Gottheit von ihm her. Und sie verließen Nizäa. Konstantins Herrschaft währte 55 Jahre. 47
Am Anfang des Kapitels über die Geschichte der christlichen Könige Roms stellt der Autor sowohl die Bekehrung des Königs selber als auch die Bekehrung des römischen Reiches in den Mittelpunkt der Erzählung. Die Zentralität der Bekehrung Konstantins fällt dabei umso mehr auf, als die weiteren großen Themen der Konstantinrezeption – so die Kreuzesauffindung und die Gründung Konstantinopels – verschwiegen werden. Auch für die politischen Bedingungen hinter dem Aufstieg Konstantins zur Macht scheint sich der Geschichtsschreiber nicht zu interessieren und behauptet lediglich, dass sich Konstantin in militärischer Mission gegen fremde Völker befand. Motivgeschichtlich ist der Bericht über die Kreuzesvision insofern von Interesse, als auch ein Liturgiekommentar aus der al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 171f: Wa-kāna awwala man malaka min mulūki r-rūmi fa-ḫarağa min maqālati l-yūnānīyati ilā nnaṣrānīyati qusṭanṭīn. wa-kāna sababu ḏālika annahu kāna yuḥāribu qawman fa-raʾā fī manāmihi kaʾanna rimāḥan nuzila bihā mina s-samāʾi ʿalayhā ṣulbānun. fa-lammā aṣbaḥa ḥamala ʿalā rimāḥihi ṣ-ṣulbāna ṯumma ḥāraba fa-ẓafira wa-kāna ḏālika sababa tanaṣṣurihi. fa-qāma bi-dīni nnaṣrānīyati wa-banā al-kanāʾisa wa-gamaʿa al-asāqifata min kulli baladin liiqāmati dīni n-naṣrānīyati fa-kāna awwala iğtimāʿin lahum fa-ğtamaʿū biniqīyata ṯalāṯu-miʾatin wa-ṯamāniyata ʿašara usqufan wa-arbaʿu baṭāriḫatin baṭraḫu l-iskandarīyati wa-baṭraḫu rūmīyata wa-baṭraḫu anṭākīyata wabaṭraḫu l-qusṭanṭīnīyati. wa-kāna sababu ğamʿi qusṭanṭīn hāʾulāʾi annahu lammā tanaṣṣara wa-ḥallat an-naṣrānīyatu bi-qalbihi arāda an yastaqṣī ʿilmahā. fa-ḥṣā maqālāti ahlihā fa-wağada ṯalāṯa ʿašrata maqālatan. […] fağamaʿa qusṭanṭīn ṯalāṯa-miʿatin wa-ṯamāniyata ʿašara usqufan wa-arbaʿa baṭāriḫatin wa-lam yakun fī ḏālika l-ʿaṣri ġayruhum. baṭraḫu l-iskandarīyati yaqūlu anna al-masīḥa maʾlūhun maḫlūqun. fa-lammā iğtamaʿū nāẓarūhu fī ḏālika. fa-ğmaʿa maqālata l-qawmi ğamīʿan an qālū anna al-masīḥa wulida mina l-abi qabla kawni l-ḫalāʾīqi wa-huwa min ṭabīʿati l-abi wa-lam yaḏkurū rūḥa l-qudus. wa-lā aṯbatūhu ḫāliqan wa-lā maḫlūqan wa-lākin waqafū ʿalā anna al-aba l-ilāhu wa-l-ibna ilāhun minhu. wa-ḫarağū min nīqīyata wa-kāna mulku qusṭanṭīn ḫamsan wa-ḫamsīna sanatan. 47
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 71 Feder des Katholikos Išōʿbarnūn (gest. 828), der von der weiter unten noch zu behandelnden Chronik von Siirt zitiert wird, ähnlich wie die gerade zitierte Passage eine am Himmel erscheinende Lanze erwähnt: Der Katholikos Išōʿbarnūn berichtet in seinen „Fragen des Diakons Makarios“, dass Konstantin das Kreuz in der Nähe des Lagers sah, sich darüber erstreckend, und zwar in der Form einer Lanze aus unterschiedlichen Sternen, auf deren Spitze das Abbild des Kreuzes aus unterschiedlichen Sternen war und darüber eine Inschrift aus Sternen: „Mit diesem Zeichen wirst du siegen“. 48
Bei der hier angegebenen Schrift „Fragen des Diakons Makarios“ – dem eben angesprochenen Liturgiekommentar aus der Feder des Katholikos Išōʿbarnūn (gest. 828) – handelt es sich um ein Werk, das al-Yaʿqūbī um einige Jahrzehnte vorausging. 49 Des Weiteren ist dieses Motiv auch Gabriel von Baṣra, dem Autor einer nestorianischen Rechtssammlung bekannt. 50 Dieses Motiv schien also zwischen dem neunten und dem zehnten Jahrhundert in der ostsyrischen Literatur durchaus verbreitet gewesen zu sein, so dass auch ein muslimischer Geschichtsschreiber wie al-Yaʿqūbī, der Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 266,7–10: Wa-īšūʿbarnūn alḫāṯulīq yaqūlu fī masāʾili māqāriyus aš-šammāsi anna ṣ-ṣalība raʾāhu qusṭanṭīn bi-l-qurbi min maḍribi mumtaddan ʿalayhi ka-r-rumḥi min kawākibi mutamayyizati wa-fī raʾsi r-rumḥi ṣūratu ṣ-ṣalībi min kawākibi ġayri muštabikatin wa-maktūbun mina l-kawākibi ʿalayhi: annaka bi-hāḏā lmiṯāli taġlibu. 49 Einige Abschnitte dieses liturgischen Kommentars sind überliefert in Hs. Vat. Syr. 187 ff. 87r–92r. Vgl. dazu Baumstark, GSL, 220 und Assemani, BO II, 487. Vgl. auch Emles, Idris: Mysterienfeier in der Ostsyrischen Kirche im 9. Jh: Die Deutung der göttlichen Liturgie nach dem 4. Traktat einer anonymen Liturgieerklärung (Ästhetik – Theologie – Liturgik, 30), Münster 2004, 11f. 50 Vgl. Kaufhold, Hubert: Die Rechtssammlung des Gabriel von Baṣra und ihr Verhältnis zu den anderen juristischen Sammelwerken der Nestorianer (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, 21), München 1976, 120f. 48
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mehrere Jahre zwischen Bagdad und Chorasan verbracht hat, damit vertraut werden konnte. Quantitativ dreht sich der Bericht über den ersten christlichen Kaiser aber vor allem um das von Konstantin einberufene Konzil von Nizäa. Auch in den Abschnitten, in denen er über die Nachfolger Konstantins berichtet, fügt er einschlägige Informationen über die folgenden Konzile ein und wechselt somit ständig zwischen Dynastie- und Konzilsgeschichte ab. Es scheint also, dass al-Yaʿqūbī eine Konzilsliste als Quelle verwendete, die er ergänzend in die ihm zur Verfügung stehende Herrscherliste einfügte, wie die doppelte Erwähnung der Bekehrung Konstantins – am Anfang des Abschnitts über die christlichen Könige und zu Beginn der Darstellung des Konzils – vermuten lässt. Da er sich dabei auf die ersten sechs Konzile beschränkt, liefert der Geschichtsschreiber selber einen Hinweis darauf, dass er eine kurz nach 775 verfasste Sammlung melkitischer Herkunft benutzte. 51 Die Bekehrung Konstantins erhält hier also die Funktion, das Konzil von Nizäa und damit die Reihe der weiteren Konzile einzuleiten. Der arianische Streit, der eigentlich am Anfang des Konzils stand, wird nicht explizit erwähnt. Stattdessen wird auf die große Anzahl der unterschiedlichen Lehrmeinungen hingewiesen, die am Konzil vertreten waren. In dieser Hinsicht erinnert uns die Darstellung des Konzils stark an den Konzilsbericht des Maruta, in dem gleich wie bei al-Yaʿqūbī dreizehn unterschiedliche Lehrmeinungen aufgezählt werden, die am Konzil vertreten waren. 52 Auf Maruta zurückgehen dürfte auch die Nennung der Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 13. König, Arabic-Islamic Views, 125 geht hingegen von einer nestorianischen Quelle aus. 52 Vgl. Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 22–27 (Übers. ders., 1724). Al-Yaʿqūbī dürfte eine verkürzte und adaptierte Häretikerliste aus den Konzilsschriften des Maruta vor Augen gehabt haben, von der auch Ibn Baṭrīq Gebrauch gemacht haben könnte. Beide erwähnen nämlich eine Gruppe, die Maria und Jesus als zwei Gottheiten verehren, wie auch eine Gruppe, die die Gottheit Jesu mit der Feuer-Metapher deuteten. Vgl. alYaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 172 und Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, 125,19–127,4. Bei al-Yaʿqūbī scheint diese häresiologische Liste zudem auf eine muslimische Leserschaft zugeschnitten worden zu 51
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 73 vier Patriarchen, die am Konzil teilgenommen haben. Im zweiten der unter seinem Namen überlieferten Kanones heißt es nämlich: Es ist der Wille der allgemeinen Synode, dass es nur vier Patriarchen auf dem ganzen Erdkreis geben soll, wie es vier Evangelisten, vier Flüsse des Paradieses und vier Windrichtungen gibt und wie auch die Weisen dieser Welt behaupten, dass es vier Elemente gibt, von denen alles seinen Ursprung hat. 53
Während direkt im Anschluss aber gesagt wird, dass es sich bei den vier Patriarchen um die Kirchenoberhäupter von Rom, Alexandrien, Ephesos und Antiochien handelt, scheint der muslimische Geschichtsschreiber bereits eine Version vor sich gehabt zu haben, die die Viererliste bereits an die späteren Entwicklungen angepasst und Ephesos mit Konstantinopel ersetzt hatte. Die zentrale Rolle dieser vier Kirchenoberhäupter zeigt sich nun aber darin, dass der eigentlich langwierige arianische Streit als Lehrdisput zwischen den Patriarchen dargestellt wird, in welchem gerade der alexandrinische Patriarch als Vertreter der „arianischen“ Lehre erscheint, wonach Christus geschaffener Natur sei. Diese verdrehte Darstellung erstaunt, gerade angesichts der sachgemäßen Bemerkung des Geschichtsschreibers, dass das Glaubensbekenntnis von Nizäa noch keine Aussage über die Göttlichkeit des Heiligen Geistes enthalten habe. Diese Frage hat man nämlich, wie der Geschichtsschreiber auch mitteilt, erst am Konzil von Konstantinopel geregelt. In diesem Zusammenhang zitiert er das darin formulierte Glaubensbekenntnis (das sog. Nicaeno-Constantinopolitanum) in ganzer Länge. 54 sein, indem sie die unterschiedlichen Lehrmeinungen über Jesus mit Begriffen umschreibt, die auch aus dem Koran bekannt sind. Das gilt vor allem für die Bezeichnungen Jesu als Mensch, Prophet, Wort Gottes und Geist Gottes. Vgl. Robinson, Neal: Art. „Jesus“, in: EQ III, 7–21, vor allem 15–17. 53 Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 59 (Übers. ders., 53). 54 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 173f. Ein Vergleich mit dem griechischen Originaltext zeigt, dass nur wenige Elemente ausgelassen
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Auch die Darstellung der folgenden Konzile geht im Unterschied zu derjenigen des Konzils von Nizäa wieder pointierter auf die jeweiligen dogmengeschichtlichen Hintergründe ein. Dies scheint auch dadurch bedingt, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen Melkiten, Nestorianern und Jakobiten dafür anbieten, die Entstehung der unterschiedlichen Kirchen zu erklären, die zu den Zeiten al-Yaʿqūbīs zwischen dem Zweistromland und Ägypten anzutreffen waren, auch wenn dies mit Hilfe einer Quelle geschieht, die die melkitische bzw. chalkedonensische Perspektive einnimmt. Der zwischen Nestorios und Kyrill von Alexandrien ausgetragene Streit um die Gottesmutterschaft Marias am Konzil von Ephesos und die sich daraus ergebene Abspaltung der nestorianischen Kirche von der Reichskirche bieten für den auch in Bagdad wirkenden Geschichtsschreiber die Gelegenheit, auf deren Verbreitung im Zweistromland und auf deren Leitung durch den Katholikos (ğāṯulīq) hinzuweisen. 55 Im Folgenden scheint al-Yaʿqūbī eher eklektisch mit seiner Quelle umzugehen, indem er den Streit um die Natur (ṭabīʿa) Christi nicht mit Dioskoros von Alexandrien und dem daraufhin einberufenen Konzil von Chalkedon verbindet, sondern über ein Ereignis aus der Vorgeschichte dieses Konzils berichtet, und zwar über die Verurteilung des Eutyches (Ṭarasiūs) an der Synode von Konstantinopel wenige Jahre zuvor. 56 Das Konzil von Nizäa unterscheidet sich im Bericht alYaʿqūbīs von den folgenden auch dadurch, dass es das einzige bleibt, das vom Kaiser selber einberufen wurde. Die Bedeutung des ersten Konzils liegt im Kontext des Geschichtswerkes also darin, die Durchsetzung eines bestimmten Glaubensbekenntnisses zu einem historiographischen Strukturprinzip zu gestalten, um Stellen zu markieren, an denen die Herrschaft (mulk) – im Sinne einer von werden, wie zum Beispiel der Satz „und er [sc. Jesus] wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten“ (καὶ πάλιν ἐρχόμενον μετὰ δόξης κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς). Vgl. Denzinger, Heinrich: Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg i.Br. 2014, 57f. 55 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 174f. 56 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 175.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 75 Radtke genannten translatio imperii – von einer Dynastie zur nächsten übergeht. 57 Damit greift er in der Praxis auf das voraus, was al-Bīrūnī in Form eines Axioms zu Beginn des Kapitels über die unterschiedlichen Zeitrechnungen zum Ausdruck bringt: Eine Ära umfasst eine festgesetzte Zeitdauer, die ab dem Beginn eines ersten Jahres gezählt wird, in welchem ein Prophet gesendet wurde, der mit Zeichen und Beweisen [seiner göttlichen Mission] ausgestattet wurde, ein starker und mächtiger König aufstieg, ein Volk durch eine universale Sintflut vernichtet wurde […] oder in welchem ein Wechsel der Dynastie oder der Religion vollzogen wurde. 58
Bereits zu Beginn der jeweiligen Kapitel über die Herrschaft der heidnischen und christlichen Könige Roms zeigt der Geschichtsschreiber auch, wie er die Bekehrung Konstantins und daher den Übergang der Herrschaft zu den christlichen Kaisern kulturgeschichtlich einordnet. So sagt er zu Beginn seiner Darstellung der Geschichte Roms, dass die griechische Sprache ganz in Vergessenheit geriet und nur das übrig blieb, was „sie der Herrschaft der Griechen verdanken.“ 59 Es ist dabei bezeichnend für al-Yaʿqūbīs kulturgeschichtliches Interesse, dass er der Darstellung der griechischen Philosophen mehr Seiten widmet als der gesamten römischen Geschichte. 60 An erster Stelle, um nur einen Namen zu nennen, werden die Sabäer genannt, die für einen muslimischen Geschichtsschreiber wie al-Yaʿqūbī noch Teil der Vgl. Radtke, Weltbeschreibung, 13. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 13 (Übers. ders., 16): At-taʾrīḫ hiya muddatun maʿlūmatun tuʿaddu min ladun awwali sanatin māḍiyatin kāna fīhā mabʿaṯu nabīyun bi-āyātin wa-burhānin aw qiyāmu malikin musallaṭin ʿaẓīmi š-šaʾni aw halāku ummatin bi-ṭūfānin ʿāmmin muḫarribin […] aw intiqālu dawlati aw tabaddulu millatin. 59 al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 164. 60 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 166–171. Eine französische Übersetzung dieses Abschnittes ist erhalten in Genequand, Charles und Lasserre, François: „Chapitres d’une histoire de la philosophie grecque chez al-Yaʾqub“, in: Museum Helveticum 42 (1985), 191–204. 57 58
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religiösen Landschaft waren, die unter muslimischer Herrschaft fortbestand, vor allem im Umfeld der Stadt Harran. 61 Wenn es nun zur Einführung der Konstantingeschichte heißt, dass er sich von der Religion bzw. Lehrmeinung (maqāla) der Griechen abwandte, dann klingt auch ein Stück weit die Interpretation mit, wonach die Christianisierung des römischen Reiches nochmals einen weiteren Schritt der Abkehr vom kulturellen Erbe der griechischen Antike darstellen würde. 62 Im Vergleich zu al-Masʿūdī ist diese Wertung jedoch nicht derart zugespitzt, dass damit auch ein wissenschaftlicher Niedergang gemeint ist. Jedoch ist bereits hier die Tendenz der muslimischen Geschichtsschreibung zu erkennen, die Geschichte Roms durch den Blickwinkel einer Konkurrenzsituation zu lesen: Whether treated with hostility or with admiration, Constantine was acknowledged as the political mind behind the transformation of the Roman Empire into a Christian Empire that had become the real antagonist, as well as the mirror of the Caliphate. 63
Diese ideologische Funktionalisierung der Geschichte Roms hat alYaʿqūbī jedenfalls nicht davon abgehalten, anhand der ihm vorhandenen Quellen eine systematische und methodologisch standhafte Rekonstruktion der Geschichte Roms anzubieten. Die Selbstverständlichkeit, mit der er auf christliches Material zurückgreift, scheint dabei auf eine bereits bewährte Praxis zu deuten, die also nicht gerechtfertigt werden zu braucht. Al-Yaʿqūbī scheint aber noch auf keine christliche Geschichtsschreiber verweisen zu können, die auf Arabisch Zu den Sabäern vgl. Green, Tamara N.: The City of the Moon God: Religious Traditions of Harran, Leiden 1992. 62 Das Arabische maqāla scheint also al-Yaʿqūbī ähnlich wie Ibn Baṭrīq – der diesen Begriff im Zusammenhang der Anhänger des Arius verwendet (Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, 70,9) – im Sinne von Lehrmeinung zu benutzen. 63 Casari, Mario: „Decoding the Labyrinth: Rome in Arabic and Persian Medieval Literature“, in: Medieval Encounters 17 (2011), 534–565, hier vor allem 540. Vgl. auch Khalidi, Historical thought, 104. 61
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 77 geschrieben hätten und die ihm also als schriftliche Autoritäten für die Behandlung der Geschichte Roms dienen konnten. Dies ändert sich aber mit den nun zu behandelnden melkitischen Geschichtsschreibern des zehnten Jahrhunderts.
3. MAḤBŪB AL-MANBIĞĪ UND DIE SYRISCHEN GESCHICHTSKOMPILATIONEN 3.1. Bemerkungen zu Autor und Werk Das erste der uns erhaltenen arabischen Geschichtswerke eines christlichen Verfassers stammt aus der Feder des Melkiten Maḥbūb ibn Qusṭanṭīn al-Manbiğī. Während er in der westlichen Forschung vor allem als Agapius von Hierapolis bzw. als Agapius von Mabbug bekannt ist, wird er in der folgenden Arbeit mit der nisba (gentilicium) al-Manbiğī angegeben werden, so wie er auch den späteren arabischen Geschichtsschreibern bekannt war. Sein Name wird bereits – zusammen mit dem Melkiten Saʿīd ibn Baṭrīq – vom zeitgenössischen muslimischen Geschichtsschreiber al-Masʿūdi (10. Jh.) erwähnt, der eine Liste seiner christlichen Quellen bietet. Zu diesen beiden Autoren schreibt er: Eine große Zahl an Christen, und zwar Melkiten, Nestorianer und Jakobiten, haben zu allen Zeiten Geschichtswerke verfasst. Die schönsten Abhandlungen über die Geschichte der Könige, der Propheten, der Völker, Länder und ihresgleichen, die ich bei den Melkiten einsehen konnte, sind das Buch Maḥbūb ibn Qusṭanṭīn al-Manbiğīs und das Buch Saʿīd ibn alBaṭrīqs, der auch bekannt ist als Ibn al-Farrāš der Ägypter und Inhaber des Patriarchenstuhls des Apostels Markus in Alexandrien war. Ich selbst habe ihn in Fusṭāṭ in Ägypten gesehen. Sein Werk endet mit dem Kalifat ar-Rāḍīs. 64
al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 154 (Übers. de Vaux, 212): Wa-qad allafa ğamāʿatu mina l-malikīyati wa-n-nusṭūrīyati wa-lyaʿqūbīyati kutuban kaṯīratan mimman salafa wa-ḫalafa minhum. waaḥsanu kitābin raʾaytuhu li-l-malikīyati fī taʾrīḫi l-mulūki wa-l-anbiyāʾi wal-umami wa-l-buldāni wa-ġayri ḏālika kitābu maḥbūb ibn qusṭanṭīn almanbiğī wa-kitābu saʿīd bin al-baṭrīq al-maʿrūfu bi-ibni l-farrāš al-miṣrī 64
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Aus diesem Abschnitt lassen sich nur sehr allgemeine Informationen zur Biographie der zwei genannten melkitischen Geschichtsschreiber ablesen. Aus der nisba al-Manbiğī geht hervor, dass er wohl mit der Stadt Mabbug (Hierapolis) in Verbindung zu bringen ist. Wir besitzen aber keine sicheren Textzeugnisse, die uns bestätigen können, ob er aus Mabbug stämmig ist oder ob er in dieser Stadt als Bischof wirkte. Letzteres dürfte wahrscheinlicher sein. 65 Sein Geschichtswerk besteht aus zwei Teilen. Für den ersten Teil, der von der Schöpfung bis in die Zeit von Herodes reicht, besitzen wir mehrere Handschriften, die zur Grundlage der zwei uns verfügbaren Editionen wurden. Die Edition von Vasiliev (1910–11) basiert dabei auf zwei Sinai-Handschriften aus dem Katharina-Kloster (Sinai Arab. 409 und Sinai Arab. 579) und auf eine Handschrift aus Oxford (Nicoll Bodl. Arab. 51). 66 Aus der Überschrift von Sinai Arab. 579 geht zudem hervor, dass das Geschichtswerk ursprünglich nicht als Kitāb al-ʿUnwān (Buch des Titels), sondern als Kitāb at-Taʾrīḫ (Buch der Geschichte) bekannt war. 67 Die Ausgabe von Cheikho (1912) hingegen basiert auf Beirut Arab. 3 (16./17. Jh.) und Beirut Arab. 4 (1819) mit Vergleichung baṭriyarku kursī mārqus bi-l-iskandarīyati wa-qad šāhadnāhu bi-fusṭāṭa miṣra. intahā bi-taṣnīfihi ilā ḫilāfati r-rāḍī. 65 Vgl. Breydy, Michael: „Richtigstellungen über Agapius von Manbiĝ und sein historisches Werk“, in: Oriens Christianus 72 (1988), 90– 96, hier 92. 66 Vgl. al-Manbiğī, Histoire universelle, hg. und übers. von Alexander Vasiliev, PO 5, 7, 8 und 11. Eine italienische Übersetzung ist verfügbar in Agapio di Gerapoli: Storia Universale, übers. von Bartolomeo Pirone (Studia Orientalia Christiana, 21), Napoli 2013. Die genannten Handschriften werden benannt nach Nicoll, Catalogus, 56f (Oxford) bzw. Kamil, Catalogue, 32 und 50 (Sinai). Vasiliev nummeriert die Sinai-Handschriften noch nach dem Katalog von M. Gibson als Sinai Arab. 456 und Sinai Arab. 580. Eine Randnotiz will Sinai Arab. 579 sogar ins 10. Jh. datieren, macht aber den Eindruck, aus zweiter Hand eingefügt worden zu sein. Vgl. Breydy, „Agapius“, 93f, der sie auf das Ende des 13. Jh. datiert. 67 Eine zweite Hand hat dabei auf der Höhe dieser Überschrift das Wort ʿunwān (Titel) beigefügt, und so dieses Missverständnis verursacht. Vgl. Breydy, „Agapius“, 92f.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 79 von Šarfeh Arab 16/1 (1662). 68 Insgesamt bieten diese Handschriften aber einen schlechteren Text. 69 Der zweite Teil des Geschichtswerkes wird nur von Florent. Or. 132 aus dem 13. Jh. überliefert. Obwohl die Handschrift mit den militärischen Expeditionen des Kalifen al-Mahdī (reg. 775–785) gegen Byzanz unterbrochen wird, geht aus einer Notiz hervor, dass das Werk im Jahr 330 nach der Hiğra – also im Jahr 942 – verfasst wurde und dass es vielleicht auch bis dorthin reichte. 70 Agapius Episcopus Mabbugensis: Historia Universalis – hg. von Cheikho S. J., CSCO 65/Arab. 5, Paris 1912. Vgl. auch Graf, GCAL I, 40, Pirone, Agapio, 21 bzw. 23f. Die Handschriften der Cheikho Edition gehen auf Nicoll Bodl. Arab. 51 zurück, die wiederum auf Sinai Arab. 579 zurückgeht, wie man am Sachverhalt erkennt, dass alle diese Handschriften an der gleichen Stelle unterbrochen werden. Vgl. Breydy, „Agapius“, 91f. 69 Vgl. Breydy, „Agapius“, 94. 70 Vgl. Breydy, „Agapius“, 90f und Pirone, Agapio, 17 und 24. Nicht zu verwechseln mit dem Werk al-Manbiğīs sind die Ergänzungen zum ersten Teil seines Geschichtswerkes, welche in der Handschrift Nicoll Bodl. Arab. 51 ff. 187v–301v (vgl. dazu Nicoll, Catalogus, 57) und in den davon abhängigen Handschriften der Cheikho-Edition überliefert bzw. gedruckt wurden. Auf diese Ergänzungen hat bereits Michael Breydy hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass sich darunter sowohl eine Konziliengeschichte als auch Auszüge aus einer „Geschichte der Könige von Rom“ befinden, die stark miteinander verflochten worden sind (vgl. Breydy, „Agapius“, 95). Die Zusätze scheinen in den besagten Handschriften als Ersatz für den zweiten Teil von al-Manbiğīs Geschichtswerk zu fungieren. Die Vorrede zur Konziliengeschichte (Ed. Cheikho, CSCO 65, 148–153) wird noch vor der „Geschichte der Könige von Rom“ wiedergegeben, während die Notizen zu den Konzilen selber erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen werden (Ed. Cheikho, CSCO 65, 166ff). Dazwischen werden Berichte zu den Königen der alten römischen Monarchie und der römischen Republik eingefügt (Ed. Cheikho, CSCO 65, 154–166). Ab der Geburt Jesu wechseln sich die Berichte zu den Synoden in regulären Abständen mit denjenigen zu den jeweils herrschenden Kaisern ab. Die Berichte über die Herrschaft Konstantins verstreuen sich dabei über die verschiedenen Abschnitte, die den im Zusammenhang der arianischen Streitigkeiten abgehaltenen 68
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In der Einleitung bekundet al-Manbiğī seine Intention, ein Geschichtswerk zu schreiben, „welches auf Griechisch Chronicon genannt wird“ (huwa al-kitābu llaḏī yusammā bi-r-rūmīyati ḫrūnīqūn). 71 Das Werk als solches lässt sich aber besser als eine Mischkompilation bezeichnen. Darin nimmt al-Manbiğī einen Impuls auf, den er in der syrischen Geschichtsschreibung selber vorgefunden hat. Exemplarisches Beispiel ist in dieser Hinsicht zum einen eine syrische Kompilation aus dem 6. Jh., deren anonymer Autor heute noch als Ps.-Zacharias Rhetor bekannt ist, da sie eine Epitome der verloren gegangenen Kirchengeschichte des Zacharias von Mytilene überliefert, 72 welche auch von Evagrius Synoden gewidmet sind. Es werden dabei seine Taufe durch Silvester (vgl. Ed. Cheikho, CSCO 65, 208,9–209,2), die Gründung Konstantinopels (vgl. Ed. Cheikho, CSCO 65, 212,10–213,14) oder die Teilung des Reiches vor dessen Tod (vgl. Ed. Cheikho, CSCO 65, 219,2–4) erwähnt. Eine Notiz gilt auch der Ermordung von Fausta und Crispus durch Konstantin. Dieses geschichtliche Ereignis gehört bekanntlich zu denjenigen Kapiteln aus dem Leben des ersten christlichen Kaisers, die sich für die nachkommende christliche Geschichtsschreibung als Hypothek erwiesen haben und darum auch jeweils anders „weginterpretiert“ wurden (vgl. Schmitt, Oliver: Konstantin der Große (275– 337), Stuttgart 2007 221–29). Auch in diesem kurzen Text verhält es sich nicht anders: „Fausta aber stellte ihrem erstgeborenen Sohn Crispus nach und tötete ihn, weil er sich wie sein Vater hat taufen lassen. Darum wurde auch sie mit einem grausamen Tod bestraft“ (Ed. Cheikho, CSCO 65, 212,17–213,2). Mit dem „grausamen Tod“ Faustas ist wohl die Erstickung in einem erhitzten Bad gemeint, wie Zosimos und Philostorgius berichten (vgl. Schmitt, Konstantin, 222f). 71 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 572. 72 Zu Zacharias von Mytilene vgl. Allen, Pauline: „Zachariah Scholasticus and the ‘Historia Ecclesiastica’ of Evagrius Scholasticus“, in: The Journal of Theological Studies: New Series 31 (1980), 471–88 und The Chronicle of Pseudo-Zacharia Rhetor: Church and War in Late Antiquity, hg. von Geoffrey Greatrex, übers. von Robert R. Phenix und Cornelia B. Horn und eingel. von Sebastian Brock und Witold Witakowski (Translated Texts for Historians, 55), Liverpool 2011, hier vor allem 3–31.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 81 Scholasticus (gest. um 600) aufgenommen wurde. 73 Ohne in weitere Details zu gehen, ist dabei zu erwähnen, dass einige der z.B. von Michael dem Syrer Zacharias zugeschriebenen Passagen nicht in der uns handschriftlich zur Verfügung stehenden Kompilation des Ps.-Zacharias zu finden sind, was darauf hinweist, dass im syrischen Raum mehrere Versionen dieser Kompilation im Umlauf waren. 74 Eine Passage aus der Einführung dieses Werkes hat programmatischen Charakter und könnte auch auf al-Manbiğī angewendet werden: Es ist nun richtig und angemessen für wissbegierige und bedachte Leser, dass – im Anschluss an die drei Kirchengeschichten des Eusebius, Sokrates und Theodoret – diejenigen Ereignisse, welche zu unterschiedlichen Zeiten stattgefunden haben und zerstreut darniederlagen, ohne je in einem einzelnen Band gesammelt worden zu sein, nun auf der Grundlage von Dokumenten, Briefen oder auch vertrauenswürdigen mündlichen Zeugen zusammengetragen und niedergeschrieben werden. 75
Da die Kirchengeschichtswerke der drei genannten Autoren nur die Zeit bis Theodosius II abdecken, war die Suche nach einschlägigen Quellen für die Nachfolgezeit von besonderem Interesse. 76 Auch für die Zeit davor hat der syrische Kompilator auf weiteres Quellenmaterial zurückgegriffen. Er beschränkt sich Vgl. The Ecclesiastical History of Evagrius Scholasticus, übers. und eingel. von Michael Whitby (Translated Texts for Historians, 33), Liverpool 2000 und Chesnut, Glenn F.: The First Christian Histories: Eusebius, Socrates, Sozomen, Theodoret, and Evagrius, Macon 21986, 215–230. 74 Vgl. Greatrex, Pseudo-Zacharia Rhetor, 57–59 und – für eine Übersicht über die von Ps.-Zacharias verwendeten Quellen – ebd., 39–57. 75 Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, Ed. Brooks, CSCO 83, 5 (Übers. Greatrex, 78). 76 Der Vergleich mit einer ähnlich lautenden Passage in Evagrius (Historia ecclesiastica, Ed. Hübner I, 116) lässt vermuten, dass Ps.-Zacharias auch diesen Verweis auf die drei genannten Kirchengeschichten aus der Vorlage des Zacharias entnommen hat. Vgl. dazu auch Greatrex, PseudoZacharia Rhetor, 35n und 45. 73
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mit der Legende der Sieben Schläfer von Ephesos oder mit der Silvesterlegende aber auf Überlieferungen, die durch die drei genannten Kirchengeschichtswerke nicht bezeugt werden. Gerade der Verweis auf Sokrates im Kontext der Berichterstattung über die Streitigkeiten um Nestorios und Eutyches zeigt dabei, dass der Kompilator die Kenntnis und Verfügbarkeit seiner Kirchengeschichte voraussetzen kann. 77 Umso wichtiger erschien es aber Ps.-Zacharias-Rhetor, gerade auf die problematischeren Aspekte dieser Werke hinzuweisen, um seine eigene Kompilationsarbeit zu rechtfertigen: Da nun die syrischen Handschriften bei den genealogischen Tafeln Unterschiede und Abweichungen vom griechischen Text sowie auch eine niedrigere Jahreszahl beinhalten, ist es richtig und für unser Vorhaben angemessen, beim Buch der Genesis anzusetzen und danach mit dem Buch von Asenat und mit der Taufe und Unterweisung Konstantins durch Silvester fortzufahren, von denen Eusebius und Sokrates einen wenig akkuraten und von der Wahrheit abweichenden Bericht wiedergegeben haben. Es war nämlich nicht so, dass der Kaiser sich am Ende seines Lebens hat taufen lassen, wie sie geschrieben haben, denn sowohl in schriftlicher Form als auch in Bildern ist an verschiedenen Orten Roms der Bericht über die Unterweisung durch Silvester bezeugt. Einige, die da waren und diese gesehen haben und wieder zurückgekehrt sind, haben uns darüber erzählt. 78
Einen ähnlichen Kompositionscharakter weist Ende des achten Jahrhunderts verfasste Chronik die die Geschichte von der Schöpfung bis in abdeckte. Unter den verwendeten Quellen sind
auch die gegen von Zuqnin auf, die eigene Zeit die Chronik des
Vgl. Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, Ed. Brooks, CSCO 83, 123 (Übers. Greatrex, 85). 78 Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, Ed. Brooks, CSCO 83, 5f (Übers. Greatrex, 78f). Für die Überlieferung der Geschichte von Josef und Asenat wie auch für eine Identifikation von möglichen Augenzeugen, die sich in Rom aufgehalten haben vgl. Greatrex, Pseudo-Zacharia Rhetor, 48. 77
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 83 Eusebius, die Kirchengeschichte des Sokrates, welche für die Zeit von Konstantin bis Theodosius II die Hauptquelle bildet, und die Kirchengeschichte Johannesʼ von Ephesos zu zählen. Schließlich sei an dieser Stelle noch in Erinnerung gerufen, dass al-Manbiğī auch den in der syrischen Geschichtsschreibung bereits vorhandenen Impuls aufnahm, über die Geschichte Roms hinaus die Geschichte der arabischen Eroberer zu dokumentieren, und im konkreten Fall die Chronik des Theophilus von Edessa in seine Kompilation integrierte. 79 3.2. Texte zu Konstantin Das umfangreiche Material, das der melkitische Geschichtsschreiber zu Konstantin überliefert, macht es erforderlich, den folgenden Abschnitt in drei Blöcke zu gliedern, die jeweils die Erzählung über die von Konstantin aufgedeckte Verfälschung der biblischen Schriften (a) und die Konstantingeschichte selber beinhalten (b) und einen kurzen Blick auf die weitere Geschichte des christlichen Roms werfen (c). a) In al-Manbiğīs Geschichtswerk, lange bevor die römische Geschichte überhaupt erwähnt wird, spielt Konstantin bereits bei der Behandlung der frühen Menschheitsgeschichte eine wichtige Rolle. Nachdem sich al-Manbiğī nämlich über die biblische Urgeschichte von Adam bis Abraham und über die natürliche und klimatische Zusammensetzung der bewohnten Erde aufgehalten hat, fügt er eine längere Erzählung über die Verfälschung der hebräischen Bibel ein. Diese besteht aus mehreren Episoden und berichtet über die Umstände der Verfälschung, über die während der Regierungszeit Konstantins erfolgte Auffindung der intakt gebliebenen griechischen Bibel und über den Streit um die Deutung der Daniel-Prophetie über die 70 Wochenjahre. 80 Damit Vgl. Hoyland, Theophilus of Edessa, 14f. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 639–660. Eine Übersetzung und Analyse dieser gesamten Passage ist enthalten in Lamoreaux, John C.: „Agapius of Manbij“, in: Noble, Samuel and Treiger Alexander (Hgg.): The Orthodox Church in the Arab World (700 – 1700). An Anthology of Sources (Orthodox Christian Series), DeKalb IL 2014, 136– 159. 79 80
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will er auf eine für die christliche Geschichtsschreibung schwierige Angelegenheit zu sprechen kommen, und zwar auf die in der griechischen und hebräischen Bibel anzutreffenden Unterschiede in der Berechnung der Lebensjahre der Urväter von Adam bis Terach. Dieses Problem bildet gerade in al-Manbiğīs Weltgeschichte ein stets wiederkehrendes Motiv. 81 Nicht nur die Bibel, sondern vor allem die breite Rezeption der Chronik des Eusebius hat die christliche Geschichtsschreibung stets auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Die in Form von aufeinanderfolgenden genealogischen Tabellen, die Eusebius auf der Grundlage der Völkertafeln von Gen. 5,1–32 und Gen. 11,10–26 erstellte, geben die voneinander abweichenden Zählungen der hebräischen, griechischen und dazu auch der samaritanischen Bibel auf anschauliche Art wieder. 82 Als Erstes gibt al-Manbiğī die Geschichte der Herrschaft Alexanders des Großen und seiner Nachfolger in Ägypten in summarischen Zügen wieder und bettet darin eine ausführliche Erzählung über die durch Ptolemaios in Auftrag gegebene Übersetzung der Septuaginta (LXX) ein. 83 Im Anschluss berichtet alManbiğī, wie die jüdischen Hohepriester Annas und Kaiphas den ursprünglichen Wortlaut der Bibel verfälscht hätten, indem sie von den Lebensjahren der biblischen Patriarchen hunderte von Jahren vom Lebensabschnitt vor der jeweiligen Erstgeburt abgezogen hätten, die für die Zählung der Jahre seit der Schöpfung verwendet werden. 84 Dadurch hätten sie den Anspruch der Nachfolger Jesu strittig machen können, in der verheißenen messianischen Zeit zu leben. Erst dank Konstantin, so führt al-Manbiğī weiter fort, konnte diese Verfälschung nachgewiesen werden: So zum Beispiel öfters im Durchgang durch die Urgeschichte, vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 571–638. 82 Vgl. Eusebius von Caesaraea, Chronik, Ed. Karst, 38–44. 83 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 639–645. Zur Rezeption der Legende der Übersetzung der Septuaginta bei den orientalischen Geschichtsschreibern vgl. Wasserstein, David: The Legend of the Septuagint from Classical Antiquity to Today, Cambridge 2006, 132–173, hier vor allem 144–152. 84 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 645–647. 81
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 85 Und er [sc. Konstantin] ging nach Jerusalem, um nach den Reliquien Christi und nach den Büchern der Propheten zu suchen, um daraus welche auszuwählen und von ihnen Nutzen zu ziehen. Alle Juden übergaben ihm ihre Bücher. Unter den Büchern, die sie ihm überreichten, befand sich auch ein Exemplar der verfälschten Torah. Bis dahin herrschte unter ihnen [sc. den Juden] Eintracht, es gab aber einige unter ihnen, die sich davor fürchteten, dass das Bekenntnis Jesu Christi und das, was ihm zugestoßen ist, ans Licht kommen würden. Diese schlichen sich in die Gegenwart Konstantins und informierten ihn über die Verfälschung der Torah, die sie ihm übergeben haben, und über ihr trügerisches Verhalten ihm gegenüber. Sie informierten ihn auch darüber, dass die von den 70 Übersetzern angefertigte Kopie versteckt gehalten war und dass Abschriften davon in Alexandrien, Rom und in den dazwischenliegenden Städten vorhanden waren. Also ließ er nach den jüdischen Priestern senden und ihnen über das berichten, was er gehört hatte. Diese aber leugneten alles und wiesen die Berichte zurück. Daraufhin ordnete Konstantin an, sie einzusperren und schickte seine Gesandten nach Alexandrien, Rom und in die anderen Städte, damit man ihm die Kopie bringen würde. Die Nachricht erreichte die eingesperrten Priester. Aus Angst um ihr Leben ließen sie diese Kopie einigen ihrer gottlosen Ältesten zukommen und baten sie, dem König darüber Bescheid zu geben, nachdem aber sie von ihm die Zusicherung sicheren Geleits erhalten hätten. Sie taten dies und brachten ihm nach einigen Tagen die Kopie. Konstantin ordnete daraufhin die Befreiung der Priester aus dem Gefängnis an. Nachdem er jeweils eine Kopie davon aus Alexandrien, Rom und aus den anderen Städten erhalten hat, verglich er sie und fand darin überall den gleichen Wortlaut. Danach fragte er nach der verfälschten Torah und fand darin offensichtliche und deutliche Abweichungen [in der Zeitberechnung] der Generationen und [in der Bestimmung] der Jahrhunderte, welche jeweils vom ersten Lebensabschnitt vor der Geburt des [ersten] Sohnes abgezogen worden sind,
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CONSTANTINUS ARABICUS der für die Berechnung des Weltzeitalters berücksichtigt wird, und zu dem letzten Lebensabschnitt [nach der Geburt der jeweiligen Söhne] hinzugefügt worden sind, welcher nicht mehr berücksichtigt wird. 85
Die Erzählung weist in gewisser Hinsicht Parallelen mit der Kreuzesauffindungslegende auf, vor allem mit der Judas-KyriakosLegende. In beiden Erzählungen wird nämlich vom Suchen einer der Vergessenheit anheimgefallenen Reliquie gesprochen und in beiden Fällen führt die Suche über die jüdischen Gelehrten selber, die wegen ihrer anfänglichen Renitenz bestraft werden. Die eigentliche „Reliquie“, die hier aber aufgefunden und von der Vergessenheit befreit wird, ist die Torah, und zwar in der Form ihrer griechischen Übersetzung. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 647,7–649,1: Faqadima ilā l-bayti l-maqdisi wa-ṭalaba āṯāra l-masīḥi wa-kutuba l-anbiyāʾi liittiḫāḏihā wa-l-intifāʿi minhā fa-dafaʿa ilayhi al-yahūdu ğamīʿū kutuba. wakāna kitābu t-tawrīyati l-fāsidati fīmā dafaʿū ilayhi. wa-qabla ḏālika mā kāna waqʿu l-ḫilāfi baynahum min baʿḍi man kāna yaḫāfu minhum an yaẓhara l-iqrāru bi-l-masīḥi wa-bimā ğāʾa bihi. fa-ndassa ulāʾika ilā qusṭanṭīn al-maliki wa-ʿlamūhu fasāda t-tawrīyati l-latī dafaʿū ilayhi waġiššahum lahu fī ḏālika wa-anna n-nusḫata l-latī qadima bihā s-sabʿīna lmufassirina qablahum maḫfīyatun wa-anna lahā naẓīr[an] fī madīnati liskandarīyati wa-rūmīyata wa-mā baynahumā mina l-madāʾini fa-baʿaṯa ilā kahanati l-yahūdi fa-ʿlamahum mā waqaʿa ilayhi. fa-nkarū ḏālika wağaḥadū maʿrifatahu. fa-amara bihim ilā l-ḥabsi wa-baʿaṯa rusulahu ilā liskandarīyati wa-rūmīyata wa-ġayrihumā man yaʾtīhi bi-n-nusḫati. fabalaġa ḏālika l-kahanata l-maḥbūsīna wa-taḫūfū ʿalā anfusihim fa-dassū tilka n-nusḫata ilā baʿḍi l-mašyaḫatihim ad-dahrīyīna wa-saʾalahum iṭlāʿa qusṭanṭīn al-maliki ʿalā amrihā baʿda an yaʾḫuḏū lahum minhu al-amāna. fa-faʿalū ḏālika wa-ḥamalū n-nusḫata ilayhi min baʿda ayyāmin fa-amara bi-iḫrāği l-kahanati mina l-ḥabsi wa-tawāfat ilayhi nusḫatuhā mina liskandarīyati wa-rūmīyata wa-ġayrihumā fa-ğamaʿa baynahumā faṣābahumā qiyāsan wa-kalām[an] wāḥid[an]. ṯumma daʿā bi-t-tawrāti lfāsidati fa-wağada fasādahā ṭāhiran bayyinan rağulan rağulan wasinī[ni]him al-miʾatan al-miʾatan al-latī nuqilat min awāʾili sinī[ni]him almaḥsūbati li-maddati taʾrīḫi sanā l-ʿālam ilā āḫiri sinī[ni]him al-latī lā tuḥsabu qabla an yūladu lahum al-awlādu. 85
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 87 Eine ähnliche Streitfrage in Bezug auf die Deutungshoheit über die Heilige Schrift bietet auch die sich über mehrere Seiten erstreckende Auslegung der Daniel-Prophetie der 70 Wochenjahre (Dan. 9, 24–27), mit der bereits die frühchristliche Literatur die Ankunft Christi in Verbindung bringt. Nachdem die Juden Konstantin gesagt hatten, dass diese Prophetie auf die alttestamentlichen Könige hin auszulegen sei, da auch sie gesalbt seien, ließ Konstantin die Bischöfe zu sich kommen und bat sie um eine passende Antwort. 86 Diese Erzählung hängt mit dem vorherigen Bericht über die Suche nach der Bibel-Kopie eng zusammen. Al-Manbiğī präzisiert nämlich zu Beginn dieses Abschnittes über den Interpretationsstreit der Daniel-Prophetie, dass gerade die besagte Auseinandersetzung Konstantin zum Aufsuchen einer unverfälschten Kopie der Torah bewog. 87 Diese einzelnen Episoden machen im Werk al-Manbiğīs den Eindruck eines geschlossenen Ganzen und könnten ursprünglich sogar Teil eines Traktates gewesen sein. 88 Vielleicht hat der melkitische Geschichtsschreiber die einzelnen Episoden aber auch separat vorgefunden und redaktionell zusammengefügt. 89 Die Bemerkung, mit welcher die Erzählung (qiṣṣa) über die Verfälschung der Torah abgeschlossen wird, weist jedenfalls auf eine externe Quelle hin und könnte auch als Hinweis verstanden Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 649–657. Wie Lamoreaux, „Agapius“, 315f (nn. 42 und 54) nachweist, fasst al-Manbiğī die ausführliche Antwort der Bischöfe aus dem Daniel-Kommentar Theodorets von Cyrus (Commentarius in Danielem, Ed. Hill, 244–261) zusammen, auch auf Kosten der Verständlichkeit. 87 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 650f. 88 Vgl. Lamoreaux, „Agapius“, 143, der an anderer Stelle auch den Chronographen und Astronomen Theophilus von Edessa als mögliche Quelle erwähnt. Vgl. Lamoreaux, „Agapius“, 314 (n. 26). 89 Dafür würde die Beobachtung sprechen, dass die Erzählung der Verfälschung der Bibel durch die jüdischen Hohepriester – jedoch ohne die Verbindung mit Konstantin – noch in einer christlich-arabischen Pentateuch-Handschrift aus dem 13. Jh. auftaucht. Vgl. Wasserstein, Septuagint, 157f. 86
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werden, dass der Geschichtsschreiber diesen Bericht sogar aus einer nichtarabischen Quelle entnommen hat: Jetzt, da wir den Bericht über die Übersetzung der Siebzig übertragen und erläutert haben und auch über die Sorge Konstantins und sein Forschen nach den Ursachen der in der Bibel auffindbaren Unterschiede [berichtet haben], sollen wir nun wieder dorthin zurückkehren, wo wir vorher aufgehört haben, in den Tagen Abrahams, dort, wo wir hingekommen sind, bevor wir diese Erzählung angefangen haben. 90
Noch wichtiger aber ist der Sachverhalt, dass die Polemik in letzter Instanz nicht gegen die hebräische Bibel ausgetragen wird. Die Episode führt den melkitischen Geschichtsschreiber eher zu der ernüchternden Beobachtung, dass die Christen selber im Besitz der verfälschten Torah sind. Das gemeine Volk kennt nur die verfälschte Torah. Bis zum heutigen Tag kennen die christlichen Völker im Osten und im Westen nicht die Gründe für die Unterschiede zwischen der griechischen Torah, die die Siebzig übersetzt haben, und der syrischen Torah, welche eine Übersetzung der verdorbenen und verstümmelten hebräischen Torah ist und welche dennoch von allen Christen in ihren Kirchen gelesen wird. 91
al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 660,4–7: Wa-lʾāna qad fassarnā wa-šaraḥnā l-qiṣṣata fīmā tarğama as-sabaʿīna wa-naqalū mā kāna min ʿināyati qusṭanṭīn al-maliki wa-baḥṯihi ʿan ʿillati l-iḫtilāfi l-laḏī wağada fī l-kutubi fa-anā narğaʿu ilā mā kunnā fīhi min šaḥri zamāni ibrāhīm wa-huwa al-mawḍiʿu l-laḏī kunnā intahaynā ilayhi qabla an tadḫula hāḏihi l-qiṣṣatu. Wie in Lamoreaux, „Agapius“, 158 ist hier das Verb fassara nicht in der herkömmlichen Bedeutung von „auslegen“, sondern „übersetzen“ bzw. „übertragen“ wiedergegeben. Dieser Übersetzungsvorschlag wird einige Zeilen vorher bestätigt, wo mit dem Verb fassara die Übersetzungsarbeit zur Fertigstellung der Septuaginta umschrieben wird (al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 659,6). 91 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 5, 659,4–7: Fa-ammā al-ʿawāmmu fa-lam yakūnū yaʿrifū illā t-tawrāta l-fāsidata wa-kaḏālika ʿammatu n-nāsi mina n-naṣārā l-yawma fī l-mašāriqi wa-l-mağāribi lā 90
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 89 Angesprochen ist dabei nichts weniger als die die unterschiedlichen syrischsprachigen Kirchen verbindende syrische Bibelübersetzung der Peschitta, die eben auf der Grundlage der hebräischen Bibel übersetzt wurde. 92 Al-Manbiğī war aber nicht der erste, der diesen Missstand beklagte. Bereits die syrische Epitome des Zacharias von Mytilene setzt sich zu Beginn seines Werks ausführlich damit auseinander. 93 Interessant ist in dieser Hinsicht auch eine anonyme Chronik des siebten Jahrhunderts melkitischer Herkunft (Ms. Sinai Syr. 10). 94 Wie in al-Manbiğī wird hier der Septuaginta die von den Christen verwendete „Jahreszählung der Syrer“ gegenübergestellt. 95 Über die Umstände, die zu dieser Divergenz führten, halten sich diese syrischen Chroniken und Geschichtswerke aber nicht auf. Mit dem Einbezug der Konstantingeschichte zeigt al-Manbiğī also seinen Wert gerade darin, ein in der syrischen Geschichtsschreibung verankertes Problembewusstsein aufzunehmen und historiographisch weiter zu verarbeiten. Auf die unterschiedlichen Jahreszählungen wurden auch muslimische Autoren aufmerksam, wie das Beispiel al-Bīrūnīs zeigt, der nur wenige Jahrzehnte nach al-Manbiğī schrieb und diese Problematik in Form von genealogischen Tafeln festhielt. Im Unterschied zu den syrischen Geschichtsschreibern gibt er diese Tafeln aber noch im Sinne einer Gegenüberstellung zwischen der jüdischen und der christlichen Bibel wieder. 96 Wie al-Manbiğī yaʿrifūna sababa l-iḫtilāfi l-laḏī fīmā bayna t-tawrāti l-yūnānīyati l-latī fassarahā s-sabaʿūna wa-bayna t-tawrāti s-suryānīyati l-latī hiya nusḫatu lʿibrānīyati l-latī afsadat wa-fīhā n-nuqṣānu wa-ğamīʿu n-naṣārā yaqraʾūnahā fī l-kanāʾisi. 92 Vgl. Lamoreaux, „Agapius“, 142f. 93 Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, Ed. Brooks, CSCO 83, 7–17 (Übers. ders., CSCO 87, 4–12). 94 Vgl. Chronicon Melchiticum, Ed. De Halleux, 5–44. 95 Vgl. Chronicon Melchiticum, Ed. De Halleux, 14f. 96 Die in der Chronik des Eusebius – bzw. in deren armenischen Übersetzung – nacheinander folgenden Völkertafeln gibt al-Bīrūnī im Rahmen einer längeren Diskussion über die sich an der Schöpfung orientierenden Zeitrechnungen wieder, indem er aber in parallel verlaufenden Spalten die jüdische und christliche Zeitrechnung
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erklärt auch al-Bīrūnī das Aufkommen der Unterschiede aber mit Rückgriff auf die Erzählung über das Übersetzungsunternehmen der Septuaginta, ohne jedoch die Geschichte Konstantins anzudeuten und ohne sich darauf festlegen zu wollen, ob die griechische Übersetzung den besseren Text enthalten würde oder ob die Übersetzer selber Änderungen am Text vorgenommen hätten. 97 Doch zeigt das Beispiel al-Bīrūnīs, worauf es ihm und wohl auch anderen muslimischen Geschichtsschreibern ankam, wenn sie auf diese Angelegenheit zu sprechen kamen, und zwar auf die grundsätzliche Unzuverlässigkeit der von Juden und Christen verwendeten Datierungsmethoden. 98 Mit dem Einbezug der Auffindung der echten Torah durch Konstantin mag sich der Bericht al-Manbiğīs darum über eine reine Problembeschreibung erheben und an dieser strategisch wichtigen Stelle innerhalb seiner Weltgeschichte programmatisch wirken, insofern er als Aufgabe für die weitere Geschichtsschreibung mit auf den Weg gibt, „auf nichts weniger als auf die syrische Bibel zu verzichten“ und hingegen auf zuverlässigeres Material zurückzugreifen, gerade im Kontext einer nun auf Arabisch verfassten Weltchronik. 99 b) Eine genaue Bestimmung der Quellenlage für die Abhandlung der Geschichte Roms in al-Manbiğīs Weltchronik bleibt schwer. 100 Abgesehen von der neutestamentlichen nebeneinander stellt. Um den Unterschied zwischen der Jahreszählung der griechischen und hebräischen Bibel zu veranschaulichen, fügt der muslimische Chronograph noch weitere zwei Spalten hinzu, um bei den jeweiligen Urvätern die seit der Schöpfung vergangene Jahreszahl anzuzeigen. Vgl. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 73 (Übers. ders., 85). Die Tatsache, dass der muslimische Geschichtsschreiber neben der christlichen und der jüdischen auch die Existenz einer samaritanischen Torah erwähnt (al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 21 [Übers. ders., 25]), könnte vielleicht darauf hinweisen, dass er die Chronik des Eusebius oder Teile davon gekannt hat, sei es auch mittels Zwischenquellen. 97 Vgl. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 20f (Übers. ders., 24). 98 Vgl. al-Bīrūnī, Āṯār, Ed. Sachau, 13f (Übers. ders., 16). 99 Vgl. Lamoreaux, „Agapius“, 143. 100 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 459 – PO 8, 456.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 91 Geschichte können für die Darstellung der Zeit bis Konstantin mindestens drei Hauptstränge ausgemacht werden: Die Sukzession der römischen Kaiser, die Sukzession der Bischöfe der wichtigsten Zentren des Christentums und die Abfolge der zu den unterschiedlichen Zeiten erschienenen Irrlehren. 101 Dazwischen erwähnt der Geschichtsschreiber immer wieder eingetroffene natürliche Katastrophen, fügt kulturgeschichtliche Notizen über bekannte Gestalten der Antike und über die Herrscher Persiens ein. Für die vorkonstantinische Zeit ist wohl mit der Kirchengeschichte des Eusebius im Hintergrund zu rechnen. 102 Auch unterschiedliche Chroniken scheinen in sein Geschichtswerk eingeflossen zu sein: Zu nennen sind gerade in der Konstantingeschichte zwei längere genealogische Listen von Adam bis zu den Vicennalien Konstantins, die der melkitische Geschichtsschreiber auf Julius Africanus und auf Chrysostomos zurückführt. 103 In beiden Fällen ist eine Bestimmung der Quelle problematisch. Julius Africanus wird von al-Manbiğī zwar an anderer Stelle als verdienter Geschichtsschreiber erwähnt, doch spricht einiges dafür, dass er ihn aus zweiter Hand kannte. 104 Im Falle der besagten Besondere Aufmerksamkeit wird den Lehren Marcions (alManbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 512–14), Bardesanes’ (PO 7, 518–520) und Manis (PO 7, 531–35) gegeben. 102 Ausdrücklich wird die Kirchengeschichte des Eusebius (1,10,1f) im Zusammenhang der Erwähnung der Amtsjahre der Hohepriester Hannas und Kaiphas genannt. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 473,2. 103 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 553–558 und 558–562. 104 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 526 und Wallraff, Martin: „Die neue Fragmentensammlung der Chronographie des Julius Africanus: Bemerkungen zur Methodik anhand einiger Dubia vel Spuria“, in: Ders (Hg.): Julius Africanus und die christliche Weltchronistik (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, 157), Berlin 2006, 45–59, hier 48. Zu Julius Africanus und Georg Synkellos in der syrischen Historiographie vgl. Debié, „Historiographie Greque“, 20– 22. 101
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genealogischen Tafel würde sich eher Georg Synkellos anbieten. 105 Noch schwieriger ist es, die Identität des genannten Chrysostomos (fam aḏ-ḏahab) zu bestimmen. Für die Zeit von Konstantin bis Theodosius II steht alManbiğī in der Rezeptionsgeschichte des Sokrates und Theodoret. Das gilt auch für die Konstantingeschichte. Bei der arabischen Wiedergabe in al-Manbiğīs Chronik handelt es sich aber kaum um wörtliche Übersetzungen aus diesen zwei Geschichtsschreibern, sondern eher um kürzende Paraphrasen, die möglicherweise aus einer vorausgehenden Kompilation entnommen wurden. Wie in den syrischen Kompilationen bereits zu beobachten war, werden auch hier zusätzlich Überlieferungen eingebaut, die in Sokrates und Bei der aus Africanus wiedergegebenen Genealogie handelt es sich um eine Herrscherliste, die die Zeit von Adam bis Konstantin abdeckt. Mit der Ausnahme eines unleserlichen Namens (al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 555,11) und der von Georg Synkellos nicht mehr aufgeführten Kaiser Diokletian und Konstantin sind alle von alManbiğī angegebenen Namen mit Herrschern identifizierbar, die Georg Synkellos innerhalb seiner durch das ganze Werk verstreuten Listen erwähnte. Diese lassen sich folgenderweise gruppieren: Chaldäer – vor der Flut (Ecloga chronographica, Ed. Mosshammer, 24), Chaldäer – nach der Flut (Ed. Mosshammer, 126f), Araber (Ed. Mosshammer, 129), Assyrer (Ed. Mosshammer, 136, 145, 155f, 177f, 210, 217f, 223f, 230f, 240), Meder (Ed. Mosshammer, 287, 310), Perser (Ed. Mosshammer, 303), Alexander (Ed. Mosshammer, 303), Ptolomäer (Ed. Mosshammer, 395–397, 410f, 420), Römer (Ed. Mosshammer, ab 431). Da die Namen der chaldäischen Herrscher vor der Flut noch nicht Teil der Chronographie des Julius Africanus waren (vgl. Chronographiae, Ed. Wallraff, F15), scheint eine Abhängigkeit von Georg Synkellos also plausibler. Obwohl Georgs Chronographie nur die Zeit bis Diokletian (284) abdeckt, äußert sie sich auch über die Zahl der von Adam bis zu den Vicennalien Konstantins vergangenen Jahre (Ecloga chronographica, Ed. Mosshammer, 48), die er im Unterschied zu Eusebius auf 5816 hochrechnet und dabei mit der Zeitangabe übereinstimmt, die auch al-Manbiğī am Ende des Zitats aus Julius Africanus nennt (al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 558). 105
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 93 Theodoret noch nicht zu finden waren, vor allem die Silvesterlegende: Thema
Nachfolger Diokletians
Konstantins Herrschaft Bischofsliste
Schapur König von Persien
Schlacht an der milvischen Brücke Konstantins Einzug in Rom Konstantins Ehefrau Silvesterlegende
Kreuzesauffindung Arius
Synode von Alexandrien
Brief des Arius an Eusebius Einberufung des Konzils Konzil von Nizäa
Bibelauftrag an Eusebius
Sendschreiben Konstantins an die Kirchen Weitere Feldzüge Konstantins
Alexanders Nachfolge durch Athanasius
Absetzung des Eustathios von Antiochien
Eulalios und Sofronios von Antiochien Rehabilitierung des Arius
Genealogien von Adam bis Konstantin Geschichte des Audaios Aufteilung des Reichs Tod Konstantins
al-Manbiğī (Ed. Vasiliev) 539,6–9
539,10–12 540,1–5 540,6–7
540,8–541,4 541,5–8 541,9
541,10–543,7 543,8–544,2 544,3–545,7 545,7f
545,8–546,2 546,3–547,2 547,3–550,5 550,6–9
550,9–551,5 551,6
551,7f
551,9–552,2 552,3
552,4–553,4 553,5–562,5 562,6–564,2 564,3–7
564,8–565,2
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CONSTANTINUS ARABICUS
Eine solche Kompilation mag vielleicht sogar auf Arabisch vorgelegt haben. Und zwar ist es möglich, eine Nähe zum melkitischen Geschichtsschreiber Qusṭā ibn Lūqā aus Baalbek (9./10. Jh.) festzustellen, auf den das heute verloren gegangene Geschichtswerk al-Firdaws fī at-Taʾrīḫ (Das Paradies in der Geschichte) zurückgeht. 106 Da auch in der später noch zu besprechenden Chronik von Siirt Zitate aus Ibn Lūqā überliefert werden, ist es durch einen synoptischen Vergleich möglich, einige Texte in al-Manbiğīs Chronik zu identifizieren, die ebenfalls auf Ibn Lūqā zurückgehen könnten. Einer dieser Kandidaten ist dabei die Erzählung über die Kreuzesvision vor der Schlacht gegen Maxentius. Wie weiter unten noch zu sehen sein wird, bietet die Chronik von Siirt etliche Schwierigkeiten bei der Identifizierung ihrer Quellen, da sie oft stark fragmentiert oder redaktionell bearbeitet worden sind:
Vgl. Panchenko, Konstantin: „Kosta ibn Luka (830-912) i jego mesto v arabo-khristianskoj istoriografii“, in: Pravoslavnyj Palestinskij Sbornik 100 (2003), 153-163 und Swanson, Mark: Art. „Qusṭā ibn Lūqā“, in: CMR II, 147–153. In der griechischen, syrischen und arabischen Sprache gebildet, reiste er durch das byzantinische Reich und kam – während des Kalifats al-Muqtaḍirs (908–932) – nach Bagdad, wo er einer der wichtigsten Vertreter der Übersetzungsbewegung des zehnten Jahrhunderts wurde. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Armenien und starb zwischen 910 und 920. Bekannt geworden ist er auch als Apologet (CMR II, 151–53). Sein breites wissenschaftliches Werk in Medizin, Philosophie aber auch in der Theologie hat sein Geschichtswerk überschattet. Seine weitläufige Bekanntheit ist auch dadurch bezeugt, dass sein Name im bekannten Bücher-Katalog (Fihrist) Ibn an-Nadīms (10. Jh.) auftaucht. Vgl. Fihrist, Ed. Dodge, Bd. 2, 694f. 106
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 95 al-Manbiğī 107
In diesem Jahr bereitete sich Konstantin auf den Krieg [gegen Maxentius] vor, den Sohn Maximianusʼ und Schwiegersohn Diokletians. Er hatte sich [gegen ihn aufgelehnt] und sich Rom und ihrer Umgebung bevollmächtigt und angefangen, ihre Einwohner zu misshandeln und zu verfolgen. Konstantin dachte nach und sagte, dass er diejenige Gottheit anbeten
Chronik von Siirt 108
Qusṭā sagt, dass Maxentius, da er sich in Rom gegen ihn auflehnte, ihm nicht nachfolgte und sich stattdessen über die Stadt bemächtigte. […] Qusṭā ibn Lūqā sagt, dass Konstantin, nachdem er gesiegt hatte, sich fragte: „Welche Gottheit hat mir wohl geholfen, den Sieg über meinen Feind zu erringen und
Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 540,8–541,4 (bei den eckigen Klammern handelt es sich um Konjekturen des Herausgebers): Wa-fī hāḏihi s-sanati astaʿadda qusṭanṭīn [ʿalā maksinṭiyūs] bin maqsimiyān ḫatani diqlīṭiyānūs liʾannahu kāna ʿa[ṣā ʿalayhi] wa-ġalaba ʿalā rūmīyata wamā yalīhā wa-ğaʿala yusīʾu s-sīrata fī n-nāsi wa-yuʿnifuhum. wa-kāna qusṭanṭīn yufakkiru wa-yarwī anna ilāhahu aʿānahu fī hāḏā l-ġazwi wayyāhu yaʿbudu. fa-baynā huwa fī hāḏā yufakkiru iḏ rafaʿa ṭarafahu ilā ssamāʾi nuṣfi n-nahāri fa-raʾā ṣūrata ṣ-ṣalībi fī s-samāʾi miṯla n-nāri wa-kāna fīhā kitābun wa-huwa anna bi-hāḏā š-šakli wa-l-miṯāl taġlibu wa-raʾā ğamīʿu man maʿhu hāḏā al-āyata al-ʿagībata. wa-raʾā tilka al-laylati ssayyida l-masīḥa, lahu l-mağdu, wa-huwa yaqūlu lahu ibʿaṯ ilā ṣāʾiġi fa-qāla lahu an yaṣūġa laka miṯla hāḏā š-šakli l-laḏī raʾayta fī s-samāʾi min ḏahabin fa-annaka taġlibu ʿadūwaka bihi wa-taqharuhu wa-taksibu ğamīʿa man yuḍāduka. fa-lammā asbaḥa faʿala ḏālika wa-li-hāḏihi l-ʿillati l-fāḍilati ṣārat mulūku r-rūmi yuḫriğūna ṣ-ṣalība fī ğuyūšihim wa-ḥurūbihim. 108 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 265,11–266,1 und 267,10– 268,1: Fa-qāla qusṭā anna qusṭanṭīn ġazā maksi[n]ṭiyus liʾannahu ʿaṣā ʿalayhi wa-ġalaba bi-rūmīyata wa-lam yutābiʿuhu wa-ġalaba ʿalā l-madīnati. […] wa-qusṭā ibn lūqā yaqūlu anna qusṭanṭīn lammā ẓafira bi-ʿadūwihi ğaʿala yufakkiru wa-yaqūlu a-turā ayyu l-ālihati aʿānanī ʿalā qahri ʿadūwī wa-hazīmatihi wa-baynamā huwa yufakkiru wa-yarwī fī ḏālika rafaʿa raʾsahu ilā s-samāʾi wa-ḏālika fī nuṣfi mina n-nahāri fa-rāʾa ṣ-ṣalība fī ssamāʾi ka-miṯāli n-nāri wa-fīhi kitābatun an bi-hāḏā š-šakli taġlibu wa-inna ğamāʿata min aṣḥābihi raʾū ḏālika maʿhu fa-ʿağibū. ṯumma fī l-manāmi fī tilka l-laylati kaʾanna qāʾilan yaqūlu lahu ṣuġ miṯla hāḏā š-šakli min ḏahabin fa-annaka taqharu bihi aʿdāʾaka. 107
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werde, die ihm zum Sieg verhelfe. Als er in diesen Gedanken versunken war, hob er sein Haupt zum Himmel, es war in der Mitte des Tages, und er sah das Bild des Kreuzes wie Feuer, auf dem geschrieben war: „Mit diesem Zeichen und mit diesem Bild wirst du siegreich sein!“ Alle, die mit ihm waren, sahen dieses wundersame Zeichen. In derselben Nacht sah er Christus – er sei gepriesen –, der zu ihm sagte: „Geh zu einem Goldschmied und ordne ihm an, ein Abbild aus Gold von diesem Zeichen zu machen, das du am Himmel gesehen hast, und du wirst über deinen Feind siegen und über alle triumphieren, die sich gegen dich widersetzen.“ Als der Morgen anbrach, ließ er alles so anfertigen. Wegen dieses außerordentlichen Ereignisses ließen sich seither die Könige Roms in ihren Heeren und in ihren Kriegszügen vom Kreuz anführen.
ihm eine Niederlage herbeizuführen?“ Als er in diesen Gedanken versunken war, hob er sein Haupt zum Himmel, es war in der Mitte des Tages, und sah das Kreuz am Himmel wie Feuer, und darauf geschrieben: „Mit diesem Zeichen wirst du siegreich sein.“ Alle seine Gefährten sahen dies und waren voll der Bewunderung.
Danach, in derselben Nacht, sah er jemanden im Traum, der ihm sagte: „Mache dir ein Abbild dieses Zeichens aus Gold, und du wirst mit diesem Zeichen deine Feinde besiegen!“
Der Wortlaut Ibn Lūqās ist in der Chronik von Siirt etwas erstaunlich. Darin wird nämlich die Idee vermittelt, dass Konstantin bei der Kreuzesvision die Schlacht gegen Maxentius bereits hinter sich hat. Das hängt mit dem literarischen Kontext des Zitats innerhalb der Chronik von Siirt zusammen. Dort ergänzen die kurzen Zitate aus Ibn Lūqā nämlich die Erzählung über die militärischen Feldzüge Konstantins gegen die Donauvölker. 109 Ob al-Manbiğī jedenfalls direkt auf Ibn Lūqā zurückgreift, wie
109
Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 4,265,10–268,10.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 97 Panchenko vermutet, 110 oder ob beide auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, kann nicht ausgemacht werden. Nach der Schlacht gegen Maxentius fährt al-Manbiğī mit einer Bemerkung fort, die den nächsten Protagonisten der Bekehrungsgeschichte Konstantins einführt: An diesem Tag eroberte Konstantin die Stadt Rom und zog in sie ein. Die Christen aber, die sich darin befanden, flüchteten aus Angst vor ihm. Ebenso flüchtete ihr Bischof Eusebius. 111
Diese Zeilen weisen eine Ähnlichkeit mit der Eusebius-Erzählung aus dem Julian-Roman auf. Dort heißt es aber, dass die Christen die Flucht ergriffen, als Kaiser Julian Rom eroberte, nachdem sich die christlichen Senatoren seinen Plänen widersetzt hatten, die Stadt wieder zum Heidentum zurückzuführen. 112 Nun ist es also Konstantin selbst, der mit seinem Einmarsch in Rom eine Panikreaktion auslöst und darum auch zum Vorboten der späteren Verfolgungen unter Julian wird. Mit der Erwähnung Eusebiusʼ von Rom wird gleichzeitig auf die Judas-Kyriakos-Legende hingewiesen, in deren historischen Einführung Eusebius als Bischof auftritt, der den König nach seinem militärischen Sieg in den christlichen Glauben einweihen soll. 113 Durch diese intertextuellen Bezüge ist also ein geeigneter Übergang zur Silvesterlegende geschaffen, die direkt auf die Schlacht gegen Maxentius folgt und in welcher nun Eusebius an die Stelle Silvesters tritt. Da auch diese Version der Silvesterlegende mit mehreren wörtlichen Übereinstimmungen in der Chronik von Siirt überliefert wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir es wieder mit einem Exzerpt aus Ibn Lūqā zu tun haben: 114
Vgl. Panchenko, “Qusṭā Ibn Lūqā”, 158f. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 541,6–8: Wa-ftaḥa fī hāḏa al-yawmi qusṭanṭīn al-maliku rūmīyata wa-daḫalahā fa-haraba nnaṣārā l-laḏīna kānū fīhā fazaʿan minhu wa-haraba awsābiyūs al-usqufu. 112 Vgl. Gollancz, Julian the Apostate, 43. 113 Vgl. Drijvers, The Finding of the True Cross, 56. 114 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 268,11–269,11. 110 111
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CONSTANTINUS ARABICUS Konstantin litt aber an Lepra, die seinen Körper befiel. Einige der Heiden kamen zu ihm und sagten: „Wenn du von der Lepra geheilt werden willst, lasse die Kinder dieser Stadt umbringen und reinige dich in ihrem Blut.“ Also ordnete er an, die Kinder zu nehmen und sie zu töten. Großer Aufschrei und Klagen gingen durch die Stadt. Als der König dies hörte, erbarmte er sich und ordnete an, dass man sie wieder freilassen und ihren Eltern zurückgeben solle. In der Nacht sah er in einem Traum zwei Männer, die ihm sagten: „Wenn du von deiner Lepra gesund werden willst, lass Eusebius zu dir bringen, den Bischof, der vor dir in die Berge geflohen ist, um sich vor dir zu verstecken. Er wird dich von deiner Lepra heilen“. Am Morgen ließ er den Bischof suchen. Als man ihn fand, führte man ihn zum König, der ihm sagte: „Enthülle mir, du Gottesmann, wer die zwei frommen Männer sind, die ich heute im Schlaf gesehen habe.“ Der Bischof antwortete: „Mein König, die zwei, die du gesehen hast, sind nicht zwei Gottheiten, sondern zwei Menschen wie du. Es sind Petrus und Paulus, Jünger unseres Herrn Christus – er sei gepriesen.“ Daraufhin sandte der Bischof jemanden zur Kirche, damit er ein Bild von diesen zwei herbringe. Als der König diese zwei sah, sagte er: „Diese zwei sind diejenigen, die ich im Traum gesehen habe!“ Danach unterwies der Bischof Konstantin in den Grundlagen des Christentums. Der König wurde gläubig und ließ sich taufen. Bei der Taufe fiel ihm dabei die Lepra wie Fischschuppen vom Leib. 115
al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 541,10–542,9: Wakāna qusṭanṭīn baraṣun fī ğasadihi fa-atāhu qawmun mina l-ḥunafāʾi waqālū lahu: in aradta ayyuhā al-maliku an tanqā min baraṣika fa-ḏbaḥ alaṭfāla l-laḏīna bi-hāḏihi l-madīnati wa-ġtasil bi-damāʾihim. fa-amara biḏālika wa-aḫaḏa l-aṭfāla li-yuḏbaḥūna. wa-kānat ğalabatun ʿaẓīmatun fī lmadīnati wa-manāḥatun. fa-lammā samiʿa al-maliku ḏālika raḥimahum waamara bi-iṭlāqihim wa-dafaʿahum ilā ābāʾihim. fa-lammā ğannahu l-laylu raʾā fī manāmihi rağulayni yaqūlāni lahu: in aradta an tanqā min baraṣika fa-wağğih ilā awsābiyūs al-usqufi l-laḏī bi-rūmīyata wa-annahu mustatirun ʿanka hāribun fī l-ğibāli fa-ğiʾ bihi fa-annahu yubriʾu baraṣaka. fa-lammā 115
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 99 Al-Manbiğīs Vorlage scheint also ein zusammenhängendes Ganzes gebildet zu haben, in welches verschiedene Traditionen bereits eingearbeitet wurden. Auch die Kreuzesauffindungslegende scheint Teil davon gewesen zu sein, da in der Chronik von Siirt auch zu diesem Bericht ein Zitat aus Ibn Lūqā überliefert wird, welches sich zum Vergleich anbietet:
al-Manbiğī 116
Daraufhin bekehrte sich auch Helena zum Christentum, ließ sich taufen und pilgerte nach Jerusalem, um Christus – er sei gepriesen – um
Chronik von Siirt 117
Qusṭā ibn Lūqā erzählt: Als Helena nach Jerusalem ging, fand sie das Kreuz in zwei Teile zerbrochen.
asbaḥa wağğaha fī ṭalabi l-usqufi fa-waqaʿū ʿalayhi fa-atā bihi fa-lammā udḫila ʿalā l-maliki qāla lahu: anbiʾnī yā ilāhī l-bārrayni l-laḏayni raʾaytu fī hāḏihi l-laylati fī nawmi. fa-qāla lahu al-usqufu: ayyuhā al-maliku inna llaḏayni raʾayta laysā ilāhayni lakinnahumā bašaru miṯluka wa-humā buṭrus wa-fūlūs talmīḏā s-sayyidi l-masīḥi lahu l-mağdu. fa-rsala al-usqufu ilā lkanīsati ḥattā atāhu bi-ṣūratihumā. fa-lammā raʾāhumā al-maliku qāla: ḥaqqan inna hāḏayni raʾaytu fī l-manāmi. waʿaẓa al-maliku wa-wḍaḥa lahu burhāna n-naṣrānīyati fa-amana al-maliku wa-iʿtamada. wa-ʿinda ʿitimādihi ḏahaba baraṣuhu wa-saqaṭa miṯla qušūri s-samaki. 116 Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 543,8–544,2: Ṯumma tanaṣṣarat hilānī ummuhu baʿda ḏālika wa-ʿtamadat wa-šaḫaṣat ilā ūrušalīm ḥağğatan wa-ṭalabat as-sayyida l-masīḥa lahu l-mağdu bi-ʿināyati wa-amarat bi-bināʾi kanāʾisi llahi taʿālā fīhā wa-fī ğamīʿi ḥudūdihā wa-kāna ḏālika ʿalā yadi maqāriyūs usqufi ūrušalīm wa-aḫaḏat al-masāmīra l-latī summirat bihā yaday s-sayyidi l-masīḥi lahu l-mağdu wa-riğlayhi faḥamalathā ilā qusṭanṭīn ibnihā fa-ṣāġa minhā liğāman li-dābbatihi waaḫaḏat nuṣfa ṣ-ṣalībi. fīmā yazʿumu l-qawmu wa-dḫalathu ilā qusṭanṭīnīyata. wa-ḫallafat an-nuṣfa l-āḫara bi-fāmīyata. wa-ġašat an-nuṣfa l-laḏī daḫala maʿhā bi-ḏ-ḏahabi wa-naṣabathu bi-qusṭanṭīnīyata fī lkanīsati. wa-mina n-nāsi man yazʿumu annahā lam tuḫallif bi-fāmīyata minhu šayʾan wa-annahā ḥamalathu ilā qusṭanṭīnīyata bi-asrihi. 117 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 273,12–274,3: Wa-ḥakā qusṭā ibn lūqā an hilānī lammā ašḫaṣat ilā ūrušalīm alfat ḫašabata ṣ-ṣalībi maksūratan bi-nuṣfayni fa-aḫaḏat aḥada n-nuṣfayni wa-nfaḏathu ilā qusṭanṭīnūs waladiḥā wa-ḫallafat an-nuṣfa l-āḫara bi-fāmīyata.
100
CONSTANTINUS ARABICUS
seinen Schutz zu bitten. Sie ließ dort wie auch in den umliegenden Gebieten Kirchen zu Ehren Gottes des Hochgepriesenen bauen. Sie vollbrachte dies mit Hilfe des Bischofs Makarios von Jerusalem. Sie nahm die Nägel, mit denen die Hände und Füße Christi – er sei gepriesen – ans Kreuz genagelt wurden, und brachte sie zu ihrem Sohn Konstantin, der daraus einen Zaum für sein Pferd anfertigen ließ. Wie einige behaupten, nahm Helena auch eine Hälfte des Kreuzes und brachte sie zu ihrem Sohn Konstantin, während sie die andere Hälfte in Apamea ließ. Die Hälfte, die sie mit sich brachte, überzog sie mit Gold und ließ sie in Konstantinopel in einer Kirche ausstellen. Einige sagen, dass sie nichts in Apamea zurückließ und die ganze Kreuzesreliquie nach Konstantinopel brachte.
Sie nahm eine Hälfte und sandte sie ihrem Sohn Konstantin und ließ die andere Hälfte in Apamea.
Wie man an der Erwähnung des Bischofs Makarios erkennt, handelt es sich hier um eine Kurzfassung der sog. MakariosLegende. Bei Ibn Lūqā fällt sie noch wesentlich kürzer aus. Das hängt damit zusammen, dass dieses Zitat in der Chronik von Siirt wieder die Funktion hat, einen längeren Bericht zu ergänzen. 118 Ausgelassen wird aber von beiden Autoren der Bericht über die Auffindung der drei Kreuze und die Wunderheilung, durch die das richtige Kreuz ausfindig gemacht werden konnte. Neu ist hingegen die Beobachtung, dass Helena die eine Kreuzeshälfte nicht in Jerusalem, sondern in Apamea aufbewahren ließ. Al-Manbiğī berichtet später, dass Kaiser Justin II einen Teil dieser Kreuzesreliquie nach Konstantinopel überführen ließ und dass – im Zusammenhang des Perserkrieges zwischen Justin II und 118
Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 269,12–272,1.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 101 Chosrau I – die in Apamea gebliebene Hälfte nach Persien entführt wurde. 119 Noch später wird er berichten, dass unter Kaiser Heraklios auch diese nach Konstantinopel zurückgebracht werden konnte, „wo sie sich bis zum heutigen Tag befindet.“ 120 Auch der mit Antiochien eng verbundene Geschichtsschreiber Evagrius Scholasticus berichtet, wie er sich mit seinen Eltern – nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, dass die Perser Antiochien zerstört hatten – auf den Weg nach Apamea gemacht hat, um die dort ausgestellte Kreuzesreliquie zu verehren, und wie er dort Zeuge der wundersamen Erscheinung eines Feuers wurde, das sich über die Reliquie legte. 121 Der Kreuzesauffindungsbericht al-Manbiğīs, dessen Heimatstadt Hierapolis nicht weit von Apamea liegt, ist damit ein weiterer Zeuge für eine anscheinend mehrere Jahrhunderte zurückgehende Lokaltradition, die sich um die Kreuzesreliquie gebildet hatte und die die Geschichte Persiens und die Geschichte Roms miteinander verbindet. Neben dem Themenkomplex der Kreuzesvision, der Taufe und der Kreuzesauffindung bildet die Dokumentation zum Konzil von Nizäa die zweite tragende Säule, auf der die Konstantingeschichte aufgebaut ist. Auch darin steht der melkitische Geschichtsschreiber in der Tradition der syrischen Historiographie, wie noch die Kirchengeschichte des aus dem sechsten Jahrhundert stammenden Barḥadbšabbō ʿArbōyō zeigt. 122 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 435f. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 468. 121 Vgl. Evagrius Scholasticus, Historia ecclesiastica, 4,26, Ed. Hübner II, 496–501 und Tongeren, Louis: Exaltation of the Cross: Towards the Origins of the Feast of the Cross and the Meaning of the Cross in Early Medieval Liturgy, Leuven 2000, 37f. Ein weiterer Beleg für die Bedeutung Apameas ist eine auf das 10. Jh. zu datierende Liste der Bischofssitze des Patriarchats von Antiochien zur Zeit des Patriarchen Anastasios I (558–599), in welcher Apamea als Sitz eines Metropolitanbischofs aufgelistet wird. Vailhé S.: „Une Notitia Episcopatuum d’Antioche du X. Siècle“, in: Échos d’Orient 10 (1907), 90–101, hier 94. 122 Vgl. Tannous, Jack: Art. „Barḥadbšabbā ʿArbāyā“, in EMC I, 143 und Debié, Muriel: „Writing History as ‘Histories’: The Biographical Dimension of East Syriac Historiography“, in: Papaconstantinou, Arietta u.a. 119 120
102
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Al-Manbiğīs Bericht fasst die wesentlichen Punkte des arianischen Streits zusammen, die zur Einberufung des Konzils führten. Der Streit, der anfänglich nur die alexandrinische Kirche betraf, zog immer breitere Kreise, bis Arius an Konstantin appellierte und ihn dadurch selber in die Kontroverse hineinzog und dazu brachte, sich mit einem Brief an Alexander zu wenden, damit Arius vom Kirchenbann befreit werde. 123 Als sich der alexandrinische Bischof weigerte, der Aufforderung nachzukommen, rief Konstantin das Konzil ein, weil er „die Wahrheit kennen lernen, sie erfassen und verstehen wollte.“ 124 Einige dieser Details lassen sich bereits bei den Kirchenhistorikern Sokrates und Theodoret finden, 125 andere hingegen scheinen Sonderüberlieferungen zu widerspiegeln. Das gilt vor allem für das Sendschreiben Konstantins zur Einberufung des Konzils. Schon Vasiliev hat in einer Fußnote zu dieser Passage darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Brief auch auf Syrisch bezeugt ist. 126 Darum ist es auch möglich, die syrischen Lesarten in Klammern anzuführen, von denen al-Manbiğī (bzw. seine Vorlage) abweicht: Von Seiten Konstantins des Königs an die Bischöfe und Mönche, die dieses Schreiben empfangen. Friede sei mit Euch! Ihr habt bereits gehört, was ich bekannt habe geben lassen, dass mir nämlich nichts Wertvolleres und nichts Schöneres ist als die Ehrfurcht Gottes und das Nachkommen der Ihm verschuldeten Verehrung und überhaupt alles, was uns Ihm näher bringt. Die erste Synode hat sich bereits in Ankyra bei Antiochien [Galatien], versammelt. Nun haben wir es für gut erachtet, eine weitere Synode in Nizäa einzuberufen, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens wegen der komfortablen Lage für die Bischöfe aus Antiochien [Italien] und aus den anderen
(Hg.): Writing ‘True Stories’: Historians and Hagiographers in the Late Antique and Medieval Near East (Cultural Encounters in Late Antiquity and the Middle Ages, 9), Turnhout 2010, 43–75, hier 58–60. 123 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 545,5–546,5. 124 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 546,4. 125 Vgl. Sokrates 1,5,2–6 und Theodoret 1,2,8–12 und 1,5. 126 Vgl. Pitra, AS IV, 224f (Text) und 452 (Übers.).
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 103 Ländern [und aus den anderen Ländern Europas], zweitens wegen des ausgeglichenen Klimas und drittens wegen der Tatsache, dass ich mich auch in der Nähe des Versammlungsortes aufhalten und die Debatten mitverfolgen kann. Darum, meine Brüder, lasse ich euch mitteilen und ordne euch an, euch vorzubereiten und entschlossen auf den Weg in die genannte Stadt Nizäa aufzumachen. Ein jeder von euch erachte meinen Befehl als seine Pflicht. Macht euch mit Eile auf den Weg, ohne Zögern und ohne Trägheit. Dass ein jeder von euch bei der Synode in Nizäa erscheine. Gott möge euch behüten und seine Gnade über euch sei vollkommen. Friede! 127
Ein etwas anders formulierter Brief Konstantins zur Einberufung des Konzils findet sich in den Kanones des Maruta bzw. in den Kanonsammlungen, die auf diese zurückgreifen. 128 Einige al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 546,6–547,2: Mina l-maliki qusṭanṭīn ilā man laqiyahu kitābunā hāḏā mina l-asāqifati wa-rruhbāni salām. ammā baʿdu faqad ʿaraftum fīmā uṭliqu annahu lā šayʾa aṯara ʿindī wa-lā azyana fī ʿaynī min ḫašyati allahi wa-murāqabatihi wa-mā yaqrubu min allahi. wa-qad kāna al-ğamʿu l-awwalu iğtamaʿū bi-anqūrā madīnati anṭākīyata. wa-qad raʾaynā an yağtamiʿa alʾāna ğamʿan āḫara fī madīnati nīqīyata li-umūrin kaṯīratin. awwaluhā ğamālu l-asāqifati l-laḏīna min anṭākīyata wa-sāʾiri l-buldāni wa-ṯ-ṯānīyatu li-ʿitidāli l-hawaʾi wamtizāğihi wa-ṯ-ṯāliṯatu li-akūna anā ayḍan qarīban mina l-ğamʿi wa-ašhadu l-umūra l-latī takūnu hunāka fa-liḏālika aʿlamtukum yā iḫwatī waamartukum an takūnū mustaʿaddīna ʿāzimīna ʿalā l-qudūmi ilā l-madīnati l-maḏkūrati niqīyata. wa-li-yufakkir kullu imraʾin minkum wa-yurawwī fī lwāğibi wa-ʿazimū ʿalā l-qudūmi sarīʿan min ġayri waniyatin wa-lā kasalin wa-li-yakun yaḥḍuru kullu wāḥidin minkum mā nuḥaddiṯu fī l-gamʿi biniqīyata wa-allahu yaḥfaẓukum wa-yutimmu niʿmatahu ʿalaykum wa-ssalām. 128 Vgl. Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 132f (Übers. ders., 108f). Eine weitere Version dieses Briefes ist ediert in Schultess, Friedrich: Die syrischen Kanones der Synoden von Nicaea bis Chalkedon nebst einigen zugehörigen Dokumenten (Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der 127
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Formulierungen des von al-Manbiğī wiedergegebenen Briefes finden sich dazu auch in der arabischen Chronik Ibn al-ʿIbrīs (Barhebräus), der den Brief in stark verkürzter Form wiedergibt. 129 Im Kontext von al-Manbiğīs Dokumentation zum Konzil von Nizäa nimmt Konstantin vor allem die Rolle des Gastgebers und Schutzherren wahr, wie auch aus folgendem Bericht hervorgeht: Konstantin beauftragte seine Gefolgsleute mit den Angelegenheiten der Synode und der Fürsorge derjenigen, die nacheinander eintreffen würden, damit sie sich um das Wohl der ankommenden Bischöfe und Metropoliten kümmerten. Für jeden sollte eine Wohnmöglichkeit vorbereitet werden, jedem nach seinem Rang und Würdegrad, bis sich die Bischöfe aus allen Ländern versammelt hätten. Dies wurde auch so ausgeführt. Als sich das Konzil versammelte, schrieb es dem König, um ihn darüber zu informieren. Also trat er in ihre Mitte, setzte sich in die Versammlung und nahm an allen Streitgesprächen teil, vom ersten bis zum letzten. Ihre Versammlung fand am 9. Juni statt, im Jahr 363 nach Alexander, nämlich im 19. Jahr Konstantins. 130
Sinnbildlich für die schützende Haltung Konstantins dem Konzil gegenüber steht neben den logistischen Bemühungen für die Unterbringung der Konzilsväter auch die Notiz, wonach Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse Neue Folge, 10), Berlin 1908, 1. 129 Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136. 130 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 547,3–9: Fağtamaʿa l-ğamʿu fī zamānin ṭawīlin wa-kāna qusṭanṭīn qad qallada amra lğamʿi wa-man yaṣīru ilayhi awwalan awwalan qurābātin lahu yaqūmūna bimaṣlaḥati man yaṣīru ilā nīqīyata mina l-asāqifati wa-l-maṭārinati wa an yanzila kullu wāḥidin minhum fī manzilin yalīqu bihi ʿalā qadri darağatihi wa-martabatihi ilā an yağtamiʿa sāʾiru l-asāqifati mina l-buldāni kullihā fafaʿalū ḏālika. fa-lammā iğtamaʿa l-ğamʿu kulluhu kataba ilā l-maliki yuʿlimuhu iğtimāʿahum fa-ḥaḍara wa-tawassaṭa al-qawma wa-šahida mā dabbarū min awwalihi ilā āḫirihi. wa-kāna iğtimāʿuhum fī l-yawmi t-tāsiʿi min ḥazīrāni sanati sittin wa-ṯalāṯīna wa-sitti-miʾatin li-liskandari wa-hiya ssanatu t-tāsiʿa ʿašrata li-qusṭanṭīn.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 105 Konstantin die am Konzil vorgetragenen Anschuldigungen gegen einige Teilnehmer vernichtete und daraufhin versicherte: „Wenn ich auch nur einen Priester finden sollte, der unter Verdacht gestellt oder dem ein Prozess gemacht würde, so würde ich ihn unter den Schutz meines Gewandes stellen.“ 131 Im Mittelpunkt der damit eröffneten Darstellung des Konzils steht das erlassene Glaubensbekenntnis, 132 während mit dem Sendschreiben Konstantins an alle Provinzen nach Abschluss der Synode der Einladungsbrief sein Gegenüber findet, mit dem die Berichterstattung zum Konzil abgerundet wird. Auch dieser Brief wird von der Chronik von Siirt in fast wörtlicher Übereinstimmung überliefert und scheint darum erneut auf Ibn Lūqā zurückzugehen: 133 Von Seiten Konstantins des Königs an alle Bischöfe, Metropoliten, an die ihnen unterstehenden Priester, an alle Präfekten und an alle Völker, die unser Schreiben erhalten. Friede sei mit euch. Arius, der Betrüger, hat sich dem Teufel gleichgemacht, indem er sich in Ungehorsam von der Religion losgelöst hat. Dadurch hat er sich dem Volk widersetzt und hat Neuerungen eingeführt, die bis dahin ihresgleichen suchten. Daraufhin wurde er von einem Missgeschick getroffen und hart geschlagen. Darum ist es notwendig, seine Bücher zu verbrennen, damit keine Erinnerung an ihn und keine seiner Aussagen mehr übrig bleiben. Und ich ordne jedem an, der noch irgendetwas von diesem besitzen sollte, es zu verbrennen und zu vernichten, um nicht von dem gleichen Missgeschick wie Arius befallen zu werden. Denn kein Einziger wird dadurch zum Seelenheil gelangen können, so Gott der Erhabene es will. 134
al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 550. Dieser Bericht ist aus Sokrates 1,8,18f und Theodoret 1,11,4–6 bekannt. 132 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 548,5–549,3. 133 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 279,11–280,5. 134 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 550,9–551,5: Min qusṭanṭīn al-maliki ilā man laqiyahu kitābunā hāḏā mina l-asāqifati wa-lmaṭārinati wa-min dūnihim mina l-kahanati wa-l-ʿummāli wa-sāʾiri l131
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Der Ursprung dieses Schreibens dürfte das von Sokrates 1,9,30 überlieferte Sendschreiben sein, in dem mit Androhung der Todesstrafe ermahnt wird, die Schriften des Arius zu vernichten. Auch einige der Maßnahmen, die von al-Manbiğī in den Zeilen vor dem Brief erwähnt werden, weisen auf weitere von Sokrates und Theodoret überlieferte Sendschreiben Konstantins hin. 135 So ist die am Konzil erreichte Übereinstimmung über den Ostertermin das zentrale Thema von Sokrates 1,9,32–46 (bzw. Theodoret 1,10), während der Bau von neuen Kirchen in Sokrates 1,9,56–63 (bzw. Theodoret 1,17) wie auch in Sokrates 1,9,50–53 (bzw. Theodoret 1,15,3–1,16,4) erwähnt wird, woher al-Manbiğī auch den sog. Bibelauftrag an Eusebius entnommen hat. 136 Die Nähe zu Sokrates und Theodoret hatte aber auch zur Folge, dass das Bild eines Kaisers, der sich für die Belangen der Kirche einsetzt, zwischenzeitlich dem Bild eines zögerlichen und unentschlossenen Kaisers ausweicht. Im Kontext der nach dem Konzil von Nizäa ausgetragenen Streitigkeiten berichtet al-Manbiğī über die vorübergehende Absolution des Arius von Seiten Konstantins und über die damit verursachten Unstimmigkeiten in Alexandrien: Am Hof des Königs befand sich ein Anhänger des Arius, der sich bei ihm eingeschlichen hatte. Er teilte die Überzeugungen der Arianer und unterstützte sie. Dieser bat den König, an Arius zu schreiben und ihm die Erlaubnis zu geben, sich vor ihm zu präsentieren. Der König ging auf die Bitte ein und schrieb Arius an, um ihm zu befehlen, vor ihm zu treten. Als
ʿāmmati salām. ammā baʿdu fa inna ariyūs al-fāğiru tašabbaha bi-š-šayṭāni r-rağīmi š-šarīri wa-šaqqa ʿaṣā d-dīni wa-liḏālika ḫālafa l-ʿāmmata wa-bdaʿ bidʿatan lam yasbiqhu ilayhā aḥadun. wa-kaḏālika nazalat bihi n-nāzilatu wa-ḥalla bihi al-balāʾu. wa-yanbaġi an tuḥraqa kutubuhu wa-baʿdu fa-lā yakūnu lahu ḏikru wa-lā li-šayʾin min aqāwīlihi. waqad amartu ğamīʿa man kāna ʿindahu šayʾun minhā an yaḥriqahu wa-yubṭilahu wa-illā nazala bihi al-balāʾu l-laḏī nazala bi-ariyūs fa-lā yağʿalu aḥadun ʿalā nafsihi sabīlan in šāʾa Allahu taʿālā. 135 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 550,6–9. 136 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 550,8.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 107 Arius den Brief empfing, begab er sich zum König, gemeinsam mit einem Diakon, der mit ihm verurteilt worden war. Der König verlangte von diesen beiden, ihren Glauben schriftlich zu erläutern und ihm vorzulegen. Er fand aber beim Lesen nichts, womit sie sich von der Wahrheit entfernt hätten. Daraufhin schrieb er Athanasius, dem Bischof von Alexandrien, und forderte von ihm, die zwei wieder aufzunehmen und wieder in ihre Ämter einzusetzen. Athanasius aber, der Bischof von Alexandrien, weigerte sich, sie aufzunehmen. Die Anhänger des Arius versammelten sich also und kamen darüber ein, beim König mit den übelsten Verleumdungen gegen Athanasius vorzugehen, was sie auch taten. Es befand sich aber am Hof des Königs ein Schüler Athanasiusʼ. Dieser informierte den König über die List des Arius und seiner Nachfolger und über ihren Neid gegenüber Athanasius, über den Trug ihrer Anschuldigungen und über die Abwegigkeit ihrer Verleumdungen. Also ließ der König anordnen, die Anhänger des Arius wieder zu exkommunizieren und schrieb Athanasius mit der Bitte an, sich zu ihm auf den Weg zu machen. Als er zu ihm kam, befragte ihn der König zu den verschiedensten Angelegenheiten, darunter auch über Arius und seine Anhänger, und dieser tat ihm diesbezüglich alles kund. Daraufhin sandte ihn der König wieder mit Ehren zurück. 137 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 552,4–553,4: Wakāna li-aṣḥābi ariyūs ʿalā bābi l-maliki dasīsun yarā raʾyahum yaʿḍuduhum wa-yaḏubbu ʿanhum fa-saʾala l-malika an yaktuba ilā ariyūs yaʾḏanu lahu fī l-qudūmi ʿalayhi fa-ağābahu l-maliku ilā ḏālika wa-kataba ilā ariyūs yaʾmuruhu bi-l-qudūmi ʿalayhi. fa-qabila ariyūs al-kitāba wa-qadima ʿalā lmaliki wa-maʿhu šammāšun kāna ḥurima maʿhu fa-amarahumā al-maliku an yubayyinā amānatahumā fī ṣaḥīfatin yarfaʿāhā ilayhi. fa-lammā naẓara lmaliku fīhā lam yağid fīhā zayġan ʿani l-ḥaqqi. wa-kataba ilā aṯanāsiyus usqufi l-iskandarīyati yasʾaluhu qubūlahumā wa-raddahumā ilā marātibihumā. fa-abā aṯanāsiyus usqufu l-iskandarīyati an yaqbalahumā wa-ğtamaʿa ʿinda ḏālika asḥābu ariyūs fa-ttafaqat kalimatahum ʿalā an yasʿū bi-aṯānāsīyūs ilā l-maliki wa-yuqarrifūhu ʿindahi bi-qurūfi ʿaẓīmati fafaʿalū ḏālika. wa-kāna baʿḍu talāmīḏin aṯanāsiyus ʿalā bābi l-maliki fa-ḫbara 137
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Die Erzählung gibt die wesentlichen Elemente der entsprechenden Darstellung aus Sokrates 1,25–27 wieder. 138 Al-Manbiğī scheint jedenfalls kein Problem damit zu haben, mit letzterem Bericht auch eine schiefe Tonlage im Gesamteindruck zu hinterlassen. Zumindest fühlt er sich nicht wie in Sokrates 1,27,5 verantwortlich, dieses zweideutige Verhalten des Kaisers mit seiner Sorge um die Einheit der Kirche zu rechtfertigen. Es sind in erster Linie die Bischöfe, allen voran Athanasius, die den Kaiser davor bewahrten, sich von den Anhängern des Arius weiter vor den Karren spannen zu lassen, und die am kaiserlichen Hof die Oberhand bewahrten. Das wirkt sich auch auf die Darstellung der Reichsteilung und des Todes Konstantins aus: Als der Zeitpunkt seines Todes kam, war keiner seiner Söhne anwesend und Konstantin übergab das Testament, das er verfasst hatte, Bischof Eusebius, der mit dem König unterwegs war, und ordnete an, dass er das Testament seinem Sohn Konstantin 139 überreichen sollte. Konstantin starb im Jahr 642
l-malika bi-makīdati ariyūs wa-aṣḥābihi wa-ḥasadihi li-aṯanāsiyus wakiḏbihim fīmā saʿū bihi ilayhi wa-qarafihim iyyāhu bi-l-bāṭili. wa-amara lmaliku fa-nakkala bi-aṣḥābi ariyūs wa-kataba ilā aṯanāsiyus yaʾmuruhu bi-lmaṣīri ilayhi. fa-lammā qadima ʿalayhi saʾalahu l-maliku ʿan umūrin kaṯīratin minhā ariyūs wa-aṣḥābihi fa-ḫbarahu bi-ğamīʿi ḏālika. ṯumma ṣarafa l-maliku ilā makānihi mukarraman. 138 Einschleichung eines Anhängers des Arius bei Konstantin (Sokrates 1,25,1–6); Brief Konstantins an Arius (1,25,7f); Gang des Arius und des Diakons zu Konstantin (1,25,9f); Glaubensbekenntnis des Arius (1,26); Rehabilitierung des Arius, Streit in Alexandrien um Athanasius und Wiedereinsetzung des Athanasius durch die Fürbitte zweier sich bei Konstantin aufhaltender Priester (1,27). 139 Gemeint ist – in Anlehnung an die spätantike Geschichtsschreibung – Konstantios II. Die Verwechslung findet sich bereits im vorangehenden Bericht über die Teilung seiner Herrschaft (alManbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 564,4) und wiederholt sich auch im anschließenden Bericht über die arianischen Auseinandersetzungen nach dem Tod Konstantins (PO 7, 567,6).
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 109 nach Alexander, an einem Sonntag, dem 22. August. Er war 65 Jahre alt und herrschte für 33 Jahre. 140
Zum Teil ist die Darstellung der Aufteilung des Reiches, des Todes und des Begräbnisses Konstantins aus Sokrates 1,39f bekannt. 141 Dieser fügt bekanntlich noch die Notiz hinzu, dass Konstantin in Nikomedien auf dem Sterbebett getauft wurde. Da al-Manbiğī bereits im Zusammenhang der Silvesterlegende über die Taufe Konstantins berichten konnte, übergeht er darum die Taufnotiz. Er scheint es aber gleichzeitig nicht für notwendig zu erachten, die Spätdatierung der Taufe zu problematisieren oder sich von ihr distanzieren zu müssen. Dadurch unterscheidet sich seine Kompilation von derjenigen des Ps.-Zacharias. Die Abwesenheit einer expliziten Distanzierung von Eusebius oder Sokrates mag auch dadurch bedingt sein, dass arabische Übersetzungen dieser kirchengeschichtlichen Werke bei Weitem nicht so verbreitet waren, dass deren Kenntnis bei einer nur des Arabischen mächtigen Leserschaft hätte vorausgesetzt werden können, anders als zum Beispiel die Silvesterlegende, die auch in dieser kurzen al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 564,8–11: Falammā ḥaḍara bihi l-wafātu lam yakun aḥadun min awlādihi mušāhidan fadafaʿa l-waṣīyata l-latī awṣā bihā ilā awsābiyūs al-usqufi l-laḏī kāna mulāziman li-l-maliki wa-amarahu bi-an yadfaʿahā ilā qusṭanṭīn ibnihi. watuwuffiya qusṭanṭīn al-maliku sanata iṯnayni wa-arbaʿīna wa-sittu-miʾatin li-ḏī al-qarnayni yawma l-aḥadi li-ṯamāni layālin baqīna min āb wa-kāna ʿumruhu ḫamsun wa-sittīna sanatan malaka minhā ṯalāṯu wa-ṯalaṯīna sanatan. 141 Bei den genauen Zeitangaben dürfte sich die eine oder andere Zahl im Laufe der Überlieferung verändert haben. Das gilt vor allem für die Datierung auf den 22. August (Āb), was wohl – wie Vasiliev suggeriert – mit Sokrates als 22. Mai (Īyār) zu lesen ist. Bezüglich der Datierung des Todes auf das 33. Herrschaftsjahr Konstantins, die er mit der Chronik von Zuqnin teilt (Übers. Chabot, CSCO 121,129), ist zu bemerken, dass die meisten syrischen Chroniken zwischen 31 und 32 Herrschaftsjahren variieren, auch weil die Continuatio der Eusebius-Chronik, von der die meisten späteren Chroniken abhängen, die Herrschaftsdauer Konstantins auf 31 Jahre und 10 Monate ansetzt (vgl. Burgess, Richard W.: Studies in Eusebian and Post-Eusebian Chronography, Stuttgart 1999, 169). 140
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Notiz über den Tod Konstantins angesprochen zu werden scheint. 142 Weil der melkitische Geschichtsschreiber zuvor Eusebius als Taufspender genannt hatte, ist nämlich zu vermuten, dass er nun bei der Übergabe des Testamentes denselben Eusebius meint. 143 c) Der Einbezug Konstantins in den arianischen Streit bleibt also ein kurzweiliger Zwischenfall, während der unter den Nachfolgern Konstantins entbrannte Konflikt zwischen der arianischen Partei und Athanasius erst am Konzil von Konstantinopel endgültig zur Ruhe kommt, an dem die beteiligten Bischöfe „das Glaubensbekenntnis von Nizäa ausformulierten und bestätigten.“ 144 Für den betreffenden Zeitraum liefern Sokrates und Theodoret bekanntlich reichhaltiges Material. Dementsprechend lang sind darum auch bei al-Manbiğī die Ausführungen zur Regierung der einzelnen Kaiser zwischen Konstantios II und Theodosius. Da die Darstellung des arianischen Streites die konfessionelle Zugehörigkeit eines Geschichtsschreibers erwartungsgemäß nicht kenntlich machen muss, ist es darum angemessen, die Konstantingeschichte mit einigen Beobachtungen zur Darstellung der nach dem Konzil von Konstantinopel ansetzenden christologischen Streitigkeiten zu ergänzen. Die melkitische Herkunft des Geschichtsschreibers wird in dieser Hinsicht dadurch erkennbar, dass er grundsätzlich einem Narrativ folgt, welches die an den Konzilen von Ephesos und Chalkedon Anders als al-Manbiğī erwähnt der anonyme Kompilator der Chronik von Siirt das kirchengeschichtliche Werk des Sokrates, das von denjenigen konsultiert werden können, die „mehr über die Geschichte des Arius erfahren wollen.“ Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 247. 143 Sowohl in der Silvesterlegende als auch in diesem Abschnitt wird Eusebius ohne weitere Bestimmung als „Eusebius, der Bischof“ präsentiert. Eusebius von Nikomedien hingegen wird von al-Manbiğī mit der Herkunftsangabe kenntlich gemacht (Awsābiyūs ṣāḥib bi-Niqādumuwīya) und tritt erst nach dem Tod Konstantins die Nachfolge auf dem Bischofsstuhl Konstantinopels an. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 551,9 und 566,3. 144 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 567 – PO 8, 401. Zitat aus PO 8, 401,3f. 142
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 111 formulierte Lehre zum Maßstab der Rechtgläubigkeit anerkennt. Dennoch fallen die je einzelnen Berichte beim genaueren Hinsehen durch starke Verkürzungen, Ungenauigkeiten und zum Teil widersprüchliche Informationen auf, die den Eindruck erwecken, dass es dem Geschichtsschreiber nicht um eine engagierte Auseinandersetzung mit den nicht-chalkedonensischen Kirchen geht. So lässt er – mit Sokrates übereinstimmend – die Berichterstattung zum nestorianischen Streit mit der versöhnlichen Schlussnote abschließen, dass Nestorios angesichts der Tragweite des von ihm verursachten Streits zur Einsicht kam und öffentlich bekannte, dass Maria die Mutter Gottes sei. 145 Auf der anderen Seite lässt die stark verkürzte Darstellung der sich anbahnenden Streitigkeiten um die monophysitische Lehre das Missverständnis entstehen, Dioskoros von Alexandrien selber habe auf der zweiten Synode von Ephesos (der. sog. Räubersynode) den Presbyter Eutyches zusammen mit anderen Bischöfen verurteilen lassen. Byzantinische Kirchengeschichtsschreiber wie Evagrius Scholasticus berichten hingegen sachgemäß, dass Dioskoros an der besagten Synode durch den Einsatz physischer Gewalt den zuvor in Konstantinopel verurteilten Eutyches rehabilitieren ließ und stattdessen die Absetzung seiner Gegner – unter anderem des Bischofes Flavianus von Konstantinopel – durchsetzen konnte. 146 Angesichts der stark zusammenfassenden Berichterstattung fällt darum umso mehr al-Manbiğīs Interesse für die lokalen Auswirkungen der dogmatischen Streitigkeiten und der kaiserlichen Vermittlungspolitik auf. So erscheinen ihm – im Kontext des Konzils von Ephesos – auch die von Acacius von Aleppo einberufene Lokalsynode und der Aufenthalt Pauls von Emesa in Alexandrien erwähnenswert zu sein. 147 Der Bericht über Kaiser Zeno, dessen theologische Vermittlungsversuche zwischen den Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 411, 10f und Sokrates 7,34,8–13. 146 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 417 und zum Vergleich Ps.-Zacharias Rhetor, Historia ecclesiastica, Ed. Brooks, CSCO 83, 122–126 (Übers. Greatrex 84–89). 147 Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 412f. Das zweite Ereignis ist auch überliefert in Evagrius 1,6 (Ed. Hübner I, 133). 145
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Anhängern und Gegnern des Konzils von Chalkedon noch von Ps.-Zacharias Rhetor (Buch V) ausführlich nacherzählt werden, dreht sich bei al-Manbiğī fast ausschließlich um die ereignisreiche Amtszeit des monophysitischen Kirchenführers Petrus Fullo, der je nach politischer Wetterlage auf dem Patriarchenstuhl Antiochiens saß oder in der Verbannung lebte. 148 Die Auseinandersetzung um den auf ihn zurückgehenden Zusatz „der für uns Gestorben ist“ im Trishagion-Gebet – einen Zusatz, der sich für die Monophysiten als beliebtes theologisches Wiedererkennungszeichen erweisen wird – wird vom arabischen Geschichtsschreiber sogar ins Gegenteil umgedreht, um Petrus zu bezichtigen, „das Bekenntnis derjenigen unterdrückt zu haben, die bekennen, dass er ,für uns gekreuzigt wurde‘.“ 149 Al-Manbiğīs Universalgeschichte steht, wie die Kompilationsarbeit zur Konstantingeschichte gezeigt hat, fest in der Tradition der syrischen Historiographie. Auch die Themenwahl der Konstantingeschichte – so die Einfügung der Silvesterlegende in die Bekehrungsgeschichte – lässt sich aus den Vorgaben von Vorgängerwerken in syrischer Sprache plausibel machen und setzt an sich noch keine neuen Maßstäbe für die christlich-arabische Geschichtsschreibung, die nicht schon vorhanden gewesen wären. In dieser Hinsicht ist auch die Aussage von Goodman zu relativieren, wonach al-Manbiğīs Universalgeschichte im Aufbau Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 420–422. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 421 und dazu Greatrex, Pseudo-Zacharia Rhetor, 179n. Verwirrend ist auch die kurze Notiz über das von Konstantin V einberufene Konzil von Hiereia (754), welches die Bilderverehrung verbieten ließ, und hier als das „siebte Konzil“ angegeben wird (vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 8, 533 und Griffith, Sidney: „Eutychios of Alexandria on the emperor Theophilus and Iconoclasm in Byzantium: A tenth century Movement in Christian Apologetics in Arabic“, in: Byzantion 52 (1982), 154–190, hier vor allem 172f.) Da al-Manbiğīs Geschichtswerk nur bis in die Zeit des Kalifen alMahdī (reg. 775–785) erhalten geblieben ist, ist es dabei nicht mehr möglich zu überprüfen, ob und wie er sich über die Fortsetzung des ikonoklastischen Streits und über das Zweite Konzil von Nizäa (787) geäußert hat. 148 149
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 113 und Thematik griechisch sei. 150 Dieser Schlussfolgerung ist grundsätzlich nichts anzusetzen, doch ist gleichzeitig daran zu erinnern, dass wichtige Werke aus der frühen byzantinischen Geschichtsschreibung eben auch in syrischen Übersetzungen vorhanden waren und – durch diese vermittelt – in die arabische Geschichtsschreibung aufgenommen wurde. Al-Manbiğīs Leistung besteht also darin, der arabischen Geschichtsschreibung den Typus einer christlich bedingten Universalgeschichte zur Verfügung gestellt zu haben, welche bereits in syrischer Sprache vorhanden war, aber anscheinend noch ungeeignet dafür war, direkt ins Arabische übersetzt werden zu können. Dafür mussten nämlich einige Eigenschaften syrischer Kompilationen an die Bedürfnisse und Erwartungen der neuen Leserschaft angepasst werden. Zum einen galt es, sich zumindest dem Anspruch nach von der Abhängigkeit von der Zeitrechnung nach der syrischen Bibel zu befreien und das chronographische Gerüst wieder an die ursprünglichere Zeitrechnung der griechischen Bibel anzuknüpfen. Zum anderen galt es, die kirchengeschichtlichen Werke des Eusebius, Sokrates und Theodoret in einer synthetischen Form wiedergeben zu können, und zwar mit der Auswahl bestimmter Themenkomplexe, die die zuerst feindliche und dann enge Beziehung zwischen der römischen Herrschaft und dem Christentum anschaulich machen können. Die Ausführlichkeit, mit welcher die Konstantingeschichte behandelt wird, soll dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass das von al-Manbiğī überlieferte Material nur einen Bruchteil des Materials darstellt, welches der syrischen Geschichtsschreibung zur Verfügung stand. Und drittens galt es auch, die gegebenenfalls konfessionell bedingten Pointen syrischer Geschichtswerke zu entschärfen und darum auch für potentielle muslimische Leser zugänglich zu machen, die kein Bedürfnis hatten, sich mit der einen oder anderen Partei identifizieren zu müssen. Vgl. Goodman, Lenn E.: Islamic Humanism, Oxford 2003, 171: His mode of exposition is clearly Greek. So is much of his matter. He is not embarrassed to paint a scrim that includes figures from Greek mythology and cultural history, as a backdrop to his accounts of Hellenistic, Roman and Near Eastern political history. 150
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4. SAʿĪD IBN BAṬRĪQ 4.1. Bemerkungen zu Autor und Werk Anders als bei al-Manbiğī zeichnet sich die Quellenlage bei Saʿīd ibn al-Baṭrīq ibn al-Farrāš ab, dem nächsten melkitischen Geschichtsschreiber, der nun behandelt werden soll und der auch unter dem Namen Eutychios von Alexandrien bekannt ist. Da er späteren arabischsprachigen Geschichtsschreibern wie Ibn ar-Rāhib als Ibn Baṭrīq bekannt war, werden auch wir ihn dementsprechend anführen. 151 Sein historiographisches Hauptwerk – welches in der westlichen Forschung als Annales bekannt ist – wird je nach Handschrift mit der Überschrift Naẓm al-ğawhar (Perlenschnur) oder at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ (Gesammelte Geschichten) überliefert. In beiden Fällen wird aber deutlich, dass es sich nicht um ein annalistisches Werk im eigentlichen Sinn handelt, wie es die lateinische Bezeichnung suggeriert. Zwar werden vor allem bei der islamischen Geschichte die unterschiedlichen Ereignisse chronologisch geordnet, gerade die vorislamische Geschichte kann aber in der Tat als eine „Sammlung“ von unterschiedlichen Erzählungen verstanden werden, die vor allem aus der biblischen Heilsgeschichte und aus der Kirchengeschichte entnommen wurden und in regelmäßigen Abständen von Abschnitten aus der politischen Geschichte des römischen oder sassanidischen Reiches unterbrochen werden. Wie im Zitat al-Masʿūdīs zu den melkitischen Geschichtsschreibern bereits zu sehen war, ist der Autor mit der nach den muslimischen Eroberungen neugegründeten Siedlung Fusṭāṭ in Verbindung zu bringen. Für seine Biographie sind wir auf Informationen angewiesen, die uns die Handschriften der Vulgata-Version hinterlassen haben. Von diesen wiederum hängt die biographische Notiz Ibn abī Uṣaybiʿas (13. Jh.) ab, die er in seinem prosopographischen Werk über bekannte Mediziner hinterlassen hat. 152 Aus diesen Informationen Zur Person und zum Werk Ibn Baṭrīqs vgl. CMR II, 224–233. Vgl Ibn Abī Uṣaybiʿa, Ṭabaqāt al-aṭṭibāʾ, Ed. Müller II, 86f (Verweis aus Griffith, „Apologetics and Historiography“, 66f). Zu weiteren Werken, die Ibn Baṭrīq zugeschrieben werden – so vor allem das 151 152
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 115 wissen wir, dass er zwischen 877 und 940 gelebt hat und dass er – darum wurde sein Name in das Werk Ibn Abī Uṣaybiʿas aufgenommen – Verfasser eines uns nicht mehr erhaltenen medizinischen Werkes wie auch einer apologetischen Schrift war, der Disputation zwischen einem Christen und einem Häretiker. 153 Weiter wird darüber Auskunft gegeben, dass er (melkitischer) Patriarch von Alexandrien wurde und den Namen Eutychios annahm. Die genannte Wirkungsstadt Fusṭāṭ sagt auch einiges über die Bedingungen seines literarischen Schaffens aus. Die neu gegründete Siedlung wurde nämlich zu einem bedeutenden Zentrum muslimischer Gelehrsamkeit, wo sich ein Netzwerk muslimischer Tradenten (muḥaddiṯūn) bilden konnte. Gerade bei der Behandlung der muslimischen Zeitgeschichte konnte Ibn Baṭrīq auf diese Trägerkreise zurückgreifen und selber ein Zeuge der entstehenden muslimischen Geschichtsschreibung werden. 154 Während seiner ersten Lebenshälfte befand sich Ägypten unter der Herrschaft der Tuluniden und damit auch in einer politischen und ökonomischen Einheit mit Palästina, was zur Folge hatte, dass die melkitischen Gemeinden Palästinas und Ägyptens einfacher interagieren konnten. Dies blieb auch so, als die Abbasiden-Herrschaft über Ägypten nach 905 wiederhergestellt wurde. Daher konnten gerade die melkitischen Gemeinden Ägyptens, Palästinas und Syriens zusammenwachsen und über die Klöster im Sinai und in Judäa ein vorteilhaftes Netzwerk bilden. 155 Das zeigt sich auch in der Quellenlage der Annales, die eine weite Spannbreite an unterschiedlichen Schriften nachweisen, auf die der Autor gerade in den Kloster-Bibliotheken zwischen dem Sinai und Buch der Beweise (Kitāb al-Burhān) – vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 67f. 153 Vgl. auch Breydy, Études, 78. 154 Ein für Ibn Baṭrīq wichtiger Name war ʿUṯmān ibn Ṣāliḥ ibn Ṣafwān (761–834), der für die Berichte über die arabischen Eroberungskriege sowohl von Ibn Baṭrīq wie im Futūḥ Miṣr („Eroberung Ägyptens“) ʿAbd ar-Raḥmān ibn ʿAbd al-Ḥakams (802–871) zitiert wird. Vgl. Breydy, Études, 1–3. 155 Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 68.
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Palästina hat zurückgreifen können. 156 Mit diesem ineinander gewachsenen Netzwerk kann auch die mehrschichtige Rezeptionsgeschichte des Geschichtswerkes Ibn Baṭrīqs zwischen Ägypten und Antiochien erklärt werden. Während sein Werk die Geschichte bis zum Kalifen ar-Rāḍī (934–940) umfasste, wurde es im elften Jahrhundert vom Antiochener Yaḥya ibn Saʿīd al-Antākī erweitert, um noch die Ereignisse der jüngsten Zeitgeschichte hinzuzufügen. 157 Auch abgesehen von dieser Erweiterung wurde das Geschichtswerk mehrfach bearbeitet. In je unterschiedlichem Maße zeigen praktisch alle uns überlieferten Handschriften Überarbeitungen und Ergänzungen auf. 158 Auf ihrer Grundlage hat Cheikho eine kritische Edition angefertigt. 159 Gegenüber den vielen Handschriften der antiochenischen Rezension besitzen wir aber mit der Handschrift Sinai Arab. 580 ein fast vollständiges Exemplar der sog. alexandrinischen Rezension, die 1985 von Michael Breydy herausgegeben und ins Deutsche übersetzt wurde. 160 Die Handschrift hat an ihrem Anfang und Ende einige Blätterlagen verloren, und damit auch die Informationen zu ihrem Entstehungsdatum und zu ihrer Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 77 und Breydy, Études, 28. 157 Vgl. Witakowski, “Historical Writing”, 142f. 158 Für eine ausführliche Übersicht über die verschiedenen Handschriften der sog. antiochenischen Rezension vgl. Breydy, Études, 42–72. 159 Vgl. Eutychii Patriarchae Alexandrini Annales, hg. von L. Cheikho, 2 Bde. CSCO 50–51/Arab. 6–7, Paris 1906–09. Eine Übersetzung dieser Version ist vorhanden in: Eutichio patriarca di Alessandria (877–940): Gli Annali, hg. von Bartolomeo Pirone, Cairo 1987. 160 Vgl. Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien: Ausgewählte Geschichten und Legenden kompiliert von Saʿid ibn Baṭrīq um 935 A.D., hg. und übers. von Michael Breydy, CSCO 471/Arab. 44 (Text) und CSCO 472/Arab. 45 (Übers.). Für eine Analyse der Handschrift vgl. vor allem Breydy, Études, 29–41. Die genannte Handschrift wird von Breydy – wie im Katalog der Sinai-Handschriften von Margaret Gibson – noch als Sinai. Arab. 582 vermerkt. Die neuere Zählung geht hingegen aus dem Katalog von Kamil (Catalogue, 50) hervor. 156
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 117 Verfasserschaft. Die kursive Kufi-Schrift sowie die im Text eingefügten Endzeichen – vermutlich zur Kenntlichmachung von aus je anderen Quellen stammenden Abschnitten – scheinen aber wichtige Hinweise darauf zu sein, dass es sich um einen Autographen handelt. 161 Die Endzeichen, die in den meisten Fällen Sinneinheiten voneinander trennen und dadurch in der Tat auch quellenkritisch motiviert sein könnten, unterbrechen in einigen Fällen jedoch einen durchgehenden Text und könnten also gleichzeitig dazu dienen, die Seitenumbrüche einer bereits vorhandenen (und vor allem arabischen) Vorlage wiederzugeben. 162 Die Sinai-Handschrift lässt jedenfalls einige relevante Stellen aus, für die das Geschichtswerk Ibn Baṭrīqs eigentlich bekannt geworden ist. So scheinen sowohl die sog. Refutation gegen die Nestorianer als auch die sog. Refutation gegen die Jakobiten erst spätere Zusätze aus der antiochenischen Rezension zu sein. 163 Für unsere Arbeit hat aber vor allem die Beobachtung Relevanz, dass die Sinai-Handschrift auch zentrale Elemente der Konstantingeschichte auslässt, wie den Bericht über das Konzil von Nizäa und dessen Vorgeschichte, die Kreuzesauffindungslegende und den Bericht über die von Konstantin angeordnete Judenverfolgung in Jerusalem. Wir tun aber vorsichtshalber gut daran, den Begriff „alexandrinische Rezension“ vor allem als Arbeitshypothese zu gebrauchen, im Wissen, dass der handschriftliche Befund diese Hypothese noch nicht bestätigen kann. Man könnte sich auch fragen, ob es sich bei Sinai Arab. 580 nicht um eine Vorarbeit oder eine Kollation von aus verschiedenen Quellen entnommenen Textabschnitten handelt, die eigentlich nicht für eine Veröffentlichung gedacht war, sondern
Für die Analyse dieser Handschrift vgl. Breydy, Études, 29–41, für die in der Handschrift vorfindlichen End- bzw. Zwischenzeichen vgl. Breydy, Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien, xxvi–xxvii. 162 Vgl. z.B. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 188–189 oder §§ 209–210 und die entsprechenden Fußnoten. 163 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 159– 176 bzw. 196f und Breydy, Études, 79–84. 161
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die in einem zweiten Schritt als Grundlage einer eigentlichen Edition hätte herhalten sollen. 164 4.2. Texte zu Konstantin In der folgenden synoptischen Darstellung soll dieser Überarbeitungsprozess am Beispiel der Konstantingeschichte dargestellt werden. In der linken Spalte wird das Material aus der Sinai-Handschrift nach den sich darin befindenden Endzeichen aufgeteilt und mit den Paragraphen-Nummern aus der BreydyEdition wiedergegeben. In der rechten Spalte werden die Verarbeitungen angemerkt, welche die Vulgata-Version gegenüber der Sinai-Handschrift aufweist. Dabei soll vermerkt werden, wo der Text – abgesehen von den üblichen orthographischen Abweichungen – Änderungen inhaltlicher Natur beinhaltet. Ibn Baṭrīq (Ed. Breydy)
Ibn Baṭrīq (Ed. Cheikho)
§§ 178f: Qozman und Damian, Petrus von Alexandrien
116,10–12: Nur Alexandrien
§§ 180–82: Arius
116,18–117,6
§ 177: Christenverfolgung unter Diokletian
§§ 183f: Tod Diokletians
§ 185: Kindheit Konstantins und Christenverfolgung unter Galerius § 186: Krieg zwischen Galerius und Schapur von Persien § 187: Kreuzeserscheinung 164
116,3–10
Petrus
von
116,12–17: Bischofsliste von Rom, Antiochien und Jerusalem 117,6–11
117,11–119,1 119,1–3: Bischofsliste von Rom und Antiochien 119,4–121,5: Breiter ausgeführte Erzählung über den Krieg 121,6–14
Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 79.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 119 § 188: Sieg gegen Maxentius und Einzug in Rom
121,15–22
§ 190: Konstantins Friedensherrschaft über die Welt
122,14–17
§ 189: Krieg gegen Galerius
122,1–13
§ 191: Christenverfolgung unter Licinius
122,17–123,8
§ 193: Konstantins Taufe
123,13–15
§ 192: Intervention Konstantins gegen Licinius
123,8–12
§ 194: Eusebius von Rom
123,15–19: Bischofsliste von Rom
123,19–124,7: Bischofsliste von Antiochien, Jerusalem und Alexandrien 124,7–11: Verurteilung des Arius und des Meletius durch Alexander
124, 11–22: Das MichaelHeiligtum in Alexandrien 165
124,23–125,19: Streitgespräch zwischen Arius und Alexander vor Konstantin 125,19–127,14: Konzil von Nizäa 127,15–128,11: Berechnung der Lebensdaten Jesu und des Osterfestes 166
Die Geschichte von der Umwandlung des Jupiter-Tempels zu einem dem Erzengel Michael geweihten Heiligtum wird in der SinaiHandschrift schon bei der Erwähnung Cleopatras vorweggenommen, in deren Lebenszeit der Tempel errichtet worden ist. Vgl. Ibn Baṭrīq, atTaʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 124. 165
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CONSTANTINUS ARABICUS 128,11–21: Bestimmungen des Konzils 128,21–129,5: Anordnungen Konstantins zugunsten der Christen
§§ 195–197: Athanasius von Alexandrien und Eulalios von Anthiochien, Maximus von Jerusalem und Alexander von Konstantinopel
129,6–130,6: Kreuzesauffindung 130,6–13
§§ 198–201: Tod Helenas, Wiederaufnahme des Eusebius und Synode zu Tyros
130,13–132,23 Helenas)
§ 202: Tod Konstantins
134,3–6
(ohne
Tod
133,1–134,3: Konstantins Verfolgung der Juden in Jerusalem und Tod Helenas 167
Der Übergang von § 194 zu § 195 verläuft in der Sinai-Handschrift auf der gleichen Seite und lässt also nicht vermuten, dass sich darin verloren gegangene Lagen befunden hätten. 168 Umso kurioser 166 Die Notiz über die Lebensdaten Jesu lässt deutlich erkennen, dass wir es mit einer redaktionell eingefügten Passage zu tun haben, insofern sie hier mit „Ibn Baṭrīq sagt“ eingeführt wird und in manchen Handschriften bei der Erzählung der Geburt Christi überliefert wird, wo sie wohl ihren ursprünglichen Sitz hatte. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ almağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 127,15–128,6 und Breydy, Études, 75f. 167 Dieser Bericht fehlt auch in Par. Arab. 291. Vgl. Breydy, Études, 76. 168 Der nächste Seitenwechsel der Handschrift (72v zu 73r) findet genau zwischen der Nennung des Eulalios und der Bemerkung statt, „dass er (nicht) Arianer gewesen sei“, wobei die Negationspartikel lā den Eindruck macht, aus zweiter Hand eingefügt worden zu sein. Während
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 121 erscheint darum die auch in der Sinai-Handschrift zu findende Erwähnung der auf dem Konzil von Nizäa ausgesprochenen Verurteilung des Eusebius und seiner Mitläufer. 169 Der gemeinte Relativsatz („die beiden waren von den 318 mit Arius verurteilt worden“) kann dabei darauf hindeuten, dass die Vorlage der SinaiHandschrift auch über das Konzil von Nizäa berichtete. Er könnte aber auch suggerieren, dass der Verfasser bzw. der Abschreiber selber diese Information geben musste, um auf Vorgänge am Konzil aufmerksam zu machen, über die gar nicht berichtet wird und die der Leser darum vermissen würde. Einige textkritische Beobachtungen sprechen aber dafür, dass bereits die erste Fassung des Geschichtswerks zumindest den Bericht über Nizäa beinhaltete. Wie weiter unten noch zu sehen ist, entnehmen die späteren Handschriften der sog. antiochenischen Rezension den langen Bericht über das Konzil vor allem aus dem Bericht des Maruta bzw. aus einer davon abhängigen Kanonsammlung. Bereits in der Sinai-Handschrift lassen sich aber Spuren einer Benutzung einer solchen Vorlage finden. So wird dort ähnlich wie im Bericht des Maruta die genealogische Abstammungslinie Konstantins aufgezählt, die über Constantius, Valentinus, Erasmius, Decius bis zu Claudius läuft, jenem König, „der zur Zeit der Apostel in Rom herrschte.“ 170 der Hinweis auf die Amtszeit des Eulalios noch vor dem Endzeichen steht – und in der Ausgabe von Breydy also noch unter § 195 angegeben wird – ist diese Bemerkung, wonach er (nicht) Arianer sei, dem Endzeichen nachgestellt – und in der Ausgabe von Breydy also bereits unter § 196 angegeben. Hier dürfte das in der Handschrift trennende Zeichen vielleicht signalisieren, dass dieser Kommentar aus der Hand des Autographen selber stammt (vgl. Breydy, Das Annalenwerk des Eutychios von Alexandrien, xxvi). In den späteren Handschriften der sog. antiochenischen Rezension wurde dann die Negationspartikel lā in den Text selber hinzugefügt, um das Bild des antiochenischen Bischofes vom unrühmlichen Häresievorwurf zu entlasten. 169 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 198. 170 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 190; Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 124 (Übers. ders., 103) und – als Beispiel einer melkitischen Kanon-Sammlung – Par. Arab. 234,58r,12–14.
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Solange das genaue Verhältnis der Sinai-Handschrift zum Vulgata-Text nicht umfassend geklärt ist, ist es auch für die Konstantingeschichte ratsam, Unterschiede zwischen der SinaiHandschrift und den späteren Redaktionen hervorzuheben, ohne dabei von zwei unterschiedlichen Ausgaben desselben Geschichtswerkes zu sprechen. a) Die Sinai-Handschrift Die Berichte über die Christenverfolgung unter Diokletian und über die Regierung Konstantins werden im Kontext der frühchristlichen und römischen Geschichte wiedergegeben, und zwar zwischen dem ersten und dem zweiten Teil der Legende der Höhlenjungen von Ephesos. 171 Die Konstantingeschichte (Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 185– 202) mischt wie das Gesamtwerk Quellen unterschiedlicher Provenienz zusammen. Aus der chronographischen Tradition übernimmt er die Bischofs- und Herrscherlisten, die das chronologische Gerüst zur Verfügung stellen. Quellentechnisch sind aber vor allem die narrativen Teile von Interesse, da sie einschlägige Parallelen mit der Alexander Monachus zugeschriebenen Predigt De inventione sanctae crucis (BHG 410) aufweisen. Die Parallelen, die Ibn Baṭrīq mit diesem teilt, tauchen zudem auch in der Chronographia des Theophanes und in der Vita Constantini et Helenae (BHG 364) auf. 172 Damit unterscheidet sich Ibn Baṭrīq also von denjenigen Geschichtsschreibern, die wie Agapius in der Rezeptionsgeschichte des Sokrates und Theodoret stehen. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 174f und §§ 219f. Zur Rezeption dieses auch in der 18. Sure des Korans anzutreffenden Motivs vgl. Griffith, Sidney: „Christian Lore and the Arabic Qurʾān: The Companions of the Cave in Sūrat al-Kahf and in Syriac Christian Tradition“, in: Reynolds, Gabriel Said (Hg.): The Qurʾān in its Historical Context (Routledge Studies in the Qurʼān), London/New York 2008, 109–137. 172 Für die Parallelen zwischen Ibn Baṭrīq und Theophanes vgl. auch Horst, Heribert: „Eutychios und die Kirchengeschichte: Das erste Konzil von Nizäa (325)“, in: Oriens Christianus 74 (1990), 152–167, vor allem 166. 171
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 123 Schon in der Beschreibung der nach dem Tod Diokletians sich abspielenden Ereignisse lassen sich einschlägige Parallelen mit Alexander Monachus beobachten. 173 Eine direkte oder indirekte Abhängigkeit von Theophanes oder von der Konstantinvita BHG 364 ist dabei auszuschließen, da beide eine Kurzfassung der Ereignisse bieten, während viele Details aus Ibn Baṭrīq gerade bei Alexander Monachus anzutreffen sind. 174 Auch für Alexander Monachus scheint eine direkte Abhängigkeit aber unwahrscheinlich zu sein, da der Text Ibn Baṭrīqs immer wieder einschlägige Abweichungen aufweist. Auch sprachlich ist nicht damit zu rechnen, dass Ibn Baṭrīq eine griechische Quelle verwendet hat. Einschlägige Einflüsse aus dem Syrischen, die sich über das ganze Werk streuen, zeigen nämlich, dass er bzw. seine Vorlage auf syrische Quellen zurückgriff. 175 Es lassen sich zudem auch Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 177 erwähnt wie Alexander Monachus (Ed. Migne, PG 87/3, 4049B) die 21jährige Herrschaft Diokletians, unter dessen Christenverfolgung „Tausende von Märtyrern geopfert wurden, deren Zahl nur Gott kennt.“ 174 So berichtet Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 183f, dass Diokletian in der Stadt Dalīnṭīya (Dalmaṭīya?) einer tödlichen Krankheit anheimfiel und dass Herculius sein Leben in Tarsus verlor. Beide Notizen und die genauere Beschreibung der infektiösen Krankheit finden sich fast wortgleich in Alexander Monachus (Ed. Migne, PG 87/3, 4049D). 175 Im Rahmen der Konstantingeschichte zeigt sich der syrische Einfluss zum Beispiel bei der Verwendung des eigentlich männlichen ḥammām (Bad) als feminines Wort, was aus dem Syrischen ḥamīmtō zu erklären ist (Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 191). Auch im Abschnitt über die Kreuzeserscheinung über Jerusalem gibt er die syrischsprachige Herkunft seiner Vorlage preis, insofern er den Ölberg Ṭūr-Zaytō nennt (Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 204). Eine arabische Übersetzung des Alexander Monachus lässt sich meines Wissens erst mit Ibn ar-Rāhib nachweisen. Vgl. Binggeli, André: „Vestiges dʼune version arabe du Discours sur lʼinvention de la Croix dʼAlexandre de Cypre (VI. siècle) dans le K. al-Tawārīkh dʼAbū Ŝākir b. alRāhib (XIII. siècle)“, in: Le Muséon 125 (2012), 241–49. Mit einem zwar nur fragmentarisch, dafür aber mit einem Inhaltsverzeichnis überlieferten 173
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außerhalb der Konstantingeschichte Ähnlichkeiten mit Alexander Monachus nachweisen, auch hier mit dem Vorbehalt, dass bei Ibn Baṭrīq Informationen vorhanden sind, die sich nicht aus dem griechischen Text ableiten lassen. 176 Solange eine kritische Edition des Alexander Monachus fehlt, können wir uns lediglich damit begnügen, eine potentielle Verbindung zwischen ihm und Ibn Baṭrīq aufzuzeigen. Die Tatsache, dass auch Theophanes in der Konstantingeschichte viele dieser gemeinsamen Texte überliefert, lässt zudem die Frage nach dem Vorhandensein weiterer Zwischenquellen aufkommen, deren Rekonstruktion aber hypothetischer Natur bleibt. 177 In der Darstellung der Konstantingeschichte lassen sich drei thematische Blöcke ausmachen: Die Kindheit Konstantins, die Berichte über seinen Aufstieg zur Alleinherrschaft und die arianischen Auseinandersetzungen nach dem Konzil von Nizäa. Im Folgenden sollen also repräsentative Texte aus diesen drei Themengebieten ausgesucht und zusammen mit den ParallelTexten aus Alexander Monachus wiedergegeben werden, um Homiliar aus dem 11. Jh. besitzen wir ein Indiz dafür, dass arabische Übersetzungen der Kreuzesauffindungslegende schon kurz nach dem Wirken Ibn Baṭrīqs festzustellen sind. Vgl. Binggeli, „Vestiges“, 247f. 176 Ohne weiter ins Detail zu gehen, seien nur diejenigen Paragraphen genannt, die eine auffällige Nähe Ibn Baṭrīqs (Ed. Breydy, CSCO 471) zu Alexander Monachus (Ed. Migne, PG 87/3) aufweisen: § 148 (4037BC); § 149 (4040A); § 150 (4040B); § 154 (4040D); § 155 (4041A); §§ 156–58 (4041B); § 159 (4041C); § 160 (4040D); § 163 (4044B); § 164 (4044C); §§ 168–171 (4044D–4048A). 177 Als möglicher Kandidat könnte die sog. anonyme homöische Chronik aus dem letzten Viertel des 4. Jh. zu nennen sein (vgl. Scott, „The image of Constantine“, 68f und Treadgold, The Middle Byzantine Historians, 69). Ein Versuch, diese Quelle auf der Grundlage der Übereinstimmungen zwischen Philostorgius, Theophanes und einigen syrischen Chroniken zu rekonstruieren, wurde bereits von Joseph Bidez unternommen. Vgl. Philostorigus: Kirchengeschichte. Mit dem Leben des Lucian von Antiochien und den Fragmenten eines arianischen Historiographen, hg. von Joseph Bidez und überarbeitet von F. Winkelmann, GCS 21, Berlin 31981, 202– 241.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 125 jeweils durch Aufrecht- und Kursivschreibung Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den zwei Textzeugen hervorzuheben. Der erste Themenkomplex behandelt, wie bereits gesagt, die Darstellung der Herkunft Konstantins:
Ibn Baṭrīq 178
Mit ihnen herrschte über Byzanz und die umliegenden Provinzen Constantius, der Vater Konstantins. Er war ein ruhiger und religiöser Mensch. Er hasste die Götzen und liebte die Christen.
Alexander Monachus 179
Συνεβασίλευσε δὲ αὐτοῖς κατὰ τὴν Βρετανίαν Κώστας ὁ μέγας, ὁ τοῦ μεγάλου Κωνσταντὶνου πατὴρ, ανὴρ τὰ πάντα γαληνότατος καὶ πραότατος, εὐσέβειαν ἀσπαζόμενος, καὶ εἶδωλα μυσαττόμενος, καὶ λίαν τοὺς χριστιανοὺς ἀποδεχόμενος.
Analog zur byzantinischen Hagiographie wird bereits der Vater Konstantins als aufrichtiger Monarch dargestellt, auch wenn er – im Unterschied zu Helena – noch nicht als Christ präsentiert wird. Der arabische Text liest sich dabei fast wie eine Übersetzung von Alexander Monachus, denn mit Ausnahme der Benennung des dem Vater Konstantins zugeteilten Herrschaftsbereichs sind keine Unterschiede auszumachen, die nicht einem Übersetzer hätten zugeschrieben werden können. 180 Auf die Mutter Konstantins und ihre Heirat mit Constantius kommt Ibn Baṭrīq sofort im Anschluss zu sprechen. Es wird dabei erzählt, wie dieser auf der Durchreise in Richtung Osten Halt in der bei Edessa liegenden Ortschaft Kifar Fiḫār machte und, von der Schönheit Helenas angetan, deren Vater um ihre Hand bat. Der Leser erfährt zudem, dass Helena bereits seit ihrer Kindheit Christin war und vom Bischof Barsamya im christlichen Glauben unterwiesen wurde. Schon hier wird also der syrische Hintergrund at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 185: Wa-malaka maʿhum ʿalā bizanṭīyata wa-mā wālāhā qusṭans abū qusṭanṭīn wa-kāna rağulan hādiʾan dayyinan mubġid[an] li-aṣnāmi muḥibb[an] li-n-naṣārā. 179 De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4049D. 180 Dabei ist es auch möglich, dass hinter ( ﺑﺰﻧﻄﯿﺔByzanz) ursprünglich ﺑﺮطﻨﯿﺔstand, womit man eben Britannien gemeint hätte. 178
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der Konstantinerzählung erkennbar. Der genannte Barsamya taucht nämlich in der Doctrina Addai wie auch in den Akten Scharbils, Babais und Barsamyas als Bischof der selbigen Stadt auf, der unter Trajan schwere Verfolgungen zu erleiden hatte. 181 In der Vita Constantini et Helenae (BHG 364) findet man eine ähnliche Erzählung, die aber in Drepanum bzw. in Helenopolis verortet wird, also innerhalb des römischen Reiches. 182 Dort erfahren wir auch, dass Helena Constantius als Konkubine für eine Nacht gegeben wurde. Darum ist es auch nicht erstaunlich, dass Theophanes diese Erzählung als arianische Innovation abwertete. 183 In der syrischen Überlieferung, die hier von Ibn Baṭrīq aufgenommen wird, hat man also zum einen die Herkunft Helenas mit einem der wichtigsten Erinnerungsorte des syrischen Christentums – Edessa – in Verbindung gebracht und gleichzeitig aus der Konkubine des Constantius eine christliche Frau gemacht. Mit Helena wächst damit auch Konstantin in Edessa auf und wird dort in den griechischen Wissenschaften unterwiesen. Auch hier zeigen sich einschlägige Parallelen mit Alexander Monachus: Ibn Baṭrīq 184
Helena gebar dann Konstantin. Er wurde in Edessa erzogen und lernte die Weisheit der Griechen. Er war ein Jüngling schönen Aussehens, sanftmütig, nicht boshaft und liebte die Weisheit.
Alexander Monachus 185
Ὁ δὲ Κωνσταντῖνος ἔτι ὑπάρχων παις παρὰ τῷ τῆς Ἐῴας τυράννῳ ἐτρέφετο, παιδευόμενος τὴν Ἐλληνικὴν σοφίαν.
Nach der Kindheitsgeschichte folgt die Geschichte des Aufstiegs Konstantins zur Alleinherrschaft. Wie Alexander Monachus Vgl. Drijvers, ,,Marutha of Maipherqat”, 58f. Vgl. Vita Constantini et Helenae, Ed. Guidi, 308. 183 Vgl. Theophanes, Chronographia A.M. 5814, Ed. de Boor, 18. 184 at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 185: Fa-waladat hilāna qusṭanṭīn fa-tarabbā bi-r-ruhā wa-taʿallama ḥikmata l-yūnānīyīna wa-kāna ġulāman ḥasana l-wağḥi wadīʿ[an] qalīla š-šarri muḥibb[an] li-lḥikmti. 185 De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4049D. 181 182
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 127 präsentiert Ibn Baṭrīq diesen Aufstieg zur Macht als Sieg des zum Christentum bekehrten Monarchen über seine heidnischen Gegner. Auch bei Ibn Baṭrīq wird dabei in erster Linie der Krieg gegen Maxentius hervorgehoben, da dieser Schauplatz der Kreuzeserscheinung war:
Ibn Baṭrīq 186
Maxentius der König Roms, war noch schlimmer als alle Könige vor ihm. Er machte die Christen und alle anderen in seinem Herrschaftsgebiet zu Sklaven. Als die Bewohner Roms über die Herrschaft Konstantins hörten und dass er die Bosheit hasste und das Gute liebte, dass sein Reich in Ruhe und Frieden mit ihm stand, schrieben ihre Oberen an ihn und baten ihn, sie aus der Sklaverei des Maxentius zu befreien. Als er ihren Brief las, wurde er sehr traurig und blieb unschlüssig, denn er wusste nicht, wie er das anstellen sollte. Während er überlegte, erschien ihm, es war in der Mitte des Tages, ein leuchtendes Kreuz aus Sternen
Alexander Monachus 187
Ὁ δὲ Μαξέντιος πονηρότατος πάντων τῶν πρὸ αὐτοῦ γεγονὼς τοὺς τῇ Ῥώμῃ ἐνοικοῦντας ἀπέτριβε καὶ μάλιστα τοὺς Χριστιανούς. […]
Οἱ δὲ Ῥώμης οἰκήτορες δέησιν πρὸς αὐτὸν ἐστείλαντο παρακαλοῦντες, μὴ παριδεῖν τὴν μητέρα τῶν βασιλέων ἀπὸ ἀπνοῦς τυράννου, μᾶλλον δὲ σαρκο-βόρου θηρίου ἀπολλυμένην. Ταῦτα ἀκούσας ὁ μέγας Κωνσταντῖνος καὶ συμπαθέσας αὐτοῖς, ἐφρόντιζε τοῦ ἐλευτερῶσαι αὐτοὺς ἐκ τῆς δουλείας. […] Ἐν πολλῇ οὖν φροντίδι καὶ σκέψει ὑπάρχοντι ὥφθη αὐτῷ ἐν κάμπῷ
at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 187: Fa-ammā maqsinṭiyūs maliku rūmīyata fa-kāna ašarra min kulli malikin qablahu istaʿabada an-naṣārā wa-kulla man fī mamlakatihi. fa-lammā samiʿa ahlu rūmīyata bi-mulki qusṭanṭīn wa-annahu mubġiḍun li-š-šarri muḥibbun li-lḫayri wa-anna mamlakatahu maʿhu fī hudūʾin wa-salāmatin kataba ruʾasāʾu rūmīyata ilayhi yasʾalūhu an yuḫalliṣahum min ʿubūdīyati maqsinṭiyūs. fa-lammā qaraʾa kitābahum iġtamma ġamman šadīdan wabaqiya mutabaḥḥiran lā yadrī kayfa yaṣnaʿu fa-baynā huwa mutafakkirun iḏ ẓahara lahu fī nuṣfi n-nahāri ṣalībun min kawākibi yuḍīʾu wa-maktūbun ḥawlahu bi-hāḏā taġlibu. fa-ğaziʿa qusṭanṭīn wa-qāla li-aṣḥābihi: raʾaytum mā raʾaytu? qālū: naʿam. fa-āmana muḏ ḏālika l-waqti bi-n-naṣrānīyati. waḏālika fī sitti sinīna min baʿdi mawti abīhi qusṭans. 187 De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4053BD. 186
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CONSTANTINUS ARABICUS
und rundherum die Schrift: „Mit diesem [Zeichen] wirst du siegen“. Konstantin bekam Angst und befragte seine Mitstreiter: „Habt ihr auch gesehen, was ich gesehen habe?“ Sie antworteten: „Ja“. Da übernahm er den christlichen Glauben. Es war das sechste Jahr nach dem Tode seines Vaters Constantius.
διάγοντι μετὰ τῶν στρατιωτῶν περὶ μεσημβρίας στηλοειδὴς σταυρὸς ἐκ φωτὸς κατεσκευασμένος, ἐν ᾧ ἐπεγέγραπτο ‚ἐν τούτῳ νίκα‘. Ἔμφοβος δε γενόμενος ὁ βασιλεὺς, ἠρώτα τοὺς σὺν αὐτῷ, εἰ καὶ αὐτοί τι εθεάσαντο, οἱ δὲ ὁμολογησάντες τὴν αὐτὴν αὐτῷ ἑωρακέναι ὁπτασίαν τότε ὁ βασιλεὺς ἀναρρωσθεὶς τῷ φρονήματι θάρσους δὲ καὶ προθυμίας ἀνάπλεως ἦν.
Obwohl inhaltliche Unterschiede auftreten, sind auch Gemeinsamkeiten im Aufbau und in einzelnen Motiven der Erzählung zu erkennen, die nicht zum fixen Repertoire der Kreuzeserscheinung gehören und die darum Anlass geben, auch hier Spuren einer gemeinsamen Quellenlage zu vermuten. Ibn Baṭrīq unterlässt es aber anschließend, im Gegensatz zu Alexander Monachus, über die Nachtvision zu berichten. Ihm genügt es, die wichtigste Konsequenz aus der Kreuzesvision festzuhalten, und zwar die Bekehrung Konstantins zum Christentum. Als Christ siegt er anschließend gegen Maxentius und zieht in Rom ein. Ibn Baṭrīq 188
Die Bewohner Roms zogen mit Goldkronen und allerlei Spielen Konstantin entgegen und freuten sich sehr. Als er (in Rom) eintraf, befahl er, die Körper der christlichen Märtyrer, die gekreuzigt
Alexander Monachus 189
Οἱ δὲ πολῖται τῆς Ῥώμης στεφανώσαντες αὐτὸν εἰσεδέξαντο μετὰ χαρᾶς μεγάλης καὶ εὐφημιῶν, τόν τε νικοποιὸν σταυρὸν καὶ τὸν νικηφόρον βασιλέα σωτῆρα ἀποκαλοῦντες. Τότε ὁ βασιλεὺς ἐκέλευσε
at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 188: Wa-ḫarağa ahlu rūmīyata bi-l-akālīli ḏ-ḏahabi wa-anwāʿi l-lahwi fa-laqū qusṭanṭīn wa-fariḥū faraḥan šadīdan. fa-lammā daḫala amara an tudfana abdānu š-šuhadāʾi mina n-naṣārā l-maṣālībi wa-kullu man haraba mina n-naṣārā ragaʿa ilā baladihi wa-makānihi wa-man uḫiḏa lahu šayʾun raddahu ilayhi. fa-aqāma ahlu rūmīyata sabʿata ayyāmin yaʿīdūna li-l-maliki wa-ṣ-ṣalībi wa-yaʾkulū wa-yašrabū wa-yafraḥū. 189 De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4056AB. 188
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 129 worden waren, zu begraben. Jeder Christ, der geflüchtet war, kehrte zu der eigenen Stadt oder Ortschaft zurück und jeder bekam zurück, was man ihm abgenommen hatte. Die Bewohner Roms feierten sieben Tage lang und jubelten dem König und dem Kreuz zu. Sie aßen, tranken und erfreuten sich.
συναχθῆναι τὰ λείψανα τῶν ἀγίων μαρτύρων καὶ ὁσίᾳ ταφῇ ταῦτα παραδοθῆναι, καὶ τοῖς ἀδικηθεῖσιν τὰς οὐσίας αὐτῶν ἀποδοθῆναι. Καὶ ἧσαν ἄγοντες ἐπινίκιον ἐορτὴν ἑπτὰ ἡμέρας γεραίνοντες τὸν σταυρὸν τοῦ Χριστοῦ. Οὖτος ἦν ἕβδομος ἑνιαυτὸς τῆς βασιλείας Κωνσταντίνου.
Die Machtergreifung Konstantins wird somit vor allem im Sinn einer Befreiung der Christen aus der Tyrannei des heidnischen Herrschers gelesen. Auch die folgenden Berichte über die von Konstantin geführten Kriege gegen Galerius und Licinius werden als Befreiungskampf zugunsten der verfolgten Christen dargestellt. 190 Kompositorisch drückt sich diese Interpretation vor allem durch die Einfügung der Legende der 40 Märtyrer von Sebaste aus, die vom General des Licinius auf einen gefrorenen See geworfen wurden und der eisigen Kälte erlagen. 191 Wenn Ibn Baṭrīq also im Zusammenhang der siegreichen Kriege Konstantins Für den Krieg gegen Galerius: Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 189, Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4056BD und Theophanes, Chronographia A.M. 5805–5807, Ed. de Boor, 14f. Für Licinius vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ almağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 191–192, Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne 87/3, 4057AC und Theophanes, Chronographia A.M. 5808, 5811 und 5815, Ed. de Boor, 15.16f und 19f. 191 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 191. Die Erzählung über die Märtyrer von Sebaste wird von Theophanes (Chronographia A.M. 5811, Ed. de Boor, 17) nur kurz erwähnt. Besser bezeugt ist sie hingegen in der hagiographischen Literatur und in einzelnen Predigten, wie z.B. in den Homilien des Basilius von Caesarea und seines Bruders Gregor (vgl. Leemans, Let us die that we may live, 67-77 und 91-110). Basilius wurde zur Grundlage der Homilie des Severus von Antiochien aus dem Jahr 513, die dann von Jakob von Edessa ins Syrische übersetzt wurde (vgl. Leemans, Let us die that we may live, 56). Graf, GCAL I, 510, listet fünf unterschiedliche Rezensionen innerhalb der arabischen Hagiographie auf. 190
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berichtet, dass dieser „in Ruhe und Frieden über die Welt herrschte,“ dann war damit sowohl der befriedete Zustand des von Konstantin beherrschten Reiches als auch die den Christen gewährte Ruhe vor Verfolgung und Drangsalierung gemeint. 192 Aussagekräftig über den Umgang mit dem historiographischen Erbe Konstantins ist auch ein Blick in Ibn Baṭrīqs Rezeption des Taufmotivs. 193 Die von al-Manbiğī wiedergegebene Silvesterlegende taucht bei ihm allerdings nicht auf. Er belässt es wie Alexander Monachus bei der kurzen Bemerkung, dass sich Konstantin in Nikomedien hat taufen lassen (tanaṣṣara), ohne dabei den arianischen Bischof Eusebius von Nikomedien zu nennen, und datiert zudem die Taufe auf das zwölfte Regierungsjahr Konstantins. 194 Von einer Sterbebetttaufe scheint er also nichts zu wissen, dennoch bleibt die Lokalisierung der Taufe in Nikomedien erstaunlich, ist doch damit auch die Erinnerung an den arianischen Streit verbunden. Bekanntlich weist gerade Theophanes mögliche Beweise für eine Spättaufe als arianische Erfindungen ab: In diesem Jahr wurde Konstantin der Große zusammen mit seinem Sohn Crispus, wie einige behaupten, in Rom von
Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 190. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 193. 194 Vgl. Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4068B. Das mit dem Herkunftsort Jesu zusammenhängende Verb tanaṣṣara kann sowohl „Christ werden“ bedeuten als auch die damit verbundene Taufhandlung bezeichnen (Graf, Verzeichnis, 112). Die Bekehrung Konstantins zum Christentum wurde bei Ibn Baṭrīq bereits im Bericht über die Kreuzesvision (at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 187) hervorgehoben, die nun durch die Taufe besiegelt wird. Die Datierung der Taufe auf das zwölfte Jahr ist schwieriger zu erklären. Mehrere Quellen (Johannes Malalas, Patmos-Legende, Gudi-Vita) setzen die Taufe schon nach der Schlacht gegen Maxentius 312 an. Nach Georgius Monachus (9. Jh.) erkrankt Konstantin nicht infolge seiner Christenverfolgung, sondern schon nach dem Tod seines Vaters, und wird noch vor der Schlacht gegen Maxentius von Silvester getauft. Vgl. Girardet, Klaus M.: „Die Teilnahme Kaiser Konstantins am Konzil von Nicaea in byzantinischen Quellen“, in: Bizantinistica 5 (2003), 40f und 44f. 192 193
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 131 Silvester getauft. […] Die im Osten aber behaupten, dass er auf seinem Sterbebett durch den Arianer Eusebius von Nikomedien in Nikomedien getauft wurde, wo er den Tod fand. Diese behaupten, dass Konstantin die Taufe in der Hoffnung hinausgezögert habe, im Fluss Jordan getauft zu werden. Meiner Ansicht nach ist es wahrscheinlicher, dass er durch Silvester in Rom getauft wurde und dass die an Militiades gerichteten Dekrete […] arianische Erfindungen sind, von denen sie sich erhoffen, irgendeinen Ruhm daraus zu ziehen. 195
Auch im Folgenden lässt sich beobachten, dass vor allem der in Konstantinopel schreibende Theophanes und nicht der in Ägypten lebende Ibn Baṭrīq dazu neigt, die Geschichte Konstantins von Elementen zu bereinigen, die das Bild eines rechtgläubigen Kaisers kompromittieren könnten. Das gilt insbesondere für die Darstellung der nach dem Konzil von Nizäa eingetretenen Streitigkeiten zwischen Eusebius von Nikomedien und Athanasius, die sich bis zum Tod Konstantins fortsetzten. Auch hier läuft die Erzählung Ibn Baṭrīqs mit Alexander Monachus parallel. 196 Der arianische Bischof näherte sich Konstantin mit einem vorgetäuschten Bekenntnis zu den dogmatischen Verlautbarungen von Nizäa und wurde dadurch vom Kaiser persönlich in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen. Ibn Baṭrīq präzisiert dabei, dass Konstantin Eusebius sogar als Bischof von Konstantinopel einsetzte, während Alexander Monachus behauptet, dass Eusebius selber das Amt an sich riss. Ihm zufolge konfrontierten die Arianer den Kaiser zudem mit falschen Anschuldigungen gegen Athanasius von Alexandrien, weshalb sich der Kaiser dazu genötigt sah, eine Synode in Tyros einzuberufen. Dort konnte sich Athanasius zwar gegen die Anschuldigungen behaupten, musste aber vom drangsalierenden Mob zuerst nach Jerusalem und dann nach Konstantinopel fliehen, wo er Theophanes, Chronographia A.M. 5814, Ed. de Boor 17f. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 198–201 und Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4064D–4065D. 195 196
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Konstantin über die Ereignisse informierte. 197 Bei Ibn Baṭrīq ist von den Anschuldigungen hingegen nicht die Rede. Es wird bloß behauptet, dass Konstantin eine Synode in Tyros als Vorbereitung für die Weihe der Kirchen in Jerusalem versammeln ließ. 198 Die Synode wird aber als Schauplatz eines theologischen Streitgespräches zwischen Athanasius und dem von den Arianern einberufenen Ūmāniyūs (Eunomius?) präsentiert, in welchem die Frage im Mittelpunkt stand, ob Christus nur Schöpfungsmittler oder auch Mitschöpfer sei. 199 Aus diesem Disput ging der alexandrinische Bischof als Sieger hervor. Als seine Gegner ihn daraufhin töten wollten, flüchtete er nach Jerusalem, wo er die fertig gebaute Grabeskirche einweihte, um dann bei Konstantin Schutz zu suchen. Dieser war daraufhin über Eusebius erzürnt und „bereute es, diesen als Patriarchen eingesetzt zu haben.“ 200 Kurz darauf starben sowohl Eusebius als auch Konstantin. 201 Auch Theophanes berichtet zum Teil mit Alexander Monachus übereinstimmend über die Ereignisse in Tyros. Im Gegensatz zu diesem und zu Ibn Baṭrīq weist er aber ausdrücklich die Meinung zurück, dass Eusebius zu Lebzeiten Konstantins Bischof von Konstantinopel geworden sei: Diese Ereignisse haben im 31. Jahr der Regierung Konstantins des Großen stattgefunden, als Alexander Bischof von Konstantinopel war. Es geschah aber nicht in der Zeit, als Eusebius Bischof von Konstantinopel war, dass er gegen Athanasius konspirierte. 202
Vgl. Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4065CD. 198 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 198. 199 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, §§ 198–200. 200 Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 201. 201 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 202 und Alexander Monachus, De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4068B. 202 Theophanes, Chronographia A.M. 5827, Ed. de Boor, 32. 197
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 133 Auch hier wird ein ähnliches Muster wie bereits bei der Taufe Konstantins sichtbar, insofern Theophanes die Frage nach dem Zeitpunkt der Wahl des Eusebius zum Bischof der Hauptstadt zu einem ideologisch aufgeladenen Problem macht. Ibn Baṭrīq problematisiert hingegen weder die Taufe noch die Ernennung von Eusebius zum Bischof. Ihm lag eher daran, Athanasius als Hauptstreiter für das nizänische Bekenntnis und darum als eigentlichen Helden der arianischen Auseinandersetzung auftreten zu lassen. b) Die sog. antiochenische Rezension Nach § 194 entsteht in der Sinai-Handschrift die in der Einführung angesprochene Lücke. Ob wir in der Vulgata-Rezension noch Spuren von in der Sinai-Handschrift zwar nicht bezeugten aber vielleicht doch Ibn Baṭrīq zuzuschreibenden Textstücken finden, ist natürlich der Spekulation anheimgestellt. Ein Kandidat lässt sich aber dennoch finden, und zwar ein Hinweis auf die Gesetzgebungen von Seiten Konstantins zugunsten der Christen:
Ibn Baṭrīq 203
Konstantin führte drei Gesetze ein. Das erste schrieb vor, dass die Götzenbilder zertrümmert und die Götzendiener getötet werden sollten. Das zweite, dass nur Christen in öffentliche Ämter aufgenommen werden und Befehlshaber oder Offiziere werden könnten. Das dritte, dass in der Woche vor Ostern und in der Woche danach
Alexander Monachus 204
Ὁ δὲ μέγας Κωνσταντῖνος […] πρῶτον νόμον ἔγραψε, ἀποδίδοσθαι τὰ τοῖς εἰδώλοις ἀφιερωμένα τῇ τῶν Χριστιανῶν ἐκκλησίᾳ, καὶ τοὺς ἔτι εἰδωλολατροῦντας κεφαλικαῖς ὑφίστασθαι τιμωρίαις. Δεύτερον νόμον ἔγραψε, Χριστιανοὺς μόνους στρατεύεσθαι, ἐθνῶν τε καὶ στρατοπέδων τούτους ἄρχειν. Τρίτον νόμον ἔγραψε, ἀπράκτους εἶναι τήν τε τοῦ σωτηρίου πάθους
at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 128,22–129,3 (vgl. Übers. in: Horst, „Eutychios“, 159): Wa-sanna qusṭanṭīn al-maliku ṯalāṯa sunanin aḥaduhā kasru l-aṣnāmi wa-qatlu kulli man yaʿbuduhā. wa-ṯṯāniyatu allā yuktaba fī dīwāni illā awlādu n-naṣārā wa-yakūnū umarāʾan wa-quwwādan. wa-ṯ-ṯāliṯatu an yuqīmū n-nāsu ğumʿata l-fiṣḥi wa-lğumʿata l-latī baʿdahā la yaʿmalūna fīhā ʿamalan wa-lā yakūnu fīhā ḥarbun. 204 De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4057D. 203
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nicht gearbeitet und nicht Krieg geführt werden dürfe.
ἑβδομάδα, καὶ τὴν τῆς Διακαινησίμου.
Die Nähe zu Alexander Monachus ist ein starker Hinweis darauf, dass die Sinai-Handschrift nur einen Teil des Geschichtswerkes Ibn Baṭrīqs überliefert und dass es nicht auszuschließen ist, dass auch einige der vermeintlich antiochenischen Zusätze bereits auf Ibn Baṭrīq zurückgehen. Das dürfte unter anderem auch für die Kreuzesauffindungslegende gelten, die nach der Vorgabe der Judas-Kyriakos-Legende wiedergegeben wird: Helena, die Mutter Konstantins, sagte zu sich: „Ich habe ein Gelöbnis abgelegt, dass ich nach Jerusalem ziehen werde, um die heiligen Orte zu sehen und [Kirchen] darüber zu bauen.“ Sie ließ viel Reichtum dorthin zukommen und machte sich mit dem Bischof Makarios nach Jerusalem auf, um nach dem Kreuz zu suchen. Dort ließ sie 100 Juden versammeln, die in Jerusalem und auf dem erhabenen Berg wohnten, und wählte zehn davon aus. Von den zehn wählte sie wiederum drei aus. Unter ihnen war ein Mann namens Judas. Helena fragte sie, ihr die Orte zu zeigen. Sie weigerten sich aber und sagten: „Wir wissen nicht, wo sich dieser Ort befindet.“ Daraufhin ließ sie sie in einen ausgetrockneten Brunnen werfen, in dem sie sieben Tage ausharrten, ohne zu essen und zu trinken. Einer unter ihnen, der den Namen Judas trug, wandte sich zu seinen zwei Gefährten und sagte, dass ihn sein Vater über den Ort informiert habe, welches nun jene Frau sucht, und dass sein Vater seinerseits von seinem Großvater darüber unterrichtet wurde. Also schrien die zwei Männer aus dem Brunnen, bis man sie herausholte. Daraufhin gingen sie zu Helena und erzählten ihr von dem, was Judas ihnen erzählt hatte. Sie ordnete also an, ihn auszupeitschen. Schließlich bekannte er, den Ort zu kennen. Er wurde aus dem Brunnen gehoben und führte sie bis zum Ort, an dem sich das Grab und der Golgota befinden. Dort stand ein großer Müllberg. Er fing an zu beten und sprach: „Gott, wenn das der Ort ist, an dem sich das Grab befindet, lass die Erde beben und Rauch aufsteigen, damit ich glaube.“ Daraufhin brach ein Erdbeben aus und ein wohlriechender Rauch stieg vom Erdboden auf, woraufhin er gläubig wurde. Helena ordnete an, den Ort vom Schutt zu befreien, und so erschienen das Grab und der Golgota. Es
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 135 wurden drei Kreuze hervorgebracht. Da fragte Helena: „Woher wissen wir, welches dieser drei Kreuze das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus ist?“ Es befand sich aber in der Nähe ein Mann, der an einer schweren Krankheit litt und daran verzweifelte. Sie legten das erste und das zweite Kreuz auf ihn, ohne Erfolg. Als sie das dritte Kreuz auf ihn legten, stand der kranke Mann wieder auf und war von seiner Krankheit genesen. So wurde Helena gewiss, dass es das Kreuz Christi unseres Herrn war, welches zum Andenken und zur Verehrung zu bestimmen sei. Sie legte das Kreuz in eine Umhüllung aus Gold und brachte es mit sich und mit allem zu ihrem Sohn Konstantin, was [unter dem Schutthügel] begraben und unseres Herrn Christus war. 205 Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 129,6– 130,2: Fa-qālat hīlāna ummu qusṭanṭīn: annī qad naḏartu annī aṣīru ilā bayti l-maqdisi wa-aṭlubu al-mawāḍiʿa l-muqaddasata wa-abnīhā. wa-dafaʿa ilayhā amwālan kaṯīratan wa-šaḫaṣat ilā l-bayti l-maqdisi maʿ makāriyūs alusqufi fī ṭalabi ṣ-ṣalībi. fa-ğamaʿat hīlāna mina l-yahūdi s-sukkāni fī bayti lmaqdisi wa-ğabali l-ğalīli miʾatan rağulin fa-ḫtārat minhum ʿašratan waḫtārat mina l-ʿašrati ṯalāṯata. wa-kāna wāḥidun minhum yuqālu lahu yahūḏan. fa-saʾalathum yadulluhā ʿalā l-mawāḍiʿi. fa-mtanaʿū wa-qālū laysa lanā ʿilmun bi-l-mawḍiʿi. fa-ṭaraḥathum fī ğubbin laysa fīhi māʾun faaqāmū fīhi sabʿata ayyāmin lā yuṭʿamūna wa-lā yusqawna. fa-qāla aḥaduhum al-laḏī yuqālu lahu yahūḏan li-ṣāḥibayhi anna abāhu ʿarrafahu hāḏihi l-mawāḍiʿi l-latī taṭlubu minnā hāḏihi l-imraʾatu wa-anna ğadduhu ʿarrafa abāhu bi-ḏālika. fa-ṣāḥa r-rağulāni mina l-ğubbi fa-ḫrağūhumā fa-ḥaddaṯā hīlāna bi-mā ḥaddaṯahumā bihi yahūḏan. wa-amarat an yuḍraba bi-s-siyāṭi. fa-aqarra annahu yaʿrifu al-mawḍiʿa fa-ḫarağa ḥattā ṣāra ilā l-mawḍiʿi l-latī fīhā l-maqburatu wa-l-iqrāniyūn. wa-kānat mazbalatun ʿaẓīmatun. fa-ṣallā wa-qāla: allahumma in kāna fī hāḏā l-mawḍiʿi l-maqburatu an yatazalzala hāḏā l-mawḍiʿu wa-yaḫruğa minhu duḫānun ḥattā umina. fa-tazalzala lmawḍiʿu wa-ḫarağa minhu duḫānun ṭayyibun fa-āmana. wa-amarat hīlāna bi-kašfi l-mawḍiʿi mina t-turābi wa-ẓahara l-maqburatu wa-l-iqrāniyūn faaṣābū ṯalāṯa ṣulbānin. fa-qālat hīlāna: kayfa naʿlamu ayyuhumā ṣalība ssayyidi l-masīḥi. wa-kāna bi-l-qurbi minhum rağulun ʿalīlun šadīdu l-ʿillati uyisa minhu. fa-wuḍiʿa ṣ-ṣalību l-awwalu ʿalayhi wa-ṯ-ṯānī fa-lam yanğā. falammā wuḍiʿa ʿalayhi ṯ-ṯāliṯu qāma l-marīḍu wa-laysa bihi l-ʿillatu wa205
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Dieser Abschnitt fasst die Judas-Kyriakos-Legende in Kürze zusammen. Vor allem die längeren Dialoge zwischen Helena und den Juden werden hier aufs Wesentlichste gekürzt. Es fällt auch auf, dass die in der syrischen Erzählung eher ausführlich berichtete Auffindung der Nägel nun lediglich die Bemerkung verdient, dass Helena noch weitere Fundobjekte vom Schutthügel abtrug und zu Konstantin mitbrachte. Dadurch rücken das Kreuz und seine Verehrungswürdigkeit noch deutlicher ins Zentrum, als dies in der Judas-Kyriakos-Legende schon eh der Fall war. Es treten auch einzelne Unterschiede in Bezug auf narrative Details auf. 206 Es lassen sich aber vor allem redaktionelle Eingriffe beobachten, die nicht auf eine syrische Vorlage zurückgehen. So wird zum Beispiel der in den syrischen Texten nicht vorkommende Makarios als Bischof von Jerusalem erwähnt. Dieser ist eher durch die MakariosLegende bekannt, die auch von Alexander Monachus überliefert wird. Nichts würde dabei dagegen sprechen, dass Ibn Baṭrīq auch diese Version der Kreuzesauffindung aus seiner Vorlage gekannt hat und durch die im syrischen Raum verbreitetere Judas-KyriakosLegende ersetzt hat. Der nächste breit behandelte Themenkomplex ist die Berichterstattung über das Konzil von Nizäa und seine Vorgeschichte, in welcher nun zentrale Motive aus dem Konzilsbericht des Maruta zu erkennen sind: Da befahl König Konstantin Alexander, dem Patriarchen von Alexandrien, Arius und alle seine Anhänger zu verurteilen; der aber sagte: „Nein, der König möge vielmehr die Patriarchen und Bischöfe zu einem Konzil einladen; auf diesem wollen wir einen Prozess führen und Arius verurteilen und die Religion
starāḥa min ʿillatihi. fa-ʿalimat hīlāna annahu huwa ṣalību s-sayyidinā lmasīḥi li-ḏikrihi s-suğūdihi. fa-ğaʿalathu fī ġilāfin min ḏahabin waḥamalathu maʿhā wa-kulli mā kāna madfūnan li-sayyidinā l-masīḥi ḥamalathu ilā ibnihā qusṭanṭīn. 206 So sonderten in der syrischen Judas-Kyriakos-Legende die von Helena zusammengerufenen Juden unter sich 1000 und dann 500 Gelehrten aus, um auf Helenas Fragen zu antworten (vgl. Drijvers, The Finding of the True Cross, 58).
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 137 definieren und den Menschen alles deutlich darlegen.“ Da sandte König Konstantin in alle Länder und lud alle Patriarchen und Bischöfe ein. Nach einem Jahr und zwei Monaten versammelten sich in der Stadt Nizäa 2048 Bischöfe. Diese vertraten verschiedene Lehrmeinungen und Glaubensrichtungen. […] 207 Als König Konstantin ihre Lehren gehört hatte, wunderte er sich über diese Unterschiede. Er ließ ein Haus für [die Konzilsteilnehmer] räumen und ihnen darin Unterhalt geben und befahl ihnen, miteinander zu disputieren, um zu sehen, wer den rechten Glauben habe, dem er folgen könne. Da stimmten die genannten 318 Bischöfe in einem Glauben und einer Lehre überein und disputierten mit den übrigen Bischöfen und stritten sich mit ihnen. Diese aber obsiegten über ihre Argumente und offenbarten den rechten Glauben. Die übrigen Bischöfe waren auch untereinander in ihren Lehren und Glaubensrichtungen uneins. Der König veranstaltete daraufhin für die 318 Bischöfe eine große Sondersitzung, nahm in ihrer Mitte Platz und nahm seinen Ring, sein Schwert und seinen Stab und übergab sie ihnen und sagte: „Ich gebe euch heute die Herrschaft über mein Reich und die Vollmacht, das zu tun, was ihr zur Stärkung des Glaubens und zur Wohlfahrt der Gläubigen tun müsst.“ Da segneten sie den König und umgürteten ihn mit seinem Schwert und sagten zu ihm: „Mach die christliche Religion siegreich und verbreite sie!“ Sie verfassten für ihn 40 Bücher mit Gesetzen und Geboten, die der König umsetzen und befolgen sollte, und solche, die die Bischöfe ausführen sollten. 208 Angeführt von den Burburānīya bzw. den Maryamīyūn, die behaupten würden, dass der Messias und seine Mutter zwei Götter neben Gott seien, werden die Lehrmeinungen der Sabellianer, der Valentinianer, der Anhänger des Paulus von Samosata, der Paulikianer, der Markioniten und schließlich die Meinung der 318 Väter – die an die Gottheit Jesu glauben – angeführt. 208 Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 125,19– 127,4 (vgl. Übers. in: Horst, „Eutychios“, 156–158): Fa-amara qusṭanṭīn 207
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Wir haben oben bereits gesehen, dass auch ein zeitgenössischer Geschichtsschreiber wie al-Yaʿqūbī einen ähnlichen Bericht zum Konzil von Nizäa wiedergibt und dass dieser sogar eine ähnlich aufgebaute Liste der am Konzil vertretenen Lehrmeinungen anführte. 209 Die vielen Ähnlichkeiten machen deutlich, dass die aus Maruta stammende historische Einführung zu den Kanones von Nizäa relativ früh auf Arabisch überliefert wurde, vielleicht gerade im Kontext einer Konziliensammlung. Der Verweis auf al-Yaʿqūbī zeigt dabei auch, dass mit der arabischen Übersetzung gleichzeitig eine Adaptation an den islamischen Kontext einherging. Wie Ibn Baṭrīq nennt auch al-Yaʿqūbī in der genannten Häretikerliste die Sekte der Burburānīya, die „Maria und Jesus als zwei Gottheiten verehren.“ 210 Zum Vergleich: In den Kanones des Maruta taucht
al-maliku aliksandrus baṭriyarka l-iskandarīyati an yalʿana ariyūs wa-kulla man yaqūlu bi-maqālatihi. fa-qāla aliksandrus li-qusṭanṭīn al-maliki: lā bal yuwağğihu l-maliku fa-yašḫaṣu l-baṭārikatu wa-l-asāqifata ḥattā yakūna lanā mağmaʿan wa-naḍiʿa fīhi qaḍīyatan wa-nalʿana ariyūs wa-našraḥa d-dīna wa-nuwaḍḍiḥahu li-n-nāsi ğamīʿan. fa-baʿaṯa qusṭanṭīn al-maliku ilā ğamīʿi l-buldāni fa-ğamaʿa l-baṭārikata wa-l-asāqifata fa-ğtamaʿa fī madīnati niqīyata baʿda sanatin wa-šahrayni alfayni wa-ṯamāniyatin wa-arbaʿūna usqufan. wa-kānū muḫtalifīna l-ārāʾi wa-l-adiyāni. […] fa-lammā samiʿa qusṭanṭīn al-maliku maqālātahum ʿağiba min hāḏā l-iḫtilāfi wa-ḫlā lahum dāran wa-aqāma lahum fīhā l-anzāla wa-amarahum an yatanāẓarū liyanẓura maʿ[an] man ad-dīnu ṣ-ṣaḥīḥu wa-yatbaʿuhu. fa-ttafaqa minhum hāʾulāʾi ṯalāṯu-miʾatin wa-ṯamāniyata ʿašara usqufan ʿalā dīnin wāḥidin waraʾyin wāḥidin fa-tanāẓarū bāqiya l-asāqifati wa-nāẓarūhum. fa-flağū ʿalayhim ḥuğağahum wa-aẓharū d-dīna l-mustaqīma. wa-kāna ayḍan bāqī lasāqifati muḫtalifīna l-ārāʾi wa-l-adiyāni. wa-waḍaʿa l-maliku ṯalāṯa-miʾatin wa-ṯamāniyata ʿašara usqufan mağlisan ḫāṣṣan ʿaẓīman wa-ğalasa fī wasaṭihim wa-aḫaḏa ḫātamahu wa-sayfahu wa-qaḍībahu fa-dafaʿahu ilayhim wa-qāla lahum: qad sallaṭtukum al-yawma ʿalā mamlakatī li-taṣnaʿū fīhā mā yanbaġī lakum an taṣnaʿū mimmā fīhi qawāmu d-dīni wa-ṣalāḥu lmuʾminīna. wa-bārakū ʿalā l-maliki wa-qalladūhu sayfahu wa-qālū lahu: aẓhir dīna n-naṣrānīyata wa-dabba ʿanhu. wa-waḍaʿū lahu arbaʿīna kitāban fīhā as-sunanu wa-š-šarāʾiʿu minhā mā yaṣluḥu li-l-maliki an yaʿmalahā wayaʿmala bihā wa-minhā mā yaṣluḥu li-l-asāqifati an yaʿmalū bimā fīhā. 209 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 172. 210 Vgl. al-Yaʿqūbī, Taʾrīḫ, Ed. Houtsma I, 172.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 139 der Name burburānīya zwar auf, ohne aber nähere Angaben zu ihrer spezifischen Gotteslehre zu machen. 211 Diese neue Zuschreibung lässt sich mit dem Verweis auf die von Sure 5,116 hergeleitete Anschuldigung erklären, wonach die Christen Maria zusammen mit Gott und Christus als Personen einer Trinität verehren. Von christlicher Seite soll diese Anschuldigung also gerade durch eine anachronistische Rückprojizierung ausgehebelt werden. Noch offensichtlicher wird der apologetische Ton im Bericht über die Zwangsbekehrung der Juden durch Konstantin: König Konstantin ordnete an, dass kein Jude in Jerusalem wohnen solle, dass keiner von ihnen da hindurchziehe und dass jeder, der nicht Christ geworden sei, getötet werde. Darum bekehrten sich viele Menschen von den Juden und Heiden zum Christentum, weshalb die christliche Religion die Oberhand gewann. Konstantin wurde aber gesagt, dass viele Juden aus Angst vor dem Tod das Christentum angenommen hätten und dass sie aber weiterhin ihre Religion befolgen würden. Also sprach der König: „Woran können wir das erkennen?“ Paulus, der Patriarch von Konstantinopel antwortete ihm: „Die Torah verbietet den Verzehr von Schweinefleisch und aus diesem Grund essen sie es nicht. Ordne darum an, dass man einige Schweine schlachte, dass man ihr Fleisch koche und ihnen zum Essen gebe. Du wirst daran erkennen, wer weiterhin an der jüdischen Religion anhaftet, ob er sich weigern wird, davon zu essen.“ Konstantin antwortete: „Wenn die Torah den Verzehr von Schweinefleisch verbietet, warum ist es dann uns erlaubt, davon zu essen und seinen Verzehr anderen aufzuzwingen?“ Paulus der Patriarch antwortete ihm: „Unser Herr Jesus Christus hat alle Vorschriften der Torah für ungültig erklärt und uns eine neue Torah gegeben, welche ist das Evangelium […].“ 212 Also ordnete der König an, dass man einige Schweine schlachten und ihr Fleisch kochen und in kleine Stücke schneiden soll und in seinem gesamten Reich am Sonntag des
211 212
Vgl. Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 25 (Übers. ders., 21). Es folgen mehrere Bibelzitate aus dem Neuen Testament.
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CONSTANTINUS ARABICUS Osterfestes vor die Türen der Kirchen bringen soll. Allen, die aus der Kirche hinauskamen, wurde ein Stück Schweinefleisch gegeben. Wer sich aber weigerte davon zu essen, wurde getötet. 213
Die hier zu findende anachronistische Erzählung der Zwangstaufe der Juden durch Konstantin fügt sich eigentlich gut in die literarische Produktion dieser Epoche ein und wurde wohl durch die historisch verifizierbaren Zwangstaufen unter Heraklios (630/32), Leo III (721/22) und Basileios I (gest. 873/4) und ganz allgemein durch die Judenverfolgungen des zehnten Jahrhunderts angeregt. Es sei zum Beispiel an die apologetische Schrift Doctrina Jacobi nuper baptizati zu denken, oder an das kurz vor 879 verfasste Traktat des Metropoliten Gregor von Nizäa über den Umgang mit neubekehrten Juden, die unter dem Verdacht standen, ihren alten Glauben weiterhin im Geheimen zu praktizieren. 214 Wie in diesem Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 133,1– 134,1: Wa-amara qusṭanṭīn al-maliku an lā yaskuna yahūdī fī bayti lmaqdisi wa-lā yağūza bihā wa-kullu man lam yatanaṣṣar yuqtalu. watanaṣṣara mina l-umami wa-l-yahūdi ḫalqun kaṯīrun wa-ẓaharat dīnu nnaṣrānīyati. fa-qīla li-qusṭanṭīn al-maliki: inna al-yahūda min fazaʿi l-qatli tanaṣṣarū wa-hum ʿalā dīnihim. fa-qāla l-maliku: kayfa lanā an naʿlumu ḏālika. fa-qāla lahu būluṣ baṭriyarku l-qusṭanṭīnīyati: inna l-ḫinzīra fī ttawrāti ḥarāmun wa-l-yahūda lā yaʾkulūnahu. fa-taʾmur an tuḏbaḥa lḫanāzīru wa-tuṭbaḫa luḥūmuhā wa-yuṭʿimūna minhu hāḏihi ṭ-ṭāʾifata. faman lam yaʾkul minhu ʿalimta annahu muqīmun ʿalā dīni l-yahūdi. fa-qāla qusṭanṭīn al-maliku: in kāna l-ḫinzīru fī t-tawrāti muḥarraman fa-kayfa yağūzu lanā an naʾkula laḥmahu wa-nuṭʿimahu li-n-nāsi. fa-qāla lahu būluṣ al-baṭriyarku: inna sayyidanā l-masīḥa qad abṭala sāʾira mā fī t-tawrāti wağāʾanā bi-tawrātin ğadīdatin l-laḏī huwa l-inğīlu. […] fa-amara l-maliku an yuḏbaḥa l-ḫanāzīru wa- tuṭbaḫa luḥūmuhā wa-tuqaṭṭaʿa ṣiġāran wa-taṣīru ʿalā abwābi l-kanāʾisi fī sāʾiri l-mamlakatihi fī yawmi aḥadi l-fiṣḥi. wa-kullu man ḫarağa mina l-kanīsati yalqamu luqmata laḥmati ḫinzīrin wa-man lam yaʾkulhā yuqtalu. 214 Vgl. Doctrina Jacobi nuper baptizati, hg. von. G. Dragon und V. Déroche, Paris 2010, 28–46 und Dagron, Gilbert: „Le traité de Grégoire de Nicée sur le baptême de Juifs“, in: Travaux et Mémoires 11 (1991), 313–357, hier 347f. 213
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 141 zuletzt erwähnten Traktat wird auch in der Erzählung über die von Konstantin angeordnete Zwangstaufe die Besorgnis ausgedrückt, dass sich die Juden nicht aus eigener Gesinnung sondern aus Kalkül zum Christentum bekehren würden. Diese Besorgnis hat letztendlich auch die Teilnehmer des Zweiten Konzils von Nizäa (787) dazu bewogen, kanonisch festzuhalten, dass sich die neugetauften Juden durch öffentliche Verschmähung ihrer alten Gesetze vom Judentum lossagen müssen. 215 Der Dialog zwischen Konstantin und dem Patriarchen reproduziert dabei Argumente, die man in einer apologetischen Dialog-Schrift gegen das Judentum erwarten kann. Oder kommt in der Antwort des Patriarchen auf die Anfrage Konstantins auch ein potentieller muslimischer Gesprächspartner ins Blickfeld? Diese Frage ist im Kontext der christlich-jüdischen Streitschriften insgesamt zu stellen. Hier wie dort sind oft nicht mehr als versteckte Hinweise auf den Islam zu finden. Es kommt dabei nicht von ungefähr, dass gerade ab dem siebten Jahrhundert eine Verbreitung jüdisch-christlicher Streitschriften, meistens in Form von Dialogen, zu beobachten ist, die sich zum Teil auch als Antwort auf die neuen theologischen Herausforderungen durch den Islam lesen lassen. 216 4.3. Konstantin und der Kampf um die Orthodoxie unter islamischer Herrschaft Vom Inhalt her lässt sich bei Ibn Baṭrīq ein zweideutiges Bild des Kaisers feststellen. Auf der einen Seite finden wir eine ausgereifte hagiographische Darstellung Konstantins vor, die Konstantins Vgl. Linder, Ammon: „The Legal Status of Jews in the Byzantine Empire”, in Bonfil, Rober u.a. (Hg): Jews in Byzantium: Dialects of Minority and Majority Cultures, Leiden-Boston 2012, 149–217, hier 201 und – für die Rezeption des 8. Kanons von Nizäa II bei Gregor von Nizäa – Dagron, „Baptême de Juifs“, 324–328. 216 Vgl. Déroche, Vincent: „La Polémique anti-judaïque au VIe et au e VII siècle: un mémento inédit, les képhalaia“, in: Travaux et Mémoires 11 (1991), 275–311, hier 275–297 und O’Sullivan, Shaun: „Anti-Jewish Polemic and Early Islam“, in: Thomas, David (Hg.): The Bible in Arab Christianity (The History of Christian-Muslim Relations, 6), Leiden 2007, 49–68, hier 49f und 58. 215
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Kindheit und seinen Aufstieg zur Macht verklärt. Mit der historiographischen Tradition des Sokrates wiederum verwandt ist das Bild eines Herrschers, der in Bezug auf die arianische Häresie zuweilen kulant bzw. unentschlossen wirken kann. Dieses Verhalten fällt im Kontext von Ibn Baṭrīqs Geschichtswerk dabei besonders auf, insofern das Konzil von Nizäa das einzige ausführlich behandelte Konzil bleibt, vorausgesetzt man schreibt den ausführlichen Konzilsbericht bereits der ursprünglichen Fassung zu. 217 Auch wenn Ibn Baṭrīq mit dem byzantinischen Chronist Theophanes oder mit Alexander Monachus auf dasselbe hagiographische Material zurückgreifen konnte, zeigt der Umgang mit problematischeren Aspekten aus dem Leben Konstantins, dass jeweils unterschiedliche ideologische Fragen auf dem Spiel standen. Die Zurückweisung der Taufe Konstantins in Nikomedien und die Ausweichung auf die Silvesterlegende im Werk des Theophanes sind zum einen im Kontext der byzantinischen Kaiserideologie zu lesen, die der Person Konstantins eine Abbildfunktion eines vollkommenen christlichen Kaisers zuschreibt. 218 Darüber hinaus besaßen die anti-arianischen Pointen auch eine theologische Bedeutung, wie Khazdan vermutete, insofern Theologen wie
Während dem Konzil von Konstantinopel immerhin ein kurzer Abschnitt gewidmet wird (Ed. Breydy, CSCO 471, § 212 bzw. – mit längeren Zusätzen – Ed. Cheikho, CSCO 50, 144–146), findet das Konzil von Ephesos keine (vgl. aber Ed. Cheikho, CSCO 50, 156 –158) und das Konzil von Chalkedon nur eine kurze Erwähnung (vgl. Ed. Breydy, CSCO 471, § 236 und – wieder mit längeren Zusätzen – Ed. Cheikho, CSCO 50, 181f). 218 Vgl. Khazdan, „Constantin imaginaire“, 246 und Origone, Sandra: „Il mito di Costantino nelle relazioni di Bisanzio col mondo esterno“, in: Bizantinistica 5 (2003), 349–368, hier 353 und 357f. Bei Alexander Monachus erscheint das Bedürfnis der Abgrenzung von arianischen Motiven an anderer Stelle, und zwar als er sich zu präzisieren genötigt sieht, die Auslassung des Homoousios in den katechetischen Schriften Kyrills von Jerusalem zu rechtfertigen (De inventione sanctae crucis, Ed. Migne, PG 87/3, 4069B). 217
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 143 Theophanes im byzantinischen Ikonoklasmus ihrer Zeit eine Wiedererscheinung des Arianismus sahen. 219 Während die byzantinische Geschichtsschreibung also weiterhin eine hohe Sensibilität für diese Angelegenheit an den Tag legte und weiterhin auf die Silvesterlegende rekurrierte, scheint Ibn Baṭrīq nicht besorgt zu sein, mit der Nikomedien-Taufe eine mögliche Angriffsfläche zu schaffen. Allerdings kann ihm ebenso wenig wie Alexander Monachus unterstellt werden, dass er Interesse daran gehabt hätte, Konstantin als häretischen Kaiser darzustellen. Die ausführliche Behandlung sowohl der Kindheitsgeschichte und vor allem der Aufstiegsgeschichte lässt eher erkennen, dass der Geschichtsschreiber durchaus ambitioniert war, Konstantin als ersten christlichen Kaiser darzustellen, der das Heidentum besiegt hat. Ibn Baṭrīqs Blickwinkel ist aber derjenige eines Geschichtsschreibers, der von außerhalb des byzantinischen Reiches schreibt und der darum eine gewisse Distanz zu den ideologischen Kaiserdarstellungen bewahren konnte, denen gegenüber Theophanes noch Rechenschaft ablegen musste. Daher scheint sich der melkitische Geschichtsschreiber auch nicht bewusst zu sein, welche Assoziationen der Name Nikomedien hervorrufen konnte. Dass die Stadt Nikomedien für Ibn Baṭrīq wie für seine Leser zu einer unbestimmten und nicht lokalisierbaren Stadt geworden ist, hängt auch damit zusammen, dass im Geschichtswerk Ibn Baṭrīqs neue geographische Referenzpunkte geltend gemacht werden, die sich zum Teil aus der neuen politischen Situation ergeben haben. Für einen melkitischen Patriarchen wie Ibn Baṭrīq bilden vor allem Palästina oder Ägypten diejenigen Erinnerungsorte, die für die Identitätskonstruktion seiner Gemeinde prägend waren. Gerade die Klöster am Sinai und in Judäa bildeten in den Jahrhunderten nach der islamischen Eroberung ein starkes Rückgrat einer Kirche, deren bischöfliche Struktur unter islamischer Herrschaft auch Verfallserscheinungen zeigte. 220 Die Auszüge aus dem Leben des Heiligen Euthymius, aus dem Leben des heiligen Saba oder aus dem Leben Johannesʼ des Barmherzigen Vgl. Khazdan, „Constantin imaginaire“, 246f und Scott, „The image of Constantine“, 70f. 220 Vgl. Pahlitzsch, Graeci und Suriani, 41f. 219
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lassen nun Ägypten und Palästina als Schauplätze des Kampfes der Orthodoxie gegen die Irrlehren erscheinen. 221 Nicht der byzantinische Kaiser oder der Patriarch in Konstantinopel, sondern in erster Linie die heiligen Mönche und die Patriarchen von Jerusalem und Alexandrien sind Erkennungszeichen und Beschützer der Rechtgläubigkeit. 222 Der eigentliche Held der arianischen Auseinandersetzung ist darum bei Ibn Baṭrīq der alexandrinische Bischof Athanasius, der im Gegensatz zu Konstantin beharrlich am Bekenntnis der unverkürzten Göttlichkeit Jesu festhielt und darum die trügerische Lehre der Arianer durchschaute. Wie Griffith formulierte, lassen die gesammelten Erzählungen der Annales also in das Selbstverständnis eines Repräsentanten der melkitischen Gemeinde hineinblicken, der sich nicht unter dem Machteinfluss des byzantinischen Kaisers, sondern im Herrschaftsgebiet der muslimischen Kalifen wusste. 223 Doch als melkitischer Christ fühlte sich Ibn Baṭrīq wie al-Manbiğī natürlich auch in Gemeinschaft mit der byzantinischen Reichskirche. Und er konnte Konstantin in dieser Hinsicht auch als einen christlichen Helden darstellen, der im Zeichen des Kreuzes die Alleinherrschaft eines christlichen Königs etablierte. Mit der antiochenischen Rezension verändert sich dann die Zielrichtung der Annales nochmals. Wie bereits in der Einführung erwähnt, gelangte das Geschichtswerk Ibn Baṭrīqs nach dieser Revisionsarbeit zu seinen apologetischen und konfessionellen Zuspitzungen, für die es schlussendlich bekannt wurde. 224 Diese Revisionsarbeit geht auch mit einer Veränderung der politischen Lage in und um Antiochien einher, die mit der Eroberung der Stadt durch die Byzantiner im Jahr 969 eingeleitet wurde und zumindest die melkitische Kirche unter die Einflusssphäre Konstantinopels Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 237, §§ 243–252 und § 269. 222 Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 83. 223 Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 82f. 224 Das gilt vor allem für die zwei oben schon genannten und in der Sinai-Handschrift nicht vorkommenden Refutationen gegen die Nestorianer und Jakobiten. Vgl. Breydy, Études, 79–84. 221
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 145 stellte. 225 Dies forderte von der melkitischen Kirche eine erneute Umorientierung, da sie unter muslimischer Herrschaft begonnen hatte, sich kulturell zu verselbstständigen, vor allem durch die Arabisierung. 226 Es ist aber nicht zwingend, die in der SinaiHandschrift fehlenden Berichte über das Konzil von Nizäa oder über die Kreuzesauffindung diesen späteren Revisionsarbeiten zuzuschreiben. Vielleicht würde aber am ehesten der Bericht über die Judenverfolgung in Jerusalem zu dieser Tonverschärfung passen.
5. GESCHICHTSSCHREIBUNG ALS RATIONALE WISSENSCHAFT: AL-MASʿŪDĪ 5.1. Zu Autor und Werk Abū al-Ḥasan ʿAlī ibn al-Ḥusayn (gest. 957), der wegen seiner angeblichen Abstammung vom Prophetengefährten Ibn Masʿūd mit der nisba al-Masʿūdī bekannt ist, hat wie aṭ-Ṭabarī und alYaʿqūbī mehrere Jahre seines Lebens in Bagdad verbracht. 227 Analog zu den bisher behandelten Geschichtsschreibern wechselte er nach seiner Ausbildung in der Hauptstadt des Kalifats mehrmals seinen Aufenthaltsort. Seine Stationen waren dabei Persien, Syrien, die arabische Halbinsel, Oberägypten, Alexandrien und Fusṭāṭ. In Ägypten entstanden seine zwei uns überlieferten Geschichtswerke, nämlich das Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab und das Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf. 228 225 Vgl. Ciggaar, Krijnie: „Cultural Identities in Antioch (969–1268): Integration and Disintegration – New Texts and Images“, in: Borgolte Michael und Schneidmüller Bernd (Hg.): Hybride Kulturen im mittelalterlichen Europa. Vorträge und Workshops einer internationalen Frühlingsschule (Europa im Mittelalter, 16), Berlin 2010, 105–122, hier 107f. 226 Vgl. Griffith, „Apologetics and Historiography“, 78f und Ciggaar, „Cultural Identities“, 112–115. 227 Vgl. Khalidi, Tarif: Islamic historiography: The histories of Masʿūdī, Albany 1975; Shboul, Ahmed: Al-Masʿūdī and his world: A Muslim humanist and his interest in non-Muslims, London 1979 und Pellat, Charles: Art. „alMasʿūdī“, in: EI VI, 784–789. 228 Für Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab vgl. Les prairies dʼor, hg. und übers. von Ch. Barbier de Meynard und A. Pavet de Courteille, 9 Bde., Paris 1861–
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Ein Überblick über die Liste seiner Werke lässt aber erkennen, dass er in den unterschiedlichsten Disziplinen der Wissenschaft bewandert war. Aus den Bücherkatalogen des zehnten und elften Jahrhunderts sind insgesamt 36 Titel ausgemacht worden, davon mehrere Geschichtsbücher, von denen viele sein einschlägiges Interesse für die vorislamischen Völker zeigen. 229 Das erste der zwei erhaltenen historiographischen Werke, das Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, welches seinerseits als Zusammenfassung des früheren Kitāb Aḫbār az-zamān konzipiert ist, scheint mehrmals revidiert worden zu sein, wobei uns nur die erste Version aus dem Jahr 943 erhalten geblieben ist. 230 Das zweite uns erhaltene Werk, das Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf, ist dabei besonders wertvoll, da es als Zusammenfassung aller ihm vorausgehenden Geschichtswerke angesehen werden kann, wenn nicht sogar als sein literarisches Testament überhaupt. Die Liste der von al-Masʿūdī verfassten Werke – die sowohl der Geschichtsschreibung, der Philosophie und der Theologie zugeordnet werden können – macht aber deutlich, dass sein Geschichtswerk in seinem breiteren literarischen Schaffen kontextualisiert werden muss. 231 Auch methodologisch sind die historiographischen Schriften mit seinem literarischen Gesamtwerk eng verbunden, insofern al-Masʿūdī 1877. Die Zitate basieren allerdings auf der überarbeiteten Edition von Charles Pellat (7 Bde., Beirut 1966–1979). Für eine Edition des zweiten Werks vgl. Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf, hg. von M. J. de Goeje (Bibliotheca Geographorum Arabicorum, 8), Leiden 1894 und für eine Übersetzung Le livre de l’avertissement et de la revision, übers. von B. Carra de Vaux, Paris 1896. 229 Vgl. die Liste in EI VI, 785–787 und – für eine kurze Präsentation von einigen davon – CMR II, 298–301. 230 Vgl. EI VI, 785. 231 EI VI, 788: Eager to acquire all available types of knowledge, of whatever origin, and anxious to present them in a form responding to the exigencies of adab which seeks to instruct without burdening the reader, al-Masʿūdī writes for a public which seeks to educate itself, to escape from the narrow confines of traditional instruction and to extend the field of Arab-Islamic culture, while not regarding as negligible everything that happens outside the Muslim world.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 147 Geschichtsschreibung in erster Linie als Wissenschaft versteht. 232 Die Verifizierung und Ursachenforschung geschichtlicher Überlieferungen basiert auf den Prinzipien der Vernunft. Nicht die blinde Nachahmung (taqlīd) früherer Autoritäten, sondern die durch Erfahrung und Beobachtung erzielten neuen Kenntnisse vermehren den Wissensstand sowohl eines einzelnen Menschen als auch einer ganzen Gesellschaft. Damit ist auch ein wichtiges Deutungsmuster al-Masʿūdīs für die Beurteilung der Kulturgeschichte der vorislamischen Völker eingeführt: Diese ist gezeichnet durch einen Prozess des zivilisatorischen Aufstieges, aber auch des zivilisatorischen Niedergangs, welcher gerade durch den die forschende Vernunft hemmenden religiösen Dogmatismus eingeleitet wird. 233 Quellentechnisch ist das Werk al-Masʿūdīs breit abgestützt. Die vom Autor selber angegebene Liste der von ihm konsultierten Werke oder Autoren gibt einen eindrücklichen Einblick in die Fülle an herangezogenen Quellen. 234 Neben bekannten Autoren wie dem jemenitischen Überlieferer Wahb ibn al-Munabbih oder dem bereits behandelten aṭ-Ṭabarī befinden sich auch nicht identifizierbare Geschichtswerke. Neben den zumeist muslimischen Namen fällt auch die Nennung des sabäischen Geschichtsschreibers Sinān ibn Ṯābit ibn Qurra auf, der eine philosophische Schrift über Platon komponiert haben soll, die aber von geringem historiographischem Wert sei. 235 Ob sich in dieser langen Liste auch ein Autor befindet, den al-Masʿūdī für die Geschichte Konstantins heranziehen konnte, ist nicht mehr auszumachen. Als Kandidat bietet sich vor allem Abū ʿIsā ibn alVgl. Khalidi, The histories of Masʿūdī, 28–54, vor allem 47ff. Vgl. Khalidi, The histories of Masʿūdī, 53f und 108–110. 234 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, §§ 8–14 (Übers. Meynard/Courteille I, 10–20) und, für eine Besprechung der von al-Masʿūdī benutzen Quellen, Shboul, al-Masʿūdī and his world, 229–239. 235 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, § 14 (Übers. Meynard/Courteille I, 19). Zu Ṯābit ibn Sinān, der angeblich auch eine Geschichte Ägyptens und Syriens geschrieben hat, vgl. Khan, M. S.: „Miskawaih and Ṭābit ibn Sinān“, in: Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft 117 (1967), 303–317, hier 306. 232 233
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Munağğim an, der eine „Geschichte nach der Torah und über die Angelegenheiten der Könige und Propheten“ geschrieben hat. 236 Sein Geschichtswerk ist zumindest fragmentarisch zu rekonstruieren, da einige Zitate in späteren muslimischen Geschichtsschreibern wie Abū l-Fidāʾ überliefert sind. 237 Bereits das wenig erhaltene Material zeigt aber, dass schon Ibn alMunağğim mehrere arabische Quellen zusammenfügte und dass darunter auch christliche Werke zu zählen sind, darunter auch eine Version des Contra Iulianum Kyrills von Alexandrien. 238 Vermutlich beinhaltete Ibn al-Munağğims Geschichtswerk auch eine Chronologie oder eine Liste der römischen Kaiser. 239 Ob sich alMasʿūdī für die Geschichte Roms auf Ibn al-Munağğim tatsächlich stütze – und wenn ja, im welchem Umfang – kann aber nicht mehr bestimmt werden. Aus einer Passage im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab zeigt sich, dass er jedenfalls auf mehrere Chroniken zurückgreifen konnte: Die meisten Chroniken, die ich konsultiert habe, stimmen darüber ein, dass die Zahl der Könige, die in der Stadt Roms geherrscht haben und die wir in diesem Abschnitt erwähnt haben, bei 49 liegt und dass die Zeit, die zwischen dem ersten dieser Könige […] bis zu diesem Konstantin, Sohn der Helena, verging, 437 Jahre, sieben Monate und sechs Tage beträgt. Die unterschiedlichen Kopien der Chroniken über diese Angelegenheit, welche meistens auf Griechisch verfasst sind, liefern erhebliche Unterschiede bei den Namen der Könige und bei der Dauer ihrer Herrschaft. Wir haben zu diesem Zwecke alle Informationen wiedergegeben, die uns würdig erschienen sind, wiedergegeben zu werden. Die Geschichte
Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, § 10 (Übers. Meynard/Courteille I, 14). 237 Vgl. dazu Stern, Samuel Miklos: „Abū ʿĪsā Ibn al-Munajjim’s Chronography“, in: Ders. u.a. (Hg.): Islamic philosophy and the classical tradition. Essays presented by his friends and pupils to Richard Walzer on his seventieth birthday, Columbia – South Carolina 1972, 437–66. 238 Vgl. Stern, „Chronography“, 439 und 442f. 239 Vgl. Stern, „Chronography“, 455f. 236
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 149 dieser Könige und ihre Taten und Unternehmungen sind in den Chroniken der melkitischen Christen zu finden. 240
Abgesehen von der Frage nach der Identität der gemeinten Chroniken, gibt die wiedergegebene Passage noch keine Antwort auf die Frage, ob der muslimische Geschichtsschreiber des Griechischen mächtig war, um solche Quellen auch aus eigener Hand konsultieren zu können, oder ob er auf zweisprachige Helfer angewiesen blieb. 241 Eine weitere Liste der von ihm verwendeten Quellen zur römischen Geschichte wird in seinem letzten Werk – dem Kitāb atTanbīh wa-l-išrāf – genannt. Neben den zwei melkitischen Geschichtsschreibern al-Manbiğī und Ibn Baṭrīq nennt er auch ein „Qays dem Maroniten“ zugeschriebenes Geschichtswerk, welches die Zeit von der Schöpfung bis zum Kalifen al-Muktafī abdeckt, den Nestorianer Yaʿqūb ibn Zakarīyāʾ aus Kaskar und den Jakobiten Abū Zakarīyāʾ Dinḫā, Verfasser einer „Geschichte der Könige Roms und der Könige der Griechen“. 242 Die Nennung von al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 733 (Übers. Meynard/Courteille II, 309f): Wa-l-laḏī wağadtu fī l-akṯari min kutubi ttawārīḫi mimmā ittafaqū ʿalayhi anna ʿiddata mulūki r-rūmi l-laḏīna malakū bi-madīnati rūmīyata wa-hum al-laḏīna qaddamnā ḏikrahum fī hāḏā lbābi tisʿatun wa-arbaʿūna malikan wa-ğamīʿa ʿadadi sinī[na] mulkihim min awwali malikin malakahum […] ilā qusṭanṭīn hāḏā wa-huwa ibnu hilānī arbaʿu-miʾatu sanatin wa-sabʿun wa-ṯalāṯūna sanatan wa-sabʿatu ašhurin wa-sittatu ayyāmin. wa-nusaḫu kutubi t-tawārīḫi fī-l-maʿnā muḫtalifatun ġayru muttafiqatin fī asmāʾi mulūkihim wa-muddati mulkihim wa-akṯaruhā bi-r-rūmīyata. fa-ḥakaynā min ḏālika mā taʾtī lanā waṣfuhu. wa li-hāʾulāʾi lmulūki aḫbārun wa-siyarun hiya mawğūdatun fī kutubi n-naṣārā lmalikīyati. 241 Während sich Shboul, al-Masʿūdī and his world, 231 dagegen ausspricht, sieht Di Branco, Storie arabe, 130 gerade in den vom Geschichtsschreiber oft bemühten Etymologien aus dem Griechischen einen Beweis für eine direkte Sprachkenntnis. 242 Vgl. al-Masʻūdī, Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf, Ed. de Goeje, 154f und Graf, GCAL II, 94 (für Qays al-Mārūnī), 155 (für Yaʿqūb ibn Zakarīyāʾ) und 250f (für Abū Zakarīyāʾ Dinḫā). Daneben wird im gleichen Kontext auch der alexandrinische Geschichtsschreiber Annianus (in der Edition 240
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Repräsentanten aus den unterschiedlichen christlichen Kirchen zeigt die Intention des Autors, die Rekonstruktion der Geschichte Roms so breit wie möglich abzustützen und nicht von einer bestimmten konfessionellen Perspektive abhängig zu machen. 243 Inhaltlich gesehen zeichnet sich das Geschichtswerk alMasʿūdīs vor allem durch seinen enzyklopädischen Charakter aus. Wie es Montgomery trefflich formulierte, besteht einer der Hauptmerkmale solcher allumfassenden Werke aus einem „parasitären Charakter“, indem sie die literarischen Leistungen einzelner Wissenschaften bereits voraussetzen und an diese anknüpfen. 244 Sie bringen also die kulturellen Leistungen der Gesellschaft, in welcher sie verfasst wurden, nochmals in Form einer Selbstschau zusammen. Darum kann gerade für das Geschichtswerk al-Masʿūdīs behauptet werden, dass es auch als Mittel der Selbstrepräsentation einer kosmopolitisch vernetzen Gelehrtenwelt dienen sollte. Dieser ist es innerhalb des muslimischen Kulturkreises gelungen, zwischen den verschiedenen Regionen und auf den sie verbindenden Straßen entlang eine universale Wissenskultur zu verbreiten, die sich historiographisch auch in Form der Weltgeschichtsschreibung ausdrückt: „Beyond the individual motivation of the author and the pressures imposed by patronage what might be called connectivity determined the geographical and intellectual scope of universal histories. This was the extent to which the author was able to access current von de Goeje Aṯnāyūs) genannt, der eine „Weltgeschichte von Adam bis Konstantin“ verfasst hat. Die Kenntnis seines Geschichtswerkes dürfte wohl durch die syrische Geschichtsschreibung vermittelt worden sein. Vgl. Debié, L’écriture de l’histoire en syriaque, 321–323. 243 Die Wiedergabe der genannten Geschichtsschreiber folgt direkt auf den Bericht über Maron und die sich auf ihn berufende Kirchengemeinschaft, die letzte der christlichen Gemeinschaften, über die sich der muslimische Geschichtsschreiber aufhält. Dadurch bekommt diese kurze Liste christlicher Geschichtswerke die Funktion, die konfessionelle Unvoreingenommenheit des Autors zu belegen. 244 Vgl. Montgomery, James: Al-Jāḥiẓ: In Praise of Books (Edinburgh Studies in Classical Arabic Literature), Edinburgh 2013, hier 270f.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 151 knowledge of the size and nature of the world beyond his immediate locale.“ 245 5.2. Texte zu Konstantin Konstantin ist auch für al-Masʿūdī eine Schlüsselgestalt in der Geschichte Roms. Das hängt aber nicht nur damit zusammen, dass er der erste Kaiser war, unter dem sich das römische Reich zum Christentum bekehrt hat. Die Prominenz Konstantins ist auch methodologisch begründet. Im Kitāb at-Tanbīh sagt der Geschichtsschreiber nämlich am Ende des Abschnittes über die vorkonstantinische Geschichte, dass die vorhandenen Quellen erst über die Zeit ab der Regierung Konstantins klare und eindeutige Aussagen über die Zahl der Herrscher und die jeweiligen Herrschaftsjahre machen. Diese Beobachtung knüpft also an die bereits oben zitierte Bemerkung über die chronologische Ungenauigkeit der auffindbaren Chroniken an, wenn es darum geht, die Zahl der Herrscher Roms bis zu Konstantin zu bestimmen. Darin lässt sich für al-Masʿūdī jedenfalls die Bedeutung Konstantins für die Rekonstruktion der Geschichte Roms mit der Bedeutung vergleichen, die Ardaschir, der Begründer der Sassanidischen Dynastie, für die Geschichte Persiens hatte. 246 Wie das folgende Zitat – ebenfalls aus dem Kitāb at-Tanbīh entnommen – zeigt, scheinen die zwei uns erhaltenen Werke nur einen Bruchteil dessen wiederzugeben, was uns der Geschichtsschreiber über Konstantin eigentlich zu berichten hätte: Die Geschichte Konstantins und sein Leben, seine Maßnahmen zugunsten der Religion und seine Herrschaft, seine Reisen in verschiedene Länder, seine Kriege vor und nach der Bekehrung zum Christentum, all dies haben wir niedergeschrieben in unserem Buch der Annalen der Zeiten und der
Marsham, Andrew: „Universal Histories in Christendom and the Islamic World c. 700 – c. 1400“, in: Chase F. Robinson und Sarah Foot (Hgg.): The Oxford History of Historical Writing. Volume 2: 400–1400, Oxford 2012, 431–456. 246 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje 136f (Übers. de Vaux, 189). 245
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CONSTANTINUS ARABICUS Ereignisse, in denen vergangene Völker, erloschene Generationen und verschwundene Königreiche untergingen sowie in dem ihm folgenden Buch der Mitte, in der letzten Version des Buch der Weide des Goldes und der wertvollen Edelsteine, im Buch der unterschiedlichen Wissenschaften und dessen, was sich in den vergangenen Jahrhunderten ereignet hat und im Buch der Berichte über die Ereignisse der vergangenen Jahrhunderte. In diesem Werk werden wir bloß einen Schimmer dieser Ereignisse wiedergeben, da dessen Ziel es ist, auf diese vorherigen Werke zu verweisen und in sie hineinzuführen. 247
Die vielen hier aufgelisteten Verweise auf seine anderen historiographischen Werke zeigen, dass die einzelnen Geschichtswerke al-Masʿūdīs keine in sich abgeschlossenen Einheiten bilden, sondern aufeinander verweisen. Darum ist also nicht zu vermuten, dass jedes der gerade aufgelisteten Werke die Konstantingeschichte von Grund auf neu aufzieht und dafür jeweils neue Quellen heranzieht. Oft entstanden die unter einem eigenen Titel angegebenen Werke, wie in der muslimischen Literatur üblich, als Revisionsarbeiten oder Zusammenfassungen früherer Werke. Das historiographische Gesamtwerk al-Masʿūdīs lebt also durch eine Intertextualität, die unser Geschichtsschreiber auch als solche erkennen lassen will. Gleichzeitig ist dabei hervorzuheben, dass dieses Gesamtwerk erst mit der Zeit gewachsen ist. Die unterschiedlichen Geschichtswerke spiegeln auch die historiographische Entwicklung al-Masʿūdīs wider. Durch seine Aufenthalte zwischen dem Iraq und Ägypten dürften ihm al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 144f (Übers. de Vaux, 199): Wa-li-qusṭanṭīn aḫbārun wa-siyarun wa-siyāsātun fī l-mulki wa-d-dīni wa-sayri fī l-arḍi wa-ḥurūbi qabla tanaṣṣurihi wa-baʿdahi wa-qad atīnā ʿalā ğamīʿi ḏālika fī kitābinā fī aḫbāri z-zamāni wa-man abādahū l-ḥidṯāni mina l-umami al-māḍiyati wa-l-ağyāli l-ḫāliyati wa-l-mamāliki d-dāṯirati wa-mā talāhu mina l-kitābi l-awsaṭi wa-fī n-nusḫati l-aḫīrati min kitābi murūği ḏḏahabi wa-maʿādini l-ğawhari wa-fī kitābi funūni l-maʿārifi wa-mā ğarā fī d-duhūri s-sawālifi wa-fī kitābi l-istiḏkāri li-mā ğarā fī sālifi l-aʿṣāri. waannamā naḏkuru fī hāḏā l-kitābi lamʿan min ḏālika li-yakūna munabbihan ʿalayhā wa-madḫalan ilayhā. 247
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 153 jeweils neue Quellen in die Hände gekommen sein, die ihn dazu gebracht haben, frühere Werke zu bearbeiten und durch neue zu ergänzen. Mit dem Kitāb at-Tanbīh hat er schließlich ein Werk verfasst, um das Wichtigste aus den vorausgehenden Werken nochmals zusammenzufassen und eine Gesamtperspektive auf sein historiographisches Werk zu bieten. So schreibt er nochmals im Kontext der Geschichte Roms, nur „einen Schimmer und eine Zusammenschau“ (lamʿan wa-ğawāmiʿa) der Ereignisse zu bieten. 248 Das Fehlen der meisten seiner Geschichtswerke hat jedenfalls zur Folge, dass die Behandlung der vorislamischen Geschichte im Kitāb at-Tanbīh nur noch bedingt erkennen lässt, wie sich im Laufe der Zeit al-Masʿūdīs Bild und Darstellung der römischen Geschichte verändert hat. Jedoch lässt auch dasjenige, was uns aus den zwei erhalten gebliebenen Geschichtswerken über Konstantin überliefert wird, den Komplexitätsgrad ihrer Komposition erkennen. Das sowohl inhaltlich wie quellentechnisch sehr heterogene Material zu Konstantin bündelt mehrere Diskurse zusammen, die man – vereinzelt genommen – sowohl der Geschichtsschreibung im engeren Sinne, der geographischen und topographischen Weltbeschreibung und der Wissenschaftsgeschichte zuordnen kann. Konstantin im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab Am Beispiel vom Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab kann man noch einige Kontinuitäten mit dem Geschichtswerk al-Yaʿqūbīs feststellen, insofern die Geschichte der heidnischen Könige (Ed. Pellat II, §§ 715–733) und der christlichen Könige Roms (Ed. Pellat II, §§ 734– 754) in je einem separaten Kapitel wiedergegeben werden, wobei al-Masʿūdī die Geschichte der Könige Roms nach der Erscheinung des Islams (Ed. Pellat II, §§ 755–771) nochmals in einem separaten Kapitel behandelt. 249 Dieser letzte Abschnitt bietet aber kaum Einblicke in das innere politische Leben des byzantinischen Reiches, sondern beschränkt sich auf eine Liste der 248
208f).
249
al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 151 (Übers. de Vaux,
Vgl. König, Arabic-Islamic Views, 125–129.
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aufeinanderfolgenden Herrscher, um auf die jeweils amtierenden Kalifen in Damaskus oder Bagdad zu verweisen und Besonderheiten zu den diplomatischen Beziehungen und gegebenenfalls auch militärischen Konflikten zwischen Byzanz und den Arabern zu liefern. 250 Es scheint also, dass er diese Periode der byzantinischen Geschichte noch anhand muslimischer Quellen rekonstruieren musste, die sich in erster Linie mit den militärischen Auseinandersetzungen und der politischen Geschichte des Kalifats beschäftigten. Dadurch kann unter anderem erklärt werden, warum al-Masʿūdī gerade die ikonoklastischen Streitigkeiten und die Einberufung des Zweiten Konzils von Nizäa entgangen sind. 251 Es scheint also, dass in Konstantinopel vorhandene Geschichtswerke wie die Chronographie des Theophanes oder die in der Regentschaft Konstantins VII (913–959) geförderte Produktion historiographischer und administrativer Literatur – welche Paul Lemerle in Verbindung mit dem „byzantinischen Humanismus“ des zehnten Jahrhunderts zu sehen vorschlägt – ihm und der arabischen Geschichtsschreibung weitgehend unbekannt blieben. 252 Eine weitere Kontinuität mit al-Yaʿqūbī ist darin auszumachen, dass sich al-Masʿūdīs Wiedergabe der Geschichte Roms im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, wie bereits oben angemerkt, als Herrscherliste mit kurzen geschichtlichen Einträgen präsentiert. 253 Vgl. auch Shboul, al-Masʿūdī and his world, 247f. Vgl. die eigentlich infrage kommenden Notizen zu Leo III, Konstantin V, Leo IV und Konstantin VI in al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏḏahab, Ed. Pellat I, § 757 (Übers. Meynard/Courteille II, 336f). 252 Vgl. Lemerle, Paul: Le premier Humanisme Byzantin: Notes et remarques sur enseignement et culture à Byzance des origines au Xe siècle (Bibliothèque Byzantine, 6), Paris 1971, 274–280. 253 Ausführlicher werden Notizen zur Heilsgeschichte behandelt. Neben Bemerkungen zu einzelnen Aposteln kommt vor allem der Legende der Siebenschläfer im Eintrag zu Kaiser Decius große Bedeutung zu. Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, § 730. Im selben Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab widmet al-Masʿūdī den „Leuten der Zwischenzeit“ (ahl al-fitra) noch ein separates Kapitel, den frommen Gestalten also, die zwischen dem Auftreten Jesu und der Sendung Muḥammads erschienen sind. Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, §§ 122–151 250 251
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 155 Auch hier zeichnet sich der Abschnitt zu Konstantin bereits quantitativ durch seine relative Ausführlichkeit aus. Das heterogene Material führt dabei auch zu thematischen Verdoppelungen. So geben gleich zwei Abschnitte einen kurzen Überblick über seine Herrschaft wieder (§ 734 und § 737). Dazu treten einzelne exkursartige Abschnitte zu verschiedenen Aspekten seiner Herrschaft auf. So lassen sich jeweils ein Abschnitt über die Bautätigkeit Helenas (§ 735), ein kurzer Überblick über die Konziliengeschichte (§ 736), eine Beschreibung der Stadt Konstantinopels (§ 740), eine topographische Beschreibung ihres Kanals (§§ 738–739) und eine längere Abhandlung über die griechischen Wissenschaften (§§ 741–743) finden. Zusammen mit dem Exkurs über die genealogische Herkunft der Römer (§§ 715– 716) zu Beginn der Geschichte Roms werden im Umfeld der Konstantingeschichte also mehrere kulturund religionsgeschichtliche, militärische und geographische Interessensgebiete abgedeckt, die ein muslimischer Intellektueller wie al-Masʿūdī an Byzanz und seine Geschichte herantrug. Die erste der zwei Notizen über die Regierung Konstantins (§ 734) konzentriert sich auf die wesentlichen Aspekte seiner Herrschaft und stellt vor allem die Übersiedlung Konstantins von Rom nach Konstantinopel und die Auffindung der Kreuzesreliquie durch Helena in den Vordergrund. Es wird auch ein „seltsamer Bericht“ (ḫabar ṭarīf) erwähnt, wonach es zu einem diplomatischen Austausch zwischen Konstantin und dem Volk der Bulgaren (burğān) gekommen sei, um die Gefahr eines militärischen Eindringens durch die Perser zu bannen. 254 Insofern man die (Übers. Meynard/Courteille I, 124 –148). Zur Behandlung der vorkonstantinischen Geschichte Roms im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab siehe auch Di Branco, Storie arabe, 124–130. 254 al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat I, § 734 (Übers. Meynard/Courteille II, 311). Damit sind die in den Steppen des KubanFlusses und im Kaukasus-Gebiet angesiedelten Türkvölker der Bulgaren gemeint. Vgl. Kennedy, Hugh: „Byzantine-Arab Diplomacy in the Near East from the Islamic Conquests to the mid eleventh century“, in: Shepard J. u.a. (Hg.): Byzantine Diplomacy, Farnham 1992, 133–43, hier 138 und Hrbek, I.: Art. „Bulghār“, in: EI I, 1304–08.
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Bezeichnung der Bulgaro-Türken auf die Völker der KaukasusRegion allgemein ausweitet, dürfte diese kurze Notiz bereits als Vorbote der unter Heraklios greifenden Allianz mit den Khazaren dienen. Es ist aber nicht möglich zu bestimmen, ob hinter dieser kurzen Notiz eine Quelle zum Beispiel aus der persischen Geschichtsschreibung zu vermuten wäre, welche über die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Konstantin und sein Gegenüber Schapur berichtet hätte. 255 Einen Hinweis aber, dass alMasʿūdī eine ausführlichere Version dieser Erzählung kannte und in einem seiner Werke überlieferte, gibt er im Kitāb at-Tanbīh wa-lišrāf: Wir haben in unseren vorherigen Büchern erwähnt, wie die Stadt Konstantinopels gebaut worden ist und welche sich gegenseitig widersprechenden Behauptungen es dazu gibt. [Wir haben auch erwähnt,] dass nach der Meinung einiger die Gebiete jenseits des Kanals den Bulgaren gehörten und dass Konstantin mit einer List vom König der Bulgaren die Erlaubnis erhielt, auf diesem Boden, dessen Vorteile er gut kannte, eine Stadt bauen zu können. 256
Aus einer ganz anderen Quelle dürfte hingegen die zweite und ausführlichere Notiz über die Regierung Konstantins stammen, aus welcher die Bekehrungsgeschichte hier wiedergegeben werden soll. Während die Bulgaren oben noch als Verbündete Konstantins Die Sektion über die Geschichte der persischen Könige aus dem Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab hilft in dieser Hinsicht nicht weiter. Der Abschnitt über die Regierung Schapurs II enthält eine Wiedergabe der bereits in aṭṬabarī vorzufindenden Erzählung über die Spionagemission des persischen Königs nach Konstantinopel und seine dortige Gefangennahme (Übers. Meynard/Courteille 181–184). Da der römische Gegenspieler aber ungenannt bleibt, könnte es sich dabei sowohl um Konstantin als auch um Julian handeln. 256 al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 141f (Übers. de Vaux, 195): Wa-qad ḏakarnā fīmā salafa min kutubinā s-sababa fī kayfīyati bināʾi l-qusṭanṭīnīyati wa-t-tanāzuʿa fī ḏālika wa-qawla man qāla an mā warāʾa lḫalīği kāna min arḍi burğāna fa-ḥtāla qusṭanṭīn ʿalā maliki burğāna liʿilmihi bi-l-mawḍiʿi wa-ḥaṣānatihi ḥattā aḏina lahu fī bināʾihā. 255
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 157 erscheinen, treten sie nun als seine militärische Gegner auf, was unter anderem an die Erzählung der Kreuzesvision am Vorabend der Schlacht gegen die einfallenden Donauvölker erinnert, die aus der Judas-Kyriakos-Legende zu entnehmen ist: Dies ist die Ursache der Bekehrung Konstantins, des Sohns Helenas, sich zum Christentum zu bekehren und seiner Lust daran: Er führte Krieg gegen die Bulgaren oder andere Völker. Während der Krieg aber für ein Jahr unentschieden blieb, wandte sich die Gunst letztendlich für einige Tage gegen ihn und eine große Zahl seiner Mitstreiter wurde getötet, so dass er um sein eigenes Ende fürchtete. Da sah er im Schlaf, wie vom Himmel Lanzen herabstiegen, mit Fahnen und Bannern daran; an ihren Spitzen waren Kreuze aus Gold, Silber, Edel-Metall, Bronze und mit vielen Sorten von Edelsteinen. Eine Stimme sagte ihm dabei: „Nimm diese Lanzen und greif deine Feinde an, denn du wirst siegreich sein!“ Im selben Traum sah er, wie das feindliche Heer davongejagt wurde und wie er ihm eine Niederlage einbrachte und es in die Flucht trieb. Als Konstantin aufwachte, ordnete er an, die Lanzen zu bringen und darauf je ein Kreuz anzubringen, wie wir erwähnt haben. Er ließ sie an der Spitze seiner Armee emporheben und griff das feindliche Heer an. Er schlug den Feind in die Flucht und zerschlug ihn mit dem Schwert. Er kehrte danach nach Nizäa um und fragte die Gelehrten über dieses Kreuz, ob sie es vielleicht aus irgendeiner Religion kennen würden. Es wurde ihm gesagt, dass sich diese Religionsgemeinschaft [wonach er fragte] in Jerusalem und in Syrien versammle. Sie informierten ihn darum auch über die Verfolgungen der früheren Könige gegen die Christen. Darum ließ er nach ganz Syrien und besonders nach Jerusalem senden und versammelte 318 Bischöfe und ließ sie nach Nizäa bringen. Dort berichtete er ihnen, was ihm widerfahren sei, und wurde von ihnen in der christlichen Religion unterwiesen. 257
al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 737 (Übers. Meynard/Courteille II, 314–16): Wa-kāna s-sababu fī duḫūli qusṭanṭīn ibn hilānī fī dīni n-naṣrānīyati wa-r-raġbati fīhi anna qusṭanṭīn ḫarağa fī baʿḍi 257
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Es ist durchaus möglich, die von Konstantin gesuchte Auskunft über die Herkunft des Kreuzessymboles und die christliche Unterweisung durch die Konzilsväter als ein fernes Echo der Erzählung der Kreuzesvision aus der Judas-Kyriakos-Legende zu sehen, insofern dort eben die Christen Konstantin über die Bedeutung des Kreuzeszeichens aufklären, während ihn der römische Bischof Eusebius in den christlichen Glauben einweiht. 258 Ähnlich wie in al-Yaʿqūbī wird hingegen das Bild der vom Himmel herabsteigenden Lanzen bemüht. Vor allem aber fällt auch hier der enge Zusammenhang zwischen der Bekehrung Konstantins und der Einberufung des Konzils auf, das also die Funktion bekommt, die Bekehrung des römischen Kaisers zu beglaubigen. Die Bedeutung, die al-Masʿūdī dem Konzil von Nizäa beimisst, zeigt sich in der Liste der sechs allgemeinen Konzile der alten Kirche, ohne also, wie oben schon bemerkt, das siebte Konzil (787) zu nennen. 259 Al-Masʿūdī lässt es sich dabei nicht entgehen, auf die Herleitung des Arabischen iğtimāʿ („Versammlung“) aus ḥurūbi burğāna aw ġayrihim mina l-umami. fa-kānat al-ḥarbu baynahum siğālan naḥwan min sanatin ṯumma kānat ʿalayhi fī baʿḍi l-ayyāmi fa-qutila min aṣḥābihi ḫalqun kaṯīrun wa-ḫāfa l-bawāra. fa-raʾā fī n-nawmi kaʾanna rimāḥan nazalat mina s-samāʾi fīhā ʿaḏabun wa-aʿlāmun ʿalā ruʾūsihā ṣulbānu mina ḏ-ḏahabi wa-l-fiḍḍati wa-l-ḥadīdi wa-n-nuḥāsi wa-anwāʿi lğawāhiri. wa-qīla lahu: ḫuḏ hāḏihi r-rimāḥa wa-qātil bihā ʿadūwaka tunṣar. fa-ğaʿala yuḥāribu bihā fī n-nawmi fa-raʾā ʿadūwahu munhaziman wa-qad nuṣira ʿalayhi wa-wallāhu d-dubura. fa-stayqaẓa min raqdatihi wa-daʿā bi-rrimāḥi fa-rakkaba ʿalayhā mā ḏakarnā wa-rafaʿahā fī ʿaskarihi wa-zaḥafa ilā ʿadūwihi. fa-wallū wa-aḫaḏahum as-sayfu. fa-rağaʿa ilā madīnati nīqīyata wa-saʾala ahla l-ḫibrati ʿan tilka ṣ-ṣulbāni wa-hal yaʿrifūna ḏālika fī šayʾin mina l-ārāʾi wa-n-niḥali. fa-qīla lahu: inna bayta l-maqdisi min arḍi š-šām mağmaʿun li-hāḏā l-maḏhabi. wa-uḫbaru bi-mā faʿalahu man qablahu mina l-mulūki fī qatli n-naṣrānīyati. fa-baʿaṯa ilā š-šām wa-bayti l-maqdisi fa-ḥašara lahu ṯalāṯu-miʾatin wa-ṯamāniyata-ʿašara usqufan fa-atūhu wahuwa bi-niqīyata. fa-qaṣṣa ʿalayhim amrahu fa-šaraḥū lahu dīna nnaṣrānīyati. 258 Vgl. Drijvers, The Finding of the True Cross, 54–56. 259 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 736 (Übers. Meynard/Courteille II, 313f).
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 159 dem Griechischen sunūdus aufmerksam zu machen. Dem Konzil von Nizäa im Besonderen wird die Rolle zugeschrieben, die christliche Religion zu definieren (aqāmū dīna n-naṣrānīya). Ohne dabei auf die Inhalte der im Hintergrund ausgetragenen dogmatischen Streitigkeiten einzugehen, wird auch Arius als Ursache des Konzils genannt. Viel wichtiger erscheint dem muslimischen Geschichtsschreiber aber die Betonung der Tatsache, dass alle Christen, also die Melkiten, Nestorianer und Jakobiten, mit den Beschlüssen dieses Konzils übereinstimmen. Mit dieser Notiz wird also eine mit der Geschichte Roms parallel laufende Konziliengeschichte eingeführt, welche in den folgenden Abschnitten im Sinne einer Konfessionskunde der unterschiedlichen christlichen Kirchen aufgezogen wird. Nach einer kurzen Erwähnung des Konzils von Konstantinopel (§ 741) folgen dementsprechend, im Zusammenhang des Konzils von Ephesos (§ 748), ein Exkurs über die Verbreitung der Nestorianer (§ 749) und, im Zusammenhang des Konzils von Chalkedon, ein ähnlich gearteter Exkurs über die Verbreitung der jakobitischen Kirche (§§ 750–751). Anders als al-Yaʿqūbī berichtet al-Masʿūdī aber auch über Helena und ihre Rolle bei der Christianisierung des römischen Reiches. Wie die folgende Notiz zur Kreuzesauffindung bereits andeutet, wird sie sowohl mit der Auffindung der Kreuzesreliquie als auch mit dem Bau von Kirchen in Zusammenhang gebracht: Im siebten Jahr seiner Herrschaft ging Helena, seine Mutter, nach Syrien und baute dort mehrere Kirchen und begab sich danach nach Jerusalem, um nach dem Kreuz zu suchen, an das – dem Glauben der Christen entsprechend – Christus gekreuzigt wurde. Als sie es gefunden hatte, verzierte sie es mit Gold und Silber und bestimmte einen Tag für das Andenken an seine Wiederauffindung, und zwar das Fest des Kreuzes. 260
al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 734 (Übers. Meynard/Courteille II, 311f): Wa-li-sabʿi sinīna ḫalat min mulkihi ḫarağat ummuhu hilānī ilā arḍi š-šām fa-banat al-kanāʾisa wa-sārat ilā bayti lmaqdisi wa-ṭalabat al-ḫašabata l-latī ṣuliba ʿalayhā l-masīḥu ʿindahum. fa260
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Wegen der Kürze des Berichtes ist es nicht möglich zu bestimmen, welche Version der Kreuzesauffindungslegende al-Masʿūdi vor Augen hatte. Im Unterschied zu den bisher erwähnten christlichen Geschichtsschreibern wird ihre Rolle als Kirchenerbauerin von der Kreuzesauffindung zudem losgekoppelt. Wenige Zeilen später wird nämlich erwähnt, dass sie die auf vier Säulen gebaute Kirche von Homs gebaut habe, welche zu den Weltwundern (ʿagāʾib) der Antike gehöre. 261 Aus den geographischen Werken seiner Zeit ist mir diese Assoziation nicht weiter bekannt. Allerdings hebt bereits der Geograph Ibn Ḫurdāḏba (gest. 912) in seiner Beschreibung wichtiger Bauten der Römer u.a. den nicht nachahmbaren Glanz der Kirchen von Homs und von Edessa hervor. 262 Dennoch wird die Verbundenheit Helenas mit Jerusalem und mit der Kreuzesreliquie nicht ausgeklammert. Zumindest bleibt der Name Helenas für den Geschichtsschreiber unwiderruflich mit dem Kreuzeskult verbunden, wie diese singuläre Passage zeigt, in welcher das Schriftbild ihres Namens im Sinne einer Gematrie (abğad) interpretiert wird: Alle Kirchen in Syrien, Ägypten und im Lande der Römer wurden von der Königin Hilānī, der Mutter Konstantins gebaut. Ihr Name wird in allen Kirchen auf dem Kreuz angesetzt. In der griechischen Sprache fehlt aber der Buchstabe hāʾ und so wird ihr Name mit fünf Buchstaben geschrieben: Der erste Buchstabe ist ein imāla, und er besitzt einen Zahlenwert von 5, der zweite Buchstabe lām hingegen
lammā ṣārat ilayhā ḥallathā bi-ḏ-ḏahabi wa-l-fiḍḍati wa-ttaḫaḏat liwuğūdihā ʿīdan wa-huwa ʿīdu ṣ-ṣalībi. 261 al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 735 (Übers. Meynard/Courteille II, 312). 262 Vgl. Ibn Ḫurdāḏba, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, Ed. de Goeje, 161f. Im Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf (Ed. de Goeje, 144 [Übers. de Vaux, 198]) fügt al-Masʿūdī neben der Kirche von Homs auch die in Roha (Edessa) gebaute Kirche, die Moschee von Damaskus, den Leuchtturm von Alexandrien und die Brücke von Sanğa in die Liste der Weltwunder ein. Die Erwähnung des Kirchenbaus Helenas in Edessa taucht auch in Ibn Baṭrīq (at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, § 198) auf. Vgl. auch Segal, J. B.: Edessa: The blessed City, Piscataway 22005, 213.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 161 30, der folgende imāla gilt wieder 5, der vierte Buchstabe nūn gilt 50 und der fünfte Buchstabe yāʾ schlussendlich 10. Alle zusammengezählt geben sie den Wert der Zahl 100 wieder, wie wir erwähnt haben, und dies ist also das Bild der Buchstaben, welches im Griechischen Ελενη für die Zahl 100 steht. 263
Konstantin im Kitāb at-Tanbīh Auch im Kitāb at-Tanbīh wird die Geschichte Roms in drei Epochen bzw. „Schichten“ (ṭabaqāt) gegliedert, um damit jeweils die Geschichte der heidnischen Könige (Ed. de Goeje, 123–137), der christlichen Könige bis Phokas (Ed. de Goeje, 137–156) und derjenigen ab Heraklios (Ed. de Goeje, 156–176) zu behandeln. Ein Vergleich mit dem Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab legt dabei schnell die reichere und ausführlichere Berichterstattung über die Geschichte Roms offen, was auf eine Entwicklung im Quellenbestand hindeutet, auf den al-Masʿūdi Zugriff hatte. Einen entscheidenden al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 735 (Übers. Meynard/Courteille II, 312f): Fa-kullu kanīsatin bi-š-šāmi wa-miṣra wa-bilādi r-rūmi fa-innahā banathā hāḏihi l-malikatu hilānī ummu qusṭanṭīn. wa-qad ğuʿila ismuhā maʿ ṣ-ṣalībi fī kulli kanīsatin lahā. wa-laysa li-r-rūmi fī aḥrufihim hāʾ. fa-aḥrufu hilānī ḫamsatu aḥrufin: fa-l-awwalu imālatun wa-hiya bi-ḥisābi l-ğummali ḫamsatun wa-ṯ-ṯānī lām wa-hiya ṯalāṯūna wa-ṯ-ṯāliṯu imālatun ayḍan wa-hiya ḫamsatun ayḍan wa-r-rābiʿu n-nūn wa-hiya ḫamsūna wa-l-ḫāmisu yāʾ wa-hiya bi-ḥisābi l-ğummali ʿašratun. fa-ḏālika miʾatun iḫtiṣāran ʿalā mā ḏakarnā wa-hāḏihi ṣūratun ḥarfin al-laḏī huwa miʾatun bi-r-rūmīyati Ελενη. Wie der Herausgeber der Edition bemerkt, scheint der handschriftliche Befund darauf hinzuweisen, dass al-Masʿūdī selber das griechische Schriftbild wiedergegeben hat. Die numerische Deutung des Namens „Helena“ setzt natürlich voraus, dass das arabische Schriftbild ( ھﻼﻧﻰhilānī) den griechischen Namen Ελενη nach seiner phonetischen Aussprache (Eleni) wiedergibt, die er im Ohr zu haben schien. Darum schreibt er den eigentlich dem arabischen Buchstaben „h“ zukommenden Zahlenwert fünf dem aus „a“ stammenden und doppelt vorkommenden Umlaut (imāla) „e“ zu. Zur Praxis der Gematrie in der muslimischen Literatur vgl. Gacek, Adam: Arabic Manuscripts: A Vademecum for Readers (Handbook of Oriental Studies, 98), Leiden 2009, 12f. 263
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Moment dürfte gerade die Entdeckung derjenigen christlichen Geschichtswerke auf Arabisch darstellen, die oben schon angesprochen wurden. Ein Durchgang durch das Kitāb at-Tanbīh zeigt dabei, dass er für die Geschichte Roms vor allem auf Ibn Baṭrīq zurückgreift. 264 Vor allem in der vorkonstantinischen Geschichte gibt al-Masʿūdī den Eindruck, dass er die Darstellung des melkitischen Geschichtsschreibers als Hauptgerüst verwendet, die er anhand weiterer Quellen ergänzt oder erweitert. Zum einen hat dies zu einer präziseren Wiedergabe der politischen Geschichte Roms geführt. So kann al-Masʿūdī nun über die Bekehrung des im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab nicht und von Ibn Baṭrīq nur mit Namen erwähnten Kaisers Philippus zum Christentum berichteten. 265 In anderen Fällen bekundet al-Masʿūdī sein Interesse für die Kulturgeschichte der Antike. So ergänzt er die in Ibn Baṭrīq vorgefundene Erwähnung des während der Herrschaft des Commodus wirkenden Galenus mit einem Exkurs über sein medizinisches Werk, in welchem auch die bereits erfolgten arabischen Übersetzungen durch Ḥunayn ibn Isḥāq erwähnt werden. 266 Umso erstaunlicher ist es darum, dass al-Masʿūdī die von Ibn Baṭrīq nachgezeichnete Kindheits- und Aufstiegsgeschichte Konstantins in den eigentlich sehr genau wiedergegebenen Abschnitten zu Diokletian und seinen unmittelbaren Nachfolgern unerwähnt lässt. 267 Auch in den Abschnitten zur Regierung Konstantins wird das von Ibn Baṭrīq zur Verfügung gestellte Material größtenteils ausgeblendet. Die Auslassung der von Ibn Vgl. Shboul, al-Masʿūdī and his world, 266n. 33. Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 174 und al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 133 (Übers. de Vaux, 185f). 266 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, CSCO 471, § 173 und alMasʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 131f (Übers. de Vaux, 183–185). Aus Ibn al-Munağğim dürfte er wohl die Äußerungen des Galenus über die Frömmigkeit der Christen kennen. Vgl. dazu Abū l-Fidāʾ, Muḫtaṣar taʾrīḫ al-bašar, Ed. Fleischer, 108 und Stern, „Chronography“, 453. 267 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 177–185 und al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 136 (Übers. de Vaux, 188f). 264 265
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 163 Baṭrīq dargestellten Bekehrungsgeschichte ist aber nicht einer grundsätzlichen Abneigung gegenüber dieser christlich gefärbten Erzählung zuzuschreiben, sondern eher seinem methodologischen Ansatz, aus seinen Quellen eine möglichst kohärente Chronologie zu rekonstruieren. So behauptet er nämlich an anderer Stelle, dass sich Konstantin erst nach mehr als 20 Jahren seit Beginn seiner Herrschaft zum Christentum bekehrt hätte, und schließt darum die Hypothese einer zu Beginn seiner Herrschaft stattgefundenen Bekehrung aus. 268 Anstelle der in Ibn Baṭrīq vorgefundenen Version der Bekehrungsgeschichte setzt al-Masʿūdī im Kitāb atTanbīh wa-l-išrāf hingegen auf ganz anders geartete Quellen, die er anscheinend schon für frühere Werke hat heranziehen können: Wir haben in unserem Buch der Berichte über die Ereignisse der vergangenen Jahrhunderte erwähnt, welchen Ursachen man die Bekehrung Konstantins zum Christentum und seine Abwendung von der heidnischen Religion zuschreibt. [Wir haben dort daran erinnert,] dass die Heiden berichten, dass eine Lepraerkrankung seinen Körper zersetzte und dass ein Aufstand gegen ihn ausbrach, da nach den Grundsätzen ihrer Religion und nach ihrer Kultpraxis ein an Lepra erkrankter Mann ungeeignet zum Regieren wird. Konstantin hat sich also an die Christen gewandt, sich ihnen gegenüber wohlwollend gezeigt und bei ihnen, wie auch bei seinen Oberen und seinen Ministern um Hilfe gegen seine Widersacher gebeten und sich schließlich zum Christentum bekehrt, da diese Religion einen an Lepra erkrankten Mann nicht am Regieren hinderte. 269
Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 144 (Übers. de Vaux, 198f). 269 al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 137f (Übers. de Vaux, 190): Wa-qad ḏakarnā fī kitābi l-istiḏkāri li-mā ğarā fī sālifi l-aʿṣāri ttanāzuʿa fī sababi tanaṣsurihi wa-tarkihi mā kāna ʿalayhi min maḏāhibi lḥunafāʾi wa-mā qālat al-ḥunafāʾu fī ḏālika min ẓuhūri l-waḍaḥi fī ğismihi wa-iğmāʿihim ʿalā ḫalʿihi iḏ kāna fī aṣli diyānātihim wa-wāğaba ʿibādātuhum anna man kāna bihi ḏālika lā yaṣluḥu li-l-mulki wa-annahu māyala man fašā fīhi dīnu n-naṣrānīyati wa-staẓhara bihim wa-bi-ḫāṣṣatihi 268
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Sofort im Anschluss überliefert al-Masʿūdī auch eine zweite und sehr ähnliche Version der Ereignisse. Auch diese will er aus einer heidnischen Quelle kennen: Andere unter ihnen behaupten, dass er seine Krankheit verborgen hielt und sich nur einem seiner Minister anvertraute, der im Geheimen den christlichen Glauben praktizierte. Er sagte ihm dabei, dass er sich vor einem Aufstand gegen seine Herrschaft fürchtete. Dieser versicherte ihm, dass er mit dem folgenden Mittel bestehen könne. Er sandte nach und nach eine große Zahl an Heereskontingenten, um gegen die ihn umgebenden Feinde zu kämpfen, und stellte sie unter den Namen der sieben Götter, mit denen man die sieben himmlischen Sterne bezeichnet, nämlich die zwei Gestirne und die fünf Planeten – die Sabäer bringen ihnen Gaben dar und kommen ihrem Kult mit viel Hingabe nach. Nachdem er die Truppen aufs Äußerste geschwächt hatte und diese zerbrochen und geschlagen zurückkamen, zeigte der Minister seine Verachtung für diese Götzen und welche Schmach auf diejenigen zukommen würde, die sie verehren. Er legte es also dem Kaiser nahe, sich dem Christentum zuzuwenden, was er auch tat. 270
Beide Erzählungen erinnern an die Silvesterlegende, vor allem in Hinsicht auf die Erkrankung Konstantins. Unverkennbar ist aber wa-ṣanāʾiʿihi ʿalā man ḫālafahu wa-ẓhara n-naṣrānīyata iḏ kāna ġayra maḥẓūrin fīhā tamlīku man bihi ḏālika. 270 al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 138 (Übers. de Vaux, 190f): Wa-qawlu man qāla minhum annahu katama mā ẓahara bihi wafšāhu ilā baʿḍi wuzarāʾihi mimman kāna yuḫfī n-naṣrānīyata wa-ʿlamahu annahu yaḫšā ḫalʿahu ʿani l-mulki. fa-ḍamina lahu l-qiyāma bi-kifāyatihi ḏālika. wa-nfaḏa ʿiddata ʿasākiri ilā man ḥawlahu mina l-aʿdādi marratan baʿda uḫrā bi-asmāʾi l-aṣnāmi s-sabʿati l-latī kānat ʿalā asmāʾi l-kawākibi ssabʿati wa-maṯālātu lahā mina n-nīrayini wa-l-ḫamsatu wa-kāna ṣ-ṣābiʾūna yuqarribūna lahā l-qarābīna wa-yaʿtakifūna ʿalā ʿibādatihā. baʿda an ğaʿalahā fi-ġāyati ḍ-ḍaʿfi fa-ʿādat mankūbatun mahzūmatun fa-ẓhara lizrāʾa bihā wa-t-tanaqquṣa li-man yarā ʿibādatahā. wa-ašāra ʿalayhi ḥīnaʾiḏin bi-l-intiqāli ilā n-naṣrānīyati fa-faʿala.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 165 die polemische Umkehrung ihrer Aussageintention, womit die Bekehrung Konstantins nun als politisches Kalkül abgetan wird. Der Ursprung dieser anscheinend polemischen Umdeutung liegt dabei im Dunkeln. In eine Sackgasse führt bereits die Frage, um wen es sich bei den „heidnischen“ Quellen oder Gewährsmännern handeln könnte, auf die der Verfasser hinweist. Di Branco hat im Anschluss an Ahmed Shboul vermutet, dass al-Masʿūdī eine Quelle aus den Kreisen der heidnischen Sabäern aus Harran zur Verfügung hatte. Das entnimmt er vor allem aus den Selbstzeugnissen al-Masʿūdīs, in denen er behauptet, selber in Harran gewesen zu sein. 271 Harran war in der Tat ein lebendiges Zentrum, aus dem mehrere Gelehrte hervorgegangen sind. Aus den Kreisen der Sabäer, die auch historiographisch aktiv waren, stammen sowohl der in der Einführung erwähnte Arzt Sinān ibn Ṯābit ibn Qurra (gest. 943) wie auch sein Sohn Ṯābit ibn Sinān (gest. 973). 272 Da uns aber keine Schriften aus diesen Kreisen überliefert sind, kann die These von Shboul weder bestätigt noch zurückgewiesen werden. Seine Hypothese ist aber durch einige Beobachtungen eher zu relativieren. Zum einen ist in diesem Abschnitt nicht von harranitischen Quellen die Rede. Al-Masʿūdī schreibt die hier überlieferten Bekehrungsgeschichten ganz allgemein den „Heiden“ (ḥunafāʾ) zu. 273 Im Kontext der Geschichte Roms tauchen ḥunafāʾ und ṣābiʾūn zudem öfters als umtauschbare Vgl. Di Branco, Storie arabe, 140f und Shboul, al-Masʿūdī and his world, 246f. Zu den Sabäern aus Harran vgl. Green, Harran, 94–143. 272 Vgl. Dodge, Bayard: „The Ṣābians of Harrān“, in: Sarruf, Fuad u.a. (Hg.): American University of Beirut Festival Book, Beirut 1967, 59–85, hier vor allem 83–85. Zu Ṯābit ibn Sinān vgl. Krämer, Joel L.: Humanism in the Renaissance of Islam: The Cultural Revival during the Buyid Age, Leiden 21992, 223n und Khan, M. S.: „Miskawaih and Ṭābit ibn Sinān“, in: Zeitschrift der deutschen Morgenländischen Gesellschaft 117 (1967), 303–317, hier vor allem 304–306. 273 Zur Herkunft des Arabischen ḥanīf aus dem Syrischen ḥanpō zur Bezeichnung der Heiden vgl. Reynolds, Gabriel Said: The Quran and its Biblical Subtext (Routledge Studies in the Qurʾan, 10), New York 2010, 83f. 271
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Begriffe auf. 274 Auch die Zuschreibung von zentralen sabäischen Kultpraktiken wie der Verehrung der Himmelskörper ist für alMasʿūdī ein durchgängiges Motiv bei der Beschreibung der römischen Religion. 275 So wird über Kaiser Julian gesagt: Er pflegte in den Herrschaftsjahren seines Onkels und des Sohnes seines Onkels heimlich den sabäischen Glauben. Als er als König herrschte, bekannte er sich öffentlich zu ihm, wandte sich von der christlichen Religion ab, zerstörte die Kirchen und ließ die Götzenstatuen wieder in die Tempel einführen, die die Sabäer als Abbilder der höchsten Substanzen und der Himmelskörper angefertigt hatten. 276
Es ist aber auch der Abschnitt zu Julian, der gleichzeitig einen Hinweis darauf gibt, dass die „Sabäer“ neben den Römern und den Christen als eigenständige Gruppierung auftreten können, weshalb die These, wonach al-Masʿūdī auch konkrete sabäische Geschichtswerke vor Augen hatte, nicht grundsätzlich abzuweisen ist: Die Römer nennen ihn [sc. Julian] bārabadīs, was „der Abtrünnige“ bedeutet, die Sabäer hingegen nennen ihn ūsibiyūs, was „der Gläubige“ oder „der Fromme“ bedeutet. Die
So auch in der Überschrift zur Geschichte Roms: Erzählung über die römischen Kaiser nach Epochen geordnet: Die Heiden (ḥunafāʾ) oder Sabäer (ṣābiʾūna) und die Christen: Ihre Anzahl und Regierungsjahre (alMasʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 122). 275 Vgl. dazu auch Green, Harran, 115f und König, Daniel: „The Christianisation of Latin Europe as seen by Medieval Arab-Islamic Historiographers“, in: The Medieval History Journal 12 (2009), 431–72, hier 441. 276 al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 145 (Übers. de Vaux, 200): Wa-kāna yuḫfī ṣ-ṣābiʾīyata fī ayyāmi ʿammihi wa-ibni ʿammihi. falammā malaka aẓharahā wa-rtadda ʿan dīni n-naṣrānīyati wa-ḫarraba lkanāʾisa wa-radda t-tamāṯīla l-latī ğaʿalahā ṣ-ṣābiʾūna muṯulan li-l-ğawāhiri l-ʿalawīyati wa-l-ağsāmi s-samāʾīyati. 274
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 167 Christen hingegen distanzieren sich allesamt von ihm; einige unter ihnen nennen ihn dabei al-buztāṭ. 277
Dass al-Masʿūdī gleich drei griechische Begriffe (παραβάτης, εὐσέβιος, αποστάτης) heranzieht, mag eher mit seinem Interesse für etymologische Zusammenhänge als mit einer direkten Kenntnis der Sprache zu erklären sein. Die Gegenüberstellung von drei unterschiedlichen Qualifizierungen Julians zeigt aber vor allem, dass der muslimische Geschichtsschreiber einen Diskurs über die Geschichte Roms im Blick hatte, der gegebenenfalls in der Lage sei, sich von christlichen Vorgaben auch quellentechnisch zu lösen und durch Gegennarrative zu ergänzen. Konkrete Beispiele für eine „heidnische“ Lesart der Geschichte Roms, die sich für ein solches Vorhaben hätten anbieten können, sind bisher vor allem aus der byzantinischen Geschichtsschreibung bekannt. Berühmt geworden ist vor allem das Geschichtswerk des heidnischen Historikers Zosimos, der am Hof Konstantins einen Ägypter auftreten lässt, der Konstantin zum Christentum bekehrt. Allerdings führt Zosimos die Bekehrung Konstantins auf den Wunsch des Kaisers zurück, Sühne zu leisten, nachdem er seine Frau Fausta und seinen Sohn Crispus umbringen ließ. 278 In eine ähnliche Richtung gehen auch die um 990 verfassten Patria Constantinopolitana, eine Sammlung unterschiedlicher Texte über die Geschichte und Bauten Konstantinopels. 279 Unter diesen
al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 145f (Übers. de Vaux, 200): Wa-r-rūmu tusammīhu bārabadīs tafsīru ḏālika l-murtaddu wa-ṣṣābiʾatu ūsibiyūs tafsīru ḏālika l-muʾminu l-taqīyu wa-n-naṣārā ğamīʿan yatabarraʾūna minhu wa-minhum man yadʿūhu al-buztāṭ. Vgl. auch Shboul, al-Masʿūdī and his world, 247. 278 Zosimos, Historia Nova 2,29,2–5. Vgl. auch Aiello, Vincenzo: „Costantino, la lebbra e il battesimo di Silvestro“, in: Bonamante, Giorgio u.a. (Hg.): Costantino il Grande: DallʼAntichità all’Umanesimo, Bd. 1, Macerata 1992, 17–58, hier 28f. 279 Vgl. Patria Constantinopolitana, hg. von Theodor Preger, 2 Bde., 1901 und 1907 und die Übersetzung von Albrecht Berger, Accounts of Medieval Constantinople: The Patria (Dumbarton Oaks Medieval Library, 24), Cambridge – Mass. 2013. Vgl. auch Dagron, Gilbert: Constantinople imagi277
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befindet sich auch eine spätere Rezension des Werks des heidnischen Geschichtsschreibers Hesychios von Miletos, in der ein Minister namens Euphratas Konstantin zum Christentum bekehrt. 280 Dieser Euphratas trägt sogar den Rang eines parakimomenos, also wie in al-Masʿūdī den Rang eines Ministers bzw. eines Wesirs. Die sehr kurz gehaltene Notiz setzt zudem voraus, dass die Gestalt des Euphratas allgemein bekannt war. So hat er auch in die akephale Konstantinvita BHG 365 Eingang gefunden, die etwa zur gleichen Zeit wie die Patria verfasst wurde. 281 Hier treten weitere Details auf, die uns an al-Masʿūdī erinnern. Der Hagiograph präsentiert eine lange Rede des Euphratas, mit der er den Kaiser dazu aufruft, sich im Krieg gegen Maxentius mit Christus zu verbünden und den heidnischen Göttern abzuschwören. Er gibt dabei dem Kaiser den Ratschlag, die vielen Götter als untauglich zu verachten (ἐξουθενήσεις παρὰ φαῦλον), und verweist auf das Unglück (συμφορά), welches die ungläubigen Kaiser vor ihm getroffen habe. Es bleibt dennoch schwierig, die Herkunft und die Rezeption der Euphratas-Figur genauer nachzuzeichnen. 282 Überhaupt bleibt zu bemerken, dass al-Masʿūdīs Version der Bekehrungsgeschichte im Unterschied zu den genannten byzantinischen Autoren auf der Silvesterlegende basiert. Vor allem aber bleibt zu fragen, ob alMasʿūdī diese Erzählung überhaupt aus erster Hand hat. Dass er naire: Études sur le recueil des Patria (Bibliothèque Byzantine, 8), Paris 1984, 21–60. 280 Vgl. Patria Constantinopolitana, Ed. Preger II, 147. 281 Diese Konstantinvita wird in zwei jeweils unvollständigen Handschriften überliefert. Der erste Teil aus Codex Angelicus 22 wurde von Opitz herausgegeben [„Die Vita Constantini des Codex Angelicus 22“, in: Byzantion 9 (1934), 535–593], während Auszüge aus dem Codex Sabaiticus 366 überliefert werden in Halkin, „L’Empereur Constantin converti par Euphratas“, in: Analecta Bollandiana 78 (1960), 5–17. Zu BHG 365 und Euphratas vgl. auch Lieu, Samuel: „From history to legend and legend to history: The medieval and Byzantine transformation of Constantine’s Vita“, in: Ders. u.a. (Hg.): Constantine: History, historiography and legend, London/New York 1998, 136–176, hier vor allem 160–167. 282 Vgl. Dagron, Constantinople Imaginaire, 26–29.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 169 nämlich auf Kompilationen mit einem hohen Grad an Komplexität wie auf diejenige Ibn al-Munağğims zurückgreifen konnte, könnte auch vermuten lassen, dass er diese Fragmente eines sabäischen oder nichtchristlichen Geschichtswerks aus bereits vorgefertigten Kompilationen kannte. Der Topos eines aus machtpolitischem Kalkül begründeten Übertritts zum Christentum ist von der zeitgenössischen muslimischen Geschichtsschreibung aufnahmefreudig rezipiert worden, wie weiter unten das Beispiel Miskawayhs zeigen wird. Auch der muslimische Apologet ʿAbd al-Ğabbār al-Hamaḏānī (gest. 1025) greift auf eine ähnliche Erklärung der Bekehrung Konstantins zurück. 283 Dieser schmückt die Erzählung aber mit weiteren Details aus: Konstantin war dank Helena bereits seit seiner Kindheit Christ, erkrankte aber an Lepra. Da er wusste, dass ihn die Römer vom Thron stürzen würden, blieb ihm nichts anderes übrig, als die „Römer von ihrer Meinung abzubringen, wonach ein an Lepra erkrankter König von der Herrschaft zu vertreiben sei.“ Da er sich aber zu jenem Zeitpunkt im Krieg gegen die Bulgaren befand, nutzte er die Gelegenheit, die Wirkungskraft der heidnischen Götter bloßzustellen, indem er seine Truppen „unter dem Namen der sieben Sterne“ in den Kampf sandte, ohne aber die notwendigen taktischen und logistischen Vorkehrungen zu treffen, damit sie geschlagen zurückkommen würden, was auch eintraf. Das war für Konstantin der passende Moment, um sein Heer davon zu überzeugen, „dass der Mensch nur dasjenige anbeten soll, was ihm Nutzen bringt und das Böse abwenden kann.“ Als sich zudem noch die Nachricht verbreitete, dass einer Frau das Kreuz erschienen sei, ließ Konstantin die Zeichen der Planeten von den Bannern seiner Armee entfernen und sie durch das Zeichen des Kreuzes ersetzen. Und so geschah es, dass nach der ersten gewonnenen Schlacht das Heer nicht mehr überzeugt werden musste, wem es den Sieg zu verdanken hatte. 284 Der Vgl. ʿAbd al-Ğabbār: Critique of Christian Origins, hg. und übers. von Gabriel Said Reynolds und Samir Khalil (Brigham Young University Middle Eastern Texts Initiative), Provo – Utah, 2010. 284 Vgl. ʿAbd al-Ğabbār: Critique of Christian Origins, Ed. Reynolds/Samir, 106f. 283
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Apologet ʿAbd al-Ğabbār verfolgt mit dieser Erzählung aber ein ganz bestimmtes Interesse. Dieses Ereignis ist für ihn nur ein weiterer Beleg dafür, dass das Christentum von der römischen Umwelt beeinflusst und darum verfälscht wurde. Ähnlich wie Paulus gelang es auch Konstantin, die Römer zum Christentum zu führen, indem er die Verehrung heidnischer Götter mit der Kreuzesverehrung ersetzte, alle anderen Praktiken hingegen behalten ließ. Darum hätte eigentlich keine Christianisierung der Heiden stattgefunden, sondern eine Kontamination des Christentums durch heidnische Praktiken. 285 Das Heranziehen von vermeintlich heidnischen Quellen und der Rückgriff auf das Motiv der politisch motivierten Bekehrung zum Christentum sind bei al-Masʿūdī aber weder apologetisch begründet noch durch seinen Willen gelenkt, die christlichen Interpretationen der Geschichte grundsätzlich außer Kraft zu setzen. Die von al-Masʿūdī den christlichen Autoren zugeschriebenen Konversionsberichte werden auch in diesem abschließenden Geschichtswerk nochmals zusammengefasst und kurz präsentiert. Es handelt sich dabei, wie schon erwähnt, um Verweise auf seine früheren Werke, weshalb er sie hier nur zusammenfasst: Und [wir haben auch erwähnt], dass nach Ansicht der Christen der Grund seiner Bekehrung die Vision eines leuchtenden Kreuzes am Himmel war, das ihm im Traum erschienen ist, und zwar während er sich im Krieg gegen den König der Bulgaren befand. Dabei sagte ihm eine Stimme: „Suche [in
Vgl. ʿAbd al-Ğabbār: Critique of Christian Origins, Ed. Reynolds/Samir, 109 und Reynolds, Gabriel Said: A Muslim Theologian in a Sectarian Milieu: Abd al-Jabbār and the ‘Critique of Christian Origins’ (Islamic History and Civilization, 56), Leiden/Boston 2004, 107–117. In eine ähnliche Richtung geht der zum Islam konvertierte und ehemals nestorianische Christ ʿAlī aṭ-Ṭabarī, wenn er sagt, dass das Konzil neue philosophische Begrifflichkeiten eingeführt habe, um das Christentum den heidnischen Gelehrten nahezubringen. Vgl. The Polemical Works of ʿAlī aṭ-Ṭabarī, hg. von Rifaat Ebied und David Thomas (History of Christian-Muslim Relations, 27), Leiden 2016, 123–125. 285
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 171 diesem Zeichen] die Hilfe gegen deinen Feind, dann wirst du gegen ihn siegen!“ Er ließ je ein Abbild davon an der Spitze des Banners und an den Speerspitzen anbringen. Nachdem er also den Feinden unterlegen war, wurde er dadurch siegreich und bekannte sich zum Christentum. Andere wiederum sagen, dass ihm diese Vision erging, als er wach war. Es gibt noch weitere Aussagen, die sich in ihrer Darlegung voneinander unterscheiden. 286
Auch den christlichen Geschichtsschreibern gegenüber zeigt er sich also neugierig genug, um auf die unterschiedlichen Versionen der Kreuzesvision aufmerksam zu machen. Diese Schlussnotiz zeigt, dass al-Masʿūdī noch vor jeglicher Wertung der von ihm präsentierten Vorgänge daran interessiert ist, das ihm zur Verfügung stehende Material zu systematisieren, transparent zu machen und mit dem Verweis auf die Vielzahl der ihm bekannten Quellen vielleicht auch seine eigene Gelehrsamkeit zur Schau zu stellen. Wie auch immer die Herkunft der zwei heidnischen Erzählungen über die Bekehrung Konstantins zu erklären ist, kann also festgehalten werden, dass al-Masʿūdīs Interesse für die römische Geschichte über die Perspektive der christlichen Geschichtsschreiber auch die Perspektive derjenigen Gemeinschaft einschließen will, die wie die Christen Anteil an der Geschichte Roms hatte. Diese methodologische Vorgehensweise wird bereits in der Darstellung der Geschichte Persiens zum Ausdruck gebracht, wenn er ankündigt, seine Darstellung nur auf persischen Quellen aufzubauen, ohne also diejenigen Quellen berücksichtigen zu wollen, die eine Außenperspektive von Gruppen oder al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 138 (Übers. de Vaux, 191): Wa-mā ḏahaba ilayhi n-naṣārā min anna s-sababa fī ḏālika ẓuhūru ṣalībin lahu nūrīyun fī s-samāʾi fī nawmihi fī ḥāli ḥarbihi maʿ maliki burğāna wa-annahu qīla lahu: istanṣir bihi ʿalā ʿadūwika tunṣaru ʿalayhi waannahu rakkaba miṯāla ḏālika ʿalā ruʾūsi l-aʿlāmi ka-l-asinnati fa-ẓahara ʿalā ʿadūwihi baʿda an kānū ẓ-ẓāhirīna ʿalayhi fa-dāna bihā ḥīnaʾiḏin. wa-qawlu man qāla minhum annahu raʾā ḏālika fī yaqẓatihi. wa-ġayru ḏālika min aqāwīli l-farīqīna ʿalā š-šarḥi wa-l-īḍāḥi. 286
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Gemeinschaften einbringen würden, die an der Geschichte Persiens keinen Anteil hatten. 287 Bei der Behandlung der Geschichte Roms würde das eben bedeuten, sowohl auf christliche als auch auf – solange vorhanden – heidnische Quellen setzen zu wollen, insofern eben beide eine Innenperspektive anbieten. Auch im Kitāb at-Tanbīh werden für die Konziliengeschichte vorzugsweise christliche Quellen herangezogen. So scheint der Bericht über das Konzil von Nizäa gerade aus Ibn Baṭrīq entnommen worden zu sein. 288 Die Nähe zum melkitischen Geschichtsschreiber fällt auch für die Notiz zum Konzil von Konstantinopel auf, wenn es etwa heißt, dass Timotheus von Alexandrien – als Reaktion gegen die Manichäer – dem christlichen Volk den Fleischverzehr gestattet habe. 289 Zum Konzil von Ephesos stellt er einen die melkitische Perspektive einnehmenden Bericht neben einer nestorianisch gefärbten Erzählung über die entsprechenden Ereignisse. 290 Der Bericht über das Konzil von Chalkedon hingegen beschränkt sich zunächst auf die Erwähnung 287
149f).
al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 105 (Übers. de Vaux,
Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 125,19–127,14 und al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 142f (Übers. de Vaux, 195f). Im Unterschied zu Ibn Baṭrīq lässt al-Masʿūdī die Liste der am Konzil vertretenen Lehrmeinungen aus. Wie im Bericht des melkitischen Geschichtsschreibers werden aber 2048 Konzilsteilnehmer gezählt, von denen 318 dem Glaubensbekenntnis zugestimmt haben und die an der Verfassung der 40 Bücher beteiligt waren, in denen die Überlieferungen und Regelungen des Christentums festgehalten wurden. Übereinstimmend mit ihm nennt al-Masʿūdī dabei auch die Vorsitzenden des Konzils. 289 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 212 und al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 147 (Übers. de Vaux, 202). 290 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 148 und 148f (Übers. de Vaux, 204f und 205f). Der zweite Bericht hebt vor allem die unrechtsmäßige Verurteilung des Nestorios auf Initiative des alexandrinischen Patriarchen Kyrill hervor, der die verspätete Ankunft des antiochenischen Patriarchen Johannes ausnutzte, um selber gegen seine Gegner vorzugehen. 288
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 173 der Verurteilten Eutyches und Dioskoros und verzichtet auf weitere Einzelheiten. 291 Nach der Vorgabe der Darstellung des Konzils von Ephesos fügt al-Masʿūdī aber einige Notizen zu Jakob Baradaios hinzu und verweist auf die Schriften, in denen er bereits auf die dogmatischen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Kirchen zu sprechen gekommen ist. 292 Das Heranziehen von mehreren christlichen Quellen ermöglicht es al-Masʿūdī schließlich, auch über die zwei folgenden Konzile von Konstantinopel (553 und 681) und über die Entstehung der maronitischen Kirche zu berichten. 293 Es ist dabei kein Zufall, dass gerade im Anschluss an diesen letzten Bericht auch die oben schon besprochene Liste christlicher Geschichtsschreiber eingeführt wird. Konstantinopel Auch al-Masʿūdī verbindet die Herrschaft Konstantins mit der Gründung der neuen Hauptstadt des byzantinischen Reiches. 294 Wie für die muslimische Vorstellungswelt insgesamt stellte die Pracht Konstantinopels auch für ihn den Inbegriff der griechischrömischen Zivilisation dar. 295 Beschränkt er sich im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, wie wir gleich sehen werden, vor allem auf topographische und strategische Beschreibungen der Stadt, wird im Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf auch auf den Bau der Hauptstadt eingegangen: Im vierten Jahr [seiner Herrschaft] gründete er die Stadt Konstantinopel am Kanal, der sich vom Meer von Maiotis –
Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 150 (Übers. de Vaux, 207). 292 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 150–52 (Übers. de Vaux, 208f). 293 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 152–154 und 158f (Übers. de Vaux, 209f bzw. 217f – für die Konzile – und 211f – für die Maroniten). 294 Für eine Liste der arabisch- und persischsprachigen Geographen, die eine Beschreibung Roms bzw. Konstantinopels hinterlassen haben vgl. Casari, “Rome”, 535f. 295 El-Cheikh, Byzantium, 140. 291
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CONSTANTINUS ARABICUS das heute als Meer von Chazar bekannt ist – bis zum Meer von Byzanz, Syrien und Ägypten erstreckt, und zwar in der Region, die Ṭābila genannt wird. 296 Er brachte alle seine Anstrengungen auf, um diese Stadt zu festigen und sie solide zu bauen. Er machte sie zum Sitz seines Königreiches und gab ihr seinen Namen. Die Könige Roms, die ihm nachfolgten, haben bis zum heutigen Tag ihre Residenz darin. Zur Zeit dieses Geschichtsschreibers aber nennen die Byzantiner diese Stadt Būlin oder, wenn sie sagen wollen, dass diese die Residenzstadt des Königs ist, nennen sie sie wegen ihrer Pracht Istan-būlin. Sie nennen sie aber nicht Konstantinopel, nur die Araber nennen sie so. 297
In den folgenden Passagen erfahren wir aber wenig über die Bauten selber, mit denen er die Stadt füllte. Die Beschreibung al-Masʿūdīs beschränkt sich vor allem auf die topographische Lage der Stadt und auf die Zugangswege von den verschiedenen Richtungen des Mittelmeers. 298 Im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab wird der Beschreibung des Kanals von Konstantinopel und seinem Lauf vom Bosporus bis zu den Diese Bezeichnung dürfte wohl eine Korrumpierung des Griechischen tafros (Grube) sein, mit dem schon Ibn Ḫurdāḏba das ländliche Gebiet um Konstantinopel bezeichnete, in Anspielung an die der Mauer Konstantinopels entlang sich ersteckende Grube. Vgl. Miquel, André: La géographie humaine du monde musulman jusqu’au milieu du 11. siècle. Tome 2: Géographie arabe et représentation du monde: la terre et l’étranger (Civilisation et Sociétés, 37), Paris 1975, 391. 297 al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 138f (Übers. de Vaux, 191f): Wa-liṯalāṯi sinīna ḫalat min mulkihi banā madīnata l-qusṭanṭīnīyati ʿalā l-ḫalīği l-āḫiḏi min baḥri māyutis wa-yuʿrafu fī hāḏā l-waqti bi-baḥri lḫazari ilā baḥri r-rūmi wa-š-šāmi wa-miṣra wa-ḏālika fī l-mawḍiʿi l-maʿrūfi bi-ṭābilā min suqʿi būzanṭiyā. wa-bālaġa fī taḥṣīnihā wa-aḥkāmi bināʾihā wa-ğaʿalahā dāra mamlakati lahu uḍīfat ilā ismihi wa-nazalahā mulūku rrūmi baʿdahu ilā hāḏā l-waqti. ġayra anna r-rūmu yusammūnahā ilā waqtinā hāḏā l-muʾarriḫi bihi kitābinā būlin wa-iḏā arādū l-ʿibārata ʿanhā annaha dāru l-mulki li-ʿiẓamihā qālū istan-būlin. wa-lā yadʿūnahā lqusṭanṭīnīyata wa-innamā l-ʿarabu tuʿabbiru ʿanhā bi-ḏālika. 298 Vgl. Miquel, Géographie humaine, 412–17. 296
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 175 Dardanellen ein langer Abschnitt gewidmet. In diesem Kontext wird die Stadt Konstantinopels also vor allem im Hinblick auf ihre strategische Lage beschrieben. Auch in dieser Beschreibung kann man Hinweise auf Geographiewerke seiner Zeit finden. Die Erwähnung der Burg, welche am Eingang des Kanals die Einfahrt von feindlichen Schiffen verhindern soll, und die Quelle Maslama ibn ʿAbd al-Maliks tauchen auch beim schon genannten Kitāb alMasālik wa-l-mamālik des Geographen Ibn Ḫurdāḏba auf, und zwar in einer seiner Beschreibungen der Zufahrtswege nach Konstantinopel. 299 An diesen Beobachtungen erkennt man also, dass auch die geographischen Werke von literarischen Topoi Gebrauch machen. Das gilt wohl auch für die angeblichen Augenzeugenberichte, mit denen al-Masʿūdī die Abwehrsysteme und den sowohl vom Kanal als auch von der Bewegung von Flut und Ebbe ermöglichten natürlichen Schutz erwähnt. Obwohl er dabei behauptet, sich auf Aussagen muslimischer Diplomaten und Marineoffiziere zu stützen – genannt wird ein Abū ʿUmayr ʿAdī ibn Aḥmad ibn ʿAbd al-Bāqī al-Azdī – haben wir es wohl auch hier mit einer literarischen Konstruktion zu tun. 300 Die Beschreibung des Kanals von Konstantinopel hat bei alMasʿūdī auch eine militärgeschichtliche Pointe, die proleptisch auf ein wichtiges Ereignis aus der frühislamischen Geschichte vorausblickt. Der angesprochene Feldzug Maslama ibn ʿAbd alMaliks, des Bruders des Kalifen Sulaymān ibn ʿAbd al-Malik (reg. 715–17), ist geschichtlich gut bezeugt. Es handelt sich dabei um Dieser nennt aber im Unterschied zu al-Masʿūdī noch eine Kette (silsila), die über den Kanal gespannt wird, um die Schiffe von der Einfahrt zu blockieren. Vgl. Ibn Ḫurdāḏba, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, Ed. de Goeje, 104. 300 Zu diesem Gewährsmann vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 739 [Übers. Meynard/Courteille II, 318f] und Kennedy, Diplomacy, 137–39, der aus Textzeugnissen al-Masʿūdīs über Diplomaten wie Abu ʿUmayr oder Muslim al-Ğurāmī die abgewickelten Gefangenenaustausche rekonstruiert. Dass der zweite Name auch bei Ibn Ḫurdāḏba (Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, Ed. de Goeje, 105) auftaucht, zeigt, dass auch die Berufung auf Augenzeugenberichte zu einem literarischen Topos werden kann. 299
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eine von Sulayman angelegte Großoffensive gegen Konstantinopel, die sowohl über das Festland als auch über Meer stattfinden sollte und in welcher Maslama die Führung selber übernahm. Bekanntlich endete die Belagerung in einem Desaster für die arabischen Heere, die zuerst die meisten ihrer Schiffe auf hoher See verloren und schließlich selber vor den Mauern Konstantinopels eingekesselt wurden. 301 Dennoch scheint der Geschichtsschreiber dieses historische Ereignis noch mit den Erinnerungen an glorreichere Tage zu verbinden, in denen die muslimischen Armeen noch in der Offensive waren. Wie schon vorweggenommen, berichtet al-Masʿūdī im Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf über die Reisewege nach Konstantinopel. 302 Es handelt sich auch bei diesen langen Beschreibungen nicht um bloße Exkurse. Es wurde schon bemerkt, dass al-Masʿūdī Geographie und Geschichte miteinander vereint und sich dabei von al-Yaʿqūbī unterscheidet, der den beiden Disziplinen jeweils ein Werk widmet. Das hat zur Konsequenz, dass die geschichtliche Figur Konstantins auch in den von den Geographiewerken der Abbasidenzeit ausgehenden „Raum-Diskurs“ (Discourse of Place) einbezogen wird, mit dem sich zuletzt Zayde Antrim befasst hat. 303 Wie sie gezeigt hat, spielen arabische Geographiewerke bewusst mit den machtpolitischen Assoziationen, die man mit den Monumenten und Militäreinrichtungen assoziieren kann. Beschreibungen von Städten oder strategisch wichtigen Ortschaften „performieren“ darum religiöse und politische Machtansprüche. 304 Dieser Vgl. Hoyland, The Arab conquests, 172–178. Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb at-Tanbīh, Ed. de Goeje, 139–41 (Übers. de Vaux, 192–95) und – für klärende Beobachtungen dazu – Miquel, Géographie humaine, 414–17, vor allem 415 für die graphische Darstellung. 303 Antrim, Zayde: Routes and Realms: The Power of Place in the Early Islamic World, Oxford 2012. 304 Antrim, Routes and Realms, 61f: Describing this environment was intended to make cities legible, or comprehensible in terms of their written representations and thus to make them compelling as categories of belonging for people whether or not they had first-hand experience of the city. A legible city in the discourse of place usually featured a description of a monumental structure […]. Such structures clearly commanded the 301 302
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 177 machtpolitische „Raum-Diskurs“ scheint al-Masʿūdī nun auch auf das byzantinische Reich anzuwenden, indem er dessen Machtanspruch räumlich darstellt. Im Zentrum steht dabei Konstantinopel, Sitz des römischen Kaisers. Für al-Masʿūdī ist es dabei der König selbst, der die von der Stadt ausgehende Herrschaft verkörpert, wie der folgende sinnbildliche Vergleich aus dem Kitāb al-Tanbīh wa-l-išrāf zeigt: 305 Wie der allmächtige Gott in seiner großen Weisheit das Herz als das nobelste aller Organe geschaffen hat und es dementsprechend ins Zentrum des Körpers gesetzt hat, so nehmen auch Könige in gleicher Weise ihren Sitz im Zentrum ihres Königreiches. Die Könige aus alten Zeiten pflegten zu sagen, dass der größte König der Mittelpunkt des Kreises seines Königreiches sei, so dass die Entfernung vom Zentrum zum äußeren Rand überall die gleiche ist. Er ist ein aufgerichteter Mast und ein daran gehisstes Banner, aus welchem die Herrschaft ausgeht und zu welchem alle Angelegenheiten zurückkehren. 306
Mit dieser herrschaftstheoretischen Einführung in sein Werk greift der Autor die für die vormodernen Staatsverständnisse charakteristische Identifikation eines Staates mit dessen Herrscher auf, einen Vorgang, der gerade von Ibn Ḫaldūn zum Strukturprinzip seiner Geschichtsschreibung erhoben wird, wie sich weiter unten zeigen wird. Dabei versteht al-Masʿūdī die Grenze zwischen dem islamischen und byzantinischen Herrschaftsbereich jedenfalls nicht als undurchlässige Mauer. Die visual imaginations and were often explicitly associated with claims to political and religious authority. 305 Vgl. Antrim, Routes and Realms, 93. 306 al-Masʿūdī, Kitāb al-Tanbīh, Ed. de Goeje, 36 (Übers. de Vaux, 57): Fa-kamā kāna allahu ʿazza wa-ğalla bi-laṭīfi ḥikmatihi iḏ ḫalaqa alqalba ašrafa l-aʿḍāʾi aḥallahu mina l-badani awsaṭahu kānat hāḏihi sabīlu l-maliki fīmā yaskunuhu min mamlakatihi. wa-kānat qudamāʾu l-mulūki taqūlu al-maliku l-aʿẓamu markazun li-dāʾirati mulkihi buʿduhu min muḥīṭihā buʿdun wāḥidun watadun markūzun wa-ʿalamun manšūrun minhu yustamaddu t-tadbīru wa-ilayhi turaddu l-umūru.
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von Helena gebauten Kirchen in Syrien einerseits und die Verbindungswege zwischen Konstantinopel und der Levante zeigen auch eine inhärent vorhandene Konnektivität zwischen dem Innen- und Außenbereich des islamischen Herrschaftsgebietes auf. In den muslimischen Geographiewerken des zehnten und elften Jahrhunderts kommt diese Konnektivität durch Beschreibungen von Handelsrouten zum Tragen, welche das Zweistromland mit Europa verbinden. 307 Kartographisch kommt die genannte Konnektivität z.B. in der von Ibn Ḥawqal gezeichneten Karte des Mittelmeerraumes zum Ausdruck, in welcher die nördliche Küstenregion des Mittelmeeres und damit auch das „Land der Römer“ (balad ar-Rūm) abgebildet werden, mit allen dazugehörigen Lokalisierungen von Städten und topographischen Merkmalen. 308 5.3. Konstantin und der Niedergang der griechischen Weisheit Al-Masʿūdī bietet auch eine kulturgeschichtliche Einordnung der Geschichte Roms. Damit kann er an seine Vorgänger al-Yaʿqūbī oder Ibn al-Munağğim anknüpfen. 309 Die Bewertung der Bekehrung Konstantins für die Entwicklung der antiken Wissenschaften fällt im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab bekanntlich negativ aus: Während der Zeit der Griechen und den Anfängen des Königreiches der Römer wuchs und vergrößerte sich die Weisheit stetig. Die Gelehrten und Weisen wurden in Ruhm und Ehre gehalten. Sie widmeten ihre Forschung der Natur, den Körpern, der Vernunft, der Seele, wie auch den vier Hauptwissenschaften […]. Die Wissenschaften waren stets in Ehre gehalten, waren an allen Orten hoch erhaben, standen auf festem Grund und wurden in die Höhe gebaut. Als die
Vgl. Antrim, Routes and Realms, 119. Die einzigen eingezeichneten Grenzen trennen dabei nicht die muslimische von der nichtmuslimischen Welt, sondern, wenn überhaupt, die Regionen innerhalb des muslimischen Herrschaftsbereichs. Vgl. Antrim, Routes and Realms, 117f. 309 Vgl. Stern, „Chronography“, 450–455. 307 308
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 179 christliche Religion bei den Römern erschien, stürzten die Wohnstätten der Weisheit ein, ihre Spuren wurden getilgt und ihre Lehrpfade wurden verlassen. All dasjenige, was die Griechen ans Licht gebracht hatten, geriet in Vergessenheit, und was den Antiken zu verdanken war und am meisten glänzte, verblasste. 310
Dieses Urteil reproduziert einen verbreiteten Topos der muslimischen Literatur der Abbasidenzeit. 311 Beispielhaft dafür ist der Eintrag im Bücherkatalog Ibn an-Nadīms, in welchem den christianisierten Römern der Vorwurf entgegengebracht wird, die Schriften der alten Griechen verbrannt zu haben und nur das behalten zu haben, was nicht im Widerspruch zu ihren eigenen Lehren stand. 312 In der Liste der Autoren, die sich dieses Topos bedienen, ist auch der oben genannte Apologet ʿAbd al-Ğabbār zu nennen. 313 Anders fällt hingegen das Fazit im Kitāb Ṭabaqāt al-umam Ṣāʿid al-Andalusīs (gest. 1070) aus. Im Abschnitt über die Wissenschaft der Römer weist auch er darauf hin, dass sie den ihnen unterworfenen Griechen bei der Kultivierung der Philosophie nachstanden und dass viele der als Römer gehaltenen al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 741 (Übers. Meynard/Courteille II, 320f): Wa-lam tazal al-ḥikmatu nāmiyatun ʿāliyatun zamana l-yūnānīyīna wa-burhatan min mamlakati r-rūmi tuʿaẓẓimu lʿulamāʾa wa-tušarrifu l-ḥukamāʾa wa-kānat lahum al-ārāʾu fī ṭ-ṭabīʿīyāti wa-l-ğismi wa-l-ʿaqli wa-n-nafsi wa-t-taʿālīmi l-arbaʿati. […] wa-lam tazal al-ʿulūmu qāʾimatun as-sūqi mašarrifatun al-aqṭāri qawīyatu l-maʿālimi šadīdatu maqāwimi sāmiyatu l-bināʾi ilā an taẓāharat diyānatu n-naṣrānīyati fī r-rūmi. fa-ʿafū maʿālima l-ḥikmati wa-azālū rasmahā wa-maḥū subulahā wa-ṭamasū mā kānat al-yūnānīyatu abānathu wa-ġayyarū mā kānat lqudamāʾu minhum awḍaḥathu. 311 Vgl. für einige Beispiele El-Cheikh, Byzantium, 103ff und Gutas, Greek Thought, 83–95. 312 Vgl. The Fihrist of al-Nadīm: A tenth-century survey of Muslim culture, übers. von Bayard Dodge, 2. Bde., New York 1970, hier Bd. 2, 579. 313 Vgl. ʿAbd al-Ğabbār: Critique of Christian Origins, Ed. Reynolds/Samir, 108. 310
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Weisen in Wahrheit Griechen seien. 314 Dennoch bezeugen auch die lateinischen Gelehrten, dass auch in Rom die Wissenschaften hochgehalten wurden. Die von al-Andalusī erwähnte Bekehrung Konstantins zum Christentum wird jedenfalls nicht dazu verwendet, eine angebliche Niedergangsgeschichte einleiten zu lassen. 315 Anstelle des Bildes eines Bruches scheinen die im selben Kapitel aufgezählten Namen sowohl christlicher wie sabäischer Gelehrter, die sich in der Abbasidenzeit durch Übersetzungen griechischer Werke ins Arabische verdient gemacht haben, eher ein Bild der Kontinuität zu vermitteln. 316 Haben bei al-Yaʿqūbī die Übergänge zwischen der Herrschaft der Griechen, der Römer und der christianisierten Römer Etappen eines graduellen kulturgeschichtlichen Niedergangs markiert, bildet die Bekehrung Konstantins bei al-Masʿūdī den entscheidenden Bruch in dieser Entwicklung. Diese Denkkonstruktion spiegelt sich auch in der genealogischen Zuordnung der Griechen und Römer zueinander wider. Ein anschauliches Beispiel dafür ist uns im Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab selbst gegeben, und zwar in der Vorrede zur Geschichte der Griechen und Römer. 317 Al-Masʿūdī lehnt darin die von einigen Geschichtsschreibern vertretene Meinung ab, wonach die Griechen und Römer beide über Esau von der Linie Abrahams abstammen und daher verwandt wären. Er lehnt dabei auch die Meinung al-Yaʿqūbīs ab, wonach die Griechen über Jafet von Noah abstammen. Hingegen zieht er die Meinung vor, wonach Yūnān – der Urahne der Griechen – der Bruder Qaḥṭāns sei, von dem die südarabischen Völker abstammen. Die Römer seien hingegen nichts Weiteres als „Nachahmer der Griechen“, die ihnen
Vgl. al-Andalusī, Kitāb Ṭabaqāt al-umam, hg. von Louis Cheikho, Beirut 1912, hier 35f und für eine Übersetzung Livre des Catégories des Nations, übers. von Régis Blachère, Paris 21935, hier 79. 315 Vgl. al-Andalusī, Kitāb Ṭabaqāt al-umam, Ed. Cheikho, 35 (Übers. Blachère, 79). 316 Vgl. al-Andalusī, Kitāb Ṭabaqāt al-umam, Ed. Cheikho, 35–37 (Übers. Blachère, 79–82). 317 Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, §§ 664–668. 314
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 181 aber sowohl durch Sprache und Kultur unterlegen seien. 318 Bevor also überhaupt mit der dynastischen Geschichte Roms eingesetzt wird, bringen die genealogischen Einordnungen wichtige Vorentscheidungen mit sich, die bereits auch auf das Konstantinbild einwirken. Das alles lässt sich auch auf dem Hintergrund der abbasidischen Staatsideologie lesen. Wie Dimitri Gutas pointiert formuliert, reproduziert sich im Topos der wissenschaftlichen Rückständigkeit der christianisierten Römer auch ein machtpolitisches Überlegenheitsgefühl gegenüber den rivalisierenden Byzantinern: The Byzantines were portrayed as deserving of Muslim attacks not only because they were infidels […] but because they were also culturally benighted and inferior not only to Muslims, but also to their own ancestry, the ancient Greeks […]. The Byzantines turned their back on ancient science because of Christianity, while Muslims had welcomed it because of Islam. 319
Die politischen Verhältnisse der Zeit al-Masʿūdīs, in welcher das abbasidische Kalifat durch die Byzantiner wieder in die Defensive zurückgedrängt wurde, lassen seine militärische Überlegenheit zwar nur noch als verblasste Erinnerung an vergangene Heldentaten erscheinen, das kulturgeschichtliche Überlegenheitsgefühl soll aber weiterhin durch diese Erinnerung an die vergangenen Siege genährt werden. 320 Man kann und soll aber gleichzeitig damit rechnen, dass die Bedeutung Konstantins für al-Masʿūdī sich nicht innerhalb dieses kulturgeschichtlichen Diskurses erschöpft. Der politische Alltag der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts lässt die Konstantingeschichte auch auf die Gegenwart beziehen und lesbar Vgl. al-Masʿūdī, Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. Pellat II, § 664 und Di Branco, Storie arabe, 47–50. Die Linie der Römer lässt er durch den Enkel Esaus al-Aṣfar laufen, womit man zumindest bei al-Masʿūdī die nachfolgende Bezeichnung der Römer als banū al-aṣfar (Söhne Asfars bzw. Söhne des Gelben) erklären kann. 319 Gutas, Greek Thought, 84f. 320 Vgl. El-Cheikh, Byzantium, 162–68. 318
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machen. Die im Kitāb at-Tanbīh wa-l-išrāf aus vermeintlich heidnischen Quellen rekonstruierte Bekehrung Konstantins durch seinen Minister (wazīr) spielt nämlich auf eine Institution an, die gerade in der Zeit al-Masʿūdīs in die komplizierten Netzwerke der Bagdader Machtorgane verstrickt war, zwischen den Ansprüchen von Kalifat, Bürokratie und Heer. 321 In den zwei angeblich heidnischen Quellen lesen wir, dass sich Konstantin von Feinden umgeben sah und sich davor fürchtete, Opfer eines Aufstandes zu werden. Damit reflektiert er in seiner Person die gerade in der späteren Abbasidenzeit stetig wiederkehrende und paralysierende Angst vor möglichen Konspirationen gegen den jeweils auf dem Thron sitzenden Machtinhaber. 322 Auch wenn die Konstantingeschichte nur zwischen den Zeilen auf diese Zeit der politischen Instabilität anspielt, lässt dies bereits die Fähigkeit der Konstantingeschichte erahnen, als Gleichnisgeschichte einer Fürstenspiegelliteratur hinhalten zu können, wie später bei Miskawayh zu sehen sein wird.
6. OROSIUS UND DIE MOZARABISCHE GESCHICHTSSCHREIBUNG
Die Historiae adversus paganos des lateinischen Geschichtsschreibers Paulus Orosius bleiben bisher das einzige aus der römischen Antike stammende Geschichtswerk, von welchem eine arabische Übersetzung erhalten ist, das sog. Kitāb Hurūšiyūš. Aus diesem haben verschiedene Geschichtsschreiber wie Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) oder al-Maqrīzī (gest. 1442) geschöpft. Auch wenn eine genaue Rekonstruktion der Umstände, die zur Übersetzung der Vgl. Van Berkel, Maaike: „The Vizier“, in: Van Berkel, Maaike; El-Cheikh, Nadia Maria u.a. (Hgg.): Crisis and Continuity at the Abbasid Court: Formal and Informal Politics in the Caliphate of al-Muqtadir (295– 320/908–32) (Islamic Civilization, 102), Leiden 2013, 65–86, hier 77–80. 322 Auch das lange Kalifat al-Muqtadirs (908–932) wurde durch die vielen Machtkämpfe am Hof geschwächt und endete auch wegen der Streitigkeiten innerhalb des Heeres mit dem gewaltsamen Tod des Kalifen. Vgl. Kennedy, Hugh: „The Reign of al Muqtadir (295–320/908– 32): A History“, in: Van Berkel, Maaike; El-Cheikh, Nadia Maria u.a. (Hgg.): Crisis and Continuity at the Abbasid Court, 13–48, hier 39–47. 321
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 183 Historiae geführt haben, schwierig bleibt, lässt sich aus den Aussagen dieser späteren Geschichtsschreiber doch folgern, dass wir es sehr wahrscheinlich mit einem mit dem Kalifenhof von Cordoba zusammenhängenden Übersetzungsunternehmen zu tun haben, an dem sowohl Muslime wie auch Christen beteiligt waren. Dieses Unterfangen konnte nicht unbemerkt bleiben, wie mit Marie-Thérèse Urvoy zu beobachten ist: „Cela a entraîné le risque de voir les musulmans s’efforcer de récupérer le résultat, ce qui n’a pas manqué d’arriver.“ 323 In letzter Instanz geht es also wieder um die Aushandlung einer Deutungshoheit über die christliche bzw. vorislamische Geschichte. 6.1. Bemerkungen zu Autor und Werk Die Identifizierung des Kitāb Hurūšiyūš ist vor allem der Auffindung einer Handschrift aus der Columbia University (X 893. 712H) und den Analysen Giorgio Levi della Vidas zu verdanken, auf dessen Schriften eine lange Liste an weiteren Beiträgen folgte. 324 Es wurde Urvoy, Marie-Thérèse: „Quelle est la part d’originalité dans la production écrite mozarabe?“, in: Maser, Matthias; Herbers, Klaus (Hgg.): Die Mozaraber: Definitionen und Perspektiven der Forschung (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt, 7), Münster 2011, 65–74, hier 71. 324 Für eine Einführung siehe Kitāb Hurūšiyūš, hg. von Mayte Penelas, Traducción árabe de las Historiae adversus paganos de Orosio (Fuentes ArábicoHispanas, 26), Madrid 2001, 17–96. Diese Ausgabe bessert die frühere Edition von Badawī (Taʾrīḫ al-ʿalam, Beirut 1982) nach. Für eine Übersetzung des gesamten Auszuges über Konstantin vgl. Schilling, Alexander M.: „Die Konstantinlegende in Mozarabischer Überlieferung“, in: Collectanea Christiana Orientalia 6 (2009), 339–373, hier 344–354. Für weitere fachspezifische Beiträge zur arabischen Übersetzung des Orosius vgl. Levi Della Vida, Giorgio: „La traduzione araba delle storie di Orosio“, in: Al-Andalus 19 (1954), 257–293; Daiber, Hans: „Orosius’ Historiae Adversus Paganos in arabischer Überlieferung“, in: Tradition and ReInterpretation in Jewish and Early Christian Literature (Studia Post-Biblica, 36), Leiden 1986, 202–249; Penelas, Mayte: „El historiador árabe ante las fuentes cristianas: Las Historias de Orosio“, in: Pérez Jiménez, Aurelio; Cruz Andreotti, Aurelio (Hgg.): La verdad tamizada: Cronistas, reporteros e historiadores ante su público, Madrid/Málaga 2001, 179–200; Christys, Ann: 323
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dabei schnell klar, dass es sich nicht um eine Übersetzung tout court der Historiae adversus paganos des Paulus Orosius handelt, sondern um eine redaktionelle Neukomposition, in welcher die ursprüngliche Grundstruktur des lateinischen Werkes zwar erhalten blieb, in die aber auch Abschnitte aus anderen Quellen einflossen, vor allem aus den Chronica Maiora und den Chronica Gothorum Isidors von Sevilla, aus der Cosmographia des Julius Honorius wie auch aus weiteren Werken der lateinischen Historiographie. 325 Durch das Heranziehen dieser neuen Quellen haben die Übersetzer also neben der Geschichte Roms auch die der gotischen Völker und ihrer Könige in die arabische Historiographie eingeführt. Auch die Konstantingeschichte, die im lateinischen Original des Paulus Orosius nur in ihren wesentlichen Zügen behandelt wird und in der arabischen Übersetzung mehrere Seiten einnimmt, kann als Neukomposition der Übersetzer bezeichnet werden. Weil der Columbia-Handschrift am Anfang und am Ende einige Folien fehlen, endet der arabische Text bei der Regierung des Valens (364–378). Aus dem Inhaltsverzeichnis der Handschrift kann man aber entnehmen, dass die römische Geschichte bis Heraklios und die Geschichte Andalusiens bis zur Eroberung durch die Araber im Jahr 711 weitergeführt wird. 326 Die verloren gegangenen Folien Christians in al-Andalus: 711–1000 (Culture and Civilization in the Middle East), Richmond 2002, 135–157 und zuletzt Sahner, Christian: „From Augustin to Islam: Translation and History in the Arabic Orosius“, in: Speculum 88/4 (2013), 905–931. Für eine breiter angelegte Darstellung der mozarabischen Geschichtsschreibung vgl. auch De Hartmann, Carmen Cardelle: „Der mozarabische Blick auf die Geschichte: Tradition und Identitätsbildung“, in: Maser, Matthias; Herbers, Klaus (Hgg.): Die Mozaraber, 39–63. 325 Für eine Edition der Historiae vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos, hg. und übers. von M.-P. Arnaud-Lindet, Histoires contre les païens, 3 Bde., Paris 1991–1992 und für eine Übersicht über die verwendeten Quellen in der arabischen Übersetzung vgl. Kitāb Hurūšiyūš, Ed. Penelas, 47–66 und 99–119. Für die Columbia-Handschrift vgl. Levi Della Vida, „Traduzione araba“, 266f und Christys, Christians in al-Andalus, 147–154. 326 Vgl. Penelas, „El historiador“, 181f.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 185 haben sehr wahrscheinlich einschlägige Informationen über den Verfasser bzw. den Übersetzer dieses Werkes gegeben. Anders als die einzig uns erhaltene Handschrift vermuten lassen könnte, wurde auf dieses Geschichtswerk gerne zurückgegriffen. Die Liste der Geschichtsschreiber, die daraus zitieren, schließt Namen wie Ibn Ğulğul (gest. 994), al-Bakrī (gest. 1094), Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) und al-Maqrīzī (gest. 1442) ein. An einschlägigen Stellen liefern sie dabei wichtige Informationen für die Bestimmung der Übersetzer und der Entstehungszeit. 327 Ibn Ğulğul berichtet, wie der byzantinische Kaiser Romanos um 948 dem andalusischen Kalifen ʿAbd ar-Raḥmān III einen Brief und verschiedene Bücher hat zukommen lassen, darunter ein Exemplar des Dioskurides und eine Kopie des lateinischen Orosius. Ibn Ḫaldūn hingegen kommt zweimal auf das Kitāb Hurūšiyūš zu sprechen. In der ersten Notiz behauptet er, dass dieses Werk für al-Ḥakam (Sohn und Nachfolger des eben genannten Kalifen ʿAbd ar-Raḥmāns III) verfasst wurde und dass es vom „Richter und Übersetzer der Christen“ und von Qāsim ibn Aṣbaġ (dem Lehrer al-Ḥakams) angefertigt wurde. 328 In der zweiten Notiz scheint er dann der ersten Notiz zu widersprechen und schreibt die Redaktion des arabischen Orosius zwei Muslimen zu. 329 Mayte Penelas vermutet, dass der tunesische Geschichtsschreiber das Werk absichtlich zwei muslimischen Autoren zuschreibt, um dieser Quelle mehr Autorität zu verleihen. 330 Man kann aber auch ganz gut damit leben, wenn man Ibn Ḫaldūn beim Wort nimmt und davon ausgeht, dass er wirklich der Überzeugung war, dass das Werk auf nur muslimische Vgl. Kitāb Hurūšiyūš, Ed. Penelas, 30–33; Di Branco, Storie arabe, 145–154 und De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 53f. 328 Zu ihm vgl. Kitāb Hurūšiyūš, Ed. Penelas, 29f und Pinilla Melguizo, Rafael: „El filólogo y tradicionista cordobés Qasim b. Asbag alBayyānī (247?–340 H./862?–951 J.C.): Algunas interrogantes sobre su vida y su obra“, in: Homenaye al Prof. Jacinto Bosch Vilá, Granada 1991, Bd. 1, 293–310. 329 Vgl Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 197 und Di Branco, Storie arabe, 146. 330 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš, Ed. Penelas, 31 und De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 54. 327
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Schreiber zurückzuführen sei und dass auch das Amt des Richters für die Christen seiner Meinung nach von einem Muslimen ausgeübt werden könne, eventuell sogar müsse. 331 Die Auswertung der Aussagen dieser Autoren hat zu langen Diskussionen mit unterschiedlichen Resultaten geführt. Abgesehen von der Tatsache, dass die genannte diplomatische Mission weder unter Romanos I (920–944) noch unter Romanos II (959–963) stattgefunden haben kann, ist auch daran zu erinnern, dass das Geschichtswerk des Orosius bereits vor dem diplomatischen Austausch auf der iberischen Halbinsel verbreitet war. Das lässt sich beispielsweise an einem Bücherkatalog aus dem Codex Ovatensis zeigen, der aus dem Jahr 882 datiert (Escorial R II 18) und in dem auch die Historiae des Paulus Orosius verzeichnet sind. 332 Wie Penelas nachgewiesen hat, spielt aber vor allem der andalusische Geschichtsschreiber und Geograph al-Bakrī eine Schlüsselrolle in der Bestimmung des von Ibn Ḫaldūn genannten „Richters und Übersetzers der Christen.“ 333 Dieser schreibt seine aus dem Kitāb Die Frage nach der Zulässigkeit der Ernennung von Nichtmuslimen zum Richteramt blieb in der muslimischen Rechtstradition kontrovers. Auf der einen Seite konnte man sich gerade auf die alten Autoritäten wie Abū Ḥanīfa berufen, um die rechtlichen Angelegenheiten der Nichtmuslime ihren eigenen Richtern zu überlassen. Auf der anderen Seite gab es ab dem 11. Jh. immer wieder Stimmen, die diese Praxis problematisierten und nur den Muslimen die Befähigung zur Rechtsprechung zusprachen, so z.B. der Rechtsgelehrte al-Māwardī (gest. 1058). Vgl. Pahlitzsch, Johannes: Der arabische Procheiros Nomos (Forschungen zur Byzantinischen Rechtsgeschichte, 31), Frankfurt a.M. 2014, 40*. 332 Vgl. De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 42. Auch die handschriftliche Verbreitung des Orosius belegt diesen Sachverhalt. Vgl. dazu Mortensen, Lars Boje: „The Diffusion of Roman Histories in the Middle Ages: A List of Orosius, Eutropius, Paulus Diaconus and Landolfus Sagax Manuscripts“, in: Filologia Mediolatina 6–7 (1999–2000), 101–200, vor allem 104f. 333 Vgl. Penelas, Mayte: „A possible Author of the Arabic Translation of Orosius’ Historiae“, in: al-Masāq: Islam and the Medieval Mediterranean 13 (2001), 113–35. 331
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 187 Hurūšiyūš entnommenen Zitate sowohl einem gewissen al-Qūṭī (der Gote) wie einem Ḥafṣ al-Q.r.ẓī zu. Wenn man dabei bedenkt, dass es sich bei der zweiten Angabe al-Q.r.ẓī ( )اﻟﻘﺮظﻲum eine orthographische Korruption von al-Qūṭī ( )اﻟﻘﻮطﻲhandeln könnte, dann können wir den von Ibn Ḫaldūn genannten „Richter der Christen“ mit Ḥafṣ al-Qūṭī identifizieren, der u.a. für seine arabische Übersetzung der Psalmen aus dem Jahr 889 bekannt ist. 334 Zusammen mit der von Ibn Ḫaldūn festgehaltenen Beobachtung, wonach auch der am Hof des Kalifen beheimatete Qāsim ibn Aṣbaġ Teil des Übersetzungsunternehmens war und wonach dieses Geschichtswerk al-Ḥakam (reg. 961–976) gewidmet war, deutet die Verfasserschaft Ḥafṣ al-Qūṭīs darauf hin, dass das Kitāb Hurūšiyūš zwischen 915 (Geburt al-Ḥakams) und 951/2 (Tod Ibn Aṣbaġs) zu datieren ist. 335 Eine weitere Frage, die mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist, ist die nach dem Verhältnis des Kitāb Hurūšiyūš zu den fast gleichzeitig entstandenen Aḫbār mulūk al-Andalus („Berichte über 467F
Vgl. De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 54 und – zu Ḥafṣ al-Qūṭī – Urvoy, „Originalité“, 70f. Wie Penelas überzeugend präzisiert, besteht die Pointe des Berichtes Ibn Ğulğuls über die kaiserliche Schenkung der Materia Medica und der Historiae des Orosius in erster Linie in der Hervorhebung der Tatsache, dass das andalusische Herrscherhaus zwar über die nötigen menschlichen Ressourcen verfügte, um arabische Übersetzungen aus dem Lateinischen zu bewerkstelligen, für griechische Texte aber weiterhin auf Übersetzer angewiesen blieb, die – wie der von Ibn Ğulğul genannte Mönch Nīqūlā – vom byzantinischen Kaiser nach Andalusien gesandt werden mussten. Vgl. Penelas, „A possible author“, 117f. 335 Demgegenüber plädiert Christys für eine spätere Abfassungszeit und identifiziert den von Ibn Ḫaldūn genannten Qāsim ibn Aṣbaġ mit einem späteren und nicht weiter bestimmbaren christlichen Juristen am Hof al-Ḥakams, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die spätere prosopographische Literatur den muslimischen Juristen Qāsim ibn Aṣbaġ nicht mit einem Kitāb Hurūšiyūš verbindet. Vgl. Christys, Christians in alAndalus, 136–142. 334
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die Könige von al-Andalus“) Aḥmad ar-Rāzīs (889–955). 336 Die Konstantingeschichte bietet nämlich Anlass zur Annahme, dass der Übersetzer des Kitāb Hurūšiyūš auch ein weiteres Werk verfasst habe, das über die „Bündnisse, die er [sc. Konstantin] errichtet hat“, und über die „Traditionen, die er erneuert hat“ berichtet, welche „in unserem Buch Berichte der Zeiten [Aḫbār az-zamān]“ enthalten seien. 337 Di Branco sieht in dieser Passage einen Hinweis auf die Aḫbār mulūk al-Andalus des eben genannten Aḥmad ar-Rāzī, der nach dem Tod seines Lehrers Qāsim ibn Aṣbaġ die Rolle als muslimischer Part in diesem Übersetzungsunternehmen übernommen hätte. 338 Leider ist das arabische Original ar-Rāzīs verloren gegangen und nur in Form einer kastilischen Übersetzung aus dem 14. Jh. überliefert, welche ihrerseits auf der Grundlage einer zum größten Teil nicht mehr vorhandenen portugiesischen Übersetzung angefertigt wurde. Gegenüber dem Kitāb Hurūšiyūš zeichnet sich ar-Rāzīs Werk auch dadurch aus, dass es den Horizont der Darstellung auf die Geschichte von al-Andalus einschränkt. 339 Die in ar-Rāzī behandelte Konstantingeschichte (Ed. Catalán, 192–202) präsentiert im Vergleich zur arabischen Orosius-Übersetzung inhaltliche Abweichungen, Unterlassungen und überhaupt eine andere Anordnung der Ereignisse, weshalb es Vgl. Crónica del Moro Rasis. Versión del ajbār mulūk al-Andalus de Aḥmad ibn Muḥammad ibn Mūsà al-Rāzī (889–955), hg. von Diego Catalán, Madrid 1975. 337 Kitāb Hurūšiyūš 7.220, Ed. Penelas, 371. Penelas schlägt mit Hinweis auf ihren Vorgänger Badawī vor, den arabischen Titel Berichte der Zeiten auf die Chronik des Hieronymus zu beziehen, in dessen Besitz („unser Buch“) ein christlicher Gelehrter wie Ḥafṣ al-Qūṭī auch sicherlich gewesen wäre. Vgl. Kitāb Hurūšiyūš, Ed. Penelas, 64n. 338 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 153f und 166–189. Nach Di Branco wäre das Geschichtswerk ar-Rāzīs in zwei Stufen entstanden. In einer ersten Redaktion hätte er sich vor allem auf den früheren andalusischen Geschichtsschreiber ʿAbd al-Malik ibn Ḥabīb gestützt. Unter dem Eindruck des von seinem Lehrer Qāsim ibn Aṣbaġ mitgetragenen Übersetzungsprojektes der Historiae hätte er dann sein Geschichtswerk grundsätzlich revidiert und selber bei diesem Unterfangen mitgewirkt. 339 Vgl. Crónica del Moro Rasis, Ed. Catalán, lxix. 336
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 189 unwahrscheinlich ist, dass diese zwei unterschiedlichen Versionen der gleichen Feder zuzuschreiben seien. Die Parallelen zwischen dem Kitāb Hurūšiyūš und ar-Rāzī sind also am Ehesten dadurch zu erklären, dass ar-Rāzī entweder teilweise vom Kitāb Hurūšiyūš abhängt, oder sogar eine gemeinsame Quelle mit ihm teilt. 340 Auch wenn der von Penelas erbrachte Beweisgang über die Mitwirkung Ḥafṣ al-Qūṭīs an der Zusammenstellung des Kitāb Hurūšiyūš durchaus überzeugend ist, soll in den folgenden Ausführungen ohne weitere Namensbestimmungen von den Übersetzern des Orosius die Rede sein, im Wissen, dass ihre Tätigkeit auch aus Kompositions- und Redaktionsarbeit bestand. Die Zusammenarbeit zwischen einem christlichen und einem muslimischen Übersetzer und die Tatsache, dass das Kitāb Hurūšiyūš wahrscheinlich für die Bibliothek al-Ḥakams bestimmt war, zeigen jedenfalls, dass es sich bei dieser Übersetzung auch um ein staatliches Unternehmen handelte. 341 Weitreichender als die Frage nach der Autorschaft des Kitāb Hurūšiyūš bleibt für unsere Arbeit schließlich auch der Hinweis auf den kompilatorischen Charakter dieses Werkes und die Beobachtung, dass einige der darin vorhandenen Quellen auch in mittelalterlichen Bücherkatalogen erwähnt werden. Wir haben bereits auf den Katalog aus dem Codex Ovatensis (Escorial R. II. 18) aus dem Ende des neunten Vgl. La chronica gothorum pseudo-isidoriana (ms. Paris BN 6113), hg. von Fernando G. Muñoz, La Coruña 2000, hier 88f*. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass sich einige der von späteren Autoren verwendeten Orosius-Zitate nicht in der Columbia-Handschrift finden lassen, wie Levi Della Vida am Beispiel Ibn Ğulğuls oder des jüdischen Geschichtsschreibers Ibrahīm ibn Dawūd signalisiert hat, weshalb er auf die Möglichkeit hindeutete, dass mindestens zwei arabische Übersetzungen des Orosius im Umlauf waren. Vgl. Levi Della Vida, „Traduzione araba“, 292f, und – dagegen – Penelas, Mayte: „Hubo dos traducciones árabes independientes de las Historias contra los paganos de Orosio?“, in: Collectanea Christiana Orientalia 6 (2009), 223–251, hier vor allem 233–240. 341 Vgl. Wasserstein, David: „The library of al-Ḥakam al-Mustanṣir and the culture of Islamic Spain“, in: Manuscripts of the Middle East 5 (1990– 91), 99–105, hier 99. 340
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Jahrhunderts verwiesen. Dort werden neben den „Libri Orosii“ auch das „Liber Chronicorum beati Isidori“ und ein „Liber Storiae Ecclesiasticae“ erwähnt. 342 Im Codex Universitatis Complutensis (Madrid, Fondo Histórico 134) aus dem Ende des 13. Jh. ist uns sogar eine Anthologie mozarabischer Geschichtswerke überliefert, der wir auch im neunten Jahrhundert hätten begegnen können. 343 Es sind wohl solche Kompilationen lateinisch-mozarabischer Werke, die einen wichtigen Anstoß gegeben haben, eine ebenfalls auf mehreren Quellen basierte arabische Kompilation zusammenzustellen und in ein einheitliches Narrativ zu integrieren. 344 6.2. Texte zu Konstantin In Anlehnung an die lateinische Vorlage wird der Bericht über die Herrschaft Konstantins in der Orosius-Übersetzung im 28. Kapitel des siebten Buchs wiedergegeben, während in den sechs vorherigen Büchern sowohl die biblische Heilsgeschichte als auch die Vgl. Gil, CSM II, 707f. Vgl. Victoris Tunnunensis Chronicon cum reliquiis ex Consularibus Caesar-Augustanis et Iohannis Biclarensis Chronicon, hg. von Carmen Cardelle de Hartmann, Turnhout 2001, 27*–38* und De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 58, die darauf aufmerksam macht, dass die gemeinte Handschrift aus einer früheren Vorlage abschreibt. 344 Vgl. Chronica gothorum pseudo-isidoriana, Ed. Muñoz 89* und Schilling, „Konstantinlegende“, 356. In eine ähnliche Richtung dürfte auch die Antwort auf die Frage nach der Einordnung der sog. Chronica gothorum pseudo-isidoriana gehen, einer weiteren Chronik mozarabischer Herkunft, deren vermeintliches arabisches Original verloren gegangen ist und die nur durch eine lateinische Handschrift aus dem 12./13. Jh. erhalten ist. Für einen Überblick über die Forschungsgeschichte vgl. Chronica gothorum pseudo-isidoriana, Ed. Muñoz 11*–100*, vor allem 84*–89* und 92*–99*, der die Chronik auf das 11./12. Jh. datiert, und Di Branco, Storie arabe, 167f, der die arabische Vorlage dieses Werkes auf den Anfang des 10. Jh. datiert. Da in der Pseudo-Isidoriana die Konstantingeschichte zum größten Teil übergangen wird und nur eine mit ar-Rāzī gemeinsame Notiz über die Divisio Constantini überliefert wird, ist es an dieser Stelle nicht notwendig, diesem Problem weiter nachzugehen. 342 343
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 191 Geschichte der Antike aufarbeitet werden. Das geringe Interesse des Orosius an einer detaillierten Wiedergabe der Herrschaft Konstantins mag unterschiedliche Gründe haben, den arabischen Übersetzern muss diese Lücke jedenfalls als Mangel erschienen sein. In der uns überlieferten Form ist die Konstantingeschichte in vier thematischen Einheiten eingeteilt: Einleitung (§§ 212–214) – Heilung Konstantins von der Lepra (§§ 215–216) – Gründung Konstantinopels und Aufstand gegen Konstantin (§§ 217–221) – Goten-Kriege, Kreuzeserscheinung und Reise Helenas nach Jerusalem (§§ 222–224). Auch dem Kitāb Hurūšiyūš ist es bekannt, dass Konstantin nicht der erste römische Kaiser ist, der sich zum Christentum bekehrt hat. Schließlich wird Philippus bereits von Orosius erwähnt, also in der Vorlage der arabischen Übersetzung. 345 Auch um Konstantins Bekehrung von diesem kurzweiligen Intermezzo hervorzuheben, präzisiert der arabische Text vielleicht, dass Konstantin der erste Kaiser war, „der die Religion Christi propagierte.“ 346 Es ist dabei zu beobachten, dass sowohl die Griechen als auch die Römer als Rūm bezeichnet und unter Umständen nur durch eine zweite Namensangabe voneinander unterschieden werden. So taucht im Kitāb Hurūšiyūš die Bezeichnung ar-rūm aġ-ġirīqīyūn als Bezeichnung für die Griechen und ar-rūm al-laṭīnīyūn als Bezeichnung für die Römer auf. Damit wird auch die ideologisch motivierte Trennung der Griechen von den Römern ausgehebelt. 347 Mit der Geschichte der rūm fasst er also nicht nur die Geschichte des römischen Reichs ins Auge, sondern auch die Geschichte der griechischen Antike, und damit auch die durch das Kitāb Hurūšiyūš zum ersten Mal einer arabischen Leserschaft präsentierten Erzählungen über den trojanischen Krieg oder die Perserkriege. 348 Vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.20.2, Ed. ArnaudLindet III, 55 und Kitāb Hurūšiyūš 7.158, Ed. Penelas, 361. 346 Kitāb Hurūšiyūš 7.213, Ed. Penelas, 368: Wa-huwa awwalun man ṯabbata dīna l-masīḥi. 347 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 160f. 348 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 160. 345
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Die bereits in der Einführung gemachte Vorbemerkung, dass wir es nicht mit einer Übersetzung im engeren Sinn zu tun haben, zeigt sich gerade zu Beginn von Buch VII – im welchem die römische Geschichte behandelt wird. Die lateinische Vorlage des Orosius beansprucht diese Stelle nämlich, um den Leser darauf hinzuweisen, dass das römische Reich nicht nur in der Zeit der christlichen Kaiser, sondern bereits unter den heidnischen Herrschern von Katastrophen und Kriegen heimgesucht wurde, und dass das Christentum darum nicht die Ursache für dessen Niedergang sei. 349 Damit kommt auch die apologetische Aussageintention des Gesamtwerkes zu Wort. Der Autor geht dabei von der geschichtstheologischen Prämisse aus, dass das römische Reich analog zu den vorherigen Reichen der Antike nicht länger als eine von Gott festgesetzte Frist währen könne, und dass die ersten Zeichen des Zerfalls der römischen Herrschaft bereits unter der Herrschaft des Augustus erschienen seien. 350 Die arabische Einleitung übergeht diese geschichtsapologetischen Pointen und stellt lediglich fest, dass der immer wiederkehrende Aufstieg und Niedergang der Weltreiche den Erweis dafür bringt, dass Gott der eine Lenker der Geschichte sei. 351 Vor allem aber lässt die arabische Übersetzung die längeren Erläuterungen aus, mit denen Orosius dem Leser den Interpretationsschlüssel für die heilsgeschichtliche Einordnung der Geschichte Roms an die Hand gibt. Mit Rückgriff auf die Exodus-Geschichte zählt der Autor nämlich von Kaiser Nero beginnend zehn Verfolgungswellen, die den Zorn Gottes geweckt und Naturkatastrophen oder Kriege herbeigerufen hätten. 352 Die zehnte und letzte Plage, die das römische Reich nach der Verfolgungswelle durch Maximian traf, Vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.1.11, Ed. ArnaudLindet III, 17: Inter sacra continua incessabilibus cladibus nullus finis ac nulla requies fuit, nisi cum salvator mundi Christus inluxit. 350 Vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.2.1–12, Ed. Arnaud-Lindet III, 17–19. 351 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.16, Ed. Penelas, 336: Wa kullu hāḏā mimmā yadullu ʿalā anna mudabbira l-azmāni wāḥidun. 352 Vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.27.1–16, Ed. Arnaud-Lindet III, 70–74. 349
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 193 war dabei diejenige, die das Heidentum am heftigsten traf, und zwar die Bekehrung der heidnischen Herrscher zum Christentum. Auch die arabische Übersetzung zeigt ein Interesse daran, die von Orosius gezählten Verfolgungswellen und die darauf eintreffenden Katastrophen zu erwähnen. Dennoch verzichtet sie darauf, die Geschichte der Verfolgungen explizit als Argument gegen den Standpunkt der Heiden einzusetzen, wonach das Unglück des römischen Reichs auf dessen Christianisierung zurückzuführen sei. Vielmehr dient der Hinweis auf die Verfolgungen nun dazu, Gottes Macht unter Beweis zu stellen, wie gerade aus folgendem Abschnitt hervorgeht: Seit der Zeit des ungläubigen Nero, der die Apostel Petrus und Paulus hatte umbringen lassen, waren die Christen unter jedem heidnischen König verfolgt, teils getötet, teils gefangen genommen und teils verbannt worden. Dennoch bekehrten sich die Heiden Tag für Tag zum Glauben, als sie Zeichen sahen und ihnen erstaunliche Wunder vor Augen kamen, welche Gott durch die unter ihnen weilenden heiligen Märtyrer offenbarte. 353
Ein weiterer Unterschied zur lateinischen Vorgabe besteht in der Einführung der Geschichte der Goten, welche nun neben der Geschichte Roms den zweiten Erzählstrang innerhalb des Kitāb Hurūšiyūš bildet. Wie wir gesehen haben, nährt sich dieser Erzählstrang vor allem von den Chroniken Isidors. Die Geschichte Roms und die Geschichte der germanischen Völker greifen immer wieder ineinander, so auch in der Darstellung der Herrschaft Konstantins:
Kitāb Hurūšiyūš 7.217 Ed. Penelas, 370 (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, § 43): Wa-kāna n-naṣārā min ladun zamāni nīrūn alkāfiri l-laḏī qatala bīṭr wa-būluš al-ḥawārīna maʿ kulli malikin yalī rūmata mina l-mağūsi maṭlūbīna yuqtalu baʿḍun wa-yuḥbasu baʿḍun wa-yunfā baʿḍun. wa-kānat al-mağūsu maʿ hāḏā tarğiʿu kulla yawmin ilā l-imāni ʿindamā yarūna mina l-āyāti wa-yaṭṭaliʿūna mina l-ʿağāʾibi l-muʿağizati l-latī kāna allahu yubdīhā ʿalā aydī š-šuhadāʾi l-muqaddasīna minhum. 353
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CONSTANTINUS ARABICUS Im 20. Jahr seiner Regierung zog eine Gruppe von Goten gegen eines seiner Länder aus. Sie überfielen es und richteten viel Unheil an. Daraufhin zog er gegen sie zu Felde und bekämpfte sie, bis er sie besiegte und aus seinem Land vertrieb. Er gab ihnen die Erlaubnis, den großen Fluss [zu überschreiten], der Donau genannt wird. 354
Diese in sich abgeschlossene Notiz findet sich in ihren wesentlichen Punkten auch in Isidor von Sevillas Historia Gothorum wieder. 355 Im Gegensatz zur lateinischen Vorlage bringt das Kitāb Hurūšiyūš mit dem Schlusssatz („er gewährte ihnen, den großen Fluss zu überqueren“) aber eine fast versöhnlich anmutende Schlusspointe und blickt bereits auf die spätere Geschichte der Goten als Erben der römischen Herrschaft in Andalusien voraus. Neben den Goten bezwingt Konstantin auch die Perser, weshalb „der größte Teil der Welt ihm untertan war.“ 356 Auch wenn – anders als bei der Darstellung der Herrschaft des Augustus – explizite Vergleiche mit dem Weltreich Alexanders des Großen Kitāb Hurūšiyūš 7.222 Ed. Penelas, 371 (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, §§ 70–73): Wa-fī ʿišrīna sanatin min dawlatihi ḫarağat ṭāliʿatun mina l-qūṭi ʿalā baʿḍi aṭrāfihi fa-aġārat wa-fsadat. faġazāhum wa-ḥārabahum ḥattā hazamahum wa-ḫrağahum ʿan bilādihi waağāzahum an-nahra l-ʿaẓīma l-madʿūwa danūbīya. 355 Isidor von Sevilla, Historia Gothorum, Ed. Mommsen, MGH AA 11, 269: Anno XXVI imperii Constantini Gothi Sarmatarum regionem adgressi copiosissimis super Romanos inruerunt agminibus, adversus quos idem Constantinus aciem instruxit ingentique certamine vix superatos ultra Danuvium expulit. Der Hinweis findet sich in Schilling, „Konstantinlegende“, 364. Die von Isidor abweichende Datierung der Schlacht könnte mit dem Hinweis erklärt werden, dass die feminine Form der Zahl „sechs“ (sitta) durch die versehentliche Tilgung oder durch das Übersehen eines diakritischen Punktes zu „Jahr“ (sana) wird, was dann den kommenden Abschreiber dazu zwingen würde, den unverständig gewordenen Satz „im Jahr und im 20. Jahr“ (fī sana wa-ʿišrīna sana) in “im 20. Jahr“ (fī ʿišrīna sana) abzukürzen. 356 Kitāb Hurūšiyūš 7.221, Ed. Penelas, 371 (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, §§ 68f). 354
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 195 fehlen, übernimmt Konstantin also sein Erbe als Herrscher über ein umfriedetes Weltreich. 357 Wie in anderen arabischen Geschichtswerken nimmt aber vor allem die Silvesterlegende einen wichtigen Platz ein. Auf der einen Seite war der Rückgriff auf diese Erzählung nötig, da weder Orosius noch Isidor viel Substantielles über Konstantin zu berichten wissen. Andererseits haben auch die wenigen Notizen, die die Übersetzer des Kitāb Hurūšiyūš dort vorgefunden haben, sie dazu bewogen, auf die Silvesterlegende auszuweichen. Ähnlich wie Hieronymus beklagt nämlich auch Isidor, dass sich Konstantin mit der Taufe durch Eusebius von Nikomedien des Arianismus verdächtig gemacht hätte. 358 Gleichzeitig deutet die in der arabischen Übersetzung im Endergebnis nur oberflächlich dargestellte Auseinandersetzung Konstantins mit Maxentius darauf hin, dass die Silvesterlegende auch zur Konsequenz hatte, die Bekehrung Konstantins aus dem Kontext der politischen Machtkämpfe der römischen Tetrarchie zu lösen. Auch im mozarabischen Christentum war die Silvesterlegende allgemein bekannt. Mit dem lateinischen Martyrologium von Silos (Par. NAL 2178) aus dem elften Jahrhundert besitzen wir dabei einen geeigneten und zeitnahen Vergleichstext für die Analyse der Tauferzählung. 359 Als erstes überrascht im Kitāb Hurūšiyūš die Vgl. Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.2.13–16, Ed. Arnaud-Lindet III, 19f und Kitāb Hurūšiyūš 7.17f, Ed. Penelas, 336f. 358 Isidor von Sevilla, Chronica Maiora, Ed. Mommsen, MGH AA 11, 466: Constantinus autem in extremo vitae suae ab Eusebio Nicomediensi episcopo baptizatus in Arrianum dogma convertitur. Heu pro dolor! Bono usus principio et fine malo. 359 Vgl. Delisle, Léopold: Mélanges de Paléographie, Paris 1880, 81–85, vor allem 85. Die Acta Silvestri nehmen den letzten Abschnitt der Handschrift ein (ff. 277r–282v). Von der Erzählung der Erkrankung und Heilung Konstantins (ab f. 279v) ist nur der Anfang lesbar, da f. 280 abgerissen wurde. Auf diese Handschrift hat bereits Levi Della Vida aufmerksam gemacht, vgl. Levi Della Vida, Giorgio: „Un Texte Mozarabe d’Histoire Universelle“, in: Études d’orientalisme dédiées à la mémoire de LéviProvençal, Paris 1962, Bd. 1, 175–183, hier 180n. Vgl. auch Schilling, „Konstantinlegende“, 369f. 357
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Zuschreibung der Silvesterakten an Silvester selbst. So heißt es zu Beginn der Erzählung: „Konstantin aber hat sich der Religion zugewandt aufgrund einer Ursache, die einer der Gelehrten des Christentums Namens Silvester niedergelegt hat.“ 360 Auch gegen Ende der Erzählung gibt das Kitāb Hurūšiyūš an, aus dem langen Bericht Silvesters über die Bekehrung Konstantins „dieses Kapitel exzerpierend kompiliert zu haben.“ 361 Die irrtümliche Zuschreibung lässt sich wohl dadurch erklären, dass die Übersetzer die in der gängigen Überschrift „Acta Silvestri“ vorgefundene Namensangabe als genitivus subiectivus missverstanden haben. 362 Die Wiedergabe der Silvesterlegende besitzt gegenüber den bisher besprochenen Geschichtsschreibern einige Eigentümlichkeiten: So ist es nun ein ungenannt bleibender älterer Mann (šayḫ), der Konstantin erscheint und ihm anordnet, Silvester zu sich zu holen, der ihn von seiner Krankheit heilen würde. 363 Die Wiedererkennung der zwei Apostel Petrus und Paulus durch die Ikonenabbildungen fällt darum weg. Es werden dafür einige Abschnitte aus den Monologen Konstantins wiedergegeben, die bei den anderen uns bekannten Geschichtsschreibern nicht erscheinen. So klagt nun Konstantin sein Vorhaben an, an Frauen und Kindern seines eigenen Volkes ein Urteil zu vollstrecken, das die Römer nicht einmal im Umgang mit den besiegten Völkern umsetzen würden. Gleichzeitig gelobt er, lieber seine Krankheit ertragen zu wollen, als die Ursache eines solchen unermesslichen Leids zu Kitāb Hurūšiyūš 7.215, Ed. Penelas, 369: Wa-innamā rağaʿa ilā ddīni li-sababi mā waṣafahu ʿanhu ʿālimun min ʿulamāʾi n-naṣrānīyati yusammā šilbištir. 361 Kitāb Hurūšiyūš 7.215, Ed. Penelas, 370: Wa-kāšafahu ʿani ddiyānati fī ḫabarin lahu ṭawīlin iḫtaṣarnā minhu hāḏā l-faṣla. 362 Vgl. Par. NAL 2178, f. 277r, col. 1, 1–3: INCIPIT ACTUS BEATI SILVESTRI PAPAE ROMENSIS. Dieses Missverständnis spricht auch gegen die Vermutung von Daiber, „Orosius“, 204, dass die arabische Übersetzung bereits auf eine vorgefertigte lateinische Kompilation zurückgeht. Einem lateinischen Redaktor wäre dieser Fehler wohl nicht unterlaufen. 363 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.215, Ed. Penelas, 369. 360
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 197 sein. 364 Ein Vergleich mit der Silos-Handschrift zeigt dabei, dass das Kitāb Hurūšiyūš vor allem die Reue Konstantins in den Vordergrund stellt, während der lateinische Vergleichstext erstens die moralische Überlegenheit Roms über die Barbarenvölker betont und zweitens dem Kaiser einen paränetisch anmutenden Vergleich des äußeren Kampfes mit dem geistlichen Kampf gegen die eigenen Niedrigkeiten in den Mund legt. 365 Die Charakterisierung Konstantins als römischer Kaiser und die Herstellung eines Rombezugs ist vor allem in der Erzählung der Gründung Konstantinopels anzutreffen, welche ebenso wie die Taufe Konstantins im Zusammenhang der Silvesterakten überliefert wird. 366 Eingeleitet wird der Bericht von der Erwähnung, dass Konstantin seine Pläne über den Bau einer neuen Hauptstadt vor den Heiden verbarg und unter dem Vorwand, schneller gegen die Perser eingreifen zu können, in den Osten bzw. in die von den „griechischen Römern“ (ar-rūm aġ-ġirīqīyūn) bewohnten Gebiete zog, die zum größten Teil bereits Christen waren: Da erschien ihm in seinem Traum, während er sich auf jener Reise befand, eine alte, zahnlose Frau mit hässlichem Gesicht, blassem Aussehen und hässlichem Anblick. Da wunderte er sich über sie und ihr Aussehen erschreckte ihn. Hierauf verwandelte sie sich in ein Mädchen von vollkommener Gestalt, schönem Aussehen, zierlich geschmückt und in
Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.215, Ed. Penelas, 369. Dieses Gelöbnis fehlt in der Silos-Handschrift und lautet in der Ausgabe des Mombritius: Melius est enim pro salute innocentum mori quam per interitum eorum vitam recuperare crudelem, quam tamen recuperare incertum est, cum certum sit recuperata crudelitas (Mombritius, Sanctuarium sive Vitae Sanctorum II, 510, 56–58). 365 Par. NAL 2178, 279v, col. 3, 27–35: Quid iubat barbaros superasse si crudelitate vincamur? Nam vicisse extraneas nationes bellatorum virtus est populorum, vincere autem peccata et crimina virtus est animorum. In illis preliis fortiores extitimur sed de illis victoria hoc autem nobis fortiores vincimus eum nos ipsos (vgl. Mombritius, Sanctuarium sive Vitae Sanctorum II, 511,6–10). 366 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.218, Ed. Penelas, 370f. 364
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CONSTANTINUS ARABICUS vornehmster Kleidung. Dann überreichte sie ihm eine Krone und setzte sie ihm auf sein Haupt. Da erwachte er voll Schrecken, war eine Zeit lang benommen, dachte über das nach, was er gesehen hatte, legte sich wieder hin und schlief weiter. Da sah er, wie jemand zu ihm kam und zu ihm sprach: „Oh Konstantin! Wisse, dass diese alte, betagte Frau, die du gesehen hast, die Stadt Byzanz ist. Du wirst sie aufbauen, ihre ausgelöschte Schönheit wieder herstellen, ihr ihren Glanz zurückgeben, deine Herrschaft in ihr festigen und sie nach dir als Erbe weitergeben bis ans Ende der Zeit.“ 367
Diese Erzählung scheint eine Sondertradition innerhalb der lateinischen Rezeption der Silvesterakten abzubilden und ist bisher bloß in wenigen Handschriften nachweisbar, darunter im schon genannten Martyrologium von Silos (Par. NAL 2178, f. 282r). 368 Ein Vergleich zeigt auch hier, dass das Kitāb Hurūšiyūš mehrere Kitāb Hurūšiyūš 7.218 Ed. Penelas, 370f (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, §§ 47–54): Fa-arā fī manāmihi wa-huwa fī safarihi ḏālika imraʾatan harīmatan dardāʾan samiğata l-wağhi ḥāʾilata l-manẓari qabīḥata l-marʾā fa-kāna yataʿağğabu minhā wa-yurawwiʿuhu manẓaruhā. ṯumma innahā kānat tastaḥīlu lahu fī ḫalqi ğāriyatin ḥasnāʾin kāmilati lḫalqi ğamīlati l-manẓari muḥallātin bi-aḥsani l-ḥulīyi wa-ašrafi l-ziyyi ṯumma kānat taʾtīhu bi-tāğin fa-tağʿaluhu ʿalā raʾsihi. fa-ntabaha maḏʿūran watamalmala ḥīnan mufakkiran fīmā raʾā fa-ġašiyathu sinatun fa-nāma. fakāna yarā kaʾanna ātīyan kāna yaʾtīhu fa-yaqūlu lahu: yā qusṭanṭīn iʾlam anna hāḏihi l-marʾatu l-ʿağūzu l-harimatu l-latī raʾayta hiya madīnatu bizantata wa-satabnīha wa-tuğaddidu mā durisa min ḥusnihā wa-tuʿīdu ilayhā bahğatahā wa-yatawāṭid mulkuka bihā wa-tuwarriṯuhā ʿaqibaka ilā āḫīri z-zamāni. 368 Vgl. Levi Della Vida, „Un Texte Mozarabe“, 180n und ders., „Traduzione araba“, 278n, wo auch auf eine Handschrift der Bibliothèque Royale de Bélgique verwiesen wird (Lat. 206, ff. 163v–176r). Dass dieses Motiv auch außerhalb der iberischen Halbinsel bekannt war, zeigt dessen Aufnahme im Carmen de Virginitate, cap. XXV des englischen Mönches Aldhelmus (Ed. Ewald, MGH AA 15, 257–60). Im kritischen Apparat fügt der Herausgeber auch die einschlägigen Passagen aus der Brüsseller Handschrift auf. Für mehr Informationen dazu vgl. Levi Della Vida, „Traduzione araba“, 278n. 367
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 199 narrative Elemente des lateinischen Vergleichstextes auslässt, wie zum Beispiel die Erwähnung eines siebentägigen Fastens Konstantins zwischen den zwei Visionen oder die Identifizierung des im zweiten Traum erscheinenden Mannes mit Silvester. 369 Vor allem wird aber die lange Beschreibung des prozessionsartigen Auszuges aus Rom ausgelassen, in dem Konstantin zu Pferd und angeführt durch das geschmückte Labarum Richtung Osten zieht. Im Unterschied zu einigen Vertretern der zeitgenössischen karolingischen Geschichtsschreibung, welche das Motiv der „Schenkung Konstantins“ (Donatio Constantini) bereits voraussetzen, ist die Übersiedlung nach Konstantinopel auch nicht mit einer Übergabe der politischen Herrschaft über Rom an Silvester verbunden. 370 Wie der Bericht ar-Rāzīs zeigt, scheint aber auch die
Par. NAL 2178, 282r, col. 2, 1–28: „In qua somni ei apparuit mulier iuvencula etiam mortua et decrepita […]. Oratione autem Constantino imperatore illa iuvencula surrexit et facta est iuvencula pulcherrima et placuit oculis Constantini casta contemplatione, et induit eam chlamydem suam et diadema quod optimum habebat posuit super caput eius. Helena autem mater eius dicebtat ei: Haec tua erit et non morietur nisi in fine mundi. […] Septima autem die ieiunii sui adest ei iterum in visione sanctus Silvester dicens: Anus decrepita civitas haec est, in qua tu moraris, nomine Byzantium, cuius muri iam prae vetustate consumpti sunt et pene omnia eius moenia corruerunt.“ Der an mehreren Stellen unleserliche Text wurde durch Interpolationen aus Aldhelmus und der Brüsseller Handschrift (siehe vorherige Fußnote) wiederhergestellt. 370 Zur Entstehung und Überlieferung der seit dem 9. Jh. bekannten Donatio Constantini vgl. Fried, Johannes: „Donation of Constantine“ and „Constitutum Constantini“ (Millennium-Studien zu Kultur und Geschichte des ersten Jahrtausends n. Chr., 3), Berlin 2007. Wie der lateinische Paralleltext aus Par. NAL 2178 berichtet auch das Kitāb Hurūšiyūš, dass Konstantin aus Rom auszog, um seine Residenz nach Konstantinopel zu verlegen. Damit ist aber nicht eine Machtübergabe an den Bischof von Rom mitgemeint, wie es in der karolingischen Geschichtsschreibung zum Beispiel von Ado von Vienne und Hincmar von Reims verstanden wurde (vgl. Fried, „Donation of Constantine“, 47f). Nach der arabischen OrosiusÜbersetzung zieht sich Konstantin vor allem aus taktischen Gründen aus dem noch heidnisch gebliebenen Rom zurück, um sich schließlich wieder der Stadt zu bemächtigen. Nach dem unterdrückten Aufstand heißt es im 369
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mozarabische Geschichtsschreibung mit diesem Motiv vertraut gewesen zu sein: Und er residierte fortan in Konstantinopel und herrschte als König und Herr über die Stadt, wie die anderen vor ihm über Rom herrschten. Er ordnete an, dass alle Christen dem Herrn von Rom gehorchen sollen, da er Oberhaupt aller christlichen Priester war, welche behaupteten, dass er heilig sei, kraft der Vollmacht, die er vom Apostel Petrus erhalten hatte und welche Petrus seinerseits von Jesus Christus erhalten hatte. 371
Ob mit der Behauptung, dass Konstantin den Bischof von Rom bei seiner Umsiedlung nach Konstantinopel ermächtigte, ein fernes Echo der „Schenkung Konstantins“ gegeben ist, kann unterschiedlich beantwortet werden. Die explizit gemachte Außenperspektive („que ellos dezian“) lässt jedenfalls erkennen, dass hinter diesem Abschnitt bereits der muslimische ar-Rāzī selber zu vermuten ist und dass wir es also nicht mit einer späteren Einfügung der portugiesischen oder kastilischen Übersetzung zu tun haben. 372 Kitāb Hurūšiyūš dementsprechend, dass Konstantin „mit dem Zeichen des Christusglaubens“ über Rom herrschte. Kitāb Hurūšiyūš 7.219, Ed. Penelas, 371. 371 Crónica del Moro Rasis, Ed. Catalán, 201: E fue el morar a Constantinopla, e llamose rrey e señor de Constantinopla asi commo los otros se avian llamado de Rroma. E pues hordeno que todos los christianos obedeçiesen al señor de Rroma, aquel que era señor de los christianos clergos, e que ellos dezian que era santo por el poder quel avia de su apostol Pedro e que Ihesu Christo diera e Pedro. 372 Ebenso aus der Feder dieses muslimischen Geschichtsschreibers dürfte auch die Notiz über die von Konstantin durchgeführte Einteilung der iberischen Halbinsel in sechs kirchlich-administrative Einheiten zurückgehen (vgl. Crónica del Moro Rasis, Ed. Catalán, 198–201). Eine ähnliche Liste wird auch vom anonymen Autor der Chronica gothorum pseudo-isidoriana (Ed. Muñoz, 138) und vom muslimischen Geographen alBakrī (Kitāb al-masālik wa-l-mamālik §§ 1488–1493, Ed. Ferré/van Leeuwen, 891–893) überliefert. Die jeweiligen Besonderheiten und die Abweichungen der Listen voneinander erschweren eine Bestimmung ihrer
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 201 Der Grund, warum Kitāb Hurūšiyūš die Errichtung der neuen Hauptstadt des römischen Reichs hervorhebt, mag auch aus dem historischen Kontext hervorgehen, in welchem Kitāb Hurūšiyūš verfasst wurde. Was in der Zeit der arabischen Übersetzung von der ruhmreichen Geschichte Roms bleibt, ist gerade die von Konstantin gegründete Stadt Konstantinopel, in welcher die römische Herrschaft „für alle Zeiten Bestand haben soll.“ Das byzantinische Reich war im zehnten Jahrhundert bekanntlich noch längst kein politischer Akteur der Vergangenheit, sondern fester und erstarkter Bestandteil der politischen Landschaft der Zeit und zuweilen auch politischer Verbündeter des umayyadischen Kalifats in Córdoba im gemeinsamen Kampf gegen Bagdad. Das förderte im Laufe des neunten und vor allem des zehnten Jahrhunderts sowohl diplomatische als auch kulturelle Beziehungen, durch die es – wie bereits gesehen – nach Ibn Ğulğul sogar zur Übersetzung des Kitāb Hurūšiyūš gekommen ist. 373 Drei große Themenkomplexe der Konstantinrezeption – die Kreuzeserscheinung, die Kreuzesauffindung und der arianische Streit – nehmen im uns vorliegenden Werk hingegen Nebenschauplätze ein. So zum Beispiel die Kreuzesvision: Nachdem Konstantin die neue Hauptstadt erbaut hatte, ließ er die Christen versammeln und machte sie zu den neuen Anführern im römischen Reich. Die Heiden Roms kündigten daraufhin ihren Gehorsam und setzten einen heidnischen Herrscher als König ein. Der arabische Text geht aber nicht länger auf die Schilderung der Schlacht zwischen Konstantin und seinem Widersacher ein, Abhängigkeitsverhältnisse (vgl. die Synopse dieser Listen in Chronica gothorum pseudo-isidoriana, Ed. Muñoz 54*–56*). In letzter Instanz dürften diese Überlieferungen auf iberische Bischofslisten wie die Nominae Sedium Episcopalium zurückgehen, wie wir sie im bereits genannten Codex Ovatensis (Escorial R. II. 18) aus dem Ende des 9. Jh. vorfinden (vgl. Chronica gothorum pseudo-isidoriana, Ed. Muñoz 64*). 373 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 147–51 und Signes Codoñer, Juan: „Bizancio y al-Ándalus en los siglos IX y X“, in: Pérez-Martín, Inmaculada; de la Peña, Pedro Bádenas (Hgg.): Bizancio y la Península Ibérica de la Antigüedad Tardía a la Edad Moderna (Nueva Roma, 23), Madrid 2004, 177– 245, hier 199–208 und 212–244.
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sondern belässt es beim Hinweis, dass es dafür einen „langen Bericht, dessen Ausführung zu lange dauern würde“ benötige. 374 Der Ausgang der Schlacht und vor allem die darin zu verortende Kreuzeserscheinung werden daher nicht erwähnt. Das letztere Motiv taucht aber etwas in der Luft hängend im Anschluss an die Erzählung über die Feldzüge Konstantins gegen die Goten auf: Im Schlaf erschienen ihm Leinenstücke und Standarten in der Form des Kreuzes und jemand sprach zu ihm: „Wenn du über deinen Widersacher triumphieren willst, dann benutze dieses Zeichen in all deinen Kleidern und Trachten!“ 375
Nur en passant erwähnt der Übersetzer das Motiv der Kreuzesauffindung, indem er sich darauf beschränkt, zu bemerken, dass Konstantin seine Mutter Helena nach Jerusalem schickte, um dort an den Erinnerungsorten Christi Kirchen zu errichten. 376 Für „weitere Berichte über Helena“ und für die „Streitgespräche Helenas mit den Juden“ verweist das Kitāb Hurūšiyūš hingegen auf das „Buch des Eusebius“, des „Verfassers von Geschichten (al-wāṣif li-qiṣaṣ)“. Mit dem „Streitgespräch“ ist wohl ein Echo der JudasKyriakos-Legende gegeben und auch in diesem Fall kann mit dem Rückgriff auf das Martyrologium von Silos – bzw. auf dessen zweiten Teil (Par. NAL 2179) – die Zuschreibung der Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.219, Ed. Penelas, 371 (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, §§ 61–66). Al-Maqrīzī (al-Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 238 [Übers. Casanova III, 46]) sagt, dass die genannten Berichte in der „Geschichte Roms“ (tārīḫ Rūma) nachzulesen seien. 375 Kitāb Hurūšiyūš 7.223, Ed. Penelas 372 (Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, §§ 74–75): Wa-taẓāhara lahu fī manāmihi ʿaḏabun wa-bunūdun ʿalā ḥikāyati ṣ-ṣalībi wa-qāʾilun yaqūlu lahu: in aradta an taẓfara bi-man ḫālafaka fa-staʿmil hāḏihi l-ʿalāmata fī ğamīʿi bazzika wašaklika. Die von al-Maqrīzī bezeugte Variante birk ( )ﺑﺮكscheint auf eine orthographische Korrumpierung von bazzik ( )ﺑﺰكzurückzugehen (alḪiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 238f [Übers. Casanova III, 47]). Der Übersetzer Casanova weist aber auch auf die Möglichkeit hin, dass die besagte Lesart aus dem Persischen ( ﺑﯿﺮقbīrq) stammen könnte, womit eben eine Standarte bezeichnet wird. 376 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.223, Ed. Penelas, 372. 374
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 203 Kreuzesauffindungslegende an Eusebius erklärt werden. 377 Noch kürzer fallen schließlich die Anmerkungen zum arianischen Streit aus. Um genauer zu sein, finden das Konzil von Nizäa und die darin beschlossene Verurteilung des Arius nur in den einleitenden Sätzen der Konstantingeschichte eine kurze Erwähnung. 378 Es ist vielleicht kein Zufall, dass gerade diese drei Themenkomplexe so kurz ausfallen. Es handelt sich schließlich um zentrale Motive der christlichen Verklärung Konstantins. Wird damit versucht, seine Geschichte einer nichtchristlichen Leserschaft zugänglich zu machen? Um auf diese Frage zu antworten, kann man gerade auf die Behandlung des arianischen Streites zurückkommen, und zwar auf dessen Darstellung im Abschnitt über die Herrschaft des Nachfolgers Konstantins Konstantios II. Die Auseinandersetzung mit Arius wird hier als Fortsetzung des Konfliktes zwischen Christentum und Heidentum dargestellt, wenn es zum Beispiel heißt: Und er [sc. Konstantios] war ein Bewunderer des Arius, der in den Tagen seines Vaters Konstantins wegen seines Unglaubens verbannt wurde. Das geschah, weil sich Arius zur Zeit der Herrschaft Konstantins an Konstantios und dessen Tante, der Schwester Konstantins, anbiederte. Er hörte nicht auf, sie zu hofieren, sie aufzusuchen und mit seiner Redekunst auf sie einzureden, bis sich seine Bemühungen auszahlten und sie zu Anhängern seiner verwerflichen Sekte machte. Als die Herrschaft zu Konstantios überging, ließ er ihn in die Hauptstadt [seines Reichs] holen und verschrieb sich seinem widerwärtigen Bekenntnis und behauptete, dass es drei Götter gäbe, indem er sich dadurch von dem Bekenntnis zu der Einheit Gottes lossagte. 379
Schilling, „Konstantinlegende“, 369f. Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.214, Ed. Penelas, 368. 379 Kitāb Hurūšiyūš 7.226, Ed. Penelas, 372: Wa-kāna muḥibban liariyuš al-manfīyi ayyāma abīhi qusṭanṭīn li-ağli kufrihi. wa-ḏālika anna ariyuš ittaṣala bi-qunsṭantiyuš wa-bi-ʿammatihi uḫti qusṭanṭīn ayyāma wilāyati abīhi. wa-lam yazal yulāṭifuhumā wa-yataraddadu ʿalayhumā. wayuwāẓibu muḫāṭabatahumā ḥattā nağaḥat ḥiyaluhu fīhumā wa-ʿtaqadā 377 378
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Auch in diesem Abschnitt verrät der Übersetzer seine eklektische Vorgehensweise im Umgang mit seinen Quellen. Der Polytheismusvorwurf in Bezug auf Arius ist bereits in der lateinischen Vorlage des Paulus Orosius anzutreffen. 380 Die Notiz über Constantia, die Schwester Konstantins, hat hingegen nur in Rufinus eine Parallele. 381 Gleichzeitig ist auch ein Eigenbeitrag der arabischen Übersetzer zu erkennen. Dieser besteht darin, den Polytheismusvorwurf gegen Arius mit einem Schlüsselbegriff der muslimischen Theologie zu verbinden und die Einheit Gottes (tawḥīd) zum Merkmal des nizänischen Glaubensbekenntnisses und darum der Orthodoxie zu machen, während die Lehre des Arius mit einem für den Koran ebenso zentralen Begriff verbunden und als Unglaube (kufr) deklariert wird. 382 Man könnte angesichts dieser an die muslimische Theologie angelehnte Sprache behaupten, dass ein christlicher Übersetzer wie der oben erwähnte Ḥafṣ al-Qūṭī auf den von ihm erwarteten Vorwurf eingeht, wonach das christliche Glaubensbekenntnis „tritheistisch“ sei, und diesen Vorwurf durch einen Umkehrschluss auf die Arianer anwendet. 383 Der muslimisch anmutenden Sprache muss man dabei nicht eine bewusst apologetische Absicht unterstellen. Damit würde man nämlich verkennen, dass gerade die Sprache die mehrschichtigen Identitätskonstruktionen einer Gemeinschaft widerspiegeln kann, die sich zugleich an das christliche Bekenntnis und an eine maḏhabahu l-maḏmūma. fa-lammā ṣāra l-amru li-qunsṭanṭiyūš ṣarafahu ilā ḥāḍiratihi wa-ʿtaqada diyānatahu l-qabīḥata wa-qāla bi-ṯalāṯati ālihatin warafaḍa t-tawḥīda. 380 Vgl. Sahner, „Arabic Orosius“, 915–917 und Paulus Orosius, Historiae adversus paganos 7.29.3, Ed. Arnaud-Lindet III, 80: Fit igitur Arrio, noui erroris auctori, ceterisque discipulis ipsius ad familiaritatem Constantii imperatoris promptus aditus et facilis via; suadetur Constantio, ut quosdam in Deo gradus credat, et qui per ianuam ab errore idololatriae fuerat egressus, rursum in sinum eius dum in Deo deos quaerit, tamquam per pseudothyrum inducitur. 381 Vgl. Rufinus, Historia ecclesiastica 10,12. 382 Vgl. Sahner, „Arabic Orosius“, 925f. 383 Vgl. Sahner, „Arabic Orosius“, 925.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 205 muslimische Herrschaft gebunden wusste, wie Christian Sahner zutreffend präzisiert. 384 Insofern das Übersetzungsunternehmen auch ein staatliches Unternehmen ist, wollen dessen Träger mit der Ankoppelung an eine auch von Muslimen geteilte Sprache eher den Erweis dafür bringen, dass auch eine christlich perspektivierte Geschichtsschreibung sich dazu anbieten kann, mit dem staatlichen Segen an die Öffentlichkeit zu gehen. Dieser Anspruch richtet sich dabei sowohl nach außen, an die politische Elite, als auch nach innen, an die eigene Gemeinschaft. Die allmähliche Arabisierung der literarischen Produktion war nämlich innerhalb der christlichen Gemeinschaft nicht unumstritten, wie die polemischen Stimmen zeigen, die von christlichen Exponenten wie Alvaro von Córdoba erhoben wurden. 385 Dass dieses Programm auch nicht von allen christlichen Geschichtsschreibern aufgenommen wurde und dass sogar die Rezeption der arabischen Orosius-Übersetzung apologetischen Zwecken dienen konnte, zeigt die sog. Historia universal de Qayrawān.
6.3. Die sog. Historia universal de Qayrawān Bei diesem Werk handelt es sich um eine anonyme Chronik, die durch die Auffindung einer – leider nicht mehr in einem guten Zustand gebliebenen – Handschrift in der Kairouan-Moschee
Vgl. Sahner, „Arabic Orosius“, 920f. Eine ähnliche Beobachtung ist auch in der bereits erwähnten Einführung zu Buch VII zu machen, in welcher Orosius eine längere theologische Widerlegung gegen unterschiedliche heidnische Schulen zugeschrieben wird. (vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.1–5, Ed. Penelas, 333f). Wie bei der Darstellung des arianischen Streits werden auch hier Kategorien und Begriffe bemüht, die auch von einem muslimischen Schreiber hätten stammen können. Vgl. Sahner, „Arabic Orosius“, 921–927. 385 Vgl. Urvoy, „Originalité“, 71. In diesem Sinne kann auch die bereits erwähnte Psalmenübersetzung Ḥafṣ al-Qūṭīs eingeordnet werden, deren markant an die muslimische Theologie angelehnte Begrifflichkeit auffällt, dabei aber eben das Bewusstsein verkörpert, Teil einer bereits arabisierten und islamisierten Kultur zu sein. Vgl. Urvoy, „Originalité“, 73f. 384
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(Tunesien) bekannt wurde. 386 Sowohl die Textauswahl als auch der Überlieferungskontext (die Handschrift enthält polemischapologetische Werke christlicher Herkunft) lassen auf einen christlichen Verfasser schließen. 387 Da sich Spuren des Kitāb Hurūšiyūš nachweisen lassen und da die besagte Handschrift auf das elfte Jahrhundert zurückgeht, ist davon auszugehen dass die Chronik wohl kurz davor verfasst wurde. 388 Auch für die Konstantingeschichte sind in der KairouanChronik Anleihen aus der arabischen Orosius-Übersetzung zu finden. Allerdings fällt die Erzählung deutlich kürzer aus. Konstantin, der im Geheimen bereits Christ war, folgte auf Diokletian. Er fürchtete sich aber, „dass die Heiden mit ihm das machen würden, was sie bereits mit Philippus gemacht hatten“, dem ersten zum Christentum bekehrten Kaiser. 389 Danach wiederholen sich die Hauptthemen, denen wir schon in der arabischen Orosius-Übersetzung begegnet sind, nämlich die Vgl. Historia universal de Qayrawān, hg. und übers. von Giorgio Levi Della Vida, in: Nallino, Maria (Hg.): Note di storia letteraria arabo-ispanica, 133–163 (Text) und 163–192 (Übersetzung). Vgl. dazu auch Penelas, Mayte: „Novedades sobre el ‘Texto mozárabe de historia universal’ de Qayrawān“, in: Collectanea Christiana Orientalia 1 (2004), 143–161 und – für die kodikologische Beschreibung der Handschrift – Roisse, Philippe: „Redécouverte d’un important manuscrit ‘arabe-chrétien’ occidental: Le manuscrit Raqqāda 2003/2 (olim Kairouan 1220/829)“, in: Collectanea Christiana Orientalia 1 (2004), 279–285. 387 Vgl. De Hartmann, „Der mozarabische Blick“, 52 und 57. Für Einzelheiten zu den apologetischen Werken vgl. Roisse, „Redécouverte“, 284f. 388 Vgl. Penelas, „Novedades“, 158; ders., „Dos traducciones“, 231– 233; Roisse, „Redécouverte“, 285 und De Hartmann, „Der Mozarabische Blick“, 53. 389 Historia universal de Qayrawān, Ed. Levi Della Vida, 159. Quellentechnisch wertvoll ist diese kurze Anfangsnotiz insofern, als sich damit eine schwer leserliche Passage aus der Columbia-Handschrift rekonstruieren lässt, in der einige Spuren dieser Notiz zu erkennen sind. Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.216, Ed. Penelas, 370 und Schilling, „Konstantinlegende“, 349n. 386
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 207 Verlegung der Hauptstadt nach Konstantinopel (ohne aber die Traumvision zu beschreiben), die dortige Ermächtigung der Christen wie auch der dadurch verursachte Aufstand der Heiden in Rom. Bei der Erzählung der Schlacht an der milvischen Brücke geht der Autor der Chronik aber eigene Wege und überliefert auch einige Merkwürdigkeiten. So heißt es, dass Maxentius am Eingang der Brücke Sperrmaterial angesammelt habe, um dieses in Brand zu setzen, sobald die Soldaten Konstantins über die Brücke marschiert wären. Als sich aber während der Kämpfe die Brücke mit den Soldaten des Maxentius füllte, brach sie zusammen und ließ diese ertrinken. 390 Die Pointe dieser Schlacht bildet in der Chronik aber nicht nur die Einnahme Roms durch Konstantin, sondern die Ausbreitung des Christentums bis zu den äußersten Rändern des Erdkreises: Konstantin betrat an jenem Tag Rom, und die Stadt wurde ihm untertan und Erniedrigung kam über die Heiden. Die Lateiner gewannen dadurch an Einfluss, dass sie mit Ausnahme aller Heiden [von ihrem Glauben] abfielen und sich zu seiner Religion bekannten und die Gottheit Gottes anerkannten. Und es blieben keine Heiden mehr übrig, außer an entfernten und unzugänglichen Orten, wie zum Beispiel im äußeren Indien, in China und Äthiopien im Süden, sowie bei den Skythen, die später Goten genannt wurden, bei den Slaven und bei den Normannen im Norden, bis zum Ozean. 391
Historia universal de Qayrawān, Ed. Levi Della Vida, 159. Historia universal de Qayrawān, Ed. Levi della Vida, 160 (vgl. Übers. in: Schilling, „Konstantinlegende“, 352n): Wa-da[ḫ]ala qusṭanṭīn yawmaʾiḏin rūmata wa-dānat lahu wa-waqaʿat aḏ-ḏillatu ʿalā l-mağūsi watamakkanat al-aʿāğimu bi-taḫāḏulihim ḫāriğa bi-ğamīʿi l-mağūsi ilā ddiyānati wa-l-iqrāri llahi bi-r-rubūbīyati wa-lam yabqa ma[ğū]sī illā fī lqawāṣī n-nāʾīyati mumtaniʿati miṯla aṭrāfu l-hindi wa-ṣ-[ṣ]īni wa-l-ḥabašati fī-l-qiblati wa-š-šīṭīna l-laḏīna yusammūnahum baʿda ḏālika bi-l-qūṭīyati wa-ṣ-ṣaqālibatu wa-l-mağūsu fī l-ğawfi ilā l-ba[ḥri l-muḥ]īṭi. Bei den Buchstaben in den eckigen Klammern handelt es sich um Interpolationen des Herausgebers an unleserlichen Stellen der Handschrift. 390 391
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Neu gegenüber dem Kitāb Hurūšiyūš ist die konsequente Bezeichnung der Römer als aʿāgim, wodurch wieder eine Unterscheidung zu den Griechen eintritt, die vom Chronisten ohne weitere Spezifikationen als rūm bezeichnet werden. Mit aʿāgim bezeichnet man im Kontext Andalusiens – analog zum persischen Kontext – die nicht Arabisch sprechenden Einwohner, seien sie Christen oder zum Islam Konvertierte. 392 Griechen und Römer treten also wieder als zwei aufeinanderfolgende Dynastien auf. Der Grund dafür mag ein theologischer, bzw. exegetischer sein. Mit der Differenzierung zwischen Griechen und Römern kann der anonyme Verfasser nämlich an entsprechender Stelle die DanielVision der vier Reiche mit der Herrschaftsabfolge von Babyloniern, Persern, Griechen und Römern erklären, deren Herrschaft von der Ankunft Christi abgelöst geworden sei, „der jedes Königreich zerbrechen wird.“ 393 Die Daniel-Prophezeiung gibt der hier besprochenen Chronik damit eine noch stärker als in der arabischen Übersetzung des Orosius zu erkennende eschatologische und geschichtsapologetische Ausrichtung, die den Leser darin versichern soll, dass die Geschichte des römischen Reichs auch nur vorläufigen Charakter hatte und dass die Offenbarung der Weltherrschaft Christi noch ausstehe.
7. DIE LIST KONSTANTINS: MISKAWAYH
Während sich die Forschung zur muslimischen Historiographie der letzten Jahrzehnte vor allem mit arabischsprachigen Geschichtswerken auseinandersetze, fehlt es in Bezug auf die persischsprachige Geschichtsschreibung – wie bereits in der Einführung vorweggenommen – an einer vergleichbaren Bandbreite an Beiträgen. Im Folgenden kann mit Miskawayh zumindest ein Geschichtsschreiber angeführt werden, der nicht nur einen Teil seines Lebens im iranischen Ray verbrachte, sondern auch in die persische Geschichtsschreibung hineingewirkt hat, vor Vgl. Hitchcock, Richard: Mozarabs in Medieval and Early Modern Spain: Identities and Influences, Ashgate Publishing 2008, 34 und 49f. 393 Vgl. Historia universal de Qayrawān, Ed. Levi della Vida, 139f. 392
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 209 allem in die Dynastie-Geschichtsschreibung. 394 Nicht nur aus diesem Grund verdient Miskawayh aber eine separate Abhandlung, da gerade die in seinem Tağārib al-umam zu findende Konstantingeschichte nochmals ein anderes Licht auf die Funktion der muslimischen Geschichtsschreibung werfen kann. 7.1. Bemerkungen zu Autor und Werk Der in Ray im Jahr 932 geborene Abū ʿAlī Aḥmad ibn Muḥammad ibn Yaʿqūb Miskawayh (gest. 1030) ist einer der bekanntesten Denker und Philosophen des zehnten Jahrhunderts. 395 Er wirkte als Staatsangestellter am Hof der Buyiden, zuerst in Bagdad und dann in seinem Geburtsort Ray, wo er auch als Arzt tätig war. Die Dynastie der Buyiden kontrollierte ab 945 die Hauptstadt des Kalifats und die umliegenden Regionen bis ins Herz der iranischen Hochebene und leitete eine erneute Blüte der islamischen Gelehrsamkeit ein. 396 Neben seinem historiographischen Werk hat ihn vor allem sein philosophisch-ethisches Traktat Kitāb Tahḏīb alaḫlāq („Buch der Veredelung des Charakters“) bekannt gemacht. Dieses Werk knüpft an die Tradition der aristotelischen Ethik an und wendet sie auf die unterschiedlichen Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens an. In diesem Sinne nimmt seine Darstellung auch die Aufgaben und Herausforderungen der Stadt-, Finanz und Staatsverwaltung in den Blick. 397 Konzeptionell schließt sich sein historiographisches Werk, das Kitāb Tağārib al-umam („Buch der Erfahrungen der Völker“) daran an. 398 Wie aus dem Vgl. Meisami, Persian Historiography, 10. Zu seiner Person vgl. die zum Standardwerk gewordene Monographie von Mohammed Akroun: Miskawayh: Philosophe et Historien – Contribution à l’étude de l’humanisme arabe au IVe/Xe siècle, Paris 1970 und ders.: Art. „Miskawayh“, in: EI VII, 143f. 396 Vgl. Krämer, Humanism, 31–37 und 52–60. 397 Vgl. EI VII, 144. 398 Die bis heute im Westen maßgeblich gebliebene Edition beruht auf eine Faksimile-Edition aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts: Tajārib al-Umam, hg. von Leone Caetani, 7 Bde., London 1909–21. Wegen der schwer verständlichen Schrift ziehe ich die Kisrawi-Edition (Beirut 2003) zum Vergleich hinzu. 394 395
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programmatischen Titel bereits herauszulesen ist, setzt sich der Verfasser zum Ziel, aus der Geschichte der Völker diejenigen Ereignisse zu sammeln, die einen exemplarischen GleichnisCharakter für eine gute Staats- und Kriegsführung aufweisen und daher dem Herrscher einen praktischen Nutzen einbringen können. Das zentrale Thema dieser Weltgeschichte ist die Gestaltung und Ordnung der öffentlichen Aufgaben (tadbīr). 399 So heißt es in der Einführung: Nachdem ich die Erzählungen über die Völker und die Biographien der Könige erforscht habe und nachdem ich aus den Erzählungen über die Länder und den Chroniken gelesen habe, habe ich darin viel Nutzen gefunden in Hinsicht auf die Erfahrung aus jenen Angelegenheiten, die sich stets wiederholen und die erwartungsgemäß nach einem ähnlichen Muster und in ähnlicher Form wieder in Erscheinung treten. So wird nun über die Entstehung der Staaten und den Aufstieg der Königreiche berichtet wie auch über das Eintreten von Unordnung und die Maßnahmen zu deren Ausbesserung, bis zur erneuten Wiederherstellung eines besseren Zustandes. […] Damit zusammenhängend werden auch die politischen Maßnahmen behandelt, die für die Erbauung der Städte, für die Einmütigkeit der Untertanen und die gute Moral des Heeres notwendig sind, wie auch die Fertigkeiten (ḥiyal) der Kriegsführung und die Listen der Menschen, sowohl diejenigen die gegen die Feinde Erfolg eintrugen, wie diejenigen, die auf die Urheber [dieser Listen] zurückgeschlagen haben. 400
Vgl. Khalidi, Historical thought, 173–76. Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Caetani I, 1f (= Ed. Kisrawi, 59): Wa-innī lammā taṣaffaḥtu aḫbāra l-umami wa-siyara l-mulūki wa-qaraʾtu l-aḫbāra l-buldāni wa-kutuba t-tawārīḫi wağadtu fīhā mā tustafādu minhu tağribatun fī umūrin lā tazālu yatakarraru miṯluhā wayuntaẓaru ḥudūṯu šibhihā wa-šaklihā ka-ḏikri mabādiʾi d-duwali wa-našʾi lmamāliki wa-ḏikri duḫūli l-ḫalali fīhā baʿda ḏālika wa-talāfī man talāfāhu wa-tadārukihi ilā an ʿāda ilā aḥsani ḥālin. […] wa-ḏikri mā yattaṣilu bi399 400
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 211 Die Hauptadressaten scheinen also die Vertreter der politischen und militärischen Macht des buyidischen Staates zu sein, in deren Dienst Miskawayh stand. Es war also gerade der praktische Nutzen für die Regenten, Wesire und Generale, der bestimmte, welche Begebenheiten sowohl aus der vorislamischen als auch aus der islamischen Geschichte herangezogen werden sollen. Aus diesem Grund präzisiert Miskawayh, zum einen die Berichte über die Zeit vor der Flut und zum anderen die Wundergeschichten aus dem Leben der Propheten ausgelassen zu haben, insofern sie eben ohne politischen Nutzen seien. 401 Mit Khalidi kann also behauptet werden, dass die zwei genannten Werke Miskawayhs Teil eines philosophisch-ethischen Konzeptes sind: Während das Tahḏīb al-aḫlāq einen Aufriss einer Tugend-Ethik zur Verfügung stellt, welches an den theoretischen Diskurs der muslimischen Philosophie anknüpfen kann, lässt sich das Tağārib al-umam als ein innovativer Versuch Miskawayhs darstellen, Weltgeschichte als Sammlung von „Gleichnisgeschichten über die Kunst des Regierens“ aufzuziehen. 402 7.2. Texte zu Konstantin Die Erzählung über die Bekehrung Konstantins, eine der wenigen aus der römischen Geschichte, befindet sich inmitten von aneinander gereihten Erzählungen über die persischen Könige. Die Aufmerksamkeit, die Konstantins Bekehrung darum geschenkt wird, erstaunt, da sie doch von christlicher Seite als Abfolge wundersamer Ereignisse dargestellt wurde und daher – der Intention Miskawayhs entsprechend, nur das praktisch Nützliche bewahren zu wollen – gar nicht für die Auswahl in Betracht hätte kommen sollen. Wie der Text jedenfalls zeigt, besitzt die hier dargestellte Version der Ereignisse aber wenige Gemeinsamkeiten ḏālika mina s-siyāsāti fī ʿimārati l-buldāni wa-ğamʿi kalami raʿīyati wa-iṣlāḥi nīyāti l-ğundi wa-ḥiyali l-ḥurūbi wa-makāyidi r-riğāli wa-mā tamma minhā ʿalā l-ʿadūwi wa-mā rağaʿa ʿalā ṣāḥibihi. 401 Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Caetani I, 4–6 (= Ed. Kisrawi, 60). 402 Vgl. Khalidi, Historical thought, 171.
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mit den Wundererzählungen und erinnert eher an die Version, die auch al-Masʿūdī kannte: Als Konstantin König der Römer wurde, war er bereits fortgeschrittenen Alters, sein Charakter wurde immer bösartiger und an seinem Körper erschien ein Aussatz. Die Römer wollten ihn darum absetzen. Man enthüllte es ihm und es wurde ihm dabei gesagt: „Lege die Herrschaft nieder. Du besitzt ja viel Reichtum und du wirst nichts von dem Wohlstand verlieren, der dir aus Gnade gegeben wurde.“ Daraufhin suchte er den Rat seiner Berater, die ihm sagten: „Du hast keine Macht mehr über das Volk. Sie haben sich zusammengeschlossen, um dich zu stürzen.“ Und er [sc. Konstantin] sagte: „Durch welchen Kunstgriff kann ich denn bestehen?“ Und sie antworteten: „Wende folgende List mit der Religion an – das Christentum ist nämlich seit kurzem in Erscheinung getreten und existierte bis dahin im Verborgenen – und zwar frage um Erlaubnis, Jerusalem aufsuchen zu dürfen und dir eine Zeitperiode zu gewähren, bis du aus Jerusalem wieder zurückgekommen bist. Wenn du dort angekommen bist, trete zum Christentum über und bring die Menschen dazu, sich [zum Christentum] zu bekehren! Sie werden sich danach entzweien. Kämpfe an der Seite derjenigen, die dir nachfolgen, gegen diejenigen, die sich dir widersetzen, denn immer hat ein Volk im Kampf für die Sache der Religion den Sieg errungen.“ Konstantin handelte danach und siegte gegen die Römer. Er ließ daraufhin ihre Bücher und ihre Weisheitsliteratur verbrennen, erbaute Kirchen, führte die Menschen zum Christentum, versetzte sie von Rom, welche damals der Sitz ihrer Herrschaft war, und baute die Stadt Konstantinopel. Die Herrschaft blieb daraufhin fortwährend bei den Christen. Er eroberte daraufhin Syrien, bis der Islam es einnahm. 403
Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Caetani I, 135f (= Ed. Kisrawi, 110f): Kāna qusṭanṭīn lammā malaka r-rūma kabirat sinnuhu wasāʾa ḫuluquhu wa-ẓahara bihi waḍaḥun. fa-arādat ar-rūmu ḫalʿahu wakāšafathu wa-qālat: iʿtazil al-mulka fa-inna laka mina l-māli mā lā tafqidu 403
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 213 Der Bericht über die Bekehrung Konstantins präsentiert sich als ein einheitlicher literarischer Text, fast wie eine Kurzgeschichte. Bemerkungen zur Herkunft dieser Erzählung lassen sich nur wenige machen. Wir wissen, dass Miskawayh bis zum Jahr 915 vor allem aṭ-Ṭabarī verwendet und für die Gegenwartsgeschichte zu Ṯābit ibn Sinān wechselt. 404 Wie wir bereits gesehen haben, halten sich aṭ-Ṭabarīs Ausführungen zum ersten christlichen Kaiser und zur römischen Geschichte sehr knapp. Das Beispiel Konstantins schien ihm also wichtig genug zu sein, um nach weiteren Quellen Ausschau zu halten. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass diese Version der Bekehrungsgeschichte auch außerhalb der historiographischen Literatur bekannt war. In fast wörtlicher Übereinstimmung mit Miskawayhs Wiedergabe taucht sie auch im Kitāb Luṭf at-tadbīr („Buch über die Zierlichkeit des Regierens“) auf, das dem nicht weiter identifizierbaren Abū ʿAlī Muḥammad ʿAlī ibn al-Ḫātib al-Iskāfī (gest. 1030) zugeschrieben wird. 405 Bei diesem Werk handelt es sich von der Gattung her um einen Fürstenspiegel, der in 32 Kapiteln und nach Themen geordnet Darstellungen bekannter Herrscher sowohl aus der vorislamischen wie aus der islamischen Geschichte aneinanderreiht, und zwar im Sinne von maʿhu šayʾan mimmā anta fīhi min niʿmatika. fa-šāwara nuṣaḥāʾahu faqālū lahu: lā ṭāqata laka bi-l-qawmi faqad iğtamaʿat kalimatahum ʿalā ḫalʿika. qāla: fa-mā l-ḥīlatu. qālū: taḥtālu bi-d-dīni – wa-kānat annaṣrānīyatu qad ẓaharat wa-hiya ḫafīyatu – wa-ḏālika bi-an tastaʾaḏana fī ziyārati bayti l-maqdisi wa-tastamahalahum muddata mā taʿūdu. fa-iḏā ḥasalta bihā daḫalta fī hāḏā d-dīni n-naṣrānī taḥmilu n-nāsa ʿalayhi. fainnahum yaftariqūna firqatayni. fa-tuqātilu bi-man aṭāʿaka man ʿaṣāka wamā qātala qawmun ʿalā dīnin qaṭṭu illā ġalabū. fa-faʿala qusṭanṭīn ḏālika faẓafira bi-r-rūmi fa-ḥraqa kutubahum wa-ḥikmatahum wa-banā l-biyaʿa waḥamala n-nāsa ʿalā n-naṣrānīyati wa-naqalahum mina r-rūmīyati wa-kānat dāra mamlakatihim wa-banā qusṭanṭīnīyata wa-lam yazal al-mulku maḥrūsan bi-naṣrānīyati wa-ġalaba ʿalā š-šām ilā an ẓahara l-islāmu. 404 Khan, „Miskawaih and Ṭābit ibn Sinān“, 303–317; Arkoun, Miskawayh, 123 und Krämer, Humanism, 223n. 405 Vgl. Brockelmann, GAL I.2, 331 und Reynolds, A Muslim Theologian, 173f. Verfügbar – allerdings nur in arabischer Sprache – ist dieses Werk in der Edition von Aḥmad ʿAbd al-Bāqī, Freiberg a. N. 2013.
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Gleichniserzählungen mit Bezug auf die politischen und militärischen Tugenden eines Staatsmannes. 406 Die Erzählung über Konstantin ist an manchen Punkten detailreicher als diejenige, die von Miskawayh überliefert wird. So wird berichtet, dass Konstantin nach seiner Ankunft in Jerusalem Vertreter der Juden und der Christen für einen Disput vor sich versammeln ließ und sich daraufhin entschied, zum Christentum überzutreten. Auch hier zeigt sich also ein Echo der Silvesterlegende. Da der Autor des genannten Fürstenspiegels jedenfalls eine vollständigere Version der Erzählung zur Verfügung hatte, ist es unwahrscheinlich, dass ihm Miskawayh als Vorlage gedient habe. Auch hier ist also damit zu rechnen, dass beide Autoren auf eine gemeinsame Überlieferung zurückgegriffen haben, die anscheinend in mehreren Kreisen bekannt war. Zu fragen ist aber an erster Stelle, welche literarische Funktion diese Erzählung im Rahmen des Geschichtswerkes Miskawayhs bekommt und wie die Handlung Konstantins überhaupt bewertet wird. Die Überschrift lenkt das Verständnis des Textes in zwei mögliche und entgegengesetzte Richtungen, je nachdem, ob man das Arabische ḥīla in negativer Konnotation mit „Hinterlist“ oder in positiver Konnotation mit „Geschick“ wiedergibt. 407 So könnte man im ersteren Fall die Konstantingeschichte Miskawayhs als Darstellung eines Herrschers lesen, der aus politischem Kalkül seine Bekehrung inszeniert hätte. 408 Eine Kontextualisierung dieses Begriffes im Rahmen der gesamten Schrift zeigt aber in die andere Richtung. Wie oben gesehen, erscheint der Begriff ḥīla in der Umschreibung der Hauptthematik des Werkes. Es ist daher nicht erstaunlich, dass er in den Kapitelüberschriften bis zu 15 Mal Vgl. Kitāb Luṭf at-tadbīr, Ed. ʿAbd al-Bāqī, 63f. Vgl. Arkoun, Mohammed: „Ethique et Histoire d’apres les TAJĀRIB al-UMAM“, in: Atti del terzo congresso di studi arabi e islamici, Napoli 1967, 83–112, hier 89. 408 So Di Branco, Storie arabe, 141: In questo brano riecheggiano vistosamente motivi zosimiani, quali l’insistenza sull’impopolarità di Costantino, la sua rappresentazione quale tiranno, l’idea della conversione dell’imperatore come astuto stratagemma politico e la considerazione della religione cristiana come mero instrumentum regni. 406 407
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 215 auftaucht. In den meisten Fällen wird damit eine Erzählung eingeführt, in denen der jeweilige Protagonist in eine militärisch schwierige Lage versetzt wird, aus welcher er sich nur durch Anwendung einer List bzw. eines trickreichen taktischen Manövers befreien kann. Als repräsentatives Beispiel unter vielen kann man die Erzählung über Alexander den Großen erwähnen, dem es gelingt, ein in der Überzahl stehendes Heer zu entzweien, indem er potentiellen Deserteuren eine Amnestie in Aussicht stellt. 409 Miskawayh überliefert auch einen Bericht, wonach Alexander eine von ihm belagerte und mit festen Mauern verteidigte Stadt in die Knie zwingen konnte, indem er unwissende Händler mit der Anweisung einführen ließ, die Vorräte der Stadt leerzukaufen. 410 Diesen Berichten gemeinsam ist die Intention, in Form von Erzählungen Gleichnisse für die militärische Klugheit und Durchsetzungskraft aufzustellen. 411 Dass es bei Miskawayh nicht um das moralische Urteil über eine Tat als solche geht, sondern um die Hervorhebung der Fähigkeit eines Anführers, eine für ihn bedrohliche Situation ins Positive zu wenden, zeigt zudem der Sachverhalt, dass auch die taktischen Maßnahmen Muḥammads in seinem Verteidigungskrieg gegen die Mekkaner bei der sog. Grabenschlacht als Erweis seiner „menschlichen Fertigkeiten“ (al-ḥiyal al-insānīya) dargestellt werden. 412 Damit wird die in der Einführung erwähnte Intention des Schreibers nochmals unterstrichen, nur dasjenige aus dem Leben der Propheten zu erwähnen, was in Sachen der guten Heeres- und Staatsführung von praktischem bzw. weltlichem Nutzen sei. Die Taten des Propheten werden aber nicht im Kontrast zu einer moralisch negativ bewerteten Handlungsweise Alexanders oder Konstantins gelesen. Worin besteht nun aber die ḥīla Konstantins? Die Erzählung scheint in zweifacher Weise gelesen werden zu können. Auf der einen Seite scheint die Bemerkung des Ministers, wonach „ein Volk im Kampf für die Vgl. Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Kisrawi, 83. Vgl. Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Kisrawi, 84. 411 Arkoun, „Ethique et Histoire“, 100. 412 Vgl. Miskawayh, Kitāb Tağārib al-umam, Ed. Caetani I, 272 (= Ed. Kisrawī, 169). 409 410
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Sache der Religion“ immer den Sieg errungen hat, die Pointe seines Ratschlages zu bilden. Konstantin wäre es danach gelungen, in einer aussichtslosen militärischen Lage nochmals die Willensstärke seines Heeres zu bündeln und die moralische Wirkungsmacht der Religion für sich auszunutzen. Eine andere Lesart würde hingegen nahelegen, dass der Ratschlag des Ministers darauf hinausläuft, durch die Bekehrung zum Christentum das mit Konstantin verfeindete Volk in zwei sich nun selbst verfeindete Parteien zu teilen und sie dadurch zu schwächen. Ganz in diesem zweiten Sinn ist die Geschichte Konstantins im genannten Kitāb Luṭf at-tadbīr dargestellt. Das wird dort auch aus der Überschrift deutlich, mit der das Kapitel eingeführt wird, in dem der Bericht über Konstantin vorkommt: „Wie man das gegnerische Heer durch das Einführen von Zwist zerbricht.“ Auch in diesem Kontext wird Konstantins Rückgriff in die Trickkiste nicht als unmoralisches Handeln abqualifiziert. Eine negative Abwertung dieser taktischen Maßnahme ist in diesem Kapitel ohnehin dadurch ausgeschlossen, dass die zwei sich anschließenden Geschichten einige der Hauptdarsteller der frühen islamischen Eroberungen anführen. 413 Was für die historische Bewertung Konstantins gilt, gilt auch für Alexander den Großen oder eben den Propheten Muḥammad. Das menschliche Handeln wird in beiden Werken unter dem Gesichtspunkt des Erfolges oder des Scheiterns bewertet. Damit sind die zwei Pole gegeben, innerhalb derer eine Beurteilung menschlicher Taten möglich wird. 414 Miskawayhs Blick auf die Geschichte ist nämlich derjenige eines am Hof wirkenden Beobachters, der um die Fragilität und Wankelmütigkeit weltlicher Kitāb Luṭf at-tadbīr, Ed. ʿAbd al-Bāqī, 63–70. Die Bekehrungsgeschichte Konstantins wird gefolgt von der Erzählung einer Militärexpedition der Araber gegen Heraklios und von der Erzählung der für die islamische Geschichte folgenschweren Schlacht von Siffin (657), in welcher sich der vierte Kalif ʿAlī und Muʿāwiya gegenüberstanden. 414 Arkoun, „Ethique et Histoire“, 86: Notons seulement ici les deux pôles entre lesquels oscille la conduite humaine et, partant, les deux directions possibles de l’histoire: la réussite et l’échec, la prospérité et la ruine, le bien et le mal, le bonheur et le malheur. 413
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 217 Macht weiß. 415 Der Bericht über die Bekehrungsgeschichte Konstantins, wie die vielen anderen Erzählungen, die von Konspirationen und Kriegen handeln, sind daher auch ein Spiegelbild dessen, was der Autor über die instabilen Machtverhältnisse in der Zeit der Buyiden-Herrscher wusste. In den Worten Arkouns: Les émirs et les vizirs disposant d’un pouvoir plus effectif, ont plus de relief psychologique que les califes. Mais la plupart d’entre eux sont obsédés par la nécessité permanente de recourir à l’astuce (ḥīla) pour trouver de l’argent, réduire une rébellion, devancer un ennemi, contenter l’armée, garder ou chasser un collaborateur, échapper soi-même à la prison, à l’amende, à la torture, à l’assassinat. 416
Darin zeigt sich also eine Eigenschaft der muslimischen Fürstenspiegel-Literatur, über die Wiederholung von Motiven hinaus einen Bezug zur je gegenwärtigen politischen Lage herzustellen. 417 Dies ist gerade in Hinsicht auf die bisher analysierten Geschichtswerke hervorzuheben. Al-Yaʿqūbī und alMasʿūdī lebten noch unter dem Eindruck der früheren kulturellen und militärischen Leistungen des vereinten abbasidischen Kalifates – auch wenn sich dieses bereits in einer Zeit des politischen Niederganges befand. Sie verstanden und inszenierten Geschichte als ein Aufeinanderfolgen von Völkern und Zivilisationen und konnten einen kulturgeschichtlichen Diskurs aufziehen, der in langatmigen Kategorien dachte und der das Selbstverständnis der muslimisch-arabischen Zivilisation abbildete. Anders wird diese Zeit der politischen und wirtschaftlichen Fragmentierung des Vgl. Arkoun, „Ethique et Histoire“, 108. Arkoun, „Ethique et Histoire“, 103. 417 Vgl. Marlow, Louise: Art. „Advice and advice literature“, in: Gaboriau M., Krämer G., Nawas J. und Rowson E.: Encyclopaedia of Islam. Third edition, Leiden 2007, Bd. 1, 34–58, hier 55. Siehe dazu auch Bray, Julia: „Al-Thaʿalibi’s Adab al-Muluk, a Local Mirror for Princes“, in: Suleiman Yasir (Hg.): Living Islamic History, Edinburgh 2010, 32–46 und Orfali, Bilal: „The Works of Abū Mansūr al-Taʿālibī (350–429/961–1039)“, in: Journal of Arabic Literature 40 (2009), 273–318, hier 280f. 415 416
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Kalifats von Seiten Miskawayhs historiographisch verarbeitet. Wie Julie Scott Meisami richtigstellte, sollte man aber nicht von einer Zerfallserscheinung der muslimischen Historiographie sprechen, da bereits frühere Geschichtsschreiber einen großen Wert auf die didaktische Funktion ihrer Erzählungen legten. 418 Allerdings bemerkt man auch in der Konstantingeschichte eine Akzentverschiebung, insofern die Perspektive, die nun eingenommen wird, diejenige des täglichen Wettkampfes um den Machterhalt einer (lokalen) Herrscherdynastie ist.
8. KONSTANTIN UND DIE OSTSYRISCHE GESCHICHTSSCHREIBUNG: DIE CHRONIK VON SIIRT 8.1. Bemerkungen zu Autor und Werk Eines der wenigen uns überlieferten arabischen Geschichtswerke aus dem ostsyrischen Raum ist die anonyme Chronik von Siirt. 419 Die Edition dieser Chronik geht auf Addai Schers Entdeckung einer Handschrift zurück, die zwischen den zwei Bibliotheken in Mosul und Siirt aufgeteilt war und die die Geschichte von 250 bis 423 bzw. von 483 bis 650 behandelt. Es handelt sich um ein vielschichtiges Geschichtswerk, dessen Kern bereits in sassanidischer Zeit zusammengestellt wurde und in dem unterschiedlichste Quellen zusammengetragen wurden, die meistens einen syrischen Ursprung aufweisen. 420 Diese Chronik Vgl. Meisami, Persian Historiography, 7. Chronique de Séert, hg. von Addai Scher und übers. von Pierre Dib, PO 4, 5, 7, 13. Vgl. dazu Wood, Philip: The Chronicle of Seert: Christian Historical Imagination in Late Antique Iraq, Oxford 2013; ders.: „The Chronicle of Seert and Roman Ecclesiastical History in the Sasanian World“, in: ders. (Hg.): History and Identity in the Late Antique Near East, Oxford 2013, 43–59 und ders.: „Syriac historical writing in Arabic: The Age of Constantine in the Chronicle of Seert“, in: Studies in Late Antiquity, voraussichtlich 2017. 420 Vgl. Wood, Historical Imagination, 2–4. Eine Liste der in der Chronik von Siirt genannten Quellen findet sich in Sako, Louis: „Les sources de la Chronique du Séert“, in: Parole de lʼOrient 14 (1987), 155–166. Vgl. auch Wood, Philip: „The sources of the Chronicle of Seert: Phases in 418 419
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 219 bündelt mehrere Gattungen der hagiographischen Erzählung (Viten von Märtyrern, Kirchenvätern oder Klostergründern) mit der Geschichtsschreibung im engeren Sinne (Notizen zu den Herrschern Persiens und Roms) und ordnet sie anhand der Geschichte der Katholikoi des Ostens an. Da auch am Ende der Handschrift Lagen fehlen, kann man annehmen, dass die Geschichte ursprünglich bis in die Abbasidenzeit reichte. 421 Über die Datierung lassen sich nur Vermutungen aufstellen, da die internen Anhaltspunkte ein ungenaues Bild geben. Die explizite Nennung des melkitischen Gelehrten Ibn Lūqā zeigt die Regierungszeit al-Muqtaḍirs (907–932) als terminus post quem an, während die Bemerkung, dass Išōʿyahb III der letzte Katholikos mit diesem Namen sei, auf das Jahr 1020 (Einsetzung von Išōʿyahb IV) als terminus ante quem hinweisen würde. 422 Auch die Nennung des fatimidischen Kalifen aẓ-Ẓāhir (1021–1036) scheint auf das elfte Jahrhundert hinzuweisen. 423 Externe Anhaltspunkte für eine Datierung finden sich in Geschichtswerken, die mit der Chronik von Siirt einschlägige Parallelen teilen. Das gilt zum einen für die Chronographie des Elias von Nisibis. Nautin argumentierte, dass der um 1020 schreibende Geschichtsschreiber das Werk schon vor sich liegen hatte und als Quelle benutzte. 424 Weil Elias dazu in vielen der nachgewiesenen parallel laufenden Passagen den the writing of history and hagiography in late antique Iraq“, in: Oriens Christianus 96 (2012), 106–148. 421 Vgl. Howard-Johnston, World Crisis, 324f. 422 Vgl. Hoyland Theophilus of Edessa, 15f. 423 Vgl. Nautin, Pierre: „Lʼauteur de la ‘Chronique de Séert’: Iŝōdenaḥ de Baṣra“, in: Revue de lʼhistoire des religions 186 (1974), 113–126, hier 114f. Hält man aẓ-Ẓāhir für den gleichnamigen Kalifen Bagdads (1225– 26), sollte man diese Notiz eher als späteren Eintrag eines Kopisten deuten. Vgl. Howard-Johnston, World Crisis, 324. 424 Vgl. Nautin, „Iŝōdenaḥ de Baṣra“, 115–126. Die Analyse der Liste der Katholikoi des Ostens bewegt Nautin dazu, zu behaupten, dass der stark abkürzende Elias von der Chronik von Siirt abhängt und nicht umgekehrt. Auch in den kurzen historischen Texteinträgen zu den einzelnen Jahresangaben finden sich Parallelen mit der Chronik von Siirt. Nautin, „Iŝōdenaḥ de Baṣra“, 121–26 hat sechs davon ausfindig gemacht.
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syrischen Geschichtsschreiber Išōʿdenaḥ von Baṣra (9. Jh.) als Quelle anführt, hat Nautin die Hypothese aufgestellt, dass es sich bei der Chronik von Siirt um eine arabische Übersetzung dieses ansonsten unbekannt gebliebenen Werkes Išōʿdenaḥs handelt. 425 Allerdings weist ein anderes Werk aus dem ostsyrischen Raum darauf hin, dass die Chronik von Siirt selber auf bereits auf Arabisch geschriebene Kompilationen zurückgreift. Die Rede ist hier von der Muḫtaṣar al-aḫbār al-bīʿīya („Epitome der Kirchengeschichte“). 426 Ähnlich wie bei der Chronik von Siirt handelt es sich um eine Geschichte der ostsyrischen Kirche. Das Werk ist in 233 Notizen (aḫbār) eingeteilt und nach der Sukzession der Katholikoi des Ostens angeordnet. 427 Leider ist uns nur der erste Teil (Notizen 1–140) der Handschrift erhalten. Der zweite Teil fängt mit dem Katholikos Tumarsa (363–71) an und muss wohl mindestens bis zum Anfang des elften Jahrhunderts reichen, wie man von der Nennung des Yuḥannon bar Nazuhk (1012– 1020) erschließen kann. 428 Ab Notiz 101 laufen beide Geschichtswerke parallel und stimmen meistens wortwörtlich überein. 429 Da Muḫtaṣar dabei mehrere Notizen aus der Chronik von Siirt auslässt, ist der Herausgeber Boutros Haddad davon ausgegangen, dass es sich um eine Zusammenfassung dieser Chronik handelt. Wie aber Herman Teule gezeigt hat, kann auch die Chronik von Siirt sachkundige Informationen oder auch ganze Notizen auslassen, die hingegen von der angeblichen Vgl. Nautin, „Iŝōdenaḥ de Baṣra“, 125f und Howard-Johnston, World Crisis, 325f. Konstantin selber wird von Elias von Nisibis nur in wenigen Jahreseinträgen zwischen 617 und 648 genannt, um seinen Herrschaftsantritt, seinen Krieg gegen Maxentius, die Taufe, das Konzil von Nizäa und seinen Tod zu erwähnen (Chronicon, Übers. Brooks, CSCO 63*, 47f). 426 Muḫtaṣar al-aḫbār al-bīʿīya, hg. von Boutros Haddad, Bagdad 2000. 427 Vgl. Teule, Herman: „Lʼabrégé de la Chronique Ecclésiastique (Mukhtaṣār al-Akhbār al-Bīʿiyya) et la Chronique de Séert: Quelques sondages“, in: Debié, Muriel (Hg.): Lʼhistoriographie syriaque (Etudes Syriaques, 6), Paris 2009, 161–177, hier 165. 428 Vgl. Teule, „Lʼabrégé“, 166. 429 Vgl. die Synopse bei Teule, „Lʼabrégé“, 173–75. 425
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 221 Zusammenfassung überliefert werden. 430 Darum ist es angebrachter, bei ostsyrischen Chroniken wie bei der Chronik von Siirt oder bei der Muḫtaṣar jeweils von eigenständigen „Kompilationen von Kompilationen“ (Wood) zu sprechen. 431 8.2. Texte zu Konstantin Der Abschnitt über Konstantin erstreckt sich in der Chronik von Siirt über mehrere Dutzend Seiten (PO 4, 242–292) und verarbeitet mehrere Quellen, ohne dabei auf Wiederholungen gleicher Motive zu verzichten. Bei dieser Fülle an Material zum ersten christlichen Kaiser Roms handelt es sich also mehr um eine Dokumentation zu Konstantin als um eine geradlinige Erzählung. Mit Bezug auf die Komposition der Chronik von Siirt ist zu beobachten, dass diese Dokumentation dem umfassenderen Abschnitt der Amtszeit des Katholikos Papas bar Aggai zugeordnet wird. Gleichzeitig versucht der Kompilator, auch der chronographischen Tradition Rechnung zu tragen, auch mit der Folge, die organisatorische Struktur der Patriarchengeschichte durchbrechen zu müssen. Obwohl nämlich die Dokumentation zu Konstantin auch über den Tod des Kaisers berichtet, kommt der Kompilator im Kontext der Amtszeit des Katholikos Simeon bar Saba nochmals auf die Reichsteilung unter den drei Söhnen zu sprechen. 432 Vor allem aber wird der hagiographischen Erzählung viel Raum gelassen. Neu gegenüber den bisher erwähnten Geschichtsschreibern ist bei dieser Kompilation unter anderem, dass nicht nur die Taufgeschichte, sondern auch andere Episoden aus den Silvester-Akten in die Erzählung eingebaut werden. So lesen wir nun über die Einsetzung Vgl. Teule, „Lʼabrégé“, 167–170. Auch zu nennen ist an dieser Stelle das Geschichtswerk Mārī ibn Sulaymāns, das im 5. Kapitel des Kitāb al-Mağdal („Buch des Turmes“) überliefert wird. Auch darin wird ein der Chronik von Siirt nahestehender geschichtlicher Abriss der ostsyrischen Kirche geliefert. Vgl. Maris, Amri et Salibae de Patriarchis Nestorianorum commentaria, hg. und übers. von H. Gismondi, Rom 1899, Bd. 2, 12ff; Van Vossel, V.: „Marī en Kokhè“, in: Journal of Eastern Christian Studies 50 (1998), 185–210 und Wood, „Sources“, 109f. 432 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 305. 430 431
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Silvesters als Bischof von Rom (PO 4, 255,4–8), über seinen Kampf gegen den Drachen (PO 4, 255,9–257,3), über die von ihm vorgenommene Umbenennung der Wochentage (PO 4, 261,7–9) und über das Streitgespräch mit dem Juden (PO 4, 262,8–263,2). Die Länge des gesamten Abschnittes zu Konstantin zeigt bereits von der Quantität her die Relevanz, die der erste christliche Kaiser Roms auch für eine Kirche besaß, deren geographischer Schwerpunkt außerhalb der ehemaligen Grenzen des römischen Reiches lag. Die Fülle und Heterogenität des Materials ist graphisch nur schwer darzustellen. Die Tatsache, dass der Textfluss immer wieder von Einschüben und Exkursen unterbrochen wird, macht zuerst einen orientierenden Überblick aus der Vogelperspektive notwendig. Einzelne Einschübe aus Nebenquellen werden daher nicht überall graphisch ersichtlich gemacht, da sie oft nur wenige Sätze umfassen und schwer abzugrenzen sind. Ein synoptischer Vergleich mit Muḫtaṣar (Notizen 104–116) kann dabei helfen, der oben aufgeworfenen Frage nach dem Verhältnis dieser zwei Geschichtswerke zueinander nachzugehen. Thema Arius
Paphnutius
Sergius und Bacchus Silvester von Rom
Silvesters Kampf mit dem Drachen
Chronik von Siirt (Ed. Scher)
Muḫtaṣar al-aḫbār albī‘īya (Ed. Haddad)
11 (252,5–253,3)
105 (169,13–23)
10 (244,5–252,4) 12 (253,4–255,4) 13 (255,4–8)
14 (255,9–257,3)
104 (124,15–169,12) 106 (170,1–171,5) 107 (171,6–10)
108 (171,11–172,7)
Diokletian
15 (257,4–259,1)
109 (172,8–173,15)
Taufe durch Silvester
15 (260,4–261,9)
109 (174,9–175,2)
Kreuzesvision
Krieg gegen Maximinus und Kirchenbauauftrag an Eusebius
Streitgespräch Silvesters mit den Juden
15 (259,1–260,3) 15 (261,9–262,8) 15 (262,8–263,2)
109 (173,15–174,8) 109 (175,3–16)
109 (175,17–21)
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 223 Kreuzesauffindung
16 (263,3–264,4)
Kreuzesvision
17 (265,10–268,11)
Helena und Constantius Taufe durch Eusebius Kreuzesauffindung Heraklios
Teilung der Kreuzesreliquie
17 (264,5–265,9)
110 (175,22–176,13)
17 (268,11–269,11) 17 (269,12–272,1) 17 (272,2–273,11)
17 (273,12–275,2)
Judas Kyriakos Bischof von Jerusalem
17 (275,3–5)
Konzil von Nizäa
18 (276,1–281,5)
112 (178–183)
19 (283,5–10)
111 (177,16–21)
Helenas Pilgerreise
17 (275,5–12)
Bau Konstantinopels
19 (281,6–283,5)
Licinius
Beschreibung Roms
20 (284,1–285,9)
111 (176,14–177,15)
21 (285,10–286,8)
113 (184,1–13)
Ostertermin
22 (286,9–287,8)
114 (184,14–185,7)
Tod Konstantins
24 (289,6–292,6)
116 (186,6–187,15)
Chronik-Auftrag an Eusebius
Schapur von Persien
23 (287,9–289,5)
115 (185,8–186,5)
Wie vorweggenommen, stimmen die jeweils entsprechenden Textabschnitte – mit Ausnahme der Berichte zum Konzil von Nizäa – bis in die Wortwahl überein. Die übrigen Abweichungen können meistens als textkritische Varianten abgebucht werden. Manche Unterschiede (so im Abschnitt zu Sergius und Bacchus) lassen sich aber nur durch das Vorhandensein einer gemeinsamen Quelle erklären, auf welche beide Werke unabhängig voneinander
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zurückgegriffen hätten. 433 Der synoptische Überblick zeigt auch, dass das überschüssige Textmaterial der Chronik von Siirt hauptsächlich alternative Berichte über die Bekehrung, Taufe und Kreuzesauffindung umfasst. Die Konstantingeschichte wird in Muḫtaṣar also geradliniger gehalten. So finden sich in der Chronik von Siirt gleich zwei unterschiedliche Versionen der Silvesterlegende und zwei Versionen der Kreuzesauffindungslegende. Unter den vielen Autoren, die in der Chronik von Siirt zitiert und in Muḫtaṣar hingegen übergangen werden, tauchen vor allem ost-syrische Geschichtsschreiber auf (Šahdost von Ṭihrān, Elias von Merw, Katholikos Išōʿbarnūn und Daniel ibn Maryam). 434 Gegebenenfalls werden kleinere Exkurse auch ohne weitere Herkunftsangabe und mit allgemeinen Zitationsformeln wie „es wird gesagt“ (qīla) oder „einige sagen“ (qāla qawm) eingeführt. 435 Um die folgende Präsentation über die einzelnen Aspekte der Konstantingeschichte so übersichtlich wie möglich zu gestalten, wird es notwendig sein, die Darstellung nach Themen zu gliedern. Wir werden uns in den folgenden Abschnitten dabei bewusst auf die Chronik von Siirt konzentrieren und nur in spezifischen Fällen Muḫtaṣar als Vergleichstext heranziehen. Die Bekehrung In der Chronik von Siirt wird die Bekehrung Konstantins mehrmals thematisiert. Zunächst finden wir den Bericht über die Kreuzesvision vor der Schlacht an der milvischen Brücke vor. Mit in den Aufstand des Maxentius wird nun auch Maximianus (Galerius?) einbezogen: Gegen ihn [sc. Konstantin] lehnten sich aber Maxentius in Rom und Maximianus in Syrien auf. Sie peinigten die Christen
Vgl. Muḫtaṣar, Ed. Haddad, 184,6–8 und Teule, „Lʼabrégé“, 169. Zu den einzelnen hier genannten Autoren vgl. Sako, „Sources“, 156ff und Baumstark, GSL, 207 (Daniel ibn Maryam), 208 (Elias von Merw), 215 (Šahdost), 219f (Išōʿbarnūn). 435 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 246,2.6; 266,5; 267,2; 268,10; 269,9f; 270,5; 272,2.5; 274,6f; 277,6, 280,6. 433 434
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 225 und zerstörten die Kirchen. Maxentius schlitzte den Bauch der Kinder auf, riss ihre Innereien heraus und befragte mithilfe der Priester die Zukunft. Das besorgte Konstantin viel Kümmernis, da er sich wegen der großen Anzahl der gegnerischen Soldaten vor ihm fürchtete und da er gegen ihn in den Krieg ziehen wollte. Dazumal kannte Konstantin noch nicht den christlichen Glauben, da ihm seine Mutter ihren Glauben vorenthalten hatte und davor Angst hatte, ihm ihren Glauben zu offenbaren. Sie bat aber inbrünstig Christus im Gebet, dass er Konstantin zum Glauben leiten würde. Er dachte also nach und sagte zu sich: „Derjenige Gott, der mir den Sieg über diesen Feind geben wird und mich gegen ihn unterstützen wird, dem werde ich dienen.“ Zur sechsten Stunde hob er sein Haupt empor und sah eine Säule aus Licht in der Form des Kreuzes, die diese Inschrift trug: „In diesem Zeichen wirst du siegreich sein“. Man sagt, dass es auch alle Anwesenden sahen, die bei ihm waren. Er wusste, dass dieses Zeichen nur den Christen angehörte und nahm somit ihren Glauben an. Als er nachts schlief, erschien ihm Christus im Traum und sagte ihm: „Nimm, Konstantin, das Bild dieses Zeichens, das du am Tag gesehen hast, und lass es vom Anführer der Armee vor dir vorantragen, damit du über deinen Feind siegreich sein wirst.“ Er ließ also ein Kreuz aus Gold anfertigen, bestückte es mit Edelsteinen und setzte es auf seine Standarte. Er errang gegen die Streitmacht seines Feindes den Sieg. Maxentius hingegen ertrank. Er hatte für zwölf Jahre geherrscht. Nach vier Jahren Krieg kehrte Konstantin wieder zurück, nahm das Kreuz und baute seine Stadt, die er Konstantinopel nannte. Von dieser Zeit an war es Gewohnheit der Könige Roms, ihre Armeen durch das Kreuz anführen zu lassen, getragen vom Armeeführer. 436 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 259,1–260,3: Fa-staʿṣā ʿalayhi maksi[n]ṭiyus bi-rūmīyata wa-maksimiyānūs bi-š-šām wa-ʿaḏabā n-naṣārā wa-hadama l-biyaʿa wa-kāna maksi[n]ṭiyus yašuqqu buṭūna ṣ-ṣibiyāni wayuḫriğu ağwāfahum yaʿmalu bihā s-siḥra bi-muʿāwanati l-kahanati ssiḥrati. fa-štadda ʿalā qusṭanṭīnus amruhu wa-ḫašiya minhu li-kaṯrati 436
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Die Erzählung präsentiert sowohl inhaltliche als auch wörtliche Übereinstimmungen mit dem Bericht, den wir aus al-Manbiğī kennen. Neu ist allerdings in diesem Bericht die Beobachtung, dass Konstantin gleich nach der ersten Vision den christlichen Glauben annahm. 437 Es sind aber auch redaktionelle Eingriffe erkennbar, die anscheinend dazu dienen, Anknüpfungspunkte für andere Erzählkomplexe zu schaffen, die mit Konstantin in Verbindung riğālihi wa-arāda an yasīra li-muḥārabatihi wa-lam yakun baʿdu ʿarafa nnaṣrānīyata wa-kānat ummuhu tastarru amrahā minhu wa-taḫāfu an tuẓhira lahu iʿtiqādihā wa-tadīmu l-masʾalata li-l-masīḥi an yahdiyahu ilā limāni bihi. fa-baynā huwa yufakkiru wa-yaqūlu ayyu l-ālihati aẓharanī bihāḏā l-ʿadūwi wa-aʿānanī ʿalayhi ayyāhu aʿbudu. fa-lammā kāna baʿda sitti sāʿātin mina n-nahāri rafaʿa raʾsahu ilā s-samāʾi fa-raʾā usṭuwānatan min nūrin miṯāla ṣ-ṣalībi wa-ʿalayhā l-maktūba anna bi-hāḏihi ṣ-ṣurati turzaqu ẓ-ẓafara wa-yuqālu annahu raʾā ḏālika ğamīʿu man kāna maʿhu. fa-ʿalima anna hāḏihi ṣ-ṣurata laysat illā li-n-naṣārā fa-ʿtaqada min al-imāni. ṯumma annahu nāma fa-raʾā fī manāmihi s-sayyida l-masīḥa wa-huwa yaqūlu lahu ittaḫiḏ yā qusṭanṭīn miṯla tilka ṣ-ṣūrati l-latī raʾaytahā nahāran wa-li-yamḍi bihā ṣāḥibu ğayšika bayna yadayka fa-annaka taġlibu ʿadūwaka. fa-ʿamila ṣalīban mina ḏ-ḏahabi wa-rassaʿahu bi-l-ğawhari wağaʿalahu ʿalā raʾsi ʿalamihi fa-ẓafira bi-ʿasākiri ʿadūwihi wa-ġariqa maksi[n]ṭiyus wa-kānat muddatuhu iṯn[at]ā-ʿašrata sanatin. ṯumma ʿāda mina l-ḥarbi baʿda arbaʿi sinīna wa-aḫaḏa ṣ-ṣalība bi-yadihi wa-banā madīnatahu l-latī sammāha bi-ismihi qusṭanṭīnīyata. wa-min ḏālika l-waqti ṣāra mulūku r-rūmi yuḫarriğūna fī -ʿasākirihim aṣ-ṣalība fī yadi ṣāḥibi ğayšihim. 437 Vgl. oben Abschnitt 3.2. Damit stellt sich auch die Frage, wie die hier wiedergegebene Version der Kreuzesvision mit der Erzählung aus Ibn Lūqā in Beziehung zu bringen ist, die oben für den Vergleich mit alManbiğī herangezogen wurde und die von der gleichen Chronik von Siirt überliefert wird (PO 4, 265,11–266,1 und 267,10–268,1). Solange man annehmen will, dass auch dieser längere Bericht aus Ibn Lūqā stammt (dafür sprechen die vielen Übereinstimmungen mit dem Bericht aus alManbiğī, dagegen die Erwähnung der Bekehrung Konstantins nach der Tagesvision), könnte man vermuten, dass die Chronik von Siirt den Bericht aus dem melkitischen Geschichtsschreiber sowohl in voller Länge (ohne Quellenangabe) als auch in einer kurzen Zusammenfassung (mit Quellenangabe) wiedergibt.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 227 stehen. So setzt die Erklärung, warum Konstantin zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit Maxentius noch nicht Christ war, voraus, dass der Leser mit den hagiographischen HelenaTraditionen vertraut war und darum darüber Bescheid wusste, dass sie seit ihrer Jugend Christin war. Die zweite Version der Bekehrungsgeschichte entnimmt die Chronik von Siirt hingegen aus der Judas-Kyriakos-Legende. Diese wird in der syrischen Vorlage, wie bereits beobachtet, mit einem historischen Vorspann eingeführt, in dem über die Schlacht Konstantins gegen die Donauvölker berichtet wird. Die Wiedergabe dieses Berichts wird in der Chronik von Siirt aber an mehreren Stellen durch Exkurse aus anderen Quellen unterbrochen, die hier durch Klammern […] ersetzt werden: Im siebten Jahr der Herrschaft Konstantins, im Monat des zweiten Kānūn (Januar), zogen die Armeen der Barbarenvölker gegen ihn aus und ließen sich bei dem Fluss nieder, der Donau genannt wird, um von dort die römischen Länder zu überfallen und zu plündern. […]. Konstantin zog also mit seinem Heer gegen sie aus und lagerte in ihrer Nähe, am besagten Fluss, fest entschlossen, sie zu bekämpfen. Er wusste aber um die Überzahl, um die große Männerstärke und um die Kraft des gegnerischen Heeres. Er fürchtete sich also vor der militärischen Konfrontation. Außerdem erfuhr er von der Entschlossenheit des Gegners, ihn am folgenden Morgen anzugreifen. Als er schlief, sah Konstantin im Traum ein großes Licht am Himmel, einen Schrecken einflößenden Blitz und mitten darin ein Kreuz aus Sternen gemacht, die eine Inschrift bildeten, welche sagte: „Mit diesem Bild wirst du siegreich sein.“ […]. Konstantin war davon sehr erschrocken und ließ aus seinem Gefolge Gelehrte und Priester versammeln, erzählte ihnen von seiner Vision und fragte sie, welches Zeichen es sein könnte, das er gesehen hatte, und welcher Gottheit, die die Römer anbeteten, es wohl angehörte. Keiner der Anwesenden aber war im Wissen darüber. Konstantin ordnete danach an, ein Kreuz aus Gold herzustellen, so, wie er es in der Vision gesehen hatte, und dieses auf der Spitze seiner Standarte zu tragen. Anschließend stürzte er sich in die Schlacht, überfiel die feindlichen Heere, zerschlug sie und tötete ihren König und viele ihrer Leute,
228
CONSTANTINUS ARABICUS während der Rest in die Flucht getrieben wurde. […]. Konstantin marschierte danach in Rom ein, worauf sich unter den Christen Entsetzen breitmachte und Eusebius, der Bischof der Stadt, sich versteckte. Konstantin ließ ein weiteres Mal die Priester und die Tempeldiener zusammenrufen, um sie nach der Bedeutung des Zeichens des Kreuzes zu fragen. Diese konnten ihm aber keine Auskunft geben. Die Tempelwächter aber berichteten, dass am Tag, an dem dieses Zeichen erschien, viele Götzenstatuen zu Boden fielen und zerbrachen. Konstantin erschrak darauf. Die Nachricht verbreitete sich schnell unter den Christen Roms. Sie ließen ihm heimlich die Nachricht zukommen, dass das Zeichen, das er gesehen hatte, das Zeichen des Kreuzes Christi sei. Konstantin dachte über all das nach, erkundigte sich im Geheimen darüber und kam zur Erkenntnis der Wahrheit und der Glaube besänftigte sein Herz. Er vergewisserte Eusebius, den Bischof von Rom und holte ihn zu sich mit der Bitte, ihn über die Religion des Christentums aufzuklären. Dieser ging auf seinen Wunsch ein, so dass sich Konstantin in seiner Absicht bestärkt fühlte und sich taufen ließ, zusammen mit seiner Frau Maximiana, der Tochter Diokletians. Auch die meisten seiner Gefährten ließen sich taufen. 438
Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 265,10–268,10: Fa-lammā kāna fī s-sanati s-sābiʿati min mulkihi fī šahri kānūn aṯ-ṯānī ḫarağa ʿalayhi ğuyūšu l-barbari wa-nazalū ʿalā nahrin yuʿrafu bi-dūbāniyus li-yaġzū rrūma wa-yaḫribū bilādahum. […] fa-baraza ilayhi qusṭanṭīn fī ğayšihi wanazala bi-ḥayṯu yuqāribuhum min hāḏā n-nahri ʿāziman ʿalā liqāʾihim waʿarafa wufūra l-ğayši wa-ʿiddatahu wa-quwwatahu wa-ʿaẓamatahu fağabuna ʿan muqāraʿatihi wa-ntahī ilayhi ʿazmu ʿadūwi ʿalā mubākaratihi. fa-raʾā qusṭanṭīn fī manāmihi kaʾanna fī s-samāʾi ḍiyāʾan ʿaẓīman wabarqan muhawwilan wa-fī ḫalalihi ṣalībun muʾallafun min kawākibi wabaynahu minhā ka-l-kitābatu taqraʾu: innaka taġlibu bi-hāḏā l-miṯāli. […] fa-rtāʿa li-ḏālika qusṭanṭīn irtiyāʿan šadīdan wa-gamaʿa min ṣaḥbihi min ahli l-ʿilmi wa-l-kihānati fa-qaṣṣa ʿalayhim ruʾyāhu wa-saʾalahum fī ʿarḍi ḏālika ʿani š-šakli l-laḏī raʾāhu wa-liman huwa mina l-ālihati l-latī taʿbuduhā r-rūmu fa-lam yakun fīhim man ʿindahu ʿilmu ḏālika wa-lā maʿrifatuhu. fa-amara bi-ṣiyāġati šakli ṣ-ṣalībi mina ḏ-ḏahabi bi-ḥasabi r438
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 229 Im Großen und Ganzen verläuft der Text sehr nahe an der syrischen Vorlage. Wie in der syrischen Erzählung ordnet Konstantin auch hier an, ein Abbild des Kreuzes an eine Standarte zu montieren, obwohl er zu jenem Zeitpunkt noch nicht über die Herkunft und Bedeutung jenes Zeichens eingeweiht war. Es lassen sich auch hier Unterschiede ausmachen, die auf spätere redaktionelle Verarbeitungen, vielleicht sogar auf die Arbeit des Kompilators selbst zurückgehen. Zum einen wird nun das Motiv der Flucht des Eusebius aus Rom eingefügt, ein Motiv, das eigentlich aus dem Julian-Roman bekannt ist. 439 Zum anderen wird die Mutter Konstantins, die nach der syrischen Judas-KyriakosLegende zusammen mit ihrem Sohn die Taufe von Eusebius empfing, mit Maximiana, ersetzt, die bereits an früherer Stelle als ruʾyā wa an yūḍaʿa ʿalā raʾsi ʿalami. fa-lammā faraġa min ḏālika qaṣada lqawma wa-wqaʿa bihim wa-nakaʾa fīhim wa-qatala malikahum wa-ḫalqan minhum wa-nhazama l-kullu l-bāqī. […] wa-daḫala qusṭanṭīn rūmīyata faḍṭaraba n-naṣārā bihā wa-ḫtafā awsābiyus usqufuhā. wa-ʿāwada qusṭanṭīn suʾāla l-kuhhāni wa-ḫadami buyūti l-aṣnāmi ʿan amri ṣ-ṣalībi fa-mā ağābū bi-šayʾin yaʿtamidu ʿalayhi. lākin ḏakara sadanatu l-buyūti annahu fī lyawma l-laḏī ẓaharat lahu hāḏihi ʿalāmatu ʿaraḍa an tasāqaṭa kaṯīru mina laṣnāmi wa-takassarat fa-rtāʿa li-ḏālika qusṭanṭīn. wa-namā l-ḫabaru fī ḏālika ilā n-naṣārā bi-rūmīyata. fa-dassū ilayhi man ʿarrafahu anna l-laḏī raʾāhu huwa šaklu ṣ-ṣalībi l-laḏī ṣuliba ʿalayhi l-masīḥu. fa-fakara fī ḏālika wa-saʾala ʿanhu ḫafīyan fa-ʿarafa ḥaqīqatahu fa-ḥalā fī qalbihi l-imānu. waammana awsābiyus usqufa rūmīyata ʿalā nafsihi fa-ḥaḍarahu wa-stašraḥahu dinā n-naṣrānīyata fa-šaraḥahu lahu fa-qawiya ḏālika fī nafsihi wa-ṣṭabaġa min yadi hāḏā l-usqufi huwa wa-zawğatuhu wa-kāna ismuhā maksimiyā ibnatu diwuqliṭiyānūs wa-ʿtamada akṯaru aṣḥābuhu. 439 Vgl. Gollancz, Julian the Apostate, 43. Ein Echo dieses Motivs ist auch in Muḫtaṣar 109, Ed. Haddad, 174,6–8 zu finden. Direkt im Anschluss an die Erzählung über den Sieg Konstantins über Maxentius heißt es nämlich: „Als Konstantin über die Stadt des Maxentius siegte, marschierte er in sie ein. Die Christen aber fürchteten sich und flohen aus der Stadt. Auch Eusebius, der Bischof dieser Stadt, floh (wa-lammā ẓafira bi-madīnati maksinṭiyus daḫalahā qusṭanṭīnūs fa-ḫāfahu n-naṣārā waharabū mina l-madīnati wa-haraba fīhim awsāfiyūs al-usqufu bihā).
230
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Tochter Diokletians und als Frau Konstantins eingeführt wurde. 440 Auch hier zeigt sich also das Bemühen des Kompilators, eine innere Kohärenz zwischen den unterschiedlichen historiographischen und hagiographischen Traditionen herzustellen. Durch die Erwähnung der Taufe durch Eusebius von Rom wiederum fühlt sich der Kompilator dazu genötigt, im Anschluss an diese Erzählung ein zweites Mal die Silvestertaufe wiederzugeben, dieses Mal – analog zu al-Manbiğī – mit Eusebius von Rom in der Rolle des Taufspenders. Es ist dadurch gut möglich, dass diese Version der Silvesterlegende letztendlich auch auf Qusṭā ibn Lūqā zurückgeht. 441 Durch die Verkettung von unterschiedlichsten Erzählungen und Motiven lässt die Chronik von Siirt wie durch ein Kaleidoskop auf das Thema der Bekehrung Konstantins und der Kreuzesvision blicken. Der Kompilator ist aber nicht an einer geradlinigen Erzählung und auch nicht an der Wiedergabe der genauen geschichtlichen Hintergründe interessiert, sondern vielmehr an einer so breit wie möglich abgestützten Dokumentation über die wundersame Erscheinung des Kreuzes, mit dem er die Herrschaft Konstantins verbindet. Helena und die Kreuzesauffindung Auch im ostsyrischen Raum blieb die Erinnerung an die Kaisermutter lebendig. Die Chronik von Siirt konnte daher auf verschiedene Traditionen zurückgreifen, die Helena bereits zu einer Identifikationsfigur für die Christen gemacht hatten. Zum einen berichtet sie ausführlich über die Herkunft Helenas. 442 Ähnlich wie in Ibn Baṭrīq wird auch in der Chronik von Siirt behauptet, dass sie aus Kfar Faher (Kifar Fiḥār) bei Edessa stamme, wo sie durch den Bischof Barsamya in den christlichen Glauben eingeweiht wurde. Als Kaiser Valentin (Wālinṭīnūs) auf seinem Weg Richtung Osten in der Stadt einen Halt einlegte, wurde er auf die Schönheit der jungen Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 258,9f bzw. 259,1 und Drijvers, The Finding of the True Cross, 56. 441 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 268,11–269,11. 442 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 264,5–265,9. 440
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 231 Frau aufmerksam und bat ihren Vater um ihre Hand. Anders als der zuvor genannte melkitische Geschichtsschreiber hebt die Chronik von Siirt aber hervor, dass es Helena nicht für notwendig erachtete, den gemeinsamen Sohn Konstantin christlich zu erziehen, da um seine Jugend besorgt und in der Furcht, dass seine heidnischen Freunde einen schlechten Einfluss auf ihn haben und ihn somit wieder um den Glauben bringen könnten. Der Kompilator der Chronik von Siirt kannte zudem auch spezifische Traditionen ostsyrischen Lokalkolorits. So wird in einem anderen Kontext behauptet, dass Helena aus Nisibis stamme, einer Stadt, die für die Identitätsbildung der ostsyrischen Kirche eine fundamentale Rolle innehatte, vor allem nach der Schließung der Schule der Perser in Edessa durch Kaiser Zeno. 443 Die Erzählung, in welcher die Person Helenas am prominentesten vertreten ist, bleibt aber auch in der Chronik von Siirt die Judas-Kyriakos-Legende, die gleich zweimal vorkommt. Eine erste Version ist dabei auf die wesentlichsten Elemente gekürzt. 444 Eine zweite Version lässt die Nähe zur syrischen Vorlage hingegen deutlicher erkennen. 445 Gleichzeitig fallen auch einige redaktionelle Eingriffe auf. Am augenscheinlichsten ist dabei die Einführung Alexanders als Bischof von Jerusalem, den wir aus dem Konzilsbericht des Maruta kennen. Als sie [sc. Helena] in Jerusalem ankam, ließ sie den dortigen Bischof Alexander rufen. Diesen zog es der Vorzüge der Stadt, der Frömmigkeit und des religiösen Eifers wegen nach Jerusalem. Helena klärte ihn über den Grund ihrer Ankunft auf und ordnete an, dass man die Oberen der Juden, ihre Gelehrten, die Schriftkundigen und ihre Anführer zusammenrufe. Diese folgten ihrem Aufruf und erschienen vor ihr. 446
Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 258,8 und Wood, Historical Imagination, 106. 444 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 263,3–264,2. 445 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 269,14–272,1. 446 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 270,6–9: Wa-stadaʿat ʿinda wurūdihā bayta l-maqdisa aliḫsandrūs usqufahā. wa-kāna qad naqala hāḏā 443
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Mit Alexander wird das verklärte Bild Helenas auch einer Kritik ausgesetzt. Aus Maruta übernimmt die Chronik von Siirt nämlich auch die Erzählung, wonach Alexander Helena zu sich nahm und sie rügte, ihren Elan nur für die Kirchenbauten, nicht aber für die Verteidigung des wahren Glaubens einzusetzen: Da sagte Alexander zu ihr: „Ich sehe, meine Königin, dass Ihr eure Aufmerksamkeit vor allem auf den Bau der Kirchen richtet, währenddessen die Religion viele Anfechtungen erleiden muss, wegen der großen Anzahl an Irrlehrern, die so viele Seelen in die Irre geleitet haben. Seitdem man aber aufgehört hat, diese Verfälscher auszurotten, ihre Versammlungen zu vertreiben und ihre Lehre zu bekämpfen, haben sie in diesem Land die Oberhand gewonnen, die Kirchen zerstört und diejenigen getötet, die in unserem Glauben standhaft geblieben sind. Die Übrigen wurden in die Irre geleitet, sei es durch eigene Wahl oder durch Zwang. Es wäre also nützlicher und angebrachter von Eurer Seite, Euch um diesen Missstand zu kümmern.“ 447
Zum anderen erkennt man auch Unterschiede in der Darstellung des Judas Kyriakos, der nun von Anfang an als Christ auftritt. Bereits der Glaube seines Vaters habe ihn zum Christentum geführt, behauptet er zu seinen Volksgenossen, als Helena sie versammeln ließ. 448 Darum wird in der Chronik von Siirt auch das l-usqufu mina l-iskandarīyati ilā bayti l-maqdisi li-faḍlihi wa-naskihi waḥimyatihi li-d-dīni wa-ʿlamathu hīlānā bi-mā waradat lahu wa-amarat bistidʿāʾi wuğūhi l-yahūdi wa-ʿulamāʾihim wa-mašāyiḫihim wa-lmutaqaddimīna fīhim fa-ḥaḍarū. 447 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 275,7–11: Fa-qāla lahā ḏāta yawmin aliḫsandrūs: arāki ayyatuhā l-malikati muhtammatan bi-l-bināʾi wa-d-dīnu ʿalā šafan li-kaṯrati ahli l-bidaʿi fīhi wa-man qad aḍalla ḫalqan min ahlihi. wa-munḏu waqaʿa iġfālu qaṭʿi dābiri hāʾulāʾi l-māriqīna wafaḍḍi ğumūʿihim wa-daḥḍi bidaʿihim ġalabū ʿalā hāḏihi l-bilādi fa-hadamū l-abniyata wa-hlakū man aqāma ʿalā hāḏā l-maḏhabi. fa-ḍalla man baqiya iḫtiyāran aw ḍarūratan. wa-l-ʿināyatu bi-hāḏā l-bābi awlā wa-n-naẓaru fīhi afyadu. 448 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 270,12– 271,1.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 233 Gebet ausgelassen, mit welchem sich Judas zu Gott gewandt hätte, um nach einem wundersamen Zeichen zu fragen, auf dass er glauben könne. Um sich aber nicht in Widersprüche zu verzetteln, sieht sich der Text der Chronik von Siirt dazu gezwungen, die Verweigerung des Judas, Helena an den verlangten Ort hinzuführen, durch eine vorübergehende Besessenheit vom Teufel zu erklären. In der syrischen Version der Legende wird der Teufel zwar erwähnt, erscheint aber in anderer Funktion, um sich eines unbeteiligten Zuschauers zu bemächtigen und auf Judas selber zu schimpfen. 449 Sie [sc. Helena] befragte ihn [nach dem Ort], der Teufel aber flüsterte auf ihn ein [und erweckte] sein hartnäckiges Judesein in seiner Seele wieder auf, so dass er von seinem Glauben abwich und bestritt, den Ort zu kennen. Sie drohte ihm daraufhin, ihn in einen Brunnen zu werfen und dort einzusperren, so dass er dort verhungere und verdurste, [und brachte ihn also dazu] die Stelle bekannt zu geben. 450
Am deutlichsten ist aber die Hand des Kompilators an der Verknüpfung der Kreuzesauffindungslegende mit Ereignissen aus der späteren Geschichte zu erkennen, die sich auch in die Erinnerung der ostsyrischen Christen eingeprägt haben. Im Anschluss an die Judas-Kyriakos-Legende wird nämlich das Schicksal der Kreuzesreliquie während des Krieges zwischen Heraklios und Chosrau II (603–628) nacherzählt. 451 Der Relevanz dieser Stelle wird man sich auch dadurch bewusst, dass es sich innerhalb der Chronik von Siirt um den einzigen Fall einer vorausgreifenden Anordnung der Ereignisse handelt. 452 Auch die Erzählung über das Schicksal der Kreuzesreliquie greift dabei Vgl. Drijvers, The Finding of the True Cross, 66.8. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 271,5–7: Fa-ʿtamadathu bi-ssuʾāli fa-waswasa š-šayṭānu lahu bi-l-yahūdīyati r-rāsiḫati fīhi an yarğiʿa ʿan muʿtaqadihi wa-ğaḥada annahu yaʿrifu lahu mawdiʿan. fa-lğaʾathu bi-ttaḫwīfi lahu bi-ilqāʾihā iyyāhu fī ğubbin taḥbisuhu bihi ilā an yamūta ğūʿan wa-ʿaṭašan ilā l-iʿtirāfi bihi. 451 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 272,2–273,11. 452 Vgl. Wood, „Constantine“. 449 450
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zentrale Motive aus der Judas-Kyriakos-Legende auf und damit an, dass der Kompilator auch in diesem Fall Brückenschlag von einer Quelle zur anderen und von Erzählung zur anderen durch Stichwortverbindungen gemeinsame Motive ermöglicht sah:
zeigt den einer und
Man erzählt, dass Chosrau, Sohn des Hormizd, nachdem er Dara erobert hatte und sich nach Jerusalem aufgemacht hatte, den Bischof dieser Stadt rufen ließ und dass er ihn über das Kreuz befragte, welches Helena aufgefunden und dort gelassen hatte. Der Bischof antwortete, dass sich die Juden in der Zwischenzeit dessen wieder ermächtig haben. Chosrau ließ also nach ihren Oberen senden und bestrafte sie. Diese übergaben Chosrau das Kreuz, der es dann Theodosios, dem Sohn des Kaisers Maurikios, überbrachte. 453
Wenig Zeit später, so die Fortsetzung der Erzählung, als es zum Krieg zwischen Chosrau und den Römern kam, sei die Kreuzesreliquie wieder in die Hände der Perser gefallen. 454 In diesem Zusammenhang tritt nun Šīrīn, die Frau Chosraus, als nova Helena hervor. Damit gelingt es dem ostsyrischen Geschichtsschreiber, die Geschichte der römisch-persischen Kriege aus dem östlichen Blickwinkel darzustellen. Vor allem aber kann er damit anzeigen, dass die Geschichte der Kreuzesreliquie auch im Osten eine Fortsetzung kennt: Šīrīn, die gläubige Frau Chosraus erfuhr dies – sie hielt ihr Bekenntnis zur christlichen Religion verborgen – und erbetete vom König das Kreuz, der es ihr auch übergab. Als der König der Römer erfuhr, was mit dem Kreuz geschehen sei und wie es in die Hände Chosraus gefallen sei, bot er ihm viele
Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 271,2–5: Qīla anna kisrā ibn hurmiz lammā fataḥa madīnata dārā wa-tawağğaha ilā bayti l-maqdisi aḥḍara usqufahā wa-saʾalahu ʿani ṣ-ṣalībi l-laḏī wağadathu hīlānī waḫallafathu ʿindahim fa-ḏakara lahu l-usqufu anna l-yahūda iġtaṣabū. fa-dāʿa kisrā wuğūhahum wa-ʿāqabahum. fa-ḥḍarūhu iyyāhu fa-ḥamalahu kisrā ilā tiyāḏāsiyus ibn mawrīqī l-maliki. 454 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 271,5–9. 453
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 235 Zugeständnisse an, um im Gegenzug dafür von ihm das Kreuz zu verlangen. Chosrau erfüllte ihm diesen Wunsch. Širīn aber war darüber sehr betrübt und behielt ein losgelöstes Stück eines Balkens für sich, um davon den Segen zu erhalten. Man sagt, dass alle Überbleibsel des Kreuzes, die sich im Besitz der östlichen Christen befinden, diesem Stück angegliedert werden müssen. 455
Das Konzil von Nizäa Der Abschnitt über das Konzil von Nizäa nimmt in der Chronik von Siirt mehrere Seiten ein. 456 Der Bericht erinnert an manchen Punkten an den Konzilsbericht des Maruta und an die davon abhängigen arabischen Kanonsammlungen. Er lässt aber die in den kirchengeschichtlichen Werken herkömmlichere Konzilsdarstellung nicht aus dem Auge und zieht es z.B. vor, nur von 318 Konzilsteilnehmern auszugehen, während der Bericht aus Maruta bekanntlich 2048 Teilnehmer zählt. 457 Die künstliche Verlängerung der Amtszeit des Katholikos Papas macht es in der Chronik von Siirt zudem notwendig, zu erklären, warum er also nicht am Konzil teilgenommen hat. Der Kompilator findet dabei eine Lösung für dieses Problem, indem er den altersgeschwächten Papas durch
Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 272,9–273,2: Wa-ʿarafat šīrīn al-muʾminatu zawğatu l-maliki kisrā ḥālahu wa-kānat tusirru iʿtiqāda dīni n-naṣrānīyati fa-stawhabat aṣ-ṣalība mina l-maliki fa-wahabahu lahā. falammā ʿarafa maliku r-rūmi ḥāla ṣ-ṣalībi wa-ḥuṣūlahu fī yadi kisrā nazala ʿalā ḥukmihi fī kaṯīrin min iqtirāḥātihi wa-saʾalahu radda ṣ-ṣalībi ʿalayhi faağābahu ilā ḏālika. fa-ḥazinat šīrīn liḏālika wa-tanāwalat qiṭʿatan mina lyadi l-maksūratan mina ṣ-ṣalībi li-t-tabarruki bihā. wa-minhā aḫaḏa naṣārā l-mašriqi ʿalā mā ḥukiya mā huwa fī aydīhim ilā lʾān min ḫašabati ṣ-ṣalībi. 456 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 276–281. 457 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 276,3. Muḫtaṣar § 112 orientiert sich hingegen fast ausschließlich an dem Bericht aus Maruta. Die Begegnung zwischen Helena und Alexander in Jerusalem und der Briefwechsel zwischen Helena, Konstantin und Alexander werden daher fast in voller Länge überliefert. 455
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seine Vertreter Simeon Barsaba und Mar Shadost auf dem Konzil ersetzen lässt. 458 Die weiteren für den Bericht aus Maruta charakteristischen Motive werden aber beibehalten. Das gilt vor allem für die lange Rede Konstantins, mit der er den Konzilsteilnehmern durch die symbolische Übergabe seiner Reichsinsignien auch die politische Macht anvertraut und sie dazu ermuntert, mit den Häretikern zu streiten und sie auf die Seite der Rechtgläubigkeit zu führen. 459 Dadurch wird das Verhältnis zwischen politischer und religiöser Herrschaft pointiert ausformuliert: Und er [sc. Konstantin] sprach zu ihnen: „Gott hat euch ermächtigt und euch die Herrschaft über das Priestertum übergeben, während er mir [die Herrschaft] über das Reich gegeben hat. Heute aber hat er euch mit der Herrschaft sowohl über das Priestertum als auch über das Reich ermächtigt. Ich bin euch untertan und werde eure Anordnungen befolgen.“ 460
Nachdem Konstantin anschließend den Segen der Konzilsteilnehmer bekommen hatte, zogen sich diese zurück, um das Glaubensbekenntnis schriftlich zu fixieren. Konstantin nimmt dabei die Rolle eines Gesetzesvollstreckers ein, der die Konzilsbeschlüsse gegen die arianische Häresie umsetzen ließ, wie man am Brief erkennt, den er an alle Provinzen senden ließ. 461 Neben der Verurteilung des Arius bleiben auch die gesetzlichen Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 277. Im Konzilsbericht des Maruta bekleidet bei der Zusammenkunft des Konzils bereits Simeon Barsaba das Amt des Katholikos. Wegen der gefährlichen politischen Lage ist auch er gezwungen, dem Konzil fernzubleiben. Vgl. Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 134 (Übers. ders., 110). 459 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 278. 460 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 278,4–6: Wa-qāla lahum: inna allaha ʿazza wa-ğalla sallaṭakum ʿalā l-kahnūti wa-sallaṭanī ʿalā l-mulki. wal-yawma fa-lakum as-sulṭanu min allahi taʿālā ʿalā l-kahnūti wa-l-mulki waanā muḏʿinun bi-ṭ-ṭāʿati lakum wa-ttibāʿi amrikum. 461 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 279,11–280,5 und oben S. 102. 458
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 237 Bestimmungen des Konzils in Form der Kanones zentraler Bestand der Konzilsbeschlüsse: Anschließend gingen die Bischöfe wieder in ihre Länder zurück, nachdem sie die verbindlichen Normen und Gebote definiert hatten, die man am dringlichsten benötigte. Die Kanones, über deren Echtheit sich die Nestorianer, die Melkiten und die Jakobiten einig sind, umfassen 20 an der Zahl. Davon sind diejenigen Kanones ausgeschlossen, die bei den Melkiten und bei den Jakobiten noch anzutreffen sind, nämlich 73 an der Zahl, die von Maruta, dem Bischof von Maipherqat, überliefert wurden. 462
Auch für die ostsyrische Kirche ist die Bedeutung des Konzils von Nizäa nicht allein durch die Definition eines verbindlichen Glaubensbekenntnisses gegeben, sondern auch durch die erlassenen Gesetzesbestimmungen. Die Kanones werden in der Chronik von Siirt sogar in eine in der islamischen Rechtssprache gebräuchliche Kategorie eingeordnet, indem sie als verbindliche Normen (farāʾiḍ) umschrieben werden. Warum die Chronik von Siirt zwischen von allen Kirchen anerkannten Kanones einerseits und nur von den Melkiten und Jakobiten überlieferten Kanonens andererseits unterscheidet, ist schwierig zu bestimmen. Auch für die ostsyrische Kirche waren die 73 Kanones jedenfalls Bestandteil ihrer Kanonsammlungen, wie die Beispiele Gabriels von Basra oder Ibn aṭ-Ṭayyibs zeigen. 463 Die konfessionell bedingte Zuordnung der Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 280,10–13: Ṯumma tafruqu lasāqifatu ilā bilādihim baʿda an qarrarū mina l-farāʾiḍi wa-l-awāmiri mā wağadū bi-n-nāsi amassa ḥāğatin ilayhi. wa min qawānīna l-latī tattafiqu nnusṭūru wa-l-malikīyatu wa-l-yaʿqūbīyatu ʿalā ṣiḥḥatihā ʿišrūna qānūnan hiya mudawwanatun mufradatun ʿani l-qawānīna l-latī tağiduhā lmalikīyatu wa-l-yaʿqūbīyatu wa hiya ṯalāṯatun wa-sabʿūna qānūnan mansūbatun ilā naqli mārūṯā usqufi miyāfarqīn. 463 Vgl. Kaufhold, Hubert: Die Rechtssammlung des Gabriel von Baṣra und ihr Verhältnis zu den anderen juristischen Sammelwerken der Nestorianer (Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung, 21), München 1976, 30f und 119–121 und Kaufhold, „Sources of Canon Law“, 299. 462
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20 bzw. 73 Kanones deckt sich hingegen weder mit dem Bericht des Maruta noch mit den entsprechenden Aussagen aus dem Nomokanon des ʿAbdīšōʿ. Beide führen die Entstehung einer separaten Überlieferung von Kanones auf geographische und nicht auf konfessionelle Umstände zurück. Beide behaupten nämlich, dass die 73 Kanones von Nizäa nur ein Bruchteil all derjenigen Bestimmungen seien, die auf dem Konzil erlassen wurden. Von diesen hätten nur diejenigen Kanones ins Syrische übersetzt werden können, die am dringlichsten gewesen wären und die man auch außerhalb des römischen Reiches und in Abwesenheit eines christlichen Königs hätte umsetzen können. 464 Die besondere Hervorhebung der am Konzil von Nizäa erlassenen Kanones lässt sich aber erklären, wenn man bedenkt, dass der Kompilator der Chronik von Siirt bereits die weiteren kirchengeschichtlichen Entwicklungen im sassanidischen Reich im Blick hatte. Die Rezeption der Kanones von Nizäa ist für die ostsyrische Kirche bekanntlich mit der Synode von Seleukia-Ktesiphon aus dem Jahr 410 verbunden, von der auch die Chronik von Siirt berichtet und mit der auch die diplomatische Tätigkeit Marutas zusammenhängt. 465 Die besagte Synode konnte auf Initiative von Katholikos Isaak zustande kommen, nachdem der römische Kaiser Arcadius den Bischof Maruta von Maipherqat zum sassanidischen Herrscher Yazdegerd entsandte, um zugunsten der Christen zu intervenieren und für das Ende der Verfolgungen zu bitten. Entscheidend für die Durchführung dieser Synode waren in der Darstellung der Chronik von Siirt gerade die gesetzlichen Vorgaben der „westlichen Väter“, die in Form eines Briefes der Synode vorgelesen wurden und die zur Annahme von 22 Kanones vonseiten der Synode führten. 466 Die Beschlüsse dieser und der weiteren Synoden im sassanidischen Reich wurden in verschiedenen Sammlungen festgehalten, darunter auch im sog. Vgl. ʿAbdišōʿ bar Brīkā, Nomokanon, Ed. Mai, Scriptorum Veterum Nova Collectio X, 200 (Übers. ders., 33) und Vööbus, The Canons ascribed to Mārūtā, 32 (Übers. ders., 28). 465 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 5, 317–319. Zur Synode von 410 vgl. Wood, Historical Imagination, 32–36 und 230f. 466 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 5, 318. 464
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 239 Synodicon Orientale. 467 Auch im Zeugnis des Synodicons bestand der Anspruch hinter der Synode von Seleukia darin, die „göttlichen Gesetze und die richtigen, echten Kanonen, die im Occident von unseren ehrwürdigen Vätern, den Bischöfen, aufgestellt worden waren“, festzuhalten. 468 Der Kompilator hatte durch die auf Syrisch vorhandenen Kirchengeschichten des Sokrates und Theodoret auch auf die Berichte über die langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Arianern und den Nizänern nach dem Konzil Zugriff. 469 Mehrere Episoden daraus lassen sich in der Chronik von Siirt finden, und zwar in der Dokumentation zu Arius im Vorspann zur eigentlichen Konstantingeschichte. Konstantin selber erscheint dabei im Zusammenhang der Erzählung über die an der (nicht erwähnten) Synode von Tyros vorgetragenen Anschuldigungen gegen Athanasius und über das gegen ihn verordnete Exil. 470 In dieser letzten Notiz weicht der Kompilator aber von der Erzählung der griechischen Geschichtswerke ab und schließt die Reihe der Ereignisse mit einer Rehabilitierung des Kaisers: Der König aber schenkte ihrem Gerede Glauben, da die Lieferung [der Kornvorräte] bereits verspätet war. Also entfernte er ihn [sc. Athanasius] von seinem Bischofsstuhl für sechs Monate. Als aber für Konstantin die Zeit des Todes näher kam, sah er in einem Traum etwas, das ihn beunruhigte und das ihm große Angst einflößte. Er erschrak und ordnete auf der Stelle an, dass man ihn [sc. Athanasius] wieder auf seinen Bischofsstuhl zurückkehren lasse. Er ordnete in seinem Testament dazu an, dass man ihn nach seinem Tod in seinem Palast neben seinem eigenen Grab beisetzen solle. 471
Vgl. Das Buch der Synhados oder Synodicon orientale, hg. von Oscar Braun, Stuttgart 1900, hier vor allem 16–35. 468 Vgl. Synodicon orientale, Ed. Braun, 9. 469 Vgl. dazu Barnes, Timothy D.: Athanasius and Constantius: Theology and Politics in the Constantinian Empire, Cambridge – Massachusetts 1993. 470 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 249–251. 471 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 251,1–4: Fa-qabila l-maliku qawlahum liʾanna l-mīratu kānat taʾaḫḫarat bi-l-ittifāqi nafāhu ʿani l467
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Die positive Aufwertung der im römischen Reich abgehaltenen Konzile geht in der Chronik von Siirt auch über das Konzil von Nizäa hinaus. Auch gegenüber der chalkedonensischen Politik der nachfolgenden römischen Kaiser kann die Chronik positiv eingestellt sein, indem sie z.B. Leo I (reg. 457–474) als rechtgläubigen Kaiser würdigt, der „dem Konzil der 318“ folgte. 472 Kaiser wie Anastasius (reg. 491–518) hingegen, die den Monophysiten entgegenkamen, werden als „Gegner der Orthodoxie“ abgetan. 473 Allerdings reflektieren andere Abschnitte aus der Chronik von Siirt auch einen ausgereifteren Dyophysitismus und nehmen daher auch eine kritischere Haltung gegenüber der chalkedonensischen Kirche ein. 474 Schwerwiegend ist in dieser Hinsicht aber vor allem der Umstand, dass die handschriftlich bedingte Lücke zwischen 423 und 483 es nicht zulässt, danach zu fragen, wie die Chronik von Siirt mit dem theologischen Streit um Nestorios umgeht. Im noch überlieferten Abschnitt über den römischen Kaiser Theodosius II (reg. 408–450) wird das Konzil von Ephesos jedenfalls nicht erwähnt. 475 Die Bemerkung, dass Theodosius durch den Einfluss Pulcherias vom wahren Glauben abgebracht wurde, scheint aber darauf hinzuweisen, dass die Chronik von Siirt eine mögliche Beteiligung des römischen Herrschers an der Verurteilung und Verbannung des Nestorios zu entschuldigen versuchte. Rom und das neue Rom Wie für die Konstantingeschichte insgesamt fällt auch für die mit dem Namen des ersten christlichen Kaisers verbundene Hauptstadt kursīhi sittata ašhura. fa-lammā ḥaḍarat al-malika l-wafātu raʾā fī manāmihi mā azʿağahu wa-rhabahu ğiddan. fa-raʿaba min ḏālika wa-amara min sāʿatihi bi-raddihi ilā kursīhi wa-awṣā annahu matā tuwuffiya aṯānāsiyūs dufina ilā ğānibi qabrihi fī l-īwāni. 472 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 7, 103. Vgl. Zur positiven Aufnahme des Konzils von Chalkedon vgl. auch Wood, Historical Imagination, 134f. 473 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 7, 118f. 474 Vgl. Wood, Historical Imagination, 135–139. 475 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 5, 325f.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 241 des byzantinischen Reiches auf, dass gerade eine ostsyrische Kompilation der Beschreibung dieser Stadt einen besonders wichtigen Platz einräumt. Eingeleitet wird die ausführliche Beschreibung Konstantinopels mit dem Bericht über die Gründung der Stadt durch Konstantin: Er [sc. Konstantin] wollte für sich eine Stadt bauen. Er suchte also in der Mitte seines Reiches einen geeigneten Ort. Er erkundigte sich bei den Weisen, bei den Gelehrten und bei den Sachkundigen. Diese fanden keinen geeigneteren und keinen besseren Ort als Byzanz, eine von Byzas gegründete Stadt, als Osias und Joatham Könige von Israel waren. Er baute sie auf und benannte sie nach seinem Namen. 476
Die Chronik von Siirt beruft sich mit der Erwähnung von Byzas auf eine mythologische Gründungsgeschichte, die auch auf Syrisch bekannt war und noch von Michael dem Syrer und Chronicon 1234 überliefert wird. 477 Die Chronik von Siirt geht aber nicht weiter auf die Umstände der Gründung der neuen Hauptstadt ein. Dafür wird eine ausführliche Beschreibung der Stadt angeboten. 478 Die Herkunft dieser Beschreibung kann natürlich nicht mehr genau verortet werden. Eine wichtige Quelle wäre nach Aussage des Kompilators der Reisebericht von Katholikos Mar Aba, dessen Schrift vermeintlich im Archiv des Patriarchensitzes gefunden worden ist. 479 Es werden zum einen zivile und militärische Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 281,7–10: Wa-aḥabba an yabniya li-nafsihi madīnatan. fa-l-tamasa mawḍiʿan fī nafsi mamlakatihi wa-wasaṭihā. wa-šāwara l-ḥukamāʾa wa-l-ʿulamāʾa wa-l-fuhamāʾa fī ḏālika. fa-lam yağidū mawḍiʿan awfaqa wa-aṭyaba min būzanṭīyata l-latī kāna būzūs banāhā fī ayyāmi ʿūziyā wa-ītāmāri malikay banā isrāʾīli. fa-banāhā wa-sammāhā bi-ismihi. 477 Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Ed. Chabot IV, 452–455 (Übers. Chabot II, 486–488) bzw. Chronicon 1234, Ed. Chabot 142–145 (Übers. ders., 113–115). 478 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 281,10–283,5. 479 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 283,4. Mit bayt al-ābāʾ (PO 4, 283,4) kann zum einen – wie vom Übersetzer gemeint – die Ortschaft Bet Abe gemeint sein und zum anderen auch das „Haus der 476
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Einrichtungen genannt: Das Hippodrom, eine Reiterstatue an dessen Eingang, verschiedene Plätze und zwei mit mächtigen Eisenketten verbundene Türme an den beiden Seiten des Kanals, um feindliche Schiffe an der Einfahrt zu hindern. Ebenso sorgsam kümmerte sich Konstantin um die sakrale Ausstattung der Stadt: Er ließ die Überreste verschiedener Märtyrer und die Kreuzesreliquie in die Stadt überführen und zwei Kirchen weihen – die „Kirche der Auferstehung“ und die „Kirche der heiligen Sophia“. Die Beobachtung, dass die Stadt auf sieben Hügeln gebaut sei, zeigt dabei, dass – wie in der arabischen Literatur üblich – Rom und Konstantinopel nicht immer klar voneinander unterschieden wurden. 480 Die Verwechslung zwischen Rom und Konstantinopel durchzieht auch die Beschreibung Roms selber, die nun dem Reisebericht Jakobs von Nisibis zugeschrieben wird. Neben den topographischen Maßangaben werden Marktplätze, Bäder und Kirchen aufgezählt. Die Nennung der Kirchen der Apostel Petrus und Paulus liefert dabei zwei wichtige Erkennungszeichen der Stadt Roms. In der Beschreibung der Befestigungsanlagen aber erscheint vor allem der phantasievolle Aspekt dieser Stadtbeschreibung: Es ist eine viereckige Stadt, 28 Meilen breit und ebenfalls 28 Meilen lang. Drei Viertel der Stadt grenzen ans Meer, das letzte Viertel hingegen verläuft im Landesinneren. Darin befinden sich 20 Tore aus Kupfer, die mit Gold verkleidet und jeweils von zwei Schutzanlagen flankiert werden, deren Mauern 16 Ellen breit und 70 Ellen hoch sind. Zwischen zwei Zinnentürmen befindet sich ein Kanal, der Qusṭanṭīnīya genannt wird und der das Land durchquert. Auf diesem Kanal befinden sich Talismanen, nämlich Trommeln aus Kupfer, die
Väter/Patriarchen“, also der Sitz des Patriarchen. Vgl. auch Sako, „Sources“, 163n. Eine Reise des Mar Aba ins römische Reich wird in der syrischen Vita des Mar Aba (BHO 595) erwähnt. Vgl. Histoire de Mar Jabalaha, de trois autres patriarches d’un prêtre et de deux laïques, nestoriens, hg. von Paul Bedjan, Paris und Leipzig, 1895, 206–287. 480 Zu dieser oft vorkommenden Verwechslung vgl. auch Di Branco, „L’immagine di Costantino“, 375.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 243 alle einen Umfang von 46 Ellen haben. Insgesamt gibt es 10 000 von diesen Trommeln. Wann immer ein Feind aus der Ferne in die Richtung dieser Stadt kommt, fangen sie von sich aus an zu trommeln, indem sie einen weitaus größeren Lärm als herkömmliche Trommeln machen, so dass der König in seiner Residenz das Getöse hören kann, obwohl diese Trommeln ganze 15 Meilen entfernt sind. 481
Kurz darauf wird auch ein weiteres Wunderwerk erwähnt:
In der Stadt befinden sich 1000 Märkte für den Handel mit dem Westen und dem Osten. Daneben gibt es drei Reihen an Säulen aus weißem Marmor, wobei jede von ihnen einen Umfang von 100 Ellen und eine Höhe von 30 Ellen besitzt. Diese Säulen tragen Aquädukte aus weißem Marmor, in denen das Meereswasser fließt und die von den Handelsschiffen befahren werden, die von allen Richtungen her zu den Lagerhäusern auf den Märkten gelangen. 482
Der Vergleich mit dem persischen Geographen Ibn Ḫurdādbah (gest. 912) zeigt, dass einige der hier angetroffenen Motive auch Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 284,3–9: Qāla hiya madīnatun murabbaʿatun ṭūluhā ṯamāniyatun wa-ʿišrūna mīlan fī miṯlihā wa-ṯalāṯatu arbāʿihā ilā l-baḥri wa-l-rubʿu l-āḫaru ilā l-barri. wa-lahā ʿišrūna bāban mina n-nuḥāsi mulabbasatun bi-ḏ-ḏahabi wa-ʿalayhā sūrāni ʿarḍu ḥīṭānihumā sittata ʿašara ḏirāʿan wa-arbāʿuhumā sabʿūna ḏirāʿan. wa-bayna s-sūrayni nahrun yuqālu lahu qusṭanṭīyatu yaḫriqu l-balada murakkabun ʿalayhi ṭilasmātu wa hiya ṭubūlu min nuḥāsin dawru kulli ṭablin minhā sittatun wa-arbaʿūna ḏirāʿan wa-ʿadaduhā ʿašaratu ālāfi ṭablin. fa-iḏā ḫarağa ʿadūwu lahum min baladin baʿīdin li-qaṣdi hāḏihi l-madīnati irtahağat aṭ-ṭubūlu min nafsihā aw ṭannat ṭanīnan ʿaẓīman aʿẓama mimmā yakūnu min aṣwāti d-dabādibi fa-yasmaʿu l-maliku ṣ-ṣawta fī dārihi wabaynahu wa-bayna mawḍiʿi tilka ṭ-ṭubūli ḫamsata ʿašara mīlan. 482 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 284,10–285,2: Wa-fī hāḏihi lmadīnati alfu sūqin li-t-tiğāri šarqīyati wa-ġarbīyati wa fīhā ṯalāṯatu ṣufūfi asāṭīna ruḫāmin abyaḍin dawru kulli usṭuwānati miʿatun ḏirāʿin wa-ṭūluhā ṯalāṯūna ḏirāʿan wa-fawqa l-asāṭīna ʿabbārātu min ruḫāmin abyaḍin yağrī fīhā māʾu l-baḥri wa-tasīru fīhā sufunun al-latī taruddu bi-t-tiğāri min sāʾiri nuwāḥī wa-tataqaddama ilā dakākīni l-bayʿi. 481
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muslimischen Geographen bekannt waren. 483 Auch dieser gibt nämlich – mit der Chronik von Siirt übereinstimmend – die Beschreibung und Maßangabe zentraler religiöser Bauten an, so etwa der Kirchen der Apostel Petrus und Paulus. Ihnen gemeinsam ist auch die eher für Konstantinopel angebrachte Beobachtung, dass die Stadt zu drei Vierteln ans Meer grenzt und dass die Entfernung zwischen West- und Osttor 28 Meilen beträgt. Der Vergleich mit den muslimischen Geographen hilft auch, das Enigma der Bronze-Trommeln zu klären. Am nächsten kommt die Beschreibung dieser apotropäischen Statuen dem etwas später schreibenden Geographen Yāqūt al-Ḥamawī (gest. 1229). 484 Dieser berichtet von 100 Statuen aus Kupfer (nuḥās), die außerhalb des Kaiserpalastes auf vergoldeten Säulen stehen würden und jeweils ein Volk darstellen würden. Sobald sich der König eines dieser Völker aufmache, um Rom anzugreifen, würde die entsprechende Statue eine Glocke (ğaras) läuten und so die Stadt vor dem Angriff warnen. 485 Die arabische Literatur ist mit der magischen Wirkung von Talismanen bestens vertraut und schreibt gerade Apollonios von Tyana die Anfertigung von Statuen oder anderen Gegenständen mit apotropäischen Fähigkeiten zu. 486 Andere muslimische Geographen bringen Konstantinopel daher mit jeweils anderen Talismanen mit apotropäischer Funktion in Verbindung, so mit dem goldenen Abbild eines Vogels oder mit einem von den
Vgl. Ibn Ḫurdādbah, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, Ed. de Goeje, Leiden 1889, hier vor allem 113f. Vgl. auch Di Branco „L’immagine di Costantino“, 374. 484 Vgl. Yāqūt al-Ḥamawī, Muʿğam al-buldān, hg. von Ferdinand Wüstenfeld, 6 Bde., Leipzig 1866–1873. 485 Vgl. Yāqūt al-Ḥamawī, Muʿğam al-buldān, Ed. Wüstenfeld II, 871 und Casari, „Rome“, 546f. 486 Vgl. Petze, G.: Die Traditionen über Apollonius von Tyana und das Neue Testament (Studia ad Corpus Hellenisticum Novi Testamenti), Leiden 1970, 28–33, vor allem 29f, und Kraus, Paul: Jābir Ibn Ḥayyān: Contribution à l’histoire des idées scientifiques dans l’Islam – Volume II: Jābir et la science greque, Hildesheim 1989, 291–93. 483
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 245 Stadtmauern gebildeten Labyrinth, aus dem eindringende Kämpfer keinen Ausweg mehr finden würden. 487 Auch mit der Beschreibung des Kanals und des Aquäduktes nimmt die Chronik von Siirt Elemente der Vorstellungswelt auf, welche sowohl christliche und muslimische Schreiber mit Konstantinopel verbinden. Ibn Ḫurdādbah spricht von einem Fluss bzw. Kanal (nahr) von Q.sṭīṭāl.s, welcher durch Platten aus Kupfer (balāṭ nuḥās) zugedeckt gewesen sei, die wie die Trommeln aus der Chronik von Siirt eine Länge von 46 Ellen besitzen würden. 488 Das Motiv des durch Kupfer- bzw. Bronzeplatten zugedeckten Flusses war auch im muslimischen Westen bekannt, wie man in der arabischen Orosius-Übersetzung erkennt. Dort heißt es, dass Augustus im ganzen Reich eine Bronzesteuer einsammelte, um damit das Flussbett Roms zu überziehen. 489 Es bleibt aber unklar, ob Ibn Ḫurdādbah mit dem beschriebenen Wasserkanal tatsächlich den Kanal von Konstantinopel (nahr Qusṭanṭīnīya) meinte, oder ob er damit – wie von Di Branco vermutet – ein Aquädukt, und zwar das „Aquädukt Konstantins“ (nahr Qusṭanṭīn) vor Augen hatte. 490 Die sich ins Fantastische steigernden Beschreibungen bleiben jedenfalls im Wesentlichen ahistorisch. 491 Die zitierten Passagen aus der Chronik von Siirt zeigen aber vor allem, dass die Wahrnehmung Roms und Konstantinopels auch durch dieselben Motive wie diejenigen der muslimischen Literatur vermittelt werden konnte. Eine christliche Profilierung der Beschreibung Roms zeigt sich erst in der Zuschreibung an Jakob von Nisibis oder Mar Aba. Die Koordinaten der Beschreibung der Stadt selber, also die Auswahl von Bauten und topographischen Anhaltspunkten, mit denen die Stadt lesbar gemacht wird, decken Vgl. Casari, „Rome“, 547–563. Vgl. Ibn Ḫurdādbah, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, Ed. de Goeje, 114. Die Punkte stellen nicht zu bestimmende Vokalisationen dar. 489 Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.9, Ed. Penelas, 335 und Di Branco, Storie arabe, 162–65. 490 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 164. 491 Vgl. Wood, Historical Imagination, 233f. 487 488
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sich aber mit denjenigen Koordinaten, die auch auf muslimischer Seite verstanden wurden. Tod Konstantins Mit dem längeren Bericht über den Tod Konstantins wird der erste christliche Kaiser nicht nur als rechtgläubiger Christ, sondern auch als Prophet und Hirte hochstilisiert. 492 Die Chronik von Siirt berichtet nämlich, dass sich Eusebius von Rom zusammen mit 40 Bischöfen um das Sterbebett Konstantins versammelte, um von ihm den Segen zu empfangen. Durch einen prophetischen Geist beseelt, ergriff Konstantin das Wort und mahnte die anwesenden Bischöfe, den nach seinem Tod eintreffenden Verfolgungen unter Kaiser Julian standzuhalten und nicht nachzugeben: Gott gab ihm [sc. Konstantin] die Kraft, seine Augen zu öffnen und zu sagen: „Setzt mich auf!“ Danach streckte er seine Hände aus, nahm ihre Hände, küsste sie und sprach: „Ihr habt mich wie ein Kind mit der Milch der göttlichen Schriften ernährt. Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann [Matth. 10,28]. Beschützt die Herde, über die ihr als Hirten wacht, ihr werdet für deren Anzahl Rechenschaft ablegen müssen. Fürchtet die Herrlichkeit des Tages der Auferstehung und beugt euch weder vor der Krone des Königs noch vor seinem Zorn, vor seinem Schwert oder vor seinen Peinigungen. Dieser blutrünstige Wolf wird nur für eine kurze Zeit überleben, bevor er in einem fremden Land sterben wird.“ 493
Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 289,6–292,6. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 290,1–6: Fa-ʿṭāhu allahu quwwatan ḥattā fataḥa ʿaynayhi wa-qāla: ağlisūnī. ṯumma madda yadahu fa-aḫaḏa aydīhim fa-qabbalahā wa-qāla lahum: antum ġaddaytumūnī ka-ṭṭifli bi-l-labani mina l-kutubi l-ilāhīyati. laysa l-ḫawfu min qātili l-ğasadi. innamā l-ḫawfu min qātili n-nafsi wa-l-ğasadi maʿan. fa-ḥfaẓū l-aġnāma llatī taqalladtum riʿāyatahā. fa-innakum muṭālabūna bi-ʿadadi ḥisābihā. istašʿirū ʿiẓama yawmi l-qiyāmati wa-lā tastaḥū min tāği l-maliki wa-ʿiṭābihi 492 493
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 247 Diese tröstende Ansprache angesichts der einbrechenden Verfolgung unter Julian wie auch die Ermahnung Konstantins, sich dem künftigen König nicht zu beugen, weisen auf die erste der drei Erzählungen hin, die man herkömmlicherweise mit dem JulianRoman in Verbindung bringt. 494 Dort wird aber die Rede Konstantins seinem Nachfolger Konstantios in den Mund gelegt. 495 Dass nun Konstantin selber spricht, dürfte zwei Gründe haben: Einerseits kann es ganz einfach zu einer Verwechslung der sich ähnelnden Namen Konstantin und Konstantios gekommen sein, andererseits ist es auch möglich, dass man dem unter Verdacht des Arianismus stehenden Konstantios nur ungern eine derartige Würdigung gegönnt hätte. Als letzter Akt der Frömmigkeit segnet Konstantin auf Anfrage der Bischöfe die Stadt Edessa, bevor er seinen Geist ausschied und starb. 496 Mit dem Segen der Stadt Edessa schließt sich auch der Kreis, der gerade mit der Geburt Konstantins in der Heimatstadt Helenas geöffnet wurde. Eusebius verordnete nach dem Tod des Kaisers eine Fastenwoche, um des Endes seiner Herrschaft zu Gedenken. Diese Praxis wurde von „allen Kirchen im Westen wie im Osten“ während der eingetretenen Verfolgungszeit befolgt, bis zu dem Tag, an welchem „der gottlose Julian durch einen vom Himmel herabkommenden Pfeil umkam“ und Jovian die Herrschaft übernahm, „auf dessen Haupt sich eine Krone niederlegte, die vom Himmel herabstieg.“ 497 8.3. Zwischen Bagdad und Rom Am Beispiel der einzelnen Themen der Konstantingeschichte kann gezeigt werden, in welch komplexer Weise unterschiedliche wa-lā min sayfihi wa-ʿiqābihi. wa-hāḏā ḏ-ḏiʾbu ṣ-ṣādī ilā d-dimāʾi innamā huwa madīdatun yasīratun wa-yazūlu wa-yahliku fī ġayri arḍihi. 494 Auf die Ähnlichkeit mit dem Julian-Roman verweist auch Conterno, Maria: Art. „Culto e memoria di Costantino nelle tradizione sire: Agiografia costantiniana nella liturgia e nella storiografia“, in: Enciclopedia costantiniana II, 425–439, hier 436. 495 Vgl. Muraviev, „Fragments“, 31. 496 Vgl. Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 291,7–9. 497 Chronik von Siirt, Ed. Scher, PO 4, 290,10–291,4.
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chronographische und hagiographische Überlieferungen in der Chronik von Siirt miteinander verwoben werden. Man könnte zusammenfassend behaupten, dass sich die Chronik von Siirt geradezu als eine Anthologie der im syrischen Raum verbreiteten Konstantin-Legenden präsentiert. Ein spezifisch konfessioneller Charakter ist innerhalb der Chronik daran festzumachen, dass der Kompilator auch auf ostsyrische Geschichtsschreiber zurückgreift. Der Verweis auf lokale Traditionen über die Kreuzesauffindung, Helena oder das Konzil von Nizäa gibt dem Werk zudem ein geographisches Lokalkolorit. Der Rückgriff auf den melkitischen und Arabisch schreibenden Ibn Lūqā macht aber deutlich, dass der Kompilator an eine schon bestehende Tradition der arabischen Geschichtsschreibung anknüpfen konnte, die mit einer gewissen Selbstverständlichkeit über die eigenen konfessionellen Grenzen hinwegschauen konnte. Die Länge und Komplexität der Konstantingeschichte macht dabei deutlich, dass die Rolle Konstantins für die Selbstwahrnehmung der Christen in Bagdad nicht an Ausstrahlungskraft eingebüßt hat. Im Unterschied zum Zweistromland konnte das byzantinische Reich schließlich einen christlichen König vorweisen, unter dessen Schutz dasjenige Konzil stattgefunden hat, zu dem sich alle Christen unabhängig ihrer Konfession bekennen. In der Konstantingeschichte drückt sich diese Verbundenheit vor allem durch die Rückverbindung der ostsyrischen Kirchen mit der römischen Kirchengeschichte aus – in anderen Worten durch die Verbindung von Edessa mit Rom. 498 Die Verknüpfung der Kreuzesauffindungslegende mit der Geschichte der Aufbewahrung der Reliquie durch Širīn zeigt zudem, dass diese Vermittlung auch durch die Typologisierung ermöglicht wird. Dank Širīn, der nova Helena, kann sich auch die syrische Kirche des Ostens rühmen, einen Teil des Kreuzes Christi zu beherbergen. Vgl. Wood, „Sources“, 127: The pattern of their compositions highlights one of the achievements of these ecclesiastical histories, which was to link the foundational events of the Roman church, especially the deeds of Constantine, with the Church of the East. 498
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 249 Im Hinblick auf die Verortung im kulturellen Leben der ostsyrischen Kirche kann die Relevanz der Chronik von Siirt unterschiedlich gedeutet werden. Der Verweis auf den historischen und religiösen Kontext Bagdads könnte zum einen dazu führen, mit Philip Wood die Komposition dieser Chronik als Ausdruck des neugewonnenen Selbstbewusstseins zu deuten, welches die ostsyrische Kirche in der Zeit nach dem Aufstieg der Abbasiden kennzeichnete. 499 Nachdem nämlich die marwanidische Herrschaft die Institution des Katholikat oft zum Spielball der Willkür der jeweils amtierenden Kalifen machte, erwiesen sich der Dynastiewechsel und die darauf folgende Verlegung der Hauptstadt des Kalifats nach Bagdad als ein Segen. 500 In diesem kosmopolitischen und multireligiösen Zentrum ergab sich für die Katholikoi die Chance, ihre Ansprüche sowohl gegenüber der politischen Herrschaft wie gegenüber den anderen Kirchen neu verlautbaren zu lassen. Repräsentativ für das neue Bewusstsein war vor allem der bereits eingeführte Katholikos Timotheus I, auf den mehrere Klöster- und Schulgründungen zurückgehen und der gerade für seine apologetischen Schriften in syrischer und arabischer Sprache bekannt geworden ist. 501 Seine Traktate lassen erkennen, dass er ständig darum bemüht war, eine Balance zwischen Profilierung und Öffnung zu finden, sowohl dem Islam als auch den anderen christlichen Kirchen gegenüber, auch um die geordneten politischen Verhältnisse nicht herausfordern zu wollen. 502 Das eben Gesagte wiederum hat zum anderen auch Konsequenzen für die Orientierungsfunktion der Chronik von Siirt im Allgemeinen und die Konstantingeschichte im Speziellen. Die Aufwertung der Geschichte Roms ist daher nicht im Sinne einer politischen Hoffnung auf eine zukünftige Befreiung aus der muslimischen Herrschaft zu lesen. Wie Timotheus in seinem in der Einführung zu unserer Studie wiedergegebenen Brief an die Maroniten zu erklären gibt, würde man eine solche Hoffnung jedenfalls nicht mit dem römischen Kaiser verbinden. Man hat sich Vgl. Wood, Historical Imagination, 221–255. Vgl. Wood, Historical Imagination, 226f. 501 Vgl. Wood, Historical Imagination, 227f. 502 Vgl. Wood, Historical Imagination, 235. 499 500
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mit den Machtverhältnissen letztlich längst abgefunden. Es ist aber vielleicht gerade die unter den Abbasiden konkret gewordene Erfahrung einer für Stabilität sorgenden Herrschaft, welche ausschlaggebend dafür gewesen sein könnte, auch die römische Geschichte im Lichte dieser positiven Erfahrung zu lesen.
9. DIE KOPTISCHE GESCHICHTSSCHREIBUNG: IBN ARRĀHIB UND IBN AL-ʿAMĪD 9.1. Bemerkungen zu Autoren und Werken Nachdem wir uns ausführlich mit der melkitischen und ostsyrischen Geschichtsschreibung auseinandergesetzt haben, beschäftigen wir uns im Folgenden mit zwei koptischen Geschichtsschreibern. Der erste der beiden, Ibn ar-Rāhib – voll ausgeschrieben mit Nušūʾ al-Ḫilāfa abū Šākir ibn ar-Rāhib abū alKaram Buṭrus ibn al-Muhaḏḏib – lebte und wirkte zwischen dem Ende der Ayyubiden- und dem Anfang der Mamluken-Herrschaft über Ägypten, in einer Zeit, in der das koptische Christentum erneut zu einer kulturellen Blüte fand. 503 Bereits sein Vater war eine bekannte Persönlichkeit: Er leitete in der dem Patriarchat von Kyrillos III (1235–1243) vorausgehenden Vakanz-Periode die koptische Gemeinde Ägyptens und führte während des Patriarchats des Letzteren die Opposition gegen ihn. 504 Wie der Vater bekleidete auch Ibn ar-Rāhib wichtige Ämter, unter anderem im Militärwesen. Man weiß, dass er eine Anstellung im Staatsdienst Vgl. Den Heijer, Johannes: „Coptic Historiography in the Fāṭimid, Ayyūbid and Early Mamlūk Periods“, in: Medieval Encounters 2 (1996), 67–98, hier 84f; Sidarus, Adel: Art. „Ibn al-Rāhib“, in: CMR IV, 471–79. Zur Biographie vgl. Sidarus, Adel: Ibn ar-Rāhibs Leben und Werk: Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist des 7./13. Jh. (Islamkundliche Untersuchungen, 36), Freiburg i.Br. 1975, 1–25 und zur Frage der Zuschreibung ders.: „Copto-Arabic Universal Chronography: Between Antiquity, Judaism, Christianity and Islam“, in: Collectanea Christiana Orientalia 11 (2014), 221–250, hier 235–37. 504 Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 85. 503
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 251 innehatte, vielleicht sogar in der Administration des Heeres. 505 In Bezug auf sein literarisches Schaffen ist er für sein „Buch der Beweise“ (Kitāb al-Burhān) bekannt, eine philosophischtheologische Summa, die sich dadurch auszeichnet, auf der Grundlage muslimischer Denker wie al-Fārābī, Ibn Sīnā, al-Ġazālī oder Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī einen originellen Aufbau arabischer Theologie zu entwerfen. 506 Im Rahmen dieser Arbeit soll uns aber sein historiographisches Werk, das Kitāb at-Tawārīḫ beschäftigen, das er 1257 verfasste. 507 Die genannte Überschrift kann unterschiedlich übersetzt werden: „Buch der Zeitrechnungen“, „Buch der Zeitepochen“ oder auch „Buch der Chroniken“. 508 Vor allem die erste Übersetzungsmöglichkeit würde sich aber in Anbetracht des Inhalts des Gesamtwerkes am ehesten eignen, denn von den 51 Kapiteln behandeln die ersten 47 Fragen der Chronologie und der Kalender, die in den unterschiedlichen christlichen Kirchen bzw. bei den Muslimen verwendet wurden. Gerade die Differenzen in der Bestimmung der religiösen Feierlichkeiten haben ihn zu diesen Studien bewegt, schreibt er im ersten Kapitel. 509 Kapitel 48 und 49 beinhalten hingegen eine chronistisch aufgebaute Weltgeschichte, die die Zeit von der Schöpfung bis zu Heraklios (Kapitel 48) bzw. die islamische Geschichte bis zum Jahr 1257 umfasst (Kapitel 49). Darauf folgt noch eine Geschichte der Patriarchen Alexandriens (Kapitel 50) und eine Geschichte der ökumenischen Konzile (Kapitel 51). 510 Die handschriftliche Überlieferung fällt leider sehr spärlich aus. Bisher sind für das Kitāb at-Tawārīḫ mindestens sechs Vgl. Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 7f. Vgl. CMR IV, 477–79. 507 Des Weiteren hat er noch ein Werk über koptische Grammatik und weitere Werke über Theologie und kirchliche Angelegenheiten verfasst. Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 85. 508 Vgl. Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 31 und Sidarus, „Universal Chronography“, 226f. 509 Vgl. CMR IV, 473 und Sidarus, „Universal Chronography“, 227. 510 Für einen summarischen Überblick über die 51 Kapitel vgl. Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 30–38. 505 506
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Handschriften bekannt. 511 Für diese Arbeit werde ich mich dabei auf Berl. or. fol. 434 stützen, welche auch für die demnächst erscheinende Edition von Samuel Moawad verwendet wird. 512 Zu nennen ist in dieser Hinsicht auch die äthiopische Übersetzung aus dem 16. Jh. 513 Der Form und Gattung nach präsentieren sich Kapitel 47 und 48 als eine Chronik im engeren Sinne. Die Geschichte der unterschiedlichen Völker und Könige wird in tabellarischer Form aufgezogen. Indem die genannten Könige jeweils mit einer Nummer versehen werden und dementsprechend angeordnet werden, präsentiert sich dieser Teil des chronographischen Werks als eine Herrscherliste. Diese fila regnorum werden aber immer wieder von Textabschnitten unterbrochen, in denen, je nach Quellenlage, kurze Einträge zu den einzelnen Herrschern gemacht werden (spatium historicum). 514 Die tabellarische Darstellung der Geschichte der unterschiedlichen Völker präsentiert aber im Vgl. Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 46f und Sidarus, „Universal Chronography“, 230–34. 512 Im Handschriftenkatalog von Ahlwardt (Verzeichnis der arabischen Handschriften, Bd. 5, 221–23) unter ar. 5782 nummeriert. Von der Edition Samuel Moawads ist bisher der erste Band mit den Kapiteln 1–47 erschienen (Cairo 2016). 513 Vgl. dazu Den Heijer, „Coptic Historiography“, 87f; Sidarus, „Universal Chronography“, 240–42 und Witakowski, Witold: „Ethiopic Universal Chronography“, in: Wallraff, Martin (Hg.): Julius Africanus und die christliche Weltchronistik (Texte und Untersuchungen der Geschichte der altchristlichen Literatur, 157), Berlin 2006, 286–301, hier 289–93. Für die Herrschaftsjahre Konstantins II (bzw. Konstantios II) und Julians hat Witakowski eine englische Übersetzung der äthiopischen Vorlage präsentiert. Vgl. Witakowski, „Ethiopic Universal Chronography“, 300f. Der Vergleich mit der Berliner Handschrift (f. 137v) zeigt, dass der äthiopische Text Änderungen vornimmt. Auch Sidarus, „Universal Chronography“, 242 hat bei der Alexandergeschichte Abweichungen zwischen der arabischen Vorlage und dem äthiopischen Text festgestellt. 514 Vgl. Witakowski, „Chronicle of Eusebius“, 425 und ders., „Ethiopic Universal Chronography“, 291. Von Adam bis Heraklios werden dabei 166 „Einheiten“ gezählt. 511
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 253 Unterschied zur Eusebius-Tradition der syrischen Chroniken keine synoptische Nebeneinanderstellung der jeweils zeitgleichen Herrscherdynastien, sondern stellt die Lebensund Herrschaftsjahre der Könige jeweils nach unterschiedlichen Geschichtswerken dar. Bis zu Diokletian laufen dabei sechs Spalten parallel, die jeweils einer bestimmten Quelle zugeordnet werden: Ibn ar-Rāhib selber, Ibn Baṭrīq, al-Manbiğī, (Ps.) Johannes Chrysostomos (fam aḏ-ḏahab), (Ps.) Epiphanius und eine nicht spezifizierte koptische Chronik mit der Überschrift „Geschichtsbuch des aṣ-Ṣaʿīdī.“ 515 Ab der Zeit Konstantins (Abschnitt 145) hingegen werden nur noch vier Spalten weitergeführt, da nun Chrysostomos und die Chronik aṣ-Ṣaʿīdīs ausgeschieden werden. 516 Unter den verschiedenen Autoren, bei denen das Geschichtswerk Ibn ar-Rāhibs nachgewirkt hat, ist vor allem der nächste koptische Geschichtsschreiber zu nennen, mit dem wir uns beschäftigen werden: Ğirğis ibn Abī al-Yāsir ibn Abī al-Makārin, auch bekannt als al-Makīn oder – vor allem bei Ibn Ḫaldūn – als Neben diesen für unseren Zeitraum in Frage kommenden Quellen können noch weitere genannt werden, wie das „Buch Yūsuf ibn Quryūn“, die arabische Übersetzung des Josippon. Vgl. Binggeli, André: „Vestiges dʼune version arabe du Discours sur lʼinvention de la Croix dʼAlexandre de Cypre (VI. siècle) dans le K. al-Tawārīkh dʼAbū Ŝākir b. alRāhib (XIII. Siècle)“, in: Le Muséon 125 (2012), 241–49, hier 246. Als wichtige Quellen für den chronographischen Teil (Kapitel 1–47) können vor allem der Almagest (die arabische Übersetzung der megale syntaxis des Claudius Ptolemaios) und das Werk az-Zīğ al-ḥākimī des bekannten ägyptischen Astronomen Ibn Yūnus aṣ-Ṣadafī genannt werden. Vgl. Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 33f und 37f; Sidarus, „Universal Chronography“, 243f und Den Heijer, „Coptic Historiography“, 85f. Spuren eines Epiphanius zugeschriebenen Geschichtswerkes finden sich in Graf, GCAL I, 203, 212 und 258. 516 Nicht verwechselt werden sollte das Kitāb at-Tawārīḫ mit dem sog. Chronicon Orientale, welches als Kompendium des geschichtlichen Teils des Kitāb at-Tawārīḫ verfasst wurde. Vgl. Petrus Ibn Rahib, Chronicon Orientale, hg. und übers. von L. Cheikho, 2 Bde., Paris 1903. Vgl. auch Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 41–45. 515
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Ibn al-ʿAmīd. 517 Ibn al-ʿAmīd hatte zuerst in Kairo und dann in Damaskus Verwaltungsposten in der Administration des Heeres inne. Zur Zeit der Mongolen-Kriege fiel er in Ungnade und wurde für etliche Jahre gefangen gehalten. Sein Lebensende verbrachte er in Damaskus, blieb aber im ständigen Austausch mit koptischen Gelehrten seiner Zeit. 518 Bekannt geworden ist Ibn al-ʿAmīd vor allem für sein Geschichtswerk, eine Weltgeschichte in zwei Teilen, die die Zeit von der Schöpfung bis zur Herrschaft des Heraklios bzw. die islamische Geschichte bis zum Sultanat des Mamluken Baybars abdeckte. Das Werk Ibn al-ʿAmīds wurde später von Mufaḍḍal ibn Abī al-Faḍāʾil bis ins Jahr 1341 fortgesetzt, also bis zum Tod von Sultan al-Malik an-Nāṣir Muḥammad ibn Qalāwūn. 519 Vom Aufbau her präsentiert sich diese Universalgeschichte als eine Abfolge von nummerierten biographischen Einheiten, die sich im Wesentlichen an der alttestamentlichen, persischen, griechischen, römischen und schließlich islamischen Geschichte orientieren. Während Ibn al-ʿAmīd für die Nummerierung und Einteilung auf Ibn ar-Rāhib basiert, greift er aber nochmals eigenhändig auf die von diesem herangezogenen Quellen zurück. 520 Die Sprache fällt oft durch ihre Nähe zu muslimischen Gepflogenheiten auf und hat somit auch die Frage nach einer (potentiellen) muslimischen Leserschaft aufkommen lassen. 521 Bekannt geworden ist im Westen vor allem der zweite Teil dieses Werkes, das von Thomas Erpenius (1625) unter dem Titel Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 88–95 und Diez, Martino: „Les antiquités gréco-romaines entre al-Makīn ibn al-‘Amīd et Ibn Ḫaldūn: Notes pour une histoire de la tradition“, in: Studia graecoarabica 3 (2013), 121–140. 518 Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 90. 519 Vgl. Kortantamer, Samira: Ägypten und Syrien zwischen 1317 und 1341 in der Chronik des Mufaḍḍal b. Abi al-Faḍāʾil (Islamkundliche Untersuchungen, 23), Freiburg i.Br. 1973. 520 Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 89. 521 Vgl. Kropp, Manfred: „Arabisch-äthiopische Übersetzungstechnik am Beispiel der Zena Ayhud (Yosippon) und des Tarikä Wäldä-ʿAmid“, in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 136 (1986), 314–346, hier 343. 517
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 255 Historia Saracenica zum ersten Mal ediert und übersetzt wurde. 522 Der uns interessierende erste Teil hingegen fand bisher noch keine Edition, obwohl der handschriftliche Bestand für ein solches Vorhaben ziemlich günstig wäre. 523 In den meisten Handschriften wird dieses Geschichtswerk mit dem Titel al-Mağmūʿ al-mubārak („Die gesegnete Sammlung“) eingeführt, in einigen Handschriften taucht hingegen der Titel Kitāb at-Tawārīḫ („Buch der Chronologien“) auf. Gaston Wiet ordnete die handschriftlichen Textzeugen zwei Rezensionen zu, wobei er zwischen einer Ibn alʿAmīd zugeschriebenen und von den meisten Handschriften bezeugten Rezension („recension vulgata“) und einer erweiterten Rezension unterschied, die einem späteren Redaktor zu verdanken wäre. 524 Martino Diez konnte durch eine genauere Analyse einschlägiger Abschnitte aus der vorislamischen Geschichte aber nachweisen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. 525 Die sog. erweiterte Rezension („recension étendue“), die nur durch wenige Handschriften wie Par. Arab. 4729 repräsentiert wird, wäre demnach mit der Erstfassung unseres Geschichtsschreibers zu identifizieren. Diese orientierte sich – wie im Titel Kitāb at-Tawārīḫ angedeutet – noch stärker an einer chronologischen Geschichtsschreibung, wie die vielen aus Ibn Baṭrīq entnommenen Bischofslisten oder chronologischen Exkurse andeuten. Die sog. Vgl. Den Heijer, „Coptic Historiography“, 88n und Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 124–126. Für eine neuere Edition des zweiten Teiles vgl. Cahen, Claude: „’La Chronique des Ayyoubides‘ dʼalMakīn b. al-ʿAmid“, in: Bulletin des Études Orientales 15 (1955–57), 109–84, und für eine Übersetzung Eddé, Anne-Marie und Micheau, Françoise: AlMakīn ibn al-ʿAmid: Chronique des Ayyoubides (602 – 658/1205-6 – 1259-60) (Documents relatifs à lʼhistoire des Croisades, 16), Paris 1994. 523 Vgl. Graf, GCAL II, 349–51 und Diez, „Antiquités grécoromaines“, 126f . 524 Vgl. die lange Fußnote in Maspero, Jean: Histoire de patriarches d’Alexandrie depuis la mort de l’empereur Anastase et jusqu’à la réconciliation des églises jacobites (518–616) – Ouvrage revu et publié après la mort de lʼauteur par Ad. Fortescue et Gaston Wiet (Sciences historiques et philologiques, 237), Paris 1923, 219–222, und Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 127f. 525 Vgl. Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 121–140. 522
256
CONSTANTINUS ARABICUS
Vulgata-Rezension, die eben von den meisten Handschriften repräsentiert wird, geht hingegen auf eine Überarbeitung zurück, freilich des Autors selbst, der seinem Selbstzeugnis nach gebeten wurde, eine kürzere und stringentere Version bereitzustellen. 526 Während Ibn al-ʿAmīd nun viele chronologische Exkurse auslässt, baut er gleichzeitig neue Quellen ein, die sich vor allem mit philosophischen Themen beschäftigen, wie mit der Frage nach dem zeitlichen Anfang der Welt. 527 Durch das Fehlen einer kritischen Edition und einer genaueren Sichtung des Handschriftenbestandes bleibt die Frage nach unterschiedlichen Rezensionen komplex. Der Bestand scheint jedenfalls auf weitere Zwischenstufen hinzudeuten. So weist zum Beispiel Par. Ar. 294 im Proömium die Eigenschaften der späteren präsentiert aber gerade in der Rezension auf, 528 Konstantingeschichte chronologische Exkurse, die z.B. in Par. Arab. 4524 ausgelassen werden. Die Aussagen, die in den folgenden Abschnitten zu diesem koptischen Geschichtsschreiber gemacht werden, beziehen sich also vor allem auf die spätere und anscheinend bekanntere Rezension, im Wissen, dass diese auf der Grundlage früherer Entwürfe und Vorarbeiten angefertigt wurde. Als Grundlage der Analyse soll dabei vor allem Par. Arab. 4524 dienen, zu der ich Par. Arab. 294 zum Vergleich heranziehen werde. 529 9.2. Texte zu Konstantin Wie schon erwähnt, beziehe ich mich bei Ibn ar-Rāhib auf Berl. or. fol. 434 (ff. 135v–137r). Wegen der Kürze können hier die nummerierten Texteinträge zu Diokletian, Maximianus und Konstantin vollständig wiedergegeben werden. Wo es möglich ist, Vgl. Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 127–134, vor allem 130. Vgl. Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 131. 528 Vgl. den synoptischen Vergleich in Diez, „Antiquités grécoromaines“, 128–130. 529 Weiter zur Verfügung stand mir die von Hottinger angefertigte Handschrift Mon. Arab. 376, die zumindest für die Abschnitte zu Konstantin (ff. 220–233) mit Par. Arab. 4524 übereinstimmt. Vgl. zu dieser Handschrift Kropp, „Übersetzungstechnik“, 314–346, hier 318. 526 527
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 257 soll bei den Textabschnitten in Klammern auch die Quelle angegeben werden, der eine bestimmte Information entnommen wurde. f. 135v
143
f. 136r
Kaiser Diokletian. In der Zeit seiner Herrschaft wurde sein Reich unter vier Königen geteilt. Er selber verweilte in Antiochien. Sein Sohn Maximian im Orient, Maxentius in Rom und Konstantin in Asien [vgl. al-Manbiğī, Ed. Vasiliev, PO 7, 538,3–7]. Sie alle waren unter der Herrschaft Diokletians. Ägypten aber und das Volk Alexandriens widersetzten sich ihm [vgl. al-Manbiğī, Ed. Vasiliev, PO 7, 538,8f]. Im 19. Jahr seiner Herrschaft ordnete er durch Erlasse die Schließung der Kirchen und die Tötung der Christen an [vgl. al-Manbiğī, PO 7, 538,11– 13]. Er ließ Petrus, den Patriarchen von Alexandrien, töten [vgl. al-Manbiğī, Ed. Vasiliev PO 7, 539,1]. Seine Herrschaft dauerte 21 Jahre. In jener Zeit wurden Mar Girgis, Mar Viktor und viele andere zu Märtyrern [vgl. Ibn Baṭrīq, Ed. Breydy, § 177]. 530
Ibn ar-Rāhib
Ibn Baṭrīq
al-Manbiğī
Chrysostomos
Epiphanius
aṣ-Ṣaʿīdī
Diqlīṭiyānūs
Diqlīṭiyānūs
Diqlīṭiyānūs
Diqlīṭiyānūs
Dīqlā
21 Jahre
21 Jahre
20 Jahre
Diqlīṭiyānūs und Maksī-miyānūs 5794
21 Jahre 5797
19 Jahre
[…]
5797
[…]
5797
[…]
5812
[…]
18 Jahre
[…]
[…]
5766
Diqlīṭiyānūs qayṣar. wa-fī ayyāmihi kānat al-mamlakatu munqasamatun ʿalā arbaʿatin mulūkin. wa-kāna diqlīṭiyānūs muqīman fī anṭākīyata wa-maqsīmiyānūs ibnuhu fī l-mašriqi wa-maksintiyūs fī rūmīyata wa-qusṭanṭīn fī āsiyā wa-kānū kulluhum taḥta sulṭāni diqlīṭiyānūs. wa-kāna ahlu miṣra wa-iskandarīyata ʿaṣū ʿalayhi wa-fī s-sanati t-tāsiʿataʿašara min mulkihi waṣalat kutubuhu bi-ġalqi l-kanāʾisi wa-qatli n-naṣārā. wa-rsala fa-qatala buṭrus baṭriyarka iskandarīyata. wa-kāna muddatu mamlakatihi aḥadun wa-ʿišrīna sanatan. wa-fī ayyāmihi istašhada mārī ğirğis wa-mārī biqṭur wa-ġayruhum. 530
258
CONSTANTINUS ARABICUS
f. 136v 144
145
Sein Sohn Maximian [al-Manbiğī, Ed. Vasiliev, PO 7, 538,4: Maxentius Sohn Diokletians]. Als sein Vater starb, herrschte er nach ihm für ein Jahr [vgl. al-Manbiğī, Ed. Vasiliev, PO 7, 539,9 – von Severus ausgesagt]. Er richtete mehr Unheil an und vollbrachte mehr gottlose Taten als sein Vater. Er wollte Konstantin von seinem Herrschaftsgebiet entfernen. Im 17. Jahr der Herrschaft Konstantins des Großen erschien diesem im Traum ein Kreuz und er hörte eine Stimme, die zu ihm sagte: „Trage dieses Zeichen und du wirst gegen deine Feinde siegen.“ Konstantin erkundigte sich danach, und die christlichen Priester weihten ihn in das Geheimnis des Heiligen Kreuzes ein. 531 In dieser Zeit trug Konstantin der Große das Zeichen des Kreuzes heraus und zog gegen Maximian in den Krieg und trieb ihn in die Flucht. Auf dem Rückzug nach Rom ließ ihn Gott der Allmächtige im Fluss ertrinken, ihn und sein Heer. Und so herrschte Konstantin über Rom und über alle Gebiete im Osten wie im Westen. Im 19. Jahr seiner Herrschaft wurde er gläubig und wurde getauft. Seine Herrschaft dauerte 50 Jahre. Und bevor er den Glauben angenommen hat, stand er für 18 Jahre im Gehorsam Diokletians. Nachdem er den Glauben angenommen hat, herrschte er noch für 32 Jahre. Während seiner Herrschaft ging seine Mutter Helena nach Jerusalem. Dort brachte sie das Kreuz und das Grab Christi ans Licht. Im 19. Jahr nach seiner Taufe versammelte sich in Nizäa die Synode der 318 Väter. Diese exkommunizierten Arius und entfernten ihn aus der Gemeinschaft der Kirche samt allen, die seiner Meinung folgten. Und sie legten das aufrichtige Glaubensbekenntnis fest, das bis zum heutigen Tag in den Kirchen rezitiert wird. Möge Gott uns ihren heiligen Segen und Gebet gewähren. Amen. 532
Maqsīmiyānūs ibnuhu. wa-lammā māta ab[ū]hu malaka baʿdahu sanatan wāḥidatan wa-faʿala š-šurūra wa-l-kufra akṯara mā kāna yafʿalu abūhu. wa-ʿamila ʿalā iḫrāği qusṭanṭīn min mamlakatihi. wa-fī s-sanati ssābiʿata-ʿašara min mulki qusṭanṭīn al-kabīri ẓahara lahu fī l-manāmi ʿalāmatu ṣ-ṣalībi samiʿa ṣawtan yaqūlu lahu: iḥmil hāḏā l-miṯāla taġlibu aʿdāʾaka. wa-li-l-waqti kašafa ʿan hāḏā l-amri fa-ʿarrafahu kahanatu nnaṣārā bi-sirri ṣ-ṣalībi l-muqaddasi. 532 Wa-li-waqti ḥamala qusṭanṭīn al-kabīru miṯāla ṣ-ṣalībi wa-ḫarağa li-muḥārabati maksīmiyānūs wa-nhazama quddāmahu. wa-ʿaddā ilā rūmīyata fa-ġarraqahu allahu taʿālā fī l-baḥri huwa wa-ʿasākirahu. wa531
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 259 f. 137r
Ibn ar-Rāhib
Ibn Baṭrīq
Sein Sohn Maqsīmiyānūs 1 Jahr 5798 Konstantin der Gläubige der Große 32 Jahre 5830
Maqsīmiyānūs und Maqsīminūs 9 Jahre 5806 Konstantin der Große
[…]
[…]
32 Jahre 5838
al-Manbiğī
Epiphanius
Sūrus
Maksīmiyānūs
[…]
1 Jahr 5813 Konstantin der Große 32 Jahre 5845
[…]
9 Jahre 5806 Konstantin der Große der Gläubige 32 Jahre 5838
Al-Manbiğī sagt: Konstantin der Große starb am Sonntag im 632. Jahr nach Alexander, am 22. August. Er war 65 Jahre alt. Al-Manbiğī wiederum sagt, dass Konstantin im 617. Jahr nach Alexander König wurde [vgl. alManbiğī, Ed. Vasiliev, PO 7, 539,10 und 564,10f].
Auch wenn Ibn ar-Rāhib nur stichwortartig über die einzelnen Herrscher berichtet, erkennt man noch den Einfluss der einen oder anderen Quelle. Der Eintrag zu Diokletian (143) scheint sich z.B. vor allem auf al-Manbiğī zu stützen, um dann aber für die Angabe der Herrschaftsjahre Ibn Baṭrīq als glaubwürdigeren Zeugen zu beanspruchen. 533 Schwieriger ist es hingegen, einen klaren Durchblick beim Eintrag zu Maximian (144) und vor allem zu Konstantin (145) zu bekommen. Schon der von Ibn ar-Rāhib
malaka qusṭanṭīn rūmīyata wa-sāʾira l-arḍi šarqan wa-ġarban. wa-fī s-sanati t-tāsiʿata ʿašara mulkihi āmana wa-ʿtumida. fa-ğumlatu mulkihi ḫamsīna sanatan. minhā qabla l-imāni wa-taḥta ṭāʿati dīqlīṭiyānūs ṯamāniyata ʿašara sanatan wa-baʿda l-imāni iṯnāni wa-ṯalāṯūna sanatan. wa-fī ayyāmihi maḍat hīlāna ummuhu ilā bayti l-maqdisi. wa-ẓharat ʿūda ṣ-ṣalībi wa-l-maqbarata. wa-fī s-sanati t-tāsiʿata ʿašara munḏu āmana wa-ʿtumida kāna l-mağmaʿu lmuqaddasu ṯ-ṯalāṯu-miʾatin wa-ṯamāniyata-ʿašara bi-niqīyata. wa-ḥramū ariyūs wa-bʿadūhu wa-kulla man yaqūlu bi-qawlihi wa-qarrarū l-imānata lmustaqīmata l-latī tuqraʾu fī kanāʾisi n-naṣārā ilā yawminā hāḏā. razaqanā allahu bi-barakātihim wa-ṣalawātihim al-muqaddasati amīn. 533 al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 537,6 geht – wie von Ibn ar-Rāhib selber in der synoptischen Tabelle angegeben – von einer zwanzigjährigen Herrschaft Diokletians aus.
260
CONSTANTINUS ARABICUS
genannte Maximian ist missverständlich. Von der Ausschreibung seines Namens her (maqsīmiyānūs bzw. maksīmiyānūs) könnte man sowohl an Maximianus Herculius, den Vater des Maxentius, als auch an Galerius Maximianus denken. Er wird aber von Ibn arRāhib als Sohn Diokletians angegeben. Diese unübersichtliche Lage lässt sich am besten dadurch erklären, dass der Chronist versucht, mehrere Berichte zu harmonisieren, darunter eben auch den Bericht aus Ibn Baṭrīq über den Krieg zwischen Konstantin und Galerius. 534 Die Kreuzesvision wiederum könnte eine stark komprimierte Form des Berichtes aus al-Manbiğī sein, der – wie oben gesehen – sehr ähnlich über die Nachtvision berichtet. 535 Für den Eintrag zur Regierung Konstantins ist es schwierig, mögliche Quellen auszumachen. Während al-Manbiğī von einer 33–jährigen und Ibn Baṭrīq von einer 32–jährigen Herrschaft Konstantins ausgeht, fügt Ibn ar-Rāhib noch eine 18–jährige Herrschaft hinzu, die er sub Diocletiano ausgeübt hätte. 536 Die Übereinstimmung mit dem Text al-Manbiğīs bei der Angabe des Todestages Konstantins in der speziell angefügten Leiste unterhalb der Königsliste (f. 137r) zeigt jedenfalls, dass Ibn ar-Rāhib al-Manbiğī besonders viel Glaubwürdigkeit schenkt. 537 Ob und im welchem Maße neben diesen zwei melkitischen Autoren auch andere Quellen verwendet worden sind, wird sich mit weiteren textkritischen Arbeiten am Text dieses Chronisten noch zeigen müssen. 538 Diese wenigen Beobachtungen zeigen, wie Ibn ar-Rāhib darum bemüht war, aus den unterschiedlichen Versionen und Datierungssystemen, die meistens auf Geschichtsschreiber anderer 534 535
541,1.
Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 189. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 540,11f und
Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 539,10 bzw. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 202. 537 Die divergierenden Jahresangaben bei der Bestimmung des Herrschaftsantrittes und des Todes sind wohl durch die Überlieferung von Schreibfehlern zu erklären. 538 Das könnte vor allem für (Ps.)-Epiphanius gelten, von dem Spuren eines Geschichtswerkes geblieben sind. Vgl. Graf, GCAL I, 203, 212 und 258. 536
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 261 Konfessionen zurückgehen, eine eigene Synthese zu finden. Er markiert also eine wichtige Etappe in der Entwicklung der arabischen Geschichtsschreibung. Spätestens mit diesem koptischen Chronisten ist die christlich-arabische Geschichtsschreibung also in der Lage, sich selbst zum Ausgangspunkt historiographischer Reflexionen zu machen. Das Programm des Geschichtsschreibers, unterschiedliche arabischchristliche Quellen zu synchronisieren, scheint aber vor allem auf der Ebene der Chronologie umgesetzt worden zu sein. Mit Hinblick auf die inhaltliche Ebene zeigt die Fortsetzung der römischen Geschichte, dass Ibn ar-Rāhib weiterhin an der Wiedergabe einer koptischen Perspektive interessiert war. So erklärt er im Abschnitt über Theodosius II (154) sowohl den Kaiser als auch das Konzil von Ephesos als jakobitisch, da die melkitische Glaubenslehre erst mit dem Konzil von Chalkedon erschienen sei. 539 Im folgenden Abschnitt über Markian (155) wirft er dem Kaiser vor, Nestorios sogar aus der Verbannung in Ägypten zurückgebracht zu haben, wäre dieser nicht vorzeitig im Exil gestorben. 540 Das Glaubensbekenntnis von Nizäa erscheint in diesem Licht also als dasjenige Kriterium der Wahrheit, von dem sich anschließend sowohl Nestorianer als auch Melkiten abgewandt hätten. Für die Geschichte des ersten Konzils aber, und darum auch für die Geschichte des ersten christlichen Kaisers, war es daher nicht abträglich, sich der Darstellung zweier melkitischen Autoren anzuvertrauen. Interessant wird es nun zu fragen, wie der Text Ibn ar-Rāhibs selber von späteren Autoren aufgenommen worden ist, an erster Stelle von Ibn al-ʿAmīd. Im Vergleich zu Ibn ar-Rāhib lässt sich beobachten, dass er das Layout seines Vorgängers aufgibt und stattdessen die Informationen aus den Königslisten (fila regnorum) und die historischen Berichte (spatium historicum) wieder in einen einzigen Text einfließen lässt. Die Einteilung der Texteinheiten folgt aber weiterhin dem Aufbau Ibn ar-Rāhibs. Die nummerierten Abschnitte zu Diokletian (143), Maximian (144) und Konstantin (145) werden dafür mit weiterem Material aus unterschiedlichen 539 540
Vgl. Berl. or. fol. 434, f. 139v. Vgl. ebd.
262
CONSTANTINUS ARABICUS
Quellen ergänzt. Immer wieder greift Ibn al-ʿAmīd dabei selber auf die beiden melkitischen Geschichtsschreiber zurück, die auch von Ibn ar-Rāhib benutzt worden sind. 541 Die narrativen Abschnitte stimmen in den beiden Handschriften bis in die Wortwahl überein. Erst eine kritische Edition wird hier helfen, zu bestimmen, ob die wenigen Abweichungen einer bestimmten Rezension zuzuordnen sind oder ob sie als textkritische Varianten abgebucht werden können. Die gröberen Unterschiede betreffen andere Aspekte des Werkes. Par. Arab. 4524 lässt an manchen Stellen ganze chronologische Exkurse aus. 542 Gegebenenfalls wird auch die Reihenfolge der Erzähleinheiten geändert. So gibt Ibn al-ʿAmīd in Par. Arab. 4524 Ibn Baṭrīqs Erzählung über die Kindheit und über die Flucht Konstantins nach Byzanz im Abschnitt über Diokletian wieder (143), während er in Par. Arab. 294 die gleiche Erzählung noch in den Abschnitt über Maximian (144) einfügt. 543 Auch im Einzelnen machen die Berichte zu Konstantin den Eindruck, mehrere Quellen miteinander zu Verflechten, wie man bei der Einführung zum Textabschnitt über Konstantin aus Par. Arab. 294 sehen kann, die aus den entsprechenden Informationen aus Ibn Baṭrīq und Ibn ar-Rāhib zusammengeflickt wurde: Konstantin, Sohn des Constantius, Sohn des Valentius, Sohn des Erasmius, Sohn des Decius, Sohn des Claudius, der über Rom herrschte in den Tagen der Apostel. Dieser herrschte für 18 Jahre über Byzanz und 32 Jahre über Rom und regierte somit für insgesamt 50 Jahre. 544
541 Dasselbe
wurde schon von Sidarus, Ein koptisch-arabischer Enzyklopädist, 45 beobachtet. 542 Zu nennen ist die lange Bischofsliste aus Par. Arab. 294, f. 211r– 211v oder die Angaben der Dauer der einzelnen Exile des Athanasius in Par. Arab. 294, f. 214v. 543 Vgl. Par. Arab. 4524, f. 93v,8–14 bzw. Par. Arab. 294, f. 208v und Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 185. Bei Ibn al-ʿAmīd ist die Erzählung stringenter gehalten, es bleiben aber dennoch einige Formulierungen, die wörtlich übereinstimmen. 544 Par. Arab. 294, f. 210v,3–6: Qusṭanṭīn ibn qusṭas ibn wālinṭus ibn armīs ibn diqiyūs ibn qlūdiyūs al-maliku l-laḏī kāna ʿalā rūmīyata fī ayyāmi
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 263 In Par. Arab. 4524 hingegen wird die Konstantingeschichte ohne diese genealogische Präzisierung eingeführt: König Konstantin der Gläubige, der Sohn des Constantius, herrschte für 50 Jahre über Byzanz. Davon herrschte er nach seinem Vater 26 Jahre lang über Byzanz und 24 Jahre über das Königreich Rom nach Maximian. 545
Analog zu dieser einführenden Notiz wird der Bericht über die Schlacht an der milvischen Brücke aus den einschlägigen Berichten al-Manbiğīs und Ibn Baṭrīqs neu komponiert. Während die erzählerische Umrahmung der Kreuzesvision aus Ibn Baṭrīq entnommen ist, ersetzt Ibn al-ʿAmīd seine Notiz über die Tagesvision mit derjenigen über die Nachtvision aus al-Manbiğī: Die Bevölkerung Roms hörte, dass Konstantin in Byzanz mit viel Rechtschaffenheit und Wohltätigkeit herrschte und dass die Menschen in Byzanz in Frieden lebten. Darum schrieben sie ihm, damit er sich zu ihnen begebe und sie von der Knechtschaft Maximians befreie. Konstantin versammelte die Oberen seines Reiches und informierte sie über das Schreiben der Bevölkerung Roms. Er sammelte ihre Ansichten über die gegen Maximian erforderlichen Maßnahmen und über die militärische Einnahme seines Landes. In jener Nacht sah der König Konstantin in seinem Traum Sterne am Himmel in der Form eines Kreuzes und eine Stimme sagte ihm: „Benutze dieses als Zeichen und du wirst über deinen Feind siegen.“ Er informierte daraufhin die Großen seines Reiches über die Vision, die ihm widerfahren ist. Diese empfahlen ihm, vom Zeichen des Kreuzes, das er am Himmel gesehen hatte, ein Abbild zu machen, was er auch tat. Er machte sich danach mit
l-ḥawārīna. wa-hāḏā malaka bizanṭīyata ṯamāniya-ʿašarata sanatan wamalaka ʿalā rūmata iṯnayni wa-ṯalāṯīna li-takmilati ḫamsīna sanatan. Vgl. auch Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Breydy, CSCO 471, § 190. 545 Par. Arab. 4524, f. 95r,18–20: Qusṭanṭīn ibn qusṭas al-maliku lmuʾminu malaka ḫamsūna sanatan minhā ʿalā bizanṭīyata baʿda abīhi sittatun wa-ʿišrūna sanatan wa-ʿalayhā wa-ʿalā mamlakati rūma baʿda maqsīmiyānūs arbaʿatun wa-ʿišrīna sanatan.
264
CONSTANTINUS ARABICUS seinem Heer auf und zog aus, um gegen Maximian zu kämpfen, den König der Römer. Als Maximian davon hörte, machte er sich bereit, riegelte sein Land durch Befestigungen ab, baute eine große Brücke über den Fluss, der vor Rom fließt, und zog mit seinem Heer von Rom aus, um gegen Konstantin zu kämpfen. Gott gab Konstantin den Sieg über ihn [sc. Maximian]. Er vernichtete ihn und zerschlug sein Heer und tötete viele unter ihnen. Die übrig gebliebenen flohen über die Brücke nach Rom. Sie überluden sie aber, worauf sie unter ihnen zerbrach. Sie alle ertranken und der Fluss füllte sich mit den Toten und auch Maximian der König ertrank. Die Bevölkerung Roms ging daraufhin aus der Stadt und empfing Konstantin mit Jubel und Freude. 546
Der daraufhin eröffnete Abschnitt über Konstantins Herrschaft fährt dann, weiterhin mit Ibn Baṭrīq parallel laufend, mit dem
Par. Arab. 4524, f. 95r,4–15 [vgl. Par. Arab. 294, f. 210r,6–22]: Wa-samiʿa ahlu rūmīyata anna qusṭanṭīn malaka bizanṭīyata annahu wakaṯīra l-ʿadli wa-l-iḥsāni wa-anna ahla bilādihi fī hudūʾ wa-salāmatin. fakatabū ilayhi an yaḥḍura ilayhim wa-yuḫalliṣahum min ʿubūdīyati maqsīmiyānūs. fa-ğamaʿa akābira mamlakatihi wa-ʿlamahum bi-mā kataba bihi ahlu rūmīyata ilayhi. fa-ğtamaʿa raʾyahum ʿalā qaṣdi maqsīmiyānūs wa-aḫḏi bilādihi. wa-fī tilka l-laylati raʾā qusṭanṭīn al-maliku fī nawmihi kawākiban fī s-samāʾi ʿalā miṯāli ṣ-ṣalībi wa-qāʾilun yaqūlu lahu: aʿmil hāḏihi lʿalāmata tantaṣiru ʿalā ʿadūwika. fa-ʿlama akābira dawlatihi bi-r-ruʾyā faašārū ʿalayhi an yaʿmala miṯāla ṣ-ṣalībi l-laḏī raʾāhu fī s-samāʾi fa-ʿamilahu. wa-yağharu bi-ʿasākirihi wa-ḫarağa li-muḥārabati maqsīmiyānūs maliki rrūmi fa-lammā samiʿa maqsīmiyānūs istaʿadda wa-ḥaṣṣana baladahu waʿamila ğisran ʿaẓīman ʿalā n-nahri l-laḏī quddāma rūmīyata wa-ḫarağa biʿasākirihi li-muḥārabati qusṭanṭīn fa-naṣara allahu qusṭanṭīn ʿalāyhi fakassarahu wa-kasara ʿasākirahu wa-qatala minhum maqtalatan ʿaẓīmatan wa-haraba l-bāqūna li-yaʿburū ʿalā l-ğisri ilā rūmīyata fa-zdaḥamū ʿalayhi fa-nqaṭaʿa bihim al-ğisru fa-ġariqū wa-mtalaʾa l-baḥru mina l-mawtā waġariqa maqsīmiyānūs al-maliku ayḍan. fa-ḫarağa ahlu rūmīyata wa-ltaqū qusṭanṭīn al-malika bi-l-faraḥi wa-s-surūri. 546
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 265 Bericht über den Krieg gegen Licinius fort. 547 Auch Ibn al-ʿAmīd schließt dabei diesen Bericht mit der Bemerkung, dass sich Konstantin im zwölften Jahr seiner Herrschaft hat taufen lassen. Angesichts der für den koptischen Geschichtsschreiber zugänglichen Quellen ist es nennenswert, dass die Silvesterlegende hingegen mit keinem Hinweis angedeutet wird. Ausführlicher wird jedoch die Kreuzesauffindungslegende wiedergegeben, die bei Ibn ar-Rāhib nur kurz angedeutet wird und die Ibn al-ʿAmīd erneut aus Ibn Baṭrīq entnimmt. 548 Im Unterschied zum melkitischen Geschichtsschreiber tritt nun aber die Person des Judas-Kyriakos gänzlich zugunsten des Bischofs von Jerusalem zurück. Neu gegenüber der Vorlage ist auch die Bemerkung, dass Helena Gold im Schutthügel versteckt habe, damit er von den Einwohnern Jerusalems abgetragen werde. Die zwar oberflächlichen aber immer noch gut erkennbaren Anspielungen auf die Judas-Kyriakos-Legende sind auch dem Kopisten von Par. Arab. 294 nicht entgangen, der in Form einer Glosse (ḥāšīya) präzisiert, dass „der Geschichtsschreiber [sc. Ibn alʿAmīd] mit der Geschichte der Juden (Taʾrīḫ as-Sāmira) übereinstimmt,“ wonach einer der Juden „von seinem Vater in den Ort eingeweiht worden ist, an dem sich das Kreuz befand.“ 549 Auch der Bericht über das Konzil von Nizäa verläuft sehr nahe an Ibn Baṭrīq und weicht nur in Details von seiner Vorlage ab. 550 Dadurch reiht sich auch Ibn al-ʿAmīd in die Liste derjenigen Geschichtsschreiber ein, die sich (direkt oder indirekt) am Konzilsbericht des Maruta orientieren. Zu nennen sei hier vor allem die Tatsache, dass die den Konzilsvätern zugeschriebene Gesetzessammlung nun als „Buch der Kanones der Könige und der Kirche“ (Kitāb qawānīn al-mulūk wa-qawānīn al-kanīsa) bezeichnet Vgl. Par. Arab. 294, ff. 210v–211r und Par. Arab. 4524, f. 95v,1– 11. Während Par. Arab. 294, f. 210v auch das Martyrium der 40 Märtyrer von Sebaste übernimmt, wird es von Par. Arab. 4524 ausgelassen. 548 Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 129,6– 130,6; Par. Arab. 294, ff. 213v–214v und Par. Arab. 4524, ff. 97r–97v. 549 Par. Arab. 294, ff. 214r,18–214v,2. 550 Vgl. Ibn Baṭrīq, at-Taʾrīḫ al-mağmūʿ, Ed. Cheikho, CSCO 50, 124– 128; Par. Arab. 294, ff. 211r–213r und Par. Arab. 4524, ff. 95v–96v. 547
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wird. 551 Damit will der Verfasser zum einen zu verstehen geben, dass die Konzilsväter sowohl zivilrechtliche (Kitāb qawānīn al-mulūk) als auch kirchenrechtliche (Kitāb qawānīn al-kanīsa) Bestimmungen erließen. Zum anderen könnten diese Bezeichnungen auch jüngste Entwicklungen in der Geschichte der koptischen Rechtsliteratur andeuten, so z.B. die in der Zwischenzeit zusammengestellte Gesetzessammlung des Kopten aṣ-Ṣafī ibn al-ʿAssāl (gest. vor 1260), die mit dem Titel „Kanones der Könige“ (qawānīn al-mulūk) überliefert wurde und dem Konzil von Nizäa zugeschrieben wurde. 552 Im Unterschied zu seinem Vorgänger Ibn ar-Rāhib zeichnet sich Ibn al-ʿAmīds weitere Behandlung der Konzilsgeschichte durch den Versuch aus, die christologischen Streitigkeiten des 5. Jh. mit einer gewissen Distanziertheit zu betrachten. Auch darin unterscheidet er sich von seiner ersten Rezension, in welcher die koptische Perspektive zwischen den Zeilen immer wieder durchscheint. 553 Im längeren Abschnitt über Theodosius II fällt jedenfalls auf, dass der koptische Geschichtsschreiber dem Bericht al-Manbigīs folgend den in Konstantinopel wirkenden monophysiten Eutyches auf der zweiten Synode von Ephesos durch Dioskoros selbst verurteilen lässt. 554 Im Unterschied zu Ibn ar-Rāhib ist Ibn al-ʿAmīd auch nicht daran interessiert, das Konzil von Chalkedon als Abfall vom jakobitischen Glaubensbekenntnis darzustellen. Der einschlägige Abschnitt über die theologischen Streitigkeiten am Konzil läuft hingegen eher darauf hinaus, die bis in die Tage des Geschichtsschreibers wirkende Trennungslinie zwischen Melkiten und Jakobiten zu erklären. 555 Die restlichen Abschnitte decken dann noch die übrigen Themen der Konstantingeschichte ab, die bei den beiden Vgl. Par. Arab. 294, f. 212v, 21f und Par. Arab. 4524, f. 96v,8f. Vgl. Leder, Stefan: Die arabische Ecloga: Das vierte Buch der Kanones der Könige aus der Sammlung des Makarios (Forschungen zur Byzantinischen Rechtsgeschichte, 12), Frankfurt a.M. 1985, 2f und Graf, GCAL I, 618– 20. 553 Vgl. Diez, „Antiquités gréco-romaines“, 133. 554 Vgl. Par. Arab. 4524, ff. 105v–106r. 555 Vgl. Par. Arab. 4524, f. 107r–v. 551 552
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 267 melkitischen Geschichtsschreibern behandelt werden. Aus alManbiğī übernimmt Ibn al-ʿAmīd den Bericht über die Überführung der von den Juden verfälschten Bibel. 556 Aus Ibn Baṭrīq übernimmt er hingegen den Bericht über die Judenverfolgung in Jerusalem. 557 Auch zu erwähnen ist in dieser Hinsicht aber vor allem das Dossier zu Athanasius, welches der koptische Geschichtsschreiber im Kontext der Konstantingeschichte zusammenstellt. Mittelpunkt ist dabei vor allem Ibn Baṭrīqs Bericht über die Synode von Tyros. 558 Die Bezeichnung des Athanasius mit dem Ehrentitel „Apostel“ (rasūl) und die Erwähnung der von ihm erlittenen Verfolgungen und Exile in den ersten Zeilen dieser Dokumentation sind hingegen aus dem Abschnitt zu Athanasius im 50. Kapitel des Kitāb at-Tawārīḫ Ibn arRāhibs entnommen. 559 In diesem Kontext fällt auch eine kürzere Textpassage auf, die Ibn al-ʿAmīd einem „Papst von Rom“ (bābā rūmīya) zuschreibt, in welcher die Bekehrung der Mutter des Athanasius erwähnt wird. 560 Da über dieses Detail aus der Kindheitsgeschichte des Patriarchen in den Biographien der heiligen Kirche ausführlich berichtet wird, ist wohl zu vermuten, dass der koptische Geschichtsschreiber dieses Werk als Quelle verwendete. 561 Diese sorgsame Einarbeitung der Biographien der alexandrinischen Patriarchen in den breiteren Rahmen der politischen Geschichte Roms zeigt aber, dass die zwei hier behandelten koptischen Geschichtsschreiber ein anderes Ziel als die Kompilatoren der stets wachsenden Biographien-Sammlung verfolgten, vielleicht auch angesichts der institutionellen Krise des Patriarchats. Gerade der Fall des oben genannten Patriarchen Vgl. Par. Arab. 294, f. 216r–v und Par. Arab. 4524, f. 98v. Vgl. Par. Arab. 294, f. 216v und Par. Arab. 4524, f. 98v. 558 Vgl. Par. Arab. 294, ff. 214v–216r und Par. Arab. 4524, ff. 97v– 556 557
98v.
559 Vgl. Berl. or. fol. 434, f. 187v; Par. Arab. 294, f. 214v,8–15 und Par. Arab. 4524, f. 97v,12–15. 560 Vgl. Par. Arab. 294, f. 215r,1–4 und Par. Arab. 4524, f. 97v,16f. 561 Vgl. History of the Patriarchs of the Coptic Church of Alexandria, Ed. Evetts, PO 1, 407f.
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Kyrillos III (gest. 1243), der sich sein Amt bei den herrschenden Eliten erkaufte und die koptische Kirche darum einer mehrere Jahrzehnte dauernde Zerreißprobe aussetzte, zeigt, wie stark die politischen Entwicklungen jener Zeit die christliche Gemeinschaft schwächen konnten. 562 Ibn ar-Rāhib und Ibn al-ʿAmīd verkörpern in diesem Kontext eine Geschichtsschreibung, die über eine selbstreferenzielle Darstellung der Geschichte der koptischen Patriarchen hinausgeht, die die Geschichte sowohl der vorislamischen Völker als auch der islamischen Dynastien zu ihrem Gegenstand machte, und die sich vor allem der Methodik und den Anforderungen der historiographischen Disziplin als solche verpflichtet fühlte.
10. IBN AL-ʿIBRĪ UND DIE WESTSYRISCHE GESCHICHTSSCHREIBUNG
Dass die westsyrische Kirche ein distanziertes Verhältnis zur Geschichte Roms hatte, zeigt sich am Beispiel eines apologetischen Traktates Dionysius bar Ṣalībīs (gest. 1171), das er an einen Glaubensgenossen richtete, der im Begriff war, zur melkitischen Kirche zu konvertieren. 563 Gerade die Ausstrahlungskraft Konstantinopels scheint dabei eine Rolle für diese Entscheidung gespielt zu haben. Immerhin konnte sie sich rühmen, Hauptstadt eines christlichen Reiches mit einem christlichen König zu sein. Der monophysitische Bischof musste darum gute Argumente finden, um den Enthusiasmus seines Glaubensgenossen einzudämmen: Konstantinopel sei zu den Zeiten des biblischen Königs Manasse von Heiden erbaut worden und erst durch Konstantins Neugründung zu Ruhm und Ehre gekommen. Dennoch überstrahlt sie nicht den Ruhm und den Reichtum Bagdads oder Kairos. 564 Auch die Kreuzesreliquie habe sich Vgl. dazu Werthmuller, Kurt, J.: Coptic Identity and Ayyubid Politics in Egypt: 1218–1250, Cairo 2010, 55–74. 563 Vgl. Barsalibi’s Treatise against the Melchites, hg. und übers. von A. Mingana I, 64–92 (Text), 17–63 (Übers.). Siehe dazu auch demnächst Jack Tannous, „Romanness in the Syriac East“. 564 Vgl. Barsalibi’s Treatise against the Melchites, Übers. Mingana I, 41f. 562
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 269 ursprünglich nicht in Konstantinopel, sondern in Jerusalem befunden, und eine Zeit lang wurde sie sogar in Persien aufbewahrt. 565 Aus rein konfessionellen Gründen ist es also eher kontraintuitiv, dass sich Geschichtsschreiber wie Michael der Syrer so ausführlich mit der Geschichte Roms befasst haben. Neben der koptischen produzierte nämlich auch die westsyrische Historiographie bedeutende Werke der Weltgeschichtsschreibung. Im Unterschied zu den ersteren setzten westsyrische Autoren aber weiterhin bzw. erneut auf die syrische Sprache. Zu nennen sind in dieser Hinsicht Michael der Syrer (gest. 1199), der anonyme Autor von Chronicon 1234 und Ibn al-ʿIbrī, im Westen als Barhebräus bekannt (gest. 1286). 566 Arabischsprachige Geschichtswerke sind uns mit der Ausnahme Ibn al-ʿIbrīs arabischer Überarbeitung seines Chronicon Syriacum nicht erhalten geblieben. Sein historiographisches Werk eignet sich also gut dafür, zu veranschaulichen, ob und wie der Übergang von der syrischen zur arabischen Sprache den Blick in die Geschichte veränderte. Dass Ibn al-ʿIbrī bereits auf eine auch in den westsyrischen Kirchen lange beheimatete historiographische Tradition zurückblicken kann, zeigt der Abschnitt, mit dem Michael der Syrer die Konstantingeschichte einführt, welche innerhalb seiner mehrbändigen Universalgeschichte die ersten drei Kapitel des siebten Buches füllen: 567 Vgl. Barsalibi’s Treatise against the Melchites, Übers. Mingana I, 42. Zu diesen Autoren vgl. vor allem Weltecke, Dorothea: „A Renaissance in Historiography? Patriarch Michael, the Anonymous Chronicle ad a. 1234, and Bar ʿEbrōyō“, in: Teule, Herman u.a. (Hg.): The Syriac Renaissance (Eastern Christian Studies, 9), Leuven 2010, 95–111. 567 Michael der Syrer, Chronicon, hg. und übers. von Chabot, Chronique de Michel le Syrien: Patriarche Jacobite d’Antioche (1166–1199), 4 Bde., Paris 1899–1924. Für die Herrschaft Konstantins vgl. Bd. 4, 121–134 (Text) und Bd. 1, 239–265 (Übersetzung). Zu Michael dem Syrer vgl. Weltecke, Dorothea: Die „Beschreibung der Zeiten“ von Mōr Michael dem Grossen (1126– 1199): Eine Studie zu ihrem historischen und historiographischen Kontext, CSCO 594/Sub. 110, Leuven 2003, für eine tabellarische Übersicht über den Inhalt aller 21 Bücher vgl. ebd., 127f. 565 566
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CONSTANTINUS ARABICUS Wisse genau, o Leser, der die Wahrheit liebt und um die Genauigkeit besorgt ist, dass, da viele Autoren von dem Beginn des gläubigen Königs Konstantins den Beginn ihrer Schriften gesetzt haben – so Sokrates und Johannes von Asien, auch Theodoret, jener, der außerhalb unserer Kirche ist, und Ignatius von Melitene –, wir aber dieses Buch bei dem Beginn der Welt begonnen haben, wir bis hierher in diesem Gewebe aus alten Büchern wie zum Beispiel Eusebius zusammengestellt und gesammelt haben, von hier aber und weiter auch von jenen in dem Gewebe zusammengebracht haben, die den Anfang in dieser Zeit setzen. 568
Die Konstantingeschichte stellte für Michael den Syrer also eine quellentechnisch wichtige Zäsur dar. Das war vor allem durch die Tatsache bedingt, dass viele seiner Vorlagen erst ab der Herrschaft Konstantins einsetzten. Die „webende“ Komposition seines Geschichtswerkes macht es wohl unmöglich, einzelne Quellen von anderen abzugrenzen. Hinzu kommt die Tatsache, dass Michael seinen Text in Form eines Dreispalten-Layouts aufgliedert, das die Politikgeschichte (Mittelspalte) von der Kirchengeschichte und einer als „Varia“ zu bezeichnenden Sektion zu trennen versucht (jeweils linke und rechte Spalte). 569 Dadurch ist er also gezwungen, seine Vorlagen aufzusprengen. Zwei der hier genannten Namen dürften aber vieles an Material für die Konstantingeschichte hergegeben haben, und zwar Johannes von Asien (i.e. Johannes von Ephesos) und Ignatius von Melitene. Vom erstgenannten Geschichtsschreiber ist uns der betreffende erste Teil seines Werkes nicht mehr erhalten, weshalb man die Passagen, die ihm von Michael zugeschrieben werden, nicht mehr nachprüfen kann. 570 Ähnliches ist zu Ignatius von Melitene (gest. 1095) zu sagen, der als syrisch-orthodoxer Metropolit in einer Stadt amtierte, die im elften Jahrhundert wieder unter byzantinischer Michael der Syrer, Chronicon, Ed. Chabot IV, 121 (Übers. in: Weltecke, Beschreibung der Zeiten, 138). 569 Vgl. Weltecke, Beschreibung der Zeiten, 163–178. 570 Zu Johannes von Ephesos vgl. Van Ginkel, Jan: John of Ephesos: A Monophysite Historian in Sixth-Century Byzantium, Groningen 1995. 568
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 271 Schutzherrschaft stand, und der sein Geschichtswerk darum als Geschichte der byzantinischen Kaiser ab Konstantin und des Patriarchats von Antiochien anlegte. 571 Von diesem entnimmt Michael zu Beginn von Buch VII eine Passage über die wechselnden Machtverhältnisse der Tetrarchie von Diokletian bis zur Alleinherrschaft Konstantins. 572 Wie oft Michael für die Konstantingeschichte tatsächlich auf Ignatius zurückgreift, kann nicht genau bestimmt werden. Allerdings ist es gut möglich, dass gerade die vielen Sokrates-Exzerpte – so zum Beispiel im dritten Kapitel von Buch VII (Bibelauftrag an Eusebius, Bekehrung der Inder und Iberer, Kirchenbau in Mamre und Baalbek und schließlich die kurze Notiz über die Taufe während seines Aufenthaltes bei Nikomedien kurz vor seinem Tod) – aus dem Werk des Ignatius entnommen worden sind. 573 In der verloren gegangenen Chronik des Dionysius hingegen hat sich wohl auch die längere Schilderung der Gründung Konstantinopels durch Byzas befunden, die wortgleich sowohl von Michael, der seine Quelle zu Beginn des Kapitels angibt, und von Chronicon 1234 wiedergegeben wird. 574 Der kompositorische Charakter der Chronik Michaels macht es schließlich auch notwendig, darauf hinzuweisen, dass die nicht genannten Quellen eine ebenso tragende Rolle im Gesamtaufbau spielen. 575 571
134n.
Vgl. zu seiner Person und Werk Weltecke, Beschreibung der Zeiten,
Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Übers. Chabot I, 239. Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Übers. Chabot I, 258–260. Während Michael Sokrates stark abkürzt und mit einigen kommentierenden Bemerkungen ergänzt, bleibt Chronicon 1234 deutlich näher an der Vorlage des Sokrates, weshalb es für die einschlägigen Abschnitte wahrscheinlich ist, dass sich Michael und die anonyme Chronik eine gemeinsame Quelle teilen. Vgl. Chronicon 1234, Übers. Chabot, CSCO 109, 116–119. 574 Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Übers. Chabot II, 483 und 486– 488 und Chronicon 1234, Übers. Chabot, CSCO 109, 113f. 575 Vgl. Weltecke, Beschreibung der Zeiten, 144f. Aus einer von diesen dürfte er auch Material entnommen haben, das er mit al-Manbiğī gemeinsam hat. Auffällig sind diese Übereinstimmungen vor allem bei der 572 573
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Einige Jahrzehnte später ist dann auch Bar ʿEbrōyō, auf Arabisch als Abū al-Farağ ibn al-ʿIbrī bekannt, in die Fußstapfen Michaels getreten. 576 Er stammte aus einer gut begüterten Familie, studierte in Melitene, Antiochien, Damaskus und Tripolis Medizin und Philosophie, und zwar sowohl auf Syrisch als auch auf Arabisch, wurde mit nur 20 Jahren zum Bischof geweiht, und 1264 – nach einer kurzen Gefangenschaft in Aleppo nach dem Einmarsch der Mongolen – zum Maphrian ernannt, also zum Vorsteher der syrisch-orthodoxen Kirche im mongolischen Herrschaftsgebiet. Daraufhin verlegte er sein Wirkungszentrum nach Maragha – eine Stadt, die während der Herrschaft der IlChanen zu einem wichtigen wissenschaftlichen Zentrum wurde und in welcher er mit islamischen Gelehrten wie Nāṣir ad-Dīn aṭṬūsī im Austausch stand. 577 Sein historiographisches Hauptwerk hat er auf Syrisch verfasst und setzt darum das Werk Michaels fort, den er oft als Quelle benutzt. 578 In zwei separaten Werken wird eine vor allem Berichterstattung über die Herrschaft Diokletians (Buch VI). Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Übers. Chabot I, 201f und al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 538f. Augenfällig sind vor allem die in beiden Werken aufeinanderfolgenden Bemerkungen über den Beginn der Zeitrechnung ab Diokletian, die Machtaufteilung zwischen Diokletian, Herculius, Maxentius und Konstantin, die Aufstände in Ägypten, die Erwähnung von Narses und Hormizd als Herrscher in Persien, die Verfolgung der Christen und die folgenschwere Hungersnot. Einzelne Mehrinformationen lassen dabei erkennen, dass diese Notizen nicht direkt aus al-Manbiğī entnommen worden sind, wie z.B. die bei Letzterem fehlende Bemerkung, dass Diokletian seine Tochter Diokletiana Herculius zur Frau gab. 576 Zu seiner Person und Werk wie auch zu weiterführender Bibliographie vgl. Teule, Herman. Art. „Barhebraeus“, in: CMR IV, 588– 609 und vor allem Takahashi, Hidemi: Barhebraeus: A Bio-Bibliography, Piscataway 2005. 577 Für eine Biographie vgl. Takahashi, Barhebraeus, 1–55. 578 Vgl. CMR IV, 600 und Conrad, Lawrence I.: „On the Arabic Chronicle of Barhebraeus: His aims and audience“, in: Parole de l’Orient 19 (1994), 319–78, hier 325.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 273 dynastisch aufgebaute Chronographie (Ktōbō d-maktbōnut zabnē) und eine Kirchengeschichte (Ktōbō d-eqlesiastiqi) aufgezogen. 579 Dass Ibn al-ʿIbrī diese voneinander getrennt behandelt, kann mit Denise Aigle als einen „historiographischen Grundsatzentscheid“ (choix Gerade die historiographique) bezeichnet werden. 580 Kirchengeschichte kann darum breiter ausgeführt und nach einem eigenständigen Konzept aufgebaut werden, indem die Geschichte der Patriarchen Antiochiens auf der einen Seite und die der Katholikoi des Ostens und der jakobitischen Maphriane auf der anderen je separat behandelt werden. Gerade der Einbezug der Geschichte der ostsyrischen Kirche zeigt damit die ökumenische Offenheit, für die Ibn al-ʿIbrī auch allgemein bekannt ist. 581 Neben diesen zwei syrischen Werken hat er auch eine arabische Chronik mit dem Titel al-Muḫtaṣar fī d-duwal („Zusammenfassung der Dynastien“) bzw. Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal („Zusammenfassung der Geschichte der Dynastien“) verfasst. 582 Auf der Grundlage des Zeugnisses von Ibn al-ʿIbrīs Bruder Barsawmō, das uns in der kirchlichen Chronik überliefert ist, wird herkömmlicherweise angenommen, dass Ibn al-ʿIbrī seine arabische Chronik auf Anfrage von muslimischen Zeitgenossen in Maragha kurz vor seinem Lebensende verfasst und als Vgl. Ktōbō d-maktbōnut zabnē (= Chronicon Syriacum), hg. von Bedjan, Paris 1890 (übers. von Ernest A. Wallis Budge, The Chronography of Gregory Abūʾl Faraj, 2 Bde., Oxford 1932) und Ktōbō d-eqlesiastiqi (= Chronicon ecclesiasticum), hg. und übers. von Abbeloos/Lamy, 3 Bde., Leuven 1872–78. Zu weiterführender Literatur vgl. CMR IV, 599–604. 580 Aigle, Denise: „Bar Hebraeus et son public à travers ses Chroniques en syriaque et en arabe“, in: Le Muséon 118 (2005), 87–107, hier 93. 581 Vgl. Takahashi, Barhebraeus, 47–53, vor allem 49f, und Teule, Herman: „Gregory Bar ʿEbrōyō and ʿAbdishoʿ Bar Brikhā: Similar but different“, in: Bruns, Peter und Luthe, Heinz Otto (Hgg.): Orientalia Christiana. Festschrift für Hubert Kaufhold zum 70. Geburtstag (Eichstätter Beiträge zum Christlichen Orient, 3), Wiesbaden 2013, 543–551, hier 547. 582 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, hg. von Salḥānī, Beirut 1890. Zu diesem Werk vgl. auch CMR IV, 608f und Takahashi, Barhebraeus, 301–313. 579
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Zusammenfassung der syrischen Chronik konzipiert hat. 583 Jüngere Forschungsbeiträge haben aber nachgewiesen, dass es sich bei alMuḫtaṣar fī d-duwal um ein eigenständiges Werk handelt, in welchem der Autor historiographisches und prosopographisches Material unterschiedlicher Herkunft verarbeitet und neu zusammensetzt. 584 Dies ist bereits in den einführenden Abschnitten zur Geschichte Roms erkennbar – welche nun als Geschichte der „Franken“ (ifranğ) umschrieben wird, obwohl die Geschichte Ostroms weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit bleibt. Im syrischen Text setzt Ibn al-ʿIbrī direkt mit der Herrschaft des Octavius Augustus an, der die Macht über das vorherige Reich der Griechen übernahm. 585 In der arabischen Version hingegen wird das Kapitel durch eine längere Beschreibung der räumlichen Ausdehnung des römischen Reiches eingeführt. Rom sei dabei die größte Stadt der damaligen Welt gewesen und wurde zur Hauptstadt der zwei Reiche der Griechen und der Römer, die unter Augustus vereint wurden, bis Konstantin eine neue Hauptstadt baute, die er nach seinem Namen benannte. 586 Die Konstantingeschichte fällt im Vergleich mit seinem Vorgänger Michael sowohl in der syrischen als auch in der arabischen Chronik deutlich kürzer aus und beschränkt sich auf Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon ecclesiasticum, Ed. Abbeloos/Lamy III, 467–469. Für zuverlässig gehalten wird diese Notiz noch von Teule, Herman: „Barhebraeus’ Syriac and Arabic secular Chronicles“, in: Ciggaar K. u.a. (Hg.): East and West in the Crusader States: Context – Contacts – Confrontations (Orientalia Lovaniensia Analecta, 75) Leuven 1996, 39–49, hier 49. 584 Vgl. vor allem Todt, Susanne R.: „Die syrische und die arabische Weltgeschichte des Bar Hebraeus: Ein Vergleich“, in: Der Islam 65 (1988), 60–80, Conrad, „Arabic Chronicle“; Aigle, „Public“; und Micheau, Françoise: „Biographies de savants dans le Mukhtasar de Bar Hebraeus“, in: Ders. (Hg.): L’Orient chrétien dans l’empire musulman, Paris 2005, 251–281. Conrad, „Arabic Chronicle“, 328–331, hebt dabei hervor, dass die arabische Chronik gleichzeitig mit seinen anderen syrischen Werken gewachsen sei. 585 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Übers. Budge I, 2 und 47. 586 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 108f. 583
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 275 wenige Abschnitte. Ibn al-ʿIbrī gibt eine kurze Zusammenfassung der Schlacht gegen Maxentius und der Kreuzesvision wieder, erwähnt die Gründung Konstantinopels, den Bau der Kirche in Baalbek, gibt einen kurzen Bericht über das Konzil von Nizäa und kommt zuletzt auf den Feldzug Konstantins gegen die Perser zu sprechen, im Zuge dessen der römische Kaiser in Nikomedien starb. 587 An einzelnen Passagen ist die Abhängigkeit von Michael dem Syrer deutlich zu erkennen, sowohl in der syrischen wie in der arabischen Chronik. Das erkennt man z.B. daran, dass Ibn al-ʿIbrī in beiden Versionen bei der Wiedergabe der Silvesterlegende Konstantins Vater Constantius zum Täufling macht. 588 In der entsprechenden Passage aus Michael heißt es: Johannes von Asien sagt am Anfang seines Buches, dass Konstantin kurz davor die Anbetung der Götzen aufgegeben hat, wie auch sein Vater Konstantin [sc. Constantius] sich zur Verehrung Gottes hingewandt hatte, wie es die Geschichte von Silvester von Rom zeigt. 589
Dass diese Umdeutung nicht auf Michael selber zurückgeht, zeigt die Wiederholung dieses Motivs in Chronicon 1234. 590 Dieser Kunstgriff zeigt seinen Vorteil vor allem darin, die Silvesterlegende und die Erzählung über die Schlacht gegen Maxentius, also die zwei unterschiedlichen Bekehrungsgeschichten, nicht mehr gegeneinander ausspielen zu müssen. Dem Bericht des Sokrates folgend behauptet Michael dann auch, dass sich Konstantin kurz
Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 59–61 (Übers. Budge I, 58f) und Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 133–37. 588 Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Übers. Budge I, 58 und Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 133. 589 Michael der Syrer, Chronicon, Ed. Chabot IV, 121 (Übers. Chabot I, 239). 590 Vgl. Chronicon 1234, Übers. Chabot, CSCO 109,110. Michael formuliert die Silvesterlegende auch in der kirchengeschichtlichen Seitenspalte neu um. Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Übers. Chabot I, 240–242, vor allem 241. 587
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vor seinem Tod in Nikomedien hat taufen lassen. 591 Ibn al-ʿIbrī umgeht hingegen die Sterbebett-Taufe Konstantins auf jeweils andere Weise: Während die syrische Chronik behauptet, dass sich Konstantin nach der Schlacht gegen Maxentius mit Diokletiana hat taufen lassen, lässt die arabische Chronik die Frage nach dem Zeitpunkt weiterhin offen. 592 Quellenkritisch aussagekräftig ist der im Kontext des Konzils von Nizäa wiedergegebene Dialog zwischen Konstantin und dem Novatianer Eunesius, der sich auch in der Chronik Michaels wiederfindet. 593 Darin wendet sich Konstantin mit der Frage an diesen, ob Gott die Reue von jemandem annehmen würde, der eine schwere Sünde begangen hat. Als Eunesius (nābāṭyus im arabischen Text) konsequent nach novatianischer Lehre diese Möglichkeit bestreitet – im arabischen Text auch mit Rückgriff auf einschlägige Bibelworte – antwortet Konstantin höhnisch, dass er sich damit eine Leiter zum Himmel errichten würde, die nur er alleine betreten könne. Da dieses Ereignis von Ibn al-ʿIbrī auch in der kirchengeschichtlichen Chronik erwähnt wird, ist an diesem Beispiel zu erkennen, dass er in der arabischen Chronik nicht mehr auf einer konsequenten Trennung zwischen Politik- und Kirchengeschichte beharrt. 594 In anderen Fällen sind in der arabischen Chronik auch Neuerungen zu erkennen, wie man an der Darstellung des Konzils von Nizäa erkennt. Beschränkt sich Ibn al-ʿIbrī in der syrischen Vgl. Michael der Syrer, Chronicon, Ed. Chabbot IV, 133f (Übers. Chabot I, 260). 592 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 60 (Übers. Budge I, 58): „Und daher wurde er [sc. Konstantin] zusammen mit seiner Frau Diokletiana in seinem Glauben bestärkt ()ܐܫܬܪܪ.“ Die arabische Chronik ersetzt die Notiz der Taufe Konstantins mit der Erwähnung der Taufe der 12000 Juden und Heiden (Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 134) und beschränkt sich im Kontext der Todesnotiz Konstantins darauf, auf die Aufteilung seines Reichs unter den drei Söhnen aufmerksam zu machen (Ed. Salḥānī, 135). 593 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136f und Michael der Syrer, Chronicon, Ed. Chabbot IV, 127 (Übers. Chabot I, 247). 594 Ibn al-ʿIbrī, Chronicon ecclesiasticum, Ed. Abbeloos/Lamy I, 75. 591
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 277 Chronik auf eine kurze Notiz, füllt der Bericht in der arabischen Chronik mehr als eine ganze Editionsseite. 595 Nun erfährt der Leser wieder über den von Arius ausgelösten theologischen Streit und über das Schreiben Konstantins, mit dem er die Bischöfe aufrief, sich nach Nizäa zu begeben. Die Kanzelpredigt des Arius und der Brief Konstantins erinnern dabei an die entsprechenden Passagen in der Universalchronik al-Manbiğīs, wobei diese nun in stark verkürzter Form wiedergegeben werden. 596 Im Gegensatz zum melkitischen Geschichtsschreiber fällt dabei vor allem auf, dass Arius nicht vom Geschaffensein des „Sohnes“ (ibn), sondern vom Geschaffensein des „Wortes“ (kalima) predigt. 597 Diese Umformulierung ist nicht unbedeutend, zeigt Ibn al-ʿIbrī darin gerade seine Kenntnis der theologischen Diskurse innerhalb des Islams. Die Lehre des Geschaffenseins des Wortes wurde bekanntlich in der muslimischen Frühgeschichte von den Muʿtaziliten vertreten und wurde von der sich etablierenden muslimischen Orthodoxie verurteilt. 598 Ibn al-ʿIbrī versucht hier also in anderen Worten, die Verurteilung der arianischen Lehre auch aus muslimischer Perspektive nachvollziehbar zu machen. Gleichzeitig hebt er den verbindenden Charakter des nizänischen Glaubensbekenntnisses für alle Christen hervor, indem er darauf hinweist, dass es „von allen Christen anerkannt wird.“ 599 Diese ökumenische Haltung kommt bekanntlich in seinem Werk Buch der Taube zum Ausdruck, in welchem er unter anderem eingesteht, dass die theologischen Unterschiede zwischen Jakobiten, Chalkedonensern und Nestorianern vor allem auf sprachliche Missverständnisse zurückgehen. 600 In der arabischen Chronik Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136f. Vgl. al-Manbiğī, Kitāb at-Taʾrīḫ, Ed. Vasiliev, PO 7, 544f. 597 Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136,4. 598 Über die Lehre der Muʿtaziliten berichtet Ibn al-ʿIbrī im Kontext der Geschichte des Islams, vgl. Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 164. 599 Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136. 600 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Buch der Taube, Ed. Wensinck, 60f. Ibn al-ʿIbrī behauptet im selben Abschnitt dieses autobiographischen Werks, mit dem 595 596
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werden dementsprechend sowohl der Streit zwischen Kyrill und Nestorios wie auch die Notiz über das Konzil von Chalkedon vor allem im Sinne einer geschichtlichen Information, ohne Rückgriff auf polemische Motive wiedergegeben. 601 In einem bestimmten Fall lassen sich die Unterschiede zum syrischen Text als Anpassung an den historischen Kontext der Leser einordnen. Zum einen betrifft das die Liste der Nachbarvölker, die mit Konstantin im Krieg standen oder die sich während seiner Herrschaft zum Christentum bekehrt haben. Während sich Ibn al-ʿIbrī in der syrischen Chronik noch an Sokrates orientiert (Goten, Sarmaten, Iberer), werden in der arabischen Chronik mit den Slaven, Armeniern, Kopten, Nubiern, Äthiopiern oder Türken Völker aufgelistet, die mit der Verbreitung der arabischen Herrschaft zu Nachbarvölkern der muslimischen Herrschaftsgebiete oder sogar in sie eingegliedert wurden. 602 Die hier aufgelisteten Eigenarten der arabischen Chronik widerspiegeln also im Kleinen, was sich auch im Verlauf des weiteren Werkes zeigen wird. Zum einen fehlen in der arabischen Chronik viele der Berichte über das innere Leben der christlichen Gemeinschaften, die die syrischen Chroniken charakterisieren. Zum anderen verzichtet der Geschichtsschreiber auf theologisch motivierte Wertungen der muslimischen Herrscher. 603 Aussagekräftig sind in dieser Hinsicht gerade die unterschiedlichen Darstellungen des mongolischen Herrschers Hülegü (gest. 1265), des Begründers der Dynastie der Il-Chane, unter dessen Führung Bagdad erobert wurde und die mongolische Macht in Syrien
Ablegen der konfessionellen Streitsucht die Liebe für die griechische Weisheit entdeckt zu haben. Vgl. auch Teule, „Gregory Bar ʿEbrōyō“, 547 601 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 144f. 602 Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 60 (Übers. Budge I, 59) und Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 135. 603 Vgl. Aigle, „Public“, 94–96 und ders.: „Oeuvre historiographique de Barhebraeus: son apport à l’histoire de la période mongole“, in: Parole de l’Orient 33 (2008), 25–61, hier 31–43.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 279 ausgebaut wurde. 604 In der syrischen Chronik scheint die mit seiner Herrschaft einhergehende Verbesserung der Lage der Christen den Geschichtsschreiber an die Zeit Konstantins zu erinnern, wenn er schreibt: Im Jahr 1576 der Griechen, das heißt im Jahr 1265 unserer Zeitrechnung, zu Beginn der Fastenzeit, hat der König der Könige Hülegü diese Welt verlassen. Niemand ist ihm in Weisheit, Großzügigkeit und in der Vortrefflichkeit seiner Herrschaft gleichgekommen. In den Sommertagen ist auch Doquz-Khatun, die sehr gläubige Königin, verstorben. Der Tod dieser zwei Gestirne, welche die Religion Christi zum Sieg führten, hat große Betrübnis bei den Christen verursacht. 605
Dass mit der christlichen Frau des mongolischen Herrschers Hülegü eine nova Helena evoziert werden soll, geht auch aus einer vorherigen Notiz hervor, in welcher es heißt, dass Doquz-Khatun „wie bereits Helena“ Christin war. 606 Der armenische Geschichtsschreiber Stepʿanos Ōrbēlean (gest. 1304) bringt diese Evokation noch expliziter zum Ausdruck: 607 Der große und fromme Herrscher, der Herrscher über die Welt, Hoffnung und Vorsehung für die Christen, HülegüKhan, starb […] und gleichzeitig auch seine gepriesene Gemahlin Doquz-Khatun, nachdem sie vom listigen Khija Sahib [Šams ad-dīn al-Ğuwaynī] vergiftet wurde. Nur Gott weiß, ob sie Konstantin und Helena in der Frömmigkeit nachstanden. 608
Vgl. Aigle, „Oeuvre“, 41–43. Zu Hülegü vgl. auch Fiey, J.-M.: Chrétiens Syriaques sous les Mongols (Il-Khanat de Perse, XIIIe-XIVe s.), CSCO 362/Sub. 44, Leuven 1975, 18–32. 605 Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 521 (Übers. Budge I, 444). 606 Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 465 (Übers. Budge I, 398). 607 Vgl. Aigle, „Oeuvre“, 42. 608 Stepʿanos Ōrbēlean, Histoire de la Siounie, Übers. Brosset, 234f. 604
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Dieses mongolische Herrscherpaar scheint ganz bestimmte politische Hoffnungen bei den christlichen Gemeinschaften geweckt zu haben, wenn es mit dem Herrscherpaar Konstantin und Helena in Verbindung gebracht wurde. Aussagekräftig dafür ist auch eine Miniatur aus einem syrischen Lektionar aus dem Jahr 1260, in dessen Eintrag zum Fest der Kreuzeserhöhung Konstantin und Helena in Gestalt eines mongolischen Herrscherpaares – vielleicht sogar Hülegü-Khans und Doquz-Khatuns – porträtiert werden, zusammen mit einem geschmückten Kreuz im Hintergrund. 609 Da diese graphische Darstellung kurz nach den Eroberungszügen der Mongolen und noch vor deren Bekehrung zum Islam entstand, kann sie auch als Erweis für die von den christlichen Gemeinden entgegengebrachten Hoffnungen und Erwartungen verstanden werden. Auch mehrere Jahrzehnte später scheint die Ausstrahlungskraft dieses Herrscherpaares nicht verblasst zu sein, wie Ibn al-ʿIbrīs syrische Chronik bezeugt. In der arabischen Chronik hingegen stellt die kurze Todesnotiz (nun nach der islamischen Zeitrechnung datiert) vor allem die Tugenden des Herrscherpaares in den Vordergrund, ohne aber das christliche Herrscherpaar Roms in Erinnerung zu rufen: 610 Im Jahr 664 starb Hülegü. Er war von großer Weisheit und Güte, reich an Wissen und Verstand und liebte die Weisen und Gelehrten. Nach kurzer Zeit verstarb auch seine Gemahlin Doquz-Khatun. Auch sie besaß ein außergewöhnliches Urteilsvermögen und Wissen. 611
Vgl. Fiey, J.-M.: „Iconographie syriaque: Hulagu, Doquz Khatun…et six ambons?“, in: Le Muséon 88 (1975), 59–68, hier 63f, wo unter anderem darauf aufmerksam gemacht wird, dass auf der Krone Konstantins bzw. Hülegüs noch kein Kreuz zu sehen ist, da Letzterer kein Christ war. 610 Vgl. Aigle, „Oeuvre“, 41. Es ist dabei zu erwähnen, dass Ibn alʿIbrī in der arabischen Chronik (Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 450) auch die Bekehrung des mongolischen Groß-Khans Göjük (1246–1248) zum Christentum erwähnt. Vgl. Todt, „Weltgeschichte“, 65. 611 Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 497,3–5: Wa fī sanati arbaʿin wa-sittīna wa-sitti-miʾatin tuwuffiya hūlākū wa-kāna 609
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 281 Beobachtungen dieser Art haben Denise Aigle zum Schluss kommen lassen, dass sich der syrische Geschichtsschreiber durch die Abfassung einer arabischen Chronik vornahm, eine muslimische Leserschaft anzusprechen. 612 Dies würde erklären, warum an einschlägigen Stellen die Qualifizierung Jesu als Sohn Gottes ausgelassen wird, wie im Kontext des Konzils von Nizäa festzustellen war. 613 Lawrence Conrad hat hingegen in seiner Analyse von Ibn al-ʿIbrīs Darstellung der biblischen Heilsgeschichte darauf hingewiesen, dass in der arabischen Chronik weiterhin eine christliche Perspektive vorausgesetzt wird, um überhaupt den dargestellten Ereignissen wie zum Beispiel der Kreuzigung Jesu beistimmen zu können. 614 Auch er gesteht allerdings ein, dass eine bekannte Persönlichkeit wie Ibn al-ʿIbrī damit rechnen konnte, mit einem arabischen Werk auch eine muslimische Leserschaft erreichen zu können, und dass mit Blick auf diese neue potenzielle Leserschaft auch einige der theologischen Abschwächungen zu erklären sein dürften. 615 Weitreichender als die Frage nach der Leserschaft, auch wenn damit verbunden, ist auch hier wie bereits bei der arabischen Orosius-Übersetzung die Frage, welche historiographische ḥakīman ḥalīman ḏā fahmin wa-maʿrifatin yuḥibbu l-ḥukamāʾa wa-lʿulamāʾa. wa-baʿdahu bi-qalīlin indarağat ṭuquz ḫātūn zawğatuhu wa-kānat ayḍan ʿaẓīmatun fī raʾyihā wa-ḫibratihā. 612 Vgl. Aigle, „Public“, 105 und Teule, „Chronicles“, 43f und 48f. 613 Vgl. Aigle, „Public“, 104f. 614 Vgl. Conrad, „Arabic Chronicle“, 336–338, und ebd., 331f: „To say that a book was written ‘for’ a particular audience necessarily implies a number of corollary assumptions on the part of that book’s author. At the most immediate level, that of ‘facts’, this means that the author supposed that his intended audience would find the ‘facts’ he offered intelligible and meaningful and that this audience would (or perhaps already did) accept them as true. More importantly, to assert that a work was ‘for’ a specific readership means that the author expected that this readership would assent to the interpretive framework within which he organized his information – that it would agree with or be illuminated by his view of what his ‘facts’ meant and why they were important.“ 615 Vgl. Conrad, „Arabic Chronicle“, 337.
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Möglichkeiten sich mit der Abfassung einer arabischen Chronik eröffneten. Zur Beantwortung dieser Frage können die von Ibn alʿIbrī vorangestellten Einführungen zu seinen zwei Chroniken herangezogen werden. In der syrischen Chronik kündigt er an, einerseits diejenigen Ereignisse wiederzugeben, deren Beispiele nützlich sind, „das Gute anzustreben und das Böse zu meiden“, und andererseits das Geschichtswerk Michaels des Syrers bis in die gegenwärtige Zeit fortzusetzen. 616 In der Einführung zur arabischen Chronik kündigt er dem Leser an, „sich darauf zu beschränken, über die Angelegenheiten von Herrschern und Gelehrten zu berichten, die dazu nützlich sind, anzuspornen und zu ermahnen, seien sie gut oder böse.“ 617 Die Tatsache, dass Ibn al-ʿIbrī also nur noch von einer didaktischen Funktion seiner Chronik spricht, ist natürlich nicht so zu deuten, dass er sein arabisches Werk nicht mehr als einen historiographischen Beitrag verstehen möchte. Gerade die Analyse von Denise Aigle hat gezeigt, dass die Abschnitte über die mongolischen Herrscher konsequent nach einem chronologischen Schema aufgebaut sind, das vor allem an der Wiedergabe der politischen Geschichte interessiert ist, während die syrische Chronik immer wieder interne Notizen über die Situation der Christen einfügt. 618 Das Fehlen einer expliziten Bezugnahme auf Michael und die von ihm verkörperte syrische Geschichtsschreibung kann aber als Versuch verstanden werden, die nun in Angriff genommene Anfertigung einer arabischen Chronik von den Vorgaben zu lösen, an welche er sich noch bei der Abfassung der syrischen Chronik halten wollte. Das betrifft sowohl Vorgaben methodologischer wie inhaltlicher Natur. So zeigt die Konstantingeschichte zum einen, dass er die klare Trennung zwischen Politik- und Kirchengeschichte an bestimmten Stellen wieder aufzulösen bereit war, um Berichte aus der kirchengeschichtlichen Chronik (wie diejenige der Unterredung Konstantins mit dem Novatinaer Eunesius) in den Erzählstrang 1f).
616 617 618
Ibn al-ʿIbrī, Chronicon Syriacum, Ed. Bedjan, 1f (Übers. Budge I,
Ibn al-ʿIbrī, Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 1f. Vgl. Aigle, „Oeuvre“, 31–38.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 283 einzuführen, die dem Werk dazu noch einen Erbauungscharakter verleihen. 619 Inhaltlich gesehen entfernt er sich von der syrischen Vorgabe, insofern er Geschichtsschreibung nicht mehr vordergründig als Nachzeichnung einer „gemeinschaftlichen Geschichte“ (histoire communautaire) versteht, die also darauf bedacht war, den Einfluss der Weltgeschichte auf das Leben der Kirche zu dokumentieren. 620 Eine christliche Perspektive wird aber nicht grundsätzlich verneint, wie gerade das prosopographische Material zu christlichen Gelehrten und Ärzten zeigt, welches in der arabischen Chronik zu finden ist. 621 Die Tatsache, dass man darin den Einfluss der muslimischen Tabaqāt-Literatur erkennen kann, lässt also den Schluss zu, dass es Ibn al-ʿIbrī darum ging, einen Beitrag für die arabische Geschichtsschreibung zu leisten. Mit dem Übergang zur arabischen Sprache wird die syrische Geschichtsschreibung nicht einfach verdoppelt, sondern noch enger auf ihre didaktische Funktion zugeschnitten. Diese war bereits in der syrischsprachigen Tradition vorhanden, wie die Einführung Ibn al-ʿIbrīs zur syrischen Chronik zu erkennen gibt, konnte nun aber zur ausreichenden Begründung für die Übersetzung in die arabische Sprache werden. Um es mit Conrad zu formulieren: The result [sc. das Chronicon Syriacum] was a work which the author eventually came to regard as too narrowly focused – not a surprising conclusion in light of the maphrian’s own extremely broad erudition. He thus decided to recast this civil history so as to place in Christian hands the same sort of generally edifying history, written in Arabic from a Christian perspective, that was already widely available to Muslims, written in Arabic from an Islamic perspective. 622
Vgl. Ibn al-ʿIbrī, Chronicon ecclesiasticum, Ed. Abbeloos/Lamy I, 75 und Muḫtaṣar taʾrīḫ ad-duwal, Ed. Salḥānī, 136f. 620 Aigle, „Public“, 101f. 621 Vgl. dazu die Liste der vertretenen Gelehrten in der arabischen Chronik in Micheau, „Biographies“, 256–273. 622 Conrad, „Arabic Chronicle“, 340. 619
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Im Sinne einer edifying history stand also nicht mehr die theologische und gemeinschaftliche Identitätskonstruktion im Vordergrund, sondern die Ermöglichung des Anschlusses an die muslimische Kulturlandschaft. Ähnlich wie in der arabischen Übersetzung des Paulus Orosius setzt auch dieses Werk beim potenziellen muslimischen Leser die Bereitschaft voraus, die christliche Geschichte als Teil der eigenen Geschichte anzuerkennen. Mehr noch setzt es beim christlichen Leser aber seine Loyalität zum mehrheitlich muslimischen Umfeld voraus, wenn es zentrale christliche Identitätsmerkmale auf ihre muslimische Sprachfähigkeit hin transparent macht, auch in einer Zeit der politischen Unstabilität und vielleicht auch der hoffnungsvollen Erwartung eines christlichen Herrschers. Mit der Bekehrung der mongolischen Herrscher zum Islam ändert sich auch die weitere Entwicklung der Geschichtsschreibung. Wenige Jahrzehnte nach Ibn al-ʿIbrī erscheint das vielleicht eindrücklichste historiographische Werk aus der mongolischen Zeit, die Ğamīʿ at-tawārīḫ („Kompendium der Chroniken“) des am Hof der Il-Chane tätigen Wesirs Rašīd ad-Dīn al-Hamaḏānī (1247–1318), eines jüdischen Konvertiten zum Islam. 623 In Auftrag gegeben wurde dieses Werk von dem zum Islam bekehrten Mongolenherrscher Ghazan-Khan (reg. 1295– 1304) und umfasst neben der Geschichte der mongolischen Herrscher auch Sektionen über die Geschichte Chinas, Indiens, der türkischen Völker oder der Franken. Die handschriftliche Überlieferung ist lückenhaft. Da die Sektion über die Geschichte der Franken nur noch durch die persischen Handschriften erhalten geblieben ist, bleiben Aussagen über den arabischen Text unsicher. 624 Gerade für diese Sektion ist aber eine wichtige Vgl. Allsen, Thomas T.: Culture and Conquest in Mongol Eurasia (Cambridge Studies in Islamic Civilization), Cambridge 2001, 83–102 und Krawulsky, Dorothea: The Mongol Īlkhāns and their Vizier Rashīd al-Dīn, Frankfurt a.M. 2011, 119–127. 624 Für eine auf der Grundlage der persischen Handschriften angefertigte Übersetzung der Sektion über die Geschichte der Franken vgl. Die Frankengeschichte des Rašīd ad-Dīn, hg. von Karl Jahn, Wien 1977, zu den Handschriften vor allem 23*f. 623
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 285 Neuerung zu beobachten, insofern nicht mehr – der bisherigen arabischen Historiographie folgend – die Geschichte des byzantinischen Reiches behandelt, sondern konsequent die Geschichte des römischen Papsttums und der lateinischen Königreiche bis in die Gegenwart dargestellt wird. Dies wurde vor allem durch die Vermittlung von westlichen Quellen möglich, auf die der Wesir durch seine diplomatische Tätigkeit Zugriff hatte. Unter ihnen ist vor allem das Chronicon pontificum et imperatorum aus der Feder Martins Oppaviensis zu nennen, welches neben der lateinischen Urfassung auch in Form von unterschiedlichen Übersetzungen überliefert wurde. 625 Die neu gewonnene Relevanz der Geschichte des lateinischen Westens erschloss sich auch durch die Bündnispolitik der mongolischen Herrscher mit dem christlichen Westen gegen die Mamluken Ägyptens. 626 Für die Geschichte Roms beschränkt sich das von der lateinischen Chronik zur Verfügung gestellte Material auf kurze Notizen über die aufeinander folgenden Kaiser und die jeweils amtierenden Päpste. Zum ersten Mal tritt nun auch in der muslimischen Geschichtsschreibung die – auch wenn nur knapp formulierte – mit der Silvesterlegende zusammenhängende Erwähnung der Schenkung Konstantins auf. So wird in der kurzen Notiz zu Konstantin gesagt, dass er durch Silvester von der Lepra geheilt wurde, „den Tempel zur Kirche machte“, nach Konstantinopel umsiedelte und das Reich der Franken hingegen Papst Silvester überließ. 627
11. ZWISCHEN AL-ANDALUS UND KAIRO: IBN ḪALDŪN UND AL-MAQRĪZĪ
Nachdem die Universalgeschichtsschreibung während des abbasidischen Kalifats ihre erste Blütezeit hatte, stand die Vgl. Rašīd ad-Dīn, Ğamīʿ at-tawārīḫ, Übers. Jahn, 14*f. Vgl. Aigle, Denise: The Mongol empire between myth and reality: Studies in anthropological history (Iran studies, 11), Leiden 2015, 159–198. 627 Vgl. Rašīd ad-Dīn, Ğamīʿ at-tawārīḫ, Übers. Jahn, 65f. Mit dem Tempel, der zur Kirche umfunktioniert wird, meint Martin Oppaviensis den Lateranpalast Roms (in palacio suo Lateranensi). Vgl. ebd., 66n. 625
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Rezeption der vorislamischen Geschichte in der Folgezeit unter dem Einfluss des historiographischen Werkes aṭ-Ṭabarīs und – für die Geschichte Roms – vor allem al-Masʿūdīs. Das gilt auch für einen der bekanntesten muslimischen Geschichtsschreiber überhaupt, Ibn al-Aṯīr (gest. 1233), Verfasser des al-Kāmil fī t-Taʾrīḫ („Die Vollständige Geschichte“). Die darin wiedergegebene Geschichte Roms lässt die Abhängigkeit von al-Masʿūdīs Kitāb atTanbīh klar erkennen, aus welchem auch die Unterteilung in drei „Schichten“ übernommen wird. 628 Mit Ibn al-Aṯīr kann man auch Abū l-Fidāʾ (gest. 1331) unter den Geschichtsschreibern nennen, die bei der Behandlung der Konstantingeschichte in der Rezeptionsgeschichte al-Masʿūdīs stehen. 629 Auch in der westlichen Geschichtsschreibung wurde bald auf al-Masʿūdī zurückgegriffen. Der andalusische Geograph al-Bakrī (gest. 1094) hat sich in seinem bekannten Werk Kitāb al-masālik wa-l-mamālik („Buch der Wege und Königreiche“) auch über die Geschichte Roms aufgehalten und darin die entsprechenden Abschnitte aus al-Masʿūdī und aus der arabischen Orosius-Übersetzung einfließen lassen, auch für seinen kurzen Bericht zu Konstantins Herrschaft. 630 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil fī t-Tarīḫ, Ed. Tornberg I, 324–339. Die Konstantingeschichte (Ed. Tornberg I, 329–331) fasst im Wesentlichen den Bericht aus Kitāb at-Tanbīh zusammen und überliefert die von alMasʿūdī wiedergegebenen heidnischen Versionen der Bekehrungsgeschichte, wobei die zwei Erzählungen nun aber als Meinung „einiger Geschichtsschreiber“ angegeben werden. Vgl. auch König, Arabic-Islamic Views, 143f. 629 Für die Konstantingeschichte fasst Abū l-Fidāʾ (Muḫtaṣar taʾrīḫ albašar, Ed. Fleischer, 110) das Geschichtswerk Ibn al-Aṯīrs zusammen. Vgl. auch Gibb, H. A. R.: Art. „Abū l-Fidāʾ“, in EI I, 118f. 630 Vgl. al-Bakrī, Kitāb al-masālik wa-l-mamālik §§ 495–499, Ed. Ferré/van Leeuwen, 310–312. Aus al-Masʿūdīs Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab (Ed. Pellat I, § 734 [Übers. Meynard/Courteille II, 312]) entnimmt er die Erwähnung der Öffnung der Nilschleusen am Tag des Kreuzesfestes (Kitāb al-masālik wa-l-mamālik § 496, Ed. Ferré/van Leeuwen, 311) und zeigt also, dass er auf mehrere Werke des abbasidischen Geschichtsschreibers Zugriff hatte. Seltsam muten in al-Bakrī (Kitāb almasālik wa-l-mamālik § 495, Ed. Ferré/van Leeuwen, 310f) vor allem einige 628
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 287 Es ist aber vor allem Ibn Ḫaldūn, der in seinem Werk die eindrücklichste Synthese der westlichen und östlichen Historiographie schuf, was auch in seiner Biographie widerspiegelt wird. Der aus Tunis stammende Geschichtsschreiber verbrachte nämlich die erste Hälfte seines Lebens in den Berber-Staaten im Nordwesten Afrikas, um von dort nach Kairo zu ziehen. Das mamlukische Kairo war dann für seinen Schüler al-Maqrīzī nicht nur die Stadt, in welcher er die meisten Jahre seines Lebens verbracht hat, sondern auch die Stadt, die gerade durch die detaillierten Beschreibungen in seinem topographischen Geschichtswerk bis heute mit seinem Namen verbunden bleibt. Die dabei zu beobachtende ausführliche Beschäftigung mit der Geschichte Roms ist angesichts des historischen Kontextes zuerst einmal bemerkenswert. Das byzantinische Reich ist in der Zwischenzeit nämlich auf ein kleines Territorium geschrumpft und stellte keine unmittelbare militärische Bedrohung mehr dar. Auf der anderen Seite ist das ehemalige Kalifat in viele kleinere Herrschaftsgebiete fragmentiert worden, in denen zudem ständige Machtkämpfe für Instabilität sorgten. Indem die in den nächsten Abschnitten besprochenen Geschichtsschreiber aber versuchen, anhand der Geschichte eine Staatstheorie aufzuziehen (Ibn Ḫaldūn) oder darin Mittel zu finden, um das unislamische Verhalten der Machtinhaber zu denunzieren (al-Maqrīzī), bieten sie auch für die Deutung der Konstantingeschichte neue Interpretationsmöglichkeiten. 11.1. Ibn Ḫaldūn 11.1.1. Bemerkungen zu Person und Werk Die Literatur zu Ibn Ḫaldūn (geboren 1332 in Tunis und gestorben 1406 in Kairo) hat bereits unzählige Bände gefüllt und würde sich im Rahmen dieser Arbeit nur unsachgemäß zusammenfassen Bemerkungen an, die in der arabischen Orosius-Übersetzung mit der Regierung des Augustus in Verbindung gebracht werden. So heißt es nun, dass während der Herrschaft Konstantins Paulus seine Mission in Spanien zu Ende brachte oder dass Konstantin das Flussbett des Tibers mit Bronze zupflastern ließ.
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lassen. Seine Muqaddima („Einführung“) zählt zu den bekanntesten Werken der arabischen Geschichtsschreibung und der arabischen Literatur überhaupt. 631 Dieses Werk ist zwar – wie der Titel bereits sagt – als Einführung zu seinem aus drei Teilen bestehenden Kitāb al-ʿIbar („Buch der Beispiele“) gedacht, erfreute sich aber bereits früh großer Beliebtheit und wurde unter Umständen auch als eigenständiges Werk überliefert. Dadurch konnte in Vergessenheit geraten, dass die Muqaddima wegen ihres ursprünglichen literarischen Zusammenhanges im Gesamtkontext des Kitāb al-ʿIbar zu lesen ist. Nachdem die Muqaddima als erster Teil dieses Werkes eine theoretische Einführung über Entstehung, Entwicklung und Niedergang der Staaten gibt, beschäftigt sich der zweite Teil sowohl mit der Geschichte der vorislamischen Völker als auch mit der Geschichte der muslimischen Herrschaft, während anschließend der dritte Teil eine detaillierte Geschichte der BerberVölker bietet. 632 Der erste Teil, die Muqaddima, verhält sich dabei zu den zwei weiteren Teilen wie die die Geschichte konstituierenden Gesetzmäßigkeiten zu ihren äußerlichen Entfaltungen, oder – um es mit der von Ibn Ḫaldūn aus dem Sufismus entnommenen Sprache zu formulieren – wie das Innerliche bzw. Geistige (al-bāṭin) zum Äußerlichen und sinnlich Wahrnehmbaren (aẓ-ẓāhir). 633 Da die Ibn Ḫaldūn: Muqaddima, übers. von Franz Rosenthal, The Muqaddimah: An Introduction to History, 3 Bde. (Bollingen Series, 43), Princeton 1980 (ND der Ausgabe 21967). Ein Überblick über weitere Editionen und Übersetzungen des Geschichtswerks Ibn Ḫaldūns wie auch eine Auswahl an neueren Beiträgen aus der Sekundärliteratur sind enthalten in Whittingham, Martin: Art. „Ibn Khaldūn“, in: CMR V, 300– 308. 632 Eigentlich bezieht sich die Bezeichnung Muqaddima nur auf die Einleitung zum ersten Teil seines Werkes, wie aus den Worten Ibn Ḫaldūns selbst zu entnehmen ist (vgl. Rosenthal, The Muqaddimah I, 11). Die besondere Rezeptionsgeschichte der gesamten theoretischen Einführung hat aber innerhalb der Sekundärliteratur bereits früh dazu geführt, den ersten Teil als solchen als Muqaddima zu bezeichnen. Vgl. AlAzmeh, Ibn Khaldun, 9f. Aus pragmatischen Gründen werden auch wir uns dieser Konvention anschließen. 633 Vgl. Rosenthal, The Muqaddimah I, 6. 631
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 289 Muqaddima eine zum Teil abgesonderte Rezeptionsgeschichte erhalten hat, bleibt eine sachgemäße Edition des Gesamtwerkes aber weiterhin eine zu schließende Lücke. Während nämlich die Muqaddima bereits in mehreren kritischen Editionen und Übersetzungen vorliegt, ist man für die Ausgabe aller drei Teile des Kitāb al-ʿIbar weiterhin auf die Edition Naṣr al-Hūrīnīs (Kairo) angewiesen. 634 Das Geschichtswerk Ibn Ḫaldūns ist, wie bereits erwähnt, eng mit seiner Biographie verbunden. Die Anfänge der ersten Redaktion stammen nach seinem Selbstzeugnis aus der Zeit seines Rückzugs in der Festung Ibn Salāma im heutigen Algerien. Damit schließt er gewissermaßen seinen ersten Lebensabschnitt ab, den er zwischen den Berber-Staaten und Andalus verbrachte (1347–1382). In dieser Zeit bekleidete er zu unterschiedlichen Zeiten und je nach politischer Lage unterschiedliche Ämter an den Höfen der BerberDynastien der Hafsiden in Tunis und der Meriniden in Fez. 635 In der ersten Fassung des Kitāb al-ʿIbar, dessen Arbeit er in der Abgeschiedenheit der Wüste und fernab der Städte mit ihren Bibliotheken anfangen konnte, brachte er seine bisher gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse der Geschichte der islamischen Völker und vor allem der jüngeren Geschichte der Berber-Völker zusammen. Diese Frühfassung wurde auch dem hafsidischen Sultan Abū al-ʿAbbās gewidmet. Obwohl uns der genaue Umriss dieser Frühfassung mangels eines handschriftlichen Befundes nicht bekannt ist, dürfte ihm möglicherweise bereits in dieser ersten Phase eine auch die nichtislamischen Völker umfassende Weltgeschichte vorgeschwebt haben. 636 Kurz nach seiner Zeit der Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Hg. von. al-Hūrīnī, Bulāq, 7 Bde., 1867–68. 635 Mehr dazu in Fromherz, A. J.: Ibn Khaldun: Life and times, Edinburgh 2010, 39–96. 636 Vgl. Fischel, W. J.: Ibn Khaldūn in Egypt: His public Functions and his Historical Research (1382–1406). A Study in Islamic Historiography, Berkeley – Los Angeles 1967, hier 115, und Issawi, Charles: „Ibn Khaldun on Ancient History: A Study of Sources“, in: Ders. (Hg.): Cross-Cultural Encounters and Conflicts, New York 1998, 51–77, hier 61f. Zum handschriftlichen Befund vgl. Rosenthal, The Muqaddima I, civ-cvii und Cheikha Jumaa: „Ibn 634
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Abgeschiedenheit in der Wüste fand er den Weg nach Kairo zum mamlukischen Sultan Barqūq (reg. 1382–89 und 1390–99), der ihm eine Anstellung als Richter und Professor anbot. 637 Auch in Ägypten fand Ibn Ḫaldūn keine Ruhe von politischen Wirren und von gegen ihn gerichteten Intrigen. Von Ägypten aus trat er auch die Reise nach Damaskus an, wo er dem Welteneroberer Tamerlan begegnen sollte (1401). Es war die neue gelehrsame Umgebung in Kairo, die Ibn Ḫaldūn mit neuen Quellen aus dem islamischen Osten vertraut machte, darunter vor allem mit al-Masʿūdī und Ibn al-ʿAmīd. 638 Nicht eindeutig zu bestimmen ist hingegen der Zeitpunkt, zu welchem Ibn Ḫaldūn mit dem Kitāb Hurūšiyūš Bekanntschaft machte. Erstaunlich ist nämlich, dass die bereits zwischen Algerien und Tunis verfasste und in Ägypten neu bearbeitete Muqaddima keine Spuren davon enthält. Die arabische Orosius-Übersetzung wird hingegen in den Nachfolgebänden sowohl explizit erwähnt als auch reichlich zitiert. 639 Wie wir am Beispiel der Konstantingeschichte sehen werden, bietet Ibn Ḫaldūn eher stringente Zusammenfassungen der vorgefundenen Berichte. Dennoch kann man an einschlägigen Stellen nachweisen, dass Ibn Ḫaldūns Vorlage dem Wortlaut der Columbia-Handschrift sehr nahe stand. 640 Wenn man von der – durchaus plausiblen – These ausgeht, dass er dieses Werk bereits in den Jahren seines Aufenthaltes im westlichen Teil der islamischen Welt kannte, kann Khaldūns manuscripts and the analysis of his handwriting“, in: Molins, Maria Jésus u.a. (Hg.): Ibn Khaldun, the Mediterranean in the 14th century: Rise and Fall of Empires – Exhibition catalogue, Sevilla, Real Alcazar, 2006, Sevilla 2006, 354–361, hier 355f. Zumindest für die Muqaddima muss die Behauptung relativiert werden, dass es keine handschriftlichen Spuren der ersten Version gibt, wie man bei der im Kolophon auf das Jahr 1378 datierten Handschrift British Library Suppl. 477 sieht. Vgl. Schmidt, Nathaniel: „The Manuscripts of Ibn Khaldun“, in: Journal of the American Oriental Society 46 (1926), 171–176, hier 174. 637 Zum Lebensabschnitt Ibn Ḫaldūns in Ägypten vgl. Fischel, Ibn Khaldūn in Egypt, 15–68. 638 Vgl. dazu Fischel, Ibn Khaldūn in Egypt, 114–119. 639 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 200f. 640 Vgl. Penelas, „Dos traducciones“, 240–248.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 291 daraus gefolgert werden, dass er die historiographische Relevanz der Orosius-Übersetzung erst in Verbindung mit den Quellen wahrnahm, die ihm in Ägypten in die Hände kamen, in erster Linie Ibn al-ʿAmīd. 641 Es ist dabei nicht notwendig, zu bestimmen, welche dieser zwei Quellen für Ibn Ḫaldūn wichtiger gewesen sei. Im Kitāb al-ʿIbar lässt sich an einzelnen Stellen festmachen, dass er dem Text des Orosius mehr Glaubwürdigkeit schenkt, wenn dieser abweichende Informationen zu den anderen verwendeten Quellen überliefert. Gerade die Tatsache, dass das Kitāb Hurūšiyūš nach Meinung Ibn Ḫaldūns von zwei Muslimen verfasst wurde, verleitet ihn vielleicht zu dieser optimistischen Einschätzung seiner historiographischen Glaubwürdigkeit. 642 Die Abhandlung der Geschichte Roms zeigt im Konkreten aber, dass je nach dargestelltem Ereignis die eine oder die andere Quelle in die Rolle des Haupt- bzw. des Ergänzungszeugen schlüpfen konnte. 643 Mit Di Branco kann man also trefflich formulieren, dass wir es hier mit einem in besonderem Maße „polyfonen Werk“ zu tun haben. 644 Die Konstantingeschichte wird uns gleichzeitig vor Augen führen, dass diese Bezeichnung aber auch ihre Grenzen hat. 11.1.2. Texte zu Konstantin Berichte zu Konstantin lassen sich an mehreren Orten feststellen. In der Muqaddima deutet Ibn Ḫaldūn nur kurz seine Bekehrung an, und zwar am Ende des dritten Kapitels, in dessen Kontext die Vgl. Fischel, Ibn Khaldūn in Egypt, 118n: The absence of any reference to Orosius in Ibn Khaldun’s Muqaddimah is of historiographical significance. Whether this would indicate that Orosius remained unknown to him in the Maghrib is still an open question. But even had he become acquainted with Orosius in the West, he apparently could not have made full use of his work without those other Christian authorities which had become available to him in Egypt. 642 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 146. Zitat in: Ibn Ḫaldūn, Kitāb alʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 197. 643 Für eine Zusammenfassung des Abschnittes Ibn Ḫaldūns über die Geschichte Roms vgl. Di Branco, Storie arabe, 208–220 und Issawi, „Ancient History“, 57–62. 644 Di Branco, Storie arabe, 202. 641
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Institutionen des Staates behandelt werden. Um noch genauer zu sein, befindet sich die besagte Erwähnung im Rahmen einer exkursartigen Beschreibung der Geschichte des Priestertums und des Patriarchats im Judentum bzw. Christentum. 645 Dort heißt es sehr summarisch, dass die Könige Roms das Christentum jeweils verfolgten oder tolerierten und dass sie hingegen seit der Bekehrung Konstantins Christen waren. 646 Die Ausführungen zum Bibelkanon, zu den unterschiedlichen Gruppierungen oder auch zur kirchlichen Hierarchie bezeugen dabei Ibn Ḫaldūns Neugier für die christliche Geschichte. 647 Als Quelle hat ihm für diesen Bericht über die Ursprünge des Christentums vor allem Ibn al-ʿAmīd gedient, den er auch explizit nennt. 648 Im vierten Kapitel der Muqaddima, das er der Beschreibung der urbanen Gesellschaft widmet, kommt er auch auf den Bau der Auferstehungskirche durch Helena zu sprechen, und zwar im Kontext der Darstellung der Geschichte der drei heiligen Städte Mekka, Medina und Jerusalem, in welcher er auf die Geschichte des jüdischen Tempels, der christlichen Auferstehungskirche und des Felsendoms eingeht. Die Erzählung beschränkt sich auf das Wesentliche und belässt es dabei, zu berichten, dass sich Helena nach der Bekehrung Konstantins nach Jerusalem begab und dass die jüdischen Priester sie über den Ort unterrichteten, wo das Kreuz begraben war. Wohl aus al-Masʿūdīs Abschnitt über den Jerusalemer Tempel lässt sich Ibn Ḫaldūn dazu hinreißen, die herkömmliche arabische Bezeichnung für die Auferstehungskirche (kanīsat al-qiyāma) durch Umänderung eines Buchstabens in „MüllKirche“ (kanīsat al-qumāma) umzudeuten, um auf die Tatsache Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 192–95 (Übers. Rosenthal, The Muqaddimah I, 472–481). 646 Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī, I, 194 (Übers. Rosenthal, The Muqaddima I, 478). 647 Vgl. Dazu Cuoq, Joseph: „La religion et les religions (judaïsme et christianisme) selon Ibn Khaldun“, in: Islamochristiana 8 (1982), 107–128, vor allem 121–125. 648 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 195 (Übers. Rosenthal, The Muqadddima I, 480). 645
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 293 aufmerksam zu machen, dass der Grund, auf dem die Kirche gebaut wurde, mit Müll (qumāmāt) zugedeckt war. 649 Im zweiten Band des dynastisch aufgegliederten Kitāb al-ʿIbar taucht die Konstantingeschichte nicht nur, wie zu erwarten, im Kontext der Geschichte Roms auf, sondern auch in einem der Frühgeschichte des Christentums gewidmeten Abschnitt, der sich von der Zeit Jesu bis zur Zeit Justinians erstreckt und vor allem von Ibn al-ʿAmīd abhängt. 650 Im Zentrum des Interesses stehen dort in erster Linie die Geschichte Jesu und der ersten Märtyrer wie auch die Konzile der frühchristlichen Kirche. Aus Ibn al-ʿAmīd übernimmt Ibn Ḫaldūn dabei längere Abschnitte zum Konzil von Nizäa und zu den Streitigkeiten zwischen Arius und Alexander und zwischen Eusebius und Athanasius. 651 Ibn Ḫaldūn sortiert also aus seiner christlichen Quelle selber diejenigen Berichte aus, die er der religiösen Geschichte zuordnet und die also von der politischen Geschichte des römischen Reiches abzugrenzen oder jedenfalls zu differenzieren sind. Damit greift er auf eine Vorgehensweise zurück, die in der christlichen Literatur vor allem bei westsyrischen Autoren wie Michael dem Syrer und Ibn al-ʿIbrī Anwendung fand. Wie seine muslimischen Vorgänger lässt Ibn Ḫaldūn mit der Bekehrung Konstantins ein neues Kapitel der Geschichte des römischen Reiches anfangen und wie für weite Teile der eben erwähnten Darstellung der Geschichte des Frühchristentums dient Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 297,5 und al-Masʿūdī, Murūğ aḏ-ḏahab, Ed. de Meynard/de Courteille I, 111. Demselben Autor dürfte Ibn Ḫaldūn auch die im gleichen Abschnitt angebrachte Bemerkung entnommen haben, nach der Helena direkt vor dem Bau der Auferstehungskirche die Geburtskirche zu Bethlehem bauen ließ. Vgl. alMasʿūdī, Murūğ aḏ-ḏahab Ed. de Meynard/de Courteille I, 111f. Vgl. dazu auch Di Branco, Storie arabe, 198. 650 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar Ed. al-Hūrīnī II, 143–153. Eine französische Übersetzung dieses Abschnittes findet sich bei Ferré, André: „Le chapitre du Kitāb al-ʿibar dʼIbn Khaldūn sur les débuts du christianisme“, in: Recueil d’articles offert à Maurice Borrmans par ses collègues et amis (Studi arabo-cristiani del PISAI, 8) Roma 1996, 55–69. Zu den Quellen vgl. ebd., 56. 651 Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 150f. 649
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auch hier Ibn al-ʿAmīd als Hauptquelle. Auch wenn die aus dem Geschichtswerk des koptischen Autors entnommenen Abschnitte durch eine Zitationsformel eingeführt werden (qāla Ibn al-ʿAmīd), haben wir es eher mit kurzen Zusammenfassungen zu tun, die sich an Stichworten aus der Vorlage orientieren. Auch die von Ibn alʿAmīd über mehrere Abschnitte aufgeteilte Erzählung über den Aufstieg Konstantins zur Macht wird nun in wenigen Zeilen zusammengefasst, manchmal auf Kosten einer verständlichen Wiedergabe der dargestellten Ereignisse: Ibn al-ʿAmīd sagt: Konstantin der Gläubige zog gegen Maximian in den Krieg und jagte ihn in die Flucht und so zog er [sc. Maximian] sich in Richtung Rom zurück. Die Brücke aber wurde durch das Heer überladen und brach über dem Fluss zusammen. Maximian und die anderen ertranken. Konstantin zog daher in Rom ein und nahm die Stadt in Besitz, nachdem er bereits nach seinem Vater für 26 Jahre über Byzanz geherrscht hatte. Er förderte die Gerechtigkeit und beseitigte die Unterdrückung. Sein General, der in der Umgebung von Konstantinopel residierte, machte sich danach auf [in Richtung Konstantins] und Konstantin machte ihn zum Herrscher über Rom [Konstantinopel?] und die ihr zugehörigen Provinzen und befahl ihm, den Christen Ehrerbietung zu erweisen. Dieser aber lehnte sich gegen ihn auf, tötete die Christen und verehrte die Götzen. Unter denjenigen, die getötet wurden, befand sich Mār Yādis, der Patriarch von Barqa. 652 Darauf sandte Konstantin die Streitkräfte nach Rom [Konstantinopel?], um ihn zu bekämpfen. Diese nahmen ihn gefangen und Konstantin ließ ihn töten. Im zwölften Jahr seiner Herrschaft ließ sich
Bei der handschriftlich bekundeten Namensangabe (mār yādis baṭriku baṭāriqa) handelt es sich um den von Ibn al-ʿAmīd angegebenen Theodor, den Metropoliten von Barqa (tādurās miṭrān barqa). Vgl. Ibn alʿAmīd, Mon. Arab. 376, 226,14f. 652
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 295 Konstantin in Nikomedien taufen. 653 Er ließ die heidnischen Heiligtümer zerstören und Kirchen erbauen. 654
In diesem Abschnitt werden Informationen zusammengeschweißt, die bei Ibn al-ʿAmīd noch zwischen den Abschnitten 144 (Bericht über die Schlacht an der milvischen Brücke) und 145 (Krieg gegen Licinius) aufgeteilt waren. Während die Bekehrung Konstantins bei Ibn al-ʿAmīd noch als Ende der Verfolgungszeit unter Diokletian dargestellt wird, wird bei Ibn Ḫaldūn der Aspekt des Dynastiewechsels stärker in den Vordergrund gestellt. Nachdem Ibn Ḫaldūn nämlich den vorherigen Abschnitt über die Teilung der Herrschaft unter Maximian und Constantius abschließt und dabei nicht unerwähnt lässt, dass Konstantin in die Nachfolge des Constantius trat, wird der Abschnitt über die christlichen Könige Roms mit dem Bericht über den Aufstieg Konstantins zur Alleinherrschaft eingeführt. Dieser Weg führte über die Beseitigung Maximians und des nicht mit Namen genannten heidnischen Generals. 655 Die Pointe dieser Aufstiegsgeschichte bilden die Taufe Bei der handschriftlich bekundeten Ortsangabe (Nīqā) handelt es sich um Nikomedien, wie der Vergleich mit Ibn al-ʿAmīd zeigt (Nīqūmīdīya). Vgl. Ibn al-ʿAmīd, Mon. Arab. 376, 226,22. 654 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 211: Qāla ibn alʿamīd: ḫarağa qusṭanṭīn al-muʾminu ʿalā maqsīmiānūs fa-hazamahu warağaʿa ilā rūmata wa-zdaḥama l-ʿaskaru ʿalā l-ğisri fa-waqaʿa bihim fī lbaḥri wa-ġariqa maqsimiyānūs maʿ man ġariqa. wa-daḫala qusṭanṭīn rūmata wa-malakahā baʿda an aqāma malikan ʿalā bizanṭīyata baʿda abīhi sittan wa-ʿišrīna sanatan. fa-bassaṭa l-ʿadla wa-rafaʿa l-ğawra. wa-ḫarağa qāʾiduhu yaskunu nāḥiyata qusṭanṭīnīyata wa-wallāhu ʿalā rūmata waaʿmālihā wa-lzamahu bi-ikrāmi n-naṣārā. ṯumma antaqaḍa ʿalayhi waqatala n-naṣārā wa-ʿabada l-aṣnāma. wa-kāna fī-man qutila mār yādis baṭriku baṭāriqati fa-baʿaṯa qusṭanṭīn al-ʿasākira ilā rūmata li-ḥarbihi. fasāqūhu asīran wa-qatalūhu. ṯumma tanaṣṣara qusṭanṭīn fī madīnati nīqā liiṯnatay-ʿašara min mulkihi wa-hadama buyūta l-aṣnāmi wa-banā l-kanāʾisa. 655 Die unterschiedlichen Schreibweisen von Maximianus gehen auf die zwei jeweils verwendeten Quellen zurück: Während Maqsīmiyānūs auf Ibn al-ʿAmīd zurückgeht, ist das von Ibn Ḫaldūn verwendete Maḫšimus wohl eine handschriftliche Korrumpierung von Maḫšimiyān, das er in der 653
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Konstantins und die durch bauliche Maßnahmen untermauerte Neuausrichtung der römischen Politik hin zum Christentum. Die durch die Kürzung seiner koptischen Quelle bewirkte Akzentverschiebung hat zum einen die Konsequenz, dass christliche Identifikationsmotive neutralisiert werden. Unter den Auslassungen befindet sich gerade der Bericht über die Kreuzeserscheinung. Dennoch lässt sich die Aufnahme der Konstantingeschichte bei Ibn Ḫaldūn nicht nur unter dem Stichwort der „Entchristlichung“ lesen. Es fällt nämlich auf, dass Konstantin wie in der christlichen Vorlage den Beinamen „der Gläubige“ (al-muʾmin) erhält. In dieser aufs Essenziellste gekürzten Fassung erhält die Erzählung vielleicht eher eine Umdeutung, die ins Schema der Differenzierung von Politik- und Kirchengeschichte passt, auf die nochmals zurückzukommen sein wird. Das nächste Motiv aus der Konstantingeschichte, welches von Seiten Ibn Ḫaldūns überliefert wird, betrifft die Auffindung des Kreuzes durch Helena: Durch ihn [sc. Konstantin] beauftragt, machte sich Helena, die Mutter Konstantins, auf, um Jerusalem aufzusuchen, Kirchen zu bauen und nach dem Ort zu suchen, an dem das Kreuz begraben sei. Der Bischof Makarios informierte sie darüber, dass die Juden den Ort mit Schutt und Mist zugeschüttet hätten. Sie ließ also die Priester zu sich kommen und fragte sie nach dem Ort, wo das Kreuz begraben sei und forderte sie dazu auf, den Mist von dort abzutragen. Darauf kamen drei Kreuze ans Licht und sie fragte: „Welches der drei ist das Kreuz Christi?“ Der Bischof antwortete ihr: „Das Zeichen ist, dass ein Gestorbener durch die Berührung des Kreuzes wieder zum Leben erweckt werden kann.“ Durch die Anwendung dieses Experimentes konnte sie also überprüfen, welches das Kreuz Christi war. Sie rief für diesen Tag ein Fest zu Ehren der Auffindung des Kreuzes aus und baute auf jenem Ort die
arabischen Orosius-Übersetzung vorgefunden hat. Vgl. Kitāb Hurūšiyūš 7.210, Ed. Penelas, 367.
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 297 Müll-Kirche und ordnete dem Bischof Makarios an, die [weiteren] Kirchen zu bauen. 656
Die bereits von Ibn al-ʿAmīd wiedergegebene Kurzform der Erzählung aus Ibn Baṭrīq wird von Ibn Khaldūn also noch weiter gekürzt, ohne aber die Hauptakteure (Helena, die Juden Jerusalems, den Bischof Makarios) verschwinden zu lassen. Dennoch zeigt auch diese Erzählung, dass sich Ibn Ḫaldūns Arbeitsweise nicht auf bloße Kompilationsarbeit reduzieren lässt. Das ist an der Beobachtung zu erkennen, dass er die von Helena erbaute Kirche „Müll-Kirche“ (kanīsat al-qumāma) nennt. Semantisch knüpft er also an die Formulierung an, die er bereits in der Muqaddima für diese Kirche verwendet hatte. Damit zeigt Ibn Ḫaldūn, dass auch die Konstantingeschichte bereits von Vorentscheidungen beeinflusst wird, die in der theoretischen Einführung zum Gesamtwerk getroffen worden sind. Kurz angedeutet werden auch zwei weitere Berichte, die aus Ibn Baṭrīq stammen und durch die Vermittlung Ibn al-ʿAmīds in das Geschichtswerk unseres Schreibers gelangt sind, nämlich die Zwangsbekehrung und Verfolgung der Juden in Jerusalem und der Bericht über die Wiederentdeckung der unverfälschten Torah. 657 In Anbetracht der Tatsache, dass Ibn Ḫaldūn eher selektiv mit seinen Quellen umgeht, ist aber besonders hervorzuheben, dass die Notizen zu den Amtsjahren der alexandrinischen Patriarchen Alexander und Athanasius doch relativ ausführlich ausfallen. Aus Ibn al-ʿAmīd dürfte Ibn Ḫaldūn dabei auch die Zitate aus alIbn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. Hūrīnī II, 211f: Wa-ʿalā ʿahdihi ğāʾat hilāna ummu qusṭanṭīn li-ziyārati bayti l-maqdisi wa-banat al-kanāʾisa wa-saʾalat ʿan mawḍiʿi ṣ-ṣalībi fa-ḫbarahā maqāriyūs al-usqufu anna lyahūda ahālū ʿalayhi t-turāba wa-z-zibla. fa-ḥḍarat al-kahnūnīyata wasaʾalathum ʿan mawḍiʿi ṣ-ṣalībi. wa-saʾalathum rafʿa mā hunālika mina zzibli. ṯumma istaḫrağat ṯalāṯatan mina l-ḫašabi wa-saʾalat ayyatuhā ḫašabatu l-masīḥi. fa-qāla lahā l-usqufu: ʿalāmatuhā anna l-mayyita yuḥyā bi-masīsihā. fa-ṣaddaqat ḏālika bi-tağribatihā wa-ttaḫaḏū ḏālika l-yawma ʿīdan li-wuğūdi ṣ-ṣalībi. wa-banat ʿalā l-mawḍiʿi kanīsata l-qumāmati. waamarat maqāriyūs al-usqufa bi-bināʾi l-kanāʾisi. 657 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212. 656
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Manbiğī, Ibn Baṭrīq und Ibn ar-Rāhib mit ihren jeweils unterschiedlichen Jahresangaben übernommen haben. 658 Als Ergänzung zum Quellenmaterial aus Ibn al-ʿAmīd fügt der tunesische Geschichtsschreiber einige Zitate aus der arabischen Orosius-Übersetzung an. Diese ist sowohl für die Geschichte der Griechen wie auch für die Geschichte des römischen Reiches die wichtigste Quelle neben Ibn al-ʿAmīd. Wie bereits gesehen, hielt der tunesische Geschichtsschreiber das Kitāb Hurūšiyūš für ein von zwei Muslimen verfasstes Werk oder wollte es zumindest als solches präsentieren. Darum ist es umso bemerkenswerter, dass Ibn Ḫaldūn für die Konstantingeschichte dem koptischen Geschichtsschreiber den Vorrang gibt und das vermeintlich muslimische Werk nur in sehr verkürzter Form hinten anstellt. 659 Auch methodologisch ergeben sich prinzipiell keine qualitativen Unterschiede in der Behandlung seiner christlichen und seiner als muslimisch eingestuften Quelle. Dadurch, dass Ibn Ḫaldūn beide als Informanten heranzieht, ergeben sich thematische Verdoppelungen und daraus resultierende narrative Ungereimtheiten, etwa im Hinblick auf die Schlacht Konstantins gegen seine inneren Feinde oder auf Helenas Reise nach Jerusalem. Die Erzählung über die Kreuzesvision, die Ibn Ḫaldūn zwar bei Ibn al-ʿAmīd vorgefunden, nicht aber wiedergegeben hat, wird nun im Rahmen des Berichtes zu den Kriegen gegen die Donauvölker überliefert, den er der arabischen Orosius-Übersetzung entnehmen konnte. Gerade aus diesem letztgenannten Bericht wird zudem erkennbar, dass Ibn Ḫaldūn einige Sonderlesarten präsentiert, die er mit der ColumbiaHandschrift teilt oder die daraus zu erklären sind: 660
Nicht ganz klar dabei ist es, zu bestimmen, aus welchen der zwei von Ibn al-ʿAmīd produzierten Versionen der tunesische Geschichtsschreiber seine Informationen entnommen hat. Erst eine kritische Edition wird helfen, die Vorlage Ibn Ḫaldūns genauer bestimmen zu können. 659 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212. 660 Vgl. Schilling, „Konstantinlegende“, 357. 658
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 299 Kitāb Hurūšiyūš 661 Und in seinem Schlaf erschienen ihm Leinenstücke ( )ﻋﺬبund Standarten ( )ﺑﻨﻮدin der Form des Kreuzes und jemand sprach zu ihm: „Wenn du über deinen Widersacher triumphieren willst, dann benutze dieses Zeichen in all deinen Kleidern und Trachten!“
Ibn Ḫaldūn 662 Danach sah er in seinem Schlaf einen Reiter/Wagen ( )ﻋﺮﺑﺎ663 und Standarten ( )ﺑﻨﻮداmit der Form von Kreuzen. Und jemand sprach zu ihm: „Dies soll dir ein Zeichen des Sieges sein!“
Als inhaltliche Ergänzung zum koptischen Geschichtsschreiber ist auch die Wiedergabe der Silvesterlegende gedacht. Auch diese wird von Ibn Ḫaldūn aus Kitāb Hurūšiyūš zusammengefasst und bekommt an einer bestimmten Stelle sogar eine entscheidende Umformulierung: Orosius sagt: Konstantin, der Sohn des Constantius, war dazumal Anhänger der Religion der Magier, verfolgte die Christen und sandte den Patriarchen Roms ins Exil. Der aber belegte ihn mit einem Fluch und Konstantin erkrankte an Lepra. Ihm wurde als Therapie ein Bad im Blut der Kinder empfohlen. Konstantin ließ darauf eine große Anzahl an
Kitāb Hurūšiyūš 7.223, Ed. Penelas, 372: Wa-taẓāhara lahu fī manāmihi ʿaḏabun wa-bunūdun ʿalā ḥikāyati ṣ-ṣalībi wa-qāʾilun yaqūlu lahu: in aradta an taẓfara bi-man ḫālafaka fa-staʿmil hāḏihi l-ʿalāmata fī ğamīʿi bazzika wa-šaklika. 662 Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212: Ṯumma raʾā fī manāmihi ʿ.r.ban wa-bunūdan ʿalā timṯāli ṣ-ṣulbāni wa-qāʾilun yaqūlu: hāḏihi ʿalāmatu ẓ-ẓafari laka. 663 Schilling, „Konstantinlegende“, 353n übersetzt dieses missverständliche Substantiv mit „Reiter“. Aus dem breiten Spektrum an möglichen Wortbildungen, die sich von der Wurzel ʿ-r-b ableiten lassen, steht ﻋﺮبdem femininen Substantiv ﻋﺮﺑﺔam nächsten, mit dem ein auf Rädern fahrendes Fortbewegungsmittel gemeint ist. Vgl. Lane, ArabicEnglish Lexicon, Bd. 5, 1994. Der Vergleich mit Kitāb Hurūšiyūš könnte aber auch darauf hinweisen, dass wir es mit einer Korrumpierung von ﻋﺬب („Leinenstücke“) zu tun haben. 661
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CONSTANTINUS ARABICUS Kindern versammeln, wurde dann aber von der Sanftmut überwältigt und ließ sie wieder frei. Als er schlief, sah er in seinem Traum wie jemand ihn aufforderte, dem [Rat des] Patriarchen zu folgen. Also ließ Konstantin ihn nach Rom zurückkommen und wurde von der Lepra geheilt. 664
Neu in der Behandlung der Silvesterlegende ist vor allem die Aussage, dass der römische Patriarch selber die Krankheit Konstantins wie einen Fluch heraufbeschworen hat. Vor allem aber fällt auf, dass nun das Herzstück der Legende, die heilsame Taufe Konstantins, ausgelassen wird. Mit der kurz danach folgenden Bemerkung, dass Konstantin „anschließend Anhänger des Christentums wurde“, wird hingegen nur auf den Ausgang der Legende hingewiesen. 665 Einen Grund für diese Auslassung mag Ibn Ḫaldūn im Kitāb Hurūšiyūš selber vorgefunden haben. Wie bereits erwähnt, macht der arabische Übersetzer darin deutlich, dass er die Erzählung der Genesung Konstantins aus der Feder eines „christlichen Gelehrten namens Silvester“ entnommen hat. 666 Der tunesische Geschichtsschreiber wusste also, dass er seiner muslimischen Quelle keine Abstriche machen würde, wenn er legendarische und allzu christlich gefärbte Details auslässt. Ähnliches ist für die Gründung der neuen Hauptstadt des römischen Reiches zu beobachten. Hier begnügt sich der Geschichtsschreiber damit, zu erwähnen, dass sich Konstantin nach seiner Bekehrung in Konstantinopel niederließ. 667 Die in der arabischen Orosius-Übersetzung vorgefundene Vision der alten Frau, die sich in ein junges Mädchen verwandelt und Konstantin Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212: Qāla hurūšiyūš: kāna qusṭanṭīn ibn qus[ṭa]nṭuš ʿalā dīni l-mağūsīyati wa-kāna šadīdan ʿalā n-naṣārā wa-nafā baṭraka rūmata. fa-daʿā ʿalayhi ubtuliya bi-l-ğuḏāmi wawuṣifa lahu fī mudāwātihi an yanğamira fī dimāʾi l-aṭfāli fa-ğamaʿa minhum li-ḏālika ʿadadan. ṯumma adrakathu r-riqqatu ʿalayhim faṭlaqahum. fa-raʾā fī manāmihi man yaḥuḍḍuhu ʿalā l-iqtidāʾi bi-l-baṭraki. fa-raddahu ilā rūmata wa-bariʾa mina l-ğuḏāmi. 665 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212. 666 Kitāb Hurūšiyūš 7.215, Ed. Penelas, 369. 667 Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 212. 664
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 301 mit dem Bau der neuen Stadt beauftragt, wird von Ibn Ḫaldūn nicht erwähnt. In beiden Fällen zeigt sich also, dass der oben genannte polyfone Charakter des Geschichtswerkes Ibn Ḫaldūns nicht immer konsequent durchgehalten wird. 11.1.3. Vom „konstantinischen Paradigma“ zum „Herrschaftsparadigma“ Um die historiographische Tragweite der Bekehrung Konstantins bei Ibn Ḫaldūn zu verstehen, ist es notwendig, im Gesamtkontext der Geschichte Roms nach Passagen zu suchen, in denen Ibn Ḫaldūn selbst zu Wort kommt, um den Leser auf Sachverhalte aufmerksam zu machen, die historiographisch relevant sind. Mit einer dieser Passagen leitet er dabei die Konstantingeschichte selber ein, um wichtige Vorabklärungen über die genealogische Herkunft der Römer und die Bedeutung des Begriffes naṣrānīya einzubringen, mit dem man auf Arabisch, dem Koran folgend, das Christentum bezeichnet. 668 Wie Ibn Ḫaldūn feststellt, meint dieser Begriff eigentlich die Ortschaft Nazareth und hat also eine ähnliche Funktion wie die Herkunftsbezeichnung (nisba), die in jedem arabischen Eigennamen miteingeschlossen ist. Wenn es aber als Bezeichnung für die christliche Glaubensgemeinschaft verwendet wird, dann in einem übertragenen Sinn. Diese Differenzierung ist auch von historiographischer Relevanz, da damit ein zentraler Begriff in der Geschichtstheorie Ibn Ḫaldūns fällt, nämlich der der „natürlichen Gruppensolidarität“ (ʿiṣāba). Der Begriff naṣrānīya bezeichne nämlich keine durch „natürliche Gruppensolidarität“ und Blutsverwandtschaft zusammengehaltene Volksgemeinschaft, sondern „eine Religion, die von denjenigen unterstützt (yanṣuru) wird, die ihr nachfolgen“ und die also Individuen unterschiedlicher ethnischer Herkunft miteinander solidarisiert. 669 Ibn Ḫaldūn spielt hier mit dem Sachverhalt, dass sich aus der Wurzel n-ṣ-r sowohl naṣrānīya („Christentum“) als auch naṣara („helfen“, „unterstützen“,
Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 210f. Für eine italienische Übersetzung der gesamten Passage vgl. Di Branco, Storie arabe, 217f. 669 Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 210: Wa-maʿnāhu anna hāḏā d-dīna fī ġayri ahli ʿiṣābati. fa-huwa dīnu man yanṣuruhu man atbāʿahu. 668
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„zum Sieg verhelfen“) bilden lassen. In dieser zweiten Bedeutung bildet die Wurzel übrigens auch das Substantiv anṣār („Helfer“), mit dem man diejenigen Bewohner Medinas bezeichnet, die Muḥammad und seine Gefährten aus Mekka aufgenommen und unterstützt haben. 670 Diese durch den Glauben hergestellte Vergemeinschaftung stellt Ibn Ḫaldūn nun der durch Blutsverwandtschaft und daher durch eine natürliche Gruppensolidarität (ʿiṣāba) gestifteten Gemeinschaft gegenüber. Gerade damit nimmt er, wie schon vorweggenommen, einen Schlüsselbegriff seiner Geschichtstheorie auf, die gerade in der Muqaddima entfaltet wird. Obwohl dieser Begriff öfters in der Variante von ʿaṣabīya auftritt, bezieht er sich aber in beiden Fällen auf das einem Volk innewohnende und es zusammenhaltende Bewusstsein gemeinschaftlicher Zugehörigkeit. Vielleicht ist dieser Begriff mit dem Französischen esprit de corps am besten zu übersetzen. 671 Diese Gruppensolidarität ist für Ibn Ḫaldūn Grundlage und Bedingungsmöglichkeit der Entstehung einer menschlichen Gesellschaft und der Staatenbildung: Die Gruppensolidarität wird von einer gemeinsamen genealogischen Herkunft getragen und zeigt gerade bei den Wüstenvölkern ihre stärkste Bindekraft. Dadurch würden selbstzerstörerische Kräfte gehemmt und staatsbildende wie kulturschaffende Dynamiken ermöglicht. Der Übergang von der nomadischen zur urbanen Gesellschaft hat aber seinerseits zur Konsequenz, dass der angesammelte Reichtum der Städte das Solidaritätsbewusstsein längerfristig zum Ermatten bringt und stumpf macht, weshalb eine bestimmte Zivilisation bzw. dynastische Herrschaft auch zerfällt und von einer anderen Zivilisation bzw. Dynastie abgelöst wird. 672 Angesichts der integrativen Rolle dieses Begriffes fällt in der Einleitung zur Konstantingeschichte also umso mehr auf, dass die Vgl. Watt, Montgomery: Art. „al-anṣār“, in: EI I, 514f. Vgl. Cheddadi, Abdessalam: Ibn Khaldūn: L’homme et le théoreticien de la civilisation (Bibliothèque des Histoires), Paris 2006, 289–293 und 299–304. In ihrer Teilübersetzung der Muqaddima übersetzt Alma Giese (Die Muqaddima. Betrachtungen zur Weltgeschichte, München 2011, 53) diesen Begriff mit „Gruppensolidarität“ bzw. „Solidaritätsgruppe“. 672 Vgl. Cheddadi, Civilisation, 297–362. 670 671
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 303 Entstehung und Verbreitung des Christentums eben als historische Phänomene beschrieben werden, welche aus dem Rahmen der Theorie Ibn Ḫaldūns springen würden, insofern sich das Christentum dieser Logik zu entziehen scheint. Auch bei der Darstellung der Geschichte des römischen Reiches muss er damit zurechtkommen, dass einige geschichtliche Sachverhalte seine Geschichtstheorie aufbrechen. Während für Ibn Ḫaldūn nämlich das Geschick eines Staates mit dem Aufgang und dem Niedergang einer bestimmten genealogisch zusammengehaltenen Königsdynastie verbunden ist, weist die römische Geschichte nicht nur ein republikanisches Intermezzo, sondern auch eine Abfolge unterschiedlicher Dynastien auf. 673 Dennoch scheinen die erwähnten Überlegungen den Geschichtsschreiber nicht allzu sehr mit der Frage beschäftigt zu haben, wie nun diese Ungereimtheiten auszubügeln seien. Die gesamte Reflexion ist nämlich auch in anderer Hinsicht von Relevanz, und zwar bei der Frage nach dem Verhältnis von politischer und religiöser Macht und bei der Frage, welche Rolle diese beiden Elemente im zyklischen Werden einer Gesellschaft einnehmen. Für Ibn Ḫaldūn ist politische Herrschaft die natürliche und geschichtlich selbstverständliche Manifestation von ʿaṣabīya, wobei er politische Herrschaft immer mit königlicher Herrschaft identifiziert. 674 Herrschaft kann dabei auf einer rationalen Basis, also auf für die Vernunft einsichtigen Normen, oder auf einer religiösen Basis gründen, also auf geoffenbarten Normen, die dem Individuum ein Gelingen sowohl im Diesseits als auch im Jenseits Vgl. Al-Azmeh, Aziz: Ibn Khaldun: An Essay of Reinterpretation, Budapest 22003, 17f. Genealogisch ist die Geschichte der Römer und der Griechen für Ibn Ḫaldūn durch die gemeinsame Abstammung von Yunān, Sohn des Yafet, verbunden. Darum wird der Machtwechsel von den Griechen zu den Römern auch nicht als Bruch wahrgenommen, sondern als Ablösung einer Dynastie durch eine ihr verwandte Dynastie (Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī II, 196). Vgl. auch Di Branco, Storie arabe, 43–46. 674 Vgl. Rosenthal, The Muqadddima I, 414 wie auch Al-Azmeh, Ibn Khaldun, 11. 673
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ermöglichen. 675 Mit der Religion mache sich der Staat dabei eine besonders wirkungsvolle Kraft zu Diensten, da die Religion die Wünsche und Aspirationen der Individuen auf ein gemeinsames Ziel orientieren kann. 676 Gleichzeitig bleibt es für Ibn Ḫaldūn wahr, dass es nur durch die der Gesellschaft innewohnende ʿaṣabīya möglich ist, dass Religion überhaupt ihre Bindekraft entfalten kann, ohne die auch alle anderen Bewegungen ins Leere laufen würden. 677 Es bleibt aber dabei, dass Religion ihre eigene Rolle bei der Gründung eines Staates besitzt und dass daher die Einpflanzung einer neuen Religion auch einen Neubeginn für das Leben eines Staates darstellen kann, „als ob die Schöpfung verwandelt worden wäre.“ 678 Ein solcher Neubeginn hat mit der Bekehrung Konstantins auch die römische Geschichte gekennzeichnet, weshalb Ibn Ḫaldūn der Geschichte der christlichen Kaiser ein neues Kapitel widmet. Dabei ist nicht gemeint, dass er ein besonderes Interesse an dem Vorgang der Bekehrung Konstantins selber zeigt. Sowohl die Zitate aus Ibn al-ʿAmīd wie diejenigen aus dem Kitāb Hurūšiyūš zeigen nämlich, wie oben beobachtet, dass der Autor die christliche Färbung der Bekehrungsberichte deutlich abschwächt und darum über die Hintergründe der Bekehrung Konstantins schweigt, ganz im Gegensatz zu al-Yaʿqūbī oder alMasʿūdī, die auch nach dem Grund (sabab) der Bekehrung Konstantins fragten. Im Mittelpunkt steht bei Ibn Ḫaldūn die Tatsache selber, dass Konstantin als erster christlicher Kaiser ein neues Kapitel der Geschichte Roms eingeleitet hat. Er teilt dabei mit al-Masʿūdī die Überzeugung, dass diese Wende auch einen kulturgeschichtlichen Rückschritt mit sich gebracht hat, wie aus einem Zitat aus dem letzten Teil der Muqaddima ersichtlich wird, in welchem er eine Wissenschaftsgeschichte aufzieht. Die Äußerungen zur Rolle des Christentums in diesem Prozess erinnern dabei an die bereits oben erwähnten Autoren aus der abbasidischen Zeit: Vgl. Rosenthal, The Muqadddima I, 386. Vgl. Rosenthal, The Muqadddima I, 319–321. 677 Vgl. Rosenthal, The Muqadddima I, 322 wie auch Cheddadi, Civilisation, 303f. 678 Rosenthal, The Muqadddima I, 65 und Al-Azmeh, Ibn Khaldun, 23. 675 676
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 305 Nach der Zerstörung der Herrschaft der Griechen ging die Macht an die römischen Kaiser, die das Christentum annahmen und die rationalen Wissenschaften vernachlässigten, wie es die Religionen und ihre religiöse Gesetze fordern. Diese [sc. die Wissenschaften] aber lebten in den Abhandlungen und Schriftensammlungen weiter, die in ihren Archiven aufbewahrt wurden. 679
Im Vergleich mit al-Masʿūdī wird diese kulturgeschichtliche Bewertung anders funktionalisiert. Wie oben beobachtet, bietet sich für den Geschichtsschreiber aus Bagdad dieses Motiv dazu an, der byzantinischen Kultur jegliche Affinität zu der Weisheit der Griechen abzusprechen. Dazu dient ihm letztendlich auch die genealogische Gegenüberstellung von Griechen und Römern. Ibn Ḫaldūn hingegen, der es mit der arabischen Orosius-Übersetzung vorzieht, Griechen und Römer auf eine gemeinsame Abstammung zurückzuführen, problematisiert in diesen Zeilen nicht so sehr das Verhältnis des Christentums zur wissenschaftlichen Tradition, als vielmehr das abwechslungsreiche Verhältnis von Wissenschaft und Religion überhaupt. Die Zeit der byzantinischen Kaiser wird von ihm als ein Moment dieser Interaktionsgeschichte dargestellt. Die Wissenschaft der Chaldäer, der Syrer und der Ägypten basierte in erster Linie auf Magie und Herstellung von Talismanen und geriet durch die Etablierung der monotheistischen Religionen in Vergessenheit. Die Wissenschaft der Perser hingegen war auf intellektueller Basis gegründet und konnte sich vor allem nach den Eroberungszügen Alexanders des Großen in die weite Welt verbreiten. Sie geriet aber nach der islamischen Eroberung unter ʿUmar, der die Anordnung gegeben hatte, die Bücher der Perser zu zerstören, erneut in Vergessenheit. Erst nachdem die Muslime einen bestimmten Grad an Reichtum erreicht hatten, wurden sie in der Zeit al-Maʾmūns fähig, das Erbe der griechischen Wissenschaft Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 400f (Übers. Rosenthal, The Muqaddimah III, 115): Wa-lammā inqaraḍa amru l-yūnāni wa-ṣāra l-amru li-l-qayāsirati wa-aḫaḏū bi-dīni n-naṣrānīyati hağarū tilka l-ʿulūma kamā taqtaḍīhu l-milalu wa-š-šarāʾiʿu fīhā wa-baqiyat fī ṣuḥufihā wadawāwīnihā muḫalladatan baqīyatan fī ḫazāʾinihim. 679
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anzunehmen. 680 Man erkennt also gerade an der Gegenüberstellung von zwei unterschiedlichen Entwicklungsmomenten innerhalb der muslimischen Geschichte, dass Wissenschaftsgeschichte für Ibn Ḫaldūn vor allem eine Funktion der Zivilisations- bzw. der Staatstheorie bleibt. Auch innerhalb des Christentums kann Ibn Ḫaldūn feststellen, dass es zu unterschiedlichen Momenten zu unterschiedlichen wissenschaftlichen Entwicklungszuständen gekommen ist. So weiß Ibn Ḫaldūn z.B. zu berichten, dass in der Zwischenzeit die philosophischen Wissenschaften in vielen Lehrzentren Europas wieder intensiv gepflegt werden. 681 Wie verhalten sich aber in der Beurteilung Ibn Ḫaldūns religiöse und politische Herrschaft zueinander und wie interpretiert er dabei die Bekehrung Konstantins? Die Antwort auf diese Frage hängt für Ibn Ḫaldūn mit der staatstheoretischen Einordnung des Islams zusammen. Die Besonderheit des Islams gerade dem Judentum und Christentum gegenüber sieht Ibn Ḫaldūn nämlich darin, dass die politische und die religiöse Herrschaft in der Person des Kalifen vereint werden, der als Stellvertreter Muḥammads fungiert, des vorzüglichsten aller Gesetzgeber: In der muslimischen Gemeinschaft ist der Heilige Krieg eine religiöse Pflicht, wegen der universalen Mission und wegen der Notwendigkeit, jeden einzelnen zum Islam zu bekehren, sei es freiwillig oder durch Zwang. Darum sind im Islam das Kalifat und die königliche Herrschaft vereint, so dass die dafür verantwortliche Person die ihr zur Verfügung stehenden Kräfte für beide Ziele gleichzeitig einsetzen kann. Den anderen Religionsgemeinschaften wurde hingegen keine universale Mission anvertraut und der Heilige Krieg wurde ihnen nicht als religiöse Pflicht auferlegt, es sei denn um der Selbstverteidigung willen. Religiöse Machtinhaber beschäftigen sich daher nicht mit politischen Belangen. Die königliche
Vgl. Rosenthal, The Muqadddima III, 113–116 und Cheddadi, Civilisation, 423f. Zur Wissenschaftslehre Ibn Ḫaldūns siehe auch Zaid, Ahmad: The Epistemology of Ibn Khaldūn, London 2003, hier 77f. 681 Vgl. Rosenthal, The Muqadddima III, 117f wie auch Fromherz, Ibn Khaldun, 26. 680
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 307 Herrschaft wird aber von denjenigen ausgeübt, denen sie zufälligerweise zufällt, ohne dass das aber irgendwie auf die Religion zurückzuführen sei. 682
Die hier dargelegte Ausführung scheint somit verständlich zu machen, warum Ibn Ḫaldūn in der Muqaddima eine separate Darstellung der Geschichte des jüdischen Priestertums und des christlichen Patriarchats einfügte. 683 Wie im Judentum das Priestertum an die Seite der politischen Macht getreten ist ohne mit ihr eine Einheit gebildet zu haben, so übernehmen im Christentum die Patriarchen als Stellvertreter Christi (ḫalīfat al-masīḥ) die Aufgaben religiöser Herrschaft. Auch bei der Beschreibung der machtpolitischen Verhältnisse im mittelalterlichen Europa wendet er diese Gedankenkonstruktion an und behauptet, dass die Päpste ihre Untertanen der Gerichtsbarkeit der Könige anvertraut hätten, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht auseinanderfallen würde. 684 Damit verkennt Ibn Ḫaldūn natürlich die ideologische Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum. 685 Er wendet aber für die Gegenwartsanalyse das gleiche Interpretament an, mit dem er auch die Geschichte der anderen Völker liest. Mit den Worten aus dem gerade wiedergegebenen Zitat lässt sich auch für Konstantin behaupten, dass die Herrschaft über das römische Reich ihm „zufälligerweise zugefallen“ sei und daher nicht mit einem politischen Auftrag des Christentums einhergehen kann. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 192 (Übers. Rosenthal, The Muqadddima I, 473): Wa-l-millatu l-islāmīyatu lammā kāna l-ğihādu fīhā mašrūʿan li-ʿumūmi d-daʿwati wa-ḥamli l-kāffati ʿalā dīni l-islāmi ṭawʿan aw karhan. uttuḫiḏat al-ḫilāfatu wa-l-mulku li-tuwağğihu š-šawkata mina lqāʾimīna bihā ilayhumā maʿan. wa-ammā mā siwā l-millati l-islāmīyati falam takun daʿwatuhum ʿāmmatan wa-lā l-ğihādu ʿindahum mašrūʿan illā fī mudāfaʿati faqaṭ. fa-ṣāra l-qāʾimu bi-amri d-dīni fīhā lā yaʿnīhu šayʾun min siyāsati l-mulki wa-innamā waqaʿa l-mulku li-man waqaʿa minhum bi-lʿarḍi wa-li-amri ġayri dīnīyin. 683 Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 192–95 (Übers. Rosenthal, The Muqaddimah I, 472–481). 684 Vgl. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 195 (Übers. Rosenthal, The Muqadddima I, 481). 685 Vgl. Cheddadi, Civilisation, 347–49. 682
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Gerade dadurch mag sich Ibn Ḫaldūn dazu genötigt gefühlt haben, die christliche Deutung der Bekehrung Konstantins als göttliche Berufung zu neutralisieren. Auch wenn sich Ibn Ḫaldūns muslimische Vorgänger dessen bewusst waren, dass die Geschichte des Christentums nicht mit der Geschichte des römischen Reiches zu identifizieren ist, ist es Ibn Ḫaldūn anzurechnen, dass er diese Differenzierung zwischen Christentum und Rom auch geschichtstheoretisch und methodologisch reflektieren kann. 11.2. al-Maqrīzī Unter den Schülern Ibn Ḫaldūns befand sich auch der ägyptische Geschichtsschreiber Aḥmad ibn ʿAlī al-Maqrīzī (gest. 1442). 686 Wie der tunesische Geschichtsschreiber hat auch dieser unterschiedliche öffentliche Ämter bekleidet, vor allem als Richter und Prediger, bevor er sich ganz der Geschichtswissenschaft widmete. 687 Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte er in Kairo, dem Machtzentrum des Sultanats der Mamluken. Für das Zeugnis, das er in Bezug auf die ihm gegenwärtige Zeitgeschichte hinterlassen hat, bleibt al-Maqrīzī ein oft herangezogener Autor. 688 Unter seinen Geschichtswerken ist zunächst seine „Geschichte der Menschheit“ (al-Ḫabar ʿan al-bašar) zu nennen. 689 Darin widmet er ein um die 60 Handschriften-Seiten umfassendes Kapitel der Geschichte des alten Griechenlands und des byzantinischen Reiches. 690 Sein bekanntestes Werk ist aber das Kitāb al-Mawāʿiẓ wa l-iʿtibār fī ḏikr alZu Person und Werk vgl. Bauden, Fréderic: Art. „al-Maqrīzī“, in: CMR V, 380–395. 687 Levanoni, Amalia: „Al-Maqrīzī’s account of the transition from Turkish to Circassian Mamluk Sultanate: History in the service of faith“, in: Kennedy, Hugh (Hg.): The Historiography of Islamic Egypt (C. 900–1800) (The Medieval Mediterranean, 31), Leiden 2001, 93–105, hier vor allem 103. 688 Vgl. zuletzt Perho, Irmeli: „Al-Maqrīzī and Ibn Taghrī Birdī as Historians of Contemporary Events“, in: Kennedy, Hugh (Hg.): Historiography, 107–120. 689 Eine Edition dieses Werkes ist in der Reihe Bibliotheca Maqriziana in Bearbeitung. 690 Vgl. CMR V, 392–95. 686
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 309 ḫiṭaṭ wa-l-āṯār („Buch der Ermahnungen und der Lektionen, die aus den Berichten über die Landesabschnitte und die antiken Monumente hervorgehen“), auch bekannt als Ḫiṭaṭ („Landesabschnitte“). 691 Es handelt sich also um eine „topographische und archäologische Geschichte“ Ägyptens von der Zeit der Pharaonen bis hin zu den gegenwärtigen Ereignissen. 692 Ein Hauptgewicht dieses Werks bilden die Beschreibungen der unterschiedlichen Städte und Bauten Ägyptens wie auch der religiösen Bräuche der Muslime, Christen und Juden. Auch wenn dadurch die Weltgeschichte in den Hintergrund rückt, kommt al-Maqrīzī im Kontext der Beschreibung der Feste des koptischen Kirchenjahrs ausführlicher auf die Konstantingeschichte zu sprechen, und zwar bei der Behandlung des Kreuzesfestes. 693 Ähnlich wie Ibn Ḫaldūn greift al-Maqrīzī sowohl auf das Kitāb Hurūšiyūš als auch auf Ibn al-ʿAmīd zurück. Der Grund dafür mag auch für ihn darin gelegen haben, dass er die arabische Orosius-Übersetzung für das Werk eines muslimischen Übersetzers hielt. In der Einführung zum Abschnitt über die koptischen Feste kündigt er nämlich an, sowohl christliche als auch muslimische Quellen heranzuziehen. 694 Anders als der tunesische Geschichtsschreiber beschränkt sich al-Maqrīzī aber damit, Ibn alʿAmīd für die Kreuzesauffindungslegende heranzuziehen, die im Kitāb Hurūšiyūš bekanntlich nicht berücksichtigt wird. Für alle anderen Ereignisse aus der Regierung Konstantins vertraut sich der ägyptische Geschichtsschreiber ganz der arabischen OrosiusÜbersetzung an, der er damit mehr Details und Einzelheiten entnimmt, als es noch sein Lehrer gemacht hatte. Dadurch wird zudem deutlich, dass al-Maqrīzī direkten Zugang zum Kitāb Vgl. al-Maqrīzī, al-Mawāʿiẓ wa-l-iʿtibār fī ḏikr al-ḫiṭaṭ wa-l-āṯār, hg. von Gaston Wiet, 5 Bde., Cairo 1911–1927 und übers. von Urbain Bourian und Paul Casanova, Description topographique et historique de l'Égypte, 4 Bde.: Bd. 1 und Bd. 2 übers. von U. Bouriant; Bd. 3 und Bd. 4 übers. von P. Casanova, Paris 1895–1920. 692 Vgl. CMR V, 387. 693 Vgl. al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 235–240 (Übers. Casanova III, 45–47). 694 Vgl. al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 225 (Übers. Casanova III, 38). 691
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Hurūšiyūš hatte, dessen Kopie er vielleicht sogar aus den Händen seines Lehrers erhalten haben könnte. Al-Maqrīzīs Zitat aus Ibn alʿAmīd ist hingegen knapper als bei Ibn Ḫaldūn gehalten. Auch hier dürfte er aber direkten Zugang zum koptischen Geschichtsschreiber gehabt haben, wie man aufgrund der Tatsache vermuten kann, dass er die Auferstehungskirche der Vorlage entsprechend und gegen seinen muslimischen Vorgänger sachgemäß mit kanīsat al-qiyāma bezeichnet. Die kurze Abhandlung der Konstantingeschichte fasst, wie bereits erwähnt, alle Paragraphen zusammen, die im Kitāb Hurūšiyūš dem ersten christlichen Kaiser gewidmet werden. Vor allem bei der Darstellung der Silvestertaufe und der Kreuzeserscheinung ist alMaqrīzī aber daran interessiert, die Vorlage genauer wiederzugeben. Schließlich ist es gerade die Kreuzesvision, durch welche die Thematik eingeführt wird, um die es im breiteren Kontext der Beschreibung der koptischen Feste geht: Im 20. Jahr seiner Herrschaft zogen die Goten aus, um Teile seines Reiches einzunehmen. Er bekämpfte sie und drang sie aus seinen Ländern. Er sah daraufhin in seinem Traum Standarten in Gestalt ( )ﺷﺒﮫdes Kreuzes, sich [in den Himmel] emporragend, und jemand sprach zu ihm: „Wenn du über deinen Widersacher triumphieren willst, dann benutze dieses Zeichen in all deinen Kleidern und Trachten!“ 695
Da das Kitāb Hurūšiyūš direkt im Anschluss nur kurz erwähnt, dass Konstantin seine Mutter Helena nach Jerusalem sandte, sah sich alMaqrīzī dazu veranlasst, seine Quelle zu wechseln und eine Zusammenfassung der Kreuzesauffindungslegende aus Ibn alʿAmīd zu geben. 696 Die narrativen Wiedererkennungszeichen der Judas-Kyriakos-Legende werden von ihm aber fast unkenntlich al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 238f (Übers. Casanova III, 47): Falammā kāna fī ʿišrīna sanatin min dawlatihi ḫarağat al-qūṭu ʿalā baʿḍi aṭrāfihi fa-ġazāhum wa-ḫrağahum ʿan bilādihi. wa-raʾā fī manāmihi kaʾanna bunūdan šibha ṣ-ṣalībi qad rafaʿat wa-qāʾilun yaqūlu lahu: in aradta an taẓfara bi-man ḫālafaka fa-ğʿal hāḏihi l-ʿalāmata ʿalā ğamīʿi bazzika wa-šaklika. 696 Vgl. al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 239 (Übers. Casanova III, 40). 695
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 311 gemacht. Mithilfe des Jerusalemer Bischofs Makarios, der sie darauf hinweist, „was die Juden aus dem Ort gemacht hatten“, konnte Helena „drei Holzstücke in Form von Kreuzen“ ans Licht bringen. Erst die Auferweckung eines Toten hat dabei feststellen lassen, welches das wahre Kreuz sei. Daraufhin wurde für den 17. Tūt das Kreuzesfest angeordnet. Dadurch erhält die Konstantingeschichte auch ihre Schlusspointe, durch die der Bezug zum Kreuzesfest sichtbar wird. Was al-Maqrīzī anschließend über die Durchführung des Kreuzesfestes schreibt, grenzt hingegen mehr an Polemik als an neutrale Beschreibung. Ohne präzisere Details zu liefern, schreibt er, dass die christlichen Stadtbewohner Kairos an diesem Tag zu einer Siedlung in der Nähe von Fusṭāṭ zu strömen pflegten. Dabei hätten sie sich „auf einer unermesslich abstoßenden Art“ den „abscheulichsten Praktiken hingegeben.“ 697 Zu Recht hätten darum schon die fatimidischen Kalifen diese Praktiken verboten und die Straßen für die Prozession geschlossen. 698 Bereits in der Einführung zu den koptischen Festen nimmt der Geschichtsschreiber dabei vorweg, dass er deren Beschreibung mit einer theologisch motivierten Botschaft verbunden wissen will. Er beginnt dort nämlich mit einem Ausspruch des zweiten Kalifen ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb, mit dem er die muslimischen Gläubigen mahnt, sich von den jüdischen oder christlichen Festen fernzuhalten und sich nicht an ihnen zu beteiligen. 699 Huda Lutfi und Alexandra Cuffel haben in ihren Studien darauf hingewiesen, dass sich al-Maqrīzī unter jene Autoren einreiht, die sich für eine strikte Trennung von islamischen und nichtislamischen Lebensformen und darum auch für eine rigidere Begrenzung möglicher Interaktionsmomente zwischen muslimischer und christlicher Bevölkerung stark machten. 700 697
47f). 37f).
698 699
al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 240 (Übers. Casanova III, 47). Vgl. al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 240 (Übers. Casanova III, Vgl. al-Maqrīzī, Ḫiṭaṭ, Ed. Wiet IV, 224 (Übers. Casanova III,
Vgl. Lutfi, Huda: „Coptic festivals on the Nile: Aberrations of the past?“, in: Philipp, Thomas und Haarmann, Ulrich (Hgg.): The Mamluks in 700
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Die Existenz solcher Schriften ist natürlich als Hinweis darauf zu verstehen, dass diese Interaktionen sowohl im alltäglichen als auch im religiösen Leben eine gewisse Selbstverständlichkeit hatten und einigen juristischen Gelehrten, zu denen auch al-Maqrīzī zu zählen war, anscheinend ein Dorn im Auge waren. 701 In den Abschnitten, die er der Beschreibung der koptischen Feste widmet, lässt sich dabei ein wiederkehrendes Muster erkennen: Die öffentlichen Feierlichkeiten würden unislamische Verhaltensweisen fördern, den Alkohol fließen lassen und sowohl Frauen und Männer als auch Christen und Muslime über die Grenze des Erlaubten miteinander in Berührung kommen lassen, weshalb sie von der zentralen politischen Macht wiederholt verboten wurden. 702 Es sind Beschreibungen, die „ein spannungsgeladenes“ Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheitskultur und der „unterlegenen aber immer noch resilienten koptischen Kultur“ konstruieren und die darauf abzielen, die herrschende Elite dazu zu bringen, gegen die subversiven und chaotischen Zustände vorzugehen. 703 Auch die Erwähnung der „abscheulichen Praktiken“, die sich bei der Kreuzesprozession zugetragen hätten, passt also in dieses Schema. Der Blick al-Maqrīzīs ist derjenige eines Rechtsgelehrten in Diensten des Staates, der vor allem das subversive Element und die soziale Sprengkraft der gemeinsamen Feierlichkeiten fürchtete und darum mit Verdacht auf solche Ereignisse schaute. 704 Egyptian politics and society (Cambridge Studies in Islamic Civilization), Cambridge 1998, 254–282, hier 255f und 280–82, und Cuffel, Alexandra: „Environmental Disasters and Political Dominance in Shared Festivals and Intercessions among Medieval Muslims, Christians, and Jews“, in: Cormack, Margaret (Hg.): Muslims and Others in Sacred Space, Oxford 2013, 108–146, hier vor allem 115f. 701 Vgl. Cuffel, „Shared Festivals“, 120. 702 Vgl. Lutfi, „Coptic festivals“, 257. 703 Lutfi, „Coptic festivals“, 256 und 265. 704 Vgl. Lutfi, „Coptic festivals“, 254: Because of its potential to mobilize collective social action, the festival has been viewed historically with particular suspicion on the part of the authorities as a source of subver-
KONSTANTIN BEI DEN ARABISCHEN GESCHICHTSSCHREIBERN 313 Der längere Exkurs aus der Konstantingeschichte steht also an einer politisch sensiblen Stelle der topographischen Beschreibung Ägyptens. Gerade die Herrscherfigur Konstantins steht dabei wie keine andere für die Siegesmacht des Kreuzes. Indem der Bericht über die Kreuzesvision und die wundersame Kreuzesauffindung ein Zeichen des Sieges für die Christen anbot, stellte dieses Symbol letztendlich nicht nur die standesgemäße Verhältnisbestimmung zwischen der muslimischen Staatsgewalt und den christlichen Schutzbürgern auf den Kopf, sondern auch die den Ḫiṭaṭ inhärente Intention, den Sieg der islamischen Herrschaft über das koptische Ägypten hervorzuheben. 705 Die Symbolik des Kreuzes spielt in der Tat seit den Frühzeiten eine wichtige Rolle in der Verhältnisbestimmung zwischen Christen und Muslimen. Bereits das Dokument, das als Inbegriff dieser Verhältnisbestimmung gilt, nämlich der vom bereits erwähnten Kalifen ʿUmar ausgestellte Schutzvertrag für die Christen, verbot das öffentliche Zurschaustellen des Kreuzes. 706 Die Juristen stellten damit natürlich nicht den Schutzstatus der Christen infrage, sie waren aber darum besorgt, ein „hierarchisches Machtgefälle zwischen der muslimischen Mehrheit und den christlichen ḏimmīs zu bewahren,“ durch welches die muslimische Gemeinschaft ihre Identität von allen externen Einflüssen schützen könnte. 707
sion and public chaos, and therefore has often been subjected to official control and censorship. 705 Vgl. Lutfi 1998, 256: More than any other Mamluk historical narrative, the Ḫiṭaṭ is structured to highlight the defeat of the Copts and the extinction of their culture, for it begins significantly with a long account of how their power was broken by the early Arab-Muslim state, and concludes with an account of how, after much resistance, they finally became obedient to the Muslims. 706 Vgl. Cuffel, „Shared Festivals“, 117. 707 Vgl. Cuffel, „Shared Festivals“, 116 und 120f und Levanoni, „History in the service of faith“, 104.
D. SCHLUSS Für den abschließenden Teil dieser Arbeit ist es angemessen, die im Laufe der Arbeit gemachten Beobachtungen unter zwei Aspekten zusammenzufassen und nochmals auf den Punkt zu bringen, und zwar – historiographisch – mit Bezug auf das Verhältnis zwischen christlicher und muslimischer Geschichtsschreibung allgemein und – inhaltlich – mit Bezug auf die Rezeption der Konstantingeschichte selber. Verschiedene Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die Geschichtsschreibung innerhalb des muslimischen Bildungskanons etablieren konnte und dass innerhalb dieser weitgefächerten Literaturgattung auch die Universalgeschichtsschreibung ihren festen Platz bekam. Zum einen sind die universale Mission des Islams und die rasche Expansion des islamischen Herrschaftsgebietes zu nennen, zum anderen die entstehende Bildungskultur an den Höfen der verschiedenen Zentren der muslimischen Welt. Ein weiterer Faktor ist aber an dieser Stelle nochmals hervorzuheben, und zwar die Rolle der kulturellen Dynamiken, die gerade mit der Übersetzungsbewegung angetrieben wurden. Die Entstehungszeit der ersten auf Arabisch verfassten Universalchroniken fällt nämlich in eine Zeit, in welcher die Zahl der aus dem Griechischen übersetzten Werke bereits stagnierte und Platz für direkt auf Arabisch verfasste wissenschaftliche Traktate ließ, in denen also die Werke der Antike rezipiert und diskutiert werden konnten. 1 Für die Geschichtsschreibung ist es hingegen nicht möglich, ähnliche Beobachtungen zu machen. Bisher sind uns nämlich – mit der Ausnahme des Paulus Orosius – keine Übersetzungen von Geschichtswerken griechischer oder 1
Vgl. Gutas, Greek Thought, 151–155.
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lateinischer Autoren bekannt, auf deren Grundlage anschließend eine arabische Kommentarliteratur entstanden wäre. 2 Stattdessen erreichten Eusebius, Sokrates oder Theodoret durch die Vermittlung der christlich-arabischen Kompilationen die muslimischen Chronisten. In dieser Hinsicht unterscheidet sich also die arabische Geschichtsschreibung von den anderen Wissenschaften des muslimischen Bildungskanons. Dennoch kann die Entstehung und Entwicklung der arabischen Geschichtsschreibung auch nicht von diesen getrennt werden. Gerade der enzyklopädische Charakter der Geschichtswerke aus der Zeit der Abbasiden setzt die neue etablierte Wissenschaftskultur voraus, und mit ihr auch das Interesse für die griechische und römische Antike. In diesem Sinne ist es berechtigt, dem Vorschlag Lenn Goodmans zu folgen, die Entstehung von Universalgeschichten auf Arabisch im Gesamtkontext eines Die „islamischen Humanismus“ zu betrachten. 3 Geschichtsschreibung musste sich also nicht gegen den Widerstand anderer Wissenschaften durchsetzen, sondern war von Anfang an ihr natürlicher Begleiter: „The forms of synthetic historiography advance pari passu with the translation movement and the entry of Greek thematic structures into Islamic writings.“ 4 Methodologisch lässt sich die Nähe der Geschichtsschreibung zu den anderen Wissenschaften an einigen Beobachtungen zum Verhältnis zwischen den christlichen und muslimischen Autoren zueinander erhellen. Es wurde im Laufe der Arbeit nämlich immer wieder darauf hingewiesen, dass koptische oder ostsyrische Geschichtsschreiber auf melkitische Quellen oder muslimische Schreiber auf christliche Vorlagen zurückgreifen konnten, und dies mit einem hohen Grad an Selbstverständlichkeit. In dieser Hinsicht war es möglich, von einem polyfonen Charakter der arabischen Geschichtsschreibung zu sprechen. 5 Damit ist aber mehr als eine Haltung der ökumenischen bzw. interreligiösen Offenheit gemeint. 2 Zum Problem der fehlenden Übersetzungen vgl. auch Di Branco, Storie arabe, 32–36. 3 Vgl. Goodman, Islamic Humanism, 161–211. 4 Goodman, Islamic Humanism, 176. 5 Vgl. Di Branco, Storie arabe, 202.
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Man erkennt hinter diesem Sachverhalt vor allem eine methodologische Systematik. Gerade bei späteren Autoren war nämlich zu beobachten, dass die einschlägigen Abschnitte über die Geschichte Roms nicht einfach von der jeweils unmittelbar vorausgehenden Vorlage abgeschrieben oder zusammengefasst wurden, sondern dass je nach Möglichkeit auch auf die Quellen zurückgegriffen wurde, die auch der eigenen Vorlage zugrunde lagen. Auf muslimischer Seite hat dieses quellenkritische Verhalten dazu geführt, dass Autoren wie al-Masʿūdi oder Ibn Ḫaldūn weiterhin auf christliche Quellen setzten, obwohl sie in den muslimischen – bzw. in den von ihnen als muslimisch gehaltenen – Quellen genügend Informationen über die Geschichte Roms vorfanden. Auch al-Maqrīzī sei hier zu erwähnen, welcher nochmals unabhängig von seinem Lehrer Ibn Ḫaldūn auf die wohl von ihm nach Ägypten mitgebrachte Kopie der arabischen Orosius-Übersetzung und auf Ibn al-ʿAmīd zurückgriff. Darin legen diese Kompilatoren die Intention zu Tage, jenseits einer Nachahmung der unmittelbar vorausgehenden Autoritäten sich an den jeweils zur Verfügung stehenden Quellen zu orientieren. Dieser Sachverhalt hatte auch zur Folge, dass die Varianz der behandelten Themen der Konstantingeschichte keine eindeutig konfessionellen Trennungslinien erkennen lässt. Obwohl konfessionell bedingte Ausprägungen und Akzentuierungen nicht zu leugnen sind, bleibt die Darstellung der Konstantingeschichte vor allem durch die jeweils vorhandene Quellenlage bedingt, welche ihrerseits durch die persönlichen Kontakte eines bestimmten Autors und durch den Zugang zu Bibliotheken und Archiven jeweils anders ausfällt. Der Einsatz von Quellen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Qualität wurde in der arabischen Geschichtsschreibung dabei immer wieder problematisiert und zum Ausgangspunkt methodologischer Ausführungen gemacht. Wir haben bereits beim christlichen Geschichtsschreiber al-Manbiğī oder beim muslimischen Chronographen al-Birūnī gesehen, wie die unterschiedliche Jahresberechnung zwischen der hebräischen und der griechischen Version des Alten Testaments zum Gegenstand von methodologischen Überlegungen wurde. Auch die unterschiedlichen Versionen über die Bekehrung Konstantins haben zu einem solchen Problembewusstsein geführt und von den
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unterschiedlichen Autoren unterschiedliche Lösungsansätze gefordert. Für einen Versuch, der Vielzahl divergierender Berichte über Konstantins Bekehrung methodologisch Rechnung zu tragen, steht dabei vor allem al-Masʿūdīs Werk. Dabei scheint sich dies für ihn erst mit der Zeit zu einem historiographischen Problem entwickelt zu haben. Während er in seinem früheren Geschichtswerk ähnlich wie sein Vorgänger al-Yaʿqūbī noch die Perspektive seiner christlichen Quelle übernahm, vertraute er sich in seinem letztem Werk vermeintlich heidnischen Quellen an, was auch als Versuch gelesen werden kann, sich von der konfessionellen Perspektivierung der christlichen Geschichtsschreibung zu lösen und durch Einbezug von vermeintlich nichtchristlichen Quellen der Ursache dieses epochemachenden Ereignisses nachzugehen. Auf dem Spiel stand also nicht ausschließlich eine ideologische Vereinnahmung der Geschichte Roms, sondern die Anwendungsmöglichkeit methodologischer Kohärenz auf die Geschichtsschreibung. Damit kommt dem Anspruch ihrer Träger nach auch dieser literarischen Betätigung die Rolle einer wissenschaftlichen Disziplin zu. Als solche wird die Historiographie – ähnlich wie die Astronomie oder die Medizin – auch zu einem überkonfessionellen Unterfangen. Ihr theoretischer Inhalt ist ein Diskurs über politische Macht und ihre vielgestaltigen Erscheinungsformen im Laufe der Geschichte. An diesem Diskurs beteiligten sich auch christliche Geschichtsschreiber, indem sie auch die muslimische Zeitgeschichte abdeckten und dafür mit der gleichen Selbstverständlichkeit auf muslimische Autoren zurückgriffen, wie diese für die Behandlung der vorislamischen Geschichte auf christliche oder persische Quellen. Der praktische Nutzen der Geschichtsschreibung als Wissenschaft liegt hingegen in der Vorbildfunktion, die sie für aktuelle Herrscher einnehmen kann. Gerade das Geschichtswerk Miskawayhs hat dabei gezeigt, dass die Logik des praktischen Nutzens eine andere als die der theologischen und apologetischen Bewertung ist. Insofern die Geschichtsschreibung aber auch konfessionell bedingte Ausfärbungen tradiert und reproduziert, bieten sich für ein sachgemäßes Verständnis der arabischen Historiographie weiterhin Deutungsmodelle an, die anhand von identitätstheoretischen Kategorien wie derjenigen der „Andersheit“ (othering) oder der „umstrittenen“ bzw. „gemeinsamen Erinnerung“
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(contested history und shared history) operieren. Anhand von drei Begriffen können in diesem Sinne mindestens drei Interpretationsebenen umschrieben werden, auf deren Hintergrund die Konstantingeschichte lesbar gemacht wird: Die christianitas, die romanitas und die humanitas Konstantins. Alle drei Begriffe werden von christlichen und muslimischen Autoren je unterschiedlich gewichtet und ausgefärbt. Die Interpretationsebene, die sich den Geschichtsschreibern am Selbstverständlichsten anbot, wird natürlich durch den Begriff der christianitas umschrieben. Das Konstantinbild ist letztendlich auch in der arabischen Geschichtsschreibung vor allem von seiner Bekehrung zum Christentum geprägt. Das rege Interesse, das man diesem Ereignis entgegenbrachte, hat dazu geführt, dass auch in der arabischen Geschichtsschreibung die unterschiedlichsten Versionen seiner Bekehrungsgeschichte tradiert wurden. Je nach Geschichtsschreiber wurde der Erzählung über die Schlacht an der milvischen Brücke oder der aus der Silvesterlegende entnommenen Erzählung über die Heilung Konstantins von der Lepra den Vorrang gegeben. In der Chronik von Siirt konnte dazu auch der Bericht über die Schlacht Konstantins gegen die Donauvölker aus der historischen Einführung zur Judas-Kyriakos-Legende herangezogen werden. Konstantins christliche Herrschaft war dabei stets mit dem Symbol des Kreuzes verbunden. Sowohl alManbiğī als auch die Chronik von Siirt nehmen bereits im Bericht über die Kreuzesvision die Gelegenheit wahr, zu beobachten, dass sich die byzantinischen Heere seit jenem Ereignis vom Kreuzeszeichen anführen ließen. Mindestens so beliebt wie das Motiv der Kreuzeserscheinung blieb darum auch das Motiv der Kreuzesauffindung. Auch wenn Konstantin darin nicht als Hauptfigur auftritt, halten auch die arabischen Geschichtsschreiber sowohl christlicher- wie muslimischerseits daran fest, dass diese Erzählung nicht von Konstantins Bekehrung hinwegsehen kann, da er schließlich der Empfänger der von Helena nach Konstantinopel gebrachten Reliquie war und seine Herrschaft darum mit diesem christlichen Symbol schmücken konnte. Wie al-Manbiğī und Ibn Baṭrīq aber zeigen, deckt sich die Zielrichtung der Historiographie bei der Darstellung Konstantins nicht vollständig mit derjenigen der Hagiographie, also mit der Darstellung der Heiligkeit bzw. der sanctitas Konstantins. Bei beiden Autoren hinterlässt die unglückliche Verstrickung Konstantins in
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den arianischen Streit zumindest Zweifel über seine theologische Urteilsfähigkeit. Auch scheinen sich nicht alle christlichen Geschichtsschreiber dazu genötigt gefühlt zu haben, mit der Wiedergabe der Silvestertaufe mögliche Zweifel an Konstantins orthodoxer Taufe aus dem Weg zu räumen. Ibn Baṭrīq und Ibn alʿAmīd zumindest geben sich damit zufrieden, die kurze und nüchterne Nachricht über die Taufe in Nikomedien zu überliefern. Bei Letzterem ist dieser Sachverhalt umso beindruckender, als er alManbiğīs Werk kannte – und daher auch seine Wiedergabe der Silvesterlegende. Der Erweis einer unanfechtbaren Orthodoxie und Standhaftigkeit schien bei den christlich-arabischen Geschichtsschreibern nicht immer oberste Priorität gehabt zu haben. Wie am Beispiel Ibn Baṭrīqs zu sehen war, waren sie auch nicht darauf angewiesen, da sie mit den alexandrinischen Bischöfen Alexander und Athanasius schließlich zwei Helden der christlichen Geschichte nachweisen konnten, die auch in der Gegenwart Referenzpersonen für die Christen unter islamischer Herrschaft waren. Auch auf muslimischer Seite blieb Konstantin vor allem als christlicher Kaiser präsent. Seit den Geschichtsschreibern der Abbasidenzeit, die der Geschichte Roms eine eigene Sektion innerhalb der vorislamischen Geschichte widmeten, wurde die Bekehrung Konstantins konsequent als Schwellen-Ereignis gelesen, mit dem die Geschichte des heidnischen Roms zu Ende ging und ein neues Kapitel der römischen Geschichte eröffnet wurde. Die Bekehrung Konstantins zum Christentum wird also grundsätzlich im Sinne eines politischen und zum Teil auch eines religionsgeschichtlichen Umbruchs gewertet. Dennoch wird in den Universalchroniken dieser Umbruch nicht zwingend als Fortschritt bewertet. Dort fehlen bezeichnenderweise Begriffe, mit denen der Übertritt zum Christentum – den theologischen Kategorien des Islams entsprechend – etwa als Übertritt zum Monotheismus (tawḥīd) oder als Anerkennung der prophetischen Botschaft Jesu eingeordnet werden könnte. Letztendlich waren es gerade das Konzil von Nizäa mit seinem Glaubensbekenntnis und die durch die Auffindung der Kreuzesreliquie gestiftete Kreuzesverehrung, welche – aus muslimischer Sicht – dies nicht ermöglichten. Dadurch blieb aber gleichzeitig eine Distanz zwischen den muslimischen Geschichtsschreibern und Konstantin bestehen, welche hermeneutisch nur durch einen Perspektivenwechsel zu
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überbrücken war, sei es kommentarlos oder mit dem expliziten Verweis auf eine christliche Quelle. Dies brachte auch die Konsequenz mit sich, dass die muslimischen Geschichtsschreiber es weiterhin ihren christlichen Quellen überließen, zu definieren, zu welchem Christentum sich Konstantin bekehrt hätte. Damit ist natürlich nicht gemeint, dass sie ihr theologisches Urteil über das Christentum revidieren würden. Sie spiegeln lediglich die Haltung einer muslimischen Mehrheitsgesellschaft wieder, in deren Inneren sich mehrere christliche Gemeinschaften entfalten konnten, jedoch unter Wahrung des hierarchischen Machtgefälles zwischen der muslimischen Mehrheit und den christlichen ḏimmīs. 6 Ibn Ḫaldūn bringt diese Haltung sehr gut zum Ausdruck, wenn er – in Bezug auf die christliche Dogmengeschichte – schreibt: Danach entstand Uneinigkeit unter den Christen in Bezug auf ihre Religion und auf die Meinungen über Jesus Christus. Sie zersplitterten sich in mehreren Gruppen und Parteien, welche von je unterschiedlichen christlichen Herrschern unterstützt wurden. Zu unterschiedlichen Zeiten erschienen unterschiedliche Gruppierungen. Schließlich bildeten sich drei Faktionen heraus, aus denen die christlichen Konfessionen hervorgegangen sind. Die anderen Gruppen hatten dabei keine Bedeutung. Diese sind die Melkiten, die Jakobiten und die Nestorianer. Wir sind nicht der Auffassung, dass wir die Seiten dieses Buches mit der Abhandlung der Lehren ihres Unglaubens beschmutzen sollten. Diese sind allgemein bekannt und sie alle sind des Unglaubens. So ist es auch im Koran gesagt. Es obliegt uns nicht, mit ihnen darüber zu argumentieren und zu streiten. Es obliegt ihnen aber die Wahl zwischen der Konversion zum Islam, der Bezahlung der Kopfsteuer oder dem Tod. 7
Vgl. Cuffel, „Shared Festivals“, 116 und 120f. Ibn Ḫaldūn, Kitāb al-ʿIbar, Ed. al-Hūrīnī I, 195 (Übers. Rosenthal, The Muqadddima I, 480): Ṯumma iḫtalafat an-naṣāra fī dīnihim baʿda ḏālika wa-fīmā yaʿtaqidūnahu fī l-masīḥi wa-ṣārū ṭawāʾifa wa-firaqan wa-staẓharū bi-mulūki n-naṣrānīyati kullu ʿalā ṣāḥibihi fa-ḫtalafa l-ḥālu fī l-ʿuṣūri fī ẓuhūri firqatan dūna firqatin ilā an istaqarrat lahum ṯalāṯatu ṭawāʾifa hiya 6 7
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Die zweite Interpretationsebene, auf der die Geschichte Konstantins gelesen wurde, kann mit dem Begriff der romanitas umschrieben werden. Damit ist gemeint, dass Konstantin nicht nur als christlicher, sondern auch als römischer Kaiser in den Blick genommen wurde. Mit seiner Bekehrung wurde letztendlich auch das römische Reich christianisiert, dessen Streitkräfte sich fortan – um wieder den Wortlaut al-Manbiğīs aufzugreifen – „vom Kreuz anführen ließen“. Das römische Reich und seine Geschichte waren auch für die arabischen Christen mit Sagen und Geheimnissen umwoben. Die Faszination, die von Konstantinopel ausging, ergriff im fernen Bagdad den Kompilator der Chronik von Siirt. Dieser schmückt dabei seine eigene Imagination durch Rekurs auf verbreitete Motive der Romdarstellung aus. Durch die Bekehrung Konstantins wurde diese entrückte Welt für die christlichen Geschichtsschreiber aber ein wenig vertrauter. Die Konstantingeschichte ermöglichte es den außerhalb des byzantinischen Reiches lebenden Christen vielleicht sogar, sich mit dem römischen Reich und seiner Geschichte zu identifizieren. Das gilt – in je unterschiedlichen Maßen – für alle Konfessionen. Besonders für melkitische Christen war es durch die theologische Nähe zur byzantinischen Reichskirche und durch die gelebte Zweisprachigkeit zwischen dem Griechischen und Arabischen möglich, auch die Geschichte des byzantinischen Reiches als Teil ihrer eigenen Identität wahrzunehmen. In den zivilrechtlichen Gesetzesbestimmungen, die in den arabischen Kanonsammlungen festgehalten und Konstantin selber zugeschrieben wurden, verlängert sich gewissermaßen auch die römische Herrschaft in die Gegenwart der arabischen Christen hinein. Ein anschauliches Beispiel dafür ist bekanntlich in der Einführung zum SyrischRömischen Rechtsbuch enthalten, welches von vielen der großen firaquhum wa-lā yaltafitūna ilā ġayrihā wa-hum al-malikīyatu wa-lyaʿqūbīyatu wa-n-nusṭūrīyatu wa-lam nara an nusaḫḫima awrāqa l-kitābi bi-ḏikri maḏāhibi kufrihim fa-hiya ʿalā l-ğumlati maʿrūfatun wa-kulluhā kufrun kamā ṣarraḥa bihi l-qurʾānu l-karīmu wa-lam yabqa baynanā wabaynahum fī ḏālika ğidālun wa-lā istidlālun innamā huwa l-islāmu aw alğizyatu aw al-qatlu.
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Kanonsammlungen der melkitischen, jakobitischen wie auch nestorianischen Kirchen rezipiert worden ist: 8 Und durch seine Kirche gab er [sc. Gott] das Geschenk seiner Güte den christlichen Kaisern des Volkes der Rhomäer. Und er gab ihnen die Kenntnis des wahren Glaubens und unterwarf ihnen durch seine heilige Kirche alle Völker, damit sie durch die Ordnung des Gesetzes Christi die Menschen führten durch Gesetze, die sie, die Kaiser, von der Kirche bekamen, welches ein Geschenk Gottes ist. 9
Die hier angesprochene Verbundenheit der arabischen Christen mit der römischen Geschichte steht nicht zwingend im Widerspruch zur kulturellen Assimilation an die muslimische Umgebung. Um es mit einem aus der Kulturtheorie entnommenen Begriff zu formulieren, zeigt auch die von der römischen Geschichte ausgelöste Faszination, dass das Selbstverständnis der arabischen Christen in seiner Konstitution „hybrid“ war und also gleichzeitig mehrere geschichtliche Identitäten annehmen konnte. 10 Außerhalb der Geschichtsschreibung blieb die Rolle der römischen Kaiser bei der Festlegung des christlichen Glaubens in den Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen christlichen Konfessionen ein heikles Thema, wie aus einem Vgl. Das Syrisch-Römische Rechtsbuch, hg. und übers. von Walter Selb und Hubert Kaufhold, 3 Bde. Wien 2002, hier vor allem Bd. I, 96f. Die Einführung scheint zu einem späteren Zeitpunkt eingefügt worden zu sein, vielleicht erst im 7.–8. Jh. (vgl. Kaufhold, „Die Neuedition des Syrisch-Römischen Rechtsbuches“, 75). Jedenfalls wurde sie auch von arabischen Handschriften überliefert. Vgl. Syrisch-Römisches Rechtsbuch hg. und übers. von Bruns/Sachau, Leipzig 1880, Teil 1, 68f (Text) und Teil 2, 75f (Übers.). Siehe auch demnächst Jack Tannous, „Romanness in the Syriac East“. 9 Das Syrisch-Römische Rechtsbuch, Ed. und Übers. Selb/Kaufhold II, 18–21. 10 Vgl. Pahlitzsch, Johannes: „The Translation of the Byzantine Procheiros Nomos into Arabic: Techniques and Cultural Context“, in: Byzantinoslavica 65 (2007), 19–29, hier 28f. 8
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Traktat des melkitischen Schriftstellers Theodor Abū Qurra (gest. um 820) über die sechs Konzile veranschaulicht werden kann: Es ist vielmehr ein Gnadengeschenk, für welches die Kirche Christus danken soll, der ihr die Kaiser unterworfen hat, damit diese weiterhin den Vätern und den Glaubenslehrern dienen. Jeder Kaiser nämlich, zu dessen Zeiten sich eines dieser Konzile versammelte, erwies sich als der größte Wohltäter unter allen, insofern er das Konzil unterstützte, indem er es beherbergte, und das Volk von ihnen zurückhielt, damit die Väter in der Lage seien, in Ruhe und Gelassenheit über die Religion nachzuforschen und die Beschlüsse umzusetzen. Dem jeweiligen Kaiser war es aber nicht gestattet, sich an den Debatten über die religiösen Angelegenheiten zu beteiligen oder die Beschlüsse zu bestätigen. Er stand den Konzilsvätern lediglich zu Diensten, hörte ihnen gehorsam zu und akzeptierte alles, was sie über die Religion beschlossen, ohne sich aber an den Diskussionen zu beteiligen. 11
Indem Theodor die Rolle des Kaisers auf diejenige eines Beschützers der Konzile und eines Vollstreckers ihrer Beschlüsse eingrenzt, verfolgt er einen apologetischen Zweck, indem er beabsichtigt, dem möglichen Einwand gegen die Gültigkeit eines von einem politischen Herrscher einberufenen Konzils zu entgegnen. 12 Damit spricht er vor allem ein Unbehagen gegenüber Theodor Abū Qurra, Ed. Bacha 28 (Übers. Ders., 41): Bal yanbaġī li-l-kanīsati an yaḥmada l-masīḥa ḥayṯu ḏallala l-mulūka lahā an yaḫdimū ābāʾahā wa-maʿallimīhā liʾanna kulla malikin iğtamaʿa mağmaʿan min hāḏihi l-mağāmiʿi fī zamānihi innamā kāna min abarri l-ğamīʿi iḏ kāna yarfiduhu bi-ḍīfānihi wa-yakuffu š-šaʿba fihī li-tamkīni l-ābāʾi mina nnaẓari fī d-dīni ʿalā hudūʾi wa-daʿati wa-tanfīḏi qaḍīyatihi. fa-ammā lmaliku fa-annahu lam yakun ilayhi mina n-naẓari fī amri d-dīni wa-lā min iṯbāti l-qaḍīyati fī šayʾin. wa-innamā kāna ḫādiman li-l-ābāʾi sāmiʿan lahum muṭīʿan qābilan li-kulli mā qaḍū bihi fī amri d-dīni min ġayri an yašrakahum fī šayʾin min n-naẓari. 12 Vgl. Griffith, Sidney: „Muslims and Church Councils: The Apology of Theodor Abū Qurra“, in: Studia Patristica 25 (1993), 270–290, hier 281–283 und 288f. 11
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der römischen Herrschaft an, welches bei den nichtchalkedonensischen Kirchen vorhanden war und vor allem bei der Rezeption der christologischen Konzile des fünften Jahrhunderts zum Problem wurde. Im Gegensatz dazu bleibt es für die Geschichtsschreiber aller konfessionellen Hintergründe selbstverständlich, die Geschichte Roms auch mit der Geschichte der Konzile zu verbinden. Für das Konzil von Nizäa dürfte das auch nicht besonders umstritten gewesen sein. Es ist nämlich Tatsache, dass sich gerade das erste Konzil als gemeinsames Erinnerungsgut aller christlichen Gemeinschaften erwies. Dennoch soll dies nicht nur im Sinne eines ökumenischen Kontrastprogrammes zu den nachfolgenden Kirchenspaltungen gedeutet werden. Nicht-melkitische Geschichtsschreiber wie Ibn alʿAmīd waren auch für die folgenden Konzile in der Lage, eine neutralere Perspektive einzunehmen oder, wie im Fall der Chronik von Siirt, die Rolle der Kaiser auch positiv zu würdigen. Die Behandlung des Konzils von Nizäa erfüllte also neben einer ökumenischen auch eine historiographische Funktion, nämlich die, das enge Verhältnis zwischen der politischen Macht Roms und der Kirche nach der Bekehrung Konstantins exemplarisch darzustellen. Die Differenzierung zwischen diesen beiden ersten Interpretationsebenen erweist sich auch bei den muslimischen Geschichtsschreibern als hilfreich, um ihre vermeintlich negativ pointierte Deutung der Bekehrung Konstantins einzuordnen. Trotz ihres Zweifels an der Redlichkeit Konstantins erweisen sich nämlich weder al-Masʿūdī noch Miskawayh als Apologeten, die es auf eine theologische Auseinandersetzung mit dem Christentum abgesehen hätten. Das Bild Konstantins, das in diesen Berichten zum Vorschein kommt, ist nicht wie bei ʿAbd al-Ğabbār das Bild eines zweiten Paulus, der das Christentum verfälscht hätte, sondern eben das Bild eines römischen Herrschers, der in erster Linie aus machtpolitischen Gründen handelt. Es ist in dieser Hinsicht vor allem Ibn Ḫaldūn, bei dem sich die Differenzierung dieser zwei durch die Begriffe christianitas und romanitas umschriebenen Deutungsebenen anbietet. Bei ihm wurde diese Differenzierung sogar konstitutiver Bestandteil seiner Geschichtstheorie. Konstantin musste demnach in erster Linie als römischer Kaiser dargestellt werden, um auch die Rolle seiner Bekehrung zum Christentum hervorheben zu können. Insofern religiöse Machtausübung nämlich eine Funktion des gesellschaftlichen
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Zusammenhaltes und darum auch der staatlichen Macht ist, zeigt sich für Ibn Ḫaldūn die Besonderheit Konstantins darin, dass er mit seiner Bekehrung zum Christentum den Anfang einer neuen Dynastie und darum eines neuen geschichtlichen Zyklus der römischen Geschichte verkörpert. Insofern königliche Herrschaft wesentlich mit der Verfasstheit der menschlichen Gesellschaften verbunden ist, wohnt in Ibn Ḫaldūns Darstellung der Geschichte auch ein anthropologisches Moment inne, das uns zur dritten und letzten Interpretationsebene führt, mit der wir die historiographische Rezeption Konstantins zusammenfassen wollen, nämlich zu derjenigen der humanitas Konstantins. Damit ist gemeint, dass die Geschichte Konstantins auch im Kontext von Diskursen thematisiert werden konnte, die beabsichtigen, die in der Natur des Menschen oder der menschlichen Gesellschaft angelegten Gesetzmäßigkeiten oder Verhaltensnormen aufzuzeigen. Es war vor allem Miskawayh, dem es gelang, die Konstantingeschichte konsequent auf dieser Interpretationsebene zu halten, indem er den ersten christlichen Kaiser zu einer Gleichnisfigur für einen praktisch-ethischen Diskurs machte. Im Geschichtswerk Miskawayhs tritt somit nicht nur das Christsein, sondern auch seine römische Herrschaft in den Hintergrund. Die militärische Klugheit, für die Konstantin nun steht, entfaltet ihr Identifikationspotenzial erst dadurch, dass sie sich als menschliche Tugend darstellen und dadurch verallgemeinern lässt. Miskawayh stellt Konstantin darum in eine Reihe mit Herrschern aus der griechischen und persischen Geschichte, mit denen er nichts anderes als eben die Verkörperung einer bestimmten Tugend teilte. Zum Schluss ist noch einmal die in der Einführung angeführte Frage aufzugreifen, ob die muslimische Geschichtsschreibung vielleicht auch den Versuch unternommen hat, die Geschichte Konstantins so für sich in Anspruch zu nehmen, dass daraus die Geschichte eines muslimischen Herrschers erkennbar würde. Darauf ist zuerst mit einem „Nein“ zu antworten. Darstellungen Konstantins, die Ibn Isḥāqs Vorstellung eines muslimischen Anhängers Jesu auf die historische Figur Konstantins projizieren, fehlen bei den uns bekannten Geschichtsschreibern. Das mag auch damit zusammenhängen, dass – im Gegensatz zu den biblischen Propheten, aber auch im Gegensatz zu Heiligenfiguren wie den Sieben Schläfern von Ephesos – der Koran selber keine Vorgaben
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zu Konstantin gegeben hat. Es waren aber vielleicht gerade die rationale Methode al-Masʿūdīs, die ethisch-philosophische Geschichtsschreibung Miskawayhs und die Geschichtstheorie Ibn Ḫaldūns, denen es gelungen ist, die Geschichte Konstantins aus der Deutungshoheit der christlichen Historiographie zu lösen und zu universalisieren, in das literarische Erbe der muslimischen Kultur zu integrieren und gerade dadurch zu islamisieren.
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Bayerische Staatsbibliothek
Mon. Arab. 376: Ibn al-ʿAmīd, al-Mağmūʿ al-mubārak
Bibliothèque nationale de France (BnF)
Par. Arab. 234: Collection canonique melkite
Par. Arab. 294: Ibn al-ʿAmīd, al-Mağmūʿ al-mubārak 331
332
CONSTANTINUS ARABICUS Par. Arab. 4524: Ibn al-ʿAmīd, al-Mağmūʿ al-mubārak
Par. NAL 2178: Martyrologium von Silos c) Editionen
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Aldhelmus, Carmen de Virginitate, hg. von. Rudolf Ewald, MGH AA 15, Berlin 1913, 209–323. Alexander Monachus, De Inventione Crucis (BHG 410), hg. und übers. von J.-P. Migne, PG 87/3, 4016–4076.
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TRANSLITERATION Arabisch
Transliteration*
ء ا ب ت ث
ā
ج ح خ د ذ ر ز س ش ص ض ط ظ ع غ ف
Aussprache
ʾ
Stimmabsatz
b t ṯ
Behauchtes „t“, wie das „th“ im Englischen „think“ Wie das „dsch“ im Deutschen „Dschungel“ Pharyngaler Reibelaut „h“
ğ
ḥ ḫ
Velarer Reibelaut, wie im Schweizerischen „ch“
d ḏ
Wie das „th“ im Englischen „this“
z
Stimmhaftes „s“, wie das „z“ im engl. „bulldozer“
š
Wie im Deutschen „sch“
ḍ
Emphatisches „d“
ẓ
Stimmhaftes, emphatisches „s“
r
s ṣ ṭ
Emphatisches „t“
ʿ
Pharyngaler Reibelaut
ġ
Deutsches „Gaumen-R“
f
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CONSTANTINUS ARABICUS
ق ك ل م ن ه و ى ة
q k
Pharyngales „k“
l
m n h
w/ū/u y/ī/i a/at
* Nach dem System der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (DMG).
INDEX Alexander von Alexandrien 69, 102, 136, 293, 297, 320 Alexander von Jerusalem siehe Helena Alexander von Konstantinopel 132 Alexandrien 37, 69, 73, 77, 85, 106–108, 111, 115, 144, 160 Anastasius (Kaiser) 240 al-Andalusī 179f Antiochien 101f, 112, 116, 144, 271–273 Apamea 100, 101 Apollonios von Tyana 244 Arcadius (Kaiser) 238 Ardaschir 55, 151 Arius, Arianer 76, 102, 105– 108, 110, 121, 136, 159, 203, 204, 236, 239, 258, 277, 293 Arsakes 55 Athanasius II (Patriarch) 20 Athanasius von Alexandrien 107f, 110, 131–133, 144, 239, 262, 267, 293, 297, 320 Augustus (Kaiser) 68, 192, 194, 245, 274, 287
A Aba, Mar Aba (Katholikos) 241f ʿAbd al-Ğabbār al-Hamaḏānī 169f, 179, 325 ʿAbd al-Mālik ibn Marwān (Kalif) 41f ʿAbd al-Malik ibn Nūḥ 50 ʿAbd ar-Raḥmān III 185 ʿAbdīšōʿ bar Brīkā 26, 238 Abraham (Bibel) 44, 83, 88, 180 Abū ‘Umayr al-Azdī 175 Abū al-‘Abbās (Sultan) 289 Abū l-Fidāʾ 148, 162, 286 Abū Zakarīyāʾ Dinḫā 35, 149 Acacius von Aleppo 111 Adam (Bibel) 44, 83f, 91f, 150, 252 Ado von Vienne 199 Agapius von Hierapolis siehe al-Manbiğī al-Aḫbār aṭ-ṭiwāl siehe adDīnawarī Aḫbār mulūk al-Andalus siehe ar-Rāzī Aldhelmus 198f Aleppo 272 Alexander der Große 13, 20, 55, 66, 84, 194, 215f, 305 Alexander Monachus 122– 128, 130–134, 136, 142f
369
B Badr ağ-Ğamālī 38 Bagdad 5, 15, 43, 54, 64, 72, 74, 94, 145, 154, 201, 209, 248f, 268, 278, 305, 322
370
CONSTANTINUS ARABICUS
al-Bakrī 185f, 200, 286 Balʿamī 50 Bardesanes 91 Barḥadbšabbō ʿArbōyō 101 Barhebräus siehe Ibn al-ʿIbrī Barqūq (Sultan) 290 Barsamya von Edessa 25, 125, 126, 230 Basileios I (Kaiser) 68, 140 Basilius von Caesarea 129 Baybars (Sultan) 254 Baybars al-Manṣūrī 50 Biographien der heiligen Kirche (Siyar al-bī‘a al-muqaddasa) 36, 50, 267 al-Bīrūnī 67f, 75, 89f, 317 Buch der Taube (Ibn al-ʿIbrī) 277 Bulgaren 155–157, 169f Byzantium siehe Konstantinopel Byzas 241, 271 C Carus (Kaiser) 68 Chosrau I 101 Chosrau II 233–235 Christodulos (Patriarch) 37f Chronica gothorum pseudo-isidoriana 190f Chronica Maiora (Isidor von Sevilla) 195 Chronicon 1234 241, 269, 271, 275 Chronicon 506 33 Chronicon 540 33 Chronicon pontificum et imperatorum (Martin Oppaviensis) 285 Chronicon Syriacum siehe Ibn al‘Ibrī
Chronik von Siirt 20, 34, 71, 94–97, 99f, 105, 110, 218– 50, 319, 322 Chronik von Zuqnin 19, 82, 109 Chrysostomos (?) 91f, 253 Claudius (Kaiser) 24, 121 Claudius Ptolomaeus 66, 253 Commodus (Kaiser) 162 Constantia 204 Constantius Chlorus 121, 125f, 128, 262f, 275, 295, 299 Cosmographia (Julius Honorius) 184 D Damaskus 154, 160, 254, 272, 290 Daniel (Prophet) 83, 87, 208 Daniel ibn Maryam 224 Dara 234 Decius (Kaiser) 68, 121, 154 ad-Dīnawarī 41, 53, 62, 65 Diokletian (Kaiser) 68, 92, 95, 122f, 162, 206, 228, 230, 253, 256, 258f, 260–262, 271f, 295 Diokletiana 272, 276 Dionysius bar Ṣalībī 268 Dionysius von Tell Mahre 35, 39, 271 Dioskoros von Alexandrien 74, 111, 173, 266 Dioskurides 185, 187 Doctrina Addai 24f, 126 Doctrina Jacobi nuper baptizati 140 Domitian (Kaiser) 68 Doquz-Khatun 279f Drepanum 126
INDEX
E Ecchellensis, Abraham 9 Edessa 24, 125f, 160, 230f, 247, 248 Elias von Merw 224 Elias von Nisibis 33–35, 39, 219f Ephesos 73 Epiphanius (?) 253, 260 Erpenius, Thomas 254 Esau (Bibel) 180f Eulalios von Antiochien 120f Eunesius 276, 282 Euphratas 168 Eusebius von Caesarea Bischof und Geschichtsschreiber 17, 31, 82, 106, 109, 202f, 270f, 316 Chronicon 31–33, 82, 84, 89f, 92, 109 Historia Ecclesiastica 32, 36, 81, 91, 113 Vita Constantini 18, 32 Eusebius von Nikomedien 18, 110, 121, 130–133, 195, 293 Eusebius von Rom 24, 29, 30, 97, 98, 108, 110, 158, 228– 230, 246f Eutyches (Presbyter) 74, 82, 111, 173, 266 Eutychios von Alexandrien siehe Ibn al-Baṭrīq Evagrius Scholasticus 80, 101, 111 F Faḫr ad-Dīn ar-Rāzī 251 al-Fārābī 251 Fez 289
371 Flavianus von Konstantinopel 111 Fusṭāṭ 77, 114f, 145, 311 G Gabriel von Baṣra 71 Galenus 162 Galerius Maximianus 62, 129, 224, 260 Ğamīʿ at-tawārīḫ siehe Rašīd adDīn al-Ġazālī 251 Gelasius von Caesarea 21 Georg Synkellos 91f Goten 191, 193f, 202, 207, 278, 310 Gregor von Nizäa 140f H al-Ḫabar ʿan al-bašar (alMaqrīzī) 308 Ḥafṣ al-Qūṭī 187f, 204f al-Ḥakam II (Kalif) 187, 189 Harran 76, 165 Ḫatīb al-Baġdādī 43 Hatra 55 Helena Die Gläubige 125, 279, 280 Heirat mit Constantius 125f Helena und Alexander von Jerusalem 25, 232 Herkunft und Kindheit 24, 125f, 227, 230f, 247 Kirchenbau 155, 178, 235, 292, 293, 297 Kreuz, Kreuzesauffindung 21–24, 56, 68, 99f, 100, 134–136, 155, 159, 160f, 202, 230–35, 258, 265, 292, 296–298, 310f, 319
372
CONSTANTINUS ARABICUS
Mutter Konstantins 7, 19, 126, 148, 157, 169, 231, 248 Reise nach Jerusalem 25, 191, 231 Heraklios (Kaiser) 63, 66, 101, 140, 156, 161, 184, 216, 233, 251f, 254 Hesychios von Miletos 168 Hieronymus (Chronik) 18, 188, 195 Hincmar von Reims 199 Historia universal de Qayrawān 205–8 Ḫiṭaṭ siehe al-Maqrīzī Hormizd II 234, 272 Ḫudāynāma 54, 62 Hülegü 278–280 I Ibn ʿAbd al-Ḥakam 115 Ibn Abī Uṣaybiʿa 114f Ibn ad-Dawādārī 50 Ibn al-ʿIbrī 34f, 39, 268–85 Ibn al-ʿAmīd 9, 38, 50, 250– 68, 290, 292f, 294f, 297f, 304, 309, 317 Ibn al-Aṯīr 46, 286 Ibn al-Ğawzī 46 Ibn al-Munağğim 148, 162, 169, 178 Ibn an-Nadīm 42, 94, 179 Ibn ar-Rāhib 9, 38, 50, 114, 123, 254, 250–68, 298 Ibn aṭ-Ṭayyib 237 Ibn Baṭrīq 9, 34, 114–45, 149, 160, 162, 163, 172, 230, 253, 255, 259, 260, 262–265, 267, 297f, 319f Ibn Ğulğul 185, 187, 189, 201 Ibn Ḥabīb 188 Ibn Ḥağar al-ʿAsqalānī 45
Ibn Ḫaldūn 11, 16f, 46, 50, 177, 182, 185–187, 253, 287, 293, 287–308, 308, 309, 310, 317, 321, 325–327 Ibn Ḥawqal 178 Ibn Hišām 41, 45, 58 Ibn Ḫurdāḏba 160, 174f Ibn Ḫurdādbah 243, 245 Ibn Isḥāq 41, 45, 56, 58, 59f, 326 Ibn Qalāwūn (Sultan) 254 Ibn Sīnā 251 Ibn Taġrī Birdī 50 Ibn Yūnus aṣ-Ṣadafī 253 Ignatius von Melitene 270f Isaak (Katholikos) 238 al-Iṣfahānī 66f Isidor von Sevilla 184, 194 al-Iskāfī 213f Išōʿbarnūn (Katholikos) 71, 224 Išōʿdenaḥ von Baṣra 220 Išōʿyahb III (Katholikos) 219 Išōʿyahb IV (Katholikos) 219 J Jafet (Bibel) 180 Jakob von Edessa 35, 129 Jakob von Nisibis 242, 245 Jakob von Sarug 20 Jakobiten 33, 74, 77, 112, 117, 144, 149, 159, 237, 240, 266, 277, 321 Jerusalem 21–23, 25, 44, 57, 85, 99f, 117, 123, 131f, 134, 136, 139, 144f, 157, 159f, 191, 202, 212, 214, 231, 234, 235, 258, 265, 267f, 292, 296f, 298, 310 Johannes Malalas 31, 130 Johannes von Ephesos 35, 83, 269, 270, 275
INDEX Johannes von Nikiu 35f Josephus 31 Josippon 253 Jovian (Kaiser) 29, 61, 247 Judas-Kyriakos-Legende 21, 22–24, 97, 134, 136, 157f, 227, 231, 233f, 265, 310, 319 Julian (Kaiser) 28–30, 61f, 97, 166f, 246f, 252 Julian-Roman 28–30, 61f, 97, 229, 247 Julius Africanus 31, 91f Julius Caesar 65 Justin II (Kaiser) 100 Justinian 293 K Kairo 254, 268, 287, 289f, 308, 311 Kfar Faher (Kifar Fiḥār) 230 Kirchen Cassianus-Kirche 67 Edessa 160 Geburtskirche (Bethlehem) 293 Grabeskirche 21, 23, 132, 242, 292, 293, 297, 310 Heilige Sophia 242 Homs 160 Petrus und Paulus 242, 244 Kirchengeschichte Alexandriens 36 Kitāb Aḫbār az-zamān (alMas‘ūdī) 146 Kitāb al-Āṯār al-bāqiya siehe alBīrūnī Kitāb al-Buldān (al-Ya‘qūbī) 64 Kitāb al-Burhān (Ibn ar-Rāhib) 251 Kitāb al-ʿIbar siehe Ibn Ḫaldūn Kitāb al-masālik wa-l-mamālik siehe al-Bakrī
373 Kitāb al-Mubtadaʾ (Ibn Isḥāq) 58 Kitāb al-ʿUnwān siehe alManbiğī Kitāb at-Tanbīh siehe al-Masʿūdī Kitāb at-Tawārīḫ siehe Ibn arRāhib Kitāb Hurūšiyūš 9, 182–205, 206, 208, 290f, 298–300, 304, 309, 310 Kitāb Luṭf at-tadbīr siehe al-Iskāfī Kitāb Murūğ aḏ-ḏahab siehe alMasʿūdī Kitāb Tağārib al-umam siehe Miskawayh Kitāb Tahḏīb al-aḫlāq (Miskawayh) 209, 211 Klöster Makarios 37 Manha (Fayyum) 37 Nahya (Gizah) 37 Sabrisho 32 Sinai 78, 115, 143 Konstantin am Konzil von Nizäa 5, 69, 72, 74, 101–5, 136– 39 Auffindung der Torah 84–88, 90, 297 Bekehrung 16, 54, 56, 61, 69f, 72, 75, 128, 130, 157f, 163, 165, 167, 169, 171, 178, 180, 182, 195f, 211, 213, 230, 224–30, 292f, 295, 301, 304, 306, 308, 317, 320, 322, 325 Donatio Constantini 199 Fausta und Crispus 80, 130, 167 Feldzüge 23, 96, 129, 157, 194, 201, 202, 227, 264, 295, 298, 319
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CONSTANTINUS ARABICUS
Gründung Konstantinopels 70, 80, 156, 173, 191, 197, 212, 225, 241, 268, 275, 300 Judenverfolgung 56, 117, 139–41, 145, 267 Kindheit 124, 126, 142, 162, 262 Kreuzeserscheinung 5, 7, 70, 94, 96, 101, 123, 127f, 130, 157, 158, 171, 191, 201, 202, 224, 226, 230, 260, 263, 275, 296, 298, 310, 313, 319 Schlacht an der milvischen Brücke 94, 96f, 127, 130, 168, 207, 220, 224– 25, 263, 275f, 295, 319 Taufe 7, 18, 20, 80, 82, 98, 101, 109, 130f, 133, 142f, 195, 197, 220, 224, 228–230, 258, 265, 271, 276, 295, 300, 320, 336 Tod 18, 80, 108–110, 131, 220, 246–47, 260, 271, 275, 276 Konstantin II (Kaiser) 252 Konstantin V (Kaiser) 65, 112, 154 Konstantin VI (Kaiser) 154 Konstantin VII (Kaiser) 154 Konstantinopel 5, 13–15, 55, 61, 67, 68, 70, 73, 79, 100, 101, 125, 131, 144, 154, 155, 156, 167, 173–78, 198f, 200f, 207, 240–46, 262f, 266, 268, 271, 285, 294, 300, 319, 322 Konstantios II (Kaiser) 108, 110, 203, 252 Konzile und Synoden
Chalkedon (451) 74, 110, 112, 142, 159, 172, 261, 266, 278 Ephesos (431) 74, 110, 111, 142, 159, 172f, 240, 261 Ephesos (449) 111, 266 Hiereia (754) 112 Konstantinopel (381) 73, 110, 142, 159, 172 Konstantinopel (448) 74, 111 Konstantinopel (553) 173 Konstantinopel (681) 173 Nizäa (325) 7, 14, 28, 68, 72–74, 101–6, 110, 117, 121f, 124, 131, 136–39, 142, 145, 158f, 172, 203, 220, 223, 235–40, 248, 258, 261, 265f, 275f, 281, 293, 320, 325 Nizäa (787) 112, 141, 154, 158 Seleukia-Ktesiphon (410) 238 Tyros (335) 131f, 239, 267 Kyrill von Alexandrien 74, 148, 172, 278 Kyrill von Jerusalem 142 Kyrillos II (Patriarch) 37 Kyrillos III (Patriarch) 250, 267 L Leo I (Kaiser) 240 Leo III (Kaiser) 140, 154 Leo IV (Kaiser) 154 Licinius 129, 264, 295 M Mabbug (Hierapolis) 78 al-Madāʾinī 41
INDEX al-Mağmūʿ al-mubārak siehe Ibn al-ʿAmīd Mahdī (Kalif) 79 Makarios von Jerusalem 100, 134, 136, 296, 297, 311 al-Makīn siehe Ibn al-ʿAmīd al-Manbiğī 20, 24, 34, 39, 57, 77–113, 114, 130, 144, 149, 226, 230, 253, 257, 259f, 263, 266, 271f, 277, 298, 317, 319, 320, 322 Manichäer 172 al-Manṣūr (Kalif) 42 al-Maqdisī, Taqī ad-Dīn 45 al-Maqrīzī 3, 11, 182, 185, 202, 287, 308–313, 317 Maragha 272f Mārī ibn Sulaymān 221 Markian (Kaiser) 261 Markus (Evangelist) 37f, 77 Martyrium Pilati 57 Maruta von Maipherqat 24– 28, 72, 103, 121, 136, 138, 231, 232, 235, 236, 237, 238, 265 Maslama ibn ʿAbd al-Malik 175f al-Masʿūdī 35, 46, 49, 64, 67, 76, 114, 145–82, 212, 217, 286, 290, 292, 304f, 318, 325, 327 Maurikios (Kaiser) 234 Mawhūb ibn Manṣūr ibn Mufarrağ 37, 38 Maxentius 94–97, 127f, 130, 168, 195, 207, 220, 224f, 227, 229, 258, 260, 272, 275, 276 Maximiana 228f Maximianus Herculius 123, 260, 272 Medina 292, 302
375 Mekka 292, 302 Melitene 272 Michael der Syrer 35, 81, 241, 269–272, 274–276, 282, 293 Militiades von Rom 131 Miskawayh 16, 44, 49, 169, 182, 208–18, 318, 325–327 al-Mizzī 45 Mufaḍḍal ibn Abī al-Faḍāʾil 254 Muḥammad (Prophet) 44, 51, 58, 62f, 154, 215f, 302, 306 al-Muḫtaṣar fī d-duwal siehe Ibn al-ʿIbrī al-Muḫtaṣar al-aḫbār al-bīʿīya 34f, 220, 221f, 224 al-Muktafī (Kalif) 149 Muqaddima siehe Ibn Ḫaldūn Muqātil ibn Sulaymān 60 al-Muqtaḍir (Kalif) 94, 219 Muslim ibn Abī Muslim alĞurāmī 175 N Narses 272 Naẓm al-ğawhar siehe Ibn Baṭrīq Nero (Kaiser) 192f Nestorios 74, 82, 111, 172, 240, 261, 278 Nikomedien 271, 275f, 295, 320 Nisibis 30, 32, 55, 231 Noah (Bibel) 180 an-Nuwayrī 50 O Orosius siehe Kitāb Hurūšiyūš P Papas bar Aggai (Katholikos) 221, 235
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CONSTANTINUS ARABICUS
Patria Constantinopolitana 167f Paul von Emesa 111 Paulus (Apostel) 18, 98, 170, 193, 196, 287, 325 Paulus von Konstantinopel 139 Paulus von Samosata 137 Petrus (Apostel) 18, 98, 193, 196 Petrus Fullo 112 Philippus (Kaiser) 162, 191, 206 Philostorgius 80, 124 Phokas (Kaiser) 161 Pilatus 57 Pococke, Edward 9 Protonike-Legende 21, 24, 58 Ptolemaios II Philadelphos 84 Pulcheria 240 Q Qaḥṭān 180 Qāsim ibn Aṣbaġ 185, 187, 188 Qusṭā ibn Lūqā 34, 94, 95f, 99, 230 R ar-Rāḍī (Kalif) 77, 116 Rašīd ad-Dīn 284–85 Ray 208f ar-Rāzī (Moro Rasis) 188–190, 199f Rom 18, 29, 55, 61, 63, 65, 82, 85, 95, 97, 121, 128, 130f, 155, 180, 199, 200, 207, 224, 228f, 240–46, 258, 262–264, 274, 294, 300, 308 Romanos I (Kaiser) 185f Romanos II (Kaiser) 185f Rufinus von Aquileia 204
S Sabäer 75, 164–166 Safī ibn al-ʿAssāl 26, 266 as-Saḫāwī 45 Šahdost von Ṭihrān 224 as-Saʿīdī 253 Sāwīrus ibn al-Muqaffaʿ 37 Schapur II 61f, 156 Sebaste (Märtyrer) 129, 264 Selden, John 9 Severus von Antiochien 129 Severus, Flavius Valerius 258 Severus, Optimus (Kaiser) 55 Sieben Schläfer von Ephesos 82, 122, 326 Silvesterlegende 19, 17–20, 21, 30, 82, 93, 97, 109f, 112, 130, 142f, 164, 168, 195f, 214, 221, 224, 230, 265, 275, 285, 299, 300, 319, 320 Simeon bar Saba (Katholikos) 221 Sinān ibn Ṯābit ibn Qurra 147, 165 Šīrīn 234 Sokrates (Kirchengeschichte) 18, 31, 81–83, 92, 102, 105f, 108f, 110f, 113, 122, 142, 239, 269, 271, 275, 278, 316 Sozomenos (Kirchengeschichte) 31 Step‘anos Ōrbēlean 279 Sulaymān ibn ʿAbd al-Malik (Kalif) 175 Syrisch-Römisches Rechtsbuch 322 T aṯ-Ṯaʿālibī 63 aṭ-Ṭabarī, Abū Ğaʿfar 53–63, 65, 145, 147, 213, 286 aṭ-Ṭabarī, ʿAlī ibn Rabban 170
INDEX Ṯābit ibn Sinān 165, 213 aṯ-Ṯaʿlabī 58 Tamerlan 290 Taʾrīḫ al-Yaʿqūbī siehe alYaʿqūbī Taʾrīḫ ar-rusul wa-l-mulūk siehe aṭ-Ṭabarī Terach (Bibel) 84 Theodor Abū Qurra 324 Theodoret (Daniel-Kommentar) 87 Theodoret (Kirchengeschichte) 87, 92f, 102, 105f, 110, 113, 122, 239, 270, 316 Theodosius I (Kaiser) 110 Theodosius II (Kaiser) 65, 81, 83, 92, 240, 261, 266 Theophanes (Chronographia) 122–124, 126, 129–133, 142f, 154 Theophilus von Edessa 39, 83, 87 Thomas von Marʿaš 25 Thomas von Marga 32, 35 Tiberius (Kaiser) 56f, 59 Timotheus I (Katholikos) 5, 249 Trajan (Kaiser) 25, 126 Tripolis 272 Tumarsa (Katholikos) 220 Tunis 287, 289, 290 aṭ-Ṭūsī 272 U ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb 311
377 ʿUrwa ibn az-Zubayr 41f ʿUṯmān ibn Ṣāliḥ ibn Ṣafwān 115 V Valens (Kaiser) 184 Vita Constantini (BHG 365) 168 Vita Constantini (BHG 364) 122, 126 Vologaeses V 55 W Wahb ibn al-Munabbih 147 Y Yaḥya ibn Saʿīd al-Antākī 116 Yaʿqūb ibn Zakarīyāʾ 149 Yaʿqūbī 41, 46, 63–77, 138, 145, 153, 154, 158f, 176, 178, 180, 217, 304, 318 Yāqūt al-Ḥamawī 244 Yazdegerd I 238 Yūnān 180 Z Zacharias Rhetor (Ps.) 19, 80, 112 Zacharias von Mytilene 80, 89 aẓ-Ẓāhir (Kalif) 219 Zeno (Kaiser) 111, 231 Zosimos 80, 167