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German Pages 565 [566] Year 2006
MICHAEL SCHINKOWITZ
Carl Wellmans Theorie moralischer Rechte
Philosophische Schriften Band 67
Carl Wellmans Theorie moralischer Rechte Eine Analyse seines Begriffs eines moralischen Rechts
Von Michael Schinkowitz
Duncker & Humblot • Berlin
Gedruckt mit Unterstützung durch die Österreichische Forschungsgemeinschaft. Die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6053 ISBN 3-428-12301-8 978-3-428-12301-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706© Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Begriff moralischer Rechte und mit ihrer Begründung. Das Thema „moralische Rechte" ist seit der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" (vom 10. Dezember 1948) stärker ins Zentrum moralphilosophischer und ethischer Theorien gerückt. Das Interesse der Moralphilosophie und Ethik richtet sich vor allem auf jene moralischen Rechte, die den Charakter von Menschenrechten haben. Menschenrechte werden als eine bestimmte Klasse moralischer Rechte verstanden. Das Interesse dieser Theorien betrifft sowohl die Frage, was unter dem Begriff „Menschenrecht" zu verstehen ist, als auch die Frage, welche Menschenrechte es gibt und ob bzw. wie sie sich begründen lassen. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich jedoch nicht auf Menschenrechte, sondern befasst sich mit moralischen Rechten. Die folgende Einleitung beginnt bei den Begriffen „Norm" und „ein Recht", gibt einen Einblick in einige wichtige Aspekte, unter denen letzterer Begriff erörtert wird, und einen Einblick in die unterschiedlichen Arten von Rechten sowohl hinsichtlich ihrer Bedeutung als auch der Art ihrer Gültigkeit. Ferner wird zu den Kontexten Recht und Moral, in denen von Rechten die Rede ist, und zu ihrem Unterschied etwas gesagt sowie zu einigen eng verwandten Aspekten und Themen wie z.B. Gerechtigkeit, die im Zusammenhang mit Rechten oft erörtert werden. Die in der Einleitung erwähnten Aspekte bilden einen wichtigen Teil der Grundlage jeder zeitgenössischen Theorie über moralische Rechte. Insofern ermöglichen sie auch ein genaueres und vollständigeres Verständnis der im Hauptteil diskutierten Theorie. Im Hauptteil wird dann anschließend die Theorie von Carl Wellman dargestellt und erörtert, der das Hauptinteresse dieser Arbeit gilt. Diese Theorie versucht einerseits den Begriff eines moralischen Rechts zu bestimmen, andererseits versucht sie zu zeigen, wie eine Begründung moralischer Rechte zu denken ist. Was diese Theorie auszeichnet, ist, dass sie ein Recht als einen Komplex versteht, der aus verschiedenen miteinander zusammenhängenden Elementen besteht. Die anschließende Analyse dieser Theorie befasst sich mit verschiedenen Fragen, die sich in Bezug auf diese Auffassung sowohl hinsichtlich des Begriffs eines moralischen Rechts als auch hinsichtlich der Begründung moralischer Rechte stellen lassen. Mit der Darstellung und Eröterung von Wellmans Theorie liefert diese Arbeit einen Beitrag zur Theorie über den Begriff moralischer Rechte und ihre Begründung. Wellmans Theorie bildet insofern einen wichtigen Beitrag zur Theorie moralischer Rechte, als sie auf die Komplexität dieser Rechte hinweist und
Vorwort
6
ihre Diversität sowie ihre Beschaffenheit zu begreifen versucht. Sie ermöglicht eine neue Sichtweise und ein neues, tief gehendes Verständnis dieser Rechte. Die vorliegende Arbeit versucht dem Leser ein genaues Bild von Wellmans Theorie zu liefern, sie versucht einige zentrale Fragen zu klären und weist auf bestimmte Fragen hin, die seine Theorie offen lässt. Graz, im Herbst 2006
Michael Schinkowitz
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung: Themen in der gegenwärtigen Diskussion über Rechte
15
I.
Zum Begriff „Norm"
15
II.
Zum Begriff „ein Recht"
19
III.
Arten von Rechten
23
IV.
Die Struktur des Begriffs „ein Recht"
24
V.
Unterscheidungen am Begriff „ein Recht"
25
VI.
Einteilung von Rechten nach Strukturelementen ihres Begriffs
26
VII.
Das Korrelationsverhältnis zwischen Rechten und Pflichten
28
Vm. Typisierung von Rechten nach ihrem Verhältnis zu ihren Korrelaten ..
36
IX.
37
Typen von Theorien über moralische Rechte 1. Typen analysierender Theorien über Rechte
37
2. Typen begründender Theorien über moralische Rechte
41
a) Einige Typen moralischer Theorien
42
b) Einige Typen und Komponenten begründender Theorien moralischer Rechte
45
aa) Einige Typen von Theorien und Argumentationen zur Rechtfertigung moralischer Rechte
47
bb) Einige Komponenten begründender Theorien moralischer Rechte
53
cc) Weitere Gesichtspunkte zur Kategorisierung von Argumentationen in Bezug auf Rechte
57
X.
Funktionen des Begriffs „ein Recht"
XI.
Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten
62
1. Absolute versus prima facie Existenz bzw. Geltung von Rechten ..
66
Einteilung von Rechten nach normativen Gesichtspunkten
68
XII.
59
Xm. Recht, Moral, Gerechtigkeit
70
XIV. Unterschiede zwischen den zwei Hauptklassen von Rechten
77
XV.
1. Zum Unterschied zwischen vorpositiven und positiven Rechten
77
2. Unterschiede zwischen moralischen und legalen Rechten
78
3. Menschenrechte
82
Implikationen und Reichweite von Rechten
89
XVI. Übergang zum Hauptteil und Formulierung der These
91
XVH. Der Aufbau des Hauptteils
94
8
Inhaltsverzeichnis
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte und Menschenrechte I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht" 1. Problemstellung und Begriffsapparat 2. Definition eines legalen Rechts 3. Ethische Vorteile 4. Definition eines ethischen Rechts 5. Definition eines Menschenrechts IL Ausführlichere Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte 1. Zur Möglichkeit moralischer Positionen a) Zur Trennung zwischen Moralität und Moral b) Moralische Gründe und ihre Beschaffenheit c) Vorausgesetzte Gründe und der Typ von Wellmans Theorie 2. Legale Positionen a) Legale Pflichten (legal duties) b) Legale Ansprüche (legal Claims) c) Legale Freiheiten 1 (legal liberties) d) Legale Kompetenzen (legal powers) e) Legale Immunitäten (legal immunities) 3. Moralische Positionen a) Moralische Pflichten (moral duties) aa) Definitionen moralischer Pflichten bb) Einige Punkte in Wellmans Erörterung moralischer Pflichten (1) Moralische Gründe und ihr Zwang (2) Charakteristika moralischer Pflichten (3) Reaktionen (4) Relative moralische Pflichten (relative moral duties) ... (5) Relative moralische Pflichten gegenüber sich selbst (6) Absolute moralische Pflichten (7) Nichtinstitutionelle und institutionelle Pflichten b) Moralische Ansprüche (moral Claims) c) Moralische Freiheiten 1 (moral liberties) d) Moralische Kompetenzen (moral powers) aa) Definition einer moralischen Kompetenz (1) Haben Handlungen moralische Konsequenzen? (2) Zu den moralischen Konsequenzen (3) Wie implizieren Handlungen moralische Konsequenzen? (4) Grundlagen moralischer Kompetenzen
96 96 96 100 102 103 103 106 107 108 109 118 122 126 127 128 129 131 131 132 132 133 133 135 139 140 148 150 151 152 155 158 159 160 160 161 166
Inhaltsverzeichnis
bb) Moralische Kompetenzen und moralische Fähigkeiten (abilities) e) Moralische Immunitäten (moral immunities) f) Abschließende Bemerkung zu den moralischen Positionen 4. Das Modell eines Rechts und seine Verwendung a) Untersuchungen anderer Theorien über Rechte aa) Hohfelds Theorie bb) Ross' Theorie cc) Harts Theorie dd) Feinbergs Theorie ee) Dworkins Theorie ff) Raz' Theorie gg) Wellmans Schlussfolgerungen b) Aufbau eines legalen Rechts aa) Kern des Rechts bb) Verknüpfte Elemente cc) Herrschaft, Freiheit2, Kontrolle (1) Herrschaft (dominion) (2) Freiheit2 (freedom) (3) Kontrolle (control) dd) Die Parteien eines Rechts ee) Definition eines legalen Rechts c) Das Modell und seine Bedeutung d) Zur Sprache über legale Rechte e) Aufbau und Definition eines moralischen Rechts aa) Ein Beispiel eines moralischen Rechts f) Zwei Verwendungen des Modells moralischer Rechte g) Verwendung und Funktion des Modells h) Zum Begriff „ein Recht" aa) Stärke (strength) bb) Verteilung (distributiveness) cc) Ansprucherheben (claiming) dd) Schutz (protection) 5. Die Existenz moralischer Rechte a) Auseinandersetzung mit Einwänden aa) Wellmans Verständnis der Existenz eines moralischen Rechts und der Existenz moralischer Gründe bb) Abgrenzung gegenüber traditionellen Theorien und Argumenten cc) Auseinandersetzung mit zwei Arten von Skepsis in Bezug auf die Art der Argumentation
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169 172 174 174 175 175 178 180 198 199 200 202 202 203 208 210 210 212 215 219 220 222 224 224 227 228 230 231 233 236 240 242 249 250 251 252 253
Inhaltsverzeichnis
dd) Auseinandersetzung mit einem Einwand in Bezug auf moralische Kompetenzen 254 ee) Auseinandersetzung mit Argumentationen, die die Existenz von Rechten an soziale bzw. institutionelle Voraussetzungen knüpfen 256 ff) Wellmans Schlussfolgerung
260
b) Begründungsarten
260
c) Qualifikationen des Rechtsinhabers
263
d) Interpretation von Rechten
270
e) Unwirkliche Rechte
276
f) Zur Behauptung moralischer Rechte
279
g) Zum Zusammenhang von Recht, Moral und Moralität
284
aa) Die Definition eines Rechts 285 bb) Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Normenmengen Recht, Moralität und Moral 286 cc) Begründungsarten moralischer und legaler Rechte
290
dd) Qualifikationen des Rechtsinhabers ee) Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten ff) Rechtskonflikte gg) Moralischer Konsens und Recht hh) Moralische Rechte als Gründe für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte
291 293 302 304
Analyse 1. Zu den moralischen Gründen und Positionen a) Moralische und vorausgesetzte Gründe b) Moralische Positionen aa) Fakten und vorausgesetzte Werte bb) Moralische Positionen cc) Relative moralische Positionen dd) Zum Begriff „moralische Position" 2. Das Modell eines moralischen Rechts a) Charakteristika eines moralischen Rechts aa) Herrschaft bb) Charakteristika bestimmter moralischer Positionen cc) Zwang dd) Schutz ee) Stärke b) Erörterung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts aa) Einige Fragen und die These dieser Arbeit c) Die Qualifikationen des Rechtsinhabers
309 312 314 314 332 332 334 343 347 356 358 358 362 363 369 372 373 378 398
Inhaltsverzeichnis
3. Bedeutung, Verwendung und Leistung des Modells eines moralischen Rechts a) Der Gegenstand der Interpretation b) Was ist unter „Interpretation" zu verstehen? aa) Kern des moralischen Rechts bb) Verknüpfte Elemente cc) Abschließende Betrachtung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts 4. Zum Zusammenhang zwischen Moral, Moralität und Recht a) Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen Recht und Moral b) Mögliche Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten und Pflichten c) Rechtskonflikte d) Moralischer Konsens und Recht e) Moralische Rechte als Gründe für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte f) Bemerkungen zu den vorhin genannten Zusammenhängen 5. Abschließende Bemerkungen
11
405 407 408 409 412 419 421 422 423 424 427 432 432 438
Endnoten
441
Literaturverzeichnis
540
Namens- und Sachregister
554
Abkürzungen EE EP GG HPG HWB HWP REP
Encyclopedia of Ethics Enzyklopädie Philosophie Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland Handbuch philosophischer Grundbegriffe Handbuch wissenschaftstheoretischer Begriffe Historisches Wörterbuch der Philosophie Routledge Encyclopedia of Philosophy Fußnoten und Endnoten
Fußnoten sind mit hochgestellten arabischen Zahlen gekennzeichnet Endnoten sind mit hochgestellten römischen Zahlen gekennzeichnet Anmerkung zur Terminologie Die folgenden alphabetisch genannten englischen Ausdrücke werden in dieser Arbeit mit folgenden Ausdrücken ins Deutsche übersetzt: • Das englische Wort „freedom" wird mit ,JFreiheit2" ins Deutsche übersetzt.1 • Der englische Ausdruck „... correlative to ..." wird in den meisten Fällen mit dem deutschen Ausdruck „... korrelieren mit ..." übersetzt; das englische Wort „correlative" wird mit den deutschen Wörtern „korrelativ" oder „korrelierend" übersetzt.2 „Korrelieren (mit)" und „korrelativ" werden in dieser Arbeit gleichbedeutend verwendet.
1
Die englischen Wörter „liberty" und „freedom" werden gemeinhin mit „Freiheit" ins Deutsche übersetzt. Da die zwei englischen Wörter, wie im Folgenden (vor allem im Hauptteil dieser Arbeit) ersichtlich wird, zum Teil mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet werden, wird hier einheitlich „liberty" mit „Freiheit 1" und „freedom" mit, Jreiheit2" übersetzt. 2 Z.B. wird der englische Satz „A moral claim of X against Y can be correctly defined as a correlative moral duty of Y to X" - vgl. Wellman (1985), S. 143 - folgendermaßen ins Deutsche übersetzt: „Ein moralischer Anspruch von X gegenüber Y kann als korrelative moralische Pflicht von Y gegenüber X korrekt definiert werden". Hingegen wird z.B. der englische Satzteil ,»rights correlative to obligations" - vgl. Wellman (1985), S. 76 - mit „Rechte, die mit Verpflichtungen korrelieren" ins Deutsche übersetzt. (Kursivdrucke nicht im Original)
Abkürzungen
13
• Das englische Wort „legal" wird mit dem deutschen Wort „legal" übersetzt.3 • Das englische Wort „liberty" wird mit „Freiheit 1" ins Deutsche übersetzt.
3
Das englische Wort „legal" wird im Folgenden nahezu überall mit dem deutschen Wort „legal" übersetzt. (Diese Verwendung des Wortes bzw. Begriffs „legal" findet man z.B. bei Koller in (1997a), S. 252, erwähnt.) Demnach wird z.B. der englische Ausdruck „legalright" mit „legales Recht" ins Deutsche übersetzt. An manchen Stellen wird das englische Wort „legal" auch mit dem deutschen Wort „rechtlich" übersetzt.
A. Einleitung: Themen in der gegenwärtigen Diskussion über Rechte I. Zum Begriff „Norm" Da Rechte als eine bestimmte Art von Normen verstanden werden, soll als Erstes kurz etwas zum Begriff „Norm" gesagt werden. Unter einem Normsatz wird ein Satz verstanden, der eine Norm ausdrückt, also besagt, dass etwas geboten, verboten oder erlaubt ist, bzw. ein damit sinngleicher Satz: z.B. „Man darf nicht lügen", „Es ist verboten auf der Autobahn zu parken".1 Normen werden von verwandten Satzarten, nämlich Imperativen (Sätze, die Befehle ausdrücken), z.B. „Schließ die Tür", „Lüge nicht!", und Wertsätzen (Sätze, die ein Wertprädikat - z.B. gut, schlecht, schön etc. - enthalten), z.B. „Stehlen ist etwas Schlechtes", unterschieden.2 Normen, Imperative und Wertsätze werden von rein deskriptiven Sätzen (auch Aussagen genannt) unterschieden.3 In der Theorie des Rechts und der Moral bzw. Ethik spielen Normen eine zentrale Rolle. Auch die Logik befasst sich mit Normen. Das Gebiet der Logik, das sich mit Normen befasst, wird auch deontische Logik genannt.4 1 Vgl. HWB, Bd. 2, Artikel „Norm", S. 451. (Im Folgenden wird der Inhalt dieses Artikels in Kurzform wiedergegeben.) Die Beispiele stammen aus Kutschera (1973), S. 11. 2 Vgl. Näheres in HWB, Bd. 2, S. 451 f. Opalek bemerkt, dass Aussagen, die Befehle, Verbote, Erlaubnisse, Wünsche, Ratschläge, Billigung, Missbilligung u.a. zum Ausdruck bringen - zu denen auch Normen gehören dieselbe allgemeine Art von Bedeutung haben, die R. Carnap als Optative Bedeutung (optative meaning) charakterisiert hat, und die Funktion haben, das Verhalten zu beeinflussen. Vgl. Opalek (1969), S. 87. 3 Vgl. HWB, Bd. 2, S. 452. Im Artikel „Norm (handlungstheoretisch, moralphilosophisch)", in: EP, werden drei Bedeutungen bzw. Verwendungen des Begriffs „Norm" unterschieden: (1) eine regulative (Aufforderungen, im Sinn allgemeiner Handlungsorientierungen), (2) eine deskriptive (z.B. in beschreibenden Aussagen soziologischer Analysen vom Typ: „n ist eine Norm in der Gesellschaft G.") und (3) eine moraltheoretische (Normen als Orientierungen, für die ein moralischer Rechtfertigungsanspruch erhoben wird). Vgl. EP, Bd. 2, S. 1030 f. Unter (1) werden ferner (a) Handlungsregeln, (b) Zielsetzungen und (c) Regeln, die Institutionen konstituieren, unterschieden. - Zum Begriffspaar „ n o r m a t i v / deskriptiv" vgl. z.B. den gleichlautenden Artikel in HWP, Bd. 6, S. 931 f. Dort werden die wertenden und präskriptiven Urteile auf der einen und die beschreibenden, Sachverhalte lediglich feststellenden Urteile auf der anderen Seite erörtert. 4 Vgl. Kutschera (1973), S. 11.
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A. Einleitung
Komponenten von Normsätzen - In Normsätzen werden zwei Komponenten unterschieden: (1) der Norminhalt und (2) die normative Phrase. (1) Den Norminhalt, d.h. das, was geboten, verboten oder erlaubt sei, bilden primär Handlungen, aber auch Sachverhalte oder Ereignisse.5 (2) Je nach Auffassung bezüglich des Norminhalts ergeben sich verschiedene Interpretationen der normativen Phrase, die in der Norm mit dem Norminhalt verbunden ist bzw. auf diesen angewandt wird. 6 Normensysteme - Da aus Normen andere Normen folgen, kann man Mengen von Normen oder Normensysteme definieren. 7 Beispiele für Normensyteme sind Rechtssysteme, ethische Kodizes oder Spielregeln.8 Normensysteme regeln das Verhalten in einem bestimmten Bereich.9 5 Im HWB, Bd. 2, S. 452, wird erwähnt, dass auch Sachverhalte oder Ereignisse Inhalte von Normen sein könnten (z.B. „Es ist verboten, dass an der Bushaltestelle ein Auto steht."). Normen mit solchen Inhalten ließen sich aber im Allgemeinen in Normen übersetzen, deren Inhalt eine Handlung sei (z.B. „Es ist verboten, dass irgendjemand sein Auto an der Bushaltestelle parkt."). 6 Vgl. HWB, Bd. 2, S. 452. Die normative Phrase wird auch Normfunktor oder „deontische Kategorie" genannt. Des Näheren wird ausgeführt, dass der Norminhalt ein singulärer Name (einer Handlung, eines Sachverhalts usw.), ein allgemeiner Name oder ein Satz sein kann. (Was die näheren Ausführungen zu den Normfunktoren und die unterschiedlichen Analysen von Normen angeht, sei auf die angegebene Stelle verwiesen.) Vgl. ebd., S. 452 f. Hinsichtlich der Interpretation von Normen werden zwei Hauptrichtungen unterschieden: einerseits der Deskriptivismus oder Kognitivismus, wonach Normen (ebenso wie Aussagen) Tatsachen beschreiben und infolgedessen wahr oder falsch sind, andererseits der Präskriptivismus oder Non-Kognitivismus (auch Emotivismus genannt), der das bestreitet. Vgl. HWB, Bd. 2, S. 454. Ob Normen wissenschaftlich oder intersubjektiv überprüfbar sind, wird davon abhängig gesehen, ob es eine Logik für Normen gibt und ob es außerdem so etwas wie eine (intersubjektive) „Verankerung" von Normen gibt. Damit ist die Möglichkeit gemeint, die Gültigkeit oder Ungültigkeit gewisser Normen „direkt", d.h. ohne Rekurs auf andere Normen festzustellen. Man geht heute, trotz Meinungsverschiedenheiten, davon aus, dass es eine Logik für Normen gibt. Im Rahmen der angesprochenen „Verankerung" wird folgende Frage diskutiert: ob es gewisse logische Beziehungen (der Folge oder Unvereinbarkeit) zwischen rein normativen Sätzen (Sollsätzen) und rein deskriptiven Sätzen (Seinssätzen) gibt. Diese Frage wird als „Sein-Sollens-Problem" bezeichnet und beschäftigt bis heute die Normentheorie. Vgl. ebd., S. 456. Einen Überblick über die verschiedenen Thematisierungen des Sein-Sollens-Problems findet man z.B. im Artikel „Sollen", in: HWP, Bd. 9, S. 1026-1056. 7 Vgl. Kutschera (1973), S. 28. Kutschera bemerkt, dass sich solche Normensysteme durch Angabe von grundlegenden Normen oder normativen Axiomen definieren lassen, aus denen die übrigen Normen, die in diesem System gelten, nach den Prinzipien der deontischen Logik folgen. 8 Vgl. Kutschera (1973), S. 28. Opalek bemerkt, dass mancher Auffassung nach alle Normen „soziale Normen" sind, meistens jedoch „soziale Normen" eine engere Kategorie bilden als „Normen". Vgl. Opalek (1969), S. 90. Das Operieren sozialer Normen sollte sich nicht in einem einzigen Anwendungsakt erschöpfen, sondern sollte sich auf eine Anzahl von Menschen und Situationen beziehen, die nicht von vornherein bestimmt sein sollten. Vgl. ebd., S. 90 f. 9 Vgl. Kutschera (1973), S. 29.
. Zum Begriff
„
"
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Einige Unterscheidungen in Bezug auf Normen - Normen werden traditionell in legale, moralische, ästhetische, religiöse Normen, Normen in Bräuchen etc. eingeteilt.10 Man findet aber auch andere Unterscheidungskriterien für Normen in der Literatur erwähnt.11 Dazu zählen folgende: Erstens ihre Quelle und ihre Adressaten: danach werden sie in autonome und heteronome eingeteilt.12 Zweitens werden Normen in Bezug auf Motivation und Verhalten unterschieden: kategorische Normen werden von teleologischen Normen unterschieden.13 Diese zwei Unterscheidungen werden so verstanden, dass sie quer durch die geläufigen Unterscheidungen von Normenmengen, z.B. zwischen moralischen Normen und Normen des Rechts verlaufen. 14 Eine dritte Unterscheidung von Normen 10
Vgl. Opalek (1969), S. 108. Zu den legalen Normen, vgl. den Artikel „Norms, legal" von Zenon Bankowski in REP, Bd. 7, 38-41. In Bezug auf moralische Normen sei am Rande auf ein Werk von Ossowska verwiesen, d.i. Ossowska (1980), das hier nicht berücksichtigt wird. Ossowska erörtert in einzelnen Kapiteln moralische Normen und Tugenden nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. 11 Opalek, der die Folgenden Unterscheidungskriterien nennt, bemerkt, dass es schwer ist, diese Gruppen von Normen in einer einheitlichen, logisch korrekten Art zu klassifizieren, insbesondere weil die traditionellen Einteilungen verschiedene Kriterien der Einteilung vermischen. Vgl. Opalek (1969), S. 108. 12 Bei autonomen Normen sind Normgeber und Adressat identisch, bei heteronomen Normen liegt die Quelle der Norm außerhalb des Adressaten. Vgl. Opalek (1969), S. 91. Im Rahmen dieser Unterscheidung erörtert Opalek Fragen in Bezug auf das Uberzeugtsein von der Gültigkeit, die Motivation und die Effektivität im Operieren von Normen. Vgl. ebd., S. 93 ff. Opalek bemerkt auch, dass diese Unterscheidung keine scharfe Trennungslinie zu ziehen erlaubt. Vgl. ebd., S. 109. Die Quellen von Normen, die außerhalb des Adressaten liegen, können unterschiedlich interpretiert werden: als wirklicher Akt, als eine anonyme Quelle oder als übernatürliche Quelle. Als Beispiel für die erste Interpretation erwähnt Opalek Rechtsgesetze, für die zweite Bräuche, für die dritte Gottes Urteil (als personifizierte Quelle), die Natur der Dinge oder die menschliche Vernunft (als weniger bestimmte Quellen) und die Idee des Guten, Gerechtigkeit bzw. Richtigkeit (rightfulness), auf denen eine Norm beruht (als ziemlich unbestimmte Quellen). Vgl. ebd., S. 91 f. 13 Vgl. Opalek (1969), S. 96 (bzw. 98). Kategorische Normen enthalten die absolute Überzeugung, dass man sich auf eine bestimmte Art verhalten sollte; eine teleologische Norm ist z.B. „Ich sollte meine Übungen machen, um fit zu bleiben". Vgl. ebd., S. 94. Diese Unterscheidung betrifft nach Opalek zwei Typen von Motivation: die kategorische und die teleologische (oder in anderer Terminologie: interessierte und desinteressierte). Vgl. ebd., S. 96. Manche Autoren interpretierten diesen Punkt hinsichtlich des Verhaltens oder der Einstellung. Im Rahmen der genannten Unterscheidung erörtert Opalek Beispiele von Einstellungen wie die ethische, legalistische, opportunistische und konformistische und bemerkt, dass der psychologische Aspekt in dieser Frage in Schwebe bleibt. Opalek bemerkt - in ebd., S. 110 - erstens, dass diese Unterscheidung Normen ,4m strengen Sinn" von einer sehr großen Gruppe von Aussagen zu unterscheiden erlaubt, die auf ein bestimmtes Verhalten als geeignetes Mittel zu Erreichung eines bestimmten Ziels hinweisen; bei diesen Aussagen handelt es sich um teleologische Aussagen im Rahmen einer bestimmten Variante der telelogischen Motivation, in denen man auf wissenschaftlicher Basis die Art des Verhaltens als ein Mittel bestimmt, das zu einem gewählten Ziel führt. Vgl. ebd., S. 97. Zweitens bemerkt er, dass diese Unterscheidung in psychologischen Untersuchungen von Verhaltensmotiven am wichtigsten ist. Vgl. ebd., S. 110.
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A. Einleitung
betrifft ihre Relation zu Werturteilen. 15 Im Rahmen dieser Unterscheidung werden ethische, ästhetische und logische von legalen, staturatischen und konventionellen Normen unterschieden.16 Soziale Normen - Soziale Normen werden hinsichtlich ihrer Adressaten, ihrer Anwendung und ihrer Gültigkeit in „begrenzte" und in „offene" unterteilt.17 Die Sphäre der Anwendung und Funktion beschränkt sich bei begrenzten Normen auf eine bestimmte soziale Gruppe, bei offenen ist es die gesamte globale Gesellschaft. 18 Zu ersteren werden unter anderem legale Normen, zu letzteren unter anderem moralische Normen gezählt.19 14 Opalek bemerkt erstens, dass moralische Normen nicht nur autonom, sondern auch heteronom sein können (z.B. Normen, die sich auf eine göttliche Autorität beziehen), und dass legale Normen nicht nur heteronom, sondern auch autonom sein können (z.B. wenn sich ein Staat verpflichtet, etwas zu tun). Vgl. Opalek (1969), S. 95 f. Zweitens bemerkt er, dass moralische Normen größtenteils kategorisch sind, jedoch auch teleologische Aussagen enthalten können wie „Um Vollkommenheit zu erlangen, muss ich mich der Kontemplation hingeben"; das Recht enthalte kategorische Normen der Art „Man soll sich auf die Art b verhalten, weil das Verhalten b, vom Recht vorgeschrieben ist", aber auch teleologische Aussagen der Art „Man soll sich auf die Art b verhalten, weil das Verhalten b das Mittel ist, um eine (negative) Sanktion zu vermeiden". Vgl. ebd., S. 98 f. 15 Vgl. Opalek (1969), S. 99. 16 Vgl. Opalek (1969), S. 99. Ethische, ästhetische und logische Normen seien von Werturteilen abgeleitet. Diese Normen seien gültig kraft der Evaluierung des gegebenen Verhaltens: Man solle sich in dieser Weise verhalten, weil diese Art von Verhalten gut undrichtig(right) sei und diese Art des Denkens - und demnach eines bestimmten Verhaltens - logisch korrekt sei. Andere Kategorien von Normen wie legale, statutarische, konventionelle Normen etc. unterschieden sich von den zuvor genannten durch die Tatsache, dass sie nicht von Evaluierungen dieser Art abgeleitet werden könnten: sie seien nicht gültig, weil sie ein gegebenes Verhalten vorschrieben, das ursprünglich als wertvoll anerkannt wird, sondern weil sie festgesetzt worden seien. Vgl. Opalek (1969), S. 99 f. Opalek spricht hier von einem „formalen Sollen", das nicht von der Evaluierung des gegebenen Verhaltens abgeleitet sei, und bei ethischen, ästhetischen und logischen Normen von einem „materialen Sollen", das von dieser Art von Evaluierung abgeleitet sei. Opalek bemerkt, dass auch Normen, die ein „formales Sollen" ausdrücken, evaluiert werden könnten (z.B. ob sie gut, gerecht oder billig sind), wobei diese Evaluierungen sekundär in Bezug auf diese Normen sind. (Opalek analysiert Evaluierungen der Gerechtigkeit und Legalität, ihre Aspekte und Unterschiede in Bezug auf legale Normen.) Auch eine Reihe weiterer Normen wird nach dieser Kategorisierung unterteilt. Vgl. ebd., S. 102. 17 Vgl. Opalek (1969), S. 103. Opalek bezeichnet diese Normen als „closed" und „open" aus der soziologischen Betrachtungsweise. 18 Vgl. Opalek (1969), S. 103. Im Rahmen dieser Unterscheidung erörtert Opalek auch folgende Punkte: Begrenzte soziale Normen kennzeichneten formalisierte (formalized) soziale Gruppen, während offene soziale Normen charakteristisch für nichtformalisierte Gruppen seien. Vgl. ebd., S. 104. Während es möglich sei, den Bereich der Adressaten begrenzter Normen genau abzugrenzen, könne man in Bezug auf offene Normen nur annähernd Zentren der „höchsten Intensität" ihrer Akzeptanz als verbindlicher Verhaltensregeln angeben. Begrenzte Normen bildeten ein wesentliches Element des sozialen Zusammenhalts formalisierter Gruppen und insbesondere ein Element formalisierter Institutionen. Begrenzte Normen seien nicht nur, aber für
n. Zum Begriff „ein Recht"
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IL Zum Begriff „ein Recht" Die Rede von Rechten - An den Begriff „ein Recht" kann man sich im Rahmen der Frage annähern, wann von einem Recht die Rede ist. Die Rede von einem Recht ergibt nach mancher Auffassung nur dann Sinn, wenn das Recht, z.B. das Recht auf Leben oder das Recht, Rosen zu züchten, angefochten wird. 20 Der Hinweis auf ein Recht hätte keinen Sinn, wenn sich niemals jemand darum kümmerte, was man mache. Würde niemals jemand z.B. die physische Integrität eines anderen oder z.B. einen anderem bei Züchten von Rosen gefährden, würde dieser nicht sein Recht auf Leben oder sein Recht, Rosen zu züchten ausüben, sondern er würde sich einfach dessen erfreuen, was er tue. Einige Definitionen des Begriffs „ein Recht" - Anschließend an diese ersten Bemerkungen zum Begriff „ein Recht" sollen zwei Definitionen dieses Begriffs genannt werden. Von den verschiedenen Definitionen des Begriffs „ein Recht", die man in der gegenwärtigen Literatur findet, soll erstens die Definition aus der „Routledge Encyclopedia of Philosophy" genannt werden:21 Rechte seien sozial etablierte Arten zu handeln oder behandelt zu werden (oder, anders formuliert, solche Arten, die auf diese Weise etabliert werden sollten). Ein so verstandenes Recht sei ein Recht auf etwas, das: (1) in fairer Weise (fairly) festgesetzt, (2) auf individueller Basis gleichermaßen an jeden Rechtsinhaber verteilbar und (3) sowohl für den Rechtsinhaber als auch allgemeiner für die Gesellschaft eine vorteilhafte Art zu handeln und behandelt zu werden sei. Folglich (4) sei es oder sollte es etwas sozial akzeptiertes sein - etwas, was in bestimmten Gesellschaften anerkannt und geschützt sei. So eine Akzeptanz würde (5) sogar von Außenseitern insofern für vernünftig erachtet, als sie erklärenden Sinn hätte; weil die zur Debatte stehende Art zu handeln oder behandelt zu werden plausibel als ein Mittel zur oder ein Teil in der Erreichung eines Interesses oder wahrgenommenen Vorteils oder eines anderen guten (oder wünschenswerten) Dinges dargelegt werden könnte. Dementsprechend könnten (6) anderen, die nicht Rechtsinhaber seien, Vorschriften gemacht werden.
gewöhnlich auf einen feststellbaren Normgeber zurückzuführen, wodurch sie sich von offenen unterschieden, deren Quellen oft anonym seien. Vgl. ebd., S. 105. Begrenzte Normen hätten als Regeln zwingenden Charakter und gingen mit formalisierten Sanktionen einher, während die Akzeptanz offener Normen als Regeln subjektiv betrachtet freiwillig sei, obwohl sie objektiv betrachtet sozial konditioniert sein könne. Vgl. ebd., S. 106. Die Internalisierung begrenzter Normen könne auftreten, müsse jedoch nicht der Fall sein, weswegen diese Normen Sanktionen vorschreiben müssten. Vgl. ebd., S. 107. Auch offenen Normen seien bestimmte Sanktionen eigen, die nicht-formalisierten Charakter hätten wie z.B. Billigung oder Missbilligung (als spontane Reaktionen) innerhalb eines sozialen Kreises. 19 Vgl. Opalek (1969), S. 103. 20 Vgl. Stoljar (1984), S. 8 f. 21 Vgl. den Artikel „Rights" von Rex Martin, in: REP (1998), Bd. 8, S. 326.
A. Einleitung
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(7) Schließlich könnten weitere Initiativen als Charakteristikum irgendeines solchen erfolgreichen Anspruchs auf einen Rechtsstatus ergriffen werden.22 Eine andere Definition, diesmal aus der deutschsprachigen Literatur, die weitere Aspekte im Begriff „ein Recht" akzentuiert, ist folgende: Ein Recht sei eine normative Position, die eine natürliche oder fiktive Person in Beziehung zu anderen Personen innehabe.23 Diese normative Position lasse sich durch vier Eigenschaften charakterisieren: erstens eröffne sie dem Inhaber des Rechts bestimmte Handlungsmöglichkeiten, zweitens begrenze sie die Handlungsmöglichkeiten anderer Personen (der Adressaten des Rechts), drittens stelle sie zumindest für einige dieser Personen einen gewichtigen Handlungsgrund dar und erlege ihnen in den meisten Fällen bestimmte Pflichten auf und viertens komme ihr ein Gewicht zu, aufgrund dessen sie normalerweise Vorrang vor kollektivem Nutzen oder dem allgemeinem Interesse habe.24 Diese Definition sei sehr weit gefasst und ihr Vorteil liege darin, dass sie sich zu verschiedenen Theorien der Rechte wie der Willens- oder der Interessetheorie neutral verhalte.25 Auf eine Auflistung weiterer Definitionen des Begriffs „ein Recht" muss hier verzichten werden. 26 Es sei nur angemerkt, dass man in der gegenwärtigen Literatur auch komplexere Definitionen findet. 27 Ferner sei darauf hingewiesen, dass im Hauptteil dieser Arbeit, eine bestimmte Auffassung eines Rechts erörtert wird. Einige Bemerkungen zu diesen Definitionen - Anschließend seien einige ergänzende Bemerkungen zu bestimmten Aspekten, die in der ersten Definition aufgelistet wurden, angeführt. Zu (1): Es wird behauptet, dass es eine angemessene Bestimmtheit (determinateness) in Kontroversen gibt, in denen Rechte behauptet werden.28 Einer der Punkte in den Argumenten über Rechte sei zu entscheiden, worauf das Recht (what the right is to) im Kontext der Kontroverse 22
Martin bemerkt, dass heute in Bezug auf die Punkte (1), (2), und (3) weit verbreiteter, in Bezug auf (6) universeller Konsens herrscht. Vgl. Martin (1998 a), S. 326. In Bezug auf (4) könnte es eine Kontroverse geben, sobald man zu entscheiden versuche, was betont werden solle: dass Rechte sozial etabliert seien oder werden sollten. 23 Hier werden einige Bemerkungen von Koller, aus Koller (1992), S. 74, referiert. 24 In (1997) spricht Koller statt von einer „normativen Position" von einer „normativen Relation" und erwähnt statt der dritten und vierten Eigenschaft folgende: Diese normative Relation räume den Inhabern des Rechts (oder ihren Vertretern) die Machtbefugnis ein, gegen die Adressaten (oder deren Vertreter) nötigenfalls gewisse Schritte zu unternehmen, um sie zur Einhaltung der auferlegten Beschränkungen (sc. Pflichten) zu veranlassen. Vgl. ebd., S. 95. 25 Vgl. Koller (1992), S. 74. 26 Vgl. dazu unter anderem: Martin (1998a), S. 325-331. Vgl. R. Martin und J. W. Nickel (1983), S. 205-225. Vgl. ferner Gewirth (1992), S. 1103-1109, Wellman (1995a), S. 2305-2310, bzw. den Artikel „Recht" von L Riebold im HWP, Bd. 8, S. 299-233. Vgl. auch Pennock (1981), S. 5 ff. 27 Vgl. z.B. Becker (1979), S. 1198 f. und 1200, der in der Analyse des Begriffs eines Rechts zehn Elemente auflistet.
n. Zum Begriff „ein Recht"
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bestehe.29 Zu (2): Das, worauf das Recht bestehe, müsse etwas sein, was den Rechtsinhabern gegeben werden könnte, womit sie ausgestattet werden könnten oder das sie tun könnten.30 Alle Rechte seien individuiert (individuated): Sie seien Rechte auf etwas, das an alle Rechtsinhaber verteilt werden könne; Rechte wiesen jedem dieselbe Fähigkeit zu, sich an dieser Verteilung in der angemessenen Weise zu beteiligen.31 Zu (4): Rechte seien anerkannte (accredited) Arten zu handeln. Vermutlich könne jede Praxis als Recht bezeichnet werden, insofern die involvierte Art zu handeln durch eine Form sozialer Anerkennung gestützt, d.h. gebilligt und beglaubigt (accredited) sei.32 Ferner wird darauf hingewiesen, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein Recht außerhalb eines sozialen Rahmens entsteht: es wäre (praktisch gesprochen) merkwürdig und wahrscheinlich sinnlos von Rechten eines gänzlich und permanent isolierten Individuums zu sprechen. Die soziale Anerkennung oder Bestätigung (ratification) sei Bestandteil von Rechten.33 In Bezug auf (5) wird Folgendes bemerkt: Eine der Überlegungen in Bezug die Handlungsweise, die zur Debatte stehe, werde sicherlich die Spezifizierung des Interesses bilden, das auf dem Spiel stehe. Gegenstand einer erklärenden Darstellung würde die Verknüpfung der Handlungsweise und des Interesses sein; wobei die Handlung als Mittel zu einem bestimmten Ziel - d.i. zu den Interessen, denen sie diene - plausibel gemacht würde. Sollte die Praxis (vgl. dazu den vorigen Punkt) unvernünftig sein, würde die soziale Bestätigung der Praxis, aufgrund der gegebenen Gründe, ebenso unvernünftig sein. Auch wird darauf hingewiesen, dass die auf Erklärung beruhende Vernünftigkeit anerkannte Handlungsweisen beeinflusst; indem sie die soziale Akzeptanz beeinflusst, mit welcher diese Handlungsweisen anerkannt und unterstützt werden. 34 Zu (5), (6) und (7): Träfen die bisher genannten Elemente zusammen, würde die Handlungsweise sozial anerkannt sein. Die Anerkennung wäre als vernünftig bestätigt, d.h. vernünftig, sofern die enthaltenen praktischen Schlüsse selbst richtig seien. In diesem Fall gebe es guten Grund zu behaupten, dass ein gut begründetes oder passendes Recht existierte: dass die Praxis und daher ein Recht sozial akzeptiert gewesen sei und dass die Akzeptanz vernünftig gewesen sei. Hier würde man eine Grundlage haben, anderen Vorschriften zu machen: z.B. könne man einem, der in einen Bereich eindringe, gerechtfer28 Vgl. Martin (1993), S. 25 f. Martin bemerkt unter anderem, dass wenn man nicht aus der abstrakten Behauptung eines Rechts etwas fairerweise (fairly) bestimmtes erreichen könnte, die Behauptung eines Rechts in einem bestimmten Fall unentschlossen (irresolute) wäre; es würde den Menschen nicht sagen, was sie tun oder nicht tun könnten, und sie würden bald das Interesse verlieren. 29 Vgl. Martin (1993), S. 25 f. und ferner 45, 50. 30 Vgl. Martin (1993), S. 26. 31 Martin nimmt hier auf Dworkin (1978), S. 90 f. Bezug. 32 Vgl. Martin (1993), S. 26 f. 33 Vgl. Martin (1993), S. 27. 34 Vgl. Martin (1993), S. 28.
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tigt bitten, dies zu unterlassen. Käme er der Bitte nicht nach, könnte man Schritte zur Aufhebung oder Verhinderung der eingreifenden Maßnahme setzen. Diese Fähigkeit, Vorschriften zu machen und vielleicht andere Schritte zu setzen, würden zu jeder zur Debatte stehenden Handlungsweise einen weiteren Grad an Festsetzung, Festigkeit oder Sicherheit hinzufügen. Was diese Darstellung von Rechten betrifft, so wird eingeräumt, dass sie sehr abstrakt und allgemein ist und dass die genannten Charakteristika einer Revision unterzogen und besonders hervorgehoben werden müssten, je nachdem, mit welcher Art von Rechten, d.h. legalen, moralischen oder anderen, man sich befasst. 35 Eine Berufung auf die Standards und den Inhalt politischer, moralischer oder religiöser Diskurse würde diese Darstellung erweitern. Doch die verschiedenen spezialisierten Arten der Rechtfertigung würden alle auf den verwendeten Standard aufbauen, d.i. auf Vernünftigkeit, die mit sozialer Akzeptanz verknüpft sei und auf Erklärung beruhe. Zur Erklärung des Begriffs „ ein Recht" durch andere normative Begriffe diesem Zusammenhang lässt sich auch die Frage, ob und inwiefern der Begriff „ein Recht" durch andere normative Begriffe erklärt werden kann, erwähnen, die man in der Literatur erörtert findet. Ein Autor, der sich dazu konkret äußert ist White. White argumentiert, der Begriff „ein Recht" könne nicht so erklärt werden, dass er sich auf irgendeine Art einer Entität beziehe oder eine solche bezeichne oder bedeute oder dass er mit irgendeinem der Begriffe „Pflicht" (duty) oder „Verpflichtung" (Obligation), „sollen" (ought), ,»Freiheit 1" Qiberty), „Kompetenz" (power), „Privileg" (privilege) oder „Anspruch" (claim), mit denen er gewöhnlich zusammen auftrete, im Verhältnis einer Äquivalenz oder wechselseitiger Implikation stehe.36 Auch könne er nicht auf die Begriffe „richtig" (right) oder „unrichtig" (wrong) zurückgeführt werden. Damit sei nicht gesagt, dass der Begriff eines Rechts nicht durch Bezug auf diese anderen Begriffe erklärt oder verstanden werden könne; im Gegenteil, dies sei die einzige Möglichkeit ihn zu verstehen. Jedoch ist der Begriff „ein Recht" nach Auffassung Whites genauso ursprünglich (primitive) wie jeder dieser anderen genannten Begriffe und könne daher nicht auf sie zurückgeführt werden oder mit ihnen als äquivalent betrachtet werden. Alle diese Begriffe gehörten in denselben Bereich, stünden in enger Beziehung zueinander und hätten verschiedene Charakteristika gemeinsam. White weist damit auf eine Problematik in der Erklärung des normativen Begriffs „ein Recht" hin. In welcher Weise in der Erklärung dieses Begriffs auf andere normative Begriffe zurückgegriffen wird und welche Zusammenhänge sich dabei zeigen, wird zum Teil in den folgenden Erörterungen ersichtlich. Im
35 36
Vgl. Martin (1993), S. 29. Vgl. White (1984), S. 173.
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III. Arten von Rechten
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Folgenden werden auch verschiedene Punkte, die in den vorhin genannten Definitionen angesprochen wurden, und einige mit ihnen einhergehende Fragestellungen erörtert.
III. Arten von Rechten Wenn von einem Recht die Rede ist, so kann damit Unterschiedliches gemeint sein. In der Literatur unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten oder Typen von Rechten.37 Man beruft sich dabei nahezu überall auf Hohfeld 38, der vier Elementarformen von Rechten unterschieden hat. Diese sind (1) Anspruchs- oder Forderungsrechte (claim-rights), (2) Freiheits- oder Gestaltungsrechte (liberties), (3) Befugnisse oder Kompetenzen (powers) und (4) Immunitäten (immunities). Diese vier Elementarformen oder Arten von Rechten werden folgendermaßen definiert: 39 (1) Ein Anspruchsrecht wird als ein Recht auf eine Handlung bzw. eine Unterlassung des Adressaten definiert. Mit ihm korreliert eine Pflicht auf Seiten der Adressaten dieses Rechts. (2) Ein Freiheits- oder Gestaltungsrecht wird als eine Freiheit l 4 0 , etwas bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, definiert, unter der Bedingung, dass das Subjekt des Rechts keine Pflicht hat, die betreffende Handlung nicht auszuführen bzw. zu unterlassen.41 (3) Eine Befugnis oder Kompetenz wird als das Vermögen einer Person definiert, Rechte und Pflichten für andere Personen zu erzeugen. So z.B. wenn man einer Person durch ein Versprechen ein Recht einräumt oder ihr durch einen Befehl eine Pflicht auferlegt. 42 (4) Eine Immunität besteht in Bezug auf die Befugnis eines anderen und bedeutet, dass man ihr nicht unterworfen ist. 43 Hohfeld erwähnt an 37 Dies gilt erstens für die Erörterungen des Begriffs „ein Recht". Vgl. unter anderem: Martin (1998a), S. 326, Koller (1992), S. 74 f., Becker (1982), S. 200 f., oder Stoljar (1984), S. 51-62. Ferner gilt es auch für Begründungs versuche von moralischen Rechten bzw. Menschenrechten: Vgl. unter anderem: Wellman (1985), 143-178, und (1995), S. 79-104; Gewirth (1986), S. 1. 38 Vgl. Hohfeld (1966), S. 35 ff. 39 Folgende Kurzcharakterisierung und Terminologie wird von Koller (1992), S. 74 f., übernommen. Vgl. auch Koller (1995), S. 52. 40 Am Rande sei angemerkt, dass im Englischen eine Freiheit in diesem Sinn einheitlich als „liberty" (und nicht als „freedom") bezeichnet wird. Vgl. dazu z.B: den Artikel „Freedom and Liberty", in: REP, Bd. 3, S. 753. Am Rande sei auch erwähnt, dass manche Autoren von defensinve-rights anstelle von liberty-rights sprechen. Vgl. z.B. Stoljar (1984), S. 13. 41 Der Begriff „Freiheit" („liberty" bzw. „freedom") wird in der Literatur unterschiedlich verstanden. Fünf unterschiedliche Auffassungen dieses Begriffs (die Auffassungen von Hohfeld, Raphael, Feinberg, F. Oppenheim und Kanger) findet man z.B. in Kanger (1984), S. 168 ff, 170 ff. erörtert. 42 Der Begriff „Kompetenz" wird auch anders aufgefasst. Vgl. z.B. Kanger (1984), S. 168, bzw. Kanger und Kanger (1966), S. 122.
A. Einleitung
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einer Stelle sowohl die Korrelate (correlatives) als auch die Gegenteile (opposites) dieser legalen Begriffe oder Relationen.44 Es ist in jüngster Zeit versucht worden, auch eine analoge Terminologie für moralische Rechte bzw. Menschenrechte zu entwickeln.45
IV. Die Struktur des Begriffs „ein Recht" Im Begriff „ein Recht" werden verschiedene Elemente unterschieden. Zur Struktur des Begriffs „ein Recht" werden folgende Elemente gezählt: (1) Subjekt oder Inhaber, (2) Adressat und (3) Gegenstand oder Inhalt des Rechts.46 Statt von einem Gegenstand oder Inhalt ist auch von einer Relation 43
Eine genauere Charakterisierung findet man z.B. in Koller (1997a), S. 254 f., bzw. (1997), S. 98 f., Koller bemerkt dazu, dass Hohfeld der Meinung war, dass diese Konzepte schon Rechte erschöpfend darstellen würden, so als seien Rechte nicht mehr als Ansprüche, Freiheiten, Kompetenzen oder Immunitäten. Vgl. (1997), S. 99. Dies sei aber nicht plausibel, denn nach der üblichen Auffassung von Rechten enthalte ein Recht auch eine Art Befugnis, von den Adressaten, die Erfüllung der mit ihnen einhergehenden Pflichten einzufordern. Vgl. ebd., S. 99 f. - Eine andere Auffassung von Immunität findet man z.B. in Kanger (1984), S. 168, bzw. in Kanger und Kanger (1966), S. 122. 44 Vgl. Hohfeld (1966), S. 36, 65. Hohfeld spricht von rechtlichen (jural) bzw. legalen (legal) Relationen (relations), vgl. z.B. Hohfeld (1966), S. 35, und von legalen (legal) Begriffen (conceptions), vgl. z.B. Hohfeld (1966), S. 27. Als rechtliche Gegenteile (jural opposites) erwähnt er (in vertikaler Richtung): Recht (right) Nicht-Recht (no-right)
Privileg (privilege) Pflicht (duty)
Kompetenz (power) Unfähigkeit (disability)
Immunität (immunity) Verbindlichkeit (liability)
Als rechtliche Korrelate (jural correlatives) erwähnt er (in vertikaler Richtung): Recht (right) Pflicht (duty)
Privileg (privilege) Nicht-Recht (no-right)
Immunität (immunity) Kompetenz (power) Verbindlichkeit (liability) Unfähigkeit (disability)
(Alexy übersetzt „immunity" mit „Nicht-Subjektion, „liability" mit „Subjektion" und „disability" mit „Nicht-Kompetenz". Vgl. Alexy (1994), 219.) Hohfeld versteht die Begriffe „ein Recht" und „Anspruch" synonym. Vgl. ebd., S. 38, 71. Ebenso versteht er die Begriffe „Privileg" (privilege) und „Freiheit 1" (liberty) synonym. Vgl. ebd., S. 42, 47. Vgl. dazu ferner Stoljar (1984), Kapitel 5, und Fitch (1967). Stoljar verweist unter anderem darauf, dass von vielen Autoren darauf hingewiesen worden ist, dass mit einem Nicht-Recht nicht eine Freiheit 1, sondern eine Freiheit 1-nicht (liberty-not) korreliert. Vgl. Stoljar (1984), S. 55. 45 Vgl. Wellman (1978), S. 48-58 bzw. (1985), S. 131-160. Dies wird im Hauptteil dieser Arbeit genauer dargestellt. 46 Vgl. Koller (1997a), S. 251 f. Vgl. ferner Alexy (1994), S. 171 f. (Alexy erwähnt diese Struktur im Rahmen seiner Erörterung eines „Rechts auf etwas" (d.i. eines Anspruchs).) Angemerkt sei hier, dass in der angloamerikanischen Literatur entweder vom Gegenstand (object) - vgl. z.B. den Artikel „Rights" in: EE, Bd. 2, S. 1104 oder vom Inhalt (content) eines Rechts die Rede ist, vgl. z.B. Wellman (1995), S. 110.
V. Unterscheidungen am Begriff „ein Recht"
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S(X, Y) zwischen den Parteien X und Y die Rede.47 Andere Theorien unterscheiden im Begriff „ein Recht" fünf Elemente. Gewirth z.B. betrachtet Anspruchsrechte (claim-rights) als die wichtigste Art von Rechten und unterscheidet neben den bereits erwähnten drei Elementen noch die Beschaffenheit (nature) des Rechts und die rechtfertigende Grundlage (justifying basis).48
V. Unterscheidungen am Begriff „ein Recht" Der Begriff „ein Recht" wird in der Literatur unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erörtert. Dazu zählen unter anderem folgende: 49 (1) Die Bedingungen für das Besitzen eines Rechts spezifizieren, wer das Recht hat oder haben kann (und ob auf das Recht verzichtet, ob es verwirkt, ungültig erklärt, aufgegeben oder übertragen werden kann). - Vom Gegenstand eines Rechts werden die Konsequenzen des Rechts unterschieden. Gewirth illustriert das am Beispiel positiver Rechte - auf die im Folgenden noch eingegangen wird: Angenommen Person A habe ein Recht auf Nahrung und dies schließe ein, dass, wenn sie sich nicht durch eigene Bemühung Nahrung beschaffen könne, andere Personen die positive Pflicht hätten, ihr Nahrung zu geben. Vgl. Gewirth (1996), S. 37. Das Erhalten von Nahrung kann nach Gewirth unter unterschiedlichen Aspekten als Konsequenz und als Gegenstand oder Inhalt des Rechts plausibel verstanden werden. Der Gegenstand ihres Rechts auf Nahrung, das, worauf es ein Recht sei, sei, dass sie Nahrung erhalte; in dieser Hinsicht sei ihr Erhalten von Nahrung ein begrifflicher Bestandteil ihres Rechts. Auf der anderen Seite sei die empirische Tatsache, dass die Person tatsächlich Nahrung erhalte, begrifflich verschieden von ihrem Haben des Rechts auf Nahrung; weil ihr Haben des Rechts sei an sich selbst keine Garantie, dass sie tatsächlich Nahrung erhalten werde. In dieser Hinsicht könnte also das tatsächliche Erhalten von Nahrung insofern als eine Konsequenz des Rechts auf Nahrung betrachtet werden, als wenn andere Personen von dem Recht einer Person auf und ihrem Bedürfnis nach Nahrung erfahren würden, sie sehr wohl dafür sorgen würden, dass sie Nahrung erhalte. In dieser Hinsicht also sei ihr tatsächliches Erhalten von Nahrung eine Tatsache, die von ihrem Haben des Rechts zu unterscheiden sei. 47 Vgl. z.B. die Auffassung von Kanger und Kanger. Kanger und Kanger verwenden den Ausdruck „Situation" („State of affairs") und verstehen unter „S (X, Y)" eine Relation (= S) zwischen Parteien (X und Y). Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 123. Diese Relation S könne unterschiedlich spezifiziert werden: z.B. so, dass eine konkrete Partei PI von einer anderen konkreten Partei P2 das bekommt, was sie (sc. PI) ihr (sc. P2) geborgt hat. Kanger und Kanger weisen darauf hin, dass bei einer spezifizierten Situation S X und Y nicht immer auftreten müssen. So z.B. wenn X als Premierminister zurücktritt. 48 Vgl. Gewirth (1992), S. 1104. Vgl. auch Gewirth (1986), S. 1 f. Auch in Feinbergs Charakterisierung eines Rechts als gültigen Anspruchs (valid claim) ist die Rechtfertigung desselben (innerhalb eines Regelsystems) enthalten. Vgl. Feinberg (1970), S. 255, 257. Vgl. dazu auch Winston (1989), S. 12. Martin und Nickel unterscheiden in ihrer allgemeinen Charakterisierung von Rechten drei Aspekte: das normative Element, die Funktionen und die Art der Rechtfertigung eines Rechts. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 205. 49 Die folgenden Aspekte findet man bei Martin, Nickel (1983), S. 214, unterschieden.
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A. Einleitung
(2) Der Bereich oder die Reichweite (scope) eines Rechts spezifiziert, wozu das Recht dient und in welchen Situationen es zu etwas dient.50 (3) Das Gewicht eines Rechts, das eine teilweise oder vollständige Spezifizierung in der Frage mit sich bringt, was in Konfliktfallen zwischen dem Recht und anderen Überlegungen getan werden soll. (4) Die Bedingungen der Verbindlichkeit (engagement), die bestimmten, ob ein Recht ununterbrochen in Kraft ist oder nur dann, wenn sich der Rechtsinhaber darauf beruft. 51 (5) Die normativen Elemente, die ein Recht enthält. (6) Das System der Normen, die das Recht erzeugen, z.B. ein legales System oder ein moralisches System.
VI. Einteilung von Rechten nach Strukturelementen ihres Begriffs Subjekt, Adressat und Gegenstand von Rechten können eine Rolle in der Einteilung von Rechten spielen. Je nachdem, ob im Begriff des Subjekts bzw. des Adressaten jedermann oder bestimmte Personen gedacht werden, werden Rechte folgendermaßen kategorisiert: (1) Universelle und partikulare Rechte - In Bezug auf das Subjekt (Rechtsinhaber) wird zwischen universellen, wenn sie allen Menschen zukommen, und partikularen Rechten, wenn sie bestimmten Personen zukommen, unterschieden. 52 50 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 214. In die Erörterung des Begriffs des Bereichs eines Rechts fallt die Kategorisierung in universelle bzw. nicht universelle Rechte. So z.B. bei Kanger und Kanger (1966), S. 131 (und ferner Ranger (1984), S. 59 f.). Vgl. hier Kapitel A., VI. „Einteilung von Rechten nach Strukturelementen ihres Begriffs", (1) „Universelle und partikulare Rechte" und die dazugehörige Fußnote. 51 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 221. 52 Vgl. z.B. Koller (1997), S. 96 f. Koller erwähnt Menschenrechte als typisches Beispiel für universelle Rechte, weil sie allen Menschen zukommen. Eigentumsrechte seien stets partikulare Rechte, weil sie nur die Rechte bestimmter einzelner Personen seien. - Wellman verwendet in (1999a), S. 81, 152, zum Teil eine andere Terminologie: er spricht von speziellen (special) bzw. universellen (universal) Rechten. Pennock, um einen weiteren Autor zu nennen, spricht von allgemeinen (général) Rechten. Er bezeichnet Menschenrechte als allgemeine (général) Rechte, weil sie von Menschen gleichermaßen besessen werden. Vgl. Pennock (1981), S. 5. Kanger und Kanger unterscheiden von universellen Rechten (universalrights)leere Rechte (emptyrights).Sie verstehen unter dem Bereich (scope) eines Rechts die Menge aller geordneten Paare (X, Y) von Parteien, so dass X ein Recht R gegenüber Y hat. Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 131. R sei ein universelles Recht, wenn jedes Paar (X, Y) zum Bereich eines Rechts R gehöre, im Unterschied zu einem leeren Recht, zu dessen Bereich kein Paar (X, Y) gehöre.
VI. Einteilung von Rechten nach Strukturelementen ihres Begriffs
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(2) Generelle und spezielle Rechte - In Bezug auf den Adressaten wird zwischen generellen (in rem), wenn die Rechte gegenüber jedermann gelten, und speziellen (in personam) Rechten, wenn sie gegenüber bestimmten Personen bestehen, unterschieden.53 Diese zwei Unterscheidungen werden als voneinander unabhängig verstanden.54 Kombiniert man sie, so erhält man vier Arten von Rechten: (i) universelle-generelle Rechte, (ii) universelle-spezielle Rechte, (iii) partikulare-generelle Rechte und (iv) partikulare spezielle Rechte.55 (3) Aktive und passive Rechte - Nicht nur das Subjekt oder der Adressat, sondern auch der Gegenstand oder Inhalt eine Rechts spielt in der Einteilung von Rechten eine Rolle. In Bezug auf den Gegenstand oder Inhalt eines Rechts wird zwischen aktiven und passiven Rechten unterschieden. Ob ein Recht aktiv oder passiv ist, hängt von der Art ab, in der sein Inhalt am genauesten beschrieben werden kann.56 Während z.B. ein Protestierender ein Freiheitsrecht hat, frei zu sprechen, und ein Bürger ein Kompetenzrecht zu Wählen, hat ein Gläubiger ein Anspruchsrecht bezahlt zu werden und ein Eigentümer ein Immunitätsrecht, nicht ohne angemessenes Verfahren seines Eigentums entledigt zu werden. Rechte etwas zu tun würden manchmal als aktive Rechte, Rechte, dass in Bezug auf einen etwas getan werde, als passive oder Rezipienten-(recipient) Rechte bezeichnet.57 (4) Negative und positive Rechte - Gegenstände von Rechten spielen auch eine Rolle in der Einteilung von Rechten in positive und negative Rechte.58 53
Vgl. Koller (1997), S. 97. Vgl. ferner Hohfeld (1964), S. 67 ff., Wellman (1985), S. 18, 58. Stoljar bemerkt zum Verhältnis von Rechten in rem und in personam: Hätten wir keine Rechte in rem, könnten keine Rechte in personam entstehen. Vgl. Stoljar (1984), S. 46. Wir könnten nicht einmal persönliche Rechte als Gläubiger oder Vertragschließende haben, wenn wir nicht Dinge besitzen könnten, die wir zu verkaufen oder zu tauschen wünschten. Rechte auf Besitz wie das Recht auf Leib und Leben sind nach Stoljar Grundrechte (basic rights). Vgl. auch ebd., S. 71 f. (Den Gedanken, den Stoljar zum Verhältnis von allgemeinen und speziellen Rechten hier erwähnt, findet man in ähnlicher Form auch bei anderen Autoren thematisiert, z.B. bei Steiner (1977), S. 332, oder Mack (1978), S. 423.) 54 So Koller in (1997), S. 98. 55 So Koller in (1997), S. 98. Dazu erwähnt er folgende Beispiele: (i) jedermanns Recht auf Leben gegenüber jedem, (ii) jedermanns Recht auf Leben gegenüber einer bestimmten Person, (iii) jemandes Eigentumsrechte gegenüber allen anderen und (iv) jemandes vertragliche Rechte gegenüber einem anderen. 56 Vgl. Wellman (1995), S. 110. 57 Vgl. White (1984), S. 13, 15. Daneben nennt White auch weitere Arten von Rechten. - Vgl. ferner zu der genanten Unterscheidung Lindahl (1994), S. 153. 58 Von dieser Unterscheidung zwischen positiven und negativen Rechten, die sich auf den Inhalt von Rechten bezieht, ist die Unterscheidung zwischen positiven und vor- bzw. überpositiven Rechten zu trennen, die sich auf den Grund von Rechten und ihrer Gültigkeit bezieht. - Manche Autoren, z.B. Gewirth, behaupten, dass sich die Unterscheidung zwischen negativen und positiven Rechten, hauptsächlich um die
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A. Einleitung
Ihren Gegenstand bildet eine Handlung des Adressaten, und diese kann eine positive Handlung (Tun) oder negative Handlung (Unterlassung) sein.59 Negative Rechte verpflichten die Adressaten zu einem Dulden oder Unterlassen, während positive Rechte die Adressaten zu aktiven Handlungen verpflichten. 60 Dieses Kriterium lässt sich mit dem Kriterium der Unterscheidung von Rechten hinsichtlich ihrer Adressaten - in rem und in personam - kombinieren, wodurch man vier Arten von Rechten erhält: (i) negative Rechte in rem wie das Recht einer Person auf die Unverletzlichkeit ihres Lebens oder ihres Eigentums, (ii) positive Rechte in rem wie das Recht auf zumutbare Hilfe in Not, (iii) positive Rechte in personam, unter die alle zwischen bestimmten Personen abgeschlossenen vertraglichen Rechte fallen, und (iv) negative Rechte in personam. 61 Was letztere angeht, so wird bemerkt, dass es schwieriger erscheint, Beispiele für negative Rechte in personam zu finden, die nicht selbst aus negativen Rechten in rem folgen. 62 (5) Ansprüche, Freiheitenl, Kompetenzen und Immunitäten - In der Frage, worauf ein Recht besteht, fragt man nach dessen Inhalt oder Gegenstand.63 Dabei gehe es einerseits um die Handlungsmöglichkeiten, die ein Recht seinem Inhaber eröffne, und andererseits um die normativen Konsequenzen, die sich daraus für andere Personen ergäben. Im Rahmen dieser Frage wird die in einem der vorigen Abschnitte genannte Unterscheidung der vier Elementarformen von Rechten, d.i. die Unterscheidung zwischen Ansprüchen, Freiheitenl, Kompetenzen und Immunitäten erwähnt, die von Hohfeld stammt.64
VII. Das Korrelationsverhältnis zwischen Rechten und Pflichten Ein Charakteristikum von Rechten ist, wie wir in den oben erwähnten Definitionen des Begriffs „ein Recht" gesehen haben, dass die Handlungsmöglichkeit Pflichten des Adressaten dreht: ob sie in der Unterlassung eines Eingriffs (etwas nicht zu tun) oder in aktiver Unterstützung (etwas zu tun) bestehen. Vgl. Gewirth (1996), S. 33. Gewirth verwendet den Ausdruck „ein Recht" primär in der Bedeutung von „ein Anspruchsrecht" (claim-right), mit dem auf Seiten des Adressaten eine Pflicht korreliert. Vgl. ebd., S. 8 f. 59 Vgl. Alexy (1994), S. 172 f. 60 Vgl. Koller (1992), S. 76. - Zum Gegenstand von Rechten als Kriterium für deren Einteilung vgl. ferner z.B. Kanger (1984), S. 76. 61 Vgl. Koller (1992), S. 77. 62 Vgl. Koller (1992), S. 77. Es kommt nach Koller vor, dass jemand gegenüber einer anderen Person ein Recht auf Nichtbeeinträchtigung durch bestimmte Handlungen besitzt, wenn diese Person durch vertragliche Vereinbarung auf die Ausführung von Handlungen verzichtet hat, die ihr andernfalls offen gestanden wären. 63 Vgl. Koller (1997), S. 98. 64 So z.B. bei Koller (1997), S. 98.
VII. Das Korrelationsverhältnis zwischen Rechten und Pflichten
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einer Person eine Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten anderer Personen bedeute bzw. dass mit Rechten Vorschriften an andere Personen bzw. in vielen Fällen Pflichten auf ihrer Seite einhergehen. Damit wird ein weiterer Punkt, der in der Erörterung von Rechten eine zentrale Rolle spielt, angesprochen: die Frage nach dem Verhältnis oder der Korrelation (Korrespondenz) von Rechten und Pflichten. Bevor auf diese Frage eingegangen wird, sei kurz etwas zum Begriff „Pflicht" gesagt, der hier eine Rolle spielt. Eine Pflicht zu haben bedeutet, einem bindenden normativen Erfordernis unterworfen zu sein.65 Ein wichtiges Charakteristikum von Pflichten sei, dass sie einen rechtfertigenden Grund für Handlung lieferten. Wenn jemand etwas, was er getan habe, dadurch erkläre, dass er sage, es sei seine Pflicht gewesen, dann liefere er eine Rechtfertigung für seine Handlung.66 Folgende Arten von Pflichten werden voneinander unterschieden: (1) Positive und negative Pflichten, 67 (2) prima facie und „alles inbegriffen" („all-in") Pflichten, 68 (3) vollkommene und unvollkommene Pflichten 69 65 Die obigen Ausführungen orientieren sich vornehmlich am Artikel „Duty" von Robert L Frazier in der REP, Bd. 3, S. 178. Frazier konzentriert sich in seiner Diskussion auf moralische Pflichten, bemerkt jedoch, dass diese Diskussion eine umfassendere Anwendung finden könnte. Feinberg, dessen Unterscheidung verschiedener Pflichten im Folgenden erwähnt wird, weist auf die Verbindung der Vorstellung von Pflicht mit der Vorstellung von Zwang hin. Vgl. Feinberg (1966), S. 140. Eine Pflicht sei etwas, was von einem gefordert werde, d.h. (1) was man tun müsse, ob man wolle oder nicht. (2) Ein Erfordernis sei eine Verbindlichkeit (liability), etwas, was man tun müsse, da man sonst die Konsequenzen (Bestrafung, Schuldgefühle) zu tragen habe. Einen detaillierten historischen Überblick über die verschiedenen philosophischen Theorien über Pflichten seit der Antike findet man im Artikel ,,Pflicht" von W. Kersting in HWP, Bd. 7, S. 405-433. Vgl. auch die darauf folgenden Artikel „Pflichtenkollisionen", „Pflichtenlehre" und „Pflichtethik, deontologische Ethik", in ebd. 66 Ferner wird darauf hingewiesen, dass mit dem Begriff „Pflicht" (duty) eine Reihe weiterer normativer Begriffe in Zusammenhang stehen, zu denen die Begriffe „Verpflichtung" (Obligation), „Recht" (right), „Erlaubnis" (permission) und „Verbot" (prohibition) zählen. Vgl. REP, Bd. 3, S. 178. Die Relationen zwischen Erlaubnissen, Verboten und Pflichten seien durchaus einfach: Wenn uns erlaubt sei, etwas zu tun, so hätten wir keine Pflicht, es nicht zu tun; wenn uns verboten sei, etwas zu tun, so hätten wir eine Pflicht, es nicht zu tun. (Vgl. dazu auch den Artikel „Deontic Logic" in REP, Bd. 2, S. 887-890.) Die Relationen zwischen Pflichten, Verpflichtungen und Rechten seien nicht so einfach. Dem üblichen modernen Gebrauch nach seien die Begriffe „Pflicht" und „Verpflichtung" koextensiv. Es gebe aber auch andere Auffassungen. Vgl. Näheres ebd. Eine wichtige Auffassung zur Relation zwischen Rechten und Pflichten sei, dass es eine Korrelation zumindest zwischen manchen Rechten und Pflichten gebe. Dies wird im Folgenden erörtert. 67 Diese Unterscheidung basiere auf der Unterscheidung zwischen Handlung und Unterlassung einer Handlung. Vgl. REP, Bd. 3, S. 179. 68 Prima facie (oder „pro tanto") Pflichten drückten aus, dass die Handlung eine wichtige moralische Überlegung einschließe, dass sie aber durch andere moralische Überlegungen überwogen oder aufgehoben werden könne. Vgl. REP, Bd. 3, S. 180. Eine „alles inbegriffen" Pflicht [„all-in" duty (or „duty proper" or „duty all things considered")] hänge von der Beschaffenheit aller relevanten prima facie Pflichten ab,
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A. Einleitung
sowie (4) subjektive und objektive Pflichten. 70 Pflichten werden auch nach dem Kriterium unterschieden, ob sie mit Rechten und mit welcherart Rechten sie korrelieren. 71 d.h. eine „alles inbegriffen" Pflicht sei das, was die Pflicht erfordere, wenn man alles in Betracht ziehe, insbesondere, in Anbetracht aller prima facie Pflichten. In dieser Unterscheidung, in deren Erörterung alle Autoren auf W. D. Ross (1930) verweisen, spielen Überlegungen in Bezug auf Pflichtenkonflikte eine Rolle. 69 Die Unterscheidung zwischen vollkommenen (perfect) und unvollkommenen Pflichten (imperfect duties) findet man anhand der Unterscheidung zwischen Pflichten, die bestimmten Personen geschuldet werden, und jenen, die keinen Personen geschuldet werden, sondern sie nur betreffen, erörtert. Vgl. z.B. REP, Bd. 3, S. 180. Wenn wir eine Pflicht gegenüber jemandem hätten, dann habe er ein Recht uns gegenüber. Wenn wir eine Pflicht hätten, die niemandem geschuldet werde, dann bringe diese Pflicht kein Recht uns gegenüber mit sich. Dies räume uns größeren Spielraum in der Art und Weise ein, wie wir die Pflicht erfüllen könnten. Die Pflicht nicht zu töten werde jeder Person geschuldet, während die Pflicht, wohltätig zu sein, niemandem geschuldet werde und dadurch erfüllt werden könne, dass man irgendwelchen Personen helfe. Vollkommene Pflichten würden gewöhnlich mit negativen, strikten Pflichten, während unvollkommene Pflichten mit positiven, nicht so strikten Pflichten in Zusammenhang gebracht. In der Erörterung dieser Unterscheidung verweisen die meisten Autoren auf Kant bzw. Mill. Vgl. ebd. Nach Kant sind vollkommene Pflichten Rechtspflichten, die unvollkommenen Pflichten sind Tugendpflichten. Vgl. genaueres im Artikel „Pflichten, vollkommene / unvollkommene" von W. Kersting in: HWP, Bd. 7, S. 438, bzw. bei Kant: (1922), S. 45 f. [239 f.], 231 [390] und (1933), S. 45 ff. [421 ff.], bei Mill (1985), S. 86. Dieser Artikel weist darauf hin, dass schon Cicero den Ausdruck „officium perfectum" verwendet, und erörtert die Rolle dieser Unterscheidung unter anderem in der Naturrechtsdebatte, womit manche Autoren Recht und Ethik voneinander zu trennen versucht haben. Vgl. ebd., S. 434 ff. 70 Sofern eine Theorie diese Unterscheidung zulasse, sei eine subjektive Pflicht das, was eine Person aufrichtig als ihre Pflicht erachte, während eine objektive Pflicht das sei, was von einer Pflicht eigentlich (actually) verlangt werde. Vgl. REP, Bd. 3, S. 180. Es gebe auch andere Begriffe, die mit dem Begriff einer subjektiven Pflicht in engem Zusammenhang stünden, z.B. dasjenige, was die Pflicht wahrscheinlich verlange, oder dasjenige, was vernünftiger (most reasonable) Überlegung nach die Pflicht verlange. Jeder dieser Begriffe unterscheide sich vom oben erwähnten Begriff einer subjektiven Pflicht. Jemand könnte aufrichtig etwas als seine Pflicht auffassen und sich dennoch irren oder es könnte sein, dass es vernünftigere Auffassungen darüber gebe, was eine Pflicht verlange. 71 Eine solche Einteilung findet man z.B. bei Feinberg (1966), S. 142. Feinberg listet zehn verschiedene Arten von Pflichten auf: (1) Pflichten des Verschuldetseins (indebtedness), wie jene des Schuldners gegenüber dem Gläubiger; (2) Pflichten des Ausübens (commitment), wie jene zwischen Versprechensgeber und Ansprucherhebenden (claimant); vgl. ebd., S. 137 f.; (3) Pflichten der Wiedergutmachung (reparation), z.B. den Verlust einer Sache wieder gutzumachen, wofür man verantwortlich ist; (4) Pflichten der Bedürfniserfüllung (need-fulfillment), z.B. wenn jemand die Pflicht empfindet, der Allgemeinheit etwas zu geben, was sie braucht (z.B. bisher unveröffentlichte Dokumente aus dem Privatbesitz); vgl. ebd., S. 138 f.; (5) Pflichten der Erwiderung (reciprocation), z.B. wenn Person X empfindet, Person Y eine Hilfeleistung, zu der X in der Lage ist und die Y benötigt, zu schulden, weil in der Vergangenheit auch Y freiwillig X aus einer schwierigen Situation geholfen hatte; (6) Pflichten der Rücksicht (respect), z.B. die Pflicht aller Menschen, das Eigentum eines Landbesitzers nicht zu betreten; (7) Pflichten der Mitgliedschaft in einer Gesellschaft, z.B. die Pflicht Sorge (care) zu tragen, die jeder Bürger jeder Person schuldet, insofern sie in
VII. Das Korrelationsverhältnis zwischen Rechten und Pflichten
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Die Frage nach dem Verhältnis oder der Korrelation von Rechten und Pflichten kann auf verschiedene Weise gestellt werden und enthält demnach verschiedene Aspekte. Man findet diese Frage manchmal in Bezug auf Rechte und Pflichten einer und derselben Person,72 gewöhnlich jedoch in Bezug auf Rechte und Pflichten verschiedener Personen erörtert. In letzterem Fall findet man unter anderem folgende Aspekte erörtert: ob Rechte und Pflichten logisch miteinander korrelieren, 73 ob Rechte mit bestimmten Pflichten korrelieren, 74 ob mit die Lage gerät, durch seine Nachlässigkeit Schaden zu nehmen; (8) Status-Pflichten, z.B. Pflichten, die man aufgrund seines gesellschaftlichen Status hat; vgl. ebd., S. 140; (9) Pflichten des zwingenden Angemessenseins (compelling appropriateness), zu denen wahrscheinlich z.B. Pflichten der Vervollkommnung, der Selbstopferung, der Liebe etc. zählen; vgl. ebd., S. 141; (10) Pflichten des Befolgens (obedience), von denen viele einer unpersönlichen Autorität, z.B. dem Recht (law) geschuldet würden. - Die Pflichten (1) bis (5) korrelieren nach Feinberg notwendig mit Rechten in personam anderer Personen, die Pflichten (6) und (7) korrelieren notwendig mit Rechten in rem anderer Personen, während die Pflichten (8), (9) und (10) nicht notwendig mit Rechten anderer Personen korrelieren. Vgl. ebd., S. 142. 72 White z.B. erörtert die Frage, ob es für jemanden, der ein Recht auf bzw. zu (to) X hat, möglich ist, auch eine Pflicht zu (to) X zu haben. Vgl. White (1984), S. 57. Er argumentiert, dass weder ein Recht einer Person auf bzw. zu X ihr notwendig eine Pflicht zu X auferlege noch dass die Pflicht einer Person zu X ihr notwendig ein Recht auf bzw. zu X auferlege. Man könne z.B. ein Recht haben, einen öffentlichen Ort zu betreten, ohne notwendig eine Pflicht dazu zu haben. Die Behörde, die dem Spion die Pflicht auferlegt, die Unterlagen des Feindes zu photographieren, könne ihm nicht ein Recht geben, dies zu tun. Vgl. ebd., S. 58. White erörtert unter anderem auch die Frage, ob der Grund (die Bedingung oder Bedeutung) des Rechts einer Person auf bzw. zu X darin liegen kann, dass dieselbe Person keine Pflicht nicht zu X hat, und argumentiert, dass das auf eine Verwechslung der Begriffe „ein Recht" und „Freiheit 1" (liberty) hinausläuft. Z.B. habe man keine Pflicht, Unbekannte nicht um einen Gefallen zu bitten, und sei daher frei (free), dies zu tun, man habe aber kein Recht, dies zu tun. Vgl. ebd., S. 58 f. 73 Feinberg z.B. bemerkt in Bezug auf Anspruchsrechte (claim-rights): Es sei per definitionem wahr, dass Rechte logisch Pflichten anderer Personen mit sich bringen. Vgl. Feinberg (1970), S. 249. Er fasst jedoch Anspruchsrechte in irgendeiner Weise ursprünglicher und grundlegender auf als die Pflichten, mit denen sie notwendig korrelieren. - Lyons erörtert bestimmte Fälle, in denen das Recht einer Person (z.B. das durch die Verfassung garantierte Recht auf Redefreiheit) nicht mit Verpflichtungen anderer Personen logisch korreliert. Vgl. Lyons (1992), S. 57 [53]. Martin und Nickel sehen den Punkt in Lyons Argumentation darin, dass obwohl manche generell anwendbare Verpflichtungen das Recht einer Person, X zu tun, unterstützen, die Verpflichtungen tatsächlich nicht logisch mit diesem Recht verbunden sind. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 207. Wellman erörtert einzelne Einwände gegen die Auffassung von Korrelation, wonach jedes Recht logisch eine Pflicht impliziere und umgekehrt. Vgl. Wellman (1995), S. 183. Diese Auffassung sollte angeblich die Relationalität der bloßen Begriffe „ein Recht" und „Pflicht" widerspiegeln. So wie es logisch unmöglich sei, dass es einen Ehemann ohne eine Ehefrau geben könne, so könne auch kein Recht ohne eine Pflicht existieren. Dies rühre daher, dass unter einem Recht bloß ein Anspruch gegenüber (claim against) einem Pflichtinhaber und unter einer Pflicht eine Pflicht, die einem Rechtsinhaber geschuldet werde (owed to), verstanden werde. Die logische Korrelativität von Rechten und Pflichten spiegle folglich die Tatsache wider, dass die Begriffe
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allen Rechten Pflichten 75 bzw. mit allen Pflichten Rechte korrelieren, 76 ob Rechte und Pflichten zwei Seiten derselben Relation bilden,77 ob der Begriff eines Rechts und einer Pflicht relative Begriffe sind, die eine einfache Relation einschlössen, die man sich von den unterschiedlichen Perspektiven jeder, der zwei Parteien vorstellen könne. Die erste Anfechtung dieser Doktrin gründet nach Wellman auf dem Argument, dass es viele Pflichten gibt, die nicht einem Ansprucherhebenden geschuldet werden. Wellman erwähnt hier Harts Argumente aus (1982), S. 182-186, und Feinbergs Argumente aus (1980), S. 139. Eine zweite Anfechtung dieser Doktrin habe auf dem Argument basiert, dass nicht alle Rechte Ansprüche gegenüber einem Verpflichteten seien. Vgl. Wellman (1995), S. 184. Wellman verweist hier auf Hart (1983), S. 21^8, (1955), S. 175-191, und (1982), S. 162-193, und auf sein eigenes Werk, d.i. Wellman (1985), Kapitel 4, 6. Wellman argumentiert, dass der größte Defekt der Doktrin der logischen Korrelativität von Rechten und Pflichten darin liegt, dass sie die Beschaffenheit eines Rechts übersimplifiziert. Wellman erörtert und kritisiert daraufhin Lyons Auffassung der Korrelativität aus (1970) und Braybrookes Auffassung aus (1972), der ebenso Lyons ' Auffassung kritisiert und eine eigene Erklärung liefert. Vgl. Wellman (1995), S. 185 f. 74 Vgl. Martin (1998a), S. 326. - Raz, der R. Brandts Thesen kritisiert, schreibt: Es gebe keine abgeschlossene Liste von Pflichten, die dem Recht korrespondierten. Vgl. Raz (1984), S. 199 f. Eine Veränderung der Umstände könnte zu einer Erzeugung neuer Pflichten führen, die auf dem alten Recht gründeten. Dieser dynamische Aspekt von Rechten, ihre Fähigkeit neue Pflichten zu erzeugen, sei grundlegend für jedes Verständnis ihrer Beschaffenheit und Funktion im praktischen Denken. 75 White z.B. bemerkt, dass ein Recht einer Person, etwas zu tun, logisch keine Pflichten auf Seiten anderer Personen (bzw. Verpflichtungen) hervorbringe. Vgl. White (1984), S. 64. Z.B. lege das Recht einer Person X, andere Personen in bestimmter Weise zu behandeln, z.B. sie zu unterrichten, zu schützen oder sie zu bestrafen, ihnen keine Pflichten (oder Verpflichtungen) auf, von X so behandelt zu werden oder sich so behandeln zu lassen. White argumentiert ferner, dass so wie Moralkodizes oder Gebote wie der Dekalog Listen von Pflichten ohne Bezug auf korrespondierende Rechte niederlegten, so empfählen Listen von Rechten wie die verschiedenen Bills und Chartas von Rechten eine Reihe von Rechten ohne Bezug zu irgendwelchen korrespondierenden Pflichten (oder Verpflichtungen). Vgl. ebd., S. 65. Daher sei es ein Fehler z.B. zu argumentieren, dass jemand z.B. kein Recht haben könne, dass man ihn sterben lasse oder dass er getötet werde, wenn er unheilbar krank sei, weil niemand eine Pflicht habe, ihm beim Sterben behilflich zu sein oder es zu unterlassen, in seine Bemühungen zu sterben einzugreifen. 76 Vgl. z.B. Feinberg (1970), S. 243 f. Feinberg beantwortet diese Frage einerseits mit ja, andererseits mit nein. Er weist darauf hin, dass es eine große Anzahl sowohl legaler als auch nichtlegaler Pflichten zu geben scheint, die nicht mit Rechten anderer Personen korrelieren, z.B. Pflichten der Wohltätigkeit. Vgl. ebd., S. 244. Letztere Pflichten sind jene, die Kant bzw. Mill unvollkommen (imperfect) genannt haben. Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 206. Es sei im Ermessen der Person, die so eine Pflicht habe, wann sie diese Pflicht erfülle, und die Person, die von dieser Pflicht profitiere, sei nicht bestimmbar oder festgesetzt. Auf diese Unterscheidung nimmt auch Mayo in (1967), S. 72, Bezug. Beispiele aus dem Bereich des Rechts, in denen mit Pflichten keine Rechte korrelieren, findet man z.B. bei White (1984), S. 62 f., 65. Hart erörtert in (1955), S. 182, Verhaltenskodizes, die keine Rechte verleihen, sondern vorschreiben, was getan werden soll. Es gebe viele Arten von Verhaltenskodizes, die nur vorschrieben, was getan werden solle, z.B. Kodizes, die den Ablauf bestimmter Zeremonien regelten. Selbst rein moralische Verhaltenskodizes wie z.B. der Dekalog müssten keine Rechte festsetzen. Es wäre erstaunlich, die zehn Gebote so zu inter-
VII. Das Korrelationsverhältnis zwischen Rechten und Pflichten
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„ein Recht" in dieser Relation als redundant betrachtet werden kann,78 ob Rechte in manchen Situationen den Grund von Pflichten bilden können79 oder pretieren als verliehen sie Rechte. Die zehn Gebote müssten in einer solchen Interpretation so verstanden werden, als wären sie dem Einzelnen und nicht nur Gott geschuldet (due to or owed to) und Ungehorsam wäre nicht nur unrichtig (wrong), sondern ein Unrecht gegenüber (a wrong to) dem Einzelnen. In einer solchen Interpretation würden die zehn Gebote nicht mehr als Strafgesetze verstanden werden, die nur zum Ausschluss bestimmter Verhaltensformen bestimmt worden seien, sondern müssten als moralische Regeln gedacht werden, über die der Einzelne verfügen könnte und die regulierten, bis zu welchem Grad er ein bestimmtes Verhalten von anderen verlangen könne. 77 Wellman beschreibt dies, wie zuvor erwähnt, folgendermaßen: Die logische Korrelativität von Rechten und Pflichten spiegle die Tatsache wider, dass die Begriffe eines Rechts und einer Pflicht relative Begriffe seien, die eine einfache Relation einschlössen, die von den unterschiedlichen Perspektiven jeder der zwei Parteien betrachtet werden könne. Vgl. Wellman (1995), S. 183. - Feinberg schreibt in Bezug auf Anspruchsrechte: Das Recht z.B. des Gläubigers gegenüber dem Schuldner und die Pflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger seien genau dieselbe Relation von zwei unterschiedlichen Aussichtspunkten betrachtet; sie seien unzertrennlich miteinander verbunden wie zwei Seiten derselben Medaille. Vgl. Feinberg (1970), S. 249 f. Feinberg bemerkt, dass diese Darstellung jedoch nicht völlig richtig ist, weil sie der Art nicht gerecht wird, in der Anspruchsrechte in irgendeiner Weise Vorrang vor den Pflichten haben oder grundlegender sind als die Pflichten, mit denen sie notwendig korrelieren. - Stoljar vertritt die Auffassung, dass Rechte und Pflichten nicht einander seitenverkehrt widerspiegeln. Ungeachtet ihrer korrelativen Korrespondenz erfüllten sie verschiedene Aufgaben, die dennoch eng miteinander zusammenhingen. Vgl. Stoljar (1984), S. 46, wo dieser Punkt genauer erläutert wird. Einen Grund für die Unterscheidung zwischen Rechten und Pflichten sieht Stoljar darin, dass Rechte im Vergleich zu Pflichten allgemeiner formuliert sind. Vgl. ebd., S. 47. - Weitere Beispiele aus der Literatur findet man in White (1984), S. 55, zitiert. 78 Als Beispiel sei hier C. Arnold genannt. Er untersucht die Relation von Rechten und Pflichten im Kontext des Rechts (law). Aufgrund einer Untersuchung von Argumenten von H.L.A. Hart und R. Wasserstrom, gelangt er zu dem Schluss, dass die Rede über Rechte in einem Rechtssystem als redundant betrachtet werden kann. Vgl. Arnold (1978), S. 81, 83. Auch in seiner Erörterung der Begründung von Rechten im Rahmen der moralphilosophischen Diskussion zwischen Utilitaristen und ihren Gegnern gelangt Arnold wieder zur These, dass wir vielleicht des Begriffs „ein Recht" nicht bedürfen, wenn wir in der und über die Rechtstheorie (legal theory) argumentieren. Vgl. ebd., S. 83-86. Kritisiert wird diese Auffassung unter anderem von Stoljar, in: (1984), S. 47. 79 Nach Feinberg z.B. sind Anspruchsrechte ursprünglicher oder grundlegender als die Pflichten, mit denen sie notwendig korrelieren. Vgl. Feinberg (1970), S. 250. Wenn z.B. Nip ein Anspruchsrecht gegenüber Tuck habe, dann habe aufgrund dieser Tatsache Tuck eine Pflicht gegenüber Nip. - Montague erörtert in (1980), S. 372 ff., die Frage, inwiefern das Besitzen eines Rechts korrespondierende Verpflichtungen auf Seiten anderer hervorbringt und in diesem Rahmen auch Feinbergs Argumentation. Montague zitiert eine Reihe weiterer Arbeiten zur Korrelativitätsthese. - Stoljar spricht von einem relativen Vorrang von Rechten gegenüber Pflichten. Vgl. Stoljar (1984), S. 47. - Raz behauptet in (1984), S. 196, 199 f., dass Rechte Gründe von Pflichten anderer sind. - Gewirth versucht zu zeigen, inwiefern in seiner Theorie im Gegensatz zum Utilitarismus moralische Rechte die Grundlagen von Pflichten bilden, während beim Utilitarismus das umgekehrte Verhältnis vorliegt. Vgl. Gewirth (1982), S. 173.
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ob umgekehrt in manchen Situationen Pflichten den Grund von Rechten bilden können80 usw. Manche Autoren sehen verschiedene Korrelationsverhältnisse zwischen moralischen und legalen Rechten und Pflichten 81 bzw. zwischen verschiedenen Typen von Rechten.82 Die Begriffe „Relation", „Korrelation" oder „Korrespondenz von Rechten und Pflichten" können demnach je nach Fragestellung unterschiedliche Bedeutungen haben.83 Die These, dass Rechte logisch mit bestimmten Pflichten korrelieren, wird aufgrund folgenden Arguments als unrichtig bezeichnet:84 Nach Hohfeld könne jedes der Elemente Anspruch, Freiheit 1, Kompetenz und Immunität ein Recht bilden. Mit jedem dieser Rechte korreliere ein einzigartiges Element auf Seiten
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Zur Frage, ob Rechte oder Pflichten den Grund des jeweils anderen Begriffs bilden vgl. z.B. White (1984), S. 55, der zu diesem Punkt eine Reihe von Autoren zitiert. - McCloskey z.B. ist der Auffassung, dass in einem Versprechen, z.B. wenn die Frau ihrem Mann versprochen hat, ihm zu gehorchen, sodass er ein Recht hat, dass sie ihm gehorcht, und sie die Pflicht hat, ihm zu gehorchen, die Pflicht ursprünglich ist. Vgl. McCloskey (1965), S. 121. Sie gehe aus dem Versprechen der Frau hervor und das Recht sei durch das Versprechen und die Pflicht, das Versprechen zu halten, erzeugt. 81 Habermas z.B. sieht folgenden Unterschied: Moralische Rechte rührten aus den Pflichten anderer Personen uns gegenüber, während im Recht (law) die Rechte Pflichten vorausgingen, da legale Pflichten nur aus wechselseitigen Einschränkungen gleich garantierter Freiheiten hervorgingen. Vgl. Habermas (1999), S. 331, bzw. Habermas (1997), S. 224. 82 McCloskey wird oft als Vertreter der Auffassung zitiert, dass Rechte Berechtigungen (entitlements) sind. Er unterscheidet zwischen legalen Rechten, institutionellen Rechten, sozialen Rechten, Rechten in Spielen, und moralischen Rechten. Vgl. McCloskey (1965), S. 115-117. Ferner unterscheidet er zwischen einem „Recht zu" bzw. auf (right to) und einem „Recht gegenüber" (right against). Vgl. ebd., S. 118 f. Unter den moralischen Rechten unterscheidet er folgende Arten: (a) negative, (b) positive, (c) Wohlfahrts- und (d) spezielle Rechte. Vgl. ebd., S. 120. Damit einhergehend unterscheidet er verschiedene Möglichkeiten der Relation zwischen Rechten und Pflichten: (1) Die Existenz von Rechten des Typs (a) hänge zum Teil von der Existenz einer Pflicht anderer ab, nicht einzugreifen oder davon, dass andere kein Recht vom Typ (b) hätten einzugreifen. Vgl. ebd., S. 121. Ein Recht des Typs (b) bringe aktuale und potentielle Pflichten anderer hervor. (2) Rechte des Typs (c) würden Pflichten oder potentielle Pflichten hervorbringen, (3) ein Recht vom Typ (d) impliziere eine Pflicht auf Seiten der Person, gegenüber der es gelte. (4) Schließlich erläutert McCloskey, dass wenn ein Recht jemandem zugeschrieben wird, wir nicht immer sinnvoll fragen können, wer die korrespondierenden Pflichten hat. Und wenn eine Pflicht postuliert werde, könnten wir nicht immer jemanden finden, der ein korrespondierendes Recht habe. Vgl. ebd., S. 122. 83 Wie zuvor im Kapitel über Arten von Rechten erwähnt, wird seit Hohfeld zwischen verschiedenen Elementarformen von Rechten unterschieden, zu denen es unterschiedliche Korrelate gibt. Vor dem Hintergrund der vorhin genannten Analyse der Struktur von Rechten und moralischen Positionen im Allgemeinen, die aus einem Subjekt, einem Adressaten und dem Inhalt oder Gegenstand der normativen Position besteht, stellt sich unter anderem auch die Frage, in Bezug worauf eine Korrelation normativer Positionen besteht und worin ihr Grund liegt. 84 Vgl. Martin (1998a), S. 326.
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der anderen Partei: z.B. korreliere mit einem legalen Anspruchsrecht eine legale Pflicht, mit einem Immunitätsrecht das Fehlen einer Kompetenz (power) eine legale Unfähigkeit (legal disability) - auf Seiten der anderen Partei. Insofern spreche die Existenz von Immunitätsrechten gegen die Sicht, dass mit einem Recht immer eine Pflicht einhergehe.85 Infolge der Tatsache, dass es Beispiele von Rechten ohne Pflichten und Beispiele von Rechten mit reziproken Pflichten gibt, wird darauf hingewiesen, dass man hier höchstens - obwohl auch dies irreführend ist - von zwei Arten von Rechten, nämlich jenen, die mit, und jenen, die nicht mit Pflichten einhergehen, nicht aber von zwei unterschiedlichen Begriffen „ein Recht" sprechen kann.86 Es ist auch von einer schwächeren These die Rede, wonach jedes echte Recht eine normative Vorschrift für das Verhalten der anderen mit sich bringt. 87 Auch diese These scheint auf Schwierigkeiten zu stoßen, was anhand Hohfeldscher Freiheitsrechte (liberty-rights) erläutert wird. Einem Freiheitsrecht, X zu tun, das in der Abwesenheit einer Pflicht, X zu unterlassen, auf Seiten des Rechtsinhabers bestehe, entspreche auf Seiten zweiter Parteien die Ermangelung eines Anspruchs, dass der Handelnde, X nicht tue. Dies sei die einzige Obliegenheit in Bezug auf das Verhalten der zweiten Parteien und darüber hinaus sei ihre eigene Handlung relativ unbehindert. Ein so verstandenes Freiheitsrecht sei merkwürdig; das Problem sei, dass es keine bedeutende normative Vorschrift, gegen einen Eingriff mit sich bringe. 88 Ohne eine starke Vollmacht (mandate) gegen einen Eingriff, würden wir wahrscheinlich geneigt sein, diese Freiheit 1, nicht als ein Recht, sondern als eine bloße Freiheitl (liberty) oder ein Privileg (privilege) zu bezeichnen.89 Diesen Überlegungen nach sollte man die Behauptung über die Korrelation von Rechten und Pflichten so aufstellen, dass man damit eine bedeutende normative Vorschrift für das Verhalten zweiter Parteien hervorhebe.
85 Vgl. Martin (1998 a), S. 326, und ferner Martin, Nickel (1983), S. 206, wo auch Lyons Beispiel von einem Immunitätsrecht kurz erörtert wird. Vgl. dazu Lyons (1992), S. 54 ff. [50 ff.]. Martin und Nickel bemerken, dass andere Rechte außer Anspruchsrechten am deutlichsten im Bereich des Rechts (legal sphere) existierten, dass man aber [wie Wellman in (1978)] argumentieren könnte, dass es auch wichtige moralische Beispiele gibt. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 207. 86 Vgl. White (1984), S. 70. White ist sogar der Auffassung, dass die zwei Begriffe „ein Recht" und „Pflicht" als (voneinander) gänzlich unabhängig zu betrachten sind. Vgl. ebd., S. 72. 87 Vgl. Martin (1998a), S. 326. 88 Martin bemerkt dies in Bezug auf ein Hohfeldschcs Freiheitsrecht. Er verwendet auch eine weitere Formulierung in Bezug auf ein Hobbesschcs Freiheitsrecht. Vgl. Martin (1998a), S. 326, bzw. (1993), S. 35 (bzw. in Bezug auf Hobbes, S. 32 ff.). 89 Vgl. Martin (1998a), S. 326 f. Vgl. dazu auch Martin (1993), S. 35.
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A. Einleitung
VIH. Typisierung von Rechten nach ihrem Verhältnis zu ihren Korrelaten Das vorhin angesprochene Verhältnis von Rechten zu Pflichten wird auch in der Kategorisierung von Begründungen von Rechten herangezogen. Die folgende Kategorisierung stammt von Becker und soll unabhängig vom Wesen (substance) der Begründung sein, d.h. unabhängig davon, ob diese eine utilitaristische, vertragstheoretische oder eine andere Art der Begründung ist. 90 Becker unterscheidet folgende drei Begründungsarten: (1) Manche Rechte würden nur abgeleitet aufgrund von Pflichten (oder anderer Hohfeldscher Rechts-Korrelate) anderer besessen. (2) Andere Rechte gingen von den Rechtsinhabern aus und würden Pflichten, Nicht-Rechte (no-rights), Verbindlichkeiten (liabilities) oder Unfähigkeiten (disabilities) anderer Personen mit sich bringen. (3) Andere wiederum gingen zugleich mit ihren Korrelaten hervor, wie wenn Rechte und Pflichten zugleich aus einem Vertragsschluss hervorgehen. Auf dieser Grundlage unterscheidet Becker drei Typen von Rechten: (1) abgeleitete (derivative) Rechte, (2) ursprüngliche (original) Rechte und (3) gleichzeitige (concurrent) Rechte.91 In seiner Erörterung (1) abgeleiteter Rechte bemerkt Becker, dass manche Argumente für Rechte zuerst die Existenz eines Rechts-Korrelats feststellten. 92 Diese Argumente hingen nur davon ab, ob eine Pflicht, ein Nicht-Recht (noright), eine Verbindlichkeit (liability) oder eine Unfähigkeit (disability) gegenüber dem Rechtsinhaber existiere. Solche Rechte seien lediglich durch die (logisch) vorausgehende Existenz von Pflichten anderer durch Ableitung nachgewiesen (established).93 (2) In Bezug auf ursprüngliche Rechte bemerkt Becker, dass viele Argumente für Rechte zuerst den Anspruch oder die Berechtigung des Rechtsinhabers nachzuweisen (establish) und dann das entsprechende Rechts-Korrelat abzuleiten versuchten.94 (3) Es sei jedoch merkwürdig, entweder ein Recht oder sein Korrelat so zu denken, als ginge es dem anderen voraus, nämlich dann, wenn A's Rechte und B's korrelierende Pflichten (oder an90
Vgl. Becker (1979), S. 1200. Vgl. Becker (1979), S. 1200 f. Becker bemerkt auch, dass die verwendeten zeitlichen Ausdrücke logische Priorität metaphorisch ausdrücken sollen. 92 Vgl. Becker (1979), S. 1201. 93 Becker bemerkt, dass abgeleitete Rechte prinzipiell entweder natürlich oder konventionell sein könnten. Vgl. Becker (1979), S. 1201. Abgeleitete Rechte sind nach Becker zweifellos Berechtigungen (entitlements). Z.B. berechtige eine Pflicht gegenüber A, A zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen auf Seiten von B. 94 Vgl. Becker (1979), S. 1208. Ursprüngliche Rechte seien nicht vertraglich. Becker erörtert in diesem Abschnitt die Frage, inwiefern ursprüngliche Rechte: (i) konventionell bzw. (ii) natürlich sein können, und inwiefern sie aus (iii) den Interessen des Rechtsinhabers, (iv) dem Erheben eines berechtigten Anspruchs bzw. (v) dem Status einer Person rühren können. Vgl. ebd., S. 1209-1217. 91
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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dere Korrelate) gleichzeitig aufträten. 95 Nach Becker ist die Unterscheidung dieser drei Rechtstypen formal und nicht nur rhetorisch. 96
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte In der Literatur findet man unterschiedliche Charakterisierungen von Theorien über Rechte. Manche dieser Theorien erhalten ihre Bezeichnung eher aufgrund der in ihnen vorgenommenen Analyse des Begriffs „ein Recht" und seiner Bedeutung, andere aufgrund der in ihnen vorgenommenen Begründung von Rechten. Die folgenden Auflistungen beschränken sich auf zeitgenössische Theorien und Aspekte in Theorien, die über moralische Rechte handeln bzw. für die Erörterung moralischer Rechte relevant sind. 1. Typen analysierender Theorien über Rechte In den im Folgenden genannten Typen oder Charakterisierungen von Theorien wird die Analyse von Rechten zum Teil unter sehr unterschiedlichen Gesichtspunkten vorgenommen. Das bedeutet, dass die meisten von ihnen einen anderen Beitrag in der Analyse von Rechten leisten. Hier lässt sich insofern von Theorien über Rechte und nicht nur moralischer Rechte sprechen, als die meisten dieser Theorien die Analyse des Begriffs „ein Recht" nicht explizit auf die Klasse moralischer Rechte einschränken.
Erklärung der möglichen Bedeutungen des Begriffs „ ein Recht" - Unter diesem Aspekt lassen sich zahlreiche Theorien aufzählen. Unter den Theorien des 20. Jahrhunderts dominiert der Versuch die Bedeutung des Begriffs „ein Recht" anhand der Begriffe „ A n s p r u c h " , „ F r e i h e i t " (bzw. „Privileg"), „Kompetenz" und „Immunität" sowie ihrer rechtlichen Gegenteile (jural opposites) und Korrelate (jural correlatives) zu spezifizieren. 97 Auf Basis der Begriffe »Anspruch", 95
Vgl. Becker (1979), S. 1217. Wenn z.B. eine dritte Partei ein Dokument verfasse, das, sofern es von A und B akzeptiert werde, A ein Recht und B eine Pflicht übertrage, und von A und B zugleich akzeptiert werde, dann sei das Recht weder aus der Pflicht abgeleitet noch gehe es ihr voraus, sondern entstehe gleichzeitig (concurrently) mit der Pflicht. Prinzipiell könnte es sowohl natürliche als auch konventionelle Rechte dieser Art geben. 96 Vgl. Becker (1979), S. 1218. Becker zeigt auch am Beispiel eines Versprechens, inwiefern alle drei Arten von Rechten vorliegen können: A habe eine Kompetenz (Recht), B ein Angebot zu machen; A mache ein Angebot, wodurch auf Seiten B's eine Kompetenz zu akzeptieren und einen Vertrag zu schließen entstehe. B's Kompetenz zu akzeptieren, bringe, wenn sie ausgeübt werde, die im Vertrag erwähnten Pflichten und Rechte hervor. A's Kompetenzrecht, B ein Angebot zu machen, könnte (1) ein ursprüngliches Recht sein. A's Ausübung der Kompetenz sei das, was B's Kompetenz (Recht) zu akzeptieren hervorbringe, sodass (2) B's Kompetenzrecht in diesem Sinn aus A's Kompetenzrecht abgeleitet sei. Und B's Akzeptieren bringe (3) gleichzeitige Rechte und Pflichten von A und B hervor.
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A. Einleitung
„Freiheit2", „Kompetenz" und „Immunität" sowie ihrer Gegenteile „Gegen-Anspruch", „Gegen-Freiheit2", „Gegen-Kompetenz" und „Gegen-Immunität" ist der Versuch unternommen worden, systematisch alle möglichen Rechtstypen zwischen zwei Parteien herzuleiten und zu bestimmen.98
Willenstheorie versus Interessetheorie bzw. Nutznießertheorie - Eine wesent liche Unterscheidung von Theorien über Rechte bildet jene zwischen Willenstheorien und Interessetheorien. Diese Unterscheidung betrifft die Funktion von Rechten." Die Willenstheorie (will theory) (manchmal auch als Wahltheorie (choice theory) bezeichnet)100 von Rechten behauptet, dass ein Recht der Wahl (choice) und der Handlung des Rechtsinhabers eine spezielle Stellung (standing) gibt. 101 Diese Theorie behauptet, dass wenn jemand ein Recht hat, er in der Position ist, durch seinen Willen oder seine Wahl zu bestimmen, wie eine andere Person handeln soll. 102 Die Beschaffenheit eines Rechts wird hier in Bezug auf die Art der Autorität oder Kontrolle definiert, die Subjekte über ihre Adressaten haben.103 Die Interessetheorie von Rechten fasst Rechte so auf, dass sie den Interessen des Rechtsinhabers Schutz geben.104 Die Willenstheorie wird 97 Die meisten Theoretiker beziehen sich hierbei auf die Analyse des Begriffs „ein Recht", die von Hohfeld vorgenommen wurde. Vgl. hierzu das Kapitel A., DI. „Arten von Rechten" und die dortigen Fußnoten. 98 Diesen Versuch haben Stig und Helle Kanger in ihrer Theorie unternommen. Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 120-131 (und ferner Kanger (1984), S. 38-58). Auf der Basis von Holtfelds Begriffsapparat unterscheiden Kanger und Kanger zwischen 8 einfachen Typen von Rechten: Anspruch, Freiheit2, Kompetenz und Immunität und damit einhergehend zwischen Gegen-Anspruch (counter-claim), Gegen-Freiheit2 (counter-freedom), Gegen-Kompetenz (counter-power) und Gegen-Immunität (counter-immunity). Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 121. (Zu Kangers Begriffen „Freiheit2", „Kompetenz" und „Immunität" vgl. auch Kanger (1984), S. 38, 168.) Anhand dieser Liste von 8 einfachen Typen von Rechten gewinnen Kanger und Kanger methodisch durch Negation eines oder mehrerer ihrer Elemente 26 Listen, die jeweils einen antomaren Typ eines Rechts repräsentieren. Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 126 f. Diese Listen sind gemäß Kangers Theorie insofern komplett, als eine weitere Spezifizierung anhand eines einfachen Typs eines Rechts oder eines negierten Typs eines Rechts entweder unnötig oder inkonsistent ist. Kanger und Kanger entwickeln eine eigene (deontische) Interpretation dieser Begriffe. Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 122 f. (und ferner Kanger (1984), S. 40 f., 49 ff., 65, 184). 99 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 212. - Man könnte dem hinzufügen, dass diese Unterscheidung, in gewissem Sinn auch die Begründung von Rechten betrifft. Vgl. dazu z.B. Martin (1986), S. 156. - Die folgenden kurzen Ausführungen orientieren sich an Wellman, der diesen Unterschied in Bezug auf moralische Rechte beschreibt. Vgl. Wellman (1999a), S. 111. 100 Vgl. Wellman (1985), S. 80. 101 Vgl. Wellman (1999a), S. 111. Wellman nennt als typischen Vertreter dieser Theorie H.L.A. Hart. Vgl. Wellman (1985), S. 217. (Am Rande sei erwähnt, dass Lindahl auf Sven Danielsson in der schwedischen Philosophie hinweist, der eine ähnliche willenstheoretische Sicht wie Hart vertreten hat. Vgl. Lindahl (1994), S. 161.) 102 Vgl. Gewirth (1982a), S. 10. Gewirth zitiert hier ebenfalls Hart, aus Hart (1955), S. 178, 181. 103 Vgl. Gewirth (1982a), S. 10.
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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auch mit der Nutznießertheorie kontrastiert. Diese Theorie definiert die Beschaffenheit eines Rechts primär anhand ihrer Objekte. Ein Recht zu haben bedeutet demnach in der Position zu sein, von der Erfüllung der Pflicht eines anderen zu profitieren, so dass Rechte bestimmte Güter oder Nutzen zum Gegenstand haben.105 In Bezug auf den Unterschied zwischen Willenstheorie und Nutznießertheorie wird behauptet, dass da jede dieser Theorien die Beschaffenheit eines Rechts an verschiedene Elemente in der Struktur von Rechten koppelt, diese Theorien sich nicht notwendig gegenseitig ausschließen.106 Anspruchstheorie - Eine weitere bekannte Auffassung von Rechten ist die Anspruchstheorie (claim-theory). In ihr werden Rechte als Ansprüche verstanden und von „bloßen Freiheiten 1" oder Kompetenzen unterschieden.107 Rechte als Berechtigungen - Neben der Anspruchstheorie findet man in der Literatur auch eine weitere Auffassung erwähnt. In dieser werden Rechte als Berechtigungen verstanden (entitlement-theory). Diese Auffassung findet man folgendermaßen erörtert: Wer ein Recht habe, habe eine Berechtigung (title), etwas, was ihn berechtige (entitles), ihm eine Art Ticket oder Rechtfertigung gebe, etwas zu tun, zu bekommen, zu sein oder zu fühlen. 108 Obwohl das Besitzen einer solchen Berechtigung weder das Richtigsein (lightness) oder Unrichtigsein (wrongness) eines bestimmten Verhaltens des Besitzers oder anderer Personen noch bestimmte Pflichten oder Verpflichtungen auf ihrer Seite mit sich bringe, liefere es einen starken moralischen, legalen oder anderen Grund für oder gegen dieses Verhalten, wo dieses angebracht wäre. 109 104 Vgl. Wellman (1999a), S. 111. Als Vertreter dieser Theorie nennt Wellman z.B. Sir John Salmond und MacCormick - vgl. Wellman (1985), S. 216 f. - und ferner Raz, vgl. Wellman (1999a), S. 36. 105 Vgl. Gewirth (1982a), S. 10. Gewirth zitiert hier Lyons (1969), S. 173 ff. 106 Vgl. Gewirth (1982a), S. 10. Ähnliches behauptet z.B. auch Stoljar in (1984), S. 35. 107 Wellman nennt als Vertreter dieser Theorie Hohfeld und Feinberg. Vgl. Wellman (1985), S. 204. Feinberg versteht Rechte als gültige Ansprüche (valid Claims). Vgl. Feinberg (1970), S. 255. Feinberg bemerkt, dass Rechte und Ansprüche zwei Dimensionen zu haben scheinen, die durch die Präpositionen „auf bzw. zu" („to") und „gegenüber" („against") angegeben werden. Rechte schienen Berechtigungen, etwas zu (entitlements to) tun, haben, unterlassen oder zu sein, mit Ansprüchen gegenüber (claims against) anderen Personen, dass sie in bestimmter Weise handeln oder eine Handlung unterlassen, zu vereinen (merge). Vgl. ebd., S. 256. Davon unterscheidet Feinberg Grundsatzerklärungsrechte (manifesto rights).Vgl. ebd., S. 254 f. Eine kurze Charakterisierung von und Kritik an Feinbergs Theorie findet man bei Martin , Nickel (1983), S. 208 f. Vgl. auch Martin (1993), S. 54 ff., 72, und ferner Stoljar (1984), S. 3 f., 6, der auf eine enge Verbindung zwischen den Begriffen „ein Recht" und »Anspruch" hinweist. (Stoljar kritisiert auch manche Argumente des eingangs zitierten Autors White. Vgl. Stoljar (1984), S. 4 ff.) - Martin erwähnt in (1986), S. 157, bzw. (1998a), S. 327, auch Mayo (1965), der Rechte als Ansprüche versteht. McCloskey erwähnt in (1965), S. 115 auch D. G. Ritchie. 108 Vgl. White (1984), S. 174.
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Rechte als Komplexe - Von der Anspruchstheorie und von einem bestimmten Typ der Willenstheorie 110 unterscheidet sich eine weitere Theorie, in der (legale bzw. moralische) Rechte als Komplexe (legaler bzw. moralischer) Positionen begriffen werden. Rechte als Komplexe haben hier eine Struktur aus einem Kern und verknüpften Elementen.111 Dieser Theorie nach gibt es sowohl Anspruchs- als auch Freiheits-, Kompetenz- und Immunitätsrechte. Im Rahmen einer weiteren Variante der Auffassung, dass Rechte komplex sind, wird zwischen einfachen Typen von Rechten und sogenannten atomaren Typen von Rechten (atomic types of rights) unterschieden.112 Auch hier wird die Auffassung vertreten und anhand von Beispielen gezeigt, dass ein Recht, das eine Partei X gegenüber einer Partei Y hat und das eine bestimmte Situation („State of affairs") zwischen X und Y betrifft, nicht anhand eines einfachen Typs eines Rechts (z.B. Kompetenz) beschrieben werden kann. 113 Rechte im Rahmen von Praxen - Mit dem Begriff eines Rechts sind Anerkennung und Schutz eng verknüpft. Dies wird z.B. folgendermaßen formuliert: Ein Recht hätte keine normative Bedeutung, würde es nicht die Tendenz zu Anerkennung oder Schutz oder die Möglichkeit eines Anspruchs gegenüber dem Rechtsverletzer enthalten.114 Dies wird in jener Auffassung stärker zum Ausdruck gebracht, in der Anerkennung und Förderung (promotion) durch die Regierung besonders wichtige Praxen bilden, aus denen ein legales Recht besteht.115 Entsprechend muss es für moralische Rechte bestimmte angemessene 109 Vgl. White (1984), S. 174. - Neben White versteht auch McCloskey Rechte als Berechtigungen (entitlements) [etwas] zu tun, haben, genießen oder als Berechtigungen, dass [etwas] getan werde. Vgl. McCloskey (1965), S. 118. Er weist auf die Schwierigkeiten hin, die die Rede von „Rechten gegenüber" (rights against) mit sich bringt. Vgl. ebd., S. 119. Er erörtert verschiedene Arten von Rechten, d.i. legale, moralische, soziale, institutionelle Rechte und Rechte in Spielen, die er als begrifflich unterschiedliche Arten von Berechtigungen versteht. Vgl. ebd., S. 115 ff. und 119. McCloskeys Auffassung wird unter anderem von Feinberg, dem Vertreter der Auffassung, dass Rechte gültige Ansprüche sind, in (1970), S. 255 ff., kritisiert. Vgl. femer z.B. Stoljar (1984), S. 7 f. Eine kurze Charakterisierung von und Kritik an McCloskeys Theorie findet man in: Martin, Nickel (1983), S. 209 f. 110 Gemeint ist hier Hart 1 s Willenstheorie über Rechte, wonach im Zentrum eines legalen Rechts eine bilaterale Freiheitl (eine Freiheitl zu wählen und zu handeln) steht. Vgl. Wellman (1985), S. 61 f., 68. 111 Vgl. Wellman (1985), S. 59 f., 81 ff, 102 ff. Wellman bemerkt, dass seine Theorie zweifellos eher in die Tradition der Willenstheorien als in die Tradition der Interessetheorien fällt. Vgl. Wellman (1982), S. 16 f. Zugleich bemerkt er, dass sie nicht eine andere Version von Hart' s Theorie einer legal (legally) respektierten Wahl ist. 112 Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 120 ff. und 124 ff. (und ferner Kanger (1984), S. 48). 113 Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 123 f., 124, 126. Vgl. zur Theorie von Kanger und Kanger die Fußnote in diesem Kapitel („A., IX, 1. Typen analysierender Theorien über Rechte") den Abschnitt „ E r k l ä r u n g der möglichen Bedeutungen des Begriffs ,ein Recht* 114 Vgl. Stoljar (1984), S. 41 f.
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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Praxen der Förderung, des Schutzes, der Durchsetzung etc. seitens der Gesellschaft geben.116 Ein Recht, das nicht geschützt oder gefördert wird, ist dieser Auffassung nach ein bloß nominelles Recht, eines, das nicht durchgesetzt wird und nicht als Recht fungieren kann. 117 In dieser Kategorisierung werden nur bestimmte Charakteristika von Rechten, die in der zeitgenössischen Analyse unterschieden wurden, berücksichtigt. Einzelne dieser Charakteristika hängen, wie wir im Folgenden sehen werden, auch mit der Funktion von Rechten zusammen. Diese Kategorisierung berücksichtigt bestimmte dominante zeitgenössische Theorien, sie kann aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 118 Ferner ist zu erwähnen, dass in der Kategorisierung in Willens-, Interesse-, Nutznießer- und Anspruchstheorie bestimmte Eigenschaften, Fähigkeiten oder Vermögen (z.B. zu wollen, zu wählen, Interessen zu haben, Ansprüche zu erheben etc.) der Subjekte von Rechten eine Rolle spielen und dass es vielleicht auch daher zu erklären ist, dass die Vertreter der genannten Theorien zumeist auch die Frage erörtern, wer als Rechtsinhaber zu verstehen ist und inwiefern. 119 2. Typen begründender Theorien über moralische Rechte Da legale und moralische Rechte auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen und die Ausführungen in diesem Kapitel sich auf moralische Rechte beschränken, ist hier von begründenden Theorien moralischer Rechte die Rede. Eine einheitliche Terminologie oder Kategorisierung zur Einteilung von begründenden Theorien moralischer Rechte ist in dem in dieser Arbeit berücksichtigten Teil der Literatur nicht anzutreffen. Wenige Autoren nennen Bezeichnungen bestimmter Theorietypen, wenn sie auf Begründungsversuche moralischer Rechte zu sprechen kommen und diese voneinander zu unterscheiden versuchen; das 115 Eine solche Auffassung vertritt z.B. R. Martin. Vgl. Martin (1993), S. 64. Martin begreift seine Theorie als Alternative zu jener Theorie, die Rechte als gültige Ansprüche begreift. Vgl. ebd., S. 54. 116 Vgl. Martin (1993), S. 84. Vgl. auch seine Erörterung von Menschenrechten in ebd., S. 92 ff. 117 Vgl. Martin (1993), S. 83. 118 Z.B. berücksichtigt sie nicht eine Auffassung von Rechten, in der Motivation ein wesentliches Element ihrer Definition ist. Eine solche Auffassung eines Rechts vertritt z.B. R. B. Brandt in (1983), S. 37, 40. 119 Die Frage, wer als möglicher Rechtsinhaber zu verstehen ist,findet man in nahezu allen Theorien über Rechte erörtert. In Bezug auf Feinbergs Interesseprinzip und die Frage, wer Rechte haben kann, vgl. z.B. Martins Erörterung von Feinbergs Theorie und die dort angegebenen Stellen bei Feinberg , in: Martin (1986), S. 156 f. McCloskey erörtert diese Frage z.B. in (1965), S. 122 ff. Auf Wellmans Erörterung möglicher Rechtsinhaber, in Wellman (1995), wird im Hauptteil dieser Arbeit eingegangen. Die Unterscheidung zwischen Willens- und Interessetheorie erwähnt er im Kontext der Frage, ob Tiere Rechte haben können. Vgl. Wellman (1999a), S. 111.
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mag auch daran liegen, dass solche Bezeichnungen oder zumindest einheitlich verwendete Bezeichnungen nicht vorliegen. Die meisten Kategorisierungen orientieren sich an der unterschiedlichen Beschaffenheit der Gründe für die Behauptung moralischer Rechte. a) Einige Typen moralischer Theorien Vor der Auflistung einiger begründender Theorien moralischer Rechte ist es zunächst sinnvoll auf die unterschiedlichen Typen moralischer oder ethischer Theorien hinzuweisen, die zum Teil den Hintergrund ersterer bilden und insofern bei genauerer Untersuchung einige Kriterien zur Einteilung letzterer liefern könnten.120 Wenn von Ethik die Rede ist, ist meistens von der normativen Ethik, im Unterschied zur deskriptiven Ethik und der Metaethik die Rede. 121 Ethische Theorien werden grundsätzlich in kognitivistische und nichtkognitivistische unterschieden.122 Unter den kognitivistischen Theorien wird zwischen naturalistischen und nichtnaturalistischen bzw. intuitionistischen Theorien unterschieden.123 Unter den naturalistischen Theorien werden subjektivistische124 von objektivistischen Theorien unterschieden.125 Angemerkt sei hier, dass im 120
Koller z.B. bemerkt: „Was wir als moralische Rechte betrachten, hängt vom moralischen Standpunkt ab, von dem wir ausgehen. Dieser Standpunkt kann entweder die subjektive Moral eines bestimmten Individuums sein oder die konventionelle Moral einer sozialen Gemeinschaft oder eine rationale Moral." Vgl. Koller (1992), S. 75. Die folgenden Erörterungen stützen sich vor allem auf Kutschern, der in (1982) der Einteilung und Erörterung der verschiedenen Typen ethischer Theorien einen sehr großen Raum widmet. 121 Vgl. Kutschera (1982), S. 40 f. Kutschera erläutert diesen Unterschied folgendermaßen: In der deskriptiven Ethik würden nichtnormative Aussagen über Normen und Werte gemacht, die deskriptiv-ethische Aussagen genannt würden. Vgl. ebd., S. 39. In der normativen Ethik würden normative Aussagen gemacht und begründet. Vgl. ebd., S. 40. Ethik werde generell im Sinn normativer Ethik verstanden. In der Metaethik würden Aussagen über die normative Sprache oder die Form und Begründung normativer Theorien gemacht. Vgl. ebd., S. 41. 122 Vgl. Kutschera (1982), S. 47. Kutschera erläutert diesen Unterschied folgendermaßen: Der kognitive Charakter von Behauptungssätzen besteht darin, dass sie Sachverhalte als bestehend charakterisieren. Theorien, die normative Aussagen als Behauptungssätze auffassten, würden kognitivistisch genannt, Theorien, bei denen das nicht der Fall sei, bei denen normative Aussagen den Charakter von Befehlen, Empfehlungen oder Wünschen hätten, würden nichtkognitivistisch genannt. Vgl. ebd. Kutschera weist darauf hin, dass der Nichtkongnitivismus auch als Emotivismus bezeichnet wird. Vgl. ebd., S. 92. (Kutschera unterscheidet jedoch drei Typen nichtkognitivistischer Theorien: (i) die emotiven oder expressiven, (ii) die evokativen und die (iii) die expressiv-evokativen Theorien. Vgl. ebd., S. 91 f.) Als Konsequenz des Nichtkognitivismus nennt Kutschera, dass, wenn normative Aussagen weder wahr noch falsch sind, es keine normative Ethik, keine Theorie des Moralischen gibt: weil es erstens keine objektiven moralischen Sachverhalte, keinen Gegenstand einer solchen Theorie gibt, sodass man sagen könnte, die Sätze der Theorie seien Erkenntnisse oder Hypothesen über das Bestehen solcher Sachverhalte. Vgl. ebd., S. 48. Zweitens gebe es keine Möglichkeit, normative Aussagen zu begründen.
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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Rahmen der Erörterung subjektivistischer Theorien die Rolle von Interessen und utilitaristischer Überlegungen thematisiert wird, die auch in der Begründung moralischer Rechte relevant sind. 126 Ferner werden ethische Theorien in deontologische und teleologische eingeteilt. 127 Es besteht eine Beziehung zwischen deontologischen und Pflichtethiken 123 Diese Unterscheidung wird im Rahmen der Frage getroffen, ob sich moralische oder ethische Theorien auf andere reduzieren lassen, d.h. ob sich die Sprache des Moralischen auf andere Sprachen reduzieren lässt. Vgl. Kutschera (1982), S. 50. Innerhalb kognitivistischer Theorien bezeichnet man jene als reduktionistisch oder naturalistisch, die dies für möglich halten, jene als nichtreduktionistisch oder nichtnaturalistisch bzw. intuitionistisch, die das nicht für möglich halten. Vgl. ebd., S. 49. Der Naturalismus behaupte, dass sich alle normativen Aussagen in nichtnormative übersetzen lassen. Vgl. ebd., S. 50. Es lassen sich unter anderem psychologische, soziologische, biologische und theologische Naturalismen unterscheiden. Vgl. ebd., S. 51. Kutschera weist auch darauf hin, dass die Bezeichnung Naturalismus nicht einheitlich verwendet wird. Ließen sich normative in nichtnormative Aussagen, z.B. in Aussagen der Psychologie oder der Soziologie übersetzen, dann würden sich ethische Begründungen auf Begründungen in diesen Einzelwissenschaften reduzieren. Vgl. ebd., S. 54. Der Intuitionismus halte daran fest, dass Normen wahr oder falsch seien, dies jedoch nur mithilfe einer speziellen Erkenntnisquelle, der Intuition, Evidenz, Wesensschau usw. feststellen lasse. Vgl. HWB, Bd. 2, S. 454. 124 Kutschera charakterisiert die subjektivistische Auffassung folgendermaßen: In ihr lassen sich normative Aussagen auf Aussagen über subjektive Präferenzen reduzieren. Vgl. Kutschera (1982), S. 55. Demnach bezeichne „gut" eine Eigenschaft, die nicht Handlungen oder Zuständen als solchen zukomme, sondern eine Eigenschaft, die sie aufgrund ihres Nutzens für Personen hätten. Vom ethischen Subjektivismus wird der Egoismus unterschieden. Vgl. ebd., S. 59 ff. (.Kutschera unterscheidet vier Formen des Subjektivismus: den individuellen, den rationalistischen, den altruistischen und den sozialen. Vgl. ebd., S. 108. Letztere drei Typen sind nach Kutschera in erster Linie Theorien der Gerechtigkeit, weil diese in ihnen die zentrale moralische Tugend ist. Vgl. ebd., S. 109.) 125 Moralische Werte kommen nach Kutscheras Charakterisierung in objektivistischen - im Gegensatz zu subjektivistischen - Konzeptionen Handlungen und Zuständen nicht nur selbst zu, sondern kommen ihnen auch ganz unabhängig von subjektiven Einstellungen zu. Vgl. Kutschera (1982), S. 55. 126 Kutschera bemerkt, dass die Grundlage der Bestimmung einer moralischen Wertordnung allein empirisch gegebene, faktische Präferenzen sind. Jedermanns Interessen würden so hingenommen, egal wie sie seien. Vgl. Kutschera (1982), S. 107. Kutschera erörtert in einem Abschnitt über soziale Präferenzen die utilitaristische, als eine der am meisten diskutierten Präferenzrelationen - vgl. ebd., S. 135 ff. - , in einem weiteren Abschnitt Formen und Kriterien der Gerechtigkeit vgl. ebd., S. 152 ff. 127 Diese Unterscheidung wird folgendermaßen charakterisiert: Sie beziehe sich auf Kriterien zur Beurteilung von Handlungen oder Handlungsweisen. Vgl. Kutschera (1982), S. 63. (Eine Handlungsweise sei z.B. Lügen, Versprechen etc. und könne von verschiedenen Personen zu verschiedenen Zeiten vollzogen werden; eine Handlung sei ein Vollzug oder eine Realisierung derselben durch einen bestimmten Handelnden zu einem bestimmten Zeitpunkt.) Nach teleologischen Theorien bestimmt sich der Wert einer Handlung aus dem Wert ihrer Resultate. Nach deontologischen Theorien bestimme sich der Wert einer Handlung allein aus dem Wert der Handlungsweise, die damit realisiert werde. Vgl. ebd., S. 66. Auf diese Unterscheidung wird im Hauptteil noch genauer eingegangen.
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einerseits und teleologischen und Wertethiken andererseits. 128 In der Erörterung teleologischer Theorien wird erstens der Utilitarismus diskutiert, 129 zweitens auch auf einen weiteren Typ ethischer Theorie hingewiesen, den Intentionalis130
mus. Im Rahmen der zuvor genannten objektivistischen Theorien werden naturalistische von intuitionistischen Theorien unterschieden.131 Während sich naturalistische objektivistische Theorien mit der Frage befassen, wie sich normative Ausdrücke durch nicht normative definieren lassen,132 befassen sich intuitionistische objektivistische Theorien mit der Frage, wie normative Aussagen zu begründen sind. 133 Intuitionistische Theorien des Objektivismus lassen sich erstens in empiristische und aprioristische, 134 zweitens in teleologische und deontologische Theorien einteilen.135
128 Kutschern bemerkt jedoch, dass eine Beziehung, aber keine Koinzidenz zwischen den genannten Ethiken besteht. Vgl. Kutschera (1982), S. 74 f. 129 Bekanntlich wird hauptsächlich zwischen zwei Formen des Utilitarismus unterschieden: dem Akt- und dem Regelutilitarismus. Nach ersterem hängt der Wert einer Handlung einer bestimmten Person vom Wert der Konsequenzen dieser Handlung ab, nach letzterem bestimmt sich der Wert einer Handlung aus dem Wert der entsprechenden Handlungsweise. Vgl. Kutschera (1982), S. 170, 172. (Zum Begriff der Handlungsweise vgl. die Fußnote zu deontologischen und teleologischen Theorien.) Kutschera begreift den Aktutilitarismus als teleologische, den Regelutilitarismus als deontologische Theorie. Vgl. ebd., S. 170, 172. (Andere Autoren bezeichnen den Utilitarismus als teleologische Theorie, vgl. z.B. Frankena (1994), S. 35, bzw. als eine Form einer konsequentialistischen Theorie, vgl. z.B. REP, Bd. 9, S. 553.) 130 Ein Einwand gegen die teleologische Auffassung behauptet, dass nicht die tatsächlichen Konsequenzen einer Handlung, die sich der Kontrolle des Handelnden oft entziehen, sondern die sie leitende Absicht, für die moralische Bewertung einer Handlung entscheidend ist. Vgl. Kutschera (1982), S. 77. Kutschera charakterisiert intentionalistische Theorien demnach so, dass sich ihnen zufolge der moralische Wert einer Handlung aus dem Wert der Absicht, die ihr zugrunde liegt bestimmt. Vgl. ebd. 131 Vgl. Kutschera (1982), S. 182. Gorecki unterscheidet im Rahmen der objektivistischen Rechtfertigung von Normen folgende Tatsachen, die Normen erzeugen: (1) Die menschliche Natur, (2) dass eine heteronome autoritative „Quelle" die Norm festgelegt hat, (3) dass die Norm ein notwendiges Gebot (dictate) der Vernunft ist und (4) dass die Norm einfach wahr ist. Vgl. Gorecki (1991), S. 350 ff. Unter (1) erwähnt Gorecki erstens universelle menschliche Bedürfnisse und Wünsche, zweitens grundlegende ethische Neigungen. Unter (2) erwähnt er Gott oder den Sozialkontrakt. In dieser Weise verstünden viele Theisten unterschiedlichen Glaubens, manche Naturrechtsvertreter und manche Vertreter des Sozialkontrakts die Rechtfertigung der Normen, die sie behaupteten. Vgl. ebd., S. 351. Unter (3) erwähnt er unter anderem Kant, in dessen Auffassung moralische Normen ihren Ursprung a priori in der praktischen Vernunft haben. Unter (4) erwähnt er die ontologischen Idealisten wie auch die modernen Intuitionisten. Vgl. ebd., S. 352. Einige dieser normmachenden Tatsachen werden auch im Folgenden erwähnt. 132 Kutschera fasst den Rechtspositivismus als naturalistische Theorie auf, da nach ihr eine Handlungsweise genau dann geboten ist, wenn sie vom Gesetzgeber oder von den geltenden Verhaltensregeln vorgeschrieben ist. Vgl. Kutschera (1982), S. 188. 133 So charakterisiert Kutschera diesen Unterschied. Vgl. Kutschera (1982), S. 182.
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b) Einige Typen und Komponenten begründender Theorien moralischer Rechte Die vorhin genannten Typisierungen ethischer Theorien liefern einige Kategorien, die zum Teil auch für eine Typisierung begründender Theorien moralischer Rechte relevant sind oder sein können: z.B. ermöglichen sie einen Leitfaden im Rahmen der Frage, wo Theorien einzuordnen sind, in denen Interessen, Werte einer bestimmten Beschaffenheit, der Nutzen, teleologische oder konsequentialistische Überlegungen, apriorische Überlegungen etc. eine Rolle spielen. Eine solche Einteilung oder Zuordnung würde allerdings eine genauere Betrachtung der einzelnen Theorien moralischer Rechte erforderlich machen, die hier nicht vorgenommen werden kann. Insofern wird im Folgenden eher eine Auflistung und keine Einteilung einiger Theorietypen gegeben werden. Die folgende Auflistung nennt neben bestimmten Theorietypen auch verschiedene Komponenten begründender Theorien moralischer Rechte sowie einzelne Gesichtspunkte, die zur Kategorisierung von Argumentationen in Bezug auf Rechte dienen können.136
134 Vgl. Kutschern (1982), S. 182 f. Diese Unterscheidung wird anhand der Frage nach synthetischen Sätzen a priori getroffen. Während der normative Apriorismus behaupte, dass es moralische Erkenntnisse a priori gibt, werde das vom moralischen Empirismus geleugnet, denn er betrachte Erfahrung als notwendig zur Begründung aller synthetischen, rein normativen Sätze. (Als Beispiel einer aprioristischen objektivistischen Theorie erörtert Kutschera die Moralphilosophie Kants, als Beispiel einer aprioristischen und intuitionistischen objektivistischen Theorie die Theorie von W. D. Ross, als Beispiel einer empiristischen, intuitionistischen objektivistischen Theorie die Theorie von G. E. Moore . Vgl. ebd., S. 191 ff., 210 ff., 205 f.) 135 Vgl. Kutschera (1982), S. 183. Kutschera bemerkt, dass sich die Unterscheidung zwischen teleologischen und deontologischen Theorien des Objektivismus praktisch mit der zwischen empiristischen und aprioristischen Theorien deckt. Gegenstand der Erfahrung könnten nur einzelne in konkrete Situationen eingebettete Handlungen sein, nicht jedoch Handlungsweisen (vgl. dazu die vorangegangene Fußnote zu deontologischen und teleologischen Theorien). Nur einzelne Handlungen ließen sich in direkter Erfahrung moralisch beurteilen; ein Urteil über eine Handlungsweise stelle dagegen eine Hypothese des Inhalts dar, dass alle (oder doch die meisten) Vollzüge dieser Handlungsweise moralischrichtigeHandlungen bedeuteten. Mit einem empiristischen Begründungsansatz verbinde sich immer eine teleologische Konzeption, aprioristische Ethiken seien hingegen immer deontologisch. 136 Orientiert man sich an den verschiedenen Aufsatzsammlungen zum Thema moralische Rechte oder Menschenrechte, so sieht man, dass die darin abgedruckten Aufsätze nicht nach bestimmten Kategorien eingeteilt werden. Einige Beispiele seien hier genannt: (1) Wellman z.B. kommt am Ende seiner Einleitung zu seinem Band „Rational Foundations of Rights and Duties" kurz auf bestimmte Einteilungen zu sprechen: Dworkin teile politische Theorien in auf Zielen, Rechten und Pflichten gründende ein. Wellman erwähnt noch eine vierte Kategorie: auf Tugend gründende Theorien. Vgl. Wellman (2002b), S. xii. Er bemerkt, dass traditionell eine Differenz zwischen utilitaristischen und Kantianischen Theorien bestanden habe. Zuvor erwähnt Wellman einzelne moralphilosophische Theorien, die entweder in irgendeiner Form utilitaristisch (G. E. Moore , D. Lyons, T. M. Scanion , J. Harrison, 7. J. C. Smart, R. B. Brand
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A. Einleitung
bzw. teleologisch (J. Wild) oder deontologisch (B. A. Brody, B. Herman, H. A. Prichard, W. D. Ross) sind. Ferner erwähnt Wellman andere Theorien moralischer Verpflichtung (R. M. Hare, K. Baier, G. E. M. Anscombe), Theorien, die auf einem grundlegenden moralischen Recht gründeten (R. Dworkin), Kritiker bestimmter Theorien (Hart als Kritiker des Utilitarismus und bestimmter anti-utilitiaristischer Theorien) sowie Autoren, die nicht utilitaristisch, sondern anders verfahren (A. Gewirth). Weitere Theorien werden in Zusammenhang mit der Unterscheidung von Interessen und Bedürfnissen erwähnt (H. J. McCloskey, L Lomaksy, J. Narveson, J. Raz). (2) Die Herausgeber Paul, Paul und Miller teilen die in (1986) abgedruckten Beiträge nicht nach bestimmten Kategorien formal oder thematisch ein. Sie nennen in ihrer Einleitung nur sehr allgemeine Kategorien, unter die sich die darin abgedruckten Aufsätze thematisch unterscheiden lassen, und zwar hinsichtlich einiger grundlegender Fragen: z.B. ob Menschen Menschenrechte haben, ob sie Menschenrechte vor ihrer Relation zu Regierungen haben, woher Menschenrechte rühren etc. Vgl. ebd., Einleitung. Hinsichtlich der Antworten auf die gestellten Fragen werden unterschiedliche Antworten genannt: Für Lockeaner und jene, die durch ein vorausgehendes Argument überzeugt seien, seien die Rechte der Menschen von einem Charakteristikum ihres Menschseins, ihrer Neigung zur Arbeit, ihrer Rationalität, ihrem Verhältnis zu Gott etc. hergeleitet. Für A. Gewirth habe ein zweckhafter Handelnder Rechte auf Freiheit2 (freedom) und Wohlergehen; L Lomasky und D. Kelley teilten die Tendenz Rechte in Eigenschaften oder Neigungen der menschlichen Natur zu erkennen. Davon unterscheiden die Herausgeber die utilitaristische Tradition, die für den Begriff von Rechten nicht so aufgeschlossen ist, weisen aber darauf hin, dass in den Beiträgen von A. Gibbard und J. Gray, die Aussicht, utilitaristische Gedanken mit bestimmten Menschenrechten zu vereinen zweifellos verlockend erscheint. (3) Stoljar kommt in einem Abschnitt kurz auf einige Theorien natürlicher Rechte zu sprechen und unterteilt sie in solche, die natürliche Rechte aus der „Vernunft" („reason") und solche, die natürliche Rechte aus der „Natur" („nature") ableiten. Vgl. Stoljar (1984), S. 80. Ferner erwähnt er Theorien, die spezifischere Gründe für natürliche Rechte anführen, Theorien, in denen einerseits die Idee der Gerechtigkeit (W. Frankena), andererseits die Idee der Nützlichkeit (J. S. Mill) eine Rolle spielen. Vgl. ebd., S. 80 f. (4) Machan unterscheidet in seiner Darstellung einiger Theorien über Menschenrechte zwischen kognitivistischen und nichtkognitivistischen Theorien. Vgl. Machan (1983), S. 227. Machan versucht zu zeigen, warum man die Philosophen in zwei unterschiedliche Gruppen unterteilen kann: Erstens gebe es jene, die Menschenrechte als Teil des gewöhnlichen normativen Diskurses so behandelten, dass sie nur einer Klärung und Ausarbeitung bedürften, und jene, die es für notwendig erachteten zu zeigen, dass der Begriff der Menschenrechte oder natürlichen Rechte richtig und im politischen Bereich anwendbar sei, was auch immer im gewöhnlichen normativen Diskurs dafür oder dagegen sprechen möge. Machan erörtert die Theorien von M. MacDonald, A. /. Melden, W. T. Blackstone, V. Kudryavtsev, G. Vlastos, J. Feinberg, M. P ding, A. Rand, E. Mack, R. Nozick, A. Gewirth, R. Dworkin und H. Shue und bezeich net jene von von MacDonald, Melden, Blackstone und Feinberg als nichtkognitivistisch. (5) Pennock und Chapman teilen die Aufsätze in dem von ihnen herausgegebenen Band (1981) unter drei Kategorien ein: (i) Natur von Menschenrechten, (ii) Rechtfertigung von Menschenrechten und (iii) Bereich der Menschenrechte. Jedoch werden die abgedruckten Aufsätze nach keinen weiteren Kategorien eingeteilt und voneinander unterschieden, sodass nicht Typen der Natur oder Rechtfertigung von Menschenrechten voneinander unterschieden werden.
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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aa) Einige Typen von Theorien und Argumentationen zur Rechtfertigung moralischer Rechte (1) Teleologische und deontologische Theorien - Die Unterscheidung zwischen teleologischen oder konsequentialistischen und deontologischen Theorien ist nicht nur in der Erörterung ethischer Theorien anzutreffen, sondern reicht auch in die Erörterung der Begründung von Rechten und damit auch von Menschenrechten.137 Diese Unterscheidung wird in allgemeiner Form insbesondere dann angesprochen, wenn vom Paradebeispiel konsequentialistischer Theorien, dem Utilitarismus, die Rede ist und von Theorien, die vom Utilitarismus unterschieden werden. 138 Wo die Grenzen der Anwendbarkeit bzw. Reichweite der Unterscheidung zwischen konsequentialistischen und deontologischen Theorien liegen, kann von verschiedenen Faktoren abhängen. Erstens wird darauf hingewiesen, dass man z.B. im Rahmen der Erörterung der Rolle und Reichweite der Gleichheit in Bezug auf allgemeine Rechte auf Probleme stößt, die die Grenze zwischen Deontologen und Utilitaristen verschwinden lassen.139 Zweitens hängt die Anwendbarkeit der genannten Unterscheidung mit der Frage zusammen, wo jene Theorien, die als nichtutilitaristisch bezeichnet werden, einzuordnen sind. Von dieser Bezeichnung ist in der im Folgenden angesprochenen Unterscheidung die Rede. Beide Formen, sowohl die teleologische als auch die deontolo-
(6) Melden teilt die Beiträge in dem von ihm herausgegebenen Band (1970) nicht nach bestimmten Kategorien formal oder thematisch ein und nennt auch keine Typen oder Kategorien in seiner Einleitung. Ein Autor, der in seinem Werk verschiedene Begründungen der Menschenrechte kurz anführt, ist König . Begründungen der Menschenrechte würden gesehen: in der Vernunft (W. Bruggerin einer Wertentscheidung (M. MacDonaldin einem in Gott verankerten natürlichen Gesetz (J. Maritain), in menschlichen Bedürfnissen (C. Bay) oder im Konsens der zivilisierten Menschheit (C. Perelman). König verweist auf die Werke der Autoren, die hier in Klammer angeführt werden. Vgl. König (1994), S. 21. 137 Diese Unterscheidung betrifft, so wie Pennock es formuliert, die Rolle von Rechten und ihren Ort in einem moralischen System. Vgl. Pennock (1981), S. 9. Diese Unterscheidung findet man ferner bei Winston (1989), S. 24, und bei A. Maclntyre , in ebd., S. 28, 172. 138 Ein Autor, der deontologische und konsequentialistische Argumentationen in Recht und Moral erörtert ist Neumann. Vgl. Neumann (1994). 139 Pennock weist in seiner Erörterung allgemeiner Rechte darauf hin, dass man sowohl anhand der Erörterung von Leben-Freiheit 1 (life-liberty) als auch anhand der Erörterung von Gleichheit zu Rechten auf Wohlergehen oder zu Wohlfahrtsrechten gelangt. Vgl. Pennock (1981), S. 16. Er weist darauf hin, dass sowohl für die Ausdehnung (sc. des Begriffs allgemeiner Rechte) als auch dagegen argumentiert worden ist. Vgl. ebd., S. 17. Dagegen sei aufgrund der Vagheit der Grenzen zwischen Rechten und Interessen argumentiert worden. Pennock bemerkt, dass hier auch der Begriff der Gleichheit keine Hilfe bietet, weil er mit demselben Problem der unbestimmten Ausdehnbarkeit konfrontiert ist. Dies führe zu einer Verwässerung des Begriffs von Rechten bis zu dem Punkt, an dem sie von Interessen nicht zu unterscheiden seien, und wo, für alle praktischen Ziele, die Grenze zwischen Deontologen und Utilitaristen verschwinde.
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A. Einleitung
gische Form der Begründung moralischer Rechte werden von Autoren, die einen Skeptizismus vertreten, bezweifelt. 140 (2) Interesse- und Vertragstheorien - Man findet in der Literatur unter dem Titel Interessetheorien Theorien erörtert, die in ihrer Erklärung von Rechten auf bestimmte Interessen zurückgreifen. 141 Darunter werden Theorien erörtert, die Rechte als gültige Ansprüche verstehen und in ihrer Rechtfertigung auf das Interesseprinzip zurückgreifen, 142 und Theorien, in denen die Möglichkeit von Rechten in Zusammenhang mit der allgemeinen Wohlfahrt erörtert werden, d.i. utilitaristische Theorien. 143 Neben diesen sind auch andere Theorien zu nennen, die den Grund von Rechten in Interessen sehen.144 Als Alternativen zur interesse-
140 Hier wird der Skeptizismus nicht gesondert erwähnt. Winston z.B. verweist auf A. Maclntyre, der sowohl die teleologische (den Utilitarismus) als auch die deontologische (Theorien in der Tradition Kants wie z.B. die von Gewirth) Form der Verteidigung der Menschenrechte kritisiert und die Existenz dieser Rechte bestreitet. Vgl. Winston (1989), S. 28, bzw. Maclntyre (1989), S. 172 ff., 178 f. 141 Martin untersucht in seinem Aufsatz „On the Justification of Rights" verschiedene Theorien zur Rechtfertigung von Rechten aus den Jahren 1966-1976. Er bemerkt, dass verschiedene Theorien der letzen Jahrzehnte Interessen [bzw. Nutzen (benefit) oder Wohlergehen (welfare)] als zentrales Thema in der Rechtfertigung von Rechten betrachten. Vgl. Martin (1986), S. 154. Da der Begriff von Bedürfnissen nicht so stark aufgegriffen worden ist (vgl. die entsprechenden Literaturangaben), beschränkt sich Martin auf Interessetheorien. Interessen spielen auch in einer weiteren Theorie, die im Folgenden erwähnt wird, eine zentrale Rolle. Dies ist die Theorie von Höffe, der behauptet, dass sich ein großer Teil der Menschenrechte von drei Gruppen transzendentaler Interessen her rechtfertigen lässt. Vgl. Höffe (1998), S. 78. 142 Im Abschnitt „Valid Claims and the interest principle" untersucht Martin hauptsächlich die Theorie von Feinberg. Vgl. Martin (1986), S. 154-159. Martin erwähnt auch alternative Darstellungen von Feinbergs Rechtfertigung von Rechten (z.B. die von Lyons und T. Hill Jr.), die er jedoch für nichtrichtigerachtet. Vgl. ebd., S. 155. (Martin erwähnt ferner die Theorien von B. Mayo und N. MacCormick sowie eine Reihe von Feinberg-Kritikern: W. N. Nelson, G. G. James, T. Regan und R. Youn Ferner erörtert und kritisiert auch Gewirth die Theorie von Feinberg. Vgl. Gewirth (1986), S. 6. Vgl. ferner auch Winston (1989), S. 11 f. 143 Martin weist darauf hin, dass die Möglichkeiten des Utilitarismus, eine normative Basis für moralische Rechte oder verfassungsmäßig garantierte Rechte zu liefern, bezweifelt werden können. Vgl. Martin (1986), S. 159, 166. Martin erwähnt utilitaristische Philosophen wie J. Narveson, die argumentieren, dass alle gültigen Rechte anhand des grundlegenderen Begriffs erzwingbarer Pflichten erklärt werden könnten, der seinerseits mit Bezug auf übergeordnete Werte wie aggregativer Nutzen oder allgemeines Wohlergehen erklärt werden kann. Vgl. ebd., S. 159 f. Ferner erwähnt Martin Lyons, der Mills Gedanken aufgreift und zu zeigen versucht, dass der Begriff grundlegender moralischer Rechte mit dem utilitaristischen Ziel Glück bzw. allgemeines Wohlergehen vereinbar ist. Vgl. ebd., S. 160, 163, bzw. Lyons (1989), S. 212. (Auch andere Autoren wie D. Braybrooke, L L. Haworth und T. M. Scanion, die Ähnliches behauptet haben, werden bei Martin erwähnt.) Auch Winston erörtert Lyons Theorie. Vgl. Winston (1989), S. 31 f. Vgl. auch Stoljar (1984), S. 80 f. Utilitaristische Einwände gegen moralische Rechtefindet man z.B. bei Sen in (1996), S. 156 ff., erörtert. 144 Hier ist z.B. Raz zu nennen. Raz begreift Interessen als Teil der Rechtfertigung von Rechten und diese als Teil der Rechtfertigung von Pflichten. Vgl. Raz (1984), S. 208. Raz bemerkt zugleich, dass obwohl Rechte auf den Interessen der Rechtsinha-
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theoretischen Rechtfertigung von Rechten werden Theorien erörtert, die als Vertragstheorien bzw. nichtutilitaristische Theorie bezeichnet werden. 145 Inwieweit die (unter (1) genannte) Unterscheidung zwischen konsequentialistischen (utilitaristischen) Theorien und deontologischen Theorien in bestimmten Fällen im Bereich der Rechtfertigung moralischer Rechte anwendbar bzw. brauchbar ist, hängt demnach auch davon ab, ob sie sich mit der (unter (2) genannten) Unterscheidung zwischen konsequentialistischen (utilitaristischen) und nichtutilitaristischen deckt und ob der Bereich nichtutilitaristischer Theorien nicht viel weiter gefasst ist, als der deontologischer Theorien. 146 Z.B. gibt es einer weiteren, etwas allgemeiner formulierten Unterscheidung nach neben auf Zielen gründenden (konsequentialistischen) moralischen Theorien nicht nur ber gründen, ein Individuum Rechte haben kann, die gegen seine Interesse, sie zu haben, sind. 145 Im Abschnitt über Vertragstheorien nennt Martin die Theorien von J. Rawls, R. Dworkin und R. Nozick und bemerkt, dass obwohl sie als Vertragstheorien charakterisiert werden könnten, es vielleicht besser wäre, sie einfach als nichtutilitaristische Theorien zu bezeichnen. Vgl. Martin (1986), S. 166. Martin analysiert im Abschnitt „A theory of justice andrights"Rawls' Theorie hinsichtlich der Frage der Rechtfertigung von Rechten - vgl. ebd., S. 168 ff. - , im Abschnitt „A Postscript" geht er kurz auf Dworkins und Nozicks Theorien ein und erwähnt einige (d.i. J. Mackies, A. Goldmans und A. Gewirths) egalitaristische (egalitarian) Theorien über Rechte. Vgl. ebd., S. 175 ff. - Auch Pennock erwähnt den Sozialkontrakt als eine Form der Rechtfertigung allgemeiner Rechte. Vgl. Pennock (1981), S. 10 ff. Die Theorien, die darunter fielen, reichten von Hobbes radikalem Individualismus bis Rawls' egalitaristischem Liberalismus. Rechte könnten in manchen dieser Theorien aus den Regeln der Gerechtigkeit und den Rechten für ihre Regierung, auf die sich Menschen für immer einigten, oder aus dem, worauf sich rationale Menschen einigten, abgeleitet werden. Pennock bemerkt, dass je nach Auffassung von der menschlichen Natur sich die Listen abgeleiteter Rechte wesentlich unterscheiden könnten, obwohl die Übereinstimmung in Bezug auf Leben, Freiheit 1, die Sicherheit der Person oder die gleiche Berücksichtigung überwiegt. Vgl. ebd., S. 11. - Neben Martin und Pennock erwähnt auch Stoljar den Sozialkontrakt als mögliche Erklärung für natürliche Rechte und weist auf seine Schwächen hin. Vgl. Stoljar (1984), S. 79. 146 Oft wird, wenn von Kritikern des Utilitarismus die Rede ist, auf dieselben Beispiele von Theorien, z.B. auf die Theorie von Rawls, verwiesen. Dabei werden in Rawls' Theorie unterschiedliche Aspekte akzentuiert: einmal findet man sie als Vertragstheorie (in der Tradition von Rousseau und Kant) oder als nichtutilitaristische Theorie (z.B. bei Martin (1986), S. 166) bezeichnet, ein andermal findet man sie unter jenen Theorien erwähnt, die „Rechte" als Grundbegriff verteidigen, und im Rahmen der Unterscheidung zwischen konsequentialisischen und deontologischen Theorien letzteren zugeordnet (z.B. bei Pennock (1981), S. 8 f.). Dazu ist Folgendes zu bemerken: In den meisten Beschreibungen des Typs deontologischer Theorien der Ethik spielt der Begriff „Pflicht" eine zentrale Rolle. Vgl. z.B. den Artikel „Deontologie" in: HWP, Bd. 2, S. 114, oder den Artikel „Deontological Ethics" in REP, Bd. 2, S. 890 ff. Kutschern spricht von einer engen Beziehung, wenn auch keiner Koinzidenz zwischen deontologischen und Pflichtethiken. Vgl. Kutschern (1982), S. 74 f. Insofern hängt die Anwendbarkeit des Typs oder der Kategorie „deontolgische Theorien" im Bereich der Begründung moralischer Rechte nicht zuletzt von der Rolle ab, die moralische Rechte im Verhältnis zu moralischen Pflichten in der jeweiligen Theorie spielen.
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A. Einleitung
auf Pflichten (deontologische), sondern auch auf Rechte gründende moralische Theorien. 147 In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Utilitarismus in unterschiedlich modifizierten Formen anzutreffen ist und dass einige Formen desselben im Bereich deontologischer Theorien angesiedelt werden. 148 (3) Begründung durch Konvention - Eine weitere Art von Theorien begründet Rechte durch Konvention. Diese Art von Theorien findet man so charakterisiert, dass ihrer Auffassung nach Rechte aus Bräuchen hervorgehen und dadurch bindende Kraft erlangen, dass Menschen sie freiwillig akzeptieren und sich auf sie verlassen und berufen. 149 In diesem Zusammenhang findet man Klugheitstheorien über Rechte und konventionalistische Klugheitstheorien über Menschenrechte erwähnt. 150 Manche Konventionalisten vertreten einen moralischen Relativismus.151 (4) Begründung durch Intuition - Eine weitere Argumentationsart für die Existenz allgemeiner Rechte oder Menschenrechte beruft sich auf Intuition. 152 147 Mackie übernimmt eine analoge Unterscheidung, die Dworkin in Bezug auf politische Theorien trifft, und geht der Frage nach, ob es eine auf Rechten gründende moralische Theorie gibt und ob Rechte im Vergleich zu Pflichten und Zielen grundlegend sein können. Vgl. Mackie (1985), S. 168, 170. Mackie argumentiert sowohl gegen Pflichten als Ausgangspunkt einer von Menschen hervorgebrachten Moral - vgl. ebd., S. 171 - , als auch gegen einen rein aggregativen Utilitarismus - vgl. ebd., S. 171-174 - , und bemerkt, dass es keine akzeptable Moraltheorie geben kann, die nicht auf Rechten gründet. Vgl. ebd., S. 176. 148 Wellman erwähnt einige utilitaristische Theorien, in denen Rechte begründet werden, z.B. D. Lyons und T. M. Scanion. Vgl. Wellman (2002b), S. xii. Martin erörtert Lyons' Theorie genauer und erwähnt in diesem Zusammenhang auch J. Narveson. Vgl. Martin (1986), S. 159 ff. (Einen Überblick über verschiedene utilitaristische Theorien findet man z.B. bei D. W. Brock (1973), S. 241-269.) - Wie vorhin in der Erörterung der verschiedenen Typen ethischer Theorien erwähnt wurde, fällt nach Auffassung von Kutschern der Aktutilitarismus unter die teleologischen, der Regelutilitarismus unter die deontolgischen Theorien. Vgl. Kutschera (1982), S. 170, 172. 149 Vgl. Pennock (1981), S. 12. Pennock bemerkt, dass dies Rechte gemäß Vorschriften sind. 150 Nach Winston betonen Klugheitstheorien von Rechten, dass Individuen sich auf die Arten von sozialen Vereinbarungen einlassen, in denen Rechte hervorgebracht werden, um die eigenen Interessen zu verfolgen. Vgl. Winston (1989), S. 24. Eine konventionalistische Klugheitstheorie der Menschenrechte würde behaupten, dass es für Individuen vernünftig sei, Normen, die Menschenrechte verkörperten zu akzeptieren und sich danach zu verhalten, weil dies auf lange Sicht die beste Art sei, die eigenen fundamentalen Interessen zu schützen. 151 Winston erwähnt als Beispiel für eine konventionalistische Theorie die Theorie von G. Harman, wonach eine Moralität aus Konvention durch einen impliziten Verhandlungsprozess unter Gruppen und Individuen in einer Gesellschaft hervorgeht. Vgl. Winston (1989), S. 25, bzw. Harman (1989), S. 149. Nach Harman liefert der moralische Relativismus die einzig plausible Begründung für eine Theorie natürlicher Rechte. Vgl. Harman (1989), S. 148. 152 Vgl. z.B. Pennock (1981), S. 10, und Gewirth (1986), S. 5. Gewirth erwähnt T. Jefferson, der es für selbstverständlich (self-evident) gehalten habe, dass alle Menschen in gleicher Weise bestimmte Rechte haben, sowie R. Nozick, der - in (1974),
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(5) Theorien, die Menschenrechte als „implizit enthalten" nachweisen - Für die im Folgenden genannten Theorien liegt im Unterschied zu den vorhin genannten keine gleichermaßen bekannte Bezeichnung vor, weswegen hier ein zentraler Aspekt derselben zur Kategorisierung dienen soll. (a) Vertragliche und natürliche Rechte - Eine Argumentationslinie zum Nachweis natürlicher Rechte geht von vertraglichen Rechten aus und versucht nachzuweisen, dass diese Rechte natürliche Rechte voraussetzen.153 Diesen Argumentationen nach impliziert die Anerkennung vertraglicher Rechte die Anerkennung eines natürlichen Rechts, auf das man sich in der Behauptung ersterer beruft, 154 bzw. letztere werden Exemplifikationen eines natürlichen Rechts begriffen. 155 (b) Handlung als Grund aller Normen - Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich Theorien zusammenfassen, die Normen prinzipiell auf Handlung oder das Handeln zurückführen. Handlung wird in unterschiedlichen Theorien entweder als unabhängige Variable in der Begründung von Menschenrechten und eines obersten moralischen Prinzips verstanden156 oder als Grund transzendentaler Interessen, mit denen Menschenrechte einhergehen,157 oder als Ausgangspunkt in S. ix - entschieden behaupte, dass Individuen Rechte hätten. Auch Gorecki erwähnt die Argumentationsart der ontologischen Realisten und Intuitionisten als eine Form von objektiver Rechtfertigung moralischer Normen und bemerkt: Sobald Normen wie „alle Menschen haben unveräußerliche Rechte" als wahr festgesetzt (established) seien, zwinge uns ihre Wahrheit sie zu akzeptieren. Vgl. Gorecki (1991), S. 350, 352. Ein Autor, der in seiner Begründung der Ethik detailliert argumentiert und die Auffassung vertritt, dass eine Ethik intuitionistisch sein muss, ist Kutschera. Vgl. Kutschera (1982), S. 227. Kutschera formuliert ein Prinzip der Ethik, das er durch einige konkrete Rechte und Pflichten auslegt. Vgl. ebd., S. 316 ff. 153 Vgl. z.B. Hart (1955). Hart versucht auf diese Weise nicht nur vertragliche Rechte zu erklären, sondern auch andere spezielle moralische Rechte, wie z.B. Rechte im Rahmen von Autorisierungen, gemeinsamen Unternehmungen sowie allgemeine moralische Rechte. Vgl. Hart (1955), S. 183 ff. (Gewirth nennt diese Argumentation Voraussetzungs-Argumentation (presuppositional argument). Vgl. Gewirth (1986), S. 8.) Unter Harts zahlreichen Kritikern hat Mach den zentralen Gedanken in Bezug auf vertragliche Rechte aufgegriffen und in (1977) in exakterer und detaillierterer Form zu formulieren versucht. Vgl. ferner Mach (1976), (1978) und dazu Steiner (1978). 154 Vgl. Hart (1955), S. 188, 191. 155 Vgl. Mack (1977), S. 159. Vgl. ferner Steiner (1977), S. 322. 156 Gewirth verwendet in seiner Begründung von Menschenrechten zwei unabhängige Variablen: Handlung und deduktive Rationalität. Vgl. Gewirth (1986), S. 12. Seine Argumentation hat ihren Ausgangspunkt in Aussagen, die von jedem Handelnden akzeptiert werden müssen, weil sie aus den allgemeinen Charakteristika zweckhafter Handlung ableitbar sind. Vgl. ebd., S. 14. 157 Vgl. Höffe (1998), S. 67-82. Höffe spricht davon, dass Gesellschaft erst aus wechselseitiger Anerkennung entsteht und dass Menschenrechte an dieser Aufgabe die Elementarschicht angeborener Interessen hervorheben. Vgl. ebd., S. 72. Er bezeichnet jene elementaren Interessen als transzendental, die man einstellungsunabhängig hat. Der singulare Charakter liegt, wie er ausführt darin, das man nicht anderes will als ein
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einer apriorischen Begründung des Rechts und bestimmter Menschenrechte158. Auch hier kann man sagen, dass Menschenrechte in gewisser Hinsicht als „impliziert enthalten" nachgewiesen werden. 159 Die hier genannten Theorien enthalten jedoch auch andere wesentliche Gesichtspunkte, die sie auszeichnen und daher zu ihrer Kategorisierung dienen könnten.160 (6) Argumente in Bezug auf das positive Recht - Gründe für die Annahme moralischer oder natürlicher Rechte findet man in folgenden Überlegungen. Erstens wird argumentiert, dass wir dort den Begriff moralischer Prinzipien oder natürlicher Rechte brauchen, wo Lücken in Rechtsquellen auftreten. 161 Zweihandlungsfähiges Wesen zu sein. Vgl. ebd., S. 77, und (1992), S. 22. Z.B. besteht ein transzendentales Interesse am und ein Menschenrecht auf Leben, weil dieses eine Bedingung der Handlungsfähigkeit bildet. Vgl. (1998), S. 76, und (1992), S. 23. 158 Vgl. Hossenfelder (2000), S. 17 ff., 45, 49, 89 f. Hossenfelder versteht unter Handeln Zwecktätigkeit und unter einem Zweck das, was man tatsächlich erreichen will und dessen Verwirklichung man auch tatsächlich betreibt. Vgl. ebd., S. 45. Dieser Begriff des Zwecks bildet letztendlich den Ausgangspunkt in seiner Begründung. 159 Gewirth argumentiert, dass in seiner Methode von den Aussagen, die der Handelnde macht oder akzeptiert, ausgegangen wird und untersucht wird, was diese Aussagen logisch implizieren. Vgl. Gewirth (1986), S. 20. In Höffes Ansatz werden Menschenrechte aufgrund transzendentaler Interessen nachgewiesen, d.h. Interessen, die man bereits implizit bejaht, insofern immer schon will, wenn man etwas will. Vgl. Höffe (1998), S. 77 f. Hossenfelder weist analytisch einen Willen zum Recht als in unserem Wollen und Handeln implizit enthalten nach. Vgl. Hossenfelder (2000), S. 17 ff., 45 ff., 54, 89 f., 196. 160 Erstens werden in diesen Theorien Rechte als Ansprüche - vgl. Gewirth (1986), S. 1; Höffe (1998), S. 73 - bzw. als allgemeine Behinderungsverbote - vgl. Hossenfelder (2000), S. 49 f. - verstanden und hergeleitet. Zweitens wird in diesen Theorien in unterschiedlicher Weise nachgewiesen, dass bestimmte Menschenrechte für jeden Handelnden notwendig existieren. Der Handelnde: muss sie notwendig bzw. logisch akzeptieren - vgl. Gewirth (1986), S. 15 f.; bejaht sie implizit, da er die Interessen, aus denen sie herrühren, implizit bejaht und insofern immer schon will, wenn er etwas will - vgl. Höffe (1998), S. 77 f.; will sie aus logischen Gründen - vgl. Hossenfelder (2000), 45, 89 f. Drittens sind diese Theorien zu einem Teil Moraltheorien: Gewirth argumentiert, dass der Grund der Menschenrechte ein normatives moralisches Prinzip sein muss - vgl. Gewirth (1986), S. 11; Höffe spricht von einer Moral, die den Menschenrechten zugrunde liegt - vgl. Höffe (1998), S. 74; Hossenfelder spricht von einer Wollensethik, die sowohl den Begriff als auch die Geltung des Rechts erklären kann vgl. Hossenfelder (2000), S. 79. Ein weiterer Gesichtspunkt für die Kategorisierung von Gewirths Theorie vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Typen ethischer Theorien relevant ist, ist folgender: Gewirth bemerkt, dass sich seine ethische Theorie in Begriffen der Metaethik als modifizierter Naturalismus betrachten lässt. Vgl. Gewirth (1978), S. 363. Martin bezeichnet Gewirths Theorie als egalitaristische, Machan als kognitivistische, Winston als deontologische. Vgl. Martin (1986), S. 177, Machan (1983), S. 238, und Winston (1989), S. 24. Damit wurden nur einige relevante Aspekte genannt. 161 Vgl. Stoljar (1984), S. 75. Stoljar argumentiert, dass wenn man konstant auf legale Rechte zurückgreifen könnte, sich das Problem der natürlichen Rechte nicht stellen würde; denn man würde Rechte einfach aus einer anerkannten Quelle ableiten. Probleme mit legalen Rechten gebe es dort, wo Lücken in existierenden niedergeschriebenen oder mündlichen Quellen aufträten, die nicht so einfach durch Interpreta-
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tens wird darauf hingewiesen, dass positive Rechte die wichtige Frage aufwerfen, warum wir sie als Rechte betrachten und woher sie überhaupt rühren. 162 Es wird argumentiert, dass moralische Rechte die Grundlage und oft die Vorläufer positiver Rechte sind. 163 bb) Einige Komponenten begründender Theorien moralischer Rechte Werte und ihre Rolle in Begründungen von Rechten - Werte spielen in den meisten Begründungen von Rechten eine Rolle. Dies zeigt sich wie wir gesehen haben z.B. bei teleologischen oder konsequentialistischen Theorien, in denen Werte vorausgesetzt werden, in Bezug auf die Handlungen und ihre Konsequenzen bewertet werden. 164 Doch woher rühren Werte und müssen sie von einer bestimmten Beschaffenheit sein, um in Begründungen moralischer Rechte eine Rolle zu spielen? Von den verschiedenen Fragen, die sich hier stellen lassen, sei hier eine thematisiert: Welcher Zusammenhang zwischen Werten und den Subjekten von Rechten gesehen wird. Im Rahmen dieser Frage lassen sich mindestens zwei Auffassungen unterscheiden. In der ersten Auffassung wird ein Zusammenhang zwischen Werten und den Bedürfnissen und Interessen des Einzelnen gesehen.165 Bedürfnisse und Interessen haben allerdings eine Intensität, die tion oder Konstruktion gefüllt werden könnten. Die Vorstellung moralischer Prinzipien oder natürlicher Rechte scheine man dort zu brauchen, wo die Quellen gänzlich oder zweideutig schwiegen und ein Richter in der Lage sein solle, schwere Fälle zu entscheiden. Vgl. Stoljar (1984), S. 75. Stoljar verweist hier auch auf andere Auffassungen, z.B. von Dworkin (1977), S. 81 ff. 162 Vgl. Stoljar (1984), S. 76. 163 Vgl. Stoljar (1984), S. 76. Stoljar kritisiert eine gängige Auffassung, wonach positive und natürliche Rechte als grundlegend unabhängig voneinander betrachtet werden. Er stellt die Frage, woher positive Rechte rühren und argumentiert, dass sofern man nicht ein Rechtssystem annimmt, in dem Rechte und Regeln gänzlich von oben durch einen omnipotenten Souverän bestimmt werden, positive oder legale Rechte, ohne moralische Rechte als ihre Grundlagen und oft als ihre Vorläufer in Form moralischer Bräuche, keine Möglichkeit hätten in Erscheinung zu treten. Wir würden nicht wissen, welche Rechte wir mit Sanktionen versehen sollten. Ihre Erzwingbarkeit würde nur eine institutionelle Tatsache wiedergeben, ohne im Mindesten zu erklären, warum solche positiven Rechte existierten. Positive Rechte verkörperten in vielen Fällen moralische Rechte. An einer weiteren Stelle bemerkt Stoljar, dass nur bestimmte natürliche Rechte, jene, die für die Existenz einer Gemeinschaft notwendig sind, zu vermutlichen positiven Rechten würden. Vgl. ebd., S. 79. Auch wenn moralische Rechte durch institutionelle Anerkennung zu positiven Rechten geworden seien, bleibe es eine Tatsache, dass die positive Anerkennung positiver legaler Rechte normalerweise von Rechten abhänge, die einen moralischen Inhalt hätten, der ihre Erzwingbarkeit rechtfertige. Vgl. ebd., S. 76. 164 Vgl. z.B. Kutschern (1982), S. 76. 165 Sofern sich unsere Wünsche, Motive, unsere Vorstellungen vom Wertvollen, unsere Weitungen, Einstellungen, Präferenzen in Entscheidungen, unsere Vorstellungen vom Vorteilhaften, Nützlichen und schließlich auch vom Moralischen und Gerechten
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A. Einleitung
Grade zulässt, und sind subjektiv unterschiedlich ausgeprägt, sodass ihre Gegenstände von unterschiedlichen Subjekten oft als unterschiedlich wertvoll erachtet werden. Begreift man Bedürfnisse und Interessen als Grund für die Behauptung von Rechten, so stellen sich unter anderem folgende Fragen: Erstens, wie sich auf dieser variierenden und ungleichen Grundlage Rechte und Pflichten begründen lassen;166 zweitens, welche Bedürfhisse und Interessen als relevant anzusehen sind. In mancher Auffassung, in der Rechte zum Teil durch Interessen gerechtfertigt werden, werden jene Rechte als moralisch fundamental verstanden, die dem Interesse des Rechtsinhabers dienen und dieses Interesse als von höchstem Wert erachtet wird. 167 In weiteren Auffassungen ist von überindividuellen Interessen an objektiven Werten, 168 in anderen von transzendentalen Interessen nicht allein durch rationale Überlegungen oder Kriterien bestimmen lassen, dürften in der Bestimmung derselben auch Bedürfnisse und Interessen eine Rolle spielen. Nach Ansicht mancher Autoren wie z.B. Kutschern kann eine Ethik deshalb nicht apriorisch sein, weil ihre Postulate die tatsächlichen Lebensbedingungen und Lebensziele der Menschen berücksichtigen müssen. Vgl. Kutschera (1982), S. 228. 166 In Fragen der Gerechtigkeit, der Moral und des Rechts spielt die Gleichheit der involvierten Personen eine zentrale Rolle, z.B. wenn es um Fragen der Akzeptanz bzw. der Anerkennung von Normen geht. Ein Autor, der die Frage nach der Gleichheit in Bezug auf Bedürfnisse thematisiert ist Vlastos. Vlastos nimmt auf eine Maxime der distributiven Gerechtigkeit Bezug, die lautet »Jedem gemäß seinen Bedürfnissen". Vgl. Vlastos (1970), S. 84. Da Bedürfnisse oft ungleich seien, scheine dies wie ein Gebot für ungleiche Verteilung. Vlastos hält dies für falsch und bemerkt, dass dies tatsächlich die perfekteste Form für gleiche Verteilung ist. (In weiterer Folge argumentiert er, dass der Nutzen für Personen und nicht die Verteilung von Ressourcen gleich sein soll. Vgl. ebd., S. 86. Im Rahmen der Frage, warum man diese Gleichheit will, nimmt er auf den gleichen Wert aller Personen Bezug. Davon ist im Folgenden die Rede.) 167 Raz z.B. betrachtet Interessen als Teil der Rechtfertigung von Rechten. Vgl. Raz (1984), S. 208. Rechte sind nach Raz Konklusionen, die zwischen höchsten Werten und Pflichten liegen. Nach Raz' Auffassung können nur jene Personen, deren Wohlergehen (well-being) instrinsisch wertvoll ist, Rechte haben. Vgl. ebd., S. 207. Manche Rechte könnten nach Raz durch ein Interesse begründet sein, diese Rechte zu haben. Vgl. ebd., S. 213. Ein Recht ist nach Raz moralisch fundamental, wenn es auf der Grundlage gerechtfertigt ist, dass das Haben dieses Rechts dem Interesse des Rechtsinhabers dient und dieses Interesse als von höchstem Wert erachtet wird, d.h. der Wert dieses Interesses nicht aus einem anderen Interesse des Rechtsinhabers oder anderer Personen herrührt. Vgl. ebd., S. 214. 168 Kutschera z.B. bezeichnet jene Interessen als überindividuell, die an objektiven Werten bestehen. Vgl. Kutschera (1982), S. 285. Objektive lassen sich seiner Auffassung nach dadurch von subjektiven Werten unterscheiden, dass sie sich nicht von persönlichen Neigungen ableiten lassen. Vgl. (1982), S. 240 f., 285. Nach Kutschera gibt es Werte, die nicht von unseren Interessen abhängen, sondern von sich aus Achtung fordern, wie z.B. der Wert fremden Lebens. Kutschera geht im Unterschied zur oben geschilderten Auffassung, wonach Bedürfnisse und Interessen und damit die Vorstellung des Wertvollen subjektiv variieren können, davon aus, dass es Erfahrungen von Werten gibt, in denen diese als objektiv verstanden werden. Kutschera hält sowohl den Subjektivismus, zu dem man gelangt, wenn man Werte als rein subjektive Phänomene versteht, als auch den Objektivismus, zu dem man gelangt, wenn man Werte als rein objektive Phänomene versteht, als Missdeutungen, die es zu vermeiden gilt. Vgl.
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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die Rede. 169 Damit ist ein Charakteristikum der zweiten Auffassung angesprochen: die Annahme objektiver, nicht instrumenteller oder innewohnender Werte. In mancher Auffassung wird in der Rechtfertigung von Rechten auf einen Wert zurückgegriffen, der nicht instrumentell ist und der den Menschen in gleicher Weise zukommt, nämlich Würde. 170 Sie wird als objektiver und oberster moralischer Wert verstanden, der einerseits als Gegenstand von Normen gedacht wird, andererseits durch das Haben oder das Behaupten von Rechten erklärt wird. 171 Ferner kommt Würde den Menschen in verschiedenen Begründungen von Menschenrechten kraft bestimmter Eigenschaften zu, die sie gleichermaßen haben;172 sie charakterisiert ein bestimmtes Menschenbild.173 Ferner ist in dieebd., S. 246. Er hält es für entscheidend, die wechselseitige Bezogenheit der zwei Werttypen aufeinander zu sehen, und bemerkt, dass objektive Werte, zu denen die moralischen Werte zählen, auch subjektive Werte für den sind, der sie erkennt. 169 Damit ist die bereits erwähnte Auffassung von Höffe gemeint, der bestimmte logisch höherstufige, transzendentale Interessen annimmt, z.B. das Interesse am Leben. Vgl. Höffe (1998), S. 76. In transzendentalen Interessen wird nach Höffe eine Universalität, folglich auch eine Konsensfähigkeit beansprucht. Vgl. ebd., S. 77. Transzendental sind nach Höffe die Bedingungen dafür, dass man gewöhnliche Interessen überhaupt haben kann. Transzendentale Interessen haben keine Grade und können nicht variieren. Nach Höffe hat man sie einstellungsunabhängig und auch unabhängig von Geschlecht, Religion etc. Vgl. ebd. 170 Vlastos betrachtet die Gleichheit des menschlichen Weites als Rechtfertigung oder Grund für gleiche Menschenrechte. Vgl. Vlastos (1970), S. 92. Im Sinn Kants versteht er den Menschen als Zweck an sich selbst und seinen Wert als intrinsischen Wert. Vgl. ebd., S. 88, 91. Kutschera bemerkt, dass die Menschenrechte meist unter Berufung auf ein Naturrecht begründet werden, dass sie meist aus der Natur des Menschen, aus seiner Würde als freien und vernünftigen Wesens hergeleitet werden. Vgl. Kutschera (1982), S. 322. Gewirth weist darauf hin, dass eine Argumentation für gleiche Menschenrechte auf der Lehre beruht, dass alle Menschen gleiche Würde oder gleichen Wert haben. Vgl. Gewirth (1986), S. 9. Kritik am Begriff des intrinsischen Wertes des Menschen in Zusammenhang mit dem Begriff der Gleichheit übt z.B. Stoljar in (1984), S. 82 f. 171 Kutschera z.B. bemerkt, dass Achtung vor der Würde anderer nur dann geboten ist, wenn sie ein objektiver Wert ist. Er begreift sie als höchsten ethischen und moralischen Wert. Vgl. Kutschera (1982), S. 313, 334. Das ethische Grundprinzip lautet nach Kutschera , dass jeder verpflichtet ist, den anderen als Person zu achten. Vgl. ebd., S. 309. Er legt es durch einige konkrete allgemeine Rechte, d.i. Freiheitsrechte, die eng verwandt mit den Menschenrechten sind, und Pflichten aus. Vgl. ebd., S. 316, 322 ff. Selbstachtung besteht zwar nach Kutschera nicht nur darin, dass der Mensch sich als Subjekt von Rechten und Pflichten begreift, ohne Anerkennung eigener Rechte und Pflichten ist sie aber nicht möglich, und Achtung vor anderen müsse prinzipiell derselben Art sein. Vgl. ebd., S. 311 f. Eine ähnliche Auffassung vertritt auch Feinberg , der behauptet, dass Respekt für Personen einfach Respekt vor ihren Rechten sein kann (may) und Menschenwürde einfach die erkennbare Fähigkeit sein kann, Ansprüche zu behaupten. Vgl. Feinberg (1970), S. 252. Kutschera und Feinberg erklären somit das Haben von Würde durch das Haben von Rechten und nicht umgekehrt wie Vlastos in (1970), S. 92. 172 Nach Kutschera kommt dem Menschen Würde als Person zu. Er charakterisiert „Person" durch folgende Eigenschaften: in seinem Handeln und in der Wahl seiner Ziele frei zu sein, über Erkenntnisfähigkeit zu verfügen, Subjekt von Rechten und
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A. Einleitung
sem Abschnitt zu erwähnen, dass man in der Literatur auch auf Theorien über Rechte stößt, die auf die Grundlagen von Werten Bezug nehmen. Eine dieser Grundlagen bildet in mancher Auffassung das Leben. 174 Gerechtigkeit - In mancher Auffassung wird hervorgehoben, dass Argumente für Menschenrechte manchmal mit Argumenten für distributive Gerechtigkeit identisch sind oder zumindest im Kontext von Argumenten für distributive Gerechtigkeit vorgebracht werden. 175 Die enge Verbindung von Rechten und distriPflichten zu sein, in sozialen Bindungen zu anderen Menschen zu leben und eine Individualität zu haben. Vgl. Kutschera (1982), S. 307. Gewirth , der Maritains und die Zfanrianische Argumentation zur Begründung von Rechten kritisiert, argumentiert, dass dem Handelnden kraft bestimmter Charakteristika seines Handelns Würde zukommt: dass er Ziele verfolgt, die er kraft eigener Entscheidung und Überlegung wählt und als wertvoll erachtet. Vgl. Gewirth (1986), S. 10, 23. Auch ist zu erwähnen, dass in der Erörterung des Wertes Würde nahezu alle Autoren auf Kant zu sprechen kommen. Zu Kants Auffassung von Würde vgl. Kant (1933), zweiter Abschnitt, S. 60 ff. [434 ff.]. 173 Vgl. Kutschera (1982), S. 306. Kutschera bemerkt, dass jede Ethik ein bestimmtes Menschenbild voraussetzt, und erwähnt einige Menschenbilder. Die Frage nach dem Menschenbild thematisiert auch Höffe , der behauptet, dass zu einer Begründung der Menschenrechte eine kopernikanische Revolution für die Anthropologie nötig ist. Vgl. Höffe (1998), S. 66 und ferner 62 f. 174 Machan z.B. betrachtet (in naturalistischem Rahmen) das Leben als ontologische Basis für Werte. Vgl. Machan (1982), S. 62. Höffe spricht von einem relativ transzendentalen Interesse am Leben: Ob es bewusst oder unbewusst geschehe, auch wer nicht sonderlich am Leben hänge, habe deshalb ein Interesse daran, weil er andernfalls weder etwas begehren noch sein Begehren zu erfüllen trachten könne. Vgl. Höffe (1998), S. 76. 175 Vgl. Gewirth (1986), S. 5. Unter diesem Gesichtspunkt erwähnt und erörtert Gewirth sieben Antworten auf die Frage, ob Menschenrechte existieren: (1) die intuitionistische Argumentation, (2) eine formale Argumentation, wonach Menschen in gleicher Weise behandelt werden sollten, sofern es keinen guten Grund gibt, sie unterschiedlich zu behandeln, (3) die Argumentation, die vom Interesseprinzip Gebrauch macht (J. Feinberg), (4) die Argumentation, wonach Menschen in gleicher Weise behandelt werden sollten, weil sie in ähnlicher Weise fähig seien, ein gutes Leben zu genießen (W. Franke na), (5) die Voraussetzungs-Argumentation (von H.L.A. Hart), die behauptet, dass wenn es irgendwelche moralischen Rechte gibt, es zumindest ein natürliches Recht gibt, das natürliche Recht frei zu sein, (6) die Argumentation, in der die Gleichheit an Rechten von einer ursprünglichen Situation der Gleichheit her gerechtfertigt wird (J. Rawls) und (7) die Argumentation, wonach gleiche Menschenrechte auf der Doktrin begründet sind, dass alle Menschen gleich an Würde sind. Vgl. Gewirth (1986), S. 5-10. - Als weiteres Beispiel sei Vlastos erwähnt, der die Frage erörtert, ob die Doktrin der natürlichen Rechte einen Ort für bestimmte, wohlbekannte Maximen der distributiven Gerechtigkeit (nämlich: Jedem entsprechend (i) seinen Bedürfnissen, (ii) seinem Wert, (iii) seinem Verdienst, (iv) seiner Arbeit, und (v) den Vereinbarungen, die er getroffen hat) hat. Vgl. Vlastos (1970), S. 79. - Sowohl Gewirths Erörterung der genannten Argumentationen als auch Vlastos Erörterung der genannten Frage werden hier unter dem Aspekt Gerechtigkeit erwähnt. Es sei darauf hingewiesen, dass sich sowohl in Gewirths als auch in Vlastos ' Erörterung, zeigt, dass der Begriff „Gleichheit" und die Frage, in Bezug, worauf Gleichheit jeweils behauptet wird, eine entscheidende Rolle spielen, sodass die einzelnen dort erörterten Argumentationen auch unter diesem Aspekt erörtert werden können. - Ferner sei auch Stoljar erwähnt,
IX. Typen von Theorien über moralische Rechte
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butiver Gerechtigkeit wird darin gesehen, dass Rechte den wesentlichen Inhalt dessen bilden, was nach verschiedenen Auffassungen von Gerechtigkeit unter den Menschen verteilt werden sollte bzw. darin, dass nach einer traditionellen Definition von Gerechtigkeit jeder Person das gegeben werden soll, was ihr gebührt; in diesem Bezug auf „jede Person" kommt die Universalität der Menschenrechte zum Ausdruck. 176 Andere Autoren sprechen von einer Tauschgerechtigkeit, die den Menschenrechten zugrunde liegt. 177 Das Thema Gerechtigkeit wird ferner auch in Theorien angeschnitten, die die Möglichkeit von Menschenrechten im Rahmen utilitaristischer Theorien erörtern. 178 cc) Weitere Gesichtspunkte zur Kategorisierung von Argumentationen in Bezug auf Rechte Die folgende Kategorisierung einiger Gründe für die Behauptung von Rechten im Allgemeinen und moralischen Rechten im Besonderen beruht auf der Frage, was als notwendiger und hinreichender Grund für das Haben von Rechten dienen kann. Diese Frage wird in Bezug auf unterschiedliche Komponenten in Theorien über Rechte gestellt. Dabei werden einige Komponenten erneut erwähnt, die auch in den vorangegangenen Kategorien eine Rolle gespielt haben. (1) Handlung - Z.B. findet man die Frage erörtert, ob die Moralität bzw. das Richtigsein der Handlung notwendig oder hinreichend ist, um jemandem ein Recht zu geben, sie zu tun. 179 (2) Subjekt des Rechts - Hier findet man folgende Fragen erörtert: (i) Ob die Moralität des Rechtsinhabers für sein Recht notwendig oder hinreichend ist; 180 (ii) ob die Tatsache, dass etwas gut für den Rechtsinhaber ist, ein notwendiger der als einen Typ von Theorien natürlicher Rechte, jene Theorien erwähnt, in denen in der Begründung dieser Rechte die Idee der Gerechtigkeit eine Rolle spielt. Vgl. Stoljar (1984), S. 80 und ferner 89. 176 Vgl. Gewirth (1986), S. 5. 177 Vgl. Höffe (1992), S. 19, und (1998), S. 74. Höffe bemerkt in diesem Zusammenhang, dass die Menschenrechte auf einer Moral basieren, die sich in sehr verschiedenen Kulturen findet (vgl. die dort angegebenen Literaturhinweise). 178 So z.B. bei Lyons , der sich mit Mills Auffassung von Rechten befasst. Lyons verweist darauf, dass Mill Gerechtigkeit von der Moralität im allgemein unterscheidet und behauptet, dass Verpflichtungen der Gerechtigkeit im Besonderen, aber nicht alle moralischen Verpflichtungen, mit moralischen Rechten korrespondieren. Vgl. Lyons (1989), S. 209, bzw. Mill (1985), S. 86 f. 179 Vgl. White (1984), S. 96 ff. (White erwähnt in seiner Erörterung dieses Aspekts N. MacCormicky J. Austin, R. W. M. Dias und A. /. Melden ; unter einer weiteren Variante dieses Aspekts erwähnt er D. D. Raphael, C. A. Wringe, R. F. Ladenson.) White erörtert in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen „ein Recht haben" und „Recht haben" (beingright).Vgl. ebd. (Hierbei erwähnt White : J. Salmond , J. P. PlamenatZy D. D. Raphael, B. Mayo, J. Bentham, A. Gewirth u. a.) 180 Vgl. White (1984), S. 95 f.
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oder hinreichender Grund für ein Recht ist, worunter drei unterschiedliche Bedeutungen des „gut für" unterschieden werden: (a) zu seinem Wohl, (b) in seinem Interesse und (c) für ihn nützlich;181 (iii) ob ein Bedürfnis ein notwendiger oder hinreichender Grund eines Rechts ist. 1 8 2 (3) Die Relation zur korrelierenden Pflicht - Unter diesem Aspekt findet man folgende Fragen erörtert: (i) ob der notwendige und hinreichende Grund eines Rechts in der mit ihm korrelierenden Pflicht liegt; 183 (ii) ob der notwendige und hinreichende Grund für das Haben eines Rechts darin liegt, dass sie ein bestimmtes Maß an Kontrolle über die mit ihm korrelierende Pflicht haben sollte. 184 (4) Ansprüche - Unter diesem Aspekt findet man die Frage erörtert, ob das Haben oder das Erheben eines Anspruchs auf etwas eine notwendige oder hinreichende Bedingung dafür ist, dass jemand ein Recht darauf hat. 185 (5) Regeln - Hier findet man die Frage erörtert, ob die Existenz einer Regel, die ein Recht überträgt, ein notwendiger oder hinreichender Grund für das Besitzen dieses Rechts ist. 186
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Vgl. White (1984), S. 100-105. (White erwähnt in der Erörterung dieses Aspekts folgende Autoren: unter (a): N. MacCormick, A. Gewirth, J. Bentham; unter (b): Ihering, J. Salmond, R. Pound, N. MacCormick, W. D. Lamont, L Nelson, T. Reagan P. Singer, J. Feinberg, R. G. Frey, H. J. McCloskey, J. Passmore, C. A. Wringe u einige Beispiele von Rechtsfällen.) 182 Vgl. White (1984), S. 105 f. White bemerkt in der Erörterung dieses Aspekts unter anderem, dass viele Vertreter dieser Auffassung die Relation zwischen Rechten und Bedürfnissen (needs) auf eine kleine Menge letzterer einzuschränken versuchen, die oft als „grundlegende" (basic) oder „dringende" (crying) Bedürfnisse bezeichnet werden. (White erwähnt unter diesem Gesichtspunkt die Auffassungen von Hobbes, J. Feinberg, D. D. Raphael, G. Vlastos, A. M. Honoré und A. Gewirth.) 183 Vgl. White (1984), S. 106 f. (White erwähnt in der Erörterung dieses Aspekts folgende Autoren: J. Bentham, J. Austin, J. Salmond und C. K. Allen.) 184 Vgl. White (1984), S. 107 f. White erörtert diese Fragestellung unter der Überschrift „Choice". (Dabei geht er von Hart aus und kommt auf Hobbes, O. W. Holmes, W. D. Lamont, N. MacCormick u. a. zu sprechen.) 185 Vgl white (1984), S. 109 f. - Diese Fragestellung könnte man auch dem vorhin erwähnten Gesichtspunkt Handlung zuteilen, wenn man voraussetzt, das Gegenstände von Ansprüchen letztlich Handlungen sind. (White verweist auf das Kapitel „Claims", wo er unter unterschiedlichen Gesichtspunkten eine Reihe von Autoren erwähnt. Vgl. ebd., S. 115-132.) 186 Vgl. White (1984), S. 110 f. White kommt hier auch auf Prinzipien und Politiken (policies) zu sprechen. (In der Erörterung dieses Aspekts erwähnt er N. MacCormick, K. Llewellyn, H.L.A. Hart, R. E. Flathman, L. K. Stell, C. Morris und R. Dw kin). Auch Gewirth kommt in seiner Begründung von Menschenrechten auf Regeln und Prinzipien zu sprechen und geht der Frage nach, was als unabhängige Varialbe für die Rechtfertigung von Prinzipien dienen kann, die ihrerseits als unabhängige Variablen für die Rechtfertigung von Regeln dienen. Vgl. Gewirth (1986), S. 11. Zur Bedeutung des Ausdrucks „Rule of Rights" vgl. auch Kanger und Kanger (1966), S. 132, bzw. Kanger (1984), S. 59 f.
X. Funktionen des Begriffs „ein Recht"
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(6) Die Art der Relation zwischen Rechten und ihren Gründen - In Bezug auf diese Relation wird z.B. die Frage erörtert, ob die Relation zwischen einem Grund und dem, was er begründet, von einer bestimmten Art sein muss, damit er den Grund eines Rechts bilden kann. 187 Die hier erwähnten Kriterien und Gesichtspunkte in den verschiedenen Theorien zur Begründung von Rechten spielen auch in den Theorien zur Begründung von Menschenrechten, oder allgemeiner, moralischen Rechten eine Rolle. 188
X. Funktionen des Begriffs „ein Recht" Bestimmte der vorhin genannten Bezeichnungen für Typen von Theorien über Rechte erinnern an bestimmte Funktionen, die dem Begriff „ein Recht" zugeschrieben werden. Folgende Funktionen von Rechten findet man in der gegenwärtigen Literatur unterschieden und erörert: Übertragung von Freiheit 1 und Schutz von Interessen - Rechte haben erstens die Funktion Freiheit 1 (liberty) oder Autonomie an die Rechtsinhaber zu übertragen, zweitens ihre Interessen, besonders ihre grundlegenden Interessen, zu schützen.189 Es wird argumentiert, dass beide dieser wichtigen Funktionen oft auch Funktionen eines einzelnen Rechts sein können. Wenn normalerweise nahezu alle Rechte diese Funktionen erfüllten, scheine es willkürlich, nur eine dieser Funktionen herauszugreifen und ihr definitorisches Gewicht zu geben.190 187 Vgl. White (1984), S. 112. White versucht den Unterschied zwischen Gründen von Rechten und Gründen von Evaluierungen zu charakterisieren. Im selben Abschnitt, mit der Überschrift „Title", erwähnt White zuvor eine Reihe weiterer, in der Praxis für gewöhnlich als möglich oder wirklich anerkannter Gründe verschiedener Arten von Rechten: (i) Ein Prinzip, (ii) eine Politik, z.B. wenn im Rahmen der Politik zum Schutz von Autokäufern ihnen gewisse Rechte gegeben würden (iii) eine Lizenz, (iv) einen Vertrag, ein Versprechen, eine Autorisierung, (v) eine moralische Situation, in der ein Subjekt sei, z.B. wenn ein Recht auf Bedürfnissen, Wünschen oder Verdiensten gründe, (vi) eine Tat oder ein Leiden des Subjekts, z.B. wenn ein Sieg den Eroberern gewisse Rechte gebe, (vii) ein vorausgegangenes Verhalten anderer, (viii) Charakteristika des Subjekts, z.B. seine Kompetenz, Fachkenntnis, Ehrlichkeit, (ix) die Position oder Rolle des Subjekts, z.B. als Vater etc. Vgl. ebd., S. 111 f., (und ferner S. 113, 172). 188 Zur Begründung der Menschenrechte vgl. unter anderem das Kapitel „Starting Points for Justifying Rights" in: Nickel (1987), S. 82-106. Dieses Kapitel besteht aus drei Abschnitten: (i) Klugheitsgründe, (ii) Moralische Gründe und (iii) Ableitung von Rechten aus anderen Rechten. Einen Überblick über verschiedene Theorien der Menschenrechte gibt Machan in (1983), S. 227-246. 189 Vgl. Martin (1998a), S. 328, und Martin, Nickel (1983), S. 212. Vgl. ferner Stoljar , der argumentiert, dass jedes Recht ein relevantes Maß an Freiheit2 impliziert. Vgl. Stoljar (1984), S. 94. 190 Diese Erkenntnis wird als Argument gegen bestimmte Auffassungen von Rechten ins Feld geführt (gegen Wellmans Auffassung, der Rechte als Komplexe Hohfeldscher Elemente versteht). Vgl. Martin (1998a), S. 328, bzw. Martin, Nickel (1983), S. 212.
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Es wird die Auffassung vertreten, dass es in Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen Verständnis von Rechten (wie es z.B. in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" von 1948 zu finden ist) am besten sein kann, wenn man drei Funktionen von Rechten hervorhebt. 191 Demgemäß bilde den zentralen Inhalt mancher Rechte eine Art zu Handeln (z.B. eine Freiheit 1, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten); im Kern anderer Rechte stehe eine Art behandelt zu werden, z.B. eine Nicht-Verletzung einer bestimmten Art oder, in anderen Fällen, die Vorkehrung für eine bestimmte Leistung. Übertragung von Herrschaft zur Lösung von Konflikten - Was vorhin mit den Begriffen „Freiheit 1" oder „Autonomie" implizit angesprochen wurde, wird in mancher Auffassung in der Definition eines Rechts an zentraler Stelle hervorgehoben: die Lösung von Willenskonflikten. So z.B. in der Auffassung, die ein Recht als einen Komplex Hohfeldscher Positionen versteht. Dieser Auffassung nach überträgt ein Recht, sofern es respektiert wird, einer Partei gegenüber einer zweiten Partei in einer möglichen Konfrontation Herrschaft - d.i. Freiheit2 (freedom) und Kontrolle - über einen bestimmten Bereich. 192 Anleitung (guidance) - Eine weitere Funktion von Rechten wird mit dem Begriff „Anleitung" oder „Steuerung" begriffen. Dabei wird zwischen einer primären und einer sekundären Anleitung unterschieden.193 Dies wird an einem konkreten Beispiel folgendermaßen illustriert: Die primäre Anleitung, die das Recht auf faires Gerichtsverfahren vorsehe, betreffe die Verfahren, die notwendig seien, um die Schluld oder Unschuld einer Person in einem Strafprozess festzustellen. Wenn jedoch die primäre Anleitung in einem bestimmten Fall gerechtfertigt oder ungerechtfertigt nicht erfüllt werde, könnte das Recht eine sekundäre Anleitung vorsehen, indem es erfordere, dass jede Verletzung auf eine bestimmte Weise geschehe oder dass der Rechtsinhaber auf eine bestimmte Art entschädigt werde. Rechte und kollektive Ziele - Ein Charakteristikum bzw. eine Funktion von Rechten wird im Vergleich zu kollektiven Zielen hervorgehoben. Eine Auffassung von Rechten sieht ihren Unterschied zu Zielen (goals) darin, dass erstere von verteilendem Charakter sind. 194 Ein politisches Recht sei ein individuierter politischer Zweck (aim), während ein Ziel ein nicht individuierter politischer 191
Vgl. Martin (1998a), S. 328. Vgl. Wellmans Definition eines Rechts in (1995), S. 9. Wellman verwendete in seiner Theorie zunächst den Begriff „ A u t o n o m i e " und erst später den Begriff „Herrschaft". Wellmans Auffassung eines Rechts wird genauer im Hauptteil dieser Arbeit erörtert. Dort werden auch weitere Charakteristika oder Funktionen des Begriffs „ein Recht" diskutiert, nämlich Stärke, Verteilung, Ansprucherheben, Schutz, Freiheit2 und Kontrolle. Wellmans Auffassung eines Rechts und seiner Funktion findet man kurz in Martin, Nickel (1983), S. 210 ff., erörtert und kritisiert. 193 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 215. 194 Vgl. Dworkin (1977), S. 90. 192
X. Funktionen des Begriffs „ein Recht"
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Zweck sei. 195 Rechte könnten dieser Auffassung nach nicht durch soziale Ziele aufgewogen werden. 196 Fokussierende Funktion - Ein weiteres Charakteristikum bzw. eine weitere Funktion von Rechten bzw. der Rede über Rechte wird durch einen Vergleich mit anderen normativen Begriffen, vor allem mit dem Begriff „Pflicht" zu erläutern versucht: die sogenannte fokussierende Funktion der Rede über Rechte. Diese findet man an einem Beispiel, dem Recht auf Gleichbehandlung, erläutert. 197 Ein Manifest der Frauenbewegung könnte unzählbare Pflichten der Männer, Körperschaften oder der Regierung in Bezug auf Frauen auflisten. Eine solche Liste würde eines Fokus ermangeln, auf den alle Pflichten zielten. 198 Die Rede über ein Recht auf gleiche Chancen fokussiere die Aufmerksamkeit auf das intendierte Gut. 1 9 9 Individuierende Funktion - Gegen den Einwand, dass natürliche Rechte zwecklos sind und keinen wirklichen Vorteil im Vergleich zu einem direkten Appell an relevante moralische Prinzipien bildeten, wird argumentiert, dass die Rede von Rechten im Vergleich zu moralischen Prinzipien den Vorteil hat, dass sie die relevanten moralischen Prinzipien feststellt: diese sind jene Prinzipien, die mit den Ansprüchen von Individuen als Individuen zu tun haben. 200 Rechte individuierten tatsächlich die spezifischen Interessen oder Beschwerden, die Individuen hätten: sie fokussierten auf diese Interessen und gäben ihnen den gerichtlichen Nachdruck (forensic emphasis), den sie erforderten. Ansprucherheben auf das , was einem geschuldet wird - Ein Versuch, die Funktion von Rechten zu charakterisieren, geht von einer hypothetischen Welt aus, in der es den Begriff eines Rechts nicht gibt. 201 Der Unterschied zu unserer Welt wird in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Ansprucherhebens 195
Vgl. Dworkin (1977), S. 91. Vgl. Dworkin (1977), S. 92. Eine kurze Charakterisierung der Theorie von Dworkin findet man z.B. bei Martin , Nickel (1983), S. 212, und Koller (1997), S. 172196
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Vgl. Brandt (1983), S. 44. In diesem Zusammenhang sei auch eine weitere Bemerkung aus der Literatur erwähnt. Stoljar weist, wie bereits erwähnt, darauf hin, dass Rechte eine charakteristische Allgemeinheit haben im Vergleich zur relativen Spezifität von Pflichten. Vgl. Stoljar (1984), S. 47. Das Recht auf Leib, Leben und Eigentum verlange, sofern es allgemein formuliert werde, einen viel längeren Katalog korrelativer Pflichten. 199 Mit Bezug auf das Verhältnis von Interessen und Rechten weist Brandt auf folgenden Punkt hin: Wenn wir, wie es in der Rede über Rechte der Fall ist, auf wichtige Interessen oder ihre notwendigen Bedingungen fokussierten, könnten wir uns in einer Art und Weise auf Verständnis und Sympathie stützen, die in der Rede über Pflichten und Verpflichtungen nicht möglich sei. Vgl. Brandt (1983), S. 44. Die Rede über Rechte könne Revolutionen auslösen, die Rede über Pflichten wohl kaum. 200 Vgl. Stoljar (1984), S. 75. 201 Vgl. Feinberg (1970), S. 249. Feinberg nennt diese Welt „Nowheresville". Vgl. ebd., S. 243. 198
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(claiming) gesehen: die Einwohner der erstgenannten Welt haben keinen Begriff dessen, was ihnen geschuldet wird. 202 Förderung des Respekts und der Würde - Der soeben genannten Auffassung nach ist ein Anspruch „eine Behauptung eines Rechts".203 Die Tätigkeit des Ansprucherhebens trägt zur Selbstachtung und Respektierung anderer bei und gibt der Vorstellung der persönlichen Würde eine Bedeutung.204 Die Funktion von Menschenrechten - In Bezug auf die Funktion und den Zweck von Menschenrechten wird behauptet, dass sie an die Organisation der Gesellschaft gebunden sind: sie sind grundlegende organisierende Prinzipien menschlicher Gesellschaften. 205 Die Ähnlichkeiten zwischen mancher Bezeichnung des Typs einer Theorie über Rechte und mancher Bezeichnung der Funktion eines Rechts rührt nicht zuletzt daher, dass die Erklärung bzw. Beschreibung der Funktion oder der Funktionen von Rechten eine zentrale Rolle in Theorien über Rechte bzw. den Definitionen von Rechten spielen.206
XI. Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten Existenz und Geltung von Rechten - Im Abschnitt über die Struktur des Begriffs „ein Recht" war von der rechtfertigenden Grundlage (justifying basis) eines Rechts die Rede. Diese spielt sowohl für die Existenz als auch für die Geltung und Anerkennung eines Rechts eine Rolle. Existenz und Geltung von Rechten stehen mancher Auffassung nach in Zusammenhang mit sozialen Normen. 207 Koller z.B. bemerkt, dass Rechte nicht selbständig existieren, sondern nur im Rahmen und aufgrund geltender sozialer Normen, d.i. entweder positiver Rechtsnormen oder aufgrund moralischer Vorstellungen oder Standards.208 Diese unterschieden sich durch den Modus ihrer Geltung. 209 Die Geltung positi202
Vgl. Feinberg (1970), S. 249. Vgl. Feinberg (1970), S. 250. 204 Vgl. Feinberg (1970), S. 257. Rechte zu haben, ermöglicht uns nach Feinberg, uns in einer grundlegenden Weise mit anderen gleich zu fühlen. Vgl. ebd., S. 252. Sich selbst als Rechtsinhaber vorzustellen bedeute, die minimale Selbstachtung zu haben, die notwendig sei, um die Liebe und Achtung anderer wert zu sein. 205 Vgl. Machan (1973), S. 33. 206 Die Beschreibung der Funktion eines Rechts wirft, am Rande bemerkt, bestimmte Fragen auf: z.B. in Bezug worauf sich die Funktion eines Rechts bestimmen lässt. Lässt sich ein Bezugspunkt im Rahmen der vorhin wiedergegebenen Beschreibung der Struktur eines Rechtsfinden (z.B. im Inhalt oder Gegenstand des Rechts)? Wenn Rechte jeglicher Art eine gemeinsame Funktion haben, in Bezug worauf wird diese dann bestimmt? 207 Hier wird aus Koller (1995), S. 51, referiert. Vgl. auch Koller (1992), S. 75. 203
XI. Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten
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ver Rechtsnormen setze die Möglichkeit ihrer Durchsetzung durch geregelten und autorisierten Zwang voraus, während die Geltung moralischer Standards auf freier Anerkennung beruhe. Diese Anerkennung könne faktisch sein, wie in der konventionellen Moral, oder auf vernünftige Erwägung zurückfiihrbar gedacht werden, wie in der rationalen Moraltheorie. Soziale Anerkennung - Der soeben genannte Aspekt Anerkennung (accreditation) spielt in der folgenden Erörterung der Existenz und Geltung von Rechten eine zentrale Rolle. Es wird darauf hingewiesen, dass kein wirklicher Konsens darüber besteht, ob Rechte, um Rechte zu sein, soziale Anerkennung erfordern. 210 Unter dem Aspekt Anerkennung findet man zwei Auffassungen unterschieden: (1) Die erste Auffassung, zu der sowohl die klassischen Theoretiker natürlicher Rechte als auch die Menschenrechtstheoretiker gehörten, tendiere zu betonen, dass Menschen unabhängig von der organisierten Gesellschaft, von sozialen Institutionen und daher jeglicher Form von sozialer Anerkennung und Wahrung (maintenance) Rechte hätten.211 In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass sich die Frage der Anerkennung von Rechten auch insofern stellt, als das Verfahren, um zu entscheiden, ob etwas ein Recht ist, nicht völlig geklärt ist. 212 Das Auftreten verschiedener Bedeutungen im Verständnis eines Rechts habe einen Grad an Mehrdeutigkeit in Behauptungen, dass ein Recht existiere, eingebracht. (2) Der zweiten Auffassung nach seien Rechte sozial anerkannte Praxen. Diese Auffassung gründe auf drei Behauptungen: (i) Erstens, dass die Vorstellung einer autoritativen Anerkennung (wenn nicht explizit, so zumindest implizit, wie sie durch das Verhal208 Ein weiterer bekannter Autor, der eine ähnliche Auffassung vertreten hat, ist Feinberg . Feinberg fasst Rechte als gültige Ansprüche auf. Vgl. Feinberg (1970), S. 255. Gültigkeit ist seiner Auffassung nach eine Begründung innerhalb eines Regelsystems. Ein legales Recht sei ein Anspruch, der kraft maßgebender (governing) Vorschriften offiziell anerkannt werde, ein moralisches Recht sei ein Anspruch, der kraft moralischer Prinzipien oder Prinzipien des aufgeklärten Gewissens anerkannt werde. Feinbergs Theorie wird kritisch von Martin in seinem Artikel „On the justification of Rights" analysiert. Vgl. Martin (1986), S. 156. 209 Vgl. Koller (1995), S. 51. 210 Vgl. Martin (1998a), S. 327. 211 Vgl. Martin (1998a), S. 327. Martin bemerkt, dass die eher übliche Charakterisierung, dass Rechte Ansprüche sind, als eine Art des Hervorhebens verstanden werden kann, dass ein Recht unabhängig davon gilt, ob es von der Gesellschaft oder der Person, gegenüber der der Anspruch erhoben wurde, anerkannt worden ist. 212 Martin bemerkt, dass das Vokabular der Rechte, im Besonderen der Menschenrechte eigentlich auf unterschiedlichen Stufen verwendet werden kann (may): auf (i) der eines bloßen Anspruchs, (ii) der einer Berechtigung (wo nur das „Anspruch auf bzw. zu"-Element wirklich feststeht), (iii) auf der eines gänzlich für gültig erklärten Anspruchs (für den man sowohl die Vorstellung eines gerechtfertigten „ A n s p r u c h s auf bzw. zu" als auch eines gerechtfertigten „Anspruchs gegenüber" jemandem hat) und schließlich (iv) der eines erfüllten oder erzwungenen Anspruchs (wo die angemessenen Maßnahmen, die zur Unterstützung oder Erfüllung des Anspruchs erforderlich sind, auch effektiv verwirklicht worden sind). Vgl. Martin (1998 a), S. 327.
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A. Einleitung
ten bewiesen werde) sowie der Förderung und Wahrung durch die Regierung Teil der Standardvorstellung von legalen Rechten sei, d.i. von Rechten, die nicht nur nominell seien, (ii) Zweitens sei es wünschenswert, wenn möglich, eine einheitliche, unzweideutige Bedeutung von „Rechten" zu haben, die geeignet sei sowohl legale als auch Menschen- (oder andere moralische) Rechte unter eine einzelne allgemeine Überschrift zu bringen. 213 (iii) Der dritte Punkt bestehe im Argument, dass alle moralischen Rechte so konstruiert werden könnten, sogar müssten, dass sie etablierte Praxen der Anerkennung und Wahrung umfassten. 214 Im Rahmen dieser zweiten Auffassung wären Menschenrechte als durch die Verfassung garantierte Rechte zu verstehen, die moralisch gültige Ansprüche verkörperten. 215 Existenz, Geltung und Anerkennung von Menschenrechten - In Bezug auf die Existenz, Geltung und Anerkennung der soeben angesprochenen Menschenrechte, auf die im Folgenden noch genauer eingegangen wird, findet man folgende Überlegungen. Einer Argumentation nach existieren Menschenrechte nur, wenn wirkliche (substantive) moralische Normen in irgendeinem Sinn existieren (oder wenn sie zumindest objektiv beschrieben werden können und man für sie argumentieren kann). 216 Dabei wird einerseits die Möglichkeit erwähnt, dass moralische Rechte und daher Menschenrechte existieren, selbst wenn die moralischen Normen konventionell oder kulturabhängig sind. Wenn aber Menschenrechte oder Menschenrechtsnormen ihre Rolle als internationale Standards der politischen Kritik erfüllen sollten, müsste eine solche konventionelle Moral Normen einschließen, die weltweit akzeptiert seien. Andererseits wird darauf hingewiesen, dass wenn solche Normen Geltung und Bedeutung für zukünftige Generationen in Gesellschaften haben sollen, die noch nicht existieren, diese Normen nicht nur konventionell sein können. Im Rahmen dieser Überlegungen wird argumentiert, dass viel von der Art abhängt, in der die Erörterung der kritischen Rechtfertigung von Rechten eingerichtet und durchgeführt wird. 217 In Bezug auf die soeben genannte kritische Rechtfertigung von Menschenrechten ist auch Folgendes zu bemerken. Oben war davon die Rede, dass die Geltung moralischer Standards auf vernünftiger Erwägung beruhen kann. Diese vernünftige Erwägung kann man als das zentrale Element der philosophischen Theorie der Normen im Bereich der Moral- und Rechtstheorie begreifen, die sich mit der argumentativen Erschließung der Gründe der Existenz und Geltung 213
Vgl. Martin (1998a), S. 327 f. Vgl. Martin (1998a), S. 328. 215 Vgl. Martin (1998a), S. 328 f. 216 Vgl. Martin (1998a), S. 329. 217 Martin erörtert im Rahmen obiger Überlegungen verschiedene Möglichkeiten, der Rechtfertigung von Menschenrechten. Dabei erörtert er die Unterscheidung zwischen wirklichen (actual) und kritischen Moralitäten sowie die Theorien von Mill, Rawls und Gauthier. Vgl. Martin (1998a), S. 329. 214
XI. Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten
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von Normen und Rechten befasst. In der gegenwärtigen, in der Tradition des Naturrechts stehenden Theorie moralischer Rechte und der Menschenrechte findet man Begründungsversuche, in denen nachzuweisen versucht wird, dass Existenz und Geltung bestimmter dieser Rechte nicht nur auf freier Anerkennung beruhen und auch nicht nur im Rahmen sozialer Normen, die in einzelnen Gesellschaften gelten, zu finden sind, sondern eher in dem Bereich zu suchen sind, auf den die soeben erwähnte Bezeichnung „vernünftige Erwägung" hinweist. Jedoch kann vernünftige Erwägung in unterschiedlichen Theorien zu unterschiedlich starken Resultaten führen: Sie kann zu plausiblen oder zu zwingenden Resultaten hinsichtlich der Existenz und Geltung von Menschenrechten füh218
ren. Die Frage nach der Existenz der Menschenrechte und nach dem Modus ihrer Geltung wird von manchen Autoren als normativ charakterisiert: sie weist auf jene Berechtigungen hin, die Erlasse und soziale Regulierungen anerkennen sollten, nicht oder nicht nur auf jene, die tatsächlich von ihnen anerkannt werden. 219 Das Kriterium zur Beantwortung dieser Frage ist dieser Auffassung nach nicht legal oder konventionell, sondern moralisch. 220
Unterschiedliche Begriffe der Existenz, Geltung und Anerkennung von Re ten - Die unterschiedlichen Bedeutungen von Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten zeigen sich in gewisser Weise auch im folgenden Beispiel einer Kontrastierung bestimmter legaler und moralischer Rechte, das man in diesem Zusammenhang erwähnen kann: Legale Rechte könnten möglicherweise nicht moralisch gerechtfertigt sein wie das frühere legale Recht, Sklaven zu besitzen; und moralisch gerechtfertigte Rechte könnten möglicherweise nicht sozial anerkannt und rechtlich erzwungen sein wie die Rechte von Frauen zu wählen und Eigentum zu besitzen.221 218 Ein Beispiel für ein Argument, dass die Annahme natürlicher Rechte als plausibel nachweist, ist das von Mack in (1977), S. 155. Mack argumentiert, dass insofern es plausibel ist, Zwang als das festzustellen, was (Rechte verletzende) unrechte Behandlung bildet, es gerechtfertigt ist, ein natürliches Recht gegen Zwang als das Recht anzuführen, das der moralischen Forderung zugrunde liegt, dass Versprechen gehalten werden sollen. - Ein Beispiel für eine Argumentation, die den Anspruch erhebt, die Existenz natürlicher Rechte zwingend nachzuweisen, ist die von Gewirth. Gewirth argumentiert, dass jeder Handelnde logischerweise behaupten oder akzeptieren muss, dass er und auch alle anderen zweckhaft Handelnden Rechte auf Freiheit2 und Wohlergehen haben als notwendige Bedingungen für ihre Handlung. Vgl. Gewirth (1986), S. 18. 219 Vgl. Gewirth (1982a), S. 42. - In ähnlicher Weise formuliert Sen in (1996), S. 155: Die Forderung zu Gunsten von moralischen Rechten sei eher, dass sie respektiert werden sollten , als dass sie tatsächlich in der geltenden Rechtsordnung respektiert seien. 220 Vgl. Gewirth (1982a), S. 42. 221 Vgl. Gewirth (1996), S. 10. - Sen bemerkt in (1996), S. 155: Die moralische Anerkennung von Rechten könne selbst dann wichtig sein, wenn diese Rechte in keiner Art und Weise rechtlich anerkannt seien.
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In diesem Zusammenhang ist auch auf die unterschiedlichen Bedeutungen von Existenz, Geltung und Anerkennung bei Menschen- und Grundrechten hinzuweisen. Menschenrechte werden z.B. als sittliche Maßstäbe charakterisiert, denen sich eine Rechtsordnung unterwerfen sollte, die Grundrechte dagegen als die Menschenrechte, insofern sie von einer gegebenen Rechtsordnung tatsächlich anerkannt werden. 222 Ihr Unterschied wird auch so charakterisiert, dass Menschenrechte den Menschen bloß als Menschen, die Grundrechte den Menschen als Mitglied eines konkreten Staatswesens betreffen. 223 1. Absolute versus prima facie Existenz bzw. Geltung von Rechten Eine Unterscheidung, auf die in diesem Zusammenhang gesondert hingewiesen muss, ist die zwischen absoluten und prima facie Rechten.224 Unter einem absoluten Recht wird ein Recht verstanden, das unter allen möglichen und nicht nur tatsächlichen (actual) Umständen besteht.225 Ein prima facie Recht ist hingegen ein Recht, das analog zu den prima facie Pflichten unter außergewöhnlichen Umständen überwogen werden kann. 226 222
Diese Beschreibung stammt von Höffe (1987), S. 462. Vgl. Höffe (1998), S. 51. Vgl. in diesem Zusammenhang unter anderem das Kapitel „Civil Rights" in Martin (1993), S. 98-126, das Kapitel „Three Basic Rights" in: Shue (1980), S. 11-78, den Abschnitt „Basic Rights and their Moral Direction" in: Stoljar (1984), S. 95-97, und Alexy (1994) sowie die darin angegebene Literatur. 224 Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 244 f. Wellman weist in seiner Erörterung dieser Unterscheidung darauf hin, dass sie hybrid sei, da sie die traditionelle Unterscheidung zwischen absoluten und mutmaßlichen (presumptive) Rechten und die neuere Unterscheidung zwischen wirklichen (actual) und prima facie Pflichten vermische. 225 Vgl. Wellman (1995), S. 244 f. - Gegen eine Auffassung, die Rechte als unbedingte und kompromisslose Erfordernisse (requirements) versteht, argumentiert z.B. Sen in (1996), S. 154. Sen argumentiert anhand von Beispielen für die Notwendigkeit, moralische Rechte in ein konsequentialistisches System einzubetten. Die politische und soziale Akzeptierbarkeit eines moralischen Rechts und seine Effektivität müssen seiner Ansicht nach zu einem beträchtlichen Grad von seiner Fähigkeit, überzeugend zu sein, abhängen. 226 Martin und Nickel weisen darauf hin, dass die Bezeichnung prima facie Rechte auf eine Unterscheidung von W. D. Ross zwischen prima facie Pflichten und Pflichten sans phrase zurückgeht. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 214. Auf Rechte angewandt, bedeute dies, dass ein Recht sans phrase immer das Ergebnis vorschreibe, das in Fällen befolgt werden sollte, auf die es Anwendung finde; ein prima facie Recht sei hingegen nur eines, das etwas in dieser Weise vorschreiben sollte, sofern nicht stärkere Überlegungen dazwischen kämen. Martin und Nickel erwähnen auch weitere Begriffe, mit denen verschiedene Autoren die Unvollständigkeit und Unbestimmtheit von Rechten bezeichnen. Vgl. ebd., S. 213 f. Ein Autor, auf den in der Erörterung von prima facie Rechten immer wieder verwiesen wird, ist Vlastos. (Vlastos sucht nach Gründen für unsere natürlichen Rechte, die die einzigen Gründe für gerechte Ausnahmen in speziellen Situationen sind. Vgl. (1970), S. 83 ff.) - Wellman weist darauf hin, dass Ross den Ausdruck „prima facie" in Bezug auf Pflichten eingeführt hatte, um Pflich223
XI. Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten
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Der prima facie Charakter moralischer Rechte und Menschenrechte beruht nach Auffassung mancher Autoren auf der Möglichkeit von Konflikten zwischen Rechten bzw. den mit ihnen korrelierenden Pflichten. 227 Andere Autoren sehen den prima-facie-Charakter moralischer Rechte darin, dass sie nicht nur unter bestimmten Umständen durch andere moralische Rechte, sondern auch durch andere moralische Überlegungen aufgehoben werden können.228 Mit der Beschreibung eines Rechts als prima facie wird angegeben, dass es nicht absolut ist und dass man nicht in der Lage ist, sein Gewicht vollständig zu spezifi229
zieren. Nach Ansicht von Martin und Nickel gehen heutzutage die meisten Philosophen wahrscheinlich davon aus, dass nahezu alle Rechte in diesem Sinn prima facie sind. Die genannten Autoren weisen darauf hin, dass zeitgenössische Philosophen versucht haben mit dieser Terminologie Kritiken an natürlichen Rechten oder Menschenrechten zu entkräften, die auf der unplausiblen Behauptung gründen, dass diese Rechte unter keinen Umständen überwogen werden können. 230 Ferner weisen die genannten Autoren darauf hin, dass der Begriff eines prima facie Rechts Philosophen plausible Interpretationen der Universalität und der Unbedingtheit der Menschenrechte erlaubt. Abschließend ist zu erwähnen, dass die Rede von prima facie Rechten in unterschiedlicher Weise kritisiert worden ist. 231
tenkonflikte zu erklären. Vgl. Wellman (1995), S. 246, und W. D. Ross (1930), S. 17 f., 28. Wellman erörtert in ebd., S. 251, die Frage, ob die Unterscheidung zwischen tatsächlichen (actual) und prima facie Rechten in der Erklärung wirklicher (real) Konflikte von Rechten weiterhilft. Vgl. Wellman (1995), S. 251. - Zu W. D. Ross und den prima facie Pflichten vgl. ferner Stoljar (1984), S. 48 f. - Zum Unterschied zwischen absolutistischer und die prima facie Auffassung in Bezug auf allgemeine Rechte vgl. z.B. Montague (1984), S. 365 ff. (Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien als Gründen: Prinzipien seien stets prima facie Gründe, während Regeln, wenn nicht eine Ausnahme zu statuieren sei, definitive Gründe seien. Vgl. Alexy (1994), S. 90, und Sieckmann (1995), S. 166.) 227 Vgl. z.B. Gewirth (1982a), S. 57. Gewirth versucht dort zu zeigen, inwiefern es Kriterien für die Aufhebung moralischer Rechte durch andere moralische Rechte gibt. Vgl. ebd., S. 58. Prima facie Rechte und Beispiele für Situationen, in denen Rechte konfligieren, erörtert Stoljar in: (1984), S. 98 f. Martin z.B. bemerkt, dass nichtinstitutionelle Rechte wie die natürlichen Rechte aus dem 17. und 18. Jhd., die Institutionen (agencies) ermangelten, die Rechte formulieren und harmonisieren könnten, notwendig konfligieren würden und insofern keine kohärente Menge bilden könnten. Vgl. Martin (1993), S. 124 f. 228 Vgl. z.B. Brandt (1983), S. 35. Vgl. ferner Vlastos , der nach Gründen für unsere natürlichen Rechte sucht, die die einzigen moralischen Gründe für gerechte Ausnahmen in bestimmten Situationen sind. Vgl. Vlastos (1970), S. 83. 229 Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 214. Nach Mackie reduziert sich das Gewicht eines Rechts mit der Entfernung der Sache, die es betrifft, von der Person, deren Recht es ist. Vgl. Mackie (1985), S. 177. 230 Vgl. Martin, , Nickel (1983), S. 221, Fußnote 15.
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Man findet auch die Frage erörtert, auf welchen Aspekt eines Rechts man sich bezieht, wenn man es als prima facie beschreibt.232 Dabei werden folgende Aspekte unterschieden: (i) Die Bedingungen für das Besitzen des Rechts, die spezifizierten, wer das Recht habe oder haben könne (und ob man auf es verzichten, ob es verwirkt, für ungültig erklärt, aufgegeben oder übertragen werden könne), (ii) die Reichweite oder den Bereich (scope) des Rechts, die bzw. der spezifiziere, wozu das Recht diene und in welchen Situationen es zu etwas diene, (iii) und das Gewicht eines Rechts, das eine teilweise oder volle Spezifizierung der Frage mit sich bringe, was in Konfliktfällen zwischen dem Recht und anderen Überlegungen getan werden solle. Ein Recht als prima facie zu beschreiben, bedeute etwas über sein Gewicht aber nicht über seine Reichweite oder die Bedingungen, die den Besitz desselben betreffen, etwas auszusagen. Die Bezeichnung prima facie Rechte werde notwendig sein, solange eine vollständige Spezifizierung ihres Gewichts nicht einigermaßen vollständig erreicht sei. 233
XII. Einteilung von Rechten nach normativen Gesichtspunkten Rechte existieren und gelten - als eine bestimmte Form oder Anwendungsform von Normen - aufgrund normativer Voraussetzungen. Normen unterscheiden sich theorieabhängig hinsichtlich des Grundes ihrer Geltung bzw. Gültigkeit. Im vorigen Abschnitt zur Existenz und Geltung von Rechten wurde auf zwei Arten von Normen Bezug genommen. Diese bilden ein zentrales Kriterium für die Unterscheidung und Einteilung von Rechten. Üblicherweise wer231
Ein Argument der Kritiker der Rede von prima facie Rechten lautet, sie lege fälschlich nahe, dass ein Recht, das durch stärkere Überlegungen aufgehoben sei, in so einer Situation aufhöre überhaupt ein Recht zu sein. Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 214. Man hat unter anderem darauf hingewiesen, dass in manchen Fällen, in denen ein Recht berechtigt verletzt worden ist, eine Pflicht entstehen kann, die geschädigte Person zu entschädigen. (Martin und Nickel verweisen hier auf H. Morris (1968), S. 499, und A. /. Melden (1972), S. 491). Dies legt nahe, dass obwohl das Recht berechtigt aufgehoben worden ist, es nicht zu existieren aufgehört hat, da sonst die Verletzung nicht eine daraus entstehende Pflicht zu entschädigen erzeugt hätte. [Martin und Nickel verweisen hier auf A. I. Melden (1972), H. J. McCloskey (1976) und J. J. Thomson (1977)]. - Eine kritische Auseinandersetzung mit der Auffassung von prima facie Rechten (insbesondere der Theorie von G. Vlastos) findet man in Machan (1973), (1976). 232 Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 214. Martin und Nickel erwähnen die folgenden Punkte im Rahmen folgender Bemerkung: Dass es nicht schwierig ist, den Begriff eines prima facie Rechts mit der Tatsache in Einklang zu bringen, dass ein Recht in jenen Fällen nicht einfach zu existieren aufhört, in denen es anwendbar ist, seine Vorschriften aber nicht befolgt werden. 233 Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 215. Martin und Nickel weisen darauf hin, dass es sich hier um eine Unbestimmtheit im Ergebnis in Konfliktfällen mit anderen normativen Überlegungen handelt.
XII. Einteilung von Rechten nach normativen Gesichtspunkten
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den Rechte nach ihren normativen Voraussetzungen prinzipiell in zwei große Klassen unterteilt: in legale 234 (gesetzliche) und moralische Rechte.235 Von den Unterschieden und Zusammenhängen zwischen Recht und Moral bzw. zwischen legalen und moralischen Rechten ist im Folgenden die Rede. Rechte werden in anderer Terminologie auch in positive und vor- oder überpositive Rechte unterteilt. Entscheidend ist dabei, dass erstere hinsichtlich ihrer Begründung auf einen positiven, rechtsetzenden Akt zurückgeführt werden, letztere unabhängig davon als existierend und gültig behauptet werden. Diese zwei Unterteilungen überschneiden sich zum Teil. Denn erstens können vorpositive bzw. natürliche Rechte als Subklasse moralischer Rechte 236 und zweitens legale Rechte als Subklasse positiver Rechte verstanden werden. Der Einteilung in positive und vorpositive Rechte entspricht großteils die Einteilung in institutionelle und nichtinstitutionelle Rechte, zumindest insofern, als der positive Akt die Existenz einer Institution voraussetzt. Der Unterscheidung zwischen institutionellen und nicht-institutionellen Rechten entspricht wiederum die Unterscheidung zwischen Rechten, die auf Konvention beruhen, und Rechten, die nicht darauf beruhen. 237 Eine detaillierte Einteilung verschiedener Arten von Rechten findet man z.B. bei Wellman. Seine Unterscheidung gliedert sich in zwei Hauptgruppen: institutionelle und moralische Rechte.238 Man findet in der Literatur auch andere Ein234
Der Ausdruck „legale Rechte" wird hier von Koller übernommen. Vgl. Koller (1995), S. 51. In (1997a), S. 252, verwendet Koller auch den Ausdruck ,juridische Rechte". Andere Autoren wie z.B. Riebold sprechen von gesetzlichen Rechten. Vgl. den Artikel „Recht", in: HWP, Bd. 8, S. 232. Im Artikel „Recht", in: EP, Bd. 3, S. 510, wird der Ausdruck «juristische Rechte" gebraucht. 235 Die Unterscheidung zwischen legalen und moralischen Rechten ist weitverbreitet. Man findet sie z.B. bei Martin (1998a), S. 327 f. Vgl. ferner den Artikel „Recht" von Riebold im HWP, Bd. 8, S. 232. Vgl. Koller (1992), S. 75. Vgl. auch Cranston (1987), S. 224 ff. 236 Dies gilt vor allem für den Gebrauch dieser Terminologie in der angloamerikanischen Literatur. 237 Wellman z.B. begreift konventionelle Rechte als Subklasse institutioneller Rechte. Vgl. Wellman (1985), S. 184. 238 Wellmans Unterscheidung in (1985), S. 184, sieht folgendermaßen aus: Rechte Institutionelle Rechte Rechte einer Organisation oder Körperschaft Legale Rechte Akademische Rechte Klub-Rechte etc.
Konventionelle Rechte
Rechte einer Moralität Rechte in Spielen Rechte der Etikette etc.
Moralische Rechte Rechte von Individuen
Menschenrechte Patientenrechte Bürgerrechte Kinderrechte etc.
Rechte von Körperschaften
Rechte eines Staates, eines Unternehmens, einer Wohltätigkeitsorganisation etc.
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A. Einleitung
teilungen.239 Was im Speziellen die Begriffe „moralisches", „natürliches Recht" und „Menschenrecht" betrifft, wird darauf hingewiesen, dass ihr Gebrauch nicht eindeutig ist. 2 4 0
XIII. Recht, Moral, Gerechtigkeit In der angloamerikanischen Philosophie wird üblicherweise analog zur Unterscheidung zwischen Moral und Recht die vorhin erwähnte Unterscheidung zwischen moralischen und legalen Rechten verwendet. 241 Diese Unterscheidung wird auch im deutschen Sprachraum verwendet. 242 Da von Rechten sowohl im Bereich des Rechts als auch in dem der Moral die Rede ist, stellt sich auch die Frage, ob Recht und Moral zwei voneinander unabhängige oder zusammenhängende Bereiche bilden. Die folgenden Bemerkungen erörtern diese Frage nicht systematisch, sondern thematisieren einige Aspekte, auf die man in der Literatur stößt. Ob sich Recht und Moral scharf voneinander trennen lassen oder in manchen Punkten Analogien bzw. Gemeinsamkeiten aufweisen, hängt letztendlich von der jeweiligen Theorie und den in ihr verwendeten Kriterien ab. Daraus dürften sich, sofern sich von solchen im Allgemeinen sprechen lässt, kulturkreis- oder sprachraumabhängige Unterschiede in der Auffassung über Zusammenhänge und Unterschiede dieser Normenmengen erklären lassen. Moral und Recht gehören zu den ältesten Gegenständen menschlichen Denkens und geben seit je her Anstoß zur Formulierung verschiedener Theorien. Inwiefern sich auf der einen Seite z.B. die Worte „morals", „ethics" und die damit verwandten der englischen Sprache von den entsprechenden der deutschen Sprache in Verwendung und Bedeutung gegenwärtig unterscheiden, entscheiden die Wörterbücher. 243 Im Bereich der Philosophie und der mit ihr verwandten Disziplinen erhalten diese Wörter innerhalb unterschiedlicher Theorien und Theorietypen 239 Seifert z.B. unterscheidet in (1992), S. 340, folgende Kategorien von Rechten: Menschenrechte, Naturrechte, apriorische Rechte und positive Rechte. Der Begriff „apriorische Rechte" stamme von Adolf Reinach. 240 Vgl. Finnis (1982), S. 198 f. Menschenrechte und natürliche Rechte werden üblicherweise als Subklassen moralischer Rechte begriffen. Pennock z.B. erörtert in (1981), S. 6 f., den Unterschied zwischen Menschenrechten und natürlichen Rechten. 241 Die Rede von moralischen Rechten ist im angloamerikanischen Sprachraum im Allgemeinen üblich. Menschenrechte werden als eine bestimmte Art von moralischen Rechten begriffen. Vgl. z.B. Pennock (1981), S. 6, oder Martin (1998a), S. 329. 242 Vgl. z.B. den Artikel „Recht", in: EP, Bd. 3, S. 510, Lohmann (1998), S. 63, oder Koller (1995), S. 51. 243 Hier wird die englische Sprache erwähnt, da die englischsprachige Literatur, eine dominante und maßgebende Rolle in der gegenwärtigen Diskussion auf dem Gebiet der Rechts-, Moral- und allgemeiner der praktischen Philosophie spielt. - Zu den Begriffen „ m o r a l i s c h " , „sittlich" und „ethisch" bemerkt z.B. Höffe, dass schon aus
XIII. Recht, Moral, Gerechtigkeit
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als Begriffe (Termini) - unterschiedliche Bedeutungen bzw. Konnotationen.244 Insofern müsste man, wenn man den Unterschied zwischen Moral und Recht erörtern will, um genau zu sein, auch angeben, welchen Begriff „Moral" bzw. „moralisch" man verwendet. Auf der anderen Seite gibt es auch, was die Unterscheidung zwischen Recht und Moral noch komplexer macht, verschiedene Auffassungen vom Recht, 245 wie es sich in verschiedener Hinsicht z.B. an der Unterscheidung zwischen positivem Recht und Naturrecht zeigt. 246 Insofern wird man nicht von dem oder allgemeiner einem Unterschied, sondern eher von etymologischen Gründen eine klare Unterscheidung Schwierigkeiten macht. Vgl. Höffe (1987), S. 55. 244 Im HWB, Bd. 6, S. 149-168, findet man einen Überblick über die verschiedenen Bedeutungen von „Moral, moralisch, Moralphilosophie" von der Antike bis zur Gegenwart. Dort ist z.B. zu lesen, dass in der gegenwärtigen Moralphilosophie sowohl der weite Begriff des Moralischen, der sich auf die Lebensführung bezieht, als auch der engere, demzufolge mit diesem Wort der Einschluss des Anspruchs der Mitmenschen in das eigene Bewusstsein gemeint ist, ihre Geltung behalten. Diese Bedeutungen deckten sich nicht mit denen der individuellen und der sozialen Moral. Vgl. ebd., S. 166. In der REP, Bd. 6, findet man im Artikel „Morality and Ethics" folgende Bemerkung: Moralität (bzw. Moral) sei eine distinkte Sphäre innerhalb des Bereichs des normativen Denkens über Handlung und Empfindung bzw. Gesinnung (feeling); der ganze Bereich bilde aber den Gegenstand der Ethik (ethics). Vgl. ebd., S. 564. Weitere Kriterien zur Einteilung unterschiedlicher Moraltheorien findet man im Artikel „Right and Good", in: REP, Bd. 8, S. 322-325. Dort wird die Rolle der Begriffe „richtig" und „gut" sowie ihre Relationen in verschiedenen Moraltheorien beleuchtet, wobei auf die Unterschiede zwischen deontologischen und konsequentialistischen Theorien sowie zwischen antiken oder modernen Moraltheorien eingegangen wird. Im Artikel „Practical Reason and Ethics", in: REP, Bd. 7, S. 613-620, werden Typen ziel- von Typen handlungsorientierter Argumentationen ethischer Theorien unterschieden und analysiert. Einen Überblick über verschiedene Moraltheorien seit Hume, die den Begriff des Sollens thematisieren, findet man im Artikel „Sollen", in: HWP, Bd. 9, S. 1026-1056. 245 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich manche Unterschiede in den Auffassungen von Recht und Moral daraus ergeben können, dass Rechtstheoretiker, Soziologen und Philosophen jeweils andere Aspekte akzentuieren. 246 Im Artikel „Recht", in: HWP, Bd. 8, S. 221, ist z.B. zu lesen, dass sich die verschiedenen Rechtssysteme nicht bruchlos als Teil einer allgemeinen Geschichte vom Verständnis des Rechts begreifen lassen: es gibt keine durchgehende inhaltliche Bestimmung dessen, was Recht ist. Im Artikel „Norms, Legal", in: REP, Bd. 7, S. 3841, werden verschiedene Typen von Rechtstheorien und eine Naturrechtstheorie im Rahmen der Frage, woher legale Normen rühren, erörtert. Dabei werden einerseits Rechtstheorien untersucht, in denen Praxen eine Rolle spielen, und andererseits solche, in denen Interpretation eine Rolle spielt. Im Artikel „Law, Philosophy of 4 werden Rechtstheorien nach folgenden Kriterien unterschieden und erörtert: Recht bzw. Gesetz als Vernunft, als Wille, als Brauch, Recht bzw. Gesetz und Werte und Recht im Rahmen der Politik. Vgl. ebd., Bd. 5, S. 464-468. Dabei werden verschiedene Formen des Rechtspositivismus und des Naturrechts unterschieden. Vgl. ferner den Artikel „Recht, positives; Rechtspositivismus", in HWP, Bd. 8, S. 233-241. Auch folgende Unterscheidung zweier Bedeutungskomponenten in der Rede vom „Recht" seien hier genannt: die nichtnormative, wonach „Recht" die Rechtsordnung, die Gesamtheit der Rechtssätze, die in einem staatlichen Bereich in Kraft sind, bedeutet, und die normative, wonach „Recht" das, was rechtens ist und verpflichtende Kraft hat, bedeutet.
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A. Einleitung
Unterschieden zwischen Recht und Moral sprechen müssen. Recht und Moral bilden vielschichtige, nicht vollständig abgrenzbare Themenkomplexe, zwischen denen sich je nach Aspekt und Fragestellung einerseits verschiedene Unterschiede, andererseits auch Zusammenhänge oder Analogien zeigen.247 Ein Aspekt, in Bezug auf den das Recht von der Moral unterschieden wird, ist der Zwang. 248 Einen weiteren Aspekt bildet die Frage nach Grund und Art der Geltung der jeweiligen Normen. Unter diesem Aspekt wird auf Seiten des Rechts meistens der Unterschied zwischen positivem Recht und Naturrecht diskutiert. Das Naturrecht bildet ein zentales Thema, in dem Ähnlichkeiten, aber auch Zusammenhänge zwischen Recht und Moral gesehen werden. 249 Die eine oder andere Formulierung in der Literatur erweckt, nebenbei bemerkt, den Anschein, als bestünde ein Unterschied im Verständnis des Naturrechts: es gibt deutschsprachige Autoren, die es eher dem Recht, und englischsprachige Autoren, die es eher der Moral zuordnen. 250 Ein Autor, der sich zum Gebrauch des Vgl. Kutschera (1982), S. 188. Kutschern bemerkt, dass sich Recht im nichtnormativen Sinn immer problematisieren lässt. 247 Was z.B. die „Vielschichtigkeit" des Rechts betrifft, so kann man z.B. auf den Artikel „Recht", in: HWP, Bd. 8, verweisen. Dort ist, auf S. 221 zu lesen, dass im juristischen Denken, das für „Recht" Charakteristische häufig im Vergleich mit verwandten oder gegensätzlichen Phänomenen entwickelt wird. Als Gegenüberstellungen werden angeführt: Recht und Religion, Natur, Gerechtigkeit, Gewohnheit, Wahrheit u. a. Die Komplexität des Gegenstandes „Recht" und der mit ihm einhergehenden Fragestellungen wird auch in den Artikeln „Rechtslehre", „Rechtsphilosophie" und „Rechtstheorie" erörtert. Vgl. ebd. Was die Zusammenhänge zwischen Recht und Moral angeht: Ein Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich z.B. in der Beschreibung des Gegenstandes der Rechtsphilosophie im gleichnamigen Artikel, in: EP, Bd. 3, S. 511. Sie sei ein Teil der praktischen Philosophie, die für den Bereich des öffentlichen und privaten Rechts die Frage nach der etiüschen Begründbarkeit des Geltungsanspruchs des aufgrund staatlicher Rechtsetzungsakte faktisch geltenden (positiven) Rechts untersucht. Eine Theorie, in der sich Zusammenhänge bzw. Analogien zwischen Moral und Recht hinsichtlich des Begriffs „ein Recht" zeigen ist z.B. die von Wellman, die im Hauptteil dieser Arbeit erörtert wird. Zu den Zusammenhängen zwischen Recht und Moral vgl. ferner den Artikel „Law and Morality", in: REP, Bd. 5, S. 438 ff. Dort werden zwei Traditionen unterschieden: die des Naturrechtsdenkens und die liberale. 248 So wird das Recht als das in einem sozialen System geltende Regelsystem verstanden, dessen Normen gegebenenfalls auch zwangsweise in einem geregelten Verfahren durchgesetzt werden können. Durch diesen Zwangscharakter unterscheide sich das Recht von anderen Ordnungen des sozialen Zusammenlebens wie Brauch, Sitte, Konvention und Moral. Vgl. GG, Bd. 5, S. 231. In dieser Definition wird auf Hart (1961) verwiesen. Vgl. ferner auch die im Folgenden genannten Unterschiede zwischen legalen und moralischen Rechten. 249 Z.B. wird im Artikel „Norms, Legal", in: REP, Bd. 7, die Frage, woher legale Normen rühren, am Beispiel verschiedener Rechtstheorien sowie der Naturrechtstheorie von J. Finnis thematisiert, in der legale Normen als Verkörperungen moralischer Normen (legal norms instantiate moral norms) verstanden werden. Vgl. ebd., S. 40. 250 So liest man z.B. im Artikel „Naturrecht" von Karl-Heinz Ilting, in: GG, Bd. 4, S. 245: „Unter »Naturrecht4 versteht man gemeinhin das System rechtlicher Normen, die für alle Menschen als Vernunftwesen, auch ohne und im Konfliktfalle sogar gegen
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Begriffs „Recht" und damit auch zum Unterschied und Zusammenhang zwischen den Begriffen „Recht" und ,,Moral" (in den verschiedenen Sprachen) im Rahmen der Frage, ob es natürliche Rechte gibt - konkret äußert, ist H. L. A. Hart: Den Worten „droit, „diritto" und „Recht" entspreche keine einfache englische Übersetzung, sie schienen englischen Juristen, unbestimmt zwischen Recht (law) und Moral zu schweben. Sie markierten jedoch einen bestimmten Bereich der Moralität (die Moralität des Rechts), die durch die „Begriffe" „Gerechtigkeit", „Fairness", „Rechte" und „Verpflichtung" besetzt sei. 251 Man kann davon ausgehen, dass die ausschlaggebenden Gründe solcher begrifflicher bzw. semantischer Unterschiede in den Theorien über Recht und Moral zu finden sind, die im jeweiligen Sprachraum dominieren oder dominiert haben.252 Eine im deutschen Sprachraum maßgebende philosophische Tradition geht auf Kant zurück. Kant markiert den Unterschied zwischen Moral und alle positiven, insbesondere staatlichen Gesetze und Weisungen, überall und jederzeit verbindlich gilt." Im Kontrast dazu schreibt z.B. John Finnis in seinem Artikel „Natural law" in: REP, Bd. 6, S. 685: Der Term „Recht" in der Phrase „Naturrecht" (natural law) beziehe sich auf Standards desrichtigenWählens, Standards, die normativ seien, d.i. rational leitend und „verbindlich" (obligatory), weil sie wahr seien und eine Wahl, die mit ihnen nicht übereinstimme, unvernünftig sei. Die Bedeutung des Terms „Natur" (natural) erörtert Finnis hinsichtlich seiner nicht-positiven und objektiven Bedeutung. Er bemerkt dann, dass nicht jede nicht-skeptische Ethik angemessen eine Naturrechtstheorie genannt werden kann. Daraufhin zeigt er, dass sich Naturrechtstheorien von der umfassenderen Menge kognitivistischer oder objektivistischer ethischer Theorien auf vier Arten unterscheiden. Vgl. ebd., S. 686. Aber auch in der deutschsprachigen Literatur findet man Auffassungen des Naturrechts, in denen auf moralische Elemente Bezug genommen wird. Vgl. z.B. mit Bezug auf Kant Höffe (1987), S. 109; ferner Kutschera (1982), S. 189 f. Einen Einblick in das Bestreben Recht und Moral innerhalb des Bereichs des Naturrechts zu trennen gewährt der philosophiehistorische Artikel „Pflichten, unvollkommene, vollkommene", in: HWP, Bd. 7, S. 434-439. 251 Vgl. Hart (1955), S. 177 f. - Höffe , um ein weiteres Beispiel zu diesem Punkt zu nennen, schreibt in seiner Auseinandersetzung mit J. St. Mill und dem Utilitarismus: Zu Recht weise er (sc. Mill) auf den Zusammenhang hin, der in den europäischen Sprachen zwischen „gerecht" (,just") und „law", also Recht und Gesetz, bestehe. Vgl. Höffe (1990), S. 166. Er verenge aber diesen Zusammenhang, wenn er das Recht auf die positive Geltung („positive law") einschränke. Denn sowohl das lateinische Austum" als auch das griechische „dikaion" bezeichneten mehr als die positive Setzung. Etymologisch noch deutlicher schwinge in „Recht", „right" und „droit" ein Aspekt normativer Richtigkeit mit. „Recht" bedeute ursprünglich nicht nur die positive Geltung, sondern auch die Richtigkeit des Geltenden. 252 Was die Moraltheorien betrifft, so verweisen manche Autoren z.B. auf die Rolle des Utilitarismus im englischen Sprachraum und auf eine Abneigung gegen diese theoretische Position im deutschen Sprachraum. Vgl. z.B. Höffe (1990), S. 153 f. Im Artikel „Law and Morality", in REP, Bd. 5, S. 439, ist zu lesen, dass J. S. Mills „On Liberty" in den Englisch sprechenden Ländern den stärksten Einfluss ausgeübt hat. Als Gegenposition zum Utilitarismus wird oft die Kantische Philosophie genannt. Vgl. z.B. Höffe (1995), S. 154, oder Wellman (2002b), S. xii. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Theorien liegt darin, dass erstere als teleologisch (bzw. konsequentialistisch) letztere als deontologisch begriffen wird.
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A. Einleitung
Recht und der Beschaffenheit ihrer Normen, begrifflich gesehen, sehr tief greifend, indem er z.B. unterschiedliche Aspekte von Handlung und unterschiedliche Begriffe „Freiheit" berücksichtigt,253 womit Unterschiede in der Art der Verbindlichkeit und der Befolgung der jeweiligen Normen einhergehen.254 Kant hat in dieser Hinsicht eine klare Trennung zwischen Recht und Moral vorgenommen.255 Innerhalb der an Kant anknüpfenden philosophischen Tradition findet man gegenwärtig Theorien, die einen bestimmten Zusammenhang von Recht und Moral sehen, dem sie in Begriffen wie „Rechtsethik" bzw. „moralischer Rechtsbegriff 4 Ausdruck verleihen. 256 Mit dem vorhin erwähnten Thema Naturrecht ist ein weiteres verwandt: die Menschenrechte. Auch hier zeigen sich Zusammenhänge zwischen Moral und Recht. Habermas z.B. spricht von einem Janusgesicht der Menschenrechte, das gleichzeitig der Moral und dem Recht zugewandt ist; ungeachtet ihres moralischen Inhalts hätten sie die Form juristischer Rechte.257 Auch beim Thema
253 In der Moral nimmt Kant auf das Prinzip des Wollens in der Handlung Bezug vgl. z.B. Kant (1933), „Erster Abschnitt", S. 17 f. [399 f.] - , im Recht auf die äußere Handlung, d.h. die Handlung einer Person im Verhältnis zur Freiheit anderer Personen, vgl. z.B. Kant (1922), „Einleitung in die Rechtslehre", §§ B, C, S. 34 f. [230 f.]. Ferner nimmt er in der Moral auf die Willensfreiheit - vgl. z.B. Kant (1933), „Dritter Abschnitt, Der Begriff der Freiheit", S. 74 f. [446 f.] - , im Recht auf die Handlungsfreiheit Bezug, vgl. z.B. Kant (1922), „Einleitung in die Metaphysik der Sitten, I.", S. 15 [214], „Einleitung in die Rechtslehre", §§ B, C, S. 34 f. [230 f.]. Neben diesen Begriffen spielen auch zahlreiche andere in Kants Theorie eine Rolle. 254 Hiermit ist einfach der Unterschied in Bezug auf den inneren Bestimmungsgrund des Willens (in heutiger Terminologie: das Motiv) in der Befolgung einer Norm gemeint. Dieser spielt in Kants deontologischer Moral eine zentrale Rolle, im Recht aber nicht. Bei Kant unterscheidet sich das allgemeine Rechtsgesetz und die mit ihm einhergehende Forderung an den Handelnden vom Moralgesetz und der mit ihm einhergehenden Forderung. Vgl. Kant (1922), „Einleitung in die Metaphysik der Sitten, III. Von der Einteilung einer Metaphysik der Sitten", S. 20 ff. [218 ff.] bzw. „Einleitung in die Rechtslehre", § C, S. 35 ff. [230 ff.]. Der Unterschied zwischen Rechtspflicht und Tugendpflicht liege in der Verschiedenheit des Verhältnisses des Willens zum Gesetz. Vgl. den Artikel „Rechtspflicht", in HWP, Bd. 8, S. 311, und den Artikel „Rechtsphilosophie", in: EP, Bd. 3, S. 512. 255 Neben Kant findet man eine klare Trennung zwischen Recht bzw. Gerechtigkeit und Moral auch bei vielen anderen Autoren. Mill z.B. unterscheidet zwischen Moral und Gerechtigkeit anhand der Unterscheidung zwischen vollkommenen und unvollkommenen Pflichten. Vgl. Mill (1985), S. 85 ff. 256 Höffe setzt sich in (1990) mit Kants Rechtslehre auseinander und setzt an einer Stelle die Einheit von Recht und Moral der Trennung derselben entgegen. Vgl. ebd., S. 67. Er skizziert ein Argument gegen eine Rechtstheorie ohne Ethik und bemerkt, dass es für das Recht zwei verschiedene Ideen von Objektivität gibt. Vgl. ebd., S. 73 f. Neben der positiven Objektivitätsidee, der Geltung, gebe es als normative Objektivität die in einer Rechtsethik behandelte Idee der Rechtsmoral. Vgl. ferner Höffe (1987), S. 108. Die Rechtsmoral bildet seiner Terminologie nach einen Teil der Sittlichkeit; den anderen, davon zu unterscheidenden Teil, bildet das sinnerfüllte Leben. Vgl. Höffe (1998), S. 81. Vgl. ferner den Abschnitt „Glück oder Freiheit: die zweite Grundfrage der politischen Anthropologie" in: Höffe (1987), S. 300 ff.
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Menschenrechte könnte man den Eindruck gewinnen, dass im angloamerikanischen Raum eine Tendenz besteht, ihnen einen anderen Ort zwischen Moral und Recht einzuräumen als im deutschen.258 Eindrücke können aber nur den Anstoß zu einer näheren Untersuchung geben und man kann auch hier davon ausgehen, dass die zugrunde gelegten Theorien die Kriterien liefern, mit denen sich Eindrücke bestätigen bzw. widerlegen lassen. Am Rande sei erwähnt, dass die Trennung von Recht und Moral bzw. Ethik auch im interkulturellen Diskurs über Menschenrechte ein Thema bildet. 259 Zusammenhänge zwischen Recht und Moral zeigen sich ferner beim Thema Gerechtigkeit (justice). Wie Recht und Moral bildet auch Gerechtigkeit eines der ältesten Themen menschlichen Denkens und auch hier gibt es eine Fülle von Bedeutungen.260 Der Zusammenhang zwischen moralischen Rechten und 257
Vgl. Habermas (1999a), S. 216. Habermas sieht den Unterschied zwischen Recht (law) und Moralität (Morality) folgendermaßen: Während moralische Normen uns primär sagten, was wir tun sollten und was wir einander schuldeten, sei das moderne Recht in erster Linie zur Verteilung individueller Freiheiten entworfen. Vgl. Habermas (1999), S. 330 f. Die Legitimität des Rechts dürfe nicht moralischer Gültigkeit angeglichen werden, noch sollte das Recht komplett von der Moralität getrennt werden. Das Recht sei am Besten als ein funktionales Komplement einer schwachen posttraditionellen Moralität zu verstehen, die jenseits aller Institutionalisierung nur im Gewissen des Einzelnen wurzle. Vgl. dazu auch Habermas (1992), S. 106, 135 ff., 152. - Höffe verwendet eine zum Teil variierende Terminologie. In (1979), S. 8, bezeichnet er die Menschenrechte, sofern sie nicht staatlich gewährleistet sind, als bloß universal gültige sittliche Forderungen, in (1990), S. 51, als Teil einer universalistischen Moral, der Rechtsmoral, bzw. als juridische und zugleich überpositive, moralische Rechte, vgl. ebd., S. 51. Vgl. auch (1990), S. 49, 246, bzw. (1998), S. 51. 258 Man könnte einen Unterschied zumindest in der Terminologie sehen, wenn man z.B. Habermas' zuvor erwähnte Auffassung von Menschenrechten mit der gängigen angloamerikanischen Auffassung vergleicht, in der Menschenrechte in der Regel als Unterart moralischer Rechte verstanden werden. Pennock z.B. bemerkt in seiner Erörterung der Beschaffenheit der Menschenrechte, dass Rechte moralische Begriffe seien, die ihren Ort nur in einem System der Moral hätten. Vgl. Pennock (1981), S. 6. Martin bemerkt, dass die Normen, die Menschenrechte konstituierten oder unterstützten, moralische Normen seien. Vgl. Martin (1998), S. 329. Folglich können Menschenrechte, so Martin, nur existieren, wenn wirkliche (substantive) moralische Normen in irgendeinem Sinn existieren. 259 Habermas z.B. schreibt mit Hinweis auf die Wiener Menschenrechtskonferenz: Den Kern der Debatte bilde die These, dass die alten Kulturen Asiens (wie auch die Stammeskulturen Afrikas) eine scharfe Trennung von Recht und Ethik nicht kennen. Vgl. Habermas (1999a), S. 220. 260 Im Artikel „Gerechtigkeit", in: EP, Bd. 1, S. 745-748, werden die verschiedenen Bedeutungen und Aspekte des Begriffs „Gerechtigkeit" erörtert, die im Rahmen verschiedener Theorien zum Tragen kommen. Im Rahmen der Erörterung der objektiven Bedeutung von Gerechtigkeit als Idee oder Prinzip, das den Beurteilungsmaßstab für Handlungsnormen - für politische Verfassungen, rechtliche Gesetze, soziale Regeln - bildet, wird der bzw. ein Zusammenhang zwischen Moral und Recht in Form folgenden Problems thematisiert: Wie die Leitvorstellungen, die mit den allgemeinen (ethischen) Überlegungen entwickelt würden, auf die soziale Realität, d.i. auf Verfassungen, Gesetze und Regeln, angewendet werden könnten. Vgl. ebd., S. 745. Ein Zu-
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Gerechtigkeit wird unter anderem in folgender Weise gedacht: Die Idee der Menschenrechte ist nach Auffassung mancher Autoren eines der wichtigsten Prinzipien der Gerechtigkeit und wird mit dem Utilitarismus kontrastiert. 261 Es wird behauptet, dass Argumente für Menschenrechte manchmal identlisch sind mit den Argumenten für verteilende Gerechtigkeit oder zumindest im Kontext von Argumenten für verteilende Gerechtigkeit unterbreitet werden. 262 Nach Auffassung anderer Autoren gibt es keine einzelne einfache Relation zwischen sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten; Rechte könnten nicht in Form von Gerechtigkeit und Gerechtigkeit nicht in Form von Rechten definiert werden; 263 es gebe aber eine Anzahl gesonderter und beschränkter Relationen: Manche, sammenhang zwischen Recht und Moral wird auch im Artikel »Justice, Equity and Law" angesprochen. Im Abschnitt „Positive law and justice" dieses Artikels wird Gerechtigkeit im weitesten Sinn so verstanden, dass sie sich auf jene moralischen Erfordernisse beziehe, die auf jeden interpersonellen Kontext Anwendungfinden. Es wird auf die weitverbreitete Ansicht hingewiesen, wonach positive Gesetze ungerecht bzw. moralisch fehlbar sein können. Vgl. REP, Bd. 5, S. 147 f. Vgl. ferner auch den Artikel »Justice", in: ebd., S. 141-147. Zu den verschiedenen Begriffen von und Aspekten der Gerechtigkeit vgl. z.B. Kutschera (1982), S. 152-169. Zu den Bedeutungen von Gerechtigkeit von der Antike bis zur Gegenwart, vgl. HWP, Bd. 3, S. 329-338. Zum Thema politische Gerechtigkeit vgl. Höffe (1987). 261 Höffe kontrastiert insofern die Idee der Menschenrechte mit dem Utilitarismus, als Menschenrechte im Namen eines größeren Kollektivwohls nicht verletzt werden dürfen. Vgl. z.B. Höffe (1987), S. 398, bzw. (1990), S. 156. In (1987), S. 404, spricht er vom Menschenrechtscharakter der natürlichen Gerechtigkeit. Vgl. dagegen z.B. Lyons , der zu zeigen versucht, inwiefern Mills Utilitarismus den Gedanken universaler Menschenrechte zulässt. Vgl. Lyons (1989), S. 212. 262 Vgl. Gewirth (1986), S. 5. Gewirth untersucht in ebd., S. 5-10, verschiedene solcher Argumente. Er bemerkt, dass gemäß einer der traditionellsten Definitionen der Gerechtigkeit, diese darin besteht, jeder Person das zu geben, was ihr gebühre (is due to), und dies sei in hohem Maße damit äquivalent, jeder Person das zu geben, worauf sie ein Recht habe. Insofern seien Rechte der wesentliche Inhalt dessen, das gemäß vielen Auffassungen von Gerechtigkeit, an Personen verteilt werden sollte. Ein weiterer Autor, der sich mit dem Zusammenhang zwischen distiributiver Gerechtigkeit und Menschenrechten befasst, ist Vlastos. Er erörtert die Frage, ob die Doktrin der natürlichen Rechte einen Ort für Maximen distributiver Gerechtigkeit hat. Vgl. Vlastos (1970), S. 79. Vlastos formuliert an einer Stelle, dass ein egalitaristischer (equalitarian) Begriff der Gerechtigkeit dann und nur dann gerechte Ungleichheiten ohne Widerspruch zulassen kann, wenn er Gründe für gleiche Menschenrechte liefert, die auch Gründe für ungleiche Rechte anderer Art sind. Vgl. ebd., S. 84. 263 Zu diesem Schluss kommt Wellman, in: (1997), S. 198, nachdem er den Zusammenhang zwischen sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten anhand bestimmter Argumente untersucht: Hugo Grotius definiere „ein Recht" durch Gerechtigkeit. Vgl. ebd., S. 188. Mills Überlegung sei, dass Gerechtigkeit in Form von Rechten definiert werden könne. Vgl. ebd., S. 190. Gregory Vlastos behaupte, die Relation zwischen sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten sei, dass die egalitaristische (equalitarian) Gerechtigkeit in erster Linie auf gleichen Menschenrechten gründe. Vgl. ebd., S. 193. Die Ansicht, dass Menschenrechte vielleicht auf sozialer Gerechtigkeit gründeten, werde bei John Rawls schwach angedeutet, und Rex Martin habe die Art erklärt, in der Menschenrechte in sozialer Gerechtigkeit im Rahmen einer Rawlschen Theorie auf sozialer Gerechtigkeit begründet werden könnten. Vgl. ebd., S. 195 f.
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obwohl nicht alle Menschenrechte seien aufgrund ihres spezifischen Inhalts in Form von Gerechtigkeit definiert. 264 Die hier kurz angesprochenen Themen Naturrecht, Menschenrechte und Gerechtigkeit bilden nur einige, der Knotenpunkte, in denen sich unterschiedliche Zusammenhänge und zum Teil auch Unterschiede zwischen Moral und Recht erkennen lassen.265 Einen differenzierteren Einblick in ihr komplexes Verhältnis kann nur eine genauere Untersuchung ermöglichen.
XIV. Unterschiede zwischen den zwei Hauptklassen von Rechten Wie vorhin erwähnt, überschneiden sich zum Teil die Unterscheidungen zwischen positiven und vorpositiven Rechten einerseits und zwischen legalen und moralischen Rechten andererseits. Da man beide in der Literatur erörtert findet, seien hier beide kurz erwähnt. 1. Zum Unterschied zwischen vorpositiven und positiven Rechten Eine kurze Charakterisierung positiver und vorpositiver oder natürlicher Rechte und ihres Unterschieds findet man bei Stoljar. 266 Ein positives Recht sei eines, das in einer „literarischen" („literary") Quelle enthalten sei. Damit seien jene Quellen gemeint, die, gleichgültig, ob es sich dabei um eine mündliche Tradition oder ein geschriebenes Gesetz handle, von den Institutionen als autoritativ anerkannt würden. Ein natürliches Recht hingegen entbehre dieser institutionellen Dimension, sei also weder rechtlich durchsetzbar noch Teil einer bestehenden Praxis oder eines bestehenden Brauchs, noch rühre es aus einer autoritativen Quelle.
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Zu diesen Menschenrechten zählt Wellman das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren (to fair trial), allgemeiner, das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren (due process) und wahrscheinlich das Recht auf Gleichbehandlung (equal treatment). Vgl. Wellman (1997), S. 198. 265 Neben dem Begriff „Gerechtigkeit" spielen z.B. Begriffe wie „Gleichheit" und „Freiheit" in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Stoljar z.B. bemerkt, dass die Begriffe „Gleichheit" und „Freiheit2" genauso im Kern der Gerechtigkeit wie im Zentrum der natürlichen Rechte zu liegen scheinen, weil sie im einen wie im anderen Fall unseren moralischen Diskurs über Handlungen in Bezug auf andere Personen bestimmen. Vgl. Stoljar (1984), S. 89. Stoljar erörtert auch die Frage, wie Rechte ungleich sein und dennoch Rechte sein können. Vgl. ebd., S. 72 f. 266
Vgl. Stoljar (1984), S. 74.
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2. Unterschiede zwischen moralischen und legalen Rechten Unterschiede zwischen legalen und moralischen Rechten liegen nach Auffassung mancher Autoren in folgenden Punkten:267 (1) In der Begründung der Befugnis, ein Recht einzuklagen. Während ein moralisches Recht als begründet gelte, wenn es eine korrespondierende moralisch gebotene Pflicht gebe, die ihrerseits als begründet gelte, gelte ein legales Recht als begründet, wenn es Bestandteil der positiven Ordnung sei, die als ganze Legitimität beanspruchen könne. 268 (2) Hinsichtlich der Träger der Rechte: Während Träger von universellen moralischen Rechten alle moralischen Subjekte und Träger spezieller Rechte (z.B. der Rechte von Kindern auf besondere Fürsorge durch ihre Eltern) besondere moralische Subjekte seien, seien bei legalen Rechten die Träger immer Mitglieder des jeweiligen Rechtssystems. (3) Hinsichtlich der Sanktionen. Bei moralischen Rechten könnten sie als intern angesehen werden, da sie voraussetzten, dass eine betreffende Moralauffassung von den Beteiligten geteilt werde. Bei moralischen Rechten seien die Sanktionen Gefühle wie Empörung, Schuld und moralische Scham, die in moralischem Missbilligen und Tadeln zum Ausdruck kämen. 269 Bei legalen Rechten seien die Sanktionen vornehmlich extern, die unabhängig von den jeweiligen Überzeugungen der Beteiligten wirken könnten, z.B. Strafandrohungen. (4) Hinsichtlich der Instanz, bei der Rechte eingeklagt werden könnten. 267 Die folgenden vier Unterschiedefindet man bei Lohmann (1998), S. 65 ff., erörtert. Lohmann begreift im Anschluss an Feinberg Rechte als spezifisch qualifizierte Ansprüche einer Person X auf etwas gegenüber einer anderen Person Y, der eine korrespondierende Pflicht zukommt. Rechte seien Elemente eines (moralischen oder legalen) Normensystems und unterschieden sich dadurch von beliebigen Ansprüchen, dass der Rechtsinhaber die korrespondierende Verpflichtung einklagen könne. Dieses Können werde durch eine (Macht-)Befugnis gestützt, die bei Nichterfüllung des Rechtsanspruchs Sanktionen in Kraft setze, durch die gegebenenfalls ein Recht durchgesetzt werden könne. 268 Vgl. Lohmann (1998), S. 66. Habermas sieht z.B. einen Unterschied zwischen moralischen und legalen Rechten darin, dass erstere aus moralischen Pflichten begründet werden, die den Willen autonomer Wesen binden, Rechtspflichten hingegen sich erst in der Konsequenz von Berechtigungen zu willkürlichem Handeln, und zwar aus der gesetzlichen Einschränkung dieser subjektiven Freiheiten ergeben. Vgl. Habermas (1997), S. 224 - wo er auf die Analysen von H. A. Bedau und H. Shue verweist bzw. Habermas (1999), S. 331. - Höffe bemerkt, dass beim ethischen Prinzip des Christentums, der Nächstenliebe, (oder in anderer Form: der Brüderlichkeit, Solidarität, des Wohlwollens), der Impuls zur Wahrnehmung der Pflicht vom Helfenden ausgehe, bei den Menschenrechten hingegen vom Adressaten der Hilfe; wer Menschenrechte beanspruche, trete nicht als Bittsteller, sondern als Anspruchsberechtigter auf. Vgl. Höffe (1992), S. 18. Diesen Punkt über die Priorität von Pflichten bzw. Rechten schneidet in seiner Erörterung der Entwicklung des Naturrechts auch G. Ellscheid im Artikel „Naturrecht" an, in: HPG, Bd. 4, S. 976. 269 Hier orientiert sich Lohmann an Tugendhats Theorie und verweist auf Tugendhat (1993), S. 339 f.
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Diese sei bei legalen Rechten eine besondere Klageinstanz, die auch über Durchsetzungsmacht verfüge. Bei moralischen Rechten hingegen fehlte eine solche besondere Instanz. 270 Daher sei es unklar, welche Bedeutung hier das Charakteristikum der Einklagbarkeit von Rechten habe. Könnten Träger moralischer Rechte ihren entsprechenden Ansprüchen nur appellativ Durchsetzung verschaffen, so verändere sich auch der Charakter des Rechts selbst; es scheine zu einem moralisch gestützten Anspruch zu mutieren, der „schwach" sei in dem Sinn, dass ihm der legitime Zwang fehle, der für ein Recht konstitutiv sei. Es sei unklar, ob ein solches Recht überhaupt noch als Recht bezeichnet werden könne.271 (5) Koller erwähnt einen weiteren Unterschied zwischen legalen und moralischen Rechten, der im Grad der Formalisierung besteht.272 Legale Rechte seien im Allgemeinen inhaltlich genauer bestimmt als moralische Rechte, sowohl hinsichtlich ihres Gegenstandes als auch hinsichtlich der mit ihnen korrelierenden Pflichten. 273 Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Auffassungen von Moral sei an dieser Stelle in Parenthese folgende Bemerkung zu einem Aspekt in Punkt (3) angeführt, der für die Auffassung moralischer Rechte und Pflichten relevant ist. Dort ist von einer Moralauffassung die Rede, die von den Beteiligten geteilt wird. Dies legt den Gedanken nahe, dass es nach historischen und geographischen Gesichtspunkten verschiedene Moralauffassungen - bzw. verschiedene Rechtsmoralauffassungen - geben kann. Diese Bedeutung ist jedoch nicht die einzige. In vielen Theorien werden Moralauffassungen oder Moralitäten, die jeweils von bestimmten Beteiligten bzw. bestimmten Gesellschaften geteilt werden, von der Moral unterschieden, mit der die Art beschrieben und oft auch erklärt wird, in der jeder vernünftige Mensch moralisch urteilt bzw. urteilt, was moralisch rechtens ist. 274 Während sich gegebene Moralauffassungen empirisch 270
Vgl. dazu auch z.B. Koller. Koller bemerkt, dass legale Rechte ihren Inhabern gewöhnlich bestimmte Mittel der Kontrolle und Durchsetzung zur Verfügung stellen. Vgl. Koller (1992), S. 75. 271 Anhand dieser Unterschiede kann man nach Lohmann eine Reihe von Unklarheiten in der gewöhnlichen Rede von Menschenrechten erklären: Werde die Vorstaatlichkeit betont, so erhalte der moralische Aspekt das Übergewicht. Werde hingegen der Schutzcharakter betont, so scheine die Auffassung legaler, d.h. positiv gesatzter Rechte im Vordergrund zu stehen. - Neben Lohmann argumentiert auch Martin in ähnlicher Weise. In Martins Auffassung ist ein Recht, das nicht geschützt und gefördert wird ein nominelles Recht, ein Recht, das nur dem Namen nach, aber nicht tatsächlich existieren würde. Vgl. Martin (1993), S. 83. Solche Rechte seien Rechte in einem bestimmten Sinn (insofern sie anerkannt würden), sie seien jedoch schwach und könnten nicht als Rechte fungieren. 272 Vgl. Koller (1992), S. 75. 273 Vgl. Koller (1992), S. 75. In diesem Zusammenhang sei auch auf Stoljar verwiesen, der argumentiert, dass natürliche Rechte keinen definitiven normativen Bereich (scope) haben. Vgl. Stoljar (1984), S. 95.
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dokumentieren lassen, wird die Moral, von der zuletzt die Rede war, theoretisch rekonstruiert. 275 Ihr Unterschied wird in mancher Auffassung darin gesehen, dass letztere Moral den erstgenannten Moralauffassungen (als gemeinsamer Nenner) vorausgeht oder zugrunde liegt. 276 Auf dieser grundlegenden bzw. übergeordneten theoretischen Ebene haben verschiedene Moraltheoretiker verschiedene theoretische Standpunkte vertreten und verschiedene moralische Prinzipien oder Gründe formuliert, oft in unterschiedlicher Weise begründet, und auf dieser Grundlage die Prinzipien anderer Moraltheorien und ihre Begründung kritisiert. Die meisten Moral- bzw. Rechtsmoraltheoretiker haben aber in ihren Theorien Moral- bzw. Gerechtigkeitsprinzipien und damit Prinzipien moralischer Pflichten und oft moralischer Rechte zu rekonstruieren bzw. zu formulieren versucht, die für alle vernünftigen Menschen gleichermaßen und - nach manchen Theorien - ausnahmslos gelten und von ihnen implizit anerkannt werden (bzw., sofern sie nicht tatsächlich anerkannt werden, anerkannt werden müssen).277 Pflichten und Rechte, die aus diesen Moralprinzipien folgen, gelten 274 Vgl. die Unterscheidung zwischen Moral und Moralität in der Auffassung von Wellman, von der im Hauptteil dieser Arbeit die Rede ist. Auch sei hier noch einmal auf Koller verwiesen, der verschiedene moralische Standpunkte unterscheidet: die subjektive Moral eines bestimmten Individuums, die konventionelle Moral einer sozialen Gemeinschaft oder eine rationale Moral. Eine rationale oder kritische Moral charakterisiert er als eine, die für ihre Grundsätze den Anspruch rationaler Begründbarkeit erhebt. Vgl. Koller (1992), S. 75. 27 5 Kutschern z.B. beschreibt die Aufgabe der normativen Ethik folgendermaßen: „Die Ethik ist eine normative Disziplin und kann sich daher nicht darauf beschränken, Anschauungen zu beschreiben, die wir schon haben." Vgl. Kutschera (1982), S. 298 f. Sehr viel wichtiger wäre es, die moralischen Intuitionen in eine systematische Form zu bringen und, wo möglich, auf einige wenige Prinzipien zu reduzieren. 276 Ein solches Verhältnis behauptet z.B. Wellman in (1995), S. 48, dessen Theorie im Hauptteil erörtert wird. 277 Der vorhin (in einer Fußnote) erwähnte Autor Koller charakterisiert, wie wir gesehen haben, eine rationale oder kritische Moral als eine, die für ihre Grundsätze den Anspruch rationaler Begründbarkeit erhebt. Vgl. Koller (1992), S. 75. Moralische Grundsätze seien rational begründet, wenn sie allgemein zustimmungsfahig sind, d.h. annehmbar für alle betroffenen Personen unter der Voraussetzung ihrer vollkommenen Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsfähigkeit. Nach Koller verlangt das Erfordernis allgemeiner Zustimmungsfähigkeit moralischer Prinzipien nicht, dass diese Prinzipien die tatsächliche Zustimmung aller Betroffenen finden. Es bedeute vielmehr, dass wenn alle Menschen vollkommen gleichberechtigte und selbstbestimmungsfähige Wesen wären, sie die betreffenden Prinzipien ihrem eigenen Interesse übereinstimmend als allgemein verbindliche Gesetze ihre Zusammenlebens akzeptieren würden. Vgl. ebd., S. 76. Etwas stärker als die soeben beschriebene Auffassung ist die einiger Moralphilosophen, die in ihren Theorien ein moralisches Prinzip formulieren, das für den Einzelnen zwingend gilt und also von ihm anerkannt werden muss, und zugleich auch bemerken, dass sie damit nichts Neues erfinden, sondern mit ihrer Theorie nur etwas Gegebenes neu formulieren oder neu rechtfertigen. Kant z.B. formuliert in seiner Kritik der praktischen Vernunft ein kategorisch geltendes Moralprinzip, das für jeden vernünftigen Menschen zwingend gilt. Vgl. Kant (1929), 1. Teil, 1. Buch, 1. Hauptstück, § 7, S. 36 ff. In seiner Vorrede bemerkt er aber, dass er kein neues Prinzip der Morali-
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auch für alle Menschen gleichermaßen oder sollen in dieser Weise gelten. Die so bestimmten moralischen Rechte bzw. Menschenrechte enthalten, zumindest nach Auffassung mancher Autoren, auch eine Zwangsbefugnis. 278 Dazu sei auch erwähnt, dass in manchen dieser Moraltheorien bzw. Rechtsethiktheorien sogar eine Anwendung des in ihnen begründeten Moralprinzips auf Institutionen erörtert wird, die soweit reicht, dass dadurch z.B. ein Minimalstaat, ein Strafrecht, ein unterstützender Staat und die rechtliche Erzwingung bestimmter Menschenrechte gerechtfertigt wird. 279 Es wird erörtert, warum sich Menschenrechte nicht von allein durchsetzen, sodass öffentliche Gewalten erforderlich sind. 280 Solche Theorien liefern eine Erklärung des Grundes und des Zwecks der Existenz moralischer Rechte, des Grundes der Notwendigkeit ihrer Durchsetzung und der dafür notwendigen gesellschaftlichen oder staatlichen Institutionen. Der auf diese Weise nachgewiesenen Existenz bestimmter moralischer Rechte tut der Hinweis darauf, dass sie in der einen oder anderen Moral einer Gesellschaft oder Verfassung eines Staates nicht zu finden sind oder faktisch nicht durchgesetzt werden, keinen Abbruch. 281 Diejenigen theoretischen Ansätze, tat, keinen neuen Grundsatz aller Sittlichkeit einführen und diese gleichsam zuerst erfinden wollte, sondern nur eine neue Formel aufgestellt hat. Vgl. ebd., S. 8, Fußnote. Gewirth, um einen weiteren Moraltheoretiker zu nennen, formuliert ein oberstes Moralprinzip, dass der Handelnde akzeptieren muss, um einen Widerspruch zu vermeiden. Vgl. z.B. Gewirth (1986), S. 18, (1978), S. x. Auch sein Moralprinzip gilt zwingend. In seiner Vorrede zu seinem Buch Reason and Morality bemerkt er, dass er eine neue Version einer rationalen Rechtfertigung vorstellt. Vgl. (1978), S. x. Es gibt jedoch auch andere Auffassungen, so z.B. Kutscheras, die hier ergänzend genannt werden sollen. Auch Kutschera formuliert ein ethisches Grundgesetz. Vgl. Kutschera (1982), S. 301. Er begründet es aber mit sehr allgemeinen moralischen Anschauungen und bemerkt, dass der Geltungsanspruch aller moralischen Prinzipien letztlich auf Werterfahrung beruht, weswegen er in seinem Buch den Leser auffordert, selbst zu prüfen, ob seine Erfahrungen mit seinen (sc. Kutscheras) Aussagen übereinstimmen. 278 In diesem Sinn schreibt z.B. Höffe: Ein Zwang, der sich darauf beschränke, Verletzungen der menschenrechtlichen Grundfreiheiten abzuwehren, sei keine Ungerechtigkeit, sondern moralisch erlaubt. Vgl. Höffe (1987), S. 405. Ohne die Zwangsbefugnis würden die Grundfreiheiten nämlich keine Menschenrechte sein: keine Ansprüche, die sich die Menschen gegenseitig schuldeten. 279 Vgl. z.B. Gewirth (1996), S. 4 f., und (1978), S. 290 ff., 312 ff. 280 Vgl. z.B. Höffe (1992), S. 25, bzw. (1998), S. 80. Höffe bezeichnet in (1987), S. 412 ff., in seiner Erörterung der Trittbrettfahrerproblematik den Mangel an Rechtsdurchsetzung der Grundfreiheiten als ein Wirklichkeitsdefizit, weswegen eine öffentliche Rechtsmacht und ein Straf- bzw. Durchsetzungszwang vonnöten ist. Vgl. ebd., S. 430 f. 281 In diesem Sinn schreibt z.B. Gewirth: In der Bedeutung von „Existenz", die hier relevant sei, sei die Existenz von Menschenrechten unabhängig davon, ob sie durch legale Kodizes garantiert oder erzwungen oder sozial anerkannt seien. Vgl. Gewirth (1986), S. 3. Dass Menschenrechte existierten oder dass alle Personen Menschenrechte hätten, bedeute, dass es zwingende moralische Gründe gebe, die die moralischen Erfordernisse rechtfertigten oder begründeten, die die Beschaffenheit von Menschenrechten bildeten.
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die einen Rekonstruktionsversuch der Moral und ihres Prinzips versuchen, erschließen bestimmte Rechte und Pflichten, die mit ihrer moralischen Beschaffenheit als Grundlage oder Kernstück jedes Rechts verstanden werden und somit jenen Bereich markieren, in dem Moral und Recht eine unzertrennliche Einheit bilden. 282 Diese moralischen Rechte bilden nur einen Teil der theoretisch erschließbaren moralischen Rechte. Dass nicht alle erschließbaren moralischen Rechte die genannte Rolle spielen und dass nicht in allen moralischen Rechten ersichtlich ist, dass sie als legale Rechte gedacht werden sollten, wird im folgenden Punkt erörtert. (6) Moralische Rechte sind einer weiteren Auffassung nach nicht als potentielle legale Rechte zu verstehen.283 Man könne sich in vielen Kontexten auf ein moralisches Recht berufen, selbst wenn seine legale Durchsetzung sich als völlig unangemessen herausstellen würde. Das Recht auf Achtung sei ein Beispiel, wo rechtliche Anerkennung und versuchte Erzwingung problematisch, sogar verwirrend wäre. Damit werde nicht bestritten, dass die Feststellung eines moralischen Rechts als die Grundlage für ein Argument dienen könne, es rechtlich anzuerkennen. Doch diese Verbindung, sofern sie existiere, sei bestenfalls eine mögliche Implikation der ethischen Kraft eines moralischen Rechts, nicht aber ein definierendes Prinzip dieses moralischen Rechts. Jede legale Relevanz moralischer Rechte müsse vom zugrunde liegenden ethischen Anspruch abhängen und es sei dieser Anspruch - und nicht seine potentielle Rechtsgültigkeit der für ein moralisches Recht konstitutiv sei. 284 3. Menschenrechte Menschenrechte als moralische Rechte - Menschenrechte werden von vielen Autoren, vor allem im angloamerikanischen Raum, als Subklasse moralischer Rechte begriffen. 285 Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Implikationen 282 Höffe z.B. spricht von der Rechtsmoral als einem wichtigen Bereich innerhalb der Moral, dessen Kernstück die Menschenrechte bilden. Vgl. Höffe (1998), S. 68. 283 Vgl. Sen (1996), S. 155. Ein Autor, der nicht von potentiellen, aber von vermutlichen (putative) positiven Rechten spricht, ist Stoljar. Nach Stoljar sind nur bestimmte natürliche Rechte, nämlich jene, die für die Existenz einer Gemeinschaft notwendig sind, vermutliche positive Rechte. Vgl. Stoljar (1984), S. 79. 284 Auch Koller weist darauf hin, dass moralische Rechte oft als Rechtfertigungsgründe für legale Rechte dienen. Vgl. Koller (1992), S. 75. Er bemerkt jedoch, dass keine notwendige Verbindung zwischen ihnen besteht, da nicht jedes moralische Recht einen zureichenden Grund für ein entsprechendes legales Recht darstellt und einige wohlbegründeten legalen Rechte nicht auf moralischen Rechten beruhten. Nach Koller macht es einen Unterschied, ob ein legales Recht durch eine akzeptierte Moral begründet ist oder ob es nur mit ihr verträglich, also moralisch vertretbar ist. 285 Martin und Nickel z.B. bemerken, dass es eine allgemeine Übereinstimmung unter den Philosophen gibt, dass Menschenrechte moralische Rechte sind. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 216.
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dieser Charakterisierung nicht immer klar sind. 286 Das Wort „moralisch" scheine in diesem Kontext dieselbe Funktion zu haben, die das Wort „natürlich" gehabt habe. Rechte als natürlich zu beschreiben implizierte, dass sie nicht konventionell oder künstlich seien wie legale Rechte.287 Wenn man Menschenrechte als moralische Rechte beschreibe, so impliziere das, dass die Normen, die Menschenrechte bildeten, moralische Normen seien und dass Menschenrechte nur existierten, wenn in irgendeiner Bedeutung moralische Normen existierten. 288 Menschenrechte sind insofern schwer zu charakterisieren, als ein Verfahren zur Entscheidung, ob etwas ein Menschenrecht ist, nicht völlig feststeht.289 Angesichts der Tatsache, dass Menschenrechte in Konventionen und Abkommen institutionalisiert werden, ist zwischen Menschenrechten, die normativen Rang haben, und jenen, die nur institutionell sind, zu unterscheiden.290 Menschenrechte zwischen Moral und Recht - Neben der soeben genannten Auffassung, in der Menschenrechte als moralische Rechte begriffen werden, findet man auch Auffassungen, in denen Menschenrechte unter unterschiedlichen Aspekten einerseits dem Bereich der Moral andererseits dem des Rechts zugeteilt werden. Habermas z.B. unterscheidet zwischen Begriff und Geltung. Seiner Auffassung nach ist es kein Zufall, dass Menschenrechte erst im Kontext bestimmter Verfassungen konkrete Gestalt annehmen, nämlich als Grundrechte, die im Rahmen einer nationalen Rechtsordnung garantiert werden. 291 Er weist explizit darauf hin, dass der Begriff des Menschenrechts nicht moralischer Herkunft ist, sondern eine spezifische Ausprägung des modernen Begriffs subjektiver Rechte, also einer juristischen Begrifflichkeit ist. 2 9 2 Zugleich weist er da286
Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 216. Martin und Nickel bemerken, dass die Bezeichnung „moralische Rechte" den Vorteil gegenüber der Bezeichnung „natürliche Rechte" hat, dass sie einen nicht auf die Sichtweise festlegt, dass Menschenrechts-Normen irgendwie in der menschlichen Natur oder das Universum eingebaut sind. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 216. 288 Vgl dazu die vorangegangenen Bemerkungen zu den Menschenrechten im Abschnitt über Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten. 289 Vgl. die vorangegangenen Bemerkungen zu Rechten im Allgemeinen im Abschnitt über Existenz, Geltung und Anerkennung von Rechten. Martin und Nickel unterscheiden hier drei Stufen im Verständnis der Behauptung eines Menschenrechts: (1) die, auf der die Behauptung eines Menschenrechts auf etwas auf der Überzeugung beruht, dass eine moralische Berechtigung auf dieses Etwas besteht, (2) die, auf der die Behauptung eines Menschenrechts bedeutet, dass auch die Mittel für die Implementierung dieses Rechts in den meisten Ländern vorhanden sind und dass innherhalb einer kritischen Moralität Verpflichtungen existierten, die das Recht unterstützten, und (3) die, auf der die Behauptung eines Menschenrechts bedeutet, dass alle Menschen bzw. die Menschen in einem bestimmten Land oder einer Region ein wirksames soziales oder legales Recht in diesem Bereich besitzen. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 216. 290 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 217. 291 Vgl. Habermas (1997), S. 221. Habermas erwähnt hier die „Virginia Bill of Rights", die »Amerikanische Unabhängigkeitserklärung" von 1776 sowie die ,JD6claration des droits de Thomme et du citoyen" von 1789. 287
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rauf hin, dass Grundrechte mit einem universalen Geltungsanspruch ausgestattet sind, weil sie ausschließlich unter dem moralischen Gesichtspunkt begründet werden können.293 Martin, um einen weiteren Autor zu nennen, bezeichnet unsere gewöhnliche Vorstellung von Menschenrechten als hybrid. 294 Sie habe ein moralisches und ein legales Element. Neben der Frage, inwiefern Menschenrechte moralische Rechte sind und inwiefern sie in den Bereich des Rechts reichen, wird auch ihre Universalität, ihre Unbedingtheit und die Frage nach ihren Adressaten diskutiert. Universalität - Im ersten Artikel der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" wird behauptet, dass alle Menschen gleich an Würde und Rechten geboren sind. Dies wirft nach Auffassung mancher Autoren (1) die Frage auf, was unter Universalität in diesem Kontext zu verstehen ist: 295 „Alle Personen" könne alle jetzt lebenden Personen, aber auch alle Personen, die jemals gelebt hätten, bedeuten, womit auch die frühesten Höhlenbewohner gemeint wären. Bei letzterer Interpretation, müssten Menschenrechte so formuliert werden, dass sie keine Institutionen (z.B. Prozesse, Juristen, soziale Sicherheit) voraussetzten, die in der Menschheitsgeschichte relativ spät entwickelt worden seien. Die Formulierungen von Menschenrechten, die man in den Dokumenten aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert finde, enthielten jedoch einen wesentlichen Bezug auf zeitgenössische Institutionen.296 Eine (2) weitere Frage betreffe die Arten von Situationen, auf die Menschenrechte Anwendung fänden. Manche Rechte wie das Recht auf bezahlten Urlaub, so wird argumentiert, könnten keine Men292
Vgl. Habermas (1997), S. 222. Vgl. Habermas (1997), S. 223. Dieser Modus der Begründung nehme jedoch den Grundrechten nicht ihre juridische Qualität. Vgl. ebd., S. 224. Denn Rechtsnormen verdankten ihren Charakter ihrer Struktur, nicht ihrem Inhalt. Ihrer Struktur nach seien sie einklagbare subjektive Rechte. 294 Vgl. Martin (1993), S. 97. 295 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 217. 296 Martin und Nickel bemerken, dass Philosophen dieses Problem nicht hinreichend angegangen sind und verweisen unter anderem auf W. 7. Wainwright. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 217. Wainwright befasst sich unter anderem mit der Definition natürlicher Rechte, mit Locke und dem Naturzustand. Er definiert natürliche Rechte so, dass mit ihnen moralische Verpflichtungen korrelieren, wobei diese Verpflichtungen sowohl universal als auch wichtig sein müssen. Vgl. Wainwright (1967), S. 79. Anschließend an seine Erörterung des Naturzustandes bemerkt er, dass wenn ein Recht nicht in die politische Gemeinschaft hinüberführt oder wenn es in ihr ihre Wichtigkeit verliert, es nicht ein natürliches Recht im definierten und seiner Ansicht nach wichtigen Sinn ist. Vgl. ebd., S. 84. - Ferner verweisen Martin und Nickel auf Nelson mit der Bemerkung, dass er auf den wichtigen Punkt hingewiesen hat, dass viele Menschenrechte spezielle und nicht allgemeine Rechte sind. Nelson argumentiert unter anderem, dass man verschiedene Philosophen (W. F. R. Hardie, der sich mit Aristoteles befasst, G. Vlastos, Locke, Hume und Rawls) durchaus so verstehen kann, dass sie der Ansicht sind, dass Rechte, die auf Gerechtigkeit gründeten (und politische Rechte im Allgemeinen) spezielle und nicht allgemeine Rechte sind. Vgl. Nelson (1974), S. 424. 293
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schenrechte sein; es handle sich um Rechte, die bestenfalls nur Arbeitnehmer und daher nicht alle Menschen hätten.297 In diesem Zusammenhang wird auf verschiedene wichtige Unterscheidungen hingewiesen.298 Unbedingtheit - Nach Auffassung mancher Autoren sind Menschenrechte Rechte, die Menschen (1) einfach deswegen haben, weil sie Menschen sind, Rechte, die sie (2) bedingungslos (unconditional) und (3) unabänderlich (unalterable) haben.299 Gegen die (2) Unbedingtheit wird eingewandt, dass man nicht behaupten kann, dass Menschenrechte in jeder Hinsicht unbedingt sind, da es viele Arten gibt, in denen ein Recht bedingt sein kann. 300 Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die Unbedingtheitsthese darauf abzielt, nur jene Bedingungen auszuschließen, die das Haben des Rechts von einer sozialen Position, die der Rechtsinhaber innehat, oder der Anerkennung des Rechts durch die Re297 Martin und Nickel erwähnen hier ein Argument von M. Cranston (1973), S. 67. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 217. 298 Martin und Nickel erwähnen folgende Unterscheidung: (1) Die Unterscheidung zwischen einem Recht, das daraus hervorgehe, dass man ein Arbeitnehmer sei, und einem Recht, das daraus hervorgehe, dass man ein Mensch sei, das aber unter allen Umständen Anwendung finde, unter denen Menschen Arbeitnehmer seien. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 217. Dies sei eine Unterscheidung zwischen den Bedingungen für das Haben eines Rechts und den Bedingungen, in denen man ein Recht genießen oder verwirklichen (actucalize) könne. Wenn man Menschenrechte auf einen fairen Prozess und auf Entschädigung für Eigentum habe, das sich der Staat angeeignet habe, so entstünden diese Rechte nicht daraus, dass man wegen eines Verbrechens angeklagt sei oder Eigentum besitze. Diese Rechte entstünden einfach daraus, dass man eine Person sei, könnten jedoch nur unter den genannten Umständen Anwendung finden und genossen werden. Martin und Nickel erwähnen auch eine weitere Unterscheidung: (2) Es sei auch hilfreich zwischen Rechten zu unterscheiden, die eine Handlung im Ganzen genommen verbieten würden (z.B. das Verbot der Folter), und Rechten, die eine Handlung verbieten würden, sofern sie nicht in einer bestimmten Weise geschehe (z.B. Eigentum zu enteignen, sofern dies nicht mit einer fairen Entschädigung einhergehe). Im Fall von Rechten, die durch uneingeschränkte Verbote erzeugt würden, seien die Bedingungen, unter denen man ein Recht habe, dieselben wie die Bedingungen, unter denen man in der Position sei, dieses Recht zu aktualisieren oder zu genießen. Möglicherweise beabsichtigten jene, die die Auffassung kritisierten, dass ökonomische und soziale Rechte Menschenrechte seien, Menschenrechte auf jene Rechte einzuschränken, die etwas im Ganzen genommen und nicht nur unter Umständen verböten; in diesem Fall wäre jedoch das Recht auf einen fairen Prozess kein Menschenrecht. - Abschließend sei erwähnt, dass gegen die Universalität verschiedene Einwände erhoben worden sind. Einige findet man z.B. bei Machan (1973), S. 33 ff., erörtert. 299 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 218. Martin und Nickel zitieren als Beispiel zu (1) Cranston (1973), S. 7, Hart (1955), S. 175 f., und Feinberg (1980), S. 225. Cranston zitiert an der angegebenen Stelle Maritain (1944), S. 37. Zu (2) und (3) erwähnen Martin und Nickel Feinbergs Definition von Menschenrechten aus (1973), S. 85. 300 Martin und Nickel erläutern, dass z.B. ein Recht zu definieren im Grunde bedeutet, eine Reihe von Bedingungen anzugeben. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 218. Ein universelles Recht könne auch hinsichtlich einer expliziten Ausnahme in seiner Reichweite oder hinsichtlich der Möglichkeit, durch stärkere Erwägungen überwogen zu werden, bedingt sein.
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gierung oder der Rasse, dem Geschlecht bzw. der Religionszugehörigkeit abhängig machen.301 Zur (3) Unabänderlichkeit wird Folgendes bemerkt: Die Behauptung, dass Menschenrechte unveränderlich besessen würden, scheine der Vorstellung aus dem 18. Jahrundert zu folgen, dass natürliche Rechte unveräußerlich (inalienable) seien. Es sei wichtig, die Begriffe „unveräußerlich", „unbedingt" und „unantastbar" (indefeasible) voneinander zu unterscheiden.302 Die einfachste Art, die Frage, ob auf Menschenrechte (entweder im Allgemeinen oder in einem bestimmten Fall) verzichtet werden kann, ob sie aufgegeben, übertragen, verwirkt oder als ungültig erklärt werden können, zu behandeln, scheint, so die Auffassung von Martin und Nickel, darin zu liegen, vom zweideutigen und irreführenden Begriff „Unantastbarkeit" abzusehen. Manche der Rechte, die als Menschenrechte behauptet würden (z.B. das Recht, an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes teilzunehmen, oder das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes) seien Rechte, die berechtigt temporär oder sogar permanent jenen entzogen werden könnten, die schwerwiegende Straftaten begingen.303 Neben der „Universalität" und „Unbedingtheit" werden in der Literatur auch andere Begriffe erwähnt, die für das Verständnis natürlicher Rechte eine zentrale Rolle spielen: die Begriffe „Freiheit2", „Gleichheit" und „Unparteilichkeit". 304 301
Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 218. Nickel bemerkt in seinem Artikel „Human Rights", dass Verfechter der Menschenrechte davon sprechen, dass sie unabhängig von der Anerkennung in bestimmten Rechts- oder Moralsystemen existieren. Vgl. Nickel (1992), S. 562. 302 Mit Bezug auf die vorangegangenen Erörterungen bemerken Martin und Nickel , dass die Unbedingtheit manche, jedoch nicht alle Einschränkungen in der Reichweite ausschließt. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 218. Die Anfechtbarkeit (defeasibility) betreffe, zumindest gemäß dem derzeitigen philosophischen Gebrauch dieses Begriffs, die Frage, ob ein Recht angefochten oder aufgehoben werden könne. Keines dieser Dinge (matters) betreffe die Frage, ob man aufhören könne (entweder im Allgemeinen oder in einem besonderen Fall) ein Recht zu haben, das man vorher besessen habe; darum gehe es aber in der Frage der Unveräußerlichkeit. Die Autoren des 18. Jahrhunderts hätten mit der Behauptung der Unveräußerlichkeit von Rechten vor allem gemeint, dass kein Mensch auf irgendeines dieser Rechte verzichten oder es aufgeben könne. (Martin und Nickel verweisen hier auf die Argumentation von B. A. Richards (1969), S. 393-398.) Diese Form von Unveräußerlichkeit sei jedoch von eingeschränkter politischer Bedeutung. Größere Sorge bereite die Tatsache, dass Regierungen den Menschen ihre Rechte nähmen, und nicht die Tatsache, dass Menschen freiwillig auf sie verzichteten. 303 Ebenso wichtig sei die Möglichkeit behaupten zu können, dass bestimmte Menschenrechte (z.B. das Recht nicht gefoltert zu werden) nicht durch schlechtes Betragen verwirkt werden könnten oder dass sie nicht auf andere Weise ihre Gültigkeit für Regierungen verlieren könnten. Vgl. Martin , Nickel (1983), S. 218. Dies kann jedoch nach Martin und Nickel direkt in präzisen Begriffen geschehen, wozu die irreführenden und zu allgemeinen Behauptungen der Unveräußerlichkeit und Unveränderlichkeit nicht erforderlich sind. Zum Thema unveräußerliche und veräußerliche Rechte vgl. auch Stoljar (1984), S. 92 f.
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Die Adressaten von Menschenrechten - Die Absicht aller Menschenrechtserklärungen wird darin gesehen, Staaten Einschränkungen aufzuerlegen. 305 Unterschieden werden unter anderem folgende Auffassungen in Bezug auf die Adressaten der Menschenrechte: (1) Die Auffassung, wonach Menschenrechte Rechte aller Personen gegenüber allen anderen seien, (2) die Auffassung, wonach Menschenrechte (in mancher Auffassung als Rechte von Bürgern) an Staaten adressiert seien und (3) Auffassungen, die beide Elemente vereinten. 306 Gegen die erste Auffassung wird eingewandt, dass sie die Geschichte komplett ignoriert und ferner die unplausible Konsequenz hat, dass z.B. das Recht auf einen fairen Prozess, ein Recht ist, dass man gegenüber allen Menschen statt gegenüber seinem Staat hat. Gegen die zweite Auffassung wird eingewandt, dass sie den Einzelnen als Adressaten von Menschenrechten komplett außer Acht zu lassen scheint. Auch wenn Staaten die primären Adressaten der meisten Menschenrechtsnormen seien, könnten Einzelne immer noch Pflichten als sekundäre Adressaten haben, Menschenrechte in Situationen zu fördern, in denen dies möglich sei. In Bezug auf die Realisierung bestimmter Menschenrechte wie des Menschenrechts auf Freiheit2 von Rassendiskriminierung wird mit Hinweis auf die gegenwärtige Erkenntnis der Wechselbeziehungen zwischen sozialer und politischer Sphäre bemerkt, dass wahrscheinlich sowohl soziale wie auch politische Veränderungen erforderlich sein werden. 307 304
Stoljar z.B. bemerkt: Um natürliche Rechte zu verstehen, müssen wir Gleichheit und Freiheit2 (freedom) als gemeinschaftliche Voraussetzungen oder als die weiten, jedoch grundlegenden Bedingungen verstehen, ohne die es nicht einmal wahre moralische Argumentation zwischen Individuen innerhalb einer Gruppe geben könne. Vgl. Stoljar (1984), S. 79. Stoljar erörtert diese zwei Begriffe und ihr Verhältnis in: ebd., S. 81-89. 305 So Martin und Nickel in (1983), S. 219. 306 Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 219. Unter (1) erwähnen Martin und Nickel konkret die Auffassung von Cranston, der in (1973), S. 68 f., Staaten (governments) in seiner Charakterisierung von Menschenrechten überhaupt nicht anführt. Unter (2) werden die Auffassungen von Mayo, der in (1967), S. 77, Menschenrechte als Ansprüche im Namen aller Menschen auf Handlung (oder Nichthandlung) seitens des Staates begreift, und von Wellman erwähnt, der in (1978), S. 55, Menschenrechte als ethische Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat begreift. Vgl. dazu auch Martin (1993), S. 89. Ferner erwähnen Martin und Nickel in (1983), S. 219, D. D. Raphael, der in (1967), S. 65 f., zwei Bedeutungen eines universellen moralischen Rechts unterscheidet: im starken Sinn bedeutet es ein Recht aller Menschen gegenüber allen Menschen, im schwächeren Sinn bedeutet es einfach ein Recht aller Menschen, aber nicht notwendig gegenüber allen Menschen. Ökonomische und soziale Rechte und in ähnlicher Weise das Recht an der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen sind nach Raphael universelle Rechte im schwächeren Sinn. Das Recht auf Arbeit oder Unterhalt sind Rechte des Bürgers und bringen Verpflichtungen des Staates mit sich. Neben Raphael erwähnen Martin und Nickel Feinberg, der z.B. das Recht auf Leben als Doppel-Anspruch begreift, der sowohl als Recht in rem an die ganze Welt als auch als Anspruch zu seiner rechtlichen Erzwingung an den Staat adressiert ist. Vgl. Feinberg (1980), S. 224. Raphaels und Feinbergs Auffassungen bestimmter Rechte lassen sich der oben drittgenannten Auffassung zuordnen.
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Einteilungen der Menschenrechte - Die Menschenrechte, die man in den Katalogen findet, sind unterschiedlicher Beschaffenheit. Sie werden in folgende Kategorien eingeteilt: (1) Negative Freiheitsrechte („status negativus"), (2) positive Teilnahmerechte („status activus") und (3) soziale Teilhaberechte („status positivus" ) 3 0 8 Die ersten umfassen vornehmlich Abwehrrechte gegen Gewalteinwirkung durch den Staat und durch einzelne, die zweiten betreffen die politische und gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung und die dritten sollen die Gewährung gleicher und angemessener Lebensbedingungen sichern. 309 Ähnlichkeiten mit dieser Unterscheidung weist eine weitere Unterscheidung zwischen drei idealtypischen Positionen von Menschenrechten auf: (1) Einer klassisch-liberalen Auffassung, (2) einer republikanischen Auffassung und (3) einer sozialistischen Auffassung der Menschenrechte.310 Neben den zuvor genannten drei Kategorien zur Einteilung von Menschenrechten findet man 307
Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 219. Vgl. Lohmann (1998), S. 64. Diese Einteilung ist, wie Höffe in (1998), S. 52, bemerkt, seit Georg Jellineks System der subjektiven Rechte (1892 bzw. 1905) und Allgemeine Staatslehre (1914) gebräuchlich. Genaueres zur Jellinekschen Statustheorie findet man z.B. in Alexy (1994), S. 229 ff. Einige Literaturhinweise zur obigen Einteilung findet man z.B. in König (1994), S. 22 f. 309 Vgl. Lohmann (1998), S. 64. - Eine weitere Einteilung findet man bei Kutschern, der bemerkt, dass den bekanntesten Menschenrechtskatalogen, also auch der „Menschenrechtscharta" der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 und der „Europäischen Menschenrechtskonvention" vom 4.11.1950 keine einheitliche Systematik zugrunde liegt. Vgl. Kutschera (1982), S. 323. (Die angegebenen Menschenrechtskataloge findet man z.B. in Robertson (1997).) Er teilt diese Rechte grob in persönliche, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte ein. Kanger, um eine weitere Autorin zu nennen, verweist auf die Unterscheidung zwischen bürgerlichen (civil) und politischen Rechten auf der einen Seite und ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechten auf der anderen Seite. Vgl. Kanger (1984), S. 76. Demnachfielen die Artikel 3-21 der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" unter die erste Gruppe, die Artikel 22-27 unter die zweite Gruppe. Diese Unterscheidung beruhe auf der Basis des Gegenstandes (object) eines Rechts. 310 Vgl Lohmann (1998), S. 64. Die erste Position sei durch die Naturrechtsauffassung Lockes und Vernunftrechtsauffassung Kants bestimmt und verstehe die Menschenrechte vornehmlich als gleiche negative Freiheitsrechte aller, die als vorstaatliche Rechte moralisch begründet seien. Die zweite Position, die die positiven Teilnahmerechte in den Mittelpunkt stelle, sei durch Rousseau beeinflusst und in einer Konzeption eines gemeinsamen Guten begründet. Der dritten Position nach stellten die gleichen sozialen Teilhaberechte aller den entscheidenden Gehalt der Menschenrechte dar. Diese Position ging von einer anthropologischen Theorie des gemeinschaftlichen Wesens des Menschen aus. Vgl. ebd., S. 65. Lohmann erörtert diese drei idealtypischen Positionen von Menschenrechten etwas genauer. - Die Einteilung in liberale und soziale Menschenrechte und die Entgegensetzung der liberalistisch-individualistischen Konzeption zu einer sozialistischen wurden kritisiert. Vgl. z.B. Schwartländer (1978), S. 80. Schwartländer unterscheidet aufgrund der Herkunft und Zielrichtung zwischen zwei Grundtypen von Menschenrechten: Die staatsbürgerlichen und die sittlich-institutionellen Menschenrechte. Erstere umfassen all jene Grundrechte, die als staatsbürgerliche bezeichnet werden, letztere beziehen sich auf diejenigen Lebensverhältnisse, die für ein humanes Dasein im Ganzen wesentlich sind. Vgl. ebd., S. 81 f. und 92. 308
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auch die Einteilung in drei Generationen von Menschenrechten:311 Der ersten Generation werden die zivilen und politischen Rechte zugerechnet,312 der zweiten Generation die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte,313 und der dritten Generation werden Rechte der Solidarität zugeordnet.314
XV. Implikationen und Reichweite von Rechten Im Abschnitt über die Struktur von Rechten wurden verschiedene Bestandteile in ihrem Begriff unterschieden. Einer dieser Bestandteile ist ihr Gegenstand oder Inhalt. Betrachtet man den Gegenstand oder Inhalt von moralischen Rechten oder Menschenrechten, so kann man die Frage stellen, ob dieser in der Beschreibung konkreter Rechte so formuliert ist, dass daraus auch hervorgeht, wie sich diese Rechte verwirklichen lassen bzw. wie ihnen entsprechend gehandelt werden muss. Bei moralischen Rechten bzw. Menschenrechten, auf die sich hier die Überlegungen beschränken sollen, scheint dies in manchen Fällen nicht zuzutreffen. 315 Wie moralische Rechte bzw. Menschenrechte, wie z.B. die sehr
311
Zum gegenwärtigen politischen Streit über die Rangordnung der Menschenrechte und die dabei vorgebrachten Argumente vgl. z.B. Habermas (1999a), S. 222. 312 Vgl. Wellman (1999), S. 15. Wellman bemerkt ebd., zivile Rechte würden von jedem Bürger oder, weiter gefasst, von jedem Einwohner eines Staates oder einer Gesellschaft besessen. Zu diesen gehörten Grundrechte (basicrights)wie das Recht, Eigentum zu besitzen, oder das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren. Politische Rechte wie das Recht zu wählen oder für ein öffentliches Amt zu kandidieren, seien jene, die dem Einzelnen ermöglichten direkt oder indirekt in der Bildung oder Administration der Regierung teilzunehmen. Femer bemerkt Wellman : Zivile und politische Rechte seien als Menschenrechte der ersten Generation bekannt, weil sie zum großen Teil aus alter Zeit stammten. Vgl. ebd., S. 16. Ihre philosophische Grundlegung erfolgte im 17. und 18. Jhd. 313 Vgl. Wellman (1999), S. 20. Wellman bemerkt, diese Rechte seien als Rechte zweiter Generation bekannt geworden, weil keine Rechte dieser Art in der „Déclaration of Independence" (1776) oder in der französischen „Déclaration of the Rights of Man and the Citizen" (1789) behauptet worden seien. Vgl. ebd., S. 20. Thomas Paine, ein Verfechter natürlicher Rechte im 18. Jhd. habe soziale Vorkehrungen in Bezug auf Bildung, Wohlfahrt und Arbeit in „The Rights of Man" (1791) eingeschlossen. Die französische Deklaration von 1793 habe das Recht auf Bildung behauptet. Diese Rechte hätten nicht in die traditionellen Theorien natürlicher Rechte gepasst und seien bis zu diesem Jahrhundert nicht weit verbreitet als grundlegende moralische Rechte oder Verfassungsrechte anerkannt worden. 314 Vgl. Wellman (1999), S. 29. Wellman bemerkt ebd. zu diesen Rechten: Solidarität gehe auf zwei Arten in die Definition der dritten Generation von Menschenrechten ein: Erstens seien sie eher Rechte sozialer Gruppen als einzelner Menschen. Sie schlössen die Rechte der gesamten Menschheit auf Frieden und eine gesunde Umwelt sowie die Rechte eines Volkes (people) auf Selbstbestimmung und auf seine eigene Kultur ein. Zweitens würden sie gegenüber der ganzen Menschheit behauptet (hold against). 315 Wie im Abschnitt zu den Unterschieden zwischen legalen und moralischen Rechten unter Punkt (5) erwähnt wurde, verweisen manche Autoren darauf, dass le-
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allgemein formulierten Menschenrechte auf Leben oder auf Freiheit, zu verwirklichen sind bzw. wie nach ihnen gehandelt werden soll, lässt sich allein aus der Formulierung ihres Gegenstandes oder Inhalts nicht erschließen. Das, was diese Menschenrechte ermöglichen sollen bzw. fordern, kann kontextabhängig variieren und zu seiner Realisierung Unterschiedliches erfordern. 316 Ein weiterer Punkt ist hier ebenfalls zu erwähnen. Ein Aspekt der Wirklichkeit oder eine Bedingung für die Verwirklichung bestimmter moralischer Rechte bzw. Menschenrechte wird in ihrer Positivierung gesehen. Dieser Aspekt betrifft nicht unmittelbar Einzelpersonen als Adressaten und ihre Handlungen, sondern die Institution des positiven Rechts und insofern institutionelle Akte. Wie wir vorhin gesehen haben, erörtern manche Autoren die Frage, ob die Rechtfertigung bzw. Legitimation von Menschenrechten auch ihre Positivierung mit einschließt.317 Es wird argumentiert, dass sich Menschenrechte nicht von allein, d.h. ohne öffentliche Gewalten durchsetzen können.318 Einer Argumentationsstrategie zufolge bildet der Staat eine Wirklichkeitsbedingung der Gerechtigkeit und ihrer Prinzipien, zu denen die Menschenrechte zählen. 319 Demnach können die Gegenstände oder Inhalte mancher moralischer Rechte bzw. Menschen-
gale Rechte im Vergleich zu moralischen inhaltich genauer bestimmt sind. Vgl. Koller (1992), S. 75. 316 Zieht man als Beispiel das etwas konkretere Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 19 der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte") heran, so kann mit der Handlung Meinungsäußerung, die den Gegenstand dieses Rechts bildet, in einem Land die uneingeschränkte Publikationsmöglichkeit weltweit im Internet, in einem anderen die uneingeschränkte Möglichkeit zur Meinungsäußerung in der Dorfversammlung gemeint sein. Auch können unterschiedliche Bedingungen für die Ausübung bzw. Realisierung dieses Menschenrechts in Bezug auf dasselbe Medium erforderlich sein: So ist z.B. ein Analphabet oder ein Invalider hinsichtlich der Nutzung des Internets auf fremde Hilfe angewiesen im Vergleich zu einem physisch gesunden Informatiker. 317 Vgl. Höffe (1998), S. 80. Dabei ist Punkt (6) in der vorangegangenen Erörterung der Unterschiede zwischen moralischen und legalen Rechten zu berücksichtigen. 318 Vgl. Höffe (1998), S. 80. Höffe argumentiert, dass die Legitimation von Menschenrechten ihre Positivierung mit einschließt. Öffentliche Gewalten seien aus folgenden Gründen notwendig: Damit erstens die Menschenrechte ihren Zweck erfüllten und unverletzliche Ansprüche definierten, seien sie genauer zu umgrenzen, was Aufgabe der Gesetz- und Verfassungsgeber sei. Zweitens sei ein Gerichtswesen erforderlich, weil selbst genaue Bestimmungen kontroverse Auslegungen zuließen. Die Möglichkeit des Schwarzfahrens mache drittens eine Durchsetzungsmacht erforderlich. Höffe spricht von den Menschenrechten als Gerechtigkeitsprinzipien. Vgl. (1987), S. 475. Diese seien relativ allgemeine Gesichtspunkte, nach denen die Rechts- und Staatsverhältnisse bereichsspezifisch und situationsgerecht wahrgenommen, beurteilt, entworfen und schließlich in Positivierungsprozessen rechtsgültig anerkannt werden sollen. 319 Vgl. Höffe (1987), S. 469. In dieser Argumentation wird gezeigt, dass ohne gewisse sozialstaatliche Elemente die Grundfreiheiten keine angemessene geschichtliche Realität finden. Vgl. ferner auch die im Abschnitt über die Unterschiede zwischen moralischen und legalen Rechten [A., XIV., 2.], anschließend an den Punkt (5) angeführten Bemerkungen zum Punkt (3).
XVI. Übergang zum Hauptteil und Formulierung der These
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rechte hinsichtlich ihrer Verwirklichung eine Reihe von Bedingungen implizieren, die erst unter Berücksichtigung der komplexen Struktur einer Gesellschaft und dem Stand ihrer Entwicklung ersichtlich werden. Damit hängt auch eine weitere Unterscheidung zusammen: Menschenrechte werden hinsichtlich eines weiteren Bestandteils der Struktur des Begriffs „ein Recht", nämlich der Adressaten, mit einer doppelten Bedeutung begriffen: systematisch primär werden sie als Ansprüche der Menschen gegeneinander, sekundär auch als Ansprüche gegen jene Instanz, die die Ansprüche schützen soll, den Staat, begriffen. 320
XVI. Übergang zum Hauptteil und Formulierung der These Die vorangegangenen einleitenden Bemerkungen sollten dem Leser einen Einblick in die unterschiedlichen und zum Teil verzweigten Aspekte, Unterscheidungen und Fragestellungen vermitteln, die zum Großteil den Themenbereich gegenwärtiger Theorien über Rechte und vorallem über moralische Rechte bilden. Die gegebene Auflistung einiger solcher Unterscheidungen, Aspekte und Fragestellungen aus der gegenwärtigen Literatur zum Begriff „ein Recht" kann zwar keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sie versucht jedoch einen einigermaßen detaillierten und differenzierenden Überblick über die wesentlichen Schwerpunkte der gegenwärtigen Diskussion zu geben. In den genannten Aspekten, Unterscheidungen und Fragestellungen zeigt sich zum einen die Vielfältigkeit, zum anderen die Komplexität des Themas „moralische Rechte". Ein einleitender Einblick in diesen Themenkomplex ist insofern erforderlich, als damit der Hintergrund und der Kontext jeder gegenwärtigen Theorie über den Begriff und die Begründung moralischer Rechte beleuchtet werden. Nachdem also in dieser Einleitung der Blick auf einige wichtige Punkte im Feld der gegenwärtigen Diskussion gerichtet wurde, wird nun, im folgenden Hauptteil eine Theorie erörtert, die sich zum einen mit dem Begriff moralischer Rechte, ihrem Aufbau, ihren Elementen und ihrem Zusammenhang befasst, zum anderen zu zeigen versucht, wie eine Begründung moralischer Rechte zu denken ist. Es ist dies die Theorie von Carl Wellman. Wellmans Theorie über moralische Rechte wurde aus folgendem Grund ausgewählt: Wie wir im Abschnitt A., III. dieser Einleitung gesehen haben, werden in der Literatur vier Elementarformen oder Typen von Rechten unterschieden: Freiheitsrechte, Anspruchsrechte, Kompetenzen und Immunitäten. Wellman ist im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit verschiedenen Theorien über den Begriff „ein Recht" zu dem Schluss gekommen, dass die Bedeutung des Begriffs „ein Recht" und damit auch des Begriffs „moralisches Recht" auf keinen dieser Typen reduziert werden kann, sondern komplex ist. Ein moralisches 320
Vgl. Höffe
(1987), S. 465.
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A. Einleitung
Recht besteht aus mehreren, strukturiert zusammenhängenden Elementen. Diese Elemente können moralische Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten sein. Dieser Gedanke ist originell und unterscheidet Wellmans Theorie von den meisten zeitgenössischen Theorien über moralische Rechte. Wellman versucht die Beschaffenheit des komplexen Begriffs „moralisches Recht" anhand eines Modells zu charakterisieren, für das er eine interpretative Verwendung vorsieht. In seiner Charakterisierung eines Modells eines moralischen Rechts liegt Wellmans originelle theoretische Leistung, mit der er eine neue Konzeption und ein neues Verständnis von moralischen Rechten in die zeitgenössische Diskussion zu diesem Thema einbringt. Die interpretative Verwendung seines Modells eines moralischen Rechts soll ein genaueres Verständnis der Beschaffenheit moralischer Rechte ermöglichen. Auch versucht er in seiner Theorie zu zeigen, wie eine Begründung komplex gedachter moralischer Rechte zu denken ist. Seinen zentralen Gedanken hat Wellman nicht nur einmalig dargelegt, sondern in mehreren Werken wiederholt erörtert und in unterschiedlicher Hinsicht illustriert. Diese Arbeit soll Wellmans Theorie auch der deutschsprachigen Diskussion über moralische Rechte stärker zugänglich machen, in der sie bislang kaum rezipiert worden ist. Die These dieser Arbeit - Da sich der folgende Hauptteil ausschließlich mit Wellmans Theorie befasst, betrifft die These dieser Arbeit nicht einen Aspekt seiner Theorie im Vergleich zu anderen Theorien. Dies würde eine genauere Betrachtung anderer Theorien erforderlich machen. Die These betrifft einen Aspekt innerhalb von Wellmans Theorie, der hier kurz vorweggenommen und im folgenden Hauptteil erst genauer dargestellt werden soll. Eine kurze Charakterisierung dieses Aspekts in Wellmans Theorie soll zur Überlegung, die in der These vertreten wird, führen. Wellman sieht die Funktion eines moralischen Rechts in der Lösung bzw. Vermeidung von Willenskonflikten. Seiner Auffassung nach ist der Begriff eines moralischen Rechts nicht einfach, so dass sich seine Bedeutung gemäß den in A., HI. unterschiedenen Elementarformen von Rechten entweder als moralische Freiheit 1 oder als moralischer Anspruch oder als moralische Kompetenz oder als moralische Immunität charakterisieren ließe. Ein moralisches Recht besteht aus mehreren strukturiert miteinander zusammenhängenden moralischen Positionen. Moralische Positionen, die Bestandteile eines moralischen Rechts sein können, sind eine moralische Freiheit 1, ein moralischer Anspruch, eine moralische Kompetenz oder eine moralische Immunität. Jede dieser moralischen Positionen hat eine Handlung einer bestimmten Person zum Inhalt oder Gegenstand. Die Struktur des Zusammenhangs, in dem die jeweiligen moralischen Positionen in Wellmans Modell eines moralischen Rechts miteinander stehen, besteht aus einer moralischen Position im Kern des moralischen Rechts und bestimmten moralischen Positionen, die mit der Kernposition verknüpft sind. Wellman begreift in seinem Modell eines moralischen Rechts den Zusam-
XVI. Übergang zum Hauptteil und Formulierung der These
93
menhang der einzelnen verknüpften moralischen Positionen und der in ihnen gedachten Handlungen mit der moralischen Kernposition und der in ihr gedachten Handlung als Freiheit2 und Kontrolle. Diese Art des Zusammenhangs zwischen verknüpften moralischen Positionen und moralischer Kernposition hängt mit der Funktion des moralischen Rechts zusammen, die darin besteht, einen bestimmten Willenskonflikt zugunsten des Rechtsinhabers zu lösen bzw. zu vermeiden: Sie wird als Freiheit2 und Kontrolle des Rechtsinhabers gegenüber dem Adressaten des Rechts gedacht. Wellman behauptet auch, dass die moralischen Positionen, die ein bestimmtes Recht ausmachen, in den Normen impliziert sind, die dieses System ausmachen. Die These dieser Arbeit betrifft einen speziellen Aspekt in Wellmans Theorie. In der These wird angenommen, dass die Funktion eines komplex aufgebauten moralischen Rechts mit der oder einer der Funktionen seiner Bestandteile oder zumindest bestimmter seiner Bestandteile zusammenhängt oder sich mit ihnen deckt. Diese These beruht auf folgender Überlegung: Die Tatsachen, dass sowohl der Begriff eines moralischen Rechts als auch der Begriff einer moralischen Position normative Begriffe sind, und dass in Wellmans Modell ein moralisches Recht aus moralischen Positionen besteht, legen die Annahme nahe, dass die Funktion eines moralischen Rechts und einer moralischen Position zusammenhängen bzw. sich zu einem großen Teil decken. Dieser Zusammenhang kann auch die Form haben, dass sich die Funktion eines moralischen Rechts aus den Funktionen seiner Bestandteile zusammensetzt. Auf diese These wird in dem Teil der Analyse von Wellmans Theorie eingegangen, in dem einige Fragen zu Wellmans Modell eines moralischen Rechts erörtert werden. Eine dieser Fragen betrifft den Zusammenhang zwischen verknüpften moralischen Positionen und moralischer Kernposition. Im Rahmen der im Hauptteil vorgenommenen Analyse wird von der Annahme ausgegangen, dass die Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen in Wellmans Modell eines moralischen Rechts nicht gänzlich beliebig sein können. Der Gedanke, dass dieses Modell sich in der Praxis vor allem dann als brauchbar erweisen würde, wenn es auch exakte Interpretationen konkreter moralischer Rechte ermöglichte, in Bezug auf die sich ein Konsens erzielen ließe, legt den weiteren Gedanken nahe, dass es bestimmte Kriterien geben müsste, nach denen sich die moralischen Positionen, die Bestandteile eines moralischen Rechts bilden, miteinander verknüpfen lassen. Nachdem Wellman keine solchen Kriterien nennt, befasst sich ein Teil der Analyse seiner Theorie mit der Frage, ob sich irgendwelche Kriterien im Rahmen dieser Frage finden lassen. Dieser Teil der Analyse orientiert sich an den Beispielen moralischer Rechte, die Wellman nach seinem Modell analysiert. Eines der Kriterien, nach dem sich moralische Positionen und ihre Zusammenhänge betrachten und unterscheiden lassen, ist ihre Funktion. Es werden zwei Funktionen moralischer Positionen festgestellt. Diese werden dann hinsichtlich ihres Zusammenhangs mit der genannten Funktion ei-
94
A. Einleitung
nes moralischen Rechts, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden, erörtert. Die These und die mit ihr einhergehende Fragestellung bilden nur einen Teil der Analyse. In den anderen Teilen werden zahlreiche andere Aspekte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte thematisiert und Fragen erörtert, die sich dazu stellen lassen.
XVII. Der Aufbau des Hauptteils Der folgende Hauptteil gliedert sich in drei Teile: In den ersten beiden [B., I.-B.JL] wird Wellmans Theorie dargestellt, im dritten [B., III.] analysiert. Im ersten darstellenden Teil [B., I., l.-B., I., 5.] wird ein Aufsatz von Wellman wiedergegeben, in dem er eine erste kurze Version seiner Theorie in Bezug auf Menschenrechte entwickelt. Damit erhält man ein Bild seines zentralen Gedankens und wesentlicher Elemente seiner Theorie. Der zweite darstellende Teil befasst sich mit der ausführlicheren Version von Wellmans Theorie, die man in seinen darauffolgend erschienenen Werken dargelegt findet. Dieser Teil besteht aus fünf großen Abschnitten: Im ersten [B., II., 1.] wird Wellmans Auffassung von Moral und den moralischen Gründen dargestellt, im zweiten sein Verständnis legaler Positionen [B., II., 2.], anhand der er dann moralische Positionen definiert, die die Bestandteile moralischer Rechte bilden; dies wird im dritten Abschnitt [B., II., 3.] dargestellt. Darauf baut der vierte Abschnitt [B., II., 4.] auf, in dem Wellmans Modell eines Rechts dargestellt wird. Dabei wird auch Wellmans kritische Auseinandersetzung mit verschiedenen anderen Theorien über Rechte dargestellt [B., II., 4., a)], da sich in ihr die Genese mancher seiner Gedanken abzeichnet. Anschließend werden Wellmans Modell eines legalen Rechts und einige seiner Komponenten dargestellt [B., II., 4., b)], soweit dies für die anschließende detailliertere Darstellung seines Modells eines moralischen Rechts [B., II., 4., e)] erforderlich ist. Im selben Abschnitt wird auch die Verwendung erörtert, zu der sein Modell dienen soll [B., II., 4., f) und B., II., 4., g)] und ferner bestimmte Aspekte, die für ein Recht charakteristisch sind [B., II., 4., h)]. Der fünfte Abschnitt [B., II., 5.] befasst sich dann mit der Existenz moralischer Rechte. Im Rahmen dieses Abschnitts werden unterschiedliche Themen erörtert wie Begründungsarten, die Qualifikationen des Rechtsinhabers, Interpretation von Rechten bis hin zum Zusammenhang von Recht, Moral und Moralität. Der dritte Teil [B., IE.] des Hauptteils dieser Arbeit besteht aus einer Analyse von Wellmans Theorie. Der erste Abschnitt [B., III., 1.] dieses dritten Teils befasst sich mit den moralischen Positionen, die die Bestandteile moralischer
XVII. Der Aufbau des Hauptteils
95
Rechte bilden, der zweite [B., HL, 2.] mit dem Modell eines moralischen Rechts. Dieser zweite Abschnitt gliedert sich in weitere Teile: In Teil [B., III., 2., b), aa)] werden einige Fragen, die sich in Bezug auf Wellmans Modell stellen lassen, in Punkt (b) dieses Teils die These dieser Arbeit erörtert. 321 Der dritte Abschnitt [B., III., 3.] befasst sich mit der Bedeutung, Verwendung und Leistung des Modells eines moralischen Rechts und der vierte [B., HL, 4.] mit dem Zusammenhang zwischen Moral, Moralität und Recht.
321 Den Teil der Analyse, in dem die Verknüpfungen moralischer Positionen in Wellmans Beispielen moralischer Rechte genannt und nach Kriterien untersucht werden, findet man in einer Endnote zu Beginn des oben genannten Punkts (b) des Kapitels B., III., 2., b), aa). Die Analyse von Wellmans Beispielen wird in einer Endnote vorgenommen, weil sie erstens im Rahmen einer speziellen Fragestellung erörtert wird und zweitens einen zu großen Abschnitt im genannten Kapitel [B., DI., 2., b), aa)] beanspruchen würde.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte und Menschenrechte I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht" Am Anfang der folgenden Darstellung wird der Aufsatz „A new conception of human rights"1 wiedergegeben, den Wellman später als programmatisch bezeichnet hat.2 In diesem Aufsatz skizziert Wellman seine Theorie zur Bestimmung des Begriffs „Menschenrecht". Anschließend wird seine Theorie moralischer Rechte anhand seiner später erschienenen Werke dargestellt, wo die meisten Punkte, die hier kurz abgehandelt werden, im Detail erörtert werden. Der folgende Aufsatz vermittelt also ein ungefähres Bild von dem, was auf ihn folgt. 1. Problemstellung und Begriffsapparat Wellman erörtert einen Fall im amerikanischen Recht, in dem das Recht auf Privatleben (right to privacy) vom obersten Gerichtshof (Supreme Court) als grundlegendes (fundamental) legales Recht anerkannt wurde.3 Es sei z.B. argumentiert worden, dass das Recht auf Privatleben eines jener nicht aufgezählten Rechte sei, die den Menschen durch das Neunte Amendement vorbehalten und garantiert würden.4 Da es heiße, dass diese Rechte den Menschen vorbehalten seien, würden sie als Rechte begriffen, die vor und unabhängig von der Verfassung (Constitution) seien. Kurz, das legale Recht auf Privatleben gründe legal und moralisch auf dem Menschenrecht auf Privatleben. Drei Fragen - Bedauerlicherweise werfe jeder Appell an Menschenrechte drei Fragen auf: Erstens, woher wüssten wir, dass es wirklich ein Menschenrecht auf Privatleben gebe? Zweitens, angenommen, es gebe dieses Menschen1 Diesen 1978 erschienenen Aufsatz findet man in Wellman (1997), S. 74-84, wiederabgedruckt. In ebd., S. 12 ff. findet man im Kapitel: „Seeking a Theory of Rights", Abschnitt: „Human Rights" einen kurzen Kommentar zu diesem Aufsatz. 2 Vgl. Wellman (1997), S. 12 f. 3 Vgl. Wellman (1978), S. 48 f. (Wellman erwähnt den Fall „Roe v. Wade" (1973, US 113) und femer den Fall „Griswold v. Connecticut" (1965, US 479). Siehe in der Literaturliste unter: Supreme Court Cases) 4
Vgl. Wellman (1978), S. 49.
I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht"
97
recht, welche Pflichten oder Verpflichtungen impliziere es? Drittens, wie könne der Inhalt (content) eines Menschenrechts genau begriffen werden? Nicht nur, dass der Begriff des Privatlebens dunkel und ungeklärt sei, es sei durchaus nicht klar, was es bedeute, dass jemand ein Recht auf Privatleben habe. Wellman befasst sich hier mit der dritten Frage. Es gehe ihm hier nicht so sehr um die korrekte Definition dieses besonderen Menschenrechts, sondern um das Verstehen der Art, in der der Inhalt jedes Menschenrechts am besten begriffen werden könne. Denn nur wenn man eine klare Vorstellung des Inhalts eines Menschenrechts erreichen könne, könne man völlig verstehen, was es bedeute, die Existenz eines Menschenrechts zu behaupten oder zu bestreiten. Und das Verständnis der Bedeutungen von Behauptungen von Menschenrechten sei eine wesentliche Vorbereitung, um zu verstehen, welche Art von Beweismaterial (evidence) erforderlich sei, um ihre Wahrheit festzustellen und was sie logisch implizierten. Das Problem der Definition des Inhalts eines Rechts - Das Problem der Definition des genauen Inhalts eines bestimmten Rechts, wie des Rechts auf Privatleben (privacy), trete sowohl im Recht (law) als auch in der Berufung auf Menschenrechte auf. Dieses Problem sei im Recht nicht so schwerwiegend wie im Bereich der Menschenrechte, denn das Recht sehe zwei effektive Lösungen dieses Problems vor, von denen (i) die eine theoretisch, (ii) die andere praktisch sei.5 (i) Legale Rechte seien institutionell (institutional), d.h. durch das rechtliche System einer Gesellschaft geschaffen und definiert und würden in demselben aufrechterhalten (maintained). Daher könnten sie durch die legalen Institutionen neu definiert werden, wann immer sich herausstelle, dass ihr Inhalt unzureichend definiert sei, um einen neuen Fall zu bewältigen. Durch eine wachsende Menge an Statuten und Präzedenzfällen erhielten legale Rechte graduell ihre Präzision, die den Menschenrechten fehlte. Da Menschenrechte, wenn sie überhaupt existierten, vor und unabhängig von der Gesellschaft und ihren Institutionen existierten, könnten sie nicht durch Abstimmung bei einem philosophischen Kongress oder durch die Definition eines Juristen bestimmt werden, (ii) Glücklicherweise biete die Rechtswissenschaft auch eine eher theoretische Lösung an. Hohfeld habe gewisse legale Begriffe (legal conceptions) bestimmt, die eine präzise und eindeutige Definition des Inhalts eines legalen Rechts erlaubten.6 Hohfelds Begriffe - Hohfeld habe acht grundlegende (fundamental) legale Begriffe (legal conceptions) identifiziert und veranschaulicht, aber sich geweigert (refused), sie zu definieren: vier Begriffe legaler Vorteile (advantages) und vier Begriffe legaler Nachteile (disadvantages).7 Da ein legales Recht zu besitzen offenbar einen Vorteil im Bereich des Rechts (law) zu haben bedeute, kä5 6
Vgl. Wellman (1978), S. 50. Vgl. dazu Hohfeld (1966), S. 35-64.
9 8 B .
Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
men für seine (sc. Wellmans) Zwecke nur die vier Begriffe legaler Vorteile (legal advantages) in Betracht. - Wie wir im Folgenden noch sehen werden, spricht Wellman in seinen späteren Werken statt von Vorteilen von Positionen. - Wellman bestimmt die vier grundlegenden legalen Begriffe folgendermaßen: 8 Legale Freiheitl (legal liberty):9 Eine Partei x habe dann und nur dann eine legale Freiheitl gegenüber einer Partei y, eine Handlung A zu tun (perform), wenn x keine legale Pflicht (legal duty) gegenüber y habe, A zu unterlassen. Z.B. habe er (sc. Wellman) die legale Freiheitl gegenüber der Herausgeberin, ihren Namen in diesem Beispiel zu erwähnen. Legaler Anspruch (legal claim): Eine Partei x habe dann und nur dann gegenüber einer Partei y einen legalen Anspruch, dass y eine bestimmte Handlung A tue, wenn y gegenüber x die legale Pflicht (legal duty) habe, A auszuführen. Z.B. habe x gegenüber y einen Anspruch auf Rückzahlung des geborgten Geldes am vereinbarten Tag, das x y unter Voraussetzung, dass y es an diesem Tag zurückzahle, geborgt hatte. Legale Kompetenz (legal power): 10 Eine Partei x habe dann und nur dann die legale Kompetenz gegenüber (over) einer Partei y, eine bestimmte Konsequenz C für y herbeizuführen, wenn legal anerkannt werde, dass eine freiwillige Handlung von x, diese Konsequenz für y habe. Z.B. habe ein Polizist die legale Kompetenz, einen fliehenden Verdächtigen festzunehmen und ein Autobesitzer habe die legale Kompetenz einen Interessenten zum neuen Besitzer seines Autos zu machen. Legale Immunität (legal immunity): Eine Partei x habe gegenüber einer Partei y dann und nur dann eine legale Immunität in Bezug auf eine bestimmte legale Konsequenz C, wenn y die legale Kompetenz ermangle, eine Handlung auszuführen, bei der das Recht anerkenne, dass sie die Konsequenz C für x habe. 7
Vgl. Wellman (1978), S. 50. Vgl. dazu auch Wellman (1985), S. 13 f.: Diese grundlegenden Begriffe lassen sich einander entweder als Paare rechtlicher Korrelative (jural correlatives) claim privilege power immunity duty no-claim liability disability oder als Paare rechtlicher Gegenteile (jural opposites) claim privilege power immunity no-claim duty disability liability zuordnen. 8 Wellman hat in seinem späteren Werk diese Begriffe zum Teil anders definiert. Darauf wird im Folgenden eingegangen. 9 Wie eingangs erwähnt wurde, wird in dieser Arbeit das englische Wort „liberty" mit dem deutschen Wort „Freiheitl" und das englische Wort „freedom" mit „Freiheit!" übersetzt. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass Wellman jedes dieser beiden Wörter mit einer unterschiedlichen Bedeutung verwendet. 10 Vgl. Wellman (1978), S. 51. - Die Übersetzung (deutsch) „Kompetenz" für (englisch) „power" findet man z.B. bei Koller (1997b), S. 254 f.
I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht"
99
Z.B. habe er (sc. Wellman) gegenüber seiner Frau eine legale Immunität dagegen, dass sie seine Staatsbürgerschaft aufgebe. Hohfeld habe an zahlreichen Zitaten gezeigt, dass der Ausdruck „ein Recht" so verwendet werde, dass er beinahe ohne Unterschied auf irgendeinen dieser Vorteile bezogen werde. Niemand, der sich mit Hohfeld befasst habe, könne sich vorstellen, dass der Inhalt z.B. des Rechts auf Leben einfach Leben sei. Hohfeld zwinge uns zu fragen, ob das Recht auf Leben die Freiheitl zur Selbstverteidigung bei Angriffen sei oder der Anspruch, von einem anderen nicht getötet zu werden, oder die Kompetenz, auf legalen Schutz seines Lebens vor Gericht zu klagen, oder ob es alle diese Vorteile oder keiner davon sei. Hohfelds Analyse sage natürlich nichts genaues darüber aus, welcher der Inhalt eines bestimmten Rechts sei. Nur eine eingehende Untersuchung des Rechts eines Landes könne darüber Auskunft geben. Seine grundlegenden legalen Begriffe (fundamental legal conceptions) zeigten aber, welche Fragen zu stellen seien, um ein klares Verständnis des Inhalts eines legalen Rechts zu erzielen, und lieferten die nötige Terminologie, in der diese Fragen am hilfreichsten beantwortet werden könnten. Es gebe zwei wichtige Gründe, aus denen es hilfreich sei, den Inhalt eines legalen Rechtes in Hohfeldschen Fachausdrücken (terms) zu definieren. Erstens gebe eine solche Formulierung die Modalität oder die Modalitäten (modality or modalities) eines Rechts eindeutig wieder und vermeide begriffliche Verwechslung, da wirklich große legale Unterschiede zwischen einer Freiheitl, einem Anspruch, einer Kompetenz und einer Immunität bestünden. Zweitens übersetze eine solche Formulierung den Inhalt eines Rechts in praktische Ausdrücke (practical terms). Jeder von Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen beziehe sich auf irgendeine Handlung. Z.B. sei eine legale Freiheitl die Freiheitl, eine Handlung A auszuführen, und eine legale Kompetenz sei die Kompetenz, eine Handlung mit einer Konsequenz C auszuführen. 11 Da Hohfelds Begriffe sich auf Handlung konzentrierten, seien sie für das Recht (law) geeignet, das Handlungen reguliere und erleichtere (facilitates). Zwei heuristische Prinzipien - Auf dieser Grundlage formuliert Wellman zwei heuristische Prinzipien, die seine Untersuchung von Menschenrechten leiten sollen: (i) Da das Recht (law) das Problem der Definition des Inhalts von Rechten besser gelöst habe als die Ethik (ethics), nehme er legale Rechte zu seinem Modell von Menschenrechten.12 (ii) Da Hohfeld eine Terminologie lie11
Vgl. Wellman (1978), S. 52. In (1997), S. 14, führt Wellman einzelne Gründe an, warum er legale Rechte als Modell für alle anderen Arten von Rechten gewählt habe. (1) Erstens sei eine Skepsis in Bezug auf legale Rechte im Vergleich zu moralischen Rechten zu dieser Zeit ungewöhnlich gewesen. (2) Im Vergleich zu moralischen Rechten sei es sehr einfach gewesen, eine große Auswahl an Beispielen legaler Rechte zu finden. (3) Obwohl der genaue Inhalt dieser legalen Rechte innerhalb und außerhalb des Gerichts oft zur Debatte stehe, gebe es maßgebliche legale Quellen, im Besonderen Gesetze und 12
100
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
fere, die eine Definition legaler Rechte in eindeutigen und praktischen Ausdrücken erlaube, werde die theoretisch präziseste und erfolgreichste Auffassung (conception) legaler Rechte in Form seiner Begriffe ausgedrückt (articulated) werden.13 Wie sich am besten die Sprache über (language of) legale Rechte in Hohfelds legale Vorteile übersetzen lasse, sei Thema einer längeren Debatte.14 Vermutlich würden wir wollen, dass die philosophische Analyse des Begriffs eines legalen Rechts alle Charakteristika legaler Rechte bewahre, die in der vorphilosophischen Denkweise über diese Charakteristika vorausgesetzt würden.15 2. Definition eines legalen Rechts Kern des Rechts - Wellman begreift ein legales Recht als eine Menge (düster), die aus legalen Freiheiten 1, Ansprüchen, Kompetenzen und Immunitäten besteht. Diesem komplexen Recht gebe sein Kern (core) eine Einheit:16 Im Zentrum jedes Rechtes stünden ein legaler Vorteil oder mehrere, die den wesentlichen Inhalt (essential content) des Rechts definierten. Ändere man den Kern, so ändere sich auch das restliche Recht. Z.B. stehe im Zentrum meines Rechts zurückbezahlt zu werden, mein legaler Anspruch auf Rückzahlung, im Zentrum meines Rechts auf Redefreiheit stehe meine legale Freiheit 1, mich über strittige Fragen, frei aussprechen zu dürfen, im Zentrum meines Rechts, mein Auto zu verkaufen stehe meine legale Kompetenz, Eigentümerschaft über mein Auto an eine zweite Partei meiner Wahl zu übertragen. Wenn wir Rechte Rechtsgutachten (opinions) von Berufungsgerichten, von denen man Gebrauch machen könnte, um den Inhalt der legalen Rechte zu bestimmen und ihre Charakteristika zu entdecken. Hingegen gebe es keine maßgeblichen moralischen Quellen, außer man akzeptiere bereitwillig, irgendeine heilige Schrift buchstäblich als Wort Gottes. (4) Hohfeld habe in seiner Analyse Unterscheidungen getroffen, die für das Verständnis legaler Rechte wesentlich seien, und eine Terminologie geliefert, in der man eine Theorie über legale Rechte formulieren könnte. (5) In der Literatur der Rechtswissenschaft sei eine Reihe von Theorien über Rechte zu finden gewesen, die viel klarer und entwickelter gewesen seien, als das, was man in der Moralphilosophie finden konnte. (6) Jüngste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Geistesgeschichte, am bemerkenswertesten von Michel Villey, habe gezeigt, dass der Begriff eines Rechts (a right) in der römischen Rechtswissenschaft entstanden und über die Theorie des Naturrechts (natural law) in die Moralphilosophie eingegangen sei. Dies habe nahe gelegt, dass der Begriff eines Rechts legalistisch (legalistic) sei und im Recht (law) und dem Recht ähnlichen Zusammenhängen beheimatet sei. - Vgl. dazu femer Wellman (1985), S. 6, und (1995), S. 9. 13 Vgl. auch Wellman (1985), S. 7 und 56. 14 Vgl. Wellman (1978), S. 52. 15 Wellman listet einzelne Charakteristika (features) legaler Rechte auf, die hier nicht wiedergegeben werden. Wellmans Begriff „ein Recht" und seine Charakteristika werden im Folgenden genauer erörtert. 1
Vgl. Wellman ( 1 9 8 ) , S.
.
I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht"
101
als Anspruchs-, Kompetenz- oder Immunitätsrechte klassifizierten, so bezögen wir uns dabei auf ihren definierenden Kern (defining core). Alle Elemente, die in einem Recht enthalten seien, gehörten zu diesem Recht aufgrund ihrer Beziehung zu seinem Kern. Folglich sei ein legales Recht nicht ein bloßes Aggregat oder eine Sammlung disparater legaler Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten, sondern ein System legaler Vorteile, die an den definierenden Kern des Rechts gebunden (tied to) seien.
Verknüpfte Elemente und ihre Verbindung mit dem Kern des Rechts - Als Nächstes erörtert Wellman die Frage, welche die verbindenden Elemente (strings) sind, die einen legalen Vorteil mit dem Kern eines Rechts verbinden.17 Es scheine, dass jeder verknüpfte Anspruch, jede verknüpfte Freiheit 1, Kompetenz oder Immunität zu einem gewissen Maß an Freiheit2 oder Kontrolle (freedom or control) des Rechtsinhabers über den Kern des Rechts beitrage. So gebe mir z.B. meine legale Freiheitl, die Rückzahlung vom Schuldner zu akzeptieren, die Freiheit2, mit meinem Schuldner zu kooperieren, wenn er beschließen sollte, meinen Kernanspruch (core-claim) ihm gegenüber zu akzeptieren. Meine Immunität dagegen, dass mein Kernanspruch durch eine Laune des Schuldners aufgehoben werde, und meine Kompetenz, ihn zu klagen, sollte er sich zu zahlen weigern, gäben mir in je unterschiedlicher Weise eine Kontrolle über meinen legalen Anspruch ihm gegenüber. Wie viele solcher verknüpfter Elemente es gebe und welcher Art sie seien, sei nicht durch philosophische Analyse zu entscheiden, sondern hänge von den einzelnen Fakten des jeweiligen Rechtssystems ab. Um den Kern eines legalen Rechts seien eine Anzahl verknüpfter legaler Vorteile versammelt (clustered around), die dem Inhaber verschiedene Arten von Freiheit2 und Kontrolle über den Kern des Rechts geben. Freiheit2 und Kontrolle seien nicht unverbunden: Sie seien zwei Aspekte ein und desselben Phänomens. Es könne keine genuine Freiheit2 ohne Kontrolle und keine wirkliche Kontrolle ohne Freiheit2 geben. Meine Freiheit2, etwas zu tun oder zu unterlassen, verlange ein Maß an Kontrolle über die Versuche der anderen, mich am Handeln zu hindern oder mich zur Handlung zu zwingen. Ferner könne ich keine Kontrolle über einen Teil meines Lebens haben ohne die Freiheit2, in diesem Teil zu wählen und zu handeln. Vielleicht sei die passendste Bezeichnung (label) für die Gesamtheit an Freiheit2 und Kontrolle »Autonomie" in der Bedeutung von Selbstverwaltung (self-governing). Dementsprechend begreift Wellman ein legales Recht als ein System legaler Autonomie, eine Menge legaler Elemente, die gemeinsam dem Rechtsinhaber eine legale Freiheitl in Bezug auf und eine Kontrolle über seinen definierenden Kern geben.
7
V g l . Wellman (1978), S. 5 .
102
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
3. Ethische Vorteile Wellman geht von der vorhin erörterten Definition legaler Rechte aus und versucht anhand dieses Modells, eine analoge Auffassung (conception) von Menschenrechten zu entwickeln.18 Im ersten Schritt versucht er ethische Analoga zu Hohfelds legalen Begriffen (conceptions) zu festzustellen und zu defi19
nieren: Ethische Freiheitl (ethical liberty): Eine Partei habe dann und nur dann eine ethische Freiheitl, eine Handlung A auszuführen, wenn sie nicht irgendeine Pflicht habe, A nicht zu tun. Wellman unternimmt hier nicht den Versuch, das Wort „Pflicht" zu definieren, weist jedoch darauf hin, dass eine Pflicht im strikten Sinn (i) durch spezifisch moralische Gründe (moral reasons)20 begründet sein muss und (ii) dass sie nicht eine Pflicht gegenüber einer bestimmten zweiten Partei sein muss. So habe jemand z.B. die ethische Freiheitl, eine Kirche seiner Wahl zu besuchen. Ethischer Anspruch (ethical claim): Eine Partei x habe dann und nur dann einen ethischen Anspruch gegenüber einer Partei y, dass y eine Handlung A ausführe, wenn y gegenüber x die Pflicht habe, A zu tun. Das Wort „Pflicht" lässt Wellman Undefiniert, doch er sagt etwas dazu, was die Pflicht zur Pflicht gegenüber einer zweiten Partei macht: Eine Pflicht sei eine Pflicht gegenüber jemandem, dem durch ihre Nichtausführung ernstlich Unrecht getan würde (seriously injured). So sei z.B. die ethische Pflicht Wellmans, sein Kind finanziell zu unterstützen, primär eine Pflicht gegenüber seinem Kind, weil ihm Unrecht getan würde, wenn er es nicht finanziell unterstützte. Es könnte sekundär eine Pflicht gegenüber seiner Frau sein, da sie auch ernstlich leiden würde, wenn sie durch die Nichterfüllung von Wellmans Pflicht gezwungen wäre, Geldverdienende und Mutter zugleich zu sein. Entsprechend habe sein Kind ihm gegenüber einen ethischen Anspruch, dass er es unterstütze. Ethische Kompetenz (ethical power): Eine Partei habe dann und nur dann die ethische Kompetenz, eine ethische Konsequenz C herbeizuführen, wenn diese Partei die erforderliche Tauglichkeit (competence) für die Ausführung einer Handlung mit dieser ethischen Konsequenz habe. Z.B. habe jemand die ethische Kompetenz, ein Versprechen zu geben, ein Akt, der eine Verpflichtung hervorbringt, das Versprochene einzuhalten, und der Versprechensempfänger habe die ethische Kompetenz, den Versprechensgeber von seinem Versprechen zu entbinden, wenn er dies wählen sollte. Mit Tauglichkeit sei die Qualifikation oder das Charakteristikum gemeint, das jemand besitzen müsse, damit seine 18
Vgl. Wellman (1978), S. 53 f. Vgl. Wellman (1978), S. 54. 20 Wellmans Ausführungen zu den moralischen Gründen aus seinen späteren Werken werden im Folgenden erörtert. 19
I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht"
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Handlung bestimmte ethische Konsequenzen hervorbringen könne. Z.B. müsse man die Bedeutung von Versprechen, d.h. auch die damit verbundene Konsequenz, das Versprochene einzuhalten, verstehen. Dass eine Handlung A eine ethische Konsequenz C herbeiführe, bedeute, dass die Aussage „Handlung A wurde vollzogen" die Wahrheit der ethischen Aussage „C ist der Fall" als Konsequenz impliziere. 21 Ethische Immunität (ethical immunity): Eine Partei sei dann und nur dann immun gegen eine bestimmte ethische Konsequenz C, wenn es keine andere Partei gebe, die die Kompetenz besitze, eine Handlung mit dieser ethischen Konsequenz auszuführen. Z.B. sei jemand dagegen immun, dass er durch Versprechen anderer, die in seinem Namen gegeben würden, moralisch gebunden werde, solange er keine Partei autorisiert habe, in seinem Namen auf diese Weise zu handeln. 4. Definition eines ethischen Rechts Den zweiten Schritt in Wellmans Theorie bildet der Versuch, eine Auffassung (conception) ethischer Rechte analog zur vorhin entwickelten Auffassung legaler Rechte darzulegen. Ebenso wie ein legales Recht ein komplexes System legaler Vorteile sei, sei auch ein ethisches Recht ein komplexes System ethischer Vorteile, d.i. eine Menge (Cluster) von ethischen Freiheiten 1, Ansprüchen, Kompetenzen und Immunitäten. Im Zentrum jedes ethischen Rechts stehe ein Einheit stiftender Kern, ein ethischer Vorteil oder mehrere, die den wesentlichen Inhalt dieses Rechts definierten. Um den Kern des ethischen Rechts sammelten sich ethische Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten. Das, was diese ethischen Elemente in einem einzelnen Recht zusammenhalte, sei die Art, in der jedes verknüpfte Element eine bestimmte Art von Freiheit2 oder Kontrolle in Bezug auf den definierenden Kern dem Inhaber des Rechts einbringe. Da Freiheit2 und Kontrolle zwei Aspekte von Autonomie seien, könne jedes ethische Recht als ein System ethischer Autonomie gedacht werden. 5. Definition eines Menschenrechts Der letzte Schritt in Wellmans Analyse besteht darin, Menschenrechte von anderen Arten ethischer Rechte zu unterscheiden. Traditionell seien Menschenrechte als jene ethischen Rechte vorgestellt worden, die der Mensch einfach aufgrund seines Menschseins besitzen (possess) müsse. Wellman schlägt einen engeren Begriff „Menschenrecht" vor. Er definiert Menschenrechte als die ethischen Rechte des Individuums als Menschen gegenüber dem Staat.22
2
V g l . Wellman (1978), S. 5 .
1 0 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
In diesen drei schnellen Schritten sei er ausgehend von einer Interpretation legaler Rechte in Form von Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen zu einer neuen Auffassung der Menschenrechte gelangt.23 Ein Menschenrecht sei eine Menge ethischer Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten, die zusammen ein System ethischer Autonomie bildeten, das jeder Einzelne als Mensch gegenüber dem Staat besitze. Das Menschenrecht auf Privatleben (privacy) - Wellman illustriert diese neue Auffassung der Menschenrechte, indem er zeigt, wie man sie verwenden könne, um das Menschenrecht auf Privatleben (privacy) zu interpretieren. 24 Er behaupte nicht, dass er eine vollständige oder genaue Analyse dieses Beispiels eines Rechts gebe, aber seine partielle Beschreibung diene dazu, eine neue und hilfreiche Art des Denkens über Menschenrechte zu illustrieren. Wie es die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" der Vereinten Nationen erkenne, sei der Kern des Menschenrechts auf Privatleben komplex. Es enthalte sowohl einen Anspruch auf Freiheit2 (freedom) von Eingriffen in das ei22
Aus dieser Definition würden die ethischen Rechte ausgeschlossen, die jemand als ein menschliches Wesen gegenüber anderen Individuen oder gegenüber anderen Organisationen als dem Staat habe. Vgl. Wellman (1978), S. 56. Für diese Einschränkung führt Wellman zwei Gründe an: Erstens, wären alle bedeutenden Menschenrechtsdokumente und Deklarationen natürlicher Rechte, die ihnen vorausgegangen seien, wesentlich politische Dokumente gewesen, deren primäre und maßgebende Absicht traditionell gewesen sei, die Rechte des einzelnen Menschen gegenüber dem Staat zu proklamieren. Zweitens unterschieden sich die grundlegenden ethischen Beziehungen des einzelnen Menschen gegenüber dem Staat sicherlich von jenen gegenüber anderen Individuen oder Organisationen, weil der Staat eine spezielle Art von Organisation sei, die eine besondere Rolle in menschlichen Angelegenheiten spiele. Angemerkt sei hier, dass Wellman in seinem Kommentar, in (1997), S. 16, erklärt, warum er hier behauptet hat, dass Menschenrechte nur gegenüber dem Staat behauptet (hold against) werden. In (1997), S. 23, erklärt Wellman, warum er in „Taking Economic Rights Seriously" diese Ansicht aufgegeben habe: Jetzt, wo er zwischen definierendem Inhalt eines Rechts und seiner praktischen Implikationen unterschieden gehabt habe, habe er erkannt, dass ein und dasselbe einzelne (individual) Recht auf verschiedene zweite Parteien in unterschiedlicher Weise Anwendungfinden könnte. Erwähnt sei auch, dass Wellman auf die Kritik von Nickel und Martin eingeht, die bemerkt hatten, dass Wellman den Einzelnen als Adressaten von Menschenrechten komplett wegzulassen scheine. Selbst wenn Staaten die primären Adressaten der meisten Menschenrechtsnormen seien, könnten auch Einzelne als sekundäre Adressaten Pflichten haben, sich für Menschenrechte einzusetzen (promote), in Fällen, in denen sie in der Position seien, dies zu tun. Vgl. Martin; Nickel (1983), S. 219. Wellman bemerkt in (1997), S. 24, er habe leider keine sehr plausiblen moralischen Prinzipien formulieren können, um die Reihenfolge zu bestimmen, in der verschiedene moralische Verpflichtungen verschiedenen zweiten Parteien zukämen. Noch sei er, selbst heute, in der Lage dieses Problem in seiner Theorie über Rechte zu lösen. 23 Vgl. Wellman (1978), S. 56. 24 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in seinem späteren Aufsatz „The Right to Privacy and Personal Autonomy" der Frage nachgegeht, wie sich das Grundrecht (constitutional right) auf Privatleben am besten definieren lässt. Vgl. Wellman (1997), S. 177-186.
I. Wellmans Theorie zum Begriff „Menschenrecht"
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gene Privatleben als auch einen Anspruch auf rechtlichen Schutz vor Eingriffen in das Privatleben durch den Staat oder andere Personen. Beides seien ethische Ansprüche des Einzelnen als Menschen gegenüber dem Staat, vor allem gegenüber dem eigenen Staat und zweitrangig gegenüber politisch organisierten Gesellschaften. Wellman fügt einen dritten Kernanspruch hinzu, den ethischen Anspruch des Individuums gegenüber dem Staat, dass der Staat die notwendigen Bedingungen für die Existenz des Privatlebens des Individuums aufrechterhalte.25 Rund um diesen komplexen Kern scharten sich (cluster) zumindest folgende verknüpfte (associated) ethische Elemente:26 (i) Die ethische Freiheitl des Staates, seine Pflichten zu erfüllen, die den drei Kernansprüchen des einzelnen Menschen korrespondierten. Hätte der Staat eine genuine Pflicht, diese Dinge nicht zu tun, dann wäre der definierende Kern des Menschenrechts auf Privatleben leer oder illusorisch, (ii) Der ethische Anspruch des Rechtsinhabers darauf, dass andere Personen etwas politisch unternähmen, damit sichergestellt werde, dass der Staat seine Pflichten erfülle, um den Kernansprüchen des Rechtsinhabers zu genügen. Dieselben Überlegungen, die die ethischen Ansprüche des einzelnen Menschen in Bezug auf das Privatleben gegenüber dem Staat rechtfertigten, rechtfertigten seinen Anspruch gegenüber anderen Menschen, an seiner Stelle zu intervenieren, sollte der Staat in der Erfüllung seiner Kernpflichten ihm gegenüber versagen oder diese Erfüllung verweigern, (iii) Die ethische Kompetenz des Einzelnen, auf seine Kernansprüche auf Privatleben gegenüber dem Staat zu verzichten (waive). So sei es z.B. kein Unrecht, wenn ein Polizist, ein Haus ohne Befehl durchsuche, wenn der Inhaber freiwillig die Erlaubnis zum Eintritt und zur Durchsuchung gegeben habe, (iv) Die ethische Freiheitl des Rechtsinhabers, seine ethische Kompetenz auszuüben, auf seine Kernansprüche zu verzichten, (v) Die ethische Immunität des Einzelnen dagegen, dass seine Kernansprüche auf Privatleben durch einen staatlichen Akt aufgehoben, ausgesetzt oder reduziert würden. Jedes dieser verknüpften ethischen Elemente gehöre zum Menschenrecht auf Privatleben, weil jedes zu einer bestimmten Art von Freiheit2 oder Kontrolle des Inhabers des Rechts über die Kernansprüche beitrage.27 Daher bildeten die
25 Wellman erörtert zur vollständigeren Definition der Kernansprüche kurz die Natur des Privatlebens und die Bereiche, in denen jemand gerechtfertigte ethische Ansprüche auf Privatleben habe. Vgl. Wellman (1978), S. 56 f. - Im Folgenden wird darauf hingewiesen, dass Wellman diese Auffassung, wonach der Kern eines Rechts komplex sein kann, später revidiert hat. In (1997), S. 13, bemerkt er in Bezug auf diese Stelle: Seine Annahme, dass das Menschenrecht auf Privatleben drei Kernansprüche enthalte, sei nicht notwendig und unklug gewesen. - Mit der Bestimmung des Rechts auf Privatleben befasst sich Wellman ferner z.B. in (1997), S. 146 f. 26 Vgl. Wellman (1978), S. 57. 27
Vgl. Wellman (1978), S. 58.
106
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kernansprüche zusammen mit diesen und anderen verknüpften Elementen ein System ethischer Autonomie in Bezug auf das Privatleben. Wellman behauptet nicht, dass seine Analyse des Menschenrechts auf Privatleben in jeder Einzelheit korrekt sei, er nimmt aber an, dass sie die Nützlichkeit der neuen Auffassung der Menschenrechte illustriert, einfach weil sie detailliert ist. Die beträchtliche Leistung dieser Auffassung eines Menschenrechts liege darin, dass sie die Terminologie liefere mit der man deutlich und detailliert den genauen Inhalt jedes Rechts herausfinden könne. Ein weiterer Vorteil dieser Auffassung sei, dass sie die Modalität oder die Modalitäten jedes Rechts unzweideutig wiedergebe. Auch zeige diese Auffassung im vorigen Beispiel, dass der Kern des Menschenrechts auf Privatleben ein dreifacher Anspruch sei und dass einige verknüpfte Elemente Freiheiten 1, andere Kompetenzen seien usw. Schließlich übersetze diese Auffassung den Inhalt jedes Menschenrechts in praktische Ausdrücke. Da die Beschreibung jeder ethischen Freiheit 1, jedes ethischen Anspruchs, jeder ethischen Kompetenz oder ethischen Immunität eine Spezifizierung einer Art von Handlung einschließe, würde man sich Menschenrechte in Form von Handlung vorstellen, wenn man sie sich als Menge ethischer Vorteile vorstellte. Dies sei ein theoretischer Vorteil für jene, die glaubten, dass die Menschenrechtstheorie für die moralische Wahl (moral choice) relevant sein sollte, und ein praktischer Vorteil für jene, die sich auf Menschenrechte zu berufen wünschten, wenn sie politisch Schritte setzten, um das Recht (law) dahingehend zu reformieren, dass es einer sich verändernden Gesellschaft entspreche.
II. Ausführlichere Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte Wie eingangs erwähnt, hat Wellman später den soeben referierten Aufsatz als programmatisch bezeichnet.28 Er umreiße ein anspruchsvolles Programm philosophischer Untersuchung. Er sei oberflächlich, weil er ein zu großes Gebiet zu erfassen versuche. Sein Wert liege in der Perspektive und im Überblick, die er über dieses Gebiet gebe, und die Art, in der er eine zukünftige Untersuchung und Entdeckung leiten könnte. Wellman weist auf seine zwei Bücher „A Theory of Rights" und „Real Rights" hin, in denen er die Ergebnisse seiner zwanzigjährigen Untersuchungen auf diesem Gebiet erklärt und verteidigt.29 In der folgenden längeren Darstellung werden hauptsächlich seine Ausführungen aus diesen Werken wiedergeben und gelegentlich durch Ausführungen aus anderen Werken ergänzt.30
28 29
Vgl. Wellman (1997), S. 12 f. Vgl. Wellman (1997), S. 12 f. und 46.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
107
Wellmans theoretische Überlegungen über den Begriff eines Menschenrechts orientieren sich, wie aus der bisherigen Darstellung hervorgeht, am Begriff eines legalen Rechts (right). In Hohfelds Unterscheidung und Bestimmung legaler Vorteile (Positionen) sieht er das begriffliche Fundament für eine Theorie legaler Rechte.31 Mithilfe derselben konstruiert Wellman einen Begriff eines legalen Rechts, der aus einem Kern und verknüpften Elementen besteht. Den Kern und die verknüpften Elemente eines legalen Rechts bilden legale Vorteile (Positionen). Dieser Begriff eines Rechts soll analog auch für moralische Rechte und damit auch für ihre Subklasse, die Menschenrechte gelten. Um diese bestimmen zu können, definiert Wellman analog zu den legalen Vorteilen (Positionen) moralische Vorteile (Positionen). Die folgende ausführliche Darstellung ist thematisch in folgende Abschnitte eingeteilt: (1) Moral, moralische Gründe und moralische Positionen, (2) Modell eines Rechts und seine Verwendung und (3) Existenz moralischer Rechte. 1. Zur Möglichkeit moralischer Positionen Wellman spricht in seinen späteren Werken nicht mehr von legalen oder ethischen Vorteilen, sondern von legalen oder moralischen Positionen.32 Wie wir 30 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Wellman seine Theorie moralischer Rechte in „A Theory of Rights" (1985) in umfassender und detaillierter Form entwickelt. Ihren endgültigen Stand erreicht sie in „Real Rights" (1995), erstens aufgrund Wellmans - im Folgenden wiedergegebenen - Ausführungen zu den vorausgesetzten Gründen, zweitens aufgrund seiner ergänzten allgemeinen Definition eines Rechts. Insofern enthalten seinefrüheren Ausführungen z.B. zu moralischen Rechten und ihren Gründen nicht diesen letzten Stand und werden daher in dieser Arbeit zumeist ergänzend angeführt. 31 In „Legal Rights" hatte Wellman behauptet, dass jede angemessene Theorie über legale Rechte mit Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen (fundamental legal conceptions) beginnen müsse. Vgl. Wellman (1997), S. 63. Diese Behauptung hat er später als kühn bezeichnet. Vgl. ebd., S. 10. 32 Wellman verwendet in (1978) den Ausdruck „legale Vorteile" (legal advantages), in (1985) und (1995) den Ausdruck „Hohfeldsche Positionen" (Hohfeldian positions) oder „legale Positionen". Den Begriff „Position" führt Wellman in der Analyse von Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen (conceptions) ein. Vgl. Wellman (1985), S. 18 ff. Er schreibt in ebd., S. 20 f.: Der Ausdruck „legale Position" sei offensichtlich bildlich, eine räumliche Metapher. Von einer legalen Position einer Person nach dem Recht zu sprechen bedeute zumindest die Relevanz des Rechts für die Person nahe zu legen oder die Art, in der das Recht das Verhalten einer Person betrifft. Der Grund dafür, dass Wellman später von Positionen und nicht von Vorteilen spricht, liegt darin, dass er in (1985), S. 25-27, die Frage untersucht hat, ob die legalen Positionen Freiheitl, Anspruch, Kompetenz und Immunität legale Vorteile (advantages) sind, und zu dem Schluss gekommen ist, dass sie nicht durch ihre bloße Definition legale Vorteile sind. Vgl. Wellman (1985), S. 27. - Zum Begriffspaar „moral" und „ethics" sei ergänzend eine Bemerkung Wellmans aus einem anderen Werk erwähnt: Das Wort „Moral" (moral) sei aus „mores" und das Wort „Ethik" (ethics) aus „ethos" abgeleitet. Vgl. Wellman (1988), S. 139 f. In ebd., S. 303, bemerkt er: Der Unterschied zwischen
1 0 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gesehen haben, definiert Wellman moralische Positionen am Muster legaler Positionen. Dies wirft die Frage auf, wie dies möglich ist. In seinem Werk „A Theory of Rights" hat Wellman eine Erklärung und Bestimmung moralischer Positionen im Bereich der Moral vorgenommen, die er analog zu den legalen Positionen im Bereich des Rechts begreift. Wellmans Erklärungen moralischer Positionen beginnen bei der Erörterung der Moral und ihrer Normen. Aus Gründen der Vollständigkeit ist es zweckmäßig, in der Darstellung bei dieser Erörterung anzuheben. a) Zur Trennung zwischen Moralität
und Moral
Wellman unterscheidet in „A Theory of Rights" zwischen konventionellen Normen einer Moralität (morality) und „wahren" („true") moralischen (moral) Normen. 33 Erstere fasst er unter dem Begriff „Moralität" oder „positive Moralität" (positive morality) 34, letztere unter dem Begriff „Moral" (morals) zusammen. Moralität (morality) sei die Menge der Praxen der Moralität (morality practices) einer Gesellschaft und Moral (morals) sei die Totalität moralischer Gründe (moral reasons).35 Entsprechend unterscheidet Wellman zwischen Rechten und Pflichten der Moralität (morality) und moralischen (moral) Rechten und Pflichten 36 bzw. zwischen institutionellen (institutional) und nichtinstitutionellen Rechten.37 Die folgende Darstellung beschränkt sich auf Wellmans Charakteethischer Theorie und Moralphilosophie sei nur ein gradueller. Moralische Prinzipien seien spezifischer als ethische Theorien und folglich in der Praxis leichter anwendbar. 33 Vgl. Wellman (1985), S. 111. 34 Eine Erörterung der Moralität findet man in: Wellman (1985), S. 111-114. Paradigmatische Fälle von Moralitäten sind nach Wellman am leichtesten in kleinen, geschlossenen und sehr traditionellen Gesellschaften zu finden. Vgl. (1995), S. 32. In heterogenen dynamischen Gesellschaften tendierten Moralitäten nachzulassen und sich aufzulösen. Wellman charakterisiert, was er unter positiver Moralität versteht, unter anderem anhand ihrer Gemeinsamkeiten mit dem Recht und ihrer Unterschiede zu diesem in ebd. (1995), S. 32 ff., was auch in einem weiteren Kapitel [B., II., 5., g)] thematisiert wird. In ebd., S. 32, schreibt Wellman: Die Moralität (morality) sei, ebenso wie das Recht (law), positiv, insofern sie durch menschliche Handlung festgesetzt (posited) sei. Wie das Recht bestehe auch die Moralität in komplexen sozialen Praxen (practices) und sei durch dieselben definiert. Vgl. ebd., S. 33. Wellman sieht den Unterschied zwischen dem Recht (law) und der Moralität (morality) darin, dass letztere im Unterschied zum ersteren nicht eine auf Text gründende (text-centered) Praxis ist. Vgl. ebd., S. 36. Demzufolge gebe es in der Moralität einen viel höheren Grad an Unbestimmtheit und nichts gleichartiges mit der Argumentation (reasoning), durch die juristische Entscheidungen gerechtfertigt werden könnten. 35 Vgl. Wellman (1995), S. 39. 36 Vgl. Wellman (1985), S. 111 f. 37 Vgl. Wellman (1985), S. 118. Wellman bemerkt Folgendes zum Begriff der Institution, was für das Verständnis der institutionellen Rechte wichtig ist: Erstens sei jede menschliche Institution ein Produkt menschlicher Aktivität. Institutionelle Rechte seien in der traditionellen Ausdrucksweise künstliche (artificial) Rechte in Kontrast zu
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
109
risierung der Moral (morals), die im Kontrast zur Moralität vorgenommen wird. Das Verhältnis von Moral, Moralität und Recht, die Zusammenhänge, Ähnlichkeiten und Unterschiede, die zwischen diesen drei Bereichen bestehen, werden in einem der folgenden Kapitel erörtert. 38 b) Moralische Gründe und ihre Beschaffenheit Wellman macht in „A Theory of Rights" die Antwort auf die Frage, ob es überhaupt moralische Positionen gebe und, wenn ja, welche, von der Natur der Moral (morals) abhängig.39 Die Moral (morals) sei das nichtinstitutionelle Gegenstück zur positiven Moralität (morality) und bestehe aus der Gesamtheit (body) von (1) Normen für das Verhalten und den Charakter (character), (2) die nichtinstitutionell, (3) objektiv gültig und (4) speziell moralisch (moral) seien.40 Auf diese Punkte soll im Folgenden eingegangen werden. Wellman stellt die Frage, wie moralische Normen (moral norms) sowohl (2) unabhängig von sozialen Institutionen als auch (3) objektiv (objective) sein können.41 Er lehnt die traditionelle Antwort, dass es Regeln des Naturrechts natürlichen Rechten. Zweitens sei eine Institution notwendig sozial (social). Diese Rechte würden durch soziale Normen verliehen, die in Praxen einer Gesellschaft etabliert seien. Wellman listet in ebd., S. 184, eine Gesamttopologie (overall topology) von Rechten auf: Rechte Moralische Rechte
Institutionelle Rechte Rechte von Organisationen oder Körperschaften Legale Rechte Akademische Rechte Klub-Rechte etc.
Konventionelle Rechte
Rechte einer Moralität Rechte in Spielen Rechte der Etikette etc.
Rechte von Individuen
Menschenrechte Bürgerrechte Patientenrechte Kinderrechte etc.
Rechte von Körperschaften
Rechte eines Staates, eines Unternehmens, einer Wohltätigkeitsorganisation etc.
Ergänzend sei angemerkt, dass Wellman in seinem Kommentar zu „Taking Economic Rights Seriously", in (1997), S. 24, ausführt, warum er seine ursprüngliche Klassifikation moralischer Rechte aus (1978) revidiert habe. 38 Im Kapitel B., II., 5., g). 39 Vgl. Wellman (1985), S. 122. 40 Vgl. Wellman (1985), S. 121. In (1995), S. 39, schreibt Wellman: Moralische Gründe bildeten eher eine Sammlung natürlicher als künstlicher (artificial) Normen für menschliche Handlung oder den menschlichen Charakter. Sie seien Arten von Gründen, die unsere moralischen Bewertungen oder Urteile darüber, wie jemand handeln sollte, rechtfertigten. 1
Vgl. Wellman (1985), S.
2.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gebe, die in irgendeiner Weise in die Natur, das Universum oder in uns eingebaut seien, aufgrund ihrer zweifelhaften ontologischen und epistemologischen Voraussetzungen ab. 42 Erfolgreicher sei der Versuch diese Frage mittels der Erwägung der objektiven Gültigkeit wissenschaftlicher Theorien zu beantworten. Wie könne die Wissenschaft Objektivität beanspruchen, wenn sie nicht ein Ausdruck eines sozialen Konsenses sei? Die Antwort sei, dass die Theorien der Wissenschaft auf empirischer Evidenz gründeten. Wellman bringt folgendes Argument: Sowohl in nichtwissenschaftlicher als auch in wissenschaftlicher Überzeugung (belief) bewirke die Vorstellung, dass etwas der Fall sei, nicht, dass es so sei; weil es einen Unterschied zwischen richtiger und falscher Überzeugung gebe, der aus Gründen hervorgehe, die das Akzeptieren mancher faktischen Aussagen und die Ablehnung anderer rechtfertigten. In ähnlicher Weise seien moralische Urteile objektiv gültig, weil sie auch für rationale Rechtfertigung tauglich seien. Somit erkläre letzten Endes die Existenz moralischer Gründe die Objektivität der Moral. Wellman behauptet, dass moralische Normen moralische Gründe (moral reasons) seien. Die primären moralischen Standards, an denen jede Handlung gemessen werde, seien einfach jene Fakten über jeden einzelnen Akt, die moralisch relevante Überlegungen für oder gegen die Ausführung dieser Handlung darstellten.43 Die praktischen Gründe (practical reasons), auf die man sich berufe, um ein moralisches Urteil zu rechtfertigen, hätten normative Kraft. Moralische Gründe und Moralität - (4) Das, was speziell moralische Gründe von anderen Arten praktischer Gründe wie z.B. von Klugheits- (prudential) oder technischen Sollensurteilen (ought judgements) unterscheide, sei, dass sie wesentlich mit der positiven Moralität verbunden seien.44 Unser Begriff des Moralischen (the moral) sei historisch aus der sozialen Moralität (social morality) abgeleitet und bleibe daher logisch an sie gebunden.45 42
Vgl. Wellman (1985), S. 122. Wellman bemerkt an anderer Stelle, dass der fatale Fehler der Naturrechtstheorie gerade der sei, dass in ihr moralische Normen aufgrund des Modells eines legalen Kodex oder einer Menge legaler Regeln gedacht würden. Vgl. Wellman (1997), S. 38. - Zum Begriff „ E p i s t e m o l o g i e " vgl. eine Fußnote im Kapitel B., II., 5., a), aa) „Wellmans Verständnis der Existenz eines moralischen Rechts und der Existenz moralischer Gründe". 43 Vgl. Wellman (1985), S. 122. In (1995), S. 43, verweist Wellman auf seine Ausführungen in (1971), S. 8-18, von denen im Folgenden einige erwähnt werden. 44 Vgl. Wellman (1985), S. 123. 45 Vgl. Wellman (1985), S. 123. - Wellman formuliert in (1995), S. 41, die Hypothese, dass unser Begriff der Moral (morals) von unserer sozialen Moralität (social morality) abgeleitet (derived) worden sei und an sie gebunden bleibe durch den Anspruch auf Rationalität, der in unserem moralischen Kodex (code) enthalten sei. Die Moral (morals) bilde ein nicht institutionelles Analogon (analogue) einer Moralität. Vgl. auch ebd., S. 43. Zum Verhältnis von Moral (morals) und Moralität (morality) bemerkt Wellman ferner: Der Begriff moralischer Gründe werde aus den Argumentationsformen (forms of
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
111
Zwei Eigenschaften moralischer Gründe - Wellman bemerkt, dass moralische Gründe und Regeln der Moralität (morality rules) zwei wesentliche Eigenschaften teilten:46 (I) Sie seien doppel-Aspekt Normen (dual-aspect norms), d.h. sie seien sowohl Normen für Handlung als auch für Reaktion (reaction), wobei eine Reaktion selbst eine Form von Handlung sei. 47 Was (4) spezifisch moralische Gründe von anderen Arten praktischer Gründe unterscheide, sei nicht, dass sie Normen für etwas zusätzlich zu Handlung seien, sondern dass sie Normen für die Handlungen moralischer Handelnder seien, die zwei gänzlich verschiedene Rollen spielten:48 Erstens die Rolle des moralischen Handelnden (moral agent), der einfach entscheide, was er tun solle. Zweitens die Rolle eines moralischen Handelnden, der andere moralische Handelnde bei ihrem Handeln beobachte und als moralischer Richter (moral judge) angesichts ihres Verhaltens handle.49 reasoning), die in den sozialen Praxen enthalten seien, durch Abstraktion gewonnen. Vgl. Wellman (1995), S. 48. Diese Praxen machten eine Moralität (morality) aus, die aus vormoralischen (premoral) Meinungen (beliefs), Gefühlen, Motiven und vormoralischer Argumentation (reasoning) hervorgegangen sei. Logisch gehe die Moral der Moralität voraus, weil das, was soziale Moralität als moralisch definiere, der Appell an moralische Gründe sei, die verschiedene Elemente - Handlungen, Motive, emotionale Reaktionen, soziale Sanktionen - zu einer Moralität vereinten. Daher gehe in der Reihenfolge der Definition die Moralität der Moral voraus, aber in der Reihenfolge der Rechtfertigung die Moral der Moralität. Es könnte den Anschein haben, dass moralische Gründe, so wie er sie definiert habe, Gründe sein würden, eine Praxis der Moralität zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, aber in Abwesenheit einer solchen Praxis überhaupt keine praktischen Gründe sein würden. Das, was irgendeinen Grund zu einem Grund der geeigneten Art mache, um eine moralische Praxis zu rechtfertigen, die in einem bestimmten Muster (pattem) von Handlungen und Reaktionen bestehe, sei, dass der Grund selbst ein Grund für Handlungen und Reaktionen sei. Folglich seien moralische Gründe zuallererst praktische Gründe für einzelne moralische Handelnde und nur sekundär und kraft ihrer spezifischen Natur Gründe für die Art von Praxen, die eine soziale Moral konstituierten. 46 Wellman unterscheidet bei Moralitätsnormen (morality norms) vier Eigenschaften: (1) Moralitätsnormen seien durch Konvention eingeführt (instituted). (2) Zumindest die primären Moralitätsnormen seien Regeln (rules). Sie hätten notwendig die Form universaler aber spezifischer Vorschriften (directives). (3) Sie seien doppelAspekt Normen und (4) sie seien nicht fakultativ (nonelective). Sie seien soziale Regeln, die für das Verhalten einer Person wohl oder übel gölten. Vgl. Wellman (1985), S. 112 f. 47 Wellman bemerkt in (1995), S. 59, dass die Art von Gründen, die für Missbilligung, Tadel und Bestrafung des Handelnden relevant sind, von der Art von Gründen, die für die Wahl der Handlung relevant sind, verschieden ist. Vgl. hier das Kapitel B., D., 3., a), bb), (2), (iv). 48 Vgl. Wellman (1985), S. 123. Diesen Aspekt erörtert Wellman auch in: (1995), S. 41 f. In: (1995), S. 46 f., unterscheidet Wellman spezifisch moralische Gründe von anderen Arten von doppel-Aspekt Gründen: Gesetzen (laws), Klugheitsgründen u. a. 49 Wellman weist in (1995), S. 216, darauf hin, dass die moralische Autorität moralischer Richter (bzw. der weisesten moralischen Handelnden oder der angesehendsten moralischen Philosophen) nicht vergleichbar ist mit der legalen Autorität, die Richter im Bereich des Rechts (legal judges) haben. Diese hätten die rechtliche Autorität, Recht zu erklären und jede Kontroverse zu entscheiden, die vor das Gericht gebracht werde. In (1997), S. 32, bemerkt er, es sei ein Fehler, sich negative Reaktionen dritter
1 1 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wellman weist darauf hin, dass man auf den Handelnden und nicht die Handlung reagiere (z.B. missbillige, verurteile oder bestrafe). 50 In diesem Sinn sei die Moral wie auch die Moralität wesentlich sozial.51 Moralische (moral) Gründe rechtfertigten die Verhängung von Sanktionen, die Wellman in positive und negative einteilt.52 (II) Die zweite wesentliche Eigenschaft moralischer Gründe sei, dass sie ebenso wie die Regeln der Moralität (morality rules) nicht fakultativ (nonelective) seien.53 Man könne sich aus der Moral ebensowenig zurückziehen wie aus den Sitten (mores) der eigenen Gesellschaft. Dies unterscheide spezifisch moralische (moral) Gründe von bloß technischen Gründen. Da technische Gründe das wirksamste Mittel beträfen, um ein gewähltes Ziel zu erreichen, könne man sich dem Zwang eines technischen Grundes entziehen, indem man das Ziel aufgebe. Z.B. sollte ich ein Unkrautvertilgungsmittel auf meinen Rasen streuen, wenn ich einen Rasen-Wettbewerb gewinnen möchte. Ich könne bewirken, dass dieser Grund auf mein Verhalten nicht anwendbar werde, indem ich aus dem Wettbewerb aussteige.54 Hingegen habe ich einen sehr starken moralischen Grund, das Unkrautvertilgungsmittel nicht in den Tee meiner Frau zu schütten, weil es sie wahrscheinlich töten würde. Diese Art von Grund sei nicht fakultativ und bleibe auf mein Verhalten anwendbar, gleichgültig ob ich gewählt habe, meine Frau loszuwerden, oder mit ihr länger zusammenleben wolle. 55 Wellman ergänzt an anderer Stelle in Zusammenhang mit seiner Bemerkung zur ersten Eigenschaft moralischer Gründe, dass andere in Bezug auf den Han-
Parteien als Sanktionen gemäß dem Modell von Sanktionen vorzustellen, die durch ein Gericht auferlegt würden. 50 Vgl. Wellman (1985), S. 123, oder (1995), S. 45. - Eine Charakterisierung der moralischen Billigung (moral approval) findet man auch in Wellman (1961), S. 211. 51 Vgl. Wellman (1985), S. 124. Wellman erklärt in (1995), S. 42, den sozialen Charakter moralischer Gründe durch ihre Verbindung mit einem oder mehreren Geselligkeitsfaktoren, auf die im Folgenden eingegangen wird. In ebd., S. 47, führt Wellman neben den zwei Dimensionen moralischer Gründe (d.i. dass sie Gründe für Handlung und Reaktion seien), eine dritte Dimension an, in der sie sozial seien: Sie spezifizierten die Arten von Handlungen oder Persönlichkeitsmerkmalen, die für das Leben in der Gesellschaft wesentlich seien. 52 Positive Sanktionen seien Billigung (approval), Lob (praise) und informelle Belohnung (informal rewards), negative Sanktionen seien Missbilligung, Verurteilung (condemnation) und informelle Strafen (informal penalties). Vgl. Wellman (1985), S. 124. 53 Dieser Punkt wird auch im Abschnitt über die moralische Position Pflicht erörtert. 54 Vgl. Wellman (1985), S. 125. 55 Wellman sieht den wichtigsten Vorzug seiner Konzeption der Moral darin, dass sie zu erklären erlaube, was eine moralische Pflicht oder eine moralische Tugend moralisch mache. Vgl. Wellman (1985), S. 126. Dies ermögliche sie, indem sie die Moral hinsichtlich der zwei wesentlichen Charakteristika der Moralität (morality) definiere, sodass das spezifisch Moralische begrifflich an die positive Moralität gebunden bleibe.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
113
delnden und nicht auf die Handlung reagierten: Somit involvierten moralische Gründe sowohl das Verhalten als auch den Charakter. 56 Damit (1) hängt auch Wellmans Unterscheidung zwischen zwei Unterarten moralischer Gründe, (a) deontologischer und (b) axiologischer Gründe, zusammen.57 Zum Zwang moralischer Gründe - In der zweiten Eigenschaft moralischer Gründe wurde implizit ihr Zwang angesprochen. Wellman bemerkt, dass der moralische Zwang (constraint) nicht durch eine zweite Partei oder eine andere Person auferlegt werde. 58 Er sei ein unpersönlicher Zwang, der durch moralische Gründe auferlegt werde. In „Real Rights" stellt er die Frage, was den Zwang (force) spezifisch moralischer Gründe auf die Gesellschaft einschränke.59 Dass z.B. durch einen Überfall auf ein junges Mädchen dieses verletzt würde, sei ein Grund, dies nicht zu tun und den Täter zu verurteilen. Außerhalb der Gesellschaft seien moralische Gründe charakteristischerweise nicht sehr starke Gründe. Eine genauere Charakterisierung der gesellschaftlichen Schranken moralischer Gründe sei, dass sie normalerweise starke Gründe für jeden Handelnden in der Gemeinschaft mit anderen zu handeln seien und für die anderen zu reagieren. 60 56 Vgl. Wellman (1995), S. 102. In ebd., S. 42, schreibt er, dass sowohl der Charakter des Handelnden als auch seine Handlung in einer moralischen Wahl einbezogen seien. 57 Vgl. Wellman (1995), S. 45. Deontologische Gründe spezifizierten richtig- und unrichtig-machende (right- and wrong-making) Charakteristika von Handlungen. Axiologische moralische Gründe spezifizierten gut- und böse machende (good- and evilmaking) Charakteristika von Handelnden (agents). Diese zwei Unterarten moralischer Gründe seien in sehr unterschiedlicher Weise für die Entscheidungen eines moralisch Handelnden relevant. Deontologische Gründe seien Gründe, eine bestimmte Art Handlung zu tun oder zu unterlassen, wie z.B. jemanden in Not zu retten oder jemanden, dem man sehr böse sei, nicht zu verletzen. Axiologische Gründe seien Gründe danach zu streben, eine Tugend zu erlangen oder beizubehalten oder ein Laster zu eliminieren. Wellman erörtert auch deontologische und axiologische moralische Gründe für Reaktionen. Vgl. ebd., S. 46. - Zum Begriffspaar „axiologisch-deontologisch" sei ergänzend erwähnt, dass Wellman in (1988), S. 303, bemerkt: Das Kernland der Ethik (ethics) bestehe aus Axiologie (axiology), der Theorie über Werte (theory of values), und Deontologie (deontology), der Theorie über die Verpflichtung (theory of obligation). 58 Vgl. Wellman (1985), S. 23. 59 Vgl. Wellman (1995), S. 101 f. Der Zwang moralischer Gründe wird im Folgenden, im Abschnitt über die moralische Position Pflicht, erörtert. 60 Als Erklärung führt Wellman drei Gründe an. Vgl. Wellman (1995), S. 102. Knapp wiedergegeben sind es folgende: (1.) Moralische Gründe seien Gründe für Handlung und Reaktion. Andere reagierten gegenüber dem Handelnden, nicht auf die Handlung. Folglich bezögen moralische Gründe sowohl das Verhalten als auch den Charakter ein. (2.) Die Fruchtbarkeit (fecundity) jeder Handlung oder Reaktion tendiere erheblich größer zu sein, wenn der Handelnde in der Gemeinschaft mit anderen lebe, und daher würden auch die Werte proportional größer sein, die dadurch gefördert oder verhindert würden. (3.) Die Werte, die durch Handlung oder Reaktion gefördert oder verhindert würden, könnten mehr als proportional zu ihrer Fruchtbarkeit sein, weil moralische Gründe von Geselligkeitsfaktoren abhingen, die für ein effektives und
1 1 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Grundlagen moralischer bzw. legaler Positionen - Wellman erörtert ebenfalls in „Real Rights" den Unterschied zwischen den Grundlagen (grounds)61 moralischer Positionen und den Grundlagen legaler Positionen.62 Während jede legale Position sowohl faktische und legale Grundlagen haben müsse, sei diese Dualität auf moralische Positionen nicht anwendbar, weil moralische Gründe (reasons) sowohl faktisch als auch normativ seien.63 Moralische Gründe seien wesentlich soziale doppel-Aspekt Gründe, d.h. Gründe für Handlungen und Reaktionen. Sie seien normativ im weiteren Sinn, in dem alle praktischen Begriffe normativ seien. Zugleich seien moralische Gründe Fakten über eine aktuelle oder mögliche Handlung oder über die Umstände, unter denen sie geschehen solle. Faktische Gründe hätten oft moralische Implikationen.64 Z.B. sei die Tatsache, dass er (sc. Wellman) zugestimmt habe, ein neues Buch für eine Zeitschrift zu rezensieren, ein Grund für ihn, eine Rezension dieses Buches zu schreiben und zu unterbreiten, und ein Grund für andere, ihn zu tadeln, falls er dies unterlasse. Wellman stellt die Frage, wie eine Tatsache (fact) an sich selbst normativ sein könne. Wie könne die Tatsache, „dass er zugestimmt habe, eine Rezension zu schreiben", implizieren, „dass er eine Rezension schreiben solle" ohne eine moralische Regel oder ein moralisches Prinzip vorauszusetzen? Wellman bemerkt, dass dies nur dann notwendig wäre, wenn alle moralische Argumentation deduktiv wäre. Da aber die grundlegendste moralische Argumentation nicht deduktiv sei, hätten faktische Gründe moralische Implikationen.65 Faktische Gründe hätten hingegen in und an sich selbst keine legalen Konsequenzen, weil das Recht (law), im Unterschied zur Moral, positiv, d.h. geschaffen und nicht durch die Beschaffenheit der Wirklichkeit bestimmt sei. Daher würden legale Konsequenzen ebenso durch menschliche Handlung geschaffen, modifiziert oder aufgehoben. 66 Was folglich ein verleihendes oder entledigendes Faktum (investitive or divestitive fact) mit der legalen Position, die es belohnendes gemeinsames Leben in einer Gesellschaft wesentlich seien, während sie außerhalb der Gesellschaft viel weniger relevant seien. 61 Wellman spricht in „Real Rights" sowohl von „grounds" als auch von „reasons". Das erste Wort wird im Rahmen dieser Arbeit mit „Grundlagen", das zweite mit „Gründe" übersetzt. Die Bedeutungen der beiden Worte decken sich insofern, als Wellman auf keinen Unterschied hinweist und an manchen Stellen den ersten dieser Begriffe durch letzteren erklärt. Z.B. bemerkt er in (1995), S. 38: Die Grundlagen eines Rechts seien die Gründe für seine Existenz. Vgl. auch ebd., S. 180. 62 Vgl. Wellman (1995), S. 48 f. 63 Vgl. Wellman (1995), S. 49. 64 Die moralische Relevanz faktischer Gründe wird im Abschnitt über vorausgesetzte Gründe erörtert. 65 Darauf wird im Folgenden eingegangen. 66 Am Rande sei angemerkt, dass Wellman an anderer Stelle, in der Erörterung von Konflikten moralischer und legaler Rechte bemerkt, dass die praktische Relevanz maßgeblicher (authoritative) legaler Quellen (sources) nicht so klar sei wie jene von moralischen Gründen, und wie sich jede von ihnen auf Handlung beziehe, sei keineswegs klar. Vgl. Wellman (1995), S. 241.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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inhaltete, verbinde, müsse eine Bestimmung (provision) des positiven Rechts sein. Moralische Gründe statt moralische Regeln oder Prinzipien - Wellman geht in „A Theory of Rights" der Frage nach, ob die Moral als Menge moralischer Regeln oder als Menge moralischer Prinzipien aufzufassen ist. Er argumentiert gegen die Gleichsetzung von Moral und kritischer Moralität, als Menge rational gerechtfertigter Moralitätsregeln. 67 Er führt zwei Gründe an, aus denen es unangemessen ist, die Moral als eine Sammlung moralischer Regeln aufzufassen. 68 Erstens sei diese Auffassung von Moral eine schwache Erklärung des Unterschieds zwischen moralisch richtigen (right) und falschen (wrong) Handlungen, weil die Berufung auf Regeln der kritischen Moralität nicht notwendig sei.69 Die logische Gültigkeit (logical validity) eines moralischen Argumentes verlange nicht eine vorausgesetzte moralische Regel (moral rule), unter die der moralische Grund subsumiert werden könne.70 Die Berufung auf eine Regel der 67
Wellman bemerkt, dass manche Philosophen zwischen positiver und kritischer Moralität unterschieden. Die positive Moralität bestehe aus der tatsächlichen Menge von Regeln für das Verhalten und den Charakter, die in jeder Gesellschaft allgemein akzeptiert seien und informell sanktioniert würden. Die kritische Moralität (critical morality) sei eine ideale Sammlung von Moralitätsregeln (morality rules), deren Akzeptierung und Sanktionierung in jeder Gesellschaft rational gerechtfertigt wäre. Vgl. Wellman (1985), S. 126. In (1995), S. 48, bemerkt Wellman, die Moral sei nicht identisch mit kritischer Moralität, weil Gründe nicht Praxen (practices), nicht einmal ideale Praxen seien und nicht mit ihnen gleichgesetzt werden könnten, wenn sie Gründe für nur hypothetische Praxen seien. 68 Vgl. Wellman (1985), S. 126, 128. 69 Als Beispiel führt Wellman an, dass er bei einer Terminvereinbarung mit seinen Kollegen bestimmte unrichtige Angaben gemacht habe und damit einen Termin zu seinen Gunsten erzielt habe. Er bemerkt, dass es nicht notwendig sei, sich auf eine Regel der kritischen Moralität zu berufen, um zu erklären, warum seine Handlung moralisch falsch war. Bestimmte Fakten über seine Handlung fielen als moralisch relevant auf. Er habe jene angelogen, die ihm vertrauten, und habe ihnen Unannehmlichkeiten bereitet, um einen ldeinen Vorteil für sich selbst herauszuschlagen. Diese Fakten zu seiner Handlung seien Gründe für ihn, nicht so zu handeln, wie er gehandelt habe und für andere auf sein Verhalten mit negativen Sanktionen zu reagieren. Vgl. Wellman (1985), S. 126 f. Kurzum, diese Fakten seien moralische Gründe, in Bezug auf die er die Moral definiert habe. Nur aufgrund solcher Fakten über seine besondere Handlung wäre eine universale Regel der kritischen Moralität auf sein Verhalten überhaupt anwendbar. Da man aber das Unrichtigsein dadurch erklären könne, dass man sage, er habe gegen diese moralischen Gründe gehandelt, gebe es keine Notwendigkeit, sich auf eine rational gerechtfertigte Moralitätsregel als Erklärung zu berufen. Wellman bemerkt, ihm scheine, dass so etwas wie Ockhams Rasiermesser hier Anwendung finde. 70 Vgl. Wellman (1985), S. 127. Wellman verweist hier auf seine Argumentation in (1971), Kapitel 1, wo er ausführlich argumentiert hat, dass das deduktive Modell moralischer Argumentation sowohl unnötig als auch irreführend ist. Wellman geht in diesem Kapitel der Frage nach, ob alles genuine Argumentieren deduktiv sei - vgl. ebd., S. 3 f. - und untersucht Argumente für und gegen den Deduktivismus (deductivism). Eine Wiedergabe aller Argumente ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Hier können nur einige Stellen selektiv herausgegriffen werden. Z.B. bemerkt Wellman auf
1 1 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
kritischen Moralität zur Erklärung, warum meine Handlung moralisch falsch gewesen sei, sei nicht nur unnötig, sondern auch nicht hinreichend: Die Existenz einer idealen moralischen Regel, nicht zu lügen, sei nicht hinreichend, um zu schließen, dass eine einzelne Handlung, die unter diese Regel falle, moralisch falsch sei, weil es in Ausnahmefällen aufwiegende moralische Gründe geben könne, die diese Regel aufhöben. 71 S. 11: Er sei nicht imstande ethische Generalisierungen zu formulieren, die ihm universal wahr zu sein schienen, und er könne sich immer Ausnahmen ausdenken. Bis wir wirklich solche Prinzipien formulieren könnten, sehe er nicht, wie wir sie gebrauchen könnten, um unsere ethischen Folgerungen zu rechtfertigen. Ferner bemerkt er auf S. 17: Angenommen, dass ein spezifisches moralisches Urteil durch bestimmte moralische Gründe unterstützt werden müsse, könne er nichts in der Natur eines moralischen Urteils erkennen, das erforderte, dass diese moralischen Gründe eine moralische Regel einschlössen. Die Notwendigkeit einer Berufung auf moralische Prinzipien, sei nicht in unsere Konzeption von Moralität eingebaut. In Bezug auf logisches Folgern bemerkt er auf S. 20: Es sei keineswegs wahr, dass der Anspruch auf Gültigkeit (validity) in Einzelfällen von der Existenz einer Regel gültigen Folgems (valid inference) abhänge; die Regeln seien durch Induktion aus Einzelfällen abgeleitet. Wir entschieden, welche logischen Prinzipien wir akzeptieren sollten, indem wir die in den Argumenten impliziten Prinzipien entdeckten, die wir vor jeglicher Berufung auf Logik akzeptabel fänden. Daher sei das Fehlen einer Folgerungsregel nicht notwendig fatal für den Anspruch, dass ein gegebenes Argument gültig sei. Auf S. 27, bemerkt er in Bezug auf Urteile über Verpflichtungen: Gewöhnlich könnten wir nicht Einzelurteile über Verpflichtung durch Berufung auf ein ethisches Prinzip rechtfertigen, weil wir nicht fähig seien, rechtfertigbare ethische Prinzipien in Worte zu fassen. Glücklicherweise, selbst wenn er (sc. Wellman) unfähig sei, den Einzelfall unter ein universales Prinzip zu subsumieren, könne er dennoch erkennen, dass dieses oder jenes Charakteristikum der gegebenen Situation für das relevant sei, was getan werden müsse. In der Tat, er könne nur aufgrund einer solchen nichtdeduktiven Relevanz wissen, was in seine ethischen Prinzipien hineingepackt werden müsse. Seiner Ansicht nach seien ethische Prinzipien bis zu dem Grad, in dem sie formuliert und gerechtfertigt werden könnten, induktive Folgerungen (conclusions) aus Einzelfällen. 71 Vgl. Wellman (1985), S. 127. Demgemäß könnte z.B. eine Lüge nicht moralisch unrichtig (wrong) sein, obwohl weder ein Desaster zu vermeiden noch eine kleine Notlüge notwendig sei, sondern weil der Fragende auf eine Antwort bestehe, obwohl er kein Recht habe, die Wahrheit zu erfahren. Wellman bemerkt, man könnte einwenden, dass dies nur zeige, dass seine Formulierung der relevanten moralischen Regel unvollständig sei. Man müsse die Regel umformulieren, um zu sagen, dass es immer moralisch unrichtig sei zu lügen, außer um ein Desaster zu vermeiden oder um dem Fragenden eine Wahrheit vorzuenthalten, die zu wissen, er kein Recht habe. Eine wirklich genaue moralische Regel würde jede einzelne Ausnahme enthalten. Folglich sei die Existenz einer genuinen moralischen Regel eine hinreichende Bedingung, um zu schließen, dass jede Handlung, die darunter falle, moralisch unrichtig sei. Da moralische Gründe wie jegliche andere Art von Gründen universalisierbar seien, sei im Prinzip aus jedem moralischen Grund eine moralische Regel ableitbar. Wellman wendet ein, dass wenn er über menschliche Versuche, Regeln zu formulieren nachdenke, er unvermeidlich Ausnahmen zu jeder Formulierung finde. Überdies, wie könnten wir wissen, wann wir eine zusätzliche Ausnahme in eine moralische Regel einbauen sollten? Vgl. ebd., S. 128. Die Inadäquatheit einer Formulierung einer moralischen Regel würden wir dann und nur dann erkennen, wenn wir einen moralischen Grund erkennen würden, der dazu hinreiche, diese Regel in einer Situation, auf die sie Anwendungfinde, aufzuheben. Dann müssten aber moralische Regeln aus moralischen Grün-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Wellman führt auch einen zweiten Grund gegen die Auffassung der Moral als Sammlung moralischer Regeln an: 72 In der moralischen Entscheidung müsse man häufig konfligierende moralische Überlegungen gegeneinander abwägen, z.B. ob eine kleine gut gemeinte Lüge des Arztes die Genesungschancen des Patienten verbessern würde oder für das Arzt-Patient Verhältnis schädlich sein würde, das für die therapeutische Wirksamkeit wesentlich sei. Dieses Charakteristikum der Moral, das am deutlichsten in Konflikten moralischer Verpflichtungen klar werde, könne nicht in einem Regelmodell der Moral untergebracht werden. Gültige Regeln könnten aufgrund der wahren Natur von Regeln nicht konfligieren. Wenn Regeln zu konfligieren drohten, müsse entweder eine ausscheiden oder revidiert werden, um den Konflikt zu eliminieren. Da keine Sammlung von rational gerechtfertigten Regeln auf konfligierende Art für eine Handlung gelten (apply)73 könnte, gäbe es keinen Raum für die Abwägung einer Regel gegen eine andere.74 Daraufhin setzt sich Wellman auch mit der Auffassung von Moral als Sammlung von Prinzipien auseinander. Man könnte nämlich statt legalen Regeln legale Prinzipien als das geeignete Modell der Moral betrachten.75 Wellman erörtert hier eine Auffassung, die den Unterschied zwischen legalen Prinzipien und Regeln in der Art ihrer Anwendung begreift: 76 Beide wiesen auf bestimmte Entscheidungen in Bezug auf legale Verpflichtungen unter bestimmten Bedingungen hin, sie unterschieden sich aber in der Beschaffenheit der Anweisung (direction), die sie gäben. Wenn die Fakten, die eine Regel festsetze, gegeben seien, dann sei die Regel entweder gültig, in welchem Fall die Antwort, die sie liefere, akzeptiert werden müsse, oder sie sei nicht gültig, in welchem Fall sie nichts zur Entscheidung beitrage. Prinzipien funktionierten nicht auf diese Weise. Prinzipien setzten nicht legale Konsequenzen fest, die automatisch folgten, wenn die vorgesehenen Bedingungen zuträfen.
den abgeleitet werden. Wellman schlussfolgert, dass in der Moral gerade die moralischen Gründe in der moralischen Argumentation hauptsächlich seien und erklärten, was eine Handlung moralischrichtig(right) oder unrichtig (wrong) mache. 72 Vgl. Wellman (1985), S. 128. 73 Im Folgenden wird (engl.) „apply", sofern möglich, mit „gelten für" und sonst mit „Anwendung finden auf 4 ins Deutsche übersetzt. 74 Wellman argumentiert, dass wenn man entscheiden müsse, welche von zwei konfligierenden Regeln man übernehmen oder welcher man gehorchen solle, man diese Entscheidung nicht mit der Begründung treffe, dass eine Regel die andere überwöge, sondern mit der Begründung, dass die Gründe für die Übernahme oder das Folgeleisten der einen Regel die Gründe für die andere Regel überwögen. Man sollte die Auffassung der Moral als Sammlung moralischer Regeln ablehnen, um zu erklären, wie eine moralische Entscheidung oder ein moralisches Urteil die Abwägung konfligierender moralischer Überlegungen einschließe. 75 Vgl. Wellman (1985), S. 128 f. 76 Vgl. Wellman (1985), S. 129. Wellman setzt sich hier mit einem Argument von Dworkin auseinander. Vgl. Dworkin (1977), S. 24 ff.
1 1 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wellman wendet gegen diese Auffassung ein, ein theoretischer Vorteil des Regelmodells liege darin, dass es zu erklären scheine, wie legale oder moralische Gründe für legale oder moralische Urteile relevant seien. Spezifische Merkmale eines vorliegenden Falles seien logisch relevant, weil sie unter eine Regel auf die Art subsumiert werden könnten, dass die legale oder moralische Konklusion aus der Regel als Obersatz mitsamt den vorliegenden Fakten als Untersatz gefolgert werden könnte. Genau dies könnten aber Prinzipien nicht, weil sie der obigen Auffassung nach nicht legale Konsequenzen bestimmten, die automatisch folgten, wenn die vorgesehenen Bedingungen zuträfen. Wie könnten dann legale oder moralische Prinzipien auf bestimmte Entscheidungen hinweisen? In dieser Auffassung werde nichts in Bezug auf die Beantwortung dieser Frage gesagt. Zweitens werde in dieser Auffassung zusätzlich behauptet, dass ein Unterschied zwischen Regeln und Prinzipien darin bestehe, dass letztere die Dimension des Gewichts oder der Wichtigkeit hätten, was ersteren fehlte. Wellman versucht zu zeigen, dass nicht die Prinzipien als solche Gewicht haben, sondern die Überlegungen, die in den Prinzipien erwähnt sind, in unterschiedlichen Fällen verschiedenes Gewicht haben.77 Dies löse das Problem, wie Prinzipien auf bestimmte Entscheidungen hindeuteten. Prinzipien deuteten auf bestimmte Überlegungen hin, indem sie sie erwähnten; diese Überlegungen würden dann gegeneinander abgewogen, um zu einer Lösung zu gelangen. Dies bedeute jedoch, dass Gründe, relevante Überlegungen in jedem einzelnen Fall, und nicht universale Prinzipien die Dimension des Gewichts hätten. Wenn wir also das Abwägen konfligierender moralischer Überlegungen erklären wollten, dann müssten wir sowohl das Regelmodell als auch das Prinzipienmodell verwerfen und die Moral als Menge moralischer Gründe begreifen. Eine Erörterung moralischer Gründe und der Art, in der Wellman sie begreift, findet man auch im Folgenden, im Kapitel über die Existenz moralischer Rechte. c) Vorausgesetzte
Gründe und der Typ von Wellmans Theorie
In einem eigenen Abschnitt mit dem Titel „Vorausgesetzte Gründe" ergänzt Wellman in „Real Rights" seine Erörterung moralischer Gründe. 78 Wellman hat spezifisch moralische Gründe als doppel-Aspekt Gründe definiert. Seine Auffassung eines moralischen Grundes lasse die Antwort auf die Frage offen, was be77
Vgl. Wellman (1985), S. 130. Wellmans Nachweis anhand eines Beispiels wird hier übersprungen; wiedergeben wird hier nur seine Schlussfolgerung. 78 Vgl. Wellman (1995), S. 101. Wellman ordnet in ebd. den Abschnitt „Moral Reasons" dem Kapitel „Grounds of Moral Positions" und den Abschnitt „Presupposed Reasons" dem Kapitel „Grounds of Moral Rights" zu.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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stimmte Tatsachen (z.B. die Tatsache, dass eine Handlung bedeuten würde, sich um sein unterstützungsbedürftiges Kind zu kümmern, oder dass eine andere Handlung bedeuten würde, jemanden zu verletzen) sowohl für den Handelnden zu Gründen mache, eine Handlung zu tun oder zu unterlassen, als auch für jene, die in Gemeinschaft mit dem Handelnden lebten, zu Gründen mache, negativ zu reagieren, sofern er wider diese Gründe handle. Man könnte auf den Nutzen hinweisen, eine Kantische Antwort geben, eine theologische oder intuitionistische Theorie heranziehen. Wellman glaubt, wie vorhin bemerkt, dass moralische Gründe, durch die moralische Rechte begründet sind (grounded), unmittelbare (proximate) Gründe sind, die selbst durch fundamentalere Gründe begründet sind. So wie moralische Gründe erklärten, warum ein genuines moralisches Recht existiere, müsse es auch fundamentalere (more basic) Gründe geben, um zu erklären, warum ein moralischer Grund sowohl ein Grund für Handlung als auch für Reaktion sei. An anderer Stelle bemerkt Wellman, dass moralische Gründe Tatsachen (facts) seien, die in der natürlichen Welt (natural world) entdeckt würden.79 Seiner Ansicht nach seien diese vorausgesetzten Gründe nichtmoralische Werte (nonmoral values)80, die durch geeignete Handlung des Handelnden und Reaktionen der anderen, zumindest wenn diese in offenkundigem Verhalten ausgedrückt würden, gefördert (promoted) würden.81 Demgemäß übernehme er eine wesentlich teleologische - und nicht eine deontologische82 - Theorie über die Grundlagen moralischer Rechte.83 Obwohl die unmittelbaren (proximate) Grundlagen moralischer Rechte faktische Gründe seien, sei dasjenige, was sie moralisch relevant mache, die Werte, die auf dem Spiel stünden, in Situationen, in denen diese Fakten präsent seien. Zu den wichtigsten dieser Werte zählt Wellman das, was er als Geselligkeitsfaktoren (socialbility factors) bezeichnet, im Besonderen, Charakterzüge wie Verantwortlichkeit oder Missgunst (responsibility or malevolence) und Einstellungen wie Vertrauen oder Feindseligkeit (trust or hostility), die den Unterschied zwischen engen und lohnenden oder entfremdenden und ungerechten zwischenmenschlichen Beziehungen ausmachen. Als weitere Geselligkeitsfaktoren erwähnt Wellman an anderen Stellen Sicherheit (security), Rollenerfüllung (role fulfillment), 84 Wohlwollen (goodwill), Hilfsbereitschaft (cooperativeness), Gewissenhaftigkeit (conscientiousness),85 Respekt vor der Autonomie anderer, 86 Zuverlässigkeit (reliability). 87 79 80 81 82 83 84 85 86
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1995), S. 133. (1995), S. 103. (1995), S. 101. (1995), S. 103. (1995), S. 101. (1995), S. 76. (1995), S. 81. (1995), S. 94.
1 2 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Durch diese Geselligkeitsfaktoren erklärt er den sozialen Charakter moralischer Gründe: Was einen bestimmten moralischen Grund sozial mache, sei seine Verbindung mit einem oder mehreren Geselligkeitsfaktoren, Faktoren wie Sicherheit oder Vertrauenswürdigkeit, die Individuen ermöglichen in wechselseitig lohnender Weise zu interagieren und zu kooperieren. 88 Wellman räumt ein, dass er keine systematische und adäquate Erklärung habe, wie alle moralischen Gründe durch vorausgesetzte Werte begründet (grounded) seien.89 87
Vgl. Wellman (1995), S. 144. Vgl. Wellman (1995), S. 42. 89 Vgl. Wellman (1995), S. 101. Wellman verweist zugleich darauf, dass seine ziemlich spekulativen (speculative) Darstellungen der Gründe von moralischen Musterrechten (vgl. Wellman (1995), S. 79-97) einige Andeutungen darüber enthielten, wie eine solche Erklärung aussehen könnte. Vgl. Wellman (1995), S. 101. Wellmans Ausführungen zu zweien dieser Musterrechte werden in einer Fußnote im Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten erwähnt. Einige Bemerkungen über die Grundlagen in der moralischen Argumentation und in der Rechtfertigung moralischer Folgerungen findet man z.B. auch in Wellmans Aufsatz „Moral Consensus and the Law". Diese Bemerkungen kann man hier ergänzend erwähnen. Wellman stellt dort die Frage, wie man z.B. vernünftig entscheiden könne, ob der Staat eine oder alle Anwendungen der In-vitro-Fertilisation verbieten sollte. Vgl. Wellman (1994), S. 118. Wahrscheinlich müsse man wissen, ob die Kosten in Form individueller Freiheit 1 (liberty) und gelegentlicher Infertilität größer oder geringer sein würden als die Vorteile in Form alternativer Anwendungen medizinischer Ressourcen und erhöhter Bestimmung der väterlichen Verantwortlichkeit für die Unterstützung der Kinder. Vgl. ebd., S. 118 f. Um aber die relative Wichtigkeit aller dieser spezifischen Werte festzusetzen, wäre es erforderlich, sich auf eine allgemeine Theorie des Guten zu berufen. Vgl. ebd., S. 119. Wellman bemerkt, dass man jedoch aus seiner Sicht, nicht wissen könne, welche Theorie über Werte man akzeptieren solle, wenn man nicht wisse, welche Dinge gut seien und bis zu welchem Grad. Demgemäß erfordere das weite Überlegungsgleichgewicht, dass alles an alles andere angepasst werde, was impliziere, dass es keinen sicheren Ausgangspunkt und keine Grundlage (foundation) gebe, auf der man eine Moraltheorie aufbauen könne oder von wo man aus spezifische moralische Folgerungen rechtfertigen könne. (Wellmans vorangegangene Ausführungen zum weiten Überlegungsgleichgewicht wurden hier ausgelassen.) Wellman bemerkt, dass es seiner Ansicht nach einen Ausgangspunkt und eine Grundlage gebe. Der Ausgangspunkt für jeden Einzelnen seien jene Meinungen und Überzeugungen, die er zu dem Zeitpunkt nicht bezweifle, zu dem er auf Anfechtungen zu erwidern versuche, die in Bezug auf die bezweifelte Meinung vorgebracht worden seien. Der Ausgangspunkt für jede Gruppe von Personen, die ein moralisches Problem diskutierten, seien jene moralischen oder nichtmoralischen Übereinstimmungen, zu denen sie untereinander kämen. Natürlich könne jede unbezweifelte Überzeugung oder wechselseitige Übereinstimmung angefochten werden, in welchem Fall sie entweder beiseite gelegt werden müsse oder durch Berufung auf das, was außer Zweifel stehe, gerechtfertigt werden müsse. Die Grundlegung sei Erfahrung. Obwohl jede Erfahrung in Form des eigenen begrifflichen Systems, der akzeptierten Überzeugungen und der gesamten Weltanschauung interpretiert werde, gebe es etwas in jeder konkreten Erfahrung, das jenseits der Anfechtung sei. Diese sehr eigentümlichen Erfahrungen und nicht unsere allgemeinsten und abstraktesten Theorien seien die letzten Grundlagen aller rationalen Rechtfertigung. Sie seien jedoch zu gering an der Zahl, zu inhaltsarm und zu zweideutig, um eine bedeutsame Menge an Überzeugungen zu stützen. Nur wenn sie mit unbezweifelten, aber nicht unzweifelhaften Überzeugungen, die von sehr spezifischen zu hochtheoretischen reichten, ergänzt würden, könnten sie in rationaler 88
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
121
Wellman erörtert die Frage, ob man seine Theorie als utilitaristische Theorie über Gründe moralischer Rechte verstehen könnte.90 Denn da moralische Gründe doppel-Aspekt Gründe seien, die gänzlich auf vorausgesetzten Werten gründeten, könnte es den Anschein haben, dass das, was jegliche Überlegung zu einem gültigen moralischen Grund mache, der Nutzen aus einer bestimmten Weise zu handeln mitsamt dem Nutzen aus der angemessenen Weise zu reagieren sei.1 Seiner Ansicht nach würde aber eine solche Theorie moralische und praktische Argumentation fälschlich darstellen. Ein moralischer Grund sei eine Tatsache (fact), die für jeden Handelnden, der in Gemeinschaft mit anderen lebe, ein Grund, eine Handlung zu tun oder zu unterlassen sei. Was diese Tatsache zu einem Grund für Handlung oder Nichthandlung mache, sei ein Wert oder ein Unwert (disvalue) oder mehrere, die normalerweise durch diese Art von Handlung hervorgebracht würden. Dies bedeute jedoch nicht, dass Handlung aufgrund moralischer Gründe selbst unter normalen Bedingungen notwendig Nutzen maximiere, weil moralische Gründe, erstens, weder eine Kalkulation der Gesamtsumme noch des reinen Gleichgewichts aller Werte und Unwerte voraussetzten. Zweitens sei der Bereich der vorausgesetzten Werte relativ eingeschränkt, da es sich um solche handle, die primär mit Geselligkeitsfaktoren und sekundär mit verknüpften Charakteristika des sozialen Lebens in Verbindung stünden. Aufgrund ihrer Wichtigkeit im menschlichen Leben hätten sie großes Gewicht in der praktischen Argumentation. Moralische Gründe setzten aber nicht voraus, dass sie immer die gegenteiligen Werte oder Unwerte, die auf dem Spiel stünden, in einer moralischen Entscheidung überwögen. Ferner sei ein moralischer Grund eine Tatsache, die auch ein Grund für jene sei, die mit dem Handelnden in Gemeinschaft lebten, zu reagieren. Die angemessenen Reaktionen umfassten sowohl moralische Gefühle (sentiments) wie Billigung oder Missbillgung und Respekt oder Verachtung als auch offenkundiges Verhalten wie Lob oder Tadel und informelle Belohnung oder Bestrafung. Wenn z.B. jemand seine Frau schlage, so hätten andere einen Grund, ihn zu missbilligen. Was das Schlagen zum Grund für Missbilligung mache, sei, dass es bestimmte Persönlichkeitsmerkmale widerspiegle, die für die Werte der Geselligkeit und des vertrauten Soziallebens der Familie destruktiv seien. Daher seien die Gründe für moralische Gefühle teleologisch, aber nicht utilitaristisch. Man missbillige jemanden nicht, weil es nützlich sei, sich auf diese Weise in Bezug auf ihn zu fühlen. Die Gründe für moralische Gefühle seien rückwärts
Rechtfertigung eine Funktion haben. Innerhalb des Verfahrens des weiten Überlegungsgleichgewichts könnten Erfahrungen und Überzeugungen viele unserer moralischen Folgerungen rechtfertigen und könnten durchaus zu moralischer Übereinstimmung führen und würden es auch tun. 90 Vgl. Wellman (1995), S. 103. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1982) im Kapitel „Rechtfertigung legaler Rechte" auch die utilitaristische Rechtfertigung erörtert. Vgl. (1982), S. 64—76.
1 2 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
und nicht vorwärts blickend. Wenn die Reaktion die Form unverhohlenen Verhaltens annähme, sei die Rechtfertigung moralischer Reaktion nicht rein utilitaristisch.91 Kritik und Bestrafung seien nur dann gerechtfertigt, wenn sie angemessen seien, und dies hänge davon ab, ob die darin enthaltene Missbilligung auf nichtutilitaristischen Grundlagen gerechtfertigt sei. Wellman schlussfolgert, dass obwohl die Grundlagen moralischer Gründe gänzlich teleologisch seien, sie nicht rein utilitaristisch seien. Insofern hätten jene Recht, die behaupteten, dass die Grundlagen moralischer Rechte innerhalb einer Art des Utilitarismus nicht adäquat erklärt werden könnten, aber es erweise sich auch, dass die angemessene Art von Theorie näher am Utilitarismus sei, als sie angenommen hätten. Eine adäquate Theorie über Werte, durch die moralische Gründe begründet seien, würde ermöglichen zwischen genuinen und scheinbaren moralischen Gründen zu unterscheiden. Die Frage, ob ein behauptetes moralisches Recht wirklich sei, könnte dann durch Berufung auf moralische Gründe entschieden werden, die seine unmittelbaren (proximate) Grundlagen lieferten oder dies nicht leisteten. Dies habe er, seine Begriffe eines Rechts (a right) und der Moral vorausgesetzt, zu erreichen versucht.92 Auf diese Darstellung von Wellmans Auffassung moralischer Gründe für Handlung und Reaktion, soll nun eine Erörterung der unterschiedlichen moralischen Positionen, d.h. der verschiedenen Arten, in denen moralische Gründe für Handlung und Reaktion bzw. das Verhalten der Handelnden gelten, folgen. Da sich Wellmans Auffassung moralischer Positionen an seiner Auffassung legaler Positionen orientiert, empfiehlt es sich, zuerst auf diese einen Blick zu werfen. 2. Legale Positionen Hohfelds Begriffe - Den Begriff der legalen Position führt Wellman in „A Theory of Rights" in der Erörterung der legalen Begriffe (conceptions) von Hohfeld ein. Wellman bemerkt, dass Hohfeld seine Begriffe für grundlegend (fundamental) gehalten habe.93 Da jeder dieser Begriffe logisch von allen anderen verschieden sei, habe Hohfeld angenommen, dass sie einfach und irreduzibel seien. Hohfeld habe gezeigt, dass das Recht (law) in zwei grundsätzlich unterschiedlichen Weisen sich auf menschliche Handlung beziehe oder gelte: indem es unsere Wahl (choices) erzwinge und indem es uns ermächtige, unsere 91
Vgl. Wellman (1995), S. 104. Dies gilt für das Kapitel „Grounds of Moral Rights", in Wellman (1995), in dem er auch vier moralische Musterrechte (sample moralrights)analysiert. Diese werden, wie vorhin bemerkt, in einer Fußnote im Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten erwähnt, in dem die Unterscheidung zwischen einschließender und stückweiser Begründung thematisiert wird. 93 Vgl. Wellman (1985), S. 17. 92
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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legalen Positionen zu ändern.94 Aus diesem Grund teilten sich seine grundlegenden legalen Begriffe in zwei Untermengen: diejenigen, die anhand des Begriffs der legalen Pflicht definierbar seien [dazu zählen: ein legaler Anspruch (legal claim), ein legaler Nicht-Anspruch (legal no-claim) und eine legale Freiheitl (legal liberty)], und diejenigen, die anhand des Begriffs der legalen Kompetenz definierbar seien [dazu zählen: eine legale Verbindlichkeit (legal liability), eine legale Immunität (legal immunity) und eine legale Unfähigkeit (legal disability)].95 Hohfelds Begriffe als legale Positionen - Hohfeld spreche von grundlegenden legalen Begriffen als rechtlichen Relationen (jural relations), d.h. als legalen Relationen zwischen zwei Personen.96 Wellman verwendet den Begriff „legale Position" statt dem Begriff „legale Relation", weil es seiner Meinung nach besser ist, nicht ohne Grund anzunehmen, dass immer eine Relation zwischen zwei Parteien vorliegt. 97 Wäre es möglich, dass eine Person das Recht (law) auf sich selbst anwende, dann wäre es bei bestimmten legalen Positionen möglich, dass sie nicht relational (nonrelational) seien.98 Wellman nimmt auch nicht wie Hohfeld an, dass eine legale Relation auf einer ihrer beiden Seiten vorteilhaft (advantageous) und auf der anderen nachteilig ist. 99 Hohfeld sei in seiner Vorstellung zu weit gegangen, dass legale Ansprüche, Privilegien (privileges), Kompetenzen und Immunitäten durch ihre bloße Definition oder Auffassung legale Vorteile wären. 100 Wellman räumt aber ein, dass ein großer Teil der praktischen Bedeutung dieser legalen Begriffe, obwohl nicht ihre gesamte praktische Bedeutung, in ihrer Relevanz für Konfrontationen zwischen entgegengesetzten Willen liege. In solchen gegnerischen Konfrontationen würden sie den Willen der Partei, die eine dieser Positionen innehabe, gegenüber dem Willen des Geg94
Vgl. Wellman (1985), S. 20. Vgl. Wellman (1985), S. 20 und 42. Vgl. auch Wellman (1995), S. 18 ff. Zu den Übersetzungen der englischen Wörter „liability" und „disability" vgl. eine der Fußnoten im Kapitel B., II., 3., e) über moralische Immunitäten. 96 Vgl. Wellman (1985), S. 20. 97 Vgl. Wellman (1985), S. 21 f. 98 Vgl. Wellman (1985), S. 21. Wellman geht dieser Frage nach und untersucht die legalen Positionen Pflicht und Kompetenz, durch die sich alle weiteren grundlegenden legalen Positionen definieren lassen. Vgl. Wellman (1985), S. 22. Das Ergebnis seiner Untersuchung ist, dass eine einzelne legale Position nicht eine Position zwischen zwei Parteien sein müsse. Vgl. ebd., S. 25. Da der Begriff des rechtlichen Zwangs (legal constraint) weder die Existenz einer einzelnen Person voraussetze, die den Zwang auferlege, noch wirklich voraussetze, dass der Zwang durch eine oder mehrere Personen auferlegt werde, sei der Begriff einer legalen Pflicht nicht wesentlich relational. Obwohl der Begriff einer legalen Kompetenz relational sei und den Besitzer der Kompetenz mit der Partei, deren legale Position durch ihre Ausübung geändert werden würde, in Beziehung setze, könne dieses Verhältnis zwischen einer Person und ihr selbst existieren oder einer Person und verschiedenen anderen. 99 Vgl. Wellman (1985), S. 25. 95
100
Vgl. Wellman (1985), S. 27.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ners begünstigen. Aus diesem Grund seien die Begriffe eines Anspruchs, Privilegs (privilege), einer Kompetenz und einer Immunität für die Analyse von Rechten besonders geeignet. Den Begriff „legale Position" bestimmt Wellman folgendermaßen: Von der Position einer Person im Bereich des Rechts (law) zu sprechen sei zumindest auf die Relevanz des Gesetzes für die Person hinzuweisen oder auf die Art, in der das Recht das Verhalten einer Person betreffe. 101 Eine legale Position sei die Art, in der das Recht für eine Person gelte, die in seinem Zuständigkeitsbereich stehe.102 Das Recht definiere legale Positionen aufgrund der unterschiedlichen Weise, in der es für die Handlungen derjenigen gelte, die in seinem Zuständigkeitsbereich stünden. Grundlagen Hohfeldscher Positionen - In seinem späteren Werk „Real Rights" bemerkt Wellman, dass die Rede von Gründen metaphorisch sei. 103 Wie ein Gebäude sich auf seine Grundlage stütze, stütze sich jede Behauptung, der Existenz eines Rechts, auf die Gründe, die es rechtfertigten. 104 Diese Gründe beruhten auf gerichtlicher Argumentation, den legalen Normen und faktischen Aussagen, aus denen ein Gericht gültig schließen könnte, dass ein Recht existiere. 105 Da ein legales Recht ein System Hohfeldscher Positionen sei, hingen die Grundlagen eines Rechts notwendig mit den Grundlagen seiner Hohfeldschen Elemente zusammen.106 Wellman erwähnt folgende allgemeine Folgerungen über die Grundlagen Hohfeldscher Positionen:107 Jede atomare (atomic) legale Position müsse sowohl faktische als auch rechtliche Grundlagen haben. Faktische Grundlagen seien all jene Fakten, die dazu notwendig seien, um den Inhaber einer Position unter das anwendbare Recht zu subsumieren. Verschiedene Arten legaler Positionen seien durch verschiedene Arten oder Aspekte von Gesetzen oder oft durch zahlenmäßig verschiedene Gesetze begründet. 101
Vgl. Wellman (1985), S. 20 f., 23. Vgl. Wellman (1985), S. 130. 103 Vgl. Wellman (1995), S. 12. 104 Vgl. Wellman (1995), S. 13. 105 In Wellman (1995), S. 13. Auf S. 14, unterscheidet Wellman zwischen unmittelbaren (proximate) legalen Grundlagen und entfernteren (more remote) Grundlagen von legalen Positionen. Erstere bestünden im Recht (law) oder den Gesetzen, die, sofern als gültig anerkannt, hinreichende legale Gründe bildeten, um die Existenz einer legalen Position zu begründen. Hinter diesen stünden andere, entferntere Grundlagen, die wiederum Gründe seien, welche die unmittelbaren Grundlagen dieser Position oder die Autorität eines Gerichts begründeten, das ein legales Problem entscheide, in dem diese Position in Frage stehe. In ebd., S. 27 f., erörtert Wellman die legalen Grundlagen eines legalen Rechts. 106 Vgl. Wellman (1995), S. 14. In ebd., S. 14 ff. geht Wellman der Frage nach, ob verschiedene Arten grundlegender legaler Positionen in grundlegend verschiedenen Arten von Gesetzen gründen und untersucht dazu die Grundlagen der verschiedenen Arten Hohfeldscher Positionen. 102
1
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 2 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Drei Arten der Begründung eines legalen Rechts - Wellman unterscheidet drei Arten, in denen ein legales Recht begründet sein kann: (i) Erstens könne ein Recht durch die Gesetzgebung begründet sein. In diesem Fall setze das Gesetz explizit ein Recht fest und implizit die Grundlagen des Komplexes der Hohfeldschen Positionen, die dieses Recht bildeten.108 In diesem Fall verlaufe die rechtliche Argumentation von dem Recht (right) oder, genauer, vom Gesetz, das dieses Recht direkt festsetze, zu den Schlussfolgerungen über die Hohfeldschen Elemente, die es impliziere, (ii) Zweitens könne die Argumentation in die umgekehrte Richtung verlaufen: vom System Hohfeldscher Positionen zum Recht, das sie bildeten. In so einem Fall bestünden die rechtlichen Grundlagen des Rechts (right) aus den verschiedenen Gesetzen, die diese Hohfeldschen Elemente festgesetzt hätten. Es wäre nicht richtig zu behaupten, dass die Grundlagen des Rechts einfach das Aggregat der Grundlagen der gegebenen legalen Positionen seien. Freilich seien keine zusätzlichen Gesetze notwendig, um das Recht zu begründen. Notwendig sei eine bestimmte Art von Muster (pattern) in den feststehenden legalen Positionen, das eine bestimmte Kohärenz in der Menge von Gesetzen widerspiegle, die diese Positionen begründeten. In diesem Muster sei eine Hohfeldsche Position zentral und die verknüpften legalen Positionen würden Freiheit2 und Kontrolle über seinen Kern seinem Inhaber übertragen. Unter Voraussetzung dieser Konfiguration seien die Gerichte und andere berechtigt, eine Menge von Gesetzen insgesamt so zu interpretieren, als würden sie Herrschaft über einen Kernbereich übertragen, und folglich, als würden sie die Art von System bilden, das ein Recht (a right) gemäß dem Recht (law) übertrage. Diese zwei Methoden der Begründung eines legalen Rechts könnten sogar kombiniert werden. 109 In solchen Fällen begründe ein Recht übertragendes Gesetz ein bestimmtes Recht, während andere Gesetze dieses Recht modifizieren könnten, indem sie seinen definierenden Kern einschränkten oder erweiterten oder indem sie ein oder mehrere verknüpfte Elemente hinzufügten oder abzögen. (Iii) Drittens könne ein Recht manchmal aus einem vorherigen Recht abgeleitet werden. 110
108
Vgl. Wellman (1995), S. 25. Wellman bemerkt, dass die Gesetzgebung ein Gesetz mit einen Schlag festsetzen könne, indem sie die Rede von Rechten gebrauche. Vgl. ebd., S. 27 f. Diese Rede nehme mehrere Formen an und sei nicht nur auf den Ausdruck „ein Recht" und seine Synonyme eingeschränkt. 109 Vgl. Wellman (1995), S. 28. 110 Vgl. Wellman (1995), S. 25. Wellman unterscheidet hier zwei Arten, in denen ein vorheriges (prior) legales Recht ein abgeleitetes Recht begründen könne, weil es zwei Arten gültigen legalen Argumentierens gebe vom Recht (law) oder den Gesetzen, die ein anerkanntes Recht begründeten, zur Schlussfolgerung, dass ein neues Recht existiere. Man könne nach Spezifizierung (specification) oder nach Erforderlichsein (necessitation) argumentieren. Diese Unterscheidung wird im Folgenden [im Kapitel B., II., 5., b)] noch einmal erwähnt.
126
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Eine weitere Art der Klassifizierung der rechtlichen Grundlagen von Rechten liege darin, dass ein Recht im Verfassungsrecht (constitutional law), im Gesetzes-Recht (statutory law) oder im common law begründet sein könne. 111 In der eingangs gegebenen Darstellung wurden die Definitionen legaler Vorteile (Positionen) aus dem Aufsatz „A new conception of humanrights"wiedergegeben. Im Folgenden wird auf Wellmans spätere, genauere Erörterungen aus seinem Werk „A Theory of Rights" kurz eingegangen. Diese werden, sofern notwendig, durch seine Ausführungen aus „Real Rights" ergänzt. a) Legale Pflichten
(legal duties)
In der Analyse der legalen Position Pflicht in „A Theory of Rights" kritisiert Wellman Hohfelds Auffassung, wonach eine legale Pflicht die Position einer Person sei, die durch das Gesetz verpflichtet oder gezwungen (constraint) werde. 112 Wellman fährt fort, dass unter dieser Voraussetzung und der weiteren Voraussetzung, dass das Recht einen durch Androhung, Klage zu erheben, zwinge, der Begriff einer Pflicht eine notwendige Relation zu einer zweiten Partei impliziere, die die Kompetenz habe, gegen den Verpflichteten rechtlich vorzugehen. Hohfeld habe keine philosophische Analyse seines Begriffs der legalen Pflicht gegeben und daher nicht gesehen, dass sein Begriff einer Pflicht einer Person B gegenüber A kein grundlegender, sondern ein komplexer legaler Begriff sei, der zwei einfachere Begriffe voraussetze: den Begriff des legalen Zwangs (constraint) und den Begriff der legalen Kompetenz (power), eine Klage anzustrengen.113 Diese Analyse der relativen (relative) legalen Pflicht, d.h. der legalen Pflicht gegenüber einer anderen Person, unterbreitet Wellman als stipulative Definition. 114 Wellman weist darauf hin, dass die Androhung legaler Sanktionen nicht immer von einem möglichen Kläger (claimant) ausgehe. 115 Letztendlich seien es Gründe nicht Personen, die den Verpflichteten zwängen.116 Das Adjektiv „legal" (legal) beziehe sich auf die Quelle und nicht 111 Vgl. Wellman (1995), S. 28. Diese Unterschiede seien von beträchtlicher Bedeutung, weil die Interpretation eines Rechts (right) nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Quellen verschieden sein könne, sondern auch, weil verschiedene Kanons der Interpretation auf das Verfassungsrecht (constitutional law), das Gesetzes-Rechts (statutory law) bzw. das common law Anwendung fänden. Da femer das Verfassungsrecht charakteristischerweise Vorrang vor allen anderen Formen des Rechts (law) habe, werde ein Recht (a right), das darauf gründe, ein größeres Gewicht als ein GesetzesRecht (statutoryright)oder ein Recht (aright) des common law haben. 112 Vgl. Wellman (1985), S. 28 113 Vgl. dazu femer Wellman (1997), S. 67. - In (1995), S. 18, schreibt Wellman, dass die zwei Positionen Pflicht und Kompetenz, soweit er es überblicke, grundlegend und undefinierbar (fundamental and indefinable) seien. 114 Vgl. Wellman (1985), S. 31.
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 9.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
127
die Natur des Zwanges. Wellman schlussfolgert, dass die legale Pflicht weder begrifflich noch logisch eine Pflicht gegenüber einer zweiten Partei sein müsse, die die Kompetenz habe, rechtlich gegen den Verpflichteten vorzugehen. Eine legale Pflicht sei einfach eine rechtlich erzwungene Handlung, wie immer das Recht das Verhalten des Verpflichteten auch bestimmen möge. 117 Wellman hält es für natürlicher, den Begriff einer Pflicht jemandem gegenüber (to someone) durch eine Erweiterung der Analyse des Begriffs der legalen Pflicht tout court zu definieren, d.i. durch weitere Entwicklung des Begriffs des rechtlichen Zwangs, statt durch Einführung eines neuen, unterschiedlichen Begriffs eines legalen Rechts.118 Diese Definition lasse die kontroverse Frage offen, ob es ein legales Recht (right) zu jeder relativen Pflicht im Recht (law) gebe. Wie wir gesehen haben, erklärt Wellman, dass den Inhaber der Pflicht Gründe und nicht Personen zwingen.119 Die Frage, wie das Recht (law) ein Verhalten erzwingt, erklärt er folgendermaßen: 120 Das, was den Verpflichteten zwinge, sei nicht die Sanktion selbst, sondern das Unterworfensein unter (liability to) oder die Aussicht auf Sanktionen. Gefängnismauern z.B. könnten einen neuen Mord eines Mörders verhindern, das aber, was vermutlich das rechtliche Subjekt zwinge, sei die Androhung einer Gefängnisstrafe, wenn es morden würde. Das Unterworfensein unter Sanktionen und die Aussicht auf Sanktionen erzwängen die Wahl einer Person, z.B. dadurch dass sie einen Klugheitsgrund bildeten, das Gesetz nicht zu missachten. Eine legale Pflicht sei deswegen eine legale Pflicht, weil der zwingende Grund, sei er ein Grund der Klugheit oder der Moral oder sonst einer, ein Grund sei, den das Recht bestimme.121 Wie schon vorhin erwähnt, bezieht sich das Adjektiv „legal" (legal) auf die Quelle und nicht die Natur des Zwangs. b) Legale Ansprüche (legal claims) Wellman verwendet nicht wie Hohfeld den Begriff „ein Recht" als logisches Korrelat zum Begriff „Pflicht", sondern den Begriff »Anspruch", weil er zwischen der komplexen Struktur eines Rechts und den Elementen, aus denen sie besteht, unterscheidet und dazu zwei verschiedene Begriffe braucht. 122 Insofern verwendet er den Begriff „Anspruch" für die legale Position, die ein Element eines legalen Rechts bildet. Wellman definiert einen legalen Anspruch folgen116 117 118 119 120 121 122
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman (1985), S. 30. dazu auch Wellman (1995), S. 15. Wellman (1985), S. 31. Wellman (1985), S. 30. Wellman (1985), S. 29. Wellman (1985), S. 30. Wellman (1985), S. 35.
128
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
dermaßen: X habe dann und nur dann einen legalen Anspruch gegenüber Y, dass Y eine bestimmte Handlung A tue oder unterlasse, wenn Y die legale Pflicht habe, A zu tun oder zu unterlassen, und X die legale Kompetenz habe, im Fall der angedrohten oder tatsächlichen Nichterfüllung durch Y auf Erfüllung oder Abhilfe (remedy) zu klagen, oder die legale Kompetenz habe, gegen Y gerichtlich vorzugehen.123 So definiert sei der legale Anspruch logisch korrelativ mit der korrespondierenden relativen Pflicht gegenüber dem Kläger (claimant). c) Legale Freiheiten!
(legal liberties)
Hohfeld habe das Privileg (privilege) als logisches Gegenteil einer legalen Pflicht begriffen. 124 Wellman spricht statt von einem Privileg von einer Freiheitl und definiert, Hohfeld folgend, die relative legale Freiheitl als das Fehlen einer entgegengesetzten legalen Pflicht. 125 Demnach habe X dann und nur dann eine legale Freiheitl gegenüber Y, eine bestimmte Handlung A zu tun, wenn X keine legale Pflicht gegenüber Y habe, A nicht zu tun. Um alle relativen Freiheiten 1 zu erfassen, müsse diese Definition so interpretiert werden, dass sie sowohl auf Unterlassungen (forbearances) als auch auf Ausführungen (performaces) Anwendung finde. Da Wellman argumentiert hat, dass der Begriff „Pflicht" nicht wesentlich relativ ist und dass einige absolute (absolute) Pflichten bestehen, unterscheidet er auch hier zwischen relativen und absoluten Freiheiten 1 im Recht (law). Die Definition einer absoluten Freiheitl lautet analog: X habe dann und nur dann eine legale Freiheitl (tout court), eine bestimmte Art einer Handlung zu tun, wenn X keine (entweder relative oder absolute) legale Pflicht habe, A nicht zu tun. 126 Da der Begriff der legalen Pflicht nicht per se relativ sei, sei der Begriff einer legalen Freiheitl an sich selbst betrachtet eher der Begriff einer absoluten Freiheitl als einer Freiheitl gegenüber einer anderen Partei oder mehreren. 127
123 Vgl. Wellman (1985), S. 39. Wellman schlägt vor, die Bedeutung von „ein Anspruch" so auszuweiten, dass sie sowohl für das Strafrecht (criminal law) als auch für das bürgerliche Recht (civil law) gilt. Vgl. ebd., S. 36 f. In (1997), S. 67, erwähnt er, dass Hohfeld den Begriff eines legalen Anspruchs für undefinierbar hielt. 124 Vgl. Wellman (1985), S. 39. 125 Vgl. Wellman (1985), S. 40 (und 44). 126 Vgl. Wellman (1985), S. 41. 127 Die Grundlagen (grounds) legaler Freiheiten 1 erörtert Wellman in (1995), S. 15 ff.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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d) Legale Kompetenzen (legal powers) Wellman unterscheidet im Unterschied zu Hohfeld zwischen einer legalen Fähigkeit (ability) im allgemeinen Sinn und einer legalen Kompetenz (power) im engeren Sinn: 128 Legale Fähigkeit (legal ability) - Eine Person X habe dann und nur dann eine legale Fähigkeit, eine spezifische legale Konsequenz C herbeizuführen, wenn eine spezielle Handlung (act) von X, unter Voraussetzung der Hintergrundfakten über X und der Umstände der Handlung zusammen mit dem anwendbaren Recht, C impliziere. 129 Legale Kompetenz (legal power) - X habe dann und nur dann eine legale Kompetenz, eine spezielle legale Konsequenz C herbeizuführen, wenn X die legale Fähigkeit so zu handeln habe und diese legale Fähigkeit von X' rechtlich zugeschriebener (legally imputed) Intention, diese Konsequenz zu erreichen, abhänge.130 Zu dieser Unterscheidung - Durch diese Unterscheidung versucht Wellman dem Unterschied folgender Fälle gerecht zu werden: Der Handlung eines Landstreichers, der zu Winterbeginn ein Verbrechen begehe, um die kalten Wintermonate im Gefängnis zu verbringen, einerseits und der legalen Kompetenz eines Bezirksstaatsanwalts anzuklagen andererseits. 131 Die Handlung des Landstreichers könne man als legale Fähigkeit betrachten, weil ihm das Strafrecht die Fähigkeit übertrage, sich zum Gegenstand einer Anklage und Strafverfolgung zu machen. Der Unterschied der zwei Definitionen liege wesentlich im Verhältnis der Handlung zu ihrer Konsequenz. Während die spezifisch legalen Konsequenzen in der Ausübung der legalen Fähigkeit außerhalb der Handlung lägen und sich zufällig zu ihrer inneren Beschaffenheit verhielten, lägen sie bei der legalen 128
Vgl. Wellman (1985), S. 45 ff und 51. Vgl. Wellman (1985), S. 51. 130 Vgl Wellman (1985), S. 51. Wellman argumentiert anhand von Beispielen auf S. 49 f., warum er Hohfelds eingeschränkte Auffassung einer Kompetenz, legale Relationen herbeizuführen, durch die allgemeinere Auffassung einer Kompetenz, legale Konsequenzen herbeizuführen, ersetzt. Wenn z.B. der Kongress seine legale Kompetenz ausübe, ein Bundesgesetz (federal Statute) zu erlassen oder aufzuheben, dann bewirke dies nicht nur eine Änderung der legalen Positionen jener, die nach dem Recht der USA lebten, sondern auch eine Änderung innerhalb des Rechts (law) selbst. Wellman bemerkt, dass eine legale Kompetenz nicht notwendig zwischen zwei verschiedenen Personen X und Y im Bereich des Rechts (law) bestehen müsse, sondern dass es auch folgende legale Kompetenzen unter Personen (X, Y, Z) gebe: von X in Bezug auf X (z.B. seine Rechte aufzugeben), von X in Bezug auf X und Y (z.B. X bietet Y in einem Brief an, ihm sein (X's) Grundstück für 10.000$ zu verkaufen) und von X in Bezug auf Y und Z (z.B. das Recht von Y's Bankier, Y's Schuld an Z zu zahlen). Vgl. Wellman (1985), S. 44 (Beispiele S. 42 f.). 131 Vgl. Wellman (1985), S. 45. 129
1 3 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kompetenz innerhalb der Handlung und gehörten wesentlich zu ihrer Beschaffenheit. 132 Die Wirksamkeit der Ausübung der legalen Kompetenz hänge nicht von der tatsächlichen (actual), sondern von der rechtlich zugeschriebenen (legally imputed) Intention des Ausübenden ab, d.h. davon, ob es die vernünftige und wahrscheinliche Interpretation seiner Intention sei. 133 Legale versus physische bzw. mentale Kompetenz - Wellman unterscheidet ebenso wie Hohfeld die legale Fähigkeit (bzw. Kompetenz) von der geistigen oder physischen Fähigkeit (bzw. Kompetenz): Eine legale Kompetenz sei eine Position einer Person im Bereich des Rechts (law). 134 Ob die Partei die geistige oder physische Fähigkeit habe, in einer gesetzlich spezifizierten Weise zu handeln, sei eine andere Sache. Dass jemand eine legale Fähigkeit habe, etwas bestimmtes zu tun, z.B. sein Testament zu unterzeichnen, bedeute, dass wenn die Person diesen speziellen Akt in einer speziellen Situation ausführen würde (mit der notwendig zugeschriebenen Intention), diese Handlung dann ein legal gültiges Testament hervorbringen würde. Zur Erklärung einer legalen Kompetenz durch eine Handlung - Wellman verweist ferner auf Hohfelds Erklärung, dass die legale Kompetenz eine legale Fähigkeit sei, jemandes legale Relation durch einen freiwilligen Akt zu ändern. 135 Hohfeld habe vollkommen Recht, wenn er eine legale Kompetenz in Form menschlicher Handlung auffasse. Der Begriff der legalen Kompetenz und der Begriff ihrer Ausübung seien logisch verbunden und nur ein Willensakt sei eine Handlung im vollen rechtlichen wie auch im vollen moralischen Sinn. Die Hervorbringung einer legalen Konsequenz durch eine legale Kompetenz - Schließlich erörtert Wellman die Frage, wie der Akt der Ausübung einer legalen Kompetenz eine legale Konsequenz hervorbringe. 136 Wellman verweist auf sogenannte „operative" Fakten, auf die schon Hohfeld hingewiesen hat, die eher konstitutiv als kausal sind: Sie konstituierten die Bedingungen für die Anwendung der legalen Norm. 137 Sie hätten legale Konsequenzen eher im logischen als im kausalen Sinn. 138 Die Aussage, dass der Inhaber einer legalen Kompetenz in der gesetzlich spezifizierten Weise gehandelt habe, impliziere eine legale Konsequenz.139 Dazu seien zusätzliche Prämissen erforderlich: Ers132
Vgl. Wellman (1985), S. 45. Vgl. Wellman (1985), S. 46. Wellman führt in seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „Consent to Medical Research on Children" die Überlegungen an, aus denen er vorgeschlagen hat, dass die Intention des Handelnden dasjenige ist, was eine legale Kompetenz von einer legalen Fähigkeit unterscheidet. Vgl. Wellman (1997), S. 20. Er weist auch darauf hin, dass dieser Vorschlag bestimmte Probleme mit sich bringt. 134 Vgl. Wellman (1985), S. 47 f. 135 Vgl. Wellman (1985), S. 50. 136 V g l Kliman (1985), S. 50. 133
137 138
Vgl. Wellman (1985), S. 51. Vgl. auch Wellman (1995), S. 14. Vgl. dazu auch Wellman (1995), S. 22. (Vgl. auch (1997), S. 92.)
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
131
tens seien faktische Angaben über den Inhaber der legalen Kompetenz erforderlich, die seine Tauglichkeit (competence) feststellten. Zweitens seien für die Inferenz zusätzliche Fakten über die Umstände, unter denen die Handlung ausgeführt geworden sei, wesentlich. Drittens müssten auch die anwendbaren legalen Normen vorausgesetzt werden. e) Legale Immunitäten (legal immunities) Wellman hat im Unteschied zu Hohfeld zwischen legaler Fähigkeit und legaler Kompetenz unterschieden. Während Hohfeld den Begriff der legalen Immunität durch den Begriff der legalen Kompetenz implizit definiert, definiert Wellman diesen Begriff durch den Begriff der legalen Fähigkeit: Eine Partei X habe dann und nur dann eine legale Immunität gegenüber einer Partei Y hinsichtlich einer bestimmten Konsequenz C, wenn Y nicht die legale Fähigkeit habe, eine Handlung zu tun, die die Konsequenz C für X implizieren würde. 140 Obwohl diese Definition die legale Immunität in Form einer Ermangelung einer legalen Fähigkeit im allgemeinsten Sinn definiere, schränke sie die relevanten legalen Konsequenzen auf Konsequenzen für den Inhaber der Immunität ein, d.h. auf legale Positionen. Ferner sei erwähnt, dass Wellman in der weiter unten wiedergegebenen Erörterung des Aufbaus eines Rechts zusätzlich die Position „legale Verbindlichkeit" (legal liability) erörtert. 141 Wellmans Definitionen legaler Positionen bilden, wie bereits erwähnt, die Vorlage für die Definition analoger moralischer Positionen im Bereich der Moral. Aus diesem Grund war es wichtig, einen Einblick in die Art und Weise zu gewinnen, in der Wellman die einzelnen legalen Positionen definiert und erklärt. 3. Moralische Positionen Wellman stellt die Frage, ob die Moral irgendwelche moralischen Positionen analog zu den legalen Positionen definiert, die Hohfeld festgestellt hat. 1 4 2 Eine legale Position sei die Art, in der das Recht für eine Person gelte, die in seinem Zuständigkeitsbereich stehe. Moralische Gründe gölten für moralische Handelnde in analoger Weise. Da moralische Gründe eine Spezies praktischer Gründe seien, seien moralische Normen moralische Gründe für oder wider eine mögliche Handlung. Entsprechend gölten sie direkt für einen moralischen Handelnden, der wähle, ob er eine Handlung tun oder nicht tun solle. 143 Moralische 139 140 141 142
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman (1985), S. 51. Wellman (1985), S. 52. das Kapitel B., IL, 4., b), aa). Wellman (1985), S. 130.
1 3 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Gründe seien aber ebenso Gründe für eine Reaktion mit positiven oder negativen Sanktionen auf eine bestimmte Handlung. Da solche voraussichtlichen Sanktionen auch praktische Gründe seien, gölten moralische Gründe indirekt wie auch direkt für moralische Handelnde. In dieser Hinsicht seien moralische Normen analog zu legalen Normen. 144 Daraufhin stellt Wellman die Frage, ob es moralische Rechte gibt. In seinem Modell eines Rechts als eines Komplexes normativer Positionen hänge dies von der Natur der Positionen ab, die durch die Moral definiert würden. 145 Sicherlich definierten moralische Normen einige moralische Positionen. Was noch herauszufinden sei, sei ob sie wirklich analog zu den Arten der Positionen seien, die Hohfeld unterschieden habe. 146 Nun soll auf die kurze Darstellung von Wellmans Ausführungen zu den einzelnen legalen Positionen eine genauere Darstellung seiner Ausführungen zu den moralischen Positionen folgen. a) Moralische Pflichten
(moral duties)
aa) Definitionen moralischer Pflichten Definition einer moralischen Pflicht - Wellman definiert die Position der moralischen Pflicht folgendermaßen: Die Position einer moralischen Pflicht sei die Position eines moralischen Handelnden (moral agent), dessen Verhalten durch die Moral, d.i. die Menge moralischer Normen erzwungen (constraint) wer143 Vgl. Wellman (1985), S. 131. In (1995), S. 140, bemerkt Wellman, dass moralische Gründe selbst dann anwendbar (applicable) seien, wenn der Handelnde nicht handle; sie hätten aber keine Relevanz für ein Wesen, das total unfähig zu handeln sei. [Dies wird im Kapitel B., II., 5., c), über die Qualifikationen des Rechtsinhabers, thematisiert.] 144 Wellman erwähnt einen Unterschied zwischen den zwei Sammlungen von Normen. Während das Recht jedes Landes die legalen Positionen nur derjenigen bestimmte, die unter seiner Gerichtsbarkeit lebten, gölten moralische Gründe für jeden moralischen Handelnden unabhängig davon, wann und wo er lebe. Vgl. Wellman (1985), S. 131. 145 Vgl. auch „Real Rights". Die Grundlagen (grounds) eines Rechts seien die Gründe (reasons) seiner Existenz. Vgl. ebd., S. 39. Moralische Gründe (reasons) lieferten die Grundlage (ground) moralischer Rechte (moralrights).Vgl. ebd., S. 44. Wellman fasst ein moralisches Recht als ein System moralischer Positionen auf, worauf im Folgenden eingegangen wird. Wellman bemerkt an anderer Stelle, dass der Inhalt eines Rechts zur Gänze durch seine Gründe bestimmt sei. Vgl. ebd., S. 178. 146 Die Bedeutung, die Wellman dem Begriff „analog" beimisst, lässt sich vielleicht klarer erkennen, wenn man sich z.B. seine Bemerkungen zu organisatorischen Normen ansieht. (Unter einer Organisation (Organization) versteht Wellman jede organisierte soziale Institution. Dazu zählt Wellman auch Kirchen, private Klubs, akademische Institutionen etc.) Vgl. Wellman (1985), S. 107 f. Wellman bemerkt, dass nicht jede Sammlung (body) organisatorischer Normen irgendeine Art Rechte übertrage. Eine Menge von Normen täte dies nur, wenn sie normative Positionen analog zu den legalen Positionen definiere, die Hohfeld festgestellt habe.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
133
de. 1 4 7 Diese moralischen Normen bestünden aus moralischen Gründen. Pflicht auferlegende Gründe seien im Unterschied zu bloß ideal-projizierenden Gründen (ideal-projecting reasons)148 sowohl Gründe für den Handelnden, in einer bestimmten Weise zu handeln oder nicht zu handeln, als auch Gründe für andere, mit negativen Sanktionen der Moralität zu reagieren, sollte sich der Handelnde entschließen, wider den moralischen Grund zu handeln. Definition einer relativen moralischen Pflicht - Wellman glaubt, dass es analog zu den relativen legalen Pflichten auch relative moralische Pflichten, d.h. Pflichten gegenüber einer zweiten Person gebe, die analog definiert werden könnten: Eine moralische Pflicht einer Person X gegenüber einer Person Y bestehe aus einer moralischen Pflicht von X gemeinsam mit einer moralischen Kompetenz von Y, auf Erfüllung (Performance) oder Abhilfe (remedy) Anspruch zu erheben, sollte X die Erfüllung seiner Pflicht unterlassen. Somit bestehe die moralische Pflicht des Versprechensgebers X gegenüber dem Versprechensempfänger Y, sein Versprechen zu halten, in der moralischen Pflicht von X gemeinsam mit der moralischen Kompetenz von Y, auf Erfüllung oder Abhilfe Anspruch zu erheben, sollte X sein Versprechen nicht halten. bb) Einige Punkte in Wellmans Erörterung moralischer Pflichten Im Folgenden werden einige Punkte aus Wellmans Erörterung moralischer Pflichten erwähnt. Diese sind: (1) Moralische Gründe und ihr Zwang, (2) Charakteristika moralischer Pflichten, (3) Reaktionen, (4) Relative moralische Pflichten, (5) Relative moralische Pflichten gegenüber sich selbst, (6) Absolute Pflichten, (7) Nichtinstitutionelle und institutionelle Pflichten. (1) Moralische Gründe und ihr Zwang Jemand hat nach Wellman eine Pflicht einer bestimmten Art, wenn er in der Position ist, in der seine Wahlmöglichkeiten (choices) durch eine oder mehrere Normen der entsprechenden Art erzwungen (constraint) werden. 149 Jemand habe eine moralische Pflicht, wenn die Moral seine Wahl durch die Art erzwinge, in der sie für die alternativen Handlungen (acts) gelte, zwischen denen er wählen könne.
147
Vgl. Wellman (1985), S. 136. Zu den ideal-projizierenden Gründen vgl. auch im Folgenden die Erörterungen der moralischen Position Freiheit 1 und der moralischen Position Kompetenz im Kapitel B., n., 3., d), aa), (2). 148
9
Vgl. Wellman (1985), S. 131.
134
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wellman erklärt die Art, in der die Moral dem moralischen Handelnden Zwang auferlegt, folgendermaßen: Die Moral bestehe aus der Menge moralischer Gründe. Moralische Gründe seien aufgrund ihrer doppel-Aspekt Natur sowohl Gründe zu handeln oder nicht zu handeln als auch Gründe, einem moralischen Handelnden gegenüber zu reagieren, der in einer Situation zu handeln gewählt habe, in der die moralischen Gründe anwendbar (applicable) seien.150 Daher legten die Pflicht auferlegenden moralischen Gründe einen doppelten Zwang auf, nämlich den Zwang jedes praktischen Grundes mitsamt dem spezifischen moralischen Zwang potentieller Sanktionen der Moralität. 151 Wellman unterscheidet moralische Gründe von technischen Gründen und Klugheitsgründen (prudential reasons). Ein technischer Grund erzwinge die Wahl (choices) eines rationalen Handelnden (rational agent). 152 So zwinge z.B. das Ziel, ein Rennen zu gewinnen, einen rationalen Sportler selbst an einem Tag, an dem er müde sei, hart zu trainieren, wenn dies zur Erreichung des Zieles notwendig sei. Auch Klugheitsgründe zwängen einen rationalen Handelnden. Z.B. erlege das Wissen, dass Kettenrauchen das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken stark erhöhe, einem moralischen Handelnden, der hauptsächlich aus diesem Grund zu rauchen aufzuhören versuche, den Zwang eines praktischen Grundes auf. 153 Technische Gründe unterschieden sich darin von Klugheitsgründen, dass erstere praktische Gründe seien, die durch einen fakultativen (optional) Zweck bedingt seien, während letztere praktische Gründe seien, die durch den Zweck des eigenen Wohlergehens (well-being) bedingt seien, der nicht fakultativ sei. 154 In diesem Sinn seien technische Gründe fakultativ (elective), während Klugheitsgründe ebenso wie moralische Gründe nicht fakultativ seien. Vernunft trete an zwei Stellen in Klugheitsgründen ein: erstens, indem sie die Wahl bestimmter Mittel zum eigenen Wohlergehen verlange, und zweitens, indem sie rational verlange, das eigene Wohlergehen zu wählen oder sich als Ziel zu setzen.155 Da moralische Gründe Gründe für oder gegen Handlung seien, teilten sie den Zwang eines praktischen Grundes mit technischen Gründen und Klugheitsgründen.156 So lege z.B. das dem Nachbarn gegebene Versprechen, 150
Vgl. Wellman (1985), S. 131 f. Vgl. Wellman (1985), S. 132. 152 Vgl. Wellman (1985), S. 132. 153 Vgl. Wellman (1985), S. 133. 154 Vgl. Wellman (1985), S. 132. - Am Rande sei erwähnt, dass Wellman in (1995), S. 231, im Kapitel über Rechtskonflikte, in der Erörterung moralischer Konflikte, anmerkt, dass Interessen an sich keine spezifisch moralischen Gründe seien. Die Interessen des Rechtsinhabers seien nur indirekt für das Gewicht von Rechten in einer gegenseitigen Abwägung relevant; sie seien nur deswegen relevant, weil sie sich auf moralische Gründe wie Zufügung von Leid oder Vertrauensbruch stützten, auf denen diese Rechte gründeten. 155 Vgl. Wellman (1985), S. 132 f. 151
Vgl. Wellman ( 1 9 8 ) , S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
135
seinen Gehsteig frei zu schaufeln, einen rationalen Zwang auf, dies zu tun; oder, die Gefährdnung des Lebens anderer Personen durch Alkohol am Steuer, sei ein Grund, nicht in alkoholisiertem Zustand zu fahren. Moralische Gründe seien ähnlich wie Klugheitsgründe und unterschieden sich darin von technischen Gründen, dass sie nicht durch Wahl (adoption) eines rational fakultativen Zweckes bedingt seien. Wenn sie überhaupt durch Zwecke oder Ziele bedingt seien, dann seien die vorausgesetzten Zwecke solche, deren Ablehnung wider die Vernunft eines moralischen Handelnden wäre wie das Wohlergehen anderer Personen. In „Real Rights" schreibt Wellman, dass Pflicht auferlegende Gründe unmittelbare (proximate) Gründe seien, die durch fundamentalere Gründe begründet seien und eine Zwischenrolle zwischen moralisch geforderten Handlungen und letzten praktischen Gründen spielten.157 (2) Charakteristika
moralischer Pflichten
Wellman bemerkt in „Real Rights", dass vier Charakteristika moralischer Pflichten die Natur moralischer Pflicht auferlegender Gründe widerspiegelten: (i) Spezifität (specificity), (ii) Normativität (normativity), (iii) bindende Kraft (bindingness) und (iv) Entschiedenheit (peremptoriness). 158 (i) Die Spezifität habe zwei Aspekte: Universalisierbarkeit (universalizability) und Differenzierung (differentiation). 159 Die Universalizierbarkeit sei ein wesentliches Charakterisitikum jeglicher Argumentation (reasoning).160 Demnach setze die Behauptung, dass ein Charakteristikum einer erwogenen Handlung ein Grund für die Verpflichtung des Handelnden sei, diese Handlung in diesem Fall zu tun oder nicht zu tun, voraus, dass dieses Charakteristikum ein Grund für die Verpflichtung jedes anderen Handelnden wäre, diese Handlung unter ähnlichen Umständen zu tun. Die Differenzierung von Pflichten sei durch die Tatsache erklärt, dass jeder Pflicht auferlegende Grund nur eines von vielen verschiedenen Charakteristika einer Handlung (act) sei, das diese Art Handlung von anderen Arten von Handlung unterscheide. (ii) Die Normativität bzw. das Sollen (oughtness) einer Pflicht könne zum Teil durch die Natur von Pflicht auferlegenden Gründen erklärt werden. Gerade weil Pflichten durch Gründe für Handlung auferlegt würden, seien sie Handlungen, die man tun sollte, und in dieser Weise normativ. Pflicht auferlegende Gründe hätten auch für alle anderen, die mit dem Handelnden gemeinsam leb157
Vgl. Wellman B., II., 1., c). 158 Vgl. Wellman 159 Vgl. Wellman 160 Vgl. Wellman
(1995), S. 50. Zu den vorausgesetzten Gründen vgl. das Kapitel (1995), S. 59. (1995), S. 50 f. (1995), S. 51.
1 3 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ten, normative Bedeutung, da sie Gründe seien, negativ zu reagieren, wenn der Handelnde wider sie handeln sollte. Dies erkläre offenbar, wie Pflichten normative Bedeutung für andere hätten. Wellman stellt die Frage, wie dieser zweite Aspekt eines Pflicht auferlegenden Grundes normativ für den Handelnden ist. Dazu bemerkt er unter anderem: Die Tatsache, dass eine Handlung wider einen Pflicht auferlegenden Grund anderen einen Grund gebe, negativ zu reagieren, sei selbst ein Grund für den Handelnden, es nicht zu unterlassen, nach diesem Grund zu handeln, weil dies zu tun die Gefahr erhöhen würde, negative und unerwünschte Reaktionen zu erdulden. 161 Wellman erklärt ferner, dass jeder moralische Handelnde sich als selbstbewusstes Wesen aus der Perspektive des anderen betrachte. 162 Handle man gegen Pflicht auferlegende Gründe, so laufe man, erstens, Gefahr die negativen Reaktionen anderer, inklusive seiner selbst als anderer betrachtet, ertragen zu müssen und seine Integrität - die kohärente Einheit der verschiedenen Meinungen, Wünsche, Haltungen und Handlungen, die man habe - zu verlieren. 163 Der zweite Aspekt Pflicht auferlegender Gründe ist für den Handelnden auch in einer zweiten Art normativ: Diese bestehe darin, dass der Handelnde durch Unterlassung seiner Pflicht seine wertvollen Beziehungen zu den anderen gefährde. 164 (iii) Die bindende Kraft moralischer Pflichten erklärt Wellman folgendermaßen: Pflichten schränkten die Handlungsfreiheit (freedom of action) ein, indem sie bestimmte Optionen als moralisch unzulässig ausschlössen,165 und da sie auch Gründe für andere seien, negativ auf den Handelnden zu reagieren, wenn er gegen diese Gründe handeln sollte.166 Daher seien sie auch indirekt Gründe für den Handelnden, es nicht zu versäumen pflichtgemäß zu handeln. Pflichten zwängen uns aber auch, da sie oft mit unseren Neigungen konfligierten und wir oft gezwungen seien (constrained to), unsere Pflicht gegen unsere Neigung zu 161
Vgl. Wellman (1995), S. 52. Vgl. Wellman (1995), S. 53. Wellman bemerkt hier, es sei charakteristisch für das Menschsein und wesentlich für moralische Tätigkeit (moral agency), dass man nicht nur bei Bewusstsein sei, sondern ein Selbstbewusstsein habe. 163 Vgl. Wellman (1995), S. 53 f. Wellman erklärt, dass dies eine Rolle spiele, weil es die Bedeutung oder Wichtigkeit der Handlungen einer Person und ihrer selbst ändere, wenn man sie in einem Leben erfährt, das im Erleben weniger lohnenswert empfunden wird. 164 Vgl. Wellman (1995), S. 54. 165 Wellman bemerkt in Bezug auf diesen ersten Aspekt moralischer Pflicht auferlegender Gründe, dass dadurch nicht geleugnet wird, dass es sowohl positive als auch negative Pflichten gibt. Vgl. Wellman (1995), S. 54. Manche Pflicht auferlegenden Gründe seien Gründe für den Handelnden, eine Handlung zu tun, andere, eine Handlung zu unterlassen. Dieser Unterschied zwischen positiven und negativen Pflichten werde durch den ersten Aspekt Pflicht auferlegender Gründe erklärt, als Gründe für den Handelnden in einer bestimmten Weise zu handeln oder nicht zu handeln. 166 V g l Wellman (1995), S. 55. - Am Rande sei erwähnt, dass Wellman in (1961), S. 275 f., auch zu erklären versucht, inwiefern Urteile über Verpflichtungen bindend (binding) seien. 162
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
137
erfüllen. 167 Da Pflicht auferlegende Gründe auch Gründe für eine Reaktion der anderen seien, falls der Handelnde wider diese Gründe handle, sei auch hier eine zweite Dimension im Zwang Pflicht auferlegender Gründe gegeben. Die Gefahr, eine solche Reaktion zu erdulden, könnte einen Handelnden zwingen, der nicht hinreichend rational sei, um durch den ersten Aspekt eines Pflicht auferlegenden Grundes genügend motiviert zu werden. (iv) Die Entschiedenheit168 von Pflichten erläutert Wellman, indem er erstens auf die Autonomie der Moral hinweist.169 Moralische Gründe seien miteinander verbunden und bildeten ein System von Gründen. Wellman argumentiert, die Moral sei in dem Sinn autonom, dass in spezifisch moralischen Fragen wie z.B., was man, moralisch gesehen, tun solle, nichtmoralische Gründe irrelevant seien. In diesem Sinn seien Pflicht auferlegende Gründe entscheidend (decisive) und ließen kein Gegenargument zu. 1 7 0 Zweitens hätten Pflicht auferlegende Gründe ein spezielles Gewicht, das zwei Aspekte habe: seine Wichtigkeit (importance) und seine Ernsthaftigkeit (seriousness).171 Drittens seien Pflicht aufer167
Vgl. Wellman (1995), S. 56. Wellman bemerkt, dass nicht nur moralische Gründe, sondern alle praktischen Gründe den unvollkommen rationalen Handelnden zwängen. Es könnte sein, dass man, durch technische Gründe oder Klugheitsgründe gezwungen, gegen irgendeinen seiner Wünsche handeln müsse. Solche Konflikte würden aber durch die Tatsache abgeschwächt, dass der Wunsch für einen Zweck auch den Wunsch für das Mittel hervorzubringen tendiere, sodass auch unvollkommen rationale Handelnde das zu wollen tendierten, was in ihrem eigenen besten Interesse sei. Konflikte zwischen Pflicht und Wunsch seien häufiger und schwieriger, da Pflicht auferlegende Gründe einen höheren Grad an Rationalität für ihre Anerkennung verlangten. Dies rühre daher, dass sie wesentlich soziale Gründe seien. Sie spezifizierten Faktoren, die wichtig für das Leben in Gemeinschaft mit anderen seien und als solche spiegelten sie die Wünsche und Interessen der anderen zumindest so sehr wie die des Handelnden wider. Da wir den natürlichen Hang hätten, uns mehr um unsere eigenen Ziele und Interessen zu kümmern, als um jene anderer und Pflicht auferlegende Gründe wesentlich sozial seien, seien wir als unvollkommen rationale Handelnde oft gezwungen, unsere Pflicht gegen unsere Neigung zu tun. Folglich zwängen Pflicht auferlegende Gründe in derselben Weise wie die meisten Klugheitsgründe für eine Handlung, aber in höherem Grad. 168 Der englische Ausdruck „peremptory" lässt sich auch mit „kategorisch" ins Deutsche übersetzen. 169 Vgl. Wellman (1995), S. 57. 170 Vgl. Wellman (1995), S. 58. Wellman bemerkt dazu, dass wenn es darum geht, was man moralisch tun soll, kein moralischer Pflicht auferlegender Grund durch einen nichtmoralischen Grund überwogen werden kann, wie stark auch immer dieser sein mag. Dies rühre nicht daher, dass moralische Gründe notwendig nichtmoralische Gründe überwögen oder Vorrang vor ihnen hätten, sondern daher, dass nichtmoralische Gründe für spezifisch moralische Fragen oder Urteile irrelevant seien. Ferner bemerkt Wellman, dass dies nicht impliziere, dass ein einzelner Pflicht auferlegender Grund selbst innerhalb der Moral absolut entscheidend sei. Ein Pflicht auferlegender Grund könne durch einen stärkeren, konfligierenden Pflicht auferlegenden Grund überwogen oder durch einen Freiheit 1 übertragenden Grund annulliert werden. 171 Vgl. Wellman (1995), S. 58. Das Gewicht moralischer Pflicht auferlegender Gründe erklärt Wellman, wie im vorigen Punkt erörtert, durch die Tatsache, dass sie
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legende Gründe zum Teil gegen die Abwägung von Gründen für oder gegen eine Handlungsweise immun. 172 Als Gründe für einen Handelnden, in einer bestimmten Weise zu handeln, könnten sie durch andere Gründe übergewogen werden. Es könnte aber sein, und dies sei normalerweise der Fall, dass dieses Abwägen praktischer Gründe einen Pflicht auferlegenden Grund als Grund für Reaktion nicht überwältige. Selbst wenn der Handelnde rational gerechtfertigt, die Ausführung seiner Pflicht unterlasse, hätten andere oft Grund, ihm gegenüber negativ zu reagieren. Dies sei deswegen so, weil die Gründe, die für eine Reaktion relevant seien, andere als jene seien, die für die Wahl der Handlung relevant seien.173 Wellman stellt die Frage, wie es für andere rational sein könnte, negativ gegenüber einem Handelnden zu reagieren, der auf rational gerechtfertigte Weise gehandelt habe. Die Antwort sei, dass andere gegenüber dem Handelnden und nicht der Handlung reagierten. Sie tadelten den Handelnden dafür, dass er falsch (wrongly) gehandelt habe; sie tadelten nicht seine Handlung als solche. Sie reagierten gegenüber dem Handelnden, aufgrund der Art, in der er gehandelt habe, doch ihr Bedenken betreffe mehr das, was seine Handlung über seinen Charakter ausgesagt habe, denn diese Handlung als einzelnes Ereignis. Zu den Gründen, die andere haben, negativ zu reagieren, wann immer ein Handelnder gegen einen Faktor handelt, der für die Geselligkeit wichtig sei, zählt Wellman folgende: Gründe, die andere in Gemeinschaft mit dem Handelnden haben und die aus dem Bedürfnis für Sicherheit vor schlechter Behandlung zur Sicherstellung hervorgehen, dass Kooperation nicht zu Ausnutzung führe und dass Vertrauen sie nicht übermäßiger Gefahr aussetze. Wellman bemerkt, dass dies nicht bedeutet, dass ein moralischer Handelnder es niemals unterlassen sollte oder ablehnen sollte, seine moralische Pflicht zu erfüllen. Jemand werde (ought to) 1 7 4 , sofern er alles in Erwägung gezogen habe, gegen einen moralischen Pflicht auferlegenden Grund handeln, wann immer dieser Grund für Handlung durch Gründe gegen pflichtgemäße Handlung überwogen werde. Doch kein Handelnder mit gutem Charakter werde dies mit einem vollkommen reinen Gewissen tun können. Paradoxerweise werde man manchmal Grund haben, sich selbst auf moralischer Grundlage dafür zu misskein Gegenargument zulassen und gegenteilige Überlegungen überwögen. Die Wichtigkeit moralischer Pflicht auferlegender Gründe erklärt Wellman dadurch, dass der Grund für den Handelnden, in einer bestimmten Weise zu handeln, ein wesentlicher Faktor für Geselligkeit ist und dass die Qualität der Beziehungen, die man zu anderen hat, für das eigene Wohlergehen und für das der anderen enorm wichtig ist. Die Ernsthaftigkeit moralischer Pflicht auferlegender Gründe erklärt er durch den zweiten Aspekt dieser Gründe, die Gefahr negative Reaktionen von anderen zu erdulden, wenn man nicht diesen Gründen gemäß handelt. 172 Vgl. Wellman (1995), S. 59. 173 Vgl. Wellman (1995), S. 59. Vgl. dazu auch (1985), S. 135. 174 Der englische Ausdruck „ought to ..lässt sich sowohl mit „wird (mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit) . . a l s auch mit „sollte ..." ins Deutsche übersetzen.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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billigen, dass man rational gehandelt habe. Dies rühre aus dem wesentlichen Beitrag des guten moralischen Charakters einschließlich der Gewissenhaftigkeit für lohnende Beziehungen zu anderen, mit denen man in Gemeinschaft lebte. (3) Reaktionen Zu den Reaktionen aus moralischen Gründen wurde bereits einiges gesagt. Wellman erläutert in „A Theory of Rights", dass die durch moralische Gründe bestimmten Reaktionen, Sanktionen der positiven Moralität seien.175 Die rationale Rechtfertigung für Reaktion in Form von Sanktionen der Moralität auf Handlungen, die den moralischen Gründen widersprächen, sei die Wiedererzwingung des praktischen Grundes des moralischen Handelnden, der wähle, wie er handeln solle. 176 Wellman erklärt, dass so wie rechtliche Sanktionen in angemessener Weise verhängt würden, um das Recht durchzusetzen, die Sanktionen der Moralität als Sanktionen durch die Art gerechtfertigt seien, in der sie den moralischen Handelnden zwängen, moralische Gründe ernst zu nehmen. Die Drohung von Sanktionen der Moralität müsse in den Charakter des moralischen Handelnden eingebaut werden, um ihre Funktion, den irrationalen Impulsen in der menschlichen Natur entgegenzuwirken, zu erfüllen. Daher könne es nötig sein, dass dritte Parteien, als moralische Gründe erzwingende, effektiv übertrieben reagierten (overreact). 177 Wellman stellt die Frage, wie moralische Gründe für Reaktion den moralischen Handelnden zwingen können, der handelt und nicht reagiert. 178 Negative Sanktionen wie Missbilligung oder stillschweigende Behandlung könnten gerechtfertigt sein, selbst wenn sie nicht wirklich (actual) verhängt würden, entweder weil dritte Parteien in Unkenntnis des relevanten moralischen Grundes seien oder nicht willens seien, die Moral hochzuhalten. Wie könnten aber gerechtfertigte, jedoch nicht wirkliche Sanktionen einen tatsächlichen Zwang auferlegen? Dies sei deswegen ein wichtiges Problem, weil wenn eine moralische Pflicht in einem moralischen Zwang bestehe, sie nur dann wirklich sein könne, 175 Vgl. Wellman (1985), S. 133. Nur negative Sanktionen der Moralität wie Tadel oder Missbilligung, der Entzug von Gefälligkeiten und die stillschweigende Behandlung (silent treatment) auf individueller Ebene oder informelle Ächtung durch die Gruppe, erlegten den genuinen Zwang auf, der in Pflicht auferlegenden, im Gegensatz zu ideal-projizierenden, moralischen Gründen involviert sei. Vgl. ebd., S. 133 f. 176 Vgl. Wellman (1985), S. 134. 177 Vgl. Wellman (1985), S. 134. - Am Rande sei dazu folgende Bemerkung aus Wellman (1961), S. 303, erwähnt, wo er auf die Rolle der Emotion im ethischen Diskurs eingeht: Die Eliminierung aller Emotion aus dem ethischen Diskurs würde auch ihre Nachteile haben. Teil der Funktion der ethischen Sprache sei, Haltungen zu formen und das Verhalten zu ändern. Zu diesen Zwecken sei eine emotional beladene Sprache hilfreich und, bis die Menschen rationaler würden, sogar unentbehrlich.
Vgl. Wellman (1985), S. 1 3 .
1 4 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
wenn der Zwang auch wirklich sei. Wellman weist darauf hin, dass das, was zwinge, nicht die Sanktion, sondern die Androhung einer Sanktion sei. Sanktionen würden rückwirkend als Strafe für das Ausbleiben einer Handlung nach moralischen Gründen verhängt. Doch moralischer Zwang werde dem moralischen Handelnden prospektiv auferlegt, wenn er überlege, welche Handlung er ausführen solle. 179 Da die Menschen rational seien, gebe es eine Tendenz zur Verhängung von Sanktionen der Moralität, wann immer jemand wider einen Pflicht auferlegenden Grund handle. Folglich sei eine Androhung von Sanktionen immer wirklich (actual). In Situationen, in denen der Handelnde wisse, dass diese Drohung nahezu kaum vorhanden sei, da z.B. die anderen sich einer moralischen Überlegung nicht bewusst seien, hätten die moralischen Pflichten einen Status, der den unvollkommenen (imperfect) legalen Pflichten nicht unähnlich sei, wo das Recht selbst in Abwesenheit der üblichen Vorkehrungen zur Erzwingung Zwang auferlege. Der Unterschied zwischen dem strengen Zwang des Rechts und dem milderen Zwang moralischer Gründe sei nicht so groß, wie oft angenommen.180 (4) Relative moralische Pflichten
(relative
moral duties)
In Bezug auf relative moralische Pflichten bemerkt Wellman, dass die Verhängung negativer Sanktionen der Moralität nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Partei, der die Pflicht geschuldet werde, an eine dritte Partei appelliere, solche Sanktionen zu verhängen.181 Insofern habe die Partei, der die moralische Pflicht geschuldet werde, eine moralische Kompetenz, auf Erfüllung (Performance) oder Abhilfe (remedy) Anspruch zu erheben. 182 Nur unter dieser Bedingung sei die Intervention der dritten Partei moralisch gerechtfertigt. Insofern habe die Partei, der die Pflicht geschuldet werde, eine spezielle Stellung (standing), die in der moralischen Kompetenz bestehe, die moralische Freiheit 1 dritter Parteien, mit Sanktionen der Moralität zu intervenieren, zu erwirken (effect). Wellman merkt an, dass eigentlich jeder Pflicht auferlegende Grund ein Grund für Zuschauer sei, negative Sanktionen der Moralität gegen einen moralischen Handelnden zu verhängen. Doch im Fall relativer Pflichten sei dieser Grund, zwingend zu intervenieren, normalerweise durch den entgegengesetzten Grund außer Kraft gesetzt, dass jede solche Sanktionierung eine Einmischung oder ein Eindringen in das Privatleben der unmittelbar involvierten Parteien sei. 183 179
Vgl. Wellman (1985), S. 136. An anderer Stelle bemerkt Wellman, dass obwohl es moralischen Sanktionen an Zwang fehlte und sie daher weniger unangenehm seien als viele legalen Sanktionen, würden sie oft den Empfänger dem Strafenden und sogar den Standards, auf denen die Bestrafung gründe, entfremden (alienate). Vgl. Wellman (1997), S. 160. 181 Vgl. Wellman (1985), S. 136 f. 180
82
Vgl. Wellman ( 1 9 8 ) , S. 1 7 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
141
In „Real Rights" bemerkt Wellman, dass der Begriff einer relativen moralischen Pflicht, einer Pflicht, die einer zweiten Partei geschuldet werde, an sich unklar sei. 184 Obwohl es klar sei, dass es z.B. eine elterliche Pflicht gebe, sich für das eigene Kind zu kümmern, zumindest in einer Gesellschaft wie der unsrigen, glaube er nicht, dass dies eindeutig eine Pflicht gegenüber dem Kind sei. 185 Der Begriff der relativen moralischen Pflicht hat Wellman weiterhin beschäftigt. 186 In seinem Artikel „Relative moral duties" versucht Wellman diesen Begriff erneut zu analysieren. Für die Notwendigkeit der Klärung dieses Begriffs gibt Wellman zwei Gründe an: 1 8 7 Erstens unterschieden viele Philosophen zwischen relativen und nichtrelativen Pflichten, zwischen Pflichten, die jemandem oder etwas geschuldet (owed to someone or something) würden, und Pflichten, die jemanden oder etwas beträfen (concerning or regarding), aber niemandem oder etwas geschuldet würden. Wenn man diese Unterscheidung akzeptiere, sei es notwendig zu wissen, was diese zwei Arten von Pflichten unterscheide. Zweitens unterschieden selbst diejenigen, die darauf beharrten, dass alle Pflich183 Zu diesem Grund bemerkt Wellman an anderer Stelle: Sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen involviere Aggressivität und den Wunsch zu herrschen (dominate), die mit dem Ideal der Geselligkeit unvereinbar seien. Vgl. Wellman (1995), S. 94. 184 Vgl. Wellman (1995), S. 125. 185 Wellman fährt fort, dass obwohl einige Moralphilosophen eine relative Pflicht als eine Pflicht gegenüber demjenigen begriffen, der ein korrelatives Recht habe, begriffen andere sie als Pflicht gegenüber der Partei, die von der Ausführung profitiert habe, und andere als Pflicht gegenüber jenem, der die Kompetenz habe, Anspruch auf die Ausführung dieser Pflicht zu erheben oder auf sie zu verzichten. 186 In seinem Kommentar zum eingangs wiedergegebenen Aufsatz „A new conception of humanrights"bemerkt Wellman: Da der Begriff einer Pflicht in der Moralphilosophie vertraut gewesen sei, schien keine Schwierigkeit zu bestehen, die Begriffe einer ethischen Freiheit 1, als das Nichtgegebensein einer gegenteiligen Pflicht, und eines ethischen Anspruchs, als eine relative Pflicht einer zweiten Partei, zu definieren. Vgl. Wellman (1997), S. 14 f. Hier habe ein Problem verborgen gelegen, weil Moralphilosophen den Begriff einer relativen Pflicht, einer Pflicht, die einem Ansprucherhebenden (claimant) geschuldet werde, auf sehr verschiedene Weise verstanden hätten. Damals sei er sich dieser Mehrdeutigkeit nicht bewusst gewesen. In der Moraltheorie habe der Begriff einer ethischen Kompetenz gefehlt. Tatsächlich habe es umfangreiche Literatur gegeben, die zu erklären versucht habe, wie und warum das bloße Aussprechen der Worte „Ich verspreche" unter den geeigneten Umständen, eine moralische Verpflichtung, das zu tun, was man zu tun versprochen habe, hervorbringen könnte. Es habe nahezu keine Erkenntnis gegeben, dass dies nur eines von einer großen Anzahl ähnlicher philosophischer Probleme gewesen sei. Wie könne der Ausspruch „Ich befreie dich von deinem Versprechen" die moralische Verpflichtung aufheben, sein Versprechen zu halten? Wie könne die Zustimmung, sich medizinischer Forschung zu unterziehen, ein Experimentieren moralisch erlaubt machen, das ohne die Zustimmung der Versuchsperson moralisch unrichtig gewesen wäre? Soweit er wisse, sei damals nichts, was dem Begriff der ethischen Immunität ähnlich sei, erwähnt worden, noch weniger war man sich seiner großen Bedeutung in der Philosophie bewusst.
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 2 9 .
1 4 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ten relative Pflichten seien, die jemandem oder etwas geschuldet würden, oft zwischen direkten und indirekten Pflichten. Manche würden unsere Pflicht, nichtmenschliche Lebewesen nicht zu misshandeln, als indirekte Pflicht auffassen, die direkt Menschen geschuldet werde. Aber gegenüber welchen Menschen und warum? Selbst hier brauchten wir ein besseres Verständnis relativer Pflichten, um die Partei bestimmen zu können, der solche indirekte Pflichten geschuldet würden. Wellman untersucht W. D. Ross' 188 , Kants 189 , Mills 1 9 0 , Harts 191 und Feinbergs 192 Auffassungen relativer moralischer Pflichten, um schließlich eine bes188 Wellman bemerkt, W. D. Ross definiere, in: Ross (1930), S. 49, eine relative Pflicht als eine Pflicht von x gegenüber (towards) y zu handeln und diese Pflicht gründe auf einer Tatsache oder mehreren in Bezug auf (relating to) y. Vgl. Wellman (1999), S. 210. Ross 9 Auffassung enthalte zwei unterscheidbare Aspekte: Zu sagen, dass x eine Pflicht gegenüber (to) y habe, sei sowohl zu behaupten, dass x eine Pflicht habe, gegenüber y in einer bestimmten Weise zu handeln, als auch, dass diese Pflicht auf einer Tatsache oder mehreren in Bezug auf y gründe. Wellman erachtet beide Aspekte als problematisch. Er erörtert sowohl die Frage, was es bedeuten könnte, gegenüber (towards) jemandem oder etwas zu handeln, als auch die Frage, was es für die Grundlage einer relativen Pflicht bedeuten könnte, dass sie eine Tatsache „in Bezug auf 4 („relating to") jemanden oder etwas ist. Auf die Wiedergabe von Wellmans weiteren Erläuterungen muss hier verzichtet werden. 189 In Wellmans Erörterung von Kants Ausführungen in Bezug auf relative moralische Pflichten finden sich etliche Punkte, die man für die folgende Erörterung relativer moralischer Pflichten als relevant erachten kann und die somit eine Erwähnung an dieser Stelle rechtfertigen. Wellman bemerkt, in Kants Theorie sei der Grund, warum man eine Pflicht gegenüber einer anderen Person habe, also sein Versprechen halten solle, dass Personen als Zwecke an sich selbst einen inhärenten Wert hätten. Vgl. Wellman (1999), S. 211. Ein Zweck sei nach Kant ein Grund für Handlung. Personen könnten kategorische Imperative auferlegen, moralische Gründe, die universal und notwendig seien, weil sie Zwecke an sich selbst seien mit einem Wert, der unabhängig von unseren Neigungen und Bewertungen sei. Die Grundlage jeglicher Pflicht sei der inhärente Wert desfreien Willens oder der praktischen Vernunft der Person, der sie geschuldet werde. In Kants Theorie seien alle Pflichten relative Pflichten, Pflichten, mit einer Person in bestimmter Weise umzugehen bzw. ihr gegenüber (towards) in bestimmter Weise zu handeln und gründeten auf einer Tatsache in Bezug auf diese Person (ihren inhärenten Wert). Wellman stellt daraufhin fest, ein wesentlicher Aspekt in Kants Auffassung einer relativen Pflicht sei, dass sie von einem verlange, mit jemand anderem in einer bestimmten Weise umzugehen (treat), was aber Kant nicht näher erkläre. Vgl. ebd., S. 212. Femer erkläre er nicht die Bedeutung, in der relative Pflichten einer zweiten Partei geschuldet würden. Wellman stellt auch die Frage, wie es für Kant möglich ist, zu erklären, wie jemand (z.B. der Versprechensempfänger) einen anderen (z.B. den Versprechensgeber) von seiner Verpflichtung befreit, wenn eine Pflicht auf dem inhärenten Wert der Person gründet, der sie geschuldet wird. (Wellman bezieht sich hier auf Kant (englische Ausgabe) (1949), S. 87, bzw. (deutsche Ausgabe) (1933), S. 54 [429], und Kant (englische Ausgabe) (1996), S. 192-193, bzw. (deutsche Ausgabe) (1922), S. 296 f. [443].) Kant behaupte, dass alle moralischen Pflichten relative Pflichten seien und obwohl er die Unterscheidung zwischen Pflichten, die etwas beträfen (regarding something), und Pflichten gegenüber (to) jemandem akzeptiere, behaupte er, dass erstere indirekte Pflichten gegenüber jemandem seien. Wellman stellt die Frage, wem Wohltätigkeitspflichten geschuldet würden (owed to) und, femer, wie sie relative Pflichten sein könnten, die jemandem geschuldet wür-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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sere Analyse zu liefern. Er stimmt mit Feinberg überein, dass eine relative moralische Pflicht eine Pflicht gegenüber der Partei mit der moralischen Kompeden, wenn es keine feststellbare Person gebe, gegenüber der man wohltätig handeln müsse. 190 Für die folgende Analyse relativer moralischer Pflichten kann man aus Wellmans Erörterung von Mills Ausführungen zu relativen moralischen Pflichten (in: Mill (1969), S. 247, 250) unter anderem folgende Punkte als relevant herausgreifen: Wellman bemerkt, nach Mill sei eine relative Pflicht eine Handlung (act), die der Person oder den Personen geschuldet werde, denen durch ihre Nichterfüllung Unrecht getan (harmed) würde, und deren Durchführung die Gesellschaft von einem erzwingen sollte. Vgl. Wellman (1999), S. 213. Wellman stellt in Bezug auf Mills Theorie unter anderem die Frage, warum der Pflichtinhaber eine relative Pflicht erfüllen sollte. Wellman bemerkt, dass die Grundlage (ground) eines Rechts und der mit ihm korrelierenden Pflicht nicht einfach eine Tatsache über den Rechtsinhaber sei, die Tatsache, dass ihm durch die Verletzung des Rechts Unrecht getan (harmed) würde. Die Grundlage moralischer Rechte und Pflichten sei der allgemeine Nutzen. Vgl. ebd., S. 214. Die Verbindung zwischen individuellem Unrecht (härm) und sozialem Nutzen sei, dass das involvierte Interesse Sicherheit sei, das wichtigste aller Interessen für jedes Individuum und die Gesellschaft im Allgemeinen. Wellman bemerkt unter anderem, dass die Relationalst relativer Pflichten gänzlich in der Tatsache liegen müsse, dass durch die Nichterfüllung der Pflicht der zweiten Partei Unrecht getan (harmed) oder Schaden zugefügt (injured) würde. In dieser Auffassung seien alle Unzulänglichkeiten enthalten, die auch in Ross' Auffassung „vom Handeln gegenüber (towards) jemandem" gegeben seien. Von Wellmans weiteren Kritikpunkten an Mills Auffassung von Rechten und Pflichten sei folgender erwähnt: Wenn ein Recht zu haben nach Mill einen Anspruch an die Gesellschaft und nicht an eine zweite Partei zu haben bedeute, dass sie (sc. die Gesellschaft) den Rechtsinhaber im Besitz dieses Rechts beschütze, wie könne dies die Relationalität der Pflicht des Verpflichteten gegenüber (to) dem Rechtsinhaber erklären? Ferner bemerkt Wellman, Mills Sicht sei eine negative Version der Interessetheorie von Rechten. Die Interessetheorie behaupte, dass Rechte einem Interesse des Rechtsinhabers einen speziellen Status übertragen würden oder ihm einen speziellen Schutz böten. Wellman glaubt hingegen, dass es starke Gründe gibt, eine Willenstheorie der Interessetheorie von Rechten vorzuziehen. Ein Grund sei, dass viele Ausdrücke in Bezug auf ein Recht (es ausüben, auf es beharren, verzichten, bestehen, es fordern, aufgeben, übertragen, veräußern etc.) Handlungen des Rechtsinhabers und Ausdrücke seines Willens seien, die in seinem Interesse sein mögen oder auch nicht. Wellman verweist auf seine Ausführungen in (1995), S. 107-113, auf die im Folgenden eingegangen wird. 191 In Bezug auf Harts Ausführungen (in: Hart (1955), S. 180 f., und (1982), S. 183 f.) bemerkt Wellman unter anderem, Harts Einsicht, die sich schließlich als Schlüssel zur Entschlüsselung der Rätsel relativer Pflichten erweisen werde, sei, dass die Relationalität und die verpflichtende Natur legaler und moralischer Ansprüche und folglich der korrespondierenden relativen Pflichten, hinsichtlich einer moralischen Kompetenz oder Menge von Kompetenzen des Ansprucherhebenden erklärt werden müsse. Vgl. Wellman (1999), S. 216. Auf die Wiedergabe der Kritik Wellmans an Harts Theorie über Rechte muss hier verzichtet werden. Wellmans Auseinandersetzung mit Harts Theorie über Rechte wird im Folgenden wiedergegeben. 192 Wellman bemerkt, Feinberg könne die Relationalität relativer Pflichten hinsichtlich der Relationalität von Ansprüchen erklären. Vgl. Wellman (1999), S. 217 (bzw. Feinberg (1980), S. 150 f., 155). Da jedes Anspruchsrecht (claim-right) gegenüber (against) dem Inhaber der korrelativen Pflicht gelte, werde jede relative Pflicht einem Rechtsinhaber geschuldet.. Vgl. Wellman (1999), S. 217. Feinbergs Auffassung einer relativen moralischen Pflicht erkläre besser als W. D. Ross\ Kants, Mills oder Harts
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tenz (power) sei, Anspruch auf Erfüllung dieser Pflicht zu erheben. 193 Das, was sie zu einer relativen Pflicht mache, zu einer Pflicht, die einer zweiten Partei geschuldet werde, sei, dass diese Partei eine moralische Kompetenz hinsichtlich dieser Pflicht und dadurch die Fähigkeit (ability) habe, moralischen Zwang (force) auf den moralischen Pflichtinhaber auszuüben. Daher korreliere jede relative moralische Pflicht von X gegenüber Y logisch mit einem moralischen Anspruch von Y gegenüber X. Wellman versucht zu erklären, wie das Ansprucherheben (claiming) auf Erfüllung der Pflicht moralische Konsequenzen haben kann und welcherart moralischer Zwang (force) mit diesen Konsequenzen verbunden ist. Diese moralische Kompetenz werde ausgeübt, wenn die Partei, der die Pflicht geschuldet werde, die Erfüllung der Pflicht verlange oder fordere und einen Anspruch gegenüber dem Pflichtinhaber erhebe (presents title to). Unter „einen Anspruch erheben" versteht Wellman, dass man zumindest im Akt des Ansprucherhebens (claiming) auf die Grundlage des moralischen Anspruchs verweise. Angenommen er habe z.B. einer Kollegin versprochen, dass er ihr nächsten Samstag bei der Übersiedlung helfen werde, und er informiere sie am Tag davor, dass er aufgrund einer Einladung zu einem Golfspiel nicht kommen könne; wenn sie ihm erwiderte „Ich bestehe darauf, dass Sie mir helfen, wie Sie es mir versprochen haben", dann erhebe sie in den letzten sechs Worten Anspruch (presents her title), indem sie ihn an das Versprechen erinnere, auf dem seine Pflicht ihr gegenüber gründe. 194 Wellman stellt die Frage, wie ihr Akt der Äußerung dieser Worte ihm gegenüber moralische Konsequenzen haben könne. Seine Vermutung sei, dass das Ansprucherheben auf Erfüllung der relativen Pflicht die moralische Situation ändere, indem es das persönliche Verhältnis zwischen dem Ansprucherhebenden
Theorie sowohl die Relationalität relativer Pflichten als auch die Art, in der sie geschuldet würden oder für den Pflichtinhaber verbindlich seien. Eine relative Pflicht sei eine Pflicht gegenüber einer zweiten Partei, weil diese Partei in einer Position sei, einen Anspruch zu erheben, der gegenüber (against) dem Pflichtinhaber gelte, und eine relative moralische Pflicht sei für diesen Pflichtinhaber verbindlich aufgrund des moralischen Zwangs (force) der Handlung des Rechtsinhabers, einen Anspruch zu erheben. Wellman kritisiert an Feinbergs Auffassung einer Pflicht folgende Punkte: Erstens, dass Feinberg so wie Hohfeld annimmt, dass eine Pflicht gegenüber (to) jemandem mit dem Anspruchsrecht dieser zweiten Partei korreliert, weil er (sc. Feinberg) annimmt, dass ein Anspruchsrecht nicht mehr als ein gültiger Anspruch ist. Nach Wellmans Auffassung enthält aber ein Anspruchsrecht neben dem Anspruch in seinem Kern auch verknüpfte Elemente. Zweitens, dass Feinberg so wie Hohfeld annimmt, dass der Begriff eines Anspruchs ein einfacher Begriff ist, der keine genaue Definition zulässt, und daher auch glaubt, dass der korrelative Begriff einer relativen Pflicht ebenso einfach und undefinierbar ist. Vgl. ebd., S. 218. Der Begriff einer relativen Pflicht ist aber nach Wellman komplex; er könne und sollte in Form einer Pflicht gemeinsam mit einer Kompetenz einer zweiten Partei, Anspruch auf die Erfüllung dieser Pflicht zu erheben, definiert werden. 193 Vgl. Wellman (1999), S. 218. Vgl. Wellman ( 1 9 9 ) , S. 19.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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und dem Pflichtinhaber in einer moralisch relevanten Weise ändere. So wie der Redeakt „Ich verspreche dir, dir bei der Übersiedlung zu helfen" das neue Verhältnis von Versprechensgeber und -empfänger eingefühlt habe, so führe auch der Akt des Ansprucherhebens seiner Kollegin auf Erfüllung ein neues Element in das Verhältnis ein, sodass jede folgende Handlung der Nichteinhaltung des Versprechens von ihm (sc. Wellman) ihr gegenüber nicht nur zu einem Akt des Hintergehens ihres Vertrauens ihm gegenüber werde, sondern auch zu einem Akt des Ausdrucks seiner Geringschätzung ihr gegenüber. Wellman erklärt, dass er durch sein Versprechen gegenüber seiner Kollegin, ihr bei der Übersiedlung zu helfen, einen moralischen Grund eingeführt habe, dies zu tun. Es sei ein Grund ihr zu helfen, weil wenn er es unterlassen würde, ihr behilflich zu sein, sie ihm zukünftig weniger wahrscheinlich vertrauen würde, wodurch das persönliche Verhältnis beider Schaden erleiden würde. Es sei ein Grund für andere, ihm gegenüber negativ zu reagieren, wenn er es unterlassen würde sein Versprechen einzuhalten, weil er damit gezeigt haben würde, dass er nicht vertrauenswürdig sei. Dieser Pflicht auferlegende Grund bestehe weiter, gleichgültig ob seine Kollegin Anspruch auf Erfüllung der moralischen Pflicht erhebe, die der Pflicht auferlegende Grund ihm auferlege, oder nicht. Der Akt des Ansprucherhebens auf Erfüllung seiner Pflicht gegenüber seiner Kollegin führe einen neuen moralischen Grund für ihn ein, sein Versprechen ihr gegenüber zu halten; denn würde er sich weigern dies zu tun, würde er seine Geringschätzung ihr gegenüber ausdrücken. Die Tatsache, dass seine Verweigerung, seine Pflicht gegenüber seiner Kollegin zu erfüllen selbst nachdem sie Anspruch auf die Erfüllung erhoben habe, seine Geringschätzung ihr gegenüber ausdrücken würde, sei ein zweiter Pflicht auferlegender Grund, sowohl ein Grund für ihn, ihr bei der Übersiedlung zu helfen, als auch für andere, ihm gegenüber negativ zu reagieren, sollte er dies nicht tun. Warum dies ein Pflicht auferlegender Grund für Handlung und Reaktion ist, erklärt Wellman folgendermaßen: Dass sein Akt der Nichteinhaltung seines Versprechens diese neue Bedeutung haben würde, sei ein Grund für ihn, sein Versprechen zu halten, weil der Umgang mit seiner Kollegin mit einer so direkten Geringschätzung höchst destruktiv für die Kollegialität des persönlichen Verhältnisses beider sein würde. Dieses Verhältnis sei für ihn und sie von Bedeutung, weil es bestimme, ob ihre Interaktionen erfreulich und ergiebig oder frustrierend und kontraproduktiv seien.195 Es sei ein Grund für andere, im Besonderen für ihre gemeinsamen Kollegen auf seine geringschätzige Handlung zu reagieren, weil er damit einen Charakterzug demonstriert habe, der im Widerspruch zur Geselligkeit (sociability) stehe, die für die Aufrechterhaltung jeder Art sicherer und lohnender Interaktion unter Mitarbeitern notwendig sei. 196 Folglich bestünden die moralischen Vgl. Wellman (1999), S. 2 Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S.
f. .
1 4 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Konsequenzen des Ansprucherhebens auf Erfüllung der Pflicht im neuen Pflicht auferlegenden Grund oder den neuen Pflicht auferlegenden Gründen, die es hervorbringe. Wellman erläutert den moralischen Zwang (force) dieser neuen moralischen Konsequenzen. Dieser bestehe in der Art, in der sie den Pflichtinhaber einschränkten und zwängen (restrain and constrain). Da sie als Gründe bänden (bind), könne nur ein rationales Wesen durch sie gebunden (bound by) sein und nur bis zu dem Grad, in dem es rational sei. Doch jeder moralische Handelnde sei bis zu einem gewissen Grad rational, da nichtrationale Wesen nicht im moralisch relevanten Sinn handelten. Wellman erläutert dies folgendermaßen: Die Tatsache z.B., dass wenn er seiner Kollegin bei der Übersiedlung nicht helfe, nachdem sie darauf beharrt habe, er seine Geringschätzung ihr gegenüber ausdrücken würde, sei ein Grund für ihn, ihr wie versprochen behilflich zu sein; weil bis zum Grad, in dem er rational sei, er erkenne, dass, indem er seine Geringschätzung ihr gegenüber ausdrücken würde, er einem persönlichen Verhältnis Schaden zufügen würde, das einen bedeutenden Unterschied in Bezug darauf ausmache, ob es ihnen gut oder schlecht ergehe, (i) Diese Erkenntnis halte ihn davon ab (restrains), weil er sich um sein eigenes Wohlergehen kümmere und bis zu dem Grad, in dem er im Besitz von Klugheit sei, werde dies ihn motivieren, zu vermeiden in einer Art zu handeln, die sein Wohlergehen mindern werde, (ii) Ebenso werde er bis zu dem Grad, in dem er rational sei, erkennen, dass er damit einem persönlichen Verhältnis Schaden zufügen würde, was einen großen Unterschied in Bezug darauf ausmache, ob es seiner Kollegin gut oder schecht ergehe; damit werde er einen Nichtklugheitsgrund (nonprudential reason) haben, der seine Verlockung, ihr bei der Übersiedlung nicht zu helfen, weiter in Schranken halten werde. Auf diese zwei Arten sei dieser Pflicht auferlegende Grund ein praktischer Grund für ihn, so zu handeln, wie er moralisch handeln sollte. Es sei aber auch ein Grund für andere, ihm gegenüber negativ zu reagieren, falls er gegen diesen praktischen Grund handeln sollte, nachdem seine Kollegin darauf bestanden habe und ihm gegenüber moralischen Anspruch erhoben (presenting title) habe; weil er dadurch den anderen, die in Gemeinschaft mit ihm lebten, zeigen würde, dass er herablassend sei und dass er jemand sei, der andere gering schätze; und weil er damit zeigen würde, dass seine Handlungen ihre Sicherheit bedrohen könnten und dass sie nicht fortfahren könnten, mit ihm als Personen mit gegenseitigem Respekt zu interagieren, solange sein Charakter unverändert bleibe. Bis zu dem Grad, in dem seine Kollegen rational seien, werde die Tatsache, dass sie einen Grund hätten, ihm gegenüber negativ zu reagieren, sie veranlassen, so zu reagieren. Und da die Missbilligung seinem persönlichen Verhältnis zu anderen, die davon wüssten, schade und weil er nicht wollte, dass andere ihn missbilligten, selbst wenn sie ihrem Tadel nicht in Missbilligung Ausdruck verliehen, konstituiere die Aussicht auf solche negati-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
147
ven Reaktionen im Fall, dass er seiner Kollegin nicht behilflich wäre, einen zusätzlichen praktischen Grund, der ihn zwinge, seiner Versuchung, sein Versprechen ihr gegenüber nicht einzuhalten, nicht nachzugeben. Entsprechend werde ein Pflichtinhaber, der schon durch die Art moralisch gezwungen gewesen sei, in der der ursprüngliche Pflicht auferlegende Grund einschränke und zwinge, noch stärker moralisch gezwungen, wenn der Ansprucherhebende, indem er Anspruch auf Erfüllung einer relativen Pflicht erhebe, einen neuen Pflicht auferlegenden Grund herbeiführe, der ebenfalls den Pflichtinhaber einschränke und zwinge, seine Pflicht zu tun. 197 Anschließend erklärt Wellman, warum nur die zweite Partei einer relativen Pflicht (oder jemand, der als ihr Vertreter (agent) handle), die Kompetenz habe, auf Erfüllung der Pflicht Anspruch zu erheben. Um diese spezielle Stellung zu erklären, nimmt Wellman den Fall an, dass seine Kollegin nicht wie vorhin erwidere, sie bestehe darauf, dass er ihr wie versprochen helfe, sondern ein Freund, der zugehört habe, ihm sage „aber du musst ihr helfen, wie du es versprochen hast". Diese Äußerung eines Zuschauers sei nicht die Ausübung einer moralischen Kompetenz, Anspruch zu erheben, weil diese Äußerung nicht dieselben moralischen Konsequenzen habe, wie eine ähnliche Äußerung der Partei, der die Pflicht geschuldet werde. Ein wichtiger Faktor in der Erklärung hierfür sei, dass die Grundlage jeder relativen moralischen Pflicht in einer moralisch relevanten Tatsache liege, die die persönlichen Verhältnisse zwischen dem Pflichtinhaber und der Partei, der diese Pflicht geschuldet werde, betreffe. Z.B. liege die Grundlage seiner Pflicht, seiner Kollegin zu helfen, in der Tatsache, dass er ihr und nicht dem Zuschauer ein Versprechen gegeben habe. Daher sei der Pflicht auferlegende Grund, dass wenn er sein Versprechen nicht halte, er ihr Vertrauen in ihn hintergehen würde und nicht das des Zuschauers. Die wichtige Tatsache sei, dass wenn er sein Versprechen gegenüber seiner Kollegin nicht halten würde, nachdem sie darauf bestanden habe, dass er seine Pflicht ihr gegenüber erfülle, seine Handlung für sie eine Bedeutung oder Wichtigkeit hätte, die sie für jeden anderen entbehrte, selbst wenn dieser ihn in ähnlich eindringlicher Weise aufgefordert hätte, seine Pflicht zu erfüllen. Schließlich erläutert Wellman an einem dritten Fall, in dem weder seine Kollegin Anspruch auf die Erfüllung seiner Pflicht erhebe noch ein Zuschauer anwesend sei, dass die Nichterfüllung seines Versprechens unter diesen Umständen normalerweise nicht in derselben Weise seine Geringschätzung ihr gegenüber ausdrücke wie wenn er seine Pflicht nicht erfülle, obwohl sie Anspruch auf die Erfüllung der Pflicht erhoben hatte. 198 Da die Bedeutung jeder Handlung als Ausdruck der Einstellung des Handelnden höchst unklar sei, werde die Art, in der seine Kollegin seine Unterlassung, sein Versprechen einzuhalten, in7
Vgl. Wellman (1999), S. 2 . Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. .
1 4 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
terpretieren werde, von dem Wissen abhängen, das sie über seinen Charakter und seinen Geisteszustand habe. Wenn seine Kollegin wisse, dass er Verpflichtungen oft missachte, so könnte sie seine Unterlassung vernünftigerweise als ein Beispiel seiner Unverantwortlichkeit ohne spezielle Bedeutung für sie auffassen; halte sie ihn für eine gewissenhafte Person, die ihre moralischen Verpflichtungen ernst nehme, könnte sie annehmen, dass es eine Begründung gebe, die sie nicht kenne, die seine Unterlassung entschuldige. Aber ihr Ansprucherheben auf Erfüllung der Pflicht reduziere bedeutend die Unklarheit seines Akts der Ablehnung ihr zu helfen. Durch ihr Beharren darauf, dass er seine Pflicht ihr gegenüber erfülle, habe sie ihm mitgeteilt, dass sie sich immer noch darauf verlasse, dass er ihr helfe; indem sie die Berechtigung ihres Anspruchs geltend gemacht habe, habe sie ihm mitgeteilt, dass sie ihn als moralisch verpflichtet erachte, so zu handeln, wie er es ihr versprochen habe. Sollte er sich in diesem Fall weigern, seine Pflicht ihr gegenüber zu erfüllen, würde seine Handlung sowohl sein fehlendes Interesse für den Schaden, den er ihr zufügen würde, als auch seinen fehlenden Respekt für ihren moralischen Status als Person, der er eine Pflicht schulde, klar ausdrücken. Wellman bemerkt, dass nicht alle relativen moralischen Pflichten aus Versprechen hervorgehen und enge andauernde persönliche Verhältnisse voraussetzen. Wenn jemand z.B. beim Ausparken das daneben stehende Auto leicht beschädige, bürde er sich eine moralische Pflicht auf, den Schaden zu ersetzen. Analog zum vorigen Beispiel erläutert Wellman, dass es einen Unterschied mache, ob der Besitzer erscheine und einen Anspruch auf Schadenersatz erhebe oder nicht. Auch hier ändere die Handlung des Ansprucherhebens auf Erfüllung der Pflicht das persönliche Verhältnis zwischen Ansprucherhebendem und dem Pflichtinhaber in einer moralisch relevanten Weise. Wellman schlussfolgert, es sei am besten, relative Pflichten in der Moral als Pflichten zu analysieren, die der Partei mit der Kompetenz, Anspruch zu erheben, geschuldet würden. 199 Die Vorteile dieser Analyse gegenüber den alternativen Auffassungen, die er untersucht habe, seien, (i) dass sie die logische Korrelativität einer moralischen Pflicht von x gegenüber y und eines moralischen Anspruchs von y gegenüber x erhalte, (ii) dass sie die Bedeutung des Wortes „gegenüber" („to") im Ausdruck „eine Pflicht gegenüber" jemandem erkläre und damit die Relationalität relativer Pflichten erkläre und (iii) dass sie den verbindlichen Zwang (binding force) relativer Pflichten erkläre. (5) Relative moralische Pflichten
gegenüber sich selbst
Wellman erörtert in „A Theory of Rights" auch die Frage, ob es Situationen gebe, in denen jemand sowohl Verpflichteter als auch die Person, der die Pflicht Vgl. Wellman (1999), S.
.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
149
geschuldet werde, zugleich sein könne, d.h. ob jemand sich selbst gegenüber Pflichten haben könne. 200 Als Beispiel führt Wellman an, dass eine Person so stark raucht, dass sie ihre Gesundheit rapid schädige. Hätte sie eine Pflicht sich selbst gegenüber, dann müsste sie auch die moralische Kompetenz haben, an dritte Parteien zu appellieren, negative Sanktionen der Moralität zu verhängen, sofern sie fortfahre sich selbst so zu schädigen.201 Wellman argumentiert, dass auch wenn eine Person die Kompetenz hätte, sich selbst Sanktionen auszusetzen, weil sie es unterlassen habe aufzuhören, sich selbst zu schädigen, diese Kompetenz sie nicht in der gleichen Weise zwingen könnte wie dieselbe Kompetenz in den Händen eines anderen, weil sie niemals diese Kompetenz gegen ihren Willen ausüben könnte. 202 Wellman bezweifelt, dass jemand die Kompetenz hätte, sich der Verhängung von Sanktionen der Moralität auszusetzen, doch selbst wenn dies möglich wäre, würde diese Kompetenz eine Pflicht, die einen selbst betreffe (regarding oneself), nicht zu einer Pflicht sich selbst gegenüber (to oneself) machen, weil aufgrund der Beschaffenheit der Situation niemand diese Kompetenz gegen seinen Willen ausüben könnte.203 Wellman folgert, dass obwohl man die Rede von Pflichten gegenüber sich selbst nicht wörtlich nehmen könne, sie im übertragenen Sinn eine Bedeutung hätte. Eine Pflicht gegenüber sich selbst zu haben bedeute, dass jemand durch sein Gewissen gezwungen sei, mit moralischen Gründen konform zu handeln. Dieses Phänomen sei hinreichend wirklich und die motivierende Kraft prospektiver moralischer Skrupel (scruples) und retrospektiver moralischer Reue sei ein wichtiger Faktor im moralischen Leben. Die Gewissensbisse seien aber nicht eigentlich Sanktionen, die wegen einer Unterlassung der Pflichterfüllung verhängt würden, weil sie eher automatisch oder gar nicht folgten, als aus einer überlegten Reaktion auf ein Fehlverhalten resultierten; noch habe man irgendeine moralische Kompetenz, ihre Verhängung zu rechtfertigen, indem man an sein eigenes Gewissen appelliere. Sie seien, ohne einen solchen Appell, gerecht200
Vgl. Wellman (1985), S. 139. Vgl. Wellman (1985), S. 140. 202 Wellman illustriert dies an einem Beispiel einer legalen Pflicht. Angenommen, die Partei, der die Pflicht geschuldet werde, könnte die Kompetenz, Zwang aufzuerlegen, nur unter der Bedingung ausüben, dass der Verpflichtete zustimme, wobei dieser die Zustimmung jederzeit zurücknehmen könnte. Dies würde die Kompetenz, den Prozess der Verhängung legaler Sanktionen in Gang zu bringen harmlos machen, sodass sie nicht mehr einen zusätzlichen legalen Zwang dem Verpflichteten auferlegen würde und es unangemessen würde von Pflichten als Pflichten gegenüber jenen zu sprechen, die die Kompetenz hätten zu verklagen oder strafrechtlich zu verfolgen. Vgl. Wellman (1985), S. 140 f. 203 Vgl. Wellman (1985), S. 141. - Am Rande sei erwähnt, dass Wellman in (1961), S. 234, die Frage erörtert, ob man sich selbst befehlen (direct) könne. Jemand könne sich selbst sagen, was er zu tun habe. Wellman bemerkt, dass so ein reflexives Befehlen ein degenerierter Fall zu sein scheint, weil es nicht klar ist, wie man sich selbst befehlen (command), ersuchen (request) oder anweisen (advise) kann, etwas zu tun. 201
1 5 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
fertigt, sofern jemandes Gewissen rational sei, weil das Schuldempfinden für eigene Sünden niemals eine Einmischung in die Angelegenheiten einer anderen Person sei. 204 (6) Absolute moralische Pflichten Wellman erörtert auch eine weitere Frage. In seiner Erörterung legaler Pflichten stellt Wellman fest, dass obwohl die meisten legalen Pflichten relativ sind, es auch einige absolute gibt. Nun stellt er die Frage, ob es auch absolute moralische Pflichten gibt. Wellman glaubt, dass es solche gibt und dass sie in der Moral wichtiger sind als im Recht. Dabei weist er auf einen bedeutenden Unterschied hin: Absolute legale Pflichten seien sogenannte unvollkommene (imperfect) Pflichten, legal geforderte Handlungen, die nicht durch ein Unterworfensein unter (liability to) legale Sanktionen erzwungen würden. Moralische Gründe seien jedoch immer Gründe sowohl für Reaktion als auch für Handlung und deswegen involvierte jede moralische Pflicht ein Unterworfensein unter Sanktionen der Moralität. Wellman bemerkt, dass der Unterschied zwischen relativen und nichtrelativen moralischen Pflichten nicht der Unterschied zwischen sanktionierbaren und nichtsanktionierbaren Pflichten sei, sondern der Unterschied zwischen jenen Arten von Handlungen, in denen eine zweite Partei eine spezielle moralische Stellung habe in Bezug auf die Verhängung von Sanktionen der Moralität, und jenen Arten von Handlungen, in denen es keine bestimmbare zweite Partei gebe, mit der ausschließenden moralischen Kompetenz, die Verhängung von Sanktionen der Moralität gerechtfertigt zu machen. Nichtrelative moralische Pflichten gehörten einer oder beiden der folgenden Klassen an: Die erste Klasse moralischer Pflichten bestehe aus Handlungen, die aus moralischen Gründen gefordert seien, so dass die Intervention dritter Parteien, die Sanktionen im Fall der Nichtdurchführung der Pflicht verhängten, keine Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen sei und kein Eindringen in eine Zone des Privatlebens darstelle. 205 Ein Beispielsfall sei die Pflicht, Tiere nicht zu quälen. Die zweite Klasse absoluter moralischer Pflichten bestehe aus Handlungen, die die Allgemeinheit beträfen, so dass jedes Mitglied der moralischen Gemeinschaft intervenieren könne, um Sanktionen der Moralität zu verhängen, ohne es dabei zu versäumen, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Handlungen von öffentlicher Wichtigkeit seien Angelegenheiten jedes Mitglieds der Gemeinschaft. Wellman bemerkt, dass wenn Hobbes und Mill in der Vermutung Recht hätten, dass jeder Diebstahl oder 204 Aus diesem Grund lehnt Wellman es ab, Mill in der Behauptung zu folgen, dass die primären Sanktionen moralischer Pflichten intern statt extern seien. 2
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 1 4 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
151
Mord die öffentliche Ruhe und Ordnung und die Sicherheit jedes Mitglieds einer Gesellschaft gefährde, dann seien die moralischen Pflichten, Diebstahl und Mord zu unterlassen, eher absolute Pflichten als Pflichten gegenüber den Opfern solcher Verletzung. (7) Nichtinstitutionelle
und institutionelle
Pflichten
Obwohl moralische Pflichten ihrem Wesen nach nichtinstitutionell seien, seien viele von ihnen, besonders relative moralische Pflichten parasitär zu institutionellen Pflichten. So habe z.B. der Schuldner eine legale Pflicht gegenüber dem Gläubiger, den geschuldeten Betrag, am vereinbarten Tag zurückzuzahlen. Unter Voraussetzung moralischer Gründe, seine legalen Verpflichtungen zu erfüllen, folge, dass der Schuldner auch eine moralische Pflicht auf Rückzahlung dem Gläubiger gegenüber habe. Wellman nennt diese eine „parasitäre" (parasitic) moralische Pflicht, weil sowohl die moralische Pflicht des Schuldners auf Rückzahlung als auch die moralische Kompetenz des Gläubigers, auf Rückzahlung oder Entschädigung Anspruch zu erheben, von der legalen Wirt-Pflicht (host legal duty) des Schuldners gegenüber dem Gläubiger hergeleitet seien und davon abhingen. Wellman bemerkt, es seien so viele relative moralische Pflichten parasitär zu vorausgehenden institutionellen relativen Pflichten, dass man sich frage, ob es wirklich irgendwelche unabhängigen moralischen Pflichten gegenüber einer zweiten Partei gebe. Wellman glaubt, dass man Beispiele solcher Pflichten finden könne. So habe z.B. ein Eiter seinem Kind gegenüber, im Alter, in dem es die höhere Schule besuche, die moralische Pflicht, bei seinen Telefongesprächen nicht heimlich zuzuhören oder sein Zimmer nicht zu durchsuchen, selbst wenn keine vergleichbare institutionelle Pflicht in unserer Gesellschaft bisher anerkannt sei. 206 Selbst aber wenn sich herausstellen sollte, dass alle moralischen Pflichten parasitär zu vorausgehenden institutionellen Pflichten gegenüber einer zweiten Person seien, würde daraus nicht folgen, dass es keine relativen moralischen Pflichten gebe und dass alle echten moralischen Pflichten nichtrelative seien. Vielmehr würde daraus folgen, dass moralische Pflichten gegenüber einer zweiten Partei nur innerhalb institutioneller Kontexte hervorgingen. Der Verpflichtete wäre immer noch aus moralischen Gründen gezwungen, welche auch immer diese sein mögen, seine institutionelle Pflicht zu erfüllen, und die zweite Partei würde immer noch eine moralische Kompetenz haben, auf Erfüllung oder Abhilfe (remedy) Anspruch zu erheben, eine moralische Kompetenz, die aus der vorausgehenden institutionellen Pflicht hergeleitet sei. Eine parasitäre moralische Pflicht gegenüber einer zweiten Partei sei immer noch eine echte relative
2
V g l . Wellman (1985), S. 1 3 .
152
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
moralische Pflicht, so wie ein parasitärer Organismus wirklich ein Organismus sei, ungeachtet seiner Abhängigkeit vom Wirt-Organismus. b) Moralische Ansprüche (moral Claims) Definition eines moralischen Anspruchs - Wellman definiert die Position des moralischen Anspruchs folgendermaßen: Ein moralischer Anspruch einer Person X gegenüber einer Person Y könne korrekt als die korrelative moralische Pflicht von Y gegenüber X definiert werden. 207 Die Sprache der (language of) relativen Pflichten und die Sprache der moralischen Ansprüche blickten auf dieselbe moralische Relation, einmal aus der Perspektive des Verpflichteten, ein andermal aus der Perspektive des Ansprucherhebenden und betone daher die Kompetenz, Anspruch zu erheben. Einen speziellen moralischen Anspruch gegenüber einer zweiten Partei zu haben bedeute, in der Situation zu sein, in der die Menge moralischer Gründe einem die moralische Kompetenz übertrage, auf Erfüllung einer moralischen Pflicht durch die zweite Partei Anspruch zu erheben oder im Fall der Nichterfüllung auf Abhilfe (remedy) durch diese zweite Partei Anspruch zu erheben. 208 207 Vgl. Wellman (1985), S. 143. In (1995) erörtert Wellman im Kapitel „Grounds of Moral Positions" keine moralischen Ansprüche. Er verweist jedoch in ebd., S. 168, auf die hier wiedergegebene Analyse moralischer Ansprüche aus „A Theory of Rights". 208 Wellman erklärt an anderer Stelle, wo er die Stärke (strength) von Rechten erörtert [hier im Kapitel B., IL, 4., h), aa) wiedergegeben], dass jeder Anspruch aufgrund dessen, dass er auch eine Kompetenz, Anspruch zu erheben enthalte, stärker sei als die seinen Bestandteil bildende Pflicht. Vgl. Wellman (1985), S. 187 f. - Man kann hier auf zwei Beispiele moralischer Rechte aus (1995) hinweisen, in deren Kern ein moralischer Anspruch steht, und deren Gründe Wellman erläutert (hier werden sie im Kapitel B., IL, 5., b) über Begründungsarten erwähnt). Im Kern (1) des moralischen Rechts, nicht geschlagen zu werden, werde der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber allen anderen gedacht, dass sie ihn nicht schlügen; d.i. die moralische Pflicht der anderen, den Rechtsinhaber nicht zu schlagen, gemeinsam mit dessen moralischer Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht zu erheben. Vgl. (1995), S. 80. Die moralischen Grundlagen des Kerns dieses moralischen Rechts seien die Pflicht auferlegenden Gründe, dass Schlagen gefährde und verletze, gemeinsam mit Geselligkeitsfaktoren wie Wohlwollen, Hilfsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit. Zusätzlich sei das Besitzen dieses Rechts in der Verletzbarkeit durch Schlagen, in der moralischen Tätigkeit (agency) und dem relevanten moralischen Verständnis des Rechtsinhabers begründet. Das (2) zweite Beispiel ist das moralische Recht auf staatliche Unterstützung für ein unterstützungsbedürftiges Kind. Im Kern desselben stehe der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber seinem Staat, mit hinreichender Unterstützung versehen zu werden, um ihm zu ermöglichen, sich angemessen um sein Kind zu sorgen. Vgl. ebd., S. 89. Dieser Anspruch bestehe aus der moralischen Pflicht des Staates, den Rechtsinhaber mit dieser Unterstützung zu versehen, gemeinsam mit der moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers, Anspruch auf Erfüllung dieser Pflicht zu erheben. Der moralische Grund dieser moralischen Pflicht des Staates sei die Tatsache, dass die Gesellschaft dem Rechtsinhaber die Verantwortung für die
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
153
Die Position des moralischen Anspruchs habe nur derjenige, der die spezielle moralische Stellung der zweiten Partei der relativen Pflicht unter moralischen Normen habe. Die Rolle dritter Parteien - Wellman weist auch hier darauf hin, dass jeder Zuschauer Einwände gegen die Unterlassung einer Pflichterfüllung erheben könne und verlangen könne, dass der Verpflichtete die zweite Partei in einer bestimmten Weise entschädige. Doch nur der Appell des Ansprucherhebenden an eine dritte Partei könne eine Änderung der moralischen Position dieser dritten Partei herbeiführen, so dass eine Intervention mit der Verhängung von Sanktionen der Moralität, die sonst moralisch falsch (wrong) gewesen wäre, nun moralisch erlaubt werde. 209 Für die Ausübung der Kompetenz, Anspruch zu erheben, gebe es keine moralisch vorgeschriebenen Verfahren. 210 Wenn man z.B. Schlange stehe und jemand sich vordränge, dann wandte man sich an andere Schlange Stehenden und beanstande dies. Indem man an eine dritte Partei in dieser Weise appelliere, bestimme man sie, die Position eines moralischen Richters in der Konfrontation zwischen Ansprucherhebendem und Verpflichtetem zu übernehmen. In der moralischen Gemeinschaft könne jedes Mitglied die Funktion des moralischen Richters übernehmen. Einen moralischen Anspruch zu haben bedeute in der Position zu sein, in der die Menge moralischer Normen einem die moralische Kompetenz übertrage, Anspruch auf Erfüllung einer bestimmten Pflicht oder auf Abhilfe zu erheben, im Fall dass diese moralische Pflicht nicht erfüllt werde. 211 Dies sei eine moralische Kompetenz, weil ihre Ausübung die moralische Position der dritten Partei erwirke, an die der Ansprucherhebende seine Bitte adressiere. Sie mache den Akt der Verhängung moralischer Sanktionen durch diese Partei moralisch erSorge um sein Kind übertragen habe, durch die Art, in der sie ihre rechtlichen (legal), ökonomischen und Familien-Institutionen eingerichtet habe. Der Grund der moralischen Pflicht des Staates begründe auch indirekt die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, Anspruch auf die Erfüllung dieser Pflicht zu erheben. Vgl. ebd., S. 90. Ergänzend sei auch folgende Bemerkung Wellmans in Bezug auf die Beschaffenheit moralischer Ansprüche und ihrer moralischen Gründe erwähnt. In der Erörterung menschlicher Bedürfnisse als Grundlagen ethischer Rechte bemerkt Wellman, in seiner Auseinandersetzung mit Feinbergs Auffassung: Ansprucherheben (claiming) sei eine transitive Tätigkeit, die notwendig sowohl einen Ansprucherhebenden als auch einen Adressaten involviere. Vgl. Wellman (1982), S. 170. Ferner bemerkt er: Ansprüche seien relational. Vgl. ebd., S. 171. Daher müsse jeder Grund, der einen Anspruch begründen könnte, selbst relational sein. Er müsse die Forderung, die vom Ansprucherhebenden an den Adressaten gerichtet werde, rechtfertigen. Menschliche Bedürfnisse, selbst dringende Bedürfnisse seien in der ersten Person formuliert (first-personal); sie richteten sich nicht an irgendeine zweite Partei. Entsprechend seien sie nicht die richtige Art von Gründen, um eine Kompetenz, Anspruch zu erheben, einer bedürftigen Person zu übertragen. 209 Vgl. Wellman (1985), S. 143 f. 210 Vgl. Wellman (1985), S. 144. 2
Vgl. Wellman (1985), S. 1 .
1 5 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
laubt. 212 Wie der Akt des Ansprucherhebens diese moralische Konsequenz erwirke, könne nicht gewusst werden, wenn man nicht die Grundlage dieser moralischen Kompetenz kenne. Dass er dies aber erwirke, könne erkannt werden, wenn man die moralische Norm, dass man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte, in Erwägung ziehe. Daher sei die Intervention dritter Parteien moralisch falsch (wrong), wenn sie nicht von einer der Parteien in einer Konfrontation zu richten speziell ersucht würden. Inhaber moralischer Ansprüche - Wellman merkt auch an, dass nicht nur Individuen, sondern auch Körperschaften Parteien moralischer Ansprüche sein können. So habe ein souveräner Staat gegenüber einem anderen den moralischen Anspruch, dass dieser keinen militärischen Angriff ausübe und sich an die zwischenstaatlichen Vertragsbestimmungen dieser zwei Staaten halte. Ein Staat reklamiere manchmal Pflichten eines anderen Staates ihm gegenüber im politischen Forum der Vereinten Nationen. Auch könne ein Staat einen moralischen Anspruch gegenüber einem Staatsbürger haben, wie z.B. dass dieser ihn nicht um die Einkommenssteuer betrüge, oder ein Individuum gegenüber dem Staat, wie z.B. wenn ein verarmtes Gemeinschaftsmitglied Anspruch auf Sozialhilfe erhebe oder ein Ausländer den Anspruch erhebe, nicht willkürlich inhaftiert zu werden. Das Individuum könne solche Pflichten reklamieren, indem es an die Öffentlichkeit oder an einflussreiche Beamte appelliere, Sanktionen der Moralität gegen einen Staatsbeamten zu verhängen, dessen Handlungen eine Verletzung dieser moralischen Ansprüche des Individuums bedeuteten.213 Solche Reklamationen seien zweifelsohne charakteristischerweise fruchtlos und daher nicht üblich. 214 Dies spiegle einen bedeutenden Unterschied zwischen legalen und moralischen Ansprüchen wider, auf den im folgenden Abschnitt über den Zwang moralischer Ansprüche kurz eingegangen wird. Der Zwang moralischer Ansprüche - Der Zwang legaler Ansprüche liege wahrscheinlich primär, wenn auch nicht gänzlich, in der Androhung von Sank212
Man kann in diesem Zusammenhang auf das vorhin erwähnte Beispiel des moralischen Rechts, nicht geschlagen zu werden, noch einmal verweisen, das Wellman in (1995), S. 79 ff., erörtert [hier im Kapitel B., II., 5., b) erwähnt]. Wellman bemerkt, den Kern dieses Rechts bilde der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber allen anderen, dass sie ihn nicht schlügen, d.i. die moralische Pflicht anderer, den Rechtsinhaber nicht zu schlagen, gemeinsam mit seiner moralischen Kompetenz, auf die Erfüllung dieser Pflicht Anspruch zu erheben. Vgl. ebd., S. 80. Zu den verknüpften Elementen dieses moralischen Rechts zählt Wellman erstens die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, seine Kernkompetenz, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht der anderen, ihn nicht zu schlagen, zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. Zweitens die moralische Freiheit 1 dritter Parteien, zu intervenieren, um eine zweite Partei daran zu hindern, den Rechtsinhaber zu schlagen, sofern dieser nicht auf seinen Kernanspruch verzichtet habe oder sie ersucht habe, dass sie nicht intervenierten. Vgl. ebd., S. 83. 213 Vgl. Wellman (1985), S. 145 f. 2
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 1 4 .
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Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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tionen, durch die sie durchgesetzt würden. Der Zwang moralischer Ansprüche liege primär in der Anwendbarkeit moralischer Gründe als praktischer Gründe, als Gründe für den Verpflichteten eher auf eine als auf eine andere Weise zu handeln und nur sekundär in moralischen Gründen als Gründen für dritte Parteien mit der Verhängung von Sanktionen der Moralität zu reagieren. Es gebe eine genuine Analogie zwischen Recht und Moral. Während aber Sanktionen bei legalen Pflichten und Ansprüchen zentral seien, seien sie bei moralischen Pflichten und Ansprüchen peripher, obzwar präsent. c) Moralische Freiheiten!
( moral liberties)
Definition einer moralischen Freiheitl - Wellman definiert die moralische Freiheitl analog zur legalen Freiheitl. Zu behaupten, dass eine Person X eine moralische Freiheitl habe, A zu tun, sei zu behaupten, dass sie keine moralische Pflicht habe, A nicht zu tun. 215 So habe z.B. Wellman die moralische Freiheitl in T-Shirt und Shorts zu unterrichten, wenn er keine moralische Pflicht habe, dies nicht zu tun. In „Real Rights" bezeichnet er die moralische Position Freiheitl als Gegenteil (opposite) der moralischen Position Pflicht. 216 Bilaterale moralische Freiheiten! - Wellman bemerkt in „A Theory of Rights", dass viele moralische Freiheiten 1 bilateral (bilateral) seien.217 Demnach habe ich z.B. die moralische Freiheitl, einer Wohltätigkeitsorganisation zu spenden oder nicht zu spenden, oder die moralische Freiheitl, pornographische Literatur zu lesen oder nicht zu lesen. Solche bilaterale moralische Freiheiten 1 seien wichtig, weil sie dem moralischen Handelnden große Bereiche moralischer Verfügungsfreiheit (moral discretion) gäben, in denen er frei zwischen alternativen Arten von Handlung wählen könne. Moralische Verfügungsfreiheit existiere zum Teil, weil spezifische moralische Gründe nur eine begrenzte Teilmenge praktischer Gründe im Allgemeinen seien. Folglich werde es viele Wahlmöglichkeiten (choices) geben, in denen moralische Gründe nicht gelten würden. Bedeutender sei ferner, dass nicht alle moralischen Gründe Pflicht auferlegende Gründe seien. Folglich werde jemand, selbst in Situationen, in denen er gegen einen moralischen ideal-projizierenden Grund handle, indem er z.B. verweigere für Wohltätigkeit zu spenden, eine moralische Freiheitl, so zu handeln, haben, wenn er dies wünsche. Relative moralische Freiheiten! - Zusätzlich zum unqualifizierten (unqualified) Begriff einer moralischen Freiheitl, der durch das Nichtgegebensein einer gegenteiligen Pflicht irgendeiner Art definiert sei, sei es nützlich den Begriff einer relativen moralischen Freiheitl einzuführen. Demnach habe X dann und 215 216 217
Vgl. Wellman (1985), S. 146. Vgl. Wellman (1995), S. 59. Vgl. Wellman (1985), S. 146.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
nur dann eine moralische Freiheitl gegenüber Y, eine spezielle Handlung A zu tun, wenn X keine moralische Pflicht gegenüber Y habe, A nicht zu tun. 218 Selbst wenn jemand keine absolute moralische Freiheitl das zu tun habe, wozu er eine relative moralische Freiheitl habe, sei diese moralische Relation nicht gänzlich unwichtig im moralischen Leben. 219 Wenn z.B. Wellman seiner Frau versprochen habe, dass er ihren Sohn zu einem Basketballspiel bringe, und später erfahre, dass ein ausgewiesener Philosoph zur selben Zeit eine Rede halte, und seine Frau, ihn von seinem Versprechen entbinde, habe er voraussichtlich die moralische Freiheitl gegenüber seiner Frau, ihren Sohn nicht zum Basketballspiel zu bringen. Wenn sich aber ihr Sohn auf das Versprechen verlassen habe und nun bitter enttäuscht wäre, wenn Wellman nicht das täte, was er versprochen habe, dann könne es sein, dass er keine absolute moralische Freiheitl habe, ihn nicht zum Spiel zu bringen. Wellman stellt die Frage, warum man sich mit relativen moralischen Pflichten abgeben müsse, wenn sie die moralische Erlaubnis (permissibility), entsprechend zu handeln, nicht garantierten. Ihre Bedeutung liege in der Tatsache, dass sie angäben, wann die Einwände oder Beschwerden einer anderen Person in einer moralischen Wahl ignoriert werden könnten. Im erwähnten Beispiel sei Wellmans Frau, nachdem sie ihn von seiner moralischen Pflicht ihr gegenüber entbunden habe, nicht mehr in einer Position, sich zu beschweren, dass er eine moralische Pflicht ihr gegenüber verletzt habe. Zur Funktion einer moralischen Freiheitl - Zur soeben angesprochenen Funktion einer moralischen Freiheitl bemerkt Wellman, dass so wie die legale Freiheitl als Verteidigung gegen eine Klage fungiere, dass man illegal gehandelt habe, und dazu diene, dem Unterworfensein (liability) unter legale Sanktionen entgegenzuwirken, eine moralische Freiheitl ähnlich als Entgegnung gegen den Vorwurf fungiere, man habe unmoralisch gehandelt, und daher als Verteidigung gegen das Unterworfensein unter Sanktionen der Moralität fungiere. Ferner bemerkt Wellman, dass ein Appell an eine moralische Freiheitl jedoch nicht eine Handlung jemandes in dem Sinn rechtfertige, dass sie ihm einen Grund liefere so zu handeln, wie er gehandelt habe, oder zu schließen, dass er gehandelt habe, wie er hätte handeln sollen. Zu sagen, dass jemand die moralische Freiheitl habe in einer bestimmten Weise zu handeln, sei einfach zu sagen, dass es keinen anwendbaren (applicable) moralischen Pflicht auferlegenden Grund gebe, nicht so zu handeln. Doch liefen diese zwei Verneinungen nicht auf etwas positives hinaus. Insofern habe man oft moralische Freiheitenl, die man, wenn man alles in Betracht ziehe, nicht ausüben sollte. Selbst wenn es keinen Pflicht auferlegenden Grund gebe, eine Handlung zu unterlassen, könne es eine Reihe anderer praktischer Gründe gegen diese Handlung geben. Es
218 219
Vgl. Wellman (1985), S. 146 f. Vgl. Wellman (1985), S. 147.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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könne z.B. wahr sein, dass ich einer Wohltätigkeitsorganisation spenden sollte, weil meine Spende menschliches Leid lindern werde, selbst wenn ich eine moralische Freiheitl habe, diese moralisch tugendhafte aber nicht verbindliche Handlung zu unterlassen. Bare und vermutete moralische Freiheitenl - In „Real Rights" unterscheidet Wellman zwischen (i) baren (innocent) und (ii) vermuteten (suspect) moralischen Freiheitenl. 220 (i) Bare moralische Freiheitenl seien Handlungen, die moralisch erlaubt seien, weil es keine gegenteiligen Pflicht auferlegenden Charakteristika gebe. Die Grundlage barer moralischer Freiheitenl sei die Abwesenheit eines gegenteiligen Pflicht auferlegenden Grundes. 221 (ii) Vermutete (suspect) moralische Freiheitenl seien Handlungen, deren Ausführung moralisch erlaubt sei, obwohl es ein oder mehrere Pflicht auferlegende Charakteristika gebe. 222 Wellman unterscheidet in Bezug auf letztere drei Arten, in denen Freiheitl übertragende Gründe (liberty-confering reasons) Pflicht auferlegende Gründe unwirksam machen (negate) können, nämlich, indem sie letztere (a) zurückweisen (overrule), (b) aufheben (cancel) und (c) untergraben (undermine). 223 220
Vgl. Wellman (1995), S. 60. Wellman führt als Beispiel für eine bare moralische Freiheitl seinen gegenwärtigen Akt des Schreibens über moralische Positionen an. Dies sei eine bare moralische Freiheitl, weil keine wahre Beschreibung dieses Aktes eine prima facie Pflicht impliziere, nicht über moralische Positionen zu schreiben, und er dabei keine konfligierenden moralischen Verpflichtungen vernachlässige. Vgl. Wellman (1995), S. 60. 222 Vgl. Wellman (1995), S. 60. 223 (a) Eine Zurückweisung liege dann vor, wenn zwei Gründe konfligierten, sodass man nicht nach beiden handeln könne, und der Freiheitl übertragende Grund den Pflicht auferlegenden überwiege (outweighs). Vgl. Wellman (1995), S. 60 f. Der Freiheitl übertragende Grund schließe jede aktuelle Pflicht aus (rules out), die gegenteilige prima facie Pflicht zu erfüllen, wobei er die prima facie Pflicht unangetastet (intact) lasse. Vgl. Wellman (1995), S. 61. Als offensichtlichstes Beispiel zurückweisender Freiheitl übertragender Gründe erwähnt Wellman stärkere Pflichten übertragende Gründe. So habe er (sc. Wellman) z.B. die Freiheitl, einen Studenten in seinem Büro nicht, wie versprochen, zu empfangen, weil er eine zwingendere (more stringend) prima facie Pflicht habe, auf sein krankes Kind zu schauen, (b) Freiheitl übertragende Gründe höben (cancel) Pflicht auferlegende Gründe auf, wenn z.B. jemand zugestimmt habe, sich mit wem anderen zu boxen. Vgl. Wellman (1995), S. 62. Diese Zustimmung hebe die prima facie moralische Pflicht auf, ihn nicht zu schlagen. Der Pflicht auferlegende Grund bleibe bestehen, habe aber nicht den vollen Bereich moralischer Konsequenzen wie ein nicht aufgehobener Grund. Wellman baut hier die Klausel ein, wonach ein aufhebender Grund ein Freiheitl übertragender Grund sei, vorausgesetzt es gebe keinen zusätzlichen gegenteiligen Pflicht auferlegenden Grund, dessen Aufhebung nicht gelinge. So habe z.B. der Arzt durch Zustimmung des Patienten die moralische Freiheitl, ihn zu behandeln, doch habe er keine moralische Freiheitl, den Patienten, selbst mit dessen Zustimmung zu behandeln, wenn er (sc. der Arzt) wisse, dass die Behandlung eine große medizinische Gefahr darstelle und von keinem vergleichbaren Nutzen wäre, (c) Moralische Freiheitl übertragende Gründe untergrüben (undermine) einen gegenteiligen Pflicht auferlegenden Grund, indem sie die übliche Folgerung von prima facie Pflichten von ihren Gründen trennten. Dies täten sie, indem sie eine der notwendigen Bedingungen für die Existenz moralischer Verpflichtun221
1 5 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
In der folgenden Erörterung moralischer Kompetenzen bemerkt Wellman an einer Stelle, eine moralische Freiheitl sei per definitionem das Nichtvorhandensein einer moralischen Pflicht und sei entweder direkt durch das bloße Nichtvorhandensein eines anwendbaren moralischen Pflicht auferlegenden Grundes oder indirekt durch einen Freiheitl auferlegenden (liberty-imposing) Grund, der einen solchen Pflicht auferlegenden Grund ausschließe, begründet. 224 d) Moralische Kompetenzen (moral powers) Als Nächstes erörtert Wellman den Begriff der moralischen Kompetenz. Im Gegensatz zu den Begriffen der moralischen Pflicht, der moralischen Freiheitl und des moralischen Anspruchs sei der Begriff der moralischen Kompetenz in der Moraltheorie eigentlich unbekannt.225 Wellman hatte in der Erörterung der legalen Kompetenz im Unterschied zu Hohfeld zwischen legaler Fähigkeit (ability) im weiteren Sinn und legaler Kompetenz (power) im engeren Sinn unterschieden und schlägt vor, analoge Begriffe in die Theorie der Moral einzufüh-
gen in diesem Fall verneinten. Vgl. Wellman (1995), S. 63. Wellman weist darauf hin, dass gemäß dem ÄTanrischen Diktum „Sollen impliziere Können" in jeder Behauptung einer moralischen Verpflichtung semantisch vorausgesetzt werde, dass der Handelnde die Fähigkeit habe, das zu tun, wozu er moralisch verpflichtet sei. So untergrabe die Tatsache, dass er an Grippe erkrankt sei, seine prima-facie Pflicht, einen Studenten, wie versprochen, in seinem Büro zu treffen. Ferner habe man z.B. keine moralische Pflicht, nicht einmal eine prima-facie Pflicht, keine militärischen Geheimnisse unter qualvoller Folter zu verraten. Wellman baut auch hier eine Klausel ein: Nicht jeder Grund, der einen moralischen Pflicht auferlegenden Grund untergrabe, übertrage eine moralische Freiheitl, weil manche Gründe Pflichten vollständig untergrüben, so dass keine Freiheitl überbleibe. Vgl. ebd., S. 65. Jemand könne z.B. nicht eine Pflicht haben, einen anderen zu retten, weil er ein Kind, senil oder krank sei. In diesen Fällen sei die Sprache moralischer Freiheiten 1 ebenso unangebracht wie die Sprache moralischer Verpflichtungen, weil das Individuum der Tauglichkeit (competence) ermangle, die für die moralische Tätigkeit (agency) notwendig sei. Deshalb übertrage ein untergrabender Grund eine moralische Freiheitl in bestimmten Fällen, vorausgesetzt er gelte für jemanden, der im Allgemeinen ein tauglicher moralischer Handelnder sei. 224 Vgl. Wellman (1995), S. 77. 225 Vgl. Wellman (1985), S. 147. 226 Ygi Wellman (1985), S. 148. - Am Rande sei erwähnt, dass Welman in seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „Consent to Medical Research on Children" in (1997), S. 19, bemerkt, seine Interpretation des Begriffs der ethischen Kompetenz baue auf den bahnbrechenden Aufsätzen von Raz und MacCormick auf, die Hohfelds Auffassung einer legalen Kompetenz verfeinert und im Begriff einer normativen Kompetenz verallgemeinert hätten. Vgl. MacCormick (1972), S. 59-78, und Raz (1972), S. 79-
102.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte 159 aa) Definition einer moralischen Kompetenz Wellman definiert die moralische Kompetenz stipulativ:227 Eine Person X habe dann und nur dann eine moralische Kompetenz, eine moralische Konsequenz C zu erwirken (effect), wenn ein bestimmter Akt von X C impliziere, unter Voraussetzung der Hintergrundfakten über X und der Umstände der Handlung, und diese Implikation entweder durch die für die Wirksamkeit der Ausübung einer Wirt-Kompetenz erforderliche Intention von X oder durch die vernünftigerweise zugeschriebene (reasonably imputed) Intention von X, eine solche Konsequenz zu erwirken, bedingt sei. 228 Um herauszufinden, was für diese Definition spricht, erörtert Wellman einige Parallelen zwischen Recht und Moral. 229 Die Wiedergabe von Wellmans Ausführungen gliedert sich in folgende Abschnitte: [B., II., 3., d), aa), (1)] Haben Handlungen moralische Konsequenzen?, [B., II., 3., d), aa), (2)] Zu den moralischen Konsequenzen, [B., II., 3., d), aa), (3)] Wie implizieren Handlungen moralische Konsequenzen? Der Abschnitt [B., II., 3., d), aa), (3)] besteht aus folgenden Teilen: (a) Hintergrundfakten über den Handelnden, (b) Hintergrundfakten über die Umstände, (c) Hintergrundinstitutionen, (d) Vorausgesetzte Normen. Darauf folgen die Abschnitte [B., IL, 3., d), aa), (4)] Grundlagen moralischer Kompetenzen, [B., IL, 3., d), bb)] Moralische Kompetenzen und moralische Fähigkeiten.
227 Vgl. Wellman (1985), S. 148. Dazu bemerkt er ebd.: Da der Ausdruck „eine moralische Kompetenz" in der gewöhnlichen Sprache nicht etabliert sei, könne nicht die Rede davon sein, die korrekte lexikalische Definition zu entdecken. Was stattdessen erforderlich sei, sei eine stipulative Definition, die in der Moralphilosophie nützlich sein werde, besonders für unser Verständnis moralischer Rechte. 228 Vgl. Wellman (1985), S. 157. Wellman formuliert am Anfang seiner Erörterungen der moralischen Kompetenz eine Definition analog zur Definition der legalen Kompetenz, die er schließlich anhand der Resultate der folgenden Erörterungen zur hier wiedergegebenen Definition modifiziert. Aus Gründen der Einfachheit wurde gleich die endgültige Definition der moralischen Kompetenz wiedergebeben. Wellmans Definition der moralischen Kompetenz in „Real Rights" enthält nicht die oben genannte Möglichkeit, dass diese Implikation durch die für die Wirksamkeit der Ausübung einer Wirt-Kompetenz erforderliche Intention von X bedingt sei. Vgl. Wellman (1995), S. 65. Da Wellmans Erörterung moralischer Kompetenzen in „Real Rights" anders aufgebaut ist als die oben gegebene Darstellung aus „A Theory of Rights", werden relevante Stellen zumeist in Fußnoten referiert. - Ergänzend sei eine Bemerkung Wellmans aus seinem Aufsatz „Consent to Medical Research on Children" erwähnt: Der Begriff einer ethischen Kompetenz weise in zwei Richtungen, nach vorn, auf mögliche ethische Konsequenzen, und zurück, auf die Tauglichkeit (competence), in der sie begründet sei. Vgl. Wellman (1997), S. 96. Auf beide Punkte geht Wellman in seinen im Folgenden wiegegebenen Erörterungen ein. 229
Vgl. Wellman (1985), S. 148.
1 6 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
(1) Haben Handlungen moralische Konsequenzen? Wellman erörtert erstens die Frage, ob Handlungen moralische Konsequenzen haben. Legale Normen verknüpften spezielle legale Konsequenzen mit bestimmten Arten von Handlungen, so dass die Ausführung dieser Handlungen diese legalen Resultate erwirkten. Wenn z.B. ein Landbesitzer jemandem die Genehmigung erteile, sein Land zu betreten, so erwerbe letzterer die legale Freiheitl, es zu betreten. Wellman glaubt, dass menschliche Handlungen in ähnlicher Weise moralische Konsequenzen hätten, obwohl er dies nicht beweisen könne. Als Beweis führt Wellman einige Beispiele an. Wenn z.B. Person X Person Y ein Versprechen gebe, dann bestehe eine Konsequenz, zumindest unter normalen Bedingungen, in der Hervorbringung einer moralischen Verpflichtung, das Versprechen einzuhalten.230 Die Zustimmung eines informierten Patienten zu einer Operation habe die moralische Konsequenz, das, was sonst eine moralisch nicht richtige (wrong) Verletzung seiner körperlichen Integrität wäre, in eine moralisch erlaubte Art medizinischer Behandlung zu transformieren. 231 (2) Zu den moralischen Konsequenzen Zweitens erörtert Wellman die Frage, was moralische Konsequenzen seien. Erstens seien sie spezifisch moralisch. Sie konstituierten moralische Positionen oder die unterschiedlichen Arten, in denen moralische Normen für jene, die ihnen unterworfen seien, gölten. Da die Moral Pflicht auferlegende moralische Gründe analog zu den Pflicht auferlegenden Normen des Rechts enthalte, enthalte sie moralische Analoga zu den Hohfeldschen legalen Positionen. Unter den moralischen Konsequenzen würden moralische Pflichten, Freiheiten 1, Kompetenzen usw. sein. Die Moral enthalte aber auch eine Menge ideal-projizierender Gründe, die wahrscheinlich eine Menge eher anderer moralischer Positionen definierten, wie z.B. tugendhaft oder schlecht zu sein. Wellman ignoriert sie jedoch, weil sie keine Rolle für die Zusammensetzung moralischer Rechte zu spielen scheinen. Das, was moralische Kompetenzen und Fähigkeiten zu moralischen, im Unterschied zu physischen oder psychologischen, Kompetenzen und Fähigkeiten mache, sei, dass sie durch moralische Normen übertragen würden. Moralische Konsequenzen seien Konsequenzen im logischen Sinn, d.h. sie seien moralische Positionen, die logisch in menschlichen Handlungen impliziert seien. Wenn z.B. der Patient zugestimmt habe, vom Arzt in einer bestimmten Weise behandelt zu werden, dann impliziere dies, sofern andere relevante Überlegungen nicht gege230 Wellmans detaillierte Analyse dieses Beispiels (in (1999), S. 218 ff.) wurde im Rahmen seiner Erörterung relativer moralischer Pflichten wiedergegeben. 2
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 1 4 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
161
ben seien, dass der Arzt keine Pflicht habe, eine solche Behandlung zu unterlassen.232 Moralische Kompetenzen und Fähigkeiten seien Kompetenzen und Fähigkeiten, durch seine Handlung spezifisch moralische Konsequenzen zu erwirken. Daher seien sie in Form logischer Konsequenzen menschlicher Handlungen definiert. 233 Z.B. könnte mein Freund oder sein Tod mich von meiner Pflicht, ihm beim Umzug zu helfen, entbinden. Im ersten Fall wäre die Ausübung einer moralischen Kompetenz gegeben, im letzteren Fall nicht, weil hier ein biologisches Ereignis und nicht eine menschliche Handlung vorliege, die impliziere, dass ich nicht länger durch mein Versprechen gebunden sei. (3) Wie implizieren Handlungen moralische Konsequenzen? Als Nächstes stellt Wellman die Frage, wie menschliche Handlungen moralische Konsequenzen implizieren könnten. Da eine vollständige Beantwortung dieser Frage mit einem erheblichen theoretischen Aufwand verbunden wäre und die Erörterung von Fragen erforderlich machen würde wie z.B. der Frage, wie faktische Prämissen moralische Konklusionen implizieren ohne den naturalistischen Fehlschluss zu begehen, nimmt Wellman einfach an, dass eine Darstellung moralischer Argumentation gegeben werden kann, und versucht, soweit wie möglich, den alternativen epistemologischen Theorien gegenüber neutral zu bleiben. Wellman stellt die bescheidenere Frage, ob menschliche Handlungen moralische Konsequenzen in ungefähr der selben Weise implizieren wie sie legale Konsequenzen implizieren. Wenn ja, dann gebe es wahrscheinlich ein bedeutungsvolles moralisches Analogon zu einer legalen Kompetenz, wenn nicht, dann habe der Begriff einer Kompetenz keinen Platz in der Moral. Dementsprechend untersucht Wellman, ob sich die Hauptpunkte in der legalen Argumentation von menschlichen Handlungen zu legalen Konsequenzen in der moralischen Argumentation widerspiegelten. (a) Hintergrundfakten über den Handelnden - Eine Handlung einer Person, wie z.B. eine Unterschrift, impliziere gewöhnlich nur unter der Bedingung legale Konsequenzen, dass die Person erwachsen und bei gesundem Verstand sei. In ähnlicher Weise impliziere auch das Versprechen einer Person, etwas bestimmtes zu tun, keine moralische Verpflichtung, dies zu tun, wenn sie geisteskrank, senil oder betrunken sei. 234 (b) Hintergrundfakten über die Umstände - Auch hier bestehe eine Analogie. 235 Der Akt des Akzeptierens eines Angebots impliziere nicht die Existenz vertraglicher Verpflichtungen im Recht (law), wenn das Angebot widerrufen 232
233 V 234 235
Vgl. Wellman (1985), S. 149 f. g l Wellman (1935), S . 150. Vgl. Wellman (1985), S. 150 f. Vgl. Wellman (1985), S. 151.
1 6 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
wurde. In ähnlicher Weise impliziere »Jones sagte: ,Ich verspreche dir, Smith, 100$ zu geben4" keine moralische Pflicht, dies zu tun, wenn Smith nicht anwesend war, während Jones diesen Redeakt ausführte oder wenn Jones dies als Illustration in einem Vortrag über Versprechen erwähnte. Folglich impliziere eine menschliche Handlung moralische Konsequenzen, nur wenn bestimmte Hintergrundfakten über die Umstände vorausgesetzt würden. (c) Hintergrundinstitutionen - Menschliche Handlungen implizierten legale Konsequenzen nur vor dem Hintergrund legaler Institutionen. Daher sei der Begriff einer legalen Kompetenz wesentlich ein institutioneller Begriff. Um die Frage zu beantworten, ob menschliche Handlungen auch nur vor dem Hintergrund vorausgesetzter Institutionen moralische Konsequenzen implizierten, sei es notwendig zwischen zwei Arten zu unterscheiden, in denen legale Kompetenzen legale Institutionen voraussetzen könnten. Wenn z.B. X Y ein Buch aus seiner (sc. X's) Bibliothek gebe, dann habe X's Akt des Reichens, während er sage „Hier, es ist dein" - unter Voraussetzung seiner legalen Kompetenz es zu geben, Y's legalen Kompetenz, das Geschenk zu akzeptieren, und der geeigneten Umstände - die legale Konsequenz, dass das Eigentum des Buchs von X auf Y übergehe. Eigentum in dem hier verwendeten Sinn sei ein legaler Status, eine legale Institution, die durch legale Normen definiert sei. Auch die legale Kompetenz, mir das Buch zu geben, werde ihm durch die institutionellen Normen des Rechtssystems übertragen. Daher impliziere die genannte legale Kompetenz legale Institutionen auf zwei unterschiedliche Arten: Sie setze die legale Institution des Eigentums und die institutionellen Kompetenz übertragenden Normen voraus, die für Eigentum gölten. Daher setzten manche legalen Kompetenzen sowohl die legale Institution, auf die eine Kompetenz übertragende Norm Anwendung finde, als auch das Rechtssystem voraus, in dem die Kompetenz übertragende Norm existiere. Die erste Art institutioneller Voraussetzung sei für viele legale Kompetenzen nicht wesentlich. So impliziere X's Akt des Akzeptierens Y's Herausforderung zu einem Boxkampf die legale Konsequenz von Y's legalen Freiheit 1, ihn zu boxen. 236 Hier werde die legale Norm, die X die Kompetenz, dem zuzustimmen, was sonst eine legal ungerechte Körperverletzung wäre, übertrage, auf das Akzeptieren eines Angriffs und Boxens angewendet, die vorlegale (prelegal) Aktivitäten seien und nicht wie Eigentum durch Normen konstituiert seien. Dennoch habe sein Akt, einem Boxkampf zuzustimmen, nur deswegen legale Konsequenzen, weil das Recht (law) auf ihn (sc. den Akt) Anwendung finde. Daher sei auch in solchen Fällen die Institution des Rechtssystems in der legalen Konsequenz des Akts vorausgesetzt.
2
V g l . Wellman ( 1 9 8 ) , S. 1 5 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
163
Die Moral sei im Unterschied zum Recht nichtinstitutionell, und daher setzten moralische Kompetenzen keine Norm hervorbringende und Norm anwendende Institution in dem Sinn voraus, in dem eine legale Kompetenz zu einer Zustimmung zu einem Boxkampf dies tue. Dennoch könne es wahr sein, dass menschliche Handlungen, nur dann moralische Konsequenzen implizierten, wenn moralische Normen auf bereits existierende soziale Institutionen Anwendung fänden. Z.B. schienen die moralische Kompetenz, sich selbst durch ein Versprechen eine moralische Verpflichtung aufzuerlegen, und die moralische Kompetenz des Versprechensempfängers, den Versprechensgeber von seinem Versprechen zu entbinden, parasitär zu vorausgesetzten institutionellen Kompetenzen zu sein. Ohne die soziale Institution des Versprechens, die konventionellen Regeln, die das Versprechen konstituierten, würde der Ausdruck „Ich verspreche ..." keine moralischen Konsequenzen implizieren. Nur weil moralische Normen von einem verlangten, dass er Versprechen halte, gebe es spezifisch moralische Kompetenzen, ein moralisch bindendes Versprechen zu geben oder den Versprechensgeber von seinem Versprechen zu entbinden. Die Redeakte „Ich verspreche zu ..." oder „ich entbinde dich von deinem Versprechen" implizierten nur insofern moralische Konsequenzen, als moralische Normen auf vorausgesetzte nichtmoralische Institutionen Anwendung fänden. Wellman glaubt aber nicht, dass alle Handlungen moralische Konsequenzen nur im Kontext einer vorausgesetzten Institution implizierten, so dass alle moralische Kompetenzen und Fähigkeiten (abilities) parasitär zu institutionellen Kompetenzen und Fähigkeiten seien.237 Wellman führt folgendes Beispiel einer nicht parasitären moralischen Fähigkeit an. 2 3 8 Einem anderen Unrecht (injunring) zu tun oder ihn zu verletzen (harming), impliziere eine moralische Pflicht, zu tun, was man könne, um das Unrecht zu beheben oder für die Verletzung Entschädigung zu leisten, völlig unabhängig von Hintergrundinstitutionen des Deliktrechts oder der positiven Moralität. Das Beispiel der Zustimmung zum Boxkampf führt Wellman als Beispiel einer unabhängigen moralischen Kompetenz an. Obwohl Wellmans Zustimmung zu einem Boxkampf eine Ausübung einer legalen Kompetenz sei, impliziere sie die moralische Erlaubnis (permissibility), ihn zu boxen, völlig unabhängig von den legalen Konsequenzen. Selbst wenn es kein rechtliches Delikt Körperverletzung oder keine rechtlich anerkannte Rechtfertigung der Einwilligung zu einem Prozess gegen Körperverletzung gäbe, würde es einen moralisch bedeutenden Unterschied machen, ob jemand in einem Boxkampf mit seiner oder ohne seine Zustimmung geschlagen werde. Dass die moralische Kompetenz zuzustimmen nicht parasitär zu einer vorausgesetzten legalen Kompetenz sei, trete in Fällen klarer hervor, in denen legale Normen nicht gölten. Obwohl z.B. das Recht eines Staates das Privatle2 7 2
Vgl. Wellman (1985), S. 1 2 f. Vgl. Wellman (1985), S. 5 .
1 6 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ben eines Kindes beim Telefonieren vor dem heimlichen Lauschen der Eltern nicht schütze, sei es gewöhnlich moralisch nicht richtig (wrong), wenn die Eltern bei Telefongesprächen ihrer Kinder heimlich lauschten. Wenn aber das Kind zustimme, werde es moralisch erlaubt, dass die Eltern bei einem Telefongespräch zuhörten. Wellman bemerkt, dass selbst wenn alle moralischen Kompetenzen parasitär wären, weil alle menschlichen Handlungen spezifisch moralische Konsequenzen nur implizierten, wenn moralische Normen auf vorausgesetzte Institutionen Anwendung fänden, nicht folgen würde, dass es keine moralischen Kompetenzen gäbe oder dass der Begriff einer moralischen Kompetenz keinen Platz in der moralischen Theorie hätte. Was folgen würde, wäre, dass moralische Kompetenzen nur in einem vorausgesetzten institutionellen Kontext existierten und ausgeübt werden könnten. (d) Vorausgesetzte Normen - Im Recht implizierten menschliche Handlungen legale Konsequenzen, nur wenn eine legale Norm vorausgesetzt sei. Dies sei einfach deswegen so, weil es keine logische, begriffliche oder notwendige Verbindung zwischen einer speziellen Handlung per se und einer rechtlich gültigen Folgerung gebe. Legale Konsequenzen würden durch das Recht mit Handlungen verknüpft und zwar durch Normen grob der allgemeinen Form „Wenn Handlung A, dann Konsequenz C " . 2 3 9 Ähnliches gelte auch für Konsequenzen der Moralität wie die Rechte oder Pflichten, die mit menschlichen Handlungen durch die Normen jeder positiven Moralität verbunden würden. Die Moral sei jedoch in keiner Weise institutionell wie die Moralität oder das Recht es seien. Folglich, wenn es moralische Konsequenzen menschlicher Handlungen gebe, dann folgten sie aufgrund einer Art logischer Verbindung, nicht kraft einer vorausgesetzten organisatorischen oder konventionellen Norm. Wäre das moralische Schlussfolgern notwendig deduktiv, so könnte die reine Möglichkeit einer solchen logischen Verbindung zwischen menschlicher Handlung und moralischen Konsequenzen aufgrund einer moralischen Regel oder eines moralischen Prinzips gedacht werden, sodass z.B. „Smith habe versprochen, A zu tun" „Smith habe eine moralische Pflicht, A zu tun" nur aufgrund der Annahme implizierte, dass man immer eine moralische Pflicht habe, seine Versprechen zu halten. Wellman bemerkt, dass nichtdeduktives Schließen oft moralische Schlussfolgerungen begründe, und daher der Schluss von einer Handlung auf die moralische Position, die sie erwirke, nicht logisch eine vorausgesetzte universelle Norm erfordere. - Wellman bemerkt, dass seine Theorie nicht über allem Zweifel erhaben sei; sollte er sich jedoch in diesem Punkt irren, wäre sein Argument für die Wirklichkeit moralischer Kompetenzen gestärkt, weil moralisches Schlussfolgern sich dem legalen Schlussfolgern noch
2
V g l . Wellman ( 1 9 8 ) , S. 1 5 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
165
ähnlicher erweisen würde, als er behaupte. - Demnach setze der Schluss von „Smith habe versprochen, A zu tun" auf „Smith habe eine moralische Pflicht, A zu tun" keine universelle moralische Norm voraus, weder um die moralische Konsequenz mit der menschlichen Handlung zu verbinden, noch um den Schluss deduktiv gültig zu machen. „Smith habe versprochen, A zu tun" konstituiere jedoch nicht an sich einen hinreichenden Grund, um die Konklusion „Smith habe eine moralische Pflicht, A zu tun" zu rechtfertigen, weil menschliche Handlungen unvollständige Gründe seien. Die Tatsache, dass eine Handlung getan wurde, bilde einen vollständigen praktischen Grund nur vor dem Hintergrund von Fakten wie die Wichtigkeit des Haltens von Versprechen, unsere häufige Versuchung, Versprechen zu brechen, die Richtigkeit (propriety) der versprochenen Handlung etc. Diese Hintergrundvoraussetzungen würden letzte praktische Gründe wie Fakten über menschliches Leiden oder Vertrauensbruch enthalten. Folglich setze der Schluss von menschlichen Handlungen auf moralische Konsequenzen eine oder mehrere Normen voraus, die jedoch letzte praktische Gründe und nicht universelle moralische Regeln oder Prinzipien seien. Argumentationen, die von menschlichen Handlungen zu moralischen Konsequenzen verliefen, seien enthymematisch, jedoch auf andere Art und aus einem anderen Grund als Argumentationen, die von Handlungen zu legale Konsequenzen verliefen. 240 Legales Schlussfolgern setze unvermeidlich eine legale Norm voraus, die eine Konsequenz mit einer Handlung verknüpfe. Da moralisches Schlussfolgern sich auf moralische Gründe berufe, die charakteristischerweise und möglicherweise immer unvollständige Gründe seien, setzte es einen Hintergrund voraus, der in Verbindung mit der Tatsache, dass eine Handlung getan worden sei, einen vollständigen Grund für die moralische Schlussfolgerung konstituiere.241 Dieser Hintergrund werde gewöhnlich letzte praktische Gründe enthalten, die praktische, obwohl nichtmoralische Normen für menschliches Verhalten seien. Seine Erläuterungen resümierend bemerkt Wellman zur eingangs [in B., II., 3., d), aa), (3)] gestellten Frage, dass menschliche Handlungen nicht in genau derselben Weise moralische Konsequenzen implizierten wie sie legale Konsequenzen implizierten. Menschliche Handlungen implizierten moralische Konsequenzen nur wenn man bestimmte Hintergrundfakten über den Handelnden und die Umstände annehme. Diese Implikation setze keine mit einem Rechtssystem vergleichbare Norm hervorbringende oder Norm anwendende Institution voraus, weil moralische Normen nichtinstitutionell seien. Doch manchmal implizierten diese moralischen Normen moralische Konsequenzen, insofern sie auf vorausgesetzte Institutionen wie das legale Eigentum oder das Versprechen (promising game) gölten. Da moralisches Schlussfolgern typisch nichtdeduktiv sei und mo2 2
Vgl. Wellman (1985), S. 5 f. Vgl. Wellman (1985), S. 5 .
1 6 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
raiische Konsequenzen nicht durch postulierte (posited) Normen mit menschlichen Handlungen verbunden würden, müsse der Schluss von einer Handlung zu ihrer moralischen Konsequenz nicht eine allgemeine moralische Norm voraussetzen. Da moralische Gründe typisch unvollständige Gründe seien, werde der Schluss von der menschlichen Handlung auf eine moralische Konsequenz Hintergrundfakten voraussetzen, die letzte praktische Gründe enthielten. Obwohl es unvollständige Gründe seien, sei die Tatsache, dass eine Handlung getan worden sei, ein moralischer Grund. Als solche implizierten sie in Verbindung mit ihrem vorausgesetzten Hintergrund, moralische Positionen. Daher erwirkten menschliche Handlungen moralische Konsequenzen und es gebe wirklich moralische Fähigkeiten (abilities) und Kompetenzen. (4) Grundlagen moralischer Kompetenzen In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll einige Ausführungen aus „Real Rights" ergänzend anzuführen. In der Erörtertung der Grundlagen (grounds) moralischer Kompetenzen unterscheidet Wellman zwischen: (a) Grundlagen der Tauglichkeit (competence), eine Kompetenz zu besitzen (possess), und (b) Grundlagen der Wirksamkeit (efficacy) der Handlung, durch die jemand eine Kompetenz ausübt.242 Wellman stellt die Hypothese auf, dass erstere faktische und letztere primär moralische Grundlagen sind. Dies untersucht er an einigen typischen moralischen Kompetenzen: Den moralischen Kompetenzen, eine Erlaubnis zu geben 243 , Befehle zu erteilen 244 und Autorität zu delegieren 245. Die Ergebnisse dieser Untersuchung fasst er folgendermaßen zusammen: 242
Vgl. Wellman (1995), S. 65, 75. Vgl. Wellman (1995), S. 66. Wellman erläutert die Kompetenz zu erlauben (power to give permission) am Beispiel, wo jemand einem anderen die moralische Freiheit 1 überträgt, ihn zu boxen. Dies sei eine moralische Kompetenz, weil sie eine Fähigkeit (ability) sei, einer anderen Person eine moralische Freiheit 1 intentional zu übertragen, z.B. einen zu boxen. Die Übertragung dieser moralischen Freiheit 1 geschehe durch Aufhebung (canceling) der Pflicht auferlegenden Gründe. - Dieser Punkt wurde bereits im Kapitel B., IL, 3., c) über moralische Freiheiten 1 erörtert. Vgl. dazu auch Wellman (1995), S. 62. - Wellman erörtert in diesem Beispiel, wie eine Zustimmung moralische Pflicht auferlegende Gründe aufhebt und verweist auf die normative Intention (normative intention), die die Bedeutung der Handlung Boxen ändert. Vgl. ebd., S. 67 f. Wellman erklärt, dass in diesem Fall die vernünftigerweise zugeschriebene Intention (reasonably imputed intention) und nicht die tatsächliche Intention relevant sei und erklärt dies durch die wesentlich soziale Natur der Moral: Moralische Gründe für Handlung oder Reaktion bzw. für die Unterlassung derselben müssten objektiv feststellbar sein. Die tatsächliche Intention sei oft unklar und man könne sich daher nur aufgrund der vernünftigerweise zuzuschreibenden Intention entscheiden, nicht zu reagieren. Vgl. ebd., S. 68. Die Tauglichkeit (competence), eine Kompetenz zu haben, jemandem die Erlaubnis zu erteilen, einen zu boxen, erklärt Wellman durch folgende Qualifikationen: Erstens müsse man durch boxen verwundbar sein, zweitens die Fähigkeit zu intentionaler Handlung haben. (Es sei aber nicht erforderlich, dass man verstehe, warum andere eine Pflicht hätten, einen nicht zu boxen, oder wie die 243
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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(a) Die Grundlagen der Tauglichkeit seien Fakten über den Kompetenzinhaber, die ihn qualifizierten, die Kompetenz zu besitzen.246 Die Gründe dafür, dass jemand z.B. die Kompetenz habe, einem die Erlaubnis zu geben, ihn zu boxen, seien die Tatsachen, dass man durch Boxen verwundbar sei und dass man die psychischen Fähigkeiten (capacities) habe, Bereitschaft auszudrücken, geboxt zu werden, und zu intendieren, dem anderen die moralische Freiheitl zu übertragen, (b) Die Grundlagen der Wirksamkeit der Ausübung einer moralischen Kompetenz seien z.B. jene, aus denen Zustimmung Boxen moralisch erlaubt mache oder das autoritative Befehlen einer Person, ihrem Kind eine Pflicht auferlege. 247 Wellman stellt die Frage, ob diese Grundlagen spezifisch moralische Gründe seien, und behauptet, sie enthielten immer moralische eigene Zustimmung diese Pflicht aufheben könne, weil eine solche moralische Theorie nicht notwendig sei, um mit den erforderlichen Intentionen zu handeln.) 244 Als Beispiel für die Kompetenz zu befehlen (power to give Orders), erörtert Wellman die Kompetenz eines Eiters, eine moralische Pflicht seinem Kind aufzuerlegen, indem er dem Kind befiehlt, etwas zu tun, mit der Intention, dabei die Pflicht aufzuerlegen, diese bestimmte Sache zu tun. Vgl. (1995), S. 69. Der Eiter könne nur dann autoritativ befehlen, wenn seine Autorität bereits bestehe, und diese Autorität setze die Pflicht des Kindes voraus, dem Eiter gegenüber nicht ungehorsam zu sein. Vgl. ebd., S. 71. Als notwendige Qualifikation zur Tauglichkeit (competence), sein Kind zu befehlen, etwas bestimmtes zu tun, führt Wellman an, dass man nicht im biologischen, sondern im sozialen Sinn Eiter sein muss, d.h. die Elternrolle haben muss und für die Obhut des Kindes verantwortlich ist. Vgl. ebd., S. 72. Eine weitere Qualifikation rühre aus der Beschaffenheit des autoritativen Befehlens: Nur ein Handelnder, der die Fähigkeit habe, einen Befehl und die Auferlegung eine Pflicht zu intendieren, könne eine solche Kompetenz besitzen. 245 Als Beispiel für die Kompetenz, Autorität zu delegieren (power to delegate authority), erwähnt Wellman die Kompetenz, eines Eiters, einer anderen Person die moralische Kompetenz zu übertragen, seinen Kindern moralisch verbindliche Befehle zu erteilen. Ein Elter autorisiere nur dann eine andere Person, moralisch verbindliche Befehle seinem Kind zu erteilen, wenn es einsichtig sei, dem Elter die Intention zuzuschreiben (reasonable to impute), diese Kompetenz dieser Person zu übertragen. Vgl. (1995), S. 72 f. Analog zum vorigen Beispiel habe eine Person A nur dann die Tauglichkeit (competence), die elterliche Kompetenz zu besitzen, eine andere Person zu autorisieren, ihrem (sc. A's) Kind, moralisch verbindliche Befehle oder Erlaubnisse zu erteilen, wenn sie die Elternrolle erfülle und die primäre moralische Verantwortung für die Obhut des Kindes trage. Vgl. ebd., S. 74. Überdies müsse sie die psychischen Vermögen zum Anvertrauen der Obhut des Kindes an eine andere Person haben, und drittens, die moralischen Implikationen hinreichend verstehen können, die das Anvertrauen der Obhut mit sich bringe, um diese Handlungen mit der Intention auszuüben, dadurch jemand anderem eine solche moralische Kompetenz zu übertragen. Vgl. ebd., S. 74 f. 246 VgL Wellman (1995), S. 75. - Ergänzend sei hier erwähnt, dass Wellman in seinem Aufsatz „Consent to Medical Research on Children" bemerkt, dass es verschiedene Arten einer ethischen Kompetenz gebe. Vgl. Wellman (1997), S. 96. Jede Art ethischer Kompetenz werde ihre eigene Art der Tauglichkeit (competence) haben, eine Menge von Qualifikationen, die in bestimmter Weise mit anderen Arten ethischer Tauglichkeit (ethical competence) ähnlich sein könnten und sich in bestimmter Weise von anderen Arten ethischer Tauglichkeit unterscheiden könnten. 2
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 6.
168
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Gründe. Demgemäß seien im ersten Beispiel die Pflicht auferlegenden Gründe, dass „geboxt werden" einen gefährde und angreife, für die Erklärung zentral, warum die Zustimmung von einem geboxt zu werden, ihm die moralische Freiheit 1 übertrage, einen zu boxen. Im zweiten Beispiel seien die Pflicht auferlegenden Gründe, dass die Nichtbefolgung eines elterlichen Befehls, den Eiter ernsthaft an der Erfüllung seiner Pflicht hindern würde, für das Kind zu sorgen, der Schlüssel für das Verständnis, warum ein elterlicher Befehl dem Kind eine moralische Pflicht auferlege. Gründe, durch die eine Handlung vorausgesetzte Gründe ändert - Durch diese moralischen Gründe sei jedoch die Darstellung weder erschöpft noch bildeten sie den direkt relevantesten Teil der Darstellung. Erklärungsbedarf bestehe vor allem in Bezug auf die Frage, wie, d.h. durch welcherart Gründe die Handlung, durch die jemand eine moralische Kompetenz ausübe, bestimmte vorausgesetzte (background) moralische Gründe ändere oder modifiziere, d.h. wie z.B. der Zustimmungsakt die moralischen Gründe, die man sonst habe, einen nicht zu boxen, aufhebe oder wie der elterliche Befehlsakt einen moralischen Pflicht auferlegenden Grund für das Kind hervorbringe, das Befohlene zu tun. Vorausgesetzt die Erörterungen der genannten Beispiele seien korrekt, schienen die Gründe zweierlei Art zu sein, wovon keine spezifisch moralisch sei. Die (a') erste Art zeige, wie Zustimmen oder Befehlen Geselligkeitsfaktoren wie Sicherheit oder Rollenerfüllung modifiziere, die den Pflicht auferlegenden Gründen zugrunde lägen und sie zu Gründen für negative Reaktion all jener machten, die gemeinsam mit dem Handelnden lebten, der diesen Gründen zuwider handle. Die (b*) zweite Art zeige, wie Zustimmen oder Befehlen die Bedeutung jedes folgenden Aktes des Boxens oder Ungehorsams als Äußerungen des Charakters des Boxers oder des Kindes ändere. Moralische Kompetenzen übertragende Gründe - Schließlich stellt Wellman die Frage, ob es demnach moralische Kompetenzen übertragende Gründe gebe. Es gebe Gründe für moralische Kompetenzen, doch sie seien nicht analog zu den Pflicht auferlegenden oder Freiheit 1 übertragenden Gründen. Wellman erläutert dies an der Kompetenz zu befehlen. Dass er (sc. Wellman) die Elternrolle für sein Kind erfülle, übertrage ihm die moralische Kompetenz, seinem Kind moralisch verbindliche Befehle zu geben. Dies sei aber ein bloß faktischer Grund und sei nur ein Teil der Darstellung. Der Rest der Darstellung fokussiere auf einen moralischen Grund. Dieser sei, dass wenn sein Kind seinen Befehlen nicht gehorchen würde, es ihn an der Erfüllung seiner moralischen Pflicht der Fürsorge hindern würde. 248 Dies sei aber primär ein Pflicht auferlegender Grund und nur indirekt ein Kompetenz übertragender Grund. 249
2 8 2 9
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 6 f. Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 7 .
II. Darstellung einzelner
unkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
169
Wellman stellt daraufhin die Frage, wie es moralische Kompetenzen geben könnte, wenn es keine speziellen Kompetenzen übertragenden moralischen Gründe gebe? Die kurze Antwort darauf sei, dass verschiedene moralische Positionen auf einem einzelnen moralischen Grund in unterschiedlicher Weise gründen könnten. So gründe eine moralische Pflicht auf einem oder mehreren moralischen Pflicht auferlegenden Gründen, eine moralische Freiheit 1 sei per definitionem das Nichtvorhandensein einer moralischen Pflicht und gründe entweder im bloßen Nichtvorhandensein eines anwendbaren Pflicht auferlegenden Grundes oder indirekt auf einem Freiheitl auferlegenden (imposing) Grund, der jeden Pflicht auferlegenden Grund ausschließe. Eine Kompetenz sei eine moralische Kompetenz, weil ihre Ausübung eine bestimmte moralische Konsequenz erwirke; sie werde daher indirekt durch jeden moralischen Grund übertragen, der ihre definierende Konsequenz begründe. Wellman folgert hieraus, dass die Gründe moralischer Kompetenzen unveränderlich komplex seien und dass sie in einer Kombination faktischer und moralischer Gründe bestünden. bb) Moralische Kompetenzen und moralische Fähigkeiten (abilities) Schließlich erörtert Wellman in „A Theory of Rights" die Frage, ob moralische Kompetenzen, sich durch die moralisch zugeschriebene (imputed) Intention von bloßen moralischen Fähigkeiten (abilities) unterscheiden.250 Legale Kompetenzen unterschieden sich von legalen Fähigkeiten im weiteren Sinn durch die Tatsache, dass ihre Wirksamkeit abhängig sei von der rechtlich zugeschriebenen Intention des Ausübenden, eine spezielle legale Konsequenz zu erwirken. Es scheine eine Unterscheidung zwischen moralischen Kompetenzen und moralischen Fähigkeiten zu geben, die irgendwie von der Intention des Ausübenden abhänge. Der Unterschied zwischen X's Kompetenz, sich selbst eine Pflicht aufzuerlegen, Y ein Buch zurückzubringen, indem er (sc. X) sich es ausborge, und seiner Fähigkeit, eine Verpflichtung einzugehen, das Buch zurückzubringen, indem er es stehle, liege darin, dass ausborgen (während stehlen nicht) im Wesentlichen ein Akt der Änderung seiner moralischen Position in Bezug auf Y's Buch sei. 251 Daher sollte man zwischen moralischen Kompetenzen im engeren Sinn, in denen die Wirksamkeit (efficacy) der Ausübung von der normativen Intention des Kompetenzinhabers abhänge, und moralischen Fähigkeiten im weiteren Sinn unterscheiden, in denen die moralische Wirksamkeit in dieser Weise bedingt sein könne oder nicht. 252
250 251 252
Vgl. Wellman (1985), S. 155. Vgl. Wellman (1985), S. 156. Vgl. auch Wellman (1995), S. 73.
1 7 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Die Intention - Wellman stellt die Frage, welche Art von Intention für die Wirksamkeit einer moralischen Kompetenz erforderlich ist? 253 Man müsse zwischen parasitären und unabhängigen moralischen Kompetenzen unterscheiden. Da eine parasitäre moralische Kompetenz von einer vorangehenden Wirt-Kompetenz abhänge und aus ihr hervorgehe, sei die erforderliche Intention diejenige, von der die Wirksamkeit der Wirt-Kompetenz abhänge. Folglich sei die moralische Kompetenz, sich moralisch zu binden, indem man einen rechtlich bindenden Vertrag eingehe, abhängig von jemandes rechtlich zugeschriebener Intention, sich solche legalen Pflichten aufzuerlegen, weil diese Intention für die legale Wirt-Kompetenz, Verträge einzugehen, wesentlich sei. Unabhängige moralische Kompetenzen seien von einer anderen Art. Ihre Wirksamkeit hänge nicht von einer moralisch zugeschriebenen Intention ab (was immer das bedeuten möge), sondern von der dem Ausübenden vernünftigerweise zugeschriebenen Intention, solche moralischen Konsequenzen zu erwirken. 254 Z.B. habe Wellman, bevor er sein Ferienjahr begonnen habe, seine moralische Kompetenz ausgeübt, seiner Sekretärin die moralische Freiheitl zu übertragen, seine Post zu öffnen. Auch wenn nichts illegales darin sei, wenn seine Sekretärin seine Post auch ohne seine Erlaubnis öffne, gäbe es eine moralische Pflicht, in sein Privatleben nicht einzudringen, indem man dies tue. Durch Wellmans Erlaubnis werde diese moralische Pflicht aufgehoben und durch eine moralische Freiheitl ersetzt. Wellman könnte seine moralische Erlaubnis, seine Post zu öffnen, nicht geben, ohne etwas zu sagen oder zu tun, das ein objektiver Betrachter vernunftgemäß als einen Akt auffassen könnte, der intendierte, das Öffnen seiner Post moralisch erlaubt zu machen. Wellman schlussfolgert, dass es ein moralisches Analogon zur legalen Kompetenz gebe.
Der Unterschied zwischen der Definition einer moralischen und einer legalen Kompetenz - Anschließend bemerkt Wellman, er habe auf diese Weise zwei wichtige Hinsichten entdeckt, in denen sich die Definition einer moralischen Kompetenz von der Definition der legalen Kompetenz unterscheide, weil die Moral nicht in jeder Hinsicht dem Recht entspreche.255 (a) Während legale Konsequenzen mit menschlichen Handlungen durch postulierte (posited) legale Normen verbunden würden und daher nur unter Voraussetzung letzterer folgten, sei die Verbindung zwischen Handlung und moralischer Konsequenz eher logisch als institutionell und setze daher keine anwendbare moralische Norm vo253
Vgl. Wellman (1985), S. 156. Vgl. dazu die zuvor erwähnten Erörterungen und Beispiele Wellmans aus „Real Rights" zu den moralischen Kompetenzen, eine Erlaubnis zu geben, Befehle zu erteilen und Autorität zu übertragen. 255 Vgl. Wellman (1985), S. 157. Wie bereits erwähnt formuliert Wellman ursprünglich eine Definition einer moralischen Kompetenz analog zur Definition der legalen Kompetenz und modifiziert sie dann im Sinn der bisher wiedergegebenen Erörterungen. An dieser Stelle nennt er die Hinsichten, in denen die ursprünglich formulierte Definition modifiziert werden müsse. 254
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
171
raus. Dies sei in folgender Weise möglich: Die Tatsache, dass eine Handlung getan wurde, sei ein moralischer Grund und konstituiere daher eine moralische Norm. Natürlich sei sie ein unvollständiger Grund und werde daher Hintergrundfakten voraussetzen, die einige grundlegendere Gründe enthielten. Doch diese müssten nicht grundlegendere spezifisch moralische Gründe sein, (b) Zweitens, obwohl die Wirksamkeit einer moralischen Kompetenz von der Intention abhänge, sei diese niemals eine moralisch zugeschriebene (morally imputed) Intention. Im Falle der parasitären moralischen Kompetenzen sei die erforderliche Intention diejenige, die für die Wirksamkeit der nichtmoralischen Wirt-Kompetenz erforderlich sei. Im Fall der unabhängigen moralischen Kompetenzen sei diese die vernünftigerweise zugeschriebene Intention, eine solche moralische Konsequenz hervorzurufen. Diesen zwei Punkten entspricht die Definition der moralischen Kompetenz, die Wellman gegeben hat. Wellman bemerkt in Bezug auf diese Analyse 256 einer moralischen Kompetenz, dass sie eine genuine und wichtige moralische Position definiert. Die Moral als Menge moralischer Gründe übertrage solche moralischen Kompetenzen auf diejenigen, die ihr unterstünden, weil unter den Gründen, die die Moral konstituierten, menschliche Handlungen seien. Handlungen bildeten einen moralischen Unterschied: In manchen Fällen führten sie moralische Konsequenzen herbei, die von einer Art Intention, normative Konsequenzen herbeizuführen, abhingen, in anderen Fällen sei eine solche Intention nicht notwendig. In ersteren Fällen würden solche moralischen Gründe moralische Kompetenzen auf jene übertragen, die handeln könnten (might). In letzteren Fällen würden solche moralischen Gründe bloße moralische Fähigkeiten auf jene übertragen, die so handeln könnten (might). 257 Wellman bemerkt, dass die Bedeutung moralischer Kompetenzen und Fähigkeiten in der Moralphilosophie zu lange ignoriert worden sei. 258 256
Wellman bezieht sich hier auf die Definition einer moralischen Kompetenz, die zu Beginn wiedergegeben wurde. 257 Vgl. Wellman (1985), S. 158. 258 Ergänzend seien hier Wellmans Bemerkungen zum Begriff der ethischen Kompetenz aus seinem Aufsatz „Consent to Medical Research on Children" erwähnt: Dieser Begriff sei ein wesentlich dynamischer Begriff. Vgl. Wellman (1997), S. 94. Es sei der Begriff eines Vermögens (capacity) in einer Weise zu handeln (act), das die ethische Situation ändere, möglicherweise indem Verpflichtungen hervorgebracht oder aufgehoben würden. Entsprechend tendiere jede ethische Theorie, die diesen Begriff und den abgeleiteten Begriff einer ethischen Fähigkeit ermangle, den dynamischen Aspekt der Ethik zu vernachlässigen. Die traditionelle ethische Theorie habe sich auf die statische Seite der Ethik konzentriert, da sie sich primär dafür interessiert habe, wasrichtigoder unrichtig (right or wrong), gut oder schlecht (good or bad) sei. Die Begriffe des Werts und der Verpflichtung lenkten nicht von sich aus unsere Aufmerksamkeit auf die Art, in der Werte und Verpflichtungen, durch menschliche Handlung geändert werden könnten. Die Art zu handeln, um moralische Pflichten hervorzubringen oder aufzuheben, würden nur dann zum direkten Gegenstand theoretischer Aufmerksamkeit, wenn man einen Begriff wie den einer ethischen Kompetenz einführte.
172
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte e) Moralische Immunitäten (moral immunities)
Wellman bemerkt, dass die Logik Hohfeldscher Positionen uns an dieser Stelle ermögliche, eine Anzahl in Beziehung stehender moralischer Positionen zu definieren. 259 Eine „Kompetenz hinsichtlich" („power over") habe als logisches Korrelat (logical correlative) ein „Unterworfensein unter" (subjection to) und als logisches Gegenteil (logical contradictory) ein „Unvermögen hinsichtlich" („impotence regarding"). Z.B. habe X dann und nur dann ein moralisches Unvermögen hinsichtlich Y, eine moralische Konsequenz C für Y zu erwirken (effect), wenn X keine moralische Kompetenz hinsichtlich Y habe, C für Y zu erwirken. Eine „Fähigkeit hinsichtlich" („ability over") habe als logisches Korrelat eine „Verbindlichkeit in Bezug auf 4 („liability to") und als logisches Gegenteil eine „Unfähigkeit hinsichtlich" („disability regarding"). 260 Z.B. habe X dann und nur dann eine moralische Unfähigkeit hinsichtlich Y, wenn es nicht der Fall sei, dass X eine moralische Fähigkeit hinsichtlich Y habe, C für Y zu erwirken. Definition einer moralischen Immunität - Wellman behauptet, dass für seine Zwecke der wichtigste dieser logisch in Beziehung stehenden Begriffe der der moralischen Immunität sei. Der Begriff der Immunität sei wie der Begriff „ A n s p r u c h " (claim) ein wesentlich relationaler (relational), d.h. notwendig eine Immunität gegenüber einer oder mehreren anderen Parteien. Wellman definiert diesen Begriff folgendermaßen: X habe dann und nur dann eine moralische Immunität gegenüber Y hinsichtlich einer speziellen moralischen Konsequenz C,
Vgl. ebd., S. 95. In der Theorie der Verpflichtung werde sehr oft an die Bedingungen der „gegebenen Situation" gedacht. Ethische Situationen seien aber mehr als bloße (brüte) Tatsachen; sie könnten bewusst geändert werden, wie im Fall, wo man ein Versprechen gebe oder jemanden von einem Versprechen befreie. Ethische Kompetenzen zu ignorieren sei, einen wichtigen Bereich von Möglichkeiten für menschliche Handlungen zu ignorieren. Wenn die Ethik eine praktische Disziplin sein solle, sollte sie sowohl auf das Ändern zur Wahl stehender Alternativen als auch auf die richtige Auswahl zwischen gegebenen Alternativen Acht geben. - Ergänzend kann man ferner Wellmans Bemerkungen in Bezug auf den Begriff der Kompetenz und die Naturrechtstheorie erwähnen: Die Theorie des Naturrechts war für Jahrhunderte nur eine Theorie moralischer Verpflichtungen und Pflichten. Vgl. Wellman (1997), S. 38. Folglich, als Ockham, Grotius und Pufendorf davon Gebrauch gemacht hätten, seien ihre begrifflichen Ressourcen auf die zwei Begriffe der Pflicht und ihr Nichtgegebensein eingeschränkt gewesen. Obwohl diese ihnen ermöglicht haben könnten, sowohl Anspruchsais auch Freiheitsrechte zu erklären, wären andere Begriffe erforderlich gewesen, um Kompetenz- und Immunitätsrechte zu erklären. 259 Vgl. Wellman (1985), S. 158. 260 Vgl Wellman (1985), S. 158. Angemerkt sei hier, dass man in der Literatur auch andere Übersetzungen der genannten englischen Begriffe findet. Alexy z. B. übersetzt das englische Wort „liability" mit dem deutschen Wort „Subjektion", „disability" mit „Nicht-Kompetenz" und „immunity" mit „Nicht-Subjektion". Vgl. Alexy (1994), S. 219.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
173
wenn Y eine moralische Unfähigkeit (disability) habe, irgendeine Handlung zu tun, die diese Konsequenz C für X implizierte. Z.B. habe ein Versprechensempfänger gegenüber dem Versprechensgeber eine moralische Immunität dagegen, dass die moralische Pflicht, das Versprechen zu halten, durch irgendeinen Akt des Versprechensgebers aufgehoben würde. Ähnlich habe eine Tochter die moralische Immunität gegenüber ihrem Vater, dagegen, dass er den Geschlechtsverkehr mit ihr einfach durch seine Zustimmung, die er einem Freier gebe, moralisch erlaubt mache; nur wenn sie selbst zustimme, Geschlechtsverkehr mit dem Freier zu haben, erwerbe dieser die moralische Freiheitl, sie zu lieben. Die Funktion moralischer Immunitäten - Die Wichtigkeit moralischer Immunitäten liege im Schutz vor einer speziellen Änderung der moralischen Position einer Person als Konsequenz einer Handlung einer anderen Person. Obwohl dies einem nicht notwendig eine Kontrolle über die eigenen moralischen Pflichten und Verbindlichkeiten (liabilities) gebe, sichere es, dass diese nicht der Kontrolle eines anderen unterlägen. So könne der Inhaber einer moralischen Immunität versichert sein, dass seine moralische Position in einer bestimmten Hinsicht, unabhängig davon, ob sie seinen eigenen Willen widerspiegle, nicht von der Gnade eines anderen Willens abhänge. Aus diesem Grund sei es angemessener und nützlicher eine moralische Immunität als Ermangelung (absence) einer moralischen Fähigkeit (ability) im weiteren Sinn einer zweiten Partei statt einer moralischen Kompetenz im engeren Sinn zu definieren. In diesem Sinn verschaffe der Besitz einer speziellen moralischen Immunität den größeren Grad an Schutz. Eine Immunität gegenüber der Welt - So wie es oft die Gelegenheit gebe, von Ansprüchen gegenüber der Welt (claims against the world) zu sprechen, so sei es auch sinnvoll einen analogen Begriff einer moralischen Immunität gegenüber der Welt einzuführen. 261 X habe dann und nur dann eine moralische Immunität gegenüber der Welt hinsichtlich einer bestimmten Konsequenz C, wenn jede zweite Partei Y eine moralische Unfähigkeit (disability) habe, eine Handlung zu tun, die diese Konsequenz C für X implizieren würde. 262 Z.B. habe jemand eine moralische Immunität gegenüber der Welt dagegen, durch Versprechen verpflichtet zu werden, die an seiner statt gegeben würden, weil nur er selbst sich oder ein von ihm autorisierter Vertreter ihm eine moralische Pflicht auferlegen könne, indem er verspreche, etwas zu tun. Solcherart Immunitäten seien wichtige Elemente in vielen moralischen Rechten. Normale und außergewöhnliche Immunitäten - Im Unterschied zur erwähnten Definition definiert Wellman in „Real Rights" die moralische Immunität als Ab-
26 2
Vgl. Wellman (1985), S. 5 f. Vgl. Wellman (1985), S. 59.
1 7 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wesenheit einer korrespondierenden moralischen Kompetenz.263 Dies lege nahe, dass die Grundlage einer moralischen Immunität einfach das Fehlen einer Grundlage für die korrespondierende moralische Kompetenz sei. Dies sei manchmal, aber nicht immer der Fall. So wie man zwischen baren (innocent) und vermuteten (suspect) Freiheiten 1 unterscheiden sollte, müsse man zwischen (1) normalen (Standard) und (2) außergewöhnlichen (exceptional) Immunitäten unterscheiden. (1) Normale Immunitäten gründeten auf der Abwesenheit eines Kompetenz übertragenden Grundes. Z.B. habe ein Kind normalerweise eine moralische Immunität gegen die Pflicht, Befehle eines Fremden zu befolgen. (2) Außergewöhnliche Immunitäten bestünden nur dann, wenn ein spezieller Grund vorliege. Entweder disqualifizierten diese unfähig machenden (disabling) Gründe die Partei, die ansonsten die fehlende Kompetenz haben würde, z.B. wenn die Partei das Kind misshandelt habe, oder sie immunisierten die Partei, die normalerweise dieser Kompetenz unterworfen sei, z.B. wenn das Kind erwachsen und unabhängig von den Eltern geworden sei, oder sie machten die Handlung ungültig, durch die man normalerweise diese Kompetenz ausübe, z.B. wenn die Ausübung der elterlichen Kompetenz, dem Kind verbindliche Befehle zu geben, durch die Tatsache ungültig werde, dass der Befehl in keiner plausiblen Verbindung mit der elterlichen Pflicht stehe, sich um das Kind zu sorgen, oder ein Befehl sei, eine unmoralische Handlung durchzuführen. 264 f) Abschließende Bemerkung zu den moralischen Positionen Wellman schließt seine Erörterung moralischer Positionen mit der Feststellung ab, dass es also moralische Positionen gebe, die wesentlich analog zu den legalen Positionen seien, die Hohfeld festgestellt und unterschieden habe. 265 Die Moral finde auf Handelnde in verschiedenen Weisen Anwendung, die der Anwendung des Rechts (law), auf jene, die ihm unterstünden, entsprechen würden. Wellman bemerkt, er habe demgemäß die grundlegenden moralischen Begriffe einer Pflicht, eines Anspruchs, einer Freiheit 1, einer Kompetenz und einer Immunität unterschieden und erklärt. Sie seien die Bestandteile moralischer Rechte. 4. Das Modell eines Rechts und seine Verwendung Auf die Darstellung der praktischen Relevanz und Gültigkeit moralischer Gründe für Handelnde und ihre Handlungen in Form bestimmter moralischer Positionen soll nun die Darstellung des „Kernstücks" von Wellmans Theorie, 263 264 265
Vgl. Wellman (1995), S. 77. Vgl. Wellman (1995), S. 77 f. Vgl. Wellman (1985), S. 159.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
175
seine Auffassung des Begriffs eines Rechts folgen. Auch hier werden Wellmans spätere, detailliertere Ausführungen, hauptsächlich aus seinen Werken „A Theory of Rights" und „Real Rights", wiedergegeben. Wie aus der eingangs gegebenen Darstellung hervorgeht, definiert Wellman anhand des Hohfeldschen Modells legaler Rechte ein analoges Modell moralischer Rechte. Wellmans Auffassung eines Rechts baut zum Teil auf einer kritischen Auseinandersetzung mit anderen Theorien über Rechte auf. Um ein vollständigeres Bild seiner Theorie zu liefern und ihren Unterschied zu anderen Theorien aufzuzeigen, ist es zweckmäßig, wichtige Passagen aus dieser Auseinandersetzung wiederzugeben. Damit soll der Hintergrund und die Entstehung mancher seiner Überlegungen, auf denen seine Theorie legaler und vor allem moralischer Rechte aufbaut, beleuchtet werden. a) Untersuchungen anderer Theorien über Rechte Wellman gewinnt seine Einsichten in Bezug auf die Beschaffenheit eines Rechts zum Teil aus seiner kritischen Untersuchung anderer Theorien über Rechte. Zu diesen zählen maßgeblich Hohfelds und Harts Theorien, mit denen sich Wellman in „A Theory of Rights" auseinandersetzt. Der folgende Abschnitt soll einen Einblick in Wellmans Auseinandersetzung mit diesen Theorien geben. Einzelne weitere Theorien über Rechte, mit denen sich Wellman auch auseinandergesetzt hat, werden ebenfalls kurz erwähnt. aa) Hohfelds Theorie Nachdem Wellman Hohfelds legale Positionen untersucht hat, stellt er die Frage, was Hohfeld unter einem legalen Recht versteht. 266 Wellman nimmt unter anderem auf eine Textstelle von Hohfeld Bezug, in der dieser behauptet, dass das Wort „ein Recht" allgemein und wahllos verwendet werde, um irgendeine Art eines legalen Vorteils (ob Anspruch, Privileg, Kompetenz oder Immunität) zu bezeichnen.267 Im engsten Sinn werde, so Hohfeld, der Begriff als Korrelat einer Pflicht verwendet; und um diese Bedeutung klarzumachen, scheine das Synonym „Anspruch" am besten. Wellman sieht in diesen Ausführungen Hohfelds eine zweifache These: Erstens, dass streng genommen, nur legale Ansprüche Rechte sein könnten und zweitens, dass ein legales Recht mit einem einfachen (simple) legalen Anspruch als identisch betrachtet werden sollte.268 Wellman stimmt Hohfeld in Bezug auf den ersten Punkt zu, dass der 266
Vgl. Wellman (1985), S. 54. Vgl. Wellman (1985), S. 54, bzw. Hohfeld (1966), S. 71. 268 Vgl. Hohfeld (1966), S. 38. Wellmans genauere Untersuchung von Hohfelds Argumentation in Wellman (1985), S. 55 f., wird hier nicht wiedergegeben. 267
1 7 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
allgemeine Gebrauch von „ein Recht" unterschiedslos ist und die wesentlichen legalen Unterscheidungsmerkmale vernachlässigt, die Hohfeld feststellt und erklärt. 269 Wellman kritisiert aber, dass daraus nicht folge, dass man den Ausdruck „ein Recht" auf legale Ansprüche einschränken sollte, und argumentiert unter anderem, dass es eine Verschwendung sprachlicher Ressourcen sei, die zwei Begriffe „ein Anspruch" und „ein Recht" so zu verwenden, dass sie sich auf ein und dieselbe legale Wirklichkeit (legal reality) bezögen. Für theoretische Zwecke, wäre eine solche Gleichsetzung höchst unglücklich; weil sie im Vergleich zu jenen Theorien, die ein Recht mit einer Freiheitl oder einer Kompetenz gleichsetzten, an der entscheidenden Frage vorbeigehen würde. 270 Wellman setzt sich ferner auch mit Hohfelds Argument auseinander, wonach nur die engere Definition von „ein Recht" als Anspruch die logische Korrelativität von Rechten und Pflichten erhalte und weist auf einzelne strittige Punkte hin. 271 Hohfeld setze eine sehr starke Korrelativitätsthese voraus. Wellman führt erstens das Argument ins Feld, dass nicht jede Pflicht ein korrespondierendes Recht impliziere, wie z.B. eine Wohltätigkeitspflicht, 272 und zweitens das Argument, dass bestimmte Rechte, obwohl sie durch legale Pflichten geschützt würden, diese nicht implizierten. So werde z.B. das legale Recht auf Redefreiheit (free speech) einer Person A durch die Pflicht auf Seiten anderer, sie nicht durch Androhung von Gewalt zum Schweigen zu bringen, geschützt, doch korrelierten sie nicht logisch, weil der Inhalt dieser schützenden Pflicht nicht begrifflich oder wesentlich mit dem Inhalt des Rechts, das sie schütze, korrelierte. 273 Wellman resümiert, dass Hohfeld nicht bewiesen habe, dass eine angemessene Theorie über Rechte die Bedeutung des Ausdrucks „ein Recht" im strengen Sinn auf Ansprüche einschränke.274 Seiner (sc. Wellmans) Ansicht nach sei es eine offene Frage, ob Rechte als Ansprüche betrachtet werden sollten oder nicht. Daraufhin befasst sich Wellman mit dem zweiten Teil der vorhin erwähnten These, dass ein legales Recht mit einem einzelnen legalen Anspruch gleichgesetzt werden sollte. 275 Wellman bemerkt, dass Hohfelds Argumentation nach ein sogenanntes Recht in rem nicht eine einzelne legale Pflicht anderen allgemein 269
Vgl. Wellman (1985), S. 56. Der Ausdruck: „... for it would beg the issue against those theories that identify a right with a liberty or a power" - vgl. Wellman (1985), S. 56 - lässt sich auch mit „weil sie (sc. die Gleichsetzung) das zu Beweisende im Vergleich zu jenen Theorien voraussetzen würde , die ,ein Recht4 mit einer Freiheitl oder einer Kompetenz gleichsetzten" ins Deutsche übersetzen. 271 Vgl. Wellman (1985), S. 56 f. 27 2 Wellman verweist hier auf ein Beispiel von Feinberg (1966), S. 140-142. 27 3 Wellman erwähnt hier ein Argument von David Lyons aus: Lyons 1992, S. 57 [53]. 274 Vgl. Wellman (1985), S. 57. 270
2
Vgl. Wellman ( 1 9 8 ) , S. 5 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
177
auferlege, sondern eine Reihe verschiedener und getrennter legaler Pflichten jeder einzelnen von einer Anzahl zweiter Parteien auferlege. 276 Da aber, so Wellman, legale Ansprüche und relative Pflichten logisch miteinander korrelierten, dürfe ein legales Recht in rem tatsächlich nicht in einem einfachen legalen Anspruch, der „gegenüber der Welt" („against the world") gelte, sondern in einer großen Anzahl getrennter legaler Ansprüche bestehen. Wellman bemerkt dazu, dass sofern man nicht darauf bestehe, den Ausdruck „ein Recht" synonym mit „ein Anspruch" zu verwenden, nicht folge, dass es ein Fehler sei, sich ein Recht in rem als ein einzelnes legales Recht vorzustellen. Natürlich dürfe man nicht vergessen, dass dieses einzelne Anspruchsrecht in Wirklichkeit aus einer sehr großen Zahl logisch unterschiedlicher und legal getrennter Ansprüche bestehe, von denen jeder gegenüber einer anderen zweiten Partei gelte (holds). Es könne dennoch wahr sein, dass dieser Komplex legaler Ansprüche eine Einheit im Recht (law) habe, die am besten dadurch erkannt werden könne, dass man ihn sich als ein einzelnes legales Recht vorstelle. Die Lehre, die man aus Hohfelds Theorie ziehen könne und müsse, sei, dass man eine komplexe legale Position nicht verstehen könne, ohne sie in ihre einfachen und irreduziblen Elemente zu analysieren. Die andere Seite dieser Einsicht, ein Aspekt, den Hohfeld oft vergesse, sei, dass man eine komplexe legale Position nicht adäquat verstehen könne, ohne anzuerkennen, wie ihre Bestandteile in einem komplexen Ganzen strukturiert seien. Wellman bemerkt dann Folgendes in Bezug auf Hohfelds Argumentation: Es sei nicht nur, dass Hohfelds Argumentation, die die Komplexität vieler legaler Rechte feststelle, nicht beweise, dass ein legales Recht eher einfach als komplex sein müsse; man könne erkennen, dass ein legales Recht ein Komplex Hohfeldscher Elemente sein müsse. Ein einfacher legaler Anspruch könne für sich unmöglich ein legales Recht bilden, das gegenüber einer zweiten Partei behauptet würde. Dies illustriert Wellman an folgendem Beispiel: Ein Gläubiger C habe einen legalen Anspruch auf Rückzahlung gegenüber einem Schuldner D und keines der anderen Hohfeldschen Elemente, die normalerweise mit einem legalen Anspruchsrecht verknüpft seien, sei gegeben. D würde einer legalen Pflicht gegenüber C unterliegen, den geschuldeten Betrag am fälligen Tag anzubieten, und C würde die legale Kompetenz haben, D gerichtlich zu verklagen, sollte dieser seiner Pflicht nicht nachkommen. Wenn aber dieser einzelne Anspruch das einzige Element in C's legaler Position wäre, dann würde C gemäß Hohfelds Logik die legale Freiheitl entbehren, die Rückzahlung zu akzeptieren, sofern sie von D angeboten würde. 277 Dass unter diesen Umständen C ein „Recht" auf Rückzahlung hat, kommt Wellman sowohl sprachlich als auch begrifflich merkwürdig vor. 278 Außerdem impliziere C's legaler Anspruch, bezahlt 276 277
Vgl. Wellman (1985), S. 59. Vgl. Hohfeld (1966), S. 92 f. Vgl. Wellman (1985), S. 59 f.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
zu werden, für sich genommen keinerlei Art legaler Immunität gegenüber D. Nehme man daher z.B. an, dass D die legale Kompetenz habe, C's Anspruch einfach aufzuheben, indem er mit den Fingern schnalze und dabei die legal vorgeschriebene Formel „Hiermit widerrufe ich meine Pflicht Dir gegenüber" aufsage, so würde unter diesen Umständen, C's legaler Anspruch auf Rückzahlung gegenüber dem Schuldner nicht gelten (hold fast against), wie es bei einem legalen Recht sicherlich sein sollte. Wellman schließt daraus, dass nur eine komplexe Struktur legaler Elemente ein genuines legales Recht bilden kann. Folglich, obwohl jede adäquate Theorie von Rechten in Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen formuliert werden sollte, sofern sie geeignet reinterpretiert würden, müsse Hohfelds eigene Konzeption eines legalen Rechts abgelehnt werden. 279 bb) Ross' Theorie Im Anschluss an Wellmans Darstellung von Hohfelds Theorie ist es sinnvoll auch seine Darstellung von Alf Ross' Theorie aus seinem älteren Aufsatz „Legal Rights" kurz zu erwähnen, die auch seine Theorie wesentlich beeinflusst hat. 280 Wellman bemerkt, dass Ross die Komplexität legaler Phänomena und die Zweideutigkeit der legalen Sprache erkenne, weswegen er Hohfelds grundlegende legale Begriffe übernehme und von ihnen in seiner eigenen Theorie legaler Rechte Gebrauch mache.281 Ross behaupte, dass der Begriff eines legalen Rechts komplex sei, 282 sich auf eine bestimmte Art von Struktur (oder Muster) im Recht (law) beziehe, die (bzw. das) er widerspiegle, eine Struktur, die viel mehr als einen einfachen legalen Anspruch enthalte. Wellman hält Ross' Behauptung der Komplexität legaler Rechte für richtig. Gehe man von der Komplexität legaler Rechte aus, stelle sich die Frage, was für eine Art Einheit sie hätten. Ross behaupte, dass ein legales Recht wesentlich ein logischer und begrifflicher Komplex sei. Wir gebrauchten den sprachlichen Ausdruck „ein Recht" im Recht (law) als eine sprachliche Abkürzung für eine sehr komplizierte Menge legaler Regeln. Jede dieser Regeln verbinde eine wirksame oder gültige Tatsache (operative fact) mit einer spezifizierten legalen Konsequenz. Wenn z.B. jemand ein Stück Land gekauft habe, dann habe er die legale Freiheit 1, nach Belieben davon Gebrauch zu machen; wenn es jemand geerbt habe, 278
Vgl. Wellman (1985), S. 60. Dasselbe Beispiel auch in Wellman (1988), S. 237 f. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in seinem Aufsatz „Legal Rights" 3 Gründe erörtert, aus denen Hohfelds Theorie abgelehnt werden sollte. Vgl. (1997), S. 66 f. 280 Wiederabgedruckt in Wellman (1997), S. 63-73. Vgl. auch den Kommentar dazu in ebd., S. 10-12. 281 Vgl. Wellman (1997), S. 68. 279
282
Vgl. Wellman (1997), S. 68, bzw. Ross (1974), S. 170-175.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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dann habe er die legale Kompetenz, es zu verkaufen; wenn es jemandem gegeben worden sei, dann habe er die legale Kompetenz, anderen zu erlauben, davon Gebrauch zu machen. Die ganze Bedeutung eines solchen Komplexes legaler Regeln sei, dass jede der wirksamen oder gültigen Tatsachen (operative facts) alle legalen Konsequenzen impliziere. Wenn folglich jemand ein Stück Land gekauft habe, dann habe er die legale Freiheit 1, davon nach Belieben Gebrauch zu machen, und er habe die legale Kompetenz es zu verkaufen und die legale Kompetenz, anderen zu erlauben davon Gebrauch zu machen, wenn er dies wolle etc.; so auch, wenn jemand das Stück Land geerbt habe usw. Der Begriff eines legalen Rechts sei einfach ein begrifflicher Behelf (device), um solche Kombinationen legaler Regeln zusammenzufassen und die logische Schlussfolgerung von wirksamen oder gültigen Tatsachen zu legalen Konsequenzen zu erleichtern. Wellman bemerkt, dass diese Analyse für Ross* paradigmatischen Fall, das Eigentum, sehr geeignet zu sein scheine. Wellman vermutet aber, dass Eigentum nicht ein typisches legales Recht sei, sondern vielmehr wie die Staatsangehörigkeit eher ein Status (status) sei, der eine Anzahl von Rechten übertrage, als ein typisches Recht wie das Recht auf Redefreiheit, das Recht auf ein angemessenes Verfahren oder das Recht Verträge zu schließen. Wenn man ein Eigentum über einen Gegenstand erwerbe, dann erwerbe man das Recht auf ausschließlichen Gebrauch von diesem Gegenstand, das Recht darüber zu verfügen und das Recht, ihn jemand anderem zu leihen. 283 Folglich habe es den Anschein als wäre Eigentum eher ein legaler Status als ein Beispielsfall eines legalen Rechts. Obwohl Wellman nicht unnachgiebig bestreitet, dass Eigentum ein komplexes legales Recht ist, besteht er darauf, dass Ross die wirkliche Einheit in jedem legalen Recht übersehen hat. Nach Ross' Theorie verwendeten wir den Begriff eines legalen Rechts im Fall, wo die Regeln eines Rechtssystems solcherart seien, dass irgendeine wirksame oder gültige Tatsache alle legalen Konsequenzen impliziere. Ross scheine sich nie gefragt zu haben und beantworte zweifellos nicht die Frage, warum die Gesamtheit der legalen Konsequenzen im Recht (law) zusammenpasse. Warum verknüpfe ein Rechtssystem die Freiheit 1, Gebrauch von einem Stück Land zu machen, einen Anspruch gegen den Gebrauch durch andere, die Kompetenz, anderen zu erlauben vom Land Gebrauch zu machen, die Kompetenz, über das Land zu verfügen etc. miteinander? Nach Wellman liegt die Antwort darin, dass diese Menge legaler Konsequenzen, dieser Komplex legaler Vorteile eine funktionale Einheit habe, die Ross nicht beachtet habe. Diese funktionale Einheit sei der Schlüssel zu jeder angemessenen Theorie legaler Rechte, weil sie die Bedeutung des Ausdrucks „ein legales Recht" erkläre und die Natur der legalen Realität, auf die sie sich beziehe.
2
V g l . Wellman (1997), S. 6 f.
180
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
cc) Harts Theorie Auf Wellmans Auseinandersetzung mit Hohfelds Theorie in „A Theory of Rights" folgt seine Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie. Nachdem Wellman behauptet hat, dass nur ein Komplex Hohfeldscher Positionen ein genuines legales Recht bilden kann, stellt er die Frage, auf welche Art eines legalen Komplexes sich der Ausdruck „ein Recht" genau beziehe und wie ein Aggregat logisch verschiedener und rechtlich trennbarer (legally separable) Hohfeldscher Elemente die notwendige Einheit haben könne, die ihnen ermögliche, ein Recht zu bilden. 284 Die bei weitem klarste Antwort auf diese Frage findet Wellman in der Theorie, die H.L.A. Hart (in: „Bentham on Legal Rights" 285 ) zunächst vorgeschlagen und dann widerrufen hat. Wellman behandelt Harts Theorie in einem eigenen Kapitel „Harts General Theory". Da einige wichtige Aspekte in Wellmans Theorie auf Harts Gedanken aufbauen, ist es vielleicht sinnvoll, sich im Folgenden nicht nur auf die Einsichten, die Wellman aus seiner Auseinandersetzung mit der Hartschen Theorie legaler Rechte gewinnt, zu beschränken, sondern einige wichtige Auszüge aus dieser Auseinandersetzung wiederzugeben. Die folgende Wiedergabe dieser Auseinandersetzung lässt sich in gewisser Hinsicht als ergänzende Parenthese in der Darstellung von Wellmans Theorie betrachten. Harts Beispiel eines Rechts - Wellman untersucht Harts Modell eines Rechts. Dessen Beispiel eines Rechts eines Menschen, über seinen Gartenzaun zum Nachbarn zu schauen, zeige uns jene Charakteristika eines Rechts, die für Harts Auffassung wesentlich seien: Der Garten sei ein eingeschränkter Bereich, innerhalb dessen sich der Mensch frei (free) bewegen könne; jedes Recht enthalte eine definierte Sphäre der Aktivität, innerhalb der der Rechtsinhaber Wahl- und Handlungsfreiheit habe. 286 Der Mensch stehe in seinem Garten. Jedes Recht werde besessen (possessed) und könne von jemandem ausgeübt werden, so dass der Begriff eines Rechts ein wesentlich verteilender (distributive) Begriff sei. Der Mensch stehe hinter seinem Zaun, der jeden Nachbarn einschränke, der in die Freiheit (freedom) des Menschen zu handeln, wie er wolle, eingreifen mögen könnte.287 Jedes Recht schränke die Handlungsfreiheit einer oder mehrerer 284
Vgl. Wellman (1985), S. 61. Vgl. Hart (1973), S. 171-201. Wellman bemerkt in (1982), S. 12, dass Hart uns gezeigt habe, wie man der Hohfeldschen Anfechtung entgegentreten könne, dass eine Komplexität in ein Recht einzuführen, notwendig seine Einheit zu zerstören bedeute. Ein Recht sei nicht ein bloßes Aggregat Hohfeldscher Elemente; es habe eine vereinigende Struktur. 286 Vgl. Wellman (1985), S. 61. - Wellman bemerkt in (1982), S. 13, die Erkenntnis der notwendigen Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 habe Hart dazu bewogen, die bilaterale Freiheit 1 ins Zentrum seines analytischen Modells eines Rechts zu stellen. 285
287
Vgl. Wellman (1985), S. 62.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
181
zweiter Parteien ein, indem es Pflichten, zumindest nicht einzugreifen und manchmal zur Ausführung positiver Dienste (positive services) anderen auferlege. Harts Modell eines legalen Rechts - Im Zentrum von Harts Paradigma eines legalen Rechts stehe eine bilaterale (bilateral) legale Freiheit 1. 2 8 8 Die Ausübung dieser Freiheit 1 schützten eine oder mehrere sie umgebende legale Pflichten, was Hart als schützenden Umkreis (protective perimeter) bezeichnet. Die bilaterale Freiheit 1 bestehe im vorigen Beispiel darin, dass der Mensch weder verpflichtet sei zu seinem Nachbarn noch nicht zu seinem Nachbarn zu schauen. Die schützenden Pflichten (bürger- oder strafrechtliche (civil or criminal) oder beides) schlössen einige, obwohl nicht alle Formen von Eingriff aus und schützten mehr oder weniger die Ausübung des Freiheitsrechts (liberty-right). Auf der Grundlage dieses Modells 289 definiere Hart die Bedeutung des Ausdrucks „ein Recht", wie er eigentlich im Recht (law) verwendet werde: Aus dieser Sicht würde es, so Hart, nur eine Bedeutung eines Rechts geben - eine legal (legally) respektierte Wahl (choice) - obwohl es eines mit verschiedenen Exemplifikationen wäre, die von der Art von Handlung (act) oder Rechtsgeschäft 290 (act-inthe-law) abhingen, zu der bzw. dem man eine Freiheitl habe. 291 Wellman bemerkt, dass demnach in typischen Freiheitsrechten (liberty-rights) die Handlung eine natürliche Handlung wäre wie über den Zaun zum Nachbarn zu schauen. In Kompetenzrechten (power-rights) wäre die Handlung ein Rechtsgeschäft (act-in-the-law) wie sein Eigentum zu veräußern. 292 Anspruchsrechte wären ein spezieller Fall von Kompetenzrechten, in denen der Rechtsinhaber frei (at liberty) sei, entweder auf die Verpflichtung einer zweiten Partei zu verzichten oder diese Verpflichtung zu erzwingen (enforce) oder nicht zu erzwingen (leave unenforced). Wellman bemerkt in Bezug auf Harts allgemeine Theorie Folgendes: Da Harts allgemeine Theorie der Höhepunkt seiner kontinuierlichen Suche nach einem gemeinsamen Nenner von Hohfelds legalen Vorteilen sei, sei es ange288
Wellman bezieht sich hier auf Hart (1973), S. 175. An anderer Stelle bezeichnet Wellman Harts Modell als „protected liberty modell of rights".Vgl. Wellman (1985), S. 197. 290 Engl, „act-in-the-law" wird ins Deutsche mit „Willenserklärung" oder mit „Rechtsgeschäft" übersetzt. 291 Vgl. Wellman (1985), S. 62, bzw. Hart (1973), S. 197. Wellman bemerkt in (1982), S. 12 f., dass Hart uns gezeigt habe, wie ein Komplex Hohfeldscher Elemente eine strukturierte Einheit sein könne. Sein Bild eines zentralen Feldes mit einem umgebenden Zaun sei ebenfalls aufschlussreich. Wellman schlägt vor, Harts Modell zu generalisieren und ein Recht als einen zentralen Kern mit verknüpften Elementen zu begreifen. Er werde zu zeigen versuchen, dass sein eigenes analytisches Modell Harts Einsichten erhalte, während es unseren Blick von einer Perspektive befreien werde, in der die Wahl (choice) der einzige Brennpunkt sei. 289
292
Vgl. Wellman (1985), S. 62, bzw. Hart (1973), S. 196 f.
1 8 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
messen die philosophische Adäquatheit seines Modells zu testen, indem man schaue, wie es sich gegenüber (1) Freiheits- (liberty-), (2) Kompetenz-, (3) Anspruchs- und (4) Immunitätsrechten verhalte. 293 (1) Harts Modell und Freiheitsrechte (liberty-rights) - Wellman bemerkt, dass man aus Harts Abhandlung von Freiheitsrechten lernen könne, dass nur eine komplexe Struktur Hohfeldscher Elemente ein wirkliches legales Recht bilden könne. 294 Hart bringe ein zwei-Stufen Argument für die Komplexität von Rechten vor. (i) Harts Argument nach wäre, so Wellman, die Anwendung des Ausdrucks „ein Recht" auf bloße (naked) oder ungeschützte (unprotected) legale Freiheiten 1, selbst auf bilaterale Freiheiten 1 nicht zweckdienlich und sie wäre irreführend. Zweckdienlich wäre sie insofern nicht, als dieser Sprachgebrauch redundant wäre; die legale Situation könnte auch vollständig durch Pflichten beschrieben werden, da Freiheiten 1 im Nichtgegebensein gegenteiliger Pflichten bestünden. Sie wäre irreführend, wie Harts Gegenbeispiel von Heloten zeige. Diese wären zwar dem Recht (law) nach vollkommen frei (free), das zu tun, was nicht durch das Recht (law) verboten sei, ihre legalen Freiheiten 1 aber würden nicht gegenüber irgendwelchen zweiten Parteien gelten, da sie von freien Bürgern nach Gutdünken behandelt werden könnten. Da ein wesentliches Charakteristikum eines Rechts sei, dass es gegenüber einer oder mehreren Parteien gelte (hold), könnten bloße Freiheiten 1 keine genuinen Rechte sein. (ii) Ferner tendierten jene, die betonten, dass jedes genuine Recht gegenüber zweiten Parteien gelten müsse, den gegenteiligen Fehler zu machen, nämlich, das Freiheitsrecht mit seinem schützenden Umkreis zu identifizieren. Hart bestehe aber darauf, dass man weder die Freiheit 1 noch ihren schützenden Umkreis ignorieren sollte. Wellman bemerkt mit Bezug auf ein Beispiel Harts, es wäre eine Farce zu behaupten, dass ein Rechtssystem, jemandem ein Freiheitsrecht, eine Geldtasche aufzuheben, die am Bürgersteig liege, einfach deswegen übertrage, weil die üblichen Pflichten, einen nicht durch Schlagen oder durch Androhung von Gewalt daran zu hindern, existierten.295 Ohne die zentrale Freiheitl, die Geldtasche aufzuheben, bilde der Anspruch (claim) gegen einen Eingriff (interference) keine Art eines Freiheitsrechts. Folglich könne streng genommen weder eine ungeschützte bilaterale Freiheitl noch ein schützender Umkreis mit keiner Freiheitl, die er schützen könnte, ein legales Freiheitsrecht bilden. Sowohl jene, die legale Rechte mit Freiheiten 1, als auch jene, die sie mit Ansprüchen gleichsetzten, würden nicht erkennen, dass nur eine komplexe Struktur Hohfeldscher Elemente ein legales Recht sein könnte. 293
Vgl. Wellman (1985), S. 63. Vgl. Wellman (1985), S. 63. Wellman zitiert eine Stelle aus Hart (1973), S. 181 f. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman auch in (1982), S. 12 f., auf Harts Erkenntnis hinweist, dass legale Rechte komplex sind. 294
2
Vgl. Wellman (1985), S. 6 .
I
Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
183
Wellman bemerkt, er sei nicht überzeugt, dass Hart die Struktur eines legalen Rechts korrekt beschrieben habe. In Harts Modell stehe im Zentrum eines legalen Rechts eine bilaterale Freiheitl. Es sei daher überraschend, dass er zugebe, dass es einige einseitige (unilateral) Freiheitsrechte gebe. Wellman zitiert eine Stelle bei Hart, in der dieser behauptet, dass es bestimmte spezifische Kontexte gebe, in denen von einseitigen Freiheiten 1 verständlich als Rechten, Handlungen zu tun, gesprochen werde, selbst wenn es auch eine Verpflichtung gebe, dieselbe Handlung zu tun. 296 Hart führt dort ein Beispiel an, in dem einem Polizisten verordnet wurde, jemanden zu arretieren. Wenn dieser, so Hart, gefragt würde, welches Recht er dazu habe, könnte er seine Anordnungen anführen und zeigen, dass er ein Recht zu arretieren habe. 297 Wellman bemerkt, dass diese Stelle bei Hart rätselhaft bleibe und dass er nicht erkläre, warum sie nicht ein klares Gegenbeispiel zu seinem Modell eines legalen Rechts sei. 298 Auch sei die Art faszinierend, in der Hart den Kontext auf eine höchst aufschlussreiche Weise beschreibe, als einen, in dem der Polizist, sofern aufgefordert, auf sein einseitiges Recht appellieren könne. Wellman fährt fort, dass der Kontext, in dem die Sprache der Rechte verständlich sei, jener sei, in dem der Rechtsinhaber in einem Willenskonflikt einer oder mehreren Parteien begegne.299 Wesentlich sei nicht, dass das Recht (law) die Wahl (choice) des Rechtsinhabers respektiere, sondern dass es den Willen dieser Partei gegenüber der Partei begünstige, gegenüber der das Recht gelte. Insofern sei für die Sprache der Rechte nicht eine respektierte Wahl, sondern ein Gegner-Kontext (adversarial context)
296 Vgl. Wellman (1985), S. 64 f., bzw. Hart (1973), S. 182 f. Hart bemerkt, dass dazu Fälle gehörten, in denen Individuen durch eine Ausnahme zu einer allgemeinen Regel nicht nur erlaubt sei, eine bestimmte Handlung zu tun, die allgemein verboten sei, sondern in denen von ihnen auch rechtlich verlangt werde, diese Handlung zu tun. 297 Vgl. Wellman (1985), S. 64 f., bzw. Hart (1973), S. 182 f. 298 Vgl. Wellman (1985), S. 65. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in seinem Aufsatz „Interpreting the Bill of Rights" ebenfalls Harts Auffassung kritisiert, wonach eine bilaterale Freiheitl im Zentrum eines Rechts steht. Wellman bemerkt dort: Harts allgemeine Theorie scheitere auch an der Erklärung obligatorischer (mandatory) Rechte, z.B. des Rechts eines Kindes auf öffentliches Schulwesen. Vgl. Wellman (1997), S. 238. Obwohl jedes Kind in Amerika eine legale Freiheitl habe, die Grundund dann die höhere Schule zu besuchen, sei dies nicht eine bilaterale Freiheitl, weil kein Kind die Freiheitl habe, die Schule zu schwänzen oder sie vor dem vorgeschriebenen Alter zu verlassen. In Bezug auf dieses Beispiel hebt Wellman an anderer Stelle einen Vorteil seiner Theorie gegenüber Harts hervor. Während Harts Wahl- oder Optionsanalyse von Rechten eine Schwierigkeit haben könnte, das zu erklären, was Feinberg „obligatorische (mandatory) Rechte" genannt habe, könne er (sc. Wellman) sie in Form seiner Theorie erklären. Vgl. Wellman (1982), S. 176. Obwohl das Kind nicht die Wahl haben könne, ob es in der Schule erscheine, könne es die Wahl haben, ob es Anspruch auf die Erfüllung der Pflicht des Staates erhebe, für seine (sc. des Kindes) Bildung zu sorgen, sollte der Staat seine korrelative Pflicht nicht erfüllen. Folglich könne Autonomie in Erscheinung treten, selbst wenn der Kern des Rechts auf Bildung keine bilaterale ethische Freiheitl sei. 299
Vgl. Wellman (1985), S. 65.
1 8 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
wesentlich. Wellman resümiert schließlich, dass obwohl Hart zu Recht betone, dass nur eine komplexe Struktur Hohfeldscher Elemente ein legales Recht konstituieren könnte, im Zentrum des Modells eines legalen Rechts nicht eine bilaterale Freiheitl stehen müsse.300 Für die Sprache über Rechte sei nicht eine respektierte Wahl, sondern ein Gegner-Kontext wesentlich. (2) Horts Modell und Kompetenzrechte - Hart glaube, dass Kompetenzrechte zu seinem analytischen Modell passten, weil sie spezielle Exemplifikationen eines Freiheitsrechts seien. Wie Hart selbst anerkenne, habe nicht jedes legale Kompetenzrecht eine bilaterale Freiheitl in seinem Zentrum. 301 Wellman zitiert eine Stelle bei Hart, in der dieser ausführt, dass Pflichten Rechten hinzugefügt (superimposed) werden könnten, die Kompetenzen seien, und solche Pflichten würden die Freiheitl, die Kompetenz auszuüben, einseitig (unilateral) machen wie z.B. das Recht, wonach der Besitzer eines Eigentums sich durch Vertrag binde, es entweder zu verkaufen oder nicht zu verkaufen. 302 Wellman bemerkt unter Anführung weiterer Beispiele: Hart habe nicht eingeschätzt, dass dies auf eine Verwerfung seines analytischen Modells hinauslaufe. 303 Selbst wo eine bilaterale Freiheitl gegeben sei, verfehle Harts Modell, die wirkliche Struktur eines Kompetenzrechts aufzudecken; es werde nicht einmal seinem eigenen Paradigma, dem Recht eines Eigentümers, ein Stück Land zu verkaufen, gerecht. Der Eigentümer habe normalerweise eine bilaterale Freiheitl, sein Eigentum zu verkaufen oder nicht zu verkaufen. Und die Ausübung dieser Freiheitl sei wahrscheinlich durch Pflichten anderer, nicht durch Angriff, Mord oder Androhung von Gewalt einzugreifen, geschützt. Wo lasse sich aber die legale Kompetenz, das Eigentum zu veräußern, einfügen? Wellman bemerkt, es scheine ihm höchst eigenartig „jene Fälle von Rechten, die Kompetenzen seien" so zu interpretieren, dass die involvierte legale Kompetenz kein Element innerhalb der komplexen legalen Position sei, die ein Kompetenzrecht bilde. 304 Wenn man sich, so Wellman, entscheiden müsste, wo die legale Kompetenz hinzugefügt werden solle, so stellte sich die Frage, ob man sie dem schützenden Umkreis (protective perimeter) des Rechts oder dem Zentrum des Rechts zurechne. 305
300
Vgl. Wellman (1985), S. 66. Vgl. Wellman (1985), S. 66. 302 Vgl. Wellman (1985), S. 66, bzw. Hart (1973), S. 196. 303 Vgl. Wellman (1985), S. 67. 304 Vgl. Wellman (1985), S. 67 f. Wellman bezieht sich hier auf eine Stelle bei Hart, in der dieser Folgendes behauptet: Folglich sei in allen drei Arten eines Rechts der Gedanke einer bilateralen Freiheitl präsent und der Unterschied zwischen den Arten eines Rechts liege nur in der Art von Handlung, die zu tun, man frei (at liberty) sei. ... Im Fall von Rechten, die Kompetenzen seien wie das Recht, Eigentum zu veräußern, sei die Handlung, zu deren Ausübung man eine bilaterale Freiheitl habe, ein Rechtsgeschäft (act-in-the-law) in genau dem Sinn, dass durch das Recht (law) spezifisch anerkannt werde, dass sie (sc. die Handlung) in der Änderung der legalen Position verschiedener Parteien legale Wirkung (effects) habe. Vgl. Hart (1973), S. 196. 301
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
185
Wenn, wie für Hart, die Wahl (choice) für den Begriff eines Rechts wesentlich sei, dann gehöre wahrscheinlich eine bilaterale Freiheitl ins Zentrum jedes legalen Rechts. Wenn aber, wie Wellman es vorschlägt, für den Begriff eines legalen Rechts wesentlich sei, dass das Recht (law) den Willen des Rechtsinhabers im Kontext einer möglichen Konfrontation mit einer zweiten Partei begünstige, dann könnte vermutlich jede Art legalen Vorteils im Zentrum eines legalen Rechts sein. Es gebe zumindest drei Gründe, die für die zweite Hypothese über die Struktur eines legalen Rechts sprächen. Erstens enthalte nicht jedes legale Recht eine bilaterale Freiheitl. Es gebe, wie Hart selbst zugebe, einseitige Freiheitsrechte und Kompetenzrechte. Zweitens werde, wie uns Hohfeld zeige, der Ausdruck „ein Recht" ohne Unterschied für Freiheits- (liberty-), Kompetenz-, Anspruchs- und Immunitätsrechte verwendet. Drittens, fügt Wellman hinzu, es sei die legale Kompetenz und nicht eine bilaterale Freiheitl, die die Partei bestimme, gegenüber der ein Kompetenzrecht gelte; denn die Kompetenz sei eine Kompetenz gegenüber (over) dem Anbietenden, während die bilaterale Freiheitl eine absolute (d.i. eine m'c/i¿relative) Freiheitl sei. Wellman bemerkt daraufhin, dass die Struktur eines legalen Kompetenzrechts besser durch eine komplexe Struktur mit einer legalen Kompetenz im Zentrum dargestellt sei. Die bilaterale Freiheitl im Beispiel des legalen Rechts eines Eigentümers, Land zu verkaufen, und die freie Wahl, die sie ihm übertrage, sei jedoch Teil der Elemente des Umkreises des Rechts. Doch schütze sie sicherlich nicht die Ausübung dieser Kompetenz in irgendeiner ähnlichen Weise, in der Pflichten, nicht einzugreifen, die Ausübung der zentralen Freiheitl in einem Freiheitsrecht (liberty-right) schützten. Man müsse Harts Auffassung eines schützenden Umkreises von Pflichten durch den Begriff verknüpfter Hohfeldscher Elemente, unterschiedlicher Art, ersetzen. 306 (3) Harts Modell und Anspruchsrechte - Wellman bemerkt, dass so wie Hart ein Kompetenzrecht als speziellen Fall eines Freiheitsrechts auffasse, fasse er ein Anspruchsrecht als speziellen Fall eines Kompetenzrechts auf. 307 Im Fall eines Rechts, das mit einer Verpflichtung korreliere, sei der Rechtsinhaber frei (at liberty), auf die [Erfüllung der] Verpflichtung eines anderen zu verzichten oder die Verpflichtung aufzuheben, sie zu erzwingen (enforce) oder nicht zu erzwingen. Wellman zitiert eine Stelle bei Hart, in der dieser ausführt, dass einer Person durch das Recht (law) eine mehr oder weniger umfassende, ausschließliche Kontrolle über die Pflicht einer anderen Person gegeben sei, sodass im Bereich des Verhaltens, den diese Pflicht erfasse, das Individuum, das das Recht habe, ein Souverän in kleinem Maßstab (small-scale sovereign) sei, dem die Pflicht geschuldet werde. Das größte Maß an Kontrolle umfasse drei unterscheidbare Ele305 306 307
Vgl. Wellman (1985), S. 68. Vgl. Wellman (1985), S. 68 f. Vgl. Wellman (1985), S. 69.
1 8 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
mente: (i) Der Rechtsinhaber könne auf die Pflicht verzichten (waive) oder sie aufheben (extinguish) oder sie bestehen lassen, (ii) nach einer Verletzung oder angedrohten Verletzung einer Pflicht, könne er sie „unerzwungen" (unenforced) lassen oder könne sie „erzwingen", indem er auf Entschädigung klage oder in bestimmten Fällen auf gerichtliche Verfügung (injunction) oder verbindliche Verfügung (mandatory order) klage, um der fortdauernden oder weiteren Verletzung der Pflicht Einhalt zu gebieten, (iii) Er könne auf die Verpflichtung, Entschädigung zu zahlen, verzichten (oder sie aufheben), zu der die Verletzung der Pflicht Anlass gebe.308 Paradox ist nach Wellman an Harts Auffassung eines Anspruchsrechts, dass obwohl in diesem Recht eine Souveränität in kleinem Maßstab in bestimmten legalen Kompetenzen bestehe, diese keinen Ort in seinem Modell hätten. Im Zentrum von Harts Modell eines Rechts stünden bilaterale Freiheiten 1 und den Rest bildeten schützende Pflichten. Legale Kompetenzen, die wesentlich für seine Auffassung eines Rechts seien, das mit einer Verpflichtung korreliere, blieben außerhalb des Rechts selbst und definierten nur die Art der Handlung, die der Rechtsinhaber tun dürfe. Um die Berechtigung seiner (sc. Wellmans) Kritik zu überprüfen, untersucht Wellman die Angemessenheit von Harts Analyse von Anspruchsrechten. Wellman bezieht sich dabei auf die Fortsetzung der vorhin zitierten Stelle bei Hart. Hart bemerkt dort, dass es viele Anzeichen der Zentralität solcher Kompetenzen in der Auffassung eines legalen Rechts gebe. Demgemäß sei es schwer, sich Rechte vorzustellen, außer als zur Ausübung geeignet (capable of exe reise), und diese Auffassung (conception) von Rechten, die mit Verpflichtungen korrelierten, als legale Kompetenzen enthaltend, sei mit diesem Charakteristikum in Einklang zu bringen. Überdies sprächen wir von einer Verletzung (breach) einer Pflicht im bürgerlichen Recht (civil law), egal ob sie aus einem Vertrag oder einem Delikt herrühre, nicht nur als einem Unrecht (wrong) oder Nachteil für die Person, die das korrelative Recht habe, sondern als einem Unrecht ihr gegenüber (a wrong to) und einer Verletzung einer Verpflichtung, die ihr geschuldet (owed to) werde; wir sagten auch, dass die Person, die das korrelative Recht habe, es besitze (possessing it or even owning it). Die Auffassung, die durch diese Sätze nahe gelegt werde, sei, dass Pflichten mit korrelativen Rechten eine Art (species) normativen Eigentums (property) seien, das dem Rechtsinhaber gehöre, und diese Redewendung werde verständlich, durch Bezug auf die spezielle Form der Kontrolle über die korrelative Pflicht, die das Recht (law) einer Person mit so einem Recht gebe.309 Im Folgenden untersucht Wellman einzelne Aspekte dieser komplexen Passage: (a) Erstens sei anzunehmen, dass Hart zu erklären versuche, wie ein Anspruchsrecht ausgeübt werden könne. 310 Wie könne ein Ansprucherhebender 308 309 310
Vgl. Hart (1973), S. 192, bzw. Wellman (1985), S. 69. Vgl. Hart (1973), S. 192 f., bzw. Wellman (1985), S. 70. Vgl. Wellman (1985), S. 70.
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sein Anspruchsrecht ausüben, wenn der Inhalt jedes Anspruchsrechts in der Erfüllung der korrelierenden Verpflichtung bestehe, ein Dienst (service), der durch den Verpflichteten erfüllt werden müsse? Hart lege nahe, dass ich mein Anspruchsrecht unter anderem ausüben könnte, indem ich auf meinen Anspruch, z.B. auf Zustellung eines bezahlten Artikels, verzichte und damit die Pflicht des anderen aufhebe. Wellman kritisiert, dass streng genommen durch Verzicht z.B. auf die Zustellung, ich mein Kompetenzrecht, auf die Zustellung zu verzichten, ausübte und nicht mein Anspruchsrecht, den Artikel zugestellt zu bekommen. Wellman bemerkt, dass die unklare und unpräzise Formulierung des Inhalts vieler legaler Rechte zu Verwirrung führe. Wenn wir Hohfelds Rat und Harts Praxis folgten, den Inhalt eines legalen Rechts in Form eines Verbs, das die relevante Handlung beschreibe, auszudrücken, würden wir eine auffallende Asymmetrie bemerken. Freiheits- und Kompetenzrechte seien durch ein Verb im aktiven, Anspruchs- und Immunitätsrechte durch ein Verb im passiven Genus (mood) definiert. Folglich, um Harts eigene Beispiele zu verwenden, habe man ein Recht „zu seinem Nachbarn über den Gartenzaun zu schauen" und ein Recht „Eigentum zu veräußern", aber man habe ein Recht, von einem anderen „nicht angegriffen zu werden" oder durch den Oxforder Stadtrat „nicht besteuert zu werden". Diese Asymmetrie sei kein bloßes sprachliches Idiom, sie reflektiere zwei sehr unterschiedliche Arten, in denen sich Rechte auf das menschliche Verhalten bezögen. Die definierende Anwendung (defining application) eines Freiheitsrechts- oder eines Kompetenzrechts betreffe das Verhalten des Rechtsinhabers; die praktische Anwendung eines Anspruchsrechts oder eines Immunitätsrechts betreffe wesentlich das Verhalten einer zweiten Partei, des Pflichtinhabers oder der Partei, die der spezifischen legalen Fähigkeit (ability) ermangle. 311 Dies impliziere, dass während der Begriff der Ausübung (exercising) eines Rechts für die Auffassung eines Freiheits- oder eines Kompetenzrechts wesentlich sei, er in Bezug auf Anspruchs- und Immunitätsrechte keinen Ort habe. 312 Diese Arten von Rechten würden besessen (enjoyed), nicht ausgeübt. Schließlich bemerkt Wellman in Bezug auf Harts Ausführungen, er stimme zu, dass „es schwierig sei, sich Rechte vorzustellen, die nicht ausübbar seien", er fordere aber jeden klar Denkenden auf, dieser Versuchung zu widerstehen. (b) Zweitens solle Harts Modell eines legalen Rechts vermutlich die Bedeutung erklären, in der relative Pflichten relativ seien. Hart spreche von der Verletzung einer Pflicht einer Person als einem „Unrecht ihr gegenüber" und der Verletzung einer Verpflichtung, „die ihr geschuldet" werde. Vermutlich werde jede Erklärung der Art, in der eine korrelative Verpflichtung dem Rechtsinhaber
2
Vgl. Wellman (1985), S. Vgl. Wellman (1985), S.
f. .
1 8 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
geschuldet werde, auch erklären, wie ein legaler Anspruch gegenüber einem Pflichtinhaber gelte (holds). Hart argumentiere gegen die Nutznießer- (beneficiary) oder Interessetheorie relativer Pflichten; er behaupte, dass die richtige Erklärung in der speziellen Stellung (standing) des Ansprucherhebenden (claimant) liege; diese bestehe in bestimmten legalen Kompetenzen, die ihm Kontrolle über die korrelative Verpflichtung übertragen würden. Dies sei eine profunde Einsicht. Harts Argumentation lege nahe, dass Kontrolle für legale Rechte ebenso wichtig sei wie Freiheit2 (freedom). 313 Hart habe durchgehend betont, dass es etwas unterscheidendes im Begriff eines Rechts gebe. Demgemäß sei eines seiner Hauptargumente gegen die Nutznießer-Analyse (beneficiary analysis) von Anspruchsrechten, dass sie die Sprache über Rechte redundant mache, weil in dieser Analyse die Sprache über Rechte nichts sage, was nicht auch oder sogar besser in der Sprache über Pflichten gesagt werden könne. Unterscheidend für den Begriff eines Rechts sei für Hart gerade, „dass er in den Bereich der Moralität gehöre, in dem bestimmt werde, wann die Freiheit2 einer Person durch die einer anderen eingeschränkt werden könne" 314 . Dass dieser Begriff der Verteilung von Freiheit2 auch Harts Auffassung eines legalen Rechts zugrunde liege, zeige sich auch an anderer Stelle: Hart bemerkt dort, dass er statt dem Ausdruck „Recht, das aus einer Verpflichtung resultiere" den geläufigeren Ausdruck „Recht, das mit einer Verpflichtung korreliere" für Benthams zweite Art von Recht verwenden werde, die auftrete, wenn das Recht (law) nicht dem Rechtsinhaber, sondern einem anderen eine Pflicht auferlege und somit dessen Freiheit zu handeln (freedom to act), wie er wolle, einschränke.315 Wellman bemerkt, dass Hart folglich in seinem Modell eines Anspruchsrechts fortfahre, Rechte so aufzufassen, dass sie die Verteilung von Freiheit2 bestimmten, da ein Anspruchsrecht dem Rechtsinhaber sowohl eine bilaterale Freiheit 1 zu handeln als auch eine Kontrolle über die Verpflichtung des Pflichtinhabers übertrage, eine Verpflichtung, die die Handlungsfreiheit des letzteren einschränke.316 Recht und Pflicht korrelierten aber miteinander mittels legaler Kompetenzen, die dem Ansprucherhebenden (claimant) Kontrolle über die Pflicht übertragen würden. Dies weist für Wellman darauf hin, dass Rechte nicht nur eine bestimmte Verteilung von Freiheit2, sondern eine bestimmte Verteilung von Freiheit2 und Kontrolle übertragen. Wellman bemerkt, dass obwohl Harts Beharren, dass legale Ansprüche in Form legaler Kompetenzen analysiert werden müssten, gänzlich korrekt sei, 313 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1982), S. 14, Harts Ausführungen in ähnlicher Weise analysiert, was auch im Folgenden, [in diesem Kapitel B., IL, 4., a), cc)] unter 3 (d), angemerkt wird. 314 Vgl. Wellman (1985), S. 71, und Hart (1955), S. 177. 315 Vgl. Wellman (1985), S. 71, und Hart (1973), S. 175. 316
Vgl. Wellman (1985), S. 72.
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seine vorgeschlagene Analyse unerwünscht komplex sei, denn sein paradigmatischer Fall eines legalen Anspruchs enthalte drei unterschiedliche legale Kompetenzen (die Kompetenz, auf den Anspruch zu verzichten, die Kompetenz, im Fall der tatsächlichen (actual) oder angedrohten Verletzung des Anspruchs zu klagen, und die Kompetenz, auf die Entschädigung für jede Verletzung der mit ihm korrelierenden Verpflichtung zu verzichten). Da ein Anspruchsrecht eine spezielle Exemplifikation eines Freiheitsrechts sei, enthalte jedes Paradigma eines legalen Anspruchs drei bilaterale legale Freiheiten 1 zusammen mit all den Pflichten, die den (die) schützenden Umkreis(e) ausmachten.317 Ferner argumentiert Wellman, dass in Harts Modell jeder legale Anspruch ein vollständiges Recht und ein Freiheitsrecht obendrein sei. 318 Dies erfordere, dass er bilaterale Freiheitenl und schützende Umkreise in jeden legalen Anspruch einbaue. Dies hält Wellman aus folgenden Gründen für nicht wünschenswert: Die Komplexität legaler Ansprüche drohe eine unkontrollierbare Komplexität in viele Freiheitsrechte (liberty-rights) einzuführen. Manche der Pflichten, die den schützenden Umkreis eines Freiheitsrechts bildeten, seien charakteristischerweise Pflichten gegenüber dem Rechtsinhaber. Z.B. schützten das Recht einer Person, über ihren Zaun zu schauen die Pflichten des Nachbarn, nicht ihren Grund zu betreten und sie nicht zu verprügeln. Hart müsse also Ansprüche ge317
Wellman bemerkt, es scheine ihm, dass die Kompetenz, auf die Zahlung einer Entschädigung zu verzichten, nicht zum Begriff einer relativen Pflicht gehöre und daher nicht zum korrelativen Begriff eines Anspruchs. Vgl. Wellman (1985), S. 72, und dazu das erste, hier im Abschnitt „(3) Harts Modell und Anspruchsrechte" gebrachte Zitat von Hart, aus Hart (1973), S. 192, bzw. Wellman (1985), S. 69. Da eine legale Pflicht in Form eines legalen Zwangs (constraint) zu verstehen sei, könnten nur Kompetenzen, die den legalen Zwang direkt beträfen, wesentlich für relative Pflichten im Recht (law) sein. Obwohl die Kompetenz, auf Entschädigung zu verzichten, zweifelsohne den, der ein Anspruchsrecht verletze, vom Zwang befreie, den Rechtsinhaber zu entschädigen, befreie sie ihn nicht von der korrelativen Verpflichtung, dieses Recht zu respektieren, solang auf den primären Anspruch, im Gegensatz zum sekundären Anspruch, nicht verzichtet würde. Die Kompetenz, auf den legalen Anspruch zu verzichten, sei wesentlich für den Zwang, der dem Pflichtinhaber auferlegt werden könne, weil sie ihn von diesem Zwang befreien könne. Aber sie scheine nicht wesentlich für die Existenz eines Anspruchs zu sein. Wellman verweist auf MacCormick, der argumentiert, dass der Anspruch, von einem Gegner im Männersport oder von einem Chirurgen, der eine Operation durchführe, nicht misshandelt zu werden, sicherlich nicht mehr ein Beispiel eines Anspruchs sei als der Anspruch, von jemandem in einem „unmännlichen" (unmanly) Zeitvertreib oder durch eine unqualifizierte Person, die einen operiere, nicht misshandelt zu werden. Letzterer (sc. Anspruch) würde genauso eine rechtliche Klage gegen den Pflichtinhaber wie ersterer rechtfertigen und dem Pflichtinhaber gegenüber genauso gelten, womöglich noch unerschütterlicher, da es keinen Anschein einer Verteidigung geben könne, die aus der Zustimmung des Ansprucherhebenden (claimant) hervorgehen würde. Wellman schlussfolgert, dass seine eigene, einfachere Analyse eines legalen Anspruchs in Form einer Kompetenz, einen gerichtlichen Prozess anzustrengen, die korrelative Pflicht zu erzwingen, Harts komplexerer Analyse vorzuziehen sei. Vgl. ebd., S. 72 f. 31
Vgl. Wellman (1985), S. 73.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gen einen Eintritt und gegen einen Angriff in sein Freiheitsrecht einbauen. Sobald aber Anspruchsrechte, die als Freiheitsrechte begriffen, Bestandteile von Freiheitsrechten würden, werde die Komplexität von Freiheitsrechten in beängstigender Weise vervielfacht. Harts Modell drohe sogar infinite Regresse von Freiheitsrechten innerhalb von Freiheitsrechten zu erzeugen. Überdies sei Harts Modell eines legalen Rechts ein Versuch, die Natur und Struktur eines legalen Rechts durch Analyse in Hohfeldsche Elemente aufzudecken. Zu diesem analytischen Ziel, ein komplexes legales Phänomen als einen Komplex einfacherer Bestandteile wiederzugeben, ziehe man die einfachstmögliche Analyse jener Elemente vor, die legale Ansprüche seien. Wellman schlussfolgert, dass obwohl Harts Analyse eines legalen Anspruchs als überaus komplex verworfen werden müsse, er die richtige Art von Analyse vorgeschlagen habe, eine Analyse in Form legaler Kompetenzen, und dass Harts Vermutung, dass ein Recht Kontrolle übertrage, einsichtsvoller sei, als er erkannt habe. (c) Drittens sei anzunehmen, dass Harts Analyse die Bedeutung zu erklären versuche, in der ein solches Recht vom Rechtsinhaber besessen werde. Hart habe immerfort auf die wesentlich verteilende Natur von Rechten bestanden, die Art, in der sie Freiheit2 (Wellman würde auch Kontrolle hinzufügen) jedem Einzelnen übertragen würden, der vom Rechte verleihenden (right-conferring) Recht (law) erfasst werde. Dieser Aspekt werde in unserer Sprache über Rechte reflektiert: Wir sprächen, wie Hart sage, über die Person, die das korrelative Recht habe, als würde sie das Recht besitzen (possessing or owning). Hart weise darauf hin, dass diese Redewendung verständlich werde durch Bezugnahme auf die spezielle Form von Kontrolle über die korrelative Pflicht, die einer Person mit so einem Recht (right) durch das Recht (law) gegeben werde. Wellman wendet ein, dass er nicht verstehe, wie die Kontrolle des Rechtsinhabers über die korrelative Verpflichtung sein Besitzen des Anspruchsrechts erklären könne. Vermutlich erkläre diese Kontrolle die Bedeutung, in der der Rechtsinhaber das Recht besitze, analog zur Kontrolle, die der Besitzer über seinen Besitz habe; dann müsste uns aber die legale Kontrolle dazu führen, an erster Stelle davon zu sprechen, dass der Rechtsinhaber die Verpflichtung besitze und nur abgeleitet, sofern überhaupt, davon, dass er das korrelative Recht besitze.319 Wir sprächen aber nicht davon, dass der Rechtsinhaber die Verpflichtung besitze oder habe, sondern, im Gegenteil, es sei die Pflicht des Pflichtinhabers, die dem Rechtsinhaber geschuldet, nicht aber von ihm besessen werde. Selbst wenn diese Erklärung im speziellen Fall von Anspruchsrechten funktionieren würde, würde sie nicht die Bedeutung erklären, in der der Rechtsinhaber Freiheits- oder Kompetenzrechte besitze, da diese nicht notwendig eine vergleichbare Kontrolle über korrelative Verpflichtungen enthielten. Gerade weil der Be-
3
V g l . Wellman ( 1 9 8 ) , S. 4.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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griff eines Rechts, jeglicher Art, wesentlich verteilend sei, brauche Hart eine allgemeinere Erklärung der Bedeutung, in der man ein Recht habe oder besitze. (d) Der größte Erklärungsbedarf bestehe hinsichtlich der Korrelation zwischen einem legalen Anspruchsrecht und der korrespondierenden relativen Pflicht. Die Bezeichnung, die Hart für ein Anspruchsrecht wähle, „ein Recht, das mit einer Verpflichtung korreliere" („right correlative to Obligation"), zeige, dass seiner Ansicht nach diese Korrelativität für diese Art von Recht maßgeblich sei. Der springende Punkt seiner Erklärung der Relation zwischen Recht und Pflicht sei „die spezielle Form von Kontrolle über die korrelative Pflicht, die einer Person mit einem solchen Recht durch das Recht (law) gegeben werde" 320 . Harts Modell eines legalen Rechts unterminiere aber seinen Versuch diese Korrelativität zu erklären oder sogar zu erhalten, da es verlange, jedes Anspruchsrecht als eine spezielle Art eines Freiheitsrechts zu konstruieren. Hart charakterisiere Benthams Auffassung eines Anspruchsrechts in einer Weise, die die logische Korrelatitivät von legalem Anspruch und korrelierender relativer Pflicht klar mache: Alle Rechte, die mit Verpflichtungen korrelierten, seien Rechte auf Dienste (services), die in der Erfüllung der mit ihren korrelierenden Verpflichtung bestünden.321 Demnach seien das Recht einer Person, nicht angegriffen zu werden, und die Pflicht anderer, das Individuum nicht anzugreifen, einfach deswegen logisch korrelativ, weil der Inhalt des Anspruchsrechts der Person als die Erfüllung der korrespondierenden relativen Pflicht definiert sei und daher in ihr bestehe. Recht und Pflicht seien korrelativ, wenn der Inhalt des einen dem Inhalt des anderen entsprechen müsse - logisch müsse - , weil eines in Form des anderen definiert sei.
320 Vgl. Wellman (1985), S. 74, bzw. Hart (1973), S. 193. Ergänzend seien Wellmans Bemerkungen aus (1982), S. 13 f., erwähnt. Wellman stellt dort die Frage, wie Hart die Korrelation von Rechten und Pflichten in seinem Freiheitsrecht-Modell (liberty-right modell) erklären könne. Der Zusammenhang zwischen dem Recht des Gläubigers auf Rückzahlung und der Pflicht des Schuldners zurückzuzahlen sei die Kontrolle über die Pflicht des Schuldners, die dem Gläubiger durch das Recht gegeben werde. Vgl. Wellman (1982), S. 14. Da Hart den wesentlichen Ort von Kontrolle im Begriff eines Rechts erkenne, lehne er jede Interesse- oder Nutznießertheorie über Rechte ab und entwickle seine Version der Willenstheorie. An einem Recht (right) sei die Art unterscheidend, in der es dem Willen seines Inhabers eine spezielle Stellung im Recht (law) gebe, eine Stellung, die in Form von legaler Kontrolle zu verstehen sei. Was am Begriff eines Rechts unterscheidend sei, müsse, wenn Hart auf der richtigen Spur sei, sowohl in Form von Kontrolle als auch in Form von Freiheit2 erklärt werden. Freiheit2 und Kontrolle seien beide für jedes Recht wesentlich, aber Hart sei nie in der Lage gewesen, eine Auffassung eines Rechts zu erreichen, die diese beiden Begriffe eingegliedert hätte. Dies habe wahrscheinlich daher gerührt, dass sein Beschäftigtsein (preoccupation) mit Freiheit2 ihn dazu verleitet habe, eine bilaterale Freiheit 1 ins Zentrum seines Modells eines Rechts zu stellen. Dies habe ihn wiederum veranlasst, die Zentralität der Wahl in der Sprache der Rechte überzubetonen. 321
Vgl. Wellman (1985), S. 74, bzw. Hart (1973), S. 176 f.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wellman zeigt daraufhin, was mit dieser Korrelativität geschehe, wenn ein Anspruchsrecht gemäß Harts Modell analysiert werde. Mein Recht, nicht angegriffen zu werden, erweise sich als ein Freiheitsrecht mit drei bilateralen Freiheiten 1 in seinem Zentrum (die Freiheit 1, auf die Pflicht der anderen, mich nicht anzugreifen, zu verzichten oder nicht zu verzichten, die Freiheit 1, auf Entschädigung zu klagen, wenn ein anderer mich ohne meine Zustimmung angreife, und meine Freiheit 1, auf die Entschädigungszahlung, die mir für den unrechten (wrongful) Angriff zuerkannt würde, zu verzichten oder nicht zu verzichten).322 Entsprechend Harts eigener Erklärung der Natur einer Verpflichtung, die mit einem Freiheitsrecht korreliere, würde dieses komplexe Freiheitsrecht in drei entsprechenden Pflichten nicht einzugreifen bestehen (der Pflicht anderer, nicht in mein Verzichten oder Nichtverzichten auf die Erfüllung der Pflicht, mich nicht anzugreifen, einzugreifen, der Pflicht anderer, nicht in mein Klagen oder Nichtklagen auf Entschädigung, wenn mich jemand ohne meine Zustimmung angreife, einzugreifen, und der Pflicht anderer, nicht in mein Verzichten oder Nichtverzichten auf Entschädigungszahlung, die mir aufgrund eines unrechten Angriffs zuerkannt wurde, einzugreifen). Doch keine von diesen Pflichten könnte plausiblerweise so betrachtet werden, als würde sie mit meinem Recht, nicht angegriffen zu werden, logisch korelieren, weil ein Angreifender, der mich ohne meine Zustimmung zu Brei schlage, mein Anspruchsrecht verletze, selbst wenn er nicht in meine Ausübung irgendeiner der drei Freiheiten 1 eingegriffen habe, die Hart ins Zentrum seines Modells eines Anspruchsrechts stelle. Da Harts allgemeine Theorie legaler Rechte den wesentlichen Inhalt eines Anspruchsrechts missinterpretiere, ordne sie den Inhalt der korrelativen Verpflichtung falsch ein (misplaces) und missinterpretiere ihn. Nur wenn man mit Bentham anerkenne, dass der definierende Inhalt eines Anspruchsrechts ein Dienst des Pflichtinhabers sei, der dem Rechtsinhaber geschuldet werde, könne man die logische Korrelation meines Rechts, nicht angegriffen zu werden, und der korrelativen Verpflichtung eines anderen, mich nicht anzugreifen, erklären. (4) Harts Modell und Immunitätsrechte - In der Erörterung der Frage, wie sich Harts allgemeine Theorie legaler Rechte als legal respektierter Wahlmöglichkeiten (choices) zu Immunitätsfragen verhält, nimmt Wellman auf eine Stelle Bezug, in der Hart Folgendes behauptet:323 Die hauptsächliche, obwohl nicht einzige Verwendung des Begriffs eines „Immunitätsrechts" sei, die Position von Individuen unverwechselbar zu charakterisieren, die vor einer solchen nachteiligen (adverse) Veränderung durch verfassungsmäßige (constitutional) Einschränkungen, oder, wie Hohfeld sagen würde, durch Unfähigkeiten (disabilities) der gesetzgebenden Gewalt (legislature) geschützt seien. Solche Immunitätsrechte seien offensichtlich von größter Bedeutung für Individuen und 322 323
Vgl. Wellman (1985), S. 74 f. Vgl. Wellman (1985), S. 75.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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können gewöhnlich in Form aburteilender (justiciable) Ansprüche, dass ein behaupteter Erlass ungültig sei, weil er sie verletze, behauptet werden324 Hart räume ein, dass sein analytisches Modell solche fundamentalen Grundrechte (fundamental constitutional rights) des Individuums nicht erklären könne, und schließe, dass seine allgemeine Theorie von Rechten nur „Rechte eines Bürgers gegenüber einem anderen Bürger" erklären könne; d.i. Rechte nach dem „gewöhnlichen" Recht (ordinary law). Wellman stellt die Frage, ob Harts Theorie selbst dazu geeignet sei. Bevor sich Wellman mit einer Untersuchung von Grundrechten befasst, geht er der Frage nach, ob Harts Modell auf gewöhnliche (ordinary) Immunitätsrechte ausgeweitet werden könne. 325 Hart beobachte, dass Immunitäten gegen Beraubung (divestment) verschiedenster Art im Begriff des Eigentums (ownership) enthalten seien. Demgemäß sei mein Recht, dass mein Nachbar nicht mein Haus verkaufe, während ich auf Urlaub sei, ein Beispielsfall eines Immunitätsrechts. Harts ausdrücklicher Grund, warum sein analytisches Modell nicht von Immunitätsrechten handeln könne, sei, dass es gänzlich aus Freiheiten 1, Pflichten, Handlungen und Rechtsgeschäften (acts-in-the-law) bestehe und daher keinen Ort für Immunitäten habe. Aber Harts Modell enthalte auch keine Ansprüche und er weite es dennoch auf Rechte, die mit Verpflichtungen korrelieren (rights correlative to obligations), aus, indem er den Begriff der „legalen Kompetenzen der Person, diese Verpflichtung voll oder teilweise zu kontrollieren" („the individual's legal powers of control, füll or partial, over that Obligation") verwende. 326 Die Tatsache, dass eine Immunität das Korrelat zu einer Unfähigkeit (disability) sei, lege nahe, sich mit einem Recht, das mit einer Unfähigkeit (disability) korreliere, in analoger Weise zu befassen, indem man den Begriff der „legalen Kompetenzen des Rechtsinhabers, die korrelierende Unfähigkeit (disability) der zweiten Partei voll oder teilweise zu kontrollieren" („the individual's legale powers of control, füll or partial, over the correlative disability of the second party") verwende. Wellman bemerkt, es scheine möglich zu sein, Harts Modell in dieser Weise auf Immunitätsrechte auszuweiten, weil das Recht (law) einer Person verschiedene Arten legaler Kontrolle über die Unfähigkeit (disability) des Nachbarn analog zu jenen übertrage, die Hart in seiner Analyse von Anspruchsrechten verwende. In Harts Modell würden im Zentrum des Immunitätsrechts, dass mein Nachbar nicht mein Eigentum verkaufe, während ich auf Urlaub sei, die bilateralen Freiheiten 1 stehen, erstens auf die Unfähigkeit (disability) meines Nachbarn zu verzichten oder nicht zu verzichten, zweitens, Klage einzureichen oder nicht einzureichen, dass jeder behauptete Verkauf ungültig erklärt werde und das Eigentum mir rückerstattet werde, und 324 325 326
Vgl. Hart (1973), S. 199, bzw. Wellman (1985), S. 75. Vgl. Wellman (1985), S. 76. Vgl. Wellman (1985), S. 76, bzw. Hart (1973), S. 196.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
drittens, auf meinen legalen Anspruch (claim) gegenüber jedem vorgeblichen Käufer zu verzichten oder nicht zu verzichten. Jede dieser bilateralen Freiheiten 1 wäre durch verschiedene Pflichten nicht einzugreifen geschützt. Eine solche Analyse würde allerdings den wesentlichen Inhalt des genannten Rechts in einer Weise falsch darstellen, die der falschen Darstellung von Anspruchsrechten entspreche. Das, wozu ich ein Recht habe, sei, dass mein Nachbar nicht etwas tue; aber was mein Nachbar nicht tun sollte, sei eher, mein Eigentum zu verkaufen, als, in meine Ausübung bestimmter in Relation stehender Freiheitenl einzugreifen. Mein Immunitätsrecht solle ja eher ein Recht sein, das mit einer Unfähigkeit (disability) korreliere, als ein Recht, das mit Verpflichtungen nicht einzugreifen korreliere. 327 Was mein Recht eher zu einem Immunitätsrecht als zu einem Anspruchsrecht mache, sei, dass der korrelative Nachteil (disadvantage), den das Recht (law) meinem Nachbarn auferlege, eher eine Unfähigkeit sei, mein Haus zu verkaufen, als eine oder mehrere Pflichten, die mir geschuldet würden. Folglich sei Harts allgemeine Theorie legaler Rechte nicht allgemein genug, um, selbst nach dem gewöhnlichen (ordinary) Recht, über Immunitätsrechte zu handeln. In Bezug auf verfassungsmäßig garantierte (constitutional) Immunitäten einer Person gegenüber dem Staat räume Hart die Unzulänglichkeit seines analytischen Modells und seiner Wahltheorie ein, weil er glaube, dass der einzelne Bürger keine legalen Kompetenzen habe, die ihm eine Kontrolle über die korrelative Unfähigkeit (disability) der gesetzgebenden Gewalt gäben. Es gebe nichts, was eine Person analog zu ihrem Akt, der ihren Nachbarn autorisiere, ihr Haus an ihrer Stelle zu verkaufen, tun könnte und was einen Verzicht auf ihre Immunität gegenüber der staatlichen Gesetzgebung dagegen, dass sie ihr Gleichheit vor dem Gesetz (equal protection of the laws) verweigere, bedeuten könnte. Das Verfassungsrecht (constitutional law) respektiere einfach nicht ihre Wahl hinsichtlich dieser grundlegenden Immunität. Dieses Beispiel widerlege Wellmans Ansicht nach Harts Theorie nicht so einfach oder in der Weise, in der er sich es vorstelle. Es widerlegte sie dann, wenn man annehme, die Immunität „gegen diskriminierende und parteiische gesetzgebende Gewalt ... zugunsten bestimmter Personen verglichen mit anderen unter ähnlichen Bedingungen" definiere den wesentlichen Inhalt dieses Rechts. Nach Wellman ist aber das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz wesentlich ein Anspruchs- und nicht ein Immunitätsrecht. Seine definierende Funktion i m 3 2 8 Rechtssystem, worauf Hart selbst an anderen Stellen hinweise, bestehe darin, einen „Nutzen" („benefit") zu sichern, der in der „Gleichheit der Behandlung in bestimmter Hinsicht" bestehe. Im Zentrum dieses Rechts stehe der legale Anspruch, der gegenüber jedem Staat (innerhalb der Vereinigten Staaten) gelte, der in parteiischer oder diskrimi327 328
Vgl. Wellman (1985), S. 77. Im Original: „...in our legal system ...". Vgl. Wellman (1985), S. 77.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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nierender Weise gegen eine Person vorgehe. Es sei ein Fehler anzunehmen, dass nur weil ein Grundrecht (constitutional right) eine bestimmte Immunität gegenüber der gesetzgebenden Gewalt unter seinen Bestandteilen habe, es notwendig ein Immunitätsrecht bilde. 329 Dieser Fehler habe Hart zu einem vorschnellen Zugeständnis einer Unzulänglichkeit geführt. Wellman argumentiert, der zugrunde liegende und vorausgesetzte Zweck des Grundrechts (constitutional right) einer Person auf gleichen Schutz sei, ihr einen bestimmten Vorteil (benefit), d.i. gleiche und nichtdiskriminierende Behandlung zu sichern. Entsprechend anerkenne die Verfassung der Vereinigten Staaten den legalen Anspruch einer Person auf so eine Behandlung als ein grundlegendes legales Recht. Dieser definierende Anspruch sei durch die Immunität der Person gegenüber jeder staatlichen Gesetzgebung geschützt, die ihr die Gleichheit vor dem Gesetz bestreiten würde. Harts analytisches Modell sei unzulänglich, um das Grundrecht (constitutional right) einer Person auf gleichen Schutz zu erklären. Der Grund sei aber nicht, dass eine Person keine legal (legally) respektierte Wahl hinsichtlich einer und keine legale Kontrolle über eine Immunität in seinem Zentrum habe, sondern, dass es keinen Ort für Immunitäten in seinem „schützenden Umkreis" eines Rechts habe. Ein adäquateres Modell eines legalen Rechts werde den Begriff eines Umkreises aus Pflichten nicht einzugreifen so bereichern, dass er unterschiedliche Hohfeldsche Elemente mit dem wesentlichen Kern des Rechts verknüpft umfassen könne. Wellman stellt daraufhin die Frage, ob es denn keine verfassungsmäßig garantierten (constitutional) Immunitäten von der Art gebe, die Hart sich als zwingende Gegenbeispiele zu seiner legal respektierten Wahltheorie (legally respected choice theory) legaler Rechte vorgestellt habe. 330 Wellman bemerkt, dass es wahrscheinlich einige gebe, und erwähnt unter anderem als Beispiel das Recht der Bundesrichter (federal judges), nicht ihres Amtes enthoben zu werden, außer durch Anklage oder Überführung. Die definierende Funktion dieses Rechts im Verfassungsrecht (constitutional law) sei nicht, ein vorausgesetztes Freiheits-, Anspruchs- oder sogar Kompetenzrecht zu schützen, sondern, die Bundesrichter unabhängig von politischer Kontrolle zu machen, indem es sie immun gegen jede Handlung des Kongresses, der Exekutive oder der Öffentlichkeit mache, die ihre Absetzung von ihrem Richteramt beinhalten könnte. Ferner könne das Grundrecht (constitutional right) jeder einzelnen Person, nicht versklavt oder zu unfreiwilligem Dienst gezwungen zu werden, das durch das Dreizehnte Amendement übertragen werde, am besten als Immunitätsrecht ausgelegt werden. 331 Seine rechtliche Wirkung sei nicht, den Regierungen oder anderen Personen eine Pflicht nicht zu versklaven, aufzuerlegen, sondern jeden Vertrag, jede Stel-
329 330 331
Vgl. Wellman (1985), S. 78. Vgl. Wellman (1985), S. 79. Vgl. Wellman (1985), S. 79 f.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
lung (status) oder jedes Gesetz, die die Versklavung jemandes beinhalteten, legal ungültig zu machen. Harts analytisches Modell, selbst mit einem bereicherten schützenden Umkreis, der Immunitäten beinhaltete, könne nicht auf Immunitätsrechte wie dieses ausgeweitet werden, weil in ihrem Zentrum eine definierende verfassungsmäßig garantierte (constitutional) Immunität stehe, über die das Individuum keine legalen Kompetenzen der Kontrolle habe. 332 Wellman stellt daraufhin die Frage, ob diese verfassungsmäßig garantierten (constitutional) Immunitäten genuine Rechte bildeten. Könnte Hart nicht behaupten, dass die Sprache über Rechte mit der Sprache über Unfähigkeiten (disabilities) redundant werde, ebenso wie er der Nutznießer- (beneficiary) Theorie über Anspruchsrechte vorwerfe, dass sie die Sprache über Rechte mit der Sprache über Pflichten redundant mache? Hart erkläre, warum ein solcher Vorwurf fehl am Platz wäre: „Solche Immunitätsrechte seien offensichtlich von größter Bedeutung für Individuen und könnten gewöhnlich in Form von gerichtlicher Entscheidung unterliegenden (justiciable) Ansprüchen, dass ein behaupteter Erlass ungültig sei, weil er sie verletze, behauptet werden." 333 Wellman bemerkt, dass man tatsächlich von verfassungsmäßig garantierten Immunitäten in angemessener und aufschlussreicher Weise als genuinen legalen Rechten sprechen könne: nicht weil eine oder mehrere Wahlmöglichkeiten (choices) des Rechtsinhabers durch das Verfassungsrecht (constitutional law) respektiert würden, sondern weil der Rechtsinhaber sie in Form gerichtlicher Entscheidung unterliegender Ansprüche (justiciable Claims) gegenüber einer zweiten Person behaupten könne, die diese Ansprüche zu verletzen versuche. Was für diesen Gebrauch der Sprache über Rechte wesentlich sei, sei nicht eine zentrale Wahl, sondern ein Gegner-Kontext, in dem der Wille des Rechtsinhabers mit dem Willen einer zweiten Partei konfligiere. Wellmans Schlussfolgerungen - Wellman gewinnt aus seiner erweiterten Untersuchung von Harts allgemeiner (general) Theorie legaler Rechte folgende wertvolle Einsichten: (1) Kein einzelnes Hohfeldsches Element wie eine bloße Freiheit 1 könne ein genuines (genuine) Recht bilden. Ein legales Recht müsse aus einem Komplex solcher Elemente bestehen. (2) Die Einheit (unity) eines solchen Komplexes Hohfeldscher Elemente rühre aus seiner Struktur, die aus einem Zentrum (center), das den wesentlichen Inhalt des Rechts definiere, und einem Umkreis (perimeter) zusätzlicher Elemente bestehe. Das Zentrum eines legalen Rechts müsse keine bilaterale Freiheitl sein; es gebe einseitige (unilateral) Freiheitsrechte und es könnten auch legale Kompetenzen, Ansprüche und sogar Immunitäten im Zentrum legaler Rechte stehen. (3) Was folglich für den Begriff eines Rechts unterscheidend und wesentlich sei, sei nicht die Wahl (choice) des Inhabers, sondern ein Kontext, in dem der Wille des Rechtsinha332 333
Vgl. Wellman (1985), S. 80. Vgl. Hart (1973), S. 199, bzw. Wellman (1985), S. 80.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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bers einem widerstreitenden Willen einer zweiten Partei begegnen könnte. Harts Wahl-Theorie über Rechte müsse durch eine Art Gegner-Konzeption (adversarial conception) von Rechten ersetzt werden. 334 Da eine Vielfalt Hohfeldscher Elemente den Willen des Rechtsinhabers in einer Konfrontation mit einer zweiten Partei begünstigen könnte, müsse Harts schützender Umkreis bereichert werden, so dass er zusätzlich zu den Pflichten nicht einzugreifen verknüpfte Elemente enthalte. Wellman bemerkt, seine Aufgabe sei, an der Stelle fortzusetzen, wo Hart aufgehört habe und ein adäquateres Modell legaler Rechte zu entwickeln. Die Wiedergabe von Wellmans Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie legaler Rechte kann, wie schon angemerkt, bis auf die zuletzt angeführten Einsichten, die Wellman daraus gewinnt, als ergänzende Parenthese in dieser Arbeit betrachtet werden. Diese Parenthese gewährt einen Einblick in die Grundlagen und in die Entwicklung einiger wichtiger Aspekte in Wellmans Theorie legaler und moralischer Rechte. Auf Harts Theorie legaler Rechte kann im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. 335 Neben diesen drei Theorien legaler Rechte, die seine Auffassung eines Rechts maßgeblich beeinflusst haben, hat Wellman auch weitere Theorien untersucht und ihre Unzulänglichkeiten aufzuzeigen versucht. In seinem späteren Aufsatz „Interpreting the Bill of Rights: Alternative Conceptions of Rights" un334 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman an anderer Stelle argumentiert, Hart und er hätten zugunsten ziemlich verschiedener Willenstheorien (will theories) argumentiert. Vgl. Wellman (1995), S. 123 f. 335 Anschließend an die Wiedergabe von Wellmans Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie legaler Rechte seien hier als ergänzende Parenthese Harts abschließende Bemerkungen aus seinem Aufsatz genannt: „Das Ergebnis dieser Überlegungen ist, dass ich an Stelle einer allgemeinen analytischen und erklärenden Theorie, die den ganzen Bereich legaler Rechte erfasst, eine allgemeine Theorie in Form des Begriffs einer legal respektierten individuellen Wahl zur Verfügung gestellt habe, die nur auf einer Ebene zufriedenstellend ist - der Ebene des Juristen, der sich mit der Funktionsweise (working) des »gewöhnlichen4 (,ordinary') Rechts befasst. Dies erfordere eine Ergänzung, um die wichtige Entfaltung (deployment) der Sprache der Rechte durch den auf das Verfassungsrecht spezialisierten Juristen (constitutional lawyer) und den einzelnen Kritiker des Rechts, für den der Kern des Begriffs von Rechten weder die individuelle Wahl noch der individuelle Nutzen, sondern grundlegende (basic or fundamental) individuelle Bedüfnisse seien. Dieses Resultat könnten manche für verblüffend ungenügend (untidy) halten und sie könnten versucht sein, die Perspektiven des gewöhnlichen (ordinary) Juristen, des Verfassungsjuristen und des individuellen Kritikers des Rechts, die ich unterschieden habe, in einer allgemeinen Formel zu verbinden, die alle drei einschließe. Eine solche allgemeine Formel werde durch Holtfelds Aussage, dass die allgemeine Bedeutung eines Rechts „irgendeinen legalen Vorteil (advantage)" bedeute, nahegelegt. Aber ich befürchte, dass wir hinter dem bequemen Anschein von Allgemeinheit nur eine nicht aufschlussreiche Verbindung oder bloße Nebeneinanderstellung der Wahltheorie mit der Nutzentheorie haben würden; und dies würde nicht die bedeutenden Gründe dafür, nur manche legal gesicherten Nutzen nur in manchen Zusammenhängen als legale Rechte zu beschreiben, berücksichtigen können." Vgl. Hart (1973), S. 201.
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tersucht Wellman im Rahmen der Interpretation der „Bill of Rights" neben den soeben erwähnten auch andere Theorien. 336 Sowohl ihre Bedeutung in der gegenwärtigen theoretischen Diskussion über Rechte als auch die Schwierigkeiten, die sie aus Wellmans Sicht im Gegensatz zu seiner eigenen Theorie enthalten, rechtfertigen eine kurze Erwähnung seiner Auseinandersetzung mit denselben. dd) Feinbergs Theorie Joel Feinberg akzeptiere Hohfelds Behauptung, dass ein Recht im strikten Sinn ein Anspruch sei. 337 Einen Anspruch zu erheben (claiming) bedeute nach Feinberg zu fordern, was einem zustehe (demanding what is due to one). Z.B. erhebe man Anspruch auf sein Geld, wenn man eine Karte für ein Spiel gekauft habe, das nie stattgefunden habe. Entsprechend bedeute einen Anspruch zu haben, in einer Position zu sein, auf etwas Anspruch zu erheben oder etwas zu fordern, was einem zustehe. Nicht jeder Anspruch sei ein Recht. Ein Recht sei nach Feinberg ein gültiger Anspruch (valid claim). 338 Ein Anspruch werde dadurch gültig, dass seine Anerkennung und Erfüllung von der relevanten Menge von Regeln - legalen Regeln im Fall legaler Rechte und moralischen Regeln im Fall moralischer Rechte - gefordert werde. Feinberg stellt die Frage, was in einer Gesellschaft („Nowheresville" genannt) ohne Rechte verloren gehen würde. Es könnte Werte, Tugenden und sogar Pflichten geben, aber niemand wäre in einer Position, auf etwas, als ihm zustehend, Anspruch zu erheben. Natürlich könnte man jemanden um einen Gefallen bitten, doch der entscheidende Unterschied liege nach Feinberg zwischen der Anrufung des Großmuts und der Gefälligkeit einer Person einerseits und dem Bestehen, dass der andere einen so behandle, wie er moralisch oder legal verpflichtet sei, andererseits. Rechte ermöglichten einem, auf dem zu bestehen, was einem zustehe, auf seine Rechte zu pochen und als Gleichgestellter mit anderen in der Gesellschaft zu leben. 336 Wellmans Aufsatz ist anlässlich des ca. zweihundertsten Jahrestages der ,3ill of Rights" in: Bryner; Sorensen (1993), S. 9-25, erschienen. Zu dieser „Bill of Rights" ist in der Einleitung des Buches Folgendes zu lesen: Im September 1789 habe der Kongress den Staaten zwölf Amendements zur Ratifizierung unterbreitet, als Antwort auf die Forderungen der verschiedenen Staaten, dass die Verfassung eine ,3ill of Rights" einschließe. Die ersten zehn Amendements seien schließlich von den Staaten akzeptiert worden und die „Bill of Rights" wurde offiziell am 15. Dezember 1791 Teil der Verfassung [sc. der U.S.A], als in Virginia zur Ratifizierung abgestimmt wurde. (Die Bill of Rights (USA) findet man z.B. in Robertson (1997), S. 231-233.) Wellman weist in Bezug auf die Interpretation der Bedeutung der Grundrechte auf zwei Probleme hin: Das erste Problem betreffe die Definition des Inhalts eines spezifizierten Rechts, das zweite die Interpretation des Ausdrucks „das Recht auf oder „ein Recht auf 4. Vgl. Wellman (1997), S. 233. Vor allem im Rahmen der zweiten Frage, also in Bezug auf die Klärung der Bedeutung des Ausdrucks „ein Recht44 untersucht Wellman die Theorien von Hohfeld, Feinberg, Hart, Dworkin und Raz. 337 Vgl. Wellman (1997), S. 235. 338
Vgl. Wellman (1997), S. 236, und Feinberg (1980), S. 143-155.
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Wellman bemerkt in Bezug auf die Interpretation der „Bill of Rights", dass Feinbergs Auffassung eines legalen Rechts als legal gültigen Anspruchs den Defekt von Hohfelds Auffassung darin teile, dass sie verlange oder zumindest nahe lege, alle Grundrechte in die eine Gussform (mould) legaler Ansprüche zu zwingen. Würden wir dieser Versuchung nachgeben, würden wir die spezifischen Unterschiede zwischen unseren verschiedenen Grundrechten übersehen. 339 ee) Dworkins Theorie Ronald Dworkin empfehle, sofern wir unsere Grundrechte (fundamental constitutional rights) ernst nähmen, ein Recht als einen individuellen Trumpf über soziale Ziele zu verstehen.340 Jede staatliche Handlung würde Rechtfertigung erfordern, weil jede Handlung einigen Mitgliedern der Gesellschaft schaden würde. Wenn z.B. eine Straße zu einer Einbahnstraße gemacht werde, werde das Interesse einer dort wohnenden Person an schneller Zufahrt beeinträchtigt, weil von ihr legal verlangt werde, einen indirekteren Weg zu benutzen. Diese Handlung des Staates sei dennoch berechtigt gewesen, weil sie zu einem effizienteren Verkehrsfluss geführt habe und dadurch mehreren Menschen mehr genützt habe, als sie dieser einen Person geschadet habe. Könnte aber eine Handlung der Regierung, die eines meiner Grundrechte verletze, z.B. mir mein Grundstück ohne Entschädigung wegnehme, in ähnlicher Weise durch die Tatsache, dass die Interessen vieler Menschen das Interesse eines einzelnen Individuums überwögen, gerechtfertigt werden? Könnte der Staat seinen Eingriff in mein individuelles Recht durch Berufung auf das öffentliche Wohl rechtfertigen, dann würde mein Recht nichts in Bezug darauf ausmachen, wie mich der Staat behandeln sollte. Es wäre rechtlich leer, weil es mir keinen speziellen Schutz bieten würde. Daher seien die Rechte der Einzelnen nur dann wert ernst genommen zu werden, wenn sie soziale Ziele übertrumpften, so dass sie die Berufung auf sozialen Nutzen in politischen Rechtfertigungen überwögen. Dworkin lege nahe, dass nur Menschenwürde und politische Gleichheit sozialen Nutzen, die Gesamtmenge der Interessen der Mitglieder der Gesellschaft, übertrumpfen könnten. Dworkin kombiniere praktisch diese zwei Überlegungen, wenn er argumentiere, dass alle unsere spezifisch politischen Rechte auf unserem grundlegenden Recht, mit gleicher Wichtigkeit und Respekt behandelt zu werden, begründet und daraus abgeleitet sein müssten, eine Begründung, die von einer utilitaristischen sehr verschieden sei. Wellman wendet im Rahmen der Frage der Interpretation der „Bill of Rights" gegen Dworkin ein, dass, wenn alle Rechte oder zumindest politische Rechte 339 340
Vgl. Wellman (1997), S. 237. Vgl. Wellman (1997), S. 240, und Dworkin (1977), S. 184-205 und 266-278.
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individuelle Trümpfe über soziale Ziele seien, nur Individuen Grundrechte besitzen könnten, und alle Grundrechte würden gegenüber der Gesellschaft oder dem Staat gelten (hold). 341 Wie sollten wir dann die Worte „noch solle von privatem Eigentum für öffentlichen Gebrauch ohne Entschädigung Besitz ergriffen werden" im Fünften Amendement interpretieren? Die Antwort scheine einfach: Es übertrage einem einzelnen Inhaber ein Recht gegenüber der Regierung, dass sie ihm sein Eigentum nicht ohne faire Entschädigung wegnehme. Damit sei aber die Sache nicht erschöpft. Diese Klausel sei auch der verfassungsmäßige Grund für ein Recht der Regierung, sich privates Eigentum für öffentlichen Gebrauch anzueignen. Dies sei ein Recht des Staates, das gegenüber einem Individuum gelte (holding against), und sicherlich kein individueller Trumpf gegenüber sozialen Zielen. Wie sollten wir ferner die Bedeutung des Zehnten Amendements interpretieren „Die Kompetenzen (powers), die nicht den Vereinigten Staaten durch die Verfassung übertragen würden, noch durch sie den Staaten untersagt würden, seien den Staaten in dieser Reihenfolge vorbehalten oder dem Volk (the people)". Dies sei eine der traditionellen Quellen der Doktrin von Staatenrechten und er (sc. Wellman) glaube, dass sie verfassungsmäßige Anerkennung manchen Rechten der verschiedenen Staaten gebe, die in der Bundesregierung vereinigt seien. Man könne aber schwer Dworkins Auffassung von Rechten des Individuums, die gegenüber dem Staat gelten würden, gebrauchen, um diese Grundrechte zu verstehen. ff) Raz' Theorie Obwohl Joseph Raz mit Dworkin übereinstimme, dass alle Rechtsinhaber Individuen sein müssten, stelle er sich Rechte nicht so vor, dass sie notwendig zwischen einzelnen Mitgliedern einer Gesellschaft und ihrer Regierung gelten würden. Er stelle sich ein Recht als einen auf Interesse beruhenden Grund für eine oder mehrere Pflichten vor. 3 4 2 Genauer, zu behaupten, dass jemand ein Recht habe, sei zu behaupten, dass ein Interesse dieses Individuums ein hinreichender Grund sei, um zu behaupten, dass eine andere Person oder andere Personen unter einer Pflicht stünden. Pflichten, die auf Rechten gründeten, könnten negative Pflichten sein, dem Interesse, auf dem sie gründeten, nicht zu schaden oder es nicht zu zerstören, oder positive Pflichten, etwas zu tun, um dieses Interesse zu erhalten oder zu fördern. Folglich fungierten Rechte nach Raz in der praktischen moralischen oder legalen Argumentation (reasoning) als dazwischen liegende Ausdrücke (terms) zwischen Interessen, auf denen sie begründet seien, und den Pflichten, die sie ihrerseits begründeten.343 Unter Interesse verstehe 341 342 343
Vgl. Wellman (1997), S. 241. Vgl. Wellman (1997), S. 241, und Raz (1986), S. 165-192. Vgl. Wellman (1997), S. 241 f.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
201
Raz einen Aspekt oder eine Komponente des Wohlergehens einer Person. 344 Unsere Interessen schlössen normalerweise Dinge ein wie Leben, Gesundheit, Vermögen, Ruf, Möglichkeiten und persönliche Sicherheit. Solche Interessen seien oft nicht hinreichend, um die Auferlegung von Pflichten anderen Parteien zu rechtfertigen. Nichtsdestoweniger könnten sie Rechte begründen, wenn sie von großer Bedeutung seien, die aus zusätzlichen Faktoren hergleitet sei. Z.B. sei das Interesse des Durchschnittsbürgers, in politischen Fragen frei (freely) zu sprechen, oft geringer als sein Interesse, eine beträchtliche Erhöhung schon beim nächsten Lohntag zu bekommen. Dennoch gründe ersteres ein Recht auf Redefreiheit, während letzteres ein nicht hinreichender Grund für ein moralisches oder legales Recht auf beträchtliche Gehaltserhöhung sei. Dies rühre daher, dass ersteres Interesse eine Wichtigkeit habe, die aus der Tatsache rühre, dass es ein Interesse an etwas sei, das für eine lebensfähige Demokratie notwendig oder zumindest sehr förderlich, ein gemeinsames Gut für alle Mitglieder der Gesellschaft sei. Folglich begründeten nur die wichtigsten individuellen Interessen Rechte und ihre Wichtigkeit müsse nicht eine Funktion ihres Beitrags zum Wohlergehen des einzelnen Rechtsinhabers alleine sein. Raz könne die Grundrechte (constitutional rights) von Staaten erklären, weil in seiner Theorie Staaten Individuen seien im relevanten Sinn für das Vermögen, Rechtsinhaber zu sein. Es sei ein akzeptiertes Rechtsprinzip, genauso wie es in der Moral akzeptierbar sei, dass Körperschaften und juristische Personen gleich fähig seien mit natürlichen Personen, Rechte zu besitzen und Pflichten zu unterliegen. Sowohl private als auch öffentliche Körperschaften hätten Interessen und könnten daher moralische und legale Rechte besitzen. Wellman bemerkt, es würde den Anschein haben, als habe Raz eine allgemeinere Auffassung von Rechten als Dworkin und als könne er daher einen weitreichenderen Bereich unserer Grundrechte erklären. Wellman zweifelt aber daran, dass Raz' Theorie ausreichend allgemein sei. Er definiere ein Recht als einen auf Interesse beruhenden Grund für eine oder mehrere Pflichten. Kompetenzen und Immunitäten schienen keinen Ort in seiner Theorie von Rechten zu haben, doch eine angemessene Auffassung von Rechten müsse diese wesentlichen Hohfeldschen Positionen einbauen. Wie könnte Raz das Recht auf Eigentum (property) interpretieren, das in der Ordentliches-Verfahren-Klausel (due process clause) des Fünften und Vierzehnten Amendements vorausgesetzt werde? Man könnte schwer behaupten, dass ich z.B. meinen Kugelschreiber besitze, wenn ich die legale Kompetenz entbehrte darüber zu verfügen, indem ich ihn verkaufte oder hergäbe, und die legale Immunität dagegen, meines Besitzes beraubt zu werden durch eine einseitige (unilateral) Handlung eines anderen. Wie könne Raz ferner das Recht zu wählen des Fünfzehnten Amendements erklären? Dieses müsse vermutlich mehr sein als der Grund von Pflichten anderer, Privatperso3
V g l . Wellman (1997), S.
.
202
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
nen oder öffentlichen Behörden, Bürger an der Wahl nicht zu hindern oder sie sogar dabei zu unterstützen. Im Kern dieses Rechts müsse ihre Kompetenz zu wählen stehen. gg) Wellmans Schlussfolgerungen Wellman bemerkt in seinem Artikel „Interpreting the Bill of Rights: Alternative Conceptions of Rights", in dem er sich mit den soeben erwähnten alternativen Auffassungen von Rechten kurz auseinandersetzt,345 dass die Art, in der man ein Recht auffasse, einen großen Unterschied in Bezug darauf mache, wie man die „Bill of Rights" interpretiere. 346 Die Leser, egal ob Richter, die Fälle vor Gericht zu entscheiden hätten, oder Verwaltungsbeamte, die ihre Kompetenzen innerhalb der Verfassung auszuüben versuchten, würden zu sehr unterschiedlichen Schlüssen kommen, davon abhängend, was sie unter einem Recht verstünden. Diese Unterschiede würden nicht bloß verbal oder rhetorisch, sondern wesentlich sein und die legale und politische Praxis in bedeutender Weise beeinflussen. Bedauerlicherweise könne man in der Literatur der Philosophie oder der Rechtswissenschaft keine völlig adäquate Auffassung von Rechten finden. 347 Jede der soeben untersuchten Theorien, und er sei sich keiner viel versprechenderen bewusst, erweise sich als ungeeignet, manche der Bestimmungen der ,3ill of Rights" zu erklären. Da jede Auffassung bestimmte Aspekte der Sprache über Rechte in besonderer Weise betone, ignoriere sie andere Charakteristika. Jede Auffassung verleite uns, den Text zu missdeuten, entweder indem sie eine unangemessene Bedeutung verlange oder indem sie die beste Interpretation ausschließe. b) Aufbau eines legalen Rechts Wie wir gesehen haben, gewinnt Wellman aus seiner Auseinandersetzung mit Hohfelds, Ross* und Harts Theorie bestimmte Einsichten in Bezug auf die Beschaffenheit eines Rechts. Nun soll auf Wellmans Auffassung eines legalen Rechts eingegangen werden. Da Wellman sein Modell eines Rechts in Bezug auf legale Rechte entwickelt und am Muster desselben ein Modell moralischer Rechte bestimmt, ist es sinnvoll bei ersterem anzuheben. Eine Darstellung seiner Ausführungen zum Aufbau legaler Rechte erweist sich aus dem Grund als notwendig, weil er dort einzelne Aspekte des Begriffs „ein Recht" erörtert, die 345 Wie erwähnt, sind das die Auffassungen von Hohfeld, Feinberg, Hart, Dworkin und Raz. 346 Vgl. Wellman (1997), S. 243. 347 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1988), S. 225-236, neben den soeben erwähnten Auffassungen des Begriffs „ein Recht" noch Th. Hobbes\ J. Austins, R. Nozicks und J. Salmonds erörtert.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
203
auch für den Aufbau eines moralischen Rechts relevant sind. Wellmans Auffassung vom Aufbau eines Rechts hat sich in seinen späteren Schriften im Vergleich zur eingangs dargestellten Auffassung nicht wesentlich geändert. Zu seiner Auffassung eines Rechts (a right) bemerkt Wellman in „Real Rights", sie sei primär legalistisch (legalistic).348 Er glaube, dass der Begriff eines Rechts im Recht (law) entsprungen sei und dass legale Rechte immer noch unsere Modelle moralischer Rechte seien.349 Was fraglich sei, sei die Ausdehnung seines legalen Modells eines Rechts auf die Moral, nicht umgekehrt. 350 In seiner Erörterung institutioneller Rechte begreift Wellman ein legales Recht als einen Komplex Hohfeldscher Elemente.351 Im Folgenden werden in einzelnen Abschnitten Wellmans Bemerkungen zu den unterschiedlichen Komponenten in seiner Auffassung eines Rechts und zu den involvierten Personen erörtert. Diese sind: [B., II., 4., b), aa)] Kern des Rechts, [B., II., 4., b), bb)] verknüpfte Elemente, [B., II., 4., b), cc)] Herrschaft und [B., IL, 4., b), dd)] die Parteien eines Rechts. Anschließend wird Wellmans Definition eines legalen Rechts wiedergegeben. aa) Kern des Rechts Im Kern des Rechts steht nach Wellman ein Hohfeldsches Element, das dem Recht seine Einheit gibt. Da dieses Kernelement den Inhalt des Rechts definiere, würde eine Änderung des Kerns eine Änderung des Rechts bedeuten.352 Ein verknüpftes (associated) Element hinzuzufügen, abzuziehen oder zu ändern, bedeutete gewöhnlich, ein fortbestehendes legales Recht in einer nicht wesentlichen Art zu verändern. 353 Der Kern gebe dem Recht seine Einheit, weil jedes 348
Vgl. Wellman (1995), S. 132. Vgl. Wellman (1995), S. 121. 350 Vgl. Wellman (1995), S. 132. 351 Vgl. Wellman (1985), S. 81. 352 Vgl. Wellman (1985), S. 81. Als Ergänzung sei hier eine interessante Ausführung aus Wellmans Kommentar zu seinem Aufsatz „The Right to Privacy and Personal Autonomy" erwähnt. Darin lässt sich vielleicht eine Unterscheidung erkennen, die man in seinen oben wiedergegebenen Ausführungen nicht in derselben Form findet: Die Feststellung der Art des Hohfeldschen Elements, das den Kern eines Rechts konstituiere, sei nur ein erster Schritt in seiner Definition. Vgl. Wellman (1997), S. 36. Als Nächstes müsse man den Inhalt (content) dieses Kerns präzise bestimmen. Weil der Inhalt eines Rechts durch seine Grundlagen bestimmt sei, werde sich die beste Methode für die Definition eines Rechts durch die beste Theorie der Grundlagen eines Rechts erkennen lassen. - In (1999a), S. 156, bemerkt Wellman in Bezug auf das Menschenrecht auf ärztliche Versorgung: Wahrscheinlich werde der Inhalt jedes Rechts durch seine Grundlage (ground) bestimmt. Die Grundlage dieses Menschenrechts sei wahrscheinlich eine Vorstellung menschlichen Gedeihens, die die bestmögliche Gesundheit des Individuums einschließe. 349
3
Vgl. Wellman (1985), S.
1 f.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
zusätzliche Element mit dem Kern verknüpft sei. 354 Der Kern bestimme drei unterscheidbare, aber in Zusammenhang stehende Aspekte der Natur eines Rechts, (i) Erstens spezifiziere er die wesentliche praktische Relevanz des Rechts, weil jedes Hohfeldsche Element eine bestimmte Handlung betreffe (involves) wie z.B. einen geschuldeten Betrag zurückzuzahlen.355 (ii) Zweitens, bestimme er den Inhaber des legalen Rechts als ganzen. Obwohl ein legales Recht legale Positionen anderer Parteien enthalten könne, sei der Inhaber des Rechts notwendig die Partei, deren legale Position in dessen logischem und funktionalem Kern stehe, (iii) Drittens, bestimme der Kern die Modalität des Rechts. Obwohl das Recht des Gläubigers, bezahlt zu werden, verknüpfte Freiheiten 1, Kompetenzen und andere Hohfeldsche Elemente enthalte, sei es ein Anspruchsrecht, weil sein Kern ein legaler Anspruch des Gläubigers gegenüber dem Schuldner sei. Im Gegensatz zu seiner eingangs wiedergegebenen Auffassung (im Artikel „A new Conception of Human Rights"), behauptet Wellman hier, dass der Kern eines Rechts nicht komplex sein kann. Wellman führt unter anderem folgendes Argument an: Angenommen es gebe eine Situation, in der mehrere Hohfeldsche Elemente einerseits so eng miteinander verbunden seien, dass man versucht wäre, sie als Kerne eines einzelnen Rechts zu behandeln, andererseits jedoch nicht so fest miteinander verbunden seien, dass man sie als eine einzelne komplex definierte legale Position behandeln könnte; es wäre dennoch nicht notwendig, Rechte mit mehr als einem Kernelement zuzulassen, weil man sie eher als Rechtspakete (rights-packages) oder Mengen von Rechten (Clusters of rights), denn als einfache komplexe Rechte behandeln könnte. 356 Ein Musterbeispiel sei das Recht auf Leben, das wahrscheinlich zumindest ein Anspruchsrecht, nicht getötet zu werden, und ein Freiheitsrecht (liberty-right) auf Selbst354
Vgl. Wellman (1985), S. 82. Wellman schreibt an anderer Stelle: Verschiedene Interpretationen des Rechts hätten sehr unterschiedliche Implikationen für die Art, in der umstrittene Fälle entschieden werden sollten, weil die Spezifizierung der Art des Hohfeldschtn Elements, das den Kern eines Rechts bilde, bestimme, wie, sogar ob es in erster Linie auf irgendeinen einzelnen Fall Anwendung finde. Vgl. Wellman (1997), S. 36. Dasselbe gelte auch für die Relevanz eines moralischen Rechts für eine umstrittene Handlung. Dies demonstriere in welcher Weise und warum eine Hohfeldsche Auffassung (conception) von Rechten notwendig sei, um die praktischen Implikationen irgendeines Rechts explizit zu machen. 356 Vgl Wellman (1985), S. 83. Wellman verwendet hier einen Ausdruck von Feinberg. Vgl. Feinberg (1973), S. 70. Wellman bemerkt in (1997), S. 13, dass seine ursprüngliche Annahme, dass der Kern des Menschenrechts auf Privatleben drei Kernansprüche enthalte, nicht notwendig und unklug gewesen sei. Sie sei nicht notwendig gewesen, weil man Beispiele wie dieses als Rechtspakete in Feinbergs Sinn interpretieren könnte, als eine Menge (set) von Rechten, die mit einer einzelnen Tätigkeit (activity) oder Angelegenheit in Zusammenhang stünden. Sie sei nicht klug gewesen, weil sie zur Komplexität von Rechten beitragen würde, die in seiner Theorie schon komplexe Strukturen Hohfeldscher Elemente seien. 355
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Verteidigung enthalte, und das, was umstritten sei, auch so aufgefasst werden könnte, dass es ein Anspruchsrecht auf die Mittel zur Lebenserhaltung und bzw. oder ein Freiheitsrecht enthalte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Vorausgesetzt es gebe die Alternativen einer komplex definierten legalen Position und eines Rechts-Paketes, sei es niemals notwendig, ein legales Recht so darzustellen, als hätte es mehr als ein Hohfeldsches Element in seinem Kern. Zudem wäre ein Modell eines Rechts mit mehr als einem Kernelement in einer Theorie legaler Rechte theoretisch nicht wünschenswert. Die primäre Funktion des Kerns eines Rechts liege in der Definition des wesentlichen Inhalts dieses Rechts. Würde man die Möglichkeit eines Kerns zulassen, der aus mehr als einem Hohfeldschen Element bestehe, so würde sich die Frage stellen, wie logisch unterschiedliche und rechtlich voneinander getrennte Inhalte Kernelemente in einem einzelnen legalen Recht sein könnten. Ferner sei die Einheit des Kerns theoretisch wichtig, um Hohfelds Kritik zu begegnen, dass kein bloßes Aggregat legaler Elemente ein Recht bilden könne. Wenn der Kern die komplexe Struktur eines Rechts vereinheitlichen soll, dann müsse er eine feste Einheit haben. Idealerweise sollte er ein einzelnes legales Element sein. Schließlich würde die Zulassung von Rechten mit mehr als einem Kernelement die Möglichkeit bedeuten, dass sich die verschiedenen verknüpften Elemente auf die verschiedenen Kernelemente in verschiedener Weise beziehen und dass manche Elemente mit dem einen Kern aber nicht mit den anderen Kernen verknüpft seien.357 In diesem Fall werde die Komplexität der Struktur besser erfasst, indem man das Ganze als Rechtspaket statt als einzelnes Recht mit verschiedenen Kernen begreife. 358 Dementsprechend sei in seinem (sc. Wellmans) Modell eines legalen Rechts der Kern immer ein einzelnes Hohfeldsches Element, obwohl manchmal eine komplex definierte legale Position. Wellman fährt fort, dass nur ein legaler Vorteil (legal advantage) als Kern eines genuinen Rechts fungieren könne. Denn für ein legales Recht (right) sei nicht eine Wahl (choice) wesentlich, die durch das Recht (law) respektiert werde, 359 sondern, dass das Recht (law) in einem möglichen Willenskonflikt auf der Seite einer Partei gegenüber einer zweiten Partei stehe. Es gebe wichtige Einschränkungen in Bezug auf die Arten legaler Positionen, die als Kerne von Rechten fungieren könnten.360 Im Zentrum jedes legalen Rechts einer Partei X müsse es einen legalen Vorteil von X geben, in Bezug auf den X Herrschaft haben könne, weil Rechte eine sehr spezielle Art legalen Vorteils beträfen, der in der Zuweisung eines Systems von Freiheit2 und Kontrolle eher dem Rechtsinhaber als der zweiten Partei bestehe.361 357
Vgl. Vgl. 359 Vgl. Theorie. 360 Vgl. 358
Wellman (1985), S. 83 f. Wellman (1985), S. 84. dazu die vorhin wiedergegebene Auseinandersetzung Wellmans mit Harts Wellman (1985), S. 85.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kernpositionen - Im Kern eines Rechts könnten legale Ansprüche, Freiheitenl, Kompetenzen und Immunitäten stehen.362 Wellman untersucht anschließend, ob auch Verbindlichkeiten (liabilities) im Kern eines Rechts stehen könnten. 363 Am Beispiel eines Gesetzes über die Gültigkeit einer Vermählung zeigt er, dass auch Verbindlichkeiten im Kern eines Rechts stehen können. In diesem Beispiel hat die vorgeschriebene Vermählung zwei Stufen: Die Zustimmung der männlichen und der weiblichen Person und die folgende Erklärung durch einen Geistlichen oder Beamten, dass die Personen Mann und Frau seien.364 Daher müsse man zwischen der legalen Kompetenz des Paares zuzustimmen, vermählt zu werden, und der legalen Verbindlichkeit, anschließend vermählt zu werden, unterscheiden. Diese Verbindlichkeit korreliere logisch mit der legalen Kompetenz des Geistlichen oder Beamten, die Zeremonie durchzuführen. Die Erklärung durch den Geistlichen oder Beamten habe nur dann die legale Konsequenz Vermählung, wenn die Person, die die Erklärung vornimmt, die legale Kompetenz habe, Paare zu vermählen, und die Personen, die vermählt würden, legal berechtigt (eligible) seien, vermählt zu werden, und daher die legale Verbindlichkeit hätten, vermählt zu werden. 365 Diese legale Verbindlichkeit sei der Kern eines legalen Rechts, weil das berechtigte (eligible) Paar legale Herrschaft in Bezug auf seinen Genuss (enjoyment) (sc. des Kerns) habe. 366 Folglich erwürben sie diese legale Verbindlichkeit nur dann, wenn sie zuerst frei (freely) zustimmten, miteinander vermählt zu werden. Wellman schlussfolgert, dass es demnach mindestens fünf Arten Hohfeldscher Elemente gebe, die als Kern eines legalen Rechts fungieren könnten: Ansprüche, Freiheiten 1, Kompetenzen, Immunitäten und Verbindlichkeiten.
361
Wellman grenzt seine Auffassung gegenüber Holtfelds Voraussetzung ab, dass eine legale Position nur dann ein legaler Vorteil von X gegenüber Y sein könne, wenn sie eine relationale Position zwischen X gegenüber Y sein könne wie z.B. ein Anspruch von X gegenüber Y oder eine Kompetenz von X gegenüber (over) Y. Vgl. Wellman (1985), S. 85. Wellman behauptet hingegen, dass ein legaler Vorteil von X gegenüber Y nicht eine legale Position zwischen X und Y, den widerstreitenden Parteien in einer Konfrontation, innerhalb der es ein Vorteil sei, sein müsse. Dies untermauert er anhand von Beispielen, von denen eines hier erwähnt sei: Ein Mann, der eine Vergewaltigung beabsichtige, begegne einer Frau, die so etwas überhaupt nicht wünsche. In diesem Willenskonflikt stehe das Strafrecht auf Seiten der Frau gegen den Mann kraft der Pflicht, nicht zu vergewaltigen, die es ihm auferlege. Aber der korrelative legale Anspruch sei nicht ein legaler Anspruch der Frau, sondern des Staates. 362 Vgl. Wellman (1985), S. 85 f. 363 Vgl. Wellman (1985), S. 86. Wellman erwähnt, dass Hart ihm gegenüber bemerkt hatte, dass sein (sc. Harts) Modell legaler Rechte auf gewöhnliche Immunitätsund Verbindlichkeitsrechte ausgedehnt werden könnte. 364 Vgl. Wellman (1985), S. 88. 365 Vgl. Wellman (1985), S. 88 f. 3
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 8 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
207
Bestimmung des Kerns - Daraufhin erörtert Wellman die Frage, wie man den Kern eines legalen Rechts feststellen könne. Das Problem habe zwei unterscheidbare Aspekte: (i) Erstens, könne ein Teil der Sprache über legaler Rechte gegeben sein. Die legale Sprache (legal language) enthielte viele Ausdrücke wie „das Recht auf Vermählung" oder „das Recht auf Redefreiheit". Das Problem bestehe dann in der Interpretation der Bedeutung solcher Ausdrücke. Die klare Bedeutung dieser Ausdrücke, speziell wenn sie in Gesetzen oder richterlichen Entscheidungen auftauchten, müsse ernst genommen werden. Man müsse aber auch den Beweis der legislativen Intention und die Überlegung, die zur Rechtfertigung einer relevanten juristischen Entscheidung verwendet würde, betrachten. Man müsse sogar versuchen, legale Normen, in denen die Sprache über das Recht auftauche, im Licht des gesamten Rechtskomplexes (body of law) zu interpretieren. Da die Sprache über Rechte nur in Bezug auf mögliche Konfrontationen Bedeutung habe, müsse man schließlich jeden Rechtsausdruck im Licht seines Bezugs auf gegnerische (adversarial) Konflikte zwischen einem angeblichen Rechtsinhaber und einer zweiten Partei interpretieren, der gegenüber das Recht behauptet werden (hold) könnte. Aus diesem Grund schlage er ein Modell legaler Rechte vor, das in Begriffen Hohfeldscher legaler Positionen formuliert sei. (ii) Zweitens, könne man am anderen Ende beginnen. Was gegeben sei, könne eine Konfrontation sein, in der ein Gegner gegenüber einer zweiten Partei ans Recht (law) appelliere. Das Problem sei dann, die Art zu bestimmen und zu definieren, in der das Recht eine Partei, die ein Recht behaupte, gegenüber der widerstreitenden Partei begünstigen könnte, d.h. den behaupteten legalen Vorteil, um den sich der Konflikt drehe, zu bestimmen.367 Um dies zu tun, müsse man aus der Menge anwendbarer legaler Normen jene auswählen, die für diese Konfrontation relevant seien und ihre Sprache in der angemessenen Art interpretieren. 368 Obwohl man das Problem der Bestimmung des Kerns eines legalen Rechts auf beide Arten gestellt finden könne, in gegebener Sprache über Rechte oder in einer gegebenen Konfrontation zweier Parteien im Bereich des Rechts (law), sei es ein und dasselbe Problem in beiden Fällen. Seine Lösung sei durch seine Natur angedeutet. Die Sprache über legale Rechte müsse in Form ihrer Anwendung auf Konfrontationen von Parteien im Recht (law) interpretiert werden, und die Art, in der das Recht (law) eine Partei gegenüber der anderen begünstige, müsse in der Sprache maßgebender legaler Quellen verstanden werden. 369
367
Vgl. Wellman (1985), S. 89 f. Vgl. Wellman (1985), S. 90. 369 Wellman illustriert seine Ausführungen am Beispiel zweier unterschiedlichen Rechte auf Heirat, die hier nicht wiedergegeben werden. Vgl. Wellman (1985), S. 90 f. 368
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
bb) Verknüpfte Elemente Das Subjekt der verknüpften Elemente - Da ein Recht ein komplexer legaler Vorteil sei, müsse jedes der verknüpften Elemente selbst ein legaler Vorteil für den Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei sein. 370 Dennoch müssten die verknüpften Elemente nicht eine legale Position der ersten Partei sein. Z.B. werde die strafrechtliche (criminal) Pflicht des Nachbarn, eine Person nicht am Herschauen über seinen Gartenzaun durch Mord oder Angriff zu hindern, nicht vom Rechtsinhaber besessen (possessed), weil mit dieser Pflicht kein Anspruch des Rechtsinhabers korrelierte. Wahrscheinlich seien jedoch die verknüpften Elemente in jedem Recht sowohl legale Positionen des Rechtsinhabers als auch legale Vorteile für ihn. Die Art der Verknüpfung - Die Relation zwischen verknüpftem Element und definierendem Kern begreift Wellman folgendermaßen: 371 Rechte beträfen die Verteilung von Freiheit2 eher an den Rechtsinhaber als an zweite Parteien in einer möglichen Willenskonfrontation. 372 Rechte schlössen auch die Verteilung von Kontrolle eher an den Rechtsinhaber als an die zweite Partei in einer möglichen Konfrontation ein. Z.B. sei der Gläubiger nicht nur frei (free), die Rückzahlung zu akzeptieren, während der Schuldner rechtlich gezwungen sei, die Schuld zurückzuzahlen; der Gläubiger habe auch legale Kompetenzen, die der Schuldner ermangle, wie die Kompetenz, die Schuld zu erlassen oder die Rückzahlung einzuklagen, was ihm Kontrolle über die Pflicht gebe, die mit seinem Recht korreliere. Demnach gehöre jedes verknüpfte Element zum spezifizierten legalen Recht kraft der Verteilung einer Art von Freiheit2 und Kontrolle eher an den Inhaber seines Kerns als an eine zweite Partei. 373 Wesentlich sei, dass die verknüpften Elemente ein Maß an Freiheit2 oder Kontrolle direkt beitrügen. Direkte versus indirekte Freiheit2 und Kontrolle - Hohfeldsche Elemente, die indirekt durch die Wirkungen ihrer Ausübung oder ihres Genusses Freiheit2 und Kontrolle beitrügen, seien keine Bestandteile des spezifizierten Rechts, weil ihre Verbindung mit seinem definierenden Kern, wenn sie vorkomme, bloß zufällig sei. 374 So sei eines der verknüpften Elemente z.B. im Recht einer Person, über 370
Vgl. Wellman (1985), S. 92. Vgl. Wellman (1985), S. 92 f. Wellman verweist hier auf KLA. Hart, der in seiner Theorie Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage geliefert habe. Hart habe bemerkt, dass ein sehr wichtiges Charakteristikum eines Rechts sei, dass es „eine bestimmte Verteilung menschlicher Freiheit2" betreffe. Vgl. Hart (1955), S. 178. 372 Vgl. Wellman (1985), S. 93. 373 In (1982), S. 15 f., bemerkt Wellman: Jede vollständige Spezifizierung eines verknüpften Elements in einem Recht müsse den Kern erwähnen oder zumindest in der Sprache formuliert sein, die aus der Spezifizierung dieses Kerns rühre. Täte es das nicht, dann trüge es, selbst wenn es respektiert würde, nicht zur Freiheit2 oder Kontrolle in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss dieses Kerns bei. 371
3
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 3 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
209
den Zaun zu ihrem Nachbarn zu schauen, ihr legaler Anspruch gegenüber ihrem Nachbarn, nicht am Schauen durch einen tätlichen Angriff gehindert zu werden, weil dieses Hohfeldsche Element direkt die Ausübung der Kernfreiheitl der Person, über den Zaun zu ihrem Nachbarn zu schauen oder nicht zu schauen, schütze.375 Der legale Anspruch dieser Person gegenüber einem Freund hingegen, dass er ihr einen geschuldeten Betrag zurückzahle, den sie im Fall, dass ihr Nachbar sie am Schauen hinderte, nötig hätte, um sich einen Anwalt leisten zu können, um einen behördlichen Erlass zu erlangen, sei nicht ein Element des genannten Rechts.376 Verknüpfte Elemente, die respektiert werden - Wellman fügt folgende Bedingung hinzu. Das Besitzen einer legalen Freiheitl (legal liberty) bringe noch nicht die Freiheit2 (freedom) mit sich, sie auszuüben, weil die Handlungsfreiheit durch viele andere Beschränkungen als jene, die das Recht (law) auferlege, eingeschränkt sei. 377 Ferner garantiere das Besitzen einer legalen Kompetenz noch nicht automatisch tatsächliche Kontrolle, weil der Besitzer, wie z.B. jemand, dem die Geldmittel fehlten, um einen Rechtsanwalt zu beauftragen, nicht in der Lage sein könnte, seine legale Kompetenz auszuüben. Ein verknüpftes Element übertrage, nur sofern es respektiert werde, dem Rechtsinhaber Freiheit2 und Kontrolle in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss des Kerns des Rechts. Der Punkt oder Zweck jedes verknüpften Elements sei, solche Freiheit2 oder Kontrolle zu übertragen und in einem lebensfähigen Rechtssystem würden legale Positionen oft genug respektiert, so dass legale Vorteile sehr oft auch praktische Vorteile seien. Funktionale Verbindung - Abschließend bemerkt Wellman, dass die verknüpften Elemente in einem legalen Recht mit seinem definierenden Kern in 375
Vgl. Wellman (1985), S. 94. Ergänzend muss man auf eine Bemerkung Wellmans aus (1982) hinweisen, die besondere Aufmerksamkeit verdient. Wellman bemerkt in der Erörterung des legalen Wohlfahrtsrechts (legal welfare right), finanzielle Unterstützung für unterstützungsbedürftige Kinder zu empfangen: Die Beschaffenheit dieser verschiedenen verknüpften Elemente werde offensichtlich vom Kern abhängen, mit dem sie verknüpft seien. Vgl. (1982), S. 43. Wenn der Kern eine legale Freiheitl sei, würden die verknüpften Elemente solche Elemente wie eine Immunität gegen eine Klage auf Ersatz für angenommene Unterstützung, eine Immunität gegen eine Anklage wegen des Akts des Annehmens von Wohlfahrtsunterstützung und sogar einen legalen Anspruch gegen einen Eingriff in das Akzeptieren der Unterstützung einschließen. Wenn der Kern ein legaler Anspruch sei, würden die verknüpften Elemente wahrscheinlicher eine legale Kompetenz einschließen, Wohlfahrtsunterstützung zu beantragen, eine bilaterale legale Freiheitl, im Fall der angedrohten oder wirklichen Nichtbereitstellung der Unterstützung zu klagen oder nicht zu klagen, und vielleicht legale Ansprüche gegen verschiedene Formen von Eingriff in die Bemühungen, Unterstützung zu erlangen. Vgl. ebd., S. 43 f. Obwohl der Kern nur ein Teil des legalen Rechts sei, bestimme die Definition des Kerns die verknüpften Elemente, die das Recht als komplexes Ganzes vervollständigten und strukturierten. 376
3
Vgl. Wellman (1985), S. 4.
210
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
der Art funktional verbunden (tied) seien, in der jedes verknüpfte Element, sofern es respektiert werde, dem Inhaber des Kerns eine Art Freiheit2 oder Kontrolle in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss (enjoyment) dieses Kerns übertrage. Diese Bänder (ties) verliehen einem Recht eine feste Einheit, weil diese funktionale Verbindung eher direkt als indirekt sein müsse.378 cc) Herrschaft, Freiheit2, Kontrolle (1) Herrschaft
(dominion)
Wellman bemerkt, die Einheit eines Rechts sei sogar fester, als seine Darstellung bisher andeute.379 Freiheit2 und Kontrolle seien zwar begrifflich verschieden doch in Wirklichkeit untrennbar. Z.B. könne ich nicht eine genuine Freiheit2 (freedom) haben, einen Spaziergang im Wald zu machen, wenn ich nicht die Kontrolle über jeden hätte, der mich in mein Studierzimmer einsperren oder mir den Weg versperren würde. Umgekehrt könne ich keine wirkliche Kontrolle über meinen jungen Sohn haben, wenn ich nicht frei (free) sei, ihm Befehle zu erteilen und ihm Strafen für Ungehorsam aufzuerlegen. Ein respektiertes Recht übertrage seinem Inhaber eine zweiseitige Freiheit2-Kontrolle. Bei der Freiheit2 handle es sich um eine Freiheit2 von Einschränkungen, die durch zweite Parteien auferlegt würden, und bei der Kontrolle um eine Kontrolle über andere, die wünschen könnten, einen einzuschränken.380 Wellman fasst die Freiheit2Kontrolle (freedom-control) unter einem weiteren Begriff zusammen: „Herrschaft" (dominion),381 im Sinn einer Kompetenz zu regieren (power of govern378
Vgl. Wellman (1985), S. 95. Vgl. Wellman (1985), S. 95. 380 Vgl. Wellman (1985), S. 201. Eine wichtige Bemerkung findet man in Wellmans Kommentar zu seinem Aufsatz „Moral Rights and Positive Law" in (1997), S. 27: Die Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" seien faktische Begriffe (factual concepts). 381 Vgl. Wellman (1985), S. 95. Wellman bezieht sich in seinen Überlegungen auf Hart (1973), S. 192. Hart spricht dort, wie vorhin wiedergegeben, von der exklusiven Kontrolle, die einem Individuum durch das Recht (law) über die Pflicht einer anderen Person gegeben werde, so dass in dem Bereich des Verhaltens, der durch diese Pflicht erfasst werde, das Individuum, das das Recht habe, ein Souverän in kleinem Maßstab (small-scale sovereign) sei, dem die Pflicht geschuldet werde. Die Freiheit2-Kontrolle als Souveränität zu bezeichnen, hält Wellman für irreführend. Hart habe aber in die richtige Richtung gewiesen. - Wellman hatte in „A New Conception of Human Rights" ein ethisches Recht als „ein System ethischer Autonomie" begriffen. Später bemerkte er dazu, er sei sich nicht bewusst gewesen, dass diese Phrase ein begriffliches Problem barg. Wenn Autonomie in Freiheit2 und Kontrolle oder in Freiheit2Kontrolle bestehe, die vermutlich Tatsachen (matters of fact) seien, was könnte es bedeuten, dies als ethisch zu qualifizieren? Vgl. Wellman (1997), S. 15. In (1997), S. 37, bemerkt Wellman, dass er statt dem Wort „ A u t o n o m i e " das Wort „Herrschaft" eingeführt habe, weil ersteres in mehreren verschiedenen Bedeutungen in der Rechtswissenschaft und der Moralphilosophie verwendet werde und oft mit einer anderen Bedeutung verwechselt worden sei, z.B. der Bedeutung, in der das Grundrecht auf Privatle379
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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ing). 382 Die Herrschaft, die ein legales Recht dem Rechtsinhaber übertrage, sei eine zweiseitige Freiheit2-Kontrolle über einen begrenzten Bereich (domain), der durch den Kern des Rechts gegenüber der zweiten Partei oder Parteien dieses Rechts definiert sei. 383 Bis zu dem Grad, zu dem diese Herrschaft realisiert sei, ermögliche sie dem Willen des Rechtsinhabers, sich gegenüber dem Willen der zweiten Parteien in jeder Konfrontation durchzusetzen, in der das Recht relevant sei. 384 Folglich sei die wesentliche Funktion und der definierende
ben wirklich das Recht auf persönliche Autonomie sei. - Wellmans früheres Verständnis von Autonomie tritt in der Bestimmung dieses Begriffs in (1982), S. 16, zutage: Das, woran er (sc. Wellman) denke, sei Autonomie in der Bedeutung von Selbstbestimmung (self-determination): Ein legales Recht übertrage, sofern es respektiert werde, seinem Rechtsinhaber die Fähigkeit durch seinen eigenen Willen zu bestimmen, ob er das in Frage stehende Recht ausüben oder genießen (enjoy) werde. In Bezug auf diese Auffassung eines legalen Rechts hatte Wellman bemerkt, sie falle zweifellos eher in die Tradition der Willenstheorien als in die Tradition der Interesse- oder Nutznießertheorien von Rechten. Aber seine Theorie sei nicht einfach eine andere Version von Harts legal respektierter Wahltheorie (legally respected choice theory), weil er (sc. Wellman) nicht eine Wahl ins Zentrum seines Modells eines legalen Rechts stelle. Vgl. Wellman (1982), S. 16 f. 382 Wellman spricht von einer Kompetenz und nicht einem Recht zu regieren (right to govern). Vgl. Wellman (1985), S. 95. Denn es wäre zirkulär, den Begriff eines Rechts durch ein Recht zu herrschen (right to rule) zu definieren. Wellman führt als Beispiele jener, die Herrschaft hätten, unter anderem den römischen dominus (Roman dominus) an. Dieser sei in der römischen Gesellschaft alles andere als ein Souverän gewesen. Er hätte eine untergeordnete Position in der Gesellschaft gehabt und sei immer dem Recht unterworfen gewesen. Er sei jedoch der Gebieter über seinen Haushalt gewesen, d.i. über das Eigentum der Familie und die anderen Mitglieder der Familie. Innerhalb des Haushalts habe der dominus uneingeschränkte Freiheit2 und Kontrolle gegenüber den anderen gehabt, die durch ihren Gebieter gezwungen (constrained) worden seien und praktisch keine Kontrolle über ihn gehabt hätten. Die Herrschaft, die einem Rechtsinhaber durch ein respektiertes legales Recht übertragen werde, sei wesentlich ähnlich. Vgl. ebd., S. 95 f. 383 Vgl. Wellman (1985), S. 96 und 188. Wellman verwendet unterschiedliche Formulierungen in der Charakterisierung des Freiheit2-Kontrolle- oder Herrschaftsverhältnisses. So spricht er z.B. von einer Freiheit2 und Kontrolle, die die Ausübung und den Genuss des Kerns des Rechts betreffen. Vgl. (1985), S. 95, 161. An anderen Stellen formuliert Wellman, dass der Rechtsinhaber Herrschaft über den Kern (core) des Rechts hat - vgl. z.B. (1985), S. 198, oder (1995), S. 184 - , an anderen wiederum, dass er Herrschaft über einen beschränkten Bereich (limited domain) hat, der durch der Kern des Rechts und gegenüber einer oder mehreren zweiten Parteien dieses Rechts definiert wird. Vgl. (1985), S. 96, oder (1995), S. 9. 384 Wellman verwendet unterschiedliche Formulierungen in der Charakterisierung der Herrschaftsrelation des Rechtsinhabers in Bezug auf eine zweite Partei. So spricht er an manchen Stellen von einer Herrschaft über (dominion over) einen oder mehrere potentielle Gegner - vgl. Wellman (1985), S. 102, 188, - an anderen davon, dass ein Recht den Willen einer Partei gegenüber (in face of) dem Willen einer zweiten Partei im Bereich des Rechts begünstigt (advantages) - vgl. Wellman (1985), S. 195 - oder dass ein Recht einer Partei gegenüber einer anderen Partei Herrschaft über einen bestimmten Bereich in einer möglichen Willenskonfrontation überträgt. Vgl. Wellman (1995), S. 9. (Der Kursivdruck stammt nicht aus dem Original.)
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Zweck legaler Rechte die Bestimmung der Verteilung der Herrschaft unter jenen, die einem Rechtssystem unterworfen seien.385 Ergänzend hierzu sei angemerkt, dass Wellman Freiheit2 und Kontrolle in zwei eigenen Abschnitten erörtert, worauf im Folgenden kurz eingegangen wird. 386 (2) Freiheit2
(freedom)
Einige Gründe, aus denen Wellman kein Freiheitsmodell von Rechten vertri - In der Erklärung der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 (freedom) argumentiert Wellman gegen ein Freiheitsmodell (freedom model), als dessen Vertreter er Hobbes und Hart erwähnt, und für sein eigenes Herrschaftsmodell. 387 Harts Modell eines Rechts bestehe aus einer zentralen bilateralen Freiheit 1 mitsamt einem schützenden Umkreis aus Pflichten nicht einzugreifen (noninterference). Wellmans Argumentation umfasst folgende Punkte: (i) Da andere Elemente als Freiheiten 1 (liberties) mit Freiheit2 (freedom) wesentlich verbunden sein könnten, sei es nicht notwendig, ein Freiheitsmodell (freedom model) von Rechten zu übernehmen, um die notwendige Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 zu erklären, (ii) Ein Freiheitsmodell müsse zwangsläufig inadäquat sein, weil nicht alle Rechte Freiheitsrechte seien; es gebe auch Anspruchs-, Kompetenz-, Immunitäts- und sogar Verbindlichkeitsrechte (liability rights). Folglich könnte selbst im besten Fall das Freiheitsmodell nicht erklären, wie Rechte als Rechte notwendig mit Freiheit2 (freedom) verbunden seien, (iii) Auch genüge es nicht zu behaupten, dass nur eine Art von Rechten, nämlich Freiheitsrechte, Freiheit2 (freedom) übertragen würden. 388 Ein Anspruchsrecht gegen einen Eingriff in die eigenen Handlungen stehe durch seine eigentliche Beschaffenheit in einer Verbindung mit der Handlungsfreiheit des Rechtsinhabers. Selbst wenn man die Wichtigkeit von Freiheiten 1 (liberties) in der Erklärung der Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 als erwiesen annehmen würde, müssten diese Freiheiten 1 (liberties) nicht den Kern des Rechts bilden. Ein Teil dessen, was ein Anspruchsrecht zu einem genuinen Recht mache, sei bezeichnenderweise eine bilaterale Freiheit 1, die Kern-
385 In „Real Rights" spricht Wellman von einem legalen Vorteil, den die Freiheit2Kontrolle oder Herrschaft dem Rechtsinhaber über eine zweite Partei gebe, die dieses Recht einschränken mögen könnte. Vgl. Wellman (1995), S. 8. 386 Im Kapitel „The Importance of Rights" in Wellman (1985), S. 197 ff. 387 Wellman geht dabei kurz auf die Theorien von Hobbes und H.LA. Hart ein. Hobbes Auffassung eines Rechts führt er als Beispiel für ein Freiheitsmodell von Rechten (liberty model of rights)an, Harts Auffassung eines Rechts bezeichnet er als geschütztes Freiheitsmodell von Rechten (protected liberty model of rights). Vgl. Wellman (1985), S. 197. 38
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 198.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
213
kompetenz, Anspruch auf Erfüllung oder Abhilfe (remedy) zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. Diese bilaterale Freiheit 1 bilde eines der verknüpften Elemente in diesem komplexen Recht, (iv) Schließlich könnten andere Hohfeldsche Elemente als Freiheiten 1 (liberties) oder schützende Pflichten zur Freiheit2 (freedom) des Rechtsinhabers beitragen. Somit könne eine Kompetenz die Handlungsfreiheit erweitern, indem sie einem ermögliche, ein Rechtsgeschäft (act-in-the-law) oder eine Handlung-nach-der-Moral (act-in-morals) durchzuführen, das bzw. die man ohne diese Kompetenz nicht durchführen könnte. Ferner könne eine Immunität gegen den Verlust einer Freiheitl diese Freiheitl genauso, obzwar in einer anderen Weise schützen wie eine Pflicht nicht einzugreifen. Daher sei ein anderes Modell notwendig, um die wesentliche Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 zu erklären. Verknüpfte Elemente und Freiheit2 - Die wesentliche Verbindung jedes Rechts als Rechts mit Freiheit2 rühre nicht aus Freiheiten 1 (liberties) in seinem Kern, sondern aus seinen verknüpften Elementen. Jedes verknüpfte Element sei an den definierenden Kern des Rechts auf eine von zwei Arten gebunden, indem es Freiheit2 oder Kontrolle in Bezug auf diesen Kern übertrage. Da ein Aspekt von Herrschaft Freiheit2 sei und da jedes Recht durch seine wesentliche Beschaffenheit Herrschaft einschließe, seien Rechte notwendig mit Freiheit2 verbunden. Und da die verknüpften Elemente nicht Freiheiten 1, bloßes Nichtgegebensein gegenteiliger Pflichten, sein müssten, müsse die Relation von Rechten zu Freiheit2 nicht bloß negativ sein. Da Ansprüche und Immunitäten Freiheitl schützen könnten und Kompetenzen Freiheit2 erweitern könnten, täten Rechte mehr als den Rechtsinhaber unbehindert zu lassen (leave free); sie dienten auch dazu, Freiheit2 zu sichern und manchmal auch Freiheit2 einer bestimmten Art hervorzubringen. Freiheit2 als ein de facto Nicht gegebensein einer Behinderung - In Bezug auf die Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 bemerkt Wellman, dass während Rechte normativ seien, Freiheit2 ein de facto Nichtgegebensein einer Behinderung oder Einschränkung sei. 389 Demgemäß würden Rechte nur dann tatsächliche (actual) Freiheit2 übertragen, wenn sie respektiert würden. Rechte gliedern Freiheit2 - Wellman stellt die Frage, ob Rechte Freiheit2 vergrößerten und ob es z.B. in einer Gesellschaft mit vielen legalen Rechten mehr individuelle Freiheit2 geben würde, als in einer Gesellschaft mit einem legalen Kodex (code) ohne Rechte im strengen Sinn. Wellman bemerkt, dass er darauf keine Antwort habe. Für die Verbindung von Rechten und Freiheit2 sei bezeichnend, dass Rechte Freiheit2 gliederten (articulate). Rechte zerteilten (carve up) eine undifferenzierte allgemeine Freiheit2 in spezielle Freiheiten2 (freedoms). Es seien die verknüpften Elemente innerhalb jedes Rechts, die, so-
3
V g l . Wellman (1985), S. 1 9 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
fern sie respektiert würden, dem Rechtsinhaber Herrschaft und damit Freiheit2 übertragen würden; aber der definierende Kern bestimme den Bereich dieser Herrschaft. Folglich bildeten Rechte komplexe Normen, die bestimmten wer welche Freiheit2 wem gegenüber haben solle. Rechte seien wesentlich mit Freiheit2 verbunden aufgrund der Art, in der sie die Verteilung (allocation) von Freiheiten2 bestimmten.390 Diese Verbindung sei am besten durch ein Herrschaftsmodell und nicht durch ein Freiheitsmodell (liberty-model) erklärt. 391 Rechtsinhaber und Freiheit2 - Zur theoretischen Bedeutung der wesentlichen Verbindung von Rechten und Freiheit2 bemerkt Wellman Folgendes. Sofern es für jedes genuine Recht von entscheidender Bedeutung sei, dass es, sofern es respektiert werde, zur Freiheit2 seines Besitzers beitrage, könnte man Rechte nur solchen Wesen zuschreiben, von denen man wirklich behaupten könne, sie seien frei (free). Da man nur von Wesen, die zur rationalen Wahl und freiwilligen Handlung fähig seien, behaupten könne, sie seien wirklich frei (free), seien nur solche fähig, Rechtsinhaber zu sein. Zur praktischen Bedeutung der Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 Wellman führt zwei Aspekte der praktischen Bedeutung der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2 an: Erstens sei der spezielle Beitrag von Rechten für Freiheit2 von großem Wert für den Rechtsinhaber, weil sie ihm ermöglichten, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Zweitens sei die Art, in der Rechte die allgemeine Freiheit2 in spezifische Freiheiten2 (freedoms) zerteilten (carve up) von großer Bedeutung.392 Vollständige Freiheit2, sofern es Sinn mache von einem Zustand (condition) zu sprechen, in dem jedes Individuum keinen Hindernissen oder Einschränkungen hinsichtlich seiner Handlungen unterworfen sei, sei in der Praxis sowohl in jeder Gesellschaft als auch in einem Naturzustand (state of nature) unmöglich. Sowohl das Streben nach individuellem Glück als auch die Erhaltung des sozialen Friedens verlangten, von allen möglichen aber nicht vereinbaren (not compossible) Freiheiten2 jene auszuwählen, die zu erlauben und sogar zu schützen seien. Genau dies täten Rechte. Der Kern jedes Rechts definiere einen begrenzten Bereich, über den die verknüpften Elemente, sofern sie respektiert würden, dem Rechtsinhaber Freiheit2 übertragen würden. Rechte gäben begrenzten Freiheiten2 (freedoms) des
390
Vgl. Wellman (1985), S. 199. Ergänzend seien Wellmans Ausführungen aus (1982), S. 13, erwähnt. Wellman bemerkt dort (mit Bezug auf Hart (1955), S. 184), dass es eine wesentliche begriffliche Verbindung zwischen Rechten und Freiheit^ gebe. Es sei kein Zufall, dass die großen Erklärungen von Rechten Dokumente der menschlichen Freiheit2 gewesen seien. Überdies beträfen Rechte wesenüich die Verteilung (distribution) von Freiheit2. Hart habe erkannt, dass Rechte die Freiheit2 des Inhabers gegenüber einer oder mehrerer zweiter Parteien betreffen, die diese Freiheit2 bedrohen könnten. 391 Vgl. Wellman (1985), S. 199. 3
Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 2 0 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
215
Besitzers normative Priorität und verweigerten zugleich der zweiten Partei unvereinbare Arten von Freiheit2. (3) Kontrolle
(control)
Einige Gründe, aus denen Wellman kein Kompetenzmodell von Rechten ver tritt - Im Abschnitt über Kontrolle bemerkt Wellman, dass Erfahrung darauf hinweise, dass der Inhaber eines Stück Eigentums oder greifbaren Gegenstandes normalerweise Kontrolle über seinen Gebrauch habe und immer haben sollte. 393 Dies weise darauf hin, dass ein wesentliches Charakteristikum von Rechten darin bestehe, dem Rechtsinhaber eine Art tatsächlicher oder normativer Kontrolle darüber zu geben, wozu er ein Recht habe. 394 In derselben Weise, in der man versucht sei, Rechte mit Freiheit2 (freedom) ausschließlich in Form von Freiheiten 1 (liberties) zu verbinden, könnte man die Frage, wie Rechte notwendig mit Kontrolle verbunden seien, nur in Begriffen von Kompetenzen zu erklären versuchen.395 Beide Versuche misslängen aber aus ähnlichen Gründen. 396 Es wäre ein Fehler, ein legales bzw. moralisches Recht als eine Kompetenz zu verstehen, die z.B. durch die Gesellschaft übertragen werde. 397 Da nicht alle 393
Vgl. Wellman (1985), S. 200. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman an verschiedenen anderen Stellen bemerkt, dass „Freiheit2" und „Kontrolle" faktische Begriffe sind. In seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „Moral Rights and Positive Law" bemerkt Wellman, dass die Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" faktische Begriffe (factual concepts) seien, während Hohfelds Begriffe (conceptions) von Ansprüchen, Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten normative Begriffe seien. Vgl. Wellman (1997), S. 27. Ebenso in Wellman (1982), S. 15. - Es sei ferner erwähnt, dass Wellman, wie wir in seiner Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie über Rechte gesehen haben, auf die wichtige Rolle der Kontrolle in Harts Überlegungen hingewiesen hat. Vgl. Wellman (1985), S. 71. Hart spricht dort, wie wir gesehen haben, von Kompetenzen, die dem Rechtsinhaber Kontrolle über die korrelative Verpflichtungen geben, - vgl. ebd. - oder von „der speziellen Form von Kontrolle über die korrelative Pflicht, die einer Person mit einem solchen Recht (right), durch das Recht (law) gegeben werde" - vgl. ebd., S. 74, bzw. Hart (1973), S. 193. 395 Wie wir gesehen haben, hat Wellman in seiner Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie über Rechte auf den Zusammenhang zwischen legalen Kompetenzen und Kontrolle bei Anspruchsrechten hingewiesen. Wellman bemerkt dort in Bezug auf die Frage, ob Harts Modell eines Rechts erkläre, inwiefern relative Pflichten relativ sind: Wahrscheinlich werde jede Erklärung der Art, in der eine korrelative Verpflichtung dem Rechtsinhaber geschuldet (owed to) werde, auch erklären, wie ein legaler Anspruch gegenüber dem Pflichtinhaber behauptet werde (holds against). Vgl. Wellman (1985), S. 71. Hart argumentiere, dass dierichtigeErklärung in der speziellen Stellung des Ansprucherhebenden liege, die in bestimmten legalen Kompetenzen bestehe, die ihm eine Kontrolle über die korrelative Verpflichtung übertrügen. Dies sei eine profunde Einsicht. 396 Vgl. Wellman (1985), S. 200 f. 397 Vgl. Wellman (1985), S. 201. (Wellman zitiert an dieser Stelle: Holland, T. E.\ Jurisprudence. 12* ed. Oxford: The Clarendon Press 1916, S. 83.) 394
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Rechte Kompetenzrechte seien, könne kein Kompetenzmodell erklären, wie alle Rechte aufgrund ihrer Beschaffenheit mit Kontrolle verbunden seien. Außerdem würden andere Arten von Rechten manchmal einen Beitrag zur Kontrolle des Rechtsinhabers leisten. Demgemäß würde mein Anspruchsrecht gegenüber anderen, von meinem Auto nicht ohne meine Erlaubnis Gebrauch zu machen, und mein Freiheitsrecht, einen Dieb zu hindern, bedeutend zu meiner Kontrolle darüber, wie von meinem Auto Gebrauch zu machen sei, beitragen. Schließlich würden andere verknüpfte Elemente als verknüpfte Kompetenzen auf unterschiedliche Weise zur Kontrolle des Rechtsinhabers über den Kern seines Rechts beitragen. Z.B. sichere das Immunitätsrecht des Inhabers gegen Beraubung oder helfe zu sichern, dass die Kontrolle über sein Auto eher in seinen Händen bleibe, als in die Hände eines anderen zu fallen. Die Art, in der Rechte notwendig mit Kontrolle verbunden seien, könne am besten nicht durch ein Kompetenzmodell, sondern durch ein Herrschaftsmodell von Rechten erklärt werden. Herrschaft schließe zwei untrennbare Aspekte ein: Freiheit2 von Einschränkungen, die durch zweite Parteien auferlegt würden, und Kontrolle über andere, die wünschen könnten, einen einzuschränken. Somit sei die Erklärung der wesentlichen Verbindung von Rechten und Kontrolle das Gegenstück zur Erklärung der Relation von Rechten zu Freiheit2. Wellman listet hierbei folgende Punkte auf: (i) Rechte würden dem Rechtsinhaber Kontrolle übertragen, sofern sie dies täten, nicht so sehr kraft von Kernkompetenzen wie durch verknüpfte Elemente, die sich mit dem Kern verbänden, um Herrschaft über diesen zu übertragen. Verschiedene Arten verknüpfter Elemente - z.B. Kompetenzen, in Kontrast zu Freiheiten 1, oder Immunitäten - leisteten in unterschiedlicher Weise einen Beitrag zur Kontrolle des Besitzers des Rechts, (ii) Jedes Recht übertrage eine begrenzte Sphäre der Kontrolle. So wie Rechte Freiheit2 in Freiheiten2 einteilten („break up"), so unterschieden die definierenden Kerne spezifischer Rechte zwischen spezifischen begrenzten Bereichen (domains) von Kontrolle, (iii) Jede Kontrolle des Rechtsinhabers sei notwendig eine Kontrolle über andere, aber der Bereich (ränge) anderer sei auf die zweiten Parteien begrenzt, die durch das spezifische Recht festgestellt würden, (iv) Rechte würden nur, sofern sie respektiert würden, Kontrolle an ihre Besitzer gegenüber einer oder mehreren zweiten Parteien übertragen. 398
Die theoretische Bedeutung der Verbindung zwischen Rechten und Kontrolle - Die theoretische Bedeutung dieser charakteristischen Weise, in der Rechte notwendig mit Kontrolle verbunden seien, liege erstens in folgender Einsicht: (a) Obwohl die volle Interpretation der speziellen Stellung (special Standing), die jedes Recht seinem Inhaber übertrage, wahrscheinlich beide Aspekte der Herrschaft einschließe, also Freiheit2 und Kontrolle, lege die Tatsache, dass die legale Stellung zu klagen (to sue) das Paradigma einer speziellen Stellung sei, 38
V g l . Wellman ( 1 9 ) , S. 20
.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
217
nahe, dass die primäre praktische Bedeutung der speziellen Stellung in der Kontrolle liege, die sie einem gebe. 399 Tatsächlich bezögen sich viele der Verben, die für das Vokabular der Rechte zentral seien - Anspruch zu erheben (to claim), zu verzichten (to waive, renounce), abzutreten an (to transfer) - auf Ausübungen einer Kontrolle. Reduziere man oder nehme man die Dimension der Kontrolle weg, werde jedes Recht abgeschwächt oder sogar in etwas Geringeres als ein genuines Recht transformiert. Dies zeige, dass irgendeine Form der Willenstheorie angemessener sei als jede Version der Interessetheorie. Die Zentralität des Begriffs der Kontrolle im Begriff eines Rechts zeige uns, dass ein wesentliches Charakteristikum jedes Rechts in dieser wichtigen Art liege, den Willen des Rechtsinhabers zu respektieren und zu unterstützen, (b) Eine weitere und vielleicht tiefere Einsicht, die man aus der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Kontrolle gewinnen könnte, sei, dass Rechte nicht gänzlich auf Pflichten reduzierbar und durch sie definierbar seien. Es sei zumindest denkbar, dass Freiheit2 (freedom) gänzlich in Form von Pflichten und ihr Nichtgegebensein - d.i. Freiheiten 1 (liberties) erklärt werden könnte. Die Art aber, in der Rechte in Relation zu Kontrolle stünden, erfordere einen reicheren Begriffsapparat, der zumindest die Begriffe einer Kompetenz und einer Immunität einschließe. Freilich könnte die Verbindung zwischen Rechten und Kontrolle nicht ausschließlich in Form von Kompetenzen, die sie enthielten, erklärt werden. Es sei aber gleichermaßen und in bedeutenderer Weise wahr, dass die Art, in der Rechte, sofern sie respektiert würden, Kontrolle übertragen würden, nur dadurch angemessen erklärt werden könne, dass man Kompetenzen und andere, durch Kompetenzen definierte Elemente, wie Immunitäten und Verbindlichkeiten, unter den Hohfeldschen Elementen einschließe, die ein genuines Recht konstituierten. Folglich weise die Erkenntnis der Verbindung zwischen Rechten und Kontrolle auf ein stärkeres (richer) Modell von Rechten hin, eines, das die theoretische Möglichkeit ausschließe, dass Rechte gänzlich in Form von Pflichten analysiert werden könnten. Rechte teilen Kontrolle auf - Die praktische Bedeutung des Beitrags von Rechten zur Kontrolle sei, dass Rechte Kontrolle in spezifische Bereiche von Kontrolle über bestimmte zweite Parteien aufteilten. Nur so aufgeteilt, könne Kontrolle unter Individuen und Körperschaften verteilt werden. In Bezug auf diese Zuweisung von Kontrolle an einzelne Rechtsinhaber bemerkt Wellman: Sie helfe sicherzustellen, dass andere nicht in jemandes Leben in störender oder schädlicher Weise eingriffen. 400 Das Besitzen von Kontrolle über Dinge, die einen beträfen, liefere die Sicherheit, die für rationale Planung und Ausführung langfristiger Projekte notwendig sei. Ermangle man Kontrolle, müsse man vorsichtig handeln, wie wenn man defensiv fahre und oft abwarten müsse, was
4
Vgl. Wellman (1985), S. Vgl. Wellman (1985), S.
. .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
andere täten, um dann auf ihre Initiative zu reagieren. Seien die relevanten Rechte gegeben, habe man eine angemessene Gewissheit, die Kontrolle zu haben, die notwendig sei, um seine Pläne auszuführen. Individuelle Projekte seien sowohl für das Glück und das Wohlergehen des Handelnden von großer Bedeutung als auch für die Entwicklung seiner selbst.401 Die Verteilung spezifischer Bereiche von Kontrolle an bestimmte Individuen und Körperschaften sei auch von großer Wichtigkeit für die Gesellschaft. Die Verteilung von Rechten in einer Gesellschaft, die notwendig auch die Verteilung von Kontrolle mit sich führe, sei eine Art, jenen Kontrolle zu geben, die voraussichtlich den besten Gebrauch von ihr machen würden, im Sinn der Maximierung sozialen Nutzens. Z.B. sollte man Ärzten die Kontrolle über medizinische Entscheidungen geben, da ihr Wissen ihnen ermöglichen werde, diese Kontrolle am vernünftigsten zu gebrauchen. Die andere Seite der Medaille sei, dass die Zuweisung von Kontrolle an verschiedene Rechtsinhaber eine Art sei, Verantwortlichkeiten zuzuschreiben. Wenn jemand wünsche, Eltern die primäre Pflicht aufzuerlegen, für ihre Kinder zu sorgen, dann müsse er ihnen Kontrolle über jene Dinge geben, die zur Erfüllung dieser Pflicht nötig seien. Zugleich mache man es dadurch annehmbar, die Eltern für die Erfüllung ihrer Pflichten in Bezug auf ihre Kinder verantwortlich zu machen.
401
Eine ähnliche Argumentation findet man in Wellmans Aufsatz „Terrorism and Moral Rights" in dem Zusammenhang wieder, wo Wellman zu erklären versucht, warum die Erfüllung der moralischen Pflicht, das Eigentum (property) einer Person nicht zu beschädigen und zu zerstören, nützlich ist. Vgl. Wellman (1997), S. 154. Wellman argumentiert dort, dass jedes menschliche Projekt den Gebrauch von Gütern (goods) der einen oder anderen Art erfordere und dass jedes langfristige Projekt langfristige Kontrolle über die instrumenteilen Güter erfordern werde, die für die Erreichung seines Ziels notwendig sei. Vgl. ebd., S. 154 f. Jeder Akt, der Eigentum einer Person zerstöre oder beschädige, werde eines oder mehrere ihrer laufenden Projekte unterbrechen und durchkreuzen und werde sicherlich die Projekte einschränken, die sie in Zukunft in Angriff zu nehmen imstande sein werde. Wellman stellt daraufhin die Frage, warum dies eine Rolle spiele. Menschliche Projekte beabsichtigten die Erreichung von Zielen, die als lohnend erachtet würden und tatsächlich gewöhnlich Werte hervorbrächten, entweder aufgrund der hervorgebrachten Güter oder des genossenen Konsums oder beidem. Überdies seien es die Projekte, die den Handlungen und Erfahrungen einer Person Sinn oder Wichtigkeit verliehen. Diese Dimension des Sinnvollen (meaningfullness) mache den Unterschied zwischen einer trivialen und einer wichtigen Handlung oder Erfahrung aus und bildete einen wichtigen sozialen Aspekt des inneren Werts, aus dem sich der Wert jedes Guts (good) ableite. Akte, die mit der konventionellen Regel konform seien, die anderen verbiete, das Eigentum einer Person zu zerstören oder zu beschädigen seien charakteristischerweise höchst nützlich, weil sie dazu dienten eine wesentliche Bedingung für die Ausführung der eigenen Projekte bereitzustellen: das sichere Besitzen von Gütern, von denen man in seinen Projekten Gebrauch machen könnte.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte 219 dd) Die Parteien eines Rechts Rechte setzten eine Konfrontation voraus, auf die sie anwendbar seien.402 Es gebe zu jedem Recht drei Parteien oder Klassen von Parteien. Die erste Partei (bzw. ersten Parteien), die das Recht besitze (bzw. besäßen), die zweite Partei (bzw. zweite Parteien), gegenüber der (bzw. denen) das Recht gelte (holds), und dritte Parteien, die in einer Position seien, in die vorausgesetzte Konfrontation einzugreifen und für die eine Partei gegenüber der anderen Partei Partei zu ergreifen. 403 Die erste Partei - Die erste Partei sei der Rechtsinhaber oder Besitzer des Rechts.404 Sie besitze den definierenden Kern des Rechts. Nicht alle verknüpften Elemente müssten aber Positionen des Besitzers des Rechts sein. Er besitze eine Anzahl legaler Vorteile, die ihm, sofern sie respektiert würden, Herrschaft in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss der Kernposition gegenüber irgendwelchen Gegnern gäben. Die zweite Partei - Die zweite Partei sei jede, deren Wille mit dem Willen des Rechtsinhabers in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss des Kerns des Rechts konfligieren könnte und in einer solchen Konfrontation alles in allem durch das Recht (law) benachteiligt (disadvantaged) würde. 405 Die Qualifizierung „alles in allem" („on balance") sei aus dem Grund wichtig, weil kein einzelner legaler Vorteil gegenüber einer zweiten Partei gelten (hold) würde. Nur ein Komplex Hohfeldscher Elemente könnte ein legales Recht bilden. Die dritte Partei - Die dritten Parteien legaler Rechte fielen unter zwei Klassen: Justizbeamte (legal officials) und gemeine Bürger. 406 Manche der legalen Positionen dritter Parteien würden, sofern sie respektiert würden, zur Freiheit2 oder Kontrolle des Rechtsinhabers in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss des Kerns eines legalen Rechts beitragen. Demnach würden manche dritte-Partei-Hohfeldsche-Elemente Bestandteile eines legalen Rechts bilden. Aber um die Einheit des Rechts aufrechtzuerhalten, sollten nur dritte-Partei-Positionen als verknüpfte Elemente eines spezifizierten Rechts begriffen werden, die, sofern sie respektiert würden, notwendigerweise zur Herrschaft der ersten Partei gegenüber einer zweiten Partei beitrügen. 407
402 403 404 405 406 407
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), (1985), (1985), (1985), (1985), (1985),
S. 96. S. 96 und 102. S. 97, 99. S. 99. S. 101. S. 101 f.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ee) Definition eines legalen Rechts Definition eines legalen Rechts - In seinem späteren Werk „Real Rights" fasst Wellman seine Definition eines legalen Rechts aus „A Theory of Rights" folgendermaßen zusammen: „Ein legales Recht sei ein System Hohfeldscher Positionen, die, sofern sie respektiert würden, einer Partei gegenüber einer anderen Partei in einer möglichen Konfrontation Herrschaft über einen bestimmten Bereich (domain) übertragen würden" und ergänzt sie um den Satz: „und die (sc. Hohfeldschen Positionen) in der legalen Norm oder den legalen Normen der geeigneten (appropriate) Art beinhaltet seien, die dieses System bildeten." 408 Anhand dieser Definition formuliert Wellman dann seine allgemeine Definition eines Rechts, dessen Unterarten legale und moralische Rechte bilden. 409
Ein legales Recht als ein dynamisches, funktionelles und logisches System Wellman bemerkt in „Real Rights", seine Auffassung aus „A Theory of Rights" sei zumindest in zweifacher Weise irreführend gewesen: Sie legte nahe, dass ein Recht aus einer festgesetzten (fixed) Menge Hohfeldscher Elemente bestehe und dass diese Elemente dem Recht, das sie konstituierten, logisch vorausgingen.410 Andere Autoren 411 hätten aber überzeugend argumentiert, dass ein legales Recht ümstandshalber auf eine veränderliche (variable) Menge Hohfeldscher Positionen hinauslaufen könne und dass das Recht den legalen Ansprüchen, Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten vorausgehe, die ihm normativen Schutz gäben. Wellman korrigiert in „Real Rights" seine Auffassung um folgende Einsicht: Ein legales Recht bestehe nicht aus einer fixen Anzahl Hohfeldscher Elemente wie z.B. unser Sonnensystem aus der Sonne und der um sie kreisenden Menge von Planeten bestehe.412 Ein legales Recht bestehe nicht aus einer bestimmten und unveränderlichen Menge an Elementen. Es sei ein unbestimmtes System Hohfeldscher Elemente. Ein Recht (right) könne neue legale 408
Vgl. Wellman (1995), S. 8 f. und 24. Auf die Frage, warum ein Recht, nur sofern es respektiert wird, Herrschaft überträgt, wird im Abschnitt über Schutz [B., II., 4., h)., dd)] näher eingegangen. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman, in (1997), S. 3, bemerkt, es sei wesentlich für den Begriff eines Rechts, dass jedes Recht verletzt werden könne. - Seine Auffassung eines legalen Rechts hatte Wellman zuvor unter anderem in den Aufsätzen „Upholding Regal Rights", vgl. Wellman (1997), S. 50 ff., und „Legal Rights", vgl. ebd., S. 69 ff., dargelegt. Wie vorhin im Abschnitt über Herrschaft [B., H., 4., b), cc)] angemerkt, ordnet Wellman seine Auffassung eines legalen Rechts in (1982), wo er noch den Begriff „Autonomie" statt „Herrschaft" verwendet, der Tradition der Willenstheorien zu. Vgl. Wellman (1982), S. 16 f. 409 Vgl. Wellman (1995), S. 9, 38. 410 Vgl. Wellman (1995), S. 7. 411 Wellman verweist auf MacCormick (1977), S. 200 f., 206. 412 Vgl. Wellman (1995), S. 8. - In „Legal Rights", wiederabgedruckt in: Wellman (1997), S. 63-73, vergleicht Wellman auf S. 69 f., den Aufbau eines legalen Rechts mit einem Sonnensystem. Vgl. auch ebd., S. 12.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Positionen begründen, wenn sich das Recht (law) unter sich ändernden Umständen entwickle.413 Obwohl ein Recht ein System Hohfeldscher Positionen sei, sei es ein dynamisches System, das aus allen Positionen bestehe, die bis dato anerkannt oder nicht anerkannt seien und die im Recht (law) enthalten seien, das dieses Recht (right) festsetze. Ein legales Recht sei nicht nur ein funktionelles System Hohfeldscher Positionen - eine Menge Hohfeldscher Elemente, die zusammen die Funktion hätten, Herrschaft einer Partei nach dem Gesetz zu übertragen sondern auch ein logisches System, eine legale Position, die verknüpfte Elemente beinhaltete (implies), die notwendig seien, um dem Rechtsinhaber einen legalen Vorteil unter sich ändernden Umständen zu geben 4 1 4 Streng genommen sei es nicht die legale Position des Rechtsinhabers, die die verknüpften Elemente beinhaltete, die in seinem Recht inbegriffen seien: Diese variablen legalen Positionen seien in der legalen Norm oder den legalen Normen inbegriffen, die diesen legalen Vorteil (advantage) im Recht (law) definierten und übertragen würden. 415 Am Rande sei erwähnt, dass Wellman in einem eigenen Kapitel erörtert, wie Rechte Pflichten implizieren könnten.416 Ein Teil dieser Erörterung wird im Folgenden, insofern er für die Existenz von Rechten relevant ist, wiedergegeben. Die Frage nach dem Verhältnis von Rechten und Pflichten bildet ein eigenes Thema, das hier nicht berücksichtigt werden kann 4 1 7 In der Erörterung von 4,3 Vgl. Wellman (1995), S. 24. In „Upholding Legal Rights" spricht Wellman davon, dass wenn ein Recht nicht geschützt wird (upheld), es manchmal möglich ist, es in einer Weise zu restrukturieren (restructure), die es sicherer macht. Vgl. Wellman (1997), S. 61. 414 Vgl. Wellman (1995), S. 8. 415 In (1999a) bemerkt Wellman zu seiner Auffassung eines Rechts: Nicht jeder werde seine Theorie über die Beschaffenheit eines Rechts akzeptieren. Vgl. ebd., S. 9. Aber jene, die ihm beipflichteten, dass Holtfelds Unterscheidungen zwischen Ansprüchen, Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten nützlich seien, müssten seine Terminologie von Kern und verknüpften Elementen nicht ablehnen. Sie könnten einfach darauf bestehen, dass verknüpfte Elemente eher äußerlich mit einem legalen oder moralischen Recht als innerlich mit seiner wirklichen Beschaffenheit verbunden seien. 416 Im Kapitel „Implied Duties", in: Wellman (1995), S. 178-199. 417 Wellman erörtert korrelative, verknüpfte, neue und ergänzende Pflichten. In Bezug auf korrelative Pflichten bemerkt Wellman: Weil Rechte eine Komplexität hätten, die Pflichten ermangelten, könnte jede korrelative Pflicht bestenfalls mit dem Kern eines Rechts korrelieren, nicht mit dem ganzen Recht. Außerdem würden viele der Hohfeldschcn Elemente in einem Recht andere logische Korrelate als Pflichten haben. Vgl. Wellman (1995), S. 184. (An anderer Stelle, in der Erörterung der Grundlagen moralischer Rechte, bemerkt Wellman, dass Rechte nicht auf Pflichten reduzierbar seien. Vgl. ebd., S. 100.) Wellman bemerkt schließlich - in Anlehnung an Holtfeld, vgl. ebd., S. 184 - , dass nur Anspruchsrechte (claim-rights) korrelierende Pflichten implizierten (imply), weil nur der Anspruch ein Kern deijenigen Art (kind of core) sei, der logisch mit einer Pflicht korreliere. Vgl. ebd., S. 186. Andere Arten von Rechten könnten „kongruente" (congruent) Pflichten kraft ihrer assoziierten Elemente implizieren.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Konflikten moralischer Rechte bemerkt Wellman, dass Rechte verschiedene Arten von Hohfeldschen Positionen implizierten. 418 Demnach könne und wahrscheinlich werde ein wirkliches (real) Recht eine oder mehrere prima facie Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten zusätzlich zu einer oder mehreren prima facie Pflichten implizieren. c) Das Modell und seine Bedeutung Wellmans Modell ist analytisch und es ist keine Definition der Bedeutung eines legalen Rechts - Wellman argumentiert in „A Theory of Rights", dass seine Unterscheidung zwischen definierendem Kern und verknüpften Elementen erklären könne, wie ein gegebenes legales Recht wesentlich unverändert bleiben könne und doch verschiedene Mengen (sets) Hohfeldscher Elemente zu verschiedenen Zeiten enthalten könne. 419 Solange der definierende Kern eines legalen Rechts weiterbestehe, könnten verknüpfte Elemente hinzugefügt, abgezogen oder geändert werden, ohne dass sich der wesentliche Inhalt des Rechts ändere. Wellman räumt ferner die Möglichkeit ein, dass Gerichte in ihrer Entscheidung neuer Fälle neue Hohfeldsche Elemente folgern könnten. Keine begrenzte Menge Hohfeldscher Elemente könne den Sinn (meaning)420 der Gesetzgebung oder juristischen Entscheidung ausschöpfen, die die Existenz eines bestimmten legalen Rechts festsetze. 421 Demgemäß habe er (sc. Wellman) ein analytisches Modell legaler Rechte und nicht eine Definition der Bedeutung der legalen Sprache über Rechte vorgeschlagen. Dies erläutert Wellman folgendermaßen: Obwohl die Vorstellung, dass ein legales Recht buchstäblich ein Komplex Hohfeldscher Elemente sei, unrichtig wäre, sei es gänzlich angemessen zu behaupten, dass ein legales Recht am besten als eine solche komplexe Struktur vorgestellt werden könne. Zur Interpretation der Sprache über legale Rechte anhand des Modells Wellman stellt die Frage, worin der Punkt der Interpretation der Sprache über legale Rechte anhand dieses Modells liegt, wenn diese Sprache nicht in Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen formuliert ist. Gerade weil ein Modell sich von dem, was es darstelle (models) unterscheide, habe es die Eigenschaft (capacity), uns Charakteristika des Originals zu zeigen, die wir nicht unterscheiden oder so klar wahrnehmen könnten, wenn wir nur auf das Original selbst schauen würden. Wenn die Sprache des Rechts (law) in Form Hohfeldscher le-
418
Vgl. Wellman (1995), S. 251. Vgl. auch ebd., S. 261. Vgl. Wellman (1985), S. 104. 420 Englisch „meaning" wird auch mit mit Bedeutung, Absicht und Ziel ins Deutsche übersetzt. 421 Wellman berücksichtigt hier ein Argument von Neil MacCormick (1977), S. 206. 419
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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galer Begriffe formuliert werde, werde ihre praktische Relevanz explizit gemacht und in einer genaueren und unzweideutigeren Sprache formuliert. 422 Die gerichtliche Interpretation des Rechts (law) sei nicht nur ein Prozess des Herausfindens einer vorhandenen Bedeutung, die der legalen Sprache gegeben worden sei und so lange unverändert bleibe, als die legalen Quellen unverändert blieben; gerichtliche Interpretation sei in einem beträchtlichen Maß ein Prozess, in dem der Sprache des Rechts (law) neue Bedeutung gegeben werde, dadurch dass in der alten Sprache Zweideutigkeiten aufgehoben würden und zugleich neue Sprache in Form niedergeschriebener gerichtlicher Entscheidungen hinzugefügt werde. Man könne in keiner Weise im Voraus wissen, welche Hohfeldschen Elemente die Gerichte aus den gegebenen legalen Quellen gültig folgern würden und daher könne in keiner Weise die Übersetzung der Sprache über legale Rechte nach seinem (sc. Wellmans) Modell abgeschlossen werden. Die Kenntnis der Art der Bedeutung, die die Gerichte dem Gesetz (law) zuschreiben müssten, ermögliche einem, das Hohfeldsche Modell legaler Rechte zu verwenden, um alternative Interpretationen zu formulieren, die dem Gesetz (law) zugeschrieben (given to) werden könnten. Hohfelds Unterscheidungen zwischen den verschiedenen legalen Positionen deuteten verschiedene Arten an, in denen die Zweideutigkeit der legalen Sprache aufgehoben werden könnte. Die theoretische Bedeutung des Modells - Wellman hebt verschiedene Aspekte der theoretischen Bedeutung seines Modells hervor. Erstens zeige es, dass der Gegner-Kontext (adversarial context), in dem seine Verwendung allein sinnvoll sei, eine wesentliche Voraussetzung in der Sprache der Rechte und daher für ein angemessenes Verständnis dieser Sprache erforderlich sei. Zweitens spiegle es die Art wider, in der es dem Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei Herrschaft über einen bestimmten Bereich übertrage 4 2 3 Der Wert der Vagheit und Zweideutigkeit der legalen Sprache - Wellman stellt die Frage, ob es besser wäre, wenn man ein Recht nach seinem Modell definieren würde. Wären die gesetzgebenden Verordnungen und juristischen Entscheidungen in Hohfeldschen Begriffen sorgfältig formuliert, gäbe es einen deutlichen Gewinn an Klarheit und Präzision in der Sprache legaler Rechte. Doch würde dieser genuine Wert zum Preis der Nichtflexibilität erkauft werden, weil das Recht auf neue Bedingungen angewendet werde, die sich in unvorhergesehener Weise änderten. Die Vagheit (vagueness) und Zweideutigkeit (ambiguity) der legalen Sprache (legal language) hätten für sich einen wirklichen Wert, weil sie den Gesetzgebern ermöglichten, auf Nummer sicher zu gehen, und den Richtern, altes Recht auf neue Fälle anzuwenden. Aus diesem Grund empfiehlt Wellman sein Hohfeldsches Modell als ein Instrument für das Ver-
4 42
Vgl. Wellman (1985), S. 1 . Vgl. Wellman (1985), S. 1 6 .
224
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ständnis legaler Rechte, aber nicht als Ersatz für die traditionellere legale Sprache. d) Zur Sprache über legale Rechte Zur Sprache über Rechte (language of rights)bemerkt Wellman, sie sei systematisch zweideutig (systematically ambiguous). Es gebe sowohl Sätze im Recht (law), die Rechte zuschrieben oder verweigerten, als auch Sätze über das Recht, die über die Existenz oder Nichtexistenz eines Rechts in einem Rechtssystem berichteten.424 Diese grundlegende und philosophisch wichtige Zweideutigkeit in der Sprache über legaler Rechte bleibe durch sein Hohfeldsches Modell gänzlich unaufgelöst und ungeklärt, weil dieselbe Zweideutigkeit das Hohfeldsche Vokabular infiziere (infects). 425 Demgemäß werde z.B. das Wort „eine Pflicht" sowohl im Recht verwendet, um jenen, die ihm unterworfen seien, Zwang aufzuerlegen, als auch, um in der Berichterstattung über das Recht, die Existenz eines solchen Zwangs durch das Rechtssystem zu beschreiben. Diese Zweideutigkeit brauche uns nicht irrezuführen, vorausgesetzt, und dies sei eine wichtige Bedingung, wir vergäßen nicht diese Zweideutigkeit unseres Hohfeldschen Vokabulars, wenn wir von seinem (sc. Wellmans) Modell eines Rechts Gebrauch machten. e) Aufbau und Definition
eines moralischen Rechts
Aufbau eines moralischen Rechts - Der Aufbau eines moralischen Rechts sieht nach Wellman folgendermaßen aus: Im Kern desselben stehe eine bestimmte moralische Position, die den Rechtsinhaber feststelle und den wesentlichen Inhalt des Rechts definiere. 426 Dieses Kernelement sei ein moralischer Vorteil des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei oder mehreren in einem möglichen Willenskonflikt, was die Ausübung oder den Genuss des Kerns betrifft; und zwar dadurch, dass die moralischen Gründe, die den Kern des Rechts definierten, für den Rechtsinhaber und gegen die zweite Partei Partei ergriffen. Rund um dieses Kernelement stünden eine Anzahl verknüpfter Hohfeldscher moralischer Positionen, von denen jede, sofern sie respektiert werde, eine Art Freiheit2 oder Kontrolle dem Rechtsinhaber hinsichtlich der Ausübung oder des Genusses des Kerns übertrage. Folglich übertrage die komplexe Struktur moralischer Positionen als Ganzes genommen, sofern sie respektiert werde, 427 dem Inhaber des Kerns Herrschaft über eine oder mehrere zweite Parteien innerhalb des Bereichs, der durch diesen Kern definiert sei. Dem ent424 425 426
Vgl. Wellman (1985), S. 106 f. Vgl. Wellman (1985), S. 107. Vgl. Wellman (1985), S. 161.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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spricht auch die folgende Definition eines moralischen Rechts, die Wellman in „Real Rights" gibt. Definition eines moralischen Rechts - Ein moralisches Recht sei ein System moralischer Positionen, die, sofern sie respektiert würden, einer Partei gegenüber einer anderen in einer möglichen Konfrontation über einen speziellen Bereich Herrschaft übertragen würden und die (sc. moralische Positionen) in der moralischen Norm oder den moralischen Normen beinhaltet seien, die dieses System bildeten.428
Ein moralisches Recht als ein variables System, das bestimmte Elemente ent hält - Wie die legalen Rechte bestehe auch ein moralisches Recht aus einem variablen System von Elementen, weil die Gründe moralischer Rechte, obwohl bestimmt, neue oder modifizierte moralische Positionen beinhalten könnten, wenn sie auf neue oder modifizierte Situationen Anwendung fänden. An anderer Stelle bemerkt Wellman zu den Bestandteilen eines moralischen Rechts, dass jedes genuine moralische Recht entweder eine moralische Freiheitl oder eine moralische Kompetenz enthalten müsse.429 Zum Verhältnis von Recht und 427 In Bezug auf die Formulierung „sofern sie respektiert werde" bemerkt Wellman, Martin und Nickel hätten in Bezug auf die Frage, ob die verknüpften Elemente in seinem Modell eines Rechts Freiheit2 und Kontrolle übertragen würden, darauf hingewiesen, dass dies von der Befolgung der Normen abhängen würde, die dieses Recht bildeten. Vgl. Wellman (1997), S. 27, bzw. Martin\ Nickel (1983), S. 211. Daher habe er seine Auffassung eines Rechts so abgeändert, dass ein moralisches Recht ein System aus normativen Elementen sei, die, sofern sie respektiert würden, seinem Rechtinhaber Autonomie übertragen würden. Diese Qualifikation sei ein Korollar zur Erkenntnis, dass es eher ein normativer als ein aktueller Schutz sei, der in seinem Begriff eines Rechts eingebaut sei. Die Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" seien faktische Begriffe; Hohfelds Begriffe von Ansprüchen, Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten seien normative Begriffe. Möglicherweise weil er (sc. Wellman) legale Rechte als seine paradigmatischen Fälle genommen habe, habe er angenommen, dass sie immer zusammengingen. Vgl. Wellman (1997), S. 28. Dies sei aber nicht einmal im Fall legaler Rechte so. Auf der anderen Seite fielen sie oft im Fall moralischer Rechte zusammen, weil es nicht selten sei, dass moralische Normen respektiert würden. Die tiefgründige und schwierige Frage sei, ob er durch die Einführung der Worte, „sofern respektiert" in seine Definition eines Rechts eine fundamentale Schwäche in seiner funktionalen Auffassung von Rechten gelöst oder nur verhüllt habe. 428 Vgl. Wellman (1995), S. 38. Dass Wellman die Definition eines Rechts (bzw. moralischen Rechts) aus „A Theory of Rights" in „Real Rights" um den Zusatz „und die in der Norm oder den Normen (bzw. moralischen Normen) beinhaltet seien, die dieses System bildeten" ergänzt, wurde zuvor in der Erörterung des Aufbaus eines legalen Rechts erwähnt. Zu der speziellen Formulierung „die in der moralischen Norm oder den moralischen Normen beeinhaltet seien" sei angemerkt, dass Wellman zwischen einer einschließenden (inclusive) und einer stückweisen (piecemeal) Begründung moralischer Rechte unterscheidet. Vgl. Wellman (1995), S. 77, bzw. hier das Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten. 429 Diese Aussage trifft Wellman im Kapitel über mögliche Rechtsinhaber, im Abschnitt „Das Argument aus (from) den Bestandteilen". Vgl. Wellman (1995), S. 108. In ebd., S. 112, schreibt er: Obwohl er immer noch glaube, dass jedes volle Recht wahrscheinlich sowohl eine Freiheitl als auch eine Kompetenz einschließe, könne er
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kernelement bemerkt Wellman in „A Theory of Rights": Jedes Recht sei mehr und stärker als sein Kernelement. 430 Schutz, Respekt und die Parteien eines moralischen Rechts - In der Erörterung einzelner moralischer Positionen war bereits von dritten Parteien die Rede. Wellman weist darauf hin, dass der Begriff eines Rechts in einer Weise notwendig sozial sei, in der andere normative Begriffe - wie der eines Guts (good), einer Verpflichtung oder sogar einer Pflicht - es nicht seien.431 Rechte seien insofern sozial, als ihre Behauptung gegenüber einer zweiten Partei in hohem Grad vom Schutz abhänge, den Normen böten, die für das Verhalten dritter Parteien gölten. Ein Recht könnte seinen Inhaber, aufgrund der Art, in der verschiedene dritte Parteien die Normen respektierten, die dieses Recht bildeten, selbst dann schützen, wenn es nicht durch die zweite Partei respektiert werde. 432 In „Real Rights" bemerkt Wellman, dass Rechte drei Rollen definierten: die des Rechtsinhabers, die der Partei, gegenüber der das Recht gelte und die der dritten Partei, die in der Position sei, in einer Konfrontation zu intervenieren, in der die zweite Partei, das Recht der ersten Partei zu verletzen drohe. 433 Wellman behauptet, in jedem moralischen Recht sei irgendeine moranicht beweisen, dass dies so sein müsse. Folglich wolle er nur annehmen, dass jedes wahre Recht entweder eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz einschließe. In ebd., S. 113, bemerkt er: Auf einem Recht bestehen (insist on), ein Recht aufgeben (forgo), auf sein Recht pochen (stand on), es fordern (demand), seien verschiedene Arten der Ausübung von Freiheiten 1, innerhalb seines Rechts zu handeln. Ein Recht zu beanspruchen (claim), auf es zu verzichten (waive), es aufgeben (renounce), delegieren (delegate) oder veräußern (alienate) seien genauso viele Arten, Kompetenzen auszuüben, die im Recht beinhaltet seien. In diesem Zusammenhang sei ein weiterer Gedanke Wellmans ergänzend erwähnt. In seinem Kommentar zu „Consent to Medical Research on Children" bemerkt er in (1997), S. 21 f., dass wenn das, was in Bezug auf Rechte unterscheidend und am wichtigsten sei, ihre Relevanz für mögliche Konfrontationen sei, es wesentlich sei, dass ein Recht gegenüber einer oder mehreren zweiten Parteien standhalte (hold firm against). Dies erfordere, dass moralische Immunitäten wesentliche Bestandteile eines moralischen Rechts sein müssten. Das Menschenrecht auf persönliche Sicherheit würde nicht gegenüber einem medizinischen Forscher gelten (hold), enthielte es nicht eine ethische Immunität dagegen, dass das Recht, sich einem Experiment zu entziehen, durch den Forscher aufgehoben werde. Da eine Immunität einer Partei im Nichtgegebensein einer Kompetenz einer zweiten Partei oder mehreren bestehe, müsse jede Theorie, die zur Erklärung, wie ein moralisches Recht gegenüber zweiten Parteien gelten könne, hinreichend sei, den Begriff einer ethischen Kompetenz enthalten. - Ein weiteres Argument Wellmans, warum Kompetenzen und durch sie definierte Elemente wie Immunitäten oder Verbindlichkeiten in einem angemessenen Modell eines Rechts einzuschließen sind, wird im Folgenden, im Abschnitt [B., IL, 4., h), cc)] über Ansprucherheben erwähnt. 430 Vgl. Wellman (1985), S. 188. Darauf wird im Folgenden, im Abschnitt [B., IL, 4., h), aa)] über die Stärke von Rechten genauer eingegangen. 431 Vgl. Wellman (1985), S. 216. 432 Vgl. Wellman (1985), S. 219. Auf den Aspekt Schutz (protection) wird im Folgenden noch genauer eingegangen. 33
Vgl. Wellman ( 1 9 9 ) , S. 9 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
227
lische Ermächtigung (authority) zu sozialem Schutz eingebaut, weil ein Recht die Rollen dreier Parteien bestimme, wobei dritte Parteien ermächtigt seien zu intervenieren, um den Rechtsinhaber in der Ausübung oder den Genuss seines Rechts zu schützen.434 aa) Ein Beispiel eines moralischen Rechts Wellman illustriert in „A Theory of Rights" unter anderem am Beispiel des moralischen Rechts abzutreiben, wie moralische Rechte in Form seines Modells interpretiert werden könnten.435 Dieses Recht sei zweifellos hinsichtlich seiner Existenz und seines genauen Inhalts strittig. Der Kern dieses Rechts ist nach Wellmans Auffassung die moralische Freiheitl der schwangeren Frau abzutreiben (to obtain an abortion). Mit dem moralisch erlaubten Akt des Abtreibens sei sowohl gemeint, jemanden zu suchen, der willens und fähig sei, eine Abtreibung vorzunehmen, als auch, sich diesem Eingriff zu unterziehen.436 Diese moralische Freiheitl abzutreiben impliziere logisch keinen Anspruch gegenüber einem Arzt auf Durchführung der Abtreibung oder gegenüber dem Staat auf Deckung der Abtreibungskosten. Folglich könne eine schwangere Frau tatsächlich der Möglichkeit ermangeln abzutreiben, obwohl ihr Freiheitsrecht von allen Parteien voll respektiert werde. Auch könne eine Frau ein moralisches Recht haben abzutreiben, selbst wenn sie ihr Recht nicht ausüben sollte. Z.B. sollte eine Frau nicht aus einem leichtsinnigen Grund abtreiben, um beim nächsten Schönheitswettbewerb schön auszusehen; obwohl sie keine moralische Pflicht habe, einfach aus diesem Grund nicht abzutreiben. Das moralische Recht abzutreiben, sei jedoch mehr als diese Kernfreiheit (core-liberty). Es enthalte zumindest folgende verknüpfte Elemente, die, sofern sie respektiert würden, der Schwangeren Freiheit2 und Kontrolle über die Ausübung dieses definierenden Kerns übertragen würden. (1) Die moralische Pflicht anderer, nicht Gewalt (force) anzuwenden oder anzudrohen, um eine schwan434
Vgl. Wellman (1995), S. 98 f. Wellman bemerkt dazu, dass obwohl jedes moralische Recht eine Art moralische Ermächtigung (authority) zu sozialem Schutz enthalte, diese nicht die Form eines genuinen moralischen Anspruchs an dritte Parteien haben müsse. Vgl. Wellman (1995), S. 99. An einem Beispiel erläutert Wellman, dass das Recht Johns nicht geboxt zu werden, eher eine moralische Freiheitl als eine moralische Pflicht dritter Parteien zu intervenieren enthalte, um zu verhindern, dass John geboxt werde. Dieses sei ein verknüpftes Element, das weitaus schwächer als jeder moralische Anspruch auf sozialen Schutz sei, weil es anderen keine Pflicht zu intervenieren, um die Person vor dem Angriff zu schützen, auferlege. Wellman bemerkt, dass er nicht behaupte, dass moralische Rechte nie einen Anspruch auf sozialen Schutz einschlössen. Vielmehr argumentiere er, dass obwohl jedes moralische Recht eine Art moralischer Ermächtigung (authority) für sozialen Schutz enthalte, diese nicht die Form eines genuinen moralischen Anspruchs an dritte Parteien annehmen müsse. 435 Vgl. Wellman (1985), S. 161. 3
Vgl. Wellman (1985), S. 1 6 .
228
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gere Frau von einer Abtreibung abzuhalten. Dies sei zumindest eine moralische Pflicht bezüglich (regarding) des Rechtsinhabers, obwohl es nicht klar sei, dass es eine Pflicht ihm (bzw. der schwangeren Frau) gegenüber (duty to) sei. Es sei keine korrelative Pflicht, eine Pflicht, deren Inhalt dem definierenden Kern des Freiheitsrechts entspreche, weil es durch sie nicht zu einem Unrecht (wrong) werde, eine Schwangere von einer Abtreibung abzuhalten, indem man z.B. ihren Arzt überrede, dass es unmoralisch (immoral) wäre, eine Abtreibung an seiner Patientin durchzuführen etc. (2) Die moralische Freiheitl der Schwangeren, bei Anwendung von Gewalt Widerstand zu leisten oder der Androhung von Gewalt zu entgehen, die sie von der Abtreibung abhalten solle. (3) Die moralische Pflicht dritter Parteien, einer zweiten Partei nicht bei der Anwendung oder Androhung von Gewalt beizustehen, um die Schwangere von einer Abtreibung abzuhalten. (4) Die moralische Pflicht dritter Parteien, der Schwangeren bei Anwendung von Gewalt gegen sie mit der Intention, sie von der Abtreibung abzuhalten, behilflich zu sein, Widerstand zu leisten oder der Androhung von Gewalt zu entgehen. (5) Die moralische Immunität der Schwangeren gegen die Aufhebung ihrer Kernfreiheit durch einen einseitigen Akt einer anderen Person oder Gruppe. 437 Somit behielte die Schwangere ihre moralische Freiheitl abzutreiben, selbst wenn ihr Mann oder ihre Familie dagegen seien. Obwohl die Tatsache, dass diese Personen dagegen seien, ein praktischer Grund gegen ihre Ausübung ihres Rechts sei, werde ihr dadurch keine spezifisch moralische Pflicht auferlegt, das Erstreben oder die Durchführung einer Abtreibung zu unterlassen. Ein Gesetz, das das Erstreben oder die Durchführung einer Abtreibung verbiete, würde nicht die moralische Freiheitl einer Schwangeren, dies zu tun, außer Kraft setzen, obwohl es offensichtlich jede legale Freiheitl, in der verbotenen (proscribed) Weise zu handeln ausschließen würde. Wellman bemerkt, er habe damit zu zeigen versucht, dass es möglich und aufschlussreich sei, das Hohfeldsche Modell legaler Rechte jenseits des Bereichs institutioneller Rechte anzuwenden.438 Dies sei möglich, weil es moralische Positionen gebe, die analog zu den legalen Positionen seien, die Hohfeld festgestellt habe. Folglich könne man berechtigterweise ein moralisches Recht als eine komplexe Struktur moralischer Vorteile begreifen. 439 f) Zwei Verwendungen
des Modells moralischer Rechte
Wellmans Ausführungen nach gibt es zwei zusammenhängende Verwendungen dieses Modells, deren jede aufschlussreich ist. 4 4 0 437 438 439 440
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), S. 163. (1985), S. 165. (1985), S. 166. (1985), S. 166.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
229
(1) Theoretische und praktische Adäquatheit in unserem Denken über moralische Rechte - Die erste Verwendung solle unser Denken über moralische Rechte zu einer größeren theoretischen und praktischen Adäquatheit führen. Die Vorteile seien dabei folgende: (i) Es nötige uns die gewöhnlichen undeutlichen Beschreibungen wie z.B. „Recht auf Abtreibung" oder „Recht auf Eigentum" zu hinterfragen, (ii) Indem man den Inhalt des Rechts detailliert herausfinde, erinnere uns dieses Modell an die Komplexität moralischer Rechte, (iii) Dieses Modell, das in Form von Herrschaft in Bezug auf eine mögliche Konfrontation strukturiert sei, hebe hervor, was moralische Rechte von moralischen Pflichten (oughts) oder moralischen Werten im Allgemeinen unterscheide und unterstreiche folglich die spezielle Bedeutung, die Rechte im moralischen Denken und Entscheiden hätten, (iv) Da jedes Hohfeldsche Element eine bestimmte Handlung einschließe, mache die Verwendung dieses Modells die praktische Relevanz jedes moralischen Rechts explizit, (v) Die Anerkennung der Unterschiedlichkeit der normativen Elemente, die ein Recht konstituierten, offenbare die Komplexität der Rechtfertigung von Behauptungen oder Ablehnungen von Rechten, (vi) Schließlich lege dieses Modell ergiebige Fragen für theoretische Untersuchungen nahe, wie z.B. „Welcher sei der Ort des Begriffs einer Kompetenz in der moralischen Theorie?" oder „Habe ein todkranker Patient die moralische Kompetenz, auf sein moralisches Recht auf Leben zu verzichten?" Die Übernahme des Hohfeldschen Modells würde eine neue Komplexität in unser Denken einführen, zugleich würde es aber zu einer größeren Genauigkeit im Denken und zu einem tieferen Verständnis führen. (2) Das Modell als heuristischer Behelf - Die zweite aufschlussreiche Verwendung des Hohfeldschen Modells sei die eines heuristischen Behelfs in der Interpretation der Sprache moralischer Rechte. Obwohl in der philosophischen und juristischen Literatur und der praktischen moralischen Diskussion Bezugnahmen auf moralische Rechte im Überfluss gegeben seien, sei die Bedeutung der meisten Behauptungen oder Ablehnungen von Rechten unklar, (i) Die interpretative Verwendung dieses Modells verlange, dass man die gängigen abstrakten Bezeichnungen von Rechten in konkretere Begriffe übersetze, die zu einem besseren Verständnis, dessen führen, was genau gemeint sei oder gemeint sein könnte, (ii) Es offenbare auch die wesentliche Unvollständigkeit der meisten Sätze, die Rechte behaupteten oder ablehnten: „Mary habe ein Recht auf Abtreibung" sei ein semantisch unvollständiger Satz. 441 Man verstehe nicht, was dieser Satz bedeute, wenn man nicht wisse gegenüber wem und in Bezug auf welche mögliche Konfrontation er gemeint sei. 442 (iii) Der offensichtlichste Vorteil dieses Modells in der Klärung der Bedeutung der Sprache moralischer Rechte sei jener, den Hohfeld in seiner Diskussion über die Sprache des Rechts 441 442
Vgl. Wellman (1985), S. 166 f. Vgl. Wellman (1985), S. 167.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
hervorgehoben habe. Die Unterscheidung zwischen den sehr verschiedenen Positionen, die den Kern eines Recht bilden könnten, kennzeichne wesentliche Unterschiede wie z.B. jenen zwischen Freiheitsrecht (liberty-right) und Anspruchsrecht. Demzufolge mache es einen großen Unterschied in der Interpretation der Bedeutung von „Mary hat ein moralisches Recht auf Abtreibung", ob man Marys Freiheitsrecht, eine Abtreibung zu erstreben und durchführen zu lassen, behaupte oder ihr Anspruchsrecht auf Ermöglichung einer Abtreibung durch den Arzt oder den Staat. Den Inhalt eines moralischen Rechts hinsichtlich seiner Bestandteile herauszufinden, trage viel dazu bei, die Implikationen der Behauptung dieses Rechts explizit zu machen, (iv) Schließlich schränke das Hohfeldsche Modell moralischer Rechte, in dem Herrschaft hinsichtlich einer möglichen Konfrontation zentral sei, den Gebrauch des Vokabulars von Rechten im moralischen Diskurs ein. Die Inflation von Beanspruchungen von Rechten sei oft bedauert worden, aber es gebe keine Einigung, wo die Grenze zwischen angemessener und nicht angemessener Verwendung der Sprache von Rechten zu ziehen sei. Wellman bemerkt, sein Hohfeldsches Modell lege nahe, dass Rechte nur in dem Kontext bedeutsam behauptet oder abgelehnt werden könnten und wörtlich genommen werden könnten, in dem der Wille des Rechtsinhabers mit dem Willen einer zweiten Partei konfligieren könne. Folglich habe die Sprache der Rechte einen viel engeren Bereich (province) in der moralischen Diskussion als die Sprache moralischer Verpflichtungen oder das Vokabular des moralischen Werts. 443 g) Verwendung
und Funktion des Modells
Bestimmung des Kerns und der verknüpften Elemente - Wellman bemerkt, die Art, in der er das Hohfeldsche Modell verwendet habe, als er das Beispiel des moralischen Rechts abzutreiben, erörtert habe, war primär und zum größten Teil, um unser Denken über dieses moralische Recht zu leiten, sekundär und zum Teil auch, um die Sprache moralischer Rechte zu interpretieren. 444 Der Kern eines Rechts definiere seinen wesentlichen Inhalt; die verknüpften Elemente gingen über das hinaus, was definitiv sei. Obwohl es bestimmte Arten verknüpfter Elemente geben müsse, die, sofern sie respektiert würden, Freiheit2 und Kontrolle über die Ausübung und den Genuss des Kerns seinem Besitzer übertragen würden, bestimme die DefinitionW des Rechts als solche nicht, welche diese sein würden. 445 Wellman bemerkt, er habe somit in der Bestimmung des Kerns des vorhin erörterten moralischen Rechts eine stipulative Definition 443
Vgl. dazu genaueres in: Wellman (1985), S. 194 f. Vgl. Wellman (1985), S. 167. 445 Wie in der Erörterung der verknüpften Elemente [im Kapitel B., II., 4., b), bb)] in einer Fußnote angemerkt wurde, bemerkt Wellman in (1982), S. 43, in der Erörterung des legalen Rechts, Unterstützung für unterstützungsbedürftige Kinder zu erhal444
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
231
in Bezug auf den Ausdruck „ein Recht abzutreiben" gegeben. Aber in der Bestimmung der verknüpften Elemente, sei er über die Sprache der Rechte hinaus zum wesentlichen, normativen Inhalt dieses Rechts gegangen.446 Sein Modell habe ihn in der Entscheidung geleitet, ob eine bestimmte moralische Position in Beziehung zum Kern gestanden sei in einer Weise, die sie zu einem verknüpften Element machen würde, wäre sie wirklich. Jedoch habe es von seinem sehr fehlbaren moralischen Urteil abgehangen, das entschieden habe, ob dieser oder jener moralische Vorteil tatsächlich existierte oder plausiblerweise als existierend angenommen werden könnte. Folglich sei seine Interpretation dieses Beispiels eines moralischen Rechts über eine sprachliche Analyse hinausgegangen zu einer wesentlichen moralischen Philosophie. Das Modell ist keine Definition, sondern ein heuristischer Behelf - Selbst innerhalb der Schranken der sprachlichen Analyse sei es wichtig darauf hinzuweisen, dass ein Modell nicht eine Definition sei. 447 Aus diesem Grund habe er von einer Verwendung als heuristischem Behelf in der Interpretation der Sprache über moralische Rechte gesprochen.448 Durch die Übersetzung in die Hohfeldsche Terminologie werde das, was die gewöhnliche Sprache über Rechte meine, deutlicher und präziser. Dies bedeute nicht, dass wir unsere gewöhnliche Sprache moralischer Rechte durch das präzisere Vokabular Hohfeldscher Begriffe ersetzen sollten. Es sei theoretisch erhellend und hilfreich in der Praxis über Rechte in Hohfeldschen Begriffen zu denken soweit wir könnten. Doch moralische Einsicht und moralisches Urteil seien nicht immer so detailliert und präzise wie das Hohfeldsche Modell es erfordern würde. Unser exploratives Denken und auch viel von unserer Rede über Rechte müsse unvermeidlich in unserer präanalytischen Sprache formuliert werden. h) Zum Begriff
„ein Recht"
Die Analogien in den unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs „ein Recht" in Wellmans Modell - Wellman bemerkt, er habe argumentiert, dass man das Modell eines Rechts, das in Hohfeldsche grundlegende legale Begriffe gegliedert sei, von legalen Rechten auf andere Arten institutioneller Rechte und schließlich auf nichtinstitutionelle moralische Rechte ausweiten könne. 449 Anschließend stellt er die Frage, ob man daraus schließen könne, dass der Ausdruck „ein Recht" unzweideutig sei und eine Bedeutung habe, wenn von lega-
ten, dass die Beschaffenheit der verschiedenen verknüpften Elemente offensichtlich von dem Kern abhängen wird, mit dem sie verknüpft sind. 446 Vgl. Wellman (1985), S. 168. 447 Vgl. auch Wellman (1985), S. 220. 448 Vgl. Wellman (1985), S. 168. 449 Vgl. Wellman (1985), S. 168.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
len, akademischen, Moralitäts- und moralischen Rechten die Rede sei. Da ein Modell keine Definition sei, folge diese Konklusion nicht. 450 Die Sprache der Rechte sei nicht eindeutig. So auch der Ausdruck „ein Recht"; er sei nicht eindeutig, sondern analog. Im Recht (law) und in der normativen Sprache anderer Institutionen habe der Ausdruck „ein Recht" eine verordnende (directive) Bedeutung, weil die legalen oder institutionellen Positionen, die in solchen Rechten enthalten seien, durch institutionelle Verordnungen definiert seien. Dieses Wort habe eine deskriptive Bedeutung, wenn es von Sozialwissenschaftlern oder Juristen gebraucht werde, um über das Recht (law) oder andere Institutionen zu sprechen. In der Moral habe „ein Recht" eine kritische (critical) Bedeutung, weil alle moralischen Positionen in Form moralischer Verpflichtungen definiert seien und die Bedeutung von „sollte moralisch" („ought morally") rationale Kritik enthalte.451 Obwohl die Sprache der Rechte verschiedene Arten von 450
Vgl. Wellman (1985), S. 169. Wellman verweist hier auf Wellman (1961), S. 289-291. Dort untersucht er in einem Kapitel Verwendungen und Bedeutungen des Begriffs „ought". Er behauptet dort, dass man typisch ethische Sätze wie „Du hättest das Geld nicht stehlen sollen", „Ich sollte mehr Almosen geben" oder , Jeder sollte die Rechte anderer respektieren" für kritische Sätze (critical sentences) halten sollte. Vgl. ebd., S. 289 f. Zu sagen „Du hättest das Geld nicht stehlen sollen" bedeute den Dieb aufzufordern, seine Handlung mit rechtfertigenden Gründen zu verteidigen, und zu betonen (boast), dass man durch Argumentation (reasoning) zeigen könne, dass das Übergewicht der Überlegungen auf der anderen Seite liege. Zu sagen „Ich sollte mehr Almosen geben" bedeute sowohl zuzugeben, dass der Anspruch auf Rationalität in der gegenwärtigen Verhaltensweise nicht der genauen Überprüfung logischen Denkens standhalten (withstand) könnte als auch zu betonen (boast), dass man rational auch großzügigere Handlungen rechtfertigen könnte. Im normalen ethischen Kontext dienten die Ausdrücke „sollte" (ought) und „sollte nicht", den Anspruch auf Rationalität, der in einer Handlung oder Klasse von Handlungen enthalten sei, zu unterstreichen, anzufechten, erneut zu beteuern, zurückzuziehen, zuzugeben oder zu verwerfen. Weil das Wort „sollte" (ought) am häufigsten gebraucht werde, um menschliche Handlungen zu kritisieren, werde oft gedacht, seine Bedeutung müsse verordnend (directive) sein. Sollenssätze sollten offensichtlich praktisch sein. Die Bedeutung von Verordnungen sei zweifellos praktisch. Damit werde unterstellt, dass es nur eine Art gebe, in der ein Satz einen direkten Bezug auf Handlung haben könne. Tatsächlich gebe es verschiedene Arten. Ein Satz könne sowohl eine Handlung beschreiben, evaluieren, kritisieren oder eine Emotion in Bezug auf Handlung ausdrücken, ebensogut wie jemandem sagen, sie zu tun. Dass Sollenssätze gewöhnlich keine verordnende Bedeutung hätten, werde aus der Tatsache ersichtlich, dass während Verordnungen semantisch voraussetzten, dass eine geforderte Handlung in der Zukunft liege, es sehr vernünftig sei zu sagen „Du hättest nicht das Geld stehlen sollen". Ein Grund, warum diese Unterscheidung zwischen Kritik (criticism) und Verordnung (direction) von Handlung so oft übersehen worden sei, liege darin, dass beide in so enger Beziehung stünden. Zu sagen „du solltest nicht lügen" liege sehr nahe bei „lüge nicht", weil die Person, die ersteres sagen würde, normalerweise geneigt sein würde, auch letzteres zu sagen. Tatsächlich, wenn jemand bereit sei, seine Ermahnung durch Argumentation zu rechtfertigen, wäre es nur natürlich seine Verordnung in der Sprache der Kritik zu formulieren. Wellman räumt ein, dass Sollenssätze gelegentlich eine nahezu rein verordnende Bedeutung haben. Vgl. ebd., S. 291. Wir sagten manchmal, dass jemand etwas tun sollte, wenn wir ihm sagen wollten, dass er es tue. Den451
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Bedeutungen in verschiedenen Gebräuchen habe, seien diese durch ein Netzwerk von Analogien aneinander gebunden, die er in seinem Hohfeldschen Modell zu erfassen versucht habe. In einem weiteren Kapitel weist Wellman darauf hin, dass Hart und andere darauf hingewiesen hätten, dass es etwas Besonderes am Begriff eines Rechts zumindest im strikten Sinn gebe, so dass jeder Versuch Rechte auf eine grundlegendere begriffliche Kategorie wie Pflichten oder individuelle Interessen zu reduzieren, notwendig etwas wesentliches weglassen werde. 452 Wellman untersucht bestimmte Aspekte oder Hinsichten (ways), die für den Begriff eines Rechts charakteristisch sein sollen, um herauszufinden, was für ein Licht das Hohfeldsche Modell auf die spezielle Wichtigkeit von Rechten wirft: Diese Hinsichten sind Stärke (strength) [B., IL, 4., h), aa)], Verteilung (distributiveness) [B., II., 4., h), bb)], Ansprucherheben (claiming) [B., II., 4., h), cc)], Schutz (protection) [B., II., 4., h), dd)], Freiheit2 (freedom) und Kontrolle (control). 453 aa) Stärke (strength) Wellman bemerkt, es gebe nicht ein Unterscheidungsmerkmal von Rechten, ihre spezielle Strärke, sondern eine Reihe sehr verschiedener Arten, in denen Rechte besonders stark seien.454 Freiheitsrechte - Als Erstes erörtert Wellman Freiheitsrechte (liberty-rights). Freiheitsrechte seien stärker als die gegenteiligen prima facie Verpflichtungen: Jemand könne ein moralisches Recht haben, sein Geld beim Glücksspiel auszugeben, selbst wenn er dies nicht tun sollte.455 Oft habe jemand ein Recht, etwas zu tun, was unrichtig (wrong) sei. Ein Freiheitsrecht sei genau deswegen stark, weil es in Situationen bestehen könne, in denen bestimmte Arten seiner Ausübung durchaus nicht rechte Handlungen seien. Die Stärke des Freiheitsrechts bestehe in seiner Resistenz gegen das Unrechtsein (wrongness) seiner Ausübung und seiner Fähigkeit, ungebrochen in Bezug auf die Gründe, aus denen
noch würde er (sc. Wellman) behaupten, dass die primäre Bedeutung der meisten unserer Sollenssätze eher kritisch als verordnend sei. Abschließend bemerkt Wellman auf S. 296: In den meisten Sätzen sei die primäre Bedeutung von „ought" kritisch (critical). Die wichtigsten sekundären Verwendungen von „ought" seien verordnend (directive) und evaluativ (evaluative), aber es gebe gelegentlich auch emotive (emotive) und deskriptive (descriptive) Verwendungen. 452 Vgl. Wellman (1985), S. 185. 453 Wellmans Ausführungen über Freiheit2 und Kontrolle wurden zum Teil im Kapitel [B., n., 4., b), cc)l über Herrschaft, Freiheit2, Kontrolle wiedergegeben. 454 Vgl. Wellman (1985), S. 189. 455 Vgl. Wellman (1985), S. 186. Wellman bezieht sich hier auf eine Stelle bei Dworkin (1977), S. 188.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
man nicht nach ihm handeln sollte, zu existieren. Wellman bemerkt, dieses Charakteristikum eines Freiheitsrechts werde in seinem Modell bewahrt, in dem eine Freiheitl als das Nichtgegebensein einer gegenteiligen Pflicht definiert werde. Er weist darauf hin, dass wenn man die Freiheitl als Nichtgegebensein einer gegenteiligen prima facie Verpflichtung begreifen würde, man fast nie ein Freiheitsrecht haben würde, weil es in nahezu jeder wichtigen Situation, ein falsch- (oder unrecht-)machendes (wrongmaking) Charakteristikum gebe, das eine prima facie Verpflichtung auferlege, nicht aufgrund irgendeiner verfügbaren Wahl zu handeln. Denke man stattdessen in Form von aktuellen Verpflichtungen, die durch das gegenseitige Abwägen von Gründen, sofern alles berücksichtigt sei, begründet seien, so würden Freiheitsrechte jemandem nahezu nie irgendwelche Optionen freistellen, weil die relevanten Verpflichtungen hervorrufenden Überlegungen nahezu nie genau abgewogen seien. In seinem Modell sei jedoch eine Freiheitl als die Abwesenheit einer gegenteiligen Pflicht definiert. Da der Begriff der Pflicht ein besonders starker mit beschränkter Anwendbarkeit sei, erkläre sein Modell diese Art von Stärke eines Freiheitsrechts in einer Weise, die auch erkläre, wie ein Rechtsinhaber oft wählen könne, ob er sein Recht zu Recht (rightly) oder zu Unrecht (wrongly) ausüben solle. Anspruchsrechte - Zweitens erörtert Wellman die Stärke von Anspruchsrechten. Diese seien stärker als ein Gut, selbst ein wichtiges Gut. 4 5 6 Ein Gut sei etwas wertvolles, ein Zweck rationalen Verhaltens, etwas, das zu wählen sei und dem nachzugehen sei. Wellman weist darauf hin, dass man wählen könne, einem Gut nachzugehen oder nicht nachzugehen, wobei letztere Wahl selbst dann rational sein werde, wenn jemand ein Gut gegen ein anderes in einer Situation abwägen müsse, in der er nicht beide haben könne. Folglich seien die Verpflichtungen, die Güter auferlegten, typisch bedingte Verpflichtungen, Klugheits- oder technische Imperative, die in Kants Sprache eher hypothetisch als kategorisch seien. Anspruchsrechte legten im Kontrast dazu kategorische Verpflichtungen auf, einen Zwang, dem nicht durch die Wahl alternativer Ziele im Leben ausgewichen werden könne. Wellman bemerkt, sein Modell erfasse dieselbe Art der Stärke, das Erforderlichsein von Handlungen, die durch Rechte gefordert würden, indem es einen Anspruch in Form einer korrelativen Pflicht (duty) definiere. Pflichten seien eine sehr spezielle Art von Verpflichtung (obligation): sie seien praktische Zwänge, die auf die eine oder andere Weise durch den Zwang potentieller Sanktionen verstärkt würden. Diese zweite Dimension von Zwang, den Pflichten der menschlichen Wahl und Handlung auferlegten, erkläre die Art, in der jeder Anspruch und daher auch jedes Anspruchsrecht stärker als jedes Gut oder Ziel des Verhaltens sei.
456 Vgl. Wellman (1985), S. 187. Wellman bezieht sich hier auf eine Textstelle bei Nozick (1974), S. ix, 28 f.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Drittens weist Wellman darauf hin, dass ein Anspruchsrecht stärker als irgendeine der mit ihm korrelierenden Pflichten ist, die es auferlegt, weil ein Anspruch mehr als eine Pflicht ist. Ein Anspruch von X gegenüber Y bestehe aus einer Pflicht von Y plus einer Kompetenz von X, Anspruch auf Erfüllung oder auf Abhilfe (remedy) für die Nichterfüllung der Pflicht zu erheben. Dies verstärke den Zwang, den die Pflicht der zweiten Partei auferlege, indem es ihn durch einen zweiten Zwang in Form einer ergänzenden Pflicht untermauere, die der zweiten Partei auferlegt würde, wenn der Rechtsinhaber diese Kompetenz, Anspruch zu erheben, ausübte.457 Folglich werde die Wahl und Handlung der zweiten Partei nicht nur durch die ursprüngliche korrelierende Pflicht erzwungen, sondern auch durch die Androhung, dass der Rechtsinhaber Anspruch erheben könnte, wodurch er eine verstärkende neue Pflicht hervorrufen würde. 458 Da jeder Anspruch kraft der Kompetenz, Anspruch zu erheben, die er enthalte, stärker sei als sein Bestandteil Pflicht, sei jedes Anspruchsrecht auf dieselbe Weise stärker als die mit ihm korrelierende Pflicht. Ein Recht ist stärker als sein Kernelement - Viertens weist Wellman darauf hin, dass jedes Anspruchsrecht stärker ist als sein Kernanspruch oder allgemeiner dass jedes Recht stärker ist als sein Kernelement. Die verknüpften Elemente erhöhten aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit die Stärke des Rechts auf unterschiedliche Weise. Das, was irgendein Element zu einem verknüpften Element in einem speziellen Recht mache, sei die Art, in der es, sofern es respektiert werde, dem Rechtsinhaber eine Art Freiheit2 und Kontrolle gegenüber einer zweiten Partei beitrage, was er unter dem Begriff „Herrschaft" des Rechtsinhabers gegenüber der zweiten Partei in Bezug auf den definierenden Kern zusammengefasst habe. Folglich werde die Wichtigkeit dieser verschiedenen Elemente hervorgehoben und in sein Konfrontationsmodell eingebaut. Verschiedene Arten von Stärke - Daraus folge, dass es verschiedene Arten von Stärke gebe, von denen einige einer einzelnen Art von Recht, wie einem Freiheits- oder einem Anspruchsrecht, angehörten.459 Andere Arten von Stärke gehörten jeder Art von Recht kraft der komplexen Struktur an, die jedes genuine Recht habe. Das wichtigste sei für die Theorie vermutlich, die verschiedenen Arten von Stärke zu unterscheiden, da diese die wesentlichen Charakteristika einer Reihe von Begriffen enthüllten, die wesentlich für die Moral, die Rechts- und die Sozialtheorie seien. Diese umfassten den Begriff einer Pflicht im strikten Sinn, eines Anspruchs als einer Pflicht plus einer Kompetenz und den Begriff der Herrschaft einer Partei gegenüber einer zweiten Partei innerhalb eines bestimmten Bereichs. In der Praxis sei vermutlich die Art am wichtigsten, in der diese verschiedenen Arten von Stärke zusammen fungierten, um den Wil457 458 459
Vgl. Wellman (1985), S. 187 f. Vgl. Wellman (1985), S. 188. Vgl. Wellman (1985), S. 189.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
len des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei in einer möglichen Konfrontation zu begünstigen. Dies sei für den Rechtsinhaber von großer praktischer Bedeutung. bb) Verteilung (distributiveness) Ein weiteres wesentliches Charkteristikum von Rechten sei die Verteilung (distributiveness of rights). Das Hohfeldsche Modell von Rechten zeige uns, dass Rechte in verschiedener Hinsicht verteilend seien.460 Es gebe drei Aspekte der Verteilung von Rechten:461 (1) Besitzen oder Haben eines Rechts - Erstens das Besitzen oder Haben (possession or ownership) eines Rechts. Jedes Recht sei das Recht einer Person; es könne kein Recht ohne einen Rechtsinhaber geben. Da jedes Recht einen Inhaber habe, würden Rechte unter den Rechtsinhabern in ungefähr derselben Weise wie der Grundbesitz in einer Gemeinschaft unter den Parzellenbesitzern eines Verwaltungsbezirkes oder einer Stadt verteilt. 462 Die Rede vom Haben (ownership) sei metaphorisch. In seinem Modell sei der Rechtsinhaber (rightholder) der Besitzer (possessor) des Kerns eines legalen oder moralischen Rechts. Der Kern sei eine Position und beschreibe die Art, in der die legalen oder moralischen Normen wirklich oder potentiell auf das Verhalten einer Person Anwendung fänden, die ihnen unterworfen sei. In beiden Fällen sei das Recht begrifflich an einen Besitzer gebunden.463 Der erste Aspekt der Verteilung spiegle die Art wieder, in der die Normen, die Rechte definierten und bildeten, den Rechtsinhabern Rechte übertragen würden. 464 Der Rechtsinhaber muss ein gesondertes, unteilbares Wesen sein - Zur Bedeutung dieses Aspekts bemerkt Wellman: Obwohl es nicht notwendig sei, dass der Besitzer eines Rechts ein Individuum, d.h. ein einzelner Mensch im Gegensatz zur Gesellschaft, Familie etc. sei, sei es notwendig, dass jedes Recht und jeder Rechtsinhaber ein gesondertes unteilbares Wesen (separate indivisible entity) sei. 465 Die theoretische Bedeutung des Begriffs des Besitzens von Rechten sei, dass Rechte die Besonderheit und das Verschiedensein jedes Rechtsinhabers anerkennen und kennzeichnen würden, gleichgültig ob sie natürliche Personen, Körperschaften oder Gruppen seien.466
460 461 462 463 464 465 466
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), S. 190. (1985), S. 193. (1985), S. 190. (1985), S. 191. (1985), S. 191 f. (1985), S. 193. (1985), S. 194.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Rechtsverletzung versus Nutzenmaximierung - Zur praktischen Bedeutung dieses Charakteristikums von Rechten bemerkt Wellman unter anderem, dass es nicht jede Einbuße (tradeoff) ausschließe: Rechtskonflikte könnten Rechtsverletzungen mit sich bringen, eine Schadensvermeidung könne die Opferung eines Rechts rechtfertigen. Die Anerkennung von Rechten unterscheide sich aber von der Nutzenmaximierung in einer bedeutenden Hinsicht. In der Zusammenfassung der Nutzen (Utilities), um zu einem Nettobestand (net balance) zu kommen, müsse man nur den Betrag des Werts oder Unwerts schätzen: Wessen Wert oder Unwert es sei, scheide aus der Gesamtsumme aus. In der Abwägung von Rechten müsse man berücksichtigen, wessen Recht geopfert werden könne: Weil wenn ein Recht verletzt worden sei, habe der Rechtsinhaber auch ein sekundäres Recht auf Abhilfe (remedy). Folglich könne man den Besitzer eines Rechts nicht ignorieren, selbst wenn man sein Recht verletzen müsse. Auf diese Weise verlange die Respektierung von Rechten auch die Respektierung von Rechtsinhabern. (2) Verteilung von Herrschaft - Der zweite Aspekt der Verteilung besteht darin, dass jedes Recht die Verteilung eines bestimmten Bereichs von Herrschaft zwischen dem Rechtsinhaber und einer Partei oder mehreren betrifft. 467 Pflichten teilten mit Rechten die Verteilung des Besitzens: Jede Pflicht sei die Pflicht einer Person. 468 Obwohl manche Pflichten relativ seien, d.h. Pflichten gegenüber einer zweiten Partei, seien viele Pflichten nichtrelativ. Jedes Recht sei jedoch das Recht des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei, gegenüber der es gelte. Dieser zweite Aspekt der Verteilung spiegle die Art wider, in der die Normen, die das Recht bildeten, als Standards für die Verteilung von Herrschaft zwischen der ersten Partei und zweiten Parteien dienten.469 Dieser Aspekt werde in seinem Hohfeldschen Modell durch die Art hervorgehoben, in der die verschiedenen Elemente zu einem bestimmten Recht gehörten. Jedes verknüpfte Element sei an den definierenden Kern des Rechts durch die Art gebunden, in der es eine Art von Freiheit2 und Kontrolle eher dem Rechtsinhaber als einer zweiten Partei übertrage. Dieser zweite Aspekt der Art, in der Rechte verteilend seien, werde durch sein Modell aufgrund der Art beleuchtet, in der ein verknüpftes Element innerhalb eines Rechts begriffen werde.
Rechte sind in Konstrast zu Verpflichtungen und Werten in Konfrontationen relevant - Die theoretische Bedeutung dieser zweiten Art von Verteilung, wonach ein Recht gegenüber einer zweiten Partei gelte, sei, dass diese Verteilung eine semantische Voraussetzung der Sprache über Rechte enthülle.470 Der bloße Begriff eines Rechts setze eine mögliche Konfrontation zwischen dem Besitzer 467 468 469 470
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), (1985), (1985), (1985),
S. 193. S. 191. S. 192. S. 194.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
eines Rechts und einer zweiten Partei oder mehreren voraus. Folglich seien Rechte für Konfrontationen zwischen Parteien in einer Weise relevant, in der es Verpflichtungen und Werte nicht seien. Der Begriff von dem, was einer tun sollte, oder einer Pflicht oder einer richtigen (right) oder unrichtigen (wrong) Handlung setze nur einen einzelnen Handelnden voraus, der zwischen alternativen Handlungen wähle. Der Begriff eines Wertes oder Unwertes setze nur ein einzelnes zielstrebiges Wesen voraus, das Ziele verfolge und unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden versuche. Diese semantische Voraussetzung helfe zu erklären, warum Rechte besonders für Konflikte zwischen dem Willen einer Partei und dem gegenteiligen Willen einer anderen Partei relevant seien.471 Die Tatsache, dass jedes Recht notwendig gegenüber einer oder mehreren zweiten Parteien gelte, erkläre auch die praktische Bedeutung von Rechten. Rechte wären in einem Kantischen Reich der Zwecke nutzlos, in dem jeder Wille, weil vollständig rational, mit jedem anderen vereinbar sei. Nur wenn Willen konfligieren könnten und moralische Handelnde auf unvereinbare Weise zu handeln wünschten, machten Rechte einen wirklichen praktischen Unterschied. In einer Konfrontation begünstige ein Recht, sofern es respektiert werde, den Willen des Rechtsinhabers gegenüber dem Willen der zweiten Partei im Bereich des Rechts. Die Art, in der Rechte notwendig gegenüber zweiten Parteien gelten würden und den Willen des Besitzers gegenüber einer zweiten Partei begünstigten, sei auch für die Gesellschaft von beträchtlicher Bedeutung, weil Rechte Standards für die Konfliktlösung zwischen Mitgliedern der Gesellschaft seien. Rechte würden Streitigkeiten zu lösen helfen, weil sie, sofern allgemein bekannt und respektiert, Normen zur Verfügung stellten, die bestimmten, welcher der konfligierenden Willen vorherrschen solle. (3) Rechte übertragen eine spezielle Stellung - Der dritte Aspekt der Verteilung besteht darin, dass jedes Recht dem Rechtsinhaber und oft dem Repräsentanten des Rechtsinhabers eine spezielle Stellung (special standing) überträgt, die alle anderen Parteien ermangeln. 472 Nur der Rechtsinhaber oder derjenige, der für ihn handle, habe die Stellung, auf ein Recht Anspruch zu erheben, es auszuüben, es aufzugeben etc. Diese spezielle Stellung, die durch jedes Recht übertragen werde, sei aus zwei Gründen nicht identisch mit dem Besitzen, d.i. dem ersten Aspekt der Verteilung: (i) Der Repräsentant des Rechtsinhabers könne mit letzterem gelegentlich diese spezielle Stellung teilen, ohne dadurch Besitzer des Rechts zu werden, (ii) Diese spezielle Stellung sei auf die Stellung, in bestimmter Weise zu handeln, beschränkt, während das Besitzen auch passive Aspekte haben könne. Demnach seien Pflichten, die dem Besitzer des Rechts geschuldet würden, oder Immunitäten des Besitzers eines Rechts nicht in der speziellen Stellung, die durch das Recht verteilt werde, enthalten. 471 472
Vgl. Wellman (1985), S. 195. Vgl. Wellman (1985), S. 192.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Ein Recht muss einige Freiheitenl und Kompetenzen enthalten - Wellman bemerkt, dass auch dieser dritte Aspekt der Art, in der Rechte verteilend seien, in seinem Modell eines Rechts enthalten sei. Da jedes Recht, sofern es respektiert werde, seinem Besitzer notwendig Freiheit2 und Kontrolle übertragen müsse, müsse jedes Recht notwendig einige Freiheitenl und Kompetenzen enthalten. Wenn diese Freiheitenl oder Kompetenzen des Rechtsinhabers seien, verteilten sie die Stellung, diese Freiheitenl oder Kompetenzen auszuüben.473 Einige von diesen können Kompetenzen enthalten, Freiheitenl oder Kompetenzen seinem Vertreter (agent) zu übertragen. Diese berücksichtigten die spezielle Stellung, die ein Rechtsinhaber einem Repräsentanten übertragen könne, an seiner statt zu handeln. Auf diese Weise könne man verstehen, wie jedes Recht eine spezielle Stellung manchen Parteien übertrage und anderen versage. Verteilung spricht für Willenstheorie von Rechten - Die theoretische Bedeutung dieses dritten Aspekts der Verteilung von Rechten, wonach nur der Besitzer oder sein Vertreter (agent) das Recht ausüben, auf es Anspruch erheben, verzichten oder auf es pochen könnten, liege darin, dass es uns zeige, dass eine Version der Willenstheorie von Rechten näher an der Wahrheit sei als jede Version der Interessetheorie. 474 Da die spezielle Stellung, die durch Rechte an ihre Besitzer verteilt werde, in der Autorisierung, auf bestimmte Arten zu handeln wie z.B. auf ein Recht bestehen oder es aufgeben, bestehe, enthalte es eher eine spezielle Stellung des Willens der ersten Partei als ihres Interesses. Folglich würden mit der Inkorporierung von Rechten in ein Rechtssystem oder in eine moralische Theorie jene anerkannt, die als Handelnde Rechte behaupteten und als zur rationalen Wahl fähige Wesen ihre Zwecke verfolgten, indem sie aufgrund ihrer Wahl handelten.
Die spezielle Stellung ermöglicht das Verfolgen von Zwecken - Die spezielle Stellung sei von beträchtlicher praktischer Bedeutung für den Besitzer des Rechts. Sie ermögliche dem Handelnden in bestimmter Weise, ob eigennützig oder uneigennützig, zu handeln und seine Zwecke zu verfolgen. Jedes Recht schaffe eine Art Privatsphäre im Sinn eines beschränkten Bereichs, in dem der Handelnde bestimmte Dinge tun könne, und andere nicht eindringen könnten, indem sie vorgäben, diese Dinge im Auftrag oder an Stelle des Rechtsinhabers zu tun. Rechte und soziale Rollen - Der Wert der Verteilung der speziellen Stellung sei nicht auf den Wert für den Rechtsinhaber beschränkt. Z.B. habe in vielen 473
Vgl. Wellman (1985), S. 193. Vgl. Wellman (1985), S. 196. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1982), S. 16 f., [hier im Kapitel B., II., 4., b), cc) über Herrschaft, Freiheit2, Kontrolle wiedergegeben] darauf hinweist, dass seine Auffassung eines Rechts, in dem Autonomie im Sinn von Selbstbestimmung (self-determination) gedacht werde, offensichtlich eher in die Tradition der Willenstheorien als der Interesse- oder Nutznießertheorien falle. 474
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Rechtssystemen nur der Staatsanwalt die legale Stellung, jemanden anzuklagen und gerichtlich zu belangen, der eines Verbrechens beschuldigt werde. Der Grund dafür, dass diese spezielle Stellung dem Beamten zugewiesen werde, sei nicht die Bevorteilung dieses Individuums, sondern der Öffentlichkeit. Dieses Beispiel illustriere die Art, in der Rechte zur Bildung sozialer Rollen beitrügen, die Individuen spielen könnten. Soziale Rollen und daher die Rechte, die sie zum Teil definierten, seien sowohl aufgrund der Art, in der sie Organisationen mit ihren spezialisierten Aufgaben möglich machten, als auch der Art, in der sie zwischenmenschliche Beziehungen wie jene zwischen Ehefrau und Ehemann oder Arzt und Patient strukturierten, von praktischer Bedeutung. cc) Ansprucherheben (claiming) Wellman lehnt eine Anspruchstheorie von Rechten ab - Wellman bemerkt, dass es eine notwendige Verbindung zwischen Rechten und Ansprucherheben gibt, lehnt aber die Anspruchstheorie (claim theory) von Rechten, in der Rechte mit Ansprüchen gleichgesetzt werden, ab, weil seiner Theorie gemäß auch Freiheits- (liberty-), Kompetenz- und Immunitätsrechte genuine Rechte sind und weil ein Anspruchsrecht nicht mit einem Anspruch gleichgesetzt und durch ihn allein erklärt werden kann. 475 In einem genuinen Anspruchsrecht müsse der Kernanspruch mit einer Reihe weiterer Elemente verknüpft werden, die sofern sie respektiert würden, dem Rechtsinhaber Herrschaft über den Kern übertragen würden. Alle Rechte sind mit Ansprucherheben verbunden - Wellman bemerkt, dass in einem weiteren Sinn von Ansprucherheben, als Behaupten seines Rechts gegenüber einem Gegner verstanden, alle Arten von Rechten wesentlich mit Ansprucherheben verbunden seien, was durch sein Hohfeldsches Modell klar werde. 476 Es sei auch klar, dass legale Anspruchsrechte diesen Aspekt eines Rechts am deutlichsten enthüllten, weil sie legale Herrschaft (legal dominion) in ihrer deutlichsten und stärksten Form veranschaulichten. Ansprucherheben in diesem weiten Sinn, in dem alle Arten von Rechten beansprucht werden könnten, sei nicht eine einzelne Betätigung, sondern eine Reihe von Betätigungen, die durch sein komplexes Modell eines Rechts erhellt würden. Die Verschiedenheit der Beanspruchungen werde durch die Verschiedenheit der Elemente erklärt, die in ein Recht eingehen könnten. Ihre Ähnlichkeit als Beanspruchungen werde durch die Art klargemacht, in der Rechte besonders für eine mögliche Konfrontation relevant seien.477 Ansprucherheben nehme nicht nur verschiedene Formen an; Rechte könnten notwendigerweise auf unterschiedliche Art mit Beanspruchun475 476 477
Vgl. Wellman (1985), S. 204. Vgl. Wellman (1985), S. 205. Vgl. Wellman (1985), S. 206.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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gen verbunden werden. Z.B. ermächtige eine legale Kompetenz, sein Anspruchsrecht einzuklagen oder auf es zu verzichten, den Rechtsinhaber, Anspruch auf Abhilfe für die Nichterfüllung zu erheben, indem er vor Gericht klage oder auf seinem Recht beharre oder es ablehne, auf den Kernanspruch zu verzichten. Die Pflicht eines anderen gegenüber dem Rechtsinhaber begründe oder rechtfertige die Beanspruchung ihrer Erfüllung. Eine Freiheitl erlaube jemandem nach seinen Rechten und innerhalb seiner Rechte zu handeln. Rechte können nicht auf Pflichten reduziert werden - Die theoretische Bedeutung dieser wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Ansprucherheben in einem weiteren Sinn liege erstens in der Erkenntnis, dass die Nachteile (disadvantages), die den zweiten Parteien eines Rechts auferlegt würden, nicht auf Pflichten eingeschränkt werden könnten: Ein Recht könne der zweiten Partei Unfähigkeiten (disabilities), Verbindlichkeiten (liabilities) oder sogar das, was Hohfeld als Nicht-Ansprüche (no-claims) (die logische Implikation der Freiheitl des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei) bezeichnet, auferlegen. Auf ein Recht Anspruch zu erheben bedeute nicht nur zu behaupten, dass man ein Recht habe, sondern sein Recht in einer Weise zu behaupten, die den Willen einer Partei gegenüber einer zweiten Partei begünstige. Zweitens bemerkt Wellman mit Bezug auf Feinberg 478, dass die notwendige Verbindung zwischen Rechten und Ansprucherheben uns die theoretische Notwendigkeit zeige, Kompetenzen [und verwandte, durch Kompetenzen definierte Elemente wie Immunitäten und Verbindlichkeiten (liabilities)] in ein angemessenes Modell eines Rechts einzuschließen479 Beide theoretischen Einsichten implizierten, dass Rechte nicht, wie die Anspruchstheorie nahe lege, auf Pflichten reduziert und in Pflichten gänzlich zergliedert werden könnten, sondern dass ein reichhaltigeres Vokabular erforderlich sei. Selbstachtung und Vernünftigkeit - Die praktische Bedeutung dieser wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Ansprucherheben sei dreifach: 480 Erstens helfe sie zu erklären, warum das Besitzen von Rechten zur Selbstachtung des Rechtsinhabers beitrage. Zweitens sei Ansprucherheben als Mittel zur Vorherrschaft von praktischer Bedeutung.481 Drittens liege die praktische Bedeutung dieser wesentlichen Verbindung in der Tatsache, dass sie beide Parteien in einem Konflikt zur Vernünftigkeit bewege.482 Letzteren Punkt begründet Wellman folgendermaßen: Auf sein Recht Anspruch zu erheben bedeute, sich auf seinen Rechtstitel oder auf die Grundlagen des Rechts zu berufen, und sei so478
Wellman bezieht sich auf Feinberg (1970), S. 251. Vgl. Wellman (1985), S. 206 f. 480 In der folgenden Wiedergabe werden die drei Punkte nicht näher erläutert, sondern nur aufgelistet. 481 Vgl. Wellman (1985), S. 208. 482 Vgl. Wellman (1985), S. 210. 479
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
mit eine Berufung eher auf Gründe als auf bloße Gewalt. Man erhebe Anspruch auf ein Recht durch Argumentation, indem man Argumente vorbringe, um seinen Anspruch zu rechtfertigen. Diese Berufung auf Vernunft führe dazu, Gegenargumente und eine gegenteilige Reihe an Gründen auf Seiten des Gegners hervorzurufen. Auf diese Weise verlege (removes) das Ansprucherheben charakteristischerweise den Konflikt zwischen dem Rechtsinhaber und der zweiten Partei vom bewaffneten Streit, unbewaffneten Streit oder der Androhung desselben auf den Schauplatz des Argumentierens. Und die Konfrontation sei eher durch ein vernunftgemäßes Urteil als durch willkürlichen Sieg zu lösen. dd) Schutz (protection) (1) Verschiedene Aspekte des Schutzes, der mit Rechten einhergeht In seiner Erörterung des Schutzes, der mit Rechten einhergeht, hebt Wellman folgende Aspekte hervor: (1.1) Rechte setzen die Situation voraus, in der Schutz erforderlich tens zeige sein Modell, dass Rechte genau die Art von Situation voraussetzten, in der Schutz erforderlich sei. 483 Jedes Recht enthalte die Rollen des Rechtsinhabers und der zweiten Partei, gegenüber der es gelte, und setze einen Kontext voraus, in dem der Wille des Rechtsinhabers mit dem Willen der zweiten Partei konfligieren könne. Genau in dieser Situation brauche der Wille des Rechtsinhabers Schutz vor der zweiten Partei. 484 Der Begriff „Schutz" sei relational definiert und „schützen" bedeute, gegen Unrecht (injury) oder Gefahr verteidigen oder behüten, gegen einen Angriff abschirmen, gegen feindliche Tätigkeit unterstützen, beistehen oder Immunität gewähren. 485 Auf Seiten der zweiten Partei jedes Rechts werde genau eine solche potentielle feindliche Tätigkeit gedacht. Demgemäß passe der Begriff des Schutzes notwendigerweise in den Kontext, der im Begriff eines Rechts vorausgesetzt werde.
ist - Ers
(1.2) Herrschaft hat schützende Funktion - Zweitens zeige sein Modell, dass der Begriff „Herrschaft" ein Bindeglied in der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Schutz bilde. In H.L.A. Harts Modell bestehe jedes Beispiel eines Rechts aus einer zentralen bilateralen Freiheit 1 mitsamt einem schützenden Umkreis aus Pflichten anderer, nicht in bestimmter Weise in die Ausübung dieser Freiheit 1 einzugreifen. Auf diese Weise finde der Begriff des Schutzes in Harts Definition eines Rechts Eingang und die wesentliche Funktion eines Rechts sei notwendigerweise, Freiheit 1 zu schützen. Wellman bemerkt, dass in seinem eigenen komplexeren Modell auch andere Hohfeldsche 483 484 485
Vgl. Wellman (1985), S. 211. Vgl. Wellman (1985), S. 211 f. Vgl. Wellman (1985), S. 212.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Elemente außer Freiheiten 1 als Kerne von Rechten dienen könnten, und es sei die Hinzufügung weiterer verknüpfter Elemente - die, sofern sie respektiert würden, hinreichend seien, um dem Rechtsinhaber Herrschaft über den Kern des Rechts zu übertragen - , die ein volles und genuines Recht bilde. Demgemäß sei es eher der Begriff „Herrschaft" als des Schutzes, der in dieselbe Definition eines Rechts Eingang finde. Daraus folge, dass die wesentliche Funktion eines Rechts nicht so sehr darin bestehe, Freiheit2 zu schützen, als vielmehr einen Bereich von Herrschaft zuzuweisen. Nur weil Herrschaft wiederum eine schützende Funktion leiste, seien Rechte aufgrund ihrer Beschaffenheit mit Schutz verbunden. An der Art des Schutzes, der durch ein Recht gewährt werde, sei charakteristisch, dass es, sofern es respektiert werde, den Rechtsinhaber durch ein sehr spezielles Mittel schütze: indem es ihm einen bestimmten Bereich von Herrschaft zuweise.
(1.3) Verschiedene Hohfeldsche Elemente können in Wellmans Modell als Schutz dienen - Drittens enthülle sein Modell und definiere die verschiedenen Arten, in denen Rechte, sofern sie respektiert würden, ihre Besitzer schützten. Harts „schützender Umkreis" bestehe zur Gänze aus Pflichten nicht einzugreifen, obwohl er nicht zwischen absoluten und relativen Pflichten dieser Art unterscheide.486 Wellman bemerkt, dass in seinem Modell eines Rechts jede Art eines Hohfeldschen Elements als ein verknüpftes Element und damit indirekt als Schutz dienen könne. Verschiedene Arten Hohfeldscher Elemente könnten als definierende Kerne dienen und folglich ihre Besitzer mit verschiedenen Arten von Schutz versehen.
(1.4) Der Grad des Schutzes eines Rechts variiert mit dem Grad, in dem es respektiert wird - Viertens zeige sein Modell, dass der Schutz, den Rechte ermöglichten, ein normativer Schutz sei. 487 Jedes Hohfeldsche Element wie eine Pflicht oder eine Kompetenz sei eine normative Position, die jemand unter einer 486
Vgl. Wellman (1985), S. 212 f. Vgl. Wellman (1985), S. 213. Ergänzend sei folgende Bemerkung Wellmans aus seinem Kommentar zu seinem Aufsatz ,Moral Rights and Positive Law" erwähnt: Martin habe argumentiert, dass jedes moralische Recht, das sozialen Schutz ermangle, schwach (infirm) sei und als Recht mangelhaft sei. Vgl. Wellman (1997), S. 26, bzw. Martin, Nickel (1980), S. 170, bzw. (1983), S. 219. Martin habe geschlussfolgert, dass schützende soziale Praxen sowohl im Begriff eines moralischen als auch eines legalen Rechts enthalten seien. Wellman bemerkt, dass obwohl er Martin zustimme, dass jedes moralische Recht, das Schutz ermangle, schwach sei, er nicht schlussfolgere, dass es aufhöre, ein wirkliches Recht zu sein. Ferner habe er Martins Behauptung zurückgewiesen, dass der Begriff eines moralischen Rechts einen tatsächlichen Schutz voraussetze. Die Art von Schutz, die in seinem Begriff eines Rechts eingebaut sei, sei nicht ein tatsächlicher Schutz, sondern das, was MacCormick sehr treffend „normativen Schutz" bezeichnet habe. Für ein wirkliches Recht seien verknüpfte Positionen - Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten - wesentlich, die Handlungen erlaubten, verlangten oder ermöglichten, die das Besitzen oder Genießen des Kerns des Rechts seitens des Rechtsinhabers schützen würden. 487
244
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
oder mehreren institutionellen oder moralischen Normen habe. Ein Recht gewähre dem Rechtsinhaber Schutz in Form des Schutzes, den ihm die Normen, die dieses Recht bildeten, verschaffen würden. 488 Dass Rechte den Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei schützten, nur wenn sie respektiert würden, bedeute nicht einfach, dass sie tatsächlich schützten, nur wenn sie von der zweiten Partei respektiert würden. Der Grund sei, dass Rechte komplexe Strukturen seien, die außerdem erste-Partei und dritte-Partei Rollen enthielten.489 Tatsächlich könne das Recht des Gläubigers auf Rückzahlung sein Interesse, eine bestimmte Geldsumme an einem bestimmten Tag entgegen zu nehmen, aufgrund des Respekts des Schuldners vor diesem Recht und seiner Abneigung, die Normen, die dieses Recht dem Gläubiger übertragen würden, zu verletzen, schützen. Aber ein sich widersetzender Schuldner, der wenig Respekt vor legalen oder moralischen Rechten habe, werde die Schuld widerwillig infolge einer richterlichen Entscheidung oder auf Druck anderer, die moralischer seien als er, zurückzahlen. Der Grad des Schutzes, der durch ein bestimmtes Recht tatsächlich ermöglicht werde, variiere mit dem Grad, in dem dieses Recht durch die verschiedenen Parteien respektiert werde, die eine Rolle in diesem Recht spielten. 488
Vgl. Wellman (1985), S. 214. Ergänzend sei hier eine Bemerkung Wellmans zum Zusammenhang zwischen Schutz und der Rolle dritter Parteien aus seinem Kommentar zu seinem Aufsatz ,Moral Rights and Positive Law" erwähnt: Wellman stellt die Frage, warum der Schutz besonders angemessen für Rechte sei. Seine Vermutung sei, dass dies aus der definierenden Funktion eines Rechts folge. Vgl. Wellman (1997), S. 26. Ein Recht sei ein System Hohfeldschei Elemente, das, sofern es respektiert werde, seinem Besitzer eine Sphäre an Autonomie gegenüber einer zweiten Partei in einer möglichen Konfrontation übertrage. Die Funktion eines Rechts sei zu bestimmen, wessen Wille vorherrschen (prevail) solle. Da aber kein Recht seine Funktion verlässlich erfüllen könne, Freiheit2 und Kontrolle seinem Besitzer zu übertragen, wenn nicht jene, die in der Position zu intervenieren seien, sofern notwendig, auf der Seite des Rechtsinhabers gegenüber jedem, der in der Position sei, dessen Recht zu verletzen, intervenierten, müsse diesen dritten Parteien erlaubt und oft sogar von ihnen verlangt werden zu intervenieren, um die Ausübung und den Genuss eines Rechts zu schützen. Diese Überlegungen hätten ihn zu dem Schluss geführt, dass jedes Recht drei Rollen - die der ersten, der zweiten und der dritten Partei - definiere. Wellman erörtert daraufhin die Frage, wie und durch wen ein Recht geschützt werden solle. Vgl. ebd., S. 27. Obwohl die Angemessenheit des Schutzes in seine Konzeption eines Rechts eingebaut sei, sei die Form, die er annehmen sollte, durch die dahinter stehenden institutionellen oder moralischen Normen bestimmt. Da dritte-Partei-Rollen in seinem Konfrontationsmodell eines Rechts wesentlich seien, sei er mit dem Problem konfrontiert, die Hohfeldschen Elemente zu spezifizieren, die diese Rollen definierten. Welche diese Rollen für jedes moralische Recht seien, hänge von den moralischen Gründen ab, die die moralischen Positionen begründeten. Wellman bemerkt, dass er an dieser Stelle in seiner Behandlung von Rechten nur eine sehr vorläufige und, wie sich herausstellte, falsche Vorstellung über diese Gründe gehabt habe. Was er herausgefunden habe, sei, dass die verknüpften Elemente prima facie Positionen seien, ein Charakteristikum, das zu erklären erlaube, wie sie in unterschiedlicher Art auf veränderliche Umstände Anwendung fänden. 489
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
245
Der Unterschied im Schutz, den legale bzw. moralische Rechte ermöglichen, ist nur graduell - Durch die Erkenntnis der Art, in der der Schutz, den ein Recht ermögliche, vom Respekt vor den Normen, die dieses Recht bildeten, abhänge, werde die fehlerhafte Ansicht vermieden, dass legale Rechte und moralische Rechte in grundsätzlich verschiedener Weise mit Schutz verknüpft seien. Viele glaubten, dass während das Besitzen eines legalen Rechts impliziere, dass man tatsächlich in einer bestimmten Weise geschützt sei, das Besitzen eines moralischen Rechts impliziere, dass man nur geschützt sein sollte. 490 Dies stimme aber nicht. 491 Obwohl legale Normen gewöhnlich respektiert wür490
Vgl. Wellman (1985), S. 214 f. Ergänzend dazu seien Wellmans frühere Überlegungen erwähnt, die er in (1997), S. 5 f., zusammenfasst: Viele Juristen hätten versucht, ihre Definitionen von Rechten in den moralischen Bereich auszuweiten, indem sie die inoffiziellen Sanktionen der öffentlichen Meinung und des sozialen Drucks, die den sozialen Schutz moralischer Rechte bildeten, beachteten. Für ihn (sc. Wellman) und jene, die die traditionelle Sprache der Theorie natürlicher Rechte für bedeutungsvoll erachteten und an die Existenz moralischer Rechte, die nicht in sozialen Institutionen anerkannt seien, glaubten, seien solche Analysen des Begriffs eines Rechts inakzeptabel gewesen. Er habe Mill zustimmen können, dass „wenn wir etwas als Recht einer Person bezeichneten, wir meinten, dass sie einen gültigen Anspruch an die Gesellschaft hätte, sie (sc. die Person) im Besitz desselben entweder durch Rechtszwang oder durch den Zwang im Bereich der Bildung (education) und Meinung zu schützen". Demgemäß sollte ein moralisches Recht, gleichgültig, ob es durch die Gesellschaft geschützt werde, so geschützt werden. Aber aus welchem Grund? Vielleicht, weil moralische Rechte nicht zur Lösung von Konflikten zwischen Individuen, so wie sie gelöst werden sollten, dienen könnten, wenn es nicht für die Gesellschaft moralisch angemessen wäre, auf der Seite des Inhabers in jeder Konfrontation zwischen ihm und einem widerspenstigen Pflichtinhaber zu intervenieren. Es schien, dass seine (sc. Wellmans) funktionale Annäherung an Rechte von ihm verlangt hätte, sozialen Schutz in seine Auffassung sowohl legaler als auch moralischer Rechte, obzwar auf unterschiedliche Weise, einzubauen. Nur wenn der Zwang der Gesellschaft ein Recht tatsächlich beschützte oder beschützen sollte, könnten Rechte zur Vorbeugung oder Lösung von Konflikten zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft fungieren. Daraufhin stellt er die Frage, ob legale und moralische Rechte wesentlich ähnlich seien. Vgl. ebd., S. 6. Er habe eine allgemeine Definition von Rechten zu geben versucht. Aber die Notwendigkeit zwischen sozialem Schutz, der in legalen Rechten tatsächlich gegeben sei, bei moralischen Rechten aber nur gegeben werden sollte, zu unterscheiden, habe ihm zu denken gegeben, ob er erfolgreich gewesen sei. Jedes legale Recht sei notwendig geschützt, da jedes angebliche Recht, das durch das Rechtssystem nicht anerkannt und erzwungen werde, kein wirkliches legales Recht in dieser Gesellschaft sei. Aber es folge nicht, dass jedes legale Recht geschützt werden sollte, woran einen das Beispiel des Rechts des Vorkriegs-Südstaatlers, Sklaven zu besitzen, erinnere. Auf der anderen Seite sollten vermutlich grundlegende moralische Rechte sozial geschützt werden. Es folge aber nicht, dass sie immer geschützt seien, wovon das Menschenrecht auf Freiheitl (liberty) des Sklaven zeuge. Implizierte die Tatsache, dass es notwendig gewesen sei, die Dichotomie von Sein und Sollen in seine Definition eines Rechts einzuschließen, dass es unmöglich gewesen sei, eine allgemeine Theorie über Rechte zu formulieren, eine Theorie, die auf jede Art institutioneller und moralischer Rechte Anwendung finden könnte? Wellman bemerkt, er habe gewusst, dass die Erreichung seines Projekts von der Lösung etlicher Probleme abhängen würde. 491
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
den, zum Teil weil sie oft erzwungen würden, sei dies nicht ausnahmslos der Fall. Die Polizei würde nicht ausnahmslos die Rechte jener respektieren, mit denen sie in Kontakt komme, die Gerichte würden nicht immer die Rechte aller Parteien anerkennen, die vor ihnen erschienen, und manchen Rechtsinhabern fehlten die Geldmittel, um vor Gericht zu gehen. Umgekehrt, projizierten moralische Normen nicht nur ein unverwirklichtes Ideal von Schutz. Moralische Normen würden oft respektiert und gewährten folglich oft wirklichen Schutz. Damit soll nicht bestritten werden, dass der Schutz, der durch legale Rechte ermöglicht werde, charakteristischerweise effektiver sei als der, der durch moralische Rechte gewährt werde. Der Unterschied sei aber nur ein gradueller, nicht ein Unterschied in der Sache. Sowohl institutionelle als auch moralische Rechte gäben ihren Besitzern normativen Schutz. (1.5) Die Rolle dritter Parteien und die soziale Dimension des Schutzes Fünftens enthüllte die Rolle dritter Parteien in seinem Modell die soziale Dimension des Schutzes, der durch ein Recht gewährt werde. Manche der Hohfeldschen Elemente, die in ein Recht Eingang fänden, würden normative Positionen dritter Parteien sein. Rechte schützten in hohem Grad, wenn auch nicht ausschließlich, aufgrund der Art, in der dritte Parteien sie schützten (uphold). (2) Die theoretische und praktische Bedeutung der Verbindung zwischen Rechten und Schutz Rechte und ihre Voraussetzungen - Die theoretische Bedeutung der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Schutz sei, dass ein Recht in einer Weise wesentlich sozial sei, in der andere normative Begriffe wie der eines Guts, einer Verpflichtung oder sogar einer Pflicht es nicht seien. 492 Ein isoliertes Individuum wie Robinson Crusoe auf einer Insel ohne seinen Diener Freitag müsse sich höchst aufmerksam überlegen, welchen Gütern es nachgehen solle und welche es meiden solle. Treffe er auf Freitag, würde er mit moralischen Wahlmöglichkeiten (choices) konfrontiert sein, wie er das einzige andere Individuum auf der Insel behandeln sollte. Die Art aber, in der Rechte notwendig mit Schutz verbunden seien, mache klar, dass jedes Recht notwendig ebenso dritte Partei Rollen enthalte wie die Rollen des Rechtsinhabers und zweiter Parteien. Dies bedeute nicht, dass Rechte eine politisch organisierte Gesellschaft voraussetzten oder, wie Bentham meinte, dass der Ausdruck „ein natürliches Recht" Unsinn sei. Obwohl Rechte notwendig sozial seien, würden sie nicht notwendig durch die Gesellschaft, durch ihr Rechtssystem (legal system) oder durch ihre konventionellen Normen übertragen. Rechte seien insofern sozial, als ihr Gelten gegenüber einer zweiten Partei in hohem Maß von dem Schutz abhänge, den Normen böten, die auf das Verhalten dritter Parteien Anwendung Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 2 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
247
fänden. Die Sprache der Rechte setze folglich voraus, dass die Konfrontation, auf die sie Anwendung finden könnten, die Gegner innerhalb einer größeren Gruppe von Individuen gegenüberstelle, von denen viele dritte Parteien sein könnten. Eine Willenstheorie, die die Einsichten der Interessetheorie berücksichtigt Wellman weist auf eine falsche Schlussfolgerung hin, die aus der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Schutz gezogen werde: Juristen setzten oft ein legales Recht mit legal geschützten Interessen gleich. Interessetheorien würden charakteristischerweise Willenstheorien über Rechte entgegengesetzt, in denen ein Recht zu haben darin bestehe, dass der Wille der Partei in einer bestimmten Weise anerkannt und begünstigt werde. 493 Harts angesehene Wahltheorie legaler Rechte sei ein Beispielsfall einer Willenstheorie. Wellman bemerkt, dass man nicht zu wählen brauche zwischen einer Theorie, in der ein Recht in einem speziellen Status des Willens des Rechtsinhabers bestehe, und einer Theorie, dergemäß Rechte die Interessen des Rechtsinhabers schützten, weil wir gesehen hätten, dass Rechte die Interessen ihrer Besitzer dadurch schützten, dass sie dem Rechtsinhaber Herrschaft gegenüber einer Partei gäben, deren Wille dem Willen des Besitzers des Rechts entgegengesetzt sein könne. Die genaue Erkenntnis des wesentlichen Zusammenhangs von Rechten und Schutz, erlaube einem, eine Version der Willenstheorie von Rechten zu übernehmen, eine Theorie, die in seinem Herrschaftsmodell von Rechten eingebaut sei, ohne die traditionellen Einsichten der Interessetheorien abzulehnen, dass Rechte einen besonders bedeutenden Schutz den Interessen gewährten, die in ihren Bereich fielen. Rechte schützen die Schwachen wie die Starken - Daraufhin erläutert Wellman die praktische Bedeutung der wesentlichen Verbindung zwischen Rechten und Schutz. Sie erlaube zu erklären, warum Rechte oft, aber nicht ausnahmslos von großem Wert für ihre Besitzer seien, aufgrund des speziellen Schutzes, den sie verschaffen würden. Erstens gewährten Rechte jenen Schutz, die ihn nötig hätten. Jedes genuine Recht setze eine mögliche Konfrontation zwischen dem Rechtsinhaber und einer zweiten Partei voraus. Der Kontext bedeutsamer Behauptungen von Rechten sei jener, in dem der Besitzer eines Rechts Schutz vor einem Gegner brauche. Zweitens sei der Schutz, den Rechte gäben, von großer Bedeutung für die Schwachen. Obwohl die Starken genauso wie die Schwachen, die Wohlhabenden wie die Armen durch ihre Rechte geschützt seien, appellierten die Schwachen und die Benachteiligten am eindringlichsten an ihre Rechte.494 Rechte schützten durch die Zuweisung eines Bereichs von Herrschaft an den Rechtsinhaber. Diese spezielle Art von Schutz, der Schutz durch den Besitz von Freiheit2-Kontrolle, sei ein besonders der Drohung oder Gefahr an4 4 4
Vgl. Wellman (1985), S. Vgl. Wellman (1985), S.
1. 1.
248
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gemessener Schutz, denen die Schwachen ausgesetzt seien, wenn sie mit einem stärkeren Willen konfrontiert seien. Dies erkläre, warum die Schwachen am ehesten ihre Rechte beanspruchten oder von jemandem in ihrem Auftrag beanspruchen ließen und warum die spezielle Form von Schutz, den Rechte gäben, von speziellem Wert für diese Rechtsinhaber in der Praxis sei. Der Schutz durch Rechte und andere Formen des Schutzes - Drittens zeige die Tatsache, dass Rechte durch Herrschaft schützten, auch, dass diese spezielle Form von Schutz nicht immer die beste sei und sogar zwecklos sein könnte. Es sei wichtig zu erkennen, dass der Schutz durch Rechte nur einer von vielen Formen von Schutz sei und dass manchmal andere Formen von Schutz von größerer praktischer Bedeutung sein könnten. Das Interesse eines Individuums an seinem Leben könne z.B. in einem Rechtssystem durch ein Anspruchsrecht, nicht getötet zu werden, geschützt werden. Ein effektiverer Schutz könnte in der Auferlegung einer strafrechtlichen Pflicht bestehen, keinen Menschen zu töten. Selbst wenn es Sinn hätte, ein bestimmtes Recht zu behaupten, könnte es sein, dass das Recht nicht in irgendeiner besonders effektiven Weise schütze. Z.B. sei es fraglich, wie effektiv das moralische Recht, medizinische Behandlung zu verweigern, einen Patienten schütze, der sehr geringe Medizinkenntnisse habe und in Bezug auf unbedingt erforderliche ärztliche Behandlung auf seinen Arzt besonders angewiesen sei. Die Effektivität des Schutzes - Dies führe zur praktischsten aller Fragen, nämlich, wie effektiv der Schutz sei, den Rechte gewährten. Ein Recht verschaffe normative Sicherheit. 495 Demnach hänge die Effektivität, des Schutzes, den es seinem Besitzer gewähre, vom Ausmaß des Respekts ab und variiere mit dem Grad des Respekts vor den - legalen oder moralischen - Normen, die das spezielle Recht bildeten.496 Rechte schützten nicht immer, da Normen nicht immer respektiert würden und manche Normen oft verletzt würden. Dennoch würden viele Normen, speziell institutionelle Normen allgemein anerkannt und nor495
Vgl. Wellman (1985), S. 219. Ergänzend sei folgende Bemerkung Wellmans aus seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „Moral Rights and Positive Law" angeführt: Martin und Nickel hätten darauf hingewiesen, dass die Frage, ob die verknüpften Elemente in seinem Modell Freiheit2 und Kontrolle übertragen würden, von der Befolgung der Normen, die dieses Recht bildeten, abhänge. Vgl. Wellman (1997), S. 27, und Martin, Nickel (1983), S. 211. Daher habe er seine Konzeption eines Rechts so abgeändert, dass ein moralisches Recht ein System von normativen Elementen sei, die, sofern sie respektiert würden, dem Rechtsinhaber Autonomie übertragen würden. - Eine weitere Bemerkung Wellmans aus seinem Aufsatz „Upholding Legal Rights" sei ebenfalls ergänzend angeführt: Ein genuiner und angemessener Respekt vor dem Recht (law) könne nicht durch bloße Indoktrinierung erzeugt und unterstützt werden, noch weniger durch strenge Erzwingung legaler Pflichten. Vgl. Wellman (1997), S. 60 f. Respekt vor legalen Rechten könne durch ein vergrößertes Wissen über die Natur der Rechte, die in das Rechtssystem inkorporiert würden, und aus einem größeren Verständnis des personellen und sozialen Wertes dieser Rechte gefördert werden. 496
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
249
malerweise akzeptiert, so dass viele einen wirklichen Schutz in der Praxis böten. Überdies sei der Schutz, den Rechte verschaffen würden, aufgrund der sozialen Dimension eines Rechts charakteristischerweise zuverlässiger als der normative Schutz, den Pflichten und Verpflichtungen böten. Demnach könne ein Recht aufgrund der Art, in der dritte Parteien die Normen respektierten, die das Recht bildeten, seinen Besitzer selbst dann schützen, wenn es nicht von der zweiten Partei respektiert werde. Dies erkläre viel von der Kraft und dem praktischen Wert der Berufung auf Rechte. Wenn ein Rechtsinhaber auf sein Recht gegenüber einem Gegner Anspruch erhebe, dann appelliere er an die Gesellschaft - kollektiv oder persönlich - zu intervenieren und für den Rechtsinhaber gegenüber der zweiten Partei Partei zu ergreifen. In diesem Kapitel wurden, wie zu Beginn erwähnt, Wellmans Ausführungen zu einigen Aspekten oder Hinsichten - Stärke, Verteilung, Ansprucherheben und Schutz - wiedergegeben,497 die für ein Recht charakteristisch sein sollen. Durch die Untersuchung dieser Aspekte oder Hinsichten hat Wellman herauszufinden versucht, welches Licht das Hohfeldsche Modell auf die spezielle Wichtigkeit von Rechten wirft. 5. Die Existenz moralischer Rechte Wellman thematisiert in „A Theory of Rights" anschließend an seine Erörterung seiner Konzeption eines moralischen Rechts die Frage nach der Existenz moralischer Rechte. Wie bisher werden seine Ausführungen aus dem genannten Werk auch durch seine späteren aus „Real Rights" ergänzt. Die folgende, längere Wiedergabe seiner Ausführungen gliedert sich thematisch in folgende Abschnitte: B., II., 5., a) Widerlegung von Einwänden, B., II., 5., b) Begründungsarten, B., II., 5., c) Qualifikationen des Rechtsinhabers, B., II., 5., d) Interpretation von Rechten, B., II., 5., e) unwirkliche Rechte, B., II., 5., f) Zur Behauptung moralischer Rechte und B., II., 5., g) Zum Zusammenhang von Recht, Moral und Moralität. Zur Natur moralischer Rechte bemerkt Wellman, sie seien in Kontrast zu den Rechten, die durch Normen der positiven Moralität übertragen würden, nichtinstitutionell (nonistitutional).498 Sie existierten unabhängig von jeglichen orga497
Wellmans Ausführungen zu den zwei weiteren Hinsichten Freiheit2 und Kontrolle wurden, wie eingangs in diesem Kapitel erwähnt, im Kapitel B., II., 4., b), cc) wiedergegeben. 498 Vgl. Wellman (1985), S. 169, und ferner Wellman (1995), S. 39. Ergänzend sei folgende Bemerkung Wellmans über Moralitätsrechte erwähnt: Es könne Moralitätsrechte auch in einer Gesellschaft geben, die den Begriff eines Rechts entbehre. Vgl. Wellman (1995), S. 34. Solche Rechte könnten auf einer Anzahl unabhängiger Moralitätspraxen begründet sein, die eine Menge Hohfeldscher Positionen begründeten, die
250
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
nisatorischen Regeln oder sozialen Konventionen. Sie seien in der traditionellen Sprechweise natürliche Rechte. Die Skepsis hinsichtlich der Existenz natürlicher Rechte habe eine lange Tradition. Wellman behauptet, er glaube an die Existenz moralischer Rechte. Er betrachte die ersten sieben Abschnitte dieses Kapitels als ein unterstützendes Argument zum Beweis ihrer Existenz.499 Sein Argument setzte seine Konzeption eines Rechts im Allgemeinen gemeinsam mit der Wirklichkeit spezifischer moralischer Gründe voraus. Er habe gezeigt, dass moralische Gründe analoge moralische Positionen zu den legalen Positionen von Hohfeld definierten. Wenn daher jemand zugestehe, dass ein Recht ein Komplex normativer Positionen sei, die sofern sie respektiert würden, Herrschaft übertragen würden, und dass es wirklich moralische Gründe gebe, dann folge, dass es nichtinstitutionelle moralische Rechte gebe, die durch diese moralischen Gründe übertragen würden. In „A Proliferation of Rights" bemerkt dann Wellman: Da die Existenz moralischer Rechte sowohl von unseren moralischen Überzeugungen als auch vom moralischen Kodex unserer Gesellschaft unabhängig sei, sei es schwierig zu wissen, ob ein angebliches moralisches Recht genuin sei. 500 Weil Moralphilosophen und gewissenhafte Laien sich darüber uneinig seien, welche Arten von Gründen erforderlich seien, um moralische Rechte zu begründen, bleibe die Existenz jedes moralischen Rechts zweifelhaft. Tatsächlich sei unser Unvermögen, überzeugend zu beweisen, dass ein angebliches Recht illusorisch sei, eine der Hauptquellen für die starke Vermehrung (proliferation) von Rechten. Selbst wenn ein Recht existiere, könnte es vielleicht nicht genau den Inhalt haben, den seine Befürworter voraussetzten, so dass es vielleicht nicht die moralischen Schlussfolgerungen rechtfertigen könnte, die aus ihm gezogen würden. a) Auseinandersetzung mit Einwänden Wellman setzt sich in „A Theory of Rights" mit einigen Gründen auseinander, aus denen seine Gegner in Bezug auf die Existenz moralischer Rechte sofern sie respektiert würden, einer ersten Partei Herrschaft über einen definierenden Kern übertragen würden. In diesem Fall könnte ein Anthropologe oder ein Historiker ein Moralitätsrecht völlig korrekt entdecken, das für die Mitglieder der Gesellschaft in ihrer eigenen Moralität nicht zu erkennen gewesen sei. 499 Das Kapitel »Moral Rights" in (1985) untergliedert sich in die Kapitel oder Abschnitte „A Hohfeldian Modell", „The Existence of moral rights" und „Varieties of Rights". Mit den ersten sieben Abschnitten (sections) sind vermutlich die ersten sieben Teile seiner Argumentation im Kapitel „The Existence of Moral Rights" gemeint. 500 Vgl. Wellman (1999a), S. 172. Wellman bemerkt in ebd., S. 37 f.: Der Erfolg im Überzeugen anderer, zur Behauptung eines neuen Menschenrechts zuzustimmen, trage nichts dazu bei, ein neues moralisches Recht existent zu machen, weil genuine moralische Rechte, sofern sie existierten, sich von konventionellen Rechten unterschieden, die durch den moralischen Kodex einer Gesellschaft hervorgebracht würden. Ein angebliches moralisches Recht sei nur insofern wirklich, als moralische Gründe existierten, die hinreichten, um seine Behauptung zu rechtfertigen.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
251
skeptisch sein könnten. Es dürfte insofern zweckmäßig sein, diese Auseinandersetzung kurz, aber einigermaßen vollständig wiederzugeben, als sich in ihr die Wellmansche Auffassung eines Rechts vervollständigt. aa) Wellmans Verständnis der Existenz eines moralischen Rechts und der Existenz moralischer Gründe Um zu klären, was zwischen ihm und seinen Gegner zur Debatte steht, erklärt Wellman zu allererst, was er mit der Behauptung der Wirklichkeit (reality) moralischer Rechte meint. 501 Da ein Recht eine komplexe Struktur Hohfeldscher Positionen sei, bedeute die Behauptung seiner Existenz, die Behauptung der Existenz einer Menge moralischer Positionen, die in der speziellen Art von Relation stünden, die durch sein Herrschaftsmodell (dominion modell) von Rechten enthüllt werde. 502 Moralische Positionen seien keine Entitäten wie physische Objekte oder wie Punkte im Raum oder Positionen in Raum-Zeit in irgendeinem Sinn ontologische Realitäten seien. Über moralische Gründe zu sprechen, sei, bildlich, über die Art zu reden, in der eine oder mehrere moralische Normen das Verhalten eines moralischen Handelnden oder, im Fall relativer Positionen, einer Menge (set) moralischer Handelnder beträfen. Wenn er (sc. Wellman) in seiner Behauptung Recht habe, dass moralische Normen moralische Gründe und nicht Regeln oder Prinzipien seien, dann sei die Behauptung der Existenz eines moralischen Rechts nur die Behauptung einer Menge moralischer Gründe, die das Verhalten in dieser speziellen Art beträfen, in der Rechte praktische Relevanz hätten. Doch was seien moralische Gründe? Sie seien Aussagen (statements), die eine moralische Konklusion implizierten. Folglich sei die Behauptung der Existenz moralischer Gründe die Behauptung der Wahrheit bestimmter Aussagen und ihrer Relevanz für moralische Urteile über menschliche Handlungen. Was dem ersten Anschein nach eine zweifelhafte ontologische Bindung (commitment) an einen nicht natürlichen Bereich moralischer Entitäten sei, weil wir von der „Existenz" oder „Wirklichkeit" sprächen, stelle sich stattdessen als epistemologische Voraussetzung heraus. 503 501
Vgl. Wellman (1985), S. 169 f. Vgl. Wellman (1985), S. 170. 503 Vgl. dazu auch Wellman (1995), S. 248, wo er auf seine Ausführungen aus (1961), S. 79-82, verweist. Dort schreibt Wellman unter anderem (im Kapitel über den ethischen Intuitionismus): Eine der wichtigen Fragen für jede Epistemologie der Ethik sei, ob ethische Urteile wirklich objektive Gültigkeit beanspruchen könnten. Vgl. Wellman (1961), 79. (...) Das grundlegende Problem zwischen jenen, die die objektive Gültigkeit moralischer Urteile bejahten und jenen, die sie verneinten, sei das epistemologische Problem, ob es gute Gründe für ethische Sätze gebe. Die Intuitionisten übersetzten dieses in das ontologische Problem ob eine spezielle Klasse nichtnatürlicher Eigenschaften und Relationen existiere oder bestehe. Einer von Wellmans Einwänden gegen den ethischen Intuitionismus ist, dass er damit das Problem falsch einordne. Vgl. ebd., S. 80. (...) Wellman weist dann auf die Schwierigkeiten in der Bestimmung des genauen Status nicht natürlicher Charakteristika hin, von denen angenommen 502
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
bb) Abgrenzung gegenüber traditionellen Theorien und Argumenten Moralische Gründe und ihre Beziehung zu Handlung enthalten keine ontologische Voraussetzung - Wellman argumentiert anschließend, dass dies einen der stärksten Einwände gegen die Existenz moralischer Rechte untergräbt. 504 Die traditionelle Theorie natürlicher Rechte habe sich aus der Naturrechtstheorie entwickelt. Obwohl sich die Auffassungen über die Natur moralischer Rechte unterschieden hätten, sei generell angenommen worden, dass sie eine Art Sein oder Existenz in der Welt haben müssten, um als objektive Standards zu dienen, anhand der man menschliche Institutionen beurteilen könnte. Das Hohfeldsche Modell von Rechten mache klar, dass diese Art ontologischer Bindung (commitment) nicht notwendig sei. Was als eine Aussage über die Existenz zweifelhafter nicht natürlicher Objekte aussah, sei eine Aussage über moralische Gründe und ihre Beziehung (bearing upon) zu menschlichem Handeln.505 Folglich sei es nicht nötig, die Existenz natürlicher Rechte auf metaphysischer Grundlage zu bestreiten.506
wird, dass sie sich radikal von natürlichen Charakteristika unterscheiden. Alle Bestimmungsversuche ihres Unterschieds seien unzulänglich gewesen. Noch aufschlussreicher sei die angenommene Relation zwischen diesen zwei Mengen von Charakteristika. Ethische Charakteristika schienen wegen ihrer bloßen Existenz in irgendeiner Weise von den natürlichen Charakteristika abzuhängen; sie seien resultierend oder folgend (consequential). Er (sc. Wellman) behaupte, dass wenn man genau lese, was die Intuitionisten über diese Relation existentieller Abhängigkeit schrieben, man realisiere, dass es eher etwas wie eine logische als eine ontologische Relation sei. Die epistemologische Relation zwischen Grund und Konsequenz sei als ontologische Relation zwischen Bestandteil bildenden (constituent) und resultierenden Eigenschaften (properties) missinterpretiert worden. Ferner schreibt Wellman in ebd., S. 81: Um zu entscheiden, ob moralische Aussagen objektiv gültig seien, müssten wir entdecken, ob es Überlegungen gebe, aufgrund der ihre Richtigkeit (correctness) rational bestimmt werden könne. Die Frage, ob es gültige Gründe für oder gegen ethische Aussagen gebe, sei eine epistemologische Frage, die eine Analyse moralischer Sätze und ihrer logischen Eigenschaften erfordere. Vgl. ebd., S. 81 f. Die Intuitionisten übersetzten diese Frage der überzeugenden (evidential) Relationen zwischen Urteilen in eine über die existentielle Abhängigkeit von Charakteristika. Auf diese Weise entstehe ein Komplex ontologischer Probleme, die für das eigentlich epistemologische Problem nebensächlich seien. Zum Begriff „Epistemologie" sei ergänzend folgende Charakterisierung aus dem gleichnamigen Artikel in REP angemerkt: Epistemologie wird als einer der Kernbereiche der Philosophie bezeichnet, der sich mit der Natur, dem Ursprung und den Grenzen des Wissens befasst. Vgl. REP, Bd. 3, S. 362. Im anschließenden Artikel „Epistemology and Ethics" ist Folgendes zu lesen: Sowohl Epistemologie als auch Ethik befassten sich mit Beurteilungen (evaluations): Die Ethik mit Bewertungen des Verhaltens, die Epistemologie mit Bewertungen von Meinungen (beliefs) und anderen kognitiven Akten. Vgl. ebd., S. 365. 504 Vgl. Wellman (1985), S. 170. 505 Vgl. Wellman (1985), S. 170 f. 5
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Moralische Rechte sind durch diskursives Denken und nicht durch rationale Intuition bekannt - Im Folgenden erörtert Wellman epistemologische Zweifel. Diese könnten nicht so einfach aufgehoben werden. Die traditionelle Theorie natürlicher Rechte setzte einen zweifelhaften Rationalismus voraus, in dem manchmal rationale Intuition eine Rolle spielte. In seiner (sc. Wellmans) Analyse eines moralischen Rechts als Komplexes moralischer Positionen, die durch moralische Gründe definiert seien, seien moralische Rechte nicht durch rationale Intuition bekannt, sondern durch diskursives Denken von spezifischen moralischen Gründen zu ihren moralischen Implikationen. Da diese Gründe charakteristischerweise Tatsachen (facts) seien, wie die Tatsache, dass Jones Smith versprochen habe, seinen Rasen zu mähen, gebe es gewöhnlich kein spezielles Problem in Bezug auf die Frage, wie moralische Gründe als solche bekannt seien.
Bedenken in Bezug auf eine Argumentation, die von Fakten über die menschliche Natur ausgeht - Andere traditionelle Theorien natürlicher Rechte hätten die Intuition gemieden und sich stattdessen auf die diskursive Vernunft berufen. Bestimmte Fakten über die menschliche Natur z.B. dass alle Menschen ihr Leben zu verlängern suchten und Verletzung mieden, implizierten, dass alle Menschen ein natürliches Recht auf Leben und ein moralisches Recht, nicht verletzt zu werden, hätten. Demgemäß könnte die Existenz grundlegender moralischer Rechte durch Argumentation (reasoning), die von den Fakten der menschlichen Natur ausgehe, begründet werden. Wellman hält diese Argumentationsart für zweifelhaft. cc) Auseinandersetzung mit zwei Arten von Skepsis in Bezug auf die Art der Argumentation Wellman unterscheidet zwei Arten der Skepsis (scepticism), die aus kritischer Reflexion über solcherart traditionelle Argumente entstehen könnten. (1) Die dogmatische Skepsis würde die Existenz natürlicher Rechte bestreiten, da sie die Argumentation von natürlichen Fakten zur Existenz moralischer Rechte im Prinzip für ungültig halte; denn sie begehe den naturalistischen Fehlschluss.507 Dies könnte kein gültiges Argumentieren sein, weil alles Argumentieren deduktiv sei und die Konklusion explizit oder implizit in den Prämissen enthalten sein müsste. Dem hält Wellman entgegen, dass nicht alles Argumentieren deduktiv sei und dass faktische Aussagen moralische Konklusionen rational rechtfertigen könnten.508 Wellman räumt dabei ein, dass er sich in diesen umstritte507
Vgl. Wellman (1985), S. 172. Wellman verweist hier auf seine ausführliche Argumentation in (1971), S. 4-31, auf die er schon zuvor - vgl. Wellman (1985), S. 127 - im Rahmen der Erörterung moralischer Gründe verwiesen hat. Da Wellman, so wie hier, auch dort nicht auf ein bestimmtes Argument, sondern auf seine gesamte Argumentation verweist, musste auf508
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
nen Fragen auch irren könnte. (2) Die andere Art Skepsis sei bescheidener und bezweifelte die Existenz natürlicher Rechte auf der Grundlage, dass man sogar eine Argumentation finden müsste, die unzweifelhaft gültig sei. Wellman räumt ein, dass er manchmal dieser Ansicht sei. Diese Anfechtung könne, wenn überhaupt, nur dadurch widerlegt werden, dass man die Gründe moralischer Rechte feststelle und zeige, dass diese Gründe Konklusionen über diese Rechte rechtfertigten. Wellman räumt ein, dass die Beweislast auf ihm liegt. dd) Auseinandersetzung mit einem Einwand in Bezug auf moralische Kompetenzen Obwohl sein Hohfeldsches Modell moralischer Rechte zeige, dass man die Existenz natürlicher Rechte, ohne zweifelhafte ontologische Bindungen (commitments) oder eine Epistemologie einer intuitiven Vernunft vorauszusetzen, behaupten könne, räume es schwer alle Skepsis über die Existenz moralischer Rechte aus. Es lege nicht nur eine provisorische Skepsis in Bezug auf die Argumentation von natürlichen Fakten zu moralischen Rechten nahe, es werfe auch eine neue Skepsis auf. Moralische Kompetenzen und Immunitäten seien wesentliche Elemente in seinem (sc. Wellmans) Modell eines moralischen Rechts. Man könnte durchaus bezweifeln, dass es pure moralische Kompetenzen gebe. Die Tatsache, dass dieser Begriff, im Unterschied zu den Begriffen der Pflicht und dessen, was erlaubt sei, in der moralischen Theorie ungewohnt sei, lege nahe, dass er außerhalb des legalen Kontexts nicht anwendbar sei. Dieser Verdacht werde durch die Beobachtung erhärtet, dass die paradigmatischen Fälle sogenannter moralischer Kompetenzen wie der Kompetenz eines moralischen Handelnden, sich eine Pflicht aufzuerlegen, indem er ein Versprechen gebe, wesentlich institutionell zu sein schienen.509 Folglich, wenn irgendein Komplex moralischer Positionen, der ein wahres Recht bilden könnte, eine oder mehrere Kompetenzen und Immunitäten beinhaltete und wenn es keine nichtinstitutionellen Kompetenzen gebe, dann könnte es keine wirklichen moralischen Rechte geben. 510 Wellman bemerkt, dass dies eine ernsthafte Anfechtung seiner Theorie sei. Er habe sie in der Erörterung moralischer Kompetenzen zu widerlegen versucht, indem er zu zeigen versucht habe, dass es klare Fälle nichtinstitutioneller moralischer Kompetenzen gebe wie die moralische Kompetenz zuzustimmen, in eigrund des Umfangs dieser Argumentation auf eine Wiedergabe verzichtet werden. Im Rahmen der Erörterung moralischer Gründe wurden im Abschnitt B., IL, 1., b), in dem Wellman für die Auffassung von Moral als Menge moralischer Gründe statt moralischer Regeln oder Prinzipien argumentiert) in einer Fußnote einige Stellen aus dem genannten Abschnitt in Wellman (1971) selektiv herausgegriffen und wiedergegeben. 509 Vgl. Wellman (1985), S. 172 f. 5
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
255
nem Boxkampf angegriffen zu werden, oder die moralische Kompetenz eines Kindes, seinen Eltern moralisch zu erlauben, seinen Telefongesprächen zuzuhören. Auch habe er argumentiert, dass selbst wenn alle spezifisch moralischen Kompetenzen zu institutionellen Wirt-Kompetenzen parasitär seien, sie selbst dann genuine moralische Kompetenzen seien. Wellman merkt hier an, dass er nirgends in der Literatur einen überzeugenden Grund gefunden habe, dass alle Kompetenzen institutionell seien. Es werde zwar oft behauptet, dass Kompetenzen durch soziale Regeln übertragen werden müssten oder dass die Ausübung einer Kompetenz sich notwendig auf eine Regel berufen müsste, aber es werde nicht erklärt, warum dies so sein müsse. Wellman erörtert anschließend einen speziellen Fall von Skepsis, der aus Bedenken in Bezug auf die Existenz nichtinstitutioneller Kompetenzen hervorgehe. Es werde oft behauptet, dass Rechte im strengen Sinn Ansprüche seien. Feinberg z.B. behaupte, dass moralische Rechte am Besten analog zum legalen Ansprucherheben in Form einer Aktivität moralischen Ansprucherhebens erklärt werden könnten. Andere wiederum bestritten, dass es eine genuine moralische Kompetenz, Anspruch zu erheben gebe.511 Folglich, wenn Rechte im strengen Sinn tatsächlich eine Kompetenz, Anspruch zu erheben, voraussetzten und wenn es keine solche moralische Kompetenz gebe, dann könne es keine moralischen Rechte im strengen Sinn geben. Wellman verweist darauf, dass er in der Erörterung moralischer Ansprüche zu zeigen versucht habe, dass es eine moralische Kompetenz, einen Anspruch zu erheben, analog zur Kompetenz, einen Anspruch zu erheben, im Recht (law) gebe. 512 Zugleich räumt Wellman ein, dass seine Analyse relativer moralischer Pflichten und der mit ihnen korrelierenden Ansprüche kontrovers sei und für manchen nicht überzeugend sein werde. Da er aber die Anspruchstheorie (claim-theory) 513 von Rechten ablehne, würde eine nicht korrekte Analyse moralischer Ansprüche für sein Hohfeldsches Modell nicht unheilvoll sein. Das wäre allerdings ein unangenehmes Resultat, denn wenn es kein Analogon zur legalen Kompetenz, einen Anspruch zu erheben, gäbe, dann müsste er entweder eine alternative Konzeption zu einem moralischen Anspruch finden oder er müsste zugeben, dass es keine moralischen Anspruchsrechte (claim-rights) gebe. Da keine von beiden Alternativen verlockend sei, halte er an seiner Konzeption moralischen Ansprucherhebens (claiming) fest, bis man ihm gute Gründe liefere, sie zu verwerfen. Die Ungewohntheit oder Fremdartigkeit dieser Sicht sei kein hinreichender Grund für Skepsis.
511 Wellman erörtert hier ein Argument von William Nelson, das nicht wiedergegeben wird. Vgl. Nelson (1976), S. 153, bzw. Wellman (1985), S. 173. 512 Vgl. Wellman (1985), S. 174. 513 Auf die Anspruchstheorie (claim-theory) von Rechten wurde kurz im Abschnitt [B, II,. 4., h), cc)] über Ansprucherheben eingegangen. Vgl. Wellman (1985), S. 204.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ee) Auseinandersetzung mit Argumentationen, die die Existenz von Rechten an soziale bzw. institutionelle Voraussetzungen knüpfen Auseinandersetzung mit einem Argument, das die Existenz von Rechten an soziale Regeln knüpft - Wellman erörtert im Folgenden einen weiteren Grund für Skepsis hinsichtlich der Existenz moralischer Rechte. Es werde oft angenommen, dass jedes genuine Recht durch soziale Regeln übertragen werden müsse, sodass es überhaupt keine nichtinstitutionellen moralischen Rechte geben könne. 514 Wenn diese Sicht richtig sei, dann gebe es Moralitätsrechte (morality rights) aber keine rein moralischen Rechte. Wellman räumt ein, dass moralische Rechte und Pflichten einem bestimmten Teil der Moral angehörten, der sich vom Bereich der moralischen Verpflichtung im Allgemeinen unterscheide und viel enger als der weitere Bereich der praktischen Verpflichtung sei, der auch Handlungen einschließe, die durch Normen der Klugheit und technischer Rationalität bestimmt seien. Auch könnten viele spezielle Charakteristika von Rechten und Pflichten in Form von Regeln erklärt werden. Doch sei nicht klar, warum diese institutionelle Regeln sein müssten, die durch institutionelle Praxen definiert seien. Er (sc. Wellman) habe darauf hingewiesen, dass es überhaupt ein Fehler sei, die Normen der Moral mit Regeln gleichzusetzen. Die Moral bestehe aus der Menge moralischer Gründe, deren doppel-Aspekt Natur als Gründe für Handlung und Reaktion am besten die Logik moralischer Rechte erkläre. 515 Auseinandersetzung mit einem Argument, das soziale Anerkennung fiir die Existenz eines Rechts als wesentlich erachtet - Ein weiterer Grund für Skepsis gegenüber den traditionellen natürlichen Rechten und eine Anfechtung, die gleichermaßen auch seine Konzeption moralischer Rechte treffe, sei die Überzeugung, dass soziale Anerkennung (recognition) für die Wirklichkeit (reality) jedes Rechts wesentlich sei. 516 T. H. Green z.B. behaupte, dass sogenannte natürliche Rechte soziale Anerkennung voraussetzten, die in der gemeinsamen Anerkennung manchen Gemeinwohls gründeten.517 Da jedes Recht einer Partei, einer zweiten Partei eine Pflicht auferlege, seien Rechte notwendigerweise die Basis für Forderungen (demands) des Rechtsinhabers an den Verpflichteten (duty-bearer). Da aber die Moralität zwischen Gewalt und Rechtem (might and right) unterscheiden müsse, müsse die Forderung (demand) des Rechtsinhabers 514 Wellman bemerkt hier, dass Harts Schriften die Rekonstruktion eines solchen Arguments zuließen und verweist auf Hart (1953), S. 16 f., und Hart (1958), S. 100105. 515 Vgl. Wellman (1985), S. 174 f. 516 Vgl. Wellman (1985), S. 175. 517 Wellman verweist hier auf Green, T. H.: Lectures on the Principles of Political Obligation. London 1941, S. 121-125.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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eine bereits vom Verpflichteten implizit anerkannte sein. Daher müssten die Rechte jedes Individuums gegenüber anderen Mitgliedern seiner Gemeinschaft soziale Anerkennung voraussetzen. Wellman stimmt zu, dass die Rechte des Individuums, ob legal oder moralisch, gegenüber zweiten Parteien behauptet würden und dass das, was die Herrschaft des Rechtsinhabers gegenüber zweiten Parteien bilde, nicht in bloßer Überlegenheit roher Stärke (brüte strength) oder sozialer Macht bestehen könne. Da aber nicht alle Rechte Anspruchsrechte seien, laufe die Relation „gegenüber behaupten" (holding against) nicht immer auf eine Auferlegung von Pflichten einer zweiten Partei hinaus. Ferner weist er darauf hin, dass seine Auffassung moralischer Gründe moralischen Zwang (constraint) in einer Weise zu erklären erlaube, die ihn von bloßer Gewalt unterscheide. Ein großer Teil des Zwangs moralischer Gründe und daher moralischer Rechte bestehe im Zwang, den praktische Gründe für die Wahl (choice) eines rationalen Handelnden geltend machten (impose upon). Der zusätzliche Zwang moralischer Gründe, der aus der Tatsache rühre, dass sie auch Gründe für die Verhängung von Sanktionen der Moralität seien, sei auch von einer bloßen Androhung von Gewalt verschieden, weil er die Androhung einer rational gerechtfertigten Verhängung von Sanktionen sei, die frei von Gewalt seien. Was daher für die Existenz moralischer Rechte notwendig sei, sei nicht die implizite soziale Anerkennung des Rechts, die auf einer vorhergehenden Anerkennung eines Gemeinwohls beruhe, sondern die Existenz moralischer Gründe, die für die Wahlmöglichkeiten (choices) der Parteien eines moralischen Rechts relevant seien.
Auseinandersetzung mit einem Argument, das die Existenz eines Rechts an bestimmte Praxen knüpft - Rex Martin sei in seiner Skepsis einen Schritt weiter als Green gegangen.518 Martin argumentiere, dass der wahre Begriff eines Rechts die Praxen der Anerkennung und Förderung (promotion) beinhalte. Er bemerke, dass ein legales Recht, das niemals durch die Gerichte durchgesetzt würde oder durch das Rechtssystem in irgendeiner Weise gefördert würde, ein bloß nominelles Recht sei und dass wenn das Recht (law) ein angebliches Recht (right) nicht einmal in einem nicht durchgesetzten Statut oder einem abgewiesenen Präzendenzfall anerkenne, es überhaupt nicht existierte. 519 Martin behaupte, dass dasselbe auch für jedes moralische Recht gelte, wie z.B. das Menschenrecht zu reisen. Wenn dieses Recht nicht in irgendeiner Weise in einer Gesellschaft gefördert oder durchgesetzt werde, dann sei es als ein Recht schwach; und wenn es nicht von einem moralischen Handelnden oder moralischen Richter anerkannt werde, dann existiere es nicht in dieser Gesellschaft. 518
Wellman verweist hier auf Martin (1980), S. 392-395. Auf dieselbe Stelle bezieht er sich schon in seinem Aufsatz ,Moral Rights and Positive Law". Vgl. Wellman (1997), S. 123. 519
Vgl. Wellman (1985), S. 175 f. (Vgl. auch Wellman (1982), S. 97 f.)
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Wellman stimmt zu, dass ein bestimmtes in der Verfassung verankertes Recht, das nie durchgesetzt werde oder gefördert werde, nur ein nominelles Recht sei und dass ein durch das Recht (law) nicht anerkanntes Recht (right) nicht als ein legales Recht existierte. Ähnlich seien andere Arten institutioneller Rechte nur wirklich, sofern die Praxen der Anerkennung und der Förderung in dieser Gesellschaft existierten. Wellman wendet aber ein, dass dies so sei, weil diese institutionelle Rechte seien. Sie bildeten Komplexe institutioneller Positionen, die durch Normen hervorgebracht und definiert seien, die in den Praxen bestimmter sozialer Gruppen existierten. Gerade weil moralische Positionen nichtinstitutionell seien, könnten moralische Rechte unabhängig von jeder solchen sozialen Praxis der Anerkennung oder Förderung existieren. Zu behaupten, dass ein moralisches Recht wie das moralische Recht zu reisen existiere, sei einfach die Wahrheit einer bestimmten Menge moralischer Gründe und ihre Relevanz für menschliches Verhalten zu behaupten. Da weder die Wahrheit noch die Relevanz moralischer Gründe von sozialer Anerkennung oder Förderung abhänge, könnten auch moralische Rechte unabhängig von diesen existieren. Natürlich würde die praktische Bedeutung eines moralischen Rechts, sofern es sich in keinerlei Weise in den Praxen einer Gesellschaft widerspiegle, für jeden Rechtsinhaber in dieser Gesellschaft stark reduziert werden. Es folge jedoch nicht, dass das moralische Recht als Recht schwach sei, sondern nur, dass die Praxen dieser Gesellschaft vom moralischen Standpunkt aus gesehen defekt seien. Wellman gibt zu, dass ein legales Recht, das in einem Rechtssystem nicht gefördert werde, nur ein nominelles Recht sei und dass ohne Anerkennung ein solches Recht gar nicht existiere. Da in seinem Hohfeldschen Modell eine wesentliche Ähnlichkeit moralischer und legaler Rechte vorausgesetzt sei, könnte man annehmen, Anerkennung und Förderung seien für moralische Rechte in derselben Weise wesentlich, wie sie es für jede Art institutioneller Rechte seien. Dies sei aber nicht so. Spezifische soziale Praxen seien wesentlich für jedes wahre institutionelle Recht, um die Objektivität zu liefern, die einem Recht einer Partei ermöglichen würde, dass es gegenüber zweiten Parteien behauptet werde (hold against) und dritte Parteien involviere. Moralische Rechte könnten gleichermaßen objektiv sein, obwohl in grundlegend anderer Weise, da moralische Gründe objektiv wahr seien und moralische Überlegung eine objektive Gültigkeit hätte. Moralische und legale Positionen müssten nicht in jeder Hinsicht gleich sein, obwohl sie wesentlich gleich seien.520 Folglich könnten nichtinstitutionelle moralische Rechte existieren und Analoga legaler Rechte sein.
Die Existenz eines moralischen Rechts setzt die Existenz mindestens zweie Parteien voraus - Wellman erörtert auch einen weiteren Kritikpunkt. Es werde behauptet, dass die Theorie natürlicher Rechte zu atomistisch sei, weil sie an5
V g l . Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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nehme, dass ein isoliertes Individuum grundlegende moralische Rechte unabhängig von seiner Gesellschaft haben könne.521 Skeptiker argumentierten, dass wenn Rechte wesentlich sozial seien, es keine moralischen Rechte geben könne, wie er (sc. Wellman) sie begreife, nämlich unabhängig von allen sozialen Institutionen. Wellman bemerkt, er behaupte, dass Rechte wesentlich sozial seien und dass es keinen Sinn habe von Rechten eines Robinson Crusoe zu sprechen, außer man nehme an, er gehöre einer bestimmten Gesellschaft an, von der er vorübergehend isoliert sei. Da die Rede von Rechten nur im Kontext eines möglichen Willenkonflikts zwischen dem Rechtsinhaber und einer zweiten Partei Sinn mache, setze die Existenz jedes Rechts die Existenz zumindest zweier Parteien voraus, die einander begegnen und gegenübertreten könnten. Doch folge daraus nicht, dass die Existenz eines moralischen Rechts irgendwelche sozialen Institutionen logisch oder semantisch voraussetze. Da moralische Positionen, die ein moralisches Recht bildeten, durch moralische Gründe und nicht durch institutionelle Normen definiert seien, impliziere die Tatsache, dass Rechte wesentlich sozial seien, nicht, dass sie wesentlich von sozialen Institutionen abhingen. Moralische Gründe existierten unabhängig von sozialen Institutionen Ungültigkeit des skeptischen Arguments sei durch die begriffliche Verbindung zwischen dem Begriff eines moralischen Rechts und der sozialen Institution der positiven Moralität verschleiert. Wellman bemerkt, er habe moralische Gründe in Form von Moralität definiert, um den spezifisch moralischen Charakter moralischer Gründe und bestimmter wesentlicher Charakteristika moralischer Rechte zu erklären. 522 Pflicht auferlegende moralische Gründe seien den Regeln der positiven Moralität wesentlich ähnlich, indem sie sowohl doppelAspekt als auch nicht fakultative (nonelective) Normen seien.523 Da moralische Rechte die Existenz moralischer Gründe voraussetzten und moralische Gründe in Form sozialer Institutionen konventionaler Moralität definiert seien, könnte es den Anschein haben, dass die Existenz moralischer Rechte die Existenz sozialer Institutionen voraussetze. Dies sei jedoch nicht so. Obwohl der Begriff des moralischen Grundes sowohl logisch als auch psychologisch von der positiven Moralität abgeleitet sei, könnten moralische Gründe unabhängig von jeder solchen Institution existieren. 524 Warum dies so ist, erläutert Wellman anhand 521
Wellman verweist hier auf Golding (1968), S. 528 f. Vgl. Wellman (1985), S. 177 f. 523 Vgl. Wellman (1985), S. 178. 524 Vgl. dazu auch Wellman (1995), S. 48. Dort schreibt er: Der Begriff moralischer Gründe (reasons) werde aus den Argumentationsformen (forms of reasoning), die in den sozialen Praxen enthalten seien, durch Abstraktion gewonnen. Doch gehe die Moral der Moralität logisch voraus, weil das, was die gesellschaftliche Moralität (social morality) als moralisch bestimme, die Berufung auf moralische Gründe sei, die verschiedene Elemente zu einer Moralität vereinten, d.i. Handlungen, Motive, emotionale Reaktionen, soziale Sanktionen. Moralische Gründe seien Gründe, die geeignet seien, 522
- Die
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
eines anderen Begriffs, nämlich „Seepferdchen", das als kleiner Fisch definiert wird, dessen Kopf an den Kopf eines Pferdes erinnert. Obwohl dieser Begriff eines Seepferdchens den Begriff eines Pferdes voraussetze, setzte die Existenz so definierter Fische in keiner Weise die Existenz von Pferden voraus. In ähnlicher Weise könnte es moralische Gründe selbst in einer Gesellschaft geben, die keine positive Moralität hätte und die sich daher die moralischen Gründe nicht in der Art vorstellen könnte, in der er (sc. Wellman) sie definiert habe. Es könnte sein, dass die Mitglieder einer solchen Gemeinschaft solche Gründe einfach nicht als Gründe für Handlung und Reaktion anerkennen würden; oder in dieser Weise anerkennen würden, aber sich in anderen Begriffen vorstellten, so wie sich wahrscheinlich der zeitgenössische Meeresbiologe kleine Fische der Art Hippocampus in Begriffen vorstelle, die unabhängig von Pferden seien. ff) Wellmans Schlussfolgerung Wellman schließt, dass es keinen überzeugenden Grund gebe, die Existenz nichtinstitutioneller moralischer Rechte abzulehnen. Gebe man zu, dass jedes Urteil darüber, was man moralisch tun sollte, rational gerechtfertigt werden könne, dann gebe man implizit auch die Existenz moralischer Gründe zu. Dies impliziere die Wirklichkeit moralischer Positionen, die analog zu den legalen Positionen seien. Folglich sei das Hohfeldsche Modell von Rechten auf die Moral anwendbar und nehme man moralische Pflichten ernst, so müsse man gleichermaßen moralische Rechte ernst nehmen. b) Begründungsarten Anschließend an die Wiedergabe von Wellmans Auseinandersetzung mit einigen Einwänden in Bezug auf die Existenz moralischer Rechte, stellt sich die Frage, wie sich Wellman die Begründung moralischer Rechte vorstellt. Wellman unterscheidet in „Real Rights" zwischen zwei Begründungsarten: die (1) einschließende (inclusive) und (2) die stückweise (piecemeal) Begründung (grounding) eines moralischen Rechts.525 Ein moralisches Recht sei einschließend begründet, wenn die moralischen Grundlagen (grounds) seines Kerns die Grundlagen aller seiner verknüpften Elemente enthielten. Die Grundlagen des Kerns um eine moralische Praxis zu rechtfertigen - vgl. ebd., S. 44 - , die einem bestimmten Muster (pattern) von Handlungen und Reaktionen bestehe. Vgl. ebd., S. 48. 525 Vgl. Wellman (1995), S. 79. Eine analoge Unterscheidung trifft Wellman in Bezug auf die Art, in der ein legales Recht begründet sein könne. Vgl. dazu ebd., S. 24 f., 79, 97. [Zu dieser Unterscheidung zwischen zwei Begründungsarten vgl. Wellmans ergänzte allgemeine Definition eines Rechts bzw. eines moralischen Rechts aus (1995), S. 9, 38, bzw. hier das Kapitel B., IL, 4., b), ee) und Kapitel B., IL, 4., e)].
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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des Rechts seien dann die Kern- oder fokalen (focal) Grundlagen in der Begründung des gesamten Rechts. Ein moralisches Recht sei stückweise begründet, wenn die moralischen Grundlagen eines verknüpften Elements von den Grundlagen seines Kerns verschieden seien. Diesen Unterschied illustriert Wellman an einzelnen Beispielen.526 Ferner erörtert er die Frage, ob es abgeleitete 526 Wellman erörtert (1) die einschließende Begründung am Beispiel des Rechts, nicht geschlagen (Struck) zu werden, und des Rechts auf Selbstverteidigung. Die folgende Wiedergabe beschränkt sich auf eine Zusammenfassung seiner Ausführungen zum ersten Beispiel. Das Recht John Does, nicht geschlagen zu werden, bestehe, minimal begriffen, aus folgenden Hohfeldschen Elementen: Sein Kern sei der moralische Anspruch Johns darauf, dass alle anderen, ihn nicht schlügen, d.h. die moralische Pflicht anderer, dass sie ihn nicht schlügen, zusammen mit der moralischen Kompetenz Johns, auf Ausführung dieser Pflicht Anspruch zu erheben (to claim). Vgl. Wellman (1995), S. 80. Die moralischen Grundlagen (grounds) des Kerns dieses Rechts seien die Pflicht auferlegenden Gründe (reasons), dass Schlagen gefährde und verletze, gemeinsam mit Geselligkeitsfaktoren wie Wohlwollen, Hilfsbereitschaft und Gewissenhaftigkeit. Vgl. ebd., S. 81. Die verknüpften Elemente seien zumindest folgende: (a) Die bilaterale moralische Freiheit 1 Johns, die Kernkompetenz, auf Erfüllung der Pflicht der anderen Anspruch zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. Diese Freiheit 1 gründe auf dem Nichtgegebensein gegenteiliger moralischer Pflicht auferlegender Gründe, (b) Die moralische Kompetenz Johns, auf seinen Kernanspruch, nicht geschlagen zu werden, zu verzichten. Vgl. ebd., S. 82. Die Wirksamkeit des Akts der Zustimmung, geschlagen zu werden, sei indirekt durch die moralischen Grundlagen der Kernpflicht anderer begründet, einen nicht zu schlagen, (c) Die bilaterale moralische Freiheit 1 zur Ausübung oder Nichtausübung seiner Kompetenz, auf seinen Kernanspruch zu verzichten. Diese Freiheit 1 werde durch dieselben Gründe übertragen, die die Kernpflicht anderer begründen, ihn nicht zu schlagen. Vgl. ebd., S. 83. (d) Die moralische Freiheitl Johns, jedem anderen Widerstand zu leisten, der sich daranmache, ihn zu schlagen. Da man eine prima facie Pflicht habe, nicht Gewalt gegen andere anzuwenden, sei dies nicht eine bare Freiheit. Daher sei sie nicht durch das bloße Nichtgegebensein eines Pflicht auferlegenden Grundes, Widerstand gegen das Geschlagenwerden zu unterlassen, begründet, sondern durch den Freiheitl übertragenden Grund, dass von jemandem zu verlangen, sich schlagen zu lassen, ihm eine übermäßige Aufopferung aufzubürden bedeuten würde, (e) Die moralische Freiheitl dritter Parteien zu intervenieren, um jede zweite Partei daran zu hindern, John zu schlagen, wenn er nicht auf seinen Kernanspruch verzichtet habe oder sie ersucht habe, dass sie nicht intervenierten. Die gleichen moralischen Gründe, die die Pflicht zweiter Parteien, einen nicht zu schlagen, begründeten, begründeten auch eine allgemeine prima facie Pflicht dritter Parteien, jede zweite Partei davon abzuhalten, diese Pflicht zu verletzen. Vgl. ebd., S. 84. Wenn die angedrohte Gefahrdung so ernsthaft sei, dass sie das Opfer gefährde, hätten dritte Parteien keine allgemeine Freiheitl, auf Seiten Johns nicht zu intervenieren. Sie hätten im Allgemeinen eine moralische Freiheitl, zu intervenieren, um eine zweite Partei daran zu hindern, John zu schlagen, sofern dieser nicht auf seinen Kernanspruch verzichtet habe oder sie ersucht habe, dass sie nicht intervenierten, vorausgesetzt sie machten nur in angemessenem Grad von Gewalt Gebrauch, (f) Die moralische Immunität Johns gegen den Verlust seines Kernanspruchs, nicht geschlagen zu werden, durch irgendeinen unabhängigen Akt eines anderen. Sofern dies eine normale (Standard) Immunität sei, sei sie bloß durch das Nichtgegebensein von Gründen begründet, die einem anderen irgendeine moralische Kompetenz übertragen würden, seinen Kernanspruch aufzuheben. (2) Die stückweise (piecemeal) Begründung erörtert Wellman am Beispiel des Rechts auf Unterstützung für ein unterstützungsbedürftiges (dependent) Kind und des
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
moralische Rechte gebe, die auf grundlegenderen moralischen Rechten gründeten, aus denen sie durch gültige Argumentation abgeleitet werden könnten,527 Rechts, sich nach Wunsch zu kleiden. Auch hier beschränkt sich die Wiedergabe auf eine Zusammenfassung von Wellmans Ausführungen zum ersten Beispiel. Beim ersten Recht handle es sich um das moralische Anspruchsrecht der verarmten Mutter und Bürgerin Jane Roe auf staatliche Unterstützung, dass ihr ermöglicht werde, sich angemessen um ihr unterstützungsbedürftiges Kind zu kümmern. Vgl. ebd., S. 89. Den Kern dieses Rechts bilde Janes moralischer Anspruch gegenüber dem Staat, mit hinreichender Unterstützung versehen zu werden, um ihr zu ermöglichen, sich angemessen um ihr unterstützungsbedürftiges Kind zu kümmern. Dieser Anspruch bestehe aus der moralischen Pflicht des Staates, Jane Roe mit solcher Unterstützung zu versehen, zusammen mit ihrer moralischen Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung dieser Pflicht zu erheben. Der moralische Grund (reason), der diese staatliche Pflicht begründe, sei die Tatsache, dass die Gesellschaft John die Verantwortung, sich um ihr Kind zu sorgen, übertragen habe durch die Art, in der sie ihre Rechts- (legal), Wirtschafts- und Familien-Institutionen strukturiert habe. Die moralische Kompetenz Johns, Anspruch auf Ausführung dieser Kernpflicht zu erheben, gründe indirekt in der moralischen Pflicht des Staates, John mit Unterstützung zu versehen. Vgl. ebd., S. 90. Es stelle sich die Frage, ob diese Grundlagen (grounds) des Kernanspruchs auch die moralischen Grundlagen aller verknüpften Elemente einschlössen. Wellman listet folgende auf: (a) Die bilaterale moralische Freiheit 1 Johns, ihre Kompetenz, Anspruch auf Ausübung der Pflicht des Staates zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. Dies sei eine bare (innocent) bilaterale Freiheit 1, die durch das Nichtgegebensein eines moralischen Grundes begründet sei, der John eine Pflicht auferlege, diese Kompetenz nicht auszuüben oder nicht auf die Ausübung dieser Kompetenz zu verzichten, (b) Die moralische Freiheit 1 Johns, eine Hilfe, die ihr durch den Staat angeboten werde, zu akzeptieren und davon für die Sorge für ihr unterstützungsbedürftiges Kind Gebrauch zu machen. Dies sei nicht eine bilaterale moralische Freiheit 1, weil die Verantwortung Johns, für ihr Kind zu sorgen, ihr die Pflicht auferlege, staatliche Unterstützung zu akzeptieren und davon Gebrauch zu machen, wenn diese wirklich gebraucht werde, um ihr zu ermöglichen, sich um die grundlegenden Bedürfnisse ihres unterstützungsbedürftigen Kindes zu sorgen. Wellman glaubt, es sei eine bare Freiheit 1, die durch das Nichtgegebensein gegenteiliger Pflicht auferlegender Gründe (reasons) begründet sei. Vgl. ebd., S. 91. (c) Die moralische Pflicht dritter Parteien, der Mutter zu helfen, die staatliche Unterstützung zu bekommen. Dieses verknüpfte Element habe andere moralische Grundlagen als die Grundlagen des Kernanspruchs. Diese Pflicht dritter Parteien sei eine Form ihrer allgemeineren Pflicht zu retten. Ihre moralische Grundlage sei die Tatsache, dass John und ihr Kind in Gefahr seien. Der Schmerz, den John erleiden, und die Verluste, die sie in Kauf werde nehmen müssen, sowie der Schaden, den ihr Kind erleiden werde, wenn seine Grundbedürfnisse nicht befriedigt würden, bildeten die Gefahr, die ein Pflicht auferlegender Grund sei. (d) Johns moralische Immunität gegen den Verlust ihres Kernanspruchs auf Unterstützung durch irgendeinen unabhängigen Akt eines anderen. Dies sei eine normale Immunität, die durch das Nichtgegebensein moralischer Gründe (reasons) begründet sei, die anderen die Kompetenz übertragen könnten, Johns moralischen Anspruch gegenüber dem Staat, aufzuheben. 527 Analog zu seiner Erörterung der Art, in der ein vorausgehendes legales Recht ein abgeleitetes Recht begründen kann - vgl. Wellman (1995), S. 25 - unterscheidet Wellman zwei Möglichkeiten einer Ableitung: (1) durch Spezifizierung (specification) und (2) durch Erforderlichsein (necessitation). Vgl. ebd., S. 97. Ad (1): Z.B. könne der spezifische moralische Anspruch eines Bürgers gegenüber seinem Staat, ohne einen rechtfertigenden (justicizing) Unterschied nicht schlechter als andere ähnlich situierte Bürger hinsichtlich des Wohlfahrtsgewinns (welfare benefit) behandelt zu wer-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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und auch die Frage, ob moralische Rechte aus vorausgehenden legalen Rechten abgeleitet werden könnten und umgekehrt. 528 c) Qualifikationen
des Rechtsinhabers
Wellmans Hypothese in Bezug auf die Bedingungen für das Besitzen von Rechten - In „Real Rights" schreibt Wellman, die Grundlagen (grounds) eines Rechts seien Gründe (reasons) für seine Existenz.529 Als Korrolar führt er an, dass ein spezifisches Recht dann und nur dann wirklich sei, wenn es Grundlagen gebe, die hinreichend seien, um es einem Rechtsinhaber zu übertragen (confer on). Unter den Grundlagen eines spezifischen Rechts jemandes seien auch jene Qualifikationen, die er besitzen müsse, um dieses Recht zu besitzen. 530 Diese variierten zwar von Recht zu Recht, aber es gebe einige Qualifikationen, um überhaupt ein Rechtsinhaber sein zu können. Wellman befasst sich in einem Kapitel mit möglichen Rechtsinhabern (possible right-holders), in einem weiteren mit angeblichen (alleged) Rechtsinhabern. In ersterem geht er der Frage nach, welche Arten von Wesen moralische Rechtsinhaber sein können.531 Die Frage, ob eine bestimmte Art Wesen moralische Rechte besitzen könne, hänge von der Sicht über die Natur dieser Art Wesen sowie von der Natur moralischer Rechte ab. Wellman geht von normalen Erwachsenen aus und stellt die
den, unter den allgemeinen (generic) moralischen Anspruch jeder Person gegenüber allen zweiten Parteien, ohne rechtfertigenden Unterschied nicht schlechter als andere behandelt zu werden, die ähnlich situiert seien, subsumiert werden. Die Begründung (grounding) durch Ableitung erfordere mehr als Subsumtion. Das allgemeine Recht müsse dem spezifischeren vorausgehen, das aus ihm hergeleitet werde, d.h. letzteres müsse durch moralische Gründe begründet sein, die eher allgemein als spezifisch seien. Ad (2): Die Ableitung durch Erforderlichsein sei problematischer. In diesem Fall würde die Ableitung eines Rechts aus einem anderen erforderlich sein, wenn es für den sicheren Genuss des letzteren notwendig sei; so z.B. die Ableitung des moralischen Rechts auf eine Verhandlung aus dem moralischen Recht einer Person auf Hilfeleistung durch den Staat. Vgl. Wellman (1995), S. 98. Wellman schlussfolgert nach einer Untersuchung dieser Möglichkeit, dass ein moralisches Recht nicht aus einem vorausgehenden moralischen Recht durch Erforderlichsein (by necessitation) abgeleitet werden könne. Vgl. ebd., S. 99. - Abschießend bemerkt Wellman im Abschnitt über abgeleitete (derivative) Rechte: Selbst wenn ein moralisches Recht durch ein vorausgehendes Recht begründet sei, gründe es indirekt auf den moralischen Gründen, die das Recht begründeten, aus dem es abgeleitet sei. Folglich stelle sich heraus, dass obwohl moralische und legale Normen sehr verschieden seien, moralische und legale Rechte auf sehr ähnliche, obwohl nicht gleiche Weise begründet seien. (Auf eine Wiedergabe von Wellmans Erörterung der Begründungsarten legaler Rechte muss im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden.) 528 Vgl. Wellman (1995), S. 99 f. Darauf wird im Kapitel B., IL, 5., g) eingegangen. 529 Vgl. Wellman (1995), S. 9. 530 Vgl. Wellman (1995), S. 10. 5 1
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Frage, was ihre Fähigkeit erkläre, moralische Rechte zu behaupten (to hold). Seine Erörterung von Musterrechten lege nahe, dass Tätigkeit (agency) den kleinsten gemeinsamen Nenner der Qualifikationen für ihren Besitz bilde. 532 Davon ausgehend formuliert Wellman die Hypothese, dass nur Wesen, die im moralisch relevanten Sinn handlungsfähig seien, d.h. eine rationale Wahl ausführen könnten, qualifiziert sein könnten, ein Recht zu besitzen.533 Erörterung der Hypothese anhand von drei Argumenten - Diese Hypothese erhärtet Wellman durch Untersuchung dreier Argumente: (i) desjenigen, das aus der Herrschaft (argument from dominion)534, (ii) desjenigen, das von den Bestandteilen (from constituents)535 und (iii) desjenigen, das aus der Sprache über 532 vgl Wellman (1995), S. 107. Wellman erörtert vier Musterrechte im Kapitel „Grounds of Moral Rights". Zwei davon wurden vorhin im Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten in der Erörterung der einschließenden und stückweisen Begründung in einer Fußnote erwähnt. 533 Vgl. Wellman (1995), S. 107, 111, 132. Dieselbe Annahme formuliert Wellman in seinem Aufsatz „The Growth of Childrens Rights". Vgl. Wellman (1997), S. 127. 534 Dieses Argument hebt damit an, dass die wesentliche Funktion moralischer Rechte in der Bestimmung der moralisch gerechtfertigten Verteilung von Herrschaft besteht. Vgl. Wellman (1995), S. 107. Es wäre zwecklos ein moralisches Recht einem Wesen zuzuschreiben, das unfähig sei Herrschaft auszuüben, weil es keinen moralischen Zweck hätte, jenen Herrschaft zuzuweisen, die völlig unfähig seien, sich daraus in irgendeiner Weise einen Vorteil zu machen. Da nur ein Handelnder frei (freely) handeln könnte oder Kontrolle ausüben könnte, könnte man nur moralischen Handelnden Herrschaft moralisch gerechtfertigt zuschreiben. Daher könne man nur von Handelnden behaupten, sie seien Rechtsinhaber im moralisch wichtigsten Sinn. Wellman weist darauf hin, dass er dies nicht annehme, weil es aus seiner Theorie folge, sondern weil es aus der besten Auffassung eines moralischen Rechts folge. Vgl. ebd., S. 108. Dass die beste Auffassung moralischer Rechte, moralische Rechte in Form von Herrschaft begreifen werde, könne nicht als selbstverständlich angenommen werden; die Überzeugungskraft des Arguments, das aus der Herrschaft herrührt, werde von der Triftigkeit der Rechtfertigung dieser Auffassung abhängen. Wellman verweist dabei auf seine hier kurz wiedergegebenen Überlegungen und auf die Kapitel „Dominion" und ,Model and Meaning" in (1985), S. 95 f. und 102-107, hier wiedergegeben in den Kapiteln B., II., 4., b), cc) und B., II., 4., c). 535 Dieses Argument setze nur voraus, dass jedes genuine moralische Recht entweder eine moralische Freiheit 1 oder eine moralische Kompetenz beinhalten müsse. Vgl. Wellman (1995), S. 108. Nur ein Handelnder könnte entweder eine Freiheit2 oder eine Kompetenz besitzen. Wahrscheinlich werde ein Wesen, das unfähig sei, einen wesentlichen Bestandteil eines Rechts zu besitzen, auch unfähig sein, ein vollständiges Recht zu besitzen. Daher könnten nur Handelnde (agents) moralische Rechtsinhaber sein. Eine moralische Freiheit 1 könne nur ein Handelnder haben, weil sie im Nichtgegebensein einer gegenteiligen Pflicht bestehe und nur ein Handelnder eine Pflicht haben könne. Man könne nur von einem zu intentionaler Handlung fähigen Wesen behaupten, dass es eine moralische Kompetenz haben könne, weil eine moralische Kompetenz die Fähigkeit sei, moralische Konsequenzen durch eine bestimmte Handlung (act) zu bewirken, die mit einer vernünftigerweise zugeschriebenen Intention durchgeführt werde. Vgl. ebd., S. 109. Wellman bemerkt, dass dieses Argument nicht seine Auffassung eines Rechts voraussetze, da auch verschiedene andere Arten von Theorien diese Annahme teilten; so z.B. H.L.A. Harts, der ein Recht als geschützte Wahl (protected choice) begreife und eine - bezeichnenderweise bilaterale - Freiheit 1 (liberty) in das
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Rechte (from the language of rights) herrührt. Wellman erörtert die drei Argumente im Rahmen der Frage, welche Art von Tätigkeit (agency) in ihnen vorausgesetzt wird. 537 Während das erste wenig aufschlussreich sei, 538 liefere Zentrum seines Modells eines Rechts stelle, oder Feinbergs, der wie Hohfeld annehme, dass ein Recht im strikten Sinn ein Anspruch sei, und das Substantiv »Anspruch" im Sinn des Verbs „beanspruchen" (to claim) in seiner performativen Bedeutung definiere, im Sinn der Kompetenz zu beanspruchen, was einem zustehe. Die traditionelle Verknüpfung von Rechten des Individuums und individueller Freiheit2 (freedom) lege nahe, dass Freiheiten 1 (liberties) in Rechten zentral seien, und die einleuchtendste Erklärungsart, wie Rechte zweiten Parteien Pflichten auferlegten, sei, Rechte als Ansprüche zu interpretieren, die gegenüber einem Pflichtinhaber behauptet würden (holding against). Daher werde in jeder vernünftigen Auffassung von Rechten angenommen, dass entweder eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz für ein genuines Recht wesentlich sei, und damit impliziert, dass nur ein Handelnder ein moralischer Rechtsinhaber sein könne. 536 Dieses Argument besagt, dass das Vokabular der gewöhnlichen Sprache über Rechte eine Reihe von Verben enthalte, wie ausüben (exercise), bestehen auf (insist on), pochen auf (stand on), fordern (demand), Anspruch erheben auf (claim), verzichten auf (waive), aufgeben (renounce), delegieren (delegate), veräußern (alienate), verwirken (forfeit), der die Sprache über moralische Werte oder Verpflichtungen ermangle. Vgl. Wellman (1995), S. 109. Demnach sei das Genus der Sprache über Rechte aktiv. Damit sei nicht gesagt, dass jedes dieser Verben für jedes Recht angemessen sei. Wenn Verben durch ihre wirkliche Beschaffenheit diese Arten von Handlungen involvierten, dann könnte nur ein Handelnder ein Rechtsinhaber sein. Man könne und müsse wahrscheinlich zwischen aktiven und passiven Rechten unterscheiden, je nachdem, wie der Inhalt eines Rechts am genauesten beschrieben werden könne. Vgl. ebd., S. 109 f. Während ein Protestierender ein Freiheitsrecht, frei (freely) zu sprechen habe, oder ein Bürger ein Kompetenzrecht zu wählen, habe ein Gläubiger ein Anspruchsrecht, bezahlt zu werden, und ein Eigentümer ein Immunitätsrecht, seines Eigentums nicht ohne angemessenes Verfahren enteignet zu werden. Wellman glaubt, dass man nicht aus der Tatsache, dass der Inhalt mancher Rechte am besten im Genus Passiv beschrieben werden könne, schließen könnte, dass es unangemessen sei, von diesen passiven Rechten im Genus aktiv zu sprechen. Denn die Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Rechten finde nur auf den Inhalt eines Rechts Anwendung. In anderer Hinsicht fänden verschiedene Handlungen des Rechtsinhabers Eingang in die Beschaffenheit sogar der passivsten Rechte. Z.B. könne der Gläubiger eine Zahlung akzeptieren, wenn sie angeboten werde, oder sie fordern, wenn sie nicht erfolge etc. Die Möglichkeiten so zu handeln seien Teil seines Rechts, bezahlt zu werden. Wellman schließt daraus, dass das Genus Aktiv unserer gewöhnlichen Sprache über Rechte etwas wesentliches über die Natur jedes Rechts widerspiegle, woraus folge, dass nur Handelnde moralische Rechtsinhaber sein könnten. 537
Vgl. Wellman (1995), S. 110. Wellman argumentiert, dass dieses Argument nicht viel in Bezug auf die Art von Tätigkeit impliziert, die dazu notwendig sei, um ein Recht zu besitzen. Vgl. Wellman (1995), S. 111. Wellman bemerkt erstens in Bezug auf Handlungsfreiheit (freedom of action): Freiheit2 erstrecke sich weit über die Grenzen unserer grundlegenden Menschenrechte (z.B. die Freiheit2 zu demonstrieren) hinaus. Wahrscheinlich habe die Freiheit2 eines Insekts zu fliegen nichts mit Moral zu tun. Man könnte sich vorstellen, dass ein eingeschränkterer Begriff von Tätigkeit im moralisch relevanten Sinn von „Freiheit2" (freedom) enthalten sei. Vielleicht könnte man z.B. nur von freiwilligen (voluntary) Handlungen sagen, sie seien frei (free) oder unfrei in irgendeinem moralisch bedeutsamen Sinn. Dies sei aber nicht so. Es möge wahr sein, dass ein Handelnder nur für seinefreiwilligen Handlungen moralisch verantwortlich sei. Den Be538
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
das zweite einige Anhaltspunkte.539 Nehme man gemäß diesem Argument an, dass jedes Recht notwendig zumindest eine Freiheitl oder eine Kompetenz beinhalte, folge, dass nur Wesen, die zu handeln und zwar im moralisch relevanten Sinn zu handeln fähig seien, d.h. eine rationale Wahl ausführen könnten, fähig seien, ein Recht zu besitzen.540 Diesem Argument nach sei es unangemessen, einem Wesen eine Freiheitl (liberty) zuzuschreiben, das unfähig sei, eine gegenteilige Pflicht zu haben. Wenn dies der Fall sei, dann seien die notwendigen Bedingungen für moralische Verantwortung auch für das Besitzen moralischer Freiheiten 1 erforderlich. Kritisches Nachdenken über unsere moralischen Beurteilungen (assessments) der Handlungen von Kindern legten nahe, dass man für die eigenen Handlungen moralisch verantwortlich gelte, wenn man das Vermögen (capacity) habe, angesichts moralischer Gründe zu handeln. Dies setze die Vermögen zu lernen, sich mit relevanten Fakten vertraut zu machen, ihre moralische Relevanz zu erkennen, durch sie zu motiviert zu werden und, im weiteren Sinn, zu handeln voraus. Ähnliche psychologische Vermögen seien für das Besitzen einer moralischen Kompetenz erforderlich. Man übe eine moralische Kompetenz aus, indem man in einer Weise handle, die eine moralische Konsequenz bewirke, mit der vernünftig zugeschriebenen Intention, eine solche Konsequenz zu bewirken. Es wäre unverständlich, einem Wesen eine solche Intention, bestimmte Arten moralischer Konsequenzen zu bewirken, zuzuschrei-
reich moralischer Verantwortung zu definieren, sei aber nur eine Hinsicht, in der Freiheit2 in der Moral relevant sei. Es könne moralisch unrichtig (wrong) sein, die Freiheit2 von Kindern einzuschränken, sich in ihrem Kinderbett umzudrehen, indem man sie festschnalle, obwohl „sich umdrehen" keine Handlung sei, für die sie moralisch verantwortlich seien. Obwohl die Freiheit2 der Füße zu wachsen keine Handlung eines Handelnden im üblichen Sinn sei, sei die Praxis der alten Chinesen, die Wachstumsfreiheit der Füße kleiner Mädchen einzuschränken, moralisch unrichtig (wrong) gewesen. Folglich sagten uns die Überlegungen über die Voraussetzungen von Freiheit^ wenig oder gar nichts darüber, was es bedeute ein Handelnder zu sein. Ähnliches gelte für den zweiten Aspekt von Herrschaft: Der Begriff „Kontrolle" sei in einem viel weiteren Sinn auf Handelnde anwendbar, als derjenige, der für das Vermögen (capacity), Rechte zu besitzen, relevant sei. Z.B. kontrollierten Hormone viele der physiologischen Prozesse in unserem Körper. Es gebe keinen spezifisch moralisch relevanten Sinn des Wortes Kontrolle, der uns helfen könnte, die Art von Tätigkeit (agency) zu definieren, die dafür notwendig sei, um moralische Rechte zu besitzen. Wellman bemerkt, er wolle nicht nahe legen, dass alle Arten von Freiheit2 und Kontrolle, also Handlungen im weitesten und minimalsten Sinn für moralische Rechte relevant seien, sondern darauf hinweisen, dass ein eingeschränkterer Begriff von Tätigkeit, der für eine Theorie über Rechte geeignet sei, nicht vom Begriff „ H e r r s c h a f t " allein abgeleitet werden könne. Man brauchte einen anderen Anhaltspunkt, um jene spezielle Art von Freiheit2 und Kontrolle festzustellen, die in einem Recht involviert seien. 539 Vgl. Wellman (1995), S. 111 f. 540 Vgl. Wellman (1995), S. 112. Wellman glaubt, dass jedes Recht sowohl eine Freiheitl als auch eine Kompetenz enthalten muss, räumt aber ein, dass er dies nicht beweisen kann, und nimmt daher an, dass jedes genuine Recht entweder eine Freiheitl oder eine Kompetenz beinhalte.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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ben, das unfähig wäre, sich der relevanten Fakten und ihrer moralischen Relevanz bewusst zu werden, durch sie motiviert zu werden oder unfähig wäre zu handeln. Daher impliziere dieses zweite Argument, dass nur ein moralischer Handelnder (moral agent) im angemessenen inhaltsreichen Sinn von Tätigkeit, die zumindest durch diese Vermögen spezifiziert werde, ein moralisches Recht besitzen könne. Wellman merkt an, dass es nicht notwendig scheine, dass diese Vermögen voll entwickelt seien, um die elementarsten Rechte zu besitzen.541 Da er die notwendigen Bedingungen für das Besitzen zumindest eines moralischen Rechts suche, komme es für sein gegenwärtiges Ziel nur auf die Art, nicht den Grad der moralischen Tätigkeit an. In Bezug auf das dritte Argument bemerkt Wellman, die Verschiedenheit der Verben im Genus Aktiv in der gewöhnlichen Sprache über Rechte (ausüben, bestehen auf, pochen auf, fordern, Anspruch erheben auf, verzichten auf, aufgeben, delegieren, veräußern, verwirken etc.), lege nahe, dass jeder Rechtsinhaber eine große Auswahl an Vermögen besitzen müsse, um fähig zu sein, in so verschiedener Weise zu handeln. Es seien aber nicht alle Verben für jedes Recht angemessen. Unveräußerliche Rechte seien ebenso vorstellbar wie Anspruchsrechte, auf die man nicht verzichten könne etc. 542 Genauer betrachtet seien die Implikationen des dritten Arguments identisch mit jenen des zweiten. Auf sein Recht bestehen, pochen, es aufgeben oder fordern seien verschiedene Arten der Ausübung von Freiheiten 1 (liberties) zu handeln innerhalb seines Rechts. Sein Recht zu beanspruchen, auf es verzichten, es aufgeben, delegieren oder veräußern seien genauso viele Arten, Kompetenzen auszuüben, die im eigenen Recht enthalten seien. Nur wenn man ein Recht verwirke, gehe man über diese verschiedenen Bestandteile dieses Rechts hinaus und wahrscheinlich könne nur eine Handlung, für die man moralisch verantwortlich sei, ein genuines Verwirken bilden. Auf diese Weise gelange man zum selben Schluss, dass die minimalen Qualifikationen für das Besitzen eines moralischen Rechts die notwendigen Bedingungen für moralische Verantwortung seien.
Die Ergebnisse von Wellmans Überlegungen in Bezug auf Rechtsinhaber und ihre Vermögen - Wenn es also wirklich moralische Rechte gebe, dann könnten 541
Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman sich in seinem Aufsatz „The Growth of Children's Rights" mit der Zunahme (growth) von Rechten beschäftigt. Dort bemerkt er, dass die Zunahme von Rechten auf zwei unterschiedlichen Ebenen stattfinde. Vgl. Wellman (1997), S. 139. Erstens bestehe eine Zunahme im Vermögen (capacity) des Kindes, jedes Element eines spezifizierten Rechts zu besitzen. Wellman unterscheidet das Vermögen, ein spezifisches Recht zu besitzen, vom tatsächlichen Besitz. Die zweite Ebene, auf der Rechte zunähmen sei die des Inhalts jedes spezifizierten Elements, das das Kind tatsächlich besitze. Z.B. werde sich mit der Entwicklung der Fähigkeiten des Kindes, sich in der Welt zu bewegen, und der Änderung der moralischen Verpflichtungen des Kindes, bestimmte Arten der Bewegung (movement) zu unterlassen, der Bereich der Bewegungen ändern, die das Kind ethisch frei (at liberty) zu tun sei. 5
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 1 .
268
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
zumindest erwachsene Menschen sie besitzen, da sie das Paradigma von Rechtsinhabern seien. Aufgrund einer flüchtigen Untersuchung moralischer Musterrechte, die nahe lege, dass dasjenige, was normale Erwachsene qualifiziere, Rechtsinhaber zu sein, die Tatsache sei, dass sie Handelnde seien, formuliert Wellman die Hypothese, dass nur Handelnde moralische Rechtsinhaber sein könnten. Dazu sei die Art von Tätigkeit erforderlich, die einen für die eigenen Handlungen moralisch verantwortlich mache: Das Vermögen angesichts spezifisch moralischer Gründe zu handeln. Dies setze zumindest die Vermögen voraus, sich relevanter Fakten bewusst zu werden, ihre moralische Relevanz einzuschätzen, sich nach ihnen zu motivieren und in einem weiten nichtmoralischen Sinn zu handeln. Diese Vermögen müssten nicht hochentwickelt sein. Liege jedoch moralische Tätigkeit überhaupt nicht vor, gebe es auch keine Entität, die selbst die einfachsten moralischen Rechte besitze. Aufgrund dieser Überlegungen untersucht Wellman neben normalen Erwachsenen auch andere mögliche moralische Rechtsinhaber: Kinder und mental Beschränkte.543 Anschließend geht er der Frage nach, ob seine Ergebnisse in Bezug auf mögliche moralische Rechtsinhaber mutatis mutandis auch auf mögliche legale Rechtsinhaber anwendbar seien.544 Wellman glaubt, dass seine Ergebnisse in dieser Weise verallgemeinert werden könnten, weil die allgemeine Beschaffenheit eines Rechts und nicht seine spezifische Beschaffenheit als moralisches oder legales Recht Tätigkeit für sein Besitzen erfordere. Hier wurden Wellmans Ausführungen über mögliche Rechtsinhaber nur soweit wiedergegeben, als in ihnen der Begriff „Tätigkeit" geklärt wird. Dieser Begriff ist sowohl für ein tieferes Verständnis des Begriffs „ein Recht" wesentlich als auch für das Besitzen eines Rechts, wovon die Existenz eines Rechts abhängt. Auf eine Wiedergabe von Wellmans Erörterungen der Frage, ob und inwiefern mögliche Rechtsinhaber, wie Kinder und geistig Beschränkte, bzw. angebliche Rechtsinhaber (alleged Right-Holders), wie Föten 545 , Tote, Körperschaften, Teams, Ansammlungen 543 Dazu bemerkt Wellman abschließend: Ob ein angebliches (alleged) Recht eines normalen Erwachsenen, eines älteren Kindes oder einer mental beschränkten Person wirklich (real) existiere, werde von Details ihrer Qualifikation abhängen, dieses spezifische Recht zu besitzen, mitsamt der Existenz oder Nichtexistenz seiner Grundlagen (grounds). Zumindest könnten moralische und legale Rechte dieser Art Wesen wirklich (real) sein. Vgl. Wellman (1995), S. 136. 544 Vgl. Wellman (1995), S. 132. 545 In der Erörterung der Frage, ob Föten Rechtsinhaber sein können, unterscheidet Wellman zwischen besitzen (possessing) und ausüben (exercising) eines Rechts. Vgl. Wellman (1995), S. 139. Sicherlich könne man ein Recht haben, selbst wenn man nicht aufgrund desselben handle (acting on). Tatsächlich wäre schon die Idee (notion) einer Erklärung der Menschenrechte unvorstellbar, wenn Handeln aufgrund eines Rechts für ihren Besitz erforderlich wäre. Wenn es sinnvoll sei zu behaupten, dass man mehrere gänzlich verschiedene Menschenrechte zur selben Zeit besitzen könne, dann müsse man zwischen Besitzen und Ausübung eines Rechts unterscheiden, weil niemand eine Anzahl sehr verschiedener Rechte zugleich ausüben könnte. Ferner bemerkt Wellman, dass die Komplexität von Rechten die Folgerung bestätige, dass das
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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(collections), Klassen und Völker (peoples) Rechtsinhaber sein könnten, muss im Rahmen dieser Darstellung verzichtet werden, da hierzu ein eigenes Kapitel notwendig wäre. 546 Hypothetische und tatsächliche Rechte - In diesem Zusammenhang sei folgende Unterscheidung erwähnt: zwischen hypothetischen Rechten, z.B. dem Recht abzutreiben, und tatsächlichen (actual) Rechten, z.B. Janes Recht abzutreiben. 547 Hypothetische Rechte könnten in bedingten moralischen Aussagen über das oder ein Recht behauptet werden, das jemand haben würde, wenn er
Vermögen (capacity) zu handeln und nicht das Handeln selbst für das Besitzen eines Rechts erforderlich sei. Vgl. ebd., S. 140. Ein Recht bestehe aus einem System Höhfeldscher Positionen und ein typisches Recht werde mehrere verschiedene Freiheiten 1 und Kompetenzen enthalten. Obwohl niemand aufgrund aller dieser Freiheiten 1 und Kompetenzen handeln könnte, könnte man jederzeit ohne Zweifel die verschiedenen Vermögen (capacities), auf diese verschiedenen Arten zu handeln, haben. Wellman erörtert daraufhin die Frage, warum das Vermögen (capacity) zu handeln für das Besitzen eines Rechts notwendig sei, wenn Handeln dafür nicht notwendig sei. Diese Notwendigkeit sei in der Natur des Besitzens eines Rechts inbegriffen. Ein Recht zu besitzen bedeutet eine bestimmte Art einer Position nach moralischen Normen zu haben, womit die Art charakterisiert wird, in der eine oder mehrere Normen auf jemanden Anwendung finden. Jede Menge moralischer Gründe, die hinreichend sei, ein Recht zu übertragen, müsse Freiheit 1- und Kompetenz übertragende Gründe enthalten. Obwohl solche Gründe selbst dann anwendbar seien, wenn man nicht handle, könnten sie keine Relevanz für ein Wesen haben, das total unfähig zu handeln sei. Daher sei das Vermögen zu handeln für das Besitzen eines moralischen Rechts erforderlich. Wellman stellt daraufhin die Frage, ob das Vermögen zu handeln auch hinreichend sei. Wenn Tätigkeit, das bloße Vermögen zu handeln, einen qualifiziere, Rechte zu besitzen, warum könnte dann nicht potentielle Tätigkeit (potential agency), das Vermögen zur Erwerbung des Vermögens zu handeln den Fötus als einen moralischen Rechtsinhaber qualifizieren? Die Antwort liege in der Gegner-Natur (adversarial nature) von Rechten. Die praktische Bedeutung (import) von Rechten liege in ihrer Relevanz in einer möglichen Konfrontation zwischen dem Rechtsinhaber und einer zweiten Partei oder mehreren, die das Recht in irgendeiner Weise verletzen könnten. Wellman argumentiert unter anderem, dass bis der Fötus das Vermögen zu handeln erlange, er keine Partei in irgendeiner Konfrontation sein könne, da er keine GegnerPosition einnehmen könne. Nur Handelnde könnten Gegner sein. Alles, was die potentielle Tätigkeit des Fötus impliziere, sei, dass er das Vermögen habe, zu einem späteren Zeitpunkt die Art von Wesen zu werden, für das moralische Rechte in einer möglichen Konfrontation relevant sein würden. 546 Vgl. Wellman (1995), S. 137-177. In ebd., S. 176, fasst Wellman seine Überlegungen folgendermaßen zusammen: Er (sc. Wellman) habe ohne zu beweisen angenommen, dass normale erwachsene Menschen moralische Rechte besitzen könnten und auch besäßen. Man könnte diese Prämisse bestreiten, jedoch nur, indem man die reine (very) Existenz moralischer Rechte anzweifelte. Dies wäre ein Gegenstand eines anderen Kapitels in einem weiteren Buch. Er habe normale Erwachsene als Paradigma für Inhaber moralischer Rechte verwendet und sei zu verschiedenen umstrittenen (controversial) Ergebnissen darüber gelangt, welche andere Arten von Wesen moralische Rechte besitzen könnten. 547 Diese Unterscheidung trifft Wellman im Kapitel „Grounds of Moral Rights", wo er die einschließende und stückweise Begründung [vgl. hier das Kapitel B., IL, 5., b)] erörtert. Vgl. Wellman (1995), S. 79.
270
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
dazu qualifiziert wäre. Tatsächliche Rechte könnten in angewandten (applied) moralischen Aussagen über ein Recht bestätigt werden, das jemand habe, weil er die Qualifikationen besitze, die für die Anwendung der Recht übertragenden Norm oder Normen erforderlich seien. Die Grundlagen letzterer schlössen die Grundlagen ersterer ein, gingen aber über sie hinaus. Der Status als Voraussetzung für das Besitzen bestimmter Rechte - Ferner sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass Wellman in „A Theory of Rights" auf eine bestimmte Voraussetzung zu sprechen kommt, aufgrund der man bestimmte Rechte hat: den Status.548 Dabei unterscheidet er zwischen moralischen Rechten, die eine bestimmte Klasse von Individuen besitzt, und Menschenrechten, die man als Mensch besitzt. Als Beispiel für erstere erwähnt Wellman das Recht abzutreiben, das man als schwangere Frau, also aufgrund eines speziellen Status besitzt, als Beispiel für letztere das Recht auf Sicherheit der Person, das im Artikel 3 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" genannt wird. Mit Bezug auf ein anderes Beispiel eines Menschenrechts (Artikel 11 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte") bemerkt Wellman Folgendes: Der Status sei der Grund oder ein wesentlicher Teil des Grundes eines Rechts.549 Die rationale Rechtfertigung für die Behauptung dieses Rechts550 enthalte eine wesentliche Bezugnahme auf das Menschsein.551 d) Interpretation
von Rechten
Inhalt und Wirklichkeit eines Rechts - Wellman erörtert in „Real Rights" den Zusammenhang von Grundlagen, Inhalt und Wirklichkeit eines Rechts.552 Jede adäquate Theorie über die Grundlagen von Rechten, werde wirkliche (real) Rechte auf zwei wesentlich in Beziehung stehende Arten zu bestimmen erlauben. Wenn eine verhältnismäßig vollständige und präzise Interpretation eines angeblichen Rechts gegeben sei, dann hänge seine Wirklichkeit davon ab, ob es
548
Vgl. Wellman (1985), S. 179. Vgl. Wellman (1985), S. 180. 550 Artikel 11 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" lautet folgendermaßen: Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist so lange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährliestet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist. 551 Wellman bemerkt, dass wenn der Status, der für das Besitzen eines Rechts notwendig sei, deutlich werde, sich herausstellte, dass nicht alle moralischen Rechte, die in der „Universalen Erklärung der Menschenrechte" behauptet würden, Menschenrechte im strikten Sinn seien. Vgl. Wellman (1985), S. 180. Anschließend erörtert er den Unterschied zwischen universalen moralischen Rechten und bürgerlichen moralischen Rechten (civic moralrights),die man als Bürger bzw. als Mitglied einer Gesellschaft (society) habe. Vgl. ebd., S. 181. 549
5
Vgl. Wellman (1995), S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
271
moralische Gründe (reasons) gebe, die dazu hinreichend seien, dieses Recht zu begründen. Wenn eine unvollständige und unbestimmte Spezifizierung eines angeblichen Rechts gegeben sei, würden die verfügbaren Grundlagen (grounds) einem zu entscheiden ermöglichen, welche Interpretation seine Wirklichkeit erhalten würde. Dies sei deswegen so, weil die Wirklichkeit eines behaupteten Rechts von seinem angeblichen Inhalt abhänge. Dies illustriert Wellman am Beispiel eines legalen Rechts. Das Recht einer schwangeren Frau abzutreiben, sei unter dem Recht (law) der Vereinigten Staaten wirklich, wenn es als Anspruchsrecht gegen Einmischung in ihre Wahl abzutreiben interpretiert werde, aber nicht wirklich, wenn es als Anspruchsrecht auf Ermöglichung einer Abtreibung (to be provided with) interpretiert werde, auch für den Fall, dass sich die Frau diese nicht leisten könnte.553 Zwei Möglichkeiten der Interpretation einer Aussage, in der ein Recht behauptet wird - Wellman erörtert in „Real Rights" im Kapitel „Implied Duties" die Argumentation von einem spezifizierten Recht - von einer interpretierten Aussage, dass ein Recht existiere - zu den Pflichten, die es impliziere. 554 Im Abschnitt „Interpreting Rights" des genannten Kapitels erklärt Wellman, dass man in der Argumentation zum Nachweis der Existenz einer implizierten Pflicht eine Interpretation der Prämisse brauche, die sowohl den Inhalt des behaupteten Rechts explizit mache als auch die Wahrheit der Behauptung bewahre. 555 Es gebe zwei Wege zu diesem Ziel: (1) Man könne die Bedeutung der Aussage, dass ein Recht existiere, erklären und dann die Wahrheit dieser Aussage bestätigen, oder (2) man könne die Wahrheit der Behauptung eines Rechts feststellen und dann das Recht erläutern, das sie behaupten müsse, um wahr zu sein. Beide Wege liefen parallel zueinander, da sie zum selben Ziel führten. 556 (1) Der erste Weg - Zum ersten Weg bemerkt Wellman, man könne die Aussage, dass ein Recht existiere, auf viele Arten erklären; zum Zweck der Argumentation zu implizierten Pflichten sei eine Analyse in Hohfelds Begriffen die nützlichste.557 Ihr großer Vorteil liege darin, dass sie die praktische Bedeutung des Rechts explizit mache. In Bezug auf die wichtige Frage, wie man entdecken könne, wie ein Sprecher ein Recht begreife, gesteht Wellman, dass er nichts wirklich Neues und Hilfrei-
553 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1999a) verschiedene Beispiele moralischer Rechte bringt und moralische Argumente zum Nachweis ihrer Existenz analysiert. Vgl. z.B. die Erörterung des Rechts auf Heirat zwischen Menschen verschiedener Rasse und der damit verbundenen moralischen Argumentation in ebd., S. 52-56. 554 Vgl. Wellman (1995), S. 178. 555 Vgl. Wellman (1995), S. 179. 556 Vgl. Wellman (1995), S. 183. 5
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 8 .
272
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ches zu sagen habe. Man sei auf die Interpretation der Bedeutung der Aussagen des Sprechers angewiesen, die unvollständig und fehlbar sei, selbst dann, wenn man selbst der Sprecher sei. Man entdecke die Bedeutung seiner eigenen Aussagen in derselben Weise, in der man die Aussagen der anderen interpretierte. Man müsse jede Erklärung der Bedeutung einer Aussage jemandes auf der Grundlage anderen Beweismaterials ausfüllen und korrigieren. Vieles von diesem Beweismaterial werde sprachlich sein. Die Worte, die der Sprecher gebrauche, um zu behaupten, dass ein Recht existiere, würden in einer Reihe anderer Sätze gebraucht werden, die einen Anhaltspunkt in Bezug auf ihre Bedeutung lieferten. Die Gründe, die ein Sprecher gebe, um seine Behauptung zu rechtfertigen, und die Schlussfolgerungen, die er aus ihr ziehe, würden zu klären helfen, was er meine. Auch der Tonfall, der Gesichtsausdruck, die Körpersprache etc. könnten Anhaltspunkte geben. Wie können wir wissen, dass ein Recht existiert? - Wellman bemerkt, dass selbst eine vollständige Erklärung der Bedeutung einer Aussage, dass ein bestimmtes Recht existiere, unzureichend sein könne, um jemandem den Schluss darüber zu ermöglichen, welche Pflichten ein Recht impliziere. Jede Schlussfolgerung setze natürlich voraus, dass die Prämissen eines Rechts wahr seien. Wellman stellt die Frage, wie wir wissen können, ob ein behauptetes Recht tatsächlich (actually) existiere. Die Grundlagen (grounds) eines Rechts seien die Gründe (reasons), aus denen es existiere. 558 Das Problem sei, dass man gewöhnlich die Grundlagen eines behaupteten Rechts nicht kenne. Legale Rechte gründeten auf den maßgeblichen legalen Quellen und den Fakten, für die sie gölten, moralische Rechte auf spezifisch moralischen Gründen und ähnlichen Fakten. Obwohl man mit dem Recht oder der Moral vertraut und über die Situationen, für die sie gölten, informiert sein könne und bis zu diesem Grad die Grundlagen legaler und moralischer Rechte kenne, kämen diese Normen und Fakten nicht als Grundlagen gekennzeichnet vor. Man könne ihre Relevanz für die Rechte, für die sie Gründe seien, erkennen oder auch nicht erkennen. Noch kämen sie ordentlich gebündelt vor, um der Komplexität der Rechte zu entsprechen, die sie begründeten. Daher müsse man die Grundlagen jedes Rechts finden, bevor man sich auf sie berufen könne, um eine Aussage zu rechtfertigen, dass dieses Recht existiere.
Zur Feststellung der Wahrheit einer Aussage, dass ein bestimmtes Recht exi tiert - Wellman erörtert die Frage, wie man entdecken könne, ob eine Aussage, dass ein bestimmtes Recht existiere, wahr sei. Die nahe liegende Methode sei, die Grundlagen dieses Rechts zu suchen und zu versuchen, die relevanten he558 Wie vorhin erwähnt (vgl. das Kapitel B., IL, 1., b), Abschnitt: „Grundlagen moralischer bzw. legaler Positionen") spricht Wellman sowohl von „grounds" als auch von „reasons". Die Bedeutungen der zwei Begriffe decken sich insofern, als Wellman auf keinen Unterschied hinweist und an manchen Stellen ersteren durch letzteren erklärt. Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 38, 180.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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rauszufinden. 559 Empirische Untersuchung könne die Fakten feststellen und in dieser Hinsicht die Existenz des behaupteten Rechts bestätigen. Wenn alles gut gehe, werde man die Grundlagen des bestimmten Rechts finden und auf diese Weise in der Lage sein, die Aussage zu bestätigen, dass das Recht existiere. Man sei aber nicht immer so erfolgreich. Gemäß seiner Konzeption seien Rechte komplex und diese Komplexität werde sich notwendig in der Analyse der Bedeutung verschiedener Aussagen über die Existenz eines Rechts widerspiegeln. Man werde Grundlagen für manche aber nicht alle Elemente eines bestimmten Rechts finden können oder Gründe für manche behaupteten Elemente mitsamt Gründen, andere zu bestreiten. Es sei dann vernünftig zu versuchen, das Recht neu zu definieren, sodass sein Inhalt mit den Grundlagen übereinstimme, die man gefunden habe. Man lasse sich auf einen Prozess einer wechselseitigen Anpassung ein. Man modifiziere die eigene Erklärung der Bedeutung der Aussage, dass ein bestimmtes Recht existiere, sodass es stärker durch die Normen und Fakten, die man finde, bestätigt werde. Zugleich suche man nach zusätzlichen legalen oder moralischen Gründen und führe eine weitere empirische Untersuchung durch, um Grundlagen zu finden, die die neu interpretierte Aussage rechtfertigen würden. Auf diese Weise hoffe man ein engeres Überlegungsgleichgewicht560 zwischen der vorläufigen Behauptung des bestimmten Rechts und den Gründen zu erreichen, die man gefunden habe, um an seine Existenz zu glauben. Wenn die Grundlagen dennoch nicht mit dem Recht übereinstimmten, so wie man es verstehe, entweder, weil sie einige Teile des behaupteten Rechts unbegründet ließen, oder, weil sie an mancher Stelle gegensätzlich zu seinem angenommenen Inhalt seien, dann müsse man ein weitreichenderes Überlegungs559
Vgl. Wellman (1995), S. 181. Zur Methode des Überlegungsgleichgewichts sei ergänzend folgende Bemerkung Wellmans (aus dem Kapitel über mögliche Rechtsinhaber) angeführt: Die Methode des Überlegungsgleichgewichts, die in dieser Argumentation vorausgesetzt werde, sei von R. M. Hare, Richard B. Brandt und anderen heftig kritisiert worden mit der Begründung, dass das, was als moralische Intuitionen klarer Fälle (clear cases) angesehen werde, oft ein Ausdruck unserer moralischen Vorurteile sei und in jedem Fall ursprünglicher (initial) Glaubwürdigkeit entbehrte. Vgl. Wellman (1995), S. 121 f. Er (sc. Wellman) gestehe ersteres zu, bestreite aber letzteres aus Gründen, die er genauer in „Challenge and Response" (Kapitel 6: „Infinite Regresses") ausgeführt habe. Daher akzeptiere er die Methode des Uberlegungsgleichgewichts, vorausgesetzt sie werde passend verstanden. Wellman versucht im genannten Kapitel in „Challenge and Response" die Hauptargumente zu widerlegen, die zu zeigen versuchen, dass Rechtfertigung nur möglich ist, wenn es unzweifelhafte Prämissen gibt, auf die man sich berufen kann, und versucht zu beweisen, dass anzweifelbare (dubitable) Prämissen hinreichend dafür sind, dass man eine Folgerung durch Berufung auf Gründe, die infrage gestellt werden könnten, aber nicht infrage gestellt wurden, wirklich rechtfertigen kann. Vgl. Wellman (1971), S. 156 f. Da Wellmans Ausführungen nicht speziell in Bezug auf die Thematik „Rechte" erfolgen, wird im Rahmen dieser Arbeit auf eine Wiedergabe verzichtet. 560
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gleichgewicht suchen. Akzeptiere man die Aussage, dass ein bestimmtes Recht existiere, als Hypothese, könne man seine verschiedenen Implikationen auf der Grundlage der Analyse seiner Bedeutung herausholen. Man könne sehen, ob die implizierten Aussagen durch verfügbare Beweismittel bestätigt würden oder nicht. Sowohl die implizierten Aussagen als auch die Gründe, die man gefunden habe, um das Recht zu begründen, würden ihre eigenen verschiedenen Voraussetzungen haben. Diese könnten explizit gemacht werden und bestätigt oder nicht bestätigt werden. In diesem Prozess werde man seine Spezifizierung des Inhalts des behaupteten Rechts modifizieren müssen, um es mit diesem weiteren Bereich von Überlegungen übereinstimmend zu machen. Wellman weist darauf hin, dass es in Bezug auf den Grad der Revision der eigenen Auffassung des Rechts bei gleichzeitigem Vorgeben, die Bedeutung der Aussage eines Sprechers zu interpretieren, dass ein Recht existiere, Grenzen gebe, selbst wenn man selbst der Sprecher sei. An einem bestimmten Punkt werde man vielleicht anerkennen müssen, dass die ursprüngliche Aussage nicht wahr war, sondern nur eine Annäherung an eine ähnliche Aussage, die wahr sein könnte. In dieser Hinsicht sollte die Folgerung von dem Ergebnis dieser Revision eines weiten Bereichs relevanter Überlegungen abhängen. Wellman unterscheidet zwischen drei Ergebnissen: Man werde ein weitreichendes Überlegungsgleichgewicht erreichen, das zur Akzeptanz der Aussage, dass ein bestimmtes Recht existiere, ausreiche. Oder man werde ein Überlegungsgleichgewicht zwischen dem entdeckten Beweis und der Verwerfung der Aussage erreichen. Oder man werde überhaupt kein Überlegungsgleichgewicht erreichen und entweder das Urteil aufgeben oder eine bloße Mutmaßung wagen. Nur das erste Ergebnis werde einem ermöglichen, auf die Existenz implizierter Pflichten zu schließen. (2) Der zweite Weg - Der zweite Weg zu einer Prämisse, von der man aus die Existenz einer oder mehrerer implizierter Pflichten gerechtfertigt folgern könne, sei durch Feststellung, zumindest versuchsweise, der Wahrheit der Behauptung eines spezifizierten Rechts, worauf dann die Erklärung des Rechts folge, das sie (sc. die Prämisse) behaupten müsse, um wahr zu sein. Obwohl man mit einer Vorstellung (notion) des Inhalts des behaupteten Rechts beginnen müsse, könne sein Inhalt unvollständig und ungenau bestimmt sein. 561 Nichtsdestoweniger könne man fähig sein, zumindest provisorisch, die Behauptung, dass ein Recht existiere, zu rechtfertigen, weil Rechtfertigung in der Entgegnung auf alle aktuellen, nicht alle möglichen, Einwände bestehe. Wellman stellt die Frage, wie man die Behauptung, dass ein so schwach definiertes und nicht adäquat verstandenes Recht existiere, rechtfertigen kann. Wenn es ein legales Recht sei, könnte man eine maßgebliche legale Quelle finden, die sich auf das kurz oder unvollständig beschriebene Recht beziehe. Moralische Rechte seien im Unterschied zu den Rechten der positiven Moralität durch natürliche Gründe 5
V g l . Wellman (1995), S.
2.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
275
begründet und nicht durch künstliche (artificial) Quellen. Dennoch könne jemand eine Behauptung, dass ein bestimmtes Recht existiere, zu Recht akzeptieren, einfach weil sein fester Glaube an dieses Recht unangefochten bleibe oder weil seine Hypothese über die Existenz dieses Rechts eine oder mehrere andere moralische Überzeugungen zu erklären helfe. Es bleibe, den Inhalt des behaupteten Rechts detailliert und präzise herauszufinden. Man müsse mit der Sprache beginnen, die in dieser Behauptung gebraucht wurde. 562 Dabei könne es sich um eine Bezeichnung wie „das Recht auf Redefreiheit" oder um eine kurze Beschreibung wie „das Recht 10$ bezahlt zu bekommen" handeln. Alternative Übersetzungen oder Umschreibungen würden alternative Interpretationen des definierenden Kerns dieses Rechts nahe legen. Nehme man an, dass die Behauptung wahr sei, suche man nach den Grundlagen jedes potentiellen Kerns und hoffe herauszufinden, dass nur eine Interpretation die Wahrheit der Behauptung bewahre. Wenn selbst eine beharrliche Suche keine Grundlage für eine plausible Neuformulierung der Behauptung enthülle, könne es sein, dass man zugeben müsse, dass die Behauptung nicht wahr sei. Finde man Grundlagen für mehr als einen möglichen Kern, müsse man anerkennen, dass die Behauptung wahrscheinlich unklar sei oder sich auf ein Rechte-Paket beziehe, eine Menge eng in Beziehung stehender Rechte. Da jedes echte Recht komplex sein müsse, werde jede volle Interpretation sowohl seine verknüpften Elemente bestimmen müssen wie auch seinen definierenden Kern. Obwohl ein paar von diesen, wenn überhaupt, in der Behauptung eines bestimmten Rechts angegeben seien, könne man wissen, dass sie aufgrund der eigentlichen Beschaffenheit eines Rechts in wesentlicher Beziehung zum Kern stehen werden. Nur Hohfeldsche Positionen könnten Bestandteile eines Rechts sein. Daher untersuche man einfallsreich potentielle verknüpfte Elemente und baue dann jene, für die man Grundlagen finde, in seine Interpretation eines behaupteten Rechts ein. Indem man die Analyse des Inhalts des Rechts ändere, damit sie den Grundlagen entspreche, die man für postulierte Hohfeldsche Positionen finde, und nach legalen Quellen oder moralischen Gründen suche, um andere potentielle Elemente im spezifizierten Recht zu begründen, suche man ein enges Überlegungsgleichgewicht zwischen der interpretierten Behauptung des Rechts und den entdeckten Gründen. Wellman bemerkt, dass die ultimative Methode, nach der man die Wahrheit einer moralischen Behauptung beurteilen sollte, eher ein umfassenderes als ein enges Überlegungsgleichgewicht ist, da nur dieses den ganzen Bereich relevan562
Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman an anderer Stelle im Versuch die Bedeutung eines Rechts zu bestimmen auch auf Wörterbücher zurückgreift. In der Bestimmung des moralischen Rechts auf Eigentum (property) konsultiert Wellman das „Oxford English Dictionary". Vgl. (1997), S. 153. In der Bestimmung des Grundrechts auf Privatleben (privacy) konsultiert er das zuvor genannte Wörterbuch und untersucht die Sprache legaler Quellen. Vgl. ebd., S. 178 ff.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ter Erwägungen widerspiegelt. In einem umfassenden Überlegungsgleichgewicht würden diese Erwägungen alles enthalten, was die Wahrheit jeglicher Voraussetzungen des behaupteten Rechts und der Gründe betreffe, die für die Begründung dieses Rechts erforderlich wären, mitsamt jeglichem verfügbaren Beweismaterial (evidence), um die verschiedenen legalen oder moralischen Implikationen des Rechts zu bestätigen und zu widerlegen, vorausgesetzt sein Inhalt sei so wie man es annehme.563 Schließlich und endlich müsse man ein umfassendes Überlegungsgleichgewicht im Herausfinden des Inhalts eines Rechts, das wahrhaftig behauptet werde, erstreben, genauso wie man es in der Feststellung der Wahrheit einer Aussage, dass ein Recht existiere, erstreben müsse.564 Dieser zweite Weg zu einer Prämisse, von der man aus eine oder mehrere implizierte Pflichten folgern könne, liefe parallel zum ersten, da beide zum selben Ziel führten. In dieser Darstellung wurde Wellmans Erörterung implizierter Pflichten nur soweit wiedergegeben, als in ihr die Existenz und Interpretation von Rechten behandelt wird. Im Folgenden werden im Abschnitt über den Zusammenhang von Recht, Moral und Moralität zwei spezielle Formen der Implikation von Pflichten thematisiert. e) Unwirkliche
Rechte
Wellman untersucht neben der Frage, wie man die Existenz oder Wirklichkeit eines Rechts feststellen kann, auch die Frage, wann ein Recht unwirklich (unreal) ist. Diese Frage erörtert er in „Real Rights" anschließend an seine Erörterung von Rechtskonflikten und auf der Grundlage dieser Erörterung. Die Möglichkeit von Rechtskonflikten, ihre Gründe und Lösungsmöglichkeiten bilden ein eigenes Thema, das sich mit der Existenz moralischer Rechte überschneidet, das aber wegen seiner Komplexität und seines Umfangs in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden kann. 565 Die Darstellung beschränkt sich hier auf folgende Bemerkung Wellmans über Beschaffenheit und Existenz moralischer Rechte und ihrer Gründe im Rahmen seiner Erörterung von Rechtskonflikten, die sich in Zusammenhang mit den vorangegangenen Erörterungen bringen lässt. Wellman bemerkt, es sei sein Eindruck, dass wirkliche Rechtskonflikte in der Moral häufiger als im Recht (law) seien.566 Warum dies so sein sollte, 563
Vgl. Wellman (1995), S. 182 f. Vgl. Wellman (1995), S. 183. 565 Wellman erörtert im Kapitel „Conflicts of Rights" in drei Abschnitten „Legale Konflikte", »Moralische Konflikte" und „Gemischte (mixed) Konflikte", d.h. Konflikte z.B. zwischen legalen und moralischen Rechten. Vgl. Wellman (1995), S. 200241. Auf die gemischten (mixed) Konflikte wird im Folgenden, im Kapitel B., IL, 5., g), ff) eingegangen. 564
5
Vgl. Wellman (1995), S. 2 4 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
277
scheine weniger mit irgendwelchen Unterschieden zwischen der moralischen und legalen Argumentation zu tun zu haben als mit der Tatsache, dass moralische Rechte unabhängig von menschlichen Organisationen und Konventionen seien, während legale Rechte institutionell seien. Unsere rechtlichen Praxen enthielten Verfahren wie Gesetzgebung oderrichterliche Entscheidung, die graduell Rechtskonflikte aus dem Rechtssystem eliminierten. Obwohl moralische Rechte unter sich wandelnden Umständen geändert werden könnten, könnten sie nicht durch überlegte Schaffung neuer moralischer Gründe neu definiert werden in der Weise, in der legale Rechte durch die Einführung neuer maßgeblicher Quellen des Rechts (law) geändert werden könnten. 567,11 Wellman bemerkt, dass man in der Untersuchung gerichtlicher, moralischer oder allgemeiner (broadly) praktischer Argumentation unter anderem zu dem Schluss kommen kann, dass eines der miteinander konfligierenden Rechte unwirklich ist. 568 Er erörtert verschiedene Arten, in denen man argumentieren kann, dass ein angebliches Recht unwirklich ist: 567
Wellman erörtert im Abschnitt „Moralische Konflikte" (Moral Conflicts) unter anderem die Unterschiedlichkeit relevanter Überlegungen und wie sie bei Konflikten moralischer Rechte, die aus verschiedenen Versprechen hervorgehen, in die moralische Argumentation eingehen. Vgl. Wellman (1995), S. 229. Wellman bemerkt dort, dass obwohl man manchmal zeigen kann, dass ein Konflikt zwischen Rechten aus Versprechen nur scheinbar ist, indem man auf eine faktische Spezifizierung im einen oder anderen Recht hinweist, der Konflikt öfter wirklich ist und durch Abwägung der Rechte gegeneinander gelöst werden muss. Vgl. ebd., S. 233. Charakteristischerweise müsse dieses Abwägen eher in Form der besonderen Umstände als aufgrund eines allgemeinen Prinzips mit dem Inhalt, dass eine Art von Versprechen immer vor einer anderen Vorrang habe, vorgenommen werden. Die faktischen Umstände seien für das Gewicht jedes moralischen Rechts nur sofern relevant, als sie sich auf die moralischen Gründe bezögen, die dieses Recht begründeten. Trotzdem seien sie Gründe, selbst wenn auch nur indirekt, und der Vorgang, in dem sie in Betracht gezogen würden, sei eine wichtige Art moralischer Argumentation. Diese Argumentation sei oft sehr komplex, sowohl aufgrund der Anzahl der Überlegungen, die man abwägen müsse, als auch der sehr unterschiedlichen Art der Überlegungen, die man gegeneinander abwägen müsse. Wellman behauptet, dass man konfligierende Rechte gegeneinander abwägen könne und sollte, indem man ihre Grundlagen, so wie sie auf die speziellen Umstände des in Frage stehenden Falles Anwendung fänden oder durch diese qualifiziert würden, abwäge. Dies sei eine Form der Argumentation, die er in „Challenge and Response" (1971, Kapitel 3) erklärt und verteidigt habe. Sie sei nicht der Moral eigentümlich, sondern müsse in jedem Bereich verwendet werden, wo es Gründe für und auch gegen eine Schlussfolgerung geben könne. Einige Ausführungen aus diesem Kapitel in (1971) zu dieser Argumentationsform werden in der an diese Fußnote anschließenden Endnote wiedergegeben. 568 Wellman untersucht im Kapitel über Rechtskonflikte verschiedene Arten, in der gerichtliche, moralische oder sogar allgemeine praktische Argumentation angebliche Rechtskonflikte lösen können. Vgl. Wellman (1995), S. 242. Diese Argumentationen zeigten, dass obwohl manche dieser Konflikte wirklich seien, andere nur scheinbar und andere gänzlich illusorisch seien. Charakteristischerweise ermöglichten auch diese Argumentationen eine von drei Schlussfolgerungen über die konfligierenden Rechte zu ziehen: Dass zumindest eines der angeblichen Rechte unwirklich sei, dass obwohl beide Rechte wirklich seien, eines oder beide eingeschränkt seien, so dass sie im gege-
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
(1) Ermangelung der Qualifikationen für den Besitz eines Rechts - Erstens könne man argumentieren, dass es ein bestimmtes Recht aus dem Grund nicht gebe, weil der angebliche Rechtsinhaber der Qualifikationen ermangle, die notwendig seien, um dieses Recht zu besitzen.569 Wellman führt als Beispiel einen Fall an, in dem der oberste Gerichtshof (Supreme Court) der Vereinigten Staaten argumentiert habe, dass der menschliche Fötus kein Grundrecht (constitutional right) auf Leben haben könnte, weil er keine Person in dem Sinn gewesen sei, in dem das Wort „Person" in der Verfassung der Vereinigten Staaten verwendet werde, und nur Personen Rechtsinhaber unter diesem Recht sein könnten.570 In ähnlicher Weise sei argumentiert worden, dass der Fötus keine Person im moralisch relevanten Sinn sei. 571 Wellman bemerkt, man könnte fortfahren und argumentieren, dass daher das angebliche Recht des Fötus unwirklich sei. Andere, er mit einbegriffen, benutzten eine analoge Argumentation, um zu zeigen, dass die angeblichen Rechte des menschlichen Fötus und von Tieren unwirklich seien. (2) Falsche oder inakzeptable Implikationen - Zweitens könne man argumentieren, dass ein angebliches Recht unwirklich sei, weil seine Implikationen falsch oder inakzeptabel seien. Demgemäß sei argumentiert worden, dass zumindest in den meisten Fällen der Fötus kein moralisches Recht habe, vom Körper der schwangeren Frau Gebrauch zu machen, weil dies implizieren würde, dass im Fall einer Schwangerschaft, die aus einer Vergewaltigung resultierte, die schwangere Frau ihm dieses Recht gegeben haben würde. 572 Außerdem würde dies in analoger Weise implizieren, dass wenn ein Einbrecher in jemandes Wohnung eindringe, obwohl dieser alle Vorsichtsmaßnahmen dagegen getroffen habe, der Einbrecher ein moralisches Recht, sogar gegen den Willen des Besitzers, zu bleiben erworben habe. 573 (3) Ermangelung einer Grundlage - Drittens könne man argumentieren, dass ein bestimmtes Recht unwirklich sei, weil es keine Grundlage habe, entweder weil die angebliche Grundlage nicht existiere oder weil diese bestimmte Grundlage nicht anwendbar sei. 574
benen Fall nicht konfligierten, oder dass beide Rechte wirklich seien und wirklich konfligierten. Die hier vorgenommene Darstellung beschränkt sich auf die Wiedergabe seiner Erörterungen aus dem Abschnitt „Unreal Rights", in dem er die erste der genannten möglichen Schlussfolgerungen erörtert. 569 Vgl. Wellman (1995), S. 242. 570 Vgl. Wellman (1995), S. 242, und auch 212 f. Wellman erörtert hier den Fall „Roe v. Wade". (Siehe dazu in der Literaturliste zu dieser Arbeit die Literaturangabe: Supreme Court Cases) 571 Vgl. Wellman (1995), S. 242 und auch 217 ff. 572 Vgl. Wellman (1995), S. 242, und auch 219 f. (Wellman erwähnt hier ein Argument von J. J. Thomson aus Thomson (1986), S. 10-12.) 573
Vgl. Wellman (1995), S. 242 f., und auch 219 f.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
279
(4) Ausschließen des speziellen Falles - Viertens könne man argumentieren, dass ein spezifisches Recht unwirklich sei, weil das allgemeinere Recht, von dem es angeblich abgeleitet sei, obwohl wirklich, so eingeschränkt sei, dass es den speziellen Fall ausschließe.575 So werde z.B. in Bezug auf das angebliche moralische Recht des Fötus, nicht durch Abtreibung getötet zu werden, argumentiert, es sei unwirklich, weil sein Recht auf Leben, auf dem das spezifische Recht angeblich gegründet sei, nicht einfach das Recht nicht getötet zu werden sei, sondern nicht zu Unrecht (unjustly) getötet zu werden. 576 (5) Aufhebung des Grundes - Fünftens könne man argumentieren, dass ein konkretes Recht unwirklich sei, weil das abstraktere Recht, auf dem dieses gründe, durch ein konfligierendes abstraktes Recht oder mehrere überwogen werde. 577 Wellman bemerkt, dass es höchstwahrscheinlich auch andere Argumentationsformen gebe, womit man zeigen könne, dass ein angebliches Recht unwirklich sei. f) Zur Behauptung moralischer Rechte Die Frage der Existenz moralischer Rechte spricht Wellman auch in seiner Erörterung der zahlreichen Vermehrung von Rechten in seinem Buch „The Proliferation of Rights" an verschiedenen Stellen an. 5 7 8 Im Folgenden werden ei574 Vgl. Wellman (1995), S. 243. Wellman führt ein Beispiel eines legalen Rechts an. Die Erben einer Person X behaupteten, sie hätten das legale Recht, den Besitz dieser Person, der sich im Staat Iowa befand, zu erben, so wie sie es (sc. das Recht) nach dem Recht von Illinois gehabt hätten, dem Staat, in dem die verstorbene Person gewohnt habe. In diesem Fall habe ein Gericht in Iowa nach dem Recht von Iowa entschieden und ihnen das Recht auf Beerbung abgesprochen. Das Gericht habe argumentiert, dass die Erben der Person X tatsächlich überhaupt kein Recht, ihr Eigentum in Iowa zu erben, gehabt hätten, weil die legale Grundlage, auf die sie sich in ihrem Fall (case) gestützt hätten, auf den Besitz, der außerhalb des Staates von Illinois gewesen sei, nicht anwendbar gewesen sei. Vgl. dazu auch ebd., S. 204 ff. 57 5 Wellman zitiert in diesem Zusammenhang Feinberg (1973), S. 69, 72. 576 Vgl. Wellman (1995), S. 243 und auch 219 f. (Dieses Argument stammt von J. J. Thomson. Vgl. Thomson (1986), S. 10.) 57 7 Wellman zitiert in diesem Zusammenhang Dworkins Unterscheidung abstrakter und konkreter Rechte. Vgl. Wellman (1995), S. 243 f., bzw. Dworkin (1977), S. 93. Wellman zieht hier als Beispiel einen Fall (Marsh v. Alabama) heran, der so verstanden werden könnte, als würde in ihm von der oben beschriebenen Art gerichtlicher Argumentation Gebrauch gemacht; und zwar insofern, als in ihm die Grundrechte von Besitzern von Eigentum gegen die Grundrechte der Menschen auf Presse- und Religionsfreiheit abgewogen würden. Vgl. Wellman (1995), S. 244. Da geurteilt worden sei, dass letztere in diesem Fall die ersteren aufwögen, sei das angebliche konkrete Recht einer Firma, die die gesamte Stadt Chickasaw besessen habe, die Verteilung religiöser Literatur auf ihrem Eigentum zu verhindern, als unwirklich erachtet worden. Vgl. dazu auch Wellman (1995), S. 208 ff.
280
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
nige seiner Ausführungen wiedergegeben, in denen er in verschiedenen Zusammenhängen auf die Existenz moralischer Rechte zu sprechen kommt. Die Rolle moralischer Rechte für Entwicklungen im Bereich des Rechts Wellman erörtert unter anderem die Frage, welche Rolle die Behauptung moralischer Rechte für Entwicklungen im Bereich des Rechts gespielt hat. Im Kapitel „New Civil Rights" erörtert Wellman drei neue Bürgerrechte (civil rights), die durch Entscheidungen des obersten Gerichtshofs (Supreme Court) anerkannt worden und dem Recht (law) der U.S.A. hinzugefügt worden sind: 579 das Recht, dass einem nicht aufgrund eines Gesetzes, das rassisch getrennte Erziehung verlange oder erlaube, die Zulassung zu einer öffentlichen Schule verweigert werde, das Recht auf Ehe zwischen Partnern verschiedener Rasse und das Recht auf bevorzugte Behandlung von Minderheiten. 580 Unter den vorläufigen Schlüssen, die Wellman anschließend an seine Erörterung dieser neuen Bürgerrechte zu ziehen versucht, findet man z.B. folgende: Angebliche moralische Rechte, im Besonderen Menschenrechte hätten eine wesentliche Rolle in dieser rechtlichen Entwicklung gespielt.581 Erstens hätten die moralischen Überzeugungen viele von jenen, die an diese Rechte glaubten, motiviert, sich der Bürgerrechtsbewegung anzuschließen und jene zu unterstützen, die an die Gerichte appelliert hätten, das zu verteidigen, was sie als ihr moralisches Recht betrachteten. Zweitens seien diese angeblichen moralischen Rechte als Gründe für die Annahme oder Widerlegung gerichtlicher Argumentation, zur Rechtfertigung der Erschaffung neuer Bürgerrechte vorgebracht worden. Wellman bemerkt in Bezug auf die von ihm untersuchten Fälle von Bürgerrechten, dass sie die rechtliche Relevanz moralischer Rechte, insbesondere grundlegender Menschenrechte zeigen. Ferner bemerkt er, dass sowohl die moralischen Diskussionen in der politischen Arena als auch die Argumente, die von den Gerichten gehört worden seien, oft die Existenz grundlegender moralischer Rechte voraussetzten.582 578 Viele der im Folgenden wiedergegebenen Ausführungen Wellmans ließen sich auch im folgenden Kapitel B., IL, 5., g), hh) »Moralische Rechte als Gründe für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte" erwähnen. Hier wird der Versuch unternommen, die Aspekte „Existenz moralischer Rechte" und „ Z u s a m m e n h a n g von Recht, Moral und Moralität" in der Wiedergabe von Wellmans Ausführungen aus „The Proliferation of Rights", sofern es möglich ist, voneinander zu trennen und in zwei verschiedenen Kapiteln wiederzugeben. 579 Vgl. Wellman (1999a), S. 67. 580 Vgl. Wellman (1999a), S. 43 ff. bzw. 52 ff., 57 ff. (Die erörterten Fälle, die durch den obersten Gerichtshof der U.S.A. enschieden worden sind, sind: „Brown v. Board of Education of Topeka", „Loving v. Virginia" und „Bakke". Vgl. dazu in der Literaturliste: Supreme Court Cases). Beim dritten Recht handelt es sich um das Recht von Colleges und Universitäten, in ihren Zulassungsprogrammen in der Weise auf die Rasse zu achten, dass Antragsteller einer Minderheit bevorzugt behandelt würden. 581 Vgl. Wellman (1999a), S. 67. 582 Vgl. Wellman (1999a), S. 68. In den Fällen, die er untersucht habe, seien zu diesen grundlegenden moralischen Rechten die Menschenrechte auf Bildung (education), eine Ehe zu schließen und eine Familie zu gründen und die grundlegenden mo-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Die Frage, ob die Einführung neuer Bürgerrechte ein Rechtssystem gerechter macht - Wellman erörtert auch andere Fragen, die sich in Bezug auf die Einführung neuer Bürgerrechte stellen lassen und in denen er auf die Existenz moralischer Rechte zu sprechen kommt. Er stellt z.B. die Frage, ob die Einführung der vorhin genannten neuen Bürgerrechte das Rechtssystem des Staates, in dem er lebt, und damit auch seine Gesellschaft vielleicht gerechter gemacht haben könnte.583 Dies hänge zum Teil davon ab, ob das Hervorbringen und Aufrechterhalten eines legalen Rechts immer oder für gewöhnlich die beste Art sei, das analoge oder damit zusammenhängende moralische Recht zu schützen oder zur Geltung zu bringen. 584 Dies werde nicht der Fall sein, wenn das neue Bürgerrecht entweder ineffektiv oder kontraproduktiv sei. 585 Ob die Hervorbringung raiischen Rechte auf Rechtsschutz (remedy), auf Chancengleichheit und auf gleiche Wichtigkeit (equal concern) und gleiche Achtung zu rechnen. Auf eine Darstellung von Wellmans Argumentation in Bezug auf diese und weitere Rechte muss hier verzichtet werden. 583 Vgl. Wellman (1999 a), S. 69. Neben dieser Frage erörtert Wellman auch zwei andere: Erstens, ob die jüngste Hervorbringung dieser drei neuen Bürgerrechte das Rechtssystem der USA verbessert hätten, und zweitens, ob die Einführung dieser neuen Bürgerrechte so aufgefasst werden könne, dass sie zur Lösung dringender sozialer Probleme geholfen habe. Vgl. ebd., S. 68 f. 584 Vgl. Wellman (1999a), S. 69. Wellman bemerkt an anderer Stelle, dass eine angebliche Leistung (merit) mancher legaler Rechte darin bestehe, dass sie grundlegendere moralische Rechte schützten. Vgl. ebd., S. 171. Moralische Reformer träten oft für die Hinzufügung eines Rechts zu einem Rechtssystem auf der Grundlage ein, dass dies notwendig sei, um ein analoges moralisches Recht zu erzwingen. Dieses Argument setze voraus, dass das angebliche moralische Recht wirklich sei, dass es wirklich Schutz erfordere, weil es gefährdet sei und dass das befürwortete legale Recht es effektiv schützen werde. 585 Wellman führt hierzu verschiedene behauptete Argumente an: z.B. dass nur durch die Erziehung daheim, in der Schule oder in der Kirche und nicht durch das Recht (law) die Ungerechtigkeit beseitigt werden könne, die aus rassischer Diskriminierung in einer Gesellschaft resultiere. Vgl. Wellman (1999a), S. 69. Oder dass die wohlhabenden Weißen aus den Gegenden fliehen würden, in denen Schulen auch für Schwarze zugänglich gemacht worden seien, womit die rassische Trennung in den öffentlichen Schulen eher zu- als abnähme. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman die Frage, ob ein moralisches durch ein legales Recht geschützt werden sollte, auch in Bezug auf andere moralische Rechte erörtert. Im Kapitel über neue medizinische Rechte bemerkt Wellman in Bezug auf das moralische Recht auf aktive Sterbehilfe (physician assisted suicide): Nehme man an, dass ein solches moralisches Recht existiere, dann folge nicht notwendig, dass dieses moralische Recht durch ein ähnliches legales Recht geschützt werden sollte. Vgl. Wellman (1999a), S. 153. Es gebe starke moralische Gründe, die Existenz eines solchen Rechts abzulehnen. Dieses Recht eines Patienten könne ohne weiteres sowohl durch die Verpflichtungen des Staates, das grundlegendere Menschenrecht auf Leben zu schützen, als auch durch das öffentliche Interesse, die Integrität des Arztberufes zu wahren, aufgehoben werden. Vgl. ebd., S. 153 f. Obwohl es wahr sein könne, dass es einem Arzt in manchen seltenen Fällen moralisch erlaubt sei, mit einem Patienten zu kooperieren, der sein Leben zu beenden wünsche, würde in den meisten Fällen die Einführung eines Rechts auf aktive Sterbehilfe zu moralisch zuwiderlaufenden Konsequenzen führen.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
dieser drei neuen Bürgerrechte das Rechtssystem der U.S.A. gerechter gemacht habe, werde auch davon abhängen, ob die angeblichen, auf dem Spiel stehenden moralischen Rechte wirklich (real) seien.586 Wellman weist auf zwei philosophische Probleme hin, die aus jeder Berufung auf grundlegende moralische Rechte zur Rechtfertigung der Einführung eines neuen Bürgerrechts rühren. Erstens, wie könnte man wissen, ob das vorausgesetzte Recht wirklich existiere? Die Existenz des erklärten Wohlfahrts-Menschenrechts (human welfare right) auf Bildung oder des angeblichen moralischen Rechts auf gleiche Wichtigkeit (equal concern) und Achtung blieben umstritten. Zweitens scheine es keine rationale Methode zu geben, mit der man moralische Meinungsverschiedenheiten lösen könnte. Die Existenz moralischer Rechte und der Grund ihrer zahlreichen rung - Eine relevante Bemerkung zur angesprochenen Frage in Bezug auf die Existenz moralischer Rechte findet man z.B. in Wellmans abschließender Erörterung und Beurteilung der zahlreichen Vermehrung legaler und angeblicher moralischer Rechte, die er im letzten Kapitel „An AppraisaT vornimmt. Dort bemerkt er: Während ein legales Recht durch angemessene rechtliche Änderungen in einem Rechtssystem hervorgebracht werde, könnten moralische Rechte weder dadurch hervorgebracht werden, dass man auf sie Anspruch erhebe, noch dadurch, dass ein solches Ansprucherheben weitverbreitet akzeptiert werde. 587 Die Existenz eines moralischen Rechts sei sowohl von unseren moralischen Überzeugungen als auch vom moralischen Kodex einer Gesellschaft unabhängig. Die Existenz eines moralischen Rechts hänge davon ab, ob es moralische Gründe gebe, die hinreichend seien, seine Behauptung zu rechtfertigen. Da Moralphilosophen und gewissenhafte Laien sich uneins seien, welche Arten von Gründen erforderlich seien, um moralische Rechte zu begründen, bleibe die Existenz eines behaupteten moralischen Rechts ungewiss. Tatsächlich sei unser Unvermögen zu beweisen, dass ein behauptetes moralisches Recht illusorisch sei, eine der Hauptquellen für die zahlreiche Vermehrung (proliferation) von Rechten.
Vermeh-
Die Intention in der Behauptung eines neuen moralischen Rechts - In seiner Erörterung einzelner Aspekte der zahlreichen Vermehrung angeblicher moralischer Rechte bemerkt Wellman unter anderem Folgendes in Bezug auf die Behauptung dieser Rechte.588 Diejenigen, die ein neues moralisches Recht behaup586 Vgl Wellman (1999a), S. 69. In Bezug auf die theoretischen Schwierigkeiten, die mit dem vorhin erwähnten Recht auf bevorzugte Zulassung verbunden sind, bemerkt Wellman auf S. 93: Was fehle, um diese Debatte zu entscheiden, sei eine Theorie über die Grundlagen von Rechten, die adäquat sei, um zwischen bloß angeblichen moralischen Rechten und wirklichen (real) Rechten zu unterscheiden. 587 Vgl. Wellman (1999a), S. 172. 588 Wellman betrachtet die zahlreiche Vermehrung behaupteter moralischer Rechte unter folgenden Aspekten: moralische Einsicht, moralische Reform und egalitäre Ge-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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teten, täten dies gewöhnlich mit der Intention, ein früher nicht erkanntes moralisches Unrecht (wrong) wiedergutzumachen.589 Z.B. sei das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit von der Bewegung für Frauenrechte aus Protest gegen die übliche, aber ungerechte Praxis, Arbeitnehmerinnen für gleiche Arbeit weniger als Arbeitnehmern zu zahlen, behauptet worden. Ferner bemerkt er, dass die Behauptung eines früher nicht anerkannten moralischen Rechts sehr oft nicht nur eine Änderung im persönlichen Verhalten oder einer sozialen Institution zu fordern, sondern, sofern das angebliche Recht ein wirkliches (real) Recht sei, diese Forderung zu rechtfertigen bedeute.590 Zur Beurteilung der Behauptung eines neuen moralischen Rechts - Einige Bemerkungen, die die Behauptung neuer moralischer Rechte und ihre Existenz betreffen, findet man auch in den Schlussfolgerungen im Kapitel über die Entwicklung von Menschenrechten. Wellman bemerkt dort, dass die zahlreiche Vermehrung von Menschenrechten seit der Gründung der Vereinten Nationen zwei sehr unterschiedliche Formen angenommen habe. 591 Es habe eine Reihe von Versuchen gegeben, neue Menschenrechte ins internationale Recht einzuführen. Wo sie erfolgreich gewesen seien, seien neue Menschenrechte tatsächlich erschaffen worden. Es habe auch zahlreiche Behauptungen neuer Menrechtigkeit. Im Folgenden werden bestimmte Ausführungen Wellmans wiedergegeben, die die Behauptung und Existenz moralischer Rechte betreffen. 589 Vgl. Wellman (1999a), S. 172. Wellman weist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf hin, dass die jüngste zahlreiche Vermehrung angeblicher moralischer Rechte in seiner Gesellschaft größtenteils wertvoll gewesen sei, weil sie das Gewissen des Einzelnen bereichert und eine öffentliche Meinung hervorgebracht habe, die in wichtigen moralischen Angelegenheiten sensibler sei. Vgl. ebd., S. 173. 590 Vgl. Wellman (1999a), S. 173. Wellman bemerkt, dass es Grund gebe in Bezug auf moralische Behauptungen skeptisch zu sein, die auf angeblichen moralischen Rechten begründet seien. Nicht alle moralischen Forderungen seien gerechtfertigt und manche von ihnen, die gerechtfertigt seien, seien nicht durch die angeblichen moralischen Rechte gerechtfertigt. Wellman illustriert dies an zwei konkreten Beispielen: Die Forderungen der Serben und Kroaten auf Territorium, das zu Bosnien gehörte, seien überhaupt nicht gerechtfertigt gewesen, nicht einmal durch das angebliche Recht eines Volkes auf Selbstbestimmung. Ferner sei das, was die moralische Forderung nach Gesetzen rechtfertige, die Grausamkeit gegenüber Tieren verböten, nicht das jüngst behauptete Tierrecht, nicht gequält zu werden, sondern einfach die Tatsache, dass die unmenschliche Behandlung von Tieren, ihnen unnötiges Leid zufüge. Die Behauptung eines moralischen Rechts sei nur der erste Schritt in einer vollständigen Rechtfertigung für die Forderung einer Änderung im persönlichen Verhalten oder einer sozialen Institution. Man müsse weitergehen und die moralischen Gründe suchen, die dieses angebliche Recht begründeten. Nur wenn man solche Gründefinde und sie als hinreichend erachte, um das behauptete Recht zu rechtfertigen, könne man überzeugt sein, dass die moralische Forderung wirklich gerechtfertigt worden sei. Vgl. ebd., S. 173 f. Wellman bemerkt schließlich, dass die moralischen Fortschritte, die durch diese Art moralischer Argumentation wirklich gerechtfertigt seien, einen Wert hätten, der, wie ihm scheine, jeden zufälligen Schaden überwiege, der aus falschen Versuchen, moralische Forderungen auf der Grundlage angeblicher Rechte zu rechtfertigen, resultiert sein könnte. 59
Vgl. Wellman ( 1 9 9 ) , S. 7.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
schenrechte von moralischen Reformern und Moralphilosophen gegeben. Der Erfolg im Überzeugen anderer, so einer Behauptung zuzustimmen, trage nichts dazu bei, dass ein neues moralisches Recht zur Existenz gelange, weil sich genuine moralische Rechte, sofern sie existierten, von konventionellen Rechten, die durch den moralischen Kodex einer Gesellschaft hervorgebracht würden, unterschieden.592 Ein moralisches Recht sei nur dann wirklich, wenn moralische Gründe existierten, die hinreichend seien, um seine Behauptung zu rechtfertigen. Demnach habe es sowohl eine zahlreiche Vermehrung legaler Menschenrechte als auch eine zahlreiche Vermehrung von Behauptungen moralischer Menschenrechte gegeben. Wellman bemerkt anschließend, dass sehr verschiedene Überlegungen für diese zwei Stränge der zahlreichen Vermehrung von Rechten relevant seien. Jeder Versuch, ein neues legales Recht einzuführen, sollte auf der Basis von pragmatischen und institutionellen Gründen evaluiert werden. Die Einführung eines neuen legalen Rechts sei nur insofern klug, als das Hervorbringen eines zusätzlichen Menschenrechts eine nützliche Methode sei, um die Frage der menschlichen Freiheit2 und des menschlichen Wohlergehens auf bedeutende Art zu verbessern. Jede Behauptung eines neuen moralischen Rechts sollte eher in Form von Theorie als in Form von Nutzen beurteilt werden. Zu den Fragen, die man dabei zu berücksichtigen hat, zählt Wellman folgende: Ob das neulich behauptete Menschenrecht ein Recht in der Bedeutung sei, die durch die angemessenste Theorie über die Beschaffenheit von Rechten definiert werde, und ob der angebliche Besitzer des Rechts ein möglicher moralischer Rechtsinhaber sei. Diese Überlegungen seien, wie sich gezeigt habe, sehr kompliziert. In diesem Kapitel wurden einige relevante Ausführungen Wellmans in Bezug auf Existenz und Behauptung moralischer Rechte sowie ihre Rolle in der Entwicklung des Rechts aus bestimmten Kapiteln des eingangs genannten Werkes herausgegriffen und in sehr knapper Form wiedergegeben. Eine genauere Wiedergabe der darin enthaltenen Themen und Argumentationen kann als Aufgabe einer weiteren Arbeit betrachtet werden, die sich entweder mit bestimmten dieser Themen oder mit dem allgemeinen Thema dieses Buches befasst. g) Zum Zusammenhang von Recht, Moral und Moralität Im vorigen Abschnitt wurde die Rolle angesprochen, die die Annahme oder Behauptung moralischer Rechte für Entwicklungen im Bereich des Rechts (law) spielen kann. Damit ist ein weiteres komplexes und spezielles Thema angesprochen, das zur Erörterung der Existenz moralischer Rechte gehört: Der Zusammenhang zwischen Recht, Moral und Moralität. Dieser Zusammenhang kann sowohl für die Auffassung als auch für die Wirklichkeit moralischer Rechte als 5
V g l . Wellman ( 1 9 9 ) , S.
.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
285
relevant betrachtet werden. Für die Auffassung moralischer Rechte ist dieser Zusammenhang insofern relevant, als Wellman aufgrund bestehender Analogien zwischen diesen Normenmengen und ihrer Anwendung auf Handlung das Modell moralischer Rechte nach der Vorlage des Modells legaler Rechte entwickelt. Für die Auffassung moralischer Rechte ist ferner auch die Rolle relevant, die sie in Bezug auf Rechte der Moralität und legale Rechte spielen können und umgekehrt. Die Wirklichkeit moralischer Rechte zeigt sich unter anderem in ihrer Bedeutung und Relevanz für Rechte der Moralität und legale Rechte sowie die rechtliche Argumentation im Allgemeinen. Die im Folgenden erwähnten Zusammenhänge beruhen zu einem Teil auf den Gemeinsamkeiten der Normenmengen Moral, Moralität und Recht und reichen bis zu den durch sie definierten normativen Positionen und Rechten. Eine vollständige Wiedergabe aller relevanten Erörterungen in Wellmans Theorie zu diesem sehr umfang- und facettenreichen Thema würde einen zu großen Raum in dieser Arbeit einnehmen. Daher beschränkt sich die folgende Wiedergabe auf einige wesentliche Zusammenhänge. Die folgende Wiedergabe gliedert sich zur besseren Übersicht thematisch in acht Abschnitte. Im ersten Abschnitt wird die allgemeine Definition eines Rechts erwähnt, die allen Arten von Rechten zugrunde liegt. Sie bildet das zentrale Element in Wellmans Theorie. Im zweiten Abschnitt werden Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Normenmengen Recht, Moralität und Moral erwähnt, auf die sich Wellman in seiner Theorie über Rechte bezieht. Im dritten Abschnitt wird darauf hingewiesen, dass Wellman Ähnlichkeiten in den Begründungsarten moralischer und legaler Rechte sieht. Im vierten werden Parallelen in den Qualifikationen angesprochen, die Wellman zwischen moralischen und legalen Rechtsinhabern sieht. Der fünfte Abschnitt kommt auf Zusammenhänge zwischen legalen und moralischen Rechten und auch auf das Verhältnis zwischen diesen Rechten und den mit ihnen korrelierenden Pflichten zu sprechen; im sechsten Abschnitt werden Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten in möglichen Rechtskonflikten, im siebten das Thema moralischer Konsens und Recht angesprochen. Der achte Abschnitt befasst sich schließlich mit moralischen Rechten als Gründen für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte. aa) Die Definition eines Rechts Einen wesentlichen und zentralen Zusammenhang zwischen Recht, Moralität, Moral und anderen Normenmengen kann man hinsichtlich Wellmans Auffassung von Rechten darin sehen, dass er auf der Basis der Definition eines legalen Rechts eine allgemeine Definition eines Rechts formuliert, unter die alle verschiedenen Arten von Rechten fallen. Dabei setzt er voraus, dass bestimmte Analogien zwischen den einzelnen Arten von Rechten bestehen.593 Wellman be-
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
merkt, dass er legale Rechte als Paradigma aller anderen Arten von Rechten betrachtet und dass er sein Modell eines legalen Rechts auf alle anderen Arten institutioneller Rechte und selbst auf moralische Rechte, inklusive Menschenrechte anwendet.594 Dazu habe er nichtlegale Analoga von Hohfelds grundlegenden legalen Begriffen festgestellt, hauptsächlich moralische Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten. Seine allgemeine Auffassung eines Rechts lautet: Ein Recht sei ein System Hohfeldscher Positionen, das, sofern es respektiert werde, einer Partei Herrschaft gegenüber einer zweiten Partei in einer potentiellen Konfrontation über einen bestimmten Bereich übertrage und die (sc. Hohfeldsche Positionen) in der Norm oder den Normen der entsprechenden Art impliziert seien, die dieses System bildeten. Im Folgenden sollen zunächst Wellmans Ausführungen zu einigen wesentlichen Ähnlichkeiten und Zusammenhängen zwischen den Normenmengen Recht, Moralität und Moral kurz wiedergegeben werden, von denen manche bereits erwähnt wurden. bb) Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Normenmengen Recht, Moralität und Moral (1) Recht und Moralität - In Bezug auf die Ähnlichkeiten von Recht und Moralität bemerkt Wellman unter anderem, dass eine Moralität insofern positiv sei, als sie durch menschliche Handlung postuliert (posited) - festgesetzt oder eingeführt (instituted) - sei. 595 In dieser Hinsicht sei jede Moralität dem positiven Recht analog. Sie sei aber nicht in derselben Weise postuliert. Moralität sei nicht durch Gesetzgebung erlassen oder durch den gerichtlichen Präzedenzfall festgesetzt. Moralität sei wie das Recht durch komplexe soziale Praxen definiert und bestehe aus diesen. In diesem Sinn seien beide positiv. Was die Grundlagen legaler und anderer institutioneller Rechte angeht, bemerkt Wellman: Gesetze (laws) bestimmten die Grundlagen legaler Rechte.596 Regeln und Regelungen einer Organisation bestimmten die Grundlagen anderer Arten organisatorischer Rechte. Praxen der Moralität bestimmten die Grundlagen von Rechten der Moralität. Daraufhin stellt Wellman die Frage, wie ähnlich diese drei Arten von normativen Grundlagen seien. Recht und Moralität seien nicht wie Tag und Nacht verschieden. Das Recht sei unter anderem durch Ge593 Ein Recht lässt sich im Rahmen von Wellmans Theorie ganz allgemein als die Form begreifen, in der eine Norm auf einen Willenskonflikt Anwendung findet, um dessen Lösung bzw. Vermeidung zu ermöglichen. Insofern betrifft die genannte Analogie die Art und Weise, in der die oben genannten verschiedenen Arten von Normen auf Willenskonflikte Anwendung finden, um deren Lösung bzw. Vermeidung zu ermöglichen. 594 Vgl. Wellman (1995), S. 9. 595 Vgl. Wellman (1995), S. 32. 5
Vgl. Wellman (1995), S.
.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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setzgebung undrichterliche Entscheidung geschaffen und lege wirkliche Pflichten auf oder übertrage genuine Rechte nur insofern, als es in der Praxis angewendet werde. Ein Rechtssystem sei nicht nur ein veröffentlichter Kodex, der vielleicht durch veröffentliche Meinungen der Gerichte erweitert sei. Es sei ein funktionierendes System von Institutionen, die Gesetzgebung, Gerichte und Behörden einschlössen. Das Recht sei eine auf Text gründende (text-centered) Praxis. 597 Feststellbare Texte - möglicherweise eine geschriebene Verfassung, bestimmte Gesetze und vielleicht veröffentlichte Meinungen der Gerichte - seien legal autoritative Quellen des Rechts (law), legal gültige Grundlagen für jede Anwendung des Rechts in der Praxis. Die Moralität unterscheide sich nicht vom Recht, weil sie eine Praxis sei, während das Recht keine sei, noch unterscheide sie sich vom Recht, weil sie eine nichtsprachliche Praxis sei. Die Standards der Moralität für das Verhalten und den Charakter müssten sprachlich formuliert werden, um den Mitgliedern der Gesellschaft eingeschärft zu werden. Es spiele keine Rolle, dass sie ungeschrieben seien, weil es auch ungeschriebene Gesetze gebe. Der relevante Unterschied sei, dass Moralität keine auf Text gründende Praxis sei, weil es keine autoritativen Formulierungen der Standards gebe, die sie verkörpere. Folglich gebe es einen viel höheren Grad an Ungenauigkeit in der Moralität und nichts, was der Argumentation, durch die gerichtliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könnten, wirklich ähnlich wäre. 598 Die Ähnlichkeit zwischen diesen unterschiedlichen Arten normativer Gründe spiegle sich in der Tatsache wider, dass alle Arten institutioneller Rechte prinzipiell auf zwei Arten begründet werden könnten: entweder unterschiedslos auf einer einzelnen Norm, die in einer komplexen Praxis enthalten sei, oder einzeln auf einer Menge von Normen, von denen jede in einer unabhängigen Praxis enthalten sei, vorausgesetzt die Gesamtmenge der Praxen tendiere Herrschaft über eine Kernposition der Moralität zu übertragen. Ihre Unterschiede spiegelten sich in der Tatsache wider, dass während ein legales Recht auf einem vorangegangenen Recht gründen könnte, ein Moralitätsrecht niemals auf diese Weise begründet werden könne. 599 In geringerem Maße könne etwas in Bezug 597
Vgl. Wellman (1995), S. 36. Wellmans Bemerkungen zu den Regeln und Regelungen von Organisationen werden hier ausgelassen. 599 Vielleicht ist es für das Verständnis dieser Bemerkung sinnvoll, auf den gerade erwähnten relevanten Unterschied hinzuweisen, den Wellman zwischen Moralität und Recht sieht. Dieser besteht darin, dass Moralität keine auf Text gründende Praxis ist, weil es keine autoritative Formulierungen der Statdards gibt, die sie verkörpert. Vgl. Wellman (1995), S. 36. Demzufolge gebe es einen viel größeren Grad an Ungenauigkeit in der Moralität und nichts, was der Argumentation, durch die gerichtliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könnten, wirklich ähnlich wäre. - Ergänzend seien hier noch folgende Bemerkungen Wellmans zur Begründung moralischer Rechte angeführt. Wellman stellt die Frage, wie ein Recht durch Moralität begründet werden könne. Vgl. Wellman (1995), S. 33. Er bemerkt, dass die Moralität einer Gesellschaft 598
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
auf die faktischen Gründe institutioneller Rechte ausgesagt werden. 600 Der Rechtsanspruch (title) auf ein legales Recht sei charakteristischerweise in einer verleihenden (investitive) Regel oder mehreren spezifiziert. Welche Regeln oder Fragmente von Regeln verleihend seien, müsse letztlich in Bezug auf die Art herausgefunden werden, in der sie in der legalen Praxis angewendet würden. Standards der Moralität variierten stärker und seien unpräziser als die legalen Regeln und Prinzipien. Daher schaue man auf die wirklichen (actual) Bedingungen, unter denen eine Praxis der Moralität einen definierenden Kern übertrage, um die faktischen Grundlagen eines Moralitätsrechts zu entdecken. (2) Moralität und Moral - Das Verhältnis zwischen Moralität und Moral wurde schon in der Erörterung moralischer Positionen mehrfach angesprochen. 601 Der Unterschied zwischen Moralität und Moral besteht nach Wellman darin, dass moralische Gründe die Menge eher natürlicher als künstlicher Normen für das menschliche Verhalten und den menschlichen Charakter bilden. 602 Wellman formuliert die Hypothese, dass unser Begriff der Moral (morals) von unserer sozialen Moralität abgeleitet worden sei und dass er an sie durch den Anspruch auf Rationalität, der in unserem moralischen Kodex enthalten sei, gebunden bleibe. 603 Genauer, unser Verständnis unserer sozialen Moralität setze die Existenz jener Doppel-Aspekt- und wesentlich sozialen praktischen Gründe voraus, die ihre sozialen Praxen von Handlung und Reaktion rechtfertigen eine komplexe Praxis enthalten könne, die ein System Hohfeldscher Positionen einführe (institutes), das, sofern es respektiert werde, einer feststellbaren Partei Herrschaft über einen definierenden Kern übertrage, oder als andere Möglichkeit, die Moralität könne eine Anzahl unabhängiger Praxen enthalten, die eine Anzahl Hohfeldscher Positionen einführten, welche in derselben Weise in Zusammenhang stünden. Das, was bestimme, ob eine einzelne komplexe Praxis oder eine Anzahl unabhängiger Praxen existiere, sei die Art, in der die Mitglieder ihre Praxis oder ihre Praxen verstünden, d.h. ob sie sich ihre verschiedenen Handlungen und Reaktionen als untereinander zusammenhängend und durch einen Standard für das Verhalten und den Charakter gerechtfertigt oder nicht in dieser Weise vereinigt vorstellten. Wellman bemerkt dann im Folgenden, dass es aber durchaus sein kann, dass manche Moralitäten der Verschiedenheit an Praxen oder der spezifischen Art von Kohärenz innerhalb der Praxen ermangeln, die erforderlich sind, um ein Recht zu begründen. Vgl. ebd., S. 34. Dennoch begründeten viele und vielleicht die meisten Moralitäten Rechte auf eine der zwei beschriebenen Arten. - Ferner sei darauf hingewiesen, dass im Unterschied zu einem Moralitätsrecht, das nicht auf einem vorausgehenden Moralitätsrecht gründen kann, nicht nur ein legales Recht auf einem vorausgehenden legalen Recht, sondern auch ein moralisches Recht auf einem vorausgehenden moralischen Recht gründen kann. Wellman erörtert in einem eigenen Abschnitt über abgeleitete (derivative) Rechte, wie ein moralisches Recht auf einem vorausgehenden moralischen Recht gründen kann, wenn der Kern des ersteren unter dem Kern des letzteren subsumiert werden kann. Vgl. ebd., S. 97, bzw. hier das Kapitel B., II., 5., b) und die entsprechende Fußnote. 600 601 602 3
Vgl. Wellman (1995), S. 36. Vgl. die Kapitel B., II., 1., a) und auch die folgenden Kapitel. Vgl. Wellman (1995), S. 39. Vgl. Wellman (1995), S. 41.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
289
könnten. Demnach bilde die Moral ein nichtinstitutionelles Analogon einer Moralität. 604 Wellman weist in einem eigenen Abschnitt darauf hin, dass soziale Moralität moralische Gründe voraussetze.605 Es sei vernünftig den moralischen Kodex der eigenen Gesellschaft ernst zu nehmen, aber nicht ohne unkritisch zu sein. Die Ablehnung der Moralität der eigenen Gesellschaft kann, wie Wellman ausführt, daher rühren, dass viele ihrer Forderungen unverständlich rigid, andere gänzlich unbegründet und manche sogar unmoralisch erscheinen. Obwohl auf abweichendes Verhalten charatkeristischerweise mit verschiedenen Arten sozialen Drucks geantwortet werde, könne man nicht bedingungslos Konformität erwarten. Die Moralität sei zweifellos konventionell, jedoch nicht nur in der Weise, in der es Formen guter Manieren seien. Praxen der Moralität würden von jenen, die sie akzeptierten, so verstanden, dass sie implizit beanspruchten gute Gründe für die Standards für das Verhalten und den Charakter zu sein, die sie enthielten. Überdies seien diese vorausgesetzten Gründe spezifisch moralische Gründe, die durch ihre wirkliche Beschaffenheit für das persönliche Wohlergehen ebenso wie für die soziale Harmonie wichtig seien. Moralische Gründe lieferten die rationale Rechtfertigung für das Akzeptieren und Reformieren jeder traditionellen Praxis der Moralität der eigenen Gesellschaft und für das Einführen neuer Standards für das Verhalten und den Charakter in eine soziale Moralität. 606 Zum Verhältnis von Moralität und Moral bemerkt Wellman, wie wir gesehen haben,607 dass die Moralität der Moral psychologisch und sprachlich vorausgeht, dass aber die Moral der Moralität logisch vorausgeht.608 Der Begriff eines moralischen Grundes sei, was seine Entstehung betreffe, aus der Reflexion über die Formen der Argumentation abstrahiert, die in den sozialen Praxen enthalten seien, die jede Moralität ausmachten, welche wiederum aus vormoralischen Meinungen, Gefühlen, Motiven und vormoralischer Argumentation hervorgegangen sei. Logisch gehe die Moral der Moralität voraus, weil das, was soziale Moralität als moralisch definiere, der Appell an moralische Gründe sei, die ihre verschiedenen Elemente - Handlungen, Motive, emotionale Reaktionen, soziale Sanktionen - zu einer Moralität vereinigten. (3) Recht und Moral - In Bezug auf die Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede von Recht und Moral bemerkt Wellman unter anderem Folgendes. So wie das Recht aus der Menge von Gesetzen bestehe, die in einem Rechtssystem in Kraft seien, so bestehe die Moral aus der Menge moralischer Gründe, die auf eine Menge moralischer Handelnder anwendbar sei, obzwar sie von ihnen nicht notwendig akzeptiert sein müssten.609 So wie legale Rechte durch ein Gesetz 604
Vgl. Wellman (1995), S. 41 und 43. Vgl. Wellman (1995), S. 41. 606 Vgl. Wellman (1995), S. 44. 607 Vgl. das Kapitel B., II., 1., b), Abschnitt »Moralische Gründe und ihre Beschaffenheit" und die dortigen Fußnoten. 608 Vgl. Wellman (1995), S. 48. 605
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
oder mehrere begründet sein müssten, müssten auch moralische Rechte durch einen moralischen Grund oder mehrere begründet sein. Wellman weist darauf hin, dass sich die Grundlagen moralischer Positionen in auffallender Weise von den Grundlagen legaler Positionen unterschieden.610 Während jede legale Position sowohl faktische als auch legale Grundlagen haben müsse, sei diese Dualität zwischen faktischen und normativen Grundlagen bei moralischen Gründen nicht gegeben, weil sie sowohl faktisch als auch normativ seien. Z.B. sei die Tatsache, dass er (sc. Wellman) zugestimmt habe, ein Buch für eine Zeitschrift zu rezensieren, für ihn ein Grund dies zu tun und für andere zu reagieren, wenn er es unterlasse, sein Versprechen zu erfüllen. Dass eine Tatsache normativ sein, d.h. moralische Implikationen haben kann ohne eine moralische Regel oder ein moralisches Prinzip als zusätzliche Prämisse vorauszusetzen, die die faktische Prämisse mit der normativen Schlussfolgerung verbindet, erklärt Wellman durch den Hinweis, dass die grundlegendste moralische Argumentation nicht deduktiv ist, sodass faktische Gründe moralische Implikationen haben können und oft auch haben. Im Gegensatz dazu könnten Fakten an sich keine legalen Konsequenzen implizieren. Dies rühre nicht daher, dass jede legale Argumentation deduktiv sei, sondern daher, dass das Recht, im Unterschied zur Moral künstlich, d.h. positiv sei. Da das Recht positiv, d.h. durch den menschlichen Willen postuliert (posited) sei, seien auch alle legalen Konsequenzen durch menschliche Handlung geschaffen und würden durch sie modifiziert oder aufgehoben. Daher müsse das, was eine verleihende (investitive) oder entledigende (divestitive) Tatsache mit einer legalen Position, die sie impliziere, verbinde, eine Bestimmung des positiven Rechts sein. Aus diesem Grund müsse jede legale Position sowohl auf einem Gesetz oder mehreren als auch auf einer Tatsache oder mehreren gründen, die diese legale Grundlage auf den Inhaber der so begründeten legalen Position anwendbar machten. cc) Begründungsarten moralischer und legaler Rechte Wellman sieht eine Ähnlichkeit in Bezug auf die Begründungsarten moralischer und legaler Rechte. In den vorangegangenen Abschnitten über Recht und Moralität bzw. Recht und Moral wurden einige von Wellmans Ausführungen über die Grundlagen legaler und anderer institutioneller Rechte wiedergegeben. Seine zum Teil nach analogen Gesichtspunkten aufgebauten Ausführungen über die Begründungsarten eines moralischen Rechts wurden zuvor im gleichnamigen Kapitel wiedergegeben.611 Wellman bemerkt abschließend in seiner Erörterung der verschiedenen Arten, in denen moralische Rechte begründet werden 609 610 611
Vgl. Wellman (1995), S. 48. Vgl. Wellman (1995), S. 49. Vgl. das Kapitel B., IL, 5., b) mit dem Titel ,3egründungsarten".
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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können: Es stelle sich heraus, dass obwohl moralische und legale Normen sehr unterschiedlich seien, moralische und legale Rechte in sehr ähnlicher, aber nicht gleicher Weise begründet seien.612 dd) Qualifikationen des Rechtsinhabers Im Rahmen der Erörterung einiger Parallelen und Gemeinsamkeiten zwischen legalen und moralischen Rechten sind auch Wellmans Ausführungen über die Qualifikationen der Rechtsinhaber zu erwähnen. Diese Thematik wurde bereits in einem eigenen Kapitel erörtert. 613 Wellman ist, wie wir gesehen haben, in der Erörterung der Frage, welche Arten von Wesen moralische Rechte besitzen können, zu dem Schluss gekommen, dass normale Erwachsene, Kinder und geistig Beschränkte Rechte besitzen können.614 Er bemerkt, dass seine Ergebnisse über moralische Rechtsinhaber mutatis mutandis auch für legale Rechtsinhaber gelten können. Sie könnten in dieser Weise verallgemeinert werden, weil es die allgemeine Beschaffenheit eines Rechts und nicht seine spezifische Beschaffenheit als moralisches oder legales Recht sei, die Tätigkeit für sein Besitzen erfordere. Daher könnten sowohl im Recht als auch in der Moral nur jene Arten von Wesen, die die Fähigkeit zu handeln hätten, möglicherweise Rechtsinhaber sein. Angenommen, dass Tätigkeit für das Besitzen irgendeines Rechts erforderlich sei, stelle sich die Frage, welche Art von Tätigkeit notwendig sei. Was einen qualifiziere ein moralisches Recht zu besitzen, sei moralische Tätigkeit. Wenn legale Rechte wirklich analog zu moralischen Rechten seien, dann müsse legale Tätigkeit (legal agency) für das Besitzen eines legalen Rechts erforderlich sein. Wellmans Ansicht nach stimmten vermutlich die Klassen möglicher moralischer und legaler Rechtsinhaber nicht genau überein, sie überschneideten sich aber in hohem Maße, weil sie trotz der Verschiedenheit der relevanten Arten von Tätigkeit in wesentlicher Weise ähnlich seien.615 So wie moralische Tätigkeit die Fähigkeit sei, nach moralischen Gründen zu handeln, so sei legale Tätigkeit die Fähigkeit nach legalen Gründen zu handeln. Vermutlich bestünden sie aus sehr ähnlichen Mengen spezifischer Fähigkeiten, der Fähigkeit zu handeln in einem allgemeinen Sinn, der Fähigkeit, sich relevanter Fakten bewusst zu sein, der Fähigkeit, die moralische oder legale Relevanz dieser Fakten zu erkennen und der Fähigkeit motiviert zu werden, entsprechend zu handeln. Obwohl diese Bestandteile bildenden psychologischen Fähigkeiten nicht identisch seien, seien sie so ähnlich, dass ein Wesen, das eine Menge von Fähigkeiten habe, tendieren werde, auch die andere zu haben. Daher glaube er, dass seine 612 613 614 615
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman (1995), S. 100. das Kapitel B., II., 5., c). Wellman (1995), S. 132. Wellman (1995), S. 133.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Schlussfolgerungen über moralische Rechtsinhaber mutatis mutandis auch für legale Rechtsinhaber gölten. 616 616 Ergänzend seien auch einige weitere Bemerkungen Wellmans erwähnt. Er bemerkt daraufhin, dass bestimmte wesentliche Charakteristika des Rechts nahe legten, dass mehr als kleine Anpassungen notwendig seien, um zu irgendeinem vernünftigen Schluss über legale Rechtsinhaber zu gelangen. Vgl. Wellman (1995), S. 133. Während moralische Rechte auf Fakten gründeten, die in der natürlichen Welt (natural world) entdeckt würden, seien legale Rechte künstlich und gründeten auf Gesetzen, die von Menschen gemacht worden seien. Daher könnte die Art von Wesen, die legale Rechte besitzen könnten, nicht, wie in seiner (sc. Wellmans) Argumentation angenommen werde, von der psychologischen Beschaffenheit dieser Wesen abhängen. Die Gesetzgeber könnten legale Rechte jeder möglichen Art von Wesen übertragen und es gebe keine fixen Einschränkungen in Bezug auf die Art von Wesen, die legale Rechtsinhaber sein könnten. Wellman bemerkt, dass das, was die Fähigkeit von Gesetzgebern, irgendeiner Art von Wesen Rechte zu übertragen, einschränke, kein Dekret der Natur sei, sondern die Beschaffenheit jener Arten von Wesen mitsamt einer vorausgesetzten Auffassung eines legalen Rechts oder eines legalen Rechtsinhabers. Vgl. ebd., S. 134. Was ein legales Recht sei, werde durch die rechtlichen Quellen (legal authorities) bestimmt. Vgl. ebd., S. 135. Die Aufassungsmöglichkeit legaler Rechte oder Rechtsinhaber in einem Rechtssystem sei durch die Auffassung eines Rechts (a right) bestimmt, die in seiner rechtlichen Sprache (legal language) vorausgesetzt sei. Wellman bemerkt mit Bezug auf seine Hypothese, dass nur Handelnde Rechtsinhaber sein könnten, dass diese ihn zu schlussfolgern zwinge, dass Kleinkinder keine legalen Rechte besitzen könnten. Er weist aber darauf hin, dass wenn ein Rechtssystem z.B. behauptet, dass Kleinkinder Rechte hätten, er aufgrund obiger Hypothese nicht die Wahrheit dieser Behauptung bestreiten müsse. Was er bestreite sei die Bedeutung (meaning) dieser Aussage. Er behaupte, dass diese Art der Beschreibung der legalen Situation irreführend sei, da sie nahe lege, dass Kleinkinder aktiv in ihren Rechten mit einbezogen seien (indem sie sie ausübten, auf sie Anspruch erhöben, auf sie verzichteten etc.). Wellman schlägt vor, diese Behauptungen von Rechten von Kleinkindern als Beschreibungen davon zu verstehen, was in Wirklichkeit Rechte von Eltern oder Vormunden in Bezug auf Kleinkinder in ihrer Obhut seien. Folglich, obwohl die Aussage einer rechtlichen Autorität ein entscheidender Beweis dafür sei, dass ein Recht in gewissem Sinn übertragen worden sei, kläre sie nicht die Frage nach der Bedeutung dieser maßgebenden Aussage. Wellman bemerkt unter anderem, dass das Recht zuerst normalen Erwachsenen Rechte übertrage und dann aufgrund von Analogie die rechtlichen Verfahren, die in legalen Rechten enthalten seien, auf verschiedene Weise erweitere, um auf Kleinkinder und andere Arten von Wesen anwendbar zu sein. In dieser Erweiterung erkenne es bestimmte Ähnlichkeiten an und ignoriere zugleich bestimmte Unterschiede. In diesem Maß werde die Sprache des Rechts und der Juristen in ernster Weise irreführend, weil sie auf eine Einheitlichkeit schließen lasse, die in den rechtlichen Verfahren nicht vorhanden sei. Das Ideal der Rechtsphilosophie sei, das Recht auf eine Art neu zu beschreiben (redescribe), die weniger irreführend sei und vollständiger sowie klarer die legalen Tatsachen enthülle. Wellman weist ferner darauf hin, dass es zwei Sphären des Diskurses gebe, die Sprache des Rechts und die Sprache der Rechtsphilosophie, und dass es zwei Gründe gebe, aus denen es angemessen sei, dass sie verschiedene begriffliche Schemata verwendeten: Weil erstens die wichtigsten maßgebenden rechtlichen Quellen Texte seien, sei das Recht an die Sprache dieser Texte und die Begriffe, die sie voraussetzten, gebunden. Ein Philosoph oder ein Jurist habe eine viel größere Freiheit (freer hand), neue und verbesserte begriffliche Schemata zu übernehmen und seine Sprache in diesen Begriffen neu zu definieren. Vgl. ebd., S. 135 f. Zweitens seien die Zwecke des Rechts primär praktisch, während die Zwecke der Rechtsphilosophie primär theore-
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ee) Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten (1) Rechtfertigung legaler Rechte durch moralische Rechte - Anschließend an die kurze Wiedergabe von Wellmans Ausführungen zu den Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den Normenmengen Recht, Moralität und Moral, den Ähnlichkeiten zwischen den Begründungsarten moralischer und legaler Rechte und den Ähnlichkeiten hinsichtlich der Qualifikationen von Rechtsinhabern, soll nun eine Wiedergabe seiner Ausführungen in Bezug auf Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten folgen. Wellman befasst sich schon in „Weifare Rights" in einem eigenen Kapitel mit der Frage, wie sich legale Rechte rechtfertigen lassen. Dazu bemerkt er einleitend: Welche Rechte ein gegebenes Rechtssystem tatsächlich enthalte, sei durch einen Juristen, Richter oder Rechtsanwalt zu bestimmen.617 Welche Rechte aber in einem Rechtssystem existieren sollten, sei eine Sache, zu der ein Rechts- oder Moralphilosoph sehr wohl etwas zu sagen haben könnte. Wellman bemerkt, dass die Bedeutung des Wortes „sollte" (ought), die er im Sinn habe, eher ein umfassendes (wide) praktisches „sollte" als das eingeschränktere spezifisch moralische „sollte" sei, weil die wichtigste Frage sicherlich sei, ob, wenn man alles in Betracht ziehe, ein legales Recht existieren oder nicht existieren sollte. In Bezug auf diese Frage sei jede praktisch relevante Erwägung sachdienlich, obwohl moralische Gründe wahrscheinlich enthalten sein und besondere Überzeugungskraft haben würden. Zu sagen, dass ein bestimmtes legales Recht in einem gegebenen Rechtssystem existieren sollte, bedeute zu sagen, dass diejenigen, die in der Position seien, die Rechte in diesem System zu bestimmen, dieses Recht, sofern es nicht in Kraft sei, erschaffen sollten, oder das tun sollten, was notwendig sei, damit es, sofern es in Kraft sei, auch in Kraft bleibe. Folglich seien Rechtfertigungen und gegenteilige Rechtfertigungen eines legalen Rechts nicht nur für den moralischen Betrachter und Kritiker des gegebenen Rechtssystems von Bedeutung, sondern sogar für die Gesetzgeber, Politiker und die Bürger der Gesellschaft, in der das Rechtsystem in Kraft sei. Wellman erörtert verschiedene Möglichkeiten, ein legales Recht zu rechtfertigen 618: Durch Nutzen, Gerechtigtisch seien. Folglich, obwohl die Ausweitung des Begriffs „ein Recht" in seiner Anwendung auf Kinder in rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt sein könne, weil sie dazu diene, die Interessen von Kleinkindern zu schützen oder andere sozial wertvolle Ziele zu erreichen, könne eine eingeschränktere Anwendung der Sprache der Rechte theoretisch erforderlich sein, um eine klarere und aufschlussreichere Darstellung (map) des Rechts zu liefern. Weil es überdies das Ideal der Philosophie sei, eine umfassende, systematische Theorie zu liefern, sei der Philosoph stärker genötigt, wenn möglich, eine Auffassung von einem Recht zu übernehmen, die sowohl in der Moral und Moralität als auch im Recht (law) angemessen sei. 6,7 Vgl. Wellman (1982), S. 62. 618 Wellman spricht von einer Partialrechtfertigung (partial justification). Vgl. Wellman (1982), S. 63. Eine Partialrechtfertigung sei in einer sehr spezifischen Weise un-
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keit und durch ein ethisches Recht. Im Folgenden werden nur Wellmans Ausführungen zur letzten Art der Rechtfertigung wiedergegeben und zwar in der Form, in der sie in seinem Aufsatz „Moral Rights and Positive Law" zu finden sind. 619 Wellman befasst sich in diesem Aufsatz mit einer Version der Naturrechtstheorie, die behauptet, dass das Naturrecht ein Modell eines idealen Systems positiven Rechts sei, und mit der Frage, ob das positive Recht das Naturrecht in jeder Einzelheit kopieren (duplicate) sollte. 620 Das Naturrecht übertrage Individuen und möglicherweise Körperschaften unter anderem bestimmte moralische Rechte. Wellman verweist auf die traditionellen Dokumente natürlicher Rechte und die jüngeren Erklärungen der Menschenrechte und Konventionen, aus denen speziellere moralische Rechte abgeleitet werden könnten, und stellt die Frage, ob jedes moralische Recht einer Person in das Rechtssystem jedes Landes aufgenommen werden sollte. Diese Frage erörtert Wellman anhand eines Arguments der Form „da Personen ein moralisches Recht auf X hätten, sollten sie ein legales Recht auf X haben" und stellt die Frage, ob ein solches Argument, wenn man die stillschweigenden Prämissen einsetze, überhaupt logisch korrekt sei und ob die Existenz eines moralischen Rechts, z.B. des Rechts auf eine spezifische Beihilfe (welfare benefit), in irgendeiner Form impliziere, dass es ein korrespondierendes legales Wohlfahrtsrecht geben sollte. Im Folgenden wird ein Teil seiner Erörterungen in knapper Form wiedergegeben. Wellman untersucht drei Versionen dieses Arguments, die er als die plausibelsten erachtet, (i) Die erste Version dieses Arguments hänge von folgender Annahme ab: Zu behaupten, dass ein moralisches Recht existiere, bedeute einfach zu sagen, dass ein legales Recht existieren sollte. Wellman zeigt, dass die Auffassung moralischer Rechte, auf der dieses Argument beruht, falsch ist. 621 vollständig: Sie bestehe aus einer Argumentation, die zeigen solle, dass der Kern des legalen Rechts in dem Rechtssystem existieren sollte, gemeinsam mit Argumenten, die zeigen sollen, dass der Besitzer dieses Kerns auch eine nicht spezifizierte Art von Autonomie in Bezug auf die Ausübung und den Genuss des Kems haben sollte. Folglich, obwohl eine Partialrechtfertigung eines legalen Rechts nicht zeige, dass genau dieses Recht in all seiner eigentümlichen Beschaffenheit existieren sollte, zeige sie, dass irgendein solches legales Recht existieren sollte. Sie sei eine Partialrechtfertigung, weil sie die Folgerung rechtfertige, dass ein Recht dieser Art (kind) existieren sollte, aber sie begründe keine Folgerung in Bezug welche Art (species) dieser Gattung (genus) gerechtfertigt sei. 619 Der Grund für diese Auswahl liegt erstens in der kürzeren Form seiner zum Teil identischen Ausführungen zu dieser Rechtfertigungsmöglichkeit eines legalen Rechts im genannten Aufsatz und zweitens im dazu verfassten Kommentar in Wellman (1997), aus dem ein Teil im Folgenden wiedergegeben wird. Der genannte Aufsatz stammt aus dem Jahr 1981 und man findet ihn in Wellman (1997) wiederabgedruckt. 620 Vgl. Wellman (1997), S. 117. 621 Wellman bemerkt, es gebe eine Analyse moralischer Rechte, die diese Art von Argument per definitionem gültig machen würde. Vgl. Wellman (1997), S. 117. Er bezieht sich dabei auf Bentham, der die Rede über absolute natürliche Rechte abge-
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(ii) In der zweiten Version dieses Arguments werde angenommen, dass der Staat die moralischen Rechte des Einzelnen nicht verletzen sollte. 622 Dies sei zweifellos wahr. Ein Korrolar dieses moralischen Prinzips wäre, dass wann immer der Staat ein moralisches Recht verletzen könnte, er seine staatlichen Tätigkeiten einschränken sollte, möglicherweise indem er ein korrespondierendes legales Recht dem Inhaber des moralischen Rechts übertrage, der von einer lehnt hat. Dennoch habe er zugegeben, dass es eine Interpretation gebe, in der die Behauptung moralischer Rechte Sinn machen könnte. Gehe man davon aus, dass alle Rechte institutionell seien, könnten Behauptungen natürlicher Rechte nicht wörtlich genommen werden. Sie könnten und sollten jedoch als verhüllte Vorschriften in Bezug auf soziale Institutionen interpretiert werden. Zu behaupten, dass ein bestimmtes moralisches Recht existiere, bedeute nicht mehr und nicht weniger, als dass ein korrespondierendes legales Recht existieren sollte. Nur auf diese Weise könne die Sprache über moralische Rechte vermeiden, begrifflich unsinnig zu werden. Wellman bemerkt, dass wenn diese Analyse korrekt wäre, die Theorie des idealen Modells des Naturrechts analytisch wahr wäre, zumindest in Bezug auf jenen Bereich des Naturrechts, der Personen natürliche Rechte übertrage. Vgl. ebd., S. 125. Wellman bemerkt, dass zwei Argumentationslinien diese Auffassung, wonach zu behaupten, dass eine Person ein moralisches Recht auf etwas habe, einfach zu behaupten bedeute, dass diese Person ein legales Recht auf diese Sache haben sollte, widerlegten. Vgl. ebd., S. 118. Die erste Argumentationslinie weise auf Gründe hin, aus denen moralische Rechte nicht in Form erzwingbarer legaler Rechte erlassen werden sollten. Manche moralischen Rechte seien zu trivial (z.B. unbedeutende Versprechen); in anderen Fällen würde die legale Erzwingung moralischer Rechte unvermeidlich zu einer größeren Einmischung in die Privatsphäre des Rechtsinhabers und anderer führen. Z.B. wenn die Polizei Wellmans Recht auf Privatsphäre gegenüber seinen Familiengliedern durchsetze, indem sie ausforsche, ob und durch wen es in seiner Wohnung verletzt worden sei, und die Betreffenden bestrafe. Vgl. ebd., S. 118 f. Wellman bemerkt in Bezug auf diese und weitere Beispiele moralischer Rechte, dass wenn sie sinnvoll und verständlich seien, Benthams Analyse moralischer Rechte falsch sein müsse. Vgl. ebd., S. 119. In der Erörterung der zweiten Argumentationslinie nimmt Wellman auf die moralischen Implikationen der Behauptungen von Rechten Bezug. Z.B. sei das moralische Recht einer Person auf Hilfeleistungen im Alter ein Anspruchsrecht und impliziere vermutlich eine korrespondierende moralische Pflicht. Dass der Einzelne ein moralisches Recht auf Hilfeleistungen im Alter habe, bedeute, dass er ein entsprechendes legales Recht haben sollte. Wellman stellt dann die Frage, wie man das „sollte haben" in Aussagen darüber übersetzen könne, welcherart Handlungen welche Parteien „tun sollten". Wellman schließt im Folgenden seine Erörterungen mit der Bemerkung ab, dass wenn es genuine moralische Wöhlfahrtsrechte gebe, sie bestimmte moralische Pflichten feststellbaren zweiten Parteien auferlegten und nicht nur irgendein moralisches Ideal eines Rechtssystems projizierten. Vgl. ebd., S. 120. Folglich könne der logische Übergang von der Existenz eines moralischen Wohlfahrtsrechts zur Verpflichtung, ein korrespondierendes legales Recht zu erlassen oder anzuerkennen und durchzusetzen, nicht lediglich durch sprachliche Analyse des bloßen Begriffs eines moralischen Rechts gerechtfertigt werden. Mit Bezug auf seinen Nachweis, dass Benthams Auffassung moralischer Rechte falsch ist, bemerkt Wellman im Folgenden, dass demgemäß die Wahrheit der idealen Modelltheorie des Naturrechts nicht allein durch sprachliche Analyse nachgewiesen werden kann. Vgl. ebd., S. 125. Sie müsse auf einer Art normativer Annahme, vermutlich einem moralischen Prinzip, gründen. Wellman bemerkt, dass, sollte er Recht haben, folge, dass das Naturrecht nicht in jeder Einzelheit im positiven Recht kopiert werden sollte. Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 1 5 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Verletzung bedroht sei. Wellman bemerkt, dass jedoch nicht alle moralischen Rechte, die dem Einzelnen durch das Naturrecht übertragen würden, tatsächlich von einer Verletzung durch den Staat bedroht seien. Es werde viele moralische Rechte des Einzelnen geben, die gegenüber anderen Parteien als dem Staat gölten (hold). Z.B. habe wahrscheinlich ein betagter Elter ein moralisches Recht im Alter auf Hilfe gegenüber seinem Kind, das er aufgezogen und für das er sich gekümmert habe. Da dieses Recht gegenüber dem Kind und nicht dem Staat gelte, sei nur das Kind in einer Position dieses Recht zu verletzen. Entsprechend gebe es in Bezug auf dieses Recht keinen Grund für den Staat, sich selbst durch die Erschaffung eines korrespondierenden neuen legalen Rechts einzuschränken. Außerdem sei es sehr zweifelhaft, dass die Anerkennung und Durchsetzung eines korrespondierenden legalen Rechts immer die einzige oder sogar die beste Art sei, Behörden davon abzuhalten, das moralische Recht eines Individuums zu verletzen. In manchen Fällen werde es einfach hinreichen, den Beamten einer Behörde eine Pflicht aufzuerlegen; 623 in anderen Fällen würden nichtrechtliche Änderungen in der Politik oder der sozialen Institutionen wirksamere Mittel sein, Verletzungen eines moralischen Rechts durch Behörden zu verhindern. 624 Was der Staat genau tun sollte, um sich selbst davon abzuhalten, ein moralisches Recht einer Person zu verletzen, werde von vielen Tatsachen über diese Gesellschaft abhängen. Daher werde die Beantwortung der Frage, welche moralischen Rechte in ein Rechtssystem aufgenommen werden sollten, von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren. Es sei zumindest klar, dass bis zu dem Grad, zu dem die Verpflichtung des Staates, ein moralisches Recht in sein Rechtssystem aufzunehmen, von seiner Verpflichtung abhänge, dieses Recht nicht zu verletzen, das Naturrecht, aus dem dieses Recht entspringe, kein Modell sei, das in jeder Einzelheit in jedem Rechtssystem kopiert werden sollte.625 (iii) Die dritte Version des Arguments für das Aufnehmen moralischer Rechte in das positive Recht sei potentiell viel stärker. 626 In dieser Version beruht das Argument wesentlich auf der Annahme, dass der Staat die moralischen Rechte des Einzelnen schützen sollte. Wellman bemerkt, dass diese Annahme keineswegs evident ist, und versucht zu zeigen, wie sie verteidigt werden könnte.627 623 Wellman nimmt in der Erörterung des Beispiels des moralischen Rechts einer Person auf Hilfeleistungen im Alter auf faktische Informationen über seine Gesellschaft Bezug. Vgl. Wellman (1997), S. 121. Er bemerkt z.B., dass wenn das Recht (law) einem Sozialamt nicht eine legale Pflicht auferlege, jeden Berechtigten mit Hilfeleistungen im Alter zu versorgen, es ins Ermessen der Beamten gestellt wäre, welche Antragsteller Sozialhilfe empfangen sollten. 624 Vgl. Wellman (1997), S. 125. 625 Vgl. Wellman (1997), S. 125 f. 626 Vgl. Wellman (1997), S. 126. 627 Wellman erörtert folgende Argumente in Bezug auf diese Annahme: Man könnte darauf hinweisen, dass die zu schützenden Rechte moralische Rechte seien und hinzufügen, dass der Staat Moralität erzwingen sollte. Vgl. Wellman (1997), S. 122. Dies
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Nehme man es als erwiesen an, erstrecke sich dieses Prinzip bis zu allen moralischen Rechten des Einzelnen und nicht nur bis zu jenen gegenüber dem Staat. 628 Ein Korollar sei, dass wo dies notwendig sei, der Staat ein moralisches Recht schützen sollte, indem er ein korrespondierendes legales Recht anerkenne und erzwinge. Wellman stellt dann die Frage, ob dies immer notwendig sein werde. Man könnte sich vorstellen, dass die moralischen Rechte des Einzelnen nur dann sozialen Schutz erforderten, wenn sie von weitverbreiteter Verletzung oder Missachtung bedroht seien. Die verteilende Beschaffenheit (distributive natura) eines Rechts erinnere uns aber an die moralische Verpflichtung, jeden Einzelnen in der Ausübung oder den Genuss seines Rechts zu schützen. Und zweifellos sei unter jeder Menge sozialer Bedingungen in jeder Gesellschaft dieser
würde von vielen als legitim, angemessen und sogar als moralisch erforderliche Funktion einer guten Regierung angesehen. Wellman scheint es aber, dass es verschiedene wichtige Bereiche der persönlichen Wahl und der moralischen Handlung gebe, die eigentlich privat seien und in die sich rechtliche Erzwingung nicht einmischen sollte. Vgl. ebd., S. 122 f. Selbst aber, wenn nicht die ganze Moralität erzwungen werden sollte, könnte Grund bestehen, zu behaupten, dass die rechtliche Erzwingung jenes Teils der Moralität, der die Rechte des Einzelnen betreffe, besonders angemessen sei. Vgl. ebd., S. 123. Wellman stellt daraufhin die Frage, was an moralischen Rechten die Angemessenheit staatlichen Schutzes nahe lege. Gegen Martins Auffassung, der den Schutz im Begriff eines Rechts enthalten denkt, und behauptet, dass jedes Recht, das seinem Besitzer nicht durch sozialen Schutz gesichert sei, als Recht mangelhaft sei, wendet Wellman unter anderem ein, dass die Existenz moralischer Rechte nicht auf sozialer Anerkennung beruhe, sondern auf jenen Gründen, durch die sie begründet seien. - Vgl. dazu hier auch das Kapitel B., H, 5., a), ee), in dem Wellmans Erörterungen von Martins Auffassung wiedergegeben werden. - Wellman bemerkt, er bezweifle, dass die Analyse des Begriffs eines moralischen Rechts die These, dass der Staat die moralischen Rechte des Individuums schützen sollte, begründen könnte. Höhere Chancen bewiesen zu werden hätte die Art von Argument, wonach soziale Erzwingung der Beschaffenheit oder den Gründen eines moralischen Rechts angemessen sei und durch sie erfordert sei. Wellman verweist auf Mill, der argumentiert, dass die Verletzung eines moralischen Rechts für den Rechtsinhaber notwendig schwerwiegenden Schaden und eine Bedrohung der Sicherheit, die für jede Gesellschaft wesentlich ist, mit sich bringt; ferner auf Hart, der argumentiert, dass sozialer Schutz moralischer Rechte notwendig angemessen ist, weil Rechte den besonderen Teil der Moralität betreffen, der von der angemessenen Verteilung von Freiheit2 und daher vom moralisch gerechtfertigten Zwang handelt. Daraufhin verweist Wellman auf seine eigene Auffassung, die einen Kontext voraussetzt, in dem der Wille des Rechtsinhabers mit dem Willen einer zweiten Partei konfligieren könnte. Moralische Rechte betreffen seiner Auffassung nach die Frage, welcher von zwei Willen in einer möglichen Konfrontation vorherrschen soll. Gehe man davon aus, dass es eine angemessene und selbst dringende Aufgabe des Staates sei, Streitigkeiten zwischen seinen Mitgliedern zu lösen und den öffentlichen Frieden in einer Weise aufrechtzuerhalten, die mit der Moralität konsistent sei, dann scheine zu folgen, dass der Staat die moralischen Rechte der Einzelnen schützen sollte, die seiner Rechtssprechung unterstünden. Vgl. ebd., S. 123 f. Wellman bemerkt, dass sein Vorschlag etwas provisorisch und nicht voll entwickelt sei. Er wolle hier nur zeigen, dass es eine plausible Argumentation gebe, die durchaus die Wahrheit der Annahme, dass der Staat die moralischen Rechte des Einzelnen schützen sollte, begründen könne. Vgl. Wellman ( 1 9 ) , S. 1 2 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
unvollkommenen Welt jedes moralische Recht gelegentlich gefährdet. Auch dass ein moralisches Recht ein System normativer Elemente sei, die, sofern sie respektiert würden, dem Rechtsinhaber Autonomie übertragen, erinnere uns daran, dass nur ein legales Recht ein moralisches Recht als ein Recht schützen könne. 629 Dies könnte den Anschein erwecken, dass das ideale Modell des Naturrechts im Grunde gerechtfertigt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall, weil die Verpflichtung des Staates, moralische Rechte zu schützen, nur eine von vielen Verpflichtungen des Staates sei. Wenn die Versuche, ein korrespondierendes moralisches Recht durchzusetzen, einen Verbrauch knapper Ressourcen bedeuten würden oder andere moralische Rechte wie das Recht auf Privatleben verletzen würden, dann sollte der Staat nicht ein korrespondierendes Recht in sein Rechtssystem aufnehmen. Daraus werde ersichtlich, dass das dritte Argument, sofern es akzeptierbar sei, nur eine prima facie Verpflichtung des Staates, die moralischen Rechte des Einzelnen zu schützen, voraussetzen müsse. Da diese prima facie Verpflichtung in vielen Fällen durch gegenteilige Verpflichtungen aufgewogen werde, gelange man wieder zur selben Schlussfolgerung: Nicht jedes moralische Recht des Einzelnen sollte in irgendein System positiven Rechts (law) aufgenommen werden. Welche moralischen Rechte anerkannt und erzwungen werden sollten, werde von einem Rechtssystem zum anderen durch komplexe soziale Fakten bedingt variieren. Daher sei die Theorie eines idealen Modells des Naturrechts falsch: Es sei nicht wahr, dass das positive Recht jedes moralische Prinzip, jedes Recht oder jede Pflicht des Naturrechts widerspiegeln sollte. 630 629 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in „Welfare Rights" auch eine weitere Rechtfertigungsmöglichkeit eines legalen Rechts erörtert. Wellmans Erörterungen betreffen dort das legale Recht auf Unterstützung für Familien mit unterstützungsbedürftigen (dependent) Kindern. Da die Rechtfertigung dieses Rechts durch ein entsprechendes ethisches Recht bzw. ein Menschenrecht mit bestimmten Schwierigkeiten einhergeht, erwägt Wellman zusätzlich die Möglichkeit einer Rechtfertigung dieses legalen Rechts durch ein entsprechendes bürgerliches Grundrecht (fundamental civic right), das man als Mitglied einer organisierten Gesellschaft hat und erörtert die Vorteile einer solchen Rechtfertigung. Vgl. Wellman (1982), S. 101 ff. Schließlich erörtert Wellman auch eine gegenteilige Rechtfertigung (counteijustification), in der gegen die Existenz eines solchen legalen Wohlfahrtsrechts durch Berufung auf ein bestimmtes ethisches Recht auf Eigentum argumentiert wird. Vgl. ebd., S. 107 ff. 630 In seinem Kommentar zu diesem Aufsatz konzentriert sich Wellman auf das implizite Thema desselben, das er als eines der wichtigsten in der Theorie über Rechte bezeichnet, nämlich, in welcher Weise Schutz für ein Recht relevant ist. Vgl. Wellman (1997), S. 26. Wellman erörtert die Frage, wie und durch wen ein Recht geschützt werden soll. Vgl. ebd., S. 27. Er bemerkt, dass obwohl die Angemessenheit des Schutzes in den bloßen Begriff eines Rechts eingebaut sei, die Form, die er annehmen müsse durch die dahinter stehenden institutionellen oder moralischen Normen bestimmt sei. Wie bereits erwähnt [vgl. die Fußnote im Abschnitt B., II., 4., h), dd), Abschnitt (1.4)] verweist Wellman auf die Wichtigkeit der Rolle dritter Parteien in seinem Konfrontationsmodell eines Rechts und bemerkt, dass er mit dem Problem
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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(2) Ableitung eines legalen Rechts aus einem moralischen Recht - In „Real Rights" geht Wellman auf die Frage der Begründung eines legalen Rechts durch ein moralisches Recht sowohl in der Erörterung der Grundlagen legaler Rechte als auch im Abschnitt über abgeleitete Rechte nur sehr kurz ein. Er bemerkt, dass abgesehen vom grundsätzlichen Unterschied zwischen legalen und moralischen Rechten es manchmal möglich sei, ein legales Recht aus einem vorausgehenden moralischen Recht abzuleiten.631 Wellman verweist auf einen Fall im amerikanischen Recht, in dem der Richter ein Verfassungsrecht auf Privatleben durch ein vorausgehendes moralisches Recht auf Privatleben begründet. 632 Wellman bemerkt, dass die Argumentation des Richters rechtlich gültig sei, wenn man, wie es der Richter täte, annehme, dass das Neunte Amendement unsere grundlegenden moralischen Rechte rechtlich anerkenne. (3) Ableitung eines moralischen Rechts aus einem legalen Recht - Daraufhin stellt Wellman die Frage, ob man ein moralisches Recht durch ein vorausgehendes legales Recht begründen könne. Jede solche Ableitung würde eine Art moralischer Anerkennung unserer legalen Rechte voraussetzen. Viele Philosophen hätten darauf hingewiesen, dass dies in der moralischen Verpflichtung des Bürgers, das Gesetz seines Landes zu befolgen, vorgesehen sei. Dementsprechend impliziere z.B. Janes Recht, einen Unterhaltsbeitrag für ihr Kind von ihrem geschiedenen Mann John zu erhalten, ihr moralisches Recht, dass John ihr finanzielle Hilfe zukommen lasse, um ihr die Fürsorge für ihr Kind zu ermöglichen. 633 Es könne aber bezweifelt werden und sei auch bezweifelt worden, dass konfrontiert sei, die Hohfeldschtn Elemente zu bestimmen, die diese Rollen definierten. Welche diese in einem moralischen Recht seien, hänge von den moralischen Gründen ab, die die einzelnen moralischen Positionen begründeten. Wellman bemerkt, dass er nur eine sehr vorläufige und, wie sich herausgestellt habe, falsche Auffassung davon gehabt habe, was diese Gründe sein könnten. Er habe herausgefunden, dass die verknüpften Elemente prima facie Positionen seien, was zu erklären helfe, wie sie in verschiedener Weise unter unterschiedlichen Umständen Anwendung finden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch folgende Bemerkung Wellmans: Der legale Schutz eines moralischen Rechts durch ein legales Recht sei nur ein spezieller Fall eines dritten-Partei Schutzes, weil der Staat nur eine Art einer dritten Partei sei mit der speziellen Rolle, die sie in vielen moralischen Rechten zu spielen habe, und der Schutz durch ein legales Recht sei nur eine Form staatlichen Schutzes. Sein Beispiel des moralischen Rechts auf Hilfeleistung im Alter lasse etwas, von der Komplexität von Rechten erkennen, weil der Staat sowohl eine zweite als auch eine dritte Partei in diesem Wohlfahrtsrecht sei. Daher habe er sowohl die Notwendigkeit, das moralische Recht des Einzelnen gegen eine Verletzung durch die für die Wohlfahrt zuständigen Organe des Staates zu schützen, erörtert, als auch die moralische Pflicht des Staates, moralische Rechte allgemeiner zu schützen. Die zweite und dritte Art des Arguments, von einem moralischen zu einem korrespondierenden legalen Recht, zeigten, wie die Anwendung dahinter stehender (background) moralischer Normen die Rolle einer dritten Partei, in diesem Fall der eigenen Regierung, bestimme. 631 Vgl. Wellman (1995), S. 99 und auch 26 f. 632 Griswold v. Connecticut, 381 U.S. 479 (1970), 491, 493, bzw. (1965), 482^83, 484.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
der Bürger eine moralische Verpflichtung, selbst eine prima facie Verpflichtung habe, das Recht (law) als solches zu befolgen. Es könne durchaus sein, dass ungerechte Gesetze oder Gesetze, die weitverbreitet unnötigen Schaden (harm) zufügten, moralisch nicht verbindlich seien. Nehme man an, dass John eine moralische Verpflichtung habe, das Recht (law) zu befolgen, was die Unterstützung des Kindes betreffe; was daraus folge, sei, dass seine moralische Pflicht, einen Unterhaltsbeitrag bereitzustellen, aus seiner legalen Pflicht, dies zu tun, abgeleitet werden könne. Dies impliziere aber nicht, dass Jane ein moralisches Recht auf einen Unterhaltsbeitrag für ihr Kind habe, weil Rechte nicht auf Pflichten reduzierbar seien. Jedes volle Recht werde auch Freiheiten 1, Kompetenzen und Immunitäten enthalten und diese würden vermutlich moralische Grundlagen erfordern, die über jede moralische Verpflichtung, das Recht zu befolgen, hinausgehen würden. Jede Ableitung eines moralischen Rechts aus einem legalen Recht müsse voraussetzen, dass man ein moralisches Recht habe, dass seine legalen Rechte respektiert würden. Wenn Jane ein moralisches Recht habe, dass John ihre legalen Rechte respektiere, dann würde ihr legales Recht gegenüber John auf einen Unterhaltsbeitrag für ihr Kind ihr moralisches Recht, dass John sie mit diesem Unterhaltsbeitrag versehe, begründen. Allgemeiner formuliert, würde jedes legale Recht ein moralisches Recht, dieses Recht (right) zu respektieren, begründen, d.h. dass jene, denen gegenüber das legale Recht gelte (holds), das täten, was die Respektierung dieses Rechts verlange. In Bezug auf die Frage, ob es wahr sei, dass man ein moralisches Recht habe, dass andere seine legalen Rechte respektierten, bemerkt Wellman, dass er es nicht wisse und nicht einmal in der Lage sei, eine wohlbegründete Vermutung zu riskieren. Er weist aber darauf hin, dass jedes solche Recht, selbst wenn es existierte, eine etwas eingeschränkte Leistungsfähigkeit hätte, moralische Rechte zu begründen. Denn erstens sei es sehr zweifelhaft, dass jemand irgendein moralisches Recht habe, dass andere seine ungerechten legalen Rechte respektierten. Zweitens sei nicht klar, inwieweit ein solches moralisches Recht jenseits der Menge von Anspruchsrechten angewendet werden könnte. Kein legales Freiheits- (liberty-), Kompetenz- oder Immunitätsrecht würde ein korrelatives moralisches Anspruchsrecht auf Respektierung implizieren, weil keine ihrer legalen Kernpositionen mit Ansprüchen korrelierten. Noch könnte irgendein abgeleiteter Anspruch auf Respektierung eine moralische Freiheit 1, Kompetenz oder Immunität implizieren, die als Kern eines abgeleiteten moralischen Rechts dienen könnte. Wellman bemerkt, dass die einzige sichere Folgerung zu sein scheine, dass wenn jemand ein moralisches Recht habe, dass andere seine legalen Rechte respektierten, es dann manchmal möglich sei, ein moralisches Recht aus einem vorausgehenden legalen Recht abzuleiten. 3
V g l . Wellman (1995), S. 1 .
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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(4) Zum Zusammenhang moralischer und legaler Rechte und Pflichten weiterer Zusammenhang zwischen moralischen und legalen Rechten zeigt sich in Bezug auf die Frage, in welcher Weise Rechte Pflichten und welcherart Pflichten sie implizieren können.634 Wellman erörtert im Abschnitt über ergänzende (supplementary) Pflichten 635 die Frage, ob ein legales Recht eine ergänzende moralische Pflicht beinhalten könne. 636 Er glaube, dass dies manchmal der Fall sein könne. Als Beispiel erwähnt Wellman das legale Recht des Gläubigers, bezahlt zu werden, oder jemandes legales Recht, nicht geschlagen zu werden. Das erste impliziere die korrelative legale Pflicht des Schuldners zu zahlen, das zweite, die legale Pflicht anderer, ihn nicht zu schlagen. Akzeptiere man auch, wie viele andere, das moralische Prinzip, dass der Bürger eine moralische Verpflichtung habe, das Rechtssystem seiner Gesellschaft zu befolgen, dann würden diese legalen Rechte die ergänzende moralische Pflicht des Schuldners implizieren, dass er seine legale Pflicht zu zahlen erfülle, bzw. die ergänzende moralische Pflicht der anderen implizieren, ihre legalen Pflichten, einen nicht zu schlagen, zu erfüllen. 637 Natürlich würden viele bestreiten, dass es irgendeine allgemeine oder universelle moralische Pflicht gebe, das Recht (law) seines Landes zu befolgen. 638 Dennoch gebe es wahrscheinlich ein eingeschränkteres ergänzendes moralisches Prinzip mit dem Inhalt, dass man die moralische Pflicht habe, das Recht zu befolgen, wann immer bestimmte rechtfertigende Bedingungen erfüllt seien, oder, wenn nicht bestimmte ungerechte Umstände aufträten, das (sc. Prinzip) legalen Rechten ermöglichte, oft ergänzende legale 639 Pflichten in dieser Weise zu implizieren. Wellman stellt daraufhin die Frage, ob auch umgekehrt ein moralisches Recht eine ergänzende legale Pflicht implizieren könne. Wellman gesteht, dass seine 634
Dieses Thema wurde in dieser Arbeit ausgeklammert [vgl. hier das Kapitel B., II., 5., d)]. In diesem Abschnitt beschränkt sich die Wiedergabe von Wellmans Ausführungen zu diesem Thema auf den Zusammenhang zwischen Recht und Moral. Wellman unterscheidet im Kapitel „Implied Duties" vier Arten von Pflichten (und damit einhergehend vier Arten von Implikationsverhältnissen von Rechten und Pflichten): korrelative, verknüpfte (associated), neue und ergänzende (supplementary) Pflichten. Vgl. Wellman (1995), S. 178-199. Die oben wiedergegebenen Erörterungen betreffen das Implikationsverhältnis von Rechten und ergänzenden Pflichten. 635 Wellman bemerkt in Bezug auf das Implikationsverhältnis zwischen Rechten und ergänzenden Pflichten allgemein: Man sollte zwischen neuen und ergänzenden Pflichten unterscheiden. Ergänzende Pflichten seien wie neue Pflichten nicht mit dem Recht verbunden, das sie impliziere. Vgl. Wellman (1995), S. 195. Der Schluss von diesem Recht zu der Pflicht oder den Pflichten verlange eine oder mehrere zusätzliche Prämissen. Bei diesen handle es sich um normative Prinzipien. Diese seien vermutlich legale Regeln oder Prinzipien in der rechtlichen Argumentation und moralische Regeln oder Prinzipien in der moralischen Argumentation. 636 Vgl. Wellman (1995), S. 198. 637 Vgl. Wellman (1995), S. 198 f. 638 Vgl. Wellman (1995), S. 199. 639
Dem Sinn nach müsste hier „moralische" stehen.
- Ein
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kenntnis des Rechts zu gering ist, um auf einen klaren Fall hinzuweisen. Prinzipiell sei dieser Fall jedoch möglich. 640 ff) Rechtskonflikte Ein weiterer Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich hinsichtlich der Möglichkeit von Rechtskonflikten. Wellman erörtert in einem eigenen Abschnitt die Möglichkeit von Konflikten zwischen legalen und moralischen Rechten und die Frage, wie sie gelöst werden könnten.641 Legale Argumentation würde, seinen Ausführungen nach, die moralischen Aspekte dieses Konflikts unberührt lassen und moralische Argumentation habe keine Relevanz für das Recht, es sei denn, sie sei durch eine legale Quelle anerkannt. Folglich sei es nur dann möglich über einen Konflikt von Rechten zu argumentieren, wenn man ihn auf einen gemeinsamen Nenner bringe. Dementsprechend werde es mehr als eine Lösung eines Konflikts zwischen gänzlich verschiedenen Arten von Rechten geben; gerichtliche und moralische Argumentation könnten zu verschiedenen Lösungen führen. Die endgültige Lösung würde durch allgemeines (broadly) praktisches Argumentieren zu finden sein, das alle Arten praktischer Gründe - legale, moralische, Klugheits-, pragmatische, ästhetische etc. - berücksichtige. Wellman bemerkt, dass diese Art Zwangslage besonders scharf bei einem Konflikt zwischen einem moralischen und einem legalen Recht in Erscheinung trete, die einer Person zwei unvereinbare Pflichten auferlegen. Am Beispiel eines Kriegsdienstverweigerers 642 zeigt Wellman, wie die Argumentation des obersten Gerichtshofs (Supreme Court) der U.S.A. in Bezug auf die 640
Vgl. Wellman (1995), S. 199. Nehme man z.B. an, dass ein Rechtssystem eine Staatspflicht auferlege, die grundlegenden Menschenrechte seiner Mitglieder zu schützen. Man könnte sogar, obzwar die meisten Juristen dies nicht täten, die GleicherSchutz-Klausel (equal protection clause) des Vierzehnten Amendements auf diese Weise interpretieren. Es laute: noch [solle irgendein Staat] irgendeiner Person innerhalb seiner Gerichtsbarkeit den gleichen Schutz der Gesetze verweigern. Wellman stellt dazu die Frage: Den gleichen Schutz wovon? Die Nebeneinanderstellung mit der Ordentliches-Verfahren-Klausel (Due Process Clause), die speziell die traditionellen natürlichen Rechte auf Leben, Freiheitl und Eigentum erwähne, lege nahe, dass sie auch auf grundlegende moralische Rechte Anwendung finde. Wenn das der Fall sei, dann würde jedes dieser moralischen Rechte gemeinsam mit der Gleicher-SchutzKlausel eine oder mehrere ergänzende legale Pflichten jedes Staates implizieren, seine Mitglieder in gleicher Weise in der Ausübung und im Genuss dieses Rechts zu schützen. 641 Vgl. Wellman (1995), S. 234. 642 Diesem Beispiel nach sei es aus der Sicht des Kriegsdienstverweigerers mit dem Namen Gillette moralisch erforderlich gewesen, dass er die Erfüllung seiner legalen Pflicht, im Vietnamkrieg zu dienen, aufgrund seiner moralischen Pflicht, nicht in einem ungerechten Krieg zu dienen, verweigere. Vgl. Wellman (1995), S. 235. Seine legale Pflicht sei im Verfassungs-Kompetenzrecht des Kongresses, ein Heer aufzustellen und zu erhalten, impliziert gewesen, während seine moralische Freiheitl, die Erfüllung dieser Pflicht zu verweigern, im moralischen Freiheitsrecht Gillettes auf Glau-
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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betreffende Person als Staatsbürger und eine bestimmte moralische Argumentation in Bezug auf die Person als moralischen Handelnden zu konfligierenden Lösungen führen können, und stellt die Frage, was der Kriegsdienstverweigerer tun soll. 643 Er werde kaum als Bürger in der Armee dienen und zugleich als moralischer Handelnder den Dienst verweigern können.644 Wenn es letztlich eine Gesamtlösung dieses Konflikts geben solle, müsse er auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht werden. Wellman stellt die Frage, was der gerichtlichen und der moralischen Argumentation gemeinsam sei. In solchen Fällen seien sie zwei Arten praktischen Argumentierens und daher müsse schließlich die endgültige Lösung durch allgemeine praktische Argumentation - eine Argumentation, die jede Art eines Grundes für oder gegen das Befolgen der Einberufung - zu finden sein. 645 Nach der Erörterung eines weiteren Beispiels stellt Wellman die Frage, ob man über konfligierende legale und moralische Rechte hinausgehen könnte und ihre Grundlagen gegeneinander abwägen könnte.646 Wahrscheinlich könnte man es, wenn beide Arten von Grundlagen praktische Gründe seien; dies erscheine auch plausibel. Wellman bemerkt, dass jedoch die praktische Relevanz maßgebender legaler Quellen in geringerem Maße klar sei als jene moralischer Gründe und wie genau jede von ihnen auf Handlung Anwendung fänden, sei alles andere als klar. Außerdem könne man manchmal legale Rechte in Form der legal anerkannten Interessen abwägen, die auf dem Spiel seien. Möglicherweise könne allgemeines praktisches Argumentieren einen Konflikt zwischen einem legalen und einem moralischen Recht in Form aller Interessen - legaler, moralischer, pragmatischer Interessen und Interessen aus Klugheit - lösen, die bensfreiheit enthalten gewesen sei. (Wellman erörtert hier den Fall „Gillette v. United States" [401 U.S. 437 (1970)]. Siehe in der Literaturliste unter: Supreme Court Cases) 643 Vgl. Wellman (1995), S. 234 ff. bzw. 237. 644 Vgl. Wellman (1995), S. 237. 645 Wellman erörtert einige Überlegungen in Bezug auf die Frage, wie der Kriegsdienstverweigerer, wenn er nicht bloß als moralischer Handelnder, sondern einfach als Handelnder (agent) argumentiere, dieses Dilemma lösen könnte. Vgl. Wellman (1995), S. 237. Dazu zählen z.B. die Beantwortung der Frage, ob das sowohl in der legalen als auch in der moralischen Argumentation anerkannte Prinzip, dass im Gewissen die Pflicht gegenüber einer höheren Gewalt, die über dem Staat steht, immer verteidigt worden ist, auch im Bereich allgemeiner praktischer Begründung gilt. Vgl. Wellman (1995), S. 238. Ferner könnten auch pragmatische und politische Gründe wie die Zwecklosigkeit der amerikanischen Anstrengungen im Vietnamkrieg oder der wahrscheinliche Einfluss des eigenen Beispiels auf jene Parteien, die an der Reform der Regierung arbeiteten, diesen Konflikt betreffen. Zweifellos seien für manchen seine Integrität und die Schwierigkeit mit sich in Einklang zu leben, sollte er gegen sein Gewissen handeln, schwerwiegend. Schließlich müsse jeder Handelnde eine große Auswahl an praktischen Gründen berücksichtigen und jeglichen solchen Konflikt zwischen einem legalen und einem moralischen Recht durch allgemeine (broadly) praktische Argumentation lösen. Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S.
1.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
in diesem Fall einbezogen seien. Wellman vermutet, dass wir manchmal auf jede dieser Arten urteilten. Er gesteht, dass jede adäquate Rechtfertigung irgendeiner dieser Arten der Argumentation eine stärker erklärende Theorie erfordern würde, als die, die er zur Hand habe. Daraufhin stellt er die Frage, ob alle Arten praktischer Gründe als gleich zu betrachten seien. Manche behaupteten, dass moralische Gründe eine größere Wirkung hätten, insofern sie durch grundlegendere Klugheitsgründe (prudential reasons) begründet seien; andere beharrten darauf, dass moralische Gründe per definitionem immer gegenüber allen anderen Arten von Gründen und besonders gegenüber eigennützigen Klugheitsgründen Priorität hätten. Wellman bemerkt, dass obwohl die im Dilemma stehende Person eine dieser philosophisch verlockenden Sichtweisen übernehmen könnte, er keine von beiden sehr überzeugend finde und zugebe, dass er keine aufschlussreiche allgemeine Theorie praktischen Argumentierens vorschlagen könne. gg) Moralischer Konsens und Recht Ein weiterer Zusammenhang zwischen Recht, Moralität und Moral zeigt sich darin, dass das Recht auf einen moralischen Konsens angewiesen ist. Dies erörtert Wellman in seinem Aufsatz „Moral Consensus and the Law". Wellman befasst sich in diesem Aufsatz mit den Möglichkeiten neuer medizinischer Technologien und den neuen moralischen Problemen, die sie aufwerfen. 647 (1.1) Warum das Recht als solches einen moralischen Konsens sucht - Wellman geht erstens der Frage nach, warum das Recht als solches hinsichtlich technischer Eingriffe in die menschliche Reproduktion einen moralischen Konsens sucht.648 Der nahe liegende Grund sei, um die rechtliche Regulierung biomedizinischer Forschung und Behandlung menschlicher Reproduktion überflüssig zu machen. Denn rechtliche Regulierung habe ihren Preis: Institutionelle Ressourcen würden allein im oft komplizierten und ausgedehnten Prozess des Beschließens neuer Gesetze oder dem Erzwingen bereits beschlossener Gesetze verbraucht. Auch sei hinsichtlich der Freiheit2 der Patienten, der Anbieter medizinischer Versorgung, der Versuchspersonen und der biomedizinischen Experimente ein Preis zu zahlen. Da, ferner, Gesetze im Vorhinein und in allgemeiner Form formuliert werden müssten, seien sie im Lauf der Zeit etwas unflexibel und berücksichtigten kaum die speziellen Umstände in besonderen Fällen. Demgemäß erwiesen sich Gesetze, die im Allgemeinen nützlich seien, gelegentlich als nachteilig, besonders wenn sie neue Technologien regelten, wo die Risiken und Vorteile noch nicht in verlässlicher Weise bekannt seien. Daher würde man es vorziehen, entweder keine Regelung oder eine Art informeller Regelung zu 647 648
Vgl. Wellman (1994), S. 109. Vgl. Wellman (1994), S. 110.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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haben. Eine Gesellschaft könne aber wichtige und potentiell gefährliche Eingriffe nur dann in sicherer Weise rechtlich ungeregelt lassen, wenn es einen hinreichenden Grad moralischen Konsenses gebe, so dass zu erwarten sei, dass die Einzelnen ohne eine Regelung moralisch handelten; oder wenn man sich darauf verlassen könne, dass eine formlosere Regelung moralisch fortschrittlich sei. Unglücklicherweise könne eine rechtliche Regelung in Bereichen menschlichen Verhaltens notwendig sein, wo Freiheit 1 (liberty) oft missbraucht werde und wichtige moralische Werte oft in Gefahr seien. Wahrscheinlich sei der Zweck der Hervorbringung und Erzwingung von Gesetzen, die die Erfüllung moralischer Pflichten erforderten und moralisch unrichtige (wrong) Handlungen verböten, das Zunehmen der pflichtgemäßen Handlungen und die Verringerung des Unrechttuns (wrongdoing). 649 Erzwingung allein sei aber nicht hinreichend, um dieses Ziel zu erreichen. Die meisten von jenen, für die das Recht (law) gelte, müssten glauben, dass es moralisch gerechtfertigt sei, so dass sie wenigstens das Recht befolgten und bestenfalls unterstützten. Wellman erwähnt auch spezielle Kontexte innerhalb des Rechts, in denen spezielle Gründe, einen moralischen Konsens in Bezug auf technische Eingriffe in die menschliche Reproduktion zu wollen, gelten. Den ersten Kontext bildet die Gesetzgebung, den zweiten dierichterliche Entscheidung. (1.2) Warum Gesetzgeber einen moralischen Konsens suchen - Gesetzgeber wollten geradezu einen moralischen Konsens unter sich erreichen, um jene institutionellen Kompromisse durchführbar zu machen, die notwendig seien, um Gesetze nach der Mehrheitsregel zu erlassen und um die Gefahr auszuschließen, dass sie bei einer Abstimmung für die notwendigen legalen Regelungen isoliert und zum Mittelpunkt des Missfallens ihrer Wähler würden. Letztere Überlegung erkläre, warum die Gesetzgeber auch einen moralischen Konsens unter ihren Wählern haben wollten. (1.3) Warum sich richterliche Entscheidung am moralischen Konsens orientieren sollte - Der Kontext derrichterlichen Entscheidung liefere ganz andere Überlegungen. Jede genaue Untersuchung neuerer Fälle im Recht, das sich mit der Medizin befasse (medical law), ergebe, dassrichterliche Entscheidungen oft von moralischen Beurteilungen abhingen. Wellman stellt die Frage, welche moralischen Beurteilungen in die Gerichte geeignet eingeführt werden könnten. In den Vereinigten Staaten von Amerika hätten Richter oft, und seiner Meinung nach zu Recht, argumentiert, dass die Gerichte sich auf die öffentliche Moralität und nicht auf die moralischen Überzeugungen der Richter, die den Vorsitz hätten, berufen sollten. Es scheine zumindest zwei wichtige Gründe zu geben, dieses Prinzip zu übernehmen. Erstens sei die zentrale Funktion eines Gerichts, 9
V g l . Wellman ( 1 9 ) , S. 1 1 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Kontroversen friedlich zu lösen. Während die moralischen Überzeugungen des Richters oft persönlich wären und nicht von beiden Parteien geteilt würden, könnte die öffentliche Moralität, sofern sie existiere, durchaus von den Parteien geteilt werden. 650 Zweitens sei legale Gewissheit (legal certainty) von großem Wert in einer Gesellschaft. 651 Im Recht werde der Grad der Gewissheit am Grad der Zuversicht gemessen, mit der man voraussagen könne, wie das Recht auf zukünftige Fälle angewandt werden sollte und werde. Bestehe Ungewissheit im Recht, könnten jene, für die es gelte, nicht wissen, wie sie mit diesem Recht konform handeln sollten oder wie sie sich vor Strafen schützen könnten, die für Handlungen auferlegt würden, welche im Nachhinein als illegal verurteilt werden könnten. Die Gewissheit sei viel größer, wenn sich die Gerichte auf die öffentliche Moralität beriefen, die einen moralischen Konsens innerhalb der Gesellschaft reflektiere, als wenn die Richter sich auf ihre eigenen moralischen Ansichten beriefen. (2) Schwacher Konsens - Wellman stellt dann die Frage, wie das Recht zum moralischen Konsens beitragen kann, der für das Recht so wichtig ist. Zunächst versucht er die Art von Konsens zu definieren, die er im Sinn hat. Den Gegenstand des Interesses bildet dabei die Moralität technischer Eingriffe in die menschliche Reproduktion. Wellman schätzt, dass das höchste, was man erwarten kann, ein schwacher Konsens über spezifische moralische Prinzipien ist, die solche Eingriffe betreffen (z.B. dass Versuche am menschlichen Embryo bis zum vierzehnten Tag der Schwangerschaft moralisch zulässig sind etc.). Eine größere Übereinstimmung über grundlegende ethische Theorien, aus denen man diese Prinzipien ableiten könnte, scheine jenseits der Reichweite des Rechts zu liegen und in jedem Fall unrealistisch.652 Eine oberflächliche Übereinstimmung in jedem einzelnen Eingriff scheine durch die Veränderlichkeit der besonderen Umstände und der Unterschiedlichkeit der Standpunkte, von denen aus diese Fälle betrachtet würden, ausgeschlossen zu sein. Vermutlich sei der Umfang jedes Konsenses, der aus einem gegebenen Rechtssystem resultiere, auf den Zuständigkeitsbereich dieses Rechtssystems beschränkt. Überdies könne man auch schwer auf Einstimmigkeit selbst innerhalb einer einzelnen Gesellschaft hoffen. Man könne höchstens auf weitverbreitete Übereinstimmung hoffen.
(2.1) Wie lässt sich dieser schwache Konsens in der richterlichen Argumentation erreichen? - Wellman stellt dann die Frage, wie wir hoffen könnten selbst diesen bescheidenen moralischen Konsens durch das Recht zu erreichen. Eine Möglichkeit sei zu argumentieren, dass jede gültige richterliche Entscheidung auf einer autoritativen legalen Quelle oder mehreren gründen müsse. Jede richterliche Entscheidung wende eine bestimmte legale Regel auf den gerichtlich 650 651 652
Vgl. Wellman (1994), S. 111 f. Vgl. Wellman (1994), S. 112. Vgl. Wellman (1994), S. 113.
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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verhandelten Fall an. Wenn dierichterliche Argumentation die breite Öffentlichkeit überzeugen könnte, dass diese legale Regel eine vergleichbare moralische Regel widerspiegle, dann wäre das Resultat genau der schwache Konsens, den wir suchten. Rechtlich begründe das Gericht die Regel, die es anwende durch die autoritativen legalen Quellen. Dies könne nur dann zu einer moralischen Schlussfolgerung führen, wenn diese legalen Quellen insofern moralisch akzeptiert seien, als sie moralische Regeln oder Prinzipien mit einem ähnlichen Inhalt widerspiegelten. Wellman bemerkt, dass dies manchmal der Fall sei und dass die Bürger oft der Meinung seien, die grundlegenden Prinzipien ihrer Verfassung und viele Gesetze und Regeln des Gewohnheitsrechts hätten einen moralisch gültigen Inhalt. Es gebe auch eine andere Art, in der die richterliche Argumentation, durch die eine Entscheidung begründet sei, möglicherweise einen moralischen Konsens erreichen könnte. Was Begründung (grounding) erfordere, sei die Anwendung einer Regel auf einen strittigen Fall. Daher müsse die richterliche Argumentation sowohl die Fakten des Falles als auch die Quellen der Regel, die sie anwende, beachten. Oft werde angenommen, dass faktische Information aufgrund von Implikationen, die die Interessen der Parteien vor Gericht oder das öffentliche Wohlergehen oder die soziale Gerechtigkeit beträfen, legale Relevanz hätten.653 Nun seien diese sowohl moralisch als auch legal relevante Faktoren. Folglich könne dierichterliche Begründung, indem sie faktische Information enthülle, die von der breiten Öffentlichkeit als moralisch relevant anerkannt werden könne, in einer Art und Weise, die die anwendbare Regel unterstütze, ebenfalls einen moralischen Konsens über diese Regel erreichen. 654 (2.2) Wie lässt sich dieser schwache moralische Konsens im Verfahren Gesetzgebung erreichen? - Ein zweiter Zugang zum moralischen Konsens sei durch das Verfahren der Gesetzgebung. Die Gesetzgebung spiegle, zumindest in einer demokratischen Gesellschaft, einen Kompromiss zwischen den diversen Präferenzen und Interessen ihrer Mitglieder wider und man erwartet, dass sie dies auch tut. Obwohl die legale Gültigkeit irgendeines Gesetzes nicht von seiner Begründung (grounding) abhänge, werde sein Erlass in der Praxis einen Kompromiss verlangen, der in hohem Grad durch Diskussion und Argumentation zwischen den Gesetzgebern und in weiterem Umfang innerhalb ihrer Wählerschaft erreicht werde. Diese gesetzgebende Argumentation könnte auch einen 653
Vgl. Wellman (1994), S. 114. Wellman bemerkt, dass dieses optimale Ergebnis keineswegs zwangsläufig sei. Alles, was die legale Gültigkeit erfordere, sei, dassrichterliche Begründung auf legal autoritativen Quellen begründet sei. Diese legalen Grundlagen müssten nicht für den Richter moralisch akzeptabel sein, noch weniger für die breite Öffentlichkeit. Und die legale Relevanz faktischer Information müsse nicht irgendeine moralische Relevanz implizieren, weil positives Recht eine menschliche Erschaffung sei, die anders sein könnte als sie sei und daher nicht mit der Moralität übereinstimmen müsse. 654
de
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
moralischen Konsens in Bezug auf die Angelegenheit hervorbringen, die zur Debatte stehe. Wellman stellt daraufhin die Frage, wo denn ein moralisches Element in den politischen Kompromiss eintrete. Die Interessen, die in einen institutionellen Kompromiss integriert werden sollten, seien nicht rein egozentrisch und materialistisch. Die Präferenzen jener, die durch die Gesetzgeber repräsentiert würden, spiegelten sowohl ihre moralischen Überzeugungen als auch ihre engeren ökonomischen Interessen wider. Überdies könne ein Kompromiss bis zu dem Grad, zu dem er die Präferenzen und Interessen all jener, die von ihm betroffen seien, wirklich widerspiegle, soziale Gerechtigkeit behaupten. Daher werde es eine Tendenz geben, dass Kompromisse in der Gesetzgebung moralische Überlegungen widerspiegelten und durch sie gerechtfertigt seien. Ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger, seien die Mittel, durch die Kompromisse in der Gesetzgebung (legislative compromises) erreicht würden. Argumentationen in der Gesetzgebung (legislative reasoning) könnten nur dann erfolgreich sein, wenn politische Diskussion es fertig bringe, die Meinung jener zu ändern, die gegen das vorgeschlagene Gesetz seien. Moralische Argumente würden eine führende Rolle in jeder ernsten politischen Kontroverse spielen. Daher könne ein akzeptabler Kompromiss in der Gesetzgebung nur dann erzielt werden, wenn ein beträchtlicher Grad moralischer Übereinstimmung während der politischen Debatte erreicht werden könne. Wellman weist darauf hin, dass ein Kompromiss kein Konsens ist. 655 Man werde den Verdacht haben, dass die politischen Debatten und Argumentationen in der Gesetzgebung, die zu einem institutionellen Kompromiss führten, nur gelegentlich irgendeinen bedeutenden moralischen Konsens hervorbringen würden. Sowohl Argumentationen in den Gerichten als auch in der Gesetzgebung hätten das Potential, einen bescheidenen moralischen Konsens zu erreichen. (3) Schlussfolgerung - Wellman schlussfolgert, es sei vernünftig zu hoffen, aber nicht zu erwarten, dass wir oft einen moralischen Konsens durch legale Argumentation erreichen könnten. Oft könne man erfolgreich sein und sei es auch. Wenn rechtliches Argumentieren zu einem moralischen Konsens beitrage, so liege der Grund darin, dass es ein kleiner Teil eines viel größeren moralischen Diskurses sei. 656 655
Vgl. Welman (1994), S 115. Wellman analysiert dann im Folgenden, ob und wie sich in moralischer Argumentation ein Konsens gewinnen lässt. Im Rahmen dieser kurzen Darstellung können nur einige, wenige Auszüge aus Wellmans Erörterung dieser Frage wiedergegeben werden. Wellman bemerkt, dass man zu vielen, jedoch partiellen und fragmentarischen Übereinstimmungen gelange, wenn man mit anderen über moralische Fragen wie jene, die durch neue Reproduktionstechnologien gestellt würden, diskutiere. Auf der Basis vieler solcher partieller und fragmentarischer Übereinstimmungen hoffe man in der rationalen Argumentation einen größeren, unvermeidlich unvollständigen moralischen 656
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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hh) Moralische Rechte als Gründe für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte Weitere Zusammenhänge zwischen Recht und Moral spricht Wellman, wie wir vorhin gesehen haben, in „The Proliferation of Rights" an. 6 5 7 Einige Beispiele seien hier genannt: Erstens bemerkt Wellman dort, dass die zahlreiche Vermehrung (proliferation) von Rechten in der Moral und im Recht Hand in Hand gehen, weil moralische Reformer oft die Einführung eines neuen legalen Rechts als notwendig fordern, um ein angebliches, bis dahin nicht anerkanntes Konsens zu erreichen. Vgl. Wellman (1994), S. 115 f. In Bezug auf die Frage, wie man dies erreicht, weist Wellman auf zwei Aspekte der moralischen Argumentation hin. Erstens weist er unter anderem darauf hin, dass Argumentieren ein sozialer Prozess ist und dass man im Streben nach einem weiten Uberlegungsgleichgewicht auf sozialer Ebene ein kohärentes Bild aus Übereinstimmungen und Meinungsverschiedenheiten zu formen versucht. Vgl. ebd., S. 116. Zweitens weist Wellman darauf hin, dass der moralische Diskurs ein ständiger Prozess der Anfechtung und Verteidigung akzeptierter Ansichten sei und dass man hoffen könne, dass dieser Prozess unter jenen, die ein weites Überlegungsgleichgewicht suchten, Meinungsverschiedenheiten reduzieren und zu einem Konsens tendieren werde. Wellman bemerkt dann, dass es im weiten Überlegungsgleichgewicht einen Ausgangspunkt und eine Grundlage für jede Gruppe gebe, die moralische Fragen diskutiere: Es seien jene moralischen oder nichtmoralischen Übereinstimmungen, die sie untereinander feststellten. Vgl. ebd., S. 119. Aber auch diese Übereinstimmungen könnten angefochten werden. In jeder konkreten Erfahrung gebe es aber etwas, das jenseits aller Anfechtung liege. Diese sehr speziellen Erfahrungen und nicht unsere allgemeinsten und abstraktesten Theorien bildeten die letzte Grundlage aller rationalen Rechtfertigung. Diese sehr speziellen Erfahrungen könnten jedoch nur dann in rationaler Rechtfertigung fungieren, wenn sie durch unbezweifelte, aber nicht unzweifelhafte Ansichten ergänzt würden. Wellman ytrtritt folgende Meinung: Unser Glaube, dass moralische Argumentation zu einer Übereinstimmung tendiere, sei gerechtfertigt und jede verbleibende Meinungsverschiedenheit sei hauptsächlich das Resultat nichtrationaler Faktoren. Vgl. ebd., S. 120. Dies sei erstens eine Voraussetzung deontologischer Ausdrücke. Behaupte man, dass eine Handlung moralischrichtig(right), unrichtig (wrong), geboten oder unerlaubt sei, so erhebe man implizit einen Anspruch auf Rationalität, was wiederum einen Anspruch darauf enthalte, dass alle normalen Personen in Anbetracht des unbeschränkten Prozesses der Anfechtung und Erwiderung übereinstimmten. Zweitens bilde die moralische Wahl (moral choice) nur dann ein Problem, wenn man voraussetze, dass es eine genuine objektive Unterscheidung zwischenrichtiger (right) und unrichtiger (wrong), rational gerechtfertigter und nicht gerechtfertigter Wahl gebe. Die Objektivität dieser Unterscheidung erfordere, dass alle normalen Personen sie am idealen Limit der Argumentation in derselben Weise machten. Würde man den Anspruch auf objektive Rationalität aufgeben, würde man einen bedeutenden Teil unserer moralischen Sprache seiner Bedeutung berauben und menschliche Entscheidungen auf psychologische Ereignisse reduzieren. Würde man, mit anderen Worten, die Annahme aufgeben, dass moralische Argumentation zu einer Übereinstimmung tendiere, so würde man zugestehen, dass es keine genuine moralische Argumentation und keine moralische Wahl (moral choices) gebe, über die man nachdenken sollte oder sogar könnte. Ein Moralphilosoph könnte behaupten, dass dies so sei, doch niemand würde nach so einer Philosophie leben können. 657 Hier werden einige Punkte wiederholt, die im vorigen Kapitel (B., IL, 5., f) Zur Behauptung moralischer Rechte) erwähnt wurden.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
oder zumindest ungeschütztes moralisches Recht zu schützen.658 Dies erzeuge einen neuen Strang in der jüngsten zahlreichen Vermehrung von Rechten, die Erweiterung der Sprache über Rechte in den politischen Diskurs. 659 Immer mehr soziale und politische Debatten beriefen sich auf angebliche moralische Rechte und unterstützten die Hervorbringung neuer legaler Rechte. Eine Argumentation dieser Art setze voraus, dass das behauptete moralische Recht wirklich sei, dass es wirklich Schutz erfordere, weil es bedroht sei, und dass das verteidigte legale Recht es effektiv sichern werde. 660 In seiner Erörterung drei neuer Bürgerrechte, dem Recht auf nicht rassisch getrennte öffentliche Erziehung, auf Ehe zwischen Partnern verschiedener Rasse und auf bevorzugte Behandlung von Minderheiten, bemerkt Wellman, dass der oberste Gerichtshof (Supreme Court) der Vereinigten Staaten durch seine Anerkennung dieser Rechte in seinen jüngsten Entscheidungen zur zahlreichen Vermehrung legaler Rechte beigetragen habe. 661 Wellman weist auf die wichtige Rolle hin, die angebliche moralische Rechte, im Besonderen Menschenrechte in dieser rechtlichen Entwicklung gespielt haben. Er bemerkt unter anderem, dass diese angeblichen moralischen Rechte als Gründe vorgebracht worden seien, die gerichtliche Argumentation zur Rechtfertigung der Beschließung neuer Bürgerrechte zu akzeptieren oder abzulehnen.662
658 Vgl. Wellman (1999a), S. 5 und 177. Wellman führt folgendes Beispiel an: Jene, die für das Gleiche-Rechte-Amendement (Equal Rights Amendement) zur Verfassung der Vereinigten Staaten eingetreten seien, hätten argumentiert, dass dies notwendig gewesen sei, um Frauen zu ermöglichen, ihre moralischen Rechte auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Arbeitsmöglichkeit und gleiche Repräsentation im Staat und in der Bundesgesetzgebung zu genießen. Vgl. ebd., S. 177. 659 Vgl. Wellman (1999a), S. 5 bzw. 176 f. 660 Vgl. Wellman (1999a), S. 171. Wellman bemerkt, dass das - auch im Folgenden erwähnte - Bürgerrecht auf Ehe zwischen Partnern verschiedener Rasse, das (im Fall „Loving v. Virginia") durch den obersten Gerichtshof (Supreme Court) der Vereinigten Staaten eingeführt worden ist, fast sicher auf diese Weise gerechtfertigt werden kann. Es scheine ein Menschen-Freiheitsrecht zu geben, einen gewillten Partner gegenteiligen Geschlechts zu heiraten oder nicht zu heiraten, gleichgültig ob es irgendein moralisches Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe (same-sex marriage) gebe. Dieses grundlegende moralische Recht sei durch Gesetze in vielen Staaten, die eine Ehe zwischen Personen verschiedener Rasse verboten hätten, verletzt worden. Und dieses neue Verfassungsrecht habe angemessen und effektiv dieses Menschenrecht beschützt, indem es diese Verbote null und nichtig gemacht habe. 661 Vgl. Wellman (1999a), S. 67. Diese Rechte werden im Kapitel B., II., 5., f) „Zur Behauptung moralischer Rechte" erwähnt. 662 Wellman weist auch darauf hin, dass sich in seiner Erörterung dieser Bürgerrechte die rechtliche Relevanz moralischer Rechte und grundlegender Menschenrechte im Besonderen zeigt. Vgl. Wellman (1999a), S. 67 f. So bemerkt er z.B. mit Bezug auf Interpretationen der Gleicher-Schutz-Klausel (Equal Protection Clause) und der Ordentliches-Gerichtsverfahren-Klausel (Due Process Clause) sowie moralischer Begriffe wie ,»Diskriminierung", dass es nicht verwunderlich sei, dass sowohl die moralischen Diskussionen in der politischen Arena als auch die vor Gericht verhandelten
II. Darstellung einzelner Punkte aus Wellmans Theorie moralischer Rechte
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Ein weiterer Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich in Wellmans Erörterung eines Kritikpunktes an der zahlreichen Vermehrung legaler Rechte. Es sei kritisiert worden, dass sie das Rechtssystem der Vereinigten Staaten überlaste.663 Die Kritiker dieser zahlreichen Vermehrung von Rechten argumentierten, es sei besser, legale Rechte auf eine überschaubare Anzahl sehr wichtiger Rechte zu beschränken.664 Es bliebe dann die Frage, welche legalen Rechte am wichtigsten seien. Wellman bemerkt, dies werde einerseits von Nützlichkeitsüberlegungen, andererseits aber auch von moralischen Gründen für oder gegen eine vorgeschlagene Reform des Rechtssystems abhängen: Ob sie das Recht (law) mehr oder weniger gerecht machen würde und ob sie irgendein moralisches Recht schützen oder verletzen würde. 665 Ferner sei erwähnt, dass Wellman in „The Proliferation of Rights" verschiedene Kategorien von Rechten erörtert. 666 In seiner Erörterung der für bzw. gegen diese Rechte vorgebrachten moralischen und legalen Argumentationen zeigen sich verschiedene Zusammenhänge zwischen Recht und Moral. 667 Argumente oft die Existenz grundlegender moralischer Rechte voraussetzten. Vgl. ebd., S. 67 f. 663 Vgl. Wellman (1999a), S. 169. Da z.B. jedes neue Recht die Grundlage für eine neue Menge an Prozessen bilde, führe die bloße Anzahl von Rechten zu unerträglichen Verzögerungen bis die erste Verhandlung vor Gericht stattfinden könne. Ferner schienen viele neue Rechte mit bestehenden Rechten oft zu konfligieren und die Einführung neuer Rechte führe zu einer maximalen Beanspruchung der Durchsetzung von Rechten, was auf Kosten der Durchsetzung älterer und wichtigerer Rechte gehen könne. 664 Vgl. Wellman (1999a), S. 169. Wellman führt folgendes Argument an: Die rechtlichen Ressourcen würden immer relativ zur Nachfrage nach denselben knapp sein und es gebe viele Bereiche des menschlichen Verhaltens, in denen eine rechtliche Intervention nicht effektiv sein werde oder sogar schädlich sein könnte. 665 Dabei bemerkt Wellman, dass keine generelle Beurteilung neuer legaler Rechte angemessen wäre; wir sollten eher jedes legale Recht, ob alt oder neu, anhand seiner eigenen Leistungen beurteilen. Vgl. Wellman (1999a), S. 169. 666 Er erörtert in verschiedenen Kapiteln die Entwicklung der Menschenrechte, neue Bürgerrechte, Frauenrechte, Tierrechte, und neue medizinische (medical) Rechte. 667 In seiner Erörterung des vorhin genannten neuen Bürgerrechts auf nicht rassisch getrennte Erziehung erörtert Wellman die legale Argumentation und daraufhin die moralischen Voraussetzungen der legalen Argumente. Vgl. Wellman (1999a), S. 46. Z.B. weist er darauf hin, dass die verschiedenen Interpretationen der Gleicher-Schutz-Klausel (equal protection clause) verschiedene Auffassungen sozialer Gerechtigkeit widerspiegeln. In seiner Erörterung des neuen Bürgerrechts auf Ehe zwischen Partnern verschiedener Rasse untersucht Wellman zunächst legale Fragen und daraufhin die zugrunde liegenden moralischen Ansichten. Vgl. ebd., S. 54. Z.B. untersucht er im Rahmen der Frage, warum die Ehe zwischen Weißen und Afroamerikanern als unmoralisch erachtet werden könnte, bestimmte religiöse Ansichten und Argumente einiger Richter gegen ein solches Recht. Wellman geht auch der Frage nach, ob das im Artikel 16 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" erwähnte Recht auf Ehe und Familie ein wirkliches Recht ist. Vgl. ebd., S. 56. In der Erörterung des Rechts auf Mutterschaftsurlaub und der Argumente in der feministischen Diskussion stellt Wellman z.B. die Frage nach der moralischen Grundlage, die am besten die Forderung
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Mit dieser Wiedergabe von Wellmans Erörterungen einiger Zusammenhänge zwischen Recht, Moral und Moralität wird die Darstellung seiner Theorie moralischer Rechte abgeschlossen.
IQ. Analyse In dieser Darstellung wurde der Versuch unternommen, ein einigermaßen vollständiges Bild von Wellmans Theorie moralischer Rechte wiederzugeben. Dabei wurde so verfahren, dass zuerst mit der Darstellung des Aufsatzes „A new Conception of Human Rights" ein kurzer Überblick über Wellmans Theorie und Verfahren gegeben wurde und daraufhin zu einzelnen Punkten Wellmans detailliertere Ausführungen aus seinen späteren Werken wiedergegeben wurden. Nach bisheriger Kenntnis liegt weder eine ähnliche Gesamtdarstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte noch Sekundärliteratur vor, die eine genauere und detaillierte Analyse seiner Theorie moralischer Rechte zum Gegenstand hat. Aus der Darstellung geht hervor, dass Wellmans Theorie mehreres leistet. Erstens versucht sie nachzuweisen, dass ein legales Recht ein komplexes Gebilde mit einer bestimmten Struktur ist. Wellmans Theorie liefert ein Modell eines Rechts, das diese Komplexität widerspiegelt und ihre Struktur und Einheit zu erfassen versucht. Diese Leistung unterscheidet Wellmans Theorie von den meisten anderen Theorien legaler und moralischer Rechte. Zweitens versucht sie nach der Vorlage des Begriffs eines legalen Rechts, den Begriff eines moralischen Rechts zu bestimmen. Wellman zeigt, wie sich analog zu den legalen
nach angemessenem Mutterschaftsurlaub begründet. Vgl. ebd., S. 83. In seiner Erörterung des neuen medizinischen legalen Rechts, nicht ohne informierte Einwilligung behandelt zu werden, untersucht Wellman die legalen Grundlagen und die moralische Rechtfertigung dieses legalen Rechts, darunter auch das Argument einiger Moralphilosophen, die behaupteten, dass die moralische Rechtfertigung für das Haben eines solchen Rechts parallel zu seinen legalen Grundlagen laufe. Vgl. ebd., S. 139. In Bezug auf das Recht zu sterben und den Appell eines Richters an die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, weist Wellman auf die zugrunde liegende Frage hin, warum das Leben heilig oder unantastbar ist. Vgl. ebd., S. 145. In Bezug auf das Recht auf Selbstmord durch Beihilfe weist Wellman auf die moralische Frage hin, die sich unabhängig davon stellt, ob die staatliche Gesetzgebung Selbstmord durch Beihilfe verbietet oder erlaubt: Ob es ein legales Recht auf Selbstmord mit ärztlicher Beihilfe geben sollte. Vgl. ebd., S. 150. Wellman erörtert unter anderem auch die Frage, warum, auch wenn man annimmt, dass ein solches moralisches Recht existiert, nicht notwendig folgt, dass dieses Recht durch ein ähnliches legales Recht geschützt werden sollte: weil z.B. argumentiert werde, dass ein solches legales Recht in vielen Fällen moralisch zuwiderlaufende Konsequenzen hätte. Vgl. ebd., S. 153 f. In Bezug auf bestimmte Rechte auf medizinische Versorgung in den Vereinigten Staaten (den Rechten auf Behandlung im Notfall, auf finanzielle Unterstützung im Rahmen von Medicare bzw. von Medicade) erörtert Wellman Argumente in der moralischen Debatte, wonach diese Rechte moralisch unangemessen oder sogar ungerecht sind. Vgl. ebd., S. 161.
III. Analyse
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Positionen im Bereich des Rechts (law) moralische Positionen im Bereich der Moral bestimmen lassen. Er definiert analog zu seinem Modell eines legalen Rechts ein Modell eines moralischen Rechts. Seine allgemeine Auffassung eines Rechts enthält die Analogien, die zwischen seinem Modell eines legalen Rechts und seinem Modell eines moralischen Rechts bestehen. Drittens erläutert er Funktion und Verwendung seiner Theorie. Hier erläutert er, in welchem Sinn seine Theorie eine adäquate Interpretation von Rechten ermöglicht, inwiefern sie Rechte präziser als die gewöhnliche Sprache über Rechte zu erfassen ermöglicht und inwiefern sie Urteile über die Existenz moralischer Rechte ermöglicht. Zu Wellmans Zielen zählt erstens die Erklärung der Voraussetzungen oder Gründe der Möglichkeit und Existenz moralischer Rechte sowie des Kontexts, in dem die Rede von moralischen Rechten Sinn ergibt. Zweitens versucht er ein Modell zu liefern, das ihren Aufbau, ihre komplexe Struktur und ihre verschiedenartigen Elemente exakt zu erfassen erlaubt. Dieses Modell soll in interpretativer Anwendung eine präzise Formulierung des Inhalts konkreter moralischer Rechte ermöglichen. In seiner Erklärung der Möglichkeit und Existenz moralischer Rechte, versucht Wellman zu zeigen, wie im Kontext von Willenskonflikten konkrete Fakten in Verbindung mit bestimmten vorausgesetzten Werten als moralische Gründe moralischer Positionen und, darauf aufbauend, moralischer Rechte verstanden werden können. Daran orientiert sich auch die folgende Analyse, die sich hauptsächlich mit Wellmans Modell eines moralischen Rechts sowie der Möglichkeit einer Begründung und Klärung der Existenz moralischer Rechte befasst. In dieser Analyse wird unter anderem folgenden drei Fragen nachgegangen, in denen jeweils ein Teil der Wellmanschen Theorie moralischer Rechte behandelt wird: (1) Wie moralische Gründe und vorausgesetzte Werte unser Handeln bestimmen, (2) wie sie moralische Positionen bestimmen und (3) wie sie moralische Rechte bestimmen oder begründen können. Dabei wird zuerst auf seine Ausführungen zu den moralischen Gründen und Positionen und anschließend auf seine Ausführungen zum Modell eines Rechts und zur Existenz und Interpretation moralischer Rechte eingegangen. Wellmans Theorie moralischer Rechte baut in vielerlei Hinsicht auf seiner Theorie der Rechtfertigung im Bereich der Ethik auf, die er in einer früheren Schrift dargelegt hat. Darin setzt sich Wellman mit verschiedenen Arten von Rechtfertigung auseinander, analysiert verschiedene Komponenten der Rechtfertigung ethischer Aussagen und entwickelt eine eigene Theorie der Rechtfertigung. Dabei thematisiert er Fragen, die in Bezug auf seine Theorie moralischer Rechte in mancher Hinsicht übergeordneten Charakter haben. Seine Theorie der Rechtfertigung in der Ethik bildet ein eigenes Thema, das aufgrund seines Umfangs und seiner Komplexität in dieser Arbeit nicht adäquat berücksichtigt werden kann.111
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
1. Zu den moralischen Gründen und Positionen a) Moralische und vorausgesetzte
Gründe
Als Erstes wird der Frage nachgegangen, wie moralische Gründe Handlung und damit unser Verhalten bestimmen. Wellman versucht in seiner Theorie zunächst zu erklären, in welcher Weise moralische Gründe für unser Handeln bestimmend sind. Die Klärung der Art, in der moralische Gründe auf Handlung Anwendung finden oder für Handlung gelten und der Art, in der sie das Verhältnis der Handelnden zueinander bestimmen, soll in weiterer Folge die Art klären, in der moralische Gründe die Behauptung moralischer Rechte ermöglichen. Als Erstes ist es sinnvoll kurz zu rekapitulieren, was Wellman unter moralischen Gründen versteht. Moralische Gründe sind Gründe für Handlungen bzw. Reaktionen oder für Unterlassungen von Handlungen bzw. Reaktionen. Moralische Gründe sind damit Gründe von moralischen Positionen bzw. Rechten, da Handlungen bzw. Reaktionen als Gegenstände von moralischen Positionen bzw. Rechten gedacht werden. Da man auch unter einer Reaktion eine Handlung verstehen kann, wird im Folgenden oft nur von einem moralischen Grund für Handlung bzw. Unterlassung die Rede sein. Wie wir gesehen haben, orientiert sich Wellmans Erklärung moralischer Rechte am Recht (law), den legalen Normen und den legalen Rechten. Er zeigt, dass bestimmte Analogien in der Art der Geltung legaler und moralischer Normen für das Verhalten von Handelnden in bestimmten Arten von Situationen bestehen. Während die Normen des Rechts (law) für das Verhalten bestimmter, in seinem Geltungsbereich stehender Handelnder in Form bestimmter legaler Positionen gelten, gelten moralische Gründe in Form moralischer Positionen für jeden Handelnden. Wellman argumentiert, dass im Unterschied zu den Normen im Bereich des Rechts, die in konkreten Gesetzen bestehen, die Normen im Bereich der Moral moralische Gründe sind. Die Argumente dafür, dass moralische Normen die Beschaffenheit moralischer Gründe haben, gewinnt er aus seiner Untersuchung der Auffassungen moralischer Normen als moralischer Regeln bzw. moralischer Prinzipien und der Aufdeckung der Schwächen dieser Auffassungen. 668 Moralische 668
Wellman gelangt in seiner Auseinandersetzung mit diesen Auffassungen zu den einfachsten hinreichenden Voraussetzungen (i) der Beurteilung des moralischen Richtigseins oder Falschseins von Handlungen, (ii) der logischen Gültigkeit moralischer Argumente, (iii) der Entscheidung moralischer Konflikte sowie (iv) der Behauptung, Aufhebung, Änderung oder Ersetzung moralischer Regeln oder Prinzipien. Vgl. Wellman (1985), S. 127-130, bzw. (1971), S. 3-31 (vgl. hier das Kapitel B., II., 1., b), Abschnitt: „Moralische Gründe statt moralische Regeln oder Prinzipien"). - Man kann am Rande auch auf ähnliche Argumente anderer Autoren verweisen. Kutschern z.B. bemerkt in (1982), S. 32 f.: „Man führt für dieses Prinzip [sc. das Generalisierbarkeitspostulat] oft folgendes Argument an: Moralische Urteile lassen sich nur durch generelle moralische Prinzipien begründen, die als solche keinen Unterschied machen. ... Dieses Argument ist jedoch nicht stichhaltig: Eine deduktive Begründung aus allgemeinen Prinzipien ist nur eine Form der Begründung unter anderen. Sie spielt in
III. Analyse
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Gründe bilden die letzten und einfachsten hinreichenden Voraussetzungen, von denen man in der moralischen Argumentation ausgeht. Moralische Gründe sind insofern argumentativer Natur; sie „existieren" in der moralischen Argumentation und bilden wesentliche Bestandteile derselben. Den Grund und Gegenstand der hier relevanten moralischen Argumentation bilden jene Situationen, in denen moralische Positionen und Rechte ihren Ort haben: Situationen, in denen Willenskonflikte zwischen zwei oder mehreren Parteien gegeben oder möglich sind. 669 Willenskonflikte lassen sich als das Problem begreifen, dessen Lösung oder Vermeidung moralische Gründe und ihre Anwendung in Form moralischer Positionen und Rechte ermöglichen. Wellman charakterisiert die Beschaffenheit moralischer Gründe hinsichtlich ihrer Funktion und Anwendung folgendermaßen: Moralische Gründe sind wesentlich soziale Gründe mit einer „doppelAspekt-Beschaffenheit", d.h. Gründe für den Handelnden, der in Gemeinschaft mit anderen lebt, zu handeln und für andere, auf die Handlungen oder Unterlassungen des Handelnden zu reagieren. Wellman unterscheidet zwei qualitativ unterschiedliche Komponenten der Beschaffenheit und in gewisser Hinsicht auch der Existenz moralischer Gründe: eine faktische und eine normative Komponente. Moralische Gründe sind Fakten über eine Handlung und die Umstände, wissenschaftlichen Argumentationen sicherlich eine große Rolle, aber allgemeine Prinzipien sind keineswegs immer evidenter als singuläre Aussagen; in den empirischen Wissenschaften stützen sie sich vielmehr auf diese. Wenn also »begründen4 soviel heißt wie »einsichtig machen', so können moralische Urteile auch durch singuläre Sätze begründet werden. Dass Folterungen generell ein Unrecht darstellen, wird man z.B. kaum als evidenter ansehen als die Tatsache, dass eine bestimmte Folterung ein Unrecht ist." Wellmans Auseinandersetzung mit den genannten Auffassungen in (1985) bildet ein eigenes Thema mit etlichen Aspekten, dessen genauere theoretische Erörterung zu umfangreich wäre und daher in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden kann. In einer solchen Erörterung wäre auch zu berücksichtigen, dass Wellman in seinem späteren Werk (1995), worauf im Folgenden eingegangen wird, den Begriff „moralischer Grund" in einem speziellen theoretischen Rahmen erklärt: dem Rahmen einer teleologischen Theorie. In diesem werden moralische Gründe in den Konsequenzen konkreter Handlungen unter Voraussetzung bestimmter Werte gesehen. Insofern wäre auch zu erörtern, wie eine Argumentation gegen Regeln und Prinzipien innerhalb des teleologischen Rahmens verlaufen würde und was dabei alles zu berücksichtigen wäre. Eine solche Erörterung nimmt Wellman selbst nicht vor. Eine der Fragen, die vermutlich hierbei zu berücksichtigen wäre, betrifft die im teleologischen Modell vorausgesetzten außermoralischen Werte. Wenn diese in irgendeiner Hinsicht objektiv gültig gedacht würden und, sofern es mehrere sind, eine Rangordnung unter ihnen bestünde, gäbe es dann nicht z.B. sehr allgemein formulierte moralische Regeln oder Prinzipien, die bestimmten, welche Werte welchen anderen stets vorzuziehen seien? Einige Bemerkungen in den folgenden Endnoten zu den Punkten über den teleologischen bzw. nicht rein utilitaristischen Charakter von Wellmans Theorie erhellen den Hintergrund seiner Auffassung moralischer Normen. 669 Der Begriff eines Willenskonflikts ist in Wellmans Beschreibung eines moralischen Rechts enthalten. Vgl. z.B. Wellman (1985), S. 161. Möglicherweise enthält der Begriff „moralische Position" auch eine Bedeutung, in der kein Bezug zu Willenskonflikten gegeben ist.
3 1 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
unter denen sie geschehen sollte, sie sind als praktische Gründe normativ, 670 und sie sind nicht fakultativ. 671 Wie können aber Fakten normativ sein? In „Real Rights" versucht Wellman moralische Gründe und die Art ihrer Relevanz für unser Handeln unter Zuhilfenahme eines bestimmten Theorietyps zu erklären. 672 Wellman bemerkt, dass so wie moralische Gründe erklärten, warum ein moralisches Recht existiere, müsse es auch fundamentalere Gründe geben, die erklärten, warum ein moralischer Grund ein Grund für Handlung und Reaktion sei. Wellman erklärt moralische Gründe nicht durch vorausgesetzte moralische Normen in Form von Regeln oder Prinzipien. Stattdessen greift er in seiner Erklärung moralischer Gründe auf bestimmte vorausgesetzte nichtmoralische Werte zurück. Bei diesen vorausgesetzten Werten handelt es sich um Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens, um Geselligkeitsfaktoren, im Besonderen um Charakterzüge wie Verantwortlichkeit u.a. und um Einstellungen wie Vertrauen u.a., die Individuen ermöglichen, in wechselseitig lohnender Weise zu interagieren und zu kooperieren, und die aufgrund ihrer Wichtigkeit im menschlichen Leben in der praktischen Argumentation großes Gewicht haben. 673 Demnach enthalten diese vorausgesetzten Werte dasjenige Charakteristikum, das auch moralische Gründe auszeichnet: einen sozialen Charakter. 674 Die Art, in der diese vorausgesetzten nichtmoralischen Werte 675 auf Handlung An670
Vgl. Wellman (1985), S. 122. Vgl. Wellman (1985), S. 132 f. 672 Insofern unterscheidet sich seine Auffassung moralischer Gründe von der aus Wellman (1985). 67 3 Wellman bemerkt in (1995), S. 101, dass die vorausgesetzten Gründe seiner Auffassung nach Werte sind. Obwohl die unmittelbaren (proximate) Gründe moralischer Rechte faktische Gründe seien, seien die Werte, die auf dem Spiel stünden, das, was sie in Situationen, in denen diese Fakten präsent seien, moralisch relevant mache. Zu den wichtigsten dieser Werte zählt Wellman die Geselligkeitsfaktoren. - Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in (1988), in den Abschnitten „Usefül Personality Traits", S. 135 f., und „Hume revised", S. 138 ff., Charakterzüge erörtert. 67 4 Wellman bemerkt, wie wir gesehen haben, dass das, was einen moralischen Grund sozial macht, seine Verbindung mit einem oder mehreren Geselligkeitsfaktoren ist. Vgl. Wellman (1995), S. 42. Zu den wichtigsten vorausgesetzten Gründen, die seiner Ansicht nach Werte sind, zählt Wellman Geselligkeitsfaktoren. Vgl. ebd., S. 101. Ferner bemerkt er, dass diese Werte primär mit Geselligkeitsfaktoren und sekundär mit verknüpften Charakteristika des sozialen Lebens verbunden sind. Vgl. ebd., S. 103. 675 Der Begriff nicht- oder außermoralischer Werte wird auch in anderen Ethiktheorien verwendet. Zum Begriff des nicht- oder außermoralischen Werts im Rahmen teleologischer Theorien vgl. z.B. Frankena. Er schreibt, dass ,,[e]ine teleologische Theorie behauptet, dass das grundlegende Kriterium dafür, was moralisch richtig, falsch, verpflichtend usw. ist, der außermoralische Wert ist, der geschaffen wird. Danach muss man sich, ob direkt oder indirekt, letzten Endes auf die vergleichsweise Summe guter Konsequenzen berufen oder vielmehr auf das vergleichsweise Übergewicht von guten gegenüber schlechten Konsequenzen. ... Es ist hier wichtig zu beachten, dass für einen Teleologen der moralische Wert von Handlungen, Personen oder Charaktereigenschaften von dem vergleichsweisen außermoralischen Wert dessen abhängt, was sie herbeiführen ... Teleologische Theorien machen demnach das Richtige, 671
III. Analyse
317
wendung finden oder für Handlung gelten, erklärt Wellman nicht deontologisch, sondern teleologisch.^ Zugleich weist er darauf hin, dass seine Erklärung nicht rein utilitaristisch ist.v Wellmans Erklärung moralischer Gründe durch vorausgesetzte Werte kann man so verstehen, dass er die moralische Relevanz von Fakten für Handlung und Reaktion durch die vorausgesetzten Werte erklärt. Dieser Zusammenhang bildet einen Teil der teleologischen Erklärung; einen weiteren Teil bildet folgender Zusammenhang: Fakten werden moralisch relevant und damit zu moralischen Gründen für Handlung oder Reaktion, weil Handlungen Werte oder Unwerte hervorbringen. 676 Wellman teilt moralische Gründe in deontologische und axiologische ein und man kann am Rande die Frage stellen, wie sich die Rede von deontologischen Gründen in seine teleologische Theorie fügt. 677 Auf diese Frage geht er nicht ein. Wellman räumt ein, dass er keine systematische und adäquate Erklärung dafür hat, wie alle moralischen Gründe auf vorausgesetzten Werten gründen, deutet aber in der Erörterung von Beispielen an, wie eine solche Begründung verläuft. 678 Im Folgenden wird zunächst der Frage nachgegangen, wie eine solche Erklärung aussieht. Anschließend werden einige Fragen erwähnt, die Wellmans Rekurs auf vorausgesetzte Gründe aufwirft. Zu den Fakten, die kraft vorausgesetzter Gründe zu moralischen Gründen werden, kann man alles zählen, was für Handlung oder Reaktion bzw. Unterlassung von Handlung bzw. Reaktion relevant sein kann, und dazu zählen auch Handlungen. Solche Fakten sind z.B. die Tatsache, dass man verletzbar ist, dass Alkohol am Steuer Leben gefährdet, dass eine Person einer anderen versprochen hat, etwas bestimmtes zu tun, oder dass eine Institution einer Person eine Aufgabe übertragen hat, z.B. dass die Gesellschaft einer Frau die Verantwortung übertragen hat, sich um ihr Kind zu kümmern. Solche Tatsachen oder ihre Konsequenzen sind in einem weiteren Rahmen unter Voraussetzung bestimmter Werte für Handlungen bzw. das Verhalten moralischer Handelnder (moral agents) in bestimmter Weise relevant oder können relevant werden. Worin besteht aber diese Relevanz, oder, wie und in welcher Form werden Tatdas Pflichtgemäße und das moralisch Gute zu einer Funktion des außermoralisch Guten. Sie führen die Theorie moralischer Verpflichtung und die Theorie moralischen Wertes auf die Theorie außermoralischen Wertes zurück. (...) Man sollte jedoch ebenfalls beachten, dass einem Teleologen jede beliebige Auffassung davon, was im außermoralischen Sinn gut ist, offensteht." Vgl. Frankena (1994), S. 32 f. - Wellman erörtert verschiedene Theorien über Werte (theories of value) im Kapitel „The Good" in (1988), S. 79 ff. 676 Vgl. Wellman (1995), S. 103. 67 7 Wellman definiert, wie wir gesehen haben, deontologische Gründe als diejenigen, die richtig- und unrichtig-machende Charakteristika von Handlungen spezifizieren. Vgl. Wellman (1995), S. 45 [bzw. hier das Kapitel B., II., 1., b), Abschnitt: „Zwei Eigenschaften moralischer Gründe"]. Diese Charakteristika werden aber in Wellmans teleologischer Theorie mit Bezug auf vorausgesetzte Werte erklärt. 6
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 101.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
sachen für Handlungen relevant? 679 Diese Relevanz ist sozialer und im Rahmen derselben moralischer Natur; sie zeigt sich in der Gemeinschaft, in der Handelnde miteinander leben. Wellman bemerkt, dass ein faktischer Grund normative Implikationen enthält.680 Die moralische Relevanz von Fakten erklärt er, wie wir gesehen haben, zweifach: Was faktische Gründe moralisch relevant mache, seien die Werte, die auf dem Spiel stünden, in Situationen, in denen diese Fakten präsent seien;681 und ferner: Was ein Faktum zu einem Grund für eine Handlung oder eine Unterlassung einer Handlung mache, seien ein oder mehrere Werte oder Unwerte, die normalerweise durch diese Art Handlung hervorgebracht würden. 682 Wellman erklärt also durch vorausgesetzte Werte die Art, in der Fakten zu moralischen Gründen für Handlung werden können. Wesentlich in dieser Erklärung, warum Fakten moralische Gründe für Handlung sind, ist die Tatsache, dass ihr Bezugspunkt Handlung Konsequenzen für andere Personen und zwischenmenschliche Verhältnisse hat. Diese Konsequenzen erhalten in Bezug auf die vorausgesetzten Werte selbst einen Wert und sind insofern normativ. Auf diese Punkte soll im Folgenden näher eingegangen werden. Wellmans Erklärungen implizieren in Bezug auf das Verhältnis von Handlungen und vorausgesetzten Werten zweierlei: Erstens bilden diese Werte im Rahmen seiner teleologischen Theorie den Grund der moralischen Relevanz von Fakten und damit den moralischen Grund für Handlungen und Reaktionen. Zweitens werden sie durch Handlung gefördert oder es wird ihnen Abbruch getan. Wellman illustriert seine Erklärungen an folgendem Beispiel:683 Wenn jemand seine Frau schlage, dann hätten andere einen Grund ihn zu missbilligen. Was das Schlagen zu einem Grund für Missbilligung mache, sei, dass es gewisse Persönlichkeitsmerkmale wie Aggressivität oder Grausamkeit widerspiegle, die für die Werte der Geselligkeit und, im Speziellen, des vertrauten Soziallebens der Familie destruktiv seien. Diesem Beispiel nach bilden bestimmte Geselligkeitsfaktoren den Grund für die moralische Relevanz und den Bezugspunkt in der Beurteilung der Handlung Schlagen, in der sich die genannten Persönlichkeitsmerkmale zeigen, und ihrer Konsequenzen für die andere Person und ihr beiderseitiges Verhältnis. Die genannten Persönlichkeitsmerk679
Auch andere Autoren thematisieren die Relevanz von Fakten im Rahmen teleologischer bzw. konsequentialistischer Theorien. Lyons z.B. erörtert in seiner Verteidigung von Mills utilitaristischer Theorie auch einen Einwand, der die Rolle von Fakten thematisiert. Vgl. Lyons (1989), S. 213. Die Version einer utilitaristischen Theorie, die Lyons dort verteidigt, enthält moralische Prinzipien und unterscheidet sich schon dadurch von Wellmans Theorie. Lyons argumentiert, dass es schwierig ist einzusehen, wie Fakten sowohl aus Argumenten für moralische Prinzipien als auch aus ihrer Anwendung ausgeschlossen werden könnten. 680 Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 49. 681 Vgl. Wellman (1995), S. 101. 682 Vgl. Wellman (1995), S. 103. 683
Vgl. Wellman (1995), S. 103.
III. Analyse
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male, die Handlung und ihre Konsequenzen kann man zu den Fakten zählen, die - im Rahmen von Wellmans teleologischer Erklärung moralischer Gründe im Licht vorausgesetzter Werte einen Wert oder Unwert erhalten. Die Bewertung der genannten Persönlichkeitsmerkmale, der Handlung und ihrer Konsequenzen als destruktiv erfolgt in Bezug auf die vorausgesetzten Werte. Eine solche Bewertung impliziert eine bestimmte Hinsicht, in der Fakten zu den vorausgesetzten Werten in Beziehung gesetzt (z.B. förderlich sein) und bewertet werden. Diese Hinsicht ist in den Überlegungen der moralischen Handelnden unter anderem durch den (i) praktischen und (ii) sozialen Kontext bestimmt. Im (i) praktischen Kontext spielen Handlungen und ihre Konsequenzen eine Rolle. Fakten sind hier für Handlungen und ihre Konsequenzen relevant. Den Gegenstand der Bewertung nach vorausgesetzten Werten bilden also Handlungen und ihre Konsequenzen. Im (ii) sozialen Kontext sind Handlungen und ihre Konsequenzen für den Handelnden, für andere Personen und ihr wechselseitiges Verhältnis relevant. Handlungen und ihre Konsequenzen werden in ihrer Relevanz für andere Personen und für das Verhältnis des Handelnden zu diesen Personen bewertet. Damit wird der Begriff der Konsequenz hinsichtlich seines Adressaten bestimmt und die Frage beantwortet, in Bezug auf wen oder was Konsequenzen bewertet werden. In welcher Hinsicht werden aber die Konsequenzen einer Handlung für andere und ihr Verhältnis zum Handelnden bewertet? Darüber sagen einerseits die vorausgesetzten Werte etwas aus. Eine Rolle in der Beantwortung dieser Frage dürfte auch (iii) dasjenige Charakteristikum des praktischen und sozialen Kontexts spielen, das die Bestimmung moralischer Positionen und Rechte erforderlich macht, nämlich Willenskonflikte. Handlungen und ihre Konsequenzen für andere und ihr Verhältnis zum Handelnden sind vor dem Hintergrund eines möglichen Willenskonflikts relevant. Dies sind einige Aspekte der Hinsicht, in der Fakten bewertet werden. Möglicherweise lässt sich die Hinsicht, in der Fakten zu vorausgesetzten Werten in Beziehung gesetzt werden noch näher und genauer bestimmen und damit die Frage genauer beantworten, wie und in welcher Weise Fakten unter Voraussetzung bestimmter Werte normative Implikationen haben. Wellmans Erörterung des Beispiels Versprechen in der Erklärung relativer moralischer Pflichten zufolge, erkennt der moralische Handelnde, dass unter Voraussetzung bestimmter Werte einzelne Fakten in Bezug auf seine Handlung und ihre Konsequenzen moralisch relevant sind und damit moralische Gründe, diese Handlung zu tun bzw. zu unterlassen, bilden. Der Versprechensgeber und Verpflichtete erkennt, dass die Tatsache, dass das Nichthalten seines Versprechens seine Geringschätzung gegenüber dem Versprechensempfänger ausdrücken würde, höchst destruktiv für die Kollegialität in ihrem persönlichen Verhältnis ist, die für beide einen Wert darstellt. Auch die anderen erkennen, dass die genannte Tatsache unter anderem mit der Geselligkeit unvereinbar ist, die ebenfalls einen Wert darstellt. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge erklärt die Art, in der die
3 2 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
genannte Tatsache moralisch relevant ist, und damit ihre besondere Form von Wirkung erstens auf das Verhalten des Versprechensgebers in Form einer moralischen Verpflichtung, sein Versprechen zu halten, zweitens auf das Verhalten des Versprechensempfängers in Form einer moralischen Kompetenz, Anspruch auf die Einhaltung des Versprechens zu erheben und, falls der Versprechensgeber sein Versprechen nicht hält, an dritte Parteien zu appellieren, dass diese mit Sanktionen reagieren, und drittens auf das Verhalten dritter Parteien, unter der genannten Bedingung mit Sanktionen zu reagieren. Wellmans Erörterung des Beispiels Versprechen in der Erörterung relativer moralischer Pflichten zufolge erfolgt die genannte Erkenntnis einerseits aufgrund von Klugheit (prudential reason), andererseits in Form von Nichtklugheitsgründen (nonprudential reasons).684 Auf diese Weise werden Fakten in Bezug auf Handlungen und ihre Konsequenzen aufgrund des Werts, den letztere erhalten, moralisch relevant, d.h. zu moralischen Gründen für Handlung oder Unterlassung bzw. für Reaktion. Diese Gründe kann man insofern als moralisch bezeichnen, als die Handlungen, die nach ihnen erfolgen, moralisch richtig sind. 685 Damit ist „morali684 Wellman hat am Beispiel Versprechen erklärt, dass wenn der Versprechensgeber sein Versprechen gegenüber dem Versprechensempfänger nicht halte, obwohl ihn letzterer dazu aufgefordert habe, er (sc. der Versprechensgeber) ihm gegenüber seine Geringschätzung ausdrücke. Vgl. Wellman (1999), S. 220. Die Erkenntnis, dass er durch Ausdruck seiner Geringschätzung letzterem gegenüber, ihrem persönlichen Verhältnis Schaden zufügen würde, was einen bedeutenden Unterschied in Bezug darauf ausmache, ob es ihnen gut oder schlecht ergehe, halte den Versprechensgeber davon ab (restrains); weil er sich um sein eigenes Wohlergehen sorge und bis zu dem Grad, in dem er im Besitz von Klugheit sei, er motiviert sein werde, nicht in einer Weise zu handeln, die sein eigenes Wohlergehen reduzieren werde. Bis zum Grad, in dem der Versprechensgeber rational sei, werde er auch erkennen, dass er einem persönlichen Verhältnis Schaden zufügen werde, das einen bedeutenden Unterschied in Bezug darauf ausmache, ob es dem Versprechensempfänger gut oder schlecht ergehe, und somit werde er einen Nichtklugheitsgrund (nonprudential reason) haben, der seine Verlockung zurückhalten (restrain) werde, sein Versprechen nicht einzuhalten. Auf beide dieser Arten sei dieser Pflicht auferlegende Grund ein praktischer Grund für den Versprechensgeber so zu handeln, wie er moralisch handeln sollte. Vgl. ebd. 685 Am Rande sei erwähnt, dass Wellmans Erklärung moralischer Gründe durch vorausgesetzte Werte in mancher Hinsicht an bestimmte Ausführungen von Mill erinnert. Nach Mill besteht das Gerechtigkeitsgefühl erstens aus dem Wunsch nach Bestrafung desjenigen, der ein Unrecht getan hat, zweitens aus dem Wissen oder Glauben, dass es bestimmte Individuen gibt, denen dieses Unrecht angetan wurde. Vgl. Mill (1985), S. 88. Mills Beschreibung der natürlichen Reaktion auf ein Unrecht, das man uns oder denen, die uns nahe stehen zufügt oder zuzufügen versucht, unterscheidet sich insofern von Wellmans, als er neben Empörung und Zorn auch den Wunsch nach Vergeltung anführt. Vgl. ebd., S. 89. (Nach Mill resultiert der Wunsch nach Bestrafung dessen, der ein Unrecht getan hat, aus zwei natürlichen Gefühlen: des Triebes zur Selbstverteidigung und des Gefühls der Sympathie. Vgl. ebd., S. 88 f.) Mills Erklärung des Wunsches nach Bestrafung erinnert insofern an Wellmans Ausführungen, als er auf ein gemeinschaftliches Element Bezug nimmt. Mill bemerkt, dass dieses Bedürfnis an sich keinerlei sittlichen Gehalt hat. Vgl. ebd., S. 90. Moralisch ist an diesem Bedürfnis, dass es ausschließlich den Gemeinschaftsgefühlen untergeordnet ist und nur durch diese geweckt wird. Wellman rekurriert in seiner Erklärung des moralischen Aspekts
III. Analyse
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sehe Richtigkeit" bis zu dieser Erklärungsstufe konsequentialistisch, und zwar wertbezogen konsequentialistisch definiert. Zu den moralischen Gründen ist demnach Folgendes zu bemerken: Sie liegen in den Konsequenzen von Handlungen.686 Handlungen bilden aufgrund ihrer Folgen oder Konsequenzen den „Gegenstand" der Anwendung oder Gültigkeit moralischer Gründe. Die Konsequenzen einer Handlung können theoretisch unendlich viele sein und eine Vielzahl von Subjekten betreffen. Insofern kann es auch für eine Handlung theoretisch unendlich viele moralische Gründe geben, sie zu tun oder zu unterlassen. Von diesen können dem Handelnden und Reagierenden ebenso viele unbekannt sein. Wenn also von moralischen Gründen für eine Handlung und Reaktion die Rede ist, dann ist diejenige Menge moralischer Gründe gemeint, die dem Handelnden bzw. Reagierenden im Moment der Entscheidung „bewusst" ist. 687 Die Anzahl der Konsequenzen, die dem Handelnden bewusst ist bzw. sein kann, hängt unter anderem von dem in einer Gesellschaft der moralischen Gründe für Reaktion in erster Linie auf Werte, die für das gemeinschaftliche Leben relevant sind, und nicht auf ein Gemeinschaftsgefühl. Allerdings zählt Wellman zu diesen Werten Geselligkeitsfaktoren, insbesondere Charaktereigenschaften, und insofern müssen Gemeinschaftsgefühle nicht ausgeschlossen sein. 686 Hier ist möglicherweise folgender Aspekt zu berücksichtigen. Kutschern bemerkt, dass nach teleologischer Auffassung der Wert eines Handlungssachverhalts vom Wert seiner Resultate abhänge. Vgl. Kutschera (1982), S. 64. Unter einem Handlungssachverhalt versteht er Folgendes: Die Handlung einer Person, diese Sätze jetzt zu Papier zu bringen, sei der Sachverhalt, dass sie diese Sätze jetzt zu Papier bringe. Vgl. ebd., S. 63 f. Dabei dürfe man die Rede von den „Resultaten" nicht zu eng fassen. Denn eine Handlung könne auch in sich, unabhängig von ihren Folgen, einen gewissen Wert haben. Als „Resultate" einer Handlung zählten also nicht nur ihre Wirkungen oder Folgen, sondern auch der Handlungssachverhalt selbst. 687 Diejenigen Konsequenzen, die dem Handelnden oder Reagierenden nicht bewusst oder unbekannt sind, können dies unter anderem aus folgenden Gründen sein: Entweder es fehlt ihm das Wissen um ihre Existenz oder sie sind bisher (entweder überhaupt oder in Zusammenhang mit der konkreten Handlung) noch nie eingetreten. Solche Konsequenzen sind unbeabsichtigt. Man kann hier die Frage stellen, was es bedeutet, dass sich der Handelnde oder Reagierende der Konsequenzen seiner Handlung bewusst ist. Dazu sei folgende Bemerkung aus Kutschera (1982), S. 64, erwähnt: „Nach der probabilistischen Deutung von Werturteilen setzen diese ferner nicht eine Kenntnis der tatsächlichen Resultate einer Handlung voraus, sondern nur Wahrscheinlichkeitsannahmen über diese Resultate. Der Wert einer Handlung ergibt sich nicht aus den Weiten ihrer tatsächlichen Folgen, sondern aus dem ihrer erwarteten Folgen; er ist der bei der Handlung zu erwartende Wert." In ebd., bemerkt Kutschera auf S. 15 f. „... dass unsere Werturteile von unseren Annahmen über die Welt abhängen. (...) Ob esrichtig ist, meinem Nachbarn einen Hammer zu leihen, hängt davon ab, wozu er ihn verwenden will, ob er damit einen Nagel einschlagen oder seine Großmutter töten will. Wir beurteilen Handlungen, wie allgemein Sachverhalte, nicht nach ihrem Wert ,an sich4, sondern nach ihrem Wert unter den tatsächlichen Umständen und im Hinblick auf die tatsächlichen Folgen. Und wenn wir diese nicht kennen, so im Blick auf die voraussichtlichen Folgen. ... Der Wert, den wir einem Sachverhalt A zumessen, hängt also von unseren Annahmen über die Welt ab, von den Wahrscheinlichkeiten, die wir den verschiedenen Realsisierungsmöglichkeiten von A zumessen und deren Wert. Das ist zumindest die teleologische Auffassung von Weiten ..."
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erschlossenen Wissensstand, dem Wissen, das dem Handelnden zugänglich ist, und auch von seinen intellektuellen Fähigkeiten ab. 6 8 8 Die verschiedenen Konsequenzen einer Handlung können verschiedene moralische Gründe bilden, sie zu tun oder nicht zu tun. Wenn z.B. eine allein erziehende Mutter ihr jüngstes Kind, das sich in Lebensgefahr befindet, retten will, so hat die Tatsache, dass sie sich dabei selbst in Lebensgefahr begibt, für sie, aber auch für ihre anderen Kinder und ferner für die Gesellschaft mögliche Konsequenzen. Verschiedene Konsequenzen bringen die Möglichkeit mit sich, sich zwischen ihnen entscheiden und sie gewichten zu müssen.689 Dies wirft die Frage auf, ob es ein Kriterium für die Entscheidung gibt.vl In Bezug auf die Bewertung der KonsequenWellman bemerkt in (1971), S. 272, zu diesem Thema: Eine Theorie der Verpflichtung, die das Richtigsein (rightness) oder Falschsein (wrongness) einer Handlung zur Gänze oder zum Teil von ihren Konsequenzen abhängig mache, ermögliche einen Skeptizismus. Da die Resultate einer Handlung unendliche seien, könne man sich schwer vorstellen, wie jemand alle Konsequenzen einer gegebenen Handlung kennen könne bevor oder in einem endlichen Zeitabschnitt nachdem sie vollzogen worden sei. Kein Sterblicher könne alle Resultate einer Handlung kennen. Wellman stellt dann die Frage, ob man alle Konsequenzen kennen müsse, um das Richtigsein oder Falschsein einer Handlung bestimmen zu können. Die teleologische Theorie der Verpflichtung würde dies zu implizieren scheinen; denn wie könnten wir wissen, was für ein Wert durch eine Handlung hervorgebracht werde, ohne alles, was sie hervorbringe, zu kennen? Wellman bemerkt, dass in den meisten teleologischen Theorien der Verpflichtung die Schlussfolgerung über die Richtigkeit oder Falschheit einer gegebenen Handlung von dem vergleichbaren Wert abhänge, der durch diese Handlung hervorgebracht werde, im Gegensatz zu allen anderen Handlungen, die dem Handelnden unter den gegebenen Umständen möglich sind. Was man wissen müsse, sei der Unterschied im Wert zwischen den Konsequenzen dieser Handlung und den Konsequenzen jeder der anderen möglichen Handlungen. Vgl. ebd., S. 273. Auf den ersten Bück scheine dies unsere Schwierigkeiten nur zu vermischen, da wir nun statt nur einer mehrere unendliche Mengen von Konsequenzen zu kennen hätten. Wellman bemerkt, dass obwohl die Konsequenzen einer Handlung endlos fortgehen mögen, der Unterschied, den sie in Bezug auf den in der Welt hervorgebrachten Wert und Unwert ausmachten, immer geringer werde. Nicht viele der Handlungen, die jemand täglich ausführe, würden einen großen Unterschied für einen selbst im nächsten Jahr ausmachen: noch weniger ausschlaggebend würden sie die Leben der nächsten Generation verändern. Daher könne man gewöhnlich die entfernteren Konsequenzen jeder Handlung (act) vernachlässigen, wenn man ihren Wert schätze und ihn mit dem Wert anderer möglicher Handlungen vergleiche. Wenn man die Konsequenzen für jene kenne, die in absehbarer Zukunft unmittelbar betroffen seien, habe man gewöhnlich ein ausreichendes Wissen, um ein korrektes Verpflichtungsurteil (judgement of Obligation) zu fällen. Die Klarheit (evidence) für einen selbst könne hinreichend sein ohne komplett zu sein. Natürlich bleibe die Möglichkeit eines Irrtums; es sei immer möglich, dass eine entfernte oder unerwartete Konsequenz auftrete, die den durch die Handlung hervorgebrachten Wert wesentlich beeinflusse. Wellman weist darauf hin, dass er bereits zugegeben habe, dass Gewissheit in ethischen Aussagen unerreichbar sei; was er dem Skeptiker nicht einräume, sei, dass Wissen im Sinn einer rational gerechtfertigten Überzeugung (belief) ebenfalls unerreichbar sei. 688 Theoretisch ist es möglich, dass z.B. ein Wissenschaftler im 19. Jhd. in seinen Entscheidungen mehr Konsequenzen berücksichtigte als ein Angehöriger der Aborígenes oder ein Analphabet im 21. Jhd., in dem der Wissensstand vergleichsweise erheblich fortgeschrittener ist.
III. Analyse
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zen einer Handlung ist Folgendes zu bemerken: Sie erfolgt im Bewusstsein des Handelnden oder Reagierenden und ist damit von verschiedenen Faktoren abhängig. Erstens, sofern Situationen dem Handelnden in seiner Entscheidung einen Spielraum überlassen, können z.B. in der Gewichtung der Konsequenzen auch subjektive Faktoren zum Zug kommen. 690 Zweitens hängt die Bewertung der Konsequenzen einer Handlung und damit auch die Art des moralischen Grundes vom erreichten Wissensstand ab. 6 9 1 Diese Tatsachen haben für Wellmans Theorie folgende Bedeutung. Insofern moralische Gründe von den hier angeführten Faktoren abhängig sind, sind auch die durch sie definierten moralischen Positionen und Rechte von diesen Faktoren abhängig. Sowohl die Anzahl der berücksichtigten Konsequenzen als auch die Entscheidung, welche der unterschiedlichen Konsequenzen als relevant und damit als moralische Gründe zu betrachten sind, können in einer bestimmten Situation zu unterschiedlichen Auffassungen darüber führen, ob eine behauptete moralische Position oder ein moralisches Recht bzw. welche moralische Position oder welches moralische Recht vorliegt. Damit ist die Möglichkeit von Meinungsverschiedenheiten und revidierbaren Entscheidungen und Auffassungen gegeben.692 In Bezug auf das Verhältnis von moralischem Grund und Handlung ist zu bemerken, dass unter einem moralischen Grund nicht ein tatsächlich willensbzw. handlungsbestimmender Grund zu verstehen ist. 693 Ein moralischer Grund 689 Damit gehen weitere Fragen und Probleme einher: Z.B.: ob sich die verschiedenen Konsequenzen vergleichen bzw. gegeneinander abwägen lassen, ob es ein objektives Verfahren gibt, das dies ermöglicht etc. 690 Z.B. ob jemand seinem Geschwister eine Niere spendet, bleibt seiner Entscheidung überlassen. 691 Z.B. wird die seit jeher bestehende moralische Pflicht Hilfe zu leisten durch stets neu entdeckte Ansteckungsgefahren für den. Helfer und Risiken für den Hilfsbedürftigen, als Konsequenzen der Hilfeleistung, immer stärker modifiziert, so dass Handlungen, die früher einmal möglicherweise geboten waren, es nicht mehr sind oder sogar verboten sein können (z.B. ist die Bergung von Verletzten bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung nur geschulten Helfern erlaubt). 692 Z.B. kann im oben genannten Beispiel die allein erziehende Mutter in einer mehr oder weniger spontanen oder einer sehr schnellen Überlegung geschlossen und damit ihr Gefühl bestätigt haben, dass sie die moralische Pflicht hat, das Leben ihres jüngsten Kindes unter Gefahr ihres eigenen Lebens zu retten. Nach Ansicht anderer könnte sie sich dabei aber moralisch falsch entschieden haben, insofern man unter den gegebenen Umständen nicht von einer moralischen Pflicht hätte reden können. Gelingt es ihr z.B. nicht ihr jüngstes Kind zu retten und verletzt sie sich beim Rettungsversuch, sodass sie als Invalide ihre anderen Kinder nicht mehr großziehen kann, so könnte sie auch selbst zu dem Schluss kommen, dass ihre damalige Entscheidung insofern in gewisser Hinsicht ein Irrtum oder nicht in jeder Hinsicht moralisch richtig gewesen ist, als sie nicht alle Konsequenzen berücksichtigt hatte. 693 Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman in seinem früherem Werk (1971) die Bedeutung des Begriffs „Grund" (reason) von der psychologischen Bedeutung des Begriffs „Motiv" abgrenzt. Er argumentiert, es sei eine Verwechslung, wenn man argumentiere, dass die Gründe, mit denen wir unsere ethischen Schlussfolgerungen (con-
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ist ein potentieller, aber nicht tatsächlicher Grund für Handlung und Reaktion, da in seiner Bedeutung nicht impliziert ist, dass nach ihm auch tatsächlich gehandelt oder reagiert wird. Theoretisch müsste, zumindest im Bereich der moralischen Überlegungen, auf die Erkenntnis eines moralischen Grundes als Grundes für Handlung oder Reaktion eine entsprechende Handlung oder Reaktion folgen. Dies ist dann der Fall, wenn gegen den erkannten moralischen Grund kein weiterer, in gewisser Hinsicht gewichtigerer Grund spricht; denn die moralischen Gründe bilden nur einen Teil aller praktischen Gründe, die in den Überlegungen des Handelnden ebenfalls berücksichtigt werden. 694 Ein Handelnder kann bewusst, aber auch irrtümlich gegen einen moralischen Grund handeln. Sofern die Handlung oder Reaktion auf die Erkenntnis des moralischen Grundes praktisch folgt, bildet der moralische Grund auch den tatsächlichen Handlungsgrund. In diesem Fall wird der moralische Grund bewusst und also auch beabsichtigt befolgt. 695 clusions) rechtfertigten, nicht wirklich Gründe seien, weil sie nicht die wirklichen Gründe seien. Vgl. Wellman (1971), S. 243. Wenn ein Psychologe über den Grund für eine Handlung spreche, dann meine er gewöhnlich entweder das Motiv des Handelnden, während er handle, oder den Faktor, der erkläre, warum er die Handlung getan habe. Ein Motiv sei etwas sehr persönliches; X's Gründe für das Unterrichten mögen sehr unterschiedlich von denen eines anderen Lehrers Y sein. Etwas werde nicht zu X's Grund zu handeln, nur weil es für X's Handlung logisch relevant sei. Nur wenn X durch diese Überlegung seine Handlung bestimme (guide), mache er ihn zu seinem Grund, indem er ihn wähle (adopting). Zusätzlich zum Vordringen bis zu den eigenen Gründen zu handeln, könne der Psychologe die Gründe entdecken, die X's Handlung erklärten. Diese Gründe seien die Ursachen, die in Form einer theoretischen Struktur erklärten, warum X das tue, was er tue. Was der Psychologe entdecke, sei, dass die Gründe, die eine Person angebe, wenn sie gefragt werde, warum sie etwas tue oder warum sie eine ethische Aussage akzeptiere, nicht die wirklichen Gründe in irgendeiner der beiden Bedeutungen seien. Sie seien nicht die wirklichen Motive der Person, das zu tun, was sie getan habe. Vgl. ebd., S. 244. Die wirklichen Motive und die wirklichen Erklärungen seien gewöhnlich dem Handelnden unbekannt, sie seien in seinem Unterbewusstsein. Die Tatsache aber, dass die behaupteten Gründe nicht die wirklichen Gründe (Motive oder Erklärungen) seien, impliziere nicht, dass sie nicht wirklich Gründe (logisch relevante Überlegungen) seien. Der Epistemologe verwende das Wort „Grund" (reason) in einer völlig unterschiedlichen Bedeutung. In dieser Bedeutung sei es nicht erforderlich, dass der Grund für eine Handlung das Motiv des Handelnden, die Handlung zu tun, oder eine psychologische Erklärung der Handlung sei. Alles, was erforderlich sei, sei dass die Überlegung für die Handlung logisch relevant sei und dass sie eher für die Handlung als gegen sie spreche. Es sei ein Fehler, diese logische Bedeutung eines Grundes mit irgendeiner der psychologischen Bedeutungen des Begriffs zu verwechseln. - Den hier wiedergegebenen Ausführungen Wellmans kann man unter anderem hinzufügen, dass die psychologische Bedeutung des Begriffs „Motiv" nicht seine einzige ist. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs „Motiv" in der Geschichte der Philosophie vgl. z.B. HWP, Bd. 6, S. 211 f. 694 Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman in Bezug auf das Beispiel eines Kriegsdienstverweigerers, der sich in einem Konflikt zwischen einem moralischen und einem legalen Recht und den ihnen korrespondierenden Pflichten entscheiden muss, dass jeder Handelnde letztendlich eine große Vielfalt an praktischen Gründen in Erwägung ziehen muss und jeden solchen Konflikt in allgemeiner praktischer Argumentation entscheiden muss. Vgl. Wellman (1995), S. 238.
III. Analyse
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In Bezug auf die vorausgesetzten Werte kann man Folgendes bemerken. Das moralische Richtigsein oder Unrichtigsein von Handlungen wird im teleologischen Rahmen anhand ihrer Konsequenzen in Bezug auf vorausgesetzte Werte beurteilt. Insofern stellt sich die Frage, welche Rolle dabei die Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte spielt. Von der Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte hängt gewissermaßen der Typ der teleologischen Theorie ab. 6 9 6 Mit der Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte hängt die Beschaffenheit moralischer Gründe zusammen, da durch diese Werte erklärt wird, wie und möglicherweise auch welche Fakten normativ und damit zu moralischen Gründen werden. 697 Damit einhergehend hängen mit diesen Werten auch die Kriterien für die Be695
Dies wirft die Frage auf, ob bei der Bewertung einer Handlung auch die Absicht in irgendeiner Hinsicht mitbewertet wird. Kutschera bemerkt dazu Folgendes: „Wenn man im Sinne des teleologischen Ansatzes eine Handlung nach ihren Folgen bewertet, so bezieht sich diese Bewertung nur auf die äußeren Aspekte der Handlung. Der Absicht wird ein davon im Prinzip unabhängiger Wert zugeordnet, der Wert des angestrebten Zustands. Nun charakterisieren aber viele Handlungsverben nicht nur äußere Aspekte, sondern auch Absichten, wie z.B. »ermorden* im Gegensatz zu »töten4 oder ,lügen4 im Gegensatz zu ,die Unwahrheit sagen4. Ferner unterstellen wir im Normalfall dem Handelnden, dass er zumindest die unmittelbaren Wirkungen beabsichtigt, die er tatsächlich herbeiführt. Reden wir also über Handlungen, so in der Regel - sei es explizit oder implizit - auch von Absichten.44 696 Innerhalb der utilitaristischen Theorien, als Subklasse teleologischer Theorien verstanden, werden jene, die z.B. das Glück als letzten Wert annehmen als eudämonistisch, jene die das Vergnügen als letzten Wert annehmen als hedonistisch bezeichnet. Vgl. z.B. den Artikel „Utilitarismus44 in HWB, Bd. 3, S. 666. Letzte Werte können z.B. das Wohlergehen des Einzelnen, isoliert betrachtet oder als Mitglieds der Gesellschaft, oder das Wohlergehen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf das des Einzelnen bedeuten. Mit der Beschaffenheit der letzten Werte hängen auch weitere für die Beschaffenheit der Theorie relevante Fragen zusammen: ob sie verschiedene Qualitäten und Grade haben und damit verschiedene Realisierungen zulassen, ob sie sich in ihren Realisierungen messen, vergleichen, gegeneinander abwägen, addieren lassen etc. Darin könnten sich unterschiedliche Werte wie Wohlergehen, Vertrauenswürdigkeit oder Leben voneinander unterscheiden. In Bezug auf die vorausgesetzten Werte lassen sich auch weitere, speziellere Fragen stellen: Z.B. in welchem Zusammenhang sie mit dem Begriff der Gleichheit stehen. Z.B. unterscheidet sich das größte Wohlergehen aller oder des Einzelnen als Mitglieds der Gemeinschaft als letzter Wert vom gleichen Wohlergehen aller. 697 In Bezug auf unterschiedliche vorausgesetzte Werte wie z.B. „individuelles Wohlergehen44 und „Hilfsbereitschaft 44 können erstens die Konsequenzen ein und derselben Handlung in derselben Situation unterschiedliche Werte erhalten, so dass die Handlung im Sinn des einen, aber nicht des anderen Wertes ist. So z.B. wenn ich jemandem keine zwanzig Cent leihe, die er für einen wichtigen Anruf braucht, weil ich mir damit ein Eis kaufen möchte. Aufgrund der unterschiedlichen Bewertung der Konsequenzen können in einem Fall wie diesem je nach vorausgesetztem Wert unterschiedliche moralischen Gründe vorliegen. Dies bedeutet zweitens, dass in Bezug auf unterschiedliche vorausgesetzte Werte verschiedene Fakten moralisch relevant werden bzw. unterschiedliches moralisches Gewicht erhalten können und damit unterschiedliche moralische Gründe, eine Handlung zu tun oder zu unterlassen, bilden können. Z.B. ist für mein eigenes Wohlergehen, das in einem Fruchteis-Genuss seinen Höhepunktfinden wird, die Tatsache irrelevant, dass für einen anderen ein Anruf wichtig ist und dass die Batterie seines Mobiltelefons leer ist, und umgekehrt ist es für den
3 2 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
urteilung des moralischen Richtigseins und Unrichtigseins von Handlungen zusammen.698 Mit der Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte gehen im teleologischen Rahmen bestimmte Konsequenzen einher, die oft für den Typ der teleologischen Theorie als charakteristisch und als seine Vor- bzw. Nachteile betrachtet werden. 699 In Bezug auf die vorausgesetzten Gründe stellt sich die Frage, woraus Wellman erschließt, dass es sich erstens um Werte und nicht z.B. um normative Begriffe einer anderen Art 7 0 0 handelt und dass zweitens diese Werte nichtmoralisch sind. 701 Folgt das z.B. in irgendeiner Hinsicht aus seinem Erklärungsversuch moralischer Gründe anhand der Konsequenzen von Handlungen? 702 In Bezug auf die vorausgesetzten nichtmoralischen Werte stellt sich dann die Frage, welches Charakteristikum sie auszeichnet bzw. wie oder in BeWert Hilfeleistung irrelevant oder kein gewichtiger moralischer Grund, dass ich seit Sommerbeginn kein Eis gegessen habe. 698 Wie zuvor in der Fußnote zum teleologischen Typ von Wellmans Theorie erwähnt wurde, wird der Konsequentialismus manchmal als teleologische Theorie beschrieben. McNaughton bemerkt in seinem Artikel „Consequentialism" in Bezug auf den Akt-Konsequentialismus Folgendes: Welche Handlung tatsächlich die richtige (right) sei, hänge von der Beschreibung des Guten (the good) ab, die jede besondere Akt-konsequentialistische Theorie gebe. Vgl. REP, Bd. 2, S. 604. 699 Zu den problematischen Konsequenzen, die sich im Rahmen der utilitaristischen Theorie ergeben können, zählt z.B. dass ein Sheriff einen Unschuldigen hinrichten muss, um einen Aufruhr zu vermeiden und das größtmögliche Glück zu erreichen, das unter den gegebenen Umständen möglich ist. Vgl. den Artikel „Utilitarianism" in REP, Bd. 8, S. 555 f. Dabei sei hier noch einmal auf Kutscheras Bemerkung hingewiesen (vgl. die Fuß- bzw. Endnote zum nicht-utilitaristischen Charakter von Wellmans Theorie), dass ein teleologischer Ansatz nicht schon auf einen Utilitarismus hinausläuft. Vgl. Kutschera (1982), S. 70. „Die These, dass es im Rahmen einer teleologischen Theorie keine unverletzlichen Rechte gebe, ist aber nicht haltbar." Das hängt nach Kutschera von der zugrunde gelegten Weitordnung ab. Ferner bemerkt er: „Das Prinzip der Güterabwägung besagt nicht, jedes Gebot könne durch Güterabwägung aufgehoben werden. Die Anerkennung höchster Güter, deren Verlust für den einzelnen nicht durch den Gewinn geringerer Güter durch andere aufgewogen werden kann, ist mit der teleologischen These (wenn auch nicht mit dem Utilitarismus) durchaus verträglich." Vgl. ebd., S. 70 f. 700 Normative Begriffe werden in der Literatur in zwei große Gruppen eingeteilt: deontische Begriffe (z.B. die Begriffe des Geboten-, Verboten- oder des Erlaubtseins) und Wertbegriffe. Vgl. z.B. Kutschera (1982), S. 1. Wellman unterscheidet z.B. in (1961), S. 8 f., zwei Arten von ethischen Aussagen: Werturteile (judgements of value) und Verpflichtungsurteile (judgements of Obligation). Vgl. ebd. auch S. 272 f., 304 f., 307. In (1988), S. 303, bemerkt er, dass das Kernland der Ethik aus zwei Bereichen besteht: der Axiologie, der Theorie über Werte, und der Deontologie, der Theorie über Verpflichtungen. 701 Diese Frage kann man insofern stellen, als Wellman seine Auffassung moralischer Gründe schon in (1985) darlegt, eine Erklärung dieser Gründe mit Bezug auf vorausgesetzte Werte im Rahmen einer teleologischen Theorie aber erst in (1995) versucht hat. 70 2 Kutschera z.B. argumentiert, warum es nicht sinnvoll ist, die in einer teleologischen Theorie vorausgesetzten Wertbegriffe aus deontischen abzuleiten: „Die teleologische These [= Der Wert einer Handlung bestimmt sich aus dem Wert ihrer Resultate] setzt voraus, dass für Handlungsresultate ein Wertbegriff festgelegt ist. Hier wäre
III. Analyse
327
zug worauf sie bestimmt sind; ob es ein Charakteristikum gibt, nach dem sie sich in Zusammenhang bringen oder ordnen lassen.703 Ihre Charakterisierung als „vorausgesetzt" hängt wesentlich mit ihrer Funktion in der Erklärung moralischer Gründe und in gewisser Hinsicht mit ihrer Stellung im teleologischen System zusammen. Bei diesen Werten handelt es sich, wie Wellman ausführt, um Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens, die Individuen ermöglichen in wechselseitig lohnender Weise zu interagieren und zu kooperieren. 704 Insofern sind sie sozialer Natur und enthalten als definierenden Bezugspunkt eine wechselseitig lohnende soziale Interaktion und Kooperation, wobei Wellman z.B. nicht weiter ausführt, ob diese einen Zweck oder ein Mittel zu einem weiteren Zweck bilden, in Bezug auf den sie als etwas wertvolles erstrebt werden. 705 Wellmans Ausführungen lassen die Frage zu, ob sich auch diese voraus-
es nicht sinnvoll, diesen Weitbegriff aus deontischen Begriffen abzuleiten. Man kann zwar die teleologische These auch so formulieren: T': Eine Handlung ist genau dann erlaubt, wenn sie unter den gegebenen Umst optimale Resultate ergibt, aber dann wird doch eine Beziehung zwischen valuativen und deontischen Begriffen angenommen, und die ersteren sind insofern primär, als die deontischen mit ihnen erklärt werden." Vgl. Kutschera (1982), S. 76. „Fasst man T' nicht als Erklärung dessen auf, was erlaubt ist, so wird dabei doch ein Wertbegriff vorausgesetzt, der sich mit deontischen Begriffen nicht definieren lässt." Vgl. ebd., S. 77. 703 Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Überlegungen anderer Autoren. Kutschera bemerkt z.B. Folgendes: „Jede ethische Theorie muss ... danach streben, eine umfassende Wertordnung anzugeben, also wertmonistisch zu sein. Denn in Situationen, in denen man sich zwischen zwei Handlungen entscheiden muss, von denen die eine unter einem Aspekt wertvoller ist, die andere unter einem anderen, benötigt man Kriterien dafür, wie gewichtig die beiden Aspekte sind, welcher Aspekt insgesamt gesehen moralisch vorrangig ist." Vgl. Kutschera (1982), S. 82. Kutschera kommt dabei auf eine umfassende normative Wertodnung oder Präferenzrelation zu sprechen, wonach etwas (insgesamt, unter Berücksichtigung aller moralisch relevanten Aspekte) nicht besser als etwas anderes ist. Vgl. ebd., S. 81. Ferner kommt er auf den prinzipiellen Wertmonismus zu sprechen, dessen Gedanke oft durch Thesen ausgedrückt wird wie: ,3s gibt nur eine Sache, die intrinsisch gut ist". Bei Kant ist das z.B. ein guter Wille, im Hedonismus die Lust, im Eudämonismus das Glück etc. Auch der Utlitarismus ist ein (prinzipieller) Wertmonismus." Vgl. ebd., S. 81. Vgl. ferner den Artikel „Consequentialism" in REP, Bd. 2, S. 604. 704 Wie wir gesehen haben beschränkt Wellman den Zwang oder die Kraft (force, strength) moralischer Gründe auf die Gesellschaft. Vgl. Wellman (1995), S. 102. 705 Es stellt sich die Frage, wie Wellman zur Annahme von Werten kommt, zu denen Geselligkeitsfaktoren gehören, die wechselseitig lohnende soziale Interaktion und Kooperation ermöglichen. Der Ausdruck ,Johnend" weist darauf hin, dass sie in irgendeiner Hinsicht vorteilhaft und möglicherweise gewollt gedacht werden können. Dies könnte man als Hinweis deuten, dass Wellman die normative Voraussetzung moralischer Gründe in etwas annimmt oder auf etwas zurückzuführen sucht, das, wie die moralischen Gründe, „sozialen" Charakter hat und das (im besten Fall) alle Handelnde in irgendeiner Hinsicht als wertvoll erachten und möglicherweise wollen. Da diese Werte erklären, warum moralische Gründe moralische Positionen und Rechte im Kontext von Willenskonflikten definieren, und da moralische Positionen und Rechte den Zweck haben, Willenskonflikte zu vermeiden oder zu lösen, kann man annehmen, dass die Lösung von Willenskonflikten ein Kriterium bildet, das für
3 2 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gesetzten Werte möglicherweise begründen lassen. Woher rühren Werte im gemeinschaftlichen Zusammenleben, und was genau macht sie zu Werten für sozial interagierende und kooperierende Wesen?706 Ist das vorausgesetzte Gemeinschaftsmodell eher individualistisch bestimmt oder enthält es auch kollektivistische Züge? 707 Wodurch ist die Art der Gültigkeit der genannten Werte bestimmt? Ist sie durch ein Wollen oder ein Sollen bestimmt? Gelten diese Werte unabhängig vom Willen der Handelnden oder werden sie in irgendeiner Form auf seinen Willen zurückgeführt? Werden sie als letzte bzw. oberste Werte oder als Mittel zu etwas weiterem (z.B. als entscheidende oder notwendie Beschaffenheit dieser Werte wesentlich ist und daher in der Bestimmung oder Auswahl dieser Werte eine Rolle spielt. Insofern kann man die Frage stellen, welche Zusammenhänge zwischen der wechselseitig lohnenden Interaktion und Kooperation als Bezugspunkt in der Bestimmung der vorausgesetzten Werte und der Vermeidung oder Lösung von Willenskonflikten als Zweck moralischer Gründe bestehen. Wechselseitig lohnende soziale Interaktion und Kooperation haben eine ziemlich komplexe und nicht näher spezifizierte Bedeutung, einerseits weil ihr Zustandekommen auf etlichen Voraussetzungen beruht, andererseits weil nicht näher spezifiziert wird, welche Form wechselseitiger sozialer Interaktion und Kooperation als lohnend zu verstehen ist. Man kann aber annehmen, dass sie gewissermaßen mit der Vermeidung von Willenskonflikten einhergehen (möglicherweise implizieren sie letztere z.B. als Voraussetzung oder haben sie zum Zweck). Insofern kann man auch die weitere Frage stellen, welche Rolle dieses einfachere Kriterium in der Bestimmung vorausgesetzter Werte spielt, sofern es eine Rolle spielt. Zu den verschiedenen Unterscheidungen in Bezug auf die Bewertung von Dingen als gut (als Mittel - als Zweck, intrinsisch - extrinsisch, bedingt - unbedingt, subjektiv oder relativ in Bezug auf den Handelnden - objektiv oder neutral in Bezug auf den Handelnden etc.) vgl. z.B. den Artikel „Good, Theories of the" in: REP, Bd. 4, S. 131 f. Zu den analogen Unterscheidungen in Bezug auf Werte vgl. z.B. den Artikel „Values" in: REP, Bd. 9, S. 581 f. 706 Lässt sich die Annahme vorausgesetzter Werte durch Rekurs auf soziale Interaktion und Kooperation ausreichend begründen und unter welchen Bedingungen (z.B. dass soziale Interaktion und Kooperation einen Zweck bilden)? Die Rede von vorausgesetzten Werten legt die Annahme nahe, dass sie für moralische Handelnde in irgendeiner Hinsicht wertvoll sind. In welcher Weise können sie als wertvoll verstanden werden? Werden sie unmittelbar als wertvoll wahrgenommen, werden sie in einem Zusammenhang in Bezug auf etwas weiteres allererst als wertvoll erkannt? Möglicherweise stellen sich auch Fragen nach der Art der Wertwahrnehmung oder Werterkenntnis. (Die Frage der Werterfahrung untersucht z.B. Kutschern in (1982), S. 227-296, in einem eigenen Kapitel.) In Bezug auf die Frage, woher diese Werte rühren, lässt sich am Rande Folgendes bemerken. Man könnte in der Beantwortung dieser Frage auf den praktischen Diskurs Bezug nehmen, und von der Annahme ausgehen, dass rational Argumentierende z.B. nach dem von Wellman erwähnten Anfechtungs-und-Erwiderungs-Modell zu diesen Weiten miteinander bisher gelangt sind. Diese Annahme würde aber die Frage aufwerfen, unter welchen Voraussetzungen bzw. in welcher Hinsicht rationale Argumentierende zu diesen Werten gelangt sind. Auch wird man auf diese Weise nicht die Frage beantworten können, wie Wellman im Rahmen seiner teleologischen Theorie zur Erklärung moralischer Gründe und Rechte auf solcherart Werte kommt und inwiefern sie die ihnen darin zugeschriebenen Funktionen erfüllen. 707 Als „kollektivistisch" wird hier z.B. die Auffassung verstanden, die sich am Prinzip „das größte Glück der größten Zahl" orientiert.
III. Analyse
329
dige Mittel für das eigene Wohlergehen und für das der anderen 708) gedacht? Sind prinzipiell verschiedene Begründungsarten dieser vorausgesetzten Werte möglich? Gibt der teleologische theoretische Rahmen Auskunft über die Beschaffenheit dieser Werte und die soeben angesprochene Art ihrer Gültigkeit?709 Erstens müssen diese Werte unabhängig von subjektiven Parametern für alle Menschen gleichermaßen gelten, wenn durch sie moralische Normen begründet werden. Es wäre aber auch von Vorteil bzw. für jeden moralisch Urteilenden einfacher, wenn die Gültigkeit dieser Werte und der moralischen Gründe, die durch sie begründet werden, zweitens unabhängig von situationsbedingten Parametern wäre. Insofern stellt sich im Rahmen des teleologischen Modells die
708 wie bereits wiedergegeben bemerkt Wellman an einer Stelle in „A Theory of Rights": Wenn moralische Gründe überhaupt von Zwecken oder Zielen abhängen würden, seien die vorausgesetzten Zwecke solche wie das Wohlergehen anderer Personen, deren Ablehnung für einen moralischen Handelnden wider die Vernunft wäre. Vgl. Wellman (1985), S. 133. Wellman nimmt auch in seiner Erörterung des speziellen Gewichts und der Wichtigkeit moralischer Pflicht auferlegender Gründe auf das Wohlergehen Bezug: In jedem Pflicht auferlegenden Grund sei der Grund für einen Handelnden, in einer speziellen Weise zu handeln, ein Faktor, der für die Geselligkeit wesentlich sei. Aufgrund der enormen Bedeutung der Qualität der Beziehungen zu den anderen für das eigene Wohlergehen und für das der anderen, sei ein solcher Grund notwendig wichtig. Vgl. Wellman (1995), S. 58, bzw. hier das Kapitel B., II., 3., a), bb), (2), (iv). Zum Verhältnis persönlicher Beziehungen und Wohlergehen vgl. ferner Wellman (1999), S. 220, bzw. hier das Kapitel B., II., 3., a), bb), (4). - Am Rande sei erwähnt, dass Wellman in (1961), S. 216, erörtert inwiefern die Unterscheidung zwischen intrinsisch und instrumentell auf Wertbegriffe anwendbar ist. 709 Der zuvor (in einer Fußnote) erwähnten Beschreibung Stegmüllers nach wird der Begriff des nichtmoralisch Guten im Rahmen teleologischer ethischer Theorien durch subjektive Präferenzen festgelegt. Vgl. HWB, Bd. 3, S. 635. Demnach ist die Beschaffenheit dieser Werte im Rahmen der teleologischen Theorie von subjektiven Präferenzen abhängig. In dieser Beschreibung wird eine bestimmte Relation zwischen dem Willen der Subjekte und den nichtmoralischen Werten gesehen. Ferner sei hier noch einmal auf Kutscheras zuvor erwähnte Bemerkungen hingewiesen (vgl. die Fußnote in diesem Abschnitt zur Frage, woraus sich die Art der vorausgesetzten Werte erschließen lässt), der behauptet, dass es nicht sinnvoll ist, den Wertbegriff, der in der teleologischen Theorie für Handlungsresultate festgelegt ist, aus deontischen Begriffen abzuleiten. Vgl. Kutschera (1982), S. 76. - Was die Art der Gültigkeit der vorausgesetzten Werte angeht, d.h. ob sie auf ein Wollen zurückführbar oder in Form eines Sollens geltend gedacht werden, sei am Rande auch folgende Überlegung erwähnt: Im Rahmen einer teleologischen Theorie hängt vieles von den Überlegungen des Handelnden ab. Während er im Rahmen einer deontologischen Theorie eine moralische Regel oder ein moralisches Prinzip zu befolgen hat, muss er im Rahmen einer teleologischen Theorie eine ganze Reihe von Konsequenzen in seinen Überlegungen berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Geht man davon aus, dass im Rahmen der teleologischen Theorie die Richtigkeit einer Handlung von der Genauigkeit der Überlegungen des Handelnden abhängt, so liegt auch die psychologische Annahme nahe, dass er durch eigenes Interesse motiviert, genauer zu überlegen, d.h. stets mehr Konsequenzen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen bereit sein wird, wenn er die vorausgesetzten Werte selbst will, als wenn sie für ihn in Form eines Sollens gelten. Diese Überlegung spricht dafür, dass die Werte im Rahmen einer teleologischen Theorie auf den Willen des Handelnden zurückzuführen sind.
3 3 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Frage, ob die Gültigkeit moralischer Gründe von situationsbedingten Parametern unabhängig gedacht werden kann und inwiefern gegebenenfalls diese Unabhängigkeit von der Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte abhängt.710 Diese Frage stellt sich insofern, als die Gültigkeit moralischer Rechte, insbesondere der Menschenrechte, normalerweise nicht auf bestimmte Situationen beschränkt gedacht wird. 711 Die Klärung dieser Fragen würde zum Teil die Erklärung des Zusammenhangs zwischen Handlung und diesen Werten und damit die Erklärung moralischer Gründe, die Art der Gültigkeit dieser Werte für und die Anwendung auf das Verhalten der Handelnden und Reagierenden vervollständigen und verfeinern. Diese Fragen stellen sich insofern, als Wellman durch diese Werte den sozialen aber auch den moralischen Charakter moralischer Gründe erklärt und in weiterer Folge moralische Rechte begründet. Da mit moralischen Rechten eine wechselseitige Einschränkung der Handlungsfreiheit der Handelnden einhergeht, die in irgendeiner Weise von ihnen akzeptiert sein muss, kann man annehmen, dass die Legitimation sowie die Akzeptanz dieser Einschränkung auf diese Werte in irgendeiner Weise zurückzuführen oder mit Bezug auf sie erklärbar ist. Entweder es reichen die vorausgesetzten Werte zu dieser Erklärung aus oder man muss zeigen, welche weiteren Annahmen zu dieser Erklärung notwendig sind. In dieser Erklärung dürfte die Funktion der vorausgesetzten Werte in Bezug auf die Lösung bzw. Vermeidung von Willenskonflikten eine wesentliche Rolle spielen. Denn in Bezug auf diese Werte wird der normative bzw. moralische Aspekt der moralischen Gründe erklärt, die in Form moralischer Positionen in moralischen Rechten auf aktuelle oder mögliche Willenskonflikte Anwendung finden und ihre Lösung oder Vermeidung zum Zweck ha-
710
Es ist vorstellbar, dass die Gültigkeit mancher Werte im Unterschied zur Gültigkeit anderer variiert bzw. stärker variiert. Z.B. ist es denkbar, dass die Gültigkeit von Weiten wie Verantwortlichkeit, Sicherheit oder Hilfsbereitschaft im Unterschied zur Gültigkeit des Wertes Leben - sofern man diesen auch zu den vorausgesetzten Werten zählt - situationsbedingt variiert bzw. stärker variiert. Dementsprechend könnte auch die Gültigkeit der durch die ersten drei genannten Werte begründeten moralischen Gründe im Unterschied zur Gültigkeit der moralischen Gründe, die durch den Wert Leben begründet werden, situationsbedingt variieren bzw. stärker variieren. 711 Menschenrechte wie z.B. die Menschenrechte auf Leben oder auf gleichen Schutz durch das Gesetz werden so verstanden, dass sie unabhängig von den Konsequenzen gelten, die ihre Behauptung in jedem konkreten Fall hat. Insofern dürften in der Erklärung der situationsunabhängigen Gültigkeit dieser Rechte unter anderem folgende Möglichkeiten in Betracht kommen: (i) die Gegenstände dieser Rechte bilden selbst vorausgesetzte außermoralische Werte, die situationsunabhängig gelten oder (ii) diese Rechte gelten kraft bestimmter vorausgesetzter außermoralischer Werte situationsunabhängig. Im ersten Fall müsste man zeigen, inwiefern z.B. die Gegenstände oder Inhalte aller zumeist genannten Menschenrechte als vorausgesetzte außermoralische Werte zu denken sind. Im zweiten Fall müsste man zeigen, kraft welcher außermoralischer Werte und kraft welcher Relation zu diesen Werten die Menschenrechte situationsunabhängig gelten.
III. Analyse
331
ben. Als Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens müssen sie, wie vorhin erwähnt, objektive Gültigkeit haben, d.h. für alle Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft in gleicher Weise gelten, da in Bezug auf diese Werte Fakten moralisch relevant und damit einhergehend moralische Rechte begründet werden/ 11 Wechselseitig lohnende Interaktion und Kooperation, die einen wesentlichen Bezugspunkt in der Bestimmung dieser Werte bilden, können in gewisser Hinsicht als objektive Werte für moralische Handelnde verstanden werden. 712 Auch kann man die Frage stellen, inwiefern es sich um nichtmoralische Werte handelt, da sie doch Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens bilden. 713 Schließlich ist zu bemerken, dass Wellman gewissermaßen von der „Existenz" dieser Werte als (feststellbarer) Gegebenheiten auszugehen scheint, wenn er von ihrer Wichtigkeit im menschlichen Leben und ihrem großen Gewicht in der praktischen Argumentation spricht. 714
712
Darauf weist auch der Ausdruck „wechselseitig lohnend" hin. In Zusammenhang mit den vorhin gestellten Fragen in Bezug auf die vorausgesetzten Werte stellt sich auch die Frage, was den objektiven Charakter dieser Werte ausmacht bzw. worauf sich dieser zurückführen lässt. Wechselseitig lohnende Kooperation und die mit ihr einhergehenden Werte lassen sich als etwas begreifen, von dem man annehmen kann, dass alle es unter bestimmten Voraussetzungen für wertvoll erachten oder wollen. (Kutschern z.B. erwähnt unter anderem die intersubjektive Übereinstimmung in Urteilen über Werte als ein wichtiges Kriterium für deren Objektivität. Vgl. Kutschera (1982), S. 241. Zu objektiven Werten vgl. z.B. ebd., S. 285.) 713 Diese Frage kann man vor dem Hintergrund einzelner Bestimmungsversuche der außerermoralischen Werte stellen. Frankena z.B. bemerkt: „Moralischer Wert (moralisch Gutes und Schlechtes) ist ... von außermoralischem Wert zu unterscheiden. ... Zum Teil beruht er [sc. ihr Unterschied] auf einem Unterschied der Gegenstände, die als gut oder schlecht bezeichnet werden. Das, was man moralisch gut oder schlecht nennen kann, sind Personen, Personengruppen, Charaktereigenschaften, Anlagen, Gefühle, Motive und Absichen - kurzum, Personen, Personengruppen und Persönlichkeitselemente. Auf der anderen Seite können alle beliebigen Arten von Dingen im außermoralischen Sinn gut oder schlecht sein; z.B. körperliche Gegenstände wie Autos und Bilder, innere Erfahrungen wie Vergnügen, Schmerz, Erkenntnis und Freiheit, Regierungsformen wie die Demokratie. Es ist nicht sinnvoll die meisten dieser Dinge moralisch gut oder schlecht zu nennen, es sei denn man will damit sagen, dass es moralisch richtig oder falsch ist, sie zu erstreben." Vgl. Frankena (1994), 77 f. und ferner S. 27. Charakterzüge wie Verantwortlichkeit oder Missgunst (responsibility or malevolence) und Einstellungen wie Vertrauen oder Feindseligkeit (trust or hostility), die Wellman als Beispiele für vorausgesetzte nichtmoralische Werte nennt - vgl. Wellman (1995), S. 101 - , könnte man aber, zumindest auch, zu den Dingen rechnen, die moralisch gut oder schlecht sein können. - Nach Stegmüller wird, wie zuvor (in einer Fußnote) erwähnt, der Begriff des nichtmoralisch Guten durch nichtmoralische Werturteile der Einzelmenschen, durch ihre subjektiven Präferenzen festgelegt. Vgl. HWB, Bd. 3, S. 635. Auch diese Beschreibung trifft nicht auf die Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu, die Wellman erwähnt. Wellmans vorausgesetzte Werte sind sozialer Natur. 7 4
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 0 .
3 3 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
b) Moralische Positionen Nun soll auf die verschiedenen Arten eingegangen werden, in denen moralische Gründe auf Handlung Anwendung finden oder für Handlung gelten. Damit ist die zweite, der oben erwähnten Fragen angesprochen, nämlich, wie moralische Gründe moralische Positionen bestimmen. aa) Fakten und vorausgesetzte Werte Unter der Anwendung moralischer Gründe auf Handlung oder Gültigkeit 715 für Handlung ist, wie wir gesehen haben, die moralische Relevanz bestimmter Fakten in Bezug auf Handlung zu verstehen. Im Rahmen der teleologischen Theorie sind die Fakten der jeweiligen Situation, in der eine Handlung stattfindet, aufgrund der Konsequenzen dieser Handlung für vorausgesetzte Werte moralisch relevant, d.h. Gründe für Handlung oder Reaktion. In Zusammenhang mit diesen Fakten erhalten Handlungen und ihre Konsequenzen im Rahmen dieser Theorie in Bezug auf die vorausgesetzten Werte einen Wert, der den moralischen Grund bildet, die Handlung zu tun oder zu unterlassen bzw. auf eine Handlung zu reagieren. Die Anwendung oder Gültigkeit moralischer Gründe auf bzw. für Handlung hat unterschiedliche Formen. Diese lassen sich in Form der verschiedenen moralischen Positionen begreifen, die Wellman im Anschluss an Hohfeld im Bereich der Moral unterscheidet. Diese Erklärung wirft zunächst folgende Frage auf: Wenn die moralische Relevanz von Fakten für Handlungen in Bezug auf vorausgesetzte Werte erklärt wird, wo liegt dann der Grund ihrer unterschiedlichen Art der Anwendung auf oder Gültigkeit für Handlung in Form moralischer Positionen? Lässt sich die unterschiedliche Form der Gültigkeit moralischer Gründe für Handlung in irgendeiner Weise durch die vorausgesetzten Werte erklären? Lässt sie sich durch die Beschaffenheit der konkreten Handlung erklären? Oder liegt auch ein Grund für die unterschiedliche Geltungsform moralischer Gründe in der unterschiedlichen Beschaffenheit der Fakten und Sachverhalte, die sich in Bezug auf Handlungen und ihre Konsequenzen im Kontext vorausgesetzter Werte als moralisch erweisen? Dies würde die Frage aufwerfen, wie die unterschiedliche Beschaffenheit von Fakten in Bezug auf Handlungen und ihre Konsequenzen die Art der Gültigkeit vorausgesetzter Werte für Handlung bestimmen können. Wellmans Erörterungen zufolge hängt die Art der moralischen Relevanz einer konkreten Handlung von ihrer Beschaffenheit ab. Die moralische Relevanz von Fakten für eine Handlung hängt einerseits von der Beschaffenheit der konkreten Handlung und der Fakten, andererseits von der Beschaffenheit der vorausgesetz715 Wellman S. 130 f.
formuliert: „moral reasons apply to ..." Vgl. z.B. Wellman
(1985),
III. Analyse
333
ten Werte ab. Handlungen sind von unterschiedlicher Beschaffenheit. Mit ihnen werden unterschiedliche Ziele verfolgt bzw. verwirklicht und sie können unterschiedliche Konsequenzen haben. So unterscheiden sich die Handlungen »Alkohol trinken* und Schwimmen z.B. darin, dass erstere den trunkenen Zustand, letztere die Verbesserung der Kondition zur Konsequenz haben kann. Auch Fakten sind von unterschiedlicher Beschaffenheit und erhalten in Bezug auf die jeweilige Handlung und ihre Konsequenzen, je nachdem, was für Werte man voraussetzt, unterschiedliche Werte. Die Fakten z.B., dass Alkohol am Steuer Leben gefährdet, dass man verletzbar ist oder dass die Gesellschaft durch die Art, in der sie ihre Rechts- und Wirtschaftsinstitutionen sowie die Institution Familie eingerichtet hat, einer Frau die Verantwortung übertragen hat, sich um ihr unterstützungsbedürftiges Kind zu kümmern, sind im Kontext bestimmter vorausgesetzter Werte für bestimmte Handlungen moralisch relevant und gelten für diese in Form bestimmter moralischer Gründe. Dass im ersten Fall ein moralischer Pflicht auferlegender Grund relevant ist, der das Trinken alkoholhaltiger Getränke beim Autofahren verbietet, hängt unter anderem mit den konkreten Handlungen »Alkohol Trinken* und Autofahren sowie mit der Tatsache zusammen, dass Alkohol am Steuer das eigene und das Leben anderer gefährden kann. Dabei wird unter anderem vorausgesetzt, dass in einer Gemeinschaft nicht nur das eigene, sondern das Leben jeder Person einen Wert darstellt und daher zu schützen ist. Dass im zweiten Fall ein moralischer Pflicht auferlegender Grund anderen die Pflicht auferlegt, einen nicht zu schlagen, hängt unter anderem mit den Tatsachen zusammen, dass man verletzbar ist und dass Schlagen verletzt. Auch hier wird unter anderem vorausgesetzt, dass das Leben jeder Person einen Wert darstellt, dass es daher zu schützen ist und dass unnötiges Leid zu vermeiden ist. Dass im dritten Fall ein moralischer Anspruch übertragender Grund relevant wird, der der Frau den Anspruch auf staatliche Unterstützung überträgt, hängt mit der Tatsache zusammen, dass die Gesellschaft der Frau die Verantwortung für die Sorge für ihr Kind übertragen hat und dass sie auf eine Form von Unterstützung angewiesen ist. Hier wird ebenfalls unter anderem vorausgesetzt, dass das Leben jeder Person einen Wert darstellt und daher durch gewisse Leistungen geschützt werden muss. Neben dem vorausgesetzten Wert Leben, auf den sich die Erörterung dieser Beispiele beschränkt hat, dürften auch andere Werte relevant sein wie z.B. Gesundheit, Sicherheit, Verantwortlichkeit, Vertrauen. Demnach kann man argumentieren, dass die Art der moralischen Gründe und die Art, in der sie für Handlung gelten, oder, anders formuliert, die Art der moralischen Relevanz der jeweiligen Fakten in Bezug auf Handlungen und ihre Konsequenzen einerseits von der Beschaffenheit der konkreten Handlungen und der jeweils relevanten Fakten, andererseits von den vorausgesetzten Werten und ihrer Beschaffenheit abhängt. Variiert man das erste Beispiel, so hat die Handlung »Trinken koffeinhaltiger Getränke4 in Zusammenhang mit der Handlung Autofahren aufgrund der Tatsache, dass koffeinhaltige
3 3 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Getränke am Steuer das Bewusstsein nicht beeinträchtigen, Konsequenzen, die in Bezug auf den vorausgesetzten Wert Leben einen anderen Wert als im ursprünglichen Beispiel haben. Insofern hat diese neue Tatsache eine andere Art moralischer Relevanz für die Handlungen »Trinken koffeinhaltiger Getränke* und Autofahren und insofern gelten in diesem Fall auch andere moralische Gründe als im ursprünglichen Beispiel. Der Wert, den die Konsequenzen der genannten Handlungen (Autofahren und »Trinken koffeinhaltiger Getränke4) aufgrund der genannten Fakten (dass koffeinhaltige Getränke das Bewusstsein nicht beinträchtigen) erhalten bzw. der Wert, den auch die genannten Fakten hinsichtlich der genannten Handlungen und ihrer Konsequenzen erhalten, hängt von den vorausgesetzten Werten ab. Zu diesen zählt im obigen Beispiel unter anderem das Leben. Würde man einen gänzlich anderen Wert voraussetzen, so würden die genannten Fakten und auch die Konsequenzen der genannten Handlungen anders bewertet werden. Die vorausgesetzten Werte bilden demnach den Grund der moralischen Relevanz von Handlungen und ihren Konsequenzen sowie der moralischen Relevanz von Fakten für Handlungen und ihre Konsequenzen; sie bilden zugleich ein evaluatives Kriterium für die Beurteilung der Fakten, der Handlungen und ihrer Konsequenzen. bb) Moralische Positionen Wie sich in Wellmans Erörterung moralischer Positionen zeigt, werden moralische Gründe und die Art, in der sie auf Handlung Anwendung finden oder für Handlung gelten, sehr unterschiedlich gedacht.716 (1) Moralische Pflicht auferlegende Gründe sind moralische Gründe mit zwei Aspekten: Erstens sind sie für den Handelnden handlungsbestimmend, indem 716 Die im Folgenden diskutierten moralischen Pflichten, Freiheiten 1, Ansprüche, Kompetenzen und Immunitäten werden in der Literatur als „deontische Begriffe" bezeichnet, die neben den „Wertbegriffen" eine Subklasse normativer Begriffe bilden. Vgl. dazu z.B. Kutschera (1982), S. 1. Die wichtigsten deontischen Begriffe sind nach Auffassung Kutscheras „die des ,Gebotenseins', des ,Verbotenseins4 und des »Erlaubtseins4. Weitere deontische Begriffe wie Rechte, Pflichten oder Ansprüche lassen sich damit definieren.44 In: ebd. Ergänzend sei auch erwähnt, dass in der deontischen Logik, die als die Logik in ihrer Anwendung auf das Gebiet des normativ Erheblichen charakterisiert wird, unter anderem logische Beziehungen zwischen diesen Begriffen aufgestellt werden. Vgl. z.B. den Artikel: Deontische Logik von /. Tammelo, in: HWB, Bd. 1, S. 129, und Kutschera (1982), S. 4. Die Grundbegriffe der deontischen Logik „sind deontische Funktoren (auch »Operatoren4 genannt), z.B. »geboten4, »erlaubt4, und deontische Fungenda (auch mit dem mehrdeutigen Wort »Argument4 bezeichnet), z.B. ,Tun4, »Unterlassen4, ,Verhalten4. Diese eignen sich für alle Handlungsnormen. (...) Aus der Kombination von Funktoren und Fungenda entstehen deontische Funktionen (z.B. »gebotenes Tun4, »verbotenes Verhalten4).44 In: Tammelo ebd. Vgl. ferner den Artikel „Logik, deontische44 in: EP, Bd. 2, S. 636 ff. Eine kurze Erläuterung der Begriffe »Anspruch44, „Freiheit", „Kompetenz44 und „Immunität44 findet man z.B. bei Koller (1997b), S. 254 ff.
III. Analyse
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sie Alternativen ausschließen, zweitens rufen sie bei den anderen Reaktionen hervor, wenn der Verpflichtete nicht pflichtgemäß handelt, und erzwingen somit die Wahl des Handelnden auf zweifache Weise. Die Art, in der moralische Pflicht auferlegende Gründe auf Handlung Anwendung finden oder für sie gelten, besteht in einem doppelten Zwang: sie zwingen einerseits zur Handlung wie ein praktischer Grund, andererseits durch potentielle Sanktionen.717 Dies lässt sich folgendermaßen an einem Beispiel im Rahmen der teleologischen Theorie illustrieren: Alkohol am Steuer kann schlechte Konsequenzen in Bezug auf vorausgesetzte Werte wie Leben oder Verantwortlichkeit haben, woraus ein Verbot zu trinken resultiert, wenn man Auto fährt oder fahren will. Zum Zwang, der in diesem Verbot gedacht wird, kommt noch der Zwang drohender Sanktionen hinzu. In Bezug auf relative moralische Pflichten, die einer Partei mit einer korrelierenden Kompetenz, Anspruch zu erheben, geschuldet werden, stellt sich die Frage, ob sie sich allein anhand der Konsequenzen einer Handlung in Bezug auf vorausgesetzte Werte erklären lassen oder auch auf anderen Voraussetzungen beruhen. Resultiert z.B. die relative moralische Pflicht gegenüber einem anderen Autobesitzer, die man durch die Beschädigung seines Wagens beim Ausparken auf sich lädt, allein aus der Konsequenz, dass dessen Ei717 Wellman erklärt, dass moralische Gründe als Gründe zu handeln oder nicht zu handeln, den Zwang (constraint) praktischer Gründe mit technischen und Klugheitsgründen teilten. Vgl. Wellman (1985), S. 133. Man kann die Frage stellen, ob mit diesem Zwang nicht auch ein Wollen einhergeht. Wellman bemerkt, dass moralische Gründe so wie Klugheitsgründe und im Unterschied zu bloß technischen Gründen nicht durch Wahl (adoption) eines rational fakultativen Zwecks bedingt seien. Sofern sie durch Zwecke oder Ziele überhaupt bedingt seien (wobei man deontologische Theorien der Verpflichtung nicht kurzerhand verwerfen sollte), seien die vorausgesetzten Zwecke solche, deren Verwerfung wider die Vernunft jedes moralischen Handelnden wäre. Vgl. ebd.. Diese Bemerkungen schließen ein Wollen des Zwangs, den moralische Gründe auferlegen, nicht aus. In (1999), S. 220, reicht Wellmans Erklärung des moralischen Zwangs (force) Pflicht auferlegender Gründe bis zur Motivation des rationalen moralischen Handelnden. Wie wir gesehen haben, erklärt er dort am Beispiel Versprechen, dass wenn der Versprechensgeber gegenüber dem Versprechensempfänger sein Versprechen nicht halte, obwohl ihn letzterer dazu aufgefordert habe, er seine Geringschätzung ihm gegenüber zum Ausdruck bringen und ihrem persönlichen Verhältnis dadurch Schaden zufügen würde, was einen bedeutenden Unterschied in Bezug darauf ausmache, ob es ihnen gut oder schlecht ergehe. Diese Erkenntnis halte den Versprechensgeber davon ab (restrains), weil er sich um sein eigenes Wohlergehen sorge, und bis zu dem Grad, in dem er im Besitz von Klugheit (prudential reason) sei, werde dies ihn motivieren, eine Handlungsweise zu vermeiden, die sein eigenes Wohlergehen reduzieren werde. Wellmans Erklärung der Motivation, den moralischen Zwang (force) eines Pflicht auferlegenden Grundes aus Klugheit zu akzeptieren, schließt ein Wollen aus rationaler Einsicht nicht aus. Wer sein eigenes Wohlergehen anstrebt oder will, der wird auch das dazu erforderliche Mittel (in diesem Fall: die Einhaltung des Versprechens) anstreben. Diese Bemerkungen sind auch für die weiteren moralischen Positionen wichtig, weil Wellman dem Begriff der moralischen Verpflichtung, unter den der Begriff der moralischen Pflicht fällt, in seiner Moraltheorie zentrale Bedeutung zuzumessen scheint; er bemerkt z.B. an einer Stelle, dass alle moralischen Positionen in Form von moralischen Verpflichtungen definiert seien. Vgl. (1985), S. 169.
3 3 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gentum durch die Handlung Ausparken beschädigt wurde, der Bedeutung und dem Wert, den diese Konsequenz im Kontext vorausgesetzter Werte wie z.B. Kooperationsbereitschaft oder der Respektierung anderer Personen und ihres Eigentums erhält? Lässt sich diese relative moralische Pflicht nicht indirekt auch als eine Konsequenz der Handlung, mit der der Besitzer des beschädigten Autos Anspruch auf Schadenersatz erhebt, verstehen? (2) Im Unterschied dazu ist bei einer moralischen Freiheit 1, eine bestimmte Handlung zu tun, unter einem moralischen Grund, sofern sie bar sind, die Abwesenheit eines moralischen Pflicht auferlegenden Grundes, und, sofern sie vermutet sind, die Unwirksamkeit eines moralischen Pflicht auferlegenden Grundes, diese Handlung zu unterlassen, zu verstehen, obwohl Pflicht auferlegende Charakteristika vorliegen. Die Art, in der moralische Freiheitl übertragende Gründe auf Handlung Anwendung finden oder für sie gelten, besteht also bei baren moralischen Freiheiten 1, eine bestimmte Handlung zu tun, in der Abwesenheit und bei vermuteten in der Unwirksamkeit eines moralischen Pflicht auferlegenden Grundes und des in ihm gedachten Zwangs, diese Handlung zu unterlassen.718 Die Tatsache z.B., dass Autofahren nach dem Genuss alkoholfreier Getränke keine schlechten Konsequenzen für andere in Bezug auf vorausgesetzte Werte wie Leben oder Verantwortlichkeit haben kann, überträgt einer Person die bare bilaterale moralische Freiheitl, sie vor dem Autofahren zu trinken oder nicht zu trinken. Ferner unterscheidet Wellman zwischen moralischen Freiheiten! und bilateralen moralischen Freiheitenl. 719
718 Wir wir gesehen haben bezeichnet Wellman die moralische Position Freiheitl als Gegenteil der moralischen Position Pflicht. Vgl. Wellman (1995), S. 59. Wellman orientiert sich dabei an Hohfeld. Hier kann am Rande auf eine Bemerkung von Stoljar hinweisen, dass Pflicht und Freiheitl (liberty) nicht einfach gegenteilig sind. Es stimme nicht, dass wenn A eine Pflicht gegenüber B hat, X zu tun, A nicht eine Freiheitl hat, und wenn A eine Freiheitl hat, X zu tun, A keine Pflicht hat, weil Pflicht und Freiheitl einander nicht ausschließen, sondern eher implizierten. Vgl. Stoljar (1984), S. 56. An Holtfelds eigenem Beispiel illustriert bedeute dies: Wenn A gemäß einem Vertrag für B auf dessen Grund arbeiten solle, dann habe A sowohl eine Freiheitl als auch eine Pflicht, B's Grund zu betreten. Die Aussagen „A ist verpflichtet, X zu tun" und „A hat die Freiheitl, X zu tun" könnten beide wahr sein. Zweifellos könnten, so Stoljar, beide gegenteilig sein, wenn die Entgegensetzung zwischen einer Pflicht, etwas zu tun, und einer Freiheitl etwas nicht zu tun, besteht, aber es gibt keine logische Gegenläufigkeit, wenn die Entgegensetzung einfach zwischen einer Pflicht und einer Freiheitl besteht. Stoljar bemerkt, dass Hohfeld sich dessen bewusst gewesen sein dürfte, da er bemerkt, dass eine Freiheitl eine Pflicht negiert, wenn der Inhalt der zur Debatte stehenden Freiheitl dem der Pflicht genau entgegengesetzt ist. Auch Wellman berücksichtigt diesen Punkt in seiner Definition einer legalen bzw. moralischen Freiheitl. 719 Vgl. Wellman (1985), S. 146, bzw. hier das Kapitel B., II., 3., c) und den dort erwähnten Hinweis auf Wellman (1995), S. 83, wo er zwischen einer moralischen Freiheitl und einer bilateralen moralischen Freiheitl anhand eines Kriteriums unterscheidet.
III. Analyse
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(3) Wellman definiert einen moralischen Anspruch von X gegenüber Y als eine korrelative moralische Pflicht von Y gegenüber X. Die Menge moralischer Gründe überträgt dem Ansprucherhebenden die moralische Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht oder, im Fall der Nichterfüllung, Anspruch auf Abhilfe zu erheben. In der Erörterung relativer moralischer Pflichten bemerkt Wellman, dass die Partei, der die moralische Pflicht geschuldet wird, eine moralische Kompetenz hat, auf Erfüllung der moralischen Pflicht oder, im Fall der Nichterfüllung, auf Abhilfe von Seiten des Pflichtinhabers Anspruch zu erheben. Daraus könnte man schließen, dass wenn nicht nur, so auch durch moralische Pflicht auferlegende Gründe den Adressaten der moralischen Pflicht zwei moralische Kompetenzen übertragen werden: die moralische Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht zu erheben, und die moralische Kompetenz, auf Abhilfe im Fall einer Nichterfüllung der moralischen Pflicht zu erheben. 720 Wellman bemerkt an einer Stelle, dass die Pflicht eines anderen gegenüber dem Rechtsinhaber das Ansprucherheben auf ihre Erfüllung begründe oder rechtfertige. 721 Die komplexe moralische Position Anspruch enthält auch eine weitere moralische Kompetenz: Moralische Gründe übertragen dem Ansprucherhebenden auch die moralische Kompetenz, einer dritten Person die Funktion eines Richters zu übertragen und an sie zu appellieren, mit Sanktionen der Moralität gegenüber dem Pflichtinhaber zu reagieren. 722 Daraus könnte man schließen, 720
Da Wellman von einer moralischen Kompetenz spricht, Anspruch auf die Ausführung der moralischen Pflicht durch die zweite Partei oder, im Fall der Nichterfüllung auf Abhilfe von Seiten der zweiten Partei zu erheben - vgl. Wellman (1985), S. 143 - könnte man die Ansicht vertreten, dass hier von einer moralischen Kompetenz die Rede ist. Dagegen lässt sich einwenden, dass in Wellmans Formulierung von zwei unterschiedlichen Handlungen die Rede ist: die eine Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, besteht in der Erfüllung der moralischen Pflicht, die andere Handlung, besteht in der Abhilfe, die der Pflichtinhaber leisten soll, wenn er seine moralische Pflicht nicht erfüllt. Insofern kann man argumentieren, dass die zwei unterschiedlichen Handlungen Gegenstände oder Inhalte zweier unterschiedlicher moralischer Kompetenzen sind. (Es sei hier ergänzend darauf hingewiesen, dass Wellman die moralische Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung einer Pflicht zu erheben, in (1999), S. 219, 221, erörtert.) 721 Vgl. Wellman (1985), S. 206. 722 Man könnte Wellmans Erörterungen der moralischen Position Anspruch so verstehen, dass die zweite oben genannte moralische Kompetenz, d.i. die moralische Kompetenz, im Fall der Nichterfüllung der korrelierenden Pflicht durch den Pflichtinhaber, Anspruch auf Abhilfe von seiner Seite zu erheben, auch einen Appell an dritte Parteien bedeutet, mit negativen Sanktionen der Moralität zu reagieren. Die Ausübung dieser moralischen Kompetenz würde demnach die moralische Position dritter Parteien erwirken, durch die der Akt der Verhängung von Sanktionen der Moralität moralisch erlaubt wird. Vgl. Wellman (1985), S. 143, 145. Gegen dieses Verständnis lässt sich einwenden, dass hier erstens von zwei unterschiedlichen Handlungen die Rede ist: die eine Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, besteht in der Abhilfe von Seiten Pflichtinhabers, die zweite Handlung besteht in der Reaktion mit Sanktionen der Moralität von Seiten dritter Parteien. Zweitens lässt sich einwenden, dass die zwei Handlungen Handlungen zweier verschiedener Adressaten sind. Insofern kann man argu-
3 3 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
dass moralische Anspruch übertragende Gründe - falls man sie von moralischen Pflicht auferlegenden Gründen unterscheiden kann sofern sie nicht auf moralischen Pflicht auferlegenden Gründen beruhen, mit ihnen einhergehen; denn auch hier wird vorausgesetzt, dass es eine zweite Partei gibt, die eine moralische Pflicht gegenüber dem Ansprucherhebenden hat. Die Art aber, in der diese moralischen Gründe auf das Verhalten des Handelnden Anwendung finden oder für ihn gelten und ihm die moralische Kompetenz übertragen, in den genannten Arten Anspruch zu erheben, besteht im Unterschied zu moralischen Pflicht auferlegenden Gründen nicht in einem Zwang. Wellman erklärt nicht näher, ob im teleologischen Modell moralische Ansprüche übertragende Gründe analog zu Pflicht auferlegenden Gründen in den Konsequenzen von Handlungen in Bezug auf vorausgesetzte Werte liegen. Besteht z.B. der moralische Grund des moralischen Anspruchs einer Person gegenüber einem Autofahrer auf die Erfüllung seiner Pflicht, den von ihm verursachten Schaden zu ersetzen, allein in der Tatsache, dass er beim Ausparken ihr Auto unabsichtlich beschädigt hat, und der Konsequenz, dass er sich dadurch im Kontext bestimmter vorausgesetzter Werte - wie z.B. Kooperationsbereitschaft und Respekt vor anderen Personen und ihres Eigentums - eine relative moralische Pflicht dieser Person gegenüber aufgeladen hat, den Schaden zu ersetzen?723 Oder ist die genannte relative moralische Pflicht des Autofahrers in gewisser Hinsicht auch als Konsequenz der Handlung, mit der der Besitzer des beschädigten Autos Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Autofahrer erhebt, zu sehen? In diesem Fall würde der moralische Grund dieser relativen moralischen Pflicht des Autofahrers auch im genannten moralischen Anspruch und seinen moralischen Gründen liegen. Die Tatsache, dass das Eigentum des Autobesitzers durch die Handlung des Autofahrers beschädigt wurde, hat im Kontext vorausgesetzter Werte wie der vorhin genannten moralische Konsequenzen, die sich als der moralische Grund des moralischen Anspruchs des Autobesitzers gegenüber dem Autofahrer auf Schadenersatz betrachten lassen. Moralische Ansprüche, die aus Vereinbarungen resultieren, um ein weiteres Beispiel zu erwähnen, gehen aus bestimmten Akten hervor und setzen möglicherweise die Institution der Vereinbarung voraus. Insofern stellt sich die Frage, was das für Akte sind, welche Rolle sie spielen und welche Rolle möglicherweise die (moralische) Institution Vereinbarung spielt. Demnach wirft die Erklärung der moralischen Position Anspruch im teleologischen Rahmen verschiedene Fragen auf. Moralische Anspruch übertragende Gründe finden auf die mentieren, dass hier von zwei unterschiedlichen moralischen Kompetenzen die Rede ist. 723 In diesem Fall sind zwei Faktoren von Bedeutung: Erstens folgt der moralische Anspruch des Besitzers des beschädigten Autos aus der Handlung einer anderen Person und zweitens resultiert dieser moralische Anspruch als nicht beabsichtigte Konsequenz einer Handlung des anderen Autofahrers.
III. Analyse
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Handlung Anwendung oder gelten für die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird. Die Handlung oder Unterlassung, die sie betreffen, d.h. auf die Anspruch erhoben wird, ist die Handlung einer anderen Partei mit der korrelierenden moralischen Position. Da die moralischen Gründe der moralischen Position Anspruch eine moralische Kompetenz übertragen, Anspruch zu erheben, stellt sich die Frage, welche die moralischen Gründe der moralischen Position Kompetenz sind und wie sie auf Handlung Anwendung finden oder für sie gelten. (4) In der Erörterung moralischer Kompetenzen und der Frage, wie Handlungen moralische Konsequenzen hervorbringen können, bemerkt Wellman in „A Theory of Rights", dass moralische Gründe unvollständig sind und dass die Tatsache, dass eine Handlung getan wurde, nur vor Hintergrundvoraussetzungen, die letzte praktische nichtmoralische Gründe enthalten, einen vollständigen moralischen Grund bildet. 724 In „Real Rights" unterscheidet er zwischen Gründen der Tauglichkeit, eine moralische Kompetenz zu besitzen, die faktisch sind, und Gründen der Wirksamkeit der Ausübung einer moralischen Kompetenz, die moralische und nicht spezifisch moralische Gründe enthalten.725 Er bemerkt, dass es keine speziell moralischen Kompetenz übertragenden Gründe analog zu den 724
Wie bereits in der Darstellung von Wellmans Ausführungen zur moralischen Position Kompetenz erwähnt wurde, bemerkt Wellman, dass der Begriff der moralischen Kompetenz im Gegensatz zu den Begriffen der moralischen Pflicht, der moralischen Freiheit 1 und des moralischen Anspruchs praktisch unbekannt ist und dass die Bedeutung von moralischen Fähigkeiten und Kompetenzen in der Moralphilosophie zu lange vernachlässigt worden ist. Vgl. Wellman (1985), S. 147, 158. Dazu sei ergänzend eine weitere Bemerkung aus der Literatur erwähnt: A. R. White, der die Bedeutung und Verwendung des Begriffs „power" und seine Unterschiede zum Begriff „ein Recht" in einem eigenen Kapitel analysiert, bemerkt Folgendes: Autoritäten (authorities) oder jene, denen eine Autorität verliehen worden sei, hätten kennzeichnenderweise nicht-physische Gewalt bzw. Kompetenzen (powers); während Subjekte kennzeichnenderweise Rechte hätten. Vgl. White (1984), S. 153. Souveräne erstrebten Gewalten bzw. Kompetenzen (powers), während Sklaven Rechte erstrebten. Der unterschiedliche Rang der Autorität in der Moral und im Recht erklärt nach White, warum Kompetenzen (powers) im Unterschied zu Rechten nahezu keine Rolle in der Moral, im Recht jedoch eine dominante Rolle spielen. Vgl. ebd., S. 154. 725 Gründe der Tauglichkeit sind, wie wir gesehen haben, die Fakten, die eine Person qualifizieren, die moralische Kompetenz zu besitzen. Dazu zählt Wellman im Beispiel, in dem eine Person X einer anderen Person Y ihre Zustimmung gibt, sie (sc. X) zu boxen, die Tatsache, dass X verletzbar ist, und die psychologischen Vermögen, die X haben muss, um seine Bereitschaft gegenüber Y auszudrücken und dabei zu intendieren, Y die moralische Freiheit 1 zu übertragen, X zu boxen. Vgl. (1995), S. 75. Zu den Gründen der Wirksamkeit der Ausübung der moralischen Kompetenz zählt Wellman erstens moralische Gründe wie z.B. den Pflicht auferlegenden Grund, dass Boxen jemanden normalerweise gefährdet, der zur Erklärung erforderlich ist, warum die Zustimmung dem anderen eine moralische Freiheitl überträgt. Vgl. ebd., S. 76. Zweitens nicht spezifisch moralische Gründe, die zweierlei Art sind: Jene, durch die erklärt wird, wie Zustimmung Geselligkeitsfaktoren wie Sicherheit ändert, die den Pflicht auferlegenden Gründen zugrunde liegen und zu Gründen für negative Reaktionen machen, und jene, durch die erklärt wird, wie Zustimmung die Bedeutung jedes folgenden Aktes des Boxens als Ausdrucks des Charakters des Boxenden ändert.
3 4 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
moralischen Gründen gibt, die Pflicht auferlegend oder Freiheitl übertragend sind, und dass die moralischen Gründe einer moralischen Kompetenz in den moralischen Gründen der moralischen Positionen liegen, die sie als Konsequenzen erwirkt (effects). 726 Zugleich bemerkt er, dass verschiedene moralische Positionen auf einem einzelnen moralischen Grund in unterschiedlicher Weise gründen können. Da moralische Kompetenzen indirekt durch die moralischen Gründe der moralischen Positionen übertragen werden, die sie als Konsequenzen erwirken, könnte man annehmen, dass sich durch die moralischen Gründe letzterer in irgendeiner Weise auch die Art erklären lässt, in der moralische Gründe auf Handlung Anwendung finden oder für sie gelten, wenn sie moralische Kompetenzen übertragen. Wellman erklärt aber nicht näher, wie die moralischen Gründe der moralischen Positionen, die die Konsequenzen der Ausübung einer moralischen Kompetenz bilden, auch diese moralische Kompetenz übertragen. Es stellt sich also die Frage, wie sich im Rahmen des teleologischen Modells erklären lässt, dass die moralischen Gründe der moralischen Position Kompetenz in den Konsequenzen liegen, die sie erwirkt. Wenn z.B. Person X durch Ausübung ihrer moralischen Kompetenz Person Y die moralische Freiheitl erteilt, X zu boxen, so bildet die Aufhebung der moralischen Pflicht Y's, X nicht zu boxen, d.h. die genannte moralische Freiheitl, X zu boxen, die intendierte Konsequenz der Ausübung der genannten moralischen Kompetenz. Liegt in dieser Konsequenz der moralische Grund der genannten moralischen Kompetenz und inwiefern? Wellmans Ausführungen zufolge liegt der moralische Grund der moralischen Kompetenz indirekt in den moralischen Gründen der durch sie erwirkten moralischen Position. Die moralischen Gründe der als Konsequenz hervorgegangenen moralischen Freiheitl Y's, X zu boxen, liegen darin, dass die moralischen Gründe, die Y die moralische Pflicht auferlegen, X nicht zu boxen, von X aufgehoben worden sind und daher nicht gelten. Sie erklären, warum Y 726 Hierbei sei angemerkt, dass Wellman diesen Punkt nicht näher ausführt. Man kann hier die Frage stellen, welche moralischen Gründe moralischer Positionen für die Übertragung moralischer Kompetenzen in Betracht kommen. In der Erklärung der Übertragung moralischer Freiheiten 1 und Ansprüche greift Wellman auf moralische Pflicht auferlegende Gründe zurück. In der Erklärung moralischer Immunitäten greift er auf moralische Kompetenz übertragende Gründe zurück, die, wie er selbst behauptet, in den moralischen Gründen der moralischen Positionen bestehen, die durch eine moralische Kompetenz als Konsequenzen hervorgebracht werden. Wellman erwähnt in seiner Erörterung legaler Positionen, dass Holtfeld uns zeigt, dass das Recht menschliche Handlung auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten betrifft oder darauf Anwendung findet: indem es unsere Wahl erzwingt und indem es uns ermöglicht, unsere legalen Positionen zu ändern. Vgl. Wellman (1985), S. 20. Auf die moralischen Positionen übertragen, bedeutet das analog, dass die moralische Kompetenz uns ermöglicht, unsere moralischen Positionen zu ändern. Durch diese Funktion unterscheidet sich diese moralische Position von allen übrigen. Man kann hier die Frage stellen, welcherart Gründe die Annahme einer solchen moralischen Position erforderlich machen, und inwiefern sie moralische Gründe einschließen.
III. Analyse
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die moralische Freiheit! hat, X zu boxen. Wird dadurch indirekt auch erklärt, warum X die moralische Kompetenz hatte, diese moralische Freiheit 1 als Konsequenz herbeizuführen? Im Rahmen der teleologischen Theorie hat Y die moralische Freiheit 1, X zu boxen, weil dies keine schlechten Konsequenzen in Bezug auf vorausgesetzte Werte wie Sicherheit hat. Inwiefern lässt sich dadurch indirekt auch erklären, warum X die moralische Kompetenz hatte, Y diese moralische Freiheitl als Konsequenz zu übertragen? Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der genannten moralischen Kompetenz und der genannten moralischen Freiheitl um zwei verschiedene moralische Positionen handelt, die verschiedene Subjekte, verschiedene Adressaten und auch verschiedenartige Konsequenzen haben.727 Wie sich an diesem Beispiel zeigt, auf das sich diese Erörterungen beschränken, werfen Wellmans Ausführungen bestimmte Fragen auf, von deren Beantwortung die Klärung der Art, in der moralische Kompetenz übertragende Gründe auf Handlung Anwendung finden, in gewissem Sinn abhängt.728 Ferner ist in Bezug auf die moralische Position Kompetenz Folgen727
Für die Beantwortung der Frage, inwiefern Person X die moralische Kompetenz hat, Person Y die moralische Freiheitl zu übertragen, X zu boxen, dürften auch folgende Faktoren relevant sein. Z.B. das Wissen, über das die zustimmende Person Y verfügt und das ihr erlaubt die Konsequenzen von X's Ausübung seiner moralischen Konsequenz einzuschätzen. Je nachdem, ob Y z.B. ein Boxer oder ein Neurologe ist, wird er die Konsequenzen der Ausübung von X's Kompetenz anders einschätzen und ihm möglicherweise zu erklären versuchen, warum er (sc. X) aufgrund seines mangelnden Wissens über die möglichen Gehirnschäden diese Kompetenz nicht ausüben sollte bzw. die moralische Kompetenz, eine solche moralische Freiheitl einem anderen zu übertragen, gar nicht hat. 728 Da moralische Kompetenzen Handlungen sind, durch die eine bestimmte moralische Konsequenz erwirkt wird, kann man die Frage stellen, ob für die Handlung, die in ihnen gedacht wird, nicht auch moralische Gründe gelten. Wellman erörtert unter anderem folgende Beispiele moralischer Kompetenzen: (i) die moralische Kompetenz einer Person X, einer Person Y die Freiheitl zu übertragen, X zu boxen, (ii) die moralische Kompetenz, eines Eiters seinem Kind den Befehl zu erteilen, A zu tun, mit der Absicht, ihm dabei die moralische Pflicht aufzuerlegen, A zu tun, und (iii) die moralische Kompetenz eines Eiters X, einer anderen Person die moralische Kompetenz zu erteilen, X's Kind moralisch verbindliche Befehle zu erteilen. Vgl. Wellman (1995), S. 66-75. In Bezug auf alle Handlungen, die in diesen moralischen Kompetenzen gedacht werden, lässt sich z.B. die Frage stellen, inwiefern sie moralisch erlaubt sind. Dabei bildet die in der jeweiligen Handlung intendierte Konsequenz, die durch die Handlung verwirklicht wird, einen Bestandteil der Handlung. Wenn jemand eine der genannten moralischen Kompetenzen hat, so kann man auch davon ausgehen, dass er auch die moralische Freiheitl hat, sie auszuüben. Nur unter dieser Bedingung dürfte die als Konsequenz erwirkte moralische Position gültig sein, d.h. auch von den zweiten und dritten Parteien anerkannt werden. Sofern diese Voraussetzung eine Bedingung für die Gültigkeit der als Konsequenz einer moralischen Kompetenz gedachten moralischen Position bildet, gehört sie gewissermaßen auch zu den wesentlichen Voraussetzungen der moralischen Position Kompetenz. Wenn diese Überlegungenrichtigsind, müssten sie auch in der Erörterung der moralischen Kompetenz berücksichtigt werden. Der angesprochene Zusammenhang zwischen moralischen Kompetenzen und moralischen Freiheiten 1 zeigt sich insofern auch in Wellmans Erörterungen moralischer Rechte, als er mit einer moralischen Kompetenz (gleichgültig, ob sie im Kern des
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des zu bemerken: Diese Position unterscheidet sich insofern von den moralischen Positionen Pflicht, Freiheit 1 und Anspruch als letztere die Konsequenz einer moralischen Kompetenz bilden können, d.h. durch eine moralische Kompetenz hervorgebracht oder aufgehoben werden können.729 Insofern lässt sich die moralische Kompetenz relativ zu den anderen drei genannten moralischen Positionen in gewissem Sinn als moralische Metaposition verstehen. (5) Schließlich bestehen moralische Gründe bei normalen moralischen Immunitäten in der Abwesenheit eines moralischen Kompetenz übertragenden Grundes und bei außergewöhnlichen moralischen Immunitäten entweder in einer Disqualifikation der Person, die sonst eine moralische Kompetenz hat, oder in einer Immunisierung der Partei, für die sonst die Konsequenzen der moralischen Kompetenz gelten, oder in der Ungültigkeit der Handlung, durch die die moralische Kompetenz ausgeübt wird. Insofern besteht die Art, in der moralische Immunität übertragende Gründe auf den Handelnden Anwendung finden oder für ihn gelten, in einer Abwesenheit oder Unwirksamkeit moralischer Kompetenz übertragender Gründe für andere Parteien. Wie sieht die Erklärung dieser moralischen Position im Rahmen der teleologischen Theorie aus? Die moralischen Gründe der moralischen Position Immunität einer Person X betreffen die Konsequenzen einer Handlung einer anderen Person Y für X, die (sc. Handlung) nicht den Gegenstand einer moralischen Kompetenz von Y hinsichtlich X bildet. Denn eine andere Person Y hat unter Voraussetzung bestimmter Werte nicht die moralische Kompetenz bzw. hat die moralische Unfähigkeit (disability), moralische Konsequenzen in Bezug auf die Person X zu erwirken. Die Tatsache z.B., dass ein Eiter sein Kind misshandelt hat, bildet in Bezug auf vorausgesetzte Werte wie z.B. Vertrauen, Verantwortlichkeit oder Respekt vor der Autonomie der Person des anderen den moralischen Grund für die außergewöhnliche Immunität des Kindes, seinem Eiter nicht zu folgen, bzw. dafür, dass der Eiter keine moralische Kompetenz hat, moralische Konsequenzen für sein Kind zu erwirken. Insofern finden moralische Gründe, die einer Partei X eine moralische Immunität gegenüber einer anderen Partei Y übertragen, auf eine bestimmte Handlung der Partei Y Anwendung, die eine bestimmte Konsequenz Rechts oder als verknüpftes Element gedacht wird) meistens auch eine moralische Freiheit 1 verknüpft, die moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 80 f., 82 f., 87 f., 89 f., 92-96 (bzw. die Beispiele in einer Fußnote im Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten). In einer Untersuchung dieses Zusammenhangs müsste man auch Harts Auffassung (aus Hart (1973), S. 196) berücksichtigen, mit der sich Wellman in (1985), S. 67 f., auseinandersetzt. [Hier wiedergegeben im Kapitel B., II., 4., a), cc) ,flarts Modell und Kompetenzrechte".] 729 Aber auch eine moralische Kompetenz kann die Konsequenz einer anderen moralischen Kompetenz bilden. Wellman erwähnt, wie wir gesehen haben, als Beispiel die moralische Kompetenz eines Eiters X, einer anderen Person Y die moralische Kompetenz zu übertragen, seinem Kind moralisch verbindliche Befehle zu erteilen. Vgl. Wellman (1995), S. 72 ff. Wellman erörtert nicht, ob sich auch moralische Immunitäten als Konsequenzen moralischer Kompetenzen denken lassen.
III. Analyse
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C für die Partei X hat, und betreffen den normativen Aspekt dieser Handlung und ihrer Konsequenz C. In Bezug auf die moralische Position Immunität ist abschließend Folgendes zu bemerken: Analog zu einer moralischen Kompetenz unterscheidet sich auch eine moralische Immunität insofern von den moralischen Positionen Pflicht, Freiheitl und Anspruch, als sie eine dieser Positionen betreffen kann: denn eine moralische Immunität kann z.B. vor einer Aufhebung einer der letzten drei genannten moralischen Positionen schützen bzw. eine Aufhebung derselben verhindern. 730 cc) Relative moralische Positionen Im Rahmen der Erörterung der Frage, wie moralische Gründe moralische Positionen bestimmen, stellt sich auch die Frage, wie moralische Gründe das Verhältnis zweier Parteien zueinander bestimmen. Denn die meisten moralischen Positionen werden, wenn nicht nur, so auch relativ, d.h. in Bezug auf eine zweite Partei definiert. Die Beantwortung dieser Frage könnte einige Klarheit darüber bringen, wie moralische Gründe moralische Rechte definieren. Wie die Begriffe der relativen moralischen Positionen sind auch die Begriffe moralischer Rechte dreistellig; sie haben ein Subjekt, einen Adressaten und einen Gegenstand und bestimmen das Verhältnis zweier oder mehrerer Parteien zueinander. Wellman zeigt in seiner Erörterung moralischer Positionen nicht nur die unterschiedliche Art auf, in der moralische Gründe kraft vorausgesetzter Werte Handlung oder Reaktion erzwingen, ermöglichen oder in einer anderen Weise betreffen, sondern auch, wie moralische Gründe das Verhältnis der moralischen Handelnden zueinander in unterschiedlicher Weise bestimmen. Beide Bedeutun730
Wellman erwähnt, wie wir gesehen haben, Beispiele moralischer Immunitäten, die eine moralische Pflicht bzw. eine moralische Freiheitl betreffen. Vgl. Wellman (1985), S. 158 [bzw. hier Kapitel B., II., 3., e)]. Man kann davon ausgehen, dass moralische Immunitäten auch moralische Kompetenzen betreffen können. Wellman bringt das Beispiel einer moralischen Kompetenz, deren Konsequenz eine weitere moralische Kompetenz bildet: ein Elter X hat die moralische Kompetenz, einer anderen Person Y die moralische Kompetenz zu übertragen, seinem Kind moralisch verbindliche Befehle zu erteilen. Vgl. Wellman (1995), S. 72 f. Denkt man sich diese moralische Kompetenz als Kernposition eines moralischen Rechts des Eiters X, so kann man davon ausgehen, dass der Eiter X zugleich auch eine moralische Immunität gegenüber jeder anderen Person Z hat, so dass eine Person Z keine moralische Kompetenz hat, mit der sie Person X ihre moralische Kompetenz absprechen könnte. Wellman erwähnt kein Beispiel, in dem eine moralische Immunität in Bezug auf eine andere moralische Immunität gedacht wird, so dass z.B. eine Person X eine moralische Immunität gegenüber einer anderen Person Y hat, derzufolge diese nicht eine moralische Kompetenz hat, eine weitere moralische Immunität der Person X aufzuheben oder für ungültig zu erklären. Eine der Fragen, die sich hier am Rande stellen lassen, ist, ob moralische Immunitäten, die andere moralische Positionen betreffen und die Aufhebung derselben verhindern, in moralischen Rechten nach Wellmans Modell in der Rolle verknüpfter Elemente zu denken sind.
3 4 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gen sind im Begriff „moralische Position" enthalten, obwohl, wie Wellman in Bezug auf legale Positionen hinweist, er den Begriff „legale Position" statt „legale Relation" wählt, weil er nicht ohne Grund annehmen möchte, dass immer eine legale Relation zwischen zwei Parteien vorliegt. Wellman spricht von relativen 731 moralischen Positionen im Unterschied zu absoluten oder nichtrelativen, wenn er auch die Art meint, in der moralische Gründe das Verhältnis zweier Parteien bestimmen. Dies wirft zwei Fragen auf: (a) Erstens, wann moralische Gründe nur Handlung oder Reaktion einzelner Parteien betreffen, und (b) wann sie zudem auch das Verhältnis zweier Parteien zueinander bestimmen. Wellman bringt Beispiele moralischer Pflichten oder Freiheiten 1, die nicht gegenüber einer zweiten Partei bestehen z.B. die absoluten moralischen Pflichten, keine Tiere zu quälen bzw. nicht zu stehlen oder zu morden, oder die moralische Freiheit 1, im T-Shirt zu unterrichten. Allerdings begreift Wellman, wie wir gesehen haben, moralische Gründe als wesentlich soziale Gründe, als Gründe für den Handelnden in der Gemeinschaft mit anderen zu handeln und für die anderen in der Gemeinschaft mit dem Handelnden zu reagieren. 732 Ferner versteht Wellman unter vorausgesetzten Gründen Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Moralische Gründe sind doppel-Aspekt Gründe, d.h. immer auch Gründe für andere unter bestimmten Bedingungen gegenüber dem Handelnden zu reagieren. Insofern muss die Antwort auf die obigen Fragen lauten, dass moralische Gründe in jedem Fall, implizit oder explizit, das Verhältnis moralischer Handelnder zueinander in einer bestimmten Weise bestimmen. Wie erklärt Wellman die Möglichkeit relativer moralischer Positionen, d.h. von Positionen einer Partei X gegenüber einer zweiten Partei Y oder mehreren durch moralische Gründe? Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman in der Erörterung moralischer Positionen, dass moralische Ansprüche und moralische Immunitäten wesentlich relative moralische Positionen sind. In der Definition dieser zwei wesentlich relativen moralischen Positionen sowie in der Definition der moralischen Freiheit 1 rekurriert Wellman auf zwei andere moralische Positionen: auf die moralische Pflicht und die moralische Kompetenz.733 In der De731 Vgl. z.B. Wellman (1985), S. 136, 146 f. In Bezug auf moralische Immunitäten und Ansprüche spricht Wellman von einer „relationalen" (relational) moralischen Position. Vgl. Wellman (1985), S. 158. 732 Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 101. 733 Die analogen legalen Positionen der legalen Pflicht und der legalen Kompetenz betrachtet Wellman als grundlegend und undefinierbar. Vgl. Wellman (1995), S. 18. Wie in der Erörterung legaler Positionen und ihrer Gründe angemerkt wurde, bemerkt Wellman, dass Holtfelds grundlegende (fundamental) Positionen sich in zwei Gruppen teilten, jene, die durch Pflichten oder durch ihr Nichtgegebensein (absence) definiert seien, und jene, die durch das Gegebensein oder Nichtgegebensein einer Kompetenz definierbar seien. Vgl. ebd. und ferner Wellman (1985), S. 20, 42. Ferner bemerkt Wellman an einer Stelle (vgl. die Wiedergabe von Wellmans Erörterung des Begriffs „ein Recht"), dass alle moralischen Positionen in Form moralischer Verpflichtungen (obligations) definiert seien. Vgl. Wellman (1985), S. 169.
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finition des moralischen Anspruchs wird auf die Definition der relativen moralischen Pflicht zurückgegriffen, in der Definition der moralischen Immunität wird auf die Definition der moralischen Kompetenz (Unfähigkeit) und in der Definition der relativen (bzw. nichtrelativen) moralischen Freiheitl wird auf die Definition der relativen (bzw. nichtrelativen) moralischen Pflicht zurückgegriffen. Wie wir gesehen haben, besteht nach Wellmans Ausführungen insofern ein Unterschied zwischen den zwei grundlegenden moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz, als es zwar moralische Pflicht auferlegende Gründe gibt, aber keine speziellen moralischen Kompetenz übertragenden Gründe. Moralische Kompetenzen werden indirekt durch die moralischen Gründe der moralischen Positionen begründet, die sie als Konsequenz intendieren. Für die Beantwortung der Frage, wie moralische Gründe relative moralische Positionen definieren, ist wesentlich, dass Wellman in der Erörterung relativer moralischer Pflichten und moralischer Kompetenzen, die er an sich nicht relativ definiert, die Möglichkeit einräumt, dass sie parasitär zu institutionellen Pflichten bzw. Kompetenzen sein könnten; wobei er aber glaubt, dass es auch solche nicht parasitäre relative moralische Positionen gibt, und durch Beispiele zu erhärten versucht. Sollten diese relativen moralischen Positionen jedoch parasitär zu vorausgesetzten institutionellen Positionen sein, so folgt nach Wellman daraus, dass sie nur in institutionellen Kontexten auftreten und ausgeübt werden können.734 Aus Wellmans Ausführungen folgt, dass man nicht sicher sagen kann, ob sich alle relativen moralischen Positionen allein aus moralischen Gründen, also unabhängig von institutionellen Voraussetzungen erklären lassen, weshalb er die Möglichkeit ihres Auftretens in institutionellen Kontexten, parasitär zu institutionellen Positionen einräumt. Wellman hat aber, wie wir gesehen haben, in Bezug auf moralische Gründe unter anderem bemerkt, dass obwohl die Moral der Moralität logisch vorausgeht, der Begriff des moralischen Grundes aus der Reflexion über die Argumentationsformen abstrahiert ist, die in den sozialen Praxen inbegriffen sind, die unsere Moralität bilden. 735 Ferner hat er bemerkt, dass die Kraft (force) moralischer Gründe in dem Sinn auf die Gesellschaft beschränkt sei, dass sie normalerweise für jeden moralischen Handelnden in einer Gemeinschaft mit anderen starke Gründe zu handeln und für andere in einer Gemeinschaft mit dem Handelnden normalerweise starke Gründe zu reagieren seien.736 Dies legt den Gedanken nahe, dass der Begriff nichtparasitärer relativer moralischer Positionen nur vor gewissen Voraussetzungen, institutioneller oder nichtinstitutioneller Natur, in Bezug auf intersubjektive Verhältnisse, wie sie nur in einer Gemeinschaft möglich sind, Sinn ergibt. Zieht man Wellmans Beispiel eines Auto-
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Vgl. Wellman (1985), S. 143 und 153. Vgl. Wellman (1995), S. 48. Vgl. Wellman (1995), S. 101 f.
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fahrers heran, der beim Ausparken den daneben stehenden Wagen beschädigt und sich dadurch die moralische Pflicht gegenüber dem Besitzer des anderen Autos auflädt, ihn zu entschädigen, so kann man annehmen, dass die Rede von einer solchen relativen moralischen Pflicht und von einer mit ihr korrelierenden moralischen Kompetenz des Autobesitzers, gegebenenfalls moralischen Anspruch auf Entschädigung zu erheben, auf bestimmten Voraussetzungen über das Verhalten und das intersubjektive Verhältnis von Personen im gemeinschaftlichen Leben beruht. Zu diesen Voraussetzungen zählen z.B. alle Bedingungen, die erforderlich sind, damit Personen moralische Gründe als für alle gleichermaßen geltend begreifen, sodass sie ihr Verhalten nach denselben moralischen Gründen auch tatsächlich ausrichten. Man kann annehmen, dass auf solchen Voraussetzungen auch Einstellungen wie Kooperationsbereitschaft, Verantwortlichkeit, Respekt vor der Person des anderen etc. beruhen, Einstellungen also, die Wellman zu den vorausgesetzten Werten zählt. Diese Voraussetzungen dürften insofern in den vorausgesetzten Werten zu finden sein, als diese Geselligkeitsfaktoren enthalten, und bilden vermutlich mit einen Grund dafür, dass die Konsequenzen, die eine Handlung einer Person für andere Personen hat, als moralisch relevant wahrgenommen werden und zur Anwendung moralischer Positionen führen. Was lässt sich aufgrund dieser Überlegungen in Bezug auf das mögliche parasitäre Verhältnis und Auftreten relativer moralischer Positionen zu institutionellen Positionen bemerken? Insofern die Moral der Moralität nach Wellman logisch vorausgeht, beruhen die Gründe und Positionen einer Moralität in der angegebenen Form auf moralischen Gründen und Positionen. Geht man davon aus, dass die in der teleologischen Theorie vorausgesetzten Werte bestimmte Voraussetzungen des gesellschaftlichen Lebens widerspiegeln, die die Behauptung relativer moralischer Positionen möglich erscheinen lassen, so kann man sich das Verhältnis von relativen moralischen Positionen zu relativen institutionellen Positionen einer Moralität im Rahmen von Wellmans Ausführungen folgendermaßen vorstellen. Der institutionelle Charakter, durch den sich die Positionen einer Moralität von den entsprechenden moralischen Positionen unter anderem unterscheiden, kann als praktischer bzw. pragmatischer Aspekt der Wirklichkeit oder Realität moralischer Gründe verstanden werden. Dieser entsteht in einer Gesellschaft, wenn ihre Mitglieder kontinuierlich konstante Handlungs- und Reaktionsweisen nach moralischen Gründen entwickeln, ihr Verhalten aufeinander abzustimmen versuchen und dazu stets Vereinbarungen und Kompromisse in der Frage treffen, wie in gegebenen Situationen nach moralischen Gründen gehandelt und reagiert werden soll. Dies bildet eine Erklärungsmöglichkeit der Entstehung institutioneller Positionen einer Moralität aus moralischen Gründen. In einer solchen Erklärung dürfte, nebenbei bemerkt, auch eine Reihe praktisch erworbener Erkenntnisse eine Rolle spielen, die sich für das soziale Verhalten der Menschen in der Gemeinschaft als wesentlich erwei-
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sen. In diesem Sinn ließe sich das gleichzeitige oder parasitäre Auftreten relativer moralischer Positionen zu den, im Rahmen der Entwicklung der Gesellschaft, aus ihnen kontinuierlich entstandenen institutionellen Positionen als wesentlicher Zusammenhang erklären. 738 Damit sollte im Rahmen der Analyse von Wellmans Theorie moralischer Positionen auf eine Erklärungsmöglichkeit relativer moralischer Positionen hingewiesen werden, den Wellmans Ausführungen zulassen. Die Erklärung des Zusammenhangs zwischen relativen moralischen Positionen und institutionellen Positionen einer Moralität im Rahmen der teleologischen Theorie erweist sich, wie aus diesen kurzen Bemerkungen hervorgeht, als komplexes Thema. Da Wellman diesen Zusammenhang im Rahmen seiner teleologischen Theorie nicht weiter analysiert, wird auch hier nicht weiter darauf eingegangen. dd) Zum Begriff „moralische Position" Aus der bisherigen Analyse geht hervor, dass der Begriff „moralische Position" sehr unterschiedliche Arten moralischer Positionen unter sich vereint. Dies hängt mit der Unterschiedlichkeit der moralischen Gründe und der Art ihrer Gültigkeit zusammen. Die Unterschiedlichkeit moralischer Gründe lässt sich im teleologischen Rahmen den bisherigen Erörterungen nach anhand der Unterschiedlichkeit der Handlungen, ihrer Konsequenzen, der in Bezug auf diese relevanten Fakten und möglicherweise auch anhand der Unterschiedlichkeit der vorausgesetzten Werte erklären. So wie moralische Gründe Handlung bzw. das Verhalten des Handelnden in sehr unterschiedlicher Weise bestimmen, bestimmen sie auch das Verhältnis von Handelnden zueinander in sehr unterschiedlicher Weise. 739 Die Gemeinsamkeit moralischer Positionen lässt sich zu737 Zu solchen praktisch erworbenen Erkenntnissen könnte man z.B. die Erkenntnis miteinander lebender Menschen zählen, dass das Leben in der Gemeinschaft Vorteile mit sich bringt, dass aus verschiedenen praktischen Gründen dazu institutionelle Regelungen erforderlich sind etc. 738 Auf diese Weise könnte man zu erklären versuchen, wie Regeln oder Prinzipien einer bestimmten Moralität, deren Charakter man als deontologisch verstehen kann, aus ihnen logisch vorausgehenden moralischen Gründen, wit Wellman sie im Rahmen seiner teleologischen Theorie versteht, hervorgehen. In den Überlegungen der einzelnen Mitglieder einer Gesellschaft und einem ständig stattfindenden Diskurs zwischen ihnen würden moralische Gründe teleologischer Natur immer wieder zu Modifizierungen der Regeln oder Prinzipien (und damit bestimmter Institutionen) der Moralität ihrer Gesellschaft führen. 739 Gewirth bemerkt in Bezug auf Holtfelds Unterscheidung der vier Bedeutungen (Anspruch, Freiheit 1, Kompetenz, Immunität) des Ausdrucks „ein Recht" („a right"): Diese Unterscheidungen klärten viele der verschiedenen Verwendungen des Ausdrucks „ein Recht"; sie ließen aber viele begriffliche Probleme ungelöst. Was z.B. hätten alle diese Typen von „Rechten" gemeinsam? Holtfeld sagte, sie seien alle „legale Vorteile"; dies sei aber vage. Vgl. Gewirth (1992), S. 1103. Eine analoge Frage kann man auch in Bezug auf Wellmans legale und moralische Positionen stellen. - Wie erwähnt
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mindest darin erkennen, dass sie jeweils eine Art beschreiben, in der moralische Gründe für Handlung und Reaktion gelten oder auf sie Anwendung finden und als relative Positionen dadurch das Verhältnis zweier Handelnder zueinander bestimmen. Die Art, in der moralische Gründe für Handlung gelten oder auf sie Anwendung finden, lässt sich, wie wir gesehen haben, nicht auf einheitliche Weise beschreiben: Moralische Gründe gebieten oder verbieten eine Handlung bzw. eine Reaktion, sofern sie moralische Pflicht auferlegende Gründe sind, sie erlauben eine Handlung zu tun, zu unterlassen oder zwischen einer Handlung und ihrer Unterlassung zu wählen, sofern sie moralische Freiheitl bzw. bilaterale Freiheitl übertragende Gründe sind; sie ermächtigen den Handelnden, moralischen Anspruch auf eine Handlung oder Unterlassung in Form der Erfüllung einer korrelativen relativen moralischen Pflicht oder in Form von Abhilfe im Fall, dass diese Pflicht nicht erfüllt wird, zu erheben, sofern sie moralische Ansprüche übertragende Gründe sind, sie ermöglichen dem Handelnden moralische Positionen durch seine Handlung als Konsequenzen herbeizuführen bzw. zu ändern, sofern sie moralische Kompetenz übertragende Gründe sind; schließlich heben sie die Möglichkeit auf, dass die Handlung einer Partei eine bestimmte moralische Konsequenz für eine andere Partei hat, insofern sie immunisierende moralische Gründe sind. Unter diesen moralischen Positionen spielen zwei moralische Positionen eine zentrale Rolle: die moralische Pflicht und die moralische Kompetenz; mit Hilfe dieser beiden werden alle anderen moralischen Positionen definiert. Diese zwei grundlegenden moralischen Positionen unterscheiden sich, wie wir gesehen haben, insofern voneinander, als die moralische Pflicht durch Pflicht auferlegende Gründe, die moralische Position Kompetenz aber durch die Gründe der moralischen Positionen, die sie als Konsequenzen herbeiführt, übertragen wird. Auffallend ist, dass Wellman gerade in seiner Analyse der grundlegenden moralischen Position Pflicht den normativen Aspekt herausgreift und in einem eigenen kurzen Abschnitt erörtert. 740 Dort bemerkt er in Bezug auf die Art der Gültigkeit moralischer Pflicht auferlegender Gründe unter anderem Folgendes: bemerkt Wellman in Bezug auf Hart, dass er kontinuierlich nach einem gemeinsamen Nenner (denominator) von Holtfelds legalen Vorteilen gesucht habe und dass Harts allgemeine Theorie legaler Rechte den Höhepunkt dieser Suche bilde. Vgl. Wellman (1985), S. 63. 740 Die zentrale Rolle, die Wellman der moralischen Position Pflicht zumisst, zeigt sich gewissermaßen in seiner bereits erwähnten Bemerkung, dass alle moralischen Positionen in Form von moralischen Verpflichtungen definiert sind. Vgl. Wellman (1985), S. 169. Ergänzend sei erwähnt, dass auch andere Autoren dem Begriff „Pflicht" eine zentrale Rolle unter den deontischen Begriffen zumessen. Kutschera schreibt z.B.: „Die wichtigsten deontischen Begriffe sind die des ,Gebotenseins', des ,Verbotenseins' und des ,Erlaubtseins'. Weitere deontische Begriffe wie Rechte, Pflichten oder Ansprüche lassen sich damit definieren. Man kann sogar den Gebotsbegriff als einzigen deontischen Grundbegriff ansehen, denn Verbote und Erlaubnisse lassen sich durch Gebote definieren ..." - Einen Überblick über die deontische Logik,
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Gerade weil Pflichten durch Gründe für Handlung auferlegt würden, seien sie Handlungen, die man tun sollte, und auf diese Weise normativ. 741 Diese Erklärung Wellmans lässt aber die Frage offen, was genau an einem moralischen Grund für Handlung das moralische Sollen und damit die Art, in der moralische Pflicht auferlegende Gründe gelten, erklärt. 742 Da Wellmans Erklärung moralischer Gründe im Rahmen der teleologischen Theorie erfolgt, stellt sich die Frage, ob und wie sich im Rahmen dieser Theorie der Grund des Sollens, d.h. der Art, in der Pflicht auferlegende Gründe für Handlung gelten, erklären lässt. Möglicherweise liegt ein Teil dieser Erklärung darin, dass man in der teleologischen Theorie vom Standpunkt vorausgesetzter Werte des gemeinschaftlichen Lebens aus anhand der Konsequenzen von Handlungen in Bezug auf diese Werte bestimmen kann, ob eine Handlung gut oder nicht gut ist, ohne dabei den Willen und die Wünsche des Handelnden zu berücksichtigen. Wird die Geltung der so ermittelten moralischen Gründe, die eine Handlung oder Unterlassung erforderlich erscheinen lassen, für das Verhalten des Handelnden in Form von Sollen formuliert, so wird damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie unabhängig vom Willen und von den Wünschen des Handelnden gelten. Möglicherweise lässt sich aber das Sollen in der Art der Gültigkeit Pflicht auferlegender Gründe im Rahmen der teleologischen Theorie auch auf andere Weise erklären. Betrachtet man die zwei grundlegenden moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz, so kann man einen wesentlichen Unterschied in der Form der Gültigkeit moralischer Gründe und ihrer Anwendung auf Handlung sehen: Im ersten Fall gelten moralische Gründe unabhängig vom Willen des Handelnden für eine bestimmte Handlung, im zweiten Fall lässt sich die Gültigkeit moralischer Gründe für eine bestimmte Handlung bzw. ihre Anwendung auf eine beBeispiele einiger Systeme und ihrer Grundbegriffe findet man z.B. in EP, Bd. II, S. 636-642. 741 Vgl. Wellman (1995), S. 51. Vgl. hier das Kapitel B., IL, 3., a), bb), (2), Abschnitt (ii). Die Art, wie der zweite Aspekt moralischer Pflicht auferlegender Gründe - nämlich, dass andere gegenüber dem Handelnden reagieren, sofern er nicht nach dem Pflicht auferlegenden Grund handelt - für den Handelnden normative Bedeutung hat, erklärt Wellman, wie wir gesehen haben, durch die Gefahr, negative und unerwünschte Reaktionen zu erdulden. Vgl. ebd., S. 51 f. 742 Wie wir gesehen haben - vgl. hier das Kapitel B., II., 3., a), bb), (2), Abschnitt (iü) - erklärt Wellman in der Erörterung der bindenden Kraft moralischer Pflichten, dass moralische Pflicht auferlegende Gründe, die er als wesentlich sozial begreift, in derselben Weise zwängen wie die meisten Klugheitsgründe, aber in höherem Grad. Vgl. Wellman (1995), S. 56. Wellman bemerkt, dass Konflikte zwischen technischen Gründen oder Klugheitsgründen und unseren Neigungen dadurch abgeschwächt werden, dass der Wunsch nach einem Zweck einen Wunsch für das Mittel hervorzubringen tendiert und dass selbst unvollkommen rationale Handelnde das zu wollen tendieren, was in ihrem besten Interesse ist. Wenn also nach Wellman moralische Pflicht auferlegende Gründe in derselben Weise zwingen wie die meisten Klugheitsgründe, nur in höherem Grad, dann stellt sich die Frage, ob möglicherweise auch die moralischen Pflicht auferlegenden Gründe in irgendeiner Art auf Wünsche (oder ein Wollen) zurückgeführt werden können.
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stimmte Handlung auch darauf zurückführen, dass sie in dieser Handlung intendiert wurden. Übt jemand seine moralische Kompetenz aus, indem er z.B. ein Versprechen gibt, so beabsichtigt er in der Konsequenz dieser Handlung die Geltung moralischer Pflicht auferlegender und Anspruch übertragender Gründe. In diesem wesentlichen Unterschied könnte man auch einen Grund sehen, aus dem sich in der Erklärung der Art, in der die verschiedenen moralischen Positionen auf Handlung Anwendung finden oder für Handlung gelten, kein gemeinsamer Faktor finden lässt: Während moralische Freiheiten 1 und moralische Ansprüche übertragende Gründe mit Bezug auf moralische Pflicht auferlegende Gründe und die in ihnen gedachte Art von Zwang definiert werden, werden moralische Kompetenzen und Immunitäten nicht mit Bezug auf diese Art von Zwang definiert. Wellman müsste den wesentlichen Unterschied der zwei grundlegenden moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz im Rahmen der teleologischen Theorie genauer analysieren. Man kann davon ausgehen, dass eine solche Analyse die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser zwei grundlegenden moralischen Positionen und der in Bezug auf sie definierten moralischen Positionen stärker zum Vorschein bringen wird. Gibt es keine moralischen Gründe, die die zwei grundlegenden moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz übertragen, oder gelten sie aus einem weiteren Grund nicht, so liegen zwei andere moralische Positionen vor: die moralische Freiheit 1 bzw. die moralische Immunität. Diese moralischen Positionen haben erstens gewissermaßen gemeinsam, dass jede von ihnen in Bezug auf eine der beiden grundlegenden moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz definiert wird, und zweitens, dass ihre Anwendung auf oder Gültigkeit für Handlung das Nicht-Gegebensein, die Nicht-Anwendbarkeit oder die Nicht-Gültigkeit der entsprechenden moralischen Position bedeutet, in Bezug auf die sie definiert wird: Moralische Gründe übertragen einer Person dann eine moralische Freiheit 1, eine bestimmte Handlung zu tun, wenn keine moralischen Pflicht-auferlegenden Gründe gelten, diese Handlung nicht zu tun. Moralische Gründe übertragen dann einer Person X eine moralische Immunität in Bezug auf bestimmte Konsequenzen der Handlung einer anderen Person Y, wenn keine moralischen Kompetenz (Fähigkeit) übertragenden Gründe gelten, die Y die moralische Kompetenz übertragen, diese Konsequenzen in Bezug auf X zu erwirken. In Bezug auf den Unterschied in der Art der Gültigkeit moralischer Pflicht auferlegender und Freiheit 1 übertragender Gründe kann man am Rande unter anderem die Frage stellen, ob es bei letzteren nicht auch ein weiteres, positives Kriterium gibt, das zusätzlich zum Nichtgegebensein eines Pflicht auferlegenden Grundes, eine Handlung Z zu unterlassen, als moralischer Freiheitl übertragender Grund vorliegt, diese Handlung Z zu tun, 743 Eine ähnliche Frage kann man 743
Es ist in konsequentialistischem Rahmen zumindest denkbar, dass es moralische Gründe geben kann, die erklärten, warum man eine bestimmte moralische Freiheitl, eine Handlung Z zu tun, haben muss, ohne gezwungen zu sein, diese Handlung aus-
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auch in Bezug auf den Unterschied in der Gültigkeit moralische Kompetenz und moralische Immunität übertragender Gründe stellen: ob zumindest bei manchen moralischen Immunitäten nicht auch ein positiver moralischer Grund vorliegt, der zusätzlich zur Nicht-Gültigkeit moralischer Kompetenz übertragender Gründe das Gegebensein der moralischen Immunität erklärt. Die Unterschiedlichkeit der Anwendung moralischer Gründe auf Handlung oder ihrer Gültigkeit für Handlung geht ferner auch damit einher, dass bei einigen moralischen Positionen (MPS) 7 4 4 die Handlung, die sie betreffen, auf Seiten des Subjekts der moralischen Position gedacht wird (z.B. bei moralischen Pflichten, Freiheiten 1 und Kompetenzen), bei anderen (MPA) auf Seiten des Adressaten der moralischen Position (z.B. bei moralischen Immunitäten).745 Je nachdem, welche Handlung man in der Analyse eines moralischen Anspruchs als wesentlich betrachtet, die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird, oder die Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, oder beide, lässt sich ein moralischer Anspruch entweder der ersten Art moralischer Positionen (MPS) oder der zweiten (MPA) oder vielleicht auch beiden Arten zuordnen. 746 Im Begriff der zuführen, woraus sich dann erklären ließe, warum man keine moralische Pflicht haben kann, diese Handlung Z zu unterlassen. Z.B. hat man normalerweise die bilaterale moralische Freiheit 1, eine Frage, die einem von einer x-beliebigen Person gestellt wird, zu beantworten oder nicht zu beantworten. Es dürfte Situationen geben, in denen man den Grund für das Vorliegen z.B. der moralischen Freiheit 1, eine Frage zu beantworten, nicht nur im Nichtgegebensein moralischer Pflicht auferlegender Gründe, eine Frage nicht zu beantworten, sehen wird, sondern auch in einem moralischen Freiheit 1 übertragenden Grund, der erklärt, warum es die moralische Freiheit 1, eine Frage zu beantworten, geben muss: z.B. wenn es aufgrund vorausgesetzter außermoralischer Werte wie Wohlwollen, Kooperationsbereitschaft oder Solidarität, in bestimmten Situationen als sinnvoll erkannt wird, einem unbekannten wissbegierigen Kind eine Frage zu beantworten, die ihm ein Anliegen ist; weil man auf diese Weise sein Interesse an wissenschaftlichen Fragen, seine Intelligenz, sein Vertrauen in die Wissenschaft etc. fördert. [Dieses Beispiel einer moralischen Freiheit, lässt sich weder zu den baren noch zu den vermuteten moralischen Freiheiten zählen, die Wellman unterscheidet: Es lässt sich nicht zu den baren moralischen Freiheiten zählen, weil bare moralische Freiheiten im Nichtgegebensein eines Pflicht auferlegenden moralischen Grundes bestehen, und nicht zu den vermuteten moralischen Freiheiten zählen, weil bei diesen auch gegenteilige Pflicht auferlegende Charakteristika bestehen. Vgl. (1995), S. 60 ff., und hier das Kapitel B., II., 3., c)] 744 „MPS" steht hier als Abkürzung für die drei Worte „moralische", „Position" und „Subjekt", „MPA" als Abkürzung für die drei Worte „moralische", „Position" und „Adressat". 745 Wellman hatte in seiner Auseinandersetzung mit der //arischen Theorie legaler Rechte von zwei sehr unterschiedlichen Arten gesprochen, in denen Rechte sich auf menschliches Verhalten beziehen: Die definierende Anwendung (defining application) eines Freiheitsrechts oder eines Kompetenzrechts betreffe das Verhalten des Rechtsinhabers; die praktische Anwendung eines Anspruchsrechts oder eines Immunitätsrechts betreffe wesentlich das Verhalten einer zweiten Partei, des Pflichtinhabers oder der Partei, die die spezifische legale Fähigkeit (ability) ermangle. Vgl. Wellman (1985), S. 70 f., bzw. hier das Kapitel B., II., 4., a), cc) „//arfs Theorie", Abschnitt: (3) „//arfs Theorie und Anspruchsrechte", Punkt (a).
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moralischen Position, allgemein verstanden, wird also gedacht, dass moralische Gründe für eine Handlung entweder auf Seiten des Subjekts oder auf Seiten des 746 Wellman definiert, wie wir gesehen haben, einen (legalen / moralischen) Anspruch einer Person X gegenüber einer Person Y auf eine Handlung Z als die korrelative (legale / moralische) Pflicht von Y gegenüber X, Z zu tun, gemeinsam mit einer (legalen / moralischen) Kompetenz von X gegenüber Y, Anspruch auf die Erfüllung dieser Pflicht oder auf Abhilfe zu erheben, im Fall einer angedrohten oder wirklichen Nichterfüllung der (legalen / moralischen) Pflicht. Ein legaler Anspruch enthält zudem die legale Kompetenz von X, gegen Y gerichtlich vorzugehen, ein moralischer Anspruch auch die moralische Kompetenz, an dritte Parteien zu appellieren, mit Sanktionen der Moralität gegen Y zu reagieren. Vgl. Wellman (1985), S. 39, 143 f., bzw. hier die Kapitel B., IL, 2., b) und B., IL, 3., b). Wellman analysiert, am Rande bemerkt, den Kernanspruch des akademischen Rechts auf eine exakte Benotung (accurate grade) in einem Universitätskurs, im Sinn dieser Definition. Vgl. Wellman (1985), S. 109 f. Er definiert also den Begriff „moralischer Anspruch" durch zwei weitere Begriffe: die Begriffe „moralische Pflicht" und „moralische Kompetenz". Insofern stellt sich die Frage, wie man die moralische Position Anspruch mit dieser komplexen Bedeutung am besten verstehen kann und wie man sie von einer moralischen Kompetenz unterscheidet. Wenn man einen moralischen Anspruch als moralische Kompetenz einer Person X gegenüber einer Person Y, Anspruch auf die korrespondierende moralische Pflicht von Y gegenüber X zu erheben, definiert, so stellt sich die Frage, ob man auch von einem moralischen Anspruch sprechen kann, wenn Y seine moralische Pflicht gegenüber X erfüllt, bevor bzw. ohne dass X Anspruch auf die Pflichterfüllung erhebt. Hat X also einen moralischen Anspruch gegenüber Y auf die Erfüllung der korrespondierenden moralischen Pflicht von Y gegenüber X, auch wenn X nicht auf die Erfüllung dieser Pflicht Anspruch erhebt? Hier zeigt sich ein Unterschied zwischen „einen Anspruch haben" und „einen Anspruch erheben". In Wellmans Verständnis scheint die moralische Position Anspruch beide Bedeutungen zu enthalten. Diesem Verständnis nach würden in ein und derselben moralischen Position Anspruch zwei Handlungen gedacht: die, mit der man Anspruch erhebt, und die, auf die man einen Anspruch hat. Wellman bemerkt allerdings in seiner Auseinandersetzung mit der //arischen Theorie (worauf auch in der vorigen Fußnote Bezug genommen wurde), dass die definierende Anwendung (defining application) eines Freiheitsrechts oder eines Kompetenzrechts das Verhalten des Rechtsinhabers betreffe, die praktische Anwendung eines Anspruchsrechts oder eines Immunitätsrechts wesentlich das Verhalten einer zweiten Partei, des Pflichtinhabers oder der Partei, die der spezifizierten legalen Fähigkeit ermangle, betreffe. Vgl. Wellman (1985), S. 70 f. Dies impliziere, dass der Begriff des Ausübens eines Rechts für die Auffassung eines Freiheitsrechts oder eines Kompetenzrechts wesentlich sei, während er in Bezug auf Anspruchsrechte oder Immunitätsrechte fehl am Platz sei. Wellman bemerkt in Bezug auf Harts Ausführungen, er stimme zu, dass „es schwierig sei sich Rechte vorzustellen, die nicht ausübbar seien", er fordere jedoch klar Denkende dazu auf, dieser Versuchung zu widerstehen. [Vgl. auch hier das Kapitel über Harts Theorie B,. II., 4., a), cc), Abschnitt (3) ,Jiarts Modell und Anspruchsrechte", Punkt (a).] Diese Bemerkungen Wellmans legen nahe, dass in der Kernposition eines Anspruchsrechts, d.i. in der legalen Position Anspruch keine ausübbare Handlung des Rechtsinhabers, sondern vermutlich ein Bezug auf eine Handlung auf Seiten des Adressaten des legalen Rechts, d.h. des Pflichtinhabers gedacht wird. Wenn diesem Verständnis nach die Handlung, mit der Anspruch auf die Pflichterfüllung des Adressaten erhoben wird, nicht in der Kernposition, also dem legalen Anspruch gedacht wird, so dürfte die legale Kompetenz, deren Gegenstand diese Handlung bildet, eher als verknüpftes Element zu denken sein, das (möglicherweise untrennbar) mit der Kernposition verknüpft ist. Wellmans Bemerkungen in seiner Erörterung von Harts Theorie lassen auch dieses Verständnis der legalen bzw. moralischen
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Adressaten der moralischen Position oder möglicherweise auch für eine Handlung auf Seiten des Subjekts und eine Handlung auf Seiten des Adressaten der moralischen Position zugleich gelten. Die moralischen Positionen, die eine Handlung des Adressaten betreffen oder sich auf sie beziehen, fallen mit jenen zusammen, die Wellman als wesentlich relationale (essentially relational) moralische Positionen bezeichnet747 (also moralische Ansprüche und Immunitäten). Insofern hängt die Erklärung der Art, in der moralische Gründe die Handlung des Adressaten der moralischen Position betreffen können, in irgendeiner Weise auch mit der Erklärung relativer moralischer Positionen zusammen.748 Quer zu dieser Unterscheidung zwischen MPS und MPA verläuft eine weitere Unterscheidung: Sowohl innerhalb der MPS als auch innerhalb der MPA findet man einerseits moralische Positionen (MPH) 7 4 9 , die eine Handlung betreffen, zu denen die moralischen Positionen Pflicht und moralische Freiheit 1 zählen; andererseits findet man auch moralische Positionen (MPMP), die entweder selber moralische Positionen hervorbringen oder verändern können, wie die moralische Position Kompetenz, oder in Bezug auf solche moralische Positionen definiert sind, wie die moralische Position Immunität.750 Die moralische Position Anspruch wäre, wenn man darunter primär einen Anspruch auf eine Handlung
Position Anspruch zu und es lässt sich argumentieren, dass dieses Verständnis differenzierter ist. 747 Vgl. Wellman (1985), S. 158. 748 In der Literatur findet man den Hinweis auf eine ganz andere Rolle, die Handlung in der Erklärung einiger relativer moralischer Pflichten spielt. Montague bemerkt, ihm scheine, dass relationale Pflichten, d.h. Pflichten gegenüber einer bestimmten anderen Person, ohne Bezugnahme auf Behauptungen über intendierte Nutznießer oder über Kompetenzen, diese Pflichten zu ändern, erklärt werden könnten. Vgl. Montague (2001), S. 266 f. Zumindest viele von den Pflichten, die charakteristischerweise als relational klassifiziert würden, hätten folgendes Charakteristikum gemeinsam: Sie würden durch die Ausführung bestimmter Arten von Handlungen eingegangen. So würden z.B. die Pflichten, Versprechen zu halten und Schulden zurückzuzahlen als paradigmatisch relational begriffen. Es sei kein Zufall, dass die Pflichten, die Menschen eingingen, indem sie Versprechen gäben oder indem sie Geld herborgten, sich als relational herausstellten, weil die Handlungen Versprechen und Herborgen in ihrer Beschaffenheit im Wesentlichen relational seien. 749 „MPH" steht als Abkürzung für die drei Worte „moralische", „Position" und „Handlung", „MPMP" als Abkürzung für die vier Worte „moralische", „Position", „moralische" und „Position". 750 Die letztgenannte Art moralischer Positionen (MPMP), zu denen hier die moralischen Positionen Kompetenz und Immunität gezählt werden, könnte man - wie in der vorangegangenen Erörterung dieser moralischen Positionen bemerkt wurde - hinsichtlich ihrer Funktion als moralische Metapositionen im Vergleich zu den moralischen Positionen (MPH) Pflicht, Freiheit 1 und Anspruch (sofern man unter einem moralischen Anspruch primär einen Anspruch auf eine Handlung versteht) bezeichnen. Denn durch moralische Kompetenzen lassen sich moralische Pflichten, Freiheiten 1 und Ansprüche (sowie auch Kompetenzen) hervorbringen oder aufheben und moralische Immunitäten schützen vor einer solchen Hervorbringung oder Aufhebung bzw. verhindern diese.
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versteht, der ersteren Art moralischer Positionen (MPH), wenn man darunter primär eine Kompetenz, Anspruch zu erheben versteht, der letzteren Art (MPMP) moralischer Positionen, und wenn man darunter beide genannten Bedeutungen zusammenfasst, beiden Arten moralischer Positionen zuzuordnen.751 In Bezug auf die Rolle des Begriffs „Handlung" in der Erklärung moralischer Positionen kann man abschließend festhalten, dass sie den Gegestand der Anwendung oder Gültigkeit moralischer Gründe bildet: Moralische Gründe sind, wie wir gesehen haben, Gründe für eine Handlung bzw. eine Reaktion, die ebenfalls eine Handlung bildet, oder für die Unterlassung einer Handlung bzw. Reaktion. In Bezug auf die Handlung, für die moralische Gründe gelten, wird das Verhältnis der beteiligten oder involvierten Parteien, sofern es mehrere sind, in Form einer bestimmten moralischen Position zueinander bestimmt. Zusammenfassend kann man bemerken, dass Wellmans teleologische Theorie moralischen Handelnden, die in Gemeinschaft miteinander leben, ermöglicht, den moralischen Aspekt ihrer Handlungen und ihrer wechselseitigen Verhältnisse bis zu seinen faktischen und normativen Voraussetzungen zu analysieren und zu erklären. Wellmans Theorie ermöglicht dabei verschiedene Arten der moralischen Relevanz von Fakten in Bezug auf Handlung unter Voraussetzung bestimmter nichtmoralischer Werte und verschiedene Arten der wechselseitigen Verhältnisse moralischer Handelnder zu unterscheiden und zu bestimmen. Man kann von der Annahme ausgehen, dass die fünf 752 Arten moralischer Gründe, die Wellman unterscheidet, die wichtigsten der bisher theoretisch erfassten Arten moralischer Gründe widerspiegeln, durch die sich moralisch relevante Handlungen von Menschen, die miteinander in Gemeinschaft leben, erklären lassen. Dies legt auch die Annahme nahe, dass sich durch die dadurch definierten moralischen Positionen die wichtigsten Arten und Komponenten der bisher bekannten moralisch relevanten Verhältnisse zwischen Menschen, die miteinander in Gemeinschaft leben, beschreiben lassen. Wellmans Theorie greift sowohl in den Bereich der normativen Ethik als auch in den Bereich der Metaethik.753 Sie greift in den Bereich der normativen 751 Die moralische Position Anspruch ist Wellmans Verständnis auch insofern zu den moralischen Positionen der Art MPMP zuzuordnen, als sie seiner Beschreibung nach auch die moralische Kompetenz an dritte Parteien zu appellieren enthält, mit Sanktionen der Moralität zu reagieren, sofern der Pflichtinhaber seine moralische Pflicht nicht erfüllt. 752 Von fünf Arten moralischer Gründe kann man dann sprechen, wenn man die moralische Kompetenzen übertragenden Gründe in irgendeiner Hinsicht von den moralischen Gründen der anderen moralischen Positionen unterscheidet. 753 Bemerkungen zur Ethik und Metaethik findet man in Wellmans früheren Werken. Wellman bemerkt in (1961), S. 15 f.: Es werde oft behauptet, dass die Metaethik keine Relevanz für die Ethik habe, aber er (sc. Wellman) bezweifle diese Behauptung. Zweifellos blieben viele ethische Fragen von den Interpretationen ethischer Sätze unberührt; aber manche wirkliche Relationen existierten, wenn auch indirekt. Sollte sich herausstellen, dass z.B. „gut" (good) angenehm (pleasant) bedeute, hätte das eine be-
III. Analyse
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Ethik, insofern sie aufgrund konkreter, in ihr genannter vorausgesetzter Werte des gemeinschaftlichen Lebens die Art des moralischen Grundes für Handlung bzw. Reaktion und die Art der moralischen Positionen unter den Handelnden in einer bestimmten Situation zu bestimmen ermöglicht. Da in dieser Theorie Begriffe wie „moralischer Grund", „moralische Position", „ein Recht" 754 u.a. erklärt werden, werden in ihr auch metaethische Fragen thematisiert. Da es sich deutende Auswirkung in der Entscheidung, welche Dinge gut seien. Wenn „sollte" (ought) für eine metaphysisch wirkliche nichtnatürliche Relation stehe, dann sei eine Verpflichtung mehr als ein Gefühl in unserem Geist (mind). Zumindest manche Interpretationen der Bedeutung ethischer Sätze seien relevant für die Natur der Güte (goodness) und Verpflichtung und vielleicht indirekt relevant für spezifische Werturteile (judgements of value) sowie für Urteile über Verpflichtungen. Wellman erörtert den Unterschied von normativer Ethik und Metaethik z.B. in (1988), S. 303. Er bemerkt, das Kernland der Ethik (ethics) bestehe aus Axiologie (axiology), der Theorie über Werte (theory of value), und Deontologie (deontology), der Theorie über Verpflichtung (obligation). Die Theorie über Werte werde die Theorie intrinsischen (intrinsic) Werts, extrinsischen (extrinsic) Werts, wie ästhetischen oder instrumenteilen Werts, die Unterscheidung zwischen moralischem und außermoralischem Wert, eine Behandlung der Grade vergleichenden Werts etc. umfassen. Die Theorie der Verpflichtung werde die Natur der Verpflichtung, die Grundlage der Verpflichtung, Überlegungen über die Unterschiede zwischen Pflichten (duties) und Verpflichtungen (obligations) und bloßen Pflichten (mere „oughts"), das Verhältnis zwischen moralischer und nichtmoralischer Verpflichtung und viele damit verwandte Theorien enthalten. Alle Theorien über Werte und Verpflichtung, die in diesem Kernland angesiedelt seien, gehörten zur normativen Ethik, weil sie alle explizit oder implizit eine Norm für das menschliche Verhalten aufstellten. Im Unterschied dazu sei die Metaethik moralisch neutral oder tendiere dazu. Sie mache keinen Gebrauch von den Worten „gut" (good) oder „recht" (right), um normative Urteile zu fallen; sie erwähne solche Worte, um ihre Bedeutung zu klären oder um zu erklären, wie Aussagen, die von ihnen Gebrauch machten, gerechtfertigt werden könnten. Folglich enthalte die Metaethik Theorien über die Bedeutung von ethischen Worten und Theorien über die Rechtfertigung ethischer und moralischer Aussagen. Frankena etwa charakterisiert den Unterschied zwischen normativem und metaethischem Denken folgendermaßen: Normatives Denken ist „von der Art, wie es Sokrates im ,Kriton' geübt hat und wie jeder es übt, der danach fragt, was richtig, gut oder moralisch geboten ist. Dieses Denken kann die Form eines normativen Urteils annehmen, wie ,Ich sollte nicht versuchen, aus dem Gefängnis zu entfliehen4 ...; dabei umfasst es die Begründung dieses Urteils ..." Analytisches, kritisches oder metaethisches Denken ist jenes, das „nicht um die Aufstellung oder Verteidigung von normativen oder wertenden Urteilen bemüht" ist. „Es versucht nicht, besondere oder allgemeine Fragen darüber zu beantworten, was gut,richtigoder geboten ist. Es hat vielmehr logische, erkenntnistheoretische oder semantische Fragen ... zum Inhalt". Vgl. Frankena (1994), S. 21. „Die Metaethik schlägt keine moralischen Prinzipien oder Handlungsziele vor, es sei denn auf mittelbarem Wege; sie besteht ganz und gar aus begrifflicher Analyse/4 Vgl. ebd., S. 114. Kutschern etwa bemerkt zur Unterscheidung zwischen Ethik (normativer Ethik) und Metaethik: ,3s wäre nun aber unsinnig, eine scharfe Grenze zwischen Ethik und Metaethik ziehen zu wollen. Ethik ist wie jede andere Disziplin auf die Untersuchung ihrer wissenschaftstheoreüschen Grundlagen angewiesen, auf die Klärung der Bedeutung ihrer Grundausdrücke und der Tragfähigkeit ihrer Argumente." Vgl. Kutschera (1982), S. 41 f. Ergänzend sei erwähnt, dass neben der normativen Ethik und der Metaethik die deskriptive Ethik als dritter Typ von Ethik angeführt wird. Vgl. Frankena (1994), S. 20, und Kutschera (1982), S. 39.
3 5 6 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
um eine teleologische Theorie (mit einer gewissen Nähe zum Utilitarismus, wie Wellman einräumt) handelt, kann sie von Vertretern anderer Typen ethischer Theorie (z.B. Deontologen)755 angefochten werden. Wellmans teleologische Theorie, insbesondere die Anwendung eines teleologischen Modells im Versuch, die verschiedenen Arten moralischer Gründe und Positionen zu erfassen, mit denen sich alle möglichen wechselseitigen Verhältnisse moralischer Handelnder zueinander begreifen lassen, ist in gewisser Hinsicht nicht abgeschlossen 756 und wirft verschiedene Fragen auf, von denen einige hier erwähnt wurden. Die zentrale Bedeutung, die dem eher kurzen Kapitel über die teleologische Erklärung der moralischen Grundlagen moralischer Rechte in „Real Rights" letztendlich zukommt, lässt die Annahme zu, dass Wellman in einer überarbeiteten Neuauflage seiner Theorie über moralische Gründe, Positionen und Rechte den teleologischen Aspekt stärker herausarbeiten würde. Auf der bisher diskutierten Grundlage, die aus der Erörterung moralischer Normen und ihrer Gültigkeit für das Verhalten moralischer Handelnder in Form der unterschiedenen moralischen Positionen besteht, entwickelt Wellman einen Begriff bzw. ein Modell eines moralischen Rechts und versucht zu zeigen, wie man die Wirklichkeit moralischer Rechte überprüfen und nachweisen kann. Damit ist die dritte, der eingangs erwähnten Fragen angesprochen und man kann zum zweiten Teil dieser Analyse übergehen. 2. Das Modell eines moralischen Rechts Im zweiten Teil dieser Analyse soll Wellmans Modell eines moralischen Rechts erörtert werden. Zu Beginn soll seine Auffassung eines moralischen Rechts kurz rekapituliert werden. Wellman definiert sein Modell eines morali75 4
Wellman schreibt z.B. in (1988), S. 269: Die Frage, „Was meinten wir mit ,ein Recht4?" sei eine metaethische Frage. 755 Die Frage, welche Einwände Deontologen gegen eine teleologische Theorie vorbringen können, bildet ein eigenes Thema, das hier nicht erörtert werden kann. Auf die Unterschiede und einen Zusammenhang zwischen deontologischer und teleologischer Theorie wurde im Rahmen dieser Analyse in den Endnoten (im Kapitel B., III., 1., a) „Moralische und vorausgesetzte Gründe") zum teleologischen Typ von Wellmans Theorie sowie zur Frage nach einem Entscheidungskriterium eingegangen. In einer Fußnote im Rahmen der Erörterung der Frage, wie sich der Zusammenhang zwischen relativen moralischen Positionen und relativen institutionellen Positionen einer Moralität denken lässt [im Kapitel B., III., 1., b), cc) „Relative moralische Positionen"] wurde kurz darauf hingewiesen, wie der Zusammenhang zwischen Regeln einer Moralität mit deontologischem Charakter und moralischen Gründen teleologischer Natur gedacht werden könnte. 75 6 Wellman weist, wie wir gesehen haben, selbst darauf hin, dass er keine systematische und adäquate Erklärung dafür hat, wie alle moralischen Gründe auf vorausgesetzten Werten gründen, dass aber einige Andeutungen darüber, wie eine solche Erklärung aussehen könnte, in seiner eher spekulativen Darstellung der Grundlagen von Musterrechten zu finden sind. Vgl. Wellman (1995), S. 101.
III. Analyse
357
sehen Rechts analog zu seinem Modell eines legalen Rechts, das er als Komplex legaler Positionen begreift. Dieses Modell entwickelt er aufgrund der Untersuchung anderer Rechtstheorien (vor allem W.N. Hohfelds, H.L.A. Harts und A. Ross') und der Einsichten, die er daraus gewinnt.757 Die Genese von Wellmans Auffassung eines legalen Rechts und, darauf aufbauend, eines moralischen Rechts in seiner Auseinandersetzung mit den genannten Theorien legaler Rechte bildet ein eigenes, komplexes Thema, das besonderer Erörterung bedarf. Dieses Thema wird ausgeklammert, da die dafür erforderliche genauere Untersuchung der genannten Theorien und der Schlussfolgerungen, die Wellman aus seiner Auseinandersetzung mit denselben zieht, einen größeren Raum in dieser Arbeit beanspruchen würde. Stattdessen beschränken sich die folgenden Erörterungen auf eine Analyse seiner Auffassung eines moralischen Rechts im Rahmen der teleologischen Theorie. Wellmans Modell eines Rechts beruht auf der Erkenntnis, dass die Struktur eines legalen Rechts komplex ist und nicht allein aus einer legalen Position bestehen kann. Auf dieser Erkenntnis baut auch das analog dazu definierte Modell eines moralischen Rechts auf. Im Kern des komplexen moralischen Rechts steht eine moralische Position, die den Inhalt und die Modalität des Rechts bestimmt, dem Recht seine Einheit gibt und den Rechtsinhaber bestimmt. Mit dem Kern des Rechts sind weitere moralische Positionen verknüpft, von denen nicht alle notwendig Positionen des Rechtsinhabers sein müssen. Die Verknüpfung zwischen Kern des Rechts und verknüpften Elementen besteht in einer Freiheit2 und Kontrolle, die die verknüpften Elemente dem Rechtsinhaber über den Kern des Rechts gegenüber zweiten Parteien in einer möglichen Willenskonfrontation direkt ermöglichen. Diese Freiheit2 und Kontrolle fasst Wellman unter dem Oberbegriff „Herrschaft" zusammen und bezeichnet sein Modell eines Rechts als Herrschaftsmodell. Die folgende Analyse gliedert sich in drei Abschnitte. (1) Im ersten Abschnitt werden einige wichtige Charakteristika oder Aspekte eines moralischen Rechts erörtert, die in Wellmans Modell enthalten sind oder mit ihm wesentlich zusammenhängen. (2) Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Erörterung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts und seiner Bestandteile. (3) Im dritten Abschnitt wird die Relevanz der Qualifikationen des Rechtsinhabers für Wellmans Modell eines moralischen Rechts thematisiert.
757
An dieser Stelle sei am Rande folgende Bemerkung Wellmans - aus (1988), S. 233 - in Bezug auf die Definition des Ausdrucks „ein Recht" erwähnt: Da die Grundlagen eines Rechts sehr stark in Zweifel gezogen würden, sollte jede Definition des Ausdrucks „ein Recht" neutral hinsichtlich alternativer Theorien sein. Es sei ein Fehler irgendeinen solchen wesentlichen Punkt durch Definition festlegen zu wollen. Wenn der kontroverse Punkt fair diskutiert und vernünftig festgesetzt werden solle, dann brauchten wir eine Definition von „ein Recht", in der alle plausiblen philosophischen Theorien formuliert werden könnten und die nicht zum Nachteil einer Theorie voreingenommen sei.
358
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
a) Charakteristika
eines moralischen Rechts
Wellman hat, wie wir gesehen haben, in Bezug auf legale Rechte bemerkt, dass er ein analytisches Modell legaler Rechte und nicht eine Definition der Bedeutung der Sprache über legale Rechte angeboten habe. 758 Das Modell unterscheide sich von dem, was es darstelle (models) und habe die Eigenschaft, uns Charakteristika des Originals zu zeigen, die wir nicht unterscheiden oder so klar wahrnehmen könnten, wenn wir nur auf das Original selbst schauen würden. Für sein Modell eines moralischen Rechts dürfte entsprechendes gelten, da er es analog zu seinem Modell eines legalen Rechts definiert. Man kann hier die Frage stellen, auf welche wichtigen Charakteristika bzw. Aspekte moralischer Rechte Wellman in seiner Theorie hinweist und inwiefern sie sich in seinem Modell eines moralischen Rechts widerspiegeln. Im Folgenden werden einige wichtige Charakteristika erörtert, die entweder Bestandteile von Wellmans Modell eines moralischen Rechts bilden oder mit ihnen wesentlich zusammenhängen. aa) Herrschaft Das zentrale und wesentliche Charakteristikum moralischer Rechte bildet die in ihnen gedachte Herrschaft. Wellman erklärt mit diesem Begriff die Funktion oder wesentliche Aspekte der Funktion moralischer Rechte in Bezug auf ihren Anwendungsbereich. Diesen bilden Willenskonflikte, die sich unter verschiedenen handelnden Parteien ergeben können. Die Struktur von Wellmans Modell eines moralischen Rechts, die aus einem Kern und verknüpften Elementen besteht, ermöglicht den Herrschaftscharakter moralischer Rechte in detaillierter Form zu begreifen: in der Art und Weise, in der mit der moralischen Position im Kern des moralischen Rechts weitere moralische Positionen verknüpft werden. Ein Recht zu haben bedeutet für den Rechtsinhaber Herrschaft über den Bereich, der durch den Kern des Rechts definiert wird, in einer möglichen Willenskonfrontation gegenüber einer zweiten Partei zu haben. Eine wesentliche Funktion für das Verständnis und die Bestimmung der Herrschaft spielt in diesem Modell eines moralischen Rechts ihr Bezugspunkt: die Kernposition. Durch sie wird der Bereich (domain) bestimmt, in Bezug auf den die weiteren Elemente des moralischen Rechts Herrschaft ermöglichen, 759 durch sie werden die Art oder Modalität des moralischen Rechts und der Rechtsinhaber bestimmt und sie gibt dem Recht seine Einheit. 760 Unter dem, was Wellman als Bereich bezeichnet, den die Kernposition bestimmt und der den Bezugs758 759 760
Vgl. Wellman (1985), S. 104. Vgl. z.B. Wellman (1985), S. 96. Vgl. Wellman (1985), S. 82.
III. Analyse
359
punkt der Herrschaft bildet, kann man den Anwendungs- bzw. Geltungsbereich verstehen, auf den die moralischen Gründe der Kernposition Anwendung finden bzw. in dem sie gelten. 761 Durch die moralischen Positionen, die mit der Kernposition verknüpft sind, lässt sich die Art der Herrschaft des Willens des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei in Bezug auf den Bereich, den die Kernposition festlegt, bestimmen. Wesentlich für das Verständnis dieser Verknüpfung und ihrer Beschaffenheit ist der Kontext, in dem sie zustande kommt und existiert: der Kontext von Willenskonflikten. In diesem Kontext wird die genannte Verknüpfung als Freiheit2 und Kontrolle, oder allgemeiner 762, als Herrschaft begriffen. Diese Form von Verknüpfung kennzeichnet in Wellmans Modell in gewisser Hinsicht die Beschaffenheit des moralischen Rechts: Sie steht nicht nur in wesentlichem Zusammenhang mit der Struktur des moralischen Rechts, die aus Kernposition und verknüpften Elementen besteht, sondern bildet auch den Grund dafür, dass jedes moralische Recht bestimmte moralische Positionen enthalten muss, nämlich moralische Freiheiten 1 bzw. moralische Kompetenzen.763 Die verschiedenen verknüpften Elemente tragen, wie Wellman ausführt, in unterschiedlicher Weise zur Freiheit2 und Kontrolle des Rechtsinhabers bei. 7 6 4 Die Art der Verbindung jeglicher verknüpfter Elemente mit dem Kern des moralischen Rechts steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Funktion moralischer Rechte: Moralische Rechte dienen zur Lösung von Willenskonflikten, und dies ermögli761 Erteilt z.B. eine Person X einer Person Y die moralische Freiheitl, sie (sc. X) zu boxen, so erhält Y diese moralische Freiheitl. - Vgl. dazu Wellmans Ausführungen in (1995), S. 66. - Unter dem „Bereich", in dem die Kernposition des moralischen Freiheitsrechts von Y, X zu boxen, gilt, sind Wellmans Ausführungen nach wohl die Situation und die Bedingungen zu verstehen, in der bzw. unter denen diese moralische Freiheitl in Bezug auf die genannte Handlung gilt. Dazu zählen sicherlich etliche Informationen und Bedingungen, die für die Ausübung der speziellen Handlung, die Definition der Situation und die Anwendung bzw. Gültigkeit moralischer Gründe in dieser Situation relevant sind. Dazu kann man z.B. Bedingungen zählen wie, dass Y nur die moralische Freiheitl hat, X an Körperstellen zu boxen, an denen er ihn nicht schwer verletzen kann, dass unter „Boxen" kein tödlicher oder verwundender Schlag zu verstehen ist, dass wenn X unerwartet vor oder nach Y's Boxhieb bewusstlos zu Boden fallen sollte, diese moralische Freiheitl Y's nicht mehr gilt etc. Der so verstandene Begriff „Bereich" scheint demnach eine ziemlich komplexe Bedeutung zu haben. 762 „Allgemeiner" bedeutet hier, dass Wellman die unterschiedlichen Bedeutungen der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" in der Bedeutung des Begriffs „Herrschaft" zusammenfasst. 763 Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman in (1985), S. 192: Da jedes Recht, sofern es respektiert werde, seinem Inhaber notwendig Freiheit2 und Kontrolle übertragen müsse, müsse jedes Recht notwendig einige Freiheiten 1 und Kompetenzen enthalten. In (1995), S. 112, bemerkt er dann, dass obwohl er immer noch glaube, dass jedes volle Recht wahrscheinlich sowohl eine Freiheitl und Kompetenz enthalte, er nicht beweisen könne, dass dies so sein müsse, und nehme daher an, dass jedes genuine Recht entweder eine Freiheitl oder eine Kompetenz enthalten müsse. 764
Vgl. Wellman (1985), S. 198 und 201.
360
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
chen sie durch Zuweisung von Herrschaft. 765 An anderer Stelle bemerkt Wellman speziell in Bezug auf moralische Rechte: Die wesentliche Funktion moralischer Rechte sei, die moralisch gerechtfertigte Verteilung von Herrschaft zu bestimmen.766 Diese Zuweisung erörtert Wellman als einen von drei Aspekten des verteilenden Charakteristikums (distributiveness) von Rechten: Jedes Recht beträfe die Verteilung eines bestimmten Bereichs von Herrschaft zwischen Rechtsinhaber und einer oder mehreren zweiten Parteien. 767 Dadurch bestimmt ein Recht in einer Willenskonfrontation, welcher der konfligierenden Willen vorherrschen sollte und löst Konflikte zwischen Mitgliedern der Gesellschaft. 768 In der Struktur und der Funktion von Wellmans Modell zeigen sich demnach bestimmte Voraussetzungen, die im Begriff eines moralischen Rechts gedacht werden und den Ort seiner Anwendung bestimmen: Die unterschiedlichen Willen verschiedener Parteien und die damit einhergehende Möglichkeit von Konflikten, die (aus bestimmten Gründen) vermieden werden soll oder muss. Dies könnte für Wellmans teleologische Theorie moralischer Rechte bedeuten, dass die Lösung oder Vermeidung von Willenskonflikten durch moralische Rechte, die Herrschaft zuweisen, einen oder vielleicht auch den obersten ihrer zentralen Werte bilden muss. Moralische Normen ermöglichen im Rahmen dieser Theorie die Lösung gegebener Willenskonflikte und ihre Vermeidung in Form von Herrschaft. Die Struktur und Beschaffenheit dieser Herrschaft oder, anders betrachtet, des Mittels zu dieser Herrschaft wird im Modell eines moralischen Rechts begriffen, in dessen Gestalt moralische Normen Anwendung auf das Verhalten moralischer Handelnder finden. Das Charakteristikum Herrschaft, das sich in Wellmans Modell eines moralischen Rechts in präziser Form zeigt, bildet ein Definiens oder konstitutives Charakteristikum des Begriffs „moralisches Recht\ Es ermöglicht diesen Begriff von anderen normativen Begriffen zu unterscheiden. Wellman bemerkt in der Erörterung der Verwendungen seines Modells: Als Herrschaftsmodell, das in Form von Herrschaft in Bezug auf eine mögliche Konfrontation strukturiert sei, hebe es das hervor, was moralische Rechte im Vergleich zu moralischen Pflichten (oughts) oder moralischen Werten im Allgemeinen unterscheide.769 765
Vgl. Wellman (1985), S. 194 f. Vgl. Wellman (1995), S. 107. Analoges hat Wellman in Bezug auf legale Rechte bemerkt: Die wesentliche Funktion oder der definierende Zweck (purpose) legaler Rechte sei, die Verteilung von Herrschaft unter jenen zu bestimmen, die unter einem Rechtssystem stünden. Vgl. Wellman (1985), S. 96. 767 Vgl. Wellman (1985), S. 193. 768 Vgl. Wellman (1985), S. 195. 769 Vgl. Wellman (1985), S. 166. Martin und Nickel heben die Funktion in Wellmans Auffassung eines Rechts (in seinen früheren Schriften) hervor, indem sie folgende Frage stellen: Wenn in Wellmans Theorie der Kern einem bestimmten legalen Recht seine Einheit gebe, was gebe Rechten, als Klasse betrachtet, angesichts der Unterschiedlichkeit der Kernelemente ihre Einheit? Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 211. 766
III. Analyse
361
Einzelne Unterschiede zwischen Rechten im Allgemeinen oder moralischen Rechten im Besonderen und anderen normativen Begriffen hat Wellman in der Erörterung einzelner Charakteristika von Rechten erörtert. 770 In der Erörterung der Stärke von Rechten hat Wellman argumentiert, warum Rechte stärker als ein wichtiges Gut sind. 771 In der Erörterung des verteilenden Charakteristikums von Rechten hat Wellman gezeigt, dass Rechte im Unterschied zu Pflichten notwendigerweise gegenüber einer zweiten Partei gelten. 772 Ebenso hat er gezeigt, wo der Unterschied zwischen der Anerkennung von Rechten und der Maximierung von Nutzen liegt. 773 Einzelne Unterschiede zwischen moralischen Rechten und anderen normativen Begriffen wie z.B. „moralische Pflichten" werden auch in den folgenden Punkten angesprochen. Die Funktion des Charakteristikums Herrschaft in Wellmans Modell eines moralischen Rechts zeigt sich in seiner Erörterung seines Modells als heuristischen Behelfs in der Interpretation der Sprache moralischer Rechte. Dort bemerkt Wellman, dass sein Hohfeldsches Modell moralischer Rechte, in dem Herrschaft in Bezug auf eine mögliche Konfrontation zentral sei, den Gebrauch des Vokabulars von Rechten im moralischen Diskurs einschränke.774 Sein Hohfeldsches Modell lege nahe, dass Rechte nur in dem Kontext bedeutsam behauptet, abgelehnt oder wörtlich genommen werden könnten, in dem der Wille des Rechtsinhabers mit dem Willen einer zweiten Partei konfligieren könnte. In dieser kurzen Erörterung wurde auf diejenigen Ausführungen Wellmans zum Charakteristikum Herrschaft Bezug genommen, die für das Verständnis dieses Begriffs und seiner Rolle im Rahmen von Wellmans Modell eines moralischen Rechts wesentlich sind. Auch in der folgenden Erörterung weiterer Charakteristika moralischer Rechte wird auf diesen Begriff Bezug genommen. Die Fragen, die sich in Bezug auf diesen Begriff in verschiedener Hinsicht stellen lassen, werden im nächsten Abschnitt thematisiert, in dem Wellmans Modell eines moralischen Rechts erörtert wird.
Wellman greife auf eine Idee von Hart zurück und behaupte, dass Strukturen, die Rechte bildeten, von anderen komplexen normativen Strukturen hinsichtlich ihrer Funktion unterschieden werden könnten. Nach Hart sei das, was vielen, aber nicht allen legalen Rechten gemeinsam sei, dass sie dem Rechtsinhaber die Fähigkeit zu wählen übertragen würden, was in einem begrenzten Bereich geschehen solle. Folglich involvierten diese Rechte in Harts Sicht eine rechtlich respektierte individuelle Wahl. Wellman erweitere und verallgemeinere Harts Vorstellung, um anzugeben, was allen Rechten gemeinsam sei: Die Funktion eines legalen Rechts sei Konflikte zu lösen, indem es den Wünschen und Entscheidungen einer Partei Vorrang vor jenen der anderen gebe. (Zitat aus Wellmans Aufsatz „Upholding Legal Rights", vgl. Wellman (1997), S. 53) 77 0 Wellmans Erörterung dieser Charakteristika wurden im Kapitel B., II., 4., h) wiedergegeben. 771 Vgl. Wellman (1985), S. 187. 772 Vgl. Wellman (1985), S. 191. 773 Vgl. Wellman (1985), S. 194. 7 4
Vgl. Wellman (1985), S. 1 .
362
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte bb) Charakteristika bestimmter moralischer Positionen
Zweitens zeigt sich in seinem Modell eines moralischen Rechts, dass einzelne moralische Positionen bestimmte Charakteristika enthalten oder widerspiegeln, die für den Begriff „moralisches Recht" und seine Bedeutung wesentlich sind. Dies gilt z.B. für moralische Verpflichtungen. Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman, dass der Ausdruck „ein Recht" in der Moral kritische Bedeutung hat, weil alle moralischen Positionen in Form von moralischen Verpflichtungen (obligations)775 definiert sind und die Bedeutung von „sollte moralisch" („ought morally") rationale Kritik einschließt.776 Im Recht (law) hingegen habe „ein Recht" eine verordnende (directive) Bedeutung. Neben der zentralen Bedeutung, die moralische Verpflichtungen in oder für Wellmans Modell moralischer Rechte haben, spiegelt sich auch in Kompetenzen ein weiteres Charakteristikum wider, wie Wellman in Bezug auf Rechte im Allgemeinen ausführt. In der Erörterung des Charakteristikums Ansprucherheben (claiming) weist Wellman darauf hin, dass Rechte notwendigerweise mit Beanspruchungen (claimings) in unterschiedlicher Weise verbunden werden könnten.777 Ein Recht zu beanspruchen sei nicht bloß zu behaupten, dass jemand ein Recht habe, sondern sein Recht in einer Weise zu behaupten, die den Willen des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei begünstige. Wellman bemerkt, dass die notwendige Verbindung zwischen Rechten und Ansprucherheben uns die theoretische Notwendigkeit zeige, Kompetenzen und durch Kompetenzen definierte Elemente wie Immunitäten und Verbindlichkeiten) in jedes adäquate Modell eines Rechts einzuschließen.778 Ferner zeigen sich speziell in den moralischen Positionen Freiheitl (liberty) und Kompetenz Freiheit2 (freedom) und Kontrolle in einer Weise, die für den Aufbau und die Beschaffenheit eines moralischen Rechts von ganz bestimmter Bedeutung ist. Wellman argumentiert, was im Rahmen des ersten Charakteristikums erwähnt wurde, dass jedes Recht, sofern es respektiert werde, notwendig Freiheit2 und Kontrolle dem Rechtsinhaber übertragen müsse und daher notwendig einige Freiheiten 1 oder Kompetenzen enthalten müsse.779 Moralische Pflichten (als bestimmte Art moralischer Verpflichtungen verstanden), moralische Freiheiten 1 und moralische Kompetenzen fun-
77 5 Wellman spricht hier von moralischen Verpflichtungen und nicht von moralischen Pflichten. An einer anderen Stelle bemerkt er, Pflichten (duties) seien eine sehr spezielle Art von Verpflichtung (obligation): Sie seien praktische Zwänge (constraints), die auf die eine oder andere Weise durch den Zwang potentieller Sanktionen verstärkt würden. Vgl. Wellman (1985), S. 187. 776 Vgl. Wellman (1985), S. 169. Die kritische Bedeutung von „sollte moralisch" erörtert Wellman in (1961), S. 289-291, was vorhin [im Kapitel: B., II., 4., h)] wiedergegeben wurde. 777 Vgl. Wellman (1985), S. 206. 778 Vgl. Wellman (1985), S. 206 f. 779
Vgl. Wellman (1985), S. 192, und ergänzend (1995), S. 112.
III. Analyse
363
gieren demnach nicht nur als Elemente in Wellmans Modell eines Rechts, sondern spiegeln auch die für den Begriff eines moralischen Rechts genannten wesentlichen Charakteristika wider. Durch die Aufnahme moralischer Kompetenzen in sein Modell eines Rechts unterscheidet sich Wellmans Auffassung von einer Reihe weiterer Auffassungen dieses Begriffs. Manche Autoren argumentieren gegen die Auffassung, dass Kompetenzen Rechte sind, vul andere argumentieren sowohl gegen die soeben erwähnte, als auch gegen die Auffassung, dass Kompetenzen Bestandteile von Rechten sind,1* andere argumentieren, dass es ein Missverständnis ist, die nicht begrifflichen Relationen zwischen einem Recht, einer Freiheit 1, einer Kompetenz etc. als Teil des Begriffs „ein Recht" zu betrachten,x andere sehen bestimmte Funktionen, die Kompetenzen zugeschrieben werden, in Rechten enthalten und argumentieren, dass Kompetenzen sich darin von Rechten unterscheiden, dass sie aus Rechten und Pflichten bestehen.3" cc) Zwang Ein weiteres wesentliches Charakteristikum eines moralischen Rechts bildet der mit ihm verbundene Zwang. Als Erstes kann man die Frage stellen, womit dieser Zwang im Begriff eines moralischen Rechts in Zusammenhang steht. Wellman bemerkt, wie wir gesehen haben, dass das, was die Herrschaft des Rechtsinhabers gegenüber einer zweiten Partei bildet, nicht in bloßer Überlegenheit roher Stärke (brüte strength) oder sozialer Macht (social power) bestehen kann und weist im Folgenden darauf hin, dass seine Auffassung moralischer Gründe moralischen Zwang (constraint) in einer Weise zu erklären erlaubt, die ihn scharf von bloßer Gewalt unterscheidet.780 Diese Bemerkungen lassen die Annahme zu, dass der mit moralischen Rechten einhergehende moralische Zwang mit der in ihnen gedachten Herrschaft in einem gewissen Zusammenhang steht. Zweitens kann man die Frage stellen, woher dieser Zwang rührt. Ein großer Teil des Zwangs moralischer Gründe und folglich moralischer Rechte besteht nach Wellman im Zwang, den praktische Gründe für die Wahl des rationalen Handelnden geltend machten.781 Der zusätzliche Zwang moralischer Gründe, der aus der Tatsache rühre, dass sie auch Gründe für Sanktionen der Moralität seien, sei auch von der bloßen Androhung von Gewalt verschieden, weil er die Androhung einer rational gerechtfertigten Verhängung von Sanktionen sei, die frei von Gewalt seien. Da moralische Rechte auf moralischen Gründen beruhen, kann man aus diesen Ausführungen Wellmans schließen, dass der mit moralischen Rechten verbundene Zwang, aus moralischen Gründen rührt. Wellman erklärt allerdings nicht näher, wie sich der mit morali-
780 781
Vgl. Wellman (1985), S. 175. Vgl. Wellman (1985), S. 175.
3 6 4 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
sehen Rechten und der in ihnen gedachten Herrschaft verbundene Zwang im Rahmen seiner teleologischen Theorie genau herleiten lässt. Zur Beleuchtung des Zusammenhangs zwischen moralischen Rechten und moralischem Zwang ist es vielleicht sinnvoll, sich Wellmans Ausführungen zum Charakteristikum Stärke von Rechten anzusehen. Wellmans Erörterungen zufolge beruht auf dem Zusammenhang von Rechten und Zwang das Charakteristikum Stärke von Anspruchsrechten. Diese seien stärker als Güter, die als etwas wertvolles oder als Zwecke rationalen Verhaltens nur bedingte oder hypothetische Verpflichtungen auferlegten. 782 Anspruchsrechte legten hingegen kategorische Verpflichtungen auf, was sich in den Pflichten zeige, die mit Ansprüchen korrelierten: Pflichten seien praktische Zwänge, die auf die eine oder andere Art durch den Zwang potentieller Sanktionen verstärkt würden. Wellman bemerkt, dass diese zweite Dimension des Zwangs, den Pflichten der menschlichen Wahl (choice) und Handlung auferlegten, die Art erkläre, in der jeder Anspruch und daher jedes Anspruchsrecht stärker als jedes Gut oder Ziel des Verhaltens sei. Ferner erklärt Wellman, wie wir gesehen haben, wiederum in Bezug auf Zwang, warum ein Anspruchsrecht stärker als die mit ihm korrelierende Pflicht ist, die es auferlegt: Ein Anspruch einer Person X gegenüber einer Person Y bestehe aus einer Pflicht der Person Y und einer Kompetenz von X, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht oder auf Abhilfe für die Nichterfüllung der Pflicht zu erheben. Dies verstärke den Zwang, den die Pflicht der zweiten Partei auferlege, indem es ihn mit einem zweiten Zwang in Form einer ergänzenden Pflicht untermauere, die der zweiten Partei auferlegt würde, wenn der Rechtsinhaber die Kompetenz, Anspruch zu erheben, ausüben würde. 783 Ergänzend muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass Wellman auf einen bedeutenden Unterschied zwischen legalen und moralischen Ansprüchen hingewiesen hat. 784 Der Zwang legaler Ansprüche liege wahrscheinlich primär, wenn auch nicht gänzlich in der Androhung von Sanktionen, durch die sie durchgesetzt würden. Der Zwang moralischer Ansprüche liege primär in der Anwendbarkeit moralischer Gründe als praktischer Gründe, als Gründe für den Pflichtinhaber, eher auf eine als auf eine andere Weise zu handeln, und nur sekundär in den moralischen Gründen als Gründen für dritte Parteien, mit der Verhängung von Sanktionen der Moralität zu reagieren. Es gebe eine genuine Analogie zwischen Recht (law) und Moral. Während Sanktionen bei legalen Pflichten und legalen Ansprüchen zentral seien, seien sie bei moralischen Pflichten und Ansprüchen peripher obzwar präsent. An diesen Ausführungen zeigt sich, dass die Verbindung zwischen moralischen Rechten und moralischem Zwang bei Anspruchsrechten eine besondere 78 7 7
Vgl. Wellman (1985), S. 1 . Vgl. Wellman (1985), S. . Vgl. Wellman (1985), S. .
III. Analyse
365
und beachtenswerte Form hat, die mit der Beschaffenheit der Kernposition wesentlich zusammenhängt. Die Kernposition moralischer Anspruchsrechte besteht aus einem moralischen Anspruch der ersten Partei. Mit dieser Kernposition korreliert eine moralische Pflicht auf Seiten der zweiten Partei. Die moralischen Gründe dieser moralischen Pflicht üben erstens als Pflicht auferlegende Gründe auf die zweite Partei moralischen Zwang aus und übertragen der ersten Partei einen moralischen Anspruch auf Erfüllung der moralischen Pflicht der zweiten Partei. Zweitens rührt aus denselben Pflicht auferlegenden Gründen aufgrund ihrer doppel-Aspekt Natur ein moralischer Zwang für dritte Parteien, mit Sanktionen gegenüber der zweiten Partei zu reagieren, falls diese ihre moralische Pflicht nicht erfüllt und der Rechtsinhaber an die dritten Parteien appelliert, mit Sanktionen zu reagieren. Der moralische Anspruch besteht wie wir gesehen haben aus einer moralischen Kompetenz, die der ersten Partei ermöglicht, gegenüber der zweiten Partei Anspruch auf Erfüllung ihrer moralischen Pflicht bzw. im Fall der Nichterfüllung auf Abhilfe zu erheben. Mit dieser moralischen Kompetenz wird auch an dritte Parteien appelliert, Zwang in Form von Reaktion zur Geltung kommen zu lassen. Durch dieses Appellieren des Ansprucherhebenden wird den dritten Parteien eine moralische Position übertragen, durch die die Auferlegung moralischer Sanktionen moralisch erlaubt wird. 785 Man kann in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob nicht eine moralische Kompetenz, an dritte Parteien zu appellieren, moralischen Zwang in Form von Reaktion gegenüber der zweiten Partei geltend zu machen, falls diese das ihr gegenüber geltende moralische Recht, nicht respektiert, für den Begriff eines moralischen Rechts und die in ihm gedachte Herrschaft generell wesentlich ist und daher in jeder Art eines moralischen Rechts (z.B. als verknüpftes Element) enthalten sein müsste. 785
In der kurzen Analyse der moralischen Position Anspruch wurde in einer Fußnote (vgl. das Kapitel B., HI., 1., b) „Moralische Positionen") die Frage gestellt, ob in Wellmans Beschreibung der moralischen Position Anspruch - vgl. Wellman (1985), S. 143, 145 - nicht zwei moralische Positionen gedacht werden: erstens die moralische Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung der korrelativen moralischen Pflicht auf Seiten des Verpflichteten oder im Fall der Nichterfüllung auf Abhilfe zu erheben, und zweitens, sofern der Verpflichtete seine moralische Pflicht nicht einhält oder mit ihrer Nichteinhaltung droht, die moralische Kompetenz, an dritte Parteien in irgendeiner Form zu appellieren, mit Sanktionen zu reagieren. Während erstere moralische Position im Kern des moralischen Anspruchsrechts gedacht werden könnte, könnte letztere ein verknüpftes Element bilden, das unter der Bedingung zum Tragen kommt, dass der Verpflichtete seine moralische Pflicht nicht erfüllt oder mit ihrer Nichterfüllung droht. Die Art des Zusammenhangs der zwei genannten moralischen Positionen in ein und demselben moralischen Anspruchsrecht könnte sich gegebenenfalls auch in der Art ihrer Begründung zeigen, die entweder einschließend oder stückweise sein kann. Zur Entscheidung dieser Frage, wäre eine genauere Analyse der moralischen Position Anspruch im Kern verschiedener Anspruchsrechte und der mit ihr verknüpften moralischen Positionen notwendig. Beispiele zur einschließenden und stückweisen Begründung findet man in Wellman (1995), S. 79-97 [hier im Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten kurz wiedergegeben].
366
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Dabei kann man als erstes auf folgende Bemerkung Wellmans in Bezug auf legale Rechte Bezug nehmen. Wellman hat im Abschnitt über die Parteien eines Rechts bemerkt, dass manche dritte-Partei Hohfeldsche Elemente Bestandteile eines legalen Rechts sein würden. 786 Aber um die Einheit des Rechts aufrechtzuerhalten, sollten nur dritte-Partei-Positionen, die sofern sie respektiert würden, notwendig zur Herrschaft der ersten Partei gegenüber einer zweiten Partei beitragen würden, als verknüpfte Elemente in einem spezifizierten Recht begriffen werden. Man kann argumentieren, dass die genannte moralische Kompetenz des Rechtsinhabers (d.i. die moralische Kompetenz, an dritte Parteien zu appellieren, moralischen Zwang in Form von Reaktion gegenüber der zweiten Partei zur Geltung kommen zu lassen, falls diese das ihm gegenüber geltende Recht nicht respektiert) in Bezug auf moralische Rechte diesem Kriterium genügt; denn sie trägt notwendig zur Herrschaft des Rechtsinhabers gegenüber der zweiten Partei bei. Diese moralische Kompetenz ist zwar keine moralische Position einer dritten Partei, sie bezieht sich aber auf dritte Parteien und ihr entspricht, im Fall, dass sie ausgeübt wird, eine moralische Position auf Seiten dritter Parteien, die in Bezug auf ein moralisches Recht der ersten Partei und die in ihm gedachte Herrschaft eine wesentliche Funktion erfüllt. Zweitens bemerkt Wellman, dass in jedem moralischen Recht irgendeine moralische Ermächtigung (authority) zu sozialem Schutz (protection) eingebaut sei, weil ein Recht die Rollen dreier Parteien bestimme, wobei dritte Parteien in der Position seien, in einer Konfrontation zwischen dem Rechtsinhaber und einer zweiten Partei zu intervenieren, die dessen Recht zu verletzen drohe. 787 Wellman argumentiert allerdings an derselben Stelle, dass obwohl ein moralisches Recht eine Art moralischer Ermächtigung für sozialen Schutz einschließe, diese nicht die Form eines genuinen moralischen Anspruchs an dritte Parteien annehmen müsse.788 Dies illustriert er an folgenden Beispielen: Das moralische Recht einer Person, nicht geboxt zu werden, enthalte eher eine moralische Freiheit 1 als 786
Vgl. Wellman (1985), S. 101. Vgl. Wellman (1995), S. 98 f. Hier im Kapitel B., IL, 4., e) über den Aufbau und die Definition eines moralischen Rechts wiedergegeben. Martin und Nickel sehen einen Vorteil in Wellmans Theorie darin, dass sie explizit mehr als zwei Parteien in den normativen Relationen, die ein Recht bilden, als involviert erkennt. Vgl. Martin, Nickel (1983), S. 213. Zusätzlich zu dem Rechtsinhaber und dem hauptsächlichen Adressaten würden oft Staatsbeamten und anderen Personen normative Positionen durch Rechte zugeteilt. - Am Rande sei angemerkt, dass auch andere Autoren in ihrer Erörterung moralischer Rechte auf „dritte Parteien" zu sprechen kommen. So schreibt z.B. Richard B. Brandt: Wir könnten (may) sagen, dass eine Person ein Recht habe, wenn wir es nicht nur für gerechtfertigt hielten, wenn ein Handelnder Abneigung dagegen empfinde, wenn man sich ihm gegenüber in einer bestimmten Weise verhalte, und dritte Parteien ein Gefühl der Missbilligung empfanden etc., sondern wenn wir es auch für gerechtfertigt hielten, dass der Rechtsinhaber das Geschehene übel nehme, ohne Befangenheit protestiere, institutionellen Schutz verlange, wo dies angemessen sei, usw. Vgl. Brandt (1983), S. 40. 787
8
Vgl. Wellman (1995), S.
.
III. Analyse
367
eine moralische Pflicht dritter Parteien zu intervenieren, um zu verhindern, dass die Person geboxt werde. Das moralische Recht einer Person auf Selbstverteidigung schließe die moralische Freiheitl dritter Parteien ein, alle notwendige und angemessene Kraft anzuwenden, um ihr zu helfen, sich selbst zu verteidigen. Dieses sei ein verknüpftes Element, das weitaus schwächer sei als jeder moralische Anspruch auf sozialen Schutz, weil es keine Pflicht anderen auferlege, zu intervenieren, um die Person vor dem Angriff zu schützen.789 Diese Ausführungen Wellmans müssen kein Gegenargument zum Gedanken bilden, dass die vorhin genannte moralische Kompetenz - die moralische Kompetenz an dritte Parteien zu appellieren, moralischen Zwang in Form von Reaktion gegenüber der zweiten Partei zur Geltung kommen zu lassen, falls diese das ihr gegenüber geltende moralische Recht nicht respektiert - möglicherweise in jedem moralischen Recht zu denken ist. Denn diese moralische Kompetenz muss nicht notwendig, eine moralische Kompetenz sein, Anspruch auf sozialen Schutz zu erheben. Sie könnte auch als bloße moralische Kompetenz des Rechtsinhabers gedacht werden, an dritte Parteien zu appellieren, moralischen Zwang in irgendeiner Form von Reaktion gegenüber der zweiten Partei zur Geltung kommen zu lassen, falls diese das ihr gegenüber geltende moralische Recht nicht respektiert. In diesem Fall hätten dritte Parteien keine relative moralische Pflicht gegenüber dem Rechtsinhaber zu reagieren, sondern würden z.B. kraft ihres Respekts vor den moralischen Gründen, an die der Rechtsinhaber appelliert habe, in einer bestimmten Form reagieren, die diese moralischen Gründe nahe legen. Würden sie nicht reagieren, würden sie die moralischen Gründe 78 9
Wellman erörtert genauer am Beispiel des vorhin (vgl. das Kapitel B., ü., 5., b) über Begründungsarten) erwähnten moralischen Rechts nicht geschlagen zu werden, warum mit dem Kern desselben die moralische Freiheitl dritter Parteien verknüpft ist, zu intervenieren, um jede zweite Partei daran zu hindern, den Rechtsinhaber zu schlagen, sofern dieser nicht auf seinen Kernanspruch, nicht geschlagen zu werden, verzichtet hat oder sie ersucht hat, nicht zu intervenieren. Vgl. Wellman (1995), S. 83 f. Wellman bemerkt dort unter anderem, dass dies nicht eine bilaterale Freiheitl zu intervenieren oder nicht zu intervenieren sei, weil dritte Parteien oft eine moralische Pflicht hätten, jemanden, der geschlagen werde, zu retten. Tatsächlich würden genau die gleichen moralischen Gründe, die die Pflicht zweiter Parteien begründeten, einen nicht zu schlagen, eine allgemeine prima facie Pflicht dritter Parteien begründen, die zweite Partei daran zu hindern, diese Pflicht zu verletzen. Diese prima facie Pflicht sei eine tatsächliche (actual) Pflicht, jedoch nur, wenn die drohende Gefährdung so schwerwiegend oder die Belästigung (intrusion) so groß sei, dass sie das Opfer gefährdeten. Vgl. ebd., S. 84. Wellman stellt daraufhin die Frage, wie dritte Parteien die Freiheitl (be at liberty) zu intervenieren haben könnten. Im Grunde habe man die allgemeine moralische Pflicht, keinen Zwang (force) gegenüber einer anderen Person anzuwenden, und jedes Belästigen durch eine dritte Partei würde die Rechte auf Privatleben (privacy) der ersten und zweiten Partei zu verletzen scheinen. Wellman bemerkt dann, dass diese Pflicht auferlegenden Gründe der Gefährdung und des Eindringens auch Freiheitl übertragend seien, weil, solange man nur ein angemessenes Maß an Zwang (force) gebrauche, sie die Gründe, welche auch immer diese sein mögen, aufhöben, die die moralische Pflicht begründeten, keinen Zwang (force) gegenüber einem anderen anzuwenden.
3 6 8 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ebenfalls nicht respektieren. Selbst wenn aber die moralische Kompetenz eine Kompetenz wäre, Anspruch auf Reaktion dritter Parteien zu erheben, müsste mit ihr im obigen Beispiel nicht die moralische Pflicht zu intervenieren korrelieren, sondern es könnten andere, ungefährlichere Formen der Reaktion oder Sanktion darin gedacht werden (z.B. die Person zu kritisieren oder zu ächten). 790 Hier wäre zu untersuchen nach welchem Kriterium sich die Handlung bestimmen lässt, die als Reaktion und als Gegenstand der genannten moralischen Pflicht gedacht werden müsste. Würde hingegen auf Seiten dritter Parteien nur eine Freiheitl in irgendeiner Weise zu intervenieren oder nicht zu intervenieren stehen, wäre der Schutz des jeweiligen moralischen Rechts ins Belieben der anderen gestellt. Dadurch würde auch bis zu einem gewissen Grad der doppel-Aspekt Charakter moralischer Gründe nicht zur Geltung kommen, weil auf Seiten dritter Parteien die Reaktion auf ein den moralischen Gründen des moralischen Rechts der ersten Partei nicht entsprechendes Verhalten der zweiten Partei ausbleiben könnte. Damit einhergehend wäre auch die Herrschaft der ersten Partei gegenüber der zweiten Partei schwächer. Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass zur Klärung der Frage, welche Konsequenzen die Ausübung der genannten moralischen Kompetenz für das Verhalten dritter Parteien haben könnte und welche moralische Position auf ihrer Seite gedacht werden könnte, eine eingehende Analyse der Beschaffenheit moralischer Rechte, der in ihnen gedachten Herrschaft und der mit ihr einhergehenden Implikationen für das Verhalten dritter Parteien im Rahmen der teleologischen Theorie erforderlich wäre. Drittens kritisiert Wellman die Ansicht, wonach das Besitzen eines legalen Rechts impliziere, dass man tatsächlich in einer bestimmten Weise geschützt sei, während das Besitzen eines moralischen Rechts nur impliziere, dass man geschützt werden solle. 791 Man kann argumentieren, dass die oben genannte Kompetenz, an dritte Parteien zu appellieren, um damit eine Reaktion von ihrer Seite gegenüber der zweiten Partei zu erwirken, falls diese das moralische Recht nicht respektiert, dem Gedanken hinter dieser Kritik gewissermaßen entspricht und zeigt, dass moralische Rechte auch ein Mittel enthalten, ihren Schutz in einer bestimmten Weise zu erwirken. Wellman weist auch auf den Zwang (force) und den praktischen Wert hin, die in der Berufung einer Person auf ihre Rechte enthalten sind. 792 Wenn ein Rechtsinhaber Anspruch auf sein Recht gegenüber einem Gegner erhebe, dann appelliere er an die Gesellschaft, 790
Eine solche Kompetenz, Anspruch zu erheben, würde zeigen, wie der Begriff eines moralischen Rechts mit Ansprucherheben verknüpft ist. Eine solche Verknüpfung behauptet Wellman im Abschnitt [B., II,. 4., h), cc)] über Ansprucherheben. Diese Kompetenz, Anspruch zu erheben, würde aber aus Wellmans Theorie über Rechte keine Anspruchstheorie machen, gegen die er seine Theorie im selben Abschnitt abgrenzt. 791 Vgl. Wellman (1985), S. 214 f. Hier wiedergegeben im Abschnitt B., II., 4., h), dd) über Schutz.
III. Analyse
369
kollektiv oder persönlich, zu intervenieren und für den Rechtsinhaber gegenüber der zweiten Partei Partei zu ergreifen. In der oben genannten Kompetenz wird eine solche Form des Appellierens an dritte Parteien gedacht. Damit wurde ein Aspekt des Zusammenhangs zwischen moralischen Rechten, der in ihnen gedachten Herrschaft und dem mit ihnen einhergehenden moralischen Zwang thematisiert. Einen weiteren zentralen Aspekt bildet die eingangs implizit angesprochene Frage der Legitimation, die die Rede vom moralischen Zwang mit sich bringt. Diese Frage wird im Folgenden thematisiert. dd) Schutz Viertens besteht ein entscheidendes Charakteristikum eines moralischen Rechts im bereits angesprochenen Schutz, der mit ihm einhergeht. Wellmans Auffassung des Zusammenhangs zwischen Rechten und Schutz unterscheidet sich von der anderer Autoren (z.B. Harts). Wie Wellman ausführt, bestehe nach Hart jedes Recht aus einer zentralen bilateralen Freiheit 1 und einem schützenden Umkreis von Pflichten anderer und die wesentliche Funktion eines Rechts sei, Freiheit 1 zu schützen.793 In Wellmans Modell bildet Herrschaft ein Bindeglied in der Verbindung zwischen einem Recht und Schutz, da Herrschaft eine schützende Funktion hat: Das Besondere an der Art des Schutzes sei, dass ein Recht, sofern es respektiert werde, den Rechtsinhaber durch die Zuweisung eines bestimmten Bereichs von Herrschaft schütze. Diese Verbindung zwischen Rechten und normativem Schutz sei bei legalen wie moralischen Rechten der Art nach gleich; sie unterscheide sich nur dem Grad nach. 794 Wesentlich für den Schutz und damit auch für den Begriff „ein Recht" ist neben den Rollen erster und zweiter, die Rolle dritter Parteien, in der sich die soziale Dimension des Schutzes zeige. 795 Wie wir gesehen haben, sind manche der normativen Positionen in einem Recht Positionen dritter Parteien. 796 Durch seine soziale Dimension unterscheide sich der Begriff eines Rechts von anderen normativen Begriffen wie dem eines Guts, einer Verpflichtung oder sogar einer Pflicht. 797 Der Schutz, den Rechte verschaffen würden, sei aufgrund der sozialen Dimension jedes Rechts charakteristischerweise zuverlässiger als der normative Schutz, den Pflichten oder Verpflichtungen ermöglichten.798 Der Grad bzw. die Effektivität des Schutzes, den Rechte den Rechtsinhabern gewähren, variiert, 792 Vgl. Wellman dd) über Schutz. 793 Vgl. Wellman 794 Vgl. Wellman 795 Vgl. Wellman 796 Vgl. Wellman 797 Vgl. Wellman 798 Vgl. Wellman
(1985), S. 219. Hier wiedergegeben im Abschnitt B., II., 4., h), (1985), (1985), (1985), (1985), (1985), (1985),
S. 212. S. 214 f. S. 214 f. S. 215. S. 216. S. 219.
3 7 0 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
wie Wellman ausführt, mit dem Grad des Respekts vor den legalen bzw. moralischen Normen. 799 Wellmans Erklärung des Schutzes, den Rechte verschaffen, durch den Respekt zweiter und dritter Parteien vor den Normen wirft die Frage auf, wovon der Respekt vor moralischen Rechten bzw. Normen abhängt. Dieselbe Frage stellt sich auch in Zusammenhang mit dem vorhin angesprochenen moralischen Zwang, der mit moralischen Rechten verbunden ist, da der moralische Zwang, den dritte Parteien gegenüber der Partei, die ihre Pflicht nicht erfüllt, ausüben können, mit ihrem Respekt vor den moralischen Normen zusammenhängt. Lässt sich im Rahmen der teleologischen Theorie der Respekt vor einem moralischen Recht anhand der Art erklären, in der moralische Gründe für das Verhalten moralischer Handelnder gelten oder sind dafür auch weitere Voraussetzungen notwendig? Ein moralisches Recht ist als ein System moralischer Positionen mehr und komplexer als eine moralische Position und darin könnte sich die Erklärung des Respekts vor moralischen Rechten von der Erklärung des Respekts vor moralischen Positionen unterscheiden. Eine Frage, die man in diesem Zusammenhang am Rande stellen kann, ist, wie sich z.B. der Respekt vor einem moralischen Freiheitsrecht (liberty-right), sein Geld beim Glücksspiel auszugeben, in Situationen erklären lässt, in denen seine Ausübungen keine rechten Handlungen bilden, ein Beispiel, das Wellman in Zusammenhang mit dem Charakteristikum Stärke von Rechten erörtert. 800 Einen Grund für den Respekt vor moralischen Rechten bzw. Normen und seine Einforderung könnte man in Wellmans Behauptung sehen, dass moralische Rechte zur Lösung von Willenskonflikten dienen und Normen zur Verfügung stellen, die bestimmen, welcher der widerstreitenden Willen vorherrschen soll. Hiermit sagt Wellman etwas über die prinzipielle Funktion moralischer Rechte aus. Man kann argumentieren, dass sich Respekt vor moralischen Rechten bzw. Normen und dem mit ihnen einhergehenden Zwang unter der Voraussetzung einfordern lässt, dass niemand Willenskonflikte will oder, noch stärker, wollen kann. Dass niemand Willenskonflikte will, zeigt sich in Wellmans Argumentation in Bezug auf die wesentliche Verbindung zwischen Rechten und Freiheit2. Dort argumentiert Wellman, dass Rechte dem Rechtsinhaber ermöglichten, seine eigenen Ziele zu verfolgen. 801 Der Einzelne, der seine Ziele verfolge, treffe oft auf entgegengesetzte Willen (wills), die ihn von seiner Ziel erstrebenden (goal seeking) Tätigkeit abzuhalten suchten.802 Sowohl das Streben nach individuellem Glück als auch der soziale Friede verlangten, unter allen möglichen, aber nicht vereinbaren Freiheiten2 jene auszuwählen, die zu erlauben und 799 800 801 802
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), S. 214 und 219. (1985), S. 186. (1985), S. 199. (1985), S. 200.
III. Analyse
371
sogar zu schützen seien. Genau dies täten Rechte. In diesen Bemerkungen Wellmans kann man ein Argument sehen, warum aus der Sicht des Einzelnen, Rechte bzw. Normen im Allgemeinen und moralische Rechte bzw. Normen im Besonderen sowie der mit ihnen einhergehende Zwang prinzipiell zu respektieren sind und warum Respekt eingefordert oder abverlangt werden kann: weil sie dem Einzelnen ermöglichen, seine Ziele zu verfolgen. Man kann gemäß Wellmans Ausführungen davon ausgehen, dass das Erreichen des individuellen Glücks, wonach der Einzelne strebt, wesentlich mit der Erreichung der Ziele zusammenhängt, die er verfolgt. In welcher Hinsicht die Ziele, die der Einzelne in seinem Handeln verfolgt und zu realisieren versucht, für ihn wertvoll sind, zeigt sich z.B. in Wellmans Erörterung des Charakteristikums Kontrolle, wo er schreibt, dass individuelle Projekte sowohl für das Glück und das Wohlergehen des Handelnden als auch für die Entwicklung seiner selbst von großer Bedeutung sind. 803 Insofern moralische Rechte bzw. Normen diejenigen Bedingungen bilden, die dem, d.h. jedem Handelnden überhaupt ermöglichen, seine Ziele zu verfolgen, indem sie Willenskonflikte zu lösen und zu vermeiden ermöglichen, will er implizit auch diese Bedingungen. Man kann davon ausgehen, dass die Bedingungen für das Verfolgen und Erreichen der eigenen Ziele auch die wesentlichen Bedingungen für den sozialen Frieden bilden. Ferner kann man von der Annahme ausgehen, dass das Verfolgen der eigenen Zwecke, das individuelle Glück und Wohlergehen und der soziale Friede sich mit den außermoralischen Werten in Wellmans teleologischer Theorie, die eine wechselseitig lohnende Kooperation ermöglichen, in Zusammenhang bringen lassen.804 Auf diese Weise lässt sich aus Wellmans Ausführungen eine Argumentation rekonstruieren oder gewinnen, mit deren Hilfe sich zeigen lässt, warum jeder Handelnde moralische Rechte bzw. Normen und den mit ihnen einhergehenden Zwang prinzipiell will und daher auch respektiert. Diese Argumentation ist, nebenbei bemerkt, nicht utilitaristisch. Sie teilt mit teleologischen Theorien den Bezug auf außermoralische Werte, in Bezug auf die bestimmt werden kann, was moralisch richtig, unrichtig, verpflichtend usw. ist. 805 Sie gibt aber in dieser Form noch keine Auskunft darüber, welche konkreten moralischen Rechte in bestimmten Situationen, in denen Willenskonflikte gegeben bzw. möglich sind, zu deren Lösung bzw. Vermeidung erforder803
Vgl. Wellman (1985), S. 203. Man kann z.B. davon ausgehen, dass in den vorausgesetzten Werten in Wellmans teleologischer Theorie oder zumindest in manchen derselben, die eine wechselseitig lohnende Kooperation und damit den sozialen Frieden ermöglichen, berücksichtigt ist, dass der Einzelne seine Zwecke erreichen möchte und dass sein individuelles Glück und Wohlergehen davon abhängt. 805 Diese Charakterisierung stammt, wie bereits erwähnt, von Frankena (1994), S. 32. 804
3 7 2 B . Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
lieh sind und welche moralischen Positionen sie zu enthalten haben. Insofern lässt sich dadurch noch nicht bestimmten, welche von allen möglichen, aber nicht vereinbaren Freiheiten2 zu erlauben seien. Respekt vor einem konkreten moralischen Recht und dem mit ihm einhergehenden Zwang kann wohl dann von den einzelnen Parteien eingefordert werden, wenn sich zeigen lässt, dass jedes Einzelne seiner Elemente für die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts (oder anders formuliert: für die Herrschaft einer Partei über einen bestimmten Bereich gegenüber einer zweiten Partei) erforderlich ist. ee) Stärke Fünftens besteht ein wesentliches Charakteristikum eines moralischen Rechts darin, dass Rechte stärker sein können als gegenteilige prima facie Verpflichtungen. Wellman erörtert dies, wie wir gesehen haben, am Beispiel von Freiheitsrechten. Diese seien deswegen stark, weil sie in Situationen bestehen könnten, in denen bestimmte Arten ihrer Ausübung keine rechten Handlungen seien. 806 Z.B. könne jemand ein moralisches Recht haben, sein Geld beim Glücksspiel auszugeben, selbst wenn er dies nicht tun sollte. 807 Dieses Charakteristikum werde in seinem Modell, in dem Freiheit 1 als Abwesenheit einer gegenteiligen Pflicht definiert sei, bewahrt. Der Rechtsinhaber könne oft wählen, ob er sein Recht zu Recht oder zu Unrecht ausüben solle. In diesen kurzen Ausführungen scheint durch, dass moralische Rechte mit bestimmten moralischen Gründen (z.B. moralischen Gründen, die moralische prima facie Verpflichtungen auferlegen) gegebenenfalls konfligieren können. Dies würde bedeuten, dass in der Begründung moralischer Rechte auch Parameter berücksichtigt sein können, die ermöglichen, bestimmte moralische Gründe nicht zu berücksichtigen. Zugleich würde sich die Frage stellen, aufgrund welcher Voraussetzungen gegebenenfalls moralische Gründe, die ein bestimmtes moralisches Recht bilden, stärker als gegenteilige moralische Gründe einer bestimmten moralischen Position sein können. Eine ähnliche Frage würde sich auch in Bezug auf moralische Rechtskonflikte stellen. Rechtskonflikte im Allgemeinen und moralische Rechtskonflikte im Besonderen bilden ein eigenes Thema, das im Folgenden kurz erörtert wird.
806
Vgl. Wellman (1985), S. 186. Vgl. Wellman (1985), S. 186. Wellman bringt an anderer Stelle ein Beispiel, das man auch in diesem Zusammenhang erwähnen kann. In der Erörterung seines Hohfeldschen Modells moralischer Rechte am Beispiel des moralischen Rechts einer schwangeren Frau abzutreiben bemerkt er: Es sei auch bemerkenswert, dass eine Frau ein moralisches Recht abzutreiben haben könne, selbst wenn sie ihr Recht nicht ausüben sollte. Vgl. Wellman (1985), S. 162 (hier wiedergegeben im Kapitel [B,. IL, 4., e)] über den Aufbau und die Definition eines moralischen Rechts). 807
III. Analyse
373
Ich habe mich hier auf die Erörterung von Wellmans Ausführungen zu einigen wichtigen Charakteristika moralischer Rechte beschränkt, die in seinem Modell eines moralischen Rechts enthalten sind oder mit Bestandteilen desselben zusammenhängen. Nun soll auf sein Modell eines moralischen Rechts näher eingegangen werden. b) Erörterung
von Wellmans Modell eines moralischen Rechts
Als Erstes kann man die Frage stellen, wie Wellman zu diesem Modell eines moralischen Rechts kommt. Da Wellman sich in der Definition des Modells eines moralischen Rechts an seinem Modell eines legalen Rechts orientiert und die Ansicht vertritt, dass der Begriff eines Rechts seinen Ursprung im Recht (law) hat, 808 müsste man, wie eingangs erwähnt, zunächst der Frage nachgehen, wie Wellman zu seinem Modell eines legalen Rechts gelangt, was eine genauere Untersuchung seiner Auseinandersetzung mit den erwähnten Theorien legaler Rechte erforderlich machen würde. Da sich diese Arbeit mit Wellmans Theorie moralischer Rechte befasst, werden die hier angestellten Überlegungen den Bereich der Moral nicht verlassen. Anstelle der genannten Frage wird der Frage nachgegangen, wie sich Wellmans Modell eines moralischen Rechts in den bisher analysierten Teil seiner Theorie fügt und welche Fragen sich dabei stellen. Im Rahmen dieser Frage wird auch der eingangs (siehe Kapitel B., DI.) gestellten dritten (3) Frage nachgegangen, nämlich, wie sich moralische Rechte durch moralische Gründe bestimmen oder begründen lassen. Zur differenzierteren Erörterung dieser Fragen ist es notwendig einzelne relevante Charakteristika von Wellmans Modell eines moralischen Rechts aufzulisten. Unter ihnen kann man folgende unterscheiden: (i) die komplexe Zusammensetzung des Rechts aus mehreren Positionen, (ii) seine spezielle Struktur, die aus einer Kernposition und verknüpften Elementen besteht, und (iii) die den Zusammenhang dieser komplexen Struktur ausmachenden Bänder Freiheit2 und Kontrolle, die unter dem Oberbegriff „Herrschaft" zusammengefasst werden. Ebenso wichtig ist, sofern man es von den vorigen Charakteristika unterscheiden kann, (iv) das Charakteristikum, das diesem Komplex den moralischen Rechtscharakter verleiht und es von einer bloßen moralischen Position unterscheidet. Als Erstes stellt sich die Frage, ob und inwiefern man im zuvor untersuchten Teil von Wellmans Theorie, in dem moralische Gründe und Positionen untersucht wurden, (i) von einem Komplex moralischer Positionen sprechen kann. Wellmans Erörterungen legen einerseits nahe, dass moralische Gründe jeweils eine bestimmte moralische Position definieren oder in Form einer bestimmten moralischen Position gelten. In der Erörterung moralischer Gründe und Positionen zeigt Wellman nicht, wie verschiedene moralische Positionen, die aus Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 121.
4
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
verschiedenen moralischen Gründen rühren, in einen Zusammenhang gebracht werden können. Er bemerkt an einer Stelle, dass die Grundlagen eines Rechts (Normen und Fakten) nicht ordentlich gebündelt vorkämen, um der Komplexität der Rechte zu entsprechen, die sie begründeten.809 Andererseits bemerkt Wellman in seiner neu formulierten allgemeinen Definition eines Rechts unter anderem, dass die Hohfeldschen Positionen, die ein Recht als System solcher Positionen enthält, in der Norm oder den Normen der geeigneten Art enthalten sind, die dieses System bilden. 810 Wellman bemerkt z.B. in der Erörterung moralischer Kompetenzen in „Real Rights", dass verschiedene moralische Positionen auf einem einzelnen moralischen Grund in unterschiedlicher Weise gründen könnten und dass demnach moralische Kompetenzen durch die moralischen Gründe der moralischen Positionen begründet sein könnten, die sie als Konsequenz intendierten.811 Ferner unterscheidet Wellman in der Erörterung der Begründung moralischer Rechte zwischen einschließender und stückweiser Begründung.812 Im ersten Fall enthielten die moralischen Grundlagen (grounds) des Kerns des moralischen Rechts auch die moralischen Grundlagen seiner verknüpften Elemente, im zweiten Fall unterschieden sich die Grundlagen einiger seiner verknüpften Elemente von den Grundlagen seines Kerns. Dabei muss man auch Wellmans Bemerkung berücksichtigen, dass moralische Rechte aus variablen Systemen von Elementen bestehen, weil die Grundlagen moralischer Rechte, obwohl bestimmt, neue oder modifizierte moralische Positionen implizieren können, wenn sie auf neue oder modifizierte Situationen Anwendung finden. 813 Aus diesen Ausführungen Wellmans kann man schließen, dass zumindest bestimmte moralische Gründe mehr als eine moralische Position begründen können und dass die Möglichkeit besteht, dass einige von diesen moralischen Positionen unter variierenden Bedingungen variieren können. Wellman erörtert diesen Aspekt nicht näher. Was unter verschiedenen Situationen variiert, sind sicherlich die jeweils relevanten Fakten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch die vorausgesetzten Werte des gemeinschaftlichen Zusammenlebens, zumal es ja mehrere sind, die Individuen ermöglichen, in lohnender Weise zu interagieren und zu kooperieren, oder ihre Relevanz unter verschiedenen Bedingungen in irgendeiner Hinsicht variieren könnten. In Bezug auf Wellmans Ausführungen lässt sich z.B. die Frage stellen, ob unter bestimmten Bedingungen ein moralischer Grund, der die Grundlage verschiedener moralischer Positionen bilden kann, auch (ii) die Grundlage einer bestimmten Struktur unter ihnen bilden kann, wonach eine von ihnen die Kernposition ist und die anderen verknüpfte Elemente sind, und auch (iii) die Grundlage einer Relation von Kern809 810 811 812
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman
(1995), S. 180. (1995), S. 9. (1995), S. 77. (1995), S. 79.
Vgl. Wellman (1995), S. 3 .
III. Analyse
375
Position und verknüpften Elementen in Form von Freiheit2 und Kontrolle bilden kann. Wenn ja, dann würden moralische Gründe die Grundlage der wesentlichen Charakteristika bilden, die ein moralisches Recht ausmachen, und damit die Grundlage moralischer Rechte bilden können. Wellman erklärt allerdings nirgends, auch nicht in der Erörterung der einschließenden und stückweisen Begründung moralischer Rechte, wie sich die Struktur eines Komplexes moralischer Positionen, die aus einer Kernposition und verknüpften Elementen besteht, anhand eines moralischen Grundes oder mehrerer moralischer Gründe erklären lassen könnte. Diese Struktur besteht in einer Ordnung aus Kernelement und verknüpften Elementen und muss irgendwoher rühren. Ebensowenig zeigt er, wie sich die Bänder Freiheit2 und Kontrolle in dieser Struktur anhand eines moralischen Grundes oder mehreren erklären lassen, die die Grundlage moralischer Positionen bilden. Wellman erörtert auch die genannte Struktur aus Kernposition, verknüpften Elementen und den sie verknüpfenden Bändern Freiheit2 und Kontrolle nicht im Rahmen der Erörterung der Art, in der moralische Gründe moralische Positionen bestimmen, sondern im Rahmen der Erörterung des Modells eines moralischen Rechts, das er analog zum Modell eines legalen Rechts definiert. Die Erkenntnis dieser komplexen Struktur eines moralischen Rechts und der in ihr gedachten Bänder ist, wie wir gesehen haben, das Ergebnis von Wellmans kritischer Untersuchung anderer Theorien, vor allem legaler Rechte. Wie vorhin schon erwähnt, gewinnt Wellman in „A Theory of Rights" (a) die Einsicht, dass ein legales Recht aus einem Komplex Hohfeldscher Elemente bestehen muss, aus seiner Auseinandersetzung mit Harts Theorie legaler Rechte. Daraus gewinnt er auch (b) die Einsicht, dass die Einheit eines solchen Komplexes Hohfeldscher Elemente aus seiner Struktur rührt, die aus einem Zentrum, das den wesentlichen Inhalt des Rechts definiert, und einem Umkreis aus zusätzlichen Elementen besteht. Als weitere (c) Einsicht führt er an, dass das, was für den Begriff eines Rechts unterscheidend und wesentlich ist, nicht die Wahl des Inhabers, sondern ein Kontext ist, in dem der Wille des Rechtsinhabers dem widerstreitenden Willen einer zweiten Partei begegnen könnte. Diese Einsichten, die in Wellmans Modell eines legalen Rechts ihren Niederschlag finden, werden durch ein analog dazu definiertes Modell eines moralischen Rechts in den Bereich der Moral eingeführt. Wellman formuliert, wie wir gesehen haben, in „Real Rights" seine allgemeine Auffassung (conception) eines Rechts, die auf seinem Modell eines legalen Rechts fußt, folgendermaßen: Ein Recht sei ein System Hohfeldscher Positionen, das, sofern es respektiert werde, einer Partei gegenüber einer anderen in einer möglichen Konfrontation über einen bestimmten Bereich Herrschaft übertrage, und die (sc. die Hohfeldschen Positionen) in der Norm oder den Normen der geeigneten Art beinhaltet seien, die dieses System bildeten.814 Wellmans Modell eines moralischen Rechts fällt unter diese allgemeine Auffassung eines
376
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Rechts, und daher müsste er z.B. zeigen, wie moralische Gründe ein solches System, das die gesuchte Struktur aus Kernelement, verknüpften Elementen und den ihren Zusammenhang bildenden Bändern Freiheit2 und Kontrolle aufweist, beinhalten bzw. wie sich ein solches System in der moralischen Argumentation im Kontext widerstreitender Willen aus moralischen Gründen gewinnen lässt. Einen wesentlichen Bestandteil dieser Definition bildet der Kontext widerstreitender Willen und auf dessen Rolle muss sich, wie vorhin schon hervorgehoben, unsere Aufmerksamkeit richten. Zur vollständigen Erörterung der bereits angesprochenen Fragen ist es erforderlich und hilfreich, den Blick auf Wellmans grundsätzliche Verfahrensweise zu richten, um zu sehen, von welchen Voraussetzungen er dabei ausgeht. In Bezug auf Wellmans Verfahren stellt sich die Frage, wie eine bestimmte Auffassung des Begriffs „ein Recht", die auf den genannten Einsichten im Bereich des Rechts (law) aufbaut, durch analoge Definition eines moralischen Rechts in den Bereich der Moral eingeführt werden kann. Denn das Modell eines moralischen Rechts, das in den Bereich der Moral eingeführt wird, enthält Charakteristika heterogenen Ursprungs, die auf Voraussetzungen aus dem Bereich des Rechts (law) aufbauen. In dieser Einführung muss z.B. vorausgesetzt werden, dass sich analoge Einsichten in Bezug auf den Begriff „ein Recht" in beiden Bereichen gewinnen lassen. Dazu zählt z.B. dass in beiden Bereichen die Rede von Rechten in analoger Weise möglich und sinnvoll ist, dass die jeweiligen Normen in beiden Bereichen in Form des Begriffs „ein Recht" in analoger Weise anwendbar sind, dass in beiden Bereichen Situationen vorliegen, die eine analoge Anwendung dieses Begriffs (oder seine Herleitung) erforderlich machen, dass in beiden Bereichen dieser Begriff eine analoge Funktion hat etc. 815 Es stellt sich demnach die Frage, ob Wellman zeigt, wo die gemeinsamen Voraussetzungen in beiden Bereichen in Bezug auf den Begriff „ein Recht" liegen, die eine analoge816 Auffassung von Rechten ermöglichen. Wellman bemerkt, 814
Vgl. Wellman (1995), S. 9. Man kann hier am Rande darauf hinweisen, dass man in der Literatur auch auf andere Autoren stößt, die eine solche Analogie oder Parallelität vorauszusetzen scheinen. Feinberg z.B. versteht Rechte als gültige (valid) Ansprüche. Vgl. Feinberg (1970), S. 255. Ein gültiger Anspruch sei ein legales Recht, wenn er unter Berufung auf bestimmende Vorschriften anerkannt werde; er sei ein moralisches Recht, wenn er unter Berufung auf moralische Prinzipien oder Prinzipien des aufgeklärten Gewissens anerkannt werde. Martin bemerkt in seiner Erörterung von Feinbergs Theorie, dass letzterer moralische und legale Rechte in ihrer Beschaffenheit als parallel behandelt: beide sind Rechte im selben Sinn. Vgl. Martin (1986), S. 156. 816 Am Rande sei erwähnt, dass man in „Challenge and Response" eine kurze Beschreibung des Urteilens oder Argumentierens anhand von Analogie (reasoning by analogy) findet. Wellman schreibt dort: Eine andere Art, um einen Schluss in Bezug auf einen besonderen Fall aus einer oder mehreren Prämissen zu ziehen, sei anhand von Analogie zu urteilen. Vgl. Wellman (1971), S. 53. Wenn das Buch auf meinem Schreibtisch verschiedenen anderen, die ich gelesen hätte, hinsichtlich der Länge, dem unbedeutenden Verleger und dem Autor gleich sei, dann sei es wahrscheinlich uninte815
III. Analyse
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wie wir gesehen haben, sein Hohfeldsches Modell lege nahe, dass Behauptungen und Ablehnungen von Rechten nur im Kontext von Willenskonflikten bedeutsam seien.817 Ferner bemerkt er, dass Rechte Standards zur Lösung von Willenskonflikten seien und Normen zur Verfügung stellten, die bestimmten, welcher der konfligierenden Willen vorherrschen sollte. 818 Da dies für den Begriff eines Rechts im Allgemeinen, d.h. sowohl für legale als auch für moralische Rechte gilt, nennt Wellman damit den Kontext, die Voraussetzungen und auch die Funktion sowohl des Begriffs eines legalen als auch eines moralischen Rechts. Voraussetzung im oder für den Begriff legaler und moralischer Rechte ist, wie vorhin schon bemerkt, die Möglichkeit von Willenskonflikten und die Funktion dieser Rechte besteht in der Lösung letzterer. Willenskonflikte, so kann man hinzufügen, bilden den gemeinsamen Grund der Anwendung und in gewisser Hinsicht auch der Existenz von Rechten. Man kann davon ausgehen, dass Willenskonflikte sowohl im Recht (law) als auch in der Moral derselben Natur sind und dass legale und moralische Rechte hinsichtlich ihrer Funktion, als Mittel zur Lösung und zur Vermeidung von Willenkonflikten, gleich zu denken sind. Insofern dürfte zumindest in dieser Hinsicht die Möglichkeit bestehen, dass sich gewisse Einsichten, die Wellman in Bezug auf die Beschaffenheit legaler Rechte im Bereich des Rechts gewinnt, in analoger Weise auch im Bereich der Moral in Bezug auf moralische Rechte gewinnen lassen. Die auf diese Weise feststellbaren Gemeinsamkeiten von Rechten als Mittel zur Lösung und Vermeidung von Willenskonflikten dürfte Wellman in seiner allgemeinen Definition eines Rechts zu formulieren versucht haben. Aus der bisherigen Betrachtung ergibt sich, dass es möglich sein dürfte, bestimmte Einsichten, die sich in Bezug auf die Funktion eines Rechts im Bereich des Rechts (law) gewinnen lassen, auch im Bereich der Moral zu gewinnen. Damit ist noch nicht gesagt, welche der Einsichten, die Wellman in Bezug auf den Aufbau eines legalen Rechts gewinnt, sich in analoger Weise auch im Bereich der Moral in Bezug auf moralische Rechte gewinnen lassen könnten. Wellman müsste also z.B. zeigen, dass und wie sich die Struktur aus Kernelement und verknüpften Elementen und die sie verknüpfenden Bänder Freiheit2 und Kontrolle aus moralischen Gründen im Kontext möglicher Willenskonfrontationen in seiner teleologischen Theorie erklären lassen. Insofern stellt sich die Frage, ob sie in Form eines analog zum Modell eines legalen Rechts definierten
ressant wie diese. In so einem Urteil sei die Schlussfolgerung nicht durch eine universale Verallgemeinerung mit den Prämissen verknüpft, sondern durch Berufung auf analoge Fälle. Der Punkt dieser Berufung auf analoge Fälle sei, dass in diesen Fällen Erfahrung gezeigt habe, dass bestimmte Charakteristika (wie die Länge, der unbedeutende Verleger und der Autor) mit einem weiteren Charakteristikum („uninteressant sein") einhergegangen seien. 817 Vgl. Wellman (1985), S. 167. 8
Vgl. Wellman (1985), S. 195.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Modells eines moralischen Rechts in den Bereich der Moral nur eingeführt werden oder unter der Voraussetzung eingeführt werden, dass sie sich darin in irgendeiner Form auch erklären lassen. Die Frage also, wie sich dieses Modell in den Bereich der Moral genau fügt, konnte bisher nicht ganz geklärt werden. Was die Funktion betrifft, die es darin hat, spricht Wellman von einer interpretativen Verwendung, worauf im Folgenden noch genauer eingegangen wird. Man kann hier die Frage stellen, ob die Art der Verwendung, die man vom Modell eines moralischen Rechts machen kann, in irgendeiner Weise damit zusammenhängt, dass Wellman es in den Bereich der Moral einführt, bestimmte Elemente seiner Struktur aber nicht herleitet. aa) Einige Fragen und die These dieser Arbeit Wellmans Erklärung seines Modells eines moralischen Rechts lässt verschiedene Fragen zu. In den folgenden Fragen wird davon ausgegangen, dass ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Bestandteilen und Aspekten des genannten Modells besteht. Diese Fragen betreffen jeweils einen Aspekt und seinen Zusammenhang mit den anderen Aspekten in Wellmans Modell eines moralischen Rechts im Rahmen seiner teleologischen Theorie. Im Rahmen der zweiten Frage, (b), findet man die These dieser Arbeit erörtert. (a) Erstens lässt sich die Frage stellen, woher die komplexe Zusammensetzung des moralischen Rechts aus mehreren moralischen Positionen rührt oder womit sie zusammenhängt. Diese Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund alternativer Auffassungen des Begriffs „ein Recht".*11 Wellman bemerkt z.B. in Bezug auf legale Rechte an einer Stelle, dass kein einzelner legaler Vorteil gegenüber einer zweiten Partei gelten (hold) würde und dass nur ein Komplex Hohfeldscher Elemente ein legales Recht konstituieren könne. 819 Lässt sich eine solche Beobachtung oder Einsicht, sofern sie in analoger Form für moralische Rechte behauptet wird, im Rahmen einer teleologischen Moraltheorie weiter analysieren und begründen? Liefert also die teleologische Theorie eine Erklärung, warum eine einzelne moralische Position noch kein moralisches Recht ausmacht? Diese Frage kann man z.B. in folgender Weise spezifizieren: Lässt sich zeigen, dass für die Lösung von Willenskonflikten ein Faktor wie Herrschaft (d.h. Freiheit2 und Kontrolle) erforderlich ist, der sich im Rahmen der teleologischen Theorie nicht in Form einer einzelnen moralischen Position zwischen zwei oder mehreren Parteien hinreichend beschreiben lässt? In Bezug auf die Komplexität eines moralischen Rechts lassen sich auch weitere Fragen formulieren. Hängt die komplexe Zusammensetzung eines moralischen Rechts auch damit zusammen, dass sein Inhalt oder Gegenstand (z.B. das
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III. Analyse
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Geld zurückgezahlt zu bekommen, abzutreiben etc.) eine komplexe Handlung oder einen komplexen Handlungszusammenhang darstellt, in Bezug auf den bzw. in dem Herrschaft nur anhand mehrerer moralischer Positionen möglich ist? 820 Sind die Situationen, in denen die Handlungen der beteiligten Parteien zu Konflikten führen oder führen können, so beschaffen, dass deren Lösung bzw. Vermeidung nur mithilfe mehrerer moralischer Positionen möglich ist? Hängt die Komplexität eines moralischen Rechts auch damit zusammen, dass in Bezug auf seinen Inhalt oder Gegenstand das Verhalten mehrerer Handelnder relevant ist (weswegen z.B. moralische Rechte die Rolle dreier Parteien definieren)? Welches Kriterium ermöglicht in diesem Fall die Behauptung, dass das Verhalten mehrerer (dreier) Parteien für ein moralisches Recht bzw. Herrschaft relevant ist? (b) Zweitens stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis verschiedener moralischer Positionen zueinander in Form von Kernposition und verknüpften Elementen erklären lässt. Im Rahmen dieser Frage wären auch zwei weitere zu berücksichtigen: Erstens, ob sich jede der unterschiedlichen moralischen Positionen, die als Bestandteile eines moralischen Rechts gedacht werden, mit beliebigen - sowohl hinsichtlich ihrer Art als auch hinsichtlich ihrer Zahl oder nur mit bestimmten moralischen Positionen verknüpfen lässt;"" zweitens,
820 Zieht man Wellmam Beispiel des moralischen Rechts einer schwangeren Frau abzutreiben heran, so kann man von einem komplexen Handlungszusammenhang sprechen, den Wellman in der Analyse dieses Rechts beschreibt. Vgl. Wellman (1985), S. 162 f., und hier das Kapitel B., IL, 4., e). Denn auf Seiten des Rechtsinhabers wird erstens in der moralischen Freiheit 1 im Kern dieses moralischen Rechts eine zentrale Handlung-1 (abtreiben) gedacht; zweitens wird mit dieser Kernfreiheit 1 eine moralische Freiheit 1 zu einer weiteren Handlung-2 (bei Androhung von Gewalt, Widerstand zu leisten, oder der Androhung derselben zu entgehen) verknüpft gedacht; drittens wird mit der Kernfreiheitl eine moralische Immunität in Bezug auf eine Handlung-3 einer anderen Partei (die Kernfreiheitl des Rechtsinhabers aufzuheben) gedacht. Mit diesen Handlungen, vor allem mit den Handlungen-1, -2, die in den moralischen Positionen auf Seiten des Rechtsinhabers gedacht werden, stehen all jene Handlungen in Zusammenhang, die in den verknüpften moralischen Positionen auf Seiten anderer Parteien gedacht werden. Auf Seiten anderer Parteien wird eine moralische Pflicht gedacht, eine bestimmte Handlung-4 (Anwendung oder Androhung von Gewalt, mit der Intention, die Schwangere von einer Abtreibung abzuhalten) zu unterlassen. Auf Seiten dritter Parteien werden damit einhergehend, erstens die moralische Pflicht gedacht, eine Handlung-5 (einer zweiten Partei bei der Anwendung oder Androhung von Gewalt mit der vorhin genannten Intention behilflich zu sein) zu unterlassen, und zweitens die moralische Pflicht zu einer Handlung-6 (der Schwangeren behilflich zu sein, bei Androhung von Gewalt, mit der genannten Intention, Widerstand zu leisten bzw. der Androhung von Gewalt zu entgehen) gedacht. Die Handlungen 2-6 werden von Wellman in engem Zusammenhang mit der Handlung-1 gesehen und daher als Gegenstände oder Inhalte bestimmter moralischer Positionen als Bestandteile ins genannte moralische Recht mit einbezogen. Auf den Zusammenhang der Handlungen, die die Inhalte oder Gegenstände der im Rahmen eines moralischen Rechts miteinander verknüpften moralischen Positionen bilden, wird in der Endnote [Teil (II), Frage (F2)] eingegangen, die man am Beginn des folgenden Punkts (b) findet.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ob alle verknüpften moralischen Positionen innherhalb eines moralischen Rechts in derselben Weise mit seiner Kernposition verknüpft sind. 821 Was das Verhält821 Es ist am Rande zu bemerken, dass zumindest in manchen Beispielen, die Wellman erörtert, die unterschiedlichen verknüpften Elemente nicht in derselben Weise mit dem Kern des Rechts verknüpft zu sein scheinen. Ein Beispiel ist (1.) das moralische Recht auf Sicherheit der Person. Vgl. Wellman (1985), S. 164 f. Der Kern dieses Rechts ist nach Wellman der moralische Anspruch des einzelnen Menschen gegenüber anderen, sowohl anderen Individuen als auch juristischen Personen, dass sie ihn nicht verletzten (injure) oder seinen Körper oder Geist übermäßig gefährdeten. Mit diesem Kern seien unter anderem folgende moralische Positionen verknüpft: Erstens die moralische Kompetenz des einzelnen Rechtsinhabers, auf seinen Kernanspruch zu verzichten. Zweitens die moralische Freiheit 1 des Individuums diese Kompetenz, auf seinen Kernanspruch zu verzichten, auszuüben oder nicht auszuüben. Diese moralische Freiheit 1 bezieht sich auf die zuvor genannte Kompetenz, setzt sie voraus und ist demnach nicht in derselben Weise wie diese mit dem Kern des Rechts verknüpft. Die Freiheit! und Kontrolle, die die moralische Freiheit 1 dem Rechtsinhaber überträgt, betrifft unmittelbar die moralische Kompetenz und mittelbar die Kernposition des moralischen Rechts. Ein weiteres Beispiel ist (2.) das zuvor (vgl. das Kapitel B., II., 5., b) über Begründungsarten) erwähnte moralische Recht nicht geschlagen zu werden. Vgl. Wellman (1995), S. 79 ff. Den Kern dieses Rechts bildet, wie wir gesehen haben, der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber allen anderen, dass sie ihn nicht schlügen. Zu den verknüpften Positionen zählt Wellman unter anderem, erstens, die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, auf seinen Kernanspruch zu verzichten; zweitens, die bilaterale moralische Freiheitl, seine Kompetenz, auf den Kernanspruch zu verzichten, auszuüben oder nicht auszuüben. Auch hier lässt sich Ähnliches wie in Bezug auf das erste Beispiel behaupten. Ein anderes Beispiel bildet (3.) das ebenfalls erwähnte [vgl. ebenfalls das Kapitel B., II., 5., b)] moralische Recht auf Unterstützung für ein unterstützungsbedürftiges Kind. Vgl. Wellman (1995), S. 88 ff. Den Kern dieses Rechts bilde der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber dem Staat, ihn (sc. den Rechtsinhaber) mit hinreichender Unterstützung zu versehen, um ihm zu ermöglichen, sich angemessen um sein unterstützungsbedürftiges Kind zu sorgen. Zu den verknüpften Elementen zählt Wellman unter anderem, erstens, die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, seine Kompetenz, auf die Erfüllung der Pflicht des Staates, ihn mit Unterstützung zu versehen, Anspruch zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. Zweitens, die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, jede Unterstützung, die ihm durch den Staat verschafft wird, zu akzeptieren und von ihr Gebrauch zu machen, um sich um sein unterstützungsbedürftiges Kind zu kümmern. Auch hier setzt die zweite verknüpfte moralische Position die erste in dem Sinn voraus, dass von der ersten, d.i. der moralischen Freiheitl, seine Kompetenz, Anspruch zu erheben, auszuüben, Gebrauch gemacht werden muss, um von der zweiten moralischen Position, d.i. der moralischen Freiheitl, die staatliche Unterstützung zu akzeptieren, Gebrauch machen zu können. Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, dass manche verknüpfte Elemente eines moralischen Rechts, nicht mit dessen Kernposition, sondern mit anderen verknüpften Elementen direkt verknüpft sind und diese voraussetzen. Das bedeutet Folgendes für die Auffassung von Freiheit2 und Kontrolle: Verknüpfte Elemente übertragen Freiheit2 und Kontrolle nicht nur in Bezug auf die Kernposition und den Bereich, den diese beschreibt, sondern können Freiheit2 und Kontrolle in gewissem Sinn auch über andere verknüpfte Elemente übertragen, sofern sie mit ihnen direkt verknüpft sind und damit die in ihnen gedachte Handlung, Unterlassung, Leistung etc. betreffen. Insofern können nach diesem Kriterium verschiedene Arten bzw. Modi von Freiheit2 und Kontrolle unterschieden werden.
III. Analyse
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nis verschiedener moralischer Positionen zueinander in Form von Kernposition und verknüpften Elementen betrifft, stellt sich die Frage, ob es sich im Rahmen der teleologischen Theorie erklären lässt. Ermöglicht die teleologische Theorie in der Erörterung der Frage, wie sich Willenskonflikte lösen oder vermeiden lassen, eine Erklärung in Bezug auf die allgemeine Struktur (oder Ordnung) moralischer Positionen in moralischen Rechten, die aus Kern und verknüpften Elementen besteht? Da in Wellmans Theorie die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts durch ein moralisches Recht Herrschaft bedeutet, muss in den Überlegungen auch dieser Begriff berücksichtigt werden. Insofern stellt sich in diesem Zusammenhang erstens die Frage, wie das Verhältnis zwischen dieser Struktur und Herrschaft aussieht. Spielt der Begriff „Herrschaft" in der Erklärung der genannten Struktur eines moralischen Rechts eine Rolle? Die Bedeutung des Begriffs „Herrschaft" geht in Wellmans Verständnis über das hinaus, was eine einzelne moralische Position ermöglicht. Im Rahmen der teleologischen Theorie stellt sich dann zweitens die Frage, ob die in ihr vorausgesetzten außermoralischen Werte in der Erklärung des genannten Bedeutungsüberschusses des Begriffs „Herrschaft" eine Rolle spielen. Setzen z.B. vorausgesetzte außermoralische Werte wie Sicherheit, Kooperationsbereitschaft oder Wohlwollen der Bedeutung von Herrschaft bestimmte Grenzen? Bestimmen vorausgesetzte außermoralische Werte, was unter einer Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts zugunsten des Rechtsinhabers zu verstehen ist, wie weit diese reicht und damit, was die Bedeutung von Herrschaft über eine bestimmte moralische Position hinaus für die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts verlangt? Bedenkt man, dass Willenskonflikte weitreichende Konsequenzen für das gesellschaftliche Zusammenleben haben können, ist es durchaus denkbar, dass vorausgesetzte außermoralische Werte, in denen Geselligkeitsfaktoren gedacht werden, genauer mitbestimmen, was unter der Lösung und Vermeidung eines Willenskonflikts zu verstehen ist. Auch Wellmans Bemerkung, dass die wesentliche Funktion moralischer Rechte in der moralisch gerechtfertigten Verteilung von Herrschaft besteht,822 legt nahe, dass die vorausgesetzten außermoralischen Werte bestimmen, was unter Herrschaft und damit was unter einem moralischen Recht zu verstehen ist. Wann Herrschaft und damit ein Recht moralisch gerechtfertigt ist, so dass man von einem moralischen Recht sprechen kann, hängt davon ab, ob sie bzw. es sich moralisch begründen lässt und in dieser Begründung spielen im teleologischen Rahmen letztendlich die vorausgesetzten außermoralischen Werte eine Rolle. Die bisherigen Erwägungen lassen die Vermutung zu, dass in der Erklärung der Struktur aus Kernposition und verknüpften Elementen der Begriff „Herrschaft" vorausgesetzt wird und dass nicht umgekehrt zur Erklärung der Bedeutung des Begriffs „Herrschaft" die genannte Struktur herangezogen werden 82
V g l . Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
muss. Der Grund dieser Vermutung resultiert unter anderem aus folgenden zwei Überlegungen: Erstens bedeutet ein moralisches Recht und damit die in ihm gedachte Herrschaft die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts; zweitens geht die Bedeutung des Begriffs „moralisches Recht" und damit von Herrschaft über die Bedeutung einer einzelnen moralischen Kernposition hinaus, die zur Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts relevant ist. Insofern weisen die Begriffe „moralisches Recht" bzw. „Herrschaft" bei Wellman auf etwas weiteres hin, das zu einer bestimmten moralischen Position hinzugedacht werden muss. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass der Begriff „Herrschaft" zur Erklärung der oben beschriebenen Struktur eines moralischen Rechts ausreicht. Was das genannte Voraussetzungsverhältnis angeht, so ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Struktur aus einer bestimmten Kernposition und bestimmten verknüpften Elementen die Form des Zusammenhangs der unterschiedlichen, für die Lösung bzw. Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts relevanten moralischen Gründe bildet, in der sich Herrschaft allein begreifen lässt, so dass die genannte Struktur und Herrschaft in einem wesentlichen Zusammenhang stehen und sich begrifflich nicht trennen lassen.823 In Bezug auf diese Struktur in Wellmans Modell eines moralischen Rechts kann man ferner die Frage stellen, ob die Formulierung, dass verknüpfte Positionen dem Rechtsinhaber Herrschaft über den Kern des Rechts gegenüber zweiten Parteien übertragen, nicht etwas zu allgemein und zu unspezifisch ist; und zwar unter der Voraussetzung, dass in Bezug auf irgendeine Kernposition nicht beliebige, sowohl hinsichtlich ihrer Art als auch ihrer Zahl, verknüpfte Elemente Freiheit2 und Kontrolle übertragen können.824 In den Überlegungen zur Erklärung der Struktur moralischer Rechte ist demnach einerseits zu berücksichtigen, dass die Bedeutung von Herrschaft über das hinausgeht, was eine einzelne moralische Position ermöglicht, andererseits, dass die jeweilige moralische Position, die als Kernposition eines bestimmten moralischen Rechts gedacht wird, von der man ausgeht, sich allem Anschein nach nur mit bestimmten weiteren moralischen Positionen verknüpfen lässt und dass nicht alle verknüpften moralischen Positionen in einem moralischen Recht in ein und derselben Weise mit seiner Kernposition verknüpft sind. 823 Man kann hier die Frage stellen, ob sich der Zusammenhang der verschiedenen moralischen Positionen, die ein moralisches Recht ausmachen, so denken lässt, dass die Kernposition verschiedene andere moralische Positionen direkt oder indirekt impliziert, um diejenige Freiheit2 und Kontrolle zu ermöglichen, die erforderlich ist, um einen Willenskonflikt zu lösen bzw. zu vermeiden. In diesem Fall würde sich das Implikationsverhältnis anhand der Freiheit2 und Kontrolle erklären lassen, die zur Lösung bzw. Vermeidung des Konflikts erforderlich sind. 824 Wie wir gesehen haben hat Wellman an einer Stelle in seiner Erörterung eines legalen Rechts Folgendes bemerkt: Obwohl der Kern nur ein Teil des legalen Rechts sei, bestimme die Definition des Kerns die verknüpften Elemente, die das Recht als komplexes Ganzes vervollständigten und strukturierten. Vgl. (1982), S. 42 f., hier wiedergegeben in einer Fußnote im Kapitel B., IL, 4., b), bb) über verknüpfte Elemente.
III. Analyse
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Damit ist man beim Punkt angelangt, in Bezug auf den die These dieser Arbeit formuliert ist. Oben wurde die Frage gestellt, ob sich jede der moralischen Positionen, die Bestandteile eines moralischen Rechts bilden können, mit beliebigen anderen moralischen Positionen verknüpfen lässt. In der Endnote zu dieser Frage wurde eine Analyse vorgenommen, aus der Unterschiedliches resultiert. Einerseits hat sich kein Schlüssel finden lassen, durch den sich in einheitlicher Weise erklären lässt, wie die einzelnen moralischen Positionen miteinander verknüpft sind, die in Wellmans Beispielen moralischer Rechte zu finden sind. Insofern hat sich kein Schema finden lassen, das der Struktur oder Ordnung der Bestandteile moralischer Rechte in einheitlicher Weise zugrunde liegt und erklärt, welche moralische Position sich mit welcher anderen bzw. sich mit wie vielen anderen moralischen Positionen verknüpfen lässt. Andererseits hat die Analyse der Beispiele moralischer Rechte, die Wellman bringt, gezeigt, dass es eine Reihe von Kriterien gibt, nach denen die Zusammenhänge zwischen den einzelnen miteinander verknüpften moralischen Positionen in Form von Kernposition und verknüpftem Element betrachtet und unterschieden werden können. Eine der interessanten Erkenntnisse, die gewonnen werden konnten, mit der sich auch die These dieser Arbeit befasst, betrifft die Funktion der einzelnen moralischen Positionen, die Bestandteile eines moralischen Rechts bilden, und auch den Aspekt, unter dem sie miteinander verknüpft sind. Moralische Positionen haben innerhalb eines Rechts eine von zwei Funktionen: (1) Manche von ihnen, nämlich moralische Freiheiten 1 und moralische Ansprüche bestimmen, was bestimmte Parteien des Rechts tun können bzw. sollen, (2) andere, nämlich moralische Kompetenzen bzw. Immunitäten betreffen die Konsequenzen von Handlungen in Bezug auf die Gültigkeit einer moralischen Position.825 Die Funktion der Kernposition eines moralischen Rechts besteht, wie wir gesehen haben, darin zu bestimmen, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann bzw. was die Adressaten des Rechts tun oder unterlassen sollen. Manche der verknüpften moralischen Positionen bestimmen, was der Rechtsinhaber zusätzlich tun kann bzw. was andere Parteien mit Hinblick auf die Kernposition des Rechtsinhabers tun können bzw. tun oder unterlassen sollen. Andere verknüpfte 825 Wie wir im Kapitel B., II., 2. gesehen haben, weist Wellman darauf hin, dass Holtfeld uns zeige, dass das Recht (law) in zwei grundsätzlich unterschiedlichen Arten auf Handlung Anwendung findet: indem es unsere Wahl (choices) erzwinge und indem es uns ermögliche, unsere legalen Positionen zu ändern. Vgl. Wellman (1985), S. 20. Daher teilten sich seine legalen Begriffe in zwei Untermengen, diejenigen, die anhand des Begriffs der legalen Pflicht, und diejenigen, die anhand des Begriffs der legalen Kompetenz definierbar seien. Es wäre genauer zu untersuchen, inwiefern sich die hier unterschiedenen zwei Arten, in denen, gemäß Holtfeld, das Recht (law) auf das Verhalten von Personen Anwedungfindet, analog auch im Bereich der Moral unterscheiden lassen und worin ihre Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu den oben beschriebenen zwei Funktionen moralischer Positionen innherhalb eines moralischen Rechts bestehen. Diese Untersuchung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
moralische Positionen betreffen die Gültigkeit der Kernposition oder einer verknüpften moralischen Position. (1) Die erste dieser beiden Funktionen kann in Bezug auf die Funktion eines moralischen Rechts, Willenskonflikte zugunsten des Rechtsinhabers zu lösen bzw. zu vermeiden, als die zentrale angesehen werden. Denn die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts kann darin gesehen werden, dass bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann und was andere Parteien tun können bzw. tun oder unterlassen sollen. Dies bedeutet, dass anhand der zwei Funktionen, die unterschiedliche moralische Positionen als Bestandteile eines moralischen Rechts haben, auch zwei Formen des Zusammenhangs zwischen verknüpften moralischen Positionen und Kernposition, die Wellman als Freiheit2 und Kontrolle begreift, bestimmt und unterschieden werden können, wobei eine von beiden in Bezug auf die Funktion eines moralischen Rechts als die zentrale betrachtet werden kann. Insofern kann die Bedeutung der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" anhand der Funktion, die moralische Positionen haben, zumindest zum Teil, bestimmt und geklärt werden. Die in der Einleitung dieser Arbeit formulierte These besteht in der Annahme, dass die Funktion eines komplex aufgebauten moralischen Rechts mit der oder einer Funktion seiner Bestandteile oder zumindest bestimmter seiner Bestandteile zusammenhängt oder sich mit ihnen deckt. Diese These beruht auf folgender Überlegung: Die Tatsachen, dass sowohl der Begriff eines moralischen Rechts als auch der Begriff einer moralischen Position normative Begriffe sind, und dass in Wellmans Modell ein moralisches Recht aus moralischen Positionen besteht, legen die Annahme nahe, dass die Funktion eines moralischen Rechts und einer moralischen Position zusammenhängen bzw. sich zu einem großen Teil decken. Dieser Zusammenhang kann auch die Form haben, dass sich die Funktion eines moralischen Rechts aus den Funktionen seiner Bestandteile zusammensetzt. Es besteht also Grund zur Annahme, dass sich die Funktion eines moralischen Rechts in der Funktion seiner Bestandteile wiederfinden lässt oder sich mit ihr deckt. Die Funktion eines moralischen Rechts, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden, hängt, wie vorhin behauptet, mit der Funktion bestimmter seiner Bestandteile zusammen, die bestimmen, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann und was andere Parteien tun können bzw. tun oder unterlassen sollen. Anschließend ist in Bezug auf die oben genannten Überlegungen Folgendes zu bemerken: Erstens wurde die Vermutung geäußert, dass der Begriff „Herrschaft" in der Erklärung der Struktur eines moralischen Rechts aus Kernposition und verknüpften Elementen vorausgesetzt wird. Diese Hypothese wirft die Frage auf, wie dies möglich ist, wenn es unterschiedliche Bedeutungen von Herrschaft geben kann, je nachdem, welche moralische Position mit welcher anderen verknüpft wird. Der hinter dieser Hypothese liegende Gedanke wird vielleicht etwas klarer, wenn man davon ausgeht, dass sich an der Bedeutung
III. Analyse
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des Begriffs „Herrschaft" zwei Komponenten unterscheiden lassen: eine invariable und eine variable. Die invariable Bedeutungskomponente besteht in dem, was Herrschaft bzw. ein moralisches Recht ermöglichen soll, d.i. die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts zugunsten des Rechtsinhabers. Die variable Bedeutung besteht in der Art der Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts, die die verknüpften moralischen Positionen dem Rechtsinhaber in Bezug auf seine Kernposition gegenüber einer zweiten Partei in einer bestimmten Situation tatsächlich ermöglichen. Diese Bedeutung kann insofern als variabel verstanden werden, als sich erstens sowohl die Kernpositionen als auch die verknüpften moralischen Positionen der einzelnen moralischen Rechte im Vergleich zueinander unterscheiden und zweitens die verknüpften moralischen Positionen innerhalb eines moralischen Rechts je nach Situation variieren können. Wenn oben angenommen wird, dass der Begriff „Herrschaft" in der Erklärung der Struktur eines moralischen Rechts vorausgesetzt wird, so ist damit die erste Bedeutungskomponente desselben gemeint. Denn die einzelnen moralischen Positionen, die gemeinsam ein bestimmtes moralisches Recht bilden, werden miteinander in jener Struktur verknüpft, in der sie einen bestimmten Willenskonflikt zugunsten des Rechtsinhabers zu lösen bzw. zu vermeiden ermöglichen. Es liegt auch nahe anzunehmen, dass zumindest ein Grund, aus dem eine moralische Position des Rechtsinhabers als Kernposition bzw. als moralische Position, der eine zentrale Bedeutung im moralischen Recht zukommt, gedacht wird, auf diese Bedeutung von Herrschaft zurückführen lässt; und zwar insofern, als der Willenskonflikt zu seinen Gunsten gelöst oder vermieden wird. Geht man davon aus, dass die Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts zugunsten des Rechtsinhabers nicht nur in der Bestimmung besteht, wie dieser handeln kann, sondern auch in der Bestimmung, wie andere Parteien in Bezug auf den Rechtsinhaber handeln können bzw. sollen, so gehören auch zum Begriff der Herrschaft und damit eines moralischen Rechts auch jene moralischen Positionen, die bestimmen, wie andere Parteien handeln können bzw. sollen. Diesen Überlegungen und Voraussetzungen nach dürfte die erste Bedeutung von Herrschaft zumindest zu einem Teil die Struktur im Zusammenhang jener moralischer Positionen zu erklären ermöglichen, die die erste der beiden vorhin genannten Funktionen haben, d.h. die Funktion zu bestimmen, wie der Rechtsinhaber handeln kann und wie andere Parteien in Bezug darauf handeln können bzw. müssen. Vorausgesetzt wird dabei, dass zur Bestimmung des Verhaltens unterschiedlicher Parteien mehrere moralische Positionen notwendig sind, insofern dies nicht anhand einer einzigen geschehen kann. In Bezug auf die Bedeutung des Begriffs „Herrschaft" und die komplexe Struktur eines moralischen Rechts aus mehreren moralischen Positionen sei noch Folgendes bemerkt. Dass die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts im Sinn eines moralischen Rechts - als möglicherweise eine Form der Lösung oder Vermeidung desselben - nicht nur in der Bestimmung dessen be-
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
steht, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, sondern auch in dem, was in Bezug darauf die anderen beteiligten Parteien tun können bzw. tun oder unterlassen sollen, ist eine Annahme, die einer Erklärung bedarf. Geht man davon aus, dass mehrere Parteien an einem Willenskonflikt in einer bestimmten Situation beteiligt sind bzw. zur Lösung oder Vermeidung desselben beitragen können, so liegt die Annahme nahe, dass zur Lösung oder Vermeidung desselben bestimmt werden muss, wie jede beteiligte826 Partei handeln kann bzw. soll. Die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts im Sinn eines moralischen Rechts verlangt demnach eine Bestimmung des Verhaltens aller am Willenskonflikt beteiligten Parteien. Diese Annahme dürfte unproblematisch sein. Insofern in diesem Zusammenhang der Begriff „Herrschaft", so verstanden wird, dass er die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts bedeutet, enthält er die unproblematische Annahme, dass das Verhalten aller beteiligten Parteien berücksichtigt wird. Ob die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts und damit die entsprechende Bedeutung von Herrschaft komplex ist, geht daraus noch nicht eindeutig hervor. Ein Grund der Komplexität des Begriffs eines moralischen Rechts und die Frage nach dem Zusammenhang seiner Elemente und nach der Struktur dieses Zusammenhangs liegt, wie vorhin angesprochen, darin, dass der Begriff einer moralischen Position, durch den bestimmt wird, wer was tun kann bzw. soll, das Verhalten nur bestimmter Personen betrifft und nicht aller an einem Willenskonflikt Beteiligten. Insofern zur Bestimmung der Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts im Sinn eines moralischen Rechts mehrere moralische Positionen notwendig sind, die bestimmen, wie die beteiligten Parteien sich verhalten können bzw. sollen, stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang dieser moralischen Positionen und nach der Struktur ihres Zusammenhangs. In Bezug auf den diskutierten Zusammenhang moralischer Positionen im Rahmen eines moralischen Rechts hinsichtlich der Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts lässt sich am Rande auch folgende Frage stellen. Geht man, wie in den vorigen Überlegungen davon aus, dass die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts aufgrund der erstgenannten Funktion moralischer Positionen ermöglicht wird, also der Funktion, wonach sie bestimmen, was eine Partei tun oder unterlassen kann bzw. soll, so stellt sich die Frage, ob die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts bestimmte moralische Positionen erfordert, die in einem bestimmten Zusammenhang miteinander stehen. Es scheint, dass es zur Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts nicht hinreicht zu bestimmen, wie die beteiligten Parteien handeln können, sondern, dass es auch erforderlich ist zu bestimmen, wie zumindest 826 Aus Gründen der Einfachheit ist im Folgenden nicht mehr die Rede von Personen, die an einem Willenskonflikt beteiligt sind oder zur Lösung und Vermeidung desselben direkt oder indirekt beitragen können, sondern nur mehr von Personen, die am Willenskonflikt beteiligt sind.
III. Analyse
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manche der beteiligten Parteien handeln sollen. Dies zeigt sich auch in der Art mancher moralischer Positionen, die Wellman in seinen Beispielen moralischer Rechte als Bestandteile anführt. Zu denjenigen Parteien, die etwas tun oder unterlassen sollen, zählt nicht die erste Partei X, d.i. die Partei, die im Rahmen eines moralischen Rechts als Rechtsinhaber gedacht wird, sondern zweite Parteien Y, d.i. die Parteien, die als Adressaten im Rahmen eines moralischen Rechts gedacht werden, oder dritte Parteien Z. Der Rechtsinhaber ist diejenige Partei eines moralischen Rechts, die etwas tun oder unterlassen kann. 827 Man kann hier die Frage stellen, ob man schon von einem moralischen Recht sprechen kann, wenn bestimmte der moralischen Positionen, die zur Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts erforderlich sind, bestimmen, was bestimmte der beteiligten, z.B. die oben genannten zweiten Parteien Y oder dritten Parteien Z tun oder unterlassen sollen, und eine dieser moralischen Positionen oder mehrere bestimmen, was eine der beteiligten Parteien, z.B. die erste Partei X tun oder unterlassen kann. Werden die soeben genannten moralischen Positionen der genannten Parteien nichtrelativ gedacht, d.h. so, dass keine dieser moralischen Positionen gegenüber anderen beteiligten Parteien besteht, so kann man davon ausgehen, dass die beteiligten Parteien ohne irgendeinen Bezug zueinander stehen und keine der beteiligten Parteien einen Bezug oder Einfluss auf die moralische Position einer anderen Partei hätte. Hier wird man schwer von einem moralischen Recht in irgendeinem Sinn sprechen können, wenn man voraussetzt, dass ein moralisches Recht gegenüber anderen Parteien besteht, also einen Bezug zu anderen Parteien enthält. Werden zumindest einige der moralischen Positionen, die zur Lösung eines moralischen Konflikts erforderlich sind, relativ gedacht, d.h. gelten sie gegenüber irgendwelchen der beteiligten Parteien, so dass diese als Adressaten dieser relativen moralischen Positionen gedacht werden und haben letztgenannte Parteien darüber hinaus einen Einfluss auf die moralischen Positionen, so ist es in diesem Fall denkbar von einem moralischen Recht dieser Parteien zu sprechen. So z.B., wenn im oben beschriebenen Fall die moralischen Pflichten zweiter Parteien Y oder dritter Parteien Z relative moralische Pflichten sind, die der Partei X, die etwas tun (bzw. tun oder unterlassen) kann, geschuldet werden und die Partei X einen Einfluss auf diese relativen moralischen Pflichten von Y bzw. Z hat, indem sie z.B. ihre Erfüllung fordern kann. In diesem Fall kann man behaupten, dass der Willenskonflikt zugunsten der Partei gelöst oder vermieden wird, die etwas tun 827
Wie wir in der vorhin genannten Endnote [im Kapitel B., III., 2., b), aa) „Einige Fragen und die These dieser Arbeit", Punkt (b)] gesehen haben (und zwar im Teil (III), Abschnitt 5.4 der Endnote), hat der Rechtsinhaber in den Beispielen, die Wellman bringt, entweder eine (bilaterale) moralische Freiheit 1, etwas zu tun (bzw. zu tun oder zu unterlassen), oder eine (bilaterale) moralische Freiheit 1, eine moralische Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben), wobei diese moralische Kompetenz auch eine moralische Kompetenz sein kann, Anspruch auf die Erfüllung der korrelativen moralischen Pflicht zu erheben.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
oder unterlassen kann. Und zwar insofern als erstens die beteiligten Parteien und ihre moralischen Positionen in einem Zusammenhang gesehen werden und zweitens die Partei, zugunsten der der Willenkonflikt gelöst wird, auch auf die Erfüllung der entsprechenden moralischen Pflichten zweiter bzw. dritter Parteien Anspruch erheben kann. Diesen Überlegungen nach besteht die Form der Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts, die als moralisches Recht einer Partei gegenüber anderen gedacht werden kann, wenn nicht ausschließlich, so auch aus moralischen Positionen mit folgenden Charakteristika: Erstens sind manche dieser moralischen Positionen relative moralische Positionen. Zweitens haben manche der moralischen Positionen die Funktion zu bestimmen, wie die beteiligten Parteien handeln können bzw. sollen. Manche von ihnen bestimmen, was eine der beteiligten Parteien, d.i. der Rechtsinhaber, tun oder unterlassen kann, andere bestimmen, was die anderen beteiligten Parteien in Bezug auf die erstgenannte Partei tun oder unterlassen sollen. Drittens haben manche moralischen Positionen einer der Parteien, d.i. des Rechtsinhabers, die Funktion, einen Einfluss auf die moralischen Positionen der anderen, d.i. zweiter oder dritter Parteien, zu haben, z.B. die Funktion, Anspruch auf die Erfüllung der relativen moralischen Pflichten zweiter oder dritter Parteien erheben zu können.828 Sollten diese Überlegungen zutreffen, so lässt sich die Bedeutung eines moralischen Rechts und der in ihm gedachten Herrschaft in Form eines bestimmten Zusammenhangs moralischer Positionen mit einer bestimmten Beschaffenheit und einer bestimmten Funktion begreifen. In jeder der genannten zwei Funktionen moralischer Rechte spiegelt sich dann ein konstitutiver Aspekt der Bedeutung der Begriffe „moralisches Recht" und „Herrschaft" in Wellmans Theorie wider. Damit wäre gezeigt, dass sich die Bedeutung und Funktion des normativen Begriffs „moralisches Recht" anhand anderer normativer Begriffe, d.i. der Begriffe der entsprechenden moralischen Positionen, und deren Funktion weiter analysieren lässt, durch diese Analyse aber nicht redundant wird. (c) Drittens stellt sich die Frage, wie und wo man in der Erklärung moralischer Rechte im Rahmen der teleologischen Theorie auf die bereits angesprochene, für Wellmans Modell eines moralischen Rechts essentielle Herrschaft bzw. Freiheit2-Kontrolle stößt und wie sich in diesem Zusammenhang ihre Relevanz oder konstitutive Bedeutung für den Begriff „moralisches Recht 4 begreifen lässt.xlv Zunächst soll kurz etwas zur Bedeutung der Begriffe „Herrschaft" bzw. „Freiheit2" und „Kontrolle" gesagt werden. Das Freiheit2-Kontrolle-Verhältnis ist in diesem Modell ein Verhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und 828 Am Rande sei darauf hingewiesen, dass Wellman, wie wir gesehen haben, an einer Stelle bemerkt, dass alle Arten von Rechten mit einem Ansprucherheben wesentlich verknüpft sind, wenn man Ansprucherheben in einem weiteren Sinn versteht, d.h. so, dass man sein Recht gegenüber einem Gegner behauptet. Vgl. Wellman (1985), S. 205, hier im Kapitel B., IL, 4., h), cc) wiedergegeben.
III. Analyse
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der Partei, gegenüber der das moralische Recht gilt. Der Rechtsinhaber bildet also das Subjekt, die Partei, gegenüber der das moralische Recht gilt, den Adressaten der Freiheit2-Kontrolle. Was genau bildet den Gegenstand oder Inhalt der Freiheit2-Kontrolle? Ist dazu nur die Handlung, die in der Kernposition des moralischen Rechts gedacht wird, zu zählen? Das Freiheit2-Kontrolle-Verhältnis wird im Zusammenhang zwischen verknüpften Elementen und Kernposition begriffen. Wellmans Formulierungen können so verstanden werden, dass die Kernposition und insofern die in ihr gedachte Handlung den Gegenstand der Freiheit2 und Kontrolle bildet, in Bezug auf die die verknüpften moralischen Positionen eine Freiheit2 und Kontrolle übertragen. 829 Im vorangegangenen Punkt (b) wurden Freiheit2 und Kontrolle als Art des Zusammenhangs zweier miteinander verknüpfter moralischer Positionen im Rahmen eines moralischen Rechts erörtert. Je nach Art der miteinander verknüpften moralischen Positionen und der in ihnen gedachten Handlungen wurden unterschiedliche Bedeutungen dieser beiden Begriffe unterschieden und bei manchen Verknüpfungen moralischer Positionen als Bestandteile eines moralischen Rechts hat sich die Frage gestellt, ob sie in irgendeinem Sinn mit Hilfe der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" begriffen werden können.830 Zu Wellmans Wahl der Begriffe „Herrschaft" bzw. „Freiheit2" und „Kontrolle", um in seiner Theorie etwas bestimmtes zu benennen, ist Folgendes zu sagen: Wellman wählt diese Begriffe, um die gemeinsame Bedeutung des Zusammenhangs verknüpfter moralischer Positionen und Kernposition in seinem Modell eines moralischen Rechts zu erfassen. Stellt man die Frage, warum Wellman gerade diese Begriffe wählt und nicht andere, so kann man ein Kriterium für seine Wahl in der Bedeutung vermuten, die diese Begriffe außerhalb seiner Theorie haben: Ihre Bedeutung dürfte der Bedeutung dessen, was Wellman zu beschreiben versucht, im Vergleich zu anderen Begriffen am nächsten kommen. Man kann also davon ausgehen, dass Wellman diese Begriffe aufgrund ihrer geeigneten Bedeutung auswählt und diese dann im Rahmen eines speziellen Zusammenhangs in seiner Theorie spezieller fasst. In einer systematischen Erörterung der Bedeutung der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" im Rahmen von Wellmans Theorie wäre zusätzlich zu den vorhin, unter Punkt (b), 8 3 1 unterschiedenen Kriterien folgender Punkt zu berücksichtigen: Wie wir in der Analyse der moralischen Positionen gesehen haben, wird die Handlung in manchen moralischen Positionen auf Seiten des Subjekts, in anderen auf Seiten des Adressaten und in anderen, komplexeren, wird eine 829
Vgl. z.B. Wellman (1985), S. 95, 161, 200, 201. Vgl. die Bemerkungen zur Frage (F2) im Teil (II) der Endnote am Beginn der Erörterungen zu Punkt (b), im Kapitel B., III., 2., b), aa). 831 Vgl. den Teil (EI) der Endnote am Beginn der Erörterungen zu Punkt (b), im Kapitel B., EL, 2., b), aa). 830
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Handlung auf Seiten des Subjekts und eine auf Seiten des Adressaten gedacht. Insofern stellt sich die Frage, ob man hier ein Kriterium für die Wahl der zwei unterschiedlichen Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" sehen kann, die zwei unterschiedliche Bedeutungen haben.832 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Wellman verschiedene Arten unterscheidet, in denen die unterschiedlichen verknüpften moralischen Positionen zu einer Freiheit2 und Kontrolle, die mit einem moralischen Recht - in einer etwas anderen Bedeutung - einhergehen, beitragen. 833 832
Wie wir in der Analyse der moralischen Positionen gesehen haben, wird die Handlung, die den Inhalt oder Gegenstand der einzelnen moralischen Positionen bildet, bei moralischen Freiheiten 1 und Kompetenzen auf Seiten des Subjekts (= MPS), bei moralischen Immunitäten auf Seiten des Adressaten (= MPA) und bei moralischen Ansprüchen wird eine Handlung auf Seiten des Subjekts und eine auf Seiten des Adressaten der moralischen Position gedacht. Vgl. hier das Kapitel B., III., 1., b), dd). Denkt man sich diese unterschiedlichen Kategorien moralischer Positionen als Kernpositionen eines moralischen Rechts, so stellt sich die Frage, ob sie alle in derselben Weise als Gegenstand von Freiheit2 und Kontrolle gedacht werden. Hier kann man auf folgenden Punkt hinweisen: Vor dem Hintergrund der üblichen Bedeutung von Freiheit^ (freedom) scheint es schwierig zu sein, davon zu sprechen, dass eine Person X (d.i. das Subjekt des moralischen Rechts) eine Freiheit2 hat, deren Gegenstand eine Handlung einer anderen Person Y (d.i. des Adressaten des moralischen Rechts) bildet. Bildet den Gegenstand der moralischen Position einer Person X eine Handlung einer Person Y (des Adressaten), so scheint es angemessener von einer Kontrolle der Person X in Bezug auf diese moralische Position zu sprechen. Auch Wellmans kurze Erläuterungen zu den Begriffen „Freiheit2" und „Kontrolle" legen dies nahe. Wellman schreibt: Ich könne nicht eine genuine Freiheit2 haben, einen Spaziergang im Wald zu machen, wenn ich nicht Kontrolle über jeden hätte, der mich einsperren könnte. Ich könne nicht wirkliche Kontrolle über meinen jungen Sohn haben, wenn ich nicht frei sei, ihm Befehle zu erteüen und ihn für Ungehorsam zu bestrafen, wenn dies notwendig sei. Vgl. Wellman (1985), S. 95. An diesen Ausführungen Wellmans sieht man, dass den Gegenstand von Freiheit2 eine Handlung des Subjekts (Rechtsinhabers), den Gegenstand von Kontrolle eine Handlung des Adressaten bildet. Dies dürfte kein Zufall sein und dies bedeutet auch, dass es kein Zufall sein dürfte, dass Wellman zwei verschiedene Begriffe, nämlich „Freiheit2" und „Kontrolle" gewählt hat. Wellman weist nirgends auf diesen Punkt hin und insofern ist nicht klar, ob er ihn auch gesehen hat. Die Tatsache, dass er die zwei unterschiedlichen Begriffe gewählt hat, legt jedoch nahe, dass er irgendeinen Unterschied zumindest angenommen haben muss. 833 £)a verschiedene moralische Positionen sowohl als verknüpfte Elemente als auch als Kernpositionen in verschiedenen moralischen Rechten fungieren, stellt sich die Frage, ob man von der Freiheit2 bzw. der Kontrolle sprechen kann, die sie über die jeweilige Kernposition übertragen, oder ob man zwischen verschiedenen Arten von Freiheit2 bzw. Kontrolle unterscheiden muss. Wie wir [vgl. hier das Kapitel B., II, 4., b), cc), (2) über Freiheit2] gesehen haben, hat Wellman in der Erörterung der Freiheit2 (freedom) Folgendes bemerkt: Da die verknüpften Elemente keine Freiheiten 1, bloßes Nichtgegebensein gegenteiliger Pflichten sein müssten, müsse die Relation zwischen Rechten und Freiheit2 nicht nur negativ sein. Vgl. Wellman (1985), S. 198. Da Ansprüche und Immunitäten Freiheit2 schützen könnten und Kompetenzen sie erweitern könnten, täten Rechte mehr als dem Rechtsinhaber seine Freiheit2 zu lassen; sie dienten auch zur Sicherung und manchmal sogar zum Hervorbringen irgendeiner Freiheit2. In der Erörterung der Kontrolle hat Wellman, wie wir gesehen haben, bemerkt, dass andere verknüpfte Elemente als Kompetenzen auf verschiedene Art zur Kontrolle des
III. Analyse
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Nach diesen kurzen Bemerkungen zur Bedeutung der Begriffe „Herrschaft" bzw. „Freiheit2" und „Kontrolle" und dem Hinweis auf einige Aspekte, die in
Rechtsinhabers über den Kern seines Rechts beitragen würden. Vgl. ebd., S. 201 [bzw. hier das Kapitel B., II., 4., b) cc), (3) über Kontrolle]. Z.B. sichere die Immunität des Rechtsinhabers gegen Beraubung oder helfe zu sichern, dass seine Kontrolle über sein Auto eher in seinen Händen bleibe als in die Hände eines anderen gerate. Aus diesen Ausführungen Wellmans geht Folgendes hervor: Verknüpfte Elemente übertragen, sofern sie respektiert würden, nicht nur dem Rechtsinhaber eine Art von Freiheit^ und Kontrolle in Bezug auf die Ausübung und den Genuss des Kerns des Rechts, wodurch sie mit diesem Kern verknüpft sind - vgl. ebd., S. 95; verschiedene verknüpfte Elemente haben auch verschiedene Funktionen in Bezug auf eine näher zu beleuchtende Freiheit2 und Kontrolle, die mit dem betreffenden Recht einhergehen: sie können z.B. Freiheit2 schützen, erweitern oder hervorbringen, sie können z.B. zur Kontrolle beitragen oder sie schützen. Vgl. ebd., S. 198 bzw. 201. Wellmans Ausführungen zur Art des Zusammenhangs zwischen Rechten im Allgemeinen bzw. moralischen Rechten im Besonderen und Freiheit2 und Kontrolle sind komplex und bedürfen genauerer Analyse. Zu den Bedeutungen der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" ist diesen kurzen Ausführungen nach Folgendes zu sagen. Aus manchen Beispielen, die Wellman zu Freiheit2 (freedom) bringt, geht hervor, dass unter diesem Begriff auch Handlungsfreiheit zu verstehen ist, z.B. die Freiheit2, einen Spaziergang zu machen. Vgl. Wellman (1985), S. 95. Rechte im Allgemeinen bzw. moralische Rechte im Besonderen betreffen diese Handlungsfreiheit. Die Art, in der sie sie betreffen, variiert je nach moralischem Recht, d.h. je nach der moralischen Positition, die im Kern desselben gedacht wird und den verknüpften Elementen, die mit der Kernposition verknüpft sind. Man kann demnach die Frage stellen, ob der Begriff ,Jreiheit2" in genau derselben Bedeutung verwendet wird, wenn einerseits davon die Rede ist, dass Rechte die Freiheit2 von Individuen betreffen oder regeln, und wenn anderseits davon die Rede ist, dass die verknüpften Elemente dem Rechtsinhaber Freiheit2 (und Kontrolle) in Bezug auf die Ausübung oder den Genuss des Kerns des Rechts übertragen und dadurch mit ihm verknüpft sind. In Bezug auf den Begriff „Kontrolle", der mit dem Begriff ,JFreiheit2" wesentlich zusammenhängt, kann man die Frage stellen, was er genau bedeutet und ferner, inwiefern er über den Begriff „Freiheit2" hinausgeht. Wellman spricht z.B. von einer Kontrolle des Rechtsinhabers gegenüber zweiten Parteien. Z.B. müsse jemand, der die Freiheit2 hat, einen Spaziergang im Wald zu machen, auch die Kontrolle über jede Partei haben, die ihn dabei hindern könnte. Vgl. Wellman (1985), S. 95. Diese Kontrolle bezieht sich auf zweite Parteien und jene möglichen Handlungen, durch die sie die Handlungsfreiheit des Rechtsinhabers einschränken könnten. Inwiefern werden in diesem Fall die zweite Partei und ihre möglichen Handlungen durch den Rechtsinhaber kontrolliert? Ist mit Kontrolle nur die Einschränkung der Handlungsfreiheit der zweiten Parteien oder auch etwas anderes gemeint? Wellman bemerkt in einem weiteren Beispiel, die Immunität des Inhabers gegen Beraubung sichere oder helfe zu sichern, dass die Kontrolle über sein Auto eher in seinen Händen bleibe als in die anderer fidle. Hier könnte man argumentieren, dass die Bedeutung von Kontrolle über die Einschränkung der Handlungsfreiheit hinausgeht und in gewisser Hinsicht die Beziehung von Personen zu Gegenständen umfasst, die sich in diesem Fall z.B. als Verfügen begreifen lässt. Insofern kann man die Frage stellen, ob und inwiefern sich diese Bedeutung im Begriff „Kontrolle" von jener unterscheidet, die verwendet wird, um das Verhältnis verknüpfter Elemente zur Kernposition in einem moralischen Recht zu begreifen. Femer kann man die Frage stellen, in welchem Zusammenhang die Begriffe „moralisches Recht", „ H a n d l u n g s f r e i h e i t " und „Kontrolle", deren Bedeutung
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
ihrer Erörterung berücksichtigt werden müssten, soll die eingangs gestellte Frage, inwiefern man im Rahmen der teleologischen Theorie auf die für Wellmans Modell eines moralischen Rechts essentielle Herrschaft bzw. Freiheit2 und Kontrolle stößt, aufgegriffen werden. Im Rahmen der teleologischen Theorie stellt sich die Frage, inwiefern das Herrschafts- bzw. das Freiheit2-Kontrolle-Verhältnis, das im Zusammenhang zwischen verknüpften Elementen und Kernposition eines moralischen Rechts gedacht wird, in den moralischen Gründen des moralischen Rechts enthalten gedacht werden kann und inwiefern moralische Gründe und ihre Funktion im Kontext von Willenskonflikten zur Erklärung desselben einen Beitrag leisten. Vorhin, in Punkt (b), wurde die Vermutung geäußert, dass der Begriff „Herrschaft" in der Erklärung der Struktur aus Kernposition und verknüpften Elementen, aus denen ein moralisches Recht besteht, vorausgesetzt wird. Die Bedeutung des Begriffs „Herrschaft", die den Überlegungen in Punkt (b) nach vorausgesetzt wird, ist, dass ein Willenskonflikt zugunsten des Rechtsinhabers gelöst oder vermieden wird. Geht man davon aus, dass die Bedeutung von Herrschaft bzw. von Freiheit2 und Kontrolle über das hinausgeht, was eine einzelne moralische Position bedeutet oder leistet, so stellt sich die Frage, ob und inwiefern sich die zusätzliche Bedeutung von Herrschaft im Rahmen der teleologische Theorie herleiten lässt. Moralische Gründe bestehen im Rahmen der teleologischen Theorie aus denjenigen Fakten, die in einer bestimmten Situation unter Voraussetzung bestimmter außermoralischer Werte in Bezug auf eine Handlung und ihre Konsequenzen relevant sind. Dabei kann man, zumindest im Kontext der Erklärung moralischer Rechte, davon ausgehen, dass die Situationen, in denen bestimmte Fakten in der geschilderten Art moralisch relevant werden, Situationen sind, in denen die Möglichkeit von Willenskonflikten gegeben ist. 834 An diesen im Licht voeine Beziehung von Personen zu Gegenständen enthält, zueinander stehen. Personen verfügen mit ihren Handlungen über Gegenstände und insofern spielt dabei Handlungsfreiheit eine wichtige Rolle. Lässt sich demnach die Kontrolle mit Bezug auf Gegenstände auch durch eine Bestimmung von Handlungsfreiheit regeln? In diesen Bemerkungen und Fragestellungen wurden nur einige Aspekte aus Wellmans Ausführungen in (1985) zu Freiheit2, Kontrolle und Herrschaft berücksichtigt. Im Folgenden werden auch weitere Aspekte in seinen Ausführungen angesprochen und einige Fragen gestellt. 834 Man kann dies an einem Beispiel folgendermaßen zu erklären versuchen: Wollen zwei Personen X und Y dieselbe Sache tun oder haben, z.B. jede von ihnen als erste aus einer Quelle nach einem langen Marsch in der Wüste trinken, so können für die Beilegung des Willenkonflikts bestimmte Fakten in Bezug auf die involvierten Handlungen und ihre Konsequenzen als moralisch relevant betrachtet werden. Die konfligierenden Handlungen bestehen darin, dass jede der zwei Personen als erste trinken will. Zu den unmittelbaren Konsequenzen dieser Handlungen können folgende gezählt werden: dass die jeweils andere Person warten muss, bis die andere getrunken hat, dass sie länger Durst leidet, dass sie möglicherweise befürchten muss, dass das Wasser verunreinigt wird etc. Zu den relevanten Fakten können folgende gezählt werden: der Erschöpfungszustand jeder der zwei Personen, ihr Vermögen, sich zu beherr-
III. Analyse
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rausgesetzter Werte moralisch relevanten Fakten, zu denen die relevanten Handlungen und ihre Konsequenzen gezählt werden können, orientieren sich im Fall eines bestimmten Willenskonflikts die Überlegungen in Bezug auf die Frage, welche moralischen Positionen und vielleicht auch welches Verhältnis unter ihnen eine Lösung oder Vermeidung desselben ermöglichen. In dieser Frage wird vorausgesetzt, dass Willenskonflikte gelöst bzw. vermieden werden müssen oder sollen. Dies wirft die weitere Frage auf, woher im Rahmen der teleologischen Theorie der Gedanke rührt, dass Willenskonflikte gelöst oder vermieden werden müssen oder sollen. Was bestimmt im Rahmen der teleologischen Theorie im Rahmen gegebener bzw. möglicher Willenskonflikte, erstens welche Fakten, d.h. auch welche Handlungen und welche ihrer Konsequenzen, zweitens in welcher Weise und drittens in welchem Zusammenhang miteinander gedacht moralisch relevant sind? Wird das durch die vorausgesetzten außermoralischen Werte oder durch die Beschaffenheit von Willenskonflikten bestimmt? Die Annahme liegt nahe, dass irgendwo in der teleologischen Theorie eine praktische Notwendigkeit, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden, vorausgesetzt wird. 835 Diese Frage lenkt die Überlegung auch zu einer weiteren: Ob vielleicht die vorausgesetzten außermoralischen Werte und die in ihnen gedachten Geselligkeitsfaktoren den Gedanken implizit enthalten, dass Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden sind oder zu Gunsten einer der involvierten Personen - was der Bedeutung der Begriffe „Herrschaft" bzw. „moralisches Recht" entsprechen würde - zu lösen bzw. zu vermeiden sind. In der bisherigen Analyse von Wellmans Ausführungen zu diesem Thema hat sich keine exakte Antwort auf diese Fragen finden lassen. Den bisherigen Überlegungen nach sind im Rahmen der teleologischen Theorie zumindest zwei Erklärungsmöglichkeiten des Herrschafts- bzw. Freiheit2-Kontrolle-Verhältnisses zwischen den moralischen Positionen eines moralischen Rechts denkbar: Entweder wird der Gedanke der prak-
schen, die Tatsache, dass ein Streit die Situation verschlimmern würde, die mögliche Tatsache, dass eine von ihnen bei der vorigen Quelle als erste trinken durfte etc. 835 Inwiefern man von einer „praktischen Notwendigkeit Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden" sprechen kann, müsste genauer analysiert werden. Man kann jedoch insofern annehmen, dass eine solche besteht, als man bei jedem Handelnden voraussetzen kann, dass er Willenskonflikte mit anderen Parteien prinzipiell zu vermeiden und dort, wo sie auftreten, zu lösen suchen wird. Dies ist eine plausible Annahme, die auf der Überlegung beruht, dass Willenskonflikte als Hindernisse auf dem Weg zu einem Ziel betrachtet werden. Würde man hingegen annehmen, dass Handelnde Willenskonflikte nicht zu lösen oder zu vermeiden suchen, so wären vermutlich auch Normen wie Rechte, die zu ihrer Lösung oder Vermeidung dienen, gegenstandslos. Wellman sieht in Konflikten den Grund der Existenz, oder genauer, des Nutzens von Rechten. In seiner Argumentation geht er von einer anderen Annahme aus, nämlich von einem vollkommenen Kantischen Reich der Zwecke. In diesem würden Rechte durchaus nutzlos sein, da in ihm jeder Wille, weil vollkommen rational, mit jedem anderen Willen vollkommen vereinbar wäre. Vgl. Wellman (1985), S. 195.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
tischen Notwendigkeit, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden (oder zu Gunsten einer der involvierten Parteien zu lösen bzw. zu vermeiden), bereits in den vorausgesetzten außermoralischen Werten implizit gedacht und bildet eines ihrer Anwendungs- bzw. Relevanzkriterien, oder diese praktische Notwendigkeit wird nicht in ihnen gedacht. In letzterem Fall müsste sie in Situationen, in denen Willenskonflikte auftreten, in irgendeiner anderen Form als gegeben angenommen werden. In diesem Zusammenhang kann man folgende Überlegung erwähnen: Würde man voraussetzen, dass alle moralischen Gründe und die dadurch definierten moralischen Positionen auch so verstanden werden können, dass sie letztendlich zur Lösung bzw. Vermeidung von Willenskonflikten dienen, 836 dann würde die Vermutung nahe liegen, dass die praktische Notwendigkeit, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden bereits in den vorausgesetzten außermoralischen Werten implizit gedacht wird. Inwiefern die praktische Notwendigkeit, Willenskonflikte zu Gunsten einer Partei zu lösen bzw. zu vermeiden bereits in den vorausgesetzten außermoralischen Werten implizit angenommen werden könnte und welche weiteren Annahmen gegeben falls notwendig wären, wäre eigens zu untersuchen. (d) In Bezug auf die Beschaffenheit von Herrschaft bzw. Freiheit2 und Kontrolle stellt sich auch eine weitere Frage. Wellman bemerkt in der Erörterung des Charakteristikums Freiheit2, dass während Rechte normativ seien, Freiheit2 ein de facto Nichtgegebensein einer Behinderung oder Einschränkung sei. 837 In der Erörterung des Charakteristikums Kontrolle bemerkt Wellman Folgendes: Erfahrung weise darauf hin, dass es ein wesentliches Charakteristikum von Rechten sei, dass sie dem Rechtsinhaber eine Art tatsächliche oder normative Kontrolle darüber gäben, wozu er ein Recht habe. Enthält demnach der Begriff „Kontrolle" einen normativen Aspekt, den der Begriff „Freiheit2" nicht aufweist?838 In der Erörterung des Charakteristikums Schutz von Rechten bemerkt 836
Wie wir gesehen haben, hat Wellman in seiner Erörterung legaler Positionen Folgendes bemerkt: Ein großer Teil der praktischen Bedeutung, obwohl nicht die ganze praktische Bedeutung der legalen Vorteile liege in ihrer Relevanz für Konfrontationen zwischen entgegengesetzten Willen. In solchen Konfrontationen zwischen Gegnern begünstigten sie den Willen der Partei, die eine dieser Positionen habe, gegenüber dem Willen des Gegners. Vgl. (1985), S. 27, bzw. hier das Kapitel B., IL, 2. Analoges könnte man auch für moralische Positionen voraussetzen. 837 Vgl. Wellman (1985), S. 199. 838 In seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „A New Conception of Human Rights" bemerkt Wellman, dass Freiheit2 und Kontrolle vermutlich Tatsachen (matters of fact) seien. Vgl. (1997), S. 15. In seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „Moral Rights and Positive Law" bemerkt er, dass „Freiheit2" und „Kontrolle" faktische Begriffe (factual concepts) sind. Vgl. (1997), S. 27. Wie wir gesehen haben zeigt Wellman in seiner Auseinandersetzung mit Harts allgemeiner Theorie über Rechte, dass neben dem Begriff „Freiheit2", dem eine zentrale Rolle zukommt, auch der Begriff „Kontrolle" eine wichtige Rolle spielt. Vgl. Wellman (1985), S. 71, und (1982), S. 13 f. Wenn Hart von Kompetenzen spricht, die dem Rechtsinhaber Kontrolle über die korrelative Verpflichtung geben, - vgl. Wellman
III. Analyse
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Wellman, dass Herrschaft schützende Funktion hat, und hebt daraufhin hervor, dass es sich um einen normativen Schutz handelt.839 Daraus könnte man schließen, dass Herrschaft, d.h. Freiheit2 und Kontrolle normative Aspekte enthalten. Auch Wellmans Bemerkung, dass die wesentliche Funktion moralischer Rechte die Bestimmung der moralisch gerechtfertigten Verteilung von Herrschaft ist, 8 4 0 legt nahe, dass die in einem moralischen Recht gedachte Herrschaft ebenso wie der Begriff „moralisches Recht" normativ ist. Ferner stellt sich die Frage, ob die zwei Begriffe in Bezug auf den Begriff eines moralischen Rechts gleichwertig nebeneinander stehen oder ob sie sich in ein ganz bestimmtes Verhältnis bringen lassen? Wellman scheint hier einige Fragen über die Beschaffenheit dieser Begriffe, ihre Herleitung in seiner Theorie und damit über sein Herrschaftsmodell offen gelassen zu haben.841 (1985), S. 71 - oder von „der speziellen Form von Kontrolle über die korrelative Pflicht, die einer Person mit einem solchen Recht (right), durch das Recht (law) gegeben werde" - vgl. ebd., S. 74, bzw. Hart (1973), S. 193 - dann ist die Annahme möglich, dass Harts Begriff „Kontrolle" nicht nur faktisch ist, sondern auch normative Elemente enthält. Harts Ausführungen zur Kontrolle dürften insofern auch für Wellmans Verständnis dieses Begriffs von Bedeutung sein, als er bemerkt, dass Harts Behauptung, dass ein Recht Kontrolle übertrage, sogar einsichtsvoller sei, als er erkannt habe. Vgl. Wellman (1985), S. 73. Wie aus Wellmans Analyse der //arischen Theorie hervorgeht, könnte der Begriff „Kontrolle" bei Hart auch normativ sein. Wellman bemerkt in Bezug auf Hart: Der springende Punkt dieser Erklärung der Relation zwischen Recht und Pflicht sei „die spezielle Form von Kontrolle über die korrelative Pflicht, die einer Person mit so einem Recht (right) durch das Recht (law) gegeben werde. Vgl. Wellman (1985), S. 74, bzw. Hart (1973), S. 193. 839 Vgl. Wellman (1985), S. 212 f. 840 Vgl. Wellman (1995), S. 107. 841 Campbell bezieht in seiner Rezension von „Real Rights" in der Analyse der Frage, was Wellman mit „Herrschaft" meint, auch weitere Überlegungen ein. Vgl. Campbell (2001), S. 882. Er bemerkt dort, dass mit Freiheit2 (freedom) - dem einen Bestandteil von Herrschaft - keine bilaterale Freiheit 1 (liberty) gemeint sein könne, weil Wellman in „A Theory of Rights" gegen Harts Analyse von Freiheitsrechten als Wahlmöglichkeiten (choices) argumentiert habe und stattdessen behauptet habe, dass ein Freiheitsrecht auch dann bestehen könne, wenn der Rechtsinhaber keine normative Wahl (choice) habe wie im Fall des Wählens (voting) in Ländern, wo eine Wahlpflicht bestehe. Wellmans Verwerfung dessen, was Hart als einen Schlüsselbegriff erachtet habe, hinterlasse den Verdacht, dass „Herrschaft" kein großes Erklärungspotential enthalte. Zu diesen Bemerkungen Campbeils kann man anmerken, dass Wellmans Überlegungen in Bezug auf die bilaterale Freiheit 1 in der Theorie von Hart, deren Stellung im Kern des Rechts betreffen. Vgl. dazu hier das Kapitel B., II., 4., a), cc) bzw. Wellman (1985), S. 66, 80. Eine bilaterale Freiheitl wird in gewissen Sinn im Begriff „Herrschaft" dann gedacht, wenn eine solche mit dem Kern des Rechts verknüpft ist. Eine weitere Bemerkung Campbells in Bezug auf den Begriff „Herrschaft" wird im Folgenden (im Abschnitt über die Qualifikationen des Rechtsinhabers) erwähnt. J. Waldron analysiert in seinem Artikel „Votes as Powers" anhand des Wellmanschen Modells das legale Recht auf Wahl (vote), das seiner Meinung nach aus einer Kompetenz in seinem Kern besteht. Vgl. Waldron (2000), S. 48, 59. Waldron bezieht sich auf Wellmans Ausführung in (1997), S. 61, dass mit dem Kern dieses Rechts
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Abschließend kann man im Rahmen dieser Analyse auch die Frage stellen, wo sich eine Antwort auf diese Fragen vermuten lässt. Man kann davon ausge-
zumindest folgende Positionen verknüpft seien: die legale Freiheit 1, sich in das Wählerverzeichnis einzutragen und seinen Stimmzettel abzugeben, der legale Anspruch gegenüber anderen Personen (sowohl Privatpersonen als auch Beamten), dass sie eine Einmischung in die Aktivitäten des Registrierens und Wählens unterließen, die legale Kompetenz, vor Gericht zu gehen und die gerichtliche Verfügung zu erlangen, andere an dieser Einmischung zu hindern, und die legale Immunität gegenüber allen Gesetzen oder Gerichtsbeschlüssen, die einen willkürlich seines Stimmrechts beraubten. Waldron stellt daraufhin die Frage, ob diese verknüpften Elemente eine Freiheit2 und Kontrolle dem Wähler (voter) über den Kern des Rechts sicherten. Vgl. Waldron (2000), S. 59. Er bemerkt, dass folgende Positionen sehr fest mit der Wahl, als Kompetenz verstanden, verknüpft seien und Freiheit2 übertragen würden: das Privileg (privilege) des Wählers zu wählen wen er wolle, sein Anspruch auf Freiheit2 von Einschüchterung, seine Immunität gegenüber der Auferlegung einer Pflicht bekannt zu geben, wie er gewählt habe, sein Privileg (in den meisten Ländern) nicht zu wählen usw. Andere verknüpften Elemente garantierten die Bedeutung der Wahl (choice) des Wählers (voter). Ein Beispiel hierfür sei das Recht eines jeden, seine Meinung als Kandidat vorzubringen, was natürlich ein Komplement zur Kompetenz zu Entscheidungen des Wählers sei. Waldron bemerkt, dass andere verknüpfte Elemente mehr mit Gleichheit (equality) als mit Freiheit 1 (liberty) zu tun hätten wie z.B. der Anspruch, dass ein gültiges Wählerverzeichnis geführt werde, und die Kompetenz, den eigenen Namen einzutragen. Vgl. ebd., S. 60. Waldron schließt auch die Erfordernisse ein, dass das Verfahren korruptionsfrei bleibe, keine Doppelwahl stattfinde, die Urne nicht mit gefälschten Stimmzetteln gefüllt werde etc. Auch „Bürgerrechts"-Ansprüche („civil rights" Claims) wie das Recht, nicht aus rassistischen oder anderen diskriminierenden Gründen von der Wahl ausgeschlossen zu werden, fielen unter diesen Punkt. Vor dem Hintergrund seiner weiteren Erörterungen bemerkt Waldron, dass Gleichheit so sehr wie Freiheit 1 den Zweck (point) in der Bindung bestimmter verknüpfter Elemente an den Kern des Rechts zu wählen bilden sollten. Weil in Wahrheit das Element Freiheit2 (freedom), das in einer einzelnen Wahl (vote) enthalten sei, ziemlich gering sei; gering genug, um den Gedanken zuzulassen, dass so eine Freiheit2 immer durch die „Tyrannei der Mehrheit" in irgendeiner Weise angreifbar sei, selbst in einem Verfahren, in dem eine Minorität eine gleiche Rolle spiele. Was der Wähler (von den Hohfeldschcn Elementen, die mit der Kernkompetenz verknüpft seien) am meisten wolle, sei daher nicht, dass sie seine tatsächliche Freiheit2 oder Kontrolle bis zu einem bestimmten effektiven Grad erhielten - dies sei einfach in einer großen, modernen Gesellschaft unerreichbar sondern dass sie seinen Status als gleichen mit allen anderen Bürgern in Bezug auf seine Teilnahme an der Wahl sicherten. Aus Waldrons Argumentation wird ersichtlich, dass er Gleichheit und Freiheit2 als den Zweck (point) in der Verbindung der verknüpften Elemente mit der Kernkompetenz des Rechts zu wählen bestimmt. Dies wirft die Frage auf, inwiefern sich Waldrons Bemerkungen zum legalen Recht zu wählen und seiner Funktion mit Wellmans Auffassung eines Rechts im Allgemeinen bzw. eines moralischen Rechts im Besonderen vereinbaren lassen. Wellmans Erklärung der verknüpfenden Bänder als Freiheit2 und Kontrolle erfolgt im Kontext von Willenskonflikten und der Frage nach ihrer Lösung bzw. Vermeidung. Die Antwort auf die vorhin gestellte Frage hängt in Bezug auf Wellmans Auffassung eines moralischen Rechts unter anderem mit der Klärung folgender Punkte zusammen: Erstens, ob und inwiefern Gleichheit im Fall eines analogen moralischen Rechts zu wählen eine Rolle zur Lösung bzw. zur Vermeidung von Willenskonflikten spielt. Man kann davon ausgehen, dass Gleichheit eine Voraussetzung zur Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts bildet. Wellman setzt z.B. inso-
III. Analyse
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hen, dass eine Beantwortung dieser Fragen erstens eine Analyse der Bedingungen erfordert, die eine Lösung bzw. Vermeidung von Willenskonflikten ermöglichen bzw. zu Gunsten einer der involvierten Partei ermöglichen. Denn diese Bedingungen können für die Definition des Modells eines moralischen Rechts als entscheidend betrachtet werden. Zweitens muss gezeigt werden, wie sich im Rahmen der teleologischen Theorie moralischer Gründe und Rechte diese Bedingungen finden lassen. Dabei muss auch die Untersuchung der Verknüpfungen moralischer Positionen im Rahmen eines moralischen Rechts hinsichtlich der in ihnen enthaltenen Kriterien fortgesetzt werden. Die bisherigen Erörterungen haben sich auf einige Fragen beschränkt, die sich in Bezug auf die wesentlichen Aspekte in Wellmans Modell eines moralischen Rechts stellen lassen. Die Formulierungen dieser Fragen stellen einen ersten Zugang zu Wellmans Modell eines moralischen Rechts und den Versuch dar, bestimmte Probleme darin zu erkennen. Diese Fragen und die in ihnen angesprochenen Details legen die Annahme nahe, dass eine detailliertere Analyse des Modells eines moralischen Rechts möglich ist. Eine Analyse, die sich stärker auf Wellmans Modell eines moralischen Rechts konzentrieren würde, würde die Basis für neue Fragen bilden, die tiefer in Wellmans Erklärung eindringen. Auch wenn Wellmans Modell eines moralischen Rechts etliche Fragen aufwirft, enthält es doch einige bemerkenswerte und wichtige Aspekte, die für die Theorie moralischer Rechte alsrichtungsweisendbetrachtet werden können und zu einer Vertiefung des Verständnisses moralischer Rechte führen. Man kann hier abschließend auf zwei zusammenhängende Aspekte hinweisen, die in Wellmans Herrschaftsmodell sichtbar werden: Erstens zeigt er, dass der in der Theorie moralischer Rechte zentrale Begriff „Freiheit2" („freedom") innerhalb des Begriffs „moralisches Recht" gedacht werden kann. Er zeigt mit seinem Modell auch in Form welcher Zusammenhänge er darin gedacht werden kann und welche Funktion er darin hat. 842 Zweitens macht sein Modell eines moralischen Rechts deutlich, dass die Funktion moralischer Rechte auf die Lösung bzw.
fern eine Gleichheit der moralischen Handelnden voraus, als es in der Anwendung moralischer Normen auf ihr Verhalten nur auf das erforderliche Vermögen zu einer bestimmten Form von Tätigkeit ankommt. Hinsichtlich dieser Voraussetzung sind alle moralischen Handelnden gleich und moralische Normen gelten für sie in gleicher Weise. Zweitens, ob die verknüpften Elemente, die nach Waldron mehr mit Gleichheit zu tun haben, mit der Kernkompetenz im moralischen Recht zu wählen wesentlich zusammenhängen und damit in dieses moralische Recht gehören oder Voraussetzungen bzw. Bedingungen bilden, unter denen die Rede von diesem Recht überhaupt Sinn ergibt; oder ob sie möglicherweise Bestandteile eines weiteren Rechts bilden, das das Verfahren der Wahl und die Bedingungen seiner Sinnhaftigkeit betrifft. Die Beantwortung dieser Fragen dürfte auch von der genauen Definition der Kernkompetenz zu wählen abhängen sowie von den Bedingungen, unter denen sie formuliert wird. 842 Dabei ist auch zu bemerken, dass Wellman die Bedeutung des Begriffs „moralisches Recht" (bzw. des Begriffs „ein Recht") nicht auf die eines moralischen Freiheitsrechts (bzw. eines Freiheitsrechts) reduziert.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Vermeidung von Willenskonflikten zu Gunsten einer Partei abzielt. 843 Auch wenn diese Erkenntnis trivial erscheinen mag, so ist doch das Resultat von Wellmans Analyse nicht trivial: denn er zeigt, was die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts zu Gunsten einer Partei bedeutet und wie sich diese Bedeutung in der Bedeutung des Begriffs „moralisches Recht" widerspiegelt. Diese Bedeutung zeigt sich in den verschiedenen normativen Komponenten und den verschiedenen, in ihnen gedachten Handlungen, die miteinander zusammenhängend ein moralisches Recht bilden, sowie in der Art ihres Zusammenhangs. c) Die Qualifikationen
des Rechtsinhabers
Wellmans Spezifizierung der Qualifikationen, die ein Wesen aufweisen muss, um ein Rechtsinhaber sein zu können, erfolgt mit Bezug auf sein Modell eines Rechts und seine Bestandteile. Insofern ist es sinnvoll auch auf diesen Zusammenhang kurz einzugehen. Wellman behandelt die Frage, welche Qualifikationen ein Wesen aufweisen muss, um ein Rechtsinhaber sein zu können, im Rahmen der Erörterung möglicher und angeblicher Rechtsinhaber und der Erörterung der Existenz moralischer Rechte. Wie wir gesehen haben, zählt Wellman zu den Grundlagen eines Rechts auch die Qualifikationen, die eine Person besitzen muss, um es besitzen zu können.844 In seiner Erörterung dieser Qualifikationen geht er von normalen Erwachsenen aus 845 und betrachtet das Vermögen (capacity) zu handeln als notwendige Bedingung für das Besitzen eines moralischen Rechts.846 Es handelt sich dabei um jene Form von Tätigkeit (agency), die eine Person moralisch verantwortlich für ihre Handlungen macht: das Vermögen angesichts spezifischer moralischer Gründe zu handeln.847 Nach Wellman setzt dieses Vermögen wiederum zumindest die Vermögen voraus, relevante Fakten zu erkennen, ihre moralische Relevanz einzuschätzen, durch sie 843 Die zusammenhängenden Begriffe der Freiheit (Handlungsfreiheit) und des Willenskonflikts zweier verschiedener Parteien spielen in der Theorie der Rechte bzw. moralischer Rechte eine elementare Rolle. Die Möglichkeit von Willenskonflikten zwischen zwei unterschiedlichen Parteien scheint die oder eine der Grundbedingungen der Frage zu sein, warum es Rechte gibt. Dies sieht auch Wellman so, wenn er bemerkt, dass Rechte durchaus nutzlos sein könnten in einem vollendeten Kanñschtn Reich der Zwecke, in dem jeder Wille, weil vollkommen rational, mit jedem anderen vollkommen vereinbar sei. Vgl. Wellman (1985), S. 195 [bzw. hier das Kapitel B., II., 4., h), bb) „Verteilung", Abschnitt (2)]. Ein Zusammenhang zwischen Willenskonflikten, moralischen Rechten und Freiheit (Handlungsfreiheit) lässt sich darin sehen, dass die Lösung bzw. Vermeidung von Konflikten durch moralische Rechte Freiheit ermöglicht. 844 Vgl. Wellman (1995), S. 10. [Hier im Kapitel B., n., 5., c) „Qualifikationen des Rechtsinhabers" wiedergegeben.] 845 Vgl. Wellman (1995), S. 113. 846 Vgl. Wellman (1995), S. 140.
Vgl. Wellman (1995), S. 1 3 .
III. Analyse
3
motiviert zu werden und in einem weiten, nichtmoralischen Sinn zu handeln.848 Man kann die Frage stellen, ob die notwendigen Qualifikationen für das Besitzen eines moralischen Rechts in dem Sinn für seine Existenz relevant sind, dass sie auch die Auffassung und Funktion desselben bestimmen. Die wesentliche Funktion moralischer Rechte besteht, wie wir gesehen haben, in der moralisch gerechtfertigten Verteilung von Herrschaft. 849 Moralische Rechte begünstigen den Willen des Rechtsinhabers gegenüber dem Willen der zweiten Partei in einer möglichen Willenskonfrontation innerhalb des Bereichs des moralischen Rechts.850 Wellman untersucht in der Erörterung der Frage, welche Art von Tätigkeit (agency) für den Besitz moralischer Rechte erforderlich ist, einzelne Argumente, die aus der Natur von Rechten herrühren. 851 Dies legt die Annahme nahe, dass ein Zusammenhang zwischen der Natur von Rechten und bestimmten Vermögen besteht und in Wellmans Auffassung eines moralischen Rechts zu finden ist. Insofern stellt sich die Frage, in welchen Elementen in Wellmans Modell eines moralischen Rechts welche Auffassung bestimmter Vermögen vorausgesetzt wird. In der Erörterung des Arguments, das aus der Herrschaft rührt, bemerkt Wellman, dass die Bedeutungen von Freiheit2 (Handlungsfreiheit) und Kontrolle sehr weit gefasst sind und nichts darüber aussagen, was es bedeutet ein Handelnder zu sein. 852 In der Erörterung des Arguments, das aus den Be848
Vgl. Wellman (1995), S. 113. Vgl. Wellman (1995), S. 107. 850 Vgl. Wellman (1985), S. 195. 851 Vgl. Wellman (1995), S. 107. Hier kurz wiedergegeben im Kapitel: B., IL, 5., c) „Qualifikationen des Rechtsinhabers". 852 Vgl. Wellman (1995), S. 111. Wellman bemerkt dort, dass die Art und Weise, in der Freiheit2 (freedom) im Bereich der Moral relevant sei, nicht nur auf freiwillige Handlungen eingeschränkt werden könne und dass demnach auch Handlungen bzw. Freiheiten2 im Bereich der Moral relevant seien, für die man nicht moralisch verantwortlich sei, wie die Freiheit2 von Kindern, sich im Bett zu wälzen. Sie seien insofern relevant, als die Einschränkung dieser Freiheit2 moralisch unrichtig (wrong) sein könne. Auch Kontrolle sei in einem viel weiteren Sinn auf moralische Handelnde anwendbar, als der für das Vermögen, Rechte zu besitzen, relevante. Wellman bemerkt, dass man auch davon sprechen könne, dass Hormone viele physiologische Prozesse unseres Körpers kontrollierten. - Wellman fasst hier die Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" so weit, dass darunter auch nicht freiwillige Handlungen, Tätigkeiten oder Vorgänge fallen, von denen man behaupten könnte, dass sie für sich keine moralische Relevanz haben, in Bezug auf Handlungen anderer Personen aber eine moralische Relevanz haben können. Abgesehen von den Fragen, die Wellmans Erörterung der Bedeutung von Freiheit2 und ihrer moralischen Relevanz aufwirft, kann man hier die Frage stellen, ob Wellman mehrere Bedeutungen von Freiheit2 und Kontrolle verwendet. Seine Ausführungen und Beispiele zur Freiheit2 (freedom) kann man so verstehen, dass es sich dabei jeweils um eine Freiheit2 handelt, die im Kern des moralischen Rechts gedacht wird, z.B. die Freiheit2 bzw. Handlung, sich im Bett zu wälzen. Seinen Beispielen zum Begriff „Kontrolle" kann man entnehmen, dass er ihn so weit fasst, dass er auch eine naturwissenschaftliche Bedeutung einschließt. Handelt es sich aber um dieselbe Bedeutung, wenn von Freiheit2 und Kontrolle die Rede ist, die ver849
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
standteilen (constituents) des Rechts rührt, 853 weist Wellman auf die oben erwähnten Vermögen hin, die der moralische Handelnde haben muss. Die Bestandteile eines moralischen Rechts bilden einzelne moralische Positionen. Das Haben einer moralischen Position oder, anders formuliert, die Anwendung moralischer Gründe auf die Handlungen einer Person bzw. ihr Verhalten, setzt voraus, dass die Person die oben genannten Vermögen hat. Diese Vermögen erläutert Wellman in Bezug auf die moralischen Positionen, die jedes genuine moralische Recht mindestens enthalten muss: eine moralische Freiheitl oder eine moralische Kompetenz.854 Wellman argumentiert, wie wir gesehen haben, dass knüpfte Elemente dem Rechtsinhaber über den Kern des moralischen Rechts gegenüber der zweiten Partei übertragen, - vgl. z.B. Wellman (1995), S. 184 - oder kommen da noch weitere Bedeutungsaspekte hinzu? Setzen die Freiheit2 und Kontrolle, die verknüpfte Elemente dem Rechtsinhaber über den Kern des Rechts gegenüber einer zweiten Partei ermöglichen, nicht z.B. bestimmte Vermögen des Rechtsinhabers voraus? 853 Am Rande sei hier angemerkt, dass Martin auf dieses Argument eingeht und Wellmans Behauptung kritisiert, dass jedes Recht aus einer Freiheitl oder einer Kompetenz bestehen muss. Vgl. Martin (1998b), S. 978. Daraus würde folgen, dass ein einfacher Anspruch kein Recht sein könnte, was für Holtfeld etwas Neues wäre, für den ein einfacher Anspruch der paradigmatische Fall eines Rechts sei. Martin kritisiert auch Wellmans drittes Argument, das aus der Sprache über Rechte rührt. Martin schlägt in Kontrast zu Wellmans Auffassung von Rechten eine weitere (broader) vor, in der in Übereinstimmung mit dem zeitgenössischen Verständnis von Rechten (wie es z.B. in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" zum Ausdruck komme) drei Hauptfunktionen von Rechten hervorgehoben würden. Demnach würde der zentrale Inhalt mancher Rechte eine Handlungsweise sein (z.B. eine Freiheitl, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten), im Kern anderer Rechte würde eine bestimmte Art der Behandlung stehen: eine NichtVerletzung (noninjury) einer bestimmten Art oder, stattdessen, das Vorsehen einer Leistung. Und über manche Rechte, z.B. das Recht nicht gefoltert zu werden, sagten wir, dass auf sie nicht verzichtet werden könne. Wellmans Tätigkeitstheorie (agency theory) werde diesem zeitgenössischen Verständnis nicht gerecht. Vgl. ebd., S. 979. Martins Kritik kann man unter anderem Folgendes entgegenhalten: Erstens behauptet Wellman nirgends, dass ein Recht aus einer Freiheitl oder einer Kompetenz bestehen müsse, sondern, dass es zumindest eine der beiden Positionen enthalten müsse. Auch sagt er nicht, welche Stelle sie in seinem Modell einnehmen müssen (d.h. ob sie im Kern des Rechts oder als verknüpfte Elemente zu denken sind). Zweitens versucht Wellman in seiner Auseinandersetzung mit Holtfelds Theorie zu zeigen, inwiefern ein bloßer legaler Anspruch kein legales Recht bilden kann und untermauert seine Ansicht mit einigen Argumenten. Vgl. z.B. Wellman (1985), S. 59 [bzw. hier das Kapitel B., II., 4., a)., aa)]. Drittens erklärt Martin nicht näher, warum Wellmans Theorie dem zeitgenössischen Verständnis von Rechten nicht gerecht werde. Die ersten zwei Arten von Inhalten von Rechten (d.i. eine Handlungsweise und eine bestimmte Art der Behandlung), die Martin unterscheidet, können auch in Wellmans Auffassung eines Rechts gedacht werden. Die dritte Art von Rechten, die Martin anführt, zeichnet sich dadurch aus, dass auf sie nicht verzichtet werden kann. Man müsste allererst zeigen, ob und inwiefern sich dieses Charakteristikum überhaupt theoretisch erklären lässt. 854 Vgl. Wellman (1995), S. 108, 110 f., bzw. (1985), S. 192. Wie wir gesehen haben, bedeutet eine moralische Freiheitl, die Freiheitl, etwas zu tun, bzw. die bilaterale Freiheitl, etwas zu tun oder zu unterlassen. Vgl. Wellman (1995), S. 108, bzw. (1985), S. 146. Eine moralische Kompetenz bedeutet, eine moralische Konsequenz
III. Analyse
nur ein Handelnder (agent) eine moralische Freiheit! oder eine moralische Kompetenz besitzen könne. 855 Ferner bemerkt er, dass, obwohl moralische Gründe selbst dann anwendbar bleiben, wenn man nicht handelt, sie keine Relevanz für ein Wesen haben können, das total unfähig ist, nach ihnen zu han-
durch eine bestimmte Handlung (act) zu bewirken, die mit der rational zugeschriebenen Intention ausgeführt wird, eine solche Konsequenz zu bewirken. Vgl. Wellman (1995), S. 109. 855 Wellman argumentiert, dass nur ein Handelnder ein Inhaber einer moralischen Pflicht (duty bearer) sein könne, und da eine moralische Freiheit 1 im Nichtgegebensein einer moralischen Pflicht bestehe, könne auch nur ein Handelnder eine moralische Freiheitl besitzen. Vgl. Wellman (1995), S. 108. Auch eine moralische Kompetenz könne nur ein Handelnder besitzen, weil eine moralische Kompetenz die Fähigkeit (ability) sei, eine moralische Konsequenz durch eine bestimmte Handlung mit einer rational zugeschriebenen Intention zu bewirken. Vgl. ebd., S. 108 f. Laden kritisiert dieses Argument. Zunächst weist er in seiner Analyse von Wellmans Gesamtargumentation in „Real Rights" darauf hin, dass Wellman selbst erkenne, dass es in einem Rechtssystem durchaus gute Gründe gebe, Wesen, die keine möglichen Rechtsinhaber seien, Rechte zuzuschreiben. Vgl. Laden (1997), S. 593. Z.B. könnten wir Kindern, selbst wenn sie die zum Haben von Rechten erforderliche Tätigkeit ermangelten, trotzdem Rechte gewähren, um ihre Interessen zu schützen oder um sicherzustellen, dass die Pflichten anderer ihnen gegenüber nicht nur durchsetzbar, sondern durchgesetzt seien. - Vgl. dazu Wellman (1995), S. 125, 135. - In weiterer Folge weist dann Laden auf Wellmans Behauptung hin, dass z.B. das Haben moralischer Rechte erfordere, dass man ein moralischer Handelnder sei, wobei dies die Fähigkeit einschließe, die Relevanz moralischer Fakten zu erfassen und durch sie motiviert zu werden. Vgl. Laden (1997), S. 593. Wellmans Argument für diese Behauptung drehe sich um die vernünftige Aussage, dass ein Recht zu haben die Fähigkeit, eine Freiheit zu haben (capacity for liberty), erfordere gemeinsam mit dem weiteren Punkt, dass „wenn ... es unangemessen sei, einem Wesen eine Freiheitl zuzuschreiben, das unfähig sei, eine gegenteilige Pflicht zu besitzen, dann seien die notwendigen Bedingungen für moralische Verantwortung auch die Bedingungen für das Besitzen moralischer Freiheiten 1" und folglich moralischer Rechte. - Vgl. Wellman (1995), S. 112. - Laden bemerkt, dass der zweite Punkt auf einer Verwechslung [der Fragen] beruhe, wann behauptet werden könne, dass wir eine moralische Pflicht haben, und wann uns für die Unterlassung der Erfüllung der Pflicht die Schuld gegeben werden könne (blamed for) (beide Vorstellungen fielen unter den Begriff der Verantwortung und folglich den Bereich der Verwechslung). Es sei die Fähigkeit, eine Pflicht zu haben (capacity for duty), die diese Darstellung von Rechten erfordere, und folglich müsste Wellman sich mit einer weitaus schwächeren Auffassung von Tätigkeit zufrieden geben. Moralische Tätigkeit in diesem eher stärkeren Sinn würde erforderlich sein, um moralische Schuld (moral blame) zuzuschreiben, sollte aber nicht notwendig sein, um ein Recht zu besitzen. Laden bemerkt, dass wenn er Recht habe, sich erweisen würde, dass sicherlich Kleinkinder (die Handelnde, wenn nicht moralische Handelnde, seien) und vielleicht bestimmte Arten von Gruppen selbst in Wellmans Theorie über Rechte mögliche Rechtsinhaber seien. - Laden trifft hier eine Unterscheidung, die Wellmans Argument entkräften soll. Er erklärt aber erstens nicht, was die Fähigkeit, eine Pflicht zu haben, ausmacht und inwiefern sie sich von der Fähigkeit oder Tätigkeit unterscheidet, die erforderlich ist, um jemandem die Schuld für die Unterlassung der Erfüllung einer Pflicht zu geben. Zweitens erklärt Laden nicht, warum und in welchem Sinn die erstgenannte Fähigkeit für das Haben von moralischen Rechten hinreichend ist. Ferner erklärt Laden nicht, warum die stärkere Bedeutung von Tätigkeit nicht für das Haben von moralischen Rechten erforderlich sein sollte.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
dein. 856 Demnach wird ohne Voraussetzung der genannten Vermögen schwer von moralischen Gründen, ihrer Anwendung auf das menschliche Verhalten und damit von moralischen Positionen die Rede sein können. Die oben erwähnten Vermögen, die eine Person haben muss, um eine moralische Freiheit 1 oder Kompetenz haben zu können, sind auch für den Besitz eines moralischen Rechts erforderlich, wobei sie nicht voll entwickelt sein müssen.857 Nachdem diese Vermögen im Begriff oder in der Auffassung derjenigen moralischen Positionen vorausgesetzt werden, die ein moralisches Recht enthalten muss und die daher für ein moralisches Recht als konstitutiv betrachtet werden können, kann man behaupten, dass sie auch in Wellmans Auffassung eines moralischen Rechts vorausgesetzt werden. Denn ein moralisches Recht ist seiner Auffassung nach ein System moralischer Positionen, die in den moralischen Normen enthalten sind, die dieses System bilden. 858 Im Begriff eines moralischen Rechts wird demnach Tätigkeit in der Form vorausgesetzt, wie sie mindestens in einer der beiden moralischen Positionen vorausgesetzt wird. xv Damit dürfte zumindest bis zu einem gewissen Grad die Frage geklärt sein, ob im Begriff eines moralischen Rechts die genannten Vermögen vorausgesetzt werden. Offen ist aber noch die Frage, in welcher Weise sie für die Entwicklung des Begriffs „moralisches Recht" konstitutiv sind. Diese Frage stellt sich insofern, als die genannten Vermögen in den Bestandteilen, die jedes moralische Recht enthalten muss, also in den moralischen Positionen Freiheitl bzw. Kompetenz in der Art und Weise vorausgesetzt werden, dass diese ohne die genannten Vermögen schwer oder gar nicht denkbar sind. Lässt sich der Begriff eines moralischen Rechts aus diesen Vermögen (und ihren praktischen Implikationen) entwickeln oder sind dazu noch weitere Voraussetzungen notwendig? Wellman bemerkt, wie wir gesehen haben, dass Behauptungen und Ablehnungen von moralischen Rechten nur im Kontext von Willenskonfrontationen bedeutsam seien 859 und dass ein moralisches Recht den Willen des Rechtsinhabers gegenüber dem Willen einer zweiten Partei in einer möglichen Konfrontation begünstigt.860 Insofern setzt der Begriff eines moralischen Rechts die Möglichkeit konfligierender Willen voraus. Welcher Zusammenhang besteht dann zwischen den genannten Vermögen und Willenskonflikten? Wellman zählt, wie wir gesehen haben, zu diesen Vermögen das Vermögen in einem weiten nichtmoralischen Sinn zu handeln. Wenn die Ausübung der genannten Vermögen und die damit verbundenen praktischen Implikationen (unter bestimmten empirischen Bedingungen) die Möglichkeit von Willenskonflikten mit sich brin-
856 857 858 859 860
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1995), (1995), (1995), (1985), (1985),
S. 140. S. 113. S. 79. Vgl. auch 140. S. 167. S. 195.
III. Analyse
3
gen, die eine Lösung anhand von Normen in Form moralischer Rechte erfordern, dann würden diese Vermögen und ihre Ausübung in der Entwicklung oder Herleitung des Begriffs moralischer Rechte vorausgesetzt und würden damit auch einen Grund ihrer Existenz bilden. 861 Man könnte auch einen Zusammenhang zwischen der Rolle, die die genannten Vermögen für bestimmte wesentliche Bestandteile eines moralischen Rechts spielen, und Wellmans Charakterisierung seiner Theorie als Willenstheorie annehmen. Wellman argumentiert in der Erörterung des dritten Aspekts des verteilenden Charakteristikums (distributiveness) von Rechten, dass Rechte ihren Inhabern (holders) eine spezielle Stellung übertragen. 862 Da diese spezielle Stellung, die Rechte an ihre Inhaber verteilten, in der Autorisierung bestehe, in 861 Ferner könnte man argumentieren, dass die genannten Vermögen für das Ansprucherheben (claiming) erforderlich sind. Denn Anspruch zu erheben bedeutet, die moralische Kompetenz, Anspruch zu erheben, zu haben und auszuüben. Wellman argumentiert, wie zuvor (im Kapitel: B., IL, 4., h)) wiedergegeben, dass eine notwendige Verbindung zwischen allen Arten von Rechten und Ansprucherheben besteht. Vgl. Wellman (1985), S. 205. Diese wesentliche Verbindung ist auch für die Auffassung des Begriffs „ein Recht" relevant, da sie, wie Wellman bemerkt, uns die theoretische Notwendigkeit zeige, dass Kompetenzen (und durch Kompetenzen definierte Elemente wie Immunitäten und Verbindlichkeiten) in jedem adäquaten Modell eines Rechts einzuschließen seien. Vgl. ebd., S. 206 f. Ein weiterer Punkt, auf den man eingehen könnte, betrifft Wellmans Bemerkung, dass das Vermögen zu handeln und nicht Handlung selbst für das Besitzen eines Rechts erforderlich sei. Vgl. Wellman (1995), S. 140. [Hier im Kapitel B., II., 5., c) erwähnt.] Abgesehen von Wellmans Argumentation, warum das Vermögen zu handeln und nicht Handlung selbst für das Besitzen eines ganzen komplexen Rechts (entire complex right) erforderlich ist, lassen seine Bemerkungen einen weiteren Gedanken zu: Die Rede von moralischen Rechten macht, wie Wellman bemerkt, im Kontext von Willenskonflikten Sinn. Wie wir gesehen haben liegt die Funktion moralischer Rechte in der Lösung, aber auch in der Vermeidung von Konflikten. Wellman bemerkt, dass die Planung und Ausführung langfristiger Projekte, die für das Glück und Wohlergehen des Einzelnen Handelnden wichtig sind, durch die Kontrolle in Rechten ermöglicht wird. Vgl. Wellman (1985), S. 203 [Hier wiedergegeben im Kapitel B., II., 4., b), cc) (3) über Kontrolle]. Man kann argumentieren, dass die Ausführung von (auch relativ einfachen) Handlungen eine gewisse Planung ihres Ablaufs erfordert. Da der Planende seine Handlungen ausführen können will und dies im Rahmen von Wellmans Theorie moralische Rechte ermöglichen, sind moralische Gründe und Rechte und auch ihr Besitz dazu erforderlich. In der Planung einer Handlung oder mehrerer in einem Projekt wird in der Berücksichtigung moralischer Rechte und Positionen die Relevanz bestimmter Fakten für bestimmte Handlungen der involvierten Parteien und ihre Konsequenzen im Licht vorausgesetzter Werte erwogen. Moralische Gründe und Rechte kommen demnach nicht erst in der Ausführung einer konkreten Handlung zur Geltung, sondern werden bereits in der Planung, die als bestimmte Art der Ausübung des Vermögens zu handeln verstanden werden kann, berücksichtigt, wobei sie in relevanter Weise zur Geltung kommen. In diesem Gedanken zeigt sich auch, in welchem Sinn sich die Vorstellung des Besitzens von Rechten in einer bestimmten Ausübung des Vermögens zu handeln als relevant erweist. Umgekehrt lässt sich in diesem Sinn auch das Vermögen zu Handeln als ein relevantes Kriterium für das Besitzen von Rechten verstehen. 862
Vgl. Wellman (1985), S. 192, 195.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
bestimmter Weise zu handeln, wie auf sein Recht bestehen oder es aufgeben, enthalte ein Recht eine spezielle Stellung eher des Willens als des Interesses der ersten Partei. 863 Dieses Charakteristikum von Rechten sei von theoretischer Bedeutung, weil es uns zeige, dass eine Version der Willenstheorie näher an der Wahrheit sei als eine Interessetheorie. Wellman bemerkt, dass in der Inkorporierung von Rechten in ein Rechtssystem oder eine moralische Theorie man jene anerkenne, die Rechte als Handelnde, zur rationalen Wahl fähige Wesen behaupteten, die ihre Ziele verfolgten, indem sie aufgrund ihrer Wahl handelten. Insofern kann man einen gewissen Zusammenhang zwischen den genannten Vermögen und Wellmans Charakterisierung seiner Theorie als Willenstheorie sehen. In Zusammenhang mit der vorhin aufgestellten Behauptung - dass Wellman nicht genau zeigt, wie sich aus moralischen Gründen im Kontext möglicher Willenskonfrontationen ein System moralischer Positionen mit der oben beschriebenen Struktur ableiten lässt, dies aber gemäß seiner Auffassung eines moralischen Rechts zeigen müsste - kann man die Ansicht vertreten, dass Wellmans Theorie moralischer Rechte aus zwei miteinander zusammenhängenden Teilen besteht: Dem vorhin analysierten ersten Teil, in dem Wellman seine Auffassung von Moral, moralischen Gründen und ihre Relevanz für Handlung erörtert. Dieser Teil beginnt bei der Erörterung moralischer Gründe bzw. vorausgesetzter Werte und reicht bis zum Nachweis moralischer Positionen. In einem daran anschließenden zweiten Teil, führt Wellman sein Modell eines moralischen Rechts ein und erörtert seine Verwendung. 864 Der Ort der Anwendung des Modells eines moralischen Rechts ist jener Bereich, in dem der Wille einer Partei mit dem einer anderen konfligieren kann. Dieser Zweiteilung entspricht der Aufbau der hier vorgenommenen Analyse. Anschließend an die hier erörterten Fragen, zu denen auch die Frage zählte, wie sich Wellmans Modell eines moralischen Rechts in den zuvor analysierten Teil seiner Theorie fügt, wird die Frage untersucht, was dieses Modell leistet und welches seine Verwendung ist.
863
Vgl. Wellman (1985), S. 196. Das Verhältnis der zwei genannten Teile von Wellmans Theorie moralischer Rechte könnte man auch so betrachten, dass im Zentrum dieser Theorie das Modell eines moralischen Rechts steht. Auch in diesem Fall kann man von zwei Teilen sprechen, da Wellman dieses Modell nicht im Rahmen seiner Moraltheorie, sondern aufgrund seiner Auseinandersetzung mit anderen Theorien über Rechte entwickelt. Der Zusammenhang zwischen diesem zentralen Teil und dem oben genannten ersten Teil bildet dann die Frage, wie eine Begründung so gedachter moralischer Rechte zu denken ist. Dieser Zusammenhang bildet dann den zentralen Aspekt in Wellmans Erörterung von Moral im Rahmen seiner Theorie moralischer Rechte. 864
III. Analyse
5
3. Bedeutung, Verwendung und Leistung des Modells eines moralischen Rechts Um die vorhin gestellte Frage zu untersuchen, ist es sinnvoll, in Betracht zu ziehen, was Wellman unter einem Modell versteht. In Bezug auf sein Modell legaler Rechte bemerkt Wellman, er habe ein analytisches Modell legaler Rechte und keine Definition der Bedeutung der Sprache über legale Rechte angeboten.865 Damit steht die Verwendung in Zusammenhang, die man von ihm machen kann, und die Leistung, die es erbringt. Wellman weist darauf hin, dass sein Modell im Vergleich zur Sprache des Rechts (legal language) legale Rechte präziser und unzweideutiger zu erfassen ermöglicht, bemerkt aber zugleich, dass Vagheit und Zweideutigkeit der Sprache des Rechts einen wirklichen Wert haben, da sie eine Anwendung alten Rechts auf neue Fälle ermöglicht. 866 Daher empfiehlt er sein Modell als Instrument zum Verständnis legaler Rechte und nicht als Ersatz der legalen Sprache. Denn es erlaube zwar, legale Rechte präziser und unzweideutiger zu erfassen, bringe aber eine Nichtflexibilität mit sich. In Bezug auf sein Modell eines moralischen Rechts bemerkt er entsprechend, er lege nicht nahe, unsere gewöhnliche Sprache über moralische Rechte durch ein präziseres Vokabular zu ersetzen, das in Hohfeldschen Begriffen definiert sei. Es sei theoretisch erhellend und hilfreich in der Praxis, über Rechte in Hohfeldschen Begriffen, so weit wir könnten, zu denken.867 Zugleich weist er darauf hin, dass unser exploratives Denken und vieles aus unserer Rede über Rechte unvermeidlich in unserer existierenden präanalytischen Sprache formuliert werden müsse. Hierin könnte man in gewisser Hinsicht jeweils einen Grund sehen, aus dem Wellman eine interpretative Verwendung seines Modells legaler bzw. moralischer Rechte nahe legt. Der genannten Nichtflexibilität trägt Wellman in „Real Rights" insofern Rechnung, als er in Bezug auf sein Modell eines legalen Rechts bemerkt, dass jedes Recht neue legale Positionen begründen könne, wenn sich das Recht (law) im Licht neuer Umstände entwickle, weswegen es als dynamisches System Hohfeldscher Elemente zu verstehen sei. 868 Entsprechendes gilt auch für sein Modell eines moralischen Rechts.869 Auch die moralischen Grundlagen moralischer Rechte könnten neue oder modifizierte moralische Positionen implizieren, wenn sie auf neue oder modifizierte Situationen Anwendung fänden. In diesem dynamischen Aspekt seines Modells könnte man vielleicht auch einen Grund für die Art des Gebrauchs sehen, die man von ihm machen kann und der in einer interpretativen Verwendung besteht; da das Modell keine fixen Elemente 865 866 867 868 869
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), (1985), (1985), (1995), (1995),
S. 104. S. 106. S. 168. S. 8 und 24. S. 38.
6
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
angibt, die jedes konkrete legale bzw. moralische Recht genau enthalten muss, eröffnet es z.B. auch nicht die Möglichkeit, von vornherein definitiv zu bestimmen, wie konkrete legale bzw. moralische Rechte auszusehen haben. Es lässt sich nur als Behelf in der Interpretation eines gegebenen oder möglichen Rechts verwenden. Hinsichtlich der Verwendung (use), die Wellman von seinem Modell moralischer Rechte macht, bemerkt er, dass es unser Denken über moralische Rechte leite und dass es die Funktion eines heuristischen Behelfs in der Interpretation der Sprache moralischer Rechte habe. 870 Es erlaube, moralische Rechte klarer und präziser zu erfassen. Die interpretative Verwendung seines Modells illustriert Wellman unter anderem am moralischen Recht abzutreiben. 871 In der Bestimmung seines Kerns hat Wellman, wie wir gesehen haben, eine stipulative Definition in Bezug auf den Ausdruck, „ein Recht auf Abtreibung", gegeben.872 Die Definition des Rechts bestimmt jedoch, seinen Ausführungen nach, nicht, welche die verknüpften Elemente sind. In der Bestimmung letzterer sei er über die Sprache der Rechte hinaus zum wesentlichen, normativen Inhalt dieses Rechts gegangen. Sein Modell habe ihn in der Entscheidung geleitet, ob eine moralische Position mit dem Kern in einer Weise verknüpft gewesen sei, die es zu einem verknüpften Element gemacht hätte, wäre es wirklich gewesen. Doch es war sein sehr fehlbares moralisches Urteil, das entschieden habe, ob dieser oder jener moralische Vorteil wirklich existierte oder plausiblerweise als existierend angenommen werden könnte. Wellman hebt auch in Bezug auf moralische Rechte die Rolle der präanalytischen Sprache hervor, in der unser exploratives Denken unvermeidlich stattfinde und viel von unserer Rede über moralische Rechte formuliert werde. 873 Wellmans Hinweis auf den analytischen Charakter seines Modells eines Rechts kann man so verstehen, dass er damit betonen will, dass dieses Modell formale Charakteristika des Begriffs „ein Recht" unterscheidet und beschreibt, d.h. seine Komplexität, Struktur, seine Elemente und ihren Zusammenhang. Welche Möglichkeiten eröffnet ein solches Modell eines moralischen Rechts? Einen Hinweis in Bezug auf den Gebrauch, den man von diesem Modell eines Rechts machen kann, kann man vielleicht, wie vorhin bemerkt, darin sehen, dass es ein dynamisches System Hohfeldscher Elemente bildet und damit dem Umstand Rechnung trägt, dass ein Recht unter veränderten Umständen neue Elemente enthalten kann. Wellman sagt nirgends, dass sein Modell die Feststellung oder Identifizierung von konkreten moralischen Rechten ermöglicht. Was es ermöglicht, ist, ein behauptetes moralisches Recht nach den in diesem Modell beschriebenen formalen Charakteristika zu interpretieren und zu analysie870 871 872 873
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), S. 166 f. (1985), S. 161 f. (1985), S. 167 f. (1985), S. 168.
III. Analyse
7
ren. Dabei wird nach dem zentralen Element und denjenigen Elementen eines behaupteten moralischen Rechts gesucht, die mit dem zentralen Element verknüpft sein müssen, um in der Situation, in der es behauptet wird, die für die Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts nötige Freiheit2 und Kontrolle dem Rechtsinhaber gegenüber den zweiten Parteien zu ermöglichen. Damit wird eine relativ zu ihrer ursprünglichen Formulierung differenziertere und präzisere Erfassung dieser Rechte, ihres Aufbaus und ihrer Beschaffenheit ermöglicht. Die interpretative Verwendung dieses Modells offenbart, wie Wellman bemerkt, die Unvollständigkeit der meisten Sätze, in denen moralische Rechte behauptet oder verneint werden. 874 Im Folgenden werden zwei Fragen erörtert, die sich in diesem Zusammenhang stellen lassen: (1) was den Gegenstand der Interpretation bildet, (2) wie die interpretative Verwendung oder Anwendung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts aussieht und wie weit sie reicht. a) Der Gegenstand der Interpretation Den Gegenstand der Interpretation im engeren Sinn bilden behauptete moralische Rechte. Moralische Rechte werden in der gewöhnlichen Sprache (schriftlich oder mündlich) behauptet, die im Vergleich zu Wellmans Modell präanalytisch ist. Zum Gegenstand der Interpretation gehört im weiteren Sinn auch die gewöhnliche Sprache über moralische Rechte oder, mit anderen Worten, der gewöhnliche moralische Diskurs, in dem moralische Rechte behauptet werden und Aussagen über moralische Rechte gemacht werden. Wellman zählt neben den Aussagen oder Behauptungen moralischer Rechte auch die in den Aussagen verwendeten Worte, die angeführten Gründe, den Tonfall des Sprechers etc. zum Gegenstand der Interpretation. Die präanalytische Sprache ist - im Vergleich zu Wellmans Theorie - unpräzise und ermöglicht daher in vielen Fällen kein exaktes Verständnis moralischer Rechte. Sie enthält oder ermöglicht nicht immer klare Aussagen über moralische Rechte und keine nähere Spezifizierung der Art des moralischen Rechts. So besteht die Möglichkeit, dass sie z.B. offen lässt, ob ein bestimmtes moralisches Recht wie das moralische Recht auf Abtreibung als Freiheitsrecht, eine Abtreibung zu erstreben und durchführen zu lassen, oder als Anspruchsrecht auf Ermöglichung einer Abtreibung durch den Arzt oder den Staat zu verstehen ist, und ob damit weitere moralische Positionen verknüpft sind und, wenn ja, welche. Wellmans Modell soll in interpretativer Verwendung die Klärung der Bedeutung und der Wirklichkeit eines behaupteten moralischen Rechts ermöglichen. Auf den Gegenstand der Interpretation wird auch im Folgenden eingegangen.
8
V g l . Wellman (1985), S. 1
.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte b) Was ist unter „Interpretation"
zu verstehen?
Unter „Interpretation" kann man die Deutung, Auslegung, Darstellung oder Erklärung der genauen Bedeutung des zu erklärenden Gegenstandes verstehen. Damit werden jedoch nur Synonyme genannt, ohne dass erklärt wird, was „Interpretation" bedeutet. Im Versuch „Interpretation" zu erklären, kann man als Erstes die Frage stellen, wie und womit interpretiert wird. Zunächst versucht der Interpret, nach Wellmans Ausführungen, die genaue Bedeutung einer Aussage über ein moralisches Recht zu verstehen, um herauszufinden, was unter diesem moralischen Recht verstanden wird bzw. was eine bestimmte Person oder mehrere Personen darunter verstehen. Dabei greift er vermutlich auf sein eigenes komplexes Erfahrungswissen zurück. Denn Wellmans Theorie bietet keine Anhaltspunkte zur Interpretation der Bedeutung von Worten, Tonfall, Körpersprache etc. Auf diese Weise wird ein existierendes Verständnis eines bestimmten moralischen Rechts festgestellt und analysiert. Daraufhin versucht der Interpret in einem weiteren Schritt die Bedeutung und Wirklichkeit eines behaupteten moralischen Rechts im Rahmen von Wellmans Theorie zu erklären. Der Begriff „moralisches Recht" ist ein deontischer, oder allgemeiner, ein normativer Begriff. Wie wird ein moralisches Recht als normativer Begriff interpretiert und was wird an ihm interpretiert? Ein zu interpretierendes moralisches Recht kann unter bestimmten theoretischen Voraussetzungen, z.B. im Rahmen einer teleologischen oder deontologischen Theorie oder Überlegung formuliert worden sein. Die Interpretation der exakten Bedeutung eines moralischen Rechts oder der Aussagen über ein solches Recht erfolgt im Rahmen von Wellmans Theorie in einem teleologischen System. Wellmans Ausführungen nach müsste der Interpret in seiner Interpretation bis zur Feststellung bestimmter Fakten gelangen, zu denen man im weiteren Sinn die Behauptung eines moralischen Rechts bzw. zweier konfligierender moralischer Rechte, die Bedeutung dieser Behauptungen, die Handlungen, die die Inhalte oder Gegenstände dieser Rechte bilden, die Gründe für die Behauptung dieser moralischen Rechte, die Konfliktsituation, in der sie behauptet werden oder werden können, die Vermögen der involvierten Parteien etc. zählen kann. Die relevanten Handlungen und Fakten sowie ihre Konsequenzen für die involvierten und dritten Parteien erhalten in Wellmans Theorie einen bestimmten Wert, sofern sie einen solchen erhalten, in Bezug auf die in ihr angegebenen außermoralischen Werte. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Kontext, in dem sich bestimmte Fakten in Bezug auf die involvierten Handlungen und ihre Konsequenzen als moralisch relevant erweisen: Dieser ist durch einen aktuellen oder möglichen Willenskonflikt und die Notwendigkeit seiner Lösung oder Vermeidung charakterisiert. Wellman erörtert nicht, ob und inwiefern der Interpret Fakten gegebenenfalls von ihrer ursprünglichen normativen Bedeutung (die sie in der zu interpretierenden Behauptung des zur Debatte stehenden moralischen Rechts hatten) unter-
III. Analyse
scheiden kann bzw. muss, um ihre normative Bedeutung im Rahmen seiner teleologischen Theorie, den in ihr gegebenen außermoralischen Werten und dem in ihr anwendbaren Modell eines moralischen Rechts exakter zu erfassen. Die Klärung der normativen Bedeutung bestimmter Fakten im Kontext eines aktuellen oder möglichen Willenskonflikts und dessen Lösung geht in Wellmans Theorie in gewissem Sinn mit der Begründung des zur Debatte stehenden moralischen Rechts und damit mit der Klärung seiner Wirklichkeit einher. Bestimmte Fakten erweisen sich im Kontext eines bestimmten Willenskonflikts hinsichtlich seiner Lösung bzw. Vermeidung unter Voraussetzung bestimmter außermoralischer Werte als moralisch relevant, andere möglicherweise nicht. Ihre moralische Relevanz für die involvierten Handlungen einschließlich ihrer Konsequenzen hinsichtlich der Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts zeigt sich, wie wir gesehen haben, in Form moralischer Gründe, die in Bezug auf diese Handlungen moralische Positionen definieren. Als Nächstes kann man die Frage stellen, wie anhand dieses Modells ein behauptetes moralisches Recht interpretiert wird. In der interpretativen Anwendung von Wellmans Modell auf behauptete moralische Rechte, kann man folgende Bereiche unterscheiden. aa) Kern des moralischen Rechts Die interpretative Verwendung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts ermöglicht erstens die Bedeutung jenes Inhalts exakt zu erfassen, der als Kern oder im Kern des behaupteten moralischen Rechts gedacht wird. Unter dem Inhalt des Rechts kann man den Gegenstand des Rechts verstehen, der eine Handlung oder Unterlassung des Rechtsinhabers oder des Adressaten des Rechts sein kann (z.B. seine Meinung frei zu äußern, abzutreiben). Unter Bedeutung ist die faktische und normative Bedeutung des Inhalts zu verstehen, der mit sprachlichen Mitteln begriffen und dargestellt wird. Als Erstes stellt sich die Frage, ob es ein Kriterium zur Feststellung des Inhalts gibt, der in Wellmans Modell im Kern des moralischen Rechts gedacht werden soll. Wird in der Interpretation von der Annahme ausgegangen, dass der Gegenstand des zu interpretierenden moralischen Rechts den Gegenstand der Kernposition in Wellmans Modell bildet? Möglicherweise wird man von dieser Annahme ausgehen. Ein Hilfsmittel oder Kriterium zur Bestimmung des Gegenstandes, der im Kern des moralischen Rechts gedacht wird, bildet im Rahmen von Wellmans Theorie wahrscheinlich die Frage nach dem Gegenstand des Konflikts. Die Klärung dieser Frage erfordert eine genauere Analyse der Konfliktsituation, der in ihr gegebenen Fakten, Voraussetzungen, Handlungen, ihren Konsequenzen etc. Darauf soll im Folgenden noch einmal eingegangen werden. In den verschiedenen moralischen Positionen (Freiheit 1, Anspruch, Kompetenz, Immunität), die Wellman anhand der Vorlage entsprechender legaler Positionen im Kontext moralischer
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Gründe für Handlung und Reaktion bestimmt hat, zeigen sich die verschiedenen Möglichkeiten, mit denen die normative Bedeutung eines behaupteten moralischen Rechts hinsichtlich seines Gegenstandes begriffen werden kann, von denen nur eine im jeweiligen konkreten Fall adäquat ist. In Form dieser moralischen Position wird dann die normative Bedeutung des Gegenstandes oder Inhalts des moralischen Rechts, der in seinem Kern gedacht wird, und damit die Beschaffenheit oder Modalität des moralischen Rechts genauer erfasst oder bestimmt. In seiner Erörterung z.B. des moralischen Rechts abzutreiben, bemerkt Wellman, es mache einen großen Unterschied aus, ob man es als Freiheitsrecht, eine Abtreibung zu erstreben und durchführen zu lassen, oder als Anspruchsrecht auf Ermöglichung einer Abtreibung durch den Arzt oder den Staat begreife. 875 In der Interpretation der normativen Bedeutung des Inhalts, der in Wellmans Modell im oder als Kern eines moralischen Rechts gedacht wird, und der Klärung der Frage, in Form welcher moralischen Position seine normative Bedeutung am exaktesten begriffen wird, spielt die Beschaffenheit der zu interpretierenden Fakten und die Art ihrer moralischen Relevanz im Rahmen eines bestimmten Willenskonflikts in Bezug auf vorausgesetzte Werte eine entscheidende Rolle. 876 Zu diesen Fakten zählen unter anderem die Handlung, die den Gegenstand oder Inhalt des behaupteten moralischen Rechts bildet, ihre Gründe, Umstände und Konsequenzen, also z.B. die Tatsache, dass eine Person abtreiben will oder dass bestimmte Bedingungen sie dazu zwingen, dass die Abtreibung von anderen Personen vorgenommen wird, dass dadurch ein Wesen getötet wird, dass dieses ein potentieller oder bereits werdender Mensch ist, dass auf die Abtreibung psychische Probleme bei der Schwangeren als Folge auftreten können, dass Abtreibungen in staatlichen Spitälern möglich sind, dass sie nach Auffassung einflussreicher Institutionen prinzipiell strikt abzulehnen sind und vieles mehr. In Bezug auf die Handlung, die als Gegenstand oder Inhalt der Kernposition des moralischen Rechts im Kontext eines bestimmten Willenskonflikts begriffen wird, und ihre Konsequenzen erweisen sich im Rahmen von 875
Vgl. Wellman (1985), S. 167. Wie bereits erwähnt [vgl. das Kapitel B., II., 4., b), aa)], bemerkt Wellman in seinem Kommentar zu seinem Aufsatz „The Right to Privacy and Personal Autonomy": Die Feststellung der Art des Hohfeldschen Elements, das den Kern eines Rechts bilde, sei nur ein erster Schritt in seiner Definition. Vgl. (1997), S. 36. Als Nächstes müsse man den Inhalt seines Kerns präzise spezifizieren. Ferner bemerkt Wellman: Da der Inhalt jedes Rechts durch seine Grundlagen bestimmt sei, werde sich die beste Methode für die Definition eines Rechts durch die beste Theorie über die Grundlagen von Rechten erkennen lassen. Ferner bemerkt Wellman in der Erörterung des Rechts auf ärztliche Versorgung, dass der Inhalt (content) jedes Rechts wahrscheinlich durch seine Grundlage bestimmt ist. Vgl. (1999a), S. 156. Die Grundlage des angeblichen Menschenrechts auf ärztliche Versorgung sei wahrscheinlich eine Auffassung über das menschliche Gedeihen, die die bestmögliche Gesundheit des Individuums einschließe. 876
III. Analyse
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Wellmans teleologischer Theorie und der in ihr vorausgesetzten Werte bestimmte Fakten für die involvierten und für dritte Parteien und ihre Handlungen als moralisch relevant. Die Art dieser moralischen Relevanz wird in Form moralischer Positionen begriffen. Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Die Analyse und Darstellung von Fakten, zu denen die relevanten Handlungen, Gründe, Konsequenzen und Zusammenhänge gehören, hängt sicherlich auch von der Sicht und der Weltanschauung des Darstellenden oder Interpretierenden ab, in denen auch subjektive Parameter entscheidend sind. Dies wirft die Frage auf, ob Wellmans Theorie zur Interpretation von Rechten ausschließt, dass bestimmte Sichtweisen oder Wertvorstellungen, die vielleicht in der Menge seiner außermoralischen Werte nicht berücksichtigt werden können, die Darstellung von Fakten und damit möglicherweise ihre moralische Relevanz im Rahmen seines Wertesystems beeinflussen. Schließt also Wellmans Theorie aus, dass z.B. Abtreibungsgegner und Abtreibungsbefürworter im Rahmen seiner teleologischen Theorie und der in ihr gegebenen außermoralischen Werte zu verschiedenen Auffassungen in Bezug auf die Art und Anzahl von Fakten, die für den Inhalt, der im Kern des Rechts gedacht wird, als relevant zu betrachten sind, und infolgedessen seiner normativen Bedeutung kommen können oder zu verschiedenen Auffassungen darüber gelangen können, welche moralischen Positionen mit dem Kern des Rechts zu verknüpfen sind? In diesem Zusammenhang kann man auch folgende Frage am Rande stellen: Gibt Wellman vielleicht in der Spezifizierung des Kerns im vorhin erwähnten Beispiel eine stipulative Definition in Bezug auf den Ausdruck „das Recht abzutreiben",877 weil sich unter Voraussetzung eines Interpretationsspielraums die Bedeutung des Kerns nur auf diese Weise bestimmen lässt?878 Wie wir in Wellmans Erörterung des Kerns legaler Rechte gesehen haben, besteht eine Einschränkung in Bezug auf die legalen Positionen, die als Kern eines legalen Rechts fungieren können: Im Kern jedes legalen Rechts einer Partei X müsse ein legaler Vorteil (advantage) von X stehen, der ihr, d.h. dem Rechtsinhaber, und nicht der zweiten Partei ein System von Freiheit2 und Kontrolle zuteilt. 879 Auf Wellmans Modell moralischer Rechte angewandt bedeutet das, dass die moralische Position, mit der die normative Bedeutung des Inhalts des Kerns eines moralischen Rechts begriffen wird oder die im Kern des Rechts steht, einen Vorteil für den Rechtsinhaber bilden muss. Damit weist Wellman auf einen der wesentlichen Bezugspunkte hin, der für die Überlegungen des Interpreten relevant ist: eine gegebene oder mögliche Willenskonfrontation, in der die moralische Position im Kern des Rechts einen Vorteil für den Rechtsinhaber 877
Vgl. Wellman (1985), S. 167. Dann stellt sich auch die Frage, welche Voraussetzung im teleologischen (konsequentialistischen) Rahmen berechtigt oder ermöglicht, eine solche stipulative Definition vorzunehmen. 878
879
Vgl. Wellman (1985), S. 85.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
gegenüber der zweiten Partei bilden muss. Hier stellt sich die Frage, wie der Zusammenhang zwischen Darstellung von Fakten, exakter Feststellung ihrer moralischen Relevanz in Form einer bestimmten moralischen Position und dem Kriterium, wonach die moralische Position im Kern des moralischen Rechts einen Vorteil für den Rechtsinhaber in einer gegebenen oder möglichen Willenskonfrontation bilden muss, in den Überlegungen des Interpreten aussieht. Bilden der Kontext einer gegebenen oder möglichen Willenskonfrontation und die Notwendigkeit ihrer Lösung zugunsten einer Partei ein Kriterium in der Entscheidung der Frage, mit welcher moralischen Position sich der Kern des moralischen Rechts am besten begreifen lässt, und welchen Einfluss haben sie darauf? Zur Lösung einer gegebenen oder möglichen Willenskonfrontation, zu der die Kernposition als ein Vorteil für den Rechtsinhaber beiträgt, spielen in Wellmans Modell eines moralischen Rechts Freiheit2 und Kontrolle und damit auch bestimmte verknüpfte moralische Positionen eine entscheidende Rolle. Insofern stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese Faktoren in der Bestimmung der Kernposition des moralischen Rechts in den Überlegungen des Interpreten eine Rolle spielen; oder, anders formuliert, inwiefern diese Faktoren in der Erfassung der moralischen Relevanz von Fakten, die für den Kern des moralischen Rechts entscheidend sind, im Kontext vorausgesetzter Werte in Bezug auf die Lösung einer gegebenen oder möglichen Willenskonfrontation eine Rolle spielen. Diese Fragen erörtert Wellman nicht. Ferner kann man die Frage stellen, ob und inwiefern man die Eigenschaft des Kerns, dass er dem Recht seine Einheit gibt, und die Tatsache, dass der Kern den Rechtsinhaber des gesamten Rechts bestimmt,880 als Kriterien in der Interpretation der Bedeutung des Inhalts des Kerns des moralischen Rechts berücksichtigen muss. bb) Verknüpfte Elemente Zweitens ermöglicht die interpretative Verwendung des Modells weitere moralische Positionen festzustellen, die mit dem Kern des Rechts in Zusammenhang stehen. Diese moralischen Positionen sind gemäß Wellmans Definition eines moralischen Rechts in den moralischen Gründen beinhaltet, die das moralische Recht als System moralischer Positionen bilden. Ein moralisches Recht ist ein variables System moralischer Positionen, was bedeutet, dass die mit dem Kern des moralischen Rechts verknüpften moralischen Positionen unter verschiedenen Bedingungen variieren können. Die Grundlagen eines moralischen Rechts kommen, wie Wellman bemerkt, nicht ordentlich gebündelt vor, um der Komplexität der Rechte zu entsprechen, die sie begründen.881 Insofern stellt 880 Wellman nennt diesen als einen von drei wichtigen Aspekten des definierenden Kerns. Vgl. Wellman (1985), S. 82.
Vgl. Wellman (1995), S. 1 .
III. Analyse
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sich die Frage, wie man als Interpret herausfinden oder feststellen kann, welche moralischen Positionen mit dem Kern des Rechts verknüpft sind. Wellmans Modell muss ein Kriterium enthalten, das zu bestimmen erlaubt, welche weiteren moralischen Positionen mit der Kernposition des moralischen Rechts zu verknüpfen sind. Dieses Kriterium liegt, wenn nicht ausschließlich, so doch wesentlich in der Art der Relation dieser Elemente zum Kern des moralischen Rechts, die Wellman in seiner Analyse als Freiheit2 und Kontrolle begreift und unter dem Begriff „Herrschaft" zusammenfasst. Jedes verknüpfte Element muss dem Rechtsinhaber eine Form von Freiheit2 oder Kontrolle oder beides über den Kern gegenüber einer zweiten Partei ermöglichen. Entscheidend ist hierbei, dass es sich um eine Freiheit2 und Kontrolle in einer möglichen Willenskonfrontation der zwei Parteien handelt. In der Bestimmung verknüpfter Elemente, die über den Kern des Rechts Freiheit2 und Kontrolle ermöglichen, wird eigentlich vorausgesetzt, dass die normative Bedeutung des Gegenstandes oder Inhalts des Kerns in Form einer moralischen Position bereits erfasst oder bestimmt wurde. Doch welche moralischen Positionen ermöglichen über eine bestimmte moralische Position im Kern des moralischen Rechts eine solche Freiheit2 und Kontrolle? Enthält die moralische Position, die als Kern des moralischen Rechts gedacht wird, ein Kriterium, das festlegt oder in gewissem Sinn darauf hinweist, welche moralischen Positionen über sie Freiheit2 und Kontrolle ermöglichen könnten? Es ist anzunehmen, dass der Interpret in der Bestimmung der verknüpften Elemente in ähnlicher Weise wie in der Bestimmung der Kernposition verfahren wird: Er wird die moralische Relevanz bestimmter Fakten, Handlungen und ihrer Konsequenzen in Bezug auf die Kernposition unter Berücksichtigung bestimmter vorausgesetzter außermoralischer Werte im Kontext des betreffenden Willenskonflikts hinsichtlich der Lösung oder Vermeidung desselben zu Gunsten des Rechtsinhabers überprüfen. Die normative Bedeutung jeder einzelnen relevanten Handlung und der mit ihr zusammenhängenden Fakten, die in der Bestimmung eines verknüpften Elements untersucht werden, kann in Form einer bestimmten moralischen Position präzise erfasst werden. Die Auswahl der Handlungen und Fakten und die Interpretation ihrer normativen Bedeutung wird unter dem Gesichtspunkt vorgenommen, dass sie eine Relation von Freiheit2 und Kontrolle in Bezug auf die Kernposition des Rechts enthalten. 882 Dies wirft unter anderem die Frage auf, wo oder in Bezug auf was der Interpret in seinen Überlegungen diese Relation zu entdecken versucht. Konzentrieren sich z.B. die Überlegungen in der Frage, welche moralische Positionen mit der Kernposition verknüpft werden müssen, auf all jene Handlungen, die im Rahmen des Willenskonflikts mit der Kernposition in moralisch relevantem Zusammenhang stehen und in das moralische Recht einbezogen werden müssen, 882
In Bezug auf die verschiedenen Bedeutungen von Herrschaft bzw. Freiheit2 und Kontrolle vgl. die Analyse in Teil (II) der Endnote zu Beginn des Punktes (b) im Kapitel B., III., 2., b), aa).
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
damit die Kernposition die Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts herbeiführt? 883 Dann stellt sich auch die Frage, was genau bestimmt, welche weiteren Handlungen berücksichtigt werden müssen, damit die Kernposition die Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts zu Gunsten des Rechtsinhabers herbeiführt, und auch was genau bestimmt, worin die Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts zu Gunsten einer Partei liegt. Bieten in dieser Frage die vorausgesetzten außermoralischen Werte, die Handlungen bzw. die mit ihnen zusammenhängenden Fakten eine Entscheidungshilfe? In Bezug auf die Feststellung verknüpfter moralischer Positionen räumt Wellman ein, dass der Interpret auf sein sehr fehlbares moralisches Urteil angewiesen ist. 8 8 4 Das bedeutet, dass Freiheit2 und Kontrolle zwar ein Kriterium zur Auswahl verknüpfter moralischer Positionen bilden, nicht aber allein bestimmen können, welche moralischen Positionen und wie viele mit welcher moralischen Position im Kern des Rechts in Verbindung stehen müssen.885 Dies hängt, wie Wellman zuvor ausgeführt hat, auch von den Situationen, in denen von moralischen Rechten die Rede ist bzw. in denen sie behauptet werden, und den in ihnen gegebenen relevanten Fakten ab. Wellman erörtert demnach nicht, ob in der Bestimmung der verknüpften Elemente bestimmte Zusammenhänge eine Rolle spielen. Man könnte z.B. in Bezug auf Wellmans Paradebeispiel, dem Recht des Gläubigers, gegenüber dem Schuldner Anspruch auf Rückzahlung zu erheben, die Frage stellen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des moralischen Kernanspruchs, d.i. der Rückzahlung, und dem Gegenstand der verknüpften moralischen Freiheit 1, d.i. die Rückzahlung anzunehmen, besteht. Spielt z.B. die Tatsache, dass die Handlungen Rückzahlung und Annahme des Geldes insofern in einem Zusammenhang stehen, als es problematisch sein könnte, von einer Rückzahlung zu reden, wenn nicht im selben Zusammenhang die Annahme des Geldes durch den Gläubiger gedacht wird, irgendeine Rolle in Bezug auf ihre Verknüpfung als moralische Positionen in Form von Freiheit2 und Kontrolle? Kann man von einem Zusammenhang der beiden Handlungen erst unter der Voraussetzung sprechen, dass erstere, d.i. die Rückzahlung, den Gegenstand eines moralischen 883
Betrachtet man z.B. das erwähnte moralische Recht abzutreiben, so kann man im Zusammenhang zwischen Kernposition und verknüpften moralischen Positionen, der als Freiheit2 und Kontrolle gedacht wird, auch einen Zusammenhang zwischen den in ihnen gedachten Handlungen sehen. Vgl. dazu die Bemerkungen zu den Handlungen, die in den moralischen Positionen dieses Rechts gedacht werden in der Fußnote zur komplexen Zusammensetzung eines moralischen Rechts, im Kapitel B., HI., 2., b), aa), Punkt (a). 884 Vgl. Wellman (1985), S. 168. 885 Wie vorhin [im Kapitel B., II., 4., b), bb)] über verknüpfte Elemente in einer Fußnote) angemerkt wurde, bemerkt Wellman in (1982), S. 43, in der Erörterung des legalen Rechts, Unterstützung für unterstützungsbedürftige Kinder zu empfangen, dass die Beschaffenheit der verschiedenen verknüpften Elemente offensichtlich vom Kern abhängen wird, mit dem sie verknüpft sind.
III. Analyse
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Anspruchs bildet?886 Wellman bemerkt an einer Stelle, wie wir gesehen haben, dass da jedes Recht, sofern es respektiert werde, notwendigerweise Freiheit2 und Kontrolle seinem Rechtsinhaber übertragen müsse, jedes Recht notwendig einige Freiheitenl und einige Kompetenzen enthalten müsse.887 Ferner bemerkt er, dass jedes genuine moralische Recht entweder eine moralische Freiheit 1 oder eine moralische Kompetenz beinhalten müsse, was er aber nicht weiter begründet.888 Mit diesen Bemerkungen weist Wellman auf bestimmte Zusammenhänge zwischen verknüpften Elementen und dem Kern des Rechts in seinem Modell hin, die sich nur mit bestimmten moralischen Positionen begreifen lassen. Diese Zusammenhänge besagen etwas über eine spezielle Funktion der moralischen Positionen Freiheitl und Kompetenz im Modell des moralischen Rechts, die für das Verständnis seiner Struktur und Funktion sowie seiner interpretativen Anwendung von essentieller Bedeutung zu sein scheinen, die Wellman aber nicht näher analysiert. 889 Wellmans Modell ermöglicht also dem Interpreten, die komplexe Struktur behaupteter moralischer Rechte zu erkennen, mit Hilfe moralischer Positionen die normative Bedeutung und Beschaffenheit des Kerns dieser Rechte zu bestimmen sowie bestimmte verknüpfte Elemente und ihre normative Bedeutung festzustellen, die mit dem Kern in Form von Freiheit2 und Kontrolle verknüpft sind. Die Bestimmung der normativen Bedeutung und Beschaffenheit des Kerns sowie der verknüpften Elemente erfolgt im Rahmen seiner teleologischen Theorie und den in ihr gegebenen außermoralischen Werten hinsichtlich der Lösung eines gegebenen oder möglichen Willenskonflikts. Wellmans Theorie ermöglicht nicht, neue moralische Rechte herzuleiten oder zu entdecken. Sie dient vornehmlich der Interpretation, Präzisierung und gegebenenfalls der Umformulierung oder Ergänzung behaupteter moralischer Rechte im vorhin erläuterten Sinn. Zugleich ermöglicht sie im selben Rahmen die Untersuchung und Feststellung ihrer Existenz oder Nichtexistenz. In der Klärung der Bedeutung und Beschaffenheit eines moralischen Rechts, also der Frage, mit welchen moralischen Positionen sein Kern und seine verknüpften Elemente exakt begriffen werden, wird die normative Bedeutung bestimmter Fakten, Handlungen und ihrer Konsequenzen im Kontext eines Willenskonflikts hinsichtlich seiner Lösung oder Vermeidung im Rahmen bestimmter vorausgesetzter Werte überprüft. Damit einhergehend dürfte auch die Klärung eines Teils der moralischen Gründe
886 Ygi daxu dj e Ausführungen im Teil (II), 2.2, (F2) der Endnote zu Beginn des Punktes (b) im Kapitel B., III., 2., b), aa). 887 Vgl. Wellman (1985), S. 192. 888 Dies bemerkt Wellman im Kapitel über mögliche Rechtsinhaber. Vgl. Wellman (1995), S. 108. 889 Hier sei noch einmal auf den Punkt (b) im Kapitel B., III., 2., b), aa) verwiesen, in dem die Funktionen bestimmter moralischer Positionen und ihre Rolle im Rahmen eines moralischen Rechts erörtert wurde.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
des moralischen Rechts erfolgen. Hiermit sind jene moralischen Gründe gemeint, die im Rahmen eines bestimmten Willenskonflikts, für sich betrachtet, für ein konkretes moralisches Recht als Lösungs- oder Vermeidungsmöglichkeit desselben sprechen. Es ist hier insofern von einem Teil der moralischen Gründe die Rede, als, je nachdem, was alles in der Begründung eines moralischen Rechts zu berücksichtigen ist - was z.B. davon abhängt, ob auch andere Lösungen des relevanten Willenskonflikts denkbar sind oder ob auch weitere Willenskonflikte mit diesem zusammenhängen etc. - in einer umfassenderen Betrachtung auch andere moralischen Gründe zu berücksichtigen wären. Das Überlegungsgleichgewicht - Wellman spricht von einem weiten bzw. engen Überlegungsgleichgewicht, das in der Interpretation zwischen der vorläufigen Behauptung eines spezifizierten Rechts und den Gründen, die man gefunden habe, um an seine Existenz zu glauben, erreicht werden kann. 890 Auch spricht er von einem weiten Überlegungsgleichgewicht, das man im Herausfinden des Inhalts eines moralischen Rechts, das wahrheitsgemäß behauptet werde, suchen muss, und das man genauso im Feststellen der Wahrheit der Aussage jemandes, dass ein spezifiziertes Recht existiere, suchen muss.891 Ferner spricht Wellman von bestimmten Grenzen im Grad der Revision der eigenen Auffassung eines Rechts bei gleichzeitiger Interpretation der Bedeutung der Aussage des Sprechers - auch wenn man selbst der Sprecher sei - , dass ein Recht existiert. 892 Seine Ausführungen werfen die Frage auf, ob es ein Kriterium gibt, das zu beurteilen erlaubt, wann ein Überlegungsgleichgewicht erreicht wird, und wo die Grenzen liegen, von denen er spricht. Welcher Natur sind diese Grenzen und worauf lassen sie sich zurückführen? Wellman erörtert diesen Punkt nicht näher. Da im Rahmen seiner Theorie moralische Rechte interpretiert oder reinterpretiert werden können, liegt der Gedanke nahe, dass sie ein solches Kriterium bzw. die genannten Grenzen enthalten könnte. Es stellt sich z.B. die Frage, ob die vorausgesetzten Werte im Rahmen von Wellmans Theorie nicht ein Kriterium zur Bestimmung eines Überlegungsgleichgewichts oder die genannten Grenzen in irgendeiner Form enthalten. Die vorausgesetzten Werte bilden die Grundlage für die Bestimmung der moralischen Gründe der moralischen Positionen, aus denen sich ein moralisches Recht zusammensetzt. Insofern spielen sie im Herausfinden der moralischen Gründe eines behaupteten moralischen Rechts eine wesentliche und entscheidende Rolle und könnten auch die Grenzen in der Interpretation der moralischen Gründe eines behaupteten moralischen Rechts bestimmen. Zudem stellt sich die Frage, welche Rolle Herrschaft bzw. Freiheit2 und Kontrolle im Rahmen von Wellmans Modell in der Interpretation moralischer Rechte spielen. Auch hier könnte ein Kriterium 890 891 892
Vgl. Wellman (1995), S. 181. Vgl. Wellman (1995), S. 183. Vgl. Wellman (1995), S. 181.
III. Analyse
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zur Bestimmung eines Überlegungsgleichgewichts und eine Grenze für die Interpretation enthalten sein. Denn die Überlegungen des Interpreten in der Klärung der Fragen, ob das in der einen oder anderen Weise interpretierte moralische Recht bzw. ob die feststellbaren moralischen Gründe desselben als adäquat betrachtet werden können, orientieren sich an der Frage, ob in ihnen diejenige Form von Freiheit2 und Kontrolle zu finden ist, die zur Lösung bzw. Vermeidung des Willenskonflikts zu Gunsten des Rechtsinhabers erforderlich ist, im Rahmen dessen das moralische Recht behauptet wird. 893 Dieses Kriterium dürfte sowohl hinsichtlich der Grenzen der Interpretation eines moralischen Rechts als auch für das Überlegungsgleichgewicht relevant sein, das der Interpret zwischen der analysierten Bedeutung eines behaupteten moralischen Rechts und den gefundenen moralischen Gründen zu finden versucht. Qualifikationen des Rechtsinhabers - Wie wir gesehen haben, zählt Wellman zu den Grundlagen eines moralischen Rechts auch die notwendigen Qualifikationen, die jemand besitzen muss, um ein moralisches Recht zu besitzen. Zu diesen Qualifikationen zählt Wellman die Art von Tätigkeit (agency), die jemanden für seine Handlungen verantwortlich macht: das Vermögen angesichts moralischer Gründe zu handeln.894 Dieses Vermögen setzt zumindest die Vermögen voraus, relevanter Fakten gewahr zu werden, ihre moralische Relevanz einzuschätzen, durch sie motiviert zu werden und zu handeln, im weiten Sinn. 895 Ein moralisches Recht zu besitzen bedeutet, wie wir gesehen haben, eine bestimmte Position unter moralischen Normen zu haben, d.h. dass moralische Normen in Form einer bestimmten Position auf einen Anwendung finden. 896 Obwohl moralische Normen anwendbar bleiben, auch wenn man nicht handelt, können sie für ein Wesen, das gänzlich unfähig ist zu handeln, keine Relevanz haben.897 Die Frage, ob ein angebliches Recht eines normalen Erwachsenen, eines älteren Kindes oder einer mental beschränkten Person wirklich existiert oder nicht existiert, hängt, wie Wellman ausführt, von den Details ihrer Qualifikationen, dieses spezifische Recht zu besitzen, mitsamt der Existenz oder Nichtexistenz seiner Grundlagen ab. 8 9 8 Man kann die Ansicht vertreten, dass es im Rahmen von Wellmans Theorie möglich und vielleicht bis zu einem gewissen Grad zulässig ist, die Frage nach der Interpretation der exakten 893
Gemäß den Überlegungen in den Teilen (II) und (IE) der Endnote zu Beginn des Punktes (b) im Kapitel B., DL, 2., b), aa), lassen sich unterschiedliche Arten von Freiheit2 und Kontrolle unterscheiden. Mit der erforderlichen Form von Freiheit2 und Kontrolle ist hier diejenige gemeint, die in einer Konstellation moralischer Positionen, die ein moralisches Recht ausmacht, zufinden ist, die die Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts zu Gunsten des Rechtsinhabers ermöglicht. 894 Vgl. Wellman (1995), S. 113. 895 Vgl. Wellman (1995), S. 113. 896 Vgl. Wellman (1995), S. 140. 897 Vgl. Wellman (1995), S. 140. 8
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Bedeutung und Beschaffenheit eines behaupteten moralischen Rechts und, damit zusammenhängend, die Untersuchung seiner moralischen Gründe von der Frage zu trennen, ob eine bestimmte Person die notwendigen Qualifikationen besitzt, um ein Rechtsinhaber sein zu können.899 Gegen diese Ansicht könnte man allerdings einwenden, dass man in der Interpretation eines moralischen Rechts die Qualifikationen der Person berücksichtigen muss, die dieses Recht behauptet. Damit ist ein komplexes Problem angesprochen: Inwieweit man in der Interpretation eines behaupteten moralischen Rechts aus der Menge der moralisch relevanten Fakten, die zur Lösung bzw. Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts berücksichtigt werden müssen, jene Fakten ausklammern kann, die darüber Auskunft geben, ob oder in welchem Grad die involvierten Parteien das moralische Recht besitzen oder Adressaten desselben sein können. Die Erörterung dieses Problems würde aufgrund seiner Komplexität einen größeren Raum in dieser Arbeit beanspruchen, weswegen es hier ausgeklammert werden muss.900 An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass in der Analyse von 899
Als Argument kann man auch anführen, dass Wellman diese Fragen getrennt behandelt. Die interpretative Verwendung seines Modells als heuristischen Behelfs erörtert Wellman im Kapitel „A Hohfeldian Modell" in (1985), S. 166 f. Die Interpretation von Rechten erörtert Wellman auch im Kapitel „Interpreting Rights" im Kapitel „Implied Duties", in (1995), S. 179-183. Die Existenz moralischer Rechte und einzelne Einwände werden im Abschnitt „The Existence of Moral Rights" des Kapitels ,,Moral Rights" in Wellman (1985), S. 169-178, erörtert. Die Frage nach den Qualifikationen, die zum Besitz eines moralischen Rechts erforderlich sind, erörtert Wellman in den Kapiteln „Possible Right-Holders" und „Alleged Right-Holders" in (1995), S. 105-136 und 137-177. 900 In der Analyse dieses Problems, müsste man verschiedene Fragen untersuchen. Dazu zählt z.B. die gewissermaßen prinzipielle Frage, ob und inwieweit man sich in der Interpretation eines behaupteten moralischen Rechts in einer Konfliktsituation auch an den Vermögen bzw. Qualifikationen der involvierten Parteien orientiert bzw. inwiefern man davon abstrahieren kann. Die Feinheit der Interpretation eines bestimmten moralischen Rechts und demzufolge seine Tauglichkeit zur Lösung bzw. Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts dürfte in gewisser Hinsicht von den intellektuellen Fähigkeiten des Interpreten - gleichgültig, ob dieser im zu lösenden Willenskonflikt involviert ist oder nicht - , seinem Wissensstand und seiner Erfahrung abhängen, d.h. von seinem Vermögen relevante Fakten und Konsequenzen zu erkennen und zu berücksichtigen. Insofern dürfte auch die Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts mit den intellektuellen Fähigkeiten, dem Wissensstand und der Erfahrung der involvierten bzw. beteiligten Interpreten in jedem einzelnen Fall variieren. In dieser Hinsicht dürfte ferner auch die Existenz eines moralischen Rechts, d.h. die Art, in der es im konkreten Fall interpretiert wird und in der Lösung bzw. Vermeidung eines Willenskonflikts zur Anwendung kommt, variieren. Demnach könnte man behaupten, dass die intellektuellen Vermögen oder Qualifikationen der in einem Willenskonflikt involvierten bzw. an demselben beteiligten Parteien insofern relevant sind, als von ihnen die Interpretation eines gegebenen oder möglichen Willenskonflikts und damit einhergehend die Interpretation eines behaupteten moralischen Rechts, das seine Lösung bzw. Vermeidung ermöglicht, abhängt. Man kann hier am Rande eine Frage stellen, die die Relevanz des Unterschieds der intellektuellen Fähigkeiten, des Wissensstands und der Erfahrung der Interpreten betrifft. Lässt sich im Rahmen von Wellmans Theorie der Fall denken, dass ein enorm intelligenter und erfahrener Interpret
III. Analyse
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Wellmans Modell eines moralischen Rechts der Frage nachgegangen wurde, ob möglicherweise ein Zusammenhang zwischen den genannten Vermögen und seiner Auffassung eines moralischen Rechts besteht, wobei argumentiert wurde, dass man einen solchen Zusammenhang sehen kann. cc) Abschließende Betrachtung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts Abschließend kann man die Frage stellen, worin die Leistung und ein Vorteil der interpretativen Verwendung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts liegt, und damit, worin die Leistung und ein Vorteil seiner Theorie liegt. Wellman hat, wie wir gesehen haben, auf einzelne Leistungen und Vorteile seines Modells hingewiesen.901 Ein Vorteil von Wellmans Theorie und der in ihr beschriebenen interpretativen Verwendung seines Modells, den man hier noch einmal hervorheben kann, besteht darin, dass in ihr in sehr differenzierter und umfassender Weise gezeigt wird, wie man im moralischen Diskurs die moralische Relevanz bestimmter Handlungen, ihrer Konsequenzen und bestimmter mit ihnen zusammenhängenden Fakten im Licht vorausgesetzter Werte hinsichtlich der Lösung gegebener bzw. der Vermeidung möglicher Willenskonflikte überprüfen kann und auf diese Weise die Existenz oder Nichtexistenz behaupteter moralischer Rechte argumentativ feststellen oder nachweisen kann. Wellmans Theorie zeigt, wie so eine Überprüfung und ein solcher Nachweis möglich ist, unabhängig davon, ob moralische Rechte sozial anerkannt sind oder nicht. 902 Dadurch wird eine Form von Skepsis in Bezug auf die Existenz moralischer Rechte ausgeräumt. Wellman setzt sich, wie wir gesehen haben, mit einem Argument auseinander, in dem, vor dem Hintergrund der Unterscheidung zwischen Gewalt und Rechtem (might and right) im Bereich der Moralität, behauptet wird, dass die Forderung des Rechtsinhabers bereits durch den Pflichtinhaber implizit anerkannt sein müsse. Diesem Einwand begegnet Wellman, indem er einen gegebenen oder möglichen Willenskonflikt so detailliert und weitreichend analysiert, dass er zur Lösung bzw. Vermeidung desselben ein für den durchschnittlichen moralischen Handelnden so detailliertes und kompliziertes moralisches Recht formuliert, dass letzterer in der Vorstellung desselben überfordert wäre? In welchem Sinn könnte in so einem Fall davon die Rede sein, dass der durchschnittliche moralische Handelnde ein solches moralisches Recht besitzt, wenn ihn die Vorstellung desselben überfordern würde? Wer entscheidet in diesem Fall im Rahmen von Wellmans Theorie und aufgrund welcher Voraussetzungen entscheidet er, ob der durchschnittliche moralische Handelnde ein solches Recht besitzt oder nicht besitzt bzw. ob ein solches existiert? Hier wurden einige Fragestellungen angesprochen, die für die Erörterung des oben angesprochenen Problems relevant sein könnten und einige Gedanken formuliert, die man in einer solchen Erörterung berücksichtigen und überprüfen könnte. 901 Vgl. Wellman (1985), S. 166 f. (hier wiedergegeben im Kapitel B., IL, 4., f) „ Z w e i Verwendungen des Modells moralischer Rechte"). 902
Vgl. dazu Wellman (1985), S. 175.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
zeigt, dass die Relation zwischen Rechtsinhaber und der zweiten Partei nicht immer darauf hinausläuft, dass der zweiten Partei Pflichten auferlegt werden, sondern dass diese Relation je nachdem, ob es sich beim moralischen Recht um ein Anspruchs-, ein Freiheits-, ein Kompetenz- oder ein Immunitätsrecht handelt, variiert. Damit variiert die Art der Herrschaft des Rechtsinhabers gegenüber der zweiten Partei. Wellman weist darauf hin, dass die Herrschaft, die sein Modell eines moralischen Rechts dem Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei überträgt, nicht in bloßer Gewalt bestehen kann und dass seine Auffassung moralischer Gründe moralischen Zwang (moral constraint) in einer Weise zu erklären erlaubt, die sich scharf von bloßer Gewalt (force) unterscheidet. Moralischer Zwang und seine Gültigkeit werden im Rahmen von Wellmans Theorie nicht auf soziale Praxen, sondern auf moralische Gründe zurückgeführt. Wellmans Erklärung des Zwangs, der mit moralischen Rechten verbunden ist, und die Fragen, die seine Erklärung aufwirft, wurden vorhin, im Rahmen der Analyse seines Modells erörtert. Ferner argumentiert Wellman, wie wir gesehen haben, dass moralische Rechte im Unterschied zu institutionellen Rechten unabhängig von den sozialen Praxen der sozialen Anerkennung und Förderung existieren, weil die moralischen Positionen, aus denen sie bestehen, nichtinstitutionell sind. 903 Da weder die Wahrheit noch die Relevanz moralischer Gründe von sozialer Anerkennung oder Förderung abhingen, könnten moralische Rechte unabhängig von diesen existieren. Allerdings würde die praktische Wichtigkeit eines moralischen Rechts, sofern es sich in keinerlei Weise in den Praxen einer Gesellschaft widerspiegle, für jeden Rechtsinhaber in dieser Gesellschaft stark reduziert sein. Daraus folge aber nicht, dass das moralische Recht als Recht schwach sei, sondern nur, dass die Praxen einer Gesellschaft, vom moralischen Standpunkt aus gesehen, defekt seien. Diesen und den vorangegangenen Bemerkungen nach ist es also im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie anhand der interpretativen Verwendung seines Modells eines moralischen Rechts möglich, die Existenz oder Nichtexistenz behaupteter moralischer Rechte und des in ihnen gedachten Zwangs unabhängig davon zu denken, zu überprüfen und argumentativ nachzuweisen, ob sie durch soziale Praxen anerkannt sind und gefördert werden oder nicht. Dies geschieht durch Klärung der Bedeutung des jeweiligen behaupteten moralischen Rechts und durch Untersuchung der moralischen Gründe desselben. Was die Überprüfung und der Nachweis der Existenz oder Nichtexistenz eines moralischen Rechts mit sich bringt, ist ein begründetes Urteil darüber, ob die sozialen Praxen einer Gesellschaft dieses Recht widerspiegeln sollten oder nicht. Infolgedessen ermöglicht Wellmans Theorie auch eine Beurteilung der Praxen einer Gesellschaft vom moralischen Standpunkt aus hinsichtlich der Frage, ob sie moralische Rechte widerspiegeln sollten oder nicht. Damit wurde 90
V g l . Wellman ( 1 9 5 ) , S. 1 .
III. Analyse
der Zusammenhang zwischen Moral und Moralität angesprochen, worauf im Folgenden näher eingegangen wird. 4. Zum Zusammenhang zwischen Moral, Moralität und Recht Anschließend an diese kurze Erörterung einzelner konkreter Leistungen und Vorteile der interpretativen Anwendung von Wellmans Modell eines moralischen Rechts soll nun ein weiteres Thema seiner Theorie erörtert werden: Der Zusammenhang zwischen Recht, Moral und Moralität und die Frage, welche Zusammenhänge Wellman in seiner Theorie zwischen den Normen in den drei Bereichen sieht. 904 Wellmans Ausführungen zu diesem Thema wurden im letzten Abschnitt der Darstellung wiedergegeben. In diesen Zusammenhängen zeigt sich ein bestimmter Aspekt der Existenz und Wirklichkeit moralischer Normen, der in ihrer Rolle in Bezug auf legale Normen besteht. Wellman begreift Willenskonflikte und die Möglichkeit ihrer Lösung als Gegenstand sowohl des Rechts als auch der Moralität und der Moral. Normen oder Normenkomplexe, die die Lösung von Willenskonflikten ermöglichen, lassen sich in allen drei Bereichen finden. Die Rede von Rechten, also der Art von Normen bzw. Normenkomplexen, die auf Willenskonflikte Anwendung finden und ihre Lösung bzw. Vermeidung ermöglichen, ist in allen drei Bereichen in analoger Weise möglich. Der Gegenstand der Anwendung dieser Normen bzw. Rechte, den im weiteren Sinn ein Willenskonflikt, im engeren Sinn bestimmte Handlungen im Rahmen eines Willenskonflikts bilden, ist seiner Beschaffenheit nach in allen drei Bereichen derselbe. Die Lösung oder Vermeidung von Willenskonflikten wird in allen drei Bereichen in gleicher oder zumindest in sehr ähnlicher Weise als notwendig und als Zweck der entsprechenden Normen und Rechte begriffen. Was in Wellmans Theorie Recht, Moralität und Moral in diesem Problemzusammenhang voneinander unterscheidet, ist nicht in der Art zu erkennen, in der sie Willenskonflikte lösen oder vermeiden, sondern in der Beschaffenheit ihrer Normen bzw. Rechte. Ihr Unterschied besteht wesentlich darin, dass die Normen und Rechte der Moralität und des Rechts institutionell sind, während die Normen und Rechte der Moral nichtinstitutionell sind. Institutionelle Rechte sind, wie Wellman ausführt, dadurch charakterisiert, dass sie durch eine Institution übertragen werden. 905 Unter einer Institution versteht Wellman bestehende (estab904 In der obigen allgemeinen Formulierung wird unter „Recht" (law) in sehr allgemeiner und abstrakter Weise das verstanden, was allen konkreten Rechtssystemen gemeinsam ist und sie von dem, was einerseits unter Moral, andererseits unter Moralität verstanden wird, zu unterscheiden erlaubt. Auch unter „Moralität" ist in sehr allgemeiner und abstrakter Weise das zu verstehen, was allen konkreten Moralitäten gemeinsam ist und sie einerseits vom Recht, andererseits von der Moral, im Wellmanschen Sinn verstanden, unterscheidet.
Vgl. Wellman ( 1 9 5 ) , S. 29.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
lished) Gesetze, Bräuche, Gepflogenheiten, Praxen, Organisationen oder andere Elemente im politischen oder sozialen Leben eines Volkes. 906 Institutionelle Normen und Rechte unterscheiden sich unter anderem dadurch von nichtinstitutionellen Normen und Rechten, dass es Institutionen gibt, die z.B. die Festsetzung, Durchsetzung, Aufrechterhaltung und in weiterem Sinn die Existenz dieser Normen und Rechte betreffen. 907 Institutionen variieren in vielerlei Hinsicht (z.B. hinsichtlich ihrer Beschaffenheit, Komplexität), je nachdem, ob man darunter ein Rechtssystem, eine Organisation oder eine Moralität versteht. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, worin sich in Wellmans Theorie Zusammenhänge zwischen Recht, Moral und Moralität, zwischen institutionellen und nichtinstitutionellen Normen bzw. Rechten zeigen. a) Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen Recht und Moral Wie wir bereits gesehen haben bestehen in Wellmans Theorie bestimmte Ähnlichkeiten und Parallelen zwischen Recht und Moral. Möglicherweise gehen mit einzelnen von ihnen einzelne Zusammenhänge zwischen legalen und moralischen Rechten einher bzw. werden in letzteren vorausgesetzt. Aus diesem Grund ist es zweckmäßig einige von diesen Ähnlichkeiten oder Parallelen hier noch einmal zu erwähnen. Diese bestehen, wie wir gesehen haben, in bestimmten Analogien. Wellman definiert die moralischen Positionen analog zu den legalen Positionen. Auch seine Definition eines moralischen Rechts ist analog zu seiner Definition eines legalen Rechts. Wellman weist auf die ähnliche, aber nicht identische Weise hin, in der moralische und legale Rechte begründet sind, trotz der Unterschiede, die zwischen moralischen und legalen Rechten bestehen.908 Ferner ist zu erwähnen, dass die Ergebnisse, die Wellman in Bezug auf die Qualifikationen moralischer Rechtsinhaber gewinnt, mutatis mutandis auch für legale Rechtsinhaber gelten.909 Diese Analogien im Aufbau von Wellmans Theorie über moralische und legale Rechte lassen zwar vermuten, dass bestimmte Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten bzw. zwischen der Moral und dem Recht bestehen, geben aber keine Auskunft darüber, welcherart sie sind oder wo sie zu finden sind. Wellman hat allerdings, wie wir gesehen haben, in der Erklärung der relativen moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz auf mögliche Zusammenhänge mit analogen institutio906
Vgl. Wellman (1995), S. 29, bzw. (1985), S. 118. Wellman übernimmt diese Definition aus dem „Oxford English Dictionary". 907 Wellman bemerkt unter anderem in Bezug auf das Recht: Das Recht werde unter anderem durch Gesetzgebung und Rechtsspruch hervorgebracht. Vgl. Wellman (1995), S. 35. Ein Rechtssystem sei ein funktionierendes System aus Institutionen, die die Gesetzgebung, Gerichte und Verwaltungsbehörden einschließen. 908 Vgl. Wellman (1995), S. 100. Hier im Kapitel B., II., 5., g) wiedergegeben. 909
Vgl. Wellman (1995), S. 132.
III. Analyse
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nellen Positionen hingewiesen.910 Diese Zusammenhänge sind spezieller Natur und bestehen in einem möglicherweise parasitären Einhergehen der relativen moralischen Positionen Pflicht bzw. Kompetenz mit den relativen institutionellen Positionen Pflicht bzw. Kompetenz. b) Mögliche Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten und Pflichten Wellman erörtert, wie wir gesehen haben, verschiedene Arten möglicher Zusammenhänge zwischen moralischen und legalen Rechten und Pflichten. Erstens weist er auf die Möglichkeit hin, ein legales Recht durch ein vorausgehendes moralisches Recht zu begründen.911 Ferner zeigt er, unter welchen Bedingungen auch umgekehrt die Möglichkeit gedacht werden kann, ein moralisches durch ein vorausgehendes legales Recht zu begründen. Bedingung dafür wäre, dass es eine Art moralischer Anerkennung unserer legalen Rechte gibt: z.B. in Form einer moralischen Verpflichtung des Bürgers, das Gesetz des Landes zu befolgen, oder dass jemand ein moralisches Recht habe, dass andere seine legalen Rechte respektierten. 912 Zweitens zeigt Wellman unter welchen Bedingungen es möglich ist, dass ein moralisches Recht eine ergänzende legale Pflicht implizieren kann. 913 In der Erörterung der umgekehrten Möglichkeit, dass ein legales Recht eine ergänzende moralische Pflicht impliziert, greift Wellman wieder auf die vorhin genannte Bedingung zurück: dass es ein moralisches Prinzip gibt, dass der Bürger eine moralische Verpflichtung hat, das Rechtssystem seiner Gesellschaft zu befolgen, bzw. an die wahrscheinliche Existenz eines nicht so umstrittenen eingeschränkteren ergänzenden Prinzips, wonach man eine moralische Pflicht hat, das Recht immer dann zu befolgen, wenn rechtfertigende Bedingungen erfüllt sind oder wenn nicht bestimmte ungerechte Umstände auf914
treten. Wellman erörtert hier die Möglichkeit einzelner konkreter Zusammenhänge zwischen Recht und Moral. Die Begründung eines legalen Rechts durch ein moralisches bzw. die Implikation einer legalen Pflicht in einem moralischen Recht scheinen ohne weitere Annahmen möglich zu sein. Hingegen sind die umgekehrten Möglichkeiten, dass ein moralisches Recht durch ein legales Recht begründet wird bzw. dass ein legales Recht, eine moralische Pflicht impliziert, nur unter dem vorhin genannten zusätzlichen Prinzip denkbar. Dieses weitere Prinzip ermöglicht nach Wellmans Ausführungen die genannten Ver910 911 912 913 914
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Wellman Wellman Wellman Wellman Wellman
(1985), (1995), (1995), (1995), (1995),
S. 142 f. bzw. 152 f. S. 99 bzw. 27. S. 99 f. S. 199. S. 198 f.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
hältnisse zwischen einem legalen und einem moralischen Recht bzw. einem legalen Recht und einer moralischen Pflicht zu denken.915 Insofern zeigt sich in beiden Begründungsrichtungen ein Primat der Moral bzw. moralischer Gründe. In Bezug auf die Frage, ob jemand ein moralisches Recht hat, dass seine legalen Rechte respektiert werden, räumt Wellman, wie wir gesehen haben, ein, dass er es nicht weiß und nicht einmal in der Lage ist, eine wohlbegründete Vermutung zu riskieren. Allerdings nennt Wellman in Bezug auf das Prinzip, dass jeder Bürger eine moralische Verpflichtung hat, das Recht (law) als solches zu respektieren, Bedingungen, unter denen es bezweifelt werden kann; z.B. sind ungerechte Gesetze, die weitverbreitet unnötigen Schaden zufügen, moralisch nicht bindend. Hier zeigt sich, dass zumindest manche der Bedingungen, in diesem Fall eine bestimmte Form von Gerechtigkeit, die erfüllt sein müssen, damit das genannte Prinzip angenommen werden kann, normativer Natur sind. Das Recht muss diesen Bedingungen und damit in gewisser Hinsicht der Moral - je nachdem, wie weit man den Begriff „Moral" fasst - genügen.916 c) Rechtskonflikte Neben den soeben erörterten theoretisch möglichen Zusammenhängen zwischen Recht und Moral erörtert Wellman auch einen weiteren Zusammenhang mit praktischen Auswirkungen, die sich an gerichtlich dokumentierten Beispielen erörtern lassen: den Konflikt zwischen einem legalen und einem moralischen Recht bzw. zwischen den mit ihnen in Zusammenhang stehenden unvereinbaren Pflichten. 917 Der Zusammenhang besteht im erörterten Beispiel des 915 An dieser Stelle wird nicht der Frage nachgegangen, ob die Annahme des genannten Prinzips tatsächlich ausreicht, um die oben genannten Verhältnisse zwischen einem legalen und moralischen Recht bzw. einem legalen Recht und einer moralischen Pflicht zu denken. 916 Eine Frage, der man in diesem Zusammenhang nachgehen könnte, ist, ob das oben genannte Prinzip, wonach es eine moralische Verpflichtung gibt, das Gesetz des Landes zu respektieren und zu befolgen, sowie die oben genannten Bedingungen, unter denen es bezweifelt werden kann, und ihre Rechtfertigung ein Produkt teleologischer (konsequentialistischer) Überlegungen sind, wenn ja, welche Werte dabei vorausgesetzt werden und inwiefern sie sich mit den vorausgesetzten Werten zur Begründung moralischer Gründe in Wellmans Theorie decken bzw. inwiefern sie sich von ihnen unterscheiden. 917 Das Thema Rechtskonflikte wurde kurz im Kapitel B., IL, 5., e) erwähnt. Im Kapitel B., IL, 5., g), ff) wurden Wellmans Ausführungen zur besonderen Form von Konflikten zwischen legalen und moralischen Rechten in knapper Form wiedergegeben. In einer Erörterung von Rechtskonflikten müsste man neben der verschiedenen Formen von Konflikten auch Wellmans Argumentation für moralische Gründe im Kontrast zu moralischen Regeln [vgl. hier Kapitel B., IL, 1., b)] und seine Ausführungen über moralische Argumentation aus seinen früheren Werken [Wellman (1971)] berücksichtigen, auf die er in diesem Rahmen verweist. Die Komplexität des Themas Rechtskonflikte zeigt sich z.B. in Montagues Aufsatz „When Rights Conflict", in dem er unter anderem auch auf Wellmans Auffassung von Rechten eingeht. Montague erörtert
III. Analyse
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Kriegsdienstverweigerers im gegenseitigen Ausschließen der beiden konfligierenden Pflichten, so dass die Erfüllung der einen Pflicht die Nichterfüllung der anderen bedeutet. Dieser Fall macht die Annahme eines weiteren, gewissermaßen übergeordneten Kontextes notwendig, der die Lösung solcherart Konflikte ermöglicht. Diesen Kontext bildet die allgemeine praktische Überlegung, in der alle möglichen praktischen Gründe berücksichtigt werden. Wellman räumt ein, dass zur Rechtfertigung der Argumentationsarten in einem Konflikt, eine stärker erklärende Theorie erforderlich wäre, als jene, die ihm zur Verfügung steht. Praktisch bleibt es im Kontext von Wellmans Theorie letztendlich dem Betroffenen und seinen Überlegungen überlassen, wie er sich entscheidet. Dabei dürften einzelne, für seine Entscheidung relevante Parameter (z.B. seine Einschätzung der Relevanz und des Gewichts von Gründen und damit die Auswahl von Gründen) auch durch seine individuelle Lebenserfahrung, seine Ziele etc. mitbestimmt werden. Wellman müsste aber zeigen, in welcher Weise Entscheidungen solcher Konflikte in seiner Theorie möglich sind. Interessant ist dabei der Fall, in welchem sich in dem einen Beispiel der Kriegsdienstverweigerer gegen seine moralische und für seine legale Pflicht entscheidet. Wellmans Theorie müsste eigentlich als teleologische Theorie, die letzte, vorausgesetzte Werte nennt, durch die sie moralische Gründe erklärt und die Konsequenzen unserer Handlungen zu bewerten erlaubt, eine Evaluierung einer solchen Entscheidung ermöglichen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich das entsprechende moralische Recht und die ihm korrespondierende moralische Pflicht hinreichend präzise bestimmen lassen. Wellmans Theorie liefert nur ein Modell eines moralischen Rechts, von dem ein interpretativer Gebrauch gemacht werden kann. Insofern hängen Genauigkeit und Vollständigkeit eines behaupteten moralischen Rechts von der Genauigkeit der interpretativen Anwendung des Modells in der entsprechenden Situation ab. Die Striktheit der Gültigkeit eines moralischen Rechts bzw. einer moralischen Position und die Möglichkeit von Ausnahmen, die sie in einer Situation gegebenenfalls zulassen, hängen einerseits von der Genauigkeit der Analyse des Interpreten ab; andererseits aber auch von der theoretischen Möglichkeit, dass die Gültigkeit moralischer Gründe durch bestimmte Gegebenheiten sowie durch praktische und möglicherweise moralische Überlegungen bedingt abgeschwächt wird (wenn z.B. das Ausmaß der drohenden Strafen für die Nichtbefolgung einer legalen Pflicht sehr hoch ist, möglian einem konkreten Beispiel unter anderem folgende Fragen: Ob es eine philosophisch interessante Bedeutung gibt, in der Rechte konfligieren können; wenn ja, ob Rechtskonflikte philosophisch problematisch seien, und wenn dies so sei, wie sie gelöst werden könnten. Vgl. Montague (2001), S. 257. Dabei geht er zwei unterschiedlichen Untersuchungen nach: Die erste konzentriert sich auf die Relationen zwischen Rechten und bestimmten anderen Begriffen - hauptsächlich den Begriffen der Verbindlichkeit und des Erlaubtseins. Die zweite Untersuchung betrifft die Relation einerseits zwischen allgemeinen Prinzipien, die die Existenz von Rechten behaupten, andererseits Behauptungen, die Rechte bestimmten Individuen in bestimmten Situationen zuschreiben.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
cherweise nach konsequentialisischen Erwägungen bzw. moralischen Gesichtspunkten als ungerechtfertigt hoch eingeschätzt wird und eine vernünftige Lebensplanung des Betroffenen unmöglich macht). 918 Wellmans Theorie gibt also dem Betroffenen einen Leitfaden an die Hand, wie er in der Lösung des Konflikts zu verfahren hat, überlässt aber die Lösung desselben seinen Überlegungen.™ Da die Gültigkeit der legalen Pflicht im obigen Beispiel und die Ausnahmen, die sie zulässt, im Unterschied zur moralischen Pflicht nicht vom Verständnis und der Gewichtung des Betroffenen abhängen, kann man annehmen, dass seine Entscheidung - im Rahmen von Wellmans Theorie - von seinem Verständnis und seiner Gewichtung der Gültigkeit der konfligierenden moralischen Pflicht in der gegebenen Situation abhängen wird. Seine Überlegungen im und in Bezug auf den moralischen Bereich dürften also entscheidend sein. 919 918
Einige Bemerkungen aus der Erörterung der Charakteristika moralischer Pflicht auferlegender Gründe sind für dieses Problem relevant. Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman, dass Pflicht auferlegende Gründe entscheidend seien, kein Gegenargument duldeten und dass sie, sofern es darum geht, was man moralisch tun soll, nicht durch einen nichtmoralischen Grund überwogen werden können, wie stark auch immer dieser sein mag. Vgl. Wellman (1995), S. 58, bzw. hier das Kapitel B., IL, 3., a), bb), (2), Abschnitt (iv). Dies rühre nicht daher, dass moralische Gründe notwendig nichtmoralische Gründe überwögen oder Vorrang vor ihnen hätten, sondern daher dass letztere für spezifisch moralische Fragen oder Urteile irrelevant seien. Wellman bemerkt dann, dass ein Pflicht auferlegender Grund als Grund für den Handelnden in einer spezifischen Weise zu handeln durch gegenteilige Gründe, d.h. Gründe, nicht in dieser Weise zu handeln, überwogen werden könnte. Vgl. ebd., S. 59. Es könnte aber sein, dass dieses Abwägen praktischer Gründe den Pflicht auferlegenden Grund als Grund für Reaktion nicht überwältige, was sie auch für gewöhnlich nicht täten. Selbst wenn ein Handelnder rational gerechtfertigt sei, die Erfüllung seiner Pflicht zu unterlassen, hätten andere oft einen Grund, ihm gegenüber negativ zu reagieren. Dies rühre daher, dass die Art von Gründen, die für Missbilligung, Tadel und Bestrafung des Handelnden relevant seien, von jenen verschieden seien, die für die Wahl der Handlung relevant seien. Wellman bemerkt dann, dass dies nicht bedeute, dass der moralische Handelnde es niemals unterlassen oder ablehnen sollte, seine moralische Pflicht zu tun. Man sollte, sofern alles berücksichtigt wurde, gegen einen moralischen Pflicht auferlegenden Grund handeln, wann immer dieser Grund für Handlung durch Gründe gegen die pflichtgemäße Handlung überwogen werde. Aber kein Handelnder mit gutem Charakter werde dies mit einem vollständig reinen Gewissen tun können. Paradoxerweise werde man manchmal aus moralischen Gründen Grund haben, sich selbst zu missbilligen rational gehandelt zu haben. - Diesen Ausführungen nach kann bzw. soll man, sofern man alles berücksichtigt hat, gegen einen Pflicht auferlegenden Grund handeln, wann immer er durch Gründe gegen die pflichtgemäße Handlung überwogen werde. Allerdings stellt sich dann auch die Frage, ob dieses „sollen" allein aus praktischen (Klugheits- bzw. pragmatischen) Gründen resultiert oder so gedacht werden müsste, dass es wiederum aus moralischen Gründen resultiert. 919 Zusätzlich zu den obigen Überlegungen müsste man die Natur des oben geschilderten Konflitks und in weiterer Folge ähnlicher Konflikte zwischen einer legalen und einer moralischen Pflicht im Rahmen eines teleologischen Systems unter folgendem Gesichtspunkt genauer analysieren: Man müsste klären, inwiefern die legale Norm bzw. Pflicht, der Einberufung zu folgen, deontologischer Natur ist, inwiefern die ihr zugrundeliegenden Überlegungen teleologische (konsequentialistische) Elemente (z.B. in den vorgesehenen Ausnahmen) berücksichtigen und schließlich auch inwiefern sich
III. Analyse
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d) Moralischer Konsens und Recht Ein weiterer Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich in dem Bereich, wo das Recht mit neuen moralischen Problemen konfrontiert ist. Wellman erörtert diesen Zusammenhang, wie wir gesehen haben, am Beispiel von Problemen, die sich durch den Fortschritt der medizinischen Technologie und den mit ihr einhergehenden Eingriffsmöglichkeiten in unsere Reproduktion und damit in das menschliche Leben ergeben. Wellman bezeichnet diese neuen Fragen bzw. Probleme, für die das Recht einer bestimmten Gesellschaft keine Lösung vorsieht und die in mancher Hinsicht über seinen Kompetenzbereich hinausgehen, als moralisch. Dabei handelt es sich um neue Fakten, neue Handlungsmöglichkeiten und ihre Konsequenzen, die durch neue Technologien geschaffen werden und die in einem bestimmten Kontext als Probleme erkannt werden: Diesen Kontext bilden die Moral, zum Teil aber auch Elemente einer bestimmten Moralität und eines bestimmten Rechts (law). 920 Ein bestimmter Zusammenhang von Recht und Moral bzw. Moralität zeigt sich in den einzelnen Gründen, aus denen nach Wellman das Recht einen moralischen Konsens sucht oder auf ihn angewiesen ist. Wellman spricht von einem schwachen moralischen Konsens, den man in Bezug auf bestimmte moralische Prinzipien hinsichtlich technischer Eingriffe in die menschliche Reproduktion erwarten kann. Die Gründe, die er nennt, gehen mit unterschiedlichen praktischen Problemen der gegebenenfalls deontologische Charakter der legalen Pflicht nach teleologischen Überlegungen rechtfertigen lässt. Anschließend wäre zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen ein Konflikt mit einer bestimmten moralischen Pflicht auftreten kann, inwiefern es sich dabei um einen Konflikt handelt und welche Voraussetzungen in teleologischer (konsequentialistischer) Betrachtung in der moralischen Pflicht berücksichtigt werden, die in der legalen Pflicht nicht berücksichtigt wurden oder - aus bestimmten Gründen, die näher zu spezifizieren sind - werden konnten. Dann wäre zu untersuchen, inwiefern die Voraussetzungen der moralischen Pflicht im konsequentialistischen Rahmen - nicht nur im Rahmen des individuellen Gewissens - zu einer Aufhebung der legalen Pflicht tauglich sind. 920 Dies zeigt sich an den neuen moralischen Problemen und Fragen, die Wellman in Zusammenhang mit den neuen Reproduktionstechnologien erwähnt: (1) Ob unfruchtbare Paare ein moralisches Recht auf medizinische Hilfe in der Reproduktion hätten; (2) ob der Spender im Fall der künstlichen Befruchtung einefinanzielle Verantwortung für diefinanzielle Unterstützung seines Kindes habe; (3) ob es moralisch erlaubt sei, mehr Eizellen in vitro zu fertilisieren, als der Patientin eingepflanzt würden; (4) wer die Aufsicht über fertilisierte Eizellen, die für einen möglichen zukünftigen Gebrauch bereitgehalten würden, haben sollte; (5) ob das Recht Leihmutterschaftsverträge (Surrogate motherhood contracts) erzwingen sollte etc. Vgl. Wellman (1994), S. 109. In Bezug auf diese Fragen ist ganz allgemein zu bemerken, dass ihre Beantwortung in Wellmans teleologischer Theorie von der Bewertung der involvierten Handlungen bzw. Handlungsweisen und ihrer Konsequenzen anhand bestimmter vorausgesetzter Werte abhängt. Der moralische Aspekt tritt z.B. in der dritten Frage besonders hervor. Da sich diese Fragen im Kontext einer auch hinsichtlich ihrer Institutionen relativ entwickelten Gesellschaft stellen, hängt ihre konkrete Beantwortung auch von der Moralität dieser Gesellschaft ab. Ein Bezug auf den rechtlichen Kontext zeigt sich z.B. in der fünften Frage.
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
im Recht einher, für die das Recht keine ausreichenden Lösungsmöglichkeiten bietet oder bieten kann. 921 Wellman erwähnt als Erstes Gründe, die in bestimmten Vorteilen eines moralischen Konsenses in Bereichen bestehen, in denen sich eine rechtliche Regelung als sehr schwierig erweist. Ein moralischer Konsens würde in Bezug auf technische Eingriffe in die menschliche Reproduktion eine legale Regelung dieses Bereichs ersparen, die sich hier als schwierig erweist: Zum einen würden institutionelle Ressourcen im Prozess des Beschließens und der Erzwingung neuer Gesetze verbraucht. Zum anderen müssten Gesetze im Vorhinein formuliert werden, seien daher, auf längere Zeit betrachtet, unflexibel, berücksichtigten spezielle Umstände besonderer Fälle nicht und erwiesen sich gelegentlich als nachteilig.922 Zweitens zeigt Wellman an einem weiteren Beispiel einen zweifachen Zusammenhang zwischen Moral und Recht auf: Zum einen weist er darauf hin, dass rechtliche Regelung in Bereichen den menschlichen Verhaltens notwendig sein kann, in denen Freiheitl oft missbraucht und wichtige moralische Werte in Gefahr sind. In diesem Rahmen versucht Wellman den vermutlichen Zweck der Hervorbringung und Erzwingung von Gesetzen, die die Erfüllung moralischer Pflichten verlangen und moralisch unrichtige Handlungen verbieten, zu erklären, der seiner Ansicht nach in der Zunahme pflichtvoller Handlungen und der Verringerung von Unrechttun besteht.923 Zum anderen im Hinweis, dass zur Erreichung dieses Ziels Erzwingung allein nicht hinreichend ist, sondern dass die meisten, die dem Gesetz unterstehen, glauben müssen, dass das Gesetz moralisch gerechtfertigt ist. 924 Ferner weist Wellman, wie wir gesehen haben, auf spezielle Kontexte innerhalb des Rechts hin, in denen es spe921 Wellmans Überlegungen betreffen das Recht im Allgemeinen. Einzelne, der erörterten Probleme hängen auch mit der Beschaffenheit des Rechts der USA eng zusammen. 922 Vgl. Wellman (1994), S. 110. - Vor dem Hintergrund von Wellmans teleologischer Theorie kann man die Frage stellen, inwiefern sich die Gründe, die er hier anführt als Gründe im Rahmen teleologischer (konsequentialistischer) Überlegungen verstehen lassen und welche Werte dabei vorausgesetzt werden. (Diese Frage lässt sich im Kontext seiner erst in (1995) vertretenen teleologischen Theorie der Moral stellen, weswegen sie hier in einer Fußnote gestellt wird. Auch im Folgenden werden ähnliche Fragen in Fußnoten gestellt.) Die meisten Gründe, die Wellman nennt, aus denen sich in manchen Bereichen eine rechtliche Regelung als schwierig erweist, können so verstanden werden, dass sie in den problematischen Konsequenzen einer rechtlichen Regelung liegen. Insofern wäre zu untersuchen, ob manche von ihnen auch moralisch relevant sind. Eine moralisch relevante Konsequenz würde z.B. vorliegen, wenn ein Gesetz, wie oben geschildert, spezielle Umstände besonderer Fälle nicht berücksichtigen kann, die als moralisch relevant erkannt werden. 923 Vgl. Wellman (1994), S. 110 f. 924 Auch hier wäre zu überlegen, ob Wellmans Überlegungen teleologisch (konsequentialistisch) verstanden werden können. Wellmans Erklärung der Notwendigkeit einer rechtlichen Regelung und des vermutlichen Zwecks der Hervorbringung und Erzwingung von Gesetzen kann so verstanden werden, dass damit in einem bestimmten teleologischen Rahmen ungewollte Konsequenzen vermieden werden sollen, die im
III. Analyse
zielle Gründe gibt, aus denen ein moralischer Konsens in Bezug auf technische Eingriffe in die menschliche Reproduktion gewollt wird. Den ersten Kontext bildet die Gesetzgebung. Die Gründe, die Wellman hier nennt, hängen zum Teil mit der speziellen Beschaffenheit eines Rechtssystems zusammen, das die Mehrheitsregel enthält. Wellman weist, wie wir gesehen haben, auf Gründe hin, aus denen die Gesetzgeber in einem Rechtssystem, das die Mehrheitsregel enthält, in der Erlassung von Gesetzen und in der Abstimmung für die notwendigen legalen Regelungen einen moralischen Konsens unter sich und unter ihren Wählern wollen. Den zweiten Kontext bildet die gerichtliche Entscheidung. Hier zeigt sich nach Wellman ein Zusammenhang zwischen Recht und Moral bzw. Moralität darin, dass gerichtliche Entscheidungen von moralischen Beurteilungen abhängen können. Die öffentliche Moralität bildet dabei einen sichereren Orientierungspunkt als die persönlichen Überzeugungen des Richters, weil sie von der Mehrzahl geteilt wird und in der Entscheidung verschiedener Fälle nicht in derselben Weise variieren wird, wie die persönlichen moralischen Ansichten der jeweiligen Richter. 925 Der Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich ferner in besonders starker Form in der Frage, die Wellman im Anschluss erörtert: Wie das Recht zum moralischen Konsens in einer bedeutenden Weise beitragen kann, der für das Recht so wertvoll ist. 926 Diese Frage legt die Annahme nahe, dass das Recht auf einem moralischen Konsens gründet und zwar in so wesentlicher Form, dass es für das Recht selbst nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig sein kann, dass es zu einem solchen moralischen Konsens beiträgt. Wellman zeigt, wie wir gesehen haben, verschiedene Möglichkeiten auf, wie durch das Missbrauch von Freiheit 1 und der Gefahr für wichtige moralische Werte bestehen. Vgl. Wellman (1994), S. 111. 925 Vgl. Wellman (1994), S. 111 f. - Man kann hier die Frage stellen, ob sich anhand einer Betrachtung dieser speziellen Kontexte im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie die in ihnen anwendbaren speziellen Gründe erklären lassen. Diese Frage muss hier offen gelassen werden. Die diesen Kontexten zugrundeliegende Frage, warum die rechtliche Regelung neuer reproduktiver Technologien erforderlich ist - woraus sich zum Teil auch erklären ließe, warum Gesetzgeber und Richter einen moralischen Konsens suchen - , könnte jedoch im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie erwogen werden, hinsichtlich der weiteren Frage, inwiefern moralische Gründe für die rechtliche Regelung relevant sind. In Bezug auf den zweiten oben angesprochenen Kontext, lassen sich Fragen stellen, die im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie erwogen werden können: z.B. die Frage, inwiefern sich die öffentliche Moralität nach moralischen Gründen rechtfertigen lässt und inwiefern moralische Gründe dafür sprechen, dass sich der Richter an der öffentlichen Moralität orientiert. 926 Ygi Wellman (1994), S. 112. - In dieser Frage wird vorausgesetzt, dass der moralische Konsens für das Recht sehr wertvoll ist. Um zu einem moralischen Konsens beizutragen, muss das Recht die moralischen Gründe berücksichtigen, durch die im Bereich der Moral ein moralischer Konsens zustande kommen kann und die den Maßstab und die Grundlage für einen Konsens im Bereich der Moralität bilden. Insofern kann man davon ausgehen, dass sich obige Frage im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie beantworten lässt.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Recht ein solcher Konsens erreicht werden kann. Es ist vielleicht sinnvoll auf die Erörterung dieser Möglichkeiten kurz einzugehen, um zu sehen, welcherart Zusammenhang zwischen Recht und Moral sich in ihnen zeigt. Wellman bemerkt, wie wir gesehen haben, dass man im besten Fall einen schwachen Konsens erwarten kann und dass der Umfang eines Konsenses, der aus einem bestimmten Rechtssystem resultieren wird, sich vermutlich auf den Zuständigkeitsbereich dieses Rechtssystems beschränkt.927 Wellman erörtert die Frage, wie das Recht zum moralischen Konsens beitragen kann, im Rahmen der zwei vorhin erwähnten Kontexte: der richterlichen Entscheidung und der Gesetzgebung. In der Erörterung der Frage, wie sich ein bescheidener moralischer Konsens in der richterlichen Argumentation erreichen lässt, nennt Wellman zwei Möglichkeiten. In ihnen werden einzelne Bedingungen und Voraussetzungen genannt, in denen sich ein Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt. In der Erörterung der ersten Möglichkeit, weist Wellman auf eine Bedingung hin, unter der jede rechtlich gültigerichterliche Entscheidung, in der eine bestimmte legale Regel auf den vor Gericht gebrachten Fall angewendet wird, einen moralischen Konsens hervorbringen kann: Die autoritativen legalen Quellen, durch die diese Regel begründet werde, müssten in dem Sinn moralisch akzeptiert sein, dass sie moralische Regeln oder Prinzipien mit einem ähnlichen Inhalt widerspiegelten. In der Erörterung der zweiten Möglichkeit weist Wellman auf die Voraussetzung hin, unter der ein Konsens durch die Begründung erreicht werden kann, die für die Anwendung einer Regel auf einen bestimmten Fall gegeben wird. Auch hier zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Recht und Moral. Wellman bemerkt, wie wir gesehen haben, dass die Anwendung einer Regel auf einen gegebenen Fall einer Begründung bedarf und dass die richterliche Argumentation daher sowohl die Fakten in diesem Fall als auch die Regel, die sie anwendet, beachten muss. Die richterliche Begründung könne einen Konsens in Bezug auf diese Regel erreichen, indem sie faktische Information enthüllt, die von der Allgemeinheit in einer Weise als moralisch relevant anerkannt werden kann, die die anwendbare Regel unterstützt.928
927
Vgl. Wellman (1994), S. 112 f. Vgl. Wellman (1994), S. 114. - Man kann auch hier die Frage stellen, inwiefern sich diese Bemerkungen von Wellman im Rahmen seiner teleologischen Theorie betrachten lassen. Was die erste Möglichkeit betrifft, so müssten in so einem Verständnis legale Regeln ähnliche teleologische Überlegungen widerspiegeln, wie sie in den ihnen ähnlichen moralischen Regeln oder Prinzipien gegebenenfalls berücksichtigt wurden und auf die ihre Formulierung zurückgeführt werden kann. Was die zweite Möglichkeit betrifft, so kann man davon ausgehen, dass sich in teleologischer Betrachtung dierichterliche Begründung in der Enthüllung faktischer Information an den außermoralischen Werten orientiert, die die Grundlage für einen moralischen Konsens bilden können. 928
III. Analyse
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Der zweite Kontext, in dem Wellman die Frage erörtert, wie das Recht zum moralischen Konsens beitragen kann, bildet die Gesetzgebung. Der Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich dabei im Kompromiss, der für die Erlassung eines Gesetzes erforderlich ist. Wellman weist darauf hin, dass die Gesetzgebung zumindest in einer demokratischen Gesellschaft einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Präferenzen und Interessen der Mitglieder dieser Gesellschaft widerspiegelt und widerspiegeln soll. Die Erlassung eines Gesetzes erfordere in der Praxis einen Kompromiss, der in einer Diskussion unter den Gesetzgebern und, in weiterem Sinn, unter ihrer Wählerschaft erreicht werde. Das moralische Element in einem politischen Kompromiss sieht Wellman darin, dass die Präferenzen jener, die von den Gesetzgebern repräsentiert sind, auch ihre moralischen Überzeugungen widerspiegeln. Ferner weist er darauf hin, dass ein Kompromiss nur bis zu dem Grad, zu dem er wirklich die Präferenzen und Interessen jener, die er betrifft, widerspiegelt, soziale Gerechtigkeit beanspruchen kann und dass es daher eine Tendenz geben wird, dass legislative Kompromisse moralische Überlegungen widerspiegeln und durch sie gerechtfertigt sind. 929 Wellman spricht ferner die Mittel an, durch die gesetzgebende Kompromisse erreicht werden. Auch hier zeigt sich ein wesentlicher Zusammenhang zwischen Recht und Moral. Gesetzgebende Argumentation kann nach Wellman nur dann erfolgreich sein, wenn es in der politischen Diskussion gelingt, einen Großteil jener umzustimmen, die gegen das vorgeschlagene Gesetz sind. Ein akzeptabler Kompromiss könne nur dann erreicht werden, wenn ein hinreichender Grad moralischer Übereinstimmung im Verlauf der politischen Diskussion erreicht werden könne. Wellman weist, wie wir gesehen haben, abschließend darauf hin, dass sowohl gerichtliche als auch gesetzgebende Argumentation das Potential haben, einen bescheidenen moralischen Konsens zu erreichen, und schlussfolgert, dass es vernünftig sei zu hoffen, aber nicht zu erwarten, dass wir oft einen moralischen Konsens durch legale Argumentation erreichen können.930 929 Auch hier kann man die Frage stellen, inwiefern sich Wellmans Bemerkungen im Rahmen seiner teleologischen Theorie betrachten lassen. Eine der Fragen, die hier zu klären wäre, betrifft das moralische Element, das Wellman in einem politischen Kompromiss sieht. Hier wäre zu klären, inwiefern die Präferenzen jener, die von den Gesetzgebern repräsentiert sind, auch ihre moralischen Überzeugungen widerspiegeln, d.h. inwiefern sie ihre Präferenzen nach den vorausgesetzten außermoralischen Werten richten bzw. inwiefern man annehmen kann, dass diese Präferenzen auch in diesen Werten berücksichtigt sind. Die Tendenz, dass legislative Kompromisse moralische Überlegungen widerspiegeln, könnte man im teleologischen Rahmen so erklären, dass man sich in den Überlegungen zu legislativen Kompromissen an ihren Konsequenzen orientieren wird, die im Rahmen vorausgesetzter Werte moralisch beurteilt werden. 930 Vgl. Wellman (1994), S. 115. - Würde man diese Bemerkungen Wellmans im Rahmen seiner teleologischen Theorie betrachten, so wäre unter anderem in jedem konkreten Fall die Frage zu analysieren, inwiefern im Kontext bestimmter vorausgesetzter Werte moralische Gründe für oder gegen das vorgeschlagene Gesetz sprechen
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
e) Moralische Rechte als Gründe für Forderungen nach Einführung neuer legaler Rechte Schließlich zeigen sich auch in Wellmans Erörterung einzelner Aspekte der zahlreichen Vermehrung von Rechten verschiedene Zusammenhänge zwischen Recht und Moral. Wellman behauptet, wie wir gesehen haben, dass die zahlreiche Vermehrung von Rechten im Recht und in der Moral Hand in Hand gehen. 931 Dies erklärt er mit dem Hinweis darauf, dass moralische Reformer die Einführung eines neuen legalen Rechts oft als notwendig für den Schutz eines bisher nicht anerkannten oder zumindest ungeschützten moralischen Rechts forderten. Ein weiterer Zusammenhang zwischen Recht und Moral zeigt sich zweitens in der Rolle, die angebliche (alleged) moralische Rechte in rechtlichen Entwicklungen gespielt haben, z.B. in der Einführung neuer Bürgerrechte. 932 Wellman weist darauf hin, dass angebliche moralische Rechte als Gründe vorgebracht wurden, um richterliche Argumentationen zu akzeptieren oder abzulehnen. Auch weist er darauf hin, dass sowohl die moralischen Diskussionen als auch die vor Gericht verhandelten Argumente oft die Existenz grundlegender moralischer Rechte voraussetzen.933 Drittens weist Wellman auf einen anderen Zusammenhang zwischen Recht und Moral in der Erörterung eines kritischen Arguments in Bezug auf die zahlreiche Vermehrung legaler Rechte hin, wonach in einem überlasteten Rechtssystem legale Rechte auf eine überschaubare Menge sehr wichtiger Rechte eingeschränkt werden sollten.934 In der Frage, welche legalen Rechte am wichtigsten sind, spielen nach Wellman neben Nützlichkeitserwägungen auch moralische Gründe eine Rolle. Es gebe moralische Gründe für oder gegen eine vorgeschlagene Reform des Rechtssystems: ob sie das Recht (law) mehr oder weniger gerecht machen werde und ob sie ein moralisches Recht schützen oder verletzen werde. Weitere Zusammenhänge zwischen Recht und Moral zeigen sich auch in Wellmans Erörterungen verschiedener konkreter Rechte und der für oder gegen sie vorgebrachten moralischen und legalen Argumentationen. f) Bemerkungen zu den vorhin genannten Zusammenhängen Die bisherigen Erörterungen vermitteln ein Bild über verschiedene Zusammenhänge zwischen Recht und Moral bzw. Moralität in Wellmans Theorie. Was lässt sich in Bezug auf diese speziellen Zusammenhänge über das Verhältund auch den Versuch, die dagegen Argumentierenden umzustimmen, rechtfertigen oder nicht rechtfertigen. 931 Vgl. Wellman (1999a), S. 5 bzw. 177. 932 Vgl. Wellman (1999a), S. 67. 933 Vgl. Wellman (1999a), S. 68. 934 Vgl. Wellman (1999a), S. 169.
III. Analyse
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nis von Recht und Moral im Rahmen von Wellmans Theorie bemerken? In den erörterten Zusammenhängen zwischen Recht und Moral lassen sich zum Teil bestimmte Unterschiede in Bezug auf die Richtungen erkennen, in die sie verlaufen: einige verlaufen gewissermaßen von der Moral zum Recht, andere vom Recht zur Moral bzw. Moralität, andere wiederum in keine der beiden Richtungen. Von der Moral zum Recht verlaufen gewissermaßen die Zusammenhänge, in denen die Existenz einer moralischen Norm (gleichgültig ob in Form einer Position oder eines Komplexes von Positionen) entweder zur Gänze oder zum Teil auf eine legale Norm zurückgeführt wird. Dazu gehören z.B. die Fragen, ob ein moralisches Recht durch ein legales Recht begründet werden kann bzw. ob ein legales Recht eine ergänzende moralische Pflicht implizieren kann. 935 In die umgekehrte Richtung, also vom Recht zur Moral verlaufen gewissermaßen die Zusammenhänge, in denen die Existenz einer legalen Norm (gleichgültig, ob in Form einer Position oder eines Komplexes von Positionen) entweder zur Gänze oder zum Teil auf eine moralische Norm zurückgeführt wird. Dazu gehören z.B. die Fragen, ob ein legales Recht durch ein moralisches Recht begründet werden kann bzw. ob ein moralisches Recht eine legale Pflicht implizieren kann. Wie verhält es sich aber mit den erörterten zwei Fragen, erstens, warum das Recht einen moralischen Konsens in der Entscheidung neuer Probleme sucht, die der Fortschritt in der Reproduktionstechnologie aufwirft, und zweitens, wie das Recht zum moralischen Konsens beitragen kann. Verlaufen auch sie vom Recht zur Moral bzw. zu einer bestimmten Moralität? In gewisser Hinsicht schon. Wellman zeigt, dass der Fortschritt in der Reproduktionstechnologie neue moralische und rechtliche Fragen aufwirft. 936 Eine wesentliche Voraussetzung zur Lösung der rechtlichen Fragen ist auf Seiten der Moral bzw. einer bestimmten Moralität zu finden: in Form eines moralischen Konsenses. Well935 Das Implikationsverhältnis zwischen einem legalen Recht und einer ergänzenden moralischen Pflicht lässt sich insofern hier erwähnen, als man in der Überlegung von einem gegebenen legalen Recht ausgeht und nach der Existenz irgendeiner ergänzenden moralischen Pflicht fragt. Allerdings bemerkt Wellman, wie wir gesehen haben, allgemein in Bezug auf das Implikationsverhältnis zwischen einem Recht und einer ergänzenden Pflicht, dass der Schluss vom Recht auf die Pflicht oder die Pflichten eine zusätzliche Prämisse oder mehrere erfordere. Vgl. Wellman (1995), S. 195. Bei diesen zusätzlichen Prämissen handelt es sich um normative Prinzipien. Diese seien vermutlich legale Regeln oder Prinzipien in der rechtlichen Argumentation und moralische Regeln oder Prinzipien in spezifisch moralischer Argumentation. Entsprechendes gilt auch für das im Folgenden erwähnte umgekehrte Implikationsverhältnis zwischen einem moralischen Recht und einer ergänzenden legalen Pflicht. 936 Unter den moralischen Problemen, die Wellman nennt, sind auch einige Fragen, die man als rechtlich relevant betrachten kann, z.B.: Hat der Spender im Fall der künstlichen Befruchtung auch eine finanzielle Verantwortung für die finanzielle Unterstützung des Kindes? Vgl. Wellman (1994), S. 109. Wer sollte die Aufsicht über die befruchteten Eizellen haben, die für möglichen zukünftigen Gebrauch gelagert würden? Sollte das Recht Leihmutterschaftsverträge erzwingen?
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
man erörtert, wie wir gesehen haben, verschiedene Gründe, aus denen das Recht als solches einen moralischen Konsens in Bezug auf technische Eingriffe in die menschliche Reproduktion sucht. In dieselbe Richtung, also vom Recht zur Moral, verlaufen auch die Erörterungen der Frage, wie das Recht zum moralischen Konsens beitragen kann. Denn der moralische Konsens bildet in diesen Überlegungen gewissermaßen einen Zweck, zu dem das Recht auf die eine oder andere Weise beizutragen bzw. den es zu erreichen versucht. In der Beantwortung dieser zwei Fragen zeigen sich verschiedene Hinsichten, in denen das Recht, seine Anwendung und Begründung im Kontext der Gesetzgebung und derrichterlichen Entscheidung auf moralische Voraussetzungen angewiesen ist. In dieselbe Richtung verlaufen ferner auch die erwähnten Zusammenhänge zwischen Moral und Recht in Wellmans Erörterung verschiedener Aspekte der zahlreichen Vermehrung von Rechten. So beruht die Forderung nach einem neuen legalen Recht zum Schutz eines bisher nicht anerkannten oder zumindest ungeschützten moralischen Rechts in wesentlicher Hinsicht auf letzterem. Denn das moralische Recht wird in einem bestimmten Kontext als wirklich und als schützenswert behauptet und das neue legale Recht wird als Mittel zu dessen Schutz gefordert. In dieselbe Richtung verläuft auch erstens der Zusammenhang, der sich in der Rolle zeigt, die angebliche moralische Rechte in rechtlichen Entwicklungen wie der Einführung neuer Bürgerrechte gespielt haben, sowie der Zusammenhang, der sich in der Rolle moralischer Gründe in der Entscheidung der Frage zeigt, welche legalen Rechte am wichtigsten seien. In keine der beiden Richtungen verläuft der Zusammenhang in Form eines Konflikts zwischen moralischen und legalen Rechten bzw. den mit ihnen in Zusammenhang stehenden unvereinbaren Pflichten, zumindest insofern sie in einem bestimmten Kontext einander ausschließen. In diesen Zusammenhängen zwischen Recht und Moral bzw. Moralität zeigt sich auch, dass in Wellmans Theorie der Moral im Verhältnis zum Recht eine wesentliche und vielleicht in mancher Hinsicht auch entscheidende Rolle zukommt. Dies zeigt sich erstens in den Zusammenhängen, die gewissermaßen von der Moral zum Recht verlaufen. Wie wir gesehen haben, setzen diese Zusammenhänge eine moralische Norm voraus, die die Anerkennung der betreffenden legalen Normen zum Inhalt hat. Die Möglichkeit einer Begründung eines moralischen Rechts durch ein legales Recht setzt, wie wir gesehen haben, eine Art moralischer Anerkennung unserer legalen Rechte voraus: z.B. in Form einer moralischen Verpflichtung des Bürgers die Gesetze des Landes zu befolgen oder in Form des moralischen Rechts einer Person, dass alle anderen ihre legalen Rechte respektieren. Die Möglichkeit, dass ein legales Recht eine ergänzende moralische Pflicht impliziert, kann unter der Voraussetzung einer moralischen Verpflichtung gedacht werden, dass der Bürger das Rechtssystem seiner Gesellschaft befolgt. Hingegen wird in den Zusammenhängen, die gewissermaßen vom Recht zur Moral verlaufen, keine ähnliche Annahme gemacht oder als
III. Analyse
erforderlich erachtet. Eine Erklärung für diesen Sachverhalt könnte im Rahmen von Wellmans Theorie darin zu finden sein, dass sowohl in der Begründungsmöglichkeit eines legalen Rechts durch ein moralisches Recht als auch in der Implikationsmöglichkeit einer ergänzenden legalen Pflicht in einem moralischen Recht ein wesentlicher Grund oder Teilgrund des jeweiligen Zusammenhangs im moralischen Teil desselben liegt, womit die Annahme einer zusätzlichen moralischen Norm wie im vorigen Fall nicht erforderlich ist. Die wesentliche Rolle von Moral und Moralität zeigt sich auch in der Erörterung der Frage, warum das Recht in der Lösung neuer rechtlicher und moralischer Fragen, die die Reproduktionstechnologie aufwirft, einen moralischen Konsens sucht. Wellman zeigt, dass das Recht in unterschiedlichen Kontexten in unterschiedlicher Weise auf einem moralischen Konsens aufbaut oder einen solchen voraussetzen muss. Die wesentliche Rolle von Moral und Moralität in Form eines moralischen Konsenses in Bezug auf das Recht zeigt sich ferner in Wellmans abschließender Bemerkung in der Erörterung der Frage, wie das Recht zu einem moralischen Konsens beitragen kann: Wenn legale Argumentation zu einem moralischen Konsens in der Gesellschaft beitrage, so rühre dies daher, dass sie (sc. die legale Argumentation) ein kleiner Teil eines viel größeren moralischen Diskurses sei. Die wesentliche Rolle der Moral und der in ihr gedachten Normen zeigt sich des Weiteren in den wiedergegebenen Erörterungen zur zahlreichen Vermehrung von Rechten: Darin, dass neue legale Rechte zum Schutz angeblicher moralischer Rechte gefordert werden, in der Rolle, die angebliche moralische Rechte für rechtliche Entwicklungen gespielt haben und in der Rolle, die moralische Gründe in der Beurteilung einer vorgeschlagenen Reform eines Rechtssystems spielen können. In der dritten, der erwähnten Arten eines Zusammenhangs zwischen Recht und Moral, in der ein moralisches und ein legales Recht bzw. eine moralische oder legale Pflicht konfligieren, kann man davon ausgehen, dass die Lösung des Konflikts in entscheidender Weise von den Überlegungen des Betroffenen im Bereich der Moral abhängen wird. Im Fall des erörterten Konflikts zwischen einem moralischen und einem legalen Recht bzw. zwischen den mit ihnen in Zusammenhang stehenden Pflichten kann man argumentieren, dass die Gültigkeit und das Gewicht des legalen Rechts und der mit ihm in Zusammenhang stehenden legalen Pflicht für die Entscheidung des Betroffenen als relativ zu betrachten ist und von seinen Überlegungen in Bezug auf die Gültigkeit und das Gewicht des moralischen Rechts und der mit ihm in Zusammenhang stehenden moralischen Pflicht in der gegebenen Situation abhängt. Aus dieser Betrachtung einiger sehr unterschiedlicher Zusammenhänge zwischen Recht und Moral bzw. Moralität ergibt sich, dass in ihnen moralische Normen bzw. Überlegungen im Bereich der Moral eine wesentliche und in manchen Fällen entscheidende Rolle spielen: In den Zusammenhängen, die ge-
B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
wissermaßen von der Moral zum Recht verlaufen, ist es eine vorausgesetzte moralische Norm, in den Zusammenhängen, die gewissermaßen vom Recht zur Moral verlaufen, lässt sich im moralischen Teil ein für den jeweiligen Zusammenhang wesentlicher oder entscheidender Grund oder Bezugspunkt feststellen und in der letzten Form eines Zusammenhangs zwischen Recht und Moral, die gewissermaßen in keine der beiden genannten Richtungen verläuft, dürften die Überlegungen im moralischen Bereich eine entscheidende Rolle spielen. Diese Erörterung einzelner möglicher und faktischer Zusammenhänge zwischen Recht und Moral bzw. Moralität gibt einen Einblick in die Verschiedenartigkeit, die Beschaffenheit und die wesentlichen Elemente dieser Zusammenhänge. In ihnen zeigt sich erstens die Bedeutung, die der Moral als Menge moralischer Normen und der moralischen Argumentation in Bezug auf das Recht als Menge legaler Normen und die mit ihm einhergehenden Institutionen wie Gesetzgebung undrichterliche Entscheidung zukommt. Zweitens zeigt sich in dieser Bedeutung ein spezieller Aspekt der Wirklichkeit der Moral als Menge moralischer Normen und der moralischen Argumentation in Form ihrer Relevanz für das Recht, seine Begründung und Anwendung, und seine Institutionen. Jeder der erörterten Zusammenhänge zeigt einen anderen Aspekt der Wirklichkeit moralischer Normen, Gründe und Überlegungen in Bezug auf das Recht auf. Wie sich diese Aspekte genau interpretieren lassen und ob es mehrere Facetten in der Interpretation ein und desselben Aspekts geben kann, müsste eingehender untersucht werden. Z.B. lässt sich der Zusammenhang zwischen einem bestimmten legalen und einem bestimmten moralischen Recht in der Tatsache, dass moralische Reformer oft die Einführung eines neuen legalen Rechts als notwendig verlangt haben, um ein bisher nicht anerkanntes oder nicht hinreichend geschütztes moralisches Recht zu schützen, so interpretieren, dass der Schutz des behaupteten moralischen Rechts einen Zweck bildet, der mit dem Mittel der Einführung eines legalen Rechts erreicht werden soll. Allerdings könnte ein Aspekt dieses Zusammenhangs auch darin gesehen werden, dass das legale Recht unter bestimmten, näher zu analysierenden Gesichtspunkten eine Erscheinungsform des moralischen Rechts bildet. Wenn, um ein weiteres Beispiel zu nennen, davon die Rede ist, dass das Recht zum moralischen Konsens beizutragen versucht, der für das Recht so wertvoll ist, so lässt sich dieser Zusammenhang so verstehen, dass der moralische Konsens für das Recht einen anzustrebenden Zweck bildet. Ein Aspekt dieses Zusammenhangs könnte aber auch darin gesehen werden, dass wenn das Recht auf moralischem Konsens aufbaut, es unter bestimmten näher zu analysierenden Gesichtspunkten diesen Konsens als wesentliches Merkmal enthält bzw. eine Erscheinungsform desselben bildet. Wellmans Erörterung verschiedener möglicher und faktischer Zusammenhänge zwischen Recht, Moral und Moralität ergänzt seine Erörterung der Existenz moralischer Normen und Rechte. Sie bildet gewissermaßen ein eigenes Thema. Die Möglichkeit von Zusammenhängen zwischen den Normen des
III. Analyse
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Rechts und der Moral bildet einen Teil der Theorie moralischer Rechte, der an irgendeiner Stelle einer Erörterung bedarf. Wellmans Theorie moralischer Rechte legt eine solche Erörterung insofern nahe, als in ihr ein Großteil der Normen der Moral, der Moralität und des Rechts Willenskonflikte als Anwendungsbereich und dieselbe Funktion in Bezug auf dieselben, nämlich ihre Lösung bzw. Vermeidung haben. Wellmans Theorie legt eine solche Erörterung auch insofern nahe, als in ihr das Modell eines moralischen Rechts in Analogie zum Modell eines legalen Rechts entwickelt wird. 937 Die Analyse der Art der Zusammenhänge zwischen Recht und Moral bildet ein eigenes facettenreiches Thema, das systematische Behandlung verdient und eine Ergänzung der Erörterung der Wirklichkeit und aktuellen Bedeutung moralischer Rechte bildet. Die einzelnen Zusammenhänge, die Wellman erörtert, dürften nur einen Teil dieses großen und komplexen Themas bilden. Wellmans Theorie moralischer und legaler Rechte liefert eine theoretische Grundlage für einen Erklärungsversuch der Möglichkeit von Zusammenhängen 937 In diesem Zusammenhang sei am Rande ein Beispiel aus der Literatur erwähnt. A. S. Laden kommt in seiner Rezension von Wellmans „Real Rights" auf den Zusammenhang von legalen und moralischen Rechten zu sprechen. Laden begreift die Argumentation in Wellmans „Real Rights" folgendermaßen: Wellman mache von einer legalen Auffassung (conception) von Rechten als Modell für eine allgemeinere Auffassung Gebrauch, die auch auf moralische Rechte angewandt werden könne. Nachdem Wellman eine Darstellung (account) moralischer Rechte entwickelt habe, gebrauche er diese Darstellung moralischer Rechte, um die Wirklichkeit gewisser Rechte zu bestimmen, indem er zum Großteil bestimme, welche Arten von Wesen mögliche Rechtsinhaber seien. Laden bemerkt daraufhin, dass da in Wellmans Theorie die Wirklichkeit legaler Rechte nicht von der Wirklichkeit der ihnen korrespondierenden moralischen Rechte abhänge (Wellman behaupte wiederholt, dass die Wirklichkeit legaler Rechte von dem Rechtssystem, zu dem sie gehörten, abhänge), die Absicht dieses Ansatzes (approach) ein wenig unklar erscheinen könnte. Vgl. Laden (1997), S. 592. In Bezug auf die praktische Absicht des Buches könnte man sich fragen, warum es überhaupt notwendig sei, sich in den Bereich moralischer Rechte zu begeben. Laden bemerkt, dass er die Absicht hinter Wellmans Strategie so verstehe, dass sie auf seiner Sicht gründe, dass während das Recht (law) künstlich (artificial) sei, etwas, das vom menschlichen Willen gesetzt und folglich hervorgebracht sei, Moralität natürlich sei, d.h. durch die Beschaffenheit der Realität bestimmt sei. - Vgl. dazu Wellman (1995), S. 49, [bzw. hier Kapitel B., II., 1., b)]. - Infolge der Künstlichkeit (artificiality) des Rechts würde es den Anschein haben, dass uns die bloße Wirklichkeit legaler Rechte keine Richtschnur zur Hand gebe, ob wir durch die legalen Rechte besser gestellt seien. Ein schlechtes Rechtssystem, würde Rechte hervorbringen, die genauso „wirklich" seien wie ein gutes Rechtssystem. Im Kontrast dazu bedeute die Verbindung der Moralität zur Beschaffenheit der Wirklichkeit, dass die Frage, ob moralische Rechte wirklich seien, etwas aussage (has some bite). Ladens Bemerkungen wurden nur bis zu dem Punkt wiedergegeben, wo er den Zusammenhang zwischen moralischen und legalen Rechten in Wellmans „Real Rights" anspricht. Ladens anschließende Kritik wird in diesem Zusammenhang nicht wiedergegeben; auf sie wurde zum Teil im Kapitel B., III., 2., c) „Die Qualifikationen des Rechtsinhabers" in einer Fußnote eingegangen. Hier sollte nur auf ein Beispiel aus der Literatur hingewiesen werden, in dem ein Autor auf einen Zusammenhang zwischen legalen und moralischen Rechten in Wellmans Theorie zu sprechen kommt.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
zwischen den Normen des Rechts, der Moral und der Moralität. Eine systematische Analyse der Möglichkeit solcher Zusammenhänge könnte diese Theorie um ein weiteres spezielles Kapitel erweitern. Denn sowohl der gemeinsame Gegenstand als auch die gemeinsame Funktion und der gemeinsame Zweck in der Anwendung der verschiedenen Arten von Normen werfen die Frage nach ihrem wechselseitigen Verhältnis und gegebenenfalls nach einer Hierarchie auf, was sich z.B. im Fall von Konflikten zeigt. Auch lässt sich die Frage der Existenz der jeweiligen Art von Normen bzw. Rechten nicht ohne eine Analyse ihres Zusammenhangs mit anderen Arten von Normen und Rechten vollständig erörtern. Denn diese Zusammenhänge können, wie wir gesehen haben, etwas über Voraussetzungen, Bedingungen oder in Bezug auf die Funktion einer bestimmten Art von Norm aussagen. 5. Abschließende Bemerkungen Was lässt sich abschließend zu Wellmans Theorie moralischer Rechte sagen? Wellmans Lebenswerk beginnt bei der Theorie über Moral und Ethik und erstreckt sich bis zur Theorie über Rechte. Sein Werk umfasst somit ein relativ großes theoretisches Gebiet, in dem sich der Schwerpunkt seiner Forschung im Laufe der Zeit in die Theorie über Rechte verlagert hat, worunter auch die Theorie über moralische Rechte fällt. In Wellmans Gesamtwerk lässt sich, trotz der thematischen Vielfalt, eine Einheit erkennen und insofern ist seine Theorie über moralische Rechte auch als Teil dieses zusammenhängenden Gesamtwerks zu betrachten. Wellman hat in zahlreichen Schriften die Möglichkeit, Beschaffenheit und Wirklichkeit moralischer Rechte zu klären versucht. Der Horizont seiner Überlegungen beginnt bei methodischen Fragen, zu denen die Klärung der Argumentationsweise im Bereich der Ethik gehört. Auf dieser Basis versucht er die Beschaffenheit moralischer Normen zu klären. Seine Auffassung über die komplexe Beschaffenheit von Rechten bzw. moralischen Rechten entwickelt er anhand seiner Auseinandersetzung mit anderen Theorien über Rechte. Insofern vereinigt Wellman in seiner Theorie zur Beschaffenheit moralischer Rechte moraltheoretische Überlegungen mit Überlegungen aus der Theorie über Rechte. Im Rahmen seiner Überlegungen zur Begründung moralischer Rechte vertritt Wellman eine teleologische Auffassung einer Moraltheorie. Vor dem Hintergrund seiner Überlegungen über die Argumentationsweise im Bereich der Moral und seiner Auffassung über moralische Normen und ihre Existenz erörtert Wellman die Frage der Existenz moralischer Rechte. In seiner Erörterung der Existenz moralischer Rechte und der Rolle, die sie in der moralischen und rechtlichen Diskussion faktisch spielen, berücksichtigt er Beispiele aus dem Recht der USA in seiner bisherigen Entwicklung und Fragen über aktuelle rechtliche und mit ihnen einhergehende moralische Probleme.
. Analyse
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Wellmans Leistung in Bezug auf den Begriff eines Rechts im Allgemeinen und eines moralischen Rechts im Besonderen liegt in seiner Analyse und Beschreibung desselben. Die Genese seiner Auffassung über Rechte lässt sich zum Teil anhand seiner Auseinandersetzung mit anderen Theorien über Rechte rekonstruieren. Wellman hat die Erkenntnis bestimmter Autoren, dass Rechte komplex sind, aufgegriffen und diese Erkenntnis in seiner Theorie genauer zu erklären versucht. In diesem Zusammenhang kann man auf zwei Leistungen von Wellman hinweisen: Erstens analysiert er den Begriff „ein Recht" hinsichtlich seiner Funktion, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden. Im Rahmen dieser Analyse kommt er zu dem Schluss, dass Rechte eine komplex aufgebaute Struktur mit einer funktionalen Einheit haben müssen, und gewinnt eine Vorstellung der Struktur und Einheit komplex gedachter Rechte. Wellman zeigt in seiner Analyse, dass in einem Recht und damit auch in einem moralischen Recht verschiedene zusammenhängende normative Komponenten mit verschiedenen zusammenhängenden Handlungen gedacht werden. Zweitens hat er eine Vermutung über einige Bestandteile, die sie enthalten müssten, formuliert. 938 Seine Theorie ist insofern in Bezug auf diesen Punkt nicht abgeschlossen, sondern enthält eine Hypothese. Man kann davon ausgehen, dass Wellman sie in einem weiteren Werk erneut erörtern würde; denn sie betrifft sein Modell eines Rechts, das im Zentrum seiner Theorie steht.939 Ferner ist zu erwähnen, dass Wellman sein Modell eines Rechts nicht nur formuliert, sondern dass er auch die interpretative Anwendung desselben, zu der es bestimmt ist, an Beispielen illustriert und damit den praktischen Nutzen dieses Modells erklärt. Wellmans Theorie enthält darüber hinaus auch detaillierte Überlegungen in Bezug auf die Begründung moralischer Rechte. Seine teleologische Begründung lässt jedoch verschiedene Fragen offen, Fragen, die sowohl die vorausgesetzten Werte, bei denen seine Erklärung endet, als auch die Art und Weise betreffen, in der sich moralische Rechte im Rahmen seiner Theorie erklären lassen. Insofern ist anzunehmen, dass sich Wellman in einem weiteren Werk auch mit der Frage der Begründung moralischer Rechte erneut befassen würde. Wellmans Theorie moralischer Rechte verdient trotz einiger unbeantworteter Fragen Beachtung, vor allem aufgrund des in ihr analysierten Modells eines moralischen Rechts. Die Überlegungen, auf denen dieses Modell beruht, und die hinsichtlich seiner Bestandteile formulierten Hypothesen können als richtungsweisend verstanden werden. Die Analyse der Beispiele moralischer 938 w i e WH. gesehen haben, formuliert Wellman die Annahme, dass jedes genuine (moralische/legale) Recht entweder eine (moralische/legale) Freiheit 1 oder eine (moralische/legale) Kompetenz enthalten muss. Vgl. Wellman (1995), S. 112. 939 Femer kann man davon ausgehen, dass Wellman seine Hypothese durch Analyse konkreter Rechte anhand seines Modells eines Rechts überprüfen würde, es sei denn es gelänge ihm z.B. zu zeigen, wie sich im Rahmen seiner teleologischen Theorie moralischer Rechte eine moralische Freiheit 1 und eine moralische Kompetenz als fixe Bestandteile eines moralischen Rechts herleiten lassen.
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B. Hauptteil: Darstellung von Wellmans Theorie moralischer Rechte
Rechte, die Wellman bringt, und der moralischen Positionen, die sie enthalten, lässt die Vermutung zu, dass sich noch genauere Erkenntnisse in Bezug auf die in diesem Modell eines moralischen Rechts beschriebenen Zusammenhänge gewinnen lassen. Aufgabe dieser Arbeit war es, Wellmans Theorie moralischer Rechte ausführlich darzustellen und in einer anschließenden Analyse hinsichtlich ihrer zentralen Aspekte kritisch zu erörtern. Damit sollte dem Leser vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion über moralische Rechte ein genauerer Blick auf Wellmans Theorie moralischer Rechte ermöglicht werden.
Endnoten 1
(S. 121) Um den Hintergrund von Wellmans Überlegungen zu beleuchten, kann man an dieser Stelle auf seinen Aufsatz „Terrorism and Moral Rights" verweisen, in dem er eine utilitaristische Theorie über die Grundlagen moralischer Rechte darzulegen versucht. Vgl. Wellman (1997), S. 33. Unter anderem erörtert er dort die Frage, wie man moralische Rechte durch sozialen Nutzen (utility), dem reinen Überschuss (net balance) von Vorteilen (benefits) im Vergleich zu Schäden (harms), begründen könnte. Vgl. ebd., S. 152. Er bemerkt, dass moralische Rechte komplex seien und dass verschiedene Elemente in unterschiedlicher Weise durch Nutzen begründet sein würden. Dabei handle es sich um eine komplexe Menge unterschiedlicher, aber zusammenhängender Nutzen. Vgl. ebd., S. 161. Es ist vielleicht sinnvoll einige Punkte aus Wellmans Erörterung dieser Frage hier wiederzugeben, weil er in derselben die Grundlagen (grounds) von Pflichten und Kompetenzen erörtert, durch die sich, wie er in seinem Kommentar bemerkt, jeweils drei weitere von den acht grundlegenden legalen Begriffen Holtfelds definieren lassen. Vgl. ebd., S. 31. (Ein genaueres Verständnis der folgenden Ausführungen ermöglicht Wellmans Analyse der einzelnen moralischen Positionen, die erst im Folgenden (im Kapitel B., IL, 3.) wiedergegeben wird.) Wellman erörtert die genannte Frage am Beispiel des Anspruchsrechts einer Person X, dass andere nicht ihr Eigentum beschädigten oder zerstörten. Vgl. ebd., S. 152 f. Seine Erörterung beschränkt sich auf den Kern dieses Rechts, der erstens aus der moralischen Pflicht anderer besteht, das Eigentum einer Person X nicht zu beschädigen oder zu zerstören. Vgl. ebd., S. 153. Die unmittelbare Grundlage (proximate ground) der moralischen Pflicht sei die Tatsache, dass die konventionellen Regeln der Gesellschaft anderen verbieten würden, das Eigentum einer Person ohne ihre Zustimmung zu beschädigen oder zu zerstören, und dass ein solcher Akt die konventionellen Eigentumsregeln dieser Gesellschaft verletzen würde. Dies sei ein doppel-Aspekt Grund (reason), sowohl ein Grund für die Erfüllung der Pflicht als auch ein Grund für Zuschauer, moralische Sanktionen jenen aufzuerlegen, die diese Pflicht verletzten. Vgl. ebd., S. 157. Was diese soziologische Tatsache zu einem praktischen doppel-Aspekt Grund mache, sei der Nutzen aus diesem Eigentumsregel-konformen Handeln und aus dem Verhängen moralischer Sanktionen gegen jene, die diese konventionelle Regel verletzten. Vgl. ebd., S. 154. Folglich sei die letzte (ultimate) Grundlage der moralischen Pflicht, Eigentum nicht zu beschädigen oder zu zerstören, in der Tat ein zweifacher Nutzen (pair of Utilities). Wellman erörtert verschiedene Gründe, aus denen es nützlich ist, mit den genannten konventionellen Regeln konform zu handeln, und aus denen es ferner für dritte Parteien nützlich ist, Sanktionen gegen jene zu verhängen, die diese Regeln verletzen. Wellmans Erörterungen werden nicht wiedergegeben. Vgl. ebd., S. 154, 156. Der zweite Teil des Kerns bestehe in der moralischen Kompetenz der Person X, Anspruch auf Erfüllung oder Abhilfe, im Fall einer angedrohten oder tatsächlichen Verletzung dieser Pflicht, zu erheben. Vgl. ebd., S. 157 f. Da eine moralische Kompetenz sich von einer moralischen Pflicht stark unterscheide, müsse ihre Grundlage entsprechend verschieden sein. Eine moralische Kompetenz sei die Fähig-
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Endnote i
keit, eine moralische Position hervorzubringen, zu ändern oder aufzuheben und daher müsse erklärt werden, wie ihre Ausübung solche Änderungen in der moralischen Situation bewirken könne. Vgl. ebd., S. 32 (Kommentar). Wenn die letzten Grundlagen einer moralischen Pflicht ein zweifacher Nutzen seien, müsse die Ausübung der Kompetenz, z.B. eine moralische Pflicht hervorzubringen oder zu ändern, die relevanten Werte (values) oder Unwerte irgendwie ändern. Seine Hypothese sei, dass dies durch die Art erklärt werden könnte, in der diese Handlungen, das persönliche Verhältnis zwischen dem Besitzer der Kompetenz und der zweiten Partei änderten, die durch die Ausübung dieser Kompetenz betroffen sei. Wellman listet verschiedene Arten auf, in denen die Ausübung der Kompetenz, Anspruch auf Erfüllung der Pflicht zu erheben, erstens den Nutzen der Befolgung der konventionellen Regel (die anderen verbiete, das Eigentum einer Person zu beschädigen oder zu zerstören) ändere, d.i. vergrößere, und zweitens den Nutzen der Verhängung negativer moralischer Sanktionen gegen jene, die die Pflicht gegenüber dem Rechtsinhaber verletzten, vergrößere. Vgl. ebd., S. 158 f., 160 f. Schließlich bemerkt er, dass die moralische Kompetenz, Anspruch auf die Erfüllung der genannten Pflicht der anderen zu erheben, in den verschiedenen Arten begründet sei, in denen die Ausübung dieser Kompetenz den Nutzen sowohl der Erfüllung der Pflicht als auch der Verhängung negativer Sanktionen gegen jene, die dies unterließen, ändere, indem sie ihn vergrößere. Vgl. ebd., S. 161. Wellman bemerkt, dass er, um seine utilitaristische Darstellung dieses moralischen Rechts zu vervollständigen, auch zeigen müsste, wie jedes verknüpfte Element, wie z.B. die Kompetenz, auf diesen Kernanspruch zu verzichten, und die bilaterale Freiheitl, diese Kompetenz (auf den Anspruch zu verzichten) auszuüben oder nicht auszuüben, auch durch Nutzen begründet sei. Vgl. ebd., S. 162. Abschließend bemerkt er in Bezug auf seine Erklärung, sie sei utilitaristisch, obzwar man sie weder als Handlungs- noch als Regelutilitarismus bezeichnen könnte, sondern als Gründeutilitarismus (reasons-utilitarianism) bezeichnen müsste. Ein moralisches Recht bestehe aus einer komplexen Struktur moralischer Positionen. Da moralische Positionen Positionen unter moralischen Normen seien und letztere aus moralischen Gründen bestünden, bestünden die unmittelbaren (proximate) Grundlagen eines moralischen Rechts aus einer Menge moralischer Gründe. Diese seien aber moralisch relevante Gründe, weil sie mit Nutzen und Nachteil (disutility) auf bedeutende Weise verbunden seien. Daher seien die letzten (ultimate) Grundlagen jedes moralischen Rechts utilitaristisch. Wellman weist aber darauf hin, dass man daraus noch nicht schließen könne, dass moralische Rechte auf Nutzen gründeten, da noch etliche Fragen offen seien. Man müsste z.B. zeigen, dass sich ähnliche Darstellungen von anderen Rechten geben ließen, man müsste diese Darstellungen mit nichtutilitaristischen hinsichtlich ihrer sachlichen Genauigkeit und logischen Relevanz vergleichen etc. In seinem Kommentar bemerkt Wellman, dass obwohl er immer noch überzeugt sei, dass eine adäquate Theorie über die Grundlagen moralischer Rechte teleologisch sei, er glaube, dass die spezielle Natur moralischer Gründe durch einen engeren Bereich von Weiten erklärt werden müsse. Vgl. ebd., S. 33. Moralische Gründe seien wesentlich sozial und was daher zu ihrer Begründung erforderlich sei, seien Geselligkeitsfaktoren wie Sicherheit oder Vertrauenswürdigkeit, die Personen, die in einer Gesellschaft miteinander lebten, ermöglichten, in wechselseitig lohnender Weise zu kooperieren. Wellman verweist hier auf seine Ausführungen in „Real Rights". Seine in diesem Aufsatz vertretene Theorie über die Grundlagen moralischer Rechte hat Wellman in seinem Aufsatz „The Inalienable Right to Life and the Durable Power
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to Attorney" revidiert. Vgl. (1997), S. 45. Dort vertritt er eine teleologische Theorie mit zwei Ebenen, in der moralische Gründe auf letzten Werten gründen. Die letzten Werte, auf denen moralische Gründe gründeten, seien auf jene beschränkt, die für Individuen besonders relevant seien, die gemeinsam in einer Gesellschaft lebten. An dieser Stelle habe er seinen Gründeutilitarismus aufgegeben, weil jeder genuine Utilitarismus die Berücksichtigung aller Werte erfordere, die durch Handlungen und Reaktionen hervorgebracht würden. 11
(S. 277) In der Fußnote, die dieser Endnote vorangeht, wurde erwähnt, dass Wellman hinsichtlich der dort erwähnten Argumentationsform auf seine Ausführungen in „Challenge and Response" (1971, Kapitel 3) verweist. In diesem Kapitel erörtert Wellman eine Argumentationsart, die er als ,»Leitung" (conduction) bezeichnet und von der Deduktion und Induktion unterscheidet. Aus Gründen der Vollständigkeit ist es vielleicht sinnvoll, einige Bemerkungen Wellmans aus diesem Kapitel hier wiederzugeben. Dort vertritt er die These, dass ethische Argumentation zusätzlich zu deduktiven und induktiven Argumenten auch leitende (conductive) Argumente enthält. Vgl. (1971), S. 82. Wir alle verwendeten diese Art von Argumentation, wenn wir zu Schlüssen darüber gelangten, was in besonderen Situationen getan werden sollte und ob einzelne Dinge gut oder schlecht seien. Wellman definiert Leitung als die Art der Argumentation (reasoning), in der (1) eine Schlussfolgerung über einen Einzelfall (2) nicht schlüssig (nonconclusively) (3) aus einer oder mehreren Prämissen über denselben Fall (4) ohne eine Berufung auf andere Fälle gezogen wird. Vgl. ebd., S. 52. Er bringt unter anderem folgendes Beispiel: Martin Luther King sei ein guter Mensch, weil er, abgesehen von gelegentlicher Arroganz, sich uneigennützig und couragiert für seinen Mitmenschen einsetze. Dazu bemerkt Wellman: Obwohl die Schlussfolgerung über ein leitendes Argument ein einzelnes Urteil sei, sei Leitung nicht mit diesem Urteil allein gleichzusetzen. Sie sei die Argumentation (reasoning), die zu diesem Argument führe. Wenn ethisches Urteilen rational sei, und er glaube, dass es nichts anderes sei, dann stehe das ethische Urteil nicht isoliert, sondern sei die Schlussfolgerung eines rationalen Arguments. Im Unterschied zur deduktiven Argumentation in Bezug auf einen Einzelfall nötige (necessitates) in der Argumentationsart Leitung die Wahrheit der Prämissen nicht die Schlussfolgerung, sondern stütze (supports) sie zu einem höheren oder geringeren Grad. Vgl. ebd., S. 52 f. Selbst wenn die Prämissen auf den Einzelfall perfekt passten, gebe es in der leitenden Argumentation keine Garantie für die Wahrheit der Schussfolgerung, weil zusätzliche Information enthüllt werden könnte, die die gegebenen Prämissen überwöge. Vgl. ebd., S. 53. Leitung versus Analogie - Den nicht schlüssigen (nonconclusive) Aspekt der Argumentationsart Leitung illustriert Wellman im Unterschied zur Argumentation, die auf Analogie beruht: In der Argumentationsart Leitung sei das Bindeglied zwischen Prämissen und Schlussfolgerung nicht auf der Grundlage analoger Fälle nachgewiesen; es sei gänzlich a priori. Die Überlegung über die gegebene Information zum vorliegenden Fall rechtfertige eine weitere Schlussfolgerung über denselben Fall. Folglich sei Leitung die Art von Argumentation, in der eine Schlussfolgerung über einen Einzelfall aus einer oder mehreren Prämissen über denselben Fall ohne Berufung auf andere Fälle nicht schlüssig (nonconclusive) gezogen werde. Der Unterschied zwischen Deduktion und Leitung am Unterschied zwischen und Materie illustriert - In der Erörterung des nichtformalen (nonformal) Aspekts der Argumentationsart Leitung bedient sich Wellman der Unterscheidung zwischen Form,
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d.h. der logischen Struktur des Arguments, und Materie (matter), d.h. dem Thema des Arguments. Vgl. ebd., S. 54. Da das Thema die Gültigkeit (validity) der meisten deduktiven Schlussfolgerungen nicht beeinflusse, könne eine einzige deduktive Logik auf die deduktive Argumentation von Philosophen, Biologen, Chemikern in gleicher Weise Anwendungfinden. Vgl. ebd., S. 54 f. Mit der leitenden Argumentation verhält es sich anders, was Wellman an einem Beispiel illustriert: ,JDu solltest das tun, weil du es versprochen hast". Ob dies ein gültiges Argument sei, hänge von der Relevanz des Versprechens für Verpflichtungen ab und überhaupt nicht von der logischen Form des Arguments. Diese Nichtformalität (nonformality) leitender Argumente sei unangenehm, wenn es um das Abschätzen ihrer Gültigkeit gehe, sie sei aber eines der grundlegenden Charakteristika dieser Art von Argumentation. Abwägen - Wellman unterscheidet im Abschnitt „Patterns of Conduction" drei formale Muster der Argumentationsart Leitung, die sich nur in ihrer logischen Struktur unterscheiden. Vgl. (1971), S. 55. Im ersten Muster sei nur ein einziger Grund für die Schlussfolgerung gegeben, im zweiten seien verschiedene Gründe für die Schlussfolgerung gegeben. Vgl. ebd., S. 55 f. Wellman bezieht sich in (1995), S. 233 - vgl. die dieser Endnote vorausgehende Fußnote - auf das dritte Muster. Das dritte Muster sei die Argumentationsform, in der eine Schlussfolgerung sowohl aus positiven als auch aus negativen Überlegungen gezogen werde. Vgl. (1971), S. 57. Diese Argumentationsform enthalte Gründe sowohl für als auch gegen die Schlussfolgerung. Auch dieses Muster sei nicht schlüssig (inconclusive). Damit meint Wellman, dass gleichgültig ob es zusätzliche Überlegungen im konkreten Fall gibt, die die Schlussfolgerung ändern würden, ohne zu zeigen, dass entweder die gegebenen Prämissen unwahr sind oder dass die ursprüngliche Folgerung ungültig ist, es immer solche geben könnte. Es sei immer logisch möglich zusätzliche Überlegungen zufinden, die die Schlussfolgerung unterstützen oder schwächen könnten. Da dieses Argumentationsmuster sowohl Gründe für als auch gegen die Schlussfolgerung enthalte, werfe es die Frage auf, wie man wissen könne, dass die Gründe für die Schlussfolgerung stärker seien als jene gegen sie. Vielleicht sei das verbreitetste Modell dieser Form der Argumentationsart Leitung das Abwägen (weighing). Man entscheide, ob das Argument gültig sei, indem man das Für und Wider abwäge. Wellman versteht das Abwägen in Form des Modells der Gewichtsbestimmung von Gegenständen, indem man sie in seinen Händen hochhebt. Vgl. ebd., S. 58. Diese Auffassung von Abwägen bringe den komparativen Aspekt und die Schlussfolgerung, dass eines mehr als das andere sei, zum Vorschein, ohne ein automatisches Verfahren anzunehmen, das auf das individuelle Urteil oder die Einführung irgenwelcher Gewichtseinheiten verzichten würde. Wellman fügt hinzu, dass es eine Einschränkung hinsichtlich der Anzahl der Überlegungen gebe, die man zu jedem Zeitpunkt im Geiste zusammenhalten könne. Demzufolge sei es gewöhnlich notwendig das Für und Wider sukzessive zu überlegen, um eine Schlussfolgerung daraus zu ziehen. Schließlich bemerkt Wellman, dass es hilfreich sei, sich die Argumentationsform Leitung in Form des Modells des Abwägens, so aufgefasst, vorzustellen, weist aber darauf hin, dass dies nur ein Modell sei und nicht immer hilfreich sei. Dieses Modell definiere nicht Leitung, weil das Abwägen des Beweismaterials (evidence) nicht nur in leitender Argumentation vorkomme. Gültigkeit ohne Kriterien - Im Abschnitt „Validity without criteria" bemerkt Wellman: Es gebe eine Möglichkeit (way) zwischen gültigen und ungültigen leitenden Argumenten zu unterscheiden - sie durchzudenken. Vgl. ebd., S. 80. Zugegebenermaßen
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sei dies eine sehr unzuverlässige Art, Gültigkeit zu beurteilen, aber es sei immer möglich, ein Urteil, zu dem man auf diese Weise gelangt sei, auf diese Art zu überprüfen, indem man das Argument noch einmal durchdenke. Und wenn dies nicht alle Zweifel ausräume, könne man immer das Argument noch einmal durchdenken. Dies könnte vielleicht nicht so befriedigend sein wie das Besitzen von Kriterien der Gültigkeit, doch es reiche zumindest aus, um dem Anspruch auf Gültigkeit Bedeutung und Substanz zu geben. Im Rahmen der Frage, was Kriterien der Gültigkeit ermöglichen, erörtert Wellman folgenden Punkt: Ein Kriterium müsse etwas anderes sein als das, wofür es ein Test sei. Dabei weist er darauf hin, dass das Durchdenken eines Arguments etwas anderes sei, als seine Gültigkeit zu beurteilen. Im Folgenden bemerkt er dann: Es könne keinen ultimativen Test der Argumentation (reasoning) geben außer Argumentation; jeder Versuch die Gültigkeit von Argumentation zu überprüfen durch Berufung auf ein unabhängiges Kriterium würde selbst Argumentation sein. Vgl. ebd., S. 81. Der grundlegende Test der Gültigkeit jedes Stücks (bit) leitender Argumentation sei ein weiteres Stück leitender Argumentation derselben Art; wenn sich jemand nicht sicher sei, ob er das Argument korrekt durchgedacht habe, könne er nichts anderes tun, als es nochmals durchzudenken. Dieses Durchdenken sei etwas anderes als die Beurteilung seiner Gültigkeit, die es testen solle und sogar etwas anderes als das ursprüngliche Durchdenken, aus dem diese Beurteilung rühre. - Diese Wiedergabe von Wellmans Erörterung der Argumentationsart Leitung beschränkt sich auf diejenigen Stellen im gleichnamigen Kapitel, die ein ungefähres Verständnis derselben ermöglichen. Eine Wiedergabe der weiteren Abschnitte desselben Kapitels würde einen zu großen Raum in dieser Arbeit einnehmen, weshalb sie hier nicht erfolgt. 111
(S. 313) Wellman erörtert im ersten Teil von „Challenge and Response" (1971) im Rahmen der Frage, was eine Rechtfertigung (justification) ist, folgende Themen: Deduktion, Induktion, Leitung (conduction), Argumentation (reasoning), Rechtfertigung (justification) und infinite Regresse. Wellman entwickelt hier sein Anfechtungund-Erwiderung-Modell (challenge-response model) der Rechtfertigung. Vgl. Wellman (1971), S. xii. Im zweiten Teil befasst sich Wellman im Rahmen der Frage, wie ethische Aussagen gerechtfertigt werden können, mit sieben grundlegend verschiedenen Arten der Anfechtung, denen man in einer Rechtfertigung einer ethischen Behauptung begegnen müsse: Wahrheit, Wahrheitswert (truth-value), Bedeutung (meaningfulness), Gültigkeit, Gültigkeitswert (validity-value), Tauglichkeit (competence) und Erkennbarkeit (knowability) etc. Vgl. ebd. und S. 173 ff. - Es sei hier eingeräumt, dass man in einer Erörterung dieser Aspekte auch zu einer treffenderen Übersetzung der genannten Ausdrücke kommen könnte. - Vor diesem Hintergrund stellt sich die oben genannte Frage, welche Bedeutung seine Auffassung von Argumentation und Rechtfertigung, die er in (1971) entwickelt, für seine Theorie moralischer Rechte hat. Einzelne Zusammenhänge zeigen sich an den denjenigen Stellen in Wellmans Theorie moralischer Rechte, in denen er auf seine Erörterungen in (1971) und seine dort entwickelte Auffassung von praktischer Argumentation und Rechtfertigung Bezug nimmt. Manche dieser Erörterungen wurden in Fußnoten wiedergegeben. Die Komplexität des Themas Rechtfertigung in der Ethik zeigt sich z.B. in einer Arbeit von G. J. Postema. Einige Auszüge daraus seien hier am Rande erwähnt. Postema befasst sich in seinem Aufsatz „On the Universality of Moral Justification" mit der Theorie der Rechtfertigung in der Ethik, die Wellman in (1971) entwickelt hat, und der Frage, ob Gründe, die in der moralischen Rechtfertigung vorgebracht werden,
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notwendig universal (universal) sind. Vgl. Postema (2000), S. 79. Wellman zweifle, so Postema, nicht daran, dass moralische Gründe nicht nur universalisierbar sein müssen, sondern dass sie auch universal, d.h. Gründe für alle rationale Wesen sein müssen. Postema vertritt die Ansicht, dass das beste Argument für Universalität eine bescheidenere „präsumtive Universalitäts"-These unterstütze. Postemas Argumentation beginnt bei Wellmans Ausführungen über Rechtfertigung, Argumentation und Gültigkeit. Er erörtert kurz folgende Komponenten, die zu Wellmans Auffassung von Gültigkeit (validity) gehören: (i) dass gültiges Argumentieren überzeugend sei, (ii) dass Argumentation ein Verfahren der Kritik sei, (iii) die prinzipiell unbegrenzte Anfechtbarkeit im Verfahren rationaler Kritik und der vorläufige Charakter moralischer Rechtfertigung sowie (iv) die Universalität in der Argumentation, die alle Argumentierenden als gültig akzeptierten. Vgl. ebd., S. 80-83. In Bezug auf den vierten Punkt bemerke Wellman, dass die Gemeinschaft rationaler Kritiker (critics) in (statistisch) normaler Art denken müsse. Zur normalen Denkweise zähle Wellman nicht nur die grundsätzlich selbe Form des Schlussfolgerns bei den meisten Menschen, sondern auch die allgemeine Tendenz, sich durch bestimmte Arten von Argumenten überzeugen zu lassen, was von der Natur des menschlichen Geistes abhänge. Postema bemerkt, Wellman habe recht, wenn er betone, dass Begriffe wie Objektivität und Gültigkeit ihren passendsten Ort im Verfahren praktischer Rechtfertigung hätten, und wenn er seine Darstellung der Rechtfertigung in Form eines Austauschens von Argumenten und eines Artikulierens von Gründen in einem Verfahren überlegter Konversation gliedere. Vgl. ebd., S. 84. Zugleich bemerkt er, dass er weniger als Wellman dazu neige, Rechtfertigung auf die psychologische Dynamik des Überzeugens, selbst idealisierten Überzeugens zu reduzieren, und würde stattdessen die Analyse innerhalb des praktischen, normativen Bereichs betreiben. Postema untersucht daraufhin die Frage, ob Wellmans rationalistischer Begriff der Universalität mit seinen empirischen und pragmatischen Grundlagen ausreichend übereinstimme. Dazu untersucht er Wellmans Argumente zur Frage, warum wir unsere moralischen Urteile überhaupt rechtfertigten und warum wir die Zustimmung aller rationalen Wesen suchten, was hier nur in sehr knapper Form wiedergegeben werden kann. (1) Postema weist unter anderem darauf hin, dass die Privatheit (privacy) des praktischen Argumentierens in Wellmans Auffassung jede Bedingung der Universalität auszuschließen scheine. Vgl. ebd., S. 86. (2) Daraufhin erörtert Postema Wellmans Argument, dass echtes Argumentieren notwendigerweise einen impliziten Anspruch auf Gültigkeit mit sich bringe; in diesem sei das Prinzip inbegriffen, dass eine gegebene Überlegung entweder immer oder nie ein guter Grund für die Schlussfolgerung sei, die aus ihm gezogen werde. Vgl. ebd., S. 88. Dagegen wendet Postema ein, dass dies nicht stimme, weil eine Überlegung an einem Ort bzw. zu einem Zeitpunkt ein Grund sein könne, zu einem anderen aber nicht. Der Begriff des Grundes schließe nicht a priori die Möglichkeit der Umstands-Relativität aus. (3) Als nächstes erörtert Postema ein weiteres Argument von Wellman, wonach die Forderung nach Konsens unter allen normalen, rationalen Personen ihre Wurzeln in der deontologischen Sprache habe, in der wir typischerweise moralische Urteile formulierten. Vgl. ebd., S. 89 f. Zu argumentieren, dass eine Handlung moralisch richtig (right), unrichtig (wrong), obligatorisch oder unerlaubt sei, bedeute, implizit einen Anspruch auf Rationalität zu erheben, und dies impliziere wiederum einen Anspruch, dass alle normalen Personen im Licht eines unbegrenzten Verfahrens der Anfechtung und Erwiderung zustimmen würden. Postema bemerkt mit Bezug auf bestimmte Charakteristika der deontologischen Spra-
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che - wie z.B. dass Pflichten, Rechte und alle damit verwandten Begriffe unpersönlich seien, mit Einschränkung, Zwang und legitimen Forderungen einhergingen, dass moralische Forderungen (demands) ihre praktische Form in einem Bereich reaktionsfähiger Haltungen annähmen und dass die deontologische Sprache die Sprache der Strafbarkeit (culpability) und der öffentlichen Verantwortlichkeit (accountability) sei - , dass jeder Rechtfertigungsversuch deontologischer Urteile, der Gründe nicht an diejenigen adressiere, die in den Urteilen impliziert seien, als Rechtfertigung scheitere. Vgl. ebd., S. 90-92. (4) Die unterscheidenden Charakteristika der deontologischen Moralität seien in Form des Befehls-Modells, des Naturgesetz-Modells, am besten aber in Form des sozialen Verfassungs- (Constitution) oder Konversations-Modells erklärt worden. Vgl. ebd., S. 93-96. In letzterem würden Pflichten und verwandte moralische Begriffe als eine Art sozialer Verfassung betrachtet, die aus den Relationen und dem Umgang voneinander abhängiger Menschen hervorgingen und sie auch formten. Moralische Prinzipien und Praxen bildeten die Sprache einer moralischen Gemeinschaft, die durch eine ständige reflektierende, überlegte, aktive und affektive Konversation verkörpert sei und sich in ihr erneuere. Vgl. ebd., S. 94. Dieses Modell unterstütze zwar nicht Wellmans starke These, wonach es eine notwendige Bedingung der Gültigkeit eines moralischen Urteils sei, dass die Argumentation, durch die es gerechtfertigt werde, idealerweise von allen akzeptiert würde; es unterstütze aber eine bescheidenere und, seiner (sc. Postemas) Ansicht nach, plausiblere präsumtive Universalität. Vgl. ebd., S. 96. Weil die moralische Sprache, die wir gebrauchten, um Pflichten und Verpflichtungen auszudrücken und zu verteidigen uns zwinge, andere, die in unseren Urteilen impliziert seien bis zu dem Zeitpunkt einzubeziehen, zu dem sich erweise, dass eine moralische Gemeinschaft mit Ihnen unerreichbar sei. (5) Schließlich weist Postema auf Wellmans Einschränkung in Bezug auf Universalität hin: dass ein gültiges Argument für jeden überzeugend sein werde, der auf normale Weise denke. Postema fügt mit Bezug auf das Konversationsmodell zwei weitere Bedingungen bzw. Tatsachen hinzu: dass die Parteien gewillt sein müssten, am Prozess der Argumentation kooperativ teilzunehmen, und dass der Druck in Richtung Universalität nicht aus den Begriffen „Rationalität", „Pflicht", „Gültigkeit" oder „Objektivität", sondern aus dem Bedürfnis voneinander abhängiger Wesen, anständig und menschlich miteinander zu leben, rühre. Vgl. ebd., S. 96 f. Vor diesem Hintergrund könne es klarerweise keine a priori Garantie geben, dass unsere moralischen Urteile, Prinzipien und unsere Argumentation für diese, selbst an einem idealen Punkt, universal sein werde. Es gebe zwei Arten, in denen die Universalität moralischer Urteile eingeschränkt werden könne: Erstens, wenn bestimmte der soeben genannten Bedingungen bzw. Tatsachen nicht vorlägen. Zweitens, wenn Personen, obwohl die genannten Bedingungen bzw. Tatsachen vorlägen, zögernd zu dem Schluss kämen, dass Übereinstimmung in wesentlichen moralischen Fragen unter ihnen nicht möglich sei. Vgl. ebd., S. 98. Unsere moralischen Urteile seien in diesem Fall hinsichtlich dieser (aus unserer Sicht) widerspenstigen Parteien (obwohl nicht im Allgemeinen) untragbar. Postema bemerkt, dass unsere Vernünftigkeit uns zwinge, jeder ernsthaften Anfechtung unserer empirischen Annahmen von Seiten unserer widerspenstigen Gesprächspartner direkt zu begegnen. Vgl. ebd., S. 99. Hierin sieht er unter anderem eine Quelle des Drucks (pressure) gegen ein allzu einfaches Einschränken der in unseren moralischen Urteilen impliziten Universalität. Schließlich bemerkt Postema, dass wenn wir die hinsichtlich dieser widerspenstigen Gruppe beschränkten (parochial) Grenzen unserer moralischen Urteile und Argumentation akzeptieren sollten, wir gezwungen seien, eine Distanz zwischen uns (sc. und ih-
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nen) einzuführen, um uns von dieser Gruppe zu isolieren. Dies könne in vielen Fällen unmöglich oder extrem kostspielig sein, wenn z.B. die Bedingungen der wechselseitigen Abhängigkeit derart beschaffen seien, dass sie praktisch nicht geleugnet oder gelöst werden könnten. In diesem Fall habe man zwei Optionen: Entweder das moralische Unternehmen aufzugeben (und einen Skeptizismus anzunehmen), was hart, radikal und für die meisten von uns nicht akzeptabel sein werde, oder die Annahme der Universalität zu akzeptieren und im Streben nach gemeinsamen Prinzipien durch öffentliches moralisches Argumentieren weiterzuarbeiten. Vgl. ebd., S. 99 f. Wahrscheinlich würden wir durch praktische Bedingungen genötigt sein, mit der Annahme des weitest möglichen und einschließenden „wir" fortzufahren. Moralisches Argumentieren setze demnach universale Übereinstimmung (innerhalb der Bedingungen der Moralität) nicht begrifflich, als notwendige Bedingung der Rationalität, sondern praktisch, als notwendige Annahme des moralischen Lebens voraus. Moralische Urteile erhöben implizit Anspruch auf eine präsumtive Universalität und forderten uns auf, diese Annahme wahr zu machen. Dies sei ein regulatives Ideal der moralischen Gemeinschaft. Das unbegrenzt offene Verfahren der Anfechtung und Erwiderung, das uns Wellman gelehrt habe, stehe im Kern dieser Disziplin. - Diese Wiedergabe von Postemas Auseinandersetzung mit Wellmans Theorie der Rechtfertigung vermittelt einen Eindruck, welche Teilaspekte dieses komplexe Thema unter anderem enthält und warum es eigener Erörterung bedarf. Man stößt ferner in der Literatur auf Arbeiten, die sich mit spezielleren Themen in Wellmans Theorie der Rechtfertigung befassen. So befasst sich z.B. David Hitchcock in „Validity in Conductive Arguments" mit der eingangs erwähnten Argumentationsform Leitung (conduction), die Wellman in (1971) erörtert - (vgl. dazu eine der Fußnoten zu den Rechtskonflikten im Kapitel B., IL, 5., e) über unwirkliche Rechte). Hitchcock geht in diesem Aufsatz kurz auf Wellmans Auffassung von Leitung (conduction) im Rahmen der Frage, wie sich nicht-schlüssige Gültigkeit (non-conclusive validity) begreifen lässt, ein. Vgl. Hitchcock (1994), S. 60. Da es sich hier um ein spezielles Thema handelt, wird auf eine Wiedergabe von Hitchcocks knappen Bemerkungen verzichtet. 1V (S. 317) Die folgenden Bemerkungen zum teleologischen und nicht rein utilitaristischen Charakter von Wellmans Theorie werden in Endnoten erörtert, weil Wellman in seiner Theorie von Rechten diese Charakteristika seiner Theorie zwar kurz erwähnt, jedoch nicht genauer erörtert.
Wellmans Erörterung des Unterschieds zwischen teleologischen und deontol Theorien - Eine Erklärung des Unterschieds zwischen der deontologischen und der teleologischen Theorie der Verpflichtung findet man in Wellman (1988), S. 36, im Kapitel „Right and Wrong": Eine plausible Antwort auf die Frage, warum bestimmte Arten von Handlungen (acts) richtig (right) und andere unrichtig (wrong) seien, sei, dass erstere vorteilhaft, während letztere nachteilig seien. Jede Theorie, die behaupte, dass das Gute (goodness) das einzige letzterichtig-machende(right-making) Charakteristikum und das Schlechte (badness), das einzige letzte unrichtig-machende (wrongmaking) Charakteristikum sei, werde eine teleologische Theorie der Verpflichtung genannt. Das definierende Merkmal einer teleologischen Theorie sei die Behauptung, dass der einzige Grund der Verpflichtung das hervorgebrachte Gute (good) oder das vermiedene Schlechte (bad) sei. Im Kontrast dazu bestreite eine deontologische Theorie der Verpflichtung, dass der einzige Grund, warum eine Handlung (act) getan wer-
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den sollte, der Wert (value) sei, den sie hervorbringe. Deontologische Theorien der Verpflichtung hätten zwei Formen. Die extreme deontologische Theorie behaupte dass der Wert niemals der letzte Grund der Verpflichtung sei. Als Vertreter dieser Theorie nennt Wellman William G. Sumner, der behaupte dass das, was eine Handlung richtig (right) mache, ihre Konformität mit den Sitten der Gesellschaft sei. Die moderate deontologische Theorie der Verpflichtung behaupte, dass während der Wert ein Grund der Verpflichtung sei, es auch andere Gründe gebe. Als Vertreter dieser Theorie nennt Wellman W. D. Ross, der behaupte, dass neben der Vorteilhaftigkeit (beneficiality) auch andere Charakteristika wie das Halten von Versprechen oder das Sagen der Wahrheit eine Handlungrichtigmachten. - Obzwar hier nicht explizit von nichtmoralischen Werten bei teleologischen Theorien die Rede ist, geht dies aus den folgenden Beispielen hervor. Wellman erörtert drei Beispiele teleologischer Theorien: den ethischen Egoismus, den Akt- und den Regelutilitarismus. Vgl. ebd., S. 36-42. Der ethische Egoismus sei eine teleologische Theorie, weil er behaupte, dass der einzige Grund der Verpflichtung, das hervorgebrachte Gute (good) und das vermiedene Übel (bad) sei. Vgl. ebd., S. 36. Das, was im ethischen Egoismus eine Handlung recht oder unrecht mache, sei ihre Wirkung auf das Wohlergehen des Handelnden. Der Handlungsutilitarismus stimme mit dem ethischen Egoismus darin überein, dass der Unterschied zwischen richtiger (right) und unrichtiger (wrong) Handlung gänzlich im hervorgebrachten Wert oder Unwert liege, weswegen beide teleologische Theorien seien. Vgl. ebd., S. 39. Bentham z.B. glaube, dass das einzige instrinsisch Gute Vergnügen (pleasure) sei; Moore lehne den Hedonismus ab und behaupte, dass es verschiedene Arten von Dingen gebe, die um ihrer selbst willen gut seien, wozu er schöne Objekte, einige tugendhafte Handlungen aber auch Vergnügen zähle. Vgl. ebd., S. 38. Der Regelutilitarismus behaupte, dass eine Handlungrichtig(right) oder unrichtig (wrong) sei, je nachdem ob sie einer moralischen Regel gemäß sei oder sie verletze. Vgl. ebd., S. 40. Eine moralische Regel sei dadurch gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt, ob sie nützlich oder nachteilig sei. Das moralische Ideal sei vermutlich, eine Menge moralischer Regeln zu haben, die den Nutzen in jeder Gesellschaft maximiere. Diesen Ausführungen Wellmans aus (1988) nach wird in einer teleologischen Theorie der moralische Wert einer Handlung an ihren Konsequenzen in Bezug auf einen vorausgesetzten (nichtmoralischen) Wert beurteilt und im Wert ihrer Konsequenzen liegt auch der moralische Grund, eine Handlung zu tun oder zu unterlassen. Die hier angeführten Beispiele zu dieser Darstellung teleologischer Theorien unterscheiden sich unter anderem darin von Wellmans eigener teleologischer Theorie moralischer Gründe, dass in letzterer die vorausgesetzten nichtmoralischen Werte ebenso wie die moralischen Gründe Geselligkeitsfaktoren enthalten und in dieser Hinsicht sozial sind.
Andere Charakterisierungen des Unterschieds zwischen teleologischen und logischen Theorien - Da Wellmans Charakterisierung der teleologischen Theorie und ihres Unterschieds zur deontologischen Theorie etwas knapp ist, seien hier ergänzend einige weitere Charakterisierungen dieser und der mit ihnen verwandten Theorietypen erwähnt: Deontologische (von griechisch to deon = die Pflicht) und teleologische (griech. to telos = der Zweck) Theorien werden in den meisten Artikeln zu diesen Begriffen und Büchern über Ethik einander entgegengestellt. Vgl. z.B. Frankena (1994), S. 32 ff., und Kutschera (1982), S. 63 ff. - Im Artikel „Practical Reason and Ethics", in: REP, Bd. 7, S. 613-620, werden Typen zielorientierter von Typen hand-
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lungsorientierter Argumentationen ethischer Theorien unterschieden. - C. M. Korsgaard charakterisiert die übliche Unterscheidung der zwei Theorien in ihrem Artikel „Teleological Ethics" folgendermaßen: Gemäß der üblichen Unterscheidung erkläre ein Teleologe die Richtigkeit (rightness) oder die Tugendhaftigkeit (virtue) einer Handlung in Form des Guten (good), das durch sie verwirklicht werde, während ein Deontologe die Richtigkeit als einen unabhängigen Wert behandle und argumentiere, dass von uns verlangt werden könnte, das Richtige auf Kosten der Verwirklichung des Guten zu tun. Vgl. REP, Bd. 9, S. 294. Zum Unterschied klassischer und moderner Teleologie bemerkt Korsgaard: Den klassischen Philosophen gemäß sei Tugend (virtue) die Vollkommenheit der menschlichen Natur. In diesen Theorien gebe es keine allgemeine Unterscheidung zwischen „dem Richtigen" („the right") und „dem Guten" („the good"); als Ausdruck der Tugend (virtues) seien tugendhafte Handlungen in sich selbst gut. Im Kontrast dazu schrieben moderne Teleologen einer tugendhaften oder richtigen Handlung nur einen instrumenteilen Wert zu. - Korsgaard verweist hier auf den Konsequentialismus, auf den im Folgenden eingegangen wird. - Klassische Teleologen argumentierten, dass Tugend (virtue) mit dem besten Zustand (best State) eines menschlichen Wesens identisch sei, während moderne Teleologen argumentierten, dass Tugend ein unabhängiges nichtethisches Gut fördere. (Am Rande sei erwähnt, dass die Rede vom nichtmoralischen Wert bzw. Guten, worauf zuvor kurz eingegangen wurde, auch in Zusammenhang deontologischer Theorien vorkommt. Korsgaard bemerkt: Was moderne Deontologen von klassischen Denkern unterscheide, sei, dass sie Formen „natürlicher" oder nichtethischer Güte (goodness) anerkennen würden, die unabhängig von ethischen Werten (values) seien und mit ihnen konfligieren könnten. Vgl. ebd..) Eine interessante Erörterung des Unterschieds zwischen Teleologie und Deontologie findet man auch in Habermas (1992), S. 310 f. Das Verfahren teleologischer ethischer Theorien stellt Stegmüller in seinem Artikel „Teleologie" schematisch durch folgende drei Stufen dar: „(1) Den Ausgangspunkt bilden die nichtmoralischen Werturteile der Einzelmenschen; in modernerer Sprechweise: man geht von den subjektiven Präferenzen der Einzelindividuen aus. Dadurch ist der Begriff des nichtmoralisch Guten festgelegt. (2) Die moralischen Verpflichtungen werden daraus begründet. Die grundlegende Leitidee ist dabei die Maximierung des Guten im Sinn von (1). (3) Erst im dritten Schritt werden die moralischen Werturteile eingeführt: moralischrichtigist das, was im Einklang mit den in (2) entwickelten Normen steht; und ein Mensch ist moralisch gut, wenn sein Handeln im Einklang mit den moralischen Verpflichtungsurteilen steht". In: HWB, Bd. 3, S. 635. Man kann die Frage stellen, ob sich ein solcher Ausgangspunkt, wie ihn Stegmüller im ersten Schritt beschreibt, in Wellmans Theorie finden lässt. Wie wir gesehen haben, weist Wellman z.B. in seiner Erklärung des Ausgangspunktes einer moralischen Theorie und der Rechtfertigung spezifischer moralischer Folgerungen auf die Meinungen und Überzeugungen des Einzelnen hin, die er zum Zeitpunkt der Anfechtung nicht bezweifle, sowie auf sehr eigentümliche Erfahrungen hin, die die letzten Grundlagen aller rationalen Rechtfertigung bilden. Vgl. Wellman (1994), S. 119. [Hier in einer Fußnote im Kapitel B., II., 1., c) wiedergegeben.] Nur wenn diese sehr eigentümlichen Erfahrungen durch unbezweifelte, aber nicht unzweifelhafte Überzeugungen, die von sehr eigentümlichen bis zu hochtheoretischen reichten, ergänzt würden, könnten sie in rationaler Rechtfertigung eine Funktion haben. Innerhalb des Verfahrens des weiten Überlegungsgleichgewichts könnten Erfahrungen und Überzeugungen viele unserer
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moralischen Folgerungen rechtfertigen und zu einer moralischen Übereinstimmung führen, und dies würden sie auch tun. Konsequentialistische Theorien - Mit der modernen Auffassung der teleologischen Theorie ist der Konsequentialismus verwandt. D. McNaughton schreibt in seinem Artikel „Consequentialism": Der Konsequentialismus werde manchmal als teleologische Theorie bezeichnet, weil nach seiner Auffassung in der Moraltheorie ein Ziel gesetzt werde, das wir zu erreichen streben sollten. Vgl. REP, Bd. 2, S. 604. Der Konsequentialismus setze sich das Ziel, eine Welt hervorzubringen, die das größte Gleichgewicht an Gutem gegenüber Schlechtem enthalte. Wellman hat, wie wir gesehen haben, unter anderem argumentiert, dass in seiner Theorie moralische Gründe weder eine Kalkulation der Gesamtsumme noch ein reines Gleichgewicht aller Werte und Unwerte voraussetzten, die durch Handlung hervorgebracht werden. Vgl. Wellman (1995), S. 103. McNaughton erörtert den Konsequentialismus in Kontrast zur deontologischen ethischen Theorie und unterscheidet zwei Arten desselben: den Akt- und den Regelkonsequentialismus. In Bezug auf das Verhältnis des Richtigen und des Guten (right and good) im Rahmen der konsequentialistischen Theorie sei am Rande noch folgende Bemerkung erwähnt: C. Larmore bemerkt in seinem Artikel „Right and Good", dass es sowohl in deontologischen als auch in utilitaristischen Theorien auf die Priorität des Richtigen vor dem Guten ankommt. Vgl. REP, Bd. 8, S. 324. (Dabei kritisiert er Frankenau einflussreiche, aber falsche Beschreibung des Unterschieds zwischen deontologischen und utilitaristischen Theorien.) Das wesentliche Prinzip jeder »konsequentialistischen4 Theorie (wobei der Utilitarismus die Version sei, die das Gute als subjektives Glück betrachte) sei, dass dierichtige(right) Handlung im Hervorbringen des größten Gesamtguten für all jene bestehe, die von der Handlung betroffen seien, wobei jeder nur als einzelner berücksichtigt werde. Dieses Prinzip ordne nicht den Gedanken der richtigen Handlung einem unabhängigen Begriff des Guten unter, weil es das Gute, das maximiert werden solle, mit Bezug auf ein kategorisches Prinzip des Richtigen (right) definiere: Das Maximierende (maximizand) sei durch die unparteiliche Betrachtung von jedermanns Gut bestimmt, als es als das gefordert sei, was wir tun sollten, so dass die Befolgung des größten Gesamtguten eine Pflicht sei, die uns unbedingt binde, unabhängig davon in welche Richtung auch immer unsere Interessen uns führen mögen.
Zum Zusammenhang zwischen teleologischem und empiristischem Charakte stimmter ethischer Theorien - Eine weitere interessante Bemerkung aus der Literatur betrifft den Zusammenhang von teleologischen bzw. deontologischen Theorien einerseits und empiristischen bzw. aprioristischen Theorien andererseits. Kutschera bemerkt in seiner Erörterung von intuitionistischen Theorien des Objektivismus, dass sich diese auch in teleologische und deontologische Theorien einteilen lassen. Vgl. Kutschera (1982), S. 183. Diese Unterscheidung decke sich jedoch praktisch mit jener zwischen empiristischen und aprioristischen Theorien. Gegenstand der Erfahrung könnten ja nur einzelne in konkrete Situationen eingebettete Handlungen sein, nicht aber Handlungsweisen. Nur einzelne Handlungen ließen sich also in direkter Erfahrung moralisch beurteilen; ein Urteil über eine Handlungsweise stelle dagegen eine Hypothese des Inhalts dar, dass alle (oder doch die meisten) Vollzüge dieser Handlungsweise moralisch richtige Handlungen ergäben. Mit einem empiristischen Begründungsansatz verbinde sich so immer eine teleologische Konzeption und aprioristische Ethiken seien immer deontologisch. (Einige Erörterungen von Kutschera in Bezug auf teleologische bzw.
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deontologische Theorien werden auch in der nächsten Endnote zum utilitaristischen Charakter von Wellmans Theorie wiedergegeben.) Man kann hier die Frage stellen, ob sich dieser Zusammenhang zwischen empiristischem und teleologischem Charakter, auf den Kutschern hinweist, nicht nur in Bezug auf intuitionistische Theorien des Objektivismus zeigt, sondern auch in Wellmans Theorie. Es stellt sich also die Frage, ob und inwiefern Wellmans teleologische Theorie einen empiristische Zug aufweist. Man kann argumentieren, dass auch Wellmans Theorie als empiristisch verstanden werden kann, weil in der moralischen Beurteilung die einzelne Handlung im konkreten Kontext betrachtet wird. Die Frage, ob eine Handlung bzw. Unterlassung erlaubt, geboten, verboten, ob ein Recht auf diese Handlung besteht etc., wird anhand der relevanten Fakten entschieden, die in der jeweiligen Situation, in der die betreffende Handlung stattfindet oder stattfinden soll, unter Voaussetzung bestimmter Werte als moralische Gründe darüber Auskunft geben. In Wellmans Theorie orientiert sich der moralisch Argumentierende oder Beurteilende nicht oder nicht primär an der Handlungsweise, d.h. an der Hypothese, dass alle oder die meisten Vollzüge der entsprechenden Handlungsweise moralischrichtigeHandlungen ergeben. Zur Frage, ob Zusammenhänge zwischen teleologischen und deontologischen rien bestehen können - Da bisher von den Unterschieden zwischen teleologischen bzw. konsequentialistischen und deontologischen Theorien die Rede war, stellt sich auch die Frage, ob zwischen diesen Theorien Zusammenhänge denkbar sind bzw. ob sie einander ergänzen können. Die folgenden Bemerkungen zu einem Beispiel aus der Literatur seien hier in Parenthese angeführt. Neumann bemerkt in seinem Artikel über deontologische und konsequentialistische Argumentationen in Recht und Moral, dass „in kodifizierten Rechtssystemen Regeln (Normen) eine andere Rolle spielen als in handlungsutilitaristischen Moralkonzeptionen." Vgl. Neumann (1994), S. 85 (und auch die nächste Endnote über den nicht utilitaristischen Charakter von Wellmans Theorie). Im System kodifizierter Rechtsordnungen führe der Weg von der Norm zu der Entscheidung eines konkreten Falles. Die Norm, die es verbiete, vor Gericht falsch auszusagen, sehe keine Ausnahmeklausel für die Fälle vor, in denen der Zeuge die Unwahrheit sage, um nicht den im Gerichtssaal anwesenden Verfolger auf die Spur seines potentiellen Opfers zu führen. Das Strafrecht erweise sich damit in seiner Verbotsmaterie grundsätzlich als ein deontologisches System. Eine konkrete Handlung sei nicht deshalb verboten, weil ihre Ausführung schlechte Folgen habe, sondern: weil eine Norm existiere, die die Vornahme von Handlungen dieses Typs verbiete. Daraufhin bemerkt Neumann, dass wenn dies das letzte Wort der Rechtsordnung wäre, dann wären Konsequenzen, wie sie Kant bei der Erörterung des Lügenbeispiels gezogen habe, unvermeidlich. Moderne Rechtsordnungen vermieden diese Konsequenzen, indem sie dierigorosen Folgen der deontologischen Grundstruktur des Rechtssystems durch den Einbau konsequentialistischer Korrektive abfederten. Schaltstellen dafür seien die Bestimmungen über den rechtfertigenden Notstand, die die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit einer Handlung explizit von den Folgen abhängig machten, die diese Handlung in dem konkreten Fall herbeiführe. Neumann illustriert dies an folgendem Beispiel (§ 34 StGB-BRD): „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Ab-
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wägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden." Vgl. Neumann (1994), S. 85 f. Neumann bemerkt, dass sich diese Regelung als konsequentialistisch erweist und als handlungsutilitaristische Regelung zu verstehen ist, da sie lediglich eine Abwägung der Folgen der Vornahme und der Unterlassung der konkreten Handlung verlangt. Zu diesen Ausführungen Neumanns kann man Folgendes bemerken: Die modernen Rechtsordnungen zu Grunde liegenden Überlegungen, die in Bezug auf die deontologische Grundstruktur des Rechtssystems angestellt werden und in den Einbau konsequentialistischer Korrektive münden, können als konsequentialistisch interpretiert werden. Da vonrigorosen Folgen des deontologisch strukturierten Rechtssystems die Rede ist, kann man davon ausgehen, dass dieses Rechtssystem im Rahmen eines übergeordneten konsequentialistischen Systems betrachtet wird, in dem die genannten Folgen (in Bezug auf bestimmte Werte, die oben nicht genannt werden) als ,rigoros" bzw. nicht wünschenswert erkannt werden. Die oben genannte Lösung, die im Einbau konsequentialistischer Korrektive (in diesem Beispiel haben sie die Form einer handlungsutilitaristischen Regelung) in das deontologisch strukturierte Rechtssystem besteht, ist demnach als Lösung innerhalb der übergeordneten konsequentialistischen Betrachtung zu verstehen. In diesem Beispiel zumindest zeigt sich, dass ein teleologisches bzw. konsequentialistisches System eine übergeordnete Funktion in Bezug auf ein bestimmtes deontologisches Normensystem haben kann, indem es eine Betrachtung und Bewertung des letzteren hinsichtlich seiner Konsequenzen ermöglicht. Zudem zeigt sich, dass der im Rahmen einer konsequentialistischen Betrachtung erkannte Mangel des deontologisch strukturierten Systems im Rahmen dieser Betrachtung mit konsequentialistischen Mitteln behoben werden kann. In diesen Überlegungen zeigt sich also, wie im Rahmen einer konsequentialistischen Betrachtung ein deontologisches System mit konsequentialistischen Elementen in einen Zusammenhang gebracht werden kann. Neumann weist jedoch anschließend darauf hin, dass mit der Einführung einer allgemeinen Notstandsregelung nach dem Muster des § 34 StGB-BRD in die Rechtsordnung, das Problem der unzureichenden Flexibilität des Normensystems gelöst ist, allerdings um einen hohen Preis: denn als Folge dieser utilitaristischen Generalklausel drohe eine Umstrukturierung des Strafrechts von einem norm- zu einem folgenorientierten System von Handlungsanweisungen. Vgl. ebd., S. 86. Regelungen wie § 34 StGB degradierten strafrechtliche Verbotsnormen damit tendenziell zu prima-facie Regeln, die die definitive Bewertung von Handlungen dem konsequentialistischen Kalkül überantworteten. Dieser Gefahr begegne § 34 StGB durch die Einfügung deontologischer Regelungselemente: dem Erfordernis eines „wesentlichen" Überwiegens des zu schützenden Interesses und durch die Regelung, derzufolge eine Rechtfertigung auch bei positiver Interessenbilanz nur in Betracht komme, wenn die Tat ein angemessenes Mittel sei, um die Gefahr abzuwenden. Neumann zeigt hier eine problematische Konsequenz der vorhin erörterten Lösung auf. Da auch hier von einer Folge die Rede ist, die eine Gefahr mit sich bringt, kann man davon ausgehen, dass das Problem wiederum im Rahmen einer konsequentialistischen Betrachtung erkannt wird. Das hier auftretende Problem könnte man folgender-
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maßen interpretieren: Den Regeln des Strafrechts wird (im Rahmen eines bestimmten Systems) ein bestimmter Wert zugeschrieben. (Ihr Wert kann z.B. praktischer Natur sein, insofern sie eine einheitliche Beurteilung ermöglichen.) Die vorhin diskutierte Lösung, die in einer handlungsutilitaristischen Regelung besteht, hat im Rahmen einer weiteren konsequentialistischen Betrachtung, die nun vorgenommen wird, die negative Konsequenz, dass sie die Regeln des Strafrechts zu prima-facie Regeln „degradiert". Das im Rahmen dieser konsequentialistischen Betrachtung erkannte Problem wird im Ramen dieser Betrachtung durch deontologische Bestimmungen gelöst. Insofern zeigt sich in diesem Fall erstens, dass ein konsequentialistisches System auch zur Betrachtung und Bewertung eines anderen konsequentialistischen (in diesem Fall: eines handlungsutilitaristischen) Systems dienen kann und, zweitens, dass ein im Rahmen dieser Betrachtung erkannter Mangel des letzteren mit deontologischen Mitteln behoben werden kann. Zur vorhin genannten Frage, ob Zusammenhänge zwischen teleologischen (konsequentialistischen) und deontologischen Theorien bestehen können, kann man also zusammenfassend Folgendes sagen: In dieser kurzen Erörterung von Neumanns Analyse zeigt sich erstens, dass konsequentialistische Überlegungen sowohl zur Betrachtung und Beurteilung bestimmter deontologischer als auch bestimmter konsequentialistischer (handlungsutilitaristischer) Systeme bzw. Regelungen dienen können. Zweitens zeigt sich, dass ein (übergeordnetes) konsequentialistisches System sowohl erlaubt, die in ihm erkannten Mängel eines bestimmten deontologischen Systems durch bestimmte konsequentialistische Elemente zu beheben, als auch die in ihm erkannten Mängel eines bestimmten konsequentialistischen (handlungsutilitaristischen) Systems durch bestimmte deontologische Elemente zu beheben. Neumanns Aufsatz enthält noch eine Reihe weiterer interessanter Bemerkungen, die hier nicht berücksichtigt werden können. v
(S. 317) Wie wir gesehen haben, bemerkt Wellman, dass nach moralischen Gründen zu handeln nicht bedeutet, notwendig Nutzen zu maximieren. Vgl. Wellman (1995), S. 103. Erstens setzten moralische Gründe weder eine Kalkulation der Gesamtsumme noch ein reines Gleichgewicht aller Werte und Unwerte, die durch eine Handlung hervorgebracht würden, voraus. Zweitens sei der Bereich der von den moralischen Gründen vorausgesetzten Werte auf jene eingeschränkt, die primär mit Geselligkeitsfaktoren und sekundär mit verknüpften Charakteristika des sozialen Lebens verbunden seien. Die Unangemessenheit der utilitaristischen Darstellung zeigt sich nach Wellman in Bezug darauf, dass moralische Gründe auch Gründe seien, auf die Handlung einer Person gegebenenfalls zu reagieren. Wenn jemand seine Frau schlage, so besteht der Grund, ihn zu missbilligen, darin, dass seine Handlung Persönlichkeitsmerkmale widerspiegle, die für die Werte der Geselligkeit und des vertrauten Familienlebens schädlich seien. Die Gründe für moralische Gefühle seien teleologisch, aber nicht utilitaristisch. Man missbillige den Schlagenden nicht, weil es nützlich sei, sich in dieser Weise ihm gegenüber zu fühlen. Die Gründe, die andere hätten, ihn zu missbilligen, seien die bösen Neigungen, die er in seiner vergangenen Handlung gezeigt habe und nicht die zukünftigen nützlichen Konsequenzen des Empfindens von Missbilligung. Ergänzend sei erwähnt, dass Wellman an anderer Stelle Folgendes bemerkt: Die grundlegenderen Werte, auf denen moralische Gründe gründeten seien auf jene beschränkt, die speziell für Individuen relevant seien, die miteinander in Gesellschaft lebten. Vgl. (1997), S. 45. An diesem Punkt habe er (sc. Wellman) seinen Gründe-Utilitarismus
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aufgegeben, weil jeder genuine Utilitarismus die Betrachtung aller Werte verlange, die aus den Handlungen und Reaktionen hervorgingen. In Bezug auf diese Bemerkungen stellt sich folgende Frage: Wenn sich in Wellmans Theorie weder hinsichtlich der vorausgesetzten Werte noch hinsichtlich des Kriteriums (z.B. die Kalkulation der Gesamtsumme oder ein reines Gleichgewicht aller Werte und Unwerte, die durch Handlung hervorgebracht werden) zur Entscheidung, welche Handlungrichtigist, utilitaristische Elemente finden, dann werden moralische Gründe (und möglicherweise auch das Motiv der Handlung) nicht durch Nutzen oder nicht nur durch Nutzen erklärt. Wellman will seine teleologische Theorie in gewisser Hinsicht nicht auf eine utilitaristische reduzieren. Dann stellt sich aber die Frage, was in Wellmans teleologischer Theorie in der Erklärung moralischer Gründe anstelle des Nutzens steht bzw. ob nicht doch an irgendeiner Stelle Nützlichkeit eine Rolle spielt. Die Rede von Nutzen müsste gegebenenfalls in Bezug auf die vorausgesetzten Werte zu finden sein mit Bezug auf ein Subjekt (den Einzelnen oder die Gemeinschaft). Unter dieser Voraussetzung würden dann Handlungen und ihre Konsequenzen in Bezug auf die vorausgesetzten Werte nach dem Gesichtspunkt Nutzen beurteilt. Eine Handlung wäre demnachrichtigoder unrichtig, je nachdem, ob sie und ihre Folgen in Bezug auf die vorausgesetzten Werte nützlich sind oder nicht. Es hat den Anschein, als ob die meisten der zu den vorausgesetzten Werten zählenden Geselligkeitsfaktoren (Charakterzüge oder Einstellungen) wie Vertrauenswürdigkeit, Verantwortung, Gewissenhaftigkeit, Wohlwollen, Zuverlässigkeit oder Respekt vor der Autonomie anderer sich unabhängig davon, ob sie für den Einzelnen und die Gemeinschaft auch nützlich sind, als Werte verstehen lassen und dass sie insofern anstelle des Wertes Nutzen bzw. der mit ihm verwandten Werte stehen. Die genannten Geselligkeitsfaktoren sind dafür entscheidend, ob die zwischenmenschlichen Beziehungen eng und lohnend oder entfremdend und ungerecht sind. Vgl. Wellman (1995), S. 101. Insofern zwischenmenschliche Beziehungen als für das Wohlergehen des Einzelnen als Mitglieds einer Gemeinschaft entscheidend betrachtet werden können, können die genannten Geselligkeitsfaktoren mittelbar, in Bezug auf das eigene Wohlergehen auch einen Nützlichkeitsaspekt erhalten. Die Bedeutung zwischenmenschlicher Verhältnisse wie z.B. zwischen Kollegen für das eigene Wohlergehen und für das der anderen zeigt sich am Beispiel Versprechen, das Wellman erörtert. Nach Wellman bildet die Erkenntnis, dass die Nichteinhaltung eines Versprechens ein persönliches Verhältnis schädigen würde, mit Bezug auf das eigene Wohlergehen einen Klugheitsgrund, der einen motiviert, sein Versprechen einzuhalten, und mit Bezug auf das Wohlergehen des anderen einen Nichtklugheitsgrund, der einen davon abhält, sein Versprechen nicht einzuhalten. Vgl. Wellman (1999), S. 221 [bzw. hier das Kapitel B., II., 3., a)., bb), (4)]. Wellman erklärt hier, dass das eigene Wohlergehen einen Klugheitsgrund bildet, der den Handelnden motiviert, sein Versprechen einzuhalten, d.h. moralischrichtig zu handeln. In dieser Erkenntnis und Motivation kann man einen Nützlichkeitsaspekt sehen. Das Wohlergehen des Anderen bildet nach Wellman für den Handelnden einen Nichtklugheitsgrund, sein Versprechen einzuhalten. Dieser Nichtklugheitsgrund, wie immer er auch aussehen mag, schließt nicht aus, dass es einen gewissen Zusammenhang mit dem eigenen Wohlergehen gibt, sodass der Handelnde hier zusätzlich auch aus einem Klugheitsgrund handelt. Da der Handelnde mit anderen in Gemeinschaft lebt, ist auch ihr Wohlergehen in gewisser Hinsicht für die zwischen ihnen und ihm gegebenen bzw. möglichen Beziehungen und
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damit für sein eigenes Wohlergehen relevant. In diesem Beispiel zeigt sich, dass zumindest und vielleicht gerade in Fragen der Motivation, nach moralischen Gründen zu handeln, auch Nützlichkeitsaspekte eine Rolle spielen können und die Erkenntnis der Wichtigkeit vorausgesetzter Werte für zwischenmenschliche Beziehungen begleiten können. Auf die Frage, ob sich in Wellmans Erklärung, utilitaristische Kriterien in Bezug auf die Beurteilung, welche von mehreren möglichen Handlungen dierichtigeist, finden lassen, wird in einer Fußnote in der Erörterung der Konsequenzen von Handlungen eingegangen. Die Ansicht, dass die teleologische Theorie nicht mit dem Utilitarismus zusammenfallen muss, vertritt neben Wellman z.B. auch Kutschera: „Ein teleologischer Ansatz läuft nicht schon auf einen Utilitarismus hinaus." Vgl. Kutschera (1982), S. 70 f. Kutschera erörtert auch den Unterschied zwischen deontologischen und utilitaristischen Theorien in Bezug auf höchste Güter und unverletzliche Rechte. Er erwähnt folgendes Argument (das man für eine deontologische Theorie anführen könnte): „Nach teleologischer Auffassung gibt es keine unverletzlichen Rechte. Auch fundamentale Rechte wie das Recht auf Leben oder das Recht auf unparteiliche Rechtsprechung können durch Nützlichkeitserwägungen im Einzelfall aufgehoben werden." Als Kritik an diesem Argument führt er an: „Die These, dass es im Rahmen einer teleologischen Theorie keine unverletzlichen Rechte gebe, ist aber nicht haltbar. Das hängt vielmehr von der zugrunde gelegten Wertordnung ab. Das teleologische Grundgebot fordert nur, eine der Handlungsweisen zu vollziehen, die unter den gegebenen Umständen optimale Resultate erwarten lassen. Daraus folgt weder, dass es für jede Handlungsweise Situationen gäbe, in denen es nicht geboten ist, sie zu vollziehen, noch dass Abweichungen, wo sie teleologisch geboten sind, moralisch unakzeptabel wären. Lügen hat in der Regel moralisch schlechte Folgen; daher ist es auch nach teleologischer Auffassung in der Regel verboten zu lügen. Auch der Deontologist wird aber nicht bestreiten können, dass es Fälle geben kann, in denen dieses prima-facie-Gebot aufgehoben wird. Kann ich z.B. durch eine Lüge ein Menschenleben retten, so gebietet mir eine Güterabwägung, das zu tun. Wo immer aber Güterabwägung anerkannt wird, wird der Grundgedanke des deontologischen Ansatzes aufgegeben. Man sieht dabei auf die Folgen einer Handlung und nicht auf den Wert, den eine Handlungsweise in sich hat. Das Prinzip der Güterabwägung besagt nicht, jedes Gebot könne durch Güterabwägung aufgehoben werden. Die Anerkennung höchster Güter, deren Verlust für den Einzelnen nicht durch den Gewinn geringerer Güter durch andere aufgewogen werden kann, ist mit der teleologischen These (wenn auch nicht mit dem Utilitarismus) durchaus verträglich." Kutschera erläutert in Bezug auf ein erörtertes Beispiel: „ A n e r k e n n t man ..., dass Gerechtigkeit eines der höchsten Güter ist, so kann man auch bei einem teleologischen Ansatz den Anspruch des Angeklagten auf ein gerechtes Urteil höher bewerten als den Schaden, der bei einem Freispruch entsteht." Eine kurze Erörterung des (Akt- und Regel-)Utilitarismus findet man z.B. in Wellman (1988), S. 38 ff. Dort bemerkt er auch, dass er gern ein Aktutilitarist sein würde - ebd., S. 47 - doch er sei sich keineswegs sicher, dass er diese Position schließlich verteidigen können werde. Vgl. ebd., S. 49. Da Wellman mit dieser knappen Bemerkung eine Tendenz in seiner eigenen Sichtweise verrät, sei an dieser Stelle eine kurze Charakterisierung des Aktutilitarismus aus der Literatur erwähnt, in der erklärt wird, warum sich der Aktutilitarist nicht an Regeln orientiert. Vor diesem Hintergrund wird auch Wellmans Kritik an der Auffassung moralischer Normen als Regeln oder Prinzi-
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pien nachvollziehbarer. Der Handlungs- bzw. Aktutilitarist würde die Annahme eines Verbots, z.B. zu lügen, nicht anerkennen. Vgl. Neumann (1994), S. 83. Er werde Lügen unter gewissen Umständen als gut, unter anderen als schlecht beurteilen, je nach den Folgen. Eine Regel, dass Lügen im allgemeinen moralisch schlecht wäre, würde sich nur formulieren lassen, wenn statistisch feststünde, dass Lügen in der Mehrzahl der Fälle nachteilige Folgen habe. Regeln interessierten den konsequenten Utilitaristen nicht als normative, sondern als empirische Regeln - als Faustregeln, die unter dem Vorbehalt der genaueren Kenntnis des jeweiligen Einzelfalls stünden. Diese Regeln würden induktiv gebildet, und sie erschöpften sich in enumerativen oder statistischen Angaben über eine Mehrzahl moralisch angemessener Einzelfalllösungen. Vgl. ebd., S. 85. Eine solche Faustregel habe deshalb niemals einen argumentativen Wert für die moralische Bewertung des Einzelfalls. [Vgl. auch hier die kurzen Erörterungen in der Einleitung, Abschnitt A., IX., 2., a)] Zum Utilitarismus allgemein vgl. z.B. die Artikel „Utilitarismus" in HWB, Bd. 3, S. 666 f., und „Utilitarianism" in REP, Bd. 8, S. 551-557. V1
(S. 322) Wellman hat, wie wir gesehen haben, seine teleologische Erklärung moralischer Gründe von einer utilitaristischen Theorie in der Hinsicht abgegrenzt, dass sie weder eine Kalkulation der Gesamtsumme noch ein reines Gleichgewicht aller Werte und Unwerte voraussetzt, die normalerweise durch eine Handlung hervorgebracht werden. Vgl. Wellman (1995), S. 103. Man kann hier die Frage stellen, ob dadurch schon problematische Konsequenzen ausgeschlossen werden, wie sie z.B. der Utilitarismus mit sich bringt. Z.B. dass ein Sheriff einen Unschuldigen hinrichten sollte, um einen Aufruhr zu vermeiden und um das größtmögliche Glück aller zu erreichen, das unter den Umständen möglich ist? Vgl. den Artikel „Utilitarismus" in: REP, Bd. 8, S. 555 f. Eine wesentliche Rolle im Ausschluss solcher Konsequenzen könnten die Werte spielen, die in der jeweiligen teleologischen Theorie vorausgesetzt werden. Darauf wird im Folgenden, in der Erörterung der vorausgesetzten Werte noch eingegangen. Man kann hier aber die Frage stellen, ob im Vergleich zum sehr allgemeinen und unspezifischen Wert Glück mancher utilitaristischen Ethik konkretere Werte wie Vertrauenswürdigkeit, Kooperationsbereitschaft oder das Leben des Einzelnen z.B. die Anzahl der in Betracht zu ziehenden Konsequenzen in Bezug auf andere Personen in irgendeiner Weise reduzieren, die die Beurteilung derrichtigenHandlung erleichtern oder sogar ohne weitere Kriterien ermöglichen würde. Zur Beantwortung dieser Frage wäre eine Untersuchung qualitativ unterschiedlicher Werte erforderlich. Fragen in Bezug auf die mögliche Rolle der Beschaffenheit vorausgesetzter Werte lassen sich auch in anderer Hinsicht stellen. Wie man anhand von Beispielen sehen kann, können von einer Handlung mehrere Personen auf die Art betroffen sein, dass die Konsequenzen ein und derselben Handlung auch unter Voraussetzung eines konkreten Wertes für eine Person gut, für eine andere aber schlecht sind. So z.B. in einer Situation, wo eine Mutter nur eines ihrer beiden in Not geratenen Kinder retten kann. Demnach gibt es Probleme, die zumindest zu einem Teil aufgrund empirischer Gegebenheiten entstehen können: z.B. dass es Situationen gibt, in denen mehrere Personen in gleicher Weise betroffen sind, dass in diesen nur eine Handlung möglich ist, dass eine Handlung mehrere Konsequenzen haben kann, die mehrere Personen zugleich in gleicher oder unterschiedlicher Weise betreffen können etc. Hier stellt sich die Frage, ob bestimmte Probleme auch mit der Beschaffenheit vorausgesetzter Werte in irgendeiner Weise zusammenhängen oder davon unabhängig auftreten und sich insofern auch nicht durch
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Faktoren wie Beschaffenheit oder Konkretheit der vorausgesetzten Werte vermeiden lassen. Gibt es also spezifische Situationen und Probleme, die sich z.B. unter Voraussetzung des Wertes Leben ergeben können, unter Voraussetzung anderer Werte wie Kooperationsbereitschaft oder Vertrauenswürdigkeit aber nicht? Zur Beantwortung dieser Frage wäre eine Untersuchung einiger Beispiele erforderlich. Empirische Gegebenheiten wie die vorhin genannten könnten für die Bestimmung der Kriterien zur Entscheidung, welche Handlung in Bezug auf einen vorausgesetzten Wert dierichtigeist, eine Rolle spielen. Kriterien wie Kalkulation oder Maximierung (z.B. des Gesamtnutzens) oder Abwägung (z.B. der guten gegenüber den schlechten Konsequenzen) dürften zu einem Teil auf empirischen Voraussetzungen beruhen wie z.B. den Tatsachen, dass Handlungen mehrere und auch verschiedene Konsequenzen haben können, die in derselben oder unterschiedlicher Weise relevant sein können. Zu einem anderen Teil dürfte die Beschaffenheit bestimmter dieser Kriterien mit der (in manchen Fällen empirischen) Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte zusammenzuhängen. Z.B. dürfte das utilitaristische Kriterium Maximierung mit der Beschaffenheit von Werten wie Glück oder Wohlergehen zusammenhängen: diese Werte lassen Grade zu und können als maximierbar vorgestellt werden. Nimmt man hingegen als letzten Wert das individuelle Leben an, so stellt sich die Frage, ob in der Beurteilung der Konsequenzen in Bezug auf diesen Wert das Kriterium Maximierung sinnvoll angewendet werden kann. Ferner stellt sich die Frage, ob nicht vielleicht auch die Struktur der teleologischen Theorie bzw. bestimmte ihrer Rahmenbedingungen oder bestimmte der in ihr gemachten Voraussetzungen etwas über die Beschaffenheit der in ihr verwendeten Kriterien besagen. Die teleologische Theorie besagt - einer gängigen Beschreibung nach - , dass in ihr der Wert einer Handlung nach dem Wert ihrer Resultate bemessen wird. Vgl. z.B. Kutschera (1982), S. 63. Sofern in dieser Theorie der Vollzug jener Handlung geboten ist, die unter den gegebenen Umständen optimale Resultate zu erwarten lässt, - vgl. z.B. ebd., S. 70 - liefert sie ein Entscheidungskriterium. In diesem werden zum einen empirische Faktoren berücksichtigt bzw. vorausgesetzt, z.B. dass mehrere Handlungen möglich sind, dass unterschiedliche Handlungen mit verschiedenen Resultaten möglich sind und relevant sein können, dass verschiedene Personen davon in unterschiedlicher Weise betroffen sein können und manches mehr. Zum anderen wird im Rahmen der teleologischen Theorie und dem in ihr gedachten Entscheidungskriterium vorausgesetzt, dass Handlungen und ihre Folgen relevant sind, dass die relevanten Handlungen und ihre Konsequenzen vergleichbar sein müssen, dass sie in gleicher Weise zu berücksichtigen sind etc. Ob sich allerdings anhand der Struktur bzw. bestimmter Rahmenbedingungen der teleologischen Theorie, ihres Entscheidungskriteriums sowie den darin gedachten Voraussetzungen auf die Beschaffenheit der vorausgesetzten Werte oder bestimmter Charakteristika dieser Werte schließen lässt, müsste eigens untersucht werden. Damit wurden einige Fragen genannt, die sich in Bezug auf Entscheidungskriterien im Rahmen der teleologischen Theorie stellen lassen. In Parenthese sei auch Folgendes erwähnt: Ein Entscheidungskriterium wie das soeben genannte im Rahmen der teleologischen Theorie bildet eine moralische Regel oder ein moralisches Prinzip nach dem man zu verfahren hat. Insofern kann man die Frage stellen, ob dies ein Problem für Wellmans Auffassung darstellt, wonach moralische Normen moralische Gründe sind. In (1995) versucht er zu zeigen, inwiefern seine Theorie moralischer Gründe teleologisch ist, geht aber nicht auf Fragen ein, die
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mit dieser Theorie verbunden sind. In (1971) versucht Wellman, im Kapitel über die deduktive Form des Schließens, Schwierigkeiten in Bezug auf ethische Prinzipien aufzuzeigen (wobei er auch auf das utilitaristische Prinzip zu sprechen kommt). Er erörtert dort unter anderem folgendes Argument für die deduktive Auffassung der ethischen Argumentation: dass sich jedes gültige ethische Argument immer in deduktive Form umformulieren lässt. Vgl. (1971), S. 10. Wellman stellt die Frage, ob es wahr sei, dass man immer eine oder mehrere Prämissen finden könne, um ein nichtdeduktives Argument in ein deduktives umzuformen. Die Schwierigkeit mit der Hinzufügung von Prämissen zu einem Argument sei, dass eine falsche oder zweifelhafte Prämisse für den Nachweis einer Schlussfolgerung nicht hilfreich sei. Wenn ethische Argumente in der Rechtfertigung ethischer Schlussfolgerungen von irgendeinem Nutzen sein sollen, müsse der Argumentierende in der Lage sein, sowohl die Prämissen als auch die Logik seines Argumentes zu rechtfertigen. Die Gültigkeit des Arguments zu retten, indem man nicht rechtfertigbare Prämissen hinzufüge, bedeute, das Argument nutzlos für die Rechtfertigung ethischer Aussagen zu machen. Dieser Preis sei zu hoch. Wellman bemerkt, dass er sich keine Art vorstellen könne, leitende (conductive) ethische Argumente in deduktive umzuformen, die nicht diesen Preis zu zahlen hätten, und erörtert einige eindeutige Alternativen. Das übliche Verfahren sei, ein ethisches Prinzip dem Argument hinzuzufügen. Dieses Prinzip diene dazu, die faktischen Prämissen mit dem ethischen Prädikat in Verbindung zu bringen, um so zu ermöglichen, eine ethische Schlussfolgerung aus den Fakten des Sachverhalts abzuleiten. Obwohl z.B. das Argument „Du solltest das Buch am Sonntag zurückgeben, weil du es versprochen hast" in dieser Form kein deduktives Argument sei, könnte es dazu gemacht werden, indem man die Prämisse hinzufüge ,JDu solltest immer tun, was du zu tun versprochen hast." Diese Prämisse sei aber unglücklicherweise nicht rechtfertigbar, weil sie z.B. impliziere, dass wenn man versprochen habe, eine Vereinbarung pünktlich einzuhalten, man sich nicht verspäten sollte, indem man z.B. auf dem Weg anhalte, um das Leben eines Menschen zu retten. Vgl. ebd., S. 11. Die offensichtliche Antwort wäre, dass man die falsche Prämisse hinzugefügt habe. Zweifellos gebe es Ausnahmen zur Regel, dass man immer seine Versprechen halten sollte, aber wenn diese Ausnahmen in die Regel eingebaut würden, dann werde die resultierende Regel niemals falsch sein. Wellman bemerkt, dass es im Prinzip immer möglich sei, unsere moralischen Regeln so umzuformulieren, dass sie ausnahmslos wahr seien. Er glaubt aber nicht, dass wir in der Praxis jemals fähig sein würden, dies zu tun. Erstens gebe es viele Situationen, in denen wir ein Versprechen brechen sollten. Zweitens sei jede der Überlegungen, die solche Situationen definierten, eine Frage des Grades. Es wäre notwendig in der Regel zu spezifizieren, welcher Grad an Lebensgefahr welchen Grad an Emst (solemnity) von Versprechen überwiege etc. Wellman bemerkt, dass er sich nicht in der Lage sieht, irgendeine ethische Verallgemeinerung zu formulieren, die ihm universell wahr zu sein scheint und dass er sich immer Ausnahmen zu den Prinzipien denken kann, die sich andere ausdenken. Bis wir tatsächlich solche Prinzipien formulieren könnten, sehe er nicht, wie wir von ihnen Gebrauch machen könnten, um unsere ethischen Schlussfolgerungen zu rechtfertigen. Die bloße Tatsache, dass ethische Prinzipien prinzipiell möglich sind, zeige noch nicht, dass wir unsere ethischen Aussagen durch deduktive Argumentation (reasoning) aus solchen Prinzipien rechtfertigten oder rechtfertigen könnten. Daraufhin kommt Wellman auf das utilitaristische Prinzip zu sprechen. Er bemerkt, dass er nicht alle Hoffnung, ethische Prinzipien zu formulieren, aufgegeben habe. Z.B.
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hoffe er das Nutzenprinzip eines Tages in eine haltbare Form umzuformulieren. Er erörtert daraufhin die Frage, ob, wenn man annimmt, dass das utilitaristische Prinzip in der Form „man sollte immer die Handlung tun, die den größten Betrag an Gutem hervorbringt" universell wahr ist, man besondere Verpflichtungen aus dieser Regel ableiten kann. Wellmans weitere Argumentation wird hier nicht wiedergegeben. Was folgt aus diesen Bemerkungen Wellmans aus (1971) in Bezug auf seine teleologische Erklärung moralischer Gründe in (1995)? Wie sich aus Wellmans Erörterungen des Beispiels des ethischen Prinzips, seine Versprechen zu halten, zeigt, schließt er die theoretische Möglichkeit nicht aus, es so umzuformulieren, dass es immer wahr ist. Die Schwierigkeiten sind, wie er an diesem Beispiel zeigt, empirischer und praktischen Natur: sie betreffen die praktische Möglichkeit ein solches Prinzip zu formulieren; denn man müsste alle Ausnahmen und Grade, in denen ein Grund den Ernst des Versprechens aufwiegt, berücksichtigen. Man kann nun die Frage stellen, ob dieses Argument auch auf das utilitaristische Prinzip zutrifft. Dabei muss man Folgendes berücksichtigen: In beiden ethischen Prinzipien wird eine Handlungsweise vorgeschrieben: im ersten, immer seine Versprechen zu halten, im zweiten, immer die Handlung zu tun, die den höchsten Betrag an Gutem hervorbringt. Während jedoch im ersten Prinzip gesagt wird, welche konkrete Handlung, nämlich seine Versprechen zu halten, in jedem einzelnen Fall getan werden soll, wird im utilitaristischen Prinzip nicht gesagt, welche Handlung in jedem einzelnen Fall getan werden soll. Analog zum ersten moralischen Prinzip lassen sich auch beim zweiten moralischen Prinzip Fälle denken, in denen die in ihm formulierte Handlungsweise untragbare Konsequenzen haben kann; allerdings erst, wenn man festlegt, worin das Gute besteht. Besteht das Gute z.B. im Wohlergehen der Mehrheit, so kann es Situationen geben, in denen die Handlung, mit der der höchste Betrag an Wohlergehen der Mehrheit erreicht werden kann, problematische Konsequenzen (z.B. die Opferung einiger Unschuldiger) haben kann. Insofern müsste auch das in Bezug auf einen konkreten Wert formulierte utilitaristische Prinzip, wenn es in allen Fällen wahr sein sollte, in ähnlicher Weise so umformuliert werden, dass alle möglichen Ausnahmen darin berücksichtigt sind. Auch wenn die Möglichkeit einer solchen Umformulierung theoretisch besteht, dürften wir praktisch kaum in der Lage sein, eine solche Umformulierung vorzunehmen. Dazu ist Folgendes zu bemerken. Ein Teil von Wellmans oben erwähnter Argumentation kann so verstanden werden, dass sie in einem konsequentialistischen Rahmen erfolgt. Denn das Argument, das er gegen die Nichtrechtfertigbarkeit eines allgemein formulierten Prinzips, wie z.B. des ethischen Prinzips, seine Versprechen immer zu halten, vorbringt, betrifft mögliche problematische Konsequenzen. Das bedeutet, dass dieses konkrete Prinzip, oder genauer, die nach ihm erfolgenden konkreten Handlungen, zum Gegenstand einer weiteren bzw. allgemeineren konsequentialistischen Betrachtung in Bezug auf einen weiteren Wert gemacht werden können, in der sie (und damit das Prinzip, das sie verkörpern), hinsichtlich ihrer Folgen beurteilt werden. In diesen ethischen Prinzipien wird jeweils ein bestimmter Wert gedacht: im ersten besteht der Wert im Halten seiner Versprechen, im zweiten, sofern es konkretisiert gedacht wird, in dem jeweiligen Guten, z.B. dem Hervorbringen des größten Betrags an Wohlergehen für die Mehrheit. Da die konsequentialistische Betrachtung erstens nicht auf bestimmte Werte eingeschränkt ist, da sie zweitens eine Betrachtung von Handlungen, die bestimmte Werte verwirklichen sollen, hinsichtlich ihrer Konsequenzen in Bezug auf weitere Werte erlaubt und da drittens unterschiedliche Werte denkbar sind, ist
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eine Betrachtung und Bewertung von Handlungen (und damit der ethischen Prinzipien, nach denen sie erfolgen, und der Werte, die sie verwirklichen sollen), hinsichtlich ihrer Konsequenzen, in den Situationen, in denen sie erfolgen, in Bezug auf andere Werte möglich. Die Betrachtung und Beurteilung der Konsequenzen einer bestimmten Handlung (und damit des Prinzips, das sie verkörpert, und des Wertes, den sie verwirklicht) ist im teleologischen (konsequentialistischen) Rahmen immer als etwas relatives zu betrachten, das nicht an der Beschaffenheit der betreffenden Werte bzw. der gebotenen Handlungsweise allein liegt, sondern in der Betrachtung und Bewertung der Konsequenzen dieser Handlung in Bezug auf andere Werte. Nun kann man die Frage stellen, ob Wellmans Argumentation auch das teleologische Prinzip in der sehr allgemeinen (oder vielleicht allgemeinsten) Form, also in der Form „dass die Handlung geboten ist, die unter den gegebenen Umständen optimale Resultate zu erwarten lässt" betrifft. Hier liegt ein allgemeingültiges ethisches Prinzip (eine ethische Regel) vor. Ebenso wie das vorhin diskutierte utilitaristische Prinzip ist das teleologische Prinzip in dieser allgemeinen Form nicht auf einen bestimmten Wert festgelegt und kann somit auch keine konkreten Handlungen vorschreiben (mit denen ein Wert verwirklicht werden soll). Das teleologische Prinzip in dieser allgemeinen Form dürfte auch in Wellmans Sicht unproblematisch sein; und zwar insofern, als die in ihm genannte Handlungsweise nicht in Bezug auf einen Wert definiert bzw. eingeschränkt wurde und daher nicht in Bezug auf einen anderen Wert problematische Konsequenzen haben kann. Daher kann hier weder von problematischen Konsequenzen noch von Ausnahmen noch davon die Rede sein, dass dieses Prinzip falsch ist (in der Bedeutung, in der sie Wellman vorhin verwendet hat). Wenn diese Überlegungen stimmen, dürfte also Wellmans Argumentation auf dieses ganz allgemeine teleologische ethische Prinzip nicht anwendbar sein. Man kann also sagen, dass die teleologische Theorie auch in Wellmans Auffassung ein allgemeines ethisches Prinzip enthält, dass er aber bestreitet, dass die konkreten Formulierungen desselben in Bezug auf konkrete Werte ethische Prinzipien (oder Regeln) mit allgemeiner oder ausnahmsloser Gültigkeit sein können. Was sich anhand dieser Überlegungen feststellen lässt, ist Folgendes: Die Gültigkeit eines ethischen Prinzips, das auf einen bestimmten Wert bezogen ist und eine bestimmte Handlungsweise in Bezug auf diesen vorschreibt, ist im Rahmen der teleologischen Theorie relativ. Denn die Handlungen, die es vorschreibt, können hinsichtlich ihrer Folgen immer in Bezug auf andere Werte betrachtet und bewertet werden. Man könnte hieraus zwei Schlüsse ziehen: Entweder ist im Rahmen der teleologischen Theorie jedes konkrete ethische Prinzip hinsichtlich seiner Gültigkeit relativ; oder es ist auch denkbar, dass es eine Art von Werten gibt, die nicht relativ sind, also nicht in Bezug auf andere Werte als problematisch betrachtet bzw. bewertet werden können. Die Frage, ob es möglicherweise einen Wert gibt, in Bezug auf den das genannte allgemeine teleologische Prinzip hinsichtlich anderer Werte zu keinen untragbaren Konsequenzen führt bzw. führen kann, kann hier nicht beantwortet werden. Dazu müsste man untersuchen, welche Arten von Werten es gibt, welche hier in Frage kommen und welche Konsequenzen sie für andere Werte haben können. Die bisherigen Überlegungen legen die Annahme nahe, dass jede Formulierung des teleologischen Prinzips in Bezug auf einen konkreten Wert zumindest potentiell problematisch ist, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass die in ihr gedachte Handlungsweise in bestimmten Situationen Konsequenzen haben kann, die im Rahmen einer weiteren Betrachtung als prob-
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lematisch erkannt werden können. Andererseits legt auch die Tatsache, dass bestimmte Formulierungen des teleologischen Prinzips mit Bezug auf einen konkreten Wert wie z.B. das größtmögliche Glück aller, in bestimmte Situationen Handlungen mit inakzeptablen Konsequenzen verlangen kann, die Annahme nahe, dass das Problem nicht nur an der Art der Situation, sondern auch an dem konkreten Wert liegt. Solcherart Schwierigkeiten, die sich durch Einsetzung konkreter Werte ergeben, machen, wie schon vorhin erwähnt, das teleologische Prinzip in seiner allgemeinen Form nicht unmöglich. Sie liefern jedoch in einer konsequentialistischen Betrachtung hinsichtlich anderer Werte einen Grund, das Prinzip umzuformulieren oder zu spezifizieren und sagen etwas über die eingesetzten Werte aus. Ob sich auf diese Weise, durch Einsetzung verschiedener Werte und der Beurteilung ihrer Konsequenzen im Licht anderer Werte, eine Hierarchie feststellen lassen könnte, muss auch offen gelassen werden. Mit diesen marginalen Überlegungen wurde der Versuch unternommen, die Frage zu klären, in welcher Hinsicht die Rede von moralischen Prinzipien (Regeln) nach Wellmans Auffassung im Rahmen der teleologischen Theorie problematisch ist. vu
(S. 331) In diesem Zusammenhang kann man einige kritische Anmerkungen aus Rex Martins Rezension von Wellmans „Real Rights" erwähnen. Martin weist darauf hin, dass Wellmans Ausführungen zu den vorausgesetzten Gründen sehr knapp sind und dass diese Gründe ausdrücklich als nichtmoralisch (nonmoral) bezeichnet werden. Martin glaubt, dass der Inhalt moralischer Gründe und unsere Bezeichnung dieser Gründe als moralisch durch Bezug auf das, wofür sie Gründe sind, festgesetzt ist. Vgl. Martin (1998b), S. 976 f. Sie würden nicht als moralische Gründe bezeichnet, weil sie in einem Reich moralischer Fakten, in der Einrichtung des Universums oder in einer gut aufgebauten allgemeinen Theorie begründet seien, die selbst als moralisch oder ethisch gelte, sondern weil sie in bestimmten tatsächlichen Praxen entstünden und zu deren Rechtfertigung dienten (innerhalb der Institution der konventionellen Moralität). Martin meint, dass Wellmans Theorie uns zur Schlussfolgerung dränge, dass die rechtfertigende Kraft unmittelbarer (proximate) moralischer Gründe - und bis zu einem beträchtlichen Grad ihre eigene Rechtfertigung - eine institutionell eingerichtete (located) Angelegenheit sei; weil die Werte der Geselligkeit und des Lebens in der Gemeinschaft, die hinter diesen Gründen lägen, nicht invariable Allgemeinbegriffe der menschlichen Natur seien, sondern eher eine kulturelle und historische Eigentümlichkeit hätten. Moralische Gründe müssten als unmittelbare Gründe den Praxen, die sie rechtfertigten, angemessen sein und für die Menschen, die von ihnen Gebrauch machten und durch sie bewegt würden, in besonderer Weise verfügbar sein. Moralische Gründe seien einfach Gründe, die von Menschen in der Erörterung und Rechtfertigung ihrer moralischen Praxen tatsächlich gebraucht würden, welche auch immer diese sein mögen. Sie seien überzeugende Gründe für diese Praxen und diese Menschen. Solche Gründe könnten davon abhängig, ob sie durchführbar oder für die Geselligkeit (lokal verstanden) förderlich seien, als vernünftig (sensible) oder unvernünftig beurteilt werden; weiter als bis hierher könne man nicht gehen. Wellman würde, so Martin, diese Lesart seiner Darstellung nicht akzeptieren, was z.B. an der Stelle klar werde, wo er behaupte, dass solche Gründe nicht notwendig von jenen akzeptiert würden, auf die sie anwendbar seien. Martin kritisiert, dass wenn man all jene meine, auf die diese Gründe anwendbar seien, dann hätte es den Anschein, dass die meisten dieser Menschen diese Gründe akzeptieren müssten, d.h., sie müssten als Gründe für diese Menschen (aufgrund von Überlegung) akzeptabel sein.
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Sonst könnten sie nicht moralische Gründe für jene sein, auf die sie Anwendung fanden; weil sie keine Gründe für Pflichtinhaber sein könnten, ihre Pflichten zu erfüllen oder für andere ihnen nachzugehen, wenn sie sich vor ihren Pflichten drückten. Wenn also moralische Gründe, wie Wellman behaupte, handlungsbestimmend seien, d.h. Gründe für die Pflichtinhaber zu handeln und für andere zu reagieren, dann könnten sie in der praktischen Überlegung nur dann solcherart Gründe sein, wenn sie von den beteiligten Parteien akzeptiert würden. Insofern Wellman diesen Punkt über Akzeptanz (acceptance) [über allgemeine lokale Akzeptierbarkeit (acceptability)] zu bestreiten versuche, sei seine Darstellung moralischer Gründe nicht kohärent. Man kann die Frage stellen, inwiefern und inwieweit Martins Kritik Wellmans Theorie angreift. Wellman greift in seiner teleologischen Theorie auf weitere normative Voraussetzungen zurück, um moralische Gründe zu erklären, erklärt aber weder, warum diese außermoralische Werte sind, noch, wie er zu den konkreten Werten gelangt, die er erwähnt. Damit bleiben etliche wesentliche Fragen in Bezug auf ihre Begründung offen. Martins Ausführungen werfen aber, zum Teil wegen ihrer Kürze, ebenfalls Fragen auf. Martin erklärt nicht näher aufgrund welcher Voraussetzungen er zur Ansicht kommt, dass durch den Zweck und die Funktion moralischer Gründe (die er mit der Phrase „wofür sie Gründe sind" anspricht) der Inhalt und die moralische Qualität moralischer Gründe festgesetzt ist. Ferner behauptet er, dass uns die kulturelle und historische Eigentümlichkeit in den Werten der Geselligkeit oder des Lebens in der Gemeinschaft zur Schlussfolgerung drängt, dass die rechtfertigende Kraft unmittelbarer moralischer Gründe und zugleich bis zu einem gewissen Grad (wie er einräumt) ihre eigene Rechtfertigung eine institutionell eingerichtete Angelegenheit ist. Lässt sich dieser Schluss allein durch die kulturelle und historische Eigentümlichkeit, die Martin in den genannten Werten sieht, begründen? Sind nicht weitere Voraussetzungen erforderlich, damit solche Werte im Rahmen von Institutionen eine gewisse Funktion (z.B. rechtfertigende Kraft) erhalten? Martin erklärt hier nicht näher, wie eine Rechtfertigung institutioneller Praxen durch moralische Gründe zu denken ist, wenn die Rechtfertigung dieser moralischen Gründe (bis zu einem gewissen Grad) eine institutionelle Angelegenheit ist. Auch erläutert er nicht die Unterschiede zwischen den zu rechtfertigenden institutionellen Praxen und den sie rechtfertigenden moralischen Gründen. Ferner stellt sich die Frage, ob sich nachweisen lässt, dass die genannten Werte wirklich in jeder Hinsicht kulturell und historisch eigentümlich sind. Dazu müsste man untersuchen, worin diese Werte gründen und mit welcherart Parametern sie zusammenhängen. Ferner stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht moralische Gründe den Praxen, die sie rechtfertigen, angemessen sein und den Menschen, die von ihnen Gebrauch machen und durch sie bewegt werden, verfügbar sein müssen. Welche sind die Kriterien für Angemessenheit und Verfügbarkeit und unter welchen Voraussetzungen werden sie bestimmt? Aufgrund welcher Voraussetzungen urteilt Martin ferner, dass die Geselligkeit, in Bezug auf die man moralische Gründe, davon abhängig, ob sie durchführbar oder in anderer Weise förderlich sind, als vernünftig oder unvernünftig beurteilen könnte, lokal zu verstehen ist, wie er in Klammer hinzufügt, und dass man weiter als bis hierher nicht gehen kann? In Martins Auffassung von Moral scheinen Institutionen und Praxen, die er kulturell und historisch relativ begreift, eine wesentliche und vielleicht tragende Rolle zu spielen. Man kann am Rande die Frage stellen, ob der Begriff der Institution und der Praxis in jeder Hinsicht in dieser Weise relativ ist. Ist es nicht möglich, dass er z.B. als notwendiges Mittel zu einer konfliktfreien Form der Koexistenz bestimmte nichtrelative und invariable Charakteristika aufweist? Woraus lässt
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sich die kulturelle und historische Relativität der moralischen Gründe zur Rechtfertigung von Institutionen und Praxen erschließen? Und ist eine Auffassung, die diese Gründe kulturell und historisch relativ begreift, die einzig mögliche? In dem weiteren Punkt hat Martin gewissermaßen Recht, dass moralische Gründe in irgendeiner Hinsicht akzeptabel sein müssen, um handlungsbestimmend sein zu können. Ansonsten müsste Wellman in seiner Erklärung, wie moralische Gründe handlungsbestimmend sind, auf weitere Annahmen zurückgreifen. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern moralische Gründe in Wellmans teleologischer Theorie akzeptabel gedacht werden können. Man kann davon ausgehen, dass im Rahmen der teleologischen Theorie die Akzeptanz moralischer Gründe prinzipiell auf der Akzeptanz der vorausgesetzten Werte beruht. Obwohl Wellman nicht näher erörtert, inwiefern die vorausgesetzten Werte, die er nennt, akzeptiert werden, legen einige seiner Äußerungen nahe, dass sie in gewisser Hinsicht akzeptiert werden; so z.B. wenn er in Bezug auf diese Werte bemerkt, dass sie im menschlichen Leben wichtig sind und in der praktischen Argumentation großes Gewicht haben. Vgl. Wellman (1995), S. 103. Nach Martin setzt die Befolgung einer moralischen Pflicht voraus, dass diese moralische Pflicht vom Handelnden akzeptiert wird, und dies geht gewissermaßen damit einher, dass Handelnde sich nicht vor ihren moralischen Pflichten drücken. Dazu ist Folgendes zu bemerken: Nimmt man an, dass im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie vorausgesetzte Werte, in gewisser Hinsicht akzeptabel gedacht werden müssen, damit moralische Gründe handlungsbestimmend gedacht werden können, so bedeutet das nicht, dass man auch annimmt, dass jeder konkrete moralische Grund tatsächlich akzeptiert wird, dass also z.B. jede einzelne konkrete moralische Pflicht auch tatsächlich befolgt wird und dass sich niemand vor ihrer Befolgung drückt. Denn die Gültigkeit einer konkreten moralischen Pflicht steht und fällt im teleologischen Rahmen nicht mit ihrer tatsächlichen Befolgung, da die Gültigkeit der konkreten Pflicht auf einem vorausgesetzten Wert und seiner Akzeptanz beruht. Die Befolgung oder Nicht-Befolgung einer konkreten moralischen Pflicht sagt nur etwas über die Akzeptanz dieses konkreten moralischen Grundes, also der konkreten Anwendung eines vorausgesetzten Weites auf eine konkrete Situation und seine Gültigkeit in dieser Situation in den Überlegungen eines moralischen Handelnden aus. In diesem Aspekt scheinen sich Wellmans und Martins Auffassungen gewissermaßen zu unterscheiden. Die Akzeptanz vorausgesetzter Werte schließt unmoralisches Verhalten, also die Nicht-Akzeptanz eines konkreten moralischen Grundes oder einer konkreten Norm der Moralität in einer bestimmten Situation nicht aus. Die Nicht-Akzeptanz konkreter moralischer Gründe in bestimmten Situationen muss noch kein Problem für die Frage darstellen, warum sie gelten und daher handlungsbestimmend gedacht werden. Wenn z.B. einige Bewohner Bagdads die Museen und Spitäler ihrer Stadt in den anarchischen Zuständen nach dem Einmarsch der Alliierten geplündert haben, so muss das nicht unbedingt bedeuten, dass sie in keiner Weise eine moralische Pflicht bzw. Pflicht der Moralität, gemeinnützige Einrichtungen nicht zu plündern, akzeptieren. Problematisch wird die Erklärung, warum moralische Gründe gelten und daher handlungsbestimmend sind, dann, wenn man davon ausgeht, dass sie in einer großen Anzahl von Fällen von den Handelnden nicht akzeptiert werden. Dies wäre dann der Fall, wenn ein vorausgesetzter Wert in vielen Situationen zu inakzeptablen Resultaten führt. Der Unterschied der Auffassungen von Wellman und Martin in Bezug auf die Erklärung der Gültigkeit, Verfügbarkeit bzw. Akzeptanz moralischer Pflichten zeigt sich z.B. in Wellmans Rezension von Martins Buch „A System of Rights", wo er auf Mar-
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tins Auffassung eingeht: Vorausgehende Anerkennung, zumindest implizit, sei notwendig, weil man als verpflichtet betrachtet werden könne; aber jemand könne nicht als verpflichtet betrachtet werden, sofern er sich der Pflicht nicht bewusst sei. Vgl. Wellman (1995 a), S. 417. Folglich, nur wenn die Grundlagen einer Pflicht jemandem durch Reflexion über die moralischen und anderen Meinungen, die in der Gesellschaft akzeptiert seien, verfügbar seien und nicht durch solche Meinungen verhindert seien, könne die Pflicht (oder das Recht, das sie auferlege) wirklich sein. Wellman bemerkt dazu: Selbst wenn man annehme, dass die Grundlagen irgendeiner moralischen Pflicht für den Verpflichteten verfügbar sein müssen, warum müssen sie durch Reflexion über die Meinungen, die der eine oder andere in der Gruppe bereits akzeptiere, verfügbar sein? Warum könne man nicht sagen, dass sie im Licht der Meinungen verfügbar sein müssen, die jemand habe oder durch weitere Untersuchung und kritische Reflexion erwerben könnte? Überdies argumentiere Martin, dass damit eine Pflicht eine spezifisch moralische Pflicht sein könne, sie so sein müsse, dass sich der Handelnde bewusst sein könne, dass sie eine Pflicht sei; weil von jemandem nur behauptet werden könne, dass er eine moralische Pflicht als eine moralische Pflicht erfülle, wenn er mit dem Bewusstsein handle, dass es seine Pflicht sei, so zu handeln. Wellman bemerkt dazu, dass dies möglicherweise so sei. Aber jemand könne eine Pflicht haben, selbst wenn er nicht seine Pflicht tue, und jemand könne seine Pflicht tun, ohne sie als moralische Pflicht zu tun. Wellman zeigt mit diesen Bemerkungen, dass Martins Erklärungen der Existenz und Gültigkeit moralischer Pflichten sowie ihrer Akzeptanz und Verfügbarkeit für den Handelnden bestimmte Fragen offen lassen und eine andere Sichtweise zulassen. In gewisser Hinsicht wird ersichtlich, dass die teleologische Theorie, deren sich Wellman bedient, und die Unterscheidung zwischen Moral und Moralität gewisse Erklärungsmöglichkeiten der Existenz, Gültigkeit, Verfügbarkeit und Akzeptanz moralischer Gründe und Positionen wie z.B. Pflichten eröffnen und Aspekte zu unterscheiden erlauben, die in Martins Auffassung entweder gar nicht oder nicht in derselben Weise gegeben sind. Eine genauere Untersuchung der Unterschiede der beiden Auffassungen würde mit einer genaueren Untersuchung von Martins Auffassung einhergehen. In diesem Zusammenhang kann man unter anderem auf eine Möglichkeit, die Wellmans Erklärung moralischer Gründe trotz aller Schwierigkeiten eröffnet (oder, je nach Stärke der Auslegung: ermöglichen soll), hinweisen, die in Martins Auffassung zumindest nicht in derselben Form enthalten zu sein scheint und die man je nach Auffassung als Vorteil werten kann oder auch nicht. Wellman weist, wie wir gesehen haben [vgl. hier den Abschnitt B., IL, 1., b)], darauf hin, dass die Moral der Moralität logisch vorausgehe und dass moralische Gründe zuallererst Gründe für einzelne moralische Handelnde seien und nur sekundär und kraft ihrer spezifischen Natur Gründe für die Art von Praxen, die eine soziale Moralität konstituierten. Vgl. Wellman (1995), S. 48. Eines der Charakteristika von Wellmans Unterscheidung zwischen Moral und Moralität besteht darin, dass sie den Begriff „moralisch" in Bezug auf Voraussetzungen definiert, denen (als Kriterien und Korrektiven) die Praxen der Moralität genügen müssen und nicht umgekehrt. Auf dieser Unterscheidung beruht die Möglichkeit, Praxen einer Gesellschaft, vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, als defekt zu begreifen (vgl. Wellman (1985), S. 175 f., bzw. hier das Kapitel B., IL, 5., a), ee) „Auseinandersetzung Argumentationen, die die Existenz von Rechten an soziale bzw. institutionelle Voraussetzungen knüpfen", in dem sich Wellman auch mit Martins Auffassung über moralische Rechte auseinandersetzt).
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Der Unterschied zwischen Wellmans und Martins Auffassung erscheint in einer gewissen Hinsicht etwas geringer, wenn man Wellmans Bemerkung berücksichtigt, dass wenn sich ein moralisches Recht in keiner Weise in den moralischen Praxen einer Gesellschaft widerspiegelt, seine praktische Wichtigkeit für jeden Rechtsinhaber in dieser Gesellschaft stark beeinträchtigt sein wird. Vgl. Wellman (1985), S. 176. Da in Wellmans Theorie ein moralisches Recht aus einem Komplex moralischer Positionen besteht, kann man in so einem Fall Ähnliches über die praktische Wichtigkeit moralischer Positionen behaupten. Femer hat Wellman, wie wir gesehen haben, in der Erklärung der relativen moralischen Positionen Pflicht und Kompetenz (in Bezug auf die er auch alle weiteren definiert) eingeräumt, dass sie möglicherweise nur in institutionellen Kontexten auftreten. V1 " (S. 363) Campbell z.B. bemerkt Folgendes in Bezug auf Kompetenzen (und Immunitäten): Von Kompetenzen (oder Immunitäten) als Rechten zu sprechen sei ein Missverständnis, wenn auch ein gängiges. Vgl. Campbell (2001), S. 884. Eine Kompetenz der normativen Art sei im Wesentlichen die Fähigkeit (ablility), Änderungen in Bezug auf legale oder moralische Regeln oder ihre Anwendung herbeizuführen. Eine Kompetenz sei eine Fähigkeit, nicht eine Berechtigung (entitlement) oder Erlaubnis (permission). Campbell veranschaulicht das an legalen Kompetenzen, zu deren Ausübung es kein Recht gebe (z.B. der legalen Kompetenz eines Diebes in England, Eigentum (good title) in Bezug auf gestohlene Güter an eine dritte Partei weiterzugeben, wozu er kein legales Recht habe, weil dies eine widerrechtliche Verwendung von Gütern sei). Natürlich übertrage im Allgemeinen der Gesetzgeber zugleich ein Recht, eine Kompetenz auszuüben, wenn er die Kompetenz als solche übertrage. Sie seien aber verschieden und stünden nur pragmatisch, nicht aber begrifflich in Verbindung. Dies betreffe nicht nur legale Rechte, sondern könne genauso in Bezug auf moralische Rechte auftreten. Z.B. könne man sich durch ein Versprechen gegenüber einer zweiten Partei eine moralische Pflicht ihr gegenüber auferlegen, obwohl man dazu kein Recht habe, weil man z.B. einer dritten Partei versprochen habe, dies nicht zu tun, und es keine hinreichenden moralischen Gründe gebe, das ursprüngliche Versprechen zu brechen. (Aus ähnlichen, obwohl etwas komplizierteren Gründen könnten auch Immunitäten keine Rechte sein, obwohl sie natürlich dazu verwendet werden könnten, Rechte zu schützen, vor allem indem sie sie gegen eine Abschaffung oder Umänderung durch andere immun machten.)
Zu Campbeils Ausführungen kann man erstens bemerken, dass Wellman zwischen legalen bzw. moralischen Kompetenzen und Fähigkeiten unterscheidet. [Vgl. dazu das Kapitel B., IL, 3., d)] und Wellman (1985), S. 45 f. bzw. 155 f.) In Bezug auf Campbeils Ausführungen, moralische Rechte betreffend, stellt sich die Frage, was er unter einer Kompetenz „der normativen Art" genau versteht und woher dieser normative Aspekt rührt. Wenn Campbell von einer Kompetenz der normativen Art spricht, so scheint damit keine moralische Position in Wellmans Sinn (bzw. keine moralische Position im selben Sinn) gemeint zu sein. Man könnte argumentieren, dass das Beispiel, das Campbell anführt, allein nicht zeigt, warum Kompetenzen der normativen Art, in anderen Fällen, in denen keine moralische Gründe gegen sie sprechen, nicht als moralische Positionen in Wellmans Sinn und damit als moralische Rechte (bzw. Kempositionen moralischer Rechte) gedacht werden könnten. Im Rahmen von Wellmans Theorie betrachtet, kann in Campbeils Beispiel nicht nur kein moralisches Recht vorliegen, sondern bei der Kompetenz der normativen Art kann es sich auch nicht um
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eine moralische Kompetenz handeln, weil keine moralischen Gründe vorliegen können, die einer Person eine solche moralische Position übertragen. Was Campbell in diesem Beispiel mit „dazu ein Recht haben" meint, dürfte im Bestandteil „moralisch" des Begriffs „moralische Kompetenz" in Wellmans Terminologie enthalten sein. Demnach ist erstens zu bemerken, dass sich Campbelh Terminologie von Wellmans Terminologie unterscheiden dürfte. Zweitens ist zu bemerken, dass von Wellmans Standpunkt aus betrachtet, Campbell nicht zeigt, warum die Handlungen, die in Kompetenzen der normativen Art gedacht werden, in Fällen, in denen kein moralischer Grund gegen sie spricht, nicht als Gegenstände moralischer Positionen bzw. moralischer Rechte gedacht werden können. (Was den Begriff „Immunität" betrifft, so zeigt Campbell nicht, inwiefern damit etwas anderes als eine moralische Position in Wellmans Sinn gemeint sein kann und warum sie nicht moralische Rechte (bzw. Kernpositionen moralischer Rechte) bilden können.) 1X
(S. 363) Montague kritisiert Wellmans Auffassung und argumentiert folgendermaßen: Nach Hohfeld seien legale Kompetenzen und Immunitäten Typen legaler Rechte, während sie Wellman als Bestandteile legaler Rechte betrachte. Vgl. Montague (2001), S. 263. Montague bemerkt, er sei sich nicht sicher, welche dieser Sichtweisen richtig sei, doch er sei keineswegs überzeugt, dass die moralischen Analoga beider akzeptiert werden sollten. Selbst wenn es etwas wie moralische Kompetenzen oder moralische Immunitäten gebe, bezweifle er, dass sie entweder als Typen moralischer Rechte oder als Komponenten letzterer betrachtet werden sollten. Montague führt folgende Gründe für die Ablehnung der vorhin genannten Interpretationen moralischer Kompetenzen und Immunitäten an. Wenn Kompetenzen in Zusammenhang mit Rechten diskutiert würden, würden Kompetenzen typischerweise als Fähigkeiten (abilities) einer bestimmten Art charakterisiert: Wenn X ein bestimmtes Recht habe, dann habe X die Kompetenz - die Fähigkeit - , die Pflichten, die in diesem Recht impliziert seien, zu beeinflussen (affect). Immunitäten könnten in Form von Kompetenzen erklärt werden: X's Immunität in Bezug auf eine andere Person Y sei das Fehlen einer Kompetenz von Y in Bezug auf X. Daher seien sowohl Kompetenzen als auch Immunitäten klarerweise eher Eigenschaften von Personen als von Handlungen. Vgl. ebd., S. 264. Obwohl die Vorstellung, dass Erklärungen von Rechten Bezüge auf Eigenschaften von Personen einschlössen, nichts inkohärentes enthalte, sei es auch nicht einleuchtend, warum solche Bezüge eingeschlossen werden sollten. Seinen Vorbehalt versucht Montague mit Hilfe einer Analogie zu erklären. „Sollen impliziere Können": Wenn X verpflichtet sei, Y zu tun, dann sei X fähig (is able), Y zu tun. Sollten wir Fähigkeiten, die mit Verpflichtungen in dieser Beziehung stünden, auf diese Weise als Bestandteile der Verpflichtungen interpretieren? Montague meint, wir sollten dies nicht. Wir sollten der allgemeinen Gepflogenheit folgen und Verpflichtungen als (möglicherweise komplexe) Eigenschaften von Handlungen allein betrachten, während wir die Fähigkeiten, die mit Verpflichtungen in Beziehung stünden, als Eigenschaften jener betrachten sollten, die diese Verpflichtungen hätten. Wir könnten daher zustimmen, dass wenn X verpflichtet sei, Y zu tun, X fähig sei, Y zu tun, obwohl wir anerkennen würden, dass diese Fähigkeit eher eine Eigenschaft von X als von Y sei und obwohl wir bestreiten würden, dass X's Fähigkeit eine Komponente von X's Verpflichtung sei. In ähnlicher Weise sollte man moralische Kompetenzen und Immunitäten nur dadurch, dass sie Eigenschaften von Rechtsinhabern seien, als relevant für Diskussionen über Rechte behandeln. Auf diese Art könnten wir zustim-
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men, dass wenn X ein bestimmtes Recht habe, X korrespondierende Kompetenzen und Immunitäten habe, während wir anerkennen würden, dass diese Kompetenzen und Immunitäten Eigenschaften von X seien, und während wir bestreiten würden, dass Kompetenzen und Immunitäten Eigenschaften von Rechten seien. Rechte selbst könnten dann als Eigenschaften von Handlungen allein interpretiert werden. Montague bedient sich in seiner Argumentation des Satzes „Sollen impliziere Können". Man kann zum einen darauf hinweisen, dass sich Montagues Verständnis von Können und der sich daran orientierenden Bedeutung von Fähigkeit insofern von einer moralischen Kompetenz in Wellmans Sinn unterscheidet, als letztere mehr als eine bloße Fähigkeit ist. Eine moralische Kompetenz bedeutet nicht nur, dass eine Person fähig oder in der Lage ist, eine bestimmte Handlung zu tun, sondern auch, dass diese Handlung hinsichtlich ihrer intendierten Konsequenzen in Bezug auf vorausgesetzte Werte in einer bestimmten Weise moralisch relevant ist. Diese moralische Relevanz, auf die es ankommt, wird in Form moralischer Gründe begriffen, die in Form einer bestimmten moralischen Position für das Verhalten einer Person gelten bzw. auf dieses Anwendung finden. In dieser Hinsicht unterscheiden sich moralische Kompetenzen von einem Können bzw. von Fähigkeiten und können nicht in ähnlicher Weise wie diese behandelt werden. Zum anderen kann man argumentieren, dass die moralische Relevanz einer Handlung hinsichtlich ihrer Konsequenzen in Bezug auf vorausgesetzte Werte, die (sc. moralische Relevanz) in Form einer moralischen Position begriffen wird, zugleich auch das Verhalten der involvierten moralischen Handelnden und (zumindest bei relativen moralischen Positionen) auch ihr Verhältnis zueinander betrifft. In dieser Hinsicht unterscheiden sich moralische Kompetenzen und Immunitäten nicht von den anderen moralischen Positionen. Alle moralischen Positionen betreffen bestimmte in Betracht kommende Handlungen und das Verhalten bzw. das wechselseitige Verhältnis von Personen in Bezug auf diese. Einen wesentlichen Unterschied zwischen moralischen Kompetenzen und moralischen Immunitäten auf der einen Seite und anderen moralischen Positionen wie moralischen Pflichten, Ansprüchen oder Freiheiten 1 auf der anderen Seite könnte man an einer anderen Stelle sehen, die auch Montague anspricht. Montague beginnt seine Ausführungen in Bezug auf den Zusammenhang von Rechten und Kompetenzen mit dem Hinweis, dass wenn X ein bestimmtes Recht habe, X eine Kompetenz - eine Fähigkeit - habe, die Pflichten, die in diesem Recht impliziert seien, zu beeinflussen. Der angesprochene Unterschied liegt darin, dass moralische Kompetenzen andere moralische Positionen als Konsequenzen hervorbringen können oder durch ihre Konsequenzen andere moralische Positionen beeinflussen können. Z.B. kann eine Person X durch ihre moralische Kompetenz, ein Versprechen zu geben sich gegenüber einer Person Y (mit deren Zustimmung) eine moralische Pflicht auferlegen und Person Y kann durch ihre moralische Kompetenz, auf die Einforderung der Erfüllung der moralischen Pflicht der Person X zu verzichten, diese moralische Pflicht aufheben. Moralische Immunitäten unterscheiden sich unter anderem dadurch von anderen moralischen Positionen, dass sie durch moralische Kompetenzen definiert werden. Der angesprochene Unterschied zwischen den moralischen Kompetenzen und Immunitäten auf der einen Seite und moralischen Positionen wie moralischen Pflichten, Ansprüchen oder Freiheiten 1 auf der anderen Seite bildet aber keinen Grund, warum sie im Gegensatz zu Letzteren nicht als Typen oder Bestandteile moralischer Rechte betrachtet werden könnten.
Endnote x (S. 363) Ein Autor, der diese Auffassung vertritt, ist White. White hält es für falsch, die nicht-begrifflichen Relationen zwischen einem Recht und einer Freiheit 1, einer Kompetenz, einem Privileg, einer Pflicht etc. als Teil des Begriffs „ein Recht" zu begreifen, und kritisiert damit Wellmans Auffassung von einem Recht. Vgl. White (1984), S. 173 bzw. 11. White erörtert die Bedeutung und Verwendung der genannten Begriffe sowie ihre Unterschiede in einzelnen Kapiteln. Da hier nur ein kurzer Einblick in Whites Überlegungen gegeben wird, beschränkt sich die Wiedergabe auf bestimmte Unterschiede zwischen den Begriffen „Freiheit 1" (liberty) bzw. „Kompetenz" (power) und „ein Recht", auf die White hinweist.
Einer der Unterschiede zwischen den Begriffen „Freiheit" [liberty (or freedom)] und „ein Recht" ist der negative Aspekt von Freiheit2. Vgl. ebd., S. 144 f. Im Recht (law) impliziere eine Freiheit 1 das Nichtvorhandensein einer Pflicht, in der Moral das Nichtvorhandensein irgendeiner Verpflichtung, anders zu handeln. Hingegen sei „ein Recht" ein positiver Begriff. Das bloße Nichtgegebensein einer Verpflichtung oder Pflicht erlaube, berechtige (entitles) aber nicht, etwas zu tun. Ein Recht sei nicht irgendeine Art von Freiheit (liberty, or freedom); weil es nicht nur von gänzlich anderer Art als eine Freiheit [freedom (or liberty)] sei, sondern sie nicht einmal notwendig impliziere. Vgl. ebd., S. 146. Die positive Beschaffenheit des Begriffs „ein Recht" besteht nach White in einem vorausgehenden Charakteristikum, nämlich im Gegebensein einer Berechtigung (title). Vgl. ebd., S. 147. In seiner Erörterung des Begriffs „power" scheint White seine verschiedenen Bedeutungen (im Englischen) zu berücksichtigen, die im Deutschen mit unterschiedlichen Begriffen wie „Macht", „Vermögen" bzw. „Kompetenz" erfasst werden. Die Begriffe „Kompetenz" und „ein Recht" sind nach White tatsächlich sowohl im Bereich des Rechts als auch außerhalb desselben gänzlich verschieden. Vgl. ebd., S. 150. Erstens könne ein Vermögen (power) im weitesten Kontext sowohl einer Person als auch einem Ding zukommen, z.B. das Vermögen, sich zu bewegen oder etwas zu ändern, während nur eine Person - und vielleicht auch ein Tier - Rechte haben könne. Ein Vermögen bzw. eine Kompetenz (power) zu haben bedeute Kontrolle zu haben. Vgl. ebd., S. 151. Wo die Vorstellung von Kontrolle fehle, wie z.B. über das, was einem angetan worden sei oder was einer fühle, fehle auch die Vorstellung von Vermögen bzw. Kompetenz, nicht jedoch die eines Rechts. Man habe Vermögen bzw. Kompetenzen über (over), Rechte aber bestenfalls gegenüber (against) diesem oder jenem. White erwähnt ferner einige Beispiele, in denen dieselbe Sache entweder eine Kompetenz oder ein Recht sein kann: die Verpfändung des Kredits des Ehemannes, die Beschlagnahme eines Schiffes etc. Vgl. ebd., S. 153. Man könne nicht ein Recht haben - wie man eine Kompetenz haben könne - zu erlangen, da dies die Kontrolle über etwas anderes zur Folge hätte; noch könne man andererseits eine Kompetenz haben - wie man ein Recht haben könne, in einer bestimmten Weise behandelt zu werden, da dies eine Kontrolle durch jemand anderen mit sich bringen würde. Vgl. ebd., S. 153 f. Da eine Kompetenz mit dem Zustandebringen von etwas in Zusammenhang stehe, zählten zu den legalen Kompetenzen gewöhnlich jene, in denen die gegebene Situation (scene) hervorgebracht, abgewendet oder geändert werde. Es hat den Anschein, als würde White in der Erörterung des Unterschieds zwischen den Begriffen „Freiheit" (liberty or freedom) bzw. „Kompetenz" und „ein Recht" eine bestimmte Bedeutung des Begriffs „ein Recht" voraussetzen, an der er festhält und deren Unterschied er von den Bedeutungen der Begriffe „Freiheit" [liberty (or
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freedom)] und „Kompetenz" hervorzuheben versucht. Ein Grund, der ihm im Gegensatz zu Wellman die Option zu verschließen scheint, Freiheiten 1, Kompetenzen und bei letzteren die Bedeutung von Kontrolle als Bestandteile des Begriffs „ein Recht" zu erwägen, dürfte auch darin liegen, dass er die Funktion des Begriffs „ein Recht" nicht zu analysieren bzw. zu erklären versucht und insofern auch nicht die mögliche Rolle der Begriffe „Freiheit" [liberty (or freedom)], „Kompetenz" (und damit auch „Kontrolle") in diesem Zusammenhang erörtert. w (S. 363) Wellman spricht, wie wir gesehen haben, von einer legalen bzw. moralischen Kompetenz eine legale bzw. moralische Konsequenz herbeizuführen. Vgl. Wellman (1985), S. 51 bzw. 157. Wellman bemerkt, dass Hohfeld - an dessen Ausführungen über legale Kompetenzen er sich orientiert - eine legale Kompetenz einer Person X gegenüber einer Person Y, als eine legale Fähigkeit versteht, eine legale Relation der Person Y durch einen Willensakt, mit dem sie (sc. X) bestimmte operative Fakten hervorbringt, zu ändern. Vgl. Näheres ebd., S. 42, 48. Während Wellman der Meinung ist, dass eine legale Kompetenz nicht die Fähigkeit einschließen muss, legale Relationen in der von Hohfeld geschilderten Art zu ändern, argumentiert Stoljar, dass eine bestimmte Änderung legaler Relationen nicht Kompetenzen eigen ist, sondern mit der Ausübung aller Rechte einhergeht. Vgl. Wellman (1985), S. 48 f., und Stoljar (1984), S. 60. Auf eine genauere Schilderung dieser unterschiedlichen Auffassungen kann hier nicht eingegangen werden. Erwähnt sei nur noch, dass Stoljar im Unterschied zu Wellman und anderen Autoren die Auffassung vertritt, dass Kompetenzen aus einer Kombination von Rechten und Pflichten bestehen. Vgl. ebd., S. 61, 66, 68. Viele Ämter oder Aufgaben (offices) seien durch Kompetenzen definiert. Vgl. ebd., S. 61. Ein Polizist z.B. könne (may) nicht nur jemanden verhaften, sondern müsse es in vielen Situationen. Vgl. ebd., S. 66. Hingegen habe eine Person ein Recht, aber keine Kompetenz zu heiraten; denn sie habe keine Pflicht dies zu tun. Vgl. ebd., S. 68. Damit einhergehend unterscheidet sich auch Stoljars Auffassung von Immunitäten. Vgl. ebd., S. 61 f. xn
(S. 378) White ist, wie wir gesehen haben, anderer Auffassung über die Beschaffenheit des Begriffs „ein Recht" und kritisiert an einer Stelle mit einer kurzen Bemerkung Wellmam Auffassung eines Rechts als Komplex moralischer Positionen. White betrachtet den Begriff „ein Recht" als genauso ursprünglich (primitive) wie die Begriffe „Pflicht" oder „Verpflichtung", „sollen" (ought), „Freiheit 1", „Kompetenz", „Privileg" (privilege) oder „Anspruch", deren Verwendung, Bedeutung und Relation zum Begriff „ein Recht" er in einzelnen Kapiteln untersucht. Vgl. White (1984), S. 173. Daher könne der Begriff „ein Recht" weder auf einen dieser anderen Begriffe zurückgeführt werden noch mit irgendeinem derselben bzw. einem Komplex oder System derselben gleichgesetzt werden. Die nicht-begrifflichen (non-conceptual) Relationen zwischen einem Recht und einer Freiheit 1, einer Kompetenz, einem Privileg, einer Pflicht etc. als Teil der Bedeutung eines Rechts zu begreifen, sei dieselbe Art von Fehler zu machen wie wenn man die Relationen zwischen Recht, gut, sollen, Pflicht, Verpflichtung als Teile irgendeines dieser Begriffe interpretieren würde. Dies soll nach White nicht heißen, dass der Begriff eines Rechts nicht durch Bezug auf diese anderen Begriffe erklärt oder verstanden werden kann. Im Gegenteil, dies sei die einzige Art, ihn zu verstehen. In seiner Erörterung der Gründe eines Rechts legt er sein Verständnis des Begriffs „ein Recht" folgendermaßen dar: So wie verpflichtend (obligatory) das sei, was man zu tun habe, und was man frei (at liberty) zu tun sei, das sei, woran einen nichts hindere, so sei auch das, was man zu tun ein Recht habe,
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das, wozu man berechtigt (entitled) sei, und der Grund des Rechts sei das, was einen berechtige. Vgl. ebd., S. 114. Es sei die Berechtigung (title), die man habe. White bemerkt, dass dies zu behaupten, nicht mehr als eine Wiederholung dessen sei, was die Wörterbücher und viele Philosophen sowie Juristen oft gesagt hätten. In der Austauschbarkeit von „ein Recht haben" und „berechtigt sein" in der gewöhnlichen Sprache zeige sich, was wir alle immer schon gedacht hätten. White kritisiert Wellmans Auffassung eines Rechts, indem er nachzuweisen versucht, dass alle genannten Begriffe ursprünglich sind und keiner auf einen anderen zurückgeführt werden kann. White erklärt somit den Begriff „ein Recht" nicht durch einen weiteren und hält ihn und den Begriff Berechtigung", auf den er zurückgreift, für austauschbar. Er erklärt in seiner Analyse und Bestimmung des Begriffs „ein Recht" nicht seine Funktion, also dasjenige Element, durch das sich dieser Begriff von anderen Begriffen, mit denen er in Zusammenhang steht, auch genauer abgrenzen lässt. White bemerkt, dass er zur großen Frage, worin genau die begriffliche Relation zwischen etwas und seinem Grund, der ersteres zu einem Recht macht, keine Antwort hat, außer dass das, was zu tun man ein Recht hat, das ist, wozu man berechtigt ist. Vgl. ebd., S. 113 f. Dass White nichts zu der genannten begrifflichen Relation zu sagen hat, dürfte auch damit zusammenhängen, dass er die Funktion des Begriffs „ein Recht" nicht zu erklären versucht. Wellman, auf der anderen Seite, gelangt in seiner Theorie zu einem komplexen Begriff „ein Recht", indem er seine Funktion zu erklären versucht. White liefert in seiner Theorie eine interessante und detaillierte Analyse der Bedeutung und Verwendung der Begriffe „Pflicht", „Verpflichtung", „Sollen", »Anspruch", „Freiheit 1", „Kompetenz" und „Privileg" sowie ihrer Unterschiede; in der aus dieser Analyse resultierenden Bestimmung des Begriffs „ein Recht" wird jedoch im Gegensatz zu Wellmans Begriffsbestimmung die Frage nach seiner Funktion offen gelassen. Whites Argument gegen Wellmans Auffassung eines Rechts als Komplex verschiedener Elemente ist insofern unvollständig, als er nicht zeigt, warum der Begriff „ein Recht" auch hinsichtlich seiner Funktion als ursprünglicher Begriff und nicht als ein System verschiedener zusammenhängender Begriffe zu denken ist. White spricht nebenbei bemerkt an zwei Stellen davon, dass die Zuschreibung von Rechten verschiedenen Subjekten dem Wunsch entspringt, ihre Freiheit2 zu schützen - vgl. ebd., S. 88, 144 - , womit er die bzw. eine Funktion von Rechten anspricht, jedoch nicht näher erörtert. Ein weiterer Autor, der die These vertritt, dass der Begriff „ein Recht" einfach ist, ist Feinberg. Feinberg bezeichnet den Begriff eines Rechts als „einfachen, undefinierbaren, unanalysierbaren Grundbegriff 4 (primitive). Vgl. Feinberg (1970), S. 250. Ferner sei erwähnt, dass neben Wellman auch weitere Autoren die Theorie vertreten, dass Rechte durch nichtmoralische Werte begründet sind. Lyons z.B., der zu zeigen versucht, dass der allgemeine Wohlfahrtsstandard in Mills utilitaristischer Theorie den Gedanken grundlegender moralischer Rechte zulässt, weist darauf hin, dass diese Rechte auf nichtmoralischen Werten gründen. Vgl. Lyons (1989), S. 204, 212. (Von einer Komplexität des Begriffs „ein Recht" ist bei Lyons allerdings nicht die Rede.) (S. 379) Betrachtet man die Beispiele moralischer Rechte, die Wellman bringt, so bemerkt man gewisse konstante Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen manchen ihrer Elemente. In der folgenden Betrachtung wird die in der Erörterung moralischer Positionen getroffene Unterscheidung zwischen moralischen Positionen, in denen die
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Handlung auf Seiten des Subjekts der moralischen Position gedacht wird (= MPS), d.i. moralische Freiheiten 1 und moralische Kompetenzen, und moralischen Positionen, in denen die Handlung auf Seiten des Adressaten gedacht wird (= MPA), d.i. moralische Immunitäten, berücksichtigt. Moralische Ansprüche lassen sich entweder der ersten oder der zweiten oder beiden Gruppen zuordnen. Vgl. dazu das Kapitel B., EI., 1., b), dd). Im folgenden Teil (I) werden einzelne moralische Positionen (einmal als Kernpositionen, ein andermal als verknüpfte Elemente) genannt und es wird die Frage erörtert, welche weiteren moralischen Positionen in den Beispielen moralischer Rechte, die Wellman erörtert, mit ihnen verknüpft werden. Dem Teil (I) wird eine Tabelle zu den genannten Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen angehängt. Darauf folgt Teil (II), in dem einige Bemerkungen zu den in Teil (I) erwähnten Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen angeführt werden. Im abschließenden Teil (III) werden einige Kriterien genannt, die sich in den erörterten Verknüpfungen moralischer Positionen feststellen lassen. Folgende Abkürzungen werden im Folgenden verwendet, um die unterschiedlichen Parteien und ihre Handlungen, die in den moralischen Positionen eines moralischen Rechts gedacht werden, voneinander zu unterscheiden: Der Buchstabe „X" steht als Abkürzung für die erste Partei, d.i. den Rechtsinhaber, „Y" für zweite Parteien (z.B. die Adressaten eines moralischen Anspruchs des Rechtsinhabers) und „Z" für dritte Parteien. Sofern in einer moralischen Position von anderen Parteien, die Rede ist, werden diese mit „Y bzw. Z" bezeichnet. Die Abkürzung „HX1" steht für eine Handlung der Partei X. Eine weitere Handlung der Partei X, die den Gegenstand einer weiteren moralischen Position im selben moralischen Recht bildet, wird mit „HX2" abgekürzt usw. Eine Handlung einer zweiten Partei Y (z.B. des Adressaten eines moralischen Anspruchs) wird mit „HY1" abgekürzt, eine Handlung einer dritten Partei Z mit „HZl". Zu der Nummerierung der Handlungen ist Folgendes zu bemerken: Die Handlung in der Kernposition kann als zentrale Handlung im moralischen Recht betrachtet werden. Insofern beginnt die Nummerierung der Handlungen einer bestimmten Partei, zu denen auch die Handlung der Kemposition zählt, bei dieser. Ist es eine Handlung der Partei X, d.i. des Rechtsinhabers, so wird sie mit „HX1" abgekürzt, ist sie, wie im Fall eines moralischen Anspruchs eine Handlung einer zweiten Partei Y, d.i. des Adressaten des moralischen Anspruchs, so wird sie mit „HY1" abgekürzt. Auch das Ansprucherheben ist eine Handlung und insofern wird in einem moralischen Anspruch als Kernposition sowohl eine Handlung HX1 als auch eine Handlung HY1 gedacht. Jede weitere Handlung von X, die den Gegenstand einer moralischen Position bildet, die mit der Kernposition verknüpft ist, wird als HX2 bezeichnet. Eine Handlung von Y, die den Gegenstand einer verknüpften moralischen Position in einem moralischen Recht bildet, wird als HY1 bezeichnet, wenn nicht schon in der Kernposition eine Handlung HY1 der Person Y gedacht wird. Ist letzteres der Fall, so wird die Handlung von Y, die in der mit der Kernposition verknüpften moralischen Position gedacht wird, als HY2 bezeichnet. Da in der Kemposition keine Handlungen dritter Partein Z vorkommen, wird die Handlung dieser Parteien in der erstgenannten verknüpften moralischen Position als HZ1 bezeichnet.
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TEIL (I) Verknüpfungen moralischer Positionen in einem moralischen Recht 1.1 Moralischer Anspruch als Kernposition
1.1.1 Mit einem moralischen Anspruch als Kernposition verknüpfte moralische tionen des Rechtsinhabers - Mit einem moralischen Anspruch einer Partei X gegenüber einer Partei Y auf eine Handlung HY1 als Kernposition eines moralischen Rechts verknüpft Wellman: (1) Erstens eine bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers seine Kompetenz, Anspruch zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben. So z.B. in seinen Erörterungen des moralischen Anspruchrechts nicht geschlagen zu werden oder des moralischen Anspruchsrechts einer verarmten Mutter, Unterstützung für ihr unterstützungsbedürftiges Kind zu fordern. Vgl. Wellman (1995), S. 79 ff. bzw. 88 ff., ferner 184 f. [und hier das Kapitel B., IL, 5., b)]. Vgl. ferner (1985), S. 181 bzw. (1982), S. 120. Bemerkenswerterweise verknüpft Wellman in einem anderen Beispiel mit dem Kernanspruch keine solche bilaterale moralische Freiheitl. Vgl. (1985), S. 164. (2) Zweitens die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, die Handlung oder Leistung HY1 zu akzeptieren, auf die er einen Anspruch hat. So z.B. im zweitgenannten Beispiel, die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers die staatliche Beihilfe zu akzeptieren, die ihm zu Verfügung gestellt wird. Vgl. Wellman (1995), S. 90 f. Vgl. ferner (1985), S. 181, bzw. (1982), S. 120. In einem anderen Beispiel verknüpft Wellman mit dem Kernanspruch, das geschuldete Geld zurückbezahlt zu bekommen, die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers die Rückzahlung zu akzeptieren und damit den Kernanspruch aufzuheben. Vgl. (1995), S. 184 f. (3) Drittens eine moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, eine Handlung HX2 zu tun, mit der er eine Handlung HY1 (einer Person Y) zu verhindern versucht, auf deren Unterlassung sein moralischer Kernanspruch besteht. Im erstgenannten Beispiel bildet ein moralischer Anspruch den Kern des moralischen Rechts nicht geschlagen zu werden. Mit diesem Kernanspruch verknüpft Wellman eine moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, jedem Widerstand zu leisten, der sich daranmache, ihn zu schlagen. Vgl. Wellman (1995), S. 83, und femer (1985), S. 164 f. (4) Viertens verknüpft Wellman mit den drei moralischen (Wellman spricht dort noch von ethischen) Ansprüchen im Kern des Menschenrechts auf Privatleben den moralischen Anspruch des Rechtsinhabers, dass andere Parteien Z eine Handlung HZ1 tun, damit sichergestellt wird, dass der Staat (d.i. der Adressat Y der moralischen Kernansprüche) seine Pflichten erfüllt, um den Kernansprüchen zu entsprechen. Vgl. (1978), S. 57, bzw. hier das Kapitel B., I., 5. (5) Fünftens die moralische Immunität des Rechtsinhabers gegen den Verlust des Kernanspruchs durch die Handlung (HY2 bzw. HZ2) einer anderen Partei (Y bzw. Z). Vgl. dieselben zwei Beispiele in Wellman (1995), S. 85, 91, und femer (1985), S. 165, 181, bzw. (1982), S. 122. (6) Sechstens die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, auf seinen Kernanspruch (z.B. den moralischen Anspruch nicht geschlagen zu werden oder den moralischen Anspruch, das geschuldete Geld zurückbezahlt zu bekommen) zu verzichten. Vgl. Wellman (1995), S. 82 bzw. 184 f., sowie (1985), S. 164 und 181, bzw. (1982), S. 120 f. (7) Siebtens die bilaterale moralische Freiheitl, seine soeben genannte Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. Vgl. Wellman (1995), S. 82 f., und (1985), S. 164 f., 181, bzw. (1982), S. 121.
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1.1.2 Mit einem moralischen Anspruch als Kernposition verknüpfte moralische tionen dritter Parteien - Mit einem moralischen Anspruch im Kern eines moralischen Anspruchsrechts verknüpft Wellman: (1) Erstens die moralische Freiheitl dritter Parteien Z (mit einer Handlung HZ1) zu intervenieren, um jede zweite Partei Y von einer Handlung HY1 (z.B. schlagen) abzuhalten, auf deren Unterlassung der Rechtsinhaber einen moralischen Kernanspruch hat (z.B. den moralischen Anspruch nicht geschlagen zu werden), sofern der Rechtsinhaber nicht auf seinen Kernanspruch verzichtet hat oder die dritten Parteien Z ersucht hat nicht zu intervenieren. Vgl. z.B. Wellman (1995), S. 83 f. (2) Zweitens eine moralische Pflicht dritter Parteien Z: (i) die Handlung HY1 zu verhindern, sofern der Rechtsinhaber einen moralischen Anspruch auf ihre Unterlassung hat, oder (ii) ihm in Bezug auf die Handlung bzw. Leistung HY1 behilflich zu sein, sofern er auf sie einen moralischen Anspruch hat. Ad (i): In einem anderen Beispiel (das dem unter Punkt (1) genannten ähnlich ist) verknüpft Wellman mit dem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers auf die Unterlassung einer Handlung HY1 (ihn körperlich und geistig nicht zu verletzen oder nicht übermäßig zu gefährden), nicht eine moralische Freiheitl, sondern eine moralische Pflicht dritter Parteien, die Handlung HY1 zu verhindern, sofern der Rechtsinhaber auf seinen Kernanspruch nicht verzichtet hat. Vgl. Wellman (1985), S. 165. Ad (n): In einem weiteren Beispiel verknüpft Wellman mit einem moralischen Anspruch (einer verarmten Mutter auf staatliche Unterstützung für ihr unterstützungsbedürftiges Kind) als Kernposition eines moralischen Rechts eine moralische Pflicht dritter Parteien, dem Rechtsinhaber in Bezug auf die Handlung bzw. Leistung HY1 behilflich zu sein, auf die er einen moralischen Anspruch hat. Vgl. Wellman (1995), S. 91. 1.2 Moralischer Anspruch als verknüpftes Element
1.2.1.1 Mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers als verknüpftes ment verknüpfte moralische Positionen des Rechtsinhabers - (1) Den Kern des mo schen Freiheitsrechts zu einer bestimmten Handlung HX1 des Rechtsinhabers (z.B. sich selbst zu verteidigen) bildet eine bilaterale moralische Freiheitl, HX1 zu tun oder zu unterlassen. Mit dieser verknüpft Wellman einen moralischen Anspruch des Rechtsinhabers (gegenüber dritten Parteien Z), ihn nicht (mit einer Handlung HZ1) an der Ausführung von HX1 zu hindern. Damit verknüpft Wellman eine bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, Anspruch auf die Erfüllung der Pflicht der dritten Parteien (ihn an der Ausführung von HX1 nicht zu hindern), zu erheben oder nicht zu erheben. Vgl. Wellman (1995), S. 86 ff. (2) Die Kernposition des moralischen Freiheitsrechts auf eine Handlung HX1 bildet eine bilaterale moralische Freiheitl, HX1 zu tun oder nicht zu tun (z.B. sich nach Wunsch zu kleiden oder nicht nach Wunsch zu kleiden). Mit dieser verknüpft Wellman den moralischen Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber anderen Personen, ihn nicht dazu zu zwingen, es zu unterlassen, HX1 zu tun oder nicht zu tun (...). Mit diesem moralischen Anspruch verknüpft Wellman: (i) erstens eine bilaterale moralische Freiheitl, die Kompetenz, den genannten Anspruch zu erheben, auszuüben oder nicht zu auszuüben; (ü) zweitens die moralische Kompetenz, auf den Anspruch zu verzichten (mit der er in weiterer Folge eine bilaterale moralische Freiheitl verknüpft, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben). Vgl. Wellman (1995), S. 92 ff. (3) Die Kernposition des moralischen Rechts, eine Handlung HX1 zu tun (z.B. den Krieg zu erklären) und damit eine bestimmte intendierte Konsequenz C zu erwirken, bildet eine moralische Kompetenz, die Hand-
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lung HX1 zu tun und damit die intendierte Konsequenz C zu erwirken. Mit dieser Kernkompetenz verknüpft Wellman einen moralischen Anspruch des Rechtsinhabers dagegen, dass andere ihn durch Gewalt dazu bringen, die Handlung HX1 zu tun oder zu unterlassen. Mit diesem verknüpften moralischen Anspruch des Rechtsinhabers verknüpft Wellman keine weiteren moralischen Positionen. Vgl. das unter 3.1.1, (3) genannte Beispiel.
1.2.1.2 Mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers als verknüpftes ment verknüpfte moralische Positionen (zweiter oder dritter Parteien) - Well knüpft mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers als verknüpftes Element keine moralischen Positionen (zweiter oder dritter Parteien).
1.2.2 Mit einem moralischen Anspruch zweiter oder dritter Parteien als verkn Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellm wähnt keine moralischen Ansprüche zweiter oder dritter Parteien als verknüpfte Elemente. 2.1 Moralische Freiheitl bzw. bilaterale moralische Freiheitl als Kernposition
2.1.1.1 Mit einer moralischen Freiheitl als Kernposition verknüpfte moralis Positionen des Rechtsinhabers - Mit einer moralischen Freiheitl, eine Handlung HX1 zu tun als Kernposition eines moralischen Freiheitsrechts verknüpft Wellman: (1) Eine moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, die Handlung HXl (z.B. sich selbst zu verteidigen) zu unterlassen. Vgl. Wellman (1995), S. 87. (2) Einen moralischen Anspruch gegenüber dritten Parteien Z, auf die Unterlassung einer Handlung HZ 1, mit der sie den Rechtsinhaber an der Ausführung von HXl (z.B. sich selbst zu verteidigen) hindern würden. (3) Die bilaterale moralische Freiheitl, Anspruch auf die Erfüllung der Pflicht dritter Parteien (die Handlung HZ1 zu unterlassen) zu erheben oder nicht zu erheben. Vgl. Wellman (1995), S. 88. (4) Die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, eine Handlung HX2 zu tun (z.B. Widerstand zu leisten gegen Gewalt oder einer Androhung von Gewalt zu entgehen), um eine weitere Handlung (HY1 bzw. HZ1) anderer Parteien (Y bzw. Z) zu verhindern oder ihr zu entgehen, die ihn von der Handlung HXl (z.B. abzutreiben), die den Gegenstand seiner moralischen Kernfreiheit 1 bildet, abhalten soll. Vgl. Wellman (1985), S. 162. (5) Die moralische Immunität des Rechtsinhabers gegen den Verlust seiner Kernfreiheit 1 durch irgendeine unabhängige Handlung einer anderen Partei. Vgl. Wellman (1995), S. 88, und (1985), S. 163. (Es sei hier nur angemerkt, dass Wellman in seiner Erörterung des legalen Rechts auf Redefreiheit (free Speech), mit der legalen Kernfreiheitl eine legale Kompetenz des Rechtsinhabers, rechtlich vorzugehen, um den Kern des Rechts zu schützen, verknüpft. Vgl. Wellman (1997), S. 70 f.)
2.1.1.2 Mit einer moralischen Freiheitl als Kernposition verknüpfte moralis Positionen zweiter Parteien - Mit einer moralischen Freiheitl, eine Handlung HXl zu tun, als Kernposition verknüpft Wellman die moralische Pflicht anderer Parteien, den Rechtsinhaber nicht durch Gewalt und Drohungen an der Handlung HXl (z.B. Abtreiben) zu hindern. Vgl. Welllman (1985), S. 162.
2.1.1.3 Mit einer moralischen Freiheitl als Kernposition verknüpfte moralis Positionen dritter Parteien - Mit einer moralischen Freiheitl einer Person X (des
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Endnote iii
Rechtsinhabers), eine Handlung HX1 zu tun als Kernposition eines moralischen Freiheitsrechts verknüpft Wellman: (1) Die moralische Freiheitl dritter Parteien Z, jede notwendige und vernünftige Kraft anzuwenden, um dem Rechtsinhaber behilflich zu sein, die Handlung HX1 zu tun (z.B. sich selbst zu verteidigen). Vgl. Wellman (1995), S. 88. (2) Die moralische Pflicht dritter Parteien Z, einer zweiten Partei beim Gebrauch oder der Androhung von Gewalt nicht behilflich zu sein, die den Rechtsinhaber von der Handlung HX1 (die den Gegenstand ihrer moralischen Kernfreiheit 1 bildet) abhalten soll. Vgl. Wellman (1985), S. 162. (3) Die moralische Pflicht dritter Parteien Z, dem Rechtsinhaber bei seiner Handlung HX2 (z.B. Widerstand gegen die Anwendung von Gewalt zu leisten oder der Androhung von Gewalt zu entgehen) behilflich zu sein, die sich gegen eine Handlung anderer Parteienrichtet,mit der sie ihn von seiner Handlung HX1 (die den Gegenstand seiner moralischen Kernfreiheit 1 bildet) abzuhalten versuchen. Vgl. Wellman (1995), S. 88, und (1985), S. 162 f.
2.1.2.1 Mit einer bilateralen moralischen Freiheitl als Kernposition verknüpfte ralische Positionen des Rechtsinhabers - Mit einer bilateralen moralischen Freiheitl, eine Handlung HX1 zu tun oder nicht zu tun, als Kernposition eines moralischen Freiheitsrechts (z.B. des moralischen Freiheitsrechts, sich nach Wunsch zu kleiden) verknüpft Wellman: (1) Den moralischen Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber anderen, ihn nicht mit einer Handlung HY1 zu zwingen, es zu unterlassen, HX1 zu tun oder nicht zu tun (...). Vgl. Wellman (1995), S. 92 f. (2) Die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, die Kompetenz, den genannten Anspruch zu erheben oder nicht zu erheben. Vgl. Wellman (1995), S. 95 f. (3) Die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, auf den vorhin genannten Anspruch zu verzichten. Vgl. ebd., S. 96. (4) Die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, die soeben genannte Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. (5) Die moralische Immunität gegen den Verlust seiner Kernfreiheit 1 durch eine unilaterale Handlung einer anderen Partei.
2.1.2.2 Mit einer bilateralen moralischen Freiheitl als Kernposition verknüpfte ralische Positionen zweiter oder dritter Parteien - Wellman verknüpft mit einer bil ralen moralischen Freiheitl als Kernposition insofern eine moralischen Pflicht anderer Parteien Y, als er mit dieser Kernposition einen moralischen Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber anderen Parteien Y verknüpft, ihn nicht dazu zu zwingen, die Handlung HX1, auf die seine bilaterale moralische Kernfreieheitl besteht, zu unterlassen oder gegen seinen Willen zu tun. Denn die moralische Position Anspruch von X besteht zum einen Teil aus einer moralischen Pflicht der Adressaten Y.
2.2 Moralische Freiheitl bzw. bilaterale moralische Freiheitl als verknüpftes Element
2.2.1 Mit einer moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers als verknüpftes Ele verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellman verknü einer moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers als verknüpftes Element keine weiteren moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien). Vgl. dazu die unter 1.1.1, (2), 1.1.1, (3), 2.1.1.1, (1) und 2.1.1.1, (4) genannten Beispiele verknüpfter moralischer Freiheiten 1 des Rechtsinhabers.
2.2.2 Mit einer moralischen Freiheitl zweiter oder dritter Parteien als verkn Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellm
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wähnt keine moralische Freiheit 1 zweiter Parteien als verknüpftes Element. Mit einer moralischen Freiheit 1 dritter Parteien verknüpft er keine weiteren moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien). Vgl. dazu die unter 1.1.2, (1) und 2.1.1.3, (1) genannten moralischen Freiheiten 1 dritter Parteien.
2.2.3 Mit einer bilateralen moralischen Freiheit 1 des Rechtsinhabers als verk tes Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - W verknüpft mit einer bilateralen moralischen Freiheit 1 des Rechtsinhabers keine weiteren moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien). Vgl. dazu die unter 1.1.1, (7), 2.1.1.1, (3), 2.1.2.1, (2), 2.1.2.1, (4), 3.1.1, (2) genannten bilateralen moralischen Freiheiten 1.
2.2.4 Mit einer bilateralen moralischen Freiheitl zweiter oder dritter Parteie verknüpftes Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Pa Wellman erwähnt keine bilaterale moralische Freiheitl zweiter oder dritter Parteien als verknüpftes Element. 3.1 Moralische Kompetenz als Kernposition
3.1.1 Mit einer moralischen Kompetenz als Kernposition verknüpfte moralis Positionen des Rechtsinhabers - Wellman erwähnt ein Beispiel eines moralischen Kompetenzrechts: das moralische Recht eines Staates, einem bewaffneten Angriff Widerstand zu leisten und Krieg zu erklären. Vgl. Wellman (1985), S. 182. Die Kernposition eines moralischen Kompetenzrechts bildet die moralische Kompetenz einer Person X (des Rechtsinhabers), eine Handlung HX1 zu tun, mit der eine intendierte Konsequenz C erwirkt wird. In dem genannten Beispiel wird durch die Ausübung der moralischen Kompetenz, in der die Handlung »Krieg erklären4 vollzogen wird, die Konsequenz erwirkt, dass die Teilnahme an einem gerechten Krieg moralisch erlaubt wird, vorausgesetzt man begeht keine Gräueltaten. Mit dieser Kernkompetenz verknüpft Wellman: (1) Die moralische Immunität des Rechtsinhabers gegenüber anderen Parteien (z.B. Staaten, internationalen Körperschaften etc.) dagegen, dass sie in seinem Namen die Handlung HX1 (die den Gegenstand seiner Kernkompetenz bildet) mit der intendierten Konsequenz C ausüben (z.B. Krieg erklären). Vgl. Wellman (1985), S. 183. (2) Die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, seine Kernkompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. (3) Den moralischen Anspruch des Rechtsinhabers dagegen, dass ihn andere Parteien (z.B. Staaten) durch Gewalt dazu bringen, die Handlung HX1 (z.B. Krieg zu erklären) mit der intendierten Konsequenz C zu tun oder zu unterlassen. (4) Die moralische Immunität des Rechtsinhabers dagegen, dass seine Kemkompetenz durch eine einseitige Handlung einer anderen Partei aufgehoben wird. Vgl. Wellman (1985), S. 184.
3.1.2 Mit einer moralischen Kompetenz als Kernposition verknüpfte moralis Positionen zweiter oder dritter Parteien - Wellman erwähnt in seinem Beispiele keine moralische Positionen zweiter oder dritter Parteien, die mit einer moralischen Kompetenz als Kemposition verknüpft sind.
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3.2 Moralische Kompetenz als verknüpftes Element
3.2.1.1 Mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers als verknüpftes ment verknüpfte moralische Positionen des Rechtsinhabers - Mit einer verknüp moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers, eine Handlung HX1 zu tun (z.B. auf seinen Kernanspruch nicht geschlagen zu werden zu verzichten oder z.B. auf seinen verknüpften moralischen Anspruch gegenüber anderen, dass sie ihn nicht zwingen, sich nicht nach Wunsch zu kleiden, zu verzichten), als verknüpfte moralische Position, verknüpft Wellman eine bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. Vgl. dazu die unter 1.1.1, (7) und 2.1.2.1, (4) genannten Beispiele. In einem anderen Beispiel verknüpft Wellman mit einer moralischen Kompetenz, eine Handlung HX2 (die Rückzahlung einer Partei Y zu akzeptieren) zu tun, die moralische Freiheit 1, diese Handlung zu tun. Vgl. das unter 1.1.1, (2) genannte Beispiel.
3.2.1.2 Mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers als verknüpftes ment verknüpfte moralischen Positionen zweiter oder dritter Parteien - Wellm knüpft mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers als verknüpftes Element keine weiteren moralischen Positionen zweiter oder dritter Parteien.
3.2.2 Mit einer moralischen Kompetenz zweiter oder dritter Parteien als verkn Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellm wähnt in seinen Beispielen keine moralische Kompetenz zweiter oder dritter Parteien als verknüpfte moralische Position. 4.1 Moralische Immunität als Kernposition Wellman analysiert kein Beispiel eines moralischen Rechts mit einer moralischen Immunität als Kernposition. 4.2 Moralische Immunität als verknüpftes Element
4.2.1 Mit einer moralischen Immunität des Rechtsinhabers als verknüpftes E verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellman verknü einer moralischen Immunität des Rechtsinhabers als verknüpftes Element keine weiteren moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien). Vgl. dazu die unter 1.1.1, (5), 2.1.1.1, (5), 2.1.2.1, (5), 3.1.1, (1) und 3.1.1, (4) genannten Beispiele.
4.2.2 Mit einer moralischen Immunität zweiter oder dritter Parteien als verkn Element verknüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellm wähnt nirgends eine moralische Immunität zweiter oder dritter Parteien als verknüpftes Element in der Analyse seiner Beispiele. 5.1 Moralische Pflicht als ein Bestandteil der Kernposition
5.1.1 Mit einer moralischen Pflicht der Adressaten als Bestandteil der Kernp eines moralischen Rechts verknüpfte moralische Positionen - In den Beispielen, Wellman anführt, ist eine moralische Pflicht der Adressaten Y nur bei moralischen
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Anspruchsrechten in der Kernposition eines moralischen Rechts einer Partei X anzutreffen und sie bildet einen der zwei Bestandteile des Kernanspruchs. (Wellman vertritt in (1978) noch die Ansicht, dass der Kern eines moralischen Rechts komplex sein kann.) Z.B. begreift Wellman den Kern des moralischen Rechts auf Privatsphäre als dreifachen Anspruch einer Partei X auf bestimmte Handlungen (Leistungen) und Unterlassungen des Adressaten Y. Mit den korrelativen relativen moralischen Pflichten des Adressaten Y als Bestandteile der Kernposition verknüpft Wellman die moralische Freiheit 1 des Adressaten Y, seine Pflichten zu erfüllen. Vgl. Wellman (1978), S. 56 f., und hier das Kapitel B., I., 5. 5.2 Moralische Pflicht als verknüpftes Element 5.2.1 Mit einer moralischen Pflicht zweiter Parteien als verknüpfte Position knüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellman verknüpft weitere moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien) mit einer moralischen Pflicht zweiter Parteien als verknüpftem Element eines Rechts. Vgl. dazu das unter 2.1.1.2 genannte Beispiel. 5.2.2 Mit einer moralischen Pflicht dritter Parteien als verknüpfte Position knüpfte moralische Positionen (irgendwelcher Parteien) - Wellman verknüpft weiteren moralischen Positionen (irgendwelcher Parteien) mit einer moralischen Pflicht dritter Parteien Z als verknüpftem Element eines moralischen Rechts. Vgl. dazu die unter 1.1.2, (2), 2.1.1.3, (2) und 2.1.1.3, (3) genannten Beispiele. (Allerdings verknüpft er mit dem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber dritten Parteien Z als verknüpftem Element, der mit der verknüpften moralischen Pflicht dritter Parteien Z gegenüber dem Rechtsinhaber zu einer Unterlassung einer Handlung HZ1 korreliert, die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, seine Kompetenz, Anspruch zu erheben, auszuüben oder nicht auszuüben (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt 1.2.1.1, (1) und in analoger Weise 2.1.2.2). Beispiel 1: „BMF(l) MK(1) MA(1-2)(KP)" = Mit einem moralischen Anspruch der ersten Partei (d.i. des Rechtsinhabers) gegenüber zweiten Parteien (= ,,MA(l-2)") als Kemposition (= „(KP)") wird eine moralische Kompetenz der ersten Partei (= ,,MK(1)") verknüpft (= „—•"); mit dieser moralischen Kompetenz wird in weiterer Folge eine bilaterale moralische Freiheit 1 der ersten Partei (= „BMF(l)") verknüpft. Beispiel 2: ,,RMPf(3-l) MF(1)(KP)" = Mit einer moralischen Freiheitl der ersten Partei (d.i. des Rechtsinhabers) (= ,,MF(1)") als Kernposition (= „(KP)") wird eine relative moralische Pflicht dritter Parteien gegenüber der ersten Partei (= ,,RMPf(3-l)") verknüpft (= „->").
Moralischer Anspruch (= MA)
Moralische Position- 1 (= MP-1 )
Subjekt (mit der MP-1 )
Als verknüpftes Element (= VE)
Subjekt der MP-2 verknüpften moralischen Position-2 (= MP-2)
Verknüpfte
MF(3) [bzw. MPf(3)] MPf(3) MA(1)(KP)
2. oder 3. Parteien
Keine
BMF(l) —• MA(l-2) bzw. BMF(l) MA(l-3) BMF(1) -> MK(1) — MA(l-2)
1. Partei
3. Parteien
MA(1-2)(KP)
MF(1) -> MA(1-2)(KP) BMF(l) -> MA(1-2)(KP) MA(l-3) MA(1-2)(KP) MF(1) MK(1) MA(1-2)(KP) BMF(l) MK(1) MA(1-2)(KP) MI(l-2) MA(1-2)(KP)
(kein MA als VE mit 2. oder 3. Parteien als Subjekten erwähnt)
1. Partei
1. Partei 1. Partei Kernposition (= Rechtsinhaber) (= KP)
Als
Stellung der MP-1 der MP-1 im moralischen Recht
Tabelle zu den oben genannten Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen in einem moralischen Recht anhand der von Wellman analysierten Beispiele
480 Endnote iii
Als Kernposition
Als verknüpftes Element
Als verknüpftes Element
Bilaterale moralische Freiheitl (= BMF)
Moralische Freiheitl (= MF)
Bilaterale moralische Freiheit 1 (= BMF)
1. Partei
3. Parteien
(Keine MF als VE mit 2. Parteien als Subjekten genannt)
1. Partei
1. Partei
1. Partei
Irgendwelche Parteien
3. Parteien
1. Partei
Irgendwelche Parteien
2. Parteien
MI(l-2)
1. Partei
Keine
Keine
Keine
Keine
[RMPf(2-l)
Fortsetzung Seite 482
BMF(1)(KP)]
BMF(l) -> MK(1) -> MA(l-2) BMF(1)(KP) MF(1)(KP)
MF(1) MF(1)(KP) RMPf(3-l) MF(1)(KP)
3. Parteien
MF(1)(KP)
MPf(2)
2. Parteien
BMF(l) MA(l-3) -> MF(1)(KP) MF(1) MF(1)(KP) BMF(l) -> MF(1)(KP) MI(l-2) — MF(1)(KP)
1. Partei
(Keine BMF als VE mit 2. oder 3. Parteien als Subjekten genannt)
Als Kernposition
Moralische Moralische Freiheit 1 Freiheitl (= MF) (= MF)
Endnote iii
Moralische Immunität (= MI)
Moralische Kompetenz (= MK)
Moralische Position- 1 (= MP-1)
Als verknüpftes Element
(keine MI als VE mit 2. oder 3. Parteien als Subjekten genannt)
1. Partei
Als Kernposition (kein Beispiel genannt)
(keine MK als VE mit 2. oder 3. Parteien als Subjekten genannt)
Irgendwelche Parteien
2. oder 3. Parteien
Keine
Keine
MF(1) MK(1)
(keine MP-2 mit 2. oder 3. Parteien als Subjekten genannt) MK(1)
BMF(l) MK(1)(KP) MI(l-2) — MK(1)(KP) MA(l-2) MK(1)(KP)
Subjekt der MP-2 verknüpften moralischen Position-2 (= MP-2)
1. Partei BMF(l)
1. Partei
Subjekt (mit der MP-1)
1. Partei
1. Partei
Als verknüpftes Element
Als Kernposition
Stellung der MP-1 der MP-1 im moralischen Recht
Fortsetzung Tabelle von Seite 481 Verknüpfte
482 Endnote iii
Irgendwelche Parteien
Keine
Irgendwelche Keine Parteien (Moralische Positionen werden nur mit dem moralischen Anspruch verknüpft, der mit der moralischen Pflicht korreliert.)
MF(2) -> RMPf(2-l)
Erklärungen zu den verwendeten Abkürzungen: BMF: Bilaterale moralische Freiheitl KP: Kernposition BMF(KP): Bilaterale moralische Freiheit als Kernposition MA: Moralischer Anspruch MA(l-2): Moralischer Anspruch der ersten Partei gegenüber zweiten Parteien MF: Moralische Freiheitl MI: Moralische Immunität MI(l-2): Moralische Immunität der ersten Partei gegenüber zweiten Parteien MK: Moralische Kompetenz MPf: Moralische Pflicht RMPf: Relative moralische Pflicht RMPf(2-l): Relative moralische Pflicht zweiter Parteien gegenüber der ersten Partei VE: Verknüpftes Element ...—»...: ... verknüpft mit ...
3. Parteien
Als verknüpftes 2. Partei Element (= Adressat eines verknüpften moralischen Anspruchs)
Moralische Als ein 2. Partei 2. Partei Pflicht Bestandteil eines (= Adressat des (= MPf) moralischen moralischen Anspruchs als Kernanspruchs) Kernposition
Endnote iii
484
Endnote iii
TEIL (II) Einige Bemerkungen zu den oben genannten Verknüpfungen An diesen Beispielen kann man sehen, dass nicht beliebige Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen vorliegen. Erstens zeigt sich, dass sich mit einer bestimmten moralischen Position (MP-1) mehr - sowohl hinsichtlich ihrer Zahl als auch ihrer Art - moralische Positionen (MP-2) verknüpfen lassen, wenn sie (sc. MP-1) in einem moralischen Recht als Kernposition fungiert als wenn sie als verknüpftes Element gedacht wird. Dies kann verschiedene Gründe haben: Erstens ist es möglich, dass verknüpfte moralische Positionen in Bezug auf eine Kernposition eines moralischen Rechts mehr und andere Funktionen zu erfüllen haben als in Bezug auf verknüpfte Elemente; zweitens ist es möglich, dass in Bezug auf die Kernposition eines moralischen Rechts und die in ihr gedachte Handlung mehrere Handlungen unterschiedlicher Parteien relevant sind. Die folgenden Erörterungen gliedern sich in zwei Teile: Im Abschnitt 1 wird der Frage nachgegangen welche moralischen Positionen mit welchen moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpft werden, im Abschnitt 2, welche moralischen Positionen mit welchen Kernpositionen eines moralischen Rechts verknüpft werden. (Da in den folgenden Abschnitten immer wieder dieselben zwei Fragen erörtert werden, werden diese zum Zweck der besseren Übersicht mit „(Fl)" für Frage 1 und „(F2)" für Frage 2 gekennzeichnet.) 1. Mit moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpfte moralische Positionen Die moralischen Positionen, die in den obigen Beispielen verknüpfte Elemente bilden und mit denen weitere moralische Positionen verknüpft werden, sind entweder eine moralische Kompetenz oder ein moralischer Anspruch des Rechtsinhabers. Mit ihnen werden folgende moralische Positionen verknüpft: (1) Eine moralische Freiheit 1 oder eine bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers: Eine moralische Freiheit 1 oder eine bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers wird in den obigen Beispielen mit folgenden verknüpften Elementen verknüpft: entweder mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers oder mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers. Auch in letzterer Verknüpfung wird eine moralische Freiheit 1 oder eine bilaterale moralische Freiheit 1 mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers verknüpft, die einen der Bestandteile eines moralischen Anspruchs des Rechtsinhabers bildet. In beiden Fällen wird also eine moralische Freiheit 1 oder eine bilaterale moralische Freiheit 1 mit einer verknüpften moralischen Position verknüpft, in der die Handlung auf Seiten des Subjekts der moralischen Position gedacht wird (= MPS). Die hier genannte Verknüpfungsmöglichkeit legt den Schluss nahe, dass wenn man eine moralische Kompetenz hat, auf etwas Anspruch zu erheben, bzw. eine bestimmte moralische Kompetenz hat, man zugleich auch die moralische Freiheit 1 oder die bilaterale moralische Freiheit 1 haben müsste, die zwei erstgenannten moralischen Positionen auszuüben oder nicht auszuüben. (Fl) Allerdings stellt sich im Rahmen von Wellmans Theorie die Frage (Fl = Frage 1), ob das Haben der moralischen Positionen Anspruch und Kompetenz generell auch das Haben einer moralischen Freiheit 1 oder bilateralen moralischen Freiheit 1 der genannten Art impliziert oder ob eine solche Implikation erst unter der Bedingung ge-
Endnote iii
dacht werden kann, dass beide moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Hier wäre zu untersuchen, inwiefern sich gegebenenfalls die Bedeutung einer moralischen Position für sich betrachtet von ihrer Bedeutung als Bestandteil eines moralischen Rechts unterscheidet und inwiefern ein solcher Unterschied für das genannte Implikationsverhältnis relevant sein kann. Vgl. auch die folgende Erörterung moralischer Freiheiten 1 bzw. bilateraler moralischer Freiheiten 1 im Abschnitt 2.4. (2) Eine moralische Kompetenz des Rechtsinhabers: Eine moralische Kompetenz wird in den obigen Beispielen nur mit folgendem verknüpften Element verknüpft: mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers. Z.B. wird mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers X auf eine Unterlassung einer Handlung HY1 seitens zweiter Parteien Y, mit der sie ihn dazu zwingen könnten, eine Handlung HX1 zu tun oder zu unterlassen, wozu er eine bilaterale Freiheit 1 hat, die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers verknüpft, auf den genannten Anspruch zu verzichten. Mit dieser moralischen Kompetenz wird in weiterer Folge eine bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers verknüpft, die genannte moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. Es handelt sich bei allen drei miteinander verknüpften moralischen Positionen um moralische Positionen des Rechtsinhabers. Femer wird in allen drei verknüpften moralischen Positionen, die Handlung auf Seiten des Subjekts dieser Positionen gedacht: In der moralischen Freiheit 1 wird die Handlung auf Seiten ihres Subjekts gedacht (MPS); ebenso in der mit ihr verknüpften moralischen Kompetenz (MPS); diese wird schließlich mit der moralischen Kompetenz, Anspruch auf etwas zu erheben, verknüpft (MPS), die einen Bestandteil eines moralischen Anspruchs bildet. (Fl) Auch hier stellt sich die Frage (Fl = Frage 1), ob das Haben der moralischen Position Anspruch für sich genommen das Haben einer moralischen Kompetenz, auf diesen moralischen Anspruch zu verzichten, impliziert oder ob eine solche Implikation erst unter der Bedingung gedacht werden kann, dass beide moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Für die Beantwortung dieser Frage gilt das, was oben behauptet wurde. Die Frage, ob die genannte moralische Kompetenz die mit ihr verknüpfte moralische Freiheitl impliziert, wurde schon im vorangegangenen Punkt (1) angesprochen. In Bezug auf die Verknüpfung einer moralischen Kompetenz mit einem moralischen Anspruch vgl. auch die folgende Erörterung moralischer Kompetenzen im Abschnitt 2.2. 2. Mit moralischen Positionen als Kernpositionen verknüpfte moralische Positionen Mit moralischen Positionen als Kernpositionen werden unterschiedliche moralische Positionen verknüpft: 2.1 Moralische Immunitäten Moralische Immunitäten werden in den obigen Beispielen mit moralischen Ansprüchen, (bilateralen) moralischen Freiheiten 1 und moralischen Kompetenzen als Kernpositionen verknüpft und sind in jedem einzelnen Beispiel eines moralischen Rechts, das Wellman analysiert, zu finden. Sie sind immer Positionen des Rechtsinhabers und schützen die Gültigkeit der Kernposition vor der Aufhebung durch unilaterale Hand-
486
Endnote iii
lungen anderer Parteien. In einem der obigen Beispiele schützt eine moralische Immunität in Bezug auf eine moralische Kompetenz als Kernposition davor, dass die Handlung, die in der Kernposition gedacht wird, durch eine andere Partei im Namen des Rechtsinhabers getan wird. Moralische Immunitäten werden also in diesen Beispielen als Positionen des Rechtsinhabers nur mit moralischen Positionen, die im Kern des moralischen Rechts stehen, also Positionen des Rechtsinhabers verknüpft. Moralische Immunitäten betreffen eine Handlung anderer Parteien (MPA) und ihre intendierte Konsequenz für die moralische Position des Rechtsinhabers. Moralische Immunitäten kommen in allen oben erwähnten Beispielen moralischer Rechte vor. Insofern werden sie sowohl mit moralischen Positionen verknüpft, in denen die Handlung auf Seiten des Subjekts der moralischen Position gedacht wird (MPS) (d.i. moralischen Freiheiten 1 und moralischen Kompetenzen), als auch mit moralischen Positionen (d.i. moralischen Ansprüchen) verknüpft, in denen eine Handlung (d.i. die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird) auf Seiten des Subjekts, und eine Handlung (d.i. die, auf die Anspruch erhoben wird) auf Seiten des Adressaten gedacht wird. Demnach sind sie hinsichtlich des Kriteriums, auf welcher Seite die Handlung in der moralischen Position gedacht wird, mit der sie verknüpft werden, nicht auf einen bestimmten Typ moralischer Positionen eingeschränkt. (Fl) Auch hier stellt sich die vorhin gestellte Frage (Fl = Frage 1): Ob das Haben der moralischen Positionen Anspruch, (bilaterale) Freiheit 1 und Kompetenz einer Person X für sich genommen auch das Haben einer moralischen Immunität von X impliziert oder ob eine solche Implikation erst unter der Bedingung gedacht werden kann, dass beide moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Für die Beantwortung dieser Frage gilt auch hier das, was oben bemerkt wurde [vgl. dazu den Abschnitt „1. Mit moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpfte moralische Positionen", Punkt (1)]. (F2) Ferner stellt sich die Frage (F2 = Frage 2), in welchem Zusammenhang die Handlungen, die den Gegenstand der genannten moralischen Kernpositionen bilden, zu den Handlungen stehen, die den Gegenstand einer moralischen Immunität bilden. Vorausgesetzt wird, dass eine Handlung HX1 einer Person X bzw. HY1 einer Person Y im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie in Bezug auf die in ihr vorausgesetzten Werte als moralisch relevant erkannt wird, sodass moralische Gründe für sie in Form irgendeiner der oben genannten moralischen Positionen gelten (d.h. als moralische Freiheit 1 bzw. bilaterale Freiheit 1 von X, die Handlung HX1 zu tun bzw. zu tun oder zu unterlassen, als moralische Kompetenz von X, die Handlung HX1 zu tun, oder als relative moralische Pflicht von Y, die Handlung HY1 zu tun, mit der ein moralischer Anspruch von X auf die Ausführung der Handlung HY1 korreliert). In Bezug auf diese moralische Position von X bzw. Y werden im Kontext einer bestimmten Situation weitere Handlungen HZ1 anderer Personen Z als moralisch relevant erkannt, unter anderem solche, die eine Aufhebung dieser moralischen Position als Konsequenz intendieren. Dies dürfte auch für den Fall gelten, wo Personen Z eine Handlung HZ1 (z.B. Krieg zu erklären) im Namen von Person X auszuüben beabsichtigen. Diesen Fall kann man so verstehen, dass Personen Z eine Handlung HZ1 zu tun beabsichtigen mit dem Zweck, die moralische Kompetenz der Person X, die Handlung HX1 zu tun, aufzuheben und an ihrer (sc. der Person X) Stelle die Handlung HX1 zu tun. - Wellman erklärt nicht näher, wie eine beabsichtigte Aufhebung einer moralischen Position, d.h. der moralischen Gründe für eine Handlung HX1 bzw. HY1 durch
Endnote iii
eine Handlung HZ1 erfolgt und ob dies in Bezug auf alle moralischen Positionen, die als Kernpositionen eines moralischen Rechts gedacht werden können, möglich ist. Eine in dieser Weise moralisch relevante Handlung HZ1 einer Person Z bezieht sich also nicht auf eine Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y, sondern auf eine moralisch relevante Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y. Die moralische Relevanz der Handlung HZ1 von Z wird unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die moralisch relevante Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y, d.h. in Bezug auf die moralische Position von X bzw. Y, deren Gegenstand die Handlung HX1 bzw. HY1 bildet, in Form einer moralischen Immunität begriffen und auf diese Weise mit ihr verknüpft. Zu den erwähnten Voraussetzungen zählt auch der Kontext, in dem die Handlung HZ1 von Z mit der Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y in moralisch relevantem Zusammenhang gesehen wird: Diesen Kontext bildet ein bestimmter Willenskonflikt und in Bezug auf dessen Lösung oder Vermeidung werden die moralisch relevanten Handlungen HX1 bzw. HY1 und HZ1 als Bestandteile eines moralischen Rechts gesehen. Man kann hier argumentieren, dass die Art, in der die moralische Relevanz der Handlung HZ1 von Z in Bezug auf die moralisch relevante Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y begriffen wird, nämlich als moralische Immunität, eine Kontrolle über die Handlung HZ1 bedeutet. Der Zusammenhang zwischen der moralisch relevanten Handlung HX1 von X bzw. HY1 von Y und der in Bezug auf diese als relevant erkannten moralischen Handlung HZ1 von Z, d.h. zweier unterschiedlicher Handlungen mit unterschiedlichen Subjekten besteht demnach aufgrund der Tatsache, dass letztere die Aufhebung der moralischen Position von X bzw. Y, d.h. der moralischen Relevanz der Handlung HX1 bzw. HY1 als Konsequenz intendiert, und er ermöglicht bzw. bezweckt im Rahmen eines moralischen Rechts die Vermeidung dieser Konsequenz. Insofern die Handlung HZ1 die Aufhebung der moralischen Relevanz der Handlung HX1 bzw. HY1 intendiert, betrifft sie auch die Ausübung der Handlung HX1 bzw. HY1 und bezieht sich auf diese Weise auf die Handlung HX1 bzw. HY1. 2.2 Moralische Kompetenzen Eine moralische Kompetenz einer Person X wird in den obigen Beispielen nur mit einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft, die entweder, wie im Fall eines moralischen Anspruchsrechts, die Kernposition desselben bildet oder, wie im Fall eines moralischen Freiheitsrechts, eine mit der Kernposition verknüpfte moralische Position bildet. Wellman erwähnt in seinen Beispielen zwei Arten moralischer Kompetenzen: (i) Die erste Art bildet eine moralische Kompetenz einer Person X, auf ihren moralischen Anspruch, mit dem die moralische Kompetenz verknüpft ist, zu verzichten. Diese ist nicht nur in moralischen Anspruchsrechten, sondern auch in moralischen Freiheitsrechten zu finden. Dort wird die moralische Kompetenz einer Person X, auf ihren Anspruch zu verzichten nicht auf die Kernposition, eine bilaterale moralische Freiheit 1, sondern auf einen mit ihr verknüpften moralischen Anspruch gegenüber anderen Parteien bezogen, (ii) Die zweite Art bildet eine moralische Kompetenz einer Person X, die Handlung bzw. Leistung (z.B. die Rückzahlung des geschuldeten Geldes), die den Gegenstand des Kernanspruchs von X bildet, zu akzeptieren und damit den Kernanspruch aufzuheben. (Eine dritte Art einer Kompetenz, allerdings einer legalen Kompetenz, findet man bei einem legalen Freiheitsrecht, dem legalen Recht auf Redefreiheit. Dort wird mit der legalen Kernfreiheit 1 eine legale Kompetenz des Rechtsinhabers verknüpft, rechtlich vorzugehen, um seine Kernfreiheit 1 zu schützen.)
488
Endnote iii
In beiden Arten einer moralischen Kompetenz (und auch bei der erwähnten legalen Kompetenz) wird eine moralische Kompetenz als moralische Position des Rechtsinhabers mit einer moralischen Position des Rechtsinhabers verknüpft. In der moralischen Kompetenz wird die Handlung auf Seiten ihres Subjekts gedacht (MPS), in der moralischen Position, mit der sie verknüpft wird, d.i. dem moralischen Anspruch, wird die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Subjekts (MPS), die Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Adressaten gedacht (MPA). (Im erwähnten Beispiel einer legalen Kompetenz wird die Handlung in der legalen Kernposition Freiheit 1, mit der die legale Kompetenz verknüpft wird, auf Seiten des Subjekts gedacht.) Unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich ein Unterschied hinsichtlich der Handlung im moralischen Anspruch, auf die sich die Handlung in der moralischen Kompetenz in den zwei erwähnten Fällen bezieht. Im (i) ersten oben erwähnten Fall bezieht sich die Handlung Verzichten, die den Gegenstand der entsprechenden moralischen Kompetenz bildet, direkt auf die Handlung Ansprucherheben, d.i. die Handlung im moralischen Anspruch, die auf Seiten des Subjekts gedacht wird (MPS). Im (ii) zweiten oben erwähnten Fall bezieht sich die Handlung Akzeptieren, die den Gegenstand der moralischen Kompetenz bildet, auf die Handlung Rückzahlung, d.i. die Handlung im moralischen Anspruch, auf die Anspruch erhoben wird und die auf Seiten des Adressaten gedacht wird (MPA). (Fl) Auch hier lässt sich die Frage (Fl = Frage 1) stellen, ob das Haben eines der genannten moralischen Ansprüche einer Person X für sich genommen auch das Haben der entsprechenden moralischen Kompetenz von X impliziert oder ob eine solche Implikation erst unter der Bedingung gedacht werden kann, dass die beiden moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Für die Beantwortung dieser Frage gilt auch hier das, was oben bemerkt wurde [vgl. den Abschnitt „1. Mit moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpfte moralische Positionen", Punkt (1)]. Dabei ist auch zu berücksichtigen, was Wellman in Bezug auf die moralischen Gründe der moralischen Position Kompetenz bemerkt hat: dass sie indirekt durch die moralischen Gründe der moralischen Positionen begründet wird, die sie als Konsequenz erwirkt. Vgl. Wellman (1995), S. 77, bzw. hier Kapitel B., II., 3., d), aa), (4). (F2) Femer stellt sich die Frage (F2 = Frage 2), in welchem Zusammenhang die Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen moralischen Kompetenz einer Person X bildet, mit der Handlung steht, die den Gegenstand der jeweiligen moralischen Position von X bildet, mit der die moralische Kompetenz verknüpft wird. Betrachtet man die (ii) zweite Art einer moralischen Kompetenz, so lässt sich der Zusammenhang folgendermaßen beschreiben: Unter Voraussetzung bestimmter Werte im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie hat eine Person Y die relative moralische Pflicht gegenüber der Person X, eine Handlung HY1 zu tun, nämlich X das geschuldete Geld zurückzuzahlen, und X einen moralischen Anspruch gegenüber Y, die Rückzahlung zu fordern. In Bezug auf die Handlung des Ansprucherhebens HX1 von X auf die Erfüllung der korrelativen moralischen Pflicht von Y, d.i. der Ausführung der Handlung HY1, wird eine weitere Handlung HX2 der Person X als moralisch relevant erkannt: die Handlung, mit der die Rückzahlung akzeptiert wird. Diese bildet gewissermaßen eine Voraussetzung für das Ansprucherheben und die Erfüllung der korrelativen moralischen Pflicht bzw. der Ausführung der in ihr gedachten Handlung HY1 und der damit einhergehenden Aufhebung des moralischen Anspruchs von X (und der moralischen Pflicht von Y). Inwiefern diese Voraussetzung schon in den moralischen Grün-
Endnote iii
den und im Zustandekommen der genannten relativen moralischen Pflicht von Y und des moralischen Anspruchs von X berücksichtigt ist, erörtert Wellman nicht. Man kann argumentieren, dass der Zusammenhang des moralischen Anspruchs und der mit ihm korrelierenden moralischen Pflicht mit der moralischen Kompetenz und der in ihnen gedachten Handlungen HX1, HY1 und HX2 aufgrund der Tatsache besteht, dass die moralische Kompetenz und die in ihr gedachte Handlung HX2 eine Voraussetzung für die Erfüllung der moralischen Pflicht und damit der Ausführung der Handlung HY1 bildet. Demnach wird in diesem Zusammenhang die Voraussetzung für das Ansprucherheben und die Erfüllung der moralischen Pflicht, d.h. die Ausführung der Handlung HY1 berücksichtigt. Dahn kann auch der Grund gesehen werden, aus dem dieser Zusammenhang im genannten moralischen Recht berücksichtigt wird. In Bezug auf diesen Zusammenhang stellt sich hier die Frage, ob er, wie in den anderen Fällen, als Freiheit2 oder Kontrolle verstanden werden kann oder ob zur Charakterisierung desselben ein anderer Begriff erforderlich wäre. Femer sei in Bezug auf den erörterten Zusammenhang Folgendes bemerkt: Man könnte annehmen, dass ein Zusammenhang zwischen den Handlungen Zurückzahlen und Akzeptieren der Rückzahlung bzw. Entgegennehmen des Geldes unabhängig von ihrer moralischen Relevanz vorliegt, der für die Erklärung des oben geschilderten Zusammenhangs eine Rolle spielt. Dieser Zusammenhang könnte darin gesehen werden, dass man in der Handlung Rückzahlen davon ausgeht, dass der Empfänger der Rückzahlung die Rückzahlung akzeptieren und das Geld entgegennehmen wird. Allerdings kann man argumentieren, dass der Grund dieser Handlungen und der Annahme in der Handlung Rückzahlung, dass die Rückzahlung akzeptiert wird, normativ (moralisch) ist und darin liegt, dass diese Rückzahlung dem Adressaten geschuldet wird, dass er darauf einen Anspruch hat bzw. erhebt und daher den Betrag entgegennehmen wird. Bei der (i) ersten erwähnten Art einer moralischen Kompetenz dürfte ein anderer Zusammenhang vorliegen. Eine Person X hat hier einen moralischen Anspruch auf eine Handlung (Leistung) oder Unterlassung einer Handlung HY1 gegenüber einer Person Y, die die korrelative Pflicht zu dieser Handlung oder Unterlassung hat. Hier stellt sich die Frage, inwiefern in Bezug auf diese moralisch relevante Handlung HY1 eine Handlung HX2 der Person X als moralisch relevant betrachtet werden kann, mit der die Aufhebung der moralischen Relevanz der Handlung HY1 intendiert wird, d.h. in welchem Zusammenhang die zwei moralisch relevanten Handlungen stehen. Die moralische Relevanz der Handlung HX2 besteht hier nicht wie im vorigen Fall darin, dass sie eine Voraussetzung für die Handlung Ansprucherheben HX1 und die Erfüllung der moralischen Pflicht, d.i. die Ausführung der in ihr gedachten Handlung HY1 bildet. Man kann davon ausgehen, dass hier andere Überlegungen berücksichtigt werden, denen der genannte Zusammenhang bzw. die genannte Verknüpfung dient. Im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie und der in ihr vorausgesetzten Werte dürfte ein Teil der Erklärung darin liegen, dass es Situationen gibt, in denen ein Verzicht von X auf ihren moralischen Anspruch gegenüber Y bessere Konsequenzen hat im Vergleich zum Erheben ihres moralischen Anspruchs. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob damit auch erklärt wird, aus welchem Grund die genannte moralische Kompetenz, auf einen moralischen Anspruch zu verzichten als Bestandteil bestimmter moralischer Rechte gedacht werden muss. Mit der Klärung dieser Frage hängt auch die Klärung der weiteren Frage zusammen, inwiefern der Zusammenhang dieser beiden moralischen Positionen als Freiheit2 oder Kontrolle begriffen werden kann. Im Rahmen der Erörterung der Gründe für diesen Zusammenhang müsste man
490
Endnote
iii
unter anderem auch die Frage untersuchen, inwiefern sich die moralische Kompetenz von X, auf seinen moralischen Anspruch, auf eine Handlung oder Unterlassung HY1 auf Seiten von Y zu verzichten, von seiner bilateralen moralischen Freiheit 1, diesen Anspruch zu erheben oder nicht zu erheben, unterscheidet. 23 Moralische Ansprüche Ein moralischer Anspruch einer Person X wird in den obigen Beispielen entweder (1) mit einer moralischen Freiheitl bzw. einer bilateralen moralischen Freiheitl oder (2) mit einer moralischen Kompetenz oder (3) mit einem moralischen Anspruch als Kernposition derselben Person verknüpft. (1) Ein moralischer Anspruch einer Person X, der mit einer moralischen Freiheitl bzw. einer bilateralen moralischen Freiheitl als Kernposition eines moralischen Rechts von X verknüpft wird, besteht gegenüber zweiten oder gegenüber dritten Parteien auf die Unterlassung einer Handlung, mit der sie X in der Ausübung seiner Freiheitl bzw. bilateralen moralischen Freiheitl einschränken oder hindern würden. (2) Ein moralischer Anspruch von X, der mit einer moralischen Kompetenz als Kernposition eines moralischen Rechts von X verknüpft wird, besteht gegenüber zweiten Parteien ebenfalls auf die Unterlassung einer Handlung, mit der sie X zwingen können, die Handlung, die den Gegenstand der moralischen Kompetenz von X bildet, zu tun oder zu unterlassen. (3) Ein moralischer Anspruch einer Person X, der mit einem moralischen Anspruch, der die Kernposition eines moralischen Rechts von X bildet, verknüpft wird, besteht auf eine Handlung anderer Parteien Z, mit der sichergestellt werden soll, dass der Adressat Y des moralischen Kernanspruchs, seine Pflicht erfüllt. Ad (1), (2): In den ersten zwei Fällen wird ein moralischer Anspruch als moralische Position des Rechtsinhabers mit einer moralischen Position des Rechtsinhabers verknüpft. In den moralischen Positionen Freiheitl bzw. bilaterale Freiheitl und Kompetenz, mit denen in diesen Beispielen ein moralischer Anspruch verknüpft wird, wird die Handlung auf Seiten ihres Subjekts gedacht (MPS), im moralischen Anspruch wird die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Subjekts (MPS), die Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Adressaten (MPA) gedacht. Ad (3): Im dritten Fall, in dem ein moralischer Anspruch mit einem moralischen Anspruch als Kernposition verknüpft wird, hat die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird, dasselbe Subjekt, nämlich den Rechtsinhaber, die Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, wird auf Seiten unterschiedlicher Adressaten gedacht: in der Kernposition auf Seiten der zweiten Partei Y, des Adressaten des Rechts, in der verknüpften Position auf Seiten anderer, d.i. dritter Parteien Z. Ad (1), (2): Die verknüpften moralischen Ansprüche betreffen in den ersten zwei Fällen eine Handlung HY1 zweiter Parteien Y oder eine Handlung HZ1 dritter Parteien Z, die die Handlung HX1, die den Gegenstand der Kemposition von X bildet, einschränken oder behindern würde. Ad (3): Der moralische Anspruch betrifft im dritten Fall eine Handlung HZ1 dritter Parteien Z, die die Handlung HY1 der zweiten Partei Y betrifft, welche den Gegenstand des moralischen Kernanspruchs des Rechtsinhabers bildet. (Fl) Auch hier lässt sich die Frage (Fl = Frage 1) stellen, ob das Haben einer der genannten moralischen Positionen Freiheitl, bilaterale Freiheitl, Kompetenz und Anspruch einer Person X für sich genommen, das Haben des jeweiligen moralischen Anspruchs derselben Person impliziert oder ob eine solche Implikation erst unter der Be-
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dingung gedacht werden kann, dass diese moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Für die Beantwortung dieser Frage gilt das, was zuvor bemerkt wurde [vgl. dazu den Abschnitt „1. Mit moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpfte moralische Positionen", Punkt (1)]. Wellman erörtert am Beispiel des moralischen Rechts einer Person X, sich nach Wunsch zu kleiden, dass der moralische Anspruch von X gegenüber zweiten Parteien, dass sie X nicht zwingen, es zu unterlassen, sich nach Wunsch oder nicht nach Wunsch zu kleiden (...), nicht durch die moralischen Gründe der Kernposition mit begründet wird, die die bilaterale moralische Freiheit 1 von X ist, sich nach Wunsch oder nicht nach Wunsch zu kleiden. Wellmans Erörterungen zu dem Begründungsverhältnis dieser zwei moralischen Positionen können hier nicht wiedergegeben werden. Es sei hier nur darauf hingewiesen, dass das Nichtgegebensein moralischer Pflicht auferlegender Gründe für eine Person X, eine Handlung HX1 nicht zu tun, die eine bilaterale moralische Freiheit 1 übertragen, die Handlung HX1 zu tun oder nicht zu tun, nicht zugleich moralische Gründe sind, die anderen Parteien Y eine relative moralische Pflicht gegenüber X auferlegen, X in dieser Freiheit 1 nicht einzuschränken, und X auch nicht einen korrelativen moralischen Anspruch, auf die Erfüllung einer solchen relativen moralischen Pflicht übertragen. In diesem Zusammenhang ist auf eine in der Literatur diskutierte Unterscheidung hinzuweisen: Die Unterscheidung zwischen einer bewehrten und einer unbewehrten Freiheit. Erstere sei eine bloße Erlaubnis zu einem bestimmten Verhalten, letztere eine Erlaubnis zu einem bestimmten Handeln, verbunden mit einem Gewaltverbot, das anderen Personen die Pflicht auferlege, das erlaubte Handeln nicht gewaltsam zu verhindern. Vgl. Koller (1997a), S. 258 f., bzw. Alexy (1985), S. 203 ff. Erstere mache noch kein Freiheitsrecht\ nur letztere könne den Gegenstand eines Freiheitsrechts bilden. (F2) Femer stellt sich in Bezug auf die obigen Beispiele die Frage (F2 = Frage 2), welcher Zusammenhang zwischen der Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen moralischen Position bildet, mit der ein moralischer Anspruch verknüpft wird, und der Handlung, die den Gegenstand dieses moralischen Anspruchs bildet, besteht. Die moralische Position, mit der ein moralischer Anspruch verknüpft wird, hat eine moralische Handlung HX1 bzw. HY1 einer Person X bzw. Y zum Gegenstand. Diese Handlung HX1 bzw. HY1 wird im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie in Bezug auf vorausgesetzte Werte als moralisch relevant erkannt und ihre moralische Relevanz wird in den obigen Beispielen entweder in Form (1) einer moralischen bzw. bilateralen moralischen Freiheit 1 von X oder (2) einer moralischen Kompetenz von X oder (3) eines moralischen Anspruchs von X mit einer korrelativen Pflicht von Y begriffen. In Bezug auf die Handlung HX1 in den Fällen (1) und (2) bzw. HY1 im Fall (3) als Gegenstand einer moralischen Position wird eine Handlung HY1 bzw. HZ1 einer anderen Partei Y bzw. Z in den Fällen (1) und (2) bzw. HZ1 einer anderen Partei Z im Fall (3) als moralisch relevant begriffen, eine Handlung, die der Handlung HX1 in den Fällen (1) und (2) bzw. HY1 im Fall (3) als Gegenstand einer moralischen Position entweder förderlich oder abträglich ist. Die moralische Relevanz dieser Handlung HY1 bzw. HZ1 einer anderen Partei Y bzw. Z in den Fällen (1) und (2) bzw. HZ1 einer anderen Partei Z im Fall (3) wird demnach nicht in Bezug auf eine Handlung HX1 in den Fällen (1) und (2) bzw. HY1 im Fall (3), sondern in Bezug auf eine moralisch relevante Handlung HX1 bzw. HY1, also eine Handlung HX1 bzw. HY1 als Gegenstand einer moralischen Position von X bzw. Y begriffen und hat in den obigen Beispielen die Form eines moralischen Anspruchs der Partei X gegenüber der Partei Y bzw. Z in den Fällen (1) und (2) bzw. Z im Fall (3).
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Hier bestehen allerdings zwei Möglichkeiten: (i) entweder ist die Handlung, die in der verknüpften moralischen Position gedacht wird, der Handlung, die in der moralischen Position, mit der die erstgenannte moralische Position verknüpft wird, abträglich oder (ii) sie ist ihr förderlich. Unter diesem Aspekt lassen sich auch die oben erwähnten Beispiele betrachten: (i) Ist die Handlung HY1 von Y bzw. HZ1 von Z in den Fällen (1) und (2) der moralisch relevanten Handlung HX1 von X abträglich, so hat X einen moralischen Anspruch gegenüber Y bzw. Z auf die Unterlassung der Handlung HY1 bzw. HZ1 und Y bzw. Z hat eine korrelative moralische Pflicht, die Handlung HY1 bzw. HZ1 zu unterlassen. Die zwei unterschiedlichen Handlungen HX1 und HY1 bzw. HZ1, die unterschiedliche Subjekte haben, stehen demnach, moralisch betrachtet, insofern in Zusammenhang, als die Handlung HY1 bzw. HZ1 der Handlung HX1 abträglich ist. In jenen oben erwähnten Fällen, d.i. (1) und (2), in denen die Handlung HX1 auf Seiten des Subjekts X der moralischen Position, mit der ein moralischer Anspruch verknüpft wird, gedacht wird, d.i. in denen die moralische Position eine Freiheit 1 bzw. eine bilaterale Freiheit 1 oder eine Kompetenz ist, besteht der mit ihr verknüpfte moralische Anspruch von X gegenüber Y bzw. Z auf eine Unterlassung einer Handlung HY1 bzw. HZ1. (ii) Inwiefern kann aber eine Person X einen Anspruch gegenüber Personen Z auf eine Handlung HZ1 haben, die der Handlung HX1 förderlich ist? Dieser Fall tritt im (3) dritten oben erwähnten Fall auf, in dem ein moralischer Anspruch mit einem anderen moralischen Anspruch verknüpft wird. Das Beispiel bildet das moralische Recht auf Privatsphäre, dessen Kernpositionen drei moralische Ansprüche des Rechtsinhabers X gegenüber einer zweiten Partei Y (d.i. dem Staat) auf bestimmte Handlungen (Leistungen) bzw. Unterlassungen HY1 sind. Mit diesen Kernansprüchen wird ein moralischer Anspruch des Rechtsinhabers X gegenüber dritten Parteien Z verknüpft, dass Z eine Handlung HZ1 tun (z.B. politisch etwas unternehmen), die den moralisch relevanten Handlungen HY1 förderlich sind bzw. dazu beitragen, dass sie erfolgen (z.B. sicherstellen, dass der Staat seine moralischen Pflichten erfüllt, die mit den Kernansprüchen korrelieren). Die zwei unterschiedlichen Handlungen HY1 und HZ1, die unterschiedliche Subjekte haben, stehen demnach, moralisch betrachtet, insofern in Zusammenhang, als die Handlung HZ1 dazu beiträgt, dass die Handlung HY1 ausgeführt wird. In Bezug auf den Zusammenhang zwischen den moralischen Positionen einer Person X, die die Handlung HX1 bzw. HY1 einer Person X bzw. Y zum Gegenstand haben, und dem mit ihnen jeweils verknüpften moralischen Anspruch derselben Person X, der die Handlung oder Unterlassung der Handlung HY1 bzw. HZ1 einer Person Y bzw. Z in den Fällen (1) und (2) bzw. der Handlung HZ1 einer Person Z im Fall (3) zum Gegenstand hat, lässt sich nach dieser Betrachtung Folgendes behaupten: in allen drei Fällen hat der verknüpfte moralische Anspruch von X die Funktion, die Ausführung der Handlung der moralischen Position, mit der er verknüpft ist, zu sichern oder zu ihrer Ausführung beizutragen: in den Fällen (1) und (2) als moralischer Anspruch von X auf die Unterlassung einer behindernden Handlung HY1 von Y bzw. HZ1 von Z, im Fall (3) als moralischer Anspruch von X auf die Ausführung einer Handlung HZ1 von Z, die zur Ausführung der Handlung HY1 von Y beiträgt. Darin kann man den Grund sehen, aus dem die genannten Zusammenhänge in den entsprechenden moralischen Rechten enthalten gedacht werden. Demnach kann man argumentieren, dass in den obigen Beispielen der verknüpfte moralische Anspruch von X in Bezug auf die moralisch relevante Handlung HX1 von X in den Fällen (1) und (2) bzw. HY1 von Y im Fall (3) Folgendes bedeutet: Entweder verstärkt bzw. sichert er
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eine Freiheit2 (freedom) von behindernden Handlungen HY1 bzw. HZ1 von Y bzw. Z in den Fällen (1) und (2) und eine Kontrolle über diese oder er ermöglicht mittels der Handlung HZ1 von Z im Fall (3) eine Kontrolle über die Ausführung der Handlung HY1 von Y. 2.4 Moralische Freiheitl bzw. bilaterale moralische Freiheitl Vorweg sei bemerkt, dass diejenigen moralischen Positionen, mit denen Wellman in den obigen Beispielen immer eine moralische Freiheitl oder eine bilaterale moralische Freiheitl desselben Subjekts verknüpft, moralische Kompetenzen oder moralische Ansprüche (die auch moralische Kompetenzen enthalten) sind. 2.4.1 Bilaterale moralische Freiheiten! - Bilaterale moralische Freiheitenl werden in den obigen Beispielen nur mit moralischen Kompetenzen oder moralischen Ansprüchen verknüpft. Es sind immer bilaterale moralische Freiheitenl einer Person X (des Rechtsinhabers), eine moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben bzw. einen moralischen Anspruch zu erheben oder nicht zu erheben. Die moralischen Kompetenzen oder Ansprüche, mit denen die bilateralen moralischen Freiheitenl verknüpft werden, sind auch moralische Positionen derselben Person (des Rechtsinhabers). Sowohl in den bilateralen moralischen Freiheitenl, als auch in den moralischen Positionen, mit denen sie verknüpft werden, wird die bzw. eine Handlung auf Seiten des Subjekts der moralischen Position gedacht (MPS). Bei der moralischen Position Kompetenz wird die Handlung auf Seiten des Subjekts dieser Position gedacht und bei der moralischen Position Anspruch wird die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Subjekts, die Handlung, auf die Anspruch erhoben wird, auf Seiten des Adressaten dieser Position gedacht. Die bilaterale moralische Freiheitl wird auch im Fall eines moralischen Anspruchs mit einer moralischen Kompetenz verknüpft, die einen seiner Bestandteile bildet. 2.4.2 Moralische Freiheitenl - Moralische Freiheitenl werden in den in Teil (I) erwähnten Beispielen moralischer Rechte mit unterschiedlichen moralischen Positionen verknüpft und haben entweder (1) den Rechtsinhaber, oder (2) zweite Parteien oder (3) dritte Parteien als Subjekt. (1) Eine moralische Freiheitl, die den Rechtsinhaber zum Subjekt hat, wird mit folgenden moralischen Positionen verknüpft: (i) Mit einer moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers: z.B. die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers X, seine Kompetenz, eine Handlung HX1 zu tun (z.B. die Rückzahlung zu akzeptieren und damit, als Konsequenz, seinen moralischen Anspruch aufzuheben), auszuüben, (ii) Mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers X: z.B. die moralische Freiheitl von X, eine Handlung HX2 zu tun, um eine Handlung HY1 (einer Person Y) zu verhindern, auf deren Unterlassung er einen moralischen Anspruch hat, mit dem diese moralische Freiheitl verknüpft ist; oder, die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, mit einer Handlung HX2 eine Handlung bzw. Leistung HY1 (einer Person Y) zu akzeptieren, auf die er einen moralischen Anspruch hat. (iii) Mit einer moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers X: z.B. wird mit der moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers, eine bestimmte Handlung HX1 zu tun, die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers verknüpft, die Handlung HX1 zu unterlassen; oder es wird mit einer moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers, eine bestimmte Handlung HX1 zu tun, eine moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, eine Handlung HX2 zu tun, verknüpft, mit der er eine Hand-
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lung HY1 anderer Personen Y, durch die sie ihn mit Zwang von der Handlung HX1 abzuhalten versuchen, verhindert oder ihr ausweicht. In allen drei Fällen wird eine moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers mit einer moralischen Position des Rechtsinhabers verknüpft. In der jeweiligen moralischen Freiheit 1, die mit einer moralischen Position verknüpft wird, wird die Handlung auf Seiten des Subjekts gedacht (MPS). In manchen der moralischen Positionen, mit denen die genannte moralische Freiheit 1 verknüpft wird, wird die Handlung auf Seiten des Subjekts dieser Position gedacht (bei moralischen Kompetenzen und moralischen Freiheiten 1), in anderen (bei moralischen Ansprüchen) wird eine Handlung (die, mit der Anspruch erhoben wird) auf Seiten des Subjekts (MPS), eine weitere Handlung (die, auf die Anspruch erhoben wird) auf Seiten des Adressaten (MPA) gedacht. (2) Eine moralische Freiheit 1, die dritte Parteien als Subjekte hat, wird mit folgenden moralischen Positionen verknüpft: (i) Mit einem moralischen Anspruch: z.B. die moralische Freiheit 1 dritter Parteien Z, eine Handlung HZ1 zu tun (z.B. zu intervenieren), um die Adressaten des Kernanspruchs an der Verletzung desselben zu hindern (sofem der Rechtsinhaber nicht auf seinen Kernanspruch verzichtet hat oder dritte Parteien nicht ersucht hat nicht zu intervenieren), (ii) Mit einer moralischen Freiheitl: z.B. die moralische Freiheitl dritter Parteien, dem Rechtsinhaber bei der Handlung behilflich zu sein, zu der er eine moralische Freiheitl hat. (3) Eine moralische Freiheitl, die eine zweite Partei, d.i. den Adressaten der Kernposition, als Subjekt hat, wird mit einer relativen moralischen Pflicht verknüpft: z. B. wird mit einer relativen moralischen Pflicht des Adressaten eines moralischen Anspruchs, auf deren Erfüllung der Rechtsinhaber einen moralischen Anspruch hat, die moralische Freiheitl des Adressaten verknüpft, diese relative moralische Pflicht zu erfüllen. (Fl) Auch hier lässt sich die Frage (Fl = Frage 1) stellen, ob in den obigen Beispielen (in 2.4.1 und 2.4.2) das Haben der moralischen Position einer Person X, mit der die entsprechende moralische Freiheitl bzw. bilaterale moralische Freiheitl derselben oder einer anderen Person verknüpft wird, für sich genommen das Haben dieser moralischen Freiheitl impliziert oder ob diese Implikation erst unter der Bedingung gedacht werden kann, dass beide moralischen Positionen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Zur Beantwortung dieser Frage müsste unter anderem geklärt werden, inwiefern eine bilaterale moralische Freiheitl einer Person X bzw. eine moralische Freiheitl einer Person X oder einer anderen Person mit der moralischen Position der Person X zusammenhängen, mit der sie verknüpft werden. Je nachdem, mit welcher moralischen Position die moralische Freiheitl in den oben erwähnten Beispielen verknüpft wird, liegen bestimmte Unterschiede vor, die in der Formulierung und Beantwortung dieser Frage (Fl) berücksichtigt werden müssen. Diese Unterschiede zeigen sich, wenn man die oben in 2.4.1 und in 2.4.2 [nach Subjekt der verknüpften moralischen Freiheitenl (1), (2), (3)] aufgelisteten Fälle z.B. nach dem Kriterium auflistet, mit welcher moralischen Position einer Person X eine moralische Freiheitl von X oder einer anderen Person verknüpft wird.
(!') Mit einem moralischen Anspruch bzw. einer moralischen Kompetenz - Die ralischen Freiheitenl, die mit einem moralischen Anspruch bzw. einer moralischen Kompetenz verknüpft werden, lassen sich in folgender Weise voneinander unterscheiden: (a) In jenen Fällen, in denen eine bilaterale moralische Freiheitl einer Person X (des Rechtsinhabers) mit einer moralischen Kompetenz oder mit einem moralischen
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Anspruch derselben Person verknüpft wird, und in jenem Fall, in dem eine moralische Freiheitl einer Person X (des Rechtsinhabers) mit einer moralischen Kompetenz verknüpft wird [vgl. die Abschnitte 2.4.1 und 2.4.2, (1), (i)], ist die Handlung, zu der eine moralische Freiheitl (bzw. der eine Teil der bilateralen moralischen Freiheitl) besteht, auch die Handlung, die in der moralischen Position gedacht wird, mit der diese moralische Freiheitl (bzw. der eine Teil der bilateralen moralischen Freiheitl) verknüpft wird: z.B. die Handlung, die in einer moralischen Kompetenz ausgeübt wird, oder die Handlung, die in der moralischen Kompetenz, Anspruch zu erheben, ausgeübt wird. (Die soeben erwähnte bilaterale moralische Freiheitl von X enthält neben der moralischen Freiheitl, den moralischen Anspruch zu erheben bzw. die moralische Kompetenz auszuüben, auch die moralische Freiheitl, es zu unterlassen, den genannten moralischen Anspruch zu erheben bzw. die genannte moralische Kompetenz auszuüben. Letztere moralische Freiheitl kann als zweite moralische Freiheitl betrachtet werden, die mit der erstgenannten zu einer bilateralen moralischen Freiheitl von X verknüpft gedacht wird.) Davon unterscheiden sich (b) jene Fälle, in denen eine moralische Freiheitl einer Person X (des Rechtsinhabers) mit einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft ist und in denen in der verknüpften moralischen Freiheitl eine andere Handlung gedacht wird als im moralischen Anspruch: z.B. in der verknüpften moralischen Freiheit des Rechtsinhabers zu einer Handlung HX2, mit der er die Handlung HY1 (einer Person Y) verhindert, auf deren Unterlassung sein moralischer Anspruch besteht, oder in der verknüpften moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers eine Handlung (bzw. Leistung) HY1 zu akzeptieren, auf die er einen moralischen Anspruch hat. Vgl. die oben unter 2.4.2, (1), (ii) erwähnten Fälle. Diese Fälle unterscheiden sich insofern von dem oben unter (a) genannten Fall, in dem eine bilaterale moralische Freiheitl einer Person X mit einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft wird, als sich hier die verknüpfte moralische Freiheitl der Person X nicht auf die Handlung Ansprucherheben bezieht. Die Handlung HX2, die den Gegenstand der verknüpften moralischen Freiheitl der Person X bildet, betrifft hier die Handlung HY1, die den Gegenstand des moralischen Anspruchs derselben Person und zugleich den Gegenstand der mit ihm korrelierenden moralischen Pflicht des Adressaten Y bildet. In den obigen Beispielen besteht entweder eine moralische Freiheitl der Person X zu einer Handlung HX2, die Handlung HY1 zu verhindern, auf deren Unterlassung ein moralischer Anspruch besteht, oder eine moralische Freiheitl der Person X zu einer Handlung HX2, mit der X die Handlung oder Leistung HY1 akzeptiert, auf die X einen moralischen Anspruch hat. Ferner ist von den bisher erwähnten Fällen jener Fall (c) zu unterscheiden, in dem eine moralische Freiheitl dritter Parteien Z, eine Handlung HZ1 zu tun, mit einem moralischen Anspruch einer Person X (des Rechtsinhabers) auf die Unterlassung einer Handlung HY1 verknüpft wird, die (sc. Handlung HZ1) die Verletzung des moralischen Anspruchs von X durch die Adressaten Y desselben verhindert [vgl. den Abschnitt 2.4.2, (2), (i)]. Hier hat die verknüpfte moralischen Freiheitl ein anderes Subjekt und eine andere Handlung zum Gegenstand als die moralische Position, mit der sie verknüpft wird. Was sie mit dem vorhin unter (b) genannten Fall gemeinsam hat, ist, dass sich die Handlung HZ1, zu der dritte Parteien eine moralische Freiheitl haben, auf die Handlung HY1 bezieht, auf deren Unterlassung Person X einen moralischen Anspruch hat.
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(2') Mit einer moralischen Pflicht - Der Fall, in dem eine moralische Freiheit 1 einer Person Y mit einer moralischen Pflicht derselben Person verknüpft wird: Dieser Fall [vgl. den Abschnitt 2.4.2, (3)] unterscheidet sich insofern z.B. von den unter (1') (a) genannten, als hier keine bilaterale moralische Freiheit 1 vorliegen kann, die moralische Pflicht zu erfüllen oder nicht zu erfüllen. Es stellt sich hier allerdings die Frage, ob, wenn Y eine moralische Pflicht hat, eine Handlung HY1 zu tun, sie auch die moralische Freiheit 1 hat, ihre moralische Pflicht zu erfüllen, - vgl. Wellman (1978), S. 57 - oder ob sie nur die moralische Freiheit 1 hat, die Handlung HY1 zu tun, zu der sie eine moralische Pflicht hat. In Bezug auf das Verhältnis einer moralischen Pflicht, eine Handlung HY1 zu tun, und einer moralischen Freiheit 1, die Handlung HY1 zu tun, liegt nach gängiger Auffassung insofern ein Implikationsverhältnis vor, als das, was moralisch geboten ist, nicht verboten ist und was nicht verboten ist, erlaubt ist, sodass das, was geboten ist, erlaubt ist. Vgl. dazu z.B. Kutschera (1982), S. 5, bzw. (1973), S. 22 f. (Kutschera weist darauf hin, dass das Prinzip „Was geboten ist, ist auch erlaubt", trotz seiner Evidenz, in der Literatur nicht unbestritten ist. Vgl. Kutschera (1982), S. 5.) (3') Mit einer moralischen Freiheit 1 - (a) Die Fälle, in denen eine moralische Freiheit 1 einer Person X (des Rechtsinhabers) mit einer anderen moralischen Freiheit 1 derselben Person verknüpft wird [vgl. den Punkt (1), (iii)], unterscheiden sich insofern von den unter „(T), (a)" genannten miteinander verknüpften moralischen Positionen derselben Person - abgesehen von der Tatsache, dass dort eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einer moralischen Kompetenz oder einem moralischen Anspruch von X verknüpft wird als hier entweder unterschiedliche Handlungen die Gegenstände der zwei miteinander verknüpften moralischen Freiheiten 1 bilden oder den Gegenstand der einen Freiheit 1 eine Handlung, den der mit ihr verknüpften moralischen Freiheit 1 die Unterlassung dieser Handlung bildet. Ersterer Fall teilt mit dem unter „(1') (b)" genannten Fall, in dem eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft wird, dass zwei unterschiedliche Handlungen derselben Person gedacht werden. In letzterem hier erwähnten Fall müsste geklärt werden, ob sich diese zwei moralischen Freiheiten 1 zu einer bilateralen moralischen Freiheit 1 zusammenfassen lassen, die Handlung zu tun oder zu unterlassen. (b) Der Fall, in dem eine moralische Freiheit 1 dritter Parteien mit einer moralischen Freiheitl einer Person X (des Rechtsinhabers) verknüpft wird [vgl. den Punkt (2), (ii)], hat (wie auch der unter Punkt (1') (c) erwähnte Fall einer verknüpften moralischen Freiheitl dritter Parteien) ein anderes Subjekt und eine andere Handlung zum Gegenstand als die moralische Position, mit der sie verknüpft wird. Für die Beantwortung der Frage Fl gilt femer das, was oben im Abschnitt „1. Mit moralischen Positionen als verknüpften Elementen verknüpfte moralische Positionen", unter Punkt (1) in Bezug auf diese Frage bemerkt wurde. (F2) Femer stellt sich die Frage (F2 = Frage 2), welcher Zusammenhang zwischen der Handlung, die den Gegenstand der moralischen Freiheitl bildet, und der Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen moralischen Position bildet, mit der die moralische Freiheitl verknüpft wird, besteht. Wie in den vorhin diskutierten Fällen geht man im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie auch hier zunächst davon aus, dass die Handlung, die den Gegenstand der moralischen Position bildet, mit der eine moralische Freiheitl verknüpft wird, in Bezug auf bestimmte vorausgesetzte Werte als
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moralisch relevant erkannt wird und dass diese Relevanz in Form einer der oben erwähnten moralischen Positionen begriffen wird. Hier lassen sich zwei Fälle unterscheiden: Mit dieser moralischen Position wird (1") eine moralische Freiheit 1 desselben Subjekts verknüpft, in der keine weitere Handlung gedacht wird, oder (2") eine moralische Freiheit 1 desselben oder eines anderen Subjekts verknüpft, in der eine weitere Handlung gedacht wird. Im Rahmen dieser Unterscheidung werden im Folgenden die vorhin unter (1), (2) und (3) bzw. unter (1'), (2') und (3') erörterten Fälle erneut betrachtet. Ad (1"): Wie unter der vorhin genannten Frage unter Punkt (1') (a) bemerkt wurde, bildet in den Fällen, in denen eine bilaterale moralische Freiheit 1 einer Person X mit einer moralischen Kompetenz bzw. einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft wird, und jener Fall, in dem eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einer moralischen Kompetenz derselben Person verknüpft wird, die Handlung, die im moralischen Anspruch bzw. der moralischen Kompetenz ausgeübt wird, auch den Gegenstand der mit ihnen verknüpften moralischen Freiheit 1 bzw. des einen Teils der mit ihnen verknüpften bilateralen moralischen Freiheit 1. In diesem Fall bezieht sich eine moralische Position, nämlich die moralische Freiheit 1 bzw. der eine Teil der bilateralen moralischen Freiheit 1 von X, auf eine andere, nämlich eine moralische Kompetenz bzw. einen moralischen Anspruch von X, und die in ihr bzw. in ihm gedachte Handlung HX1. Das bedeutet, dass die Handlung HX1 in zweifacher Weise als moralisch relevant erkannt wird: zunächst als Handlung HX1, deren moralische Relevanz in Form einer moralischen Kompetenz bzw. eines moralischen Anspruchs erkannt wird; dann als Handlung HX1, die den Gegenstand einer moralischen Kompetenz bzw. eines moralischen Anspruchs bildet, in Bezug auf die moralische Gründe in Form einer moralischen Freiheit 1 gelten, die im Fall einer bilateralen moralischen Freiheit 1 einen Teil derselben ausmacht. Insofern wird man hier nicht von einem Zusammenhang im selben Sinn wie in den bisher beschriebenen Zusammenhängen sprechen können, weil hier nicht zwei moralische Positionen mit zwei unterschiedlichen Handlungen oder, anders formuliert, zwei Handlungen, die die Gegenstände zwei unterschiedlicher moralischer Positionen bilden, miteinander in Zusammenhang stehen. Insofern wäre es angebrachter statt von einem Zusammenhang zweier moralischer Positionen z.B. von einer moralischen Relevanz einer moralischen Position oder von zwei aufeinander bezogenen moralischen Positionen mit derselben Handlung als Gegenstand zu sprechen. (Wie vorhin unter (T), (a) bemerkt wurde, enthält die oben erwähnte bilaterale moralische Freiheit 1 einer Person X, neben der moralischen Freiheit 1, den moralischen Anspruch zu erheben bzw. die moralische Kompetenz auszuüben, auch die moralische Freiheit 1, es zu unterlassen, den moralischen Anspruch zu erheben bzw. die moralische Kompetenz auszuüben. Letztere moralische Freiheit 1 von X kann als zweite moralische Freiheit 1 verstanden werden, die mit der erstgenannten moralischen Freiheit 1 als bilaterale moralische Freiheit 1 von X verknüpft gedacht wird.) Auch in den unter (2*) genannten Verknüpfung einer moralischen Freiheit 1 einer Person Y mit einer moralischen Pflicht dieser Person haben beide moralischen Positionen dieselbe Handlung HY1 zum Gegenstand. Versteht man, wie unter (2') bemerkt wurde, diese moralische Freiheit 1 der Person Y nicht als Freiheit 1, ihre moralische Pflicht auszuüben, sondern als Freiheit 1, die Handlung HX1 zu tun, zu der Y die moralische Pflicht hat, so dürfte sich dieser Fall unter anderem dadurch von der vorhin
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erörterten Verknüpfung zwischen einer moralischen Freiheit 1 einer Person Y und einer moralischen Kompetenz bzw. einem moralischen Anspruch derselben Person unterscheiden, dass in jenem Fall die Möglichkeit denkbar ist, dass die Person Y unter bestimmten Umständen keine (bilaterale) moralische Freiheit 1 hat, ihre moralische Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben) bzw. ihren Anspruch zu erheben (bzw. zu erheben oder nicht zu erheben), in diesem Fall aber die Möglichkeit problematisch erscheint, dass ein und dieselbe Person eine moralische Pflicht, aber keine moralische Freiheit 1 hat, HY1 zu tun. Diesem Verständnis nach wird die moralisch relevante Handlung HY1, als Gegenstand einer moralischen Pflicht, nicht unter einem weiteren Aspekt als moralisch relevant, d.i. als Gegenstand einer weiteren moralischen Position, nämlich als Gegenstand einer moralischen Freiheitl, begriffen, sodass sich die moralische Freiheitl auf die moralische Pflicht und die in ihr gedachte Handlung HY1 bezöge. Die Frage, ob der oben beschriebene Unterschied besteht, wenn man, wie unter (2') bemerkt wurde, diese mit einer moralischen Pflicht verknüpfte moralische Freiheitl der Person Y - so wie Wellman - als Freiheitl, ihre moralische Pflicht auszuüben, versteht, muss hier offen gelassen werden. Man müsste zunächst klären, was für eine Art moralische Pflicht dies ist, und femer, ob gegebenenfalls eine solche moralische Pflicht im Rahmen eines moralischen Rechts auftreten kann. Diesem Verständnis nach kann die moralisch relevante Handlung HY1, als Gegenstand einer moralischen Pflicht, unter einem weiteren Aspekt als moralisch relevant, nämlich als Gegenstand einer moralischen Freiheitl, begriffen werden, sodass sich die moralische Freiheitl auf die moralische Pflicht und die in ihr gedachte Handlung HY1 bezieht. Während man dem ersten Verständnis einer moralischen Freiheitl nach nicht von einem Zusammenhang oder einer Verknüpfung zweier moralischer Positionen wie in den anderen erörterten Fällen sprechen kann, in dem Sinn, dass diese moralische Freiheitl der Person Y entweder ihr selbst etwas (z.B. eine Freiheit2 oder Kontrolle) in Bezug auf oder über ihre moralische Pflicht oder der Person X mit dem korrelativen moralischen Anspruch in Bezug auf oder über die genannte moralische Pflicht von Y ermöglicht, müsste dem zweiten Verständnis nach, sofern es eine moralische Freiheitl der Person Y, ihre moralische Pflicht zu erfüllen, geben kann, geklärt werden, inwiefern eine so verknüpfte moralische Freiheitl der Person Y ihr oder der Person X etwas wie eine Freiheit2 oder Kontrolle übertragen könnte. Dem Rechtsinhaber dürfte diese verknüpfte moralische Freiheitl der Person Y unter anderem aus folgendem Grund nicht etwas (wie Freiheit2 und Kontrolle) über seine Kernposition übertragen: weil sich diese moralische Freiheitl nur auf den einen Bestandteil des moralischen Anspruchs von X bezieht, d.i. die moralische Pflicht, nicht aber auf den zweiten, d.i. die moralische Kompetenz, Anspruch zu erheben, und damit nicht auf die gesamte Kernposition bezieht. Hier lässt sich auch der unter „(3'), (a)" genannte Fall erwähnen, in dem mit einer moralischen Freiheitl einer Person X, eine Handlung HX1 zu tun, die moralische Freiheitl derselben Person verknüpft wird, dieselbe Handlung zu unterlassen. Da die moralische Freiheitl zur Handlung HX1 und die moralische Freiheitl zur Unterlassung der Handlung HX1 einander ausschließen, kann hier nicht davon die Rede sein, dass der Inhalt oder Gegenstand letzterer moralischer Freiheitl, d.i. die Unterlassung der Handlung HX1, für den Inhalt oder Gegenstand ersterer, d.i. die Handlung HX1, in dem Sinn moralisch relevant ist, dass er etwas in Bezug auf ihn ermöglicht. Demnach
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wird man hier auch nicht von einem Zusammenhang oder einer Verknüpfung zweier moralischer Positionen wie in den anderen erörterten Fällen sprechen können, in dem Sinn, dass eine der beiden sich auf die andere, in diesem Fall die Kernposition, bezieht. Man wird auch nicht argumentieren können, dass unter der Voraussetzung der einen moralischen Freiheit 1 auch die andere gegeben ist, sondern eher, dass die zwei moralischen Freiheiten 1 als gleichwertige Alternativen im Sinn einer bilateralen moralischen Freiheit 1 zugleich bestehen. Ad (2"): Hier sind jene Fälle zu nennen, in denen mit einer moralisch relevanten Handlung HX1 einer Person X bzw. einer Handlung HY1 einer Person Y, die als Gegenstand einer moralischen Position von X bzw. Y gedacht wird, eine moralische Freiheitl zu einer weiteren Handlung derselben Person X oder einer anderen Person Z verknüpft gedacht wird. Als (i) erstes sollen die Fälle erörtert werden, in denen eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einer moralischen Position derselben Person verknüpft wird, danach (ii) die Fälle, in denen eine moralische Freiheit 1 einer anderen Person Z mit einer moralischen Position einer Person X verknüpft werden. (i) Eine moralische Freiheit 1 einer Person X wird in den obigen Beispielen entweder (a) mit einem moralischen Anspruch derselben Person oder (b) mit einer moralischen Freiheit 1 derselben Person verknüpft. (a) In den oben genannten Beispielen, in denen eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einem moralischen Anspruch derselben Person verknüpft gedacht wird, wird als Kernposition eines moralischen Rechts von X (des Rechtsinhabers) ein moralischer Anspruch dieser Person gedacht. Dieser kann ein moralischer Anspruch auf eine Handlung (bzw. Leistung) HY1 oder auf eine Unterlassung einer Handlung HY1 auf Seiten der Adressaten Y mit der korrelativen moralischen Pflicht sein, die entweder eine moralische Pflicht, HY1 zu tun, oder eine moralische Pflicht, HY1 zu unterlassen ist. Dementsprechend variieren in den obigen Beispielen auch die mit diesem moralischen Anspruch verknüpften moralischen Freiheiten 1 der Person X: In ersterem Fall handelt es sich um eine moralische Freiheit 1 von X, mit einer Handlung HX2 die Handlung (bzw. Leistung) HY1 von Y zu akzeptieren; in letzterem Fall um eine moralische Freiheit 1 von X, eine Handlung HX2 zu tun, mit der er die Handlung HY1 von Y zu verhindern versucht [vgl. dazu den Abschnitt 2.4.2, (1), (ii)]. Im Rahmen von Wellmans Theorie geht man in der Erklärung der moralischen Kernposition Anspruch davon aus, dass eine Handlung HY1 einer Person Y in Bezug auf bestimmte vorausgesetzte Werte als moralisch relevant erkannt wird. Diese moralische Relevanz wird für die involvierten Personen X und Y in Form eines moralischen Anspruchs von X auf die Handlung HY1 bzw. die Unterlassung der Handlung HY1 und einer mit ihm korrelierenden moralischen Pflicht von Y zur Handlung (bzw. Leistung) HY1 bzw. zur Unterlassung der Handlung HY1 begriffen. Im ersten Fall wird in Bezug auf diese Handlung (bzw. Leistung) HY1 von Y und die Handlung des Ansprucherhebens HX1 von X eine moralische Handlung HX2 von X als moralisch relevant begriffen: die Handlung, mit der X die Handlung (bzw. Leistung) HY1 von Y akzeptiert. Hier kann man, ähnlich wie in der Erörterung verknüpfter moralischer Kompetenzen [vgl. dazu den Abschnitt 2.2, (F2)], argumentieren, dass die Handlung HX2 von X eine Voraussetzung für die Ausführung der Handlung HX1 von X und die Handlung (bzw. Leistung) HY1 von Y bildet: wenn X Anspruch auf eine Handlung (bzw. Leistung) HY1 von Y erhebt, d.h. HX1 tut, und Y seine korrela-
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tive moralische Pflicht erfüllt, d.h. HY1 tut (bzw. leistet), so geschieht dies unter der Voraussetzung oder Annahme, dass X die Handlung (bzw. Leistung) HY1 auch akzeptieren wird, d.h HX2 tun wird. Insofern kann man argumentieren, dass in diesem Zusammenhang zwischen einem moralischen Anspruch und der mit ihm korrelierenden moralischen Pflicht einerseits und der mit diesem moralischen Anspruch verknüpften moralischen Freiheit 1 andererseits sowie zwischen den in ihnen gedachten Handlungen HX1, HY1 und HX2 ein VoraussetzungsVerhältnis gedacht wird. Auch hier kann man (wie bereits in Abschnitt 2.2., (F2) erwähnt) die Frage stellen, ob dieser Zusammenhang als Freiheit2 und Kontrolle begriffen werden kann oder ob zur Charakterisierung desselben ein anderer Begriff erforderlich wäre. Im zweiten Fall wird in Bezug auf die Handlung HY1 von Y eine weitere Handlung HX2 von X als moralisch relevant begriffen: die Handlung HX2, mit der X die Handlung HY1 von Y zu verhindern versucht. Da die moralische Freiheit 1 zur Handlung HX2 von X im oben genannten Beispiel mit einem moralischen Anspruch von X gegenüber Y auf die Unterlassung der Handlung HY1 verknüpft wird, stellt sich die Frage, ob X die genannte moralische Freiheit 1 aufgrund des genannten moralischen Anspruchs und Y's korrelativer moralischen Pflicht sowie der weiteren Bedingung hat, dass Y seine moralische Pflicht nicht erfüllt, oder ob X die genannte moralische Freiheitl unabhängig davon hat. In Bezug auf den Zusammenhang der Handlungen HX2 und HY1 stellt sich also die Frage, ob die moralische Relevanz der Handlung HX2 von X allein auf den moralisch relevanten Konsequenzen der Handlung HY1 für X beruht, oder ob sie auch darauf beruht, dass eine moralische Pflicht von Y gegenüber X zur Unterlassung von HY1 und eines mit ihr korrelierenden moralischen Anspruchs von X gegenüber Y auf diese Unterlassung von HY1 besteht, die von Y nicht erfüllt wird. Im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie kann man in der Erklärung der moralischen Relevanz dieser Handlung HY1 zwei Aspekte unterscheiden: Erstens, dass die Handlung HY1 von Y im Licht bestimmter vorausgesetzter Werte schlechte Konsequenzen für X hat; zweitens, dass die Handlung HY1 von Y die Nichterfüllung der moralischen Pflicht von Y gegenüber X, diese Handlung zu unterlassen, und die Nichtbeachtung des moralischen Anspruchs von X gegenüber Y auf die Unterlassung dieser Handlung bedeutet. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung stellt sich die Frage, welcher dieser Aspekte X eine moralische Freiheit 1 zur Handlung HX2 überträgt. Insofern von einer moralischen Freiheit 1 von X die Rede ist, mit einer Handlung HX2 eine Handlung HY1 zu verhindern - vgl. Wellman (1995), S. 83 und nicht von einer moralischen Freiheit 1 von X, mit einer Handlung HX2 die Verletzung ihres moralischen Anspruchs auf die Unterlassung der Handlung HY1 durch die Handlung HY1 zu verhindern, kann man argumentieren, dass X eine moralische Freiheit 1 zur Handlung HX2 aufgrund des ersten Aspekts hat, also aufgrund der Tatsache, dass die Handlung HY1 von Y schlechte Konsequenzen für X hat. Aufgrund des zweiten Aspekts, also aufgrund der Tatsachen, dass X einen moralischen Anspruch gegenüber Y auf die Unterlassung der Handlung HY1 hat, dass Y die mit diesem Anspruch korrelierende moralische Pflicht gegenüber X hat, die Handlung HY1 zu unterlassen, sowie der weiteren Tatsache, dass Y ihre moralische Pflicht nicht erfüllt, hätte X eine moralische Freiheit 1 zu einer Handlung HX2, mit der sie die Verletzung ihres moralischen Anspruchs verhindert. Der Zusammenhang der Handlungen HX2 und HY1 besteht dieser Erklärung nach darin, dass der Zweck der Handlung HX2 von X in der Verhinderung der Handlung HY1 von Y und ihrer schlechten Konsequenzen für X liegt, und nicht darin, dass der Zweck der Handlung HX2 von X in der Verhinderung
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der Verletzung des moralischen Anspruchs von X auf die Unterlassung der Handlung HY1 von Y liegt. Der Grund dafür, dass Person X nicht nur die genannte moralische Freiheit 1 hat, sondern auch den genannten moralischen Anspruch, und Y die genannte moralische Pflicht hat, dürfte darin bestehen, dass die Handlung HY1 emsthafte Konsequenzen für X haben kann. Dieser Erklärung nach setzt die moralische Freiheit 1 von X zur Handlung HX2, mit der sie die Handlung HY1 von Y verhindert, nicht den genannten moralischen Anspruch von X voraus, mit dem sie verknüpft ist, und insofern stehen die beiden moralischen Positionen in keinem Zusammenhang, in dem erstere dem Rechtsinhaber etwas (z.B. eine Freiheit2 oder Kontrolle) in Bezug auf oder über letztere überträgt. Hingegen würde die moralische Freiheit 1 von X zu einer Handlung HX2, mit der sie die Verletzung ihres moralischen Anspruchs auf die Unterlassung der Handlung HY1 von Y durch diese Handlung HY1 verhindert, eine Kontrolle über die Handlung HX2 von Y bedeuten. (b) In dem oben genannten Beispiel, in dem eine moralische Freiheit 1 einer Person X mit einer moralischen Freiheit 1 derselben Person verknüpft wird, bildet letztere die Kernposition eines moralischen Rechts. Diese Kernposition ist die moralische Freiheit 1 einer Person X (des Rechtsinhabers) eine Handlung HX1 zu tun, z.B. abzutreiben. In der Erklärung dieses Zusammenhangs zweier moralischer Positionen und der in ihnen gedachten Handlungen kann man im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie davon ausgehen, dass eine Handlung HX1 einer Person X in Bezug auf bestimmte vorausgesetzte Werte als moralisch relevant erkannt wird und dass die moralische Relevanz der Handlung HX1 als moralische Freiheitl von X begriffen wird. In Bezug auf diese Handlung HX1 wird eine Handlung HY1 zweiter Parteien Y als moralisch relevant erkannt, mit der sie X an der Handlung HX1 hindern können. In Bezug auf die Handlung HY1 wird eine weitere Handlung HX2 von X als moralisch relevant erkannt, mit der sie Y an der HY1 hindern kann. Die Handlungen HY1 und HX2 beziehen sich auf die Handlung HX1 und ihre moralische Relevanz wird anhand der moralischen Relevanz der Handlung HX1 bestimmt. Da X eine moralische Freiheitl zur Handlung HX1 hat, dürfte X auch eine moralische Freiheitl haben, mit einer Handlung HX2 die Handlung HY1 einer anderen Person Y zu verhindern (ohne dabei HX2 zu schädigen), die X an ihrer Handlung HX1 hindert, oder der Handlung HY1 auszuweichen. Der Zusammenhang der Handlungen HX1 und HX2 besteht demnach darin, dass die HX2 zu Gunsten von HX1 geschieht, d.h. die Verhinderung oder das Ausweichen der Handlung HY1 und die Ermöglichung der Handlung HX1 zum Zweck hat. Insofern bezweckt bzw. ermöglicht die Handlung HX2 eine Befreiung bzw. Freiheit2 der Handlung HX1 von der hindernden Handlung HY1 und eine Kontrolle über letztere. Dieser Zusammenhang der Handlungen HX2 und HX1 als Gegenstände zweier moralischer Freiheiten 1 wird als moralisch relevant erkannt und hierin kann der Grund gesehen werden, aus dem er im moralischen Recht von X, die Handlung HX1 zu tun, berücksichtigt wird. (ii) Eine moralische Freiheitl anderer, nämlich dritter Parteien Z auf eine Handlung HZ1 wird in den obigen Beispielen in zwei Fällen mit einer moralischen Position einer Person X auf eine Handlung HX1 verknüpft: (a) in einem ist die letztgenannte moralische Position der Person X ein moralischer Anspruch, (b) im anderen eine moralische Freiheitl. (a) In ersterem Fall wird in der Kernposition eines moralischen Rechts der moralische Anspruch einer Person X gegenüber allen anderen Personen Y, dass sie eine
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Handlung HY1 (z.B. X zu schlagen) unterlassen, gedacht. In Bezug auf diese Handlung HY1 wird eine Handlung HZ1 dritter Parteien als relevant erkannt: Unter der Bedingung, dass die Partei Y, ihre moralische Pflicht nicht erfüllt, d.h. die Handlung HY1 nicht unterlässt, ist eine Handlung HZ1 einer dritten Partei Z, mit der sie die Handlung HY1 zu verhindern versucht, moralisch relevant. Dies ist in einem der oben genannten Beispiele insofern der Fall, als Wellman dritten Parteien eine solche moralische Freiheit 1 unter der Bedingung zuspricht, dass die Partei X, nicht auf ihren Kernanspruch verzichtet hat oder dritte Parteien ersucht hat nicht zu intervenieren. Im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie und der in ihr vorausgesetzten Werte wird die Handlung HZ 1 als moralisch relevant erkannt. Ihre moralische Relevanz in Form einer moralischen Freiheit 1 dritter Parteien Z wird nicht in Bezug auf die Handlung HY1, sondern in Bezug auf die moralisch relevante Handlung HY1, d.h. die Handlung HY1 als Gegenstand einer moralischen Pflicht von Y zur Unterlassung dieser Handlung und die Möglichkeit, dass Y diese Handlung HY1 nicht unterlassen, erkannt. Der Zusammenhang der Handlungen HY1 und HZ1 besteht demnach darin, dass die Handlung HZ1 die Verhinderung einer Verletzung des moralischen Anspruchs von X auf die Unterlassung der Handlung HY1 von Y durch die Handlung HY1 zum Zweck hat. Der Zusammenhang zwischen den moralisch relevanten Handlungen HY1 und HZ1 besteht demnach darin, dass letztere erstere verhindert und insofern zu Gunsten des moralischen Anspruchs der Person X geschieht. Darin kann auch der Grund gesehen werden, aus dem dieser Zusammenhang im Rahmen des moralischen Rechts nicht geschlagen zu werden enthalten gedacht wird. Inwiefern eine Handlung HZ1 als Gegenstand einer moralischen Freiheitl dritter Parteien Z eine Freiheit2 und Kontrolle über die Handlung HY1 der Adressaten Y einer moralischen Position der Person X ermöglicht, ist eine eigene Frage, da hier zwei unterschiedliche Handlungen zweier unterschiedlicher Subjekte vorliegen. Auf jeden Fall wäre es sinnvoll eine solche Form von Freiheit2 und Kontrolle von der Form von Freiheit2 und Kontrolle zu unterscheiden, die zwischen einer bestimmten moralischen Kernposition einer Person X und einer mit ihr verknüpften moralischen Position derselben Person besteht. (Auch sei darauf hingewiesen, dass Wellman in einem anderen, ähnlichen Beispiel mit dem moralischen Anspruch einer Person X nicht verletzt zu werden als Kernposition des moralischen Rechts auf Sicherheit der Person nicht eine moralische Freiheitl, sondern eine moralische Pflicht dritter Parteien, eine emsthafte Verletzung der Person X zu verhindern, verknüpft. Vgl. Wellman (1985), S. 165, und das im folgenden Abschnitt 2.5, (2), (i) diskutierte Beispiel. Dies wirft die Frage auf, ob die moralisch relevante Handlung HY1 oder ihre Unterlassung, die z.B. den Gegenstand eines moralischen Anspruchs als Kemposition einer Person X bildet, und die Konsequenzen dieser Handlung die moralische Relevanz weiterer Handlungen HZ1 dritter Parteien in Bezug auf die Handlung HY1 beeinflussen können, woraus sich dann erklären ließe, warum in einem Fall eine Handlung HZ1 als Gegenstand einer moralischen Freiheitl gedacht wird, in einem anderen als Gegenstand einer moralischen Pflicht. Auf diese Frage findet man im Folgenden eine Antwort.) (b) Im zweiten Fall wird die moralische Freiheitl dritter Parteien mit einer moralischen Freiheitl einer Person X (des Rechtsinhabers) verknüpft. Auch hier beginnt man in der Erklärung im Rahmen von Wellmans teleologischer Theorie bei der Handlung HX1, z.B. der Handlung Selbstverteidigung, einer Person X. Diese wird in Bezug auf bestimmte vorausgesetzte Werte als moralisch relevant erkannt. Die moralische Relevanz der Handlung HX1 wird in diesem Fall als moralische Freiheitl der Person X
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begriffen. In Bezug auf diese moralisch relevante Handlung HX1 von X als Gegenstand einer moralischen Freiheit 1 wird eine weitere Handlung HZ1 dritter Parteien Z als moralisch relevant erkannt, z.B. die Handlung, mit der sie der Person X bei ihrer Selbstverteidigung behilflich sind. Diese moralische Relevanz der Handlung HZ1 dritter Parteien in Bezug auf die Handlung HX1 als Gegenstand einer moralischen Freiheitl wird in Form einer moralischen Freiheitl von Z begriffen. Insofern stehen die zwei Handlungen HX1 und HZ1 in Zusammenhang und dieser Zusammenhang besteht darin, dass die Handlung HZ1 zu Gunsten der Handlung HX1 ist, d.h. demselben Zweck (d.i. der Selbstverteidigung der Person X) dient. Darin kann auch der Grund gesehen werden, aus dem dieser Zusammenhang im oben erwähnten moralischen Recht enthalten gedacht wird. Wichtig ist hier auch folgende Bemerkung Wellmans: dass wenn die potentiellen Verletzungen für den Rechtsinhaber schwerwiegend seien, moralische Gründe dritten Parteien eine moralische Pflicht auferlegten, zu intervenieren und dem Rechtsinhaber beizustehen; wenn sie hingegen weniger gefährlich seien übertrügen sie dritten Parteien eine moralische Freiheitl. Vgl. Wellman (1995), S. 88. Demnach hängt in diesem Fall die Art der moralischen Position dritter Parteien von den Konsequenzen ab, die eine Handlung HY1 (z.B. ein tätlicher Angriff) zweiter Parteien Y für die Person X hat, gegen die sich die Handlung HX1 der Person X richtet. In diesem Fall also zeigt sich, dass die moralische Relevanz ein und derselben Handlung anhand zweier moralischer Positionen begriffen werden kann und dass die Art ihrer Konsequenzen bestimmt, als Gegenstand welcher moralischen Position die Handlung begriffen wird. In Bezug auf die Frage, inwiefern im genannten Zusammenhang der moralischen Positionen eine Freiheit2 und Kontrolle gesehen werden kann, gilt das, was oben in Bezug auf den ersten (ii) (a) Fall bemerkt wurde. 2.5 Moralische Pflichten Moralische Pflichten werden in den obigen Beispielen mit moralischen Ansprüchen oder mit moralischen Freiheiten 1 verknüpft. Es handelt sich dabei um moralische Pflichten folgender Parteien: (1) Zweiter Parteien Y: Z.B. wird die moralische Pflicht zweiter Parteien Y, den Rechtsinhaber X nicht (durch Gewalt und Drohungen) an der Handlung HX1 zu hindern, mit der moralischen Freiheitl von X verknüpft, die Handlung HX1 zu tun. (2) Dritter Parteien Z: Moralische Pflichten dritter Parteien Z werden mit einem (i) moralischen Anspruch und (ii) mit einer moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers X verknüpft, (i) Mit einem moralischen Anspruch des Rechtsinhabers X verknüpft Wellman in einem Beispiel die moralische Pflicht dritter Parteien Z, eine Verletzung des moralischen Anspruchs von X zu verhindern, in einem anderen Beispiel die moralische Pflicht dritter Parteien Z, dem Rechtsinhaber X in Bezug auf die Erlangung der Leistung HY1 (von Seiten einer Partei Y) behilflich zu sein, auf die er einen moralischen Anspruch hat. (ii) Mit einer moralischen Freiheitl verknüpft Wellman in einem Beispiel die moralische Pflicht dritter Parteien Z, dem Rechtsinhaber X bei einer Handlung HX2 behilflich zu sein, mit der er eine Verletzung seiner moralischen Freiheitl verhindert bzw. ihr entgeht, und die moralische Pflicht dritter Parteien Z, zweiten Parteien Y bei einer Verletzung der moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers X nicht behilflich zu sein. Insofern moralische Pflichten auch einen der Bestandteile moralischer Ansprüche bilden, sind sie auch dort zu finden, wo ein moralischer Anspruch mit einer bestimmten moralischen Position verknüpft wird. (Vgl. dazu die Ausführungen zu den moralischen Ansprüchen unter dem Punkt 2.3.) Z.B. verknüpft
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Wellman mit einer moralischen Freiheit 1 des Rechtsinhabers zu einer Handlung HX1 (Selbstverteidigung) den moralischen Anspruch desselben gegenüber dritten Parteien Z, ihn nicht an der Handlung HX1 zu hindern und insofern auch eine moralische Pflicht dritter Parteien Z, X an der Handlung HX1 nicht zu hindern. (Fl) Auch hier kann man die Frage (Fl = Frage 1) stellen, ob das Haben der genannten moralischen Positionen Freiheit 1 und Anspruch des Rechtsinhabers X für sich genommen die entsprechenden erwähnten moralischen Pflichten auf Seiten zweiter Parteien Y bzw. dritter Parteien Z impliziert oder nur unter der Bedingung impliziert, dass sie Bestandteile eines moralischen Rechts bilden. Für die Beantwortung dieser Frage gilt zum einen das, was zuvor bemerkt wurde [vgl. dazu den Abschnitt 1, (1), (Fl)]. Zum anderen sind in der Beantwortung dieser Frage auch folgende Punkte zu berücksichtigen: Erstens verknüpft Wellman nicht mit jedem moralischen Kernanspruch eine moralische Pflicht, zweitens verknüpft er mit manchen moralischen Freiheiten 1 eine moralische Pflicht, mit anderen eine relative moralische Pflicht, d.h. eine moralische Pflicht, mit der ein moralischer Anspruch korreliert (vgl. zu diesem Punkt auch die oben, in Abschnitt 2.3, im Rahmen der Frage Fl erwähnte Unterscheidung zwischen bewehrten und unbewehrten Freiheiten). Eine der Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, inwiefern mit einer moralischen Freiheit 1 einer Person X als Kernposition moralische Pflichten anderer Parteien Y bzw. Z einhergehen, und zwar Pflichten, mit denen keine moralischen Ansprüche der Partei X korrelieren. Auch ist zu erwähnen, dass Wellman zwischen einer einschließenden und einer stückweisen Begründung unterscheidet: Während in ersterer die moralischen Gründe der Kemposition auch die moralischen Gründe der verknüpften moralischen Position bilden, ist dies bei letzterer Begründungsart nicht der Fall. So bemerkt er z.B. in der Erörterung eines der genannten Beispiele, in dem er mit dem Kernanspruch einer verarmten Mutter gegenüber dem Staat (als zweiter Partei Y) auf Unterstützung für ihr unterstützungsbedürftiges Kind eine moralische Pflicht dritter Parteien Z, ihr behilflich zu sein, die staatliche Unterstützung zu erlangen, verknüpft, dass die genannte verknüpfte moralische Pflicht von Z nicht durch die moralischen Gründe des moralischen Kernanspruchs mit begründet wird. Vgl. Wellman (1995), S. 91 und hier das Kapitel B., II., 5., b). Die Frage nach dem Zusammenhang der hier erwähnten verknüpften moralischen Positionen mit den genannten Kernpositionen wird auch im Rahmen der folgenden Frage thematisiert. (F2) Femer stellt sich die Frage (F2 = Frage 2), welcher Zusammenhang zwischen den Handlungen, die den Gegenstand der moralischen Position bilden, mit der in den obigen Beispielen eine moralische Pflicht verknüpft wird, und den Handlungen, die den Gegenstand dieser moralischen Pflichten bilden, besteht. Die Handlung oder Unterlassung einer Handlung, die den Gegenstand der moralischen Pflicht bildet, die mit der Kemposition verknüpft wird, betrifft die Verhinderung der Verletzung der Kemposition und der in ihr gedachten Handlung. Betrachtet man die soeben erwähnten Beispiele, so kann man die Zusammenhänge zwischen der Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen Kemposition (d.i. (i) eines moralischen Anspruchs oder (ii) einer moralischen Freiheit 1) des Rechtsinhabers X bildet, und der Handlung, die den Gegenstand einer mit ihr (sc. der Handlung der Kemposition) verknüpften moralischen Pflicht zweiter Parteien Y oder dritter Parteien Z bildet, folgendermaßen sehen: (i) Bei einem moralischen Anspruch von X als Kemposition wird die Handlung (bzw. Leistung) HY1 oder Unterlassung einer Handlung HY1, auf die Anspruch erho-
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ben wird, auf Seiten der zweiten Partei Y, d.i. des Adressaten dieser moralischen Position (MPA) gedacht. Insofern kann die Verletzung dieser moralischen Position entweder durch die Unterlassung einer Handlung bzw. Leistung HY1 von Seiten zweiter Parteien Y geschehen, wenn der moralische Anspruch auf die Handlung oder Leistung HY1 besteht, oder durch die Handlung HY1 von Seiten zweiter Parteien Y geschehen, wenn der moralische Anspruch auf die Unterlassung von HY1 besteht. Die Handlung HZ1 dritter Parteien Z wird hier in Bezug auf bzw. in Zusammenhang mit der Handlung bzw. Leistung HY1 oder ihrer Unterlassung insofern als moralisch relevant erkannt, als sie dazu beitragen kann, dass diese im Sinn des moralischen Kernanspruchs entweder erfolgt oder verhindert wird. Die zwei unterschiedlichen Handlungen HY1 und HZ1, die unterschiedliche Subjekte haben, stehen demnach, moralisch betrachtet, insofern in Zusammenhang als letztere dazu beiträgt, dass erstere erfolgt bzw. verhindert wird. Hierin kann auch der Grund gesehen werden, aus dem der jeweilige Zusammenhang der zwei Handlungen HY1 und HZ1, die die Gegenstände zweier moralischer Positionen bilden, in dem jeweiligen moralischen Recht enthalten gedacht wird. Die Frage, warum die Handlung HZ1 dritter Parteien Z als Gegenstand einer moralischen Pflicht gedacht wird und nicht z.B. nur als Gegenstand einer moralischen Freiheit 1 dieser Parteien dürfte wesentlich mit der Ernsthaftigkeit der Konsequenzen zusammenhängen, die die Nichterfüllung der moralischen Pflicht von Y für X hat, auf deren Erfüllung der moralische Kernanspruch von X besteht. Bei dieser moralischen Pflicht dritter Parteien Z handelt es sich um eine nichtrelative moralische Pflicht. Dies wirft die Frage auf, inwiefern eine solche moralische Pflicht einer dritten Partei, mit der kein moralischer Anspruch auf Seiten des Rechtsinhabers X korreliert, als Bestandteil des moralischen Rechts von X gedacht werden kann. Geht man davon aus, dass die Handlung HZ1 von Z, wenn sie als Gegenstand einer moralischen Position mit der Kernposition des betreffenden moralischen Rechts verknüpft wird, nicht nur in Bezug auf die Handlung HY1, sondern in Bezug auf die Handlung HY1 als Gegenstand eines moralischen Anspruchs von X gegenüber Y, d.i. der Kernposition, und einer mit ihm korrelierenden moralischen Pflicht von Y als moralisch relevant, d.h. als Gegenstand einer moralischen Pflicht von Z erkannt wird, so enthält letztere Pflicht von Z einen Bezug zu der genannten Kernposition. Dies legt den Gedanken nahe, dass die moralische Pflicht von Z eine relative moralische Pflicht ist, die gegenüber X besteht. In Zusammenhang mit der soeben erwähnten Frage stellt sich die weitere Frage, inwiefern eine moralisch relevante Handlung HZ1 dritter Parteien Z als Gegenstand der moralischen Position von Z eine Freiheit2 oder Kontrolle dem Rechtsinhaber X in Bezug auf eine Handlung HY1 bzw. Unterlassung einer Handlung HY1 bringen kann, die den Gegenstand seines moralischen Kernanspruchs bildet. Wie vorhin bemerkt [vgl. den Abschnitt 2.4, (F2), Punkt (2"), (ii), (a)], wäre es sinnvoll diese Form von Freiheit2 oder Kontrolle von jener zu unterscheiden, die eine moralische Position eines Subjekts X demselben über eine andere moralische Position als Kernposition desselben Subjekts X überträgt. (ii) Bei einer moralischen Freiheit 1 als Kernposition der ersten Partei X, d.i. des Rechtsinhabers, wird die Handlung HX1 auf Seiten des Subjekts X dieser moralischen Position (MPS) gedacht. In Bezug auf diese moralische Position und die in ihr gedachte Handlung HX1 werden Handlungen HY1 als moralisch relevant erkannt, durch die sie verletzt werden kann. Dies sind Handlungen zweiter Parteien Y und sie werden in einem der obigen Beispiele als Gegenstände weiterer moralischer Positionen, nämlich moralischer Pflichten von Y, diese Handlungen HY1 zu unterlassen, im morali-
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sehen Recht auf die Handlung HX1 berücksichtigt und mit seiner Kernposition verknüpft. Man kann hier in gewisser Analogie zu dem oben diskutierten Fall, in dem die verknüpfte moralische Position eine moralische Immunität des Rechtsinhabers bildet, argumentieren, dass in der Art und Weise, in der die Handlung HY1 in Bezug auf die moralische Kernfreiheit 1 von X als moralisch relevant begriffen wird, nämlich als Gegenstand einer moralischen Pflicht von Y, die Handlung HY1 zu unterlassen, eine Art von Freiheit2 von der Handlung HY1 und ihren Konsequenzen sowie eine Kontrolle über diese Handlung gesehen werden kann. Allerdings unterscheidet sich diese moralische Pflicht der Person Y insofern von dem vorhin diskutierten Fall (vgl. den Abschnitt 2.1) einer moralischen Immunität des Rechtsinhabers X, die eine relative moralische Position bildet, als die hier erörterte moralische Pflicht erstens keine moralische Position des Rechtsinhabers ist, zweitens keine relative moralische Position ist. Insofern dürfte schon aus diesem Grund in dem Fall, wo mit der Kernposition einer Person X eine moralische Pflicht einer Person Y verknüpft wird, eine andere Form von Freiheit2 und Kontrolle vorliegen als in dem Fall, wo mit der Kernposition einer Person X eine moralische Immunität derselben Person X verknüpft wird. Wie im vorigen Fall, ist auch hier zu bemerken, dass wenn man davon ausgeht, dass die Handlung von Y nicht nur in Bezug eine Handlung von X, sondern in Bezug auf die Handlung von X als Gegenstand einer moralischen Freiheit 1 von X, d.i. der Kemposition, als moralisch relevant, d.i. als Gegenstand einer moralischen Pflicht von Y erkannt wird, der Gedanke nahe liegt, dass diese moralische Pflicht von Y eine relative moralische Pflicht gegenüber X ist. Auch wäre es, wie schon oben bemerkt, sinnvoll diese Form von Freiheit2 und Kontrolle zwischen miteinander verknüpften moralischen Positionen unterschiedlicher Subjekte von jener zu unterscheiden, die zwischen zwei miteinander verknüpften moralischen Positionen desselben Subjekts besteht. Ferner werden in Bezug auf die genannte Möglichkeit einer Verletzung der moralischen Freiheit 1 und der in ihr gedachten Handlung HX1 durch Handlungen HY1 zweiter Parteien auch weitere Handlungen HZ1 dritter Parteien Z als moralisch relevant erkannt, durch die eine solche Verletzung vermieden werden kann. Diese werden ebenfalls im moralischen Recht mit der genannten moralischen Freiheit 1 als Kemposition berücksichtigt und als Gegenstände weiterer moralischer Positionen, nämlich moralischer Pflichten von Z, mit der Kemposition verknüpft. Diese moralischen Pflichten dritter Parteien Z haben in den obigen Beispielen zweierlei Form: einerseits verbieten sie dritten Parteien Z, zweiten Parteien Y bei ihren Handlungen HY1 behilflich zu sein, andererseits gebieten sie dritten Parteien Z, der ersten Partei X behilflich zu sein, gegen die Handlungen HY1 zweiter Parteien Y vorzugehen. Die Handlungen HZ1 dritter Parteien Z werden in Bezug auf die Handlung HX1 von X als Gegenstand einer moralischen Freiheitl von X und zusätzlich in Bezug auf eine, die Handlung HX1 betreffende Handlung HY1 von Y als Gegenstand einer moralischen Pflicht zu ihrer Unterlassung als moralisch relevant erkannt. Diese moralische Relevanz der Handlungen HZ1 in Bezug auf die Handlung HX1 und die sie betreffende Handlung HY1 hat die Form einer moralischen Pflicht. Die moralische Pflicht zur Handlung HZ1 hat in einem der obigen Beispiele die Form eines Gebots, in einem anderen die Form eines Verbots, je nachdem zu Gunsten welcher der beiden Handlungen HX1 bzw. HY1 sie gedacht wird: Eine Handlung HZ1, die zu Gunsten der Handlung HX1 ist und die Handlung HY1 verhindert, ist geboten, eine Handlung, die zu Gunsten der Handlung HY1 ist und damit die Handlung HX1 verhindert, ist verboten. Unter diesem Gesichtspunkt wird der Zusammenhang der zwei Handlungen HX1 und HZ1 in
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den entsprechenden moralischen Rechten berücksichtigt. In Zusammenhang mit der oben, im Rahmen der Erörterung der Frage Fl gestellten Frage, inwiefern mit einer moralischen Freiheit 1 einer Person X als Kernposition eine moralische Pflicht anderer Parteien verknüpft sein kann, stellt sich hier die Frage, inwiefern moralische Pflichten anderer Parteien dem Rechtsinhaber eine Freiheit2 und Kontrolle über seine moralische Freiheit 1 übertragen können, die die die Kernposition seines moralischen Rechts bildet. Wie auch vorhin bemerkt, wäre es sinnvoll, die Form von Freiheit2 oder Kontrolle zwischen miteinander verknüpften moralischen Positionen unterschiedlicher Parteien Y bzw. Z von jener Form von Freiheit2 oder Kontrolle zu unterscheiden, die zwischen moralischen Positionen desselben Subjekts besteht. Die hier erörterten Zusammenhänge zwischen den Handlungen der Kernpositionen (i) moralischer Anspruch bzw. (ii) moralischer Freiheitl der ersten Partei und den Handlungen der verknüpften moralischen Pflichten zweiter oder dritter Parteien bestehen also aufgrund der Möglichkeit einer Verletzung der moralischen Kernposition. Diese Verletzung kann entweder, wie im Fall einer moralischen Freiheitl, die Form einer Verhinderung der Handlung haben, zu der die moralische Freiheitl besteht, oder, wie im Fall eines moralischen Anspruchs, die Form einer Nichterfüllung der mit ihm korrelerenden moralischen Pflicht haben. Die verknüpften moralischen Pflichten zweiter oder dritter Parteien dienen dazu, diese Verletzung zu vermeiden. Darin kann die Funktion der genannten moralischen Pflichten in Bezug auf die jeweiligen Kernpositionen gesehen werden.
Teil (HI) Abschließende Bemerkungen zu den genannten Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen und der in ihnen gedachten Freiheit2 und Kontrolle In der in Teil (II) vorgenommenen kurzen Erörterung der unterschiedlichen Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen anhand der oben erwähnten Beispiele zeigt sich erstens, dass nicht beliebige Verknüpfungsmöglichkeiten moralischer Positionen vorliegen. Die obigen Erörterungen zeigen zweitens, dass die Zusammenhänge zwischen verknüpften moralischen Positionen und Kernpositionen, die Wellman als Freiheit2 und Kontrolle begreift, je nachdem, welche moralische Position als verknüpftes Element bzw. als Kernposition gedacht wird, variieren. Insofern die Art bzw. Qualität dieser Zusammenhänge variiert, haben auch die Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle", mit denen Wellman diese Zusammenhänge begreift, unterschiedliche Bedeutungen. Diese Erkenntnis ist für das Verständnis von Wellmans Modell eines moralischen Rechts nicht unerheblich, wird aber in seinem Werk nicht thematisiert. Die Zusammenhänge zwischen den miteinander verknüpften moralischen Positionen, die Wellman als Freiheit2 und Kontrolle bezeichnet, lassen sich, ganz allgemein betrachtet, danach unterscheiden, welcherart die moralischen Positionen sind, die miteinander in Form von Kernposition und verknüpftem Element in Zusammenhang stehen. Die Frage, welche moralische Position mit welcher anderen moralischen Position in den Beispielen moralischer Rechte, die Wellman bringt, verknüpft wird, wurde in Teil (II) erörtert. Gemäß den obigen Erörterungen spielt in den meisten Zusammenhängen zweier moralischer Positionen innerhalb eines moralischen Rechts die Kernposition eine entscheidende Rolle. Denn diese Zusammenhänge enthalten einen Bezugs-
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punkt, nämlich die Kernposition, in Bezug auf den die moralische Relevanz der verknüpften moralischen Position begriffen wird. In Bezug auf die Kernposition und die in ihr gedachte Handlung bzw. Unterlassung einer Handlung wird eine weitere Handlung derselben oder einer anderen Partei als moralisch relevant begriffen. Die moralische Relevanz dieser weiteren Handlung ist eine moralische Relevanz in Bezug auf die Kernposition und hängt somit einerseits von der Kernposition und ihrer Beschaffenheit, andererseits von der Handlung selbst und ihren Konsequenzen für die Kernposition ab. Die oben erörterten Zusammenhänge moralischer Positionen in moralischen Rechten sind komplex und enthalten eine Reihe von Kriterien, die für ihre Verschiedenartigkeit eine Rolle spielen oder spielen können. Im Folgenden wird auf einige konkrete Kriterien zur Unterscheidung verschiedener Formen von Zusammenhängen zwischen moralischen Positionen in einem moralischen Recht, d.i. von Freiheit2 und Kontrolle hingewiesen, die in den erörterten Verknüpfungen moralischer Positionen zu finden sind. Die erste Unterscheidung (1.1-1.4) orientiert sich an folgenden Kriterien: Erstens an der Anzahl der in einer Verknüpfung zweier moralischer Positionen enthaltenen Handlungen, zweitens am Subjekt der jeweiligen moralischen Position und drittens am Subjekt der in ihr gedachten Handlung. Das Kriterium der zweiten Unterscheidung (2) verschiedener Formen von Freiheit2 und Kontrolle bildet die Frage, ob in einer moralischen Position eine Handlung oder eine Unterlassung gedacht wird. Das Kriterium in der dritten Unterscheidung (3.1-3.4) einiger Formen von Freiheit2 und Kontrolle besteht in der Art der konkreten Handlung, die den Gegenstand der jeweiligen moralischen Position bildet. In der vierten Unterscheidung werden verknüpfte moralische Positionen nach folgendem Kriterium unterschieden: ob sie sich selbst auf die Handlung einer anderen Partei beziehen oder nicht. In der fünften Unterscheidung werden die moralischen Positionen, die Bestandteile eines moralischen Rechts bilden in zwei Gruppen eingeteilt und zwei Funktionen moralischer Rechte unterschieden: In jene, die die Handlungen der Parteien des moralischen Rechts betreffen, und jene, die die Gültigkeit moralischer Positionen betreffen. Diese zwei Funktionen werden in Zusammenhang mit der Funktion eines moralischen Rechts betrachtet, Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden. An einem Beispiel erläutert, bedeuten die im Folgenden verwendeten Symbolisierungen für Verknüpfungen moralischer Positionen Folgendes: z.B. ,,MF(1)—»MA(1-2)U bedeutet soviel wie: Mit einem moralischen Anspruch der ersten Partei (des Rechtsinhabers) gegenüber einer zweiten Partei (= ,,MA(l-2)") wird eine moralische Freiheit 1 der ersten Partei (= ,,MF(1)") verknüpft (= „—•"). 1. Unterscheidung verschiedener Formen von Freiheit2 und Kontrolle anhand der Strukturelemente des Begriffs moralische Position: Eine moralische Position hat ein Subjekt, einen Inhalt oder Gegenstand und gegebenenfalls einen Adressaten. Die folgenden Kriterien berücksichtigen den Gegenstand der moralischen Position, d.i. der Handlung, und das Subjekt der moralischen Position bzw. der Handlung. Gemäß dem Kriterium, wie viele Handlungen in der Verknüpfung zweier moralischer Positionen gedacht werden, lassen sich hier zwei Arten von Verknüpfungen moralischer Positionen unterscheiden (die in Klammem genannten Nummern beziehen sich auf die folgende Einteilung): Diejenigen (1.1), in denen nur eine Handlung gedacht wird, und diejenigen (1.2, 1.3, 1.4), in denen zwei Handlungen gedacht werden.
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Gemäß dem Kriterium, wer das Subjekt der moralischen Position ist, lassen sich folgende Verknüpfungen moralischer Positionen unterscheiden: Diejenigen (1.1, 1.2, 1.3), in denen die miteinander verknüpften moralischen Positionen dasselbe Subjekt haben, und diejenigen (1.4), in denen die miteinander verknüpften moralischen Positionen unterschiedliche Subjekte haben. Gemäß dem Kriterium, wer die Subjekte der jeweiligen Handlungen sind, die den Gegenstand der moralischen Positionen bilden, die miteinander verknüpft werden, lassen sich folgende Verknüpfungen moralischer Positionen unterscheiden: Diejenigen (1.1, 1.2), in denen Handlungen desselben Subjekts vorliegen, und diejenigen (1.3, 1.4), in denen Handlungen unterschiedlicher Subjekte vorliegen. Die hier genannten drei Kriterien zur Unterscheidung bestimmter Verknüpfüngsarten zwischen bestimmten moralischen Positionen abstrahieren von den konkreten Eigenschaften der Handlung und des Subjekts der moralischen Position bzw. der Handlung. Die genannten Kriterien nehmen weder auf den normativen Aspekt der Handlungen Bezug noch auf ein qualitatives Charakteristikum der Begriffe Freiheit2 und Kontrolle. 1.1 Eine Freiheit2 und Kontrolle, die zwischen zwei miteinander verknüpften moralischen Positionen derselben Person besteht, in denen nur eine Handlung gedacht wird. Hier sind gegebenenfalls folgende Fälle zu unterscheiden: (a) Eine Verknüpfung zweier moralischer Positionen des Rechtsinhabers: MF(1) — MK(1), BMF(l) — MK(1) MF(1) — MA(l-2), BMF(l) — MA(l-2) (Bilaterale moralische Freiheiten 1 können, wie oben bemerkt wurde, so verstanden werden, dass sie aus zwei miteinander verknüpften moralischen Freiheiten 1 bestehen.) (b) Von den vorigen Fällen ist, unter der Voraussetzung, dass man hier in irgendeinem vergleichbaren Sinn von einer Freiheit2 und Kontrolle sprechen kann, jener Fall zu unterscheiden, in dem eine Verknüpfung zweier moralischer Positionen des Adressaten der Kemposition besteht: MF(2)
MPf(2)
1.2 Eine Freiheit2 und Kontrolle, die zwischen zwei miteinander verknüpften moralischen Positionen derselben Person besteht, in denen zwei unterschiedliche Handlungen derselben Person, d.i. des Rechtsinhabers gedacht werden. Dies ist in den obigen Beispiel auch dann der Fall, wenn in einer moralischen Position eine bestimmte Handlung, in einer weiteren, mit ihr verknüpften moralischen Position die Unterlassung dieser Handlung gedacht wird. Beide genannten Fälle treten in Form folgender Verknüpfung moralischer Positionen auf: MF(1)
MF(1)
1.3 Eine Freiheit2 und Kontrolle, die zwischen zwei miteinander verknüpften moralischen Positionen derselben Person besteht, in denen zwei unterschiedliche Handlungen zweier unterschiedlicher Parteien gedacht werden. Hier sind folgende drei Fälle zu unterscheiden: (a) Die Handlung des Rechtsinhabers wird in der Kemposition gedacht, die Handlung einer anderen Partei in der verknüpften moralischen Position:
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MA(l-2) MF(1), MA(l-2) —> BMF(l) MA(l-2) MK(1) MI(l-2) MF(1) MI(l-2) MK(1) MI(l-2) bzw. MI(l-3) MA(l-2) Ein moralischer Anspruch als Kernposition lässt sich hier insofern erwähnen, als in ihm auch die Handlung gedacht wird, mit der der Rechtsinhaber Anspruch erhebt. Die hier genannten moralischen Positionen, die mit einer weiteren moralischen Position verknüpft werden, sind alle relative moralische Positionen, d.h. moralische Positionen des Rechtsinhabers, die gegenüber einer zweiten Partei gelten. (b) Die Handlung des Rechtsinhabers wird in der verknüpften moralischen Position gedacht, die Handlung anderer Parteien in der Kernposition. MF(1) — MA(l-2) MK(1) - MA(l-2) (c) Die Handlung zweiter Parteien wird in der Kernposition, die Handlung anderer (zweiter bzw. dritter) Parteien in der verknüpften moralischen Position gedacht. MA(l-3)
MA(l-2)
Unter diesem Aspekt lässt sich femer auch der letzte unter „1.3, (a)". genannte Fall erwähnen: MI(l-2) bzw. MI(l-3)
MA(l-2)
1.4 Eine Freiheit2 und Kontrolle, die zwischen zwei miteinander verknüpften moralischen Positionen zweier unterschiedlicher Personen besteht, in denen zwei unterschiedliche Handlungen zweier unterschiedlicher Personen gedacht werden. Hier sind folgende zwei Fälle zu unterscheiden: (a) In einer der beiden moralischen Positionen wird eine Handlung des Rechtsinhabers gedacht. In den folgenden Fällen wird die Handlung des Rechtsinhabers in der Kernposition gedacht. MF(3) MF(1) MPf(2) -> MF(1) MPf(3-l) — MF(1) (b) In beiden miteinander verknüpften moralischen Positionen werden Handlungen anderer Parteien gedacht, in einer der beiden wird jedoch auch eine Handlung des Rechtsinhabers gedacht (dies ist in diesem Fall die Handlung, mit der Anspruch erhoben wird). MPf(3) —> MA(l-2) 2. Ein weiteres Kriterium, nach dem sich verschiedene Formen von Freiheit2 oder Kontrolle unterscheiden lassen, bildet die Frage, ob den Inhalt oder Gegenstand einer verknüpften moralischen Position eine Handlung oder die Unterlassung einer Handlung bildet. Unterlassungen von Handlungen werden in den obigen Beispielen in zweierlei verknüpften moralischen Positionen gedacht: In moralischen Freiheiten 1 und moralischen Pflichten. Bilaterale moralische Freiheiten 1 einer Person lassen sich als zwei moralische Freiheiten 1 derselben Person verstehen: die eine zu einer bestimmten
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Handlung, die andere zur Unterlassung dieser Handlung. Das hier genannte Kriterium abstrahiert von den Eigenschaften der Handlung, die im einen Fall getan, im anderen unterlassen wird. Es enthält keine normativen Aspekte und auch kein qualitatives Charakteristikum der Begriffe Freiheit2 und Kontrolle. 3. Neben den bisher genannten eher abstrakten Kriterien könnten auch konkretere Kriterien in Bezug auf die Art der Freiheit2 und Kontrolle, die verknüpfte moralische Positionen über die Kernposition eines moralischen Rechts übertragen, eine Rolle spielen, Kriterien, die nicht von den Eigenschaften ihres Gegenstandes abstrahieren. Ein solches inhaltliches oder materiales Kriterium bildet die konkrete Handlung, die den Inhalt oder Gegenstand einer moralischen Position bildet. Die folgende Erörterung beschränkt sich auf die verknüpften moralischen Positionen und zwar auf die unterschiedlichen Arten von Handlungen, die in ein und derselben Art einer verknüpften moralischen Position gedacht werden können. Da unterschiedliche Handlungen den Gegenstand einer und derselben Art einer moralischen Position bilden können, ist es denkbar, dass sich anhand unterschiedlicher Handlungen verschiedene Arten von Freiheit2 und Kontrolle unterscheiden lassen, die eine und dieselbe Art einer verknüpften moralischen Position dem Rechtsinhaber über eine bestimmte Kernposition überträgt. Denn anhand der Handlung, die als Inhalt oder Gegenstand einer moralischen Position gedacht wird, lässt sich zumindest ein Aspekt der Funktion dieser moralischen Position in Bezug auf die Kemposition bestimmen. Folgende moralische Positionen können folgende unterschiedliche Handlungen zum Gegenstand haben: 3.1 Moralische Freiheiten 1. Eine Handlung kann in folgender Weise den Gegenstand einer moralischen Freiheit 1 bilden: (i) Erstens gibt es moralische Freiheiten 1, die sich auf eine Handlung einer anderen moralischen Position beziehen. Eine Art moralischer Freiheiten 1 besteht auf die Ausübung der moralischen Position und die Handlung, die in ihr gedacht wird: z.B. die moralische Freiheit 1, die moralische Kompetenz, mit der die moralische Freiheit 1 verknüpft ist, auszuüben oder den moralischen Anspruch, mit dem die moralische Freiheit 1 verknüpft ist, zu erheben. In letzterem Fall wird ebenfalls eine moralische Kompetenz ausgeübt, nämlich jene, die einen der beiden Bestandteile der moralischen Position Anspruch bildet. Wellman erwähnt auch einen weiteren Fall, in dem eine Person die moralische Freiheit 1 hat, ihre moralische Pflicht auszuüben. (ii) Zweitens gibt es moralische Freiheiten 1 zu einer bestimmten Handlung, die nicht den Gegenstand der moralischen Position bildet, mit der diese Freiheiten 1 verknüpft werden. Solche verknüpfte moralische Freiheiten 1 haben in den obigen Beispielen folgende Handlungen zum Gegenstand: (a) Das Akzeptieren einer Handlung bzw. Leistung einer anderen Person Y, auf die man einen moralischen Anspruch hat. (b) Die Handlung, Widerstand zu leisten. Eine Person X leistet gegen eine Handlung anderer Personen Y Widerstand, die entweder die Kernfreiheit 1 von X oder den Kernanspruch von X verletzt, (c) Eine Handlung, mit der man einer anderen Person behilflich ist. Dritte Parteien haben eine moralische Freiheit 1, dem Rechtsinhaber bei einer Handlung behilflich zu sein, zu der er eine moralische Freiheit 1 hat, oder eine moralische Freiheit 1 zu intervenieren, um den Adressaten des moralischen Kernanspruchs an der Verletzung dieses moralischen Anspruchs des Rechtsinhabers zu hindern. 3.2 Moralische Ansprüche: Verknüpfte moralische Ansprüche einer Person X können folgende Handlungen bzw. Unterlassungen auf Seiten anderer Parteien Y bzw. Z
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zum Inhalt oder Gegenstand haben: (i) Die Unterlassung einer Handlung anderer Parteien Y, mit der sie die moralische Kernfreiheit 1 von X (des Rechtsinhabers) verletzen. (ii) Die Handlung dritter Parteien Z, mit der sichergestellt wird, dass der Adressat Y des Kernanspruchs von X (des Rechtsinhabers) seine moralischen Pflichten erfüllt. 3.3 Moralische Kompetenzen: Verknüpfte moralische Kompetenzen können folgende Handlungen zum Gegenstand haben: (i) Den Verzicht auf eine moralische Position und die Ausübung der in ihr gedachten Handlung. Eine Person kann auf ihren Kernanspruch und die in ihm gedachte Handlung des Ansprucherhebens auf die Ausführung der mit diesem moralischen Anspruch korrelierenden moralischen Pflicht des Adressaten verzichten, (ii) Das Akzeptieren einer Handlung oder Leistung, auf die man einen moralischen Anspruch hat. 3.4 Moralische Immunitäten: Verknüpfte moralische Immunitäten können folgende Handlungen zum Inhalt oder Gegenstand haben: (i) Die Handlung einer anderen Partei, mit der sie die Kernposition des moralischen Rechts des Rechtsinhabers aufhebt. Eine Immunität gegen eine so geartete Handlung ist als Bestandteil jedes moralischen Rechts zufinden, (ii) Die Handlung, mit der andere Parteien die moralische Kernkompetenz des Rechtsinhabers ausüben können. 4. Betrachtet man die unterschiedlichen Handlungen unterschiedlicher Personen, die als Gegenstände verknüpfter moralischer Positionen eines moralischen Rechts fungieren können, so sieht man, dass sie sich nach einem weiteren Kriterium einteilen lassen: Ob die in ihnen gedachte Handlung eine Handlung einer anderen Person ist bzw. sich auf eine Handlung einer anderen Person bezieht oder ob dies nicht der Fall ist. Dies ist in folgenden verknüpften moralischen Positionen der Fall: (1) Erstens bei relativen moralischen Positionen. Relative moralische Positionen wie moralische Ansprüche oder moralische Immunitäten sind moralische Positionen einer Person X, deren Gegenstand eine Handlung einer anderen Person Y, d.i. des Adressaten bildet. (2) Bei verknüpften moralischen Positionen einer Person X, in denen eine Handlung von X gedacht wird, die sich auf eine Handlung einer anderen Person Y in irgendeiner Form bezieht. Z.B. bezieht sich im moralischen Anspruchsrecht einer Person X, das geschuldete Geld vom Adressaten Y zurückbezahlt zu bekommen, die mit dem moralischen Anspruch, der die Kernposition dieses Rechts bildet, verknüpfte moralische Kompetenz und die in ihr gedachte Handlung (HX1) des Rechtsinhabers X, das geschuldete Geld entgegenzunehmen, auf die Handlung (HY1) einer anderen Partei Y, die (sc. Handlung) in der Rückzahlung des geschuldeten Geldes besteht. In diesem Kriterium kommt es nur darauf an, ob die Handlung, die in einer moralischen Position gedacht wird, eine Handlung einer anderen Person ist bzw. sich auf eine Handlung einer anderen Person bezieht oder nicht, die Beschaffenheit der konkreten Handlung spielt aber keine Rolle. Im Folgenden werden einige Beispiele verknüpfter moralischer Positionen nach folgenden Kriterien eingeteilt: Erstens, ob in der Kernposition nur die Handlung des Rechtsinhabers oder auch einer anderen Partei gedacht wird (4.1-4.3), zweitens, ob die in der verknüpften moralischen Position gedachte Handlung eine Handlung einer anderen Person ist bzw. sich auf die Handlung einer anderen Person bezieht (4.1.1, 4.2.1, 4.3.1) oder nicht (4.1.2, 4.2.2, 4.3.2). 4.1 In der Kernposition
wird nur eine Handlung des Rechtsinhabers gedacht.
Dieser Kategorie lässt sich folgendes Beispiel einer moralischen Freiheitl zuordnen: die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers X, sich nach Wunsch zu klei-
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den oder nicht nach Wunsch zu kleiden (d.h. eine Handlung HX1 zu tun oder zu unterlassen). 4.1.1 Mit dieser moralischen Freiheitl werden folgende moralische Positionen verknüpft, die eine Handlung einer anderen Person betreffen: (i) Der moralische Anspruch des Rechtsinhabers X gegenüber anderen Personen Y, dass sie ihn nicht (mit einer Handlung HY1) zwingen, es zu unterlassen gemäß seiner Kernfreiheitl zu handeln. (ii) Die moralische Immunität des Rechtsinhabers X gegen den Verlust der Kernposition durch eine Handlung (HY1 bzw. HZ1) anderer Parteien Y bzw. Z. 4.1.2 Mit dieser moralischen Freiheitl im Kern des moralischen Rechts werden folgende moralische Positionen von X verknüpft, in denen weder eine Handlung einer anderen Person Y gedacht wird noch eine Handlung von X gedacht wird, die sich auf eine Handlung einer anderen Person Y bezieht: (i) Die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers X, den vorhin [unter 4.1.1, (i)] genannten moralischen Anspruch zu erheben oder nicht zu erheben, (ii) die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers X, auf diesen Anspruch (mit einer Handlung HX2) zu verzichten, und (iii) die bilaterale moralische Freiheitl des Rechtsinhabers X, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben.
4.2 In der Kernposition wird eine Handlung des Rechtsinhabers gedacht, di auf eine Handlung einer zweiten Partei bezieht. Dieser Kategorie lassen sich moralische Positionen des Rechtsinhabers X zuordnen, die im Kern seines moralischen Rechts gedacht werden und deren Handlung sich auf eine Handlung einer anderen Partei Y bezieht oder sie voraussetzt: Hier lassen sich folgende Beispiele von Kempositionen erwähnen: (1) die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers X, sich (mit einer Handlung HX1) zu verteidigen, oder (2) die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers (Staates) X, (mit einer Handlung HX1) Krieg zu erklären bzw. die Beteiligung an einem gerechten Krieg moralisch erlaubt zu machen. 4.2.1 Mit der unter (1) genannten moralischen Freiheitl des Rechtsinhabers X werden folgende moralische Positionen verknüpft, in denen eine Handlung gedacht wird, die entweder eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z bezieht: z.B. (i) die moralische Freiheitl des Rechtsinhabers, es zu unterlassen, sich selbst zu verteidigen; man kann argumentieren, dass diese verknüpfte moralische Freiheitl sich auf die Handlung HY1 einer Person Y bezieht, gegen die sich der Rechtsinhaber mit seiner Kernfreiheitl verteidigen kann; (ii) der moralische Anspruch des Rechtsinhabers gegenüber dritten Parteien Z, ihn nicht bei seiner Selbstverteidigung (d.i. der Handlung HX1) (mit einer Handlung HZ1) zu hindern, (iii) die moralische Freiheitl (bzw. moralische Pflicht) dritter Parteien Z, dem Rechtsinhaber bei der Ausübung seiner moralischen Freiheitl, (mit einer Handlung HX1) Widerstand zu leisten, (mit einer Handlung HZ2) behilflich zu sein, und (iv) die moralische Immunität des Rechtsinhabers gegen die Aufhebung seiner Kernfreiheitl durch eine unilaterale Handlung (HY1 bzw. HZ1) anderer Personen Y bzw. Z. Analog wird mit der unter (2) genannten moralischen Kompetenz des Rechtsinhabers (i) ein moralischer Anspruch desselben gegenüber anderen Personen (Staaten) Y verknüpft, ihn nicht zu der Handlung (HX1) oder zur Unterlassung der Handlung (HX1) (mit einer Handlung HY1) zu zwingen, zu der der Rechtsinhaber eine moralische Kompetenz hat. Neben (ii) der moralischen Immunität des Rechtsinhabers gegen
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eine Aufhebung seiner Kernposition durch eine unilaterale Handlung (HY1 bzw. HZ1) einer anderen Person (Y bzw. Z) verknüpft Wellman auch (iii) mit der Kernposition eine moralische Immunität des Rechtsinhabers, dagegen, dass andere Personen (z.B. Staaten) Y an seiner Stelle (mit einer Handlung HY1) seine moralische Kompetenz ausüben. 4.2.2 Mit der unter (1) genannten moralischen Freiheit 1 zur Selbstverteidigung als Kernposition wird folgende moralische Position verknüpft, die keine Handlung enthält, die entweder eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z bezieht: die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, seinen vorhin [unter 4.1.1, (ii)] genannten Anspruch auszuüben oder nicht auszuüben. Analog wird mit der unter (2) genannten moralischen Kompetenz, Krieg zu erklären, als Kemposition die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers verknüpft, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben.
4.3 In der Kernposition wird eine Handlung des Rechtsinhabers und eine Han einer zweiten Partei gedacht. Dieser Kategorie lassen sich moralische Ansprüche zuordnen. Moralische Ansprüche lassen sich so verstehen, dass sie zwei Handlungen enthalten: Die Handlung (HY1) oder Unterlassung der Handlung (HY1) auf Seiten des Adressaten Y und die Handlung des Ansprucherhebens (HX1) auf Seiten des Subjekts X des moralischen Anspruchs. Ein moralischer Anspruch, der auf eine Handlung oder Leistung des Adressaten besteht, ist z.B. (1) der moralische Anspruch gegenüber dem Adressaten Y, den ihm von Y geschuldeten Betrag zurückbezahlt zu bekommen. Ein moralischer Anspruch, der auf die Unterlassung einer Handlung des Adressaten besteht, ist z.B. (2) der moralische Anspruch gegenüber dem Adressaten, nicht geschlagen zu werden. 4.3.1 Mit dem unter (1) genannten moralischen Anspruch als Kemposition werden folgende moralische Positionen verknüpft, die eine Handlung enthalten, die entweder eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z bezieht: (i) Die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, die Rückzahlung (d.i. die Handlung HY1) von Y zu akzeptieren und damit seinen Kernanspruch gegenüber Y aufzuheben, oder (ii) die moralische Immunität des Rechtsinhabers gegen die Aufhebung der Kemposition seines moralischen Rechts durch eine unilaterale Handlung (HY2 bzw. HZ1) einer anderen Partei Y bzw. Z. Mit dem unter (2) genannten moralischen Anspruch nicht geschlagen zu werden als Kemposition verknüpft Wellman unter anderem folgende moralische Positionen, in denen eine Handlung gedacht wird, die entweder eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Partei Y bzw. Z bezieht: (i) die moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers X, gegen die Handlung (HY1) (mit einer Handlung HX2) Widerstand zu leisten, auf deren (sc. HY1) Unterlassung sein Kernanspruch besteht, (ii) die moralische Freiheit 1 dritter Parteien Z (mit einer Handlung HZ1) zu intervenieren, um den Adressaten des Kernanspruchs Y an der Handlung (HY1) zu hindern, auf deren Unterlassung der moralische Anspruch des Rechtsinhabers X besteht, oder die (iii) moralische Immunität des Rechtsinhabers X gegen die Aufhebung seiner Kemposition durch die unilaterale Handlung (HY2 bzw. HZ2) anderer Personen Y bzw. Z.
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4.3.2 Mit dem unter (1) genannten moralischen Anspruch von X verknüpft Wellman folgende moralische Positionen, die keine Handlung enthalten, die entweder eine Handlung einer anderen Person Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Person Y bzw. Z bezieht: (i) die moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers X, seine vorhin [unter 4.3.1, (i)] genannte moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben, (ii) die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers X, auf seinen moralischen Anspruch im Kern seines Rechts zu verzichten, sowie (iii) die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers X, seine soeben genannte moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben. Mit dem unter (2) genannten moralischen Anspruch von X verknüpft Wellman folgende moralische Positionen, die keine Handlung enthalten, die entweder eine Handlung einer anderen Person Y bzw. Z ist oder sich auf eine Handlung einer anderen Person Y bzw. Z bezieht: (i) die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, seinen Kernanspruch auszuüben oder nicht auszuüben, (ii) die moralische Kompetenz des Rechtsinhabers, (mit einer Handlung HX3) auf seinen moralischen Anspruch im Kern seines moralischen Rechts zu verzichten, und (iii) die bilaterale moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, die soeben genannte moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben.
Einige Bemerkungen zu dieser Unterscheidung Die verknüpften moralischen Positionen haben entweder (1) den Rechtsinhaber oder (2) eine andere Partei als Subjekt. (2) Verknüpfte moralische Positionen zweiter oder dritter Parteien haben folgende Eigenschaften: Die Handlung oder Unterlassimg, die ihren Gegenstand bildet, hat dasselbe Subjekt wie die moralische Position. Sie beziehen sich immer auf eine Handlung einer anderen Person bzw. Handlungen anderer Personen, zu denen, je nach Kernposition des moralischen Rechts, auch eine Handlung des Rechtsinhabers zählt. (1) Die verknüpften moralischen Positionen des Rechtsinhabers müssen im Vergleich dazu nicht eine Handlung des Rechtsinhabers bzw. nur eine Handlung des Rechtsinhabers enthalten. Insofern sind sie zweierlei Art: (i) Verknüpfte moralische Positionen des Rechtsinhabers, die eine Handlung des Rechtsinhabers zum Gegenstand haben (z.B. moralische Freiheiten 1 und Kompetenzen), und (ii) verknüpfte moralische Positionen des Rechtsinhabers, die eine Handlung des Adressaten der moralischen Position zum Gegenstand haben (z.B. moralische Ansprüche und Immunitäten). Ad (i): Die verknüpften moralischen Positionen des Rechtsinhabers, die eine Handlung des Rechtsinhabers zum Gegenstand haben, können solche sein, die sich auf eine Handlung einer anderen Person beziehen und solche, die sich nicht auf eine Handlung einer anderen Person beziehen. Dem in diesem Abschnitt erörterten Kriterium nach lassen sich zwei Formen von Freiheit2 und Kontrolle, die verknüpfte moralische Positionen, gleichgültig welchen Subjekts, dem Rechtsinhaber über seine Kernposition gegenüber einer zweiten Partei übertragen, unterscheiden: Erstens die Form von Freiheit2 und Kontrolle, die verknüpfte moralische Positionen einer Person X (X kann hier der Rechtsinhaber oder eine andere Person sein) dem Rechtsinhaber übertragen, die eine Handlung enthalten, die entweder eine Handlung einer anderen Person Y ist oder sich auf die Handlung einer anderen Person Y bezieht. Zweitens die Form von Freiheit2 und Kontrolle, die
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verknüpfte moralische Positionen einer Person X dem Rechtsinhaber übertragen, die keine Handlung enthalten, die entweder die Handlung einer anderen Person Y ist oder sich auf die Handlung einer anderen Person Y bezieht. Diese Unterscheidung ließe sich noch verfeinem, wenn man die Anzahl der Handlungen berücksichtigte, auf die sich eine moralische Position bezieht. Z.B. bezieht sich die oben [unter 4.2.1, (iii)] genannte verknüpfte moralische Freiheitl dritter Parteien Z, dem Rechtsinhaber X bei seiner Selbstverteidigung (mit einer Handlung HZ1) behilflich zu sein, auf zwei Handlungen: Erstens auf die Handlung Selbstverteidigung (HX1) des Rechtsinhabers X, zweitens auf die Handlung (HY1) zweiter Parteien Y, gegen die sich der Rechtsinhaber verteidigt. Betrachtet man die in Teil (I) genannten verknüpften moralischen Positionen dritter Parteien, so sieht man, dass die meisten von ihnen sich auf zwei Handlungen beziehen. Femer trifft man auf keine verknüpfte moralische Position, die sich auf mehr als zwei Handlungen bezieht. Betrachtet man die Anzahl der Handlungen, auf die sich eine moralische Position bezieht, als Kriterium ihrer Komplexität, so liegt die obere Grenze der Komplexität verknüpfter moralischer Positionen in Wellmans Beispielen bei zwei Handlungen. Möglicherweise wäre damit auch eine obere Grenze in der Anzahl der moralischen Positionen gegeben, die sich mit der Kernposition eines moralischen Rechts verknüpfen lassen, wenn man zusätzlich ein weiteres Kriterium annimmt, wonach sich mit jeder moralischen Position, qualitativ gesehen, nur bestimmte moralische Positionen verknüpfen lassen. 5. Zwei Funktionen verknüpfter
moralischer Positionen in moralischen Recht
Anschließend an die dritte Unterscheidung der unterschiedlichen Handlungen, die in den einzelnen verknüpften moralischen Positionen gedacht werden können, und die vierte Unterscheidung verknüpfter moralischer Positionen nach dem Kriterium, ob sie ein anderes Subjekt haben als die in ihnen gedachte Handlung bzw. ob sie sich auch auf eine Handlung eines anderen Subjekts beziehen oder nicht, kann man Folgendes über die Handlungen behaupten, die in den im Teil (I) erörterten Beispielen moralischer Rechte von Wellman berücksichtigt werden: Moralische Rechte betreffen immer die Handlung einer anderen Person bzw. anderer Personen. Gemäß der obigen (4.14.3) Unterscheidung und den dort erwähnten Beispielen beziehen sich einige moralische Rechte schon in ihrer Kernposition auf die Handlung einer anderen Person (4.2, 4.3), andere in ihren verknüpften Elementen (4.1). Im Folgenden werden zunächst zwei Formen unterschieden, in denen bestimmte verknüpfte moralische Positionen sich auf Handlungen anderer Personen beziehen (5.1.1 und 5.1.2). Die in dieser Unterscheidung berücksichtigten verknüpften moralischen Positionen sind solche, in denen eine Handlung gedacht wird, die nicht identisch ist mit der Handlung, die in der moralischen Position gedacht wird, mit der die erstgenannten moralischen Positionen verknüpft sind. Anschließend wird gezeigt, dass alle so gearteten verknüpften moralischen Positionen in einem moralischen Recht sich in zwei Gruppen einteilen lassen. 5.1.1 Moralische Positionen, die bestimmen, was eine andere Partei tun oder lassen soll bzw. tun kann Je nachdem, welche moralische Position als Kernposition eines moralischen Rechts gedacht wird, wird entweder bereits in der Kernposition oder erst in den verknüpften moralischen Positionen auf die Handlung einer anderen Person Bezug genommen: (1) Besteht die Kernposition eines moralischen Rechts aus einem moralischen An-
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spruch, so wird bereits in der Kernposition dieses moralischen Rechts bestimmt, was eine andere Person tun oder unterlassen soll. Zusätzlich wird auch in verknüpften Elementen bestimmt, was andere Parteien tun sollen bzw. können. Die verknüpften moralischen Positionen, die dies bestimmen, sind in den in Teil (I) erwähnten Beispielen entweder ein moralischer Anspruch des Rechtsinhabers oder eine moralische Pflicht bzw. Freiheit 1 anderer Parteien. Die verknüpften moralischen Positionen anderer Parteien sind moralische Positionen dritter Parteien, ihren Gegenstand bildet eine Handlung (nicht eine Unterlassung), die sich auf die Handlung zweiter Parteien bezieht, auf die oder ihre Unterlassung der moralische Anspruch des Rechtsinhabers im Kern seines moralischen Rechts besteht. (2) Besteht die Kernposition eines moralischen Rechts aus einer moralischen Freiheit 1 bzw. einer bilateralen moralischen Freiheit 1 oder einer moralischen Kompetenz, so kann es zwar sein, dass sich manche dieser Kernpositionen auf eine Handlung einer anderen Partei beziehen, bestimmt wird aber erst durch verknüpfte moralische Positionen, was eine andere Person zu tun oder zu unterlassen hat bzw. tun kann. Die verknüpften moralischen Positionen, die dies bestimmen sind in Wellmans Beispielen entweder ein moralischer Anspruch des Rechtsinhabers oder eine moralische Pflicht bzw. Freiheit 1 der betreffenden Partei. Was diesen Fall von dem vorhin [unter (1)] genannten unterscheidet, ist, dass hier die Handlung der anderen Person eine Handlung bzw. die Unterlassung einer Handlung des Rechtsinhabers behindern bzw. ermöglichen würde und diese Handlung bzw. Unterlassung einer Handlung des Rechtsinhabers zentraler Bestandteil seines moralischen Rechts ist: sie bildet den Gegenstand seiner Kernposition. Insofern wird hier die Handlung bzw. die Unterlassung einer Handlung der anderen Person in Bezug auf eine moralisch relevante Handlung bzw. Unterlassung einer Handlung des Rechtsinhabers als moralisch relevant begriffen.
5.1.2 Moralische Positionen, die bestimmen, was eine andere Partei nicht bew kann Von den unter 5.1.1, (2) genannten verknüpften moralischen Positionen, die eine Handlung einer anderen Person betreffen, die die Handlung des Rechtsinhabers in der Kernposition behindern bzw. ermöglichen würde, unterscheiden sich jene verknüpften moralischen Positionen, die sich nicht auf eine behindernde bzw. ermöglichende Handlung einer anderen Person, sondern auf eine Handlung einer anderen Person, mit der sie die Kernposition des Rechts aufheben würde, beziehen. Diese verknüpften moralischen Positionen sind moralische Immunitäten und sie kommen in den obigen Beispielen in jedem moralischen Recht vor. Moralische Immunitäten unterscheiden sich insofern von den unter 5.1.1, (2) genannten verknüpften moralischen Positionen, d.i. moralischen Ansprüchen, Pflichten oder Freiheiten 1, als sie nicht bestimmen, was zweite oder dritte Parteien tun oder unterlassen sollen bzw. können, sondern bestimmen, was zweite oder dritte Parteien nicht bewirken können. Entscheidend dürfte sein, was sie nicht bewirken können, nämlich die Aufhebung einer moralischen Position, die die Kemposition des Rechts bildet. Sieht man, wie Wellman, die Funktion einer moralischen Immunität darin, dass sie die moralische Position einer Person vor einer spezifischen Änderung durch eine Handlung einer anderen Person schützt - vgl. Wellman (1985), S. 158 - , so könnte man hierin einen Grund vermuten, aus dem Wellman keine Beispiele bringt, in denen moralische Immunitäten die Kemposition eines moralischen Rechts bilden: weil sie sich als Kempositionen auf keine weitere moralische Position des Rechtsinhabers beziehen und diese vor der Änderung oder Aufhebung
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durch die Handlung einer anderen Person schützen könnten. Unter diesem Aspekt ist die Freiheit2 oder Kontrolle, die moralische Immunitäten über die Kernposition übertragen, eine andere im Vergleich zu der, die die vorhin unter (2) genannten moralischen Positionen über die Kernposition übertragen. Angemerkt sei hier am Rande, dass man in der angesprochenen Unterscheidung auf beiden Seiten eine moralische Position des Rechtsinhabers findet, nämlich die moralische Position Anspruch auf der einen und die moralische Position Immunität auf der anderen Seite. Zu ihnen ist Folgendes zu bemerken: Beide moralische Positionen sind erstens moralische Positionen des Rechtsinhabers, zweitens relative moralische Positionen. Moralische Ansprüche unterscheiden sich darin von moralischen Immunitäten, dass sie in den obigen Beispielen sowohl als Kernpositionen als auch als verknüpfte Elemente vorkommen, während moralische Immunitäten nur als verknüpfte moralische Positionen vorkommen. Mit moralischen Ansprüchen werden, gleichgültig ob sie als Kempositionen oder als verknüpfte Elemente gedacht werden, weitere moralische Positionen des Rechtsinhabers verknüpft, während mit moralischen Immunitäten keine weiteren moralischen Positionen verknüpft werden. 5.2.7 Zwei Gruppen moralischer Positionen in einem moralischen Recht Betrachtet man die vorhin erörterte Unterscheidung zwischen moralischen Positionen in einem moralischen Recht, die bestimmen, was eine andere Partei tun oder unterlassen soll bzw. kann, und jenen moralischen Positionen, die bestimmen, was eine andere Partei nicht bewirken kann, so sieht man, dass in dieser Unterscheidung, was die verknüpften moralischen Positionen betrifft, nur verknüpfte moralische Positionen berücksichtigt werden, in denen eine Handlung gedacht wird, die nicht identisch ist mit der Handlung der moralischen Position, mit der die erstgenannte moralische Position verknüpft wird; d.h. in dieser Unterscheidung werden nicht jene moralischen Positionen berücksichtigt, die mit einer weiteren verknüpft sind und sich auf die Handlung letzterer moralischer Position beziehen. (Vgl. dazu die erste Unterscheidung in Teil (III), Punkt 1.1 im Unterschied zu 1.2-1.4). Betrachtet man all jene moralischen Positionen in einem moralischen Recht, gleichgültig, ob Kempositionen oder verknüpfte moralische Positionen, die einerseits bestimmen, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen bzw. was er bewirken kann, andererseits bestimmen, was zweite oder dritte Parteien tun bzw. unterlassen sollen bzw. können oder nicht bewirken können, so kann man einen Unterschied zwischen ihnen feststellen. Bei genauerer Betrachtung der in Teil (I) erörterten Beispiele lässt sich behaupten, dass sich die moralischen Positionen der genannten Art, die in einem moralischen Recht vorkommen, hauptsächlich in zwei Gruppen einteilen lassen. Dabei sind die verknüpften moralischen Positionen, die hier berücksichtigt werden, wie vorhin, solche, in denen eine bestimmte Handlung gedacht wird, die sich von der Handlung der moralischen Position unterscheidet, mit der sie verknüpft sind. Allerdings werden nicht nur jene berücksichtigt, die bestimmen, was andere Parteien tun bzw. unterlassen sollen bzw. können oder nicht bewirken können, sondern auch jene verknüpften moralischen Positionen, die bestimmen, was der Rechtsinhaber tun bzw. unterlassen kann. Die zwei Gruppen sind folgende: (1) Die eine Gruppe bilden jene moralischen Positionen in einem moralischen Recht, die bestimmen, was der Rechtsinhaber tun bzw. unterlassen kann und was andere Parteien tun bzw. unterlassen sollen oder können. Hierzu zählen sowohl Kern-
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Positionen als auch verknüpfte moralische Positionen. Besteht die Kernposition eines moralischen Rechts aus einem moralischen Anspruch, so wird bereits in der Kernposition bestimmt, was andere (d.i. zweite) Parteien zu tun oder zu unterlassen haben. In den mit ihm verknüpften moralischen Elementen wird dann bestimmt, was damit einhergehend der Rechtsinhaber tun kann und was andere (d.i. dritte) Parteien tun können bzw. sollen. Besteht die Kernposition aus einer moralischen Freiheitl oder einer bilateralen moralischen Freiheitl, so wird in der Kernposition bestimmt, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen bzw. bewirken kann, und erst in den verknüpften moralischen Positionen bestimmt, was andere Parteien tun bzw. unterlassen sollen bzw. können. Auch in jenem Fall, in dem die Kernposition eines moralischen Rechts aus einer moralischen Kompetenz besteht, wird erst in den verknüpften Elementen bestimmt, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen. (2) Zur zweiten Gruppe gehören moralische Positionen, die bestimmen, was in Bezug auf die Gültigkeit einer moralischen Position bewirkt werden kann. Letztere moralische Position kann entweder ein Bestandteil oder kein Bestandteil des moralischen Rechts sein, zu dem auch die erstgenannten moralischen Positionen gehören. Dazu zählen (i) erstens moralische Kompetenzen des Rechtsinhabers, die entweder die Kernposition seines Rechts bilden oder mit der Kernposition bzw. mit einer verknüpften moralischen Position verknüpft sind, (ii) zweitens verknüpfte moralische Immunitäten des Rechtsinhabers, die mit der Kernposition verknüpft sind. Beides sind moralische Positionen des Rechtsinhabers und bestimmen, was in Bezug auf die Gültigkeit einer moralischen Position bewirkt werden kann, (i) Eine moralische Kompetenz als Kernposition betrifft, wie in den folgenden Beispielen (vgl. 5.2.2) ersichtlich wird, in ihren Konsequenzen keine der mit ihr verknüpften moralischen Positionen innerhalb eines moralischen Rechts, sondern das Verhältnis des Rechtsinhabers zu anderen Parteien und damit vermutlich andere moralische Positionen, die zwischen diesen Parteien bestehen. Verknüpfte moralische Kompetenzen bestimmen, was in Bezug auf die moralische Position des Rechtsinhabers, mit der sie verknüpft sind, bewirkt werden kann. Moralische Kompetenzen werden in allen oben erwähnten Beispielen mit einem moralischen Anspruch verknüpft und sind zweierlei Art: Erstens wird mit nahezu jedem moralischen Anspruch eine moralische Kompetenz verknüpft, auf diesen moralischen Anspruch zu verzichten; zweitens wird in einem einzigen Fall mit einem moralischen Anspruch eine moralische Kompetenz verknüpft, die Leistung, auf die der moralische Anspruch besteht, zu akzeptieren und damit den moralischen Anspruch aufzuheben. Sowohl das Verzichten auf den moralischen Anspruch als auch das Aufheben des moralischen Anspruchs betreffen auch die mit ihm korrelierende moralische Pflicht des Adressaten. Sofern der jeweilige moralische Anspruch die Kernposition des moralischen Rechts bildet, wird in ersterem Fall auf das moralische Recht verzichtet, in letzterem Fall das moralische Recht aufgehoben, (ii) Verknüpfte moralische Immunitäten bestimmen, was durch die Handlung einer anderen Person in Bezug auf die Kernposition des Rechtsinhabers und damit seines moralischen Rechts nicht bewirkt werden kann: in allen moralischen Rechten ist dies die Aufhebung der Gültigkeit der Kernposition und damit des moralischen Rechts und in einem bestimmten Recht die Ausübung der Handlung der Kernposition im Namen des Rechtsinhabers. In letzterem Fall besteht die moralische Immunität dagegen, dass eine andere Partei die Handlung im Namen des Rechtsinhabers ausübt, zu der der Rechtsinhaber eine moralische Kompetenz hat, die die Kernposition seines moralischen Rechts bildet. Mit diesen moralischen Immunitäten werden in den in Teil (I) genannten Beispielen, wie vorhin be-
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merkt, keine weiteren moralischen Positionen verknüpft, und es scheint auch, dass keine moralischen Positionen in Zusammenhang mit der Handlung stehen, die den Gegenstand einer moralischen Immunität bildet. Im Folgenden sollen einige Beispiele zu den moralischen Positionen der zwei Gruppen erwähnt werden. 5.2.2 Erläuterung ger Beispiele
der zwei genannten Gruppen moralischer Positionen anhand
5.2.2.1 Kernpositionen - Kernpositionen in den in Teil (I) erwähnten Beispielen moralischer Rechte sind (i) moralische Freiheiten 1 bzw. (ii) bilaterale moralische Freiheiten 1, (iii) moralische Kompetenzen und (iv) moralische Ansprüche. Die moralischen Positionen (i) und (ii) bestimmen was der Rechtsinhaber tun bzw. tun oder unterlassen kann, und die moralische Position (iv) bestimmt, was der Adressat der Kernposition tun oder unterlassen soll. Insofern gehören diese moralischen Positionen als Kempositionen zur ersten der zwei vorhin genannten Gruppen. Die moralische Position (iii) als Kernposition kann vermutlich zur zweiten Gruppe gezählt werden, wenn man davon ausgeht, dass die Konsequenzen, die sie in Bezug auf das Verhältnis des Rechtsinhabers zu anderen Personen erwirkt, moralische Positionen in diesem Verhältnis betreffen, wobei diese moralischen Positionen nicht Bestandteile des moralischen Rechts sind, dessen Kemposition die moralische Kompetenz ist. (Ähnliches muss auch in Bezug auf den einen Teil der moralischen Position (iv) gelten, der eine moralische Kompetenz ist, nämlich die moralische Kompetenz Anspruch zu erheben.) Ob die moralische Position (iii) unter Berücksichtigung weiterer Überlegungen zur ersten Gruppe gezählt werden kann, ist eine eigene Frage. In den obigen Beispielen wird als Kemposition des moralischen Rechts, Krieg zu erklären, die moralische Kompetenz gedacht, die Beteiligung an einem Krieg moralisch erlaubt zu machen. Die Konsequenz dieser moralischen Kompetenz als Kemposition betrifft keine der mit ihr verknüpften moralischen Positionen, sondern das Verhältnis des Subjekts dieser moralischen Kompetenz (d.i. des Rechtsinhabers) zu anderen Parteien und damit vermutlich moralische Positionen, aus denen das Verhältnis zwischen dem Subjekt dieser moralischen Kompetenz und diesen Parteien besteht. Versteht man die moralische Position Kompetenz so, dass sie bestimmt, was ein bestimmtes Subjekt (hier der Rechtsinhaber) mit seiner Handlung als Konsequenz bewirkt, und dass erst durch die verknüpfte moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, diese moralische Kompetenz auszuüben, bestimmt wird, dass er die Handlung tun kann, die den Gegenstand seiner moralischen Kompetenz bildet, so könnte man diese moralische Freiheit 1 gemeinsam mit der moralischen Kompetenz, auf die sie sich bezieht, der ersten Gruppe zuordnen. (Diesem Verständnis nach ließen sich, wie man sieht, auch jene moralischen Positionen, in denen keine weitere Handlung als die, die in der moralischen Position, mit der sie verknüpft sind, gedacht wird, einer dieser beiden Gruppen zuordnen [vgl. dazu die erste Unterscheidung, 1.1, (a)]. 5.2.2.2 Verknüpfte Elemente - Betrachtet man die in Teil (I) erwähnten Beispiele moralischer Rechte mit den genannten Kempositionen und die dort angeführten verknüpften Elemente, in denen, wie vorhin erörtert, eine Handlung vorkommt, die nicht mit der Handlung der Kemposition identisch ist, so sieht man, dass zur vorhin charakterisierten ersten Gruppe nur folgende verknüpfte moralische Positionen nicht gehören: Moralische Kompetenzen und moralische Immunitäten, also diejenigen verknüpften moralischen Positionen, die hier der zweiten Gruppe zugewiesen werden.
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(1) Verknüpfte Elemente zweiter oder dritter Parteien - Betrachtet man die einz nen verknüpften moralischen Positionen, so sieht man, dass die verknüpften moralischen Positionen zweiter oder dritter Parteien, die entweder moralische Freiheiten 1 oder moralische Pflichten sind, in allen moralischen Rechten bestimmen, was diese Personen tun oder unterlassen können bzw. zu tun oder zu unterlassen haben.
(2) Verknüpfte Elemente des Rechtsinhabers - Die verknüpften moralischen Positionen des Rechtsinhabers sind entweder (i) moralische Freiheiten 1 oder (ii) moralische Kompetenzen. (i) Verknüpfte moralische Freiheiten 1 des Rechtsinhabers, in denen eine Handlung gedacht wird, die nicht identisch ist mit der Handlung, die in der Kernposition gedacht wird, sind folgende: (a) Die moralische Freiheit 1, Widerstand gegen den Zwang zu leisten oder dem Zwang auszuweichen, mit dem der Rechtsinhaber an seiner moralischen Freiheit 1 zu einer Handlung HX1 (z.B. abzutreiben) im Kern seines moralischen Rechts gehindert werden kann, (b) Die moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, jene Handlung (z.B. Selbstverteidigung) zu unterlassen, zu der er eine moralische Freiheit 1 hat, die im Kern seines moralischen Rechts gedacht wird, (c) Die moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers, Widerstand gegen die Handlung anderer zu leisten, auf deren Unterlassung sein moralischer Anspruch im Kern seines moralischen Rechts besteht. (d) Die moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers die Leistung zu akzeptieren und davon Gebrauch zu machen, auf die sein moralischer Anspruch im Kern seines moralischen Rechts besteht. Mit den verknüpften moralischen Freiheiten 1 (a), (c) und (d) wird bestimmt, welche weiteren Handlungen der Rechtsinhaber kraft seiner moralischen Position im Kern seines moralischen Rechts tun darf. Die verknüpfte moralische Freiheit 1 (b) unterscheidet sich von den anderen drei darin, dass in ihr eine Unterlassung einer Handlung gedacht wird und zwar der Handlung, die in der moralischen Freiheit 1 gedacht wird, mit der sie verknüpft ist. Hier wird also nicht bestimmt, welche weitere Handlung der Rechtsinhaber tun kann, sondern welche er unterlassen kann. (ii) Verknüpfte moralische Kompetenzen des Rechtsinhabers sind in allen erwähnten Beispielen moralischer Rechte moralische Positionen, in denen eine Handlung gedacht wird, die nicht identisch mit der Handlung ist, die in der Position gedacht wird, mit der sie verknüpft werden. Moralische Kompetenzen werden in allen Beispielen moralischer Rechte mit moralischen Ansprüchen verknüpft, die entweder als Kemposition oder als verknüpfte moralische Position in einem moralischen Recht vorkommen. Die moralischen Kompetenzen, die man dort findet, sind zweierlei Art: Erstens die moralische Kompetenz, auf den moralischen Anspruch zu verzichten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der moralische Anspruch auf eine Handlung oder die Unterlassung einer Handlung auf Seiten des Adressaten besteht. Zweitens die moralische Kompetenz, die Handlung bzw. Leistung zu akzeptieren, auf die man einen moralischen Anspruch hat. Es stellt sich die Frage, ob man analog zu den vorhin erwähnten verknüpften moralischen Freiheiten 1 des Rechtsinhabers behaupten kann, dass mit diesen verknüpften moralischen Kompetenzen bestimmt wird, welche weiteren Handlungen der Rechtsinhaber kraft seiner moralischen Position im Kern seines moralischen Rechts tun kann. Moralische Kompetenzen können so verstanden werden, dass sie bestimmen, welche Konsequenz eine bestimmte Handlung eines bestimmten Subjekts hat. Ob das Subjekt der moralischen Kompetenz die in ihr gedachte Handlung mit der bestimmten Konse-
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quenz tun kann, wird in den obigen Beispielen, durch die mit ihr verknüpfte moralische Freiheit 1 desselben Subjekts bestimmt, diese moralische Kompetenz auszuüben. (iii) Verknüpfte moralische Immunitäten sind die vorhin unter 5.2.1, (2), (ii) genannten.
5.3 Abschließende Bemerkungen zur Unterscheidung der moralischen Positio zwei Gruppen und zur Bedeutung dieser Unterscheidung für das Verständnis heit2 und Kontrolle 5.3.1 Zwei Funktionen moralischer Positionen in einem moralischen Recht - In der hier vorgenommenen Erörterung moralischer Positionen, die in einem moralischen Recht vorkommen, und dem hier verwendeten Kriterium zu ihrer Einteilung, lassen sich folgende Funktionen moralischer Positionen in einem moralischen Recht unterscheiden: (1) Erstens wird durch manche moralische Positionen bestimmt, was die involvierten Parteien, d.h. der Rechtsinhaber, zweite und dritte Parteien tun bzw. unterlassen können oder sollen (vgl. 5.2.2.1, (iHiv), 5.2.2.2, (1), 5.2.2.2, (2), (i), (ii). Die in 5.2.2.1, (iii) und 5.2.2.2, (2), (ii) erwähnten moralischen Kompetenzen können hier nur in Zusammenhang mit den mit ihnen verknüpften moralischen Freiheiten 1 erwähnt werden.). (2) Zweitens wird durch andere moralische Positionen bestimmt, was der Rechtsinhaber in Bezug auf moralische Positionen, die Bestandteile seines Rechts bilden [vgl. 5.2.2.2, (2), (ii)] bzw. korrelative Bestandteile seines Rechts bilden [5.2.2.1, (iv)], und in Bezug auf moralische Positionen, die nicht Bestandteile seines moralischen Rechts bilden [vgl. 5.2.2.1, (iii)], bewirken kann bzw. was andere Parteien durch ihre Handlungen in Bezug auf die Kernposition eines moralischen Rechts des Rechtsinhabers nicht bewirken können [vgl. 5.2.2.2, (iii)]. Alle hier genannten moralischen Positionen betreffen die Gültigkeit einer weiteren moralischen Position. Diese Unterscheidung der beiden Funktionen, die unterschiedliche moralische Positionen haben, orientiert sich an einem qualitativen Kriterium: an der Beschaffenheit ihres Bezugspunktes. Der Bezugspunkt der moralischen Positionen mit der ersten Funktion ist die Handlung einer Person, der Bezugspunkt letzterer moralischer Positionen ist die Gültigkeit einer moralischen Position einer Person. Dieses Kriterium ist insofern nicht formal, als hier die Beschaffenheit der moralischen Positionen, die nach diesem Kriterium eingeteilt werden, eine Rolle spielt. Vgl. auch den erörterten Unterschied zwischen MPH und MPMP im Kapitel B., III., 1., b), dd) „Zum Begriff ,moralische Position'". Diese Unterscheidung wirft die Frage auf, ob moralische Rechte, die aus moralischen Positionen mit diesen Funktionen bestehen, beide Funktionen erfüllen oder ob eine dieser beiden Funktionen für sie charakteristisch ist. Betrachtet man die Kernpositionen moralischer Rechte, so sieht man, dass die erste der beiden Funktionen allen Kernpositionen der in Teil (I) angeführten Beispiele moralischer Rechte gemeinsam ist. Moralische Rechte bestimmen demnach in ihrer Kemposition, was der Rechtsinhaber tun bzw. unterlassen kann bzw. was andere Parteien tun bzw. unterlassen sollen. Dies ist, wie aus den Erörterungen in 5.2.2.1 hervorgeht bei den moralischen Positionen Freiheit 1 bzw. bilaterale Freiheit 1 und Anspruch als Kernpositionen der Fall. Aber auch moralische Kompetenzen als Kernpositionen können so verstanden werden,
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dass sie bestimmen, was der Rechtsinhaber tun kann, wenn man die mit ihnen verknüpfte (bilaterale) moralische Freiheit 1, diese Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben) mit berücksichtigt. Diesen Überlegungen nach kann man die gemeinsame Funktion, die man vielleicht als zentrale Funktion aller oben erörterten moralischen Rechte bezeichnen kann, darin sehen, dass sie bestimmen, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann bzw. was andere Parteien tun oder unterlassen sollen. Berücksichtigt man femer, dass einen Bestandteil moralischer Ansprüche eine moralische Kompetenz bildet und dass mit einem moralischen Anspruch ebenfalls eine (bilaterale) moralische Freiheit 1, diesen Anspruch zu erheben (bzw. zu erheben oder nicht zu erheben), verknüpft wird, so kann man sogar behaupten, dass nicht nur in (bilateralen) moralischen Freiheiten 1 und moralischen Kompetenzen, sondern auch in moralischen Ansprüchen, d.h. in allen Kempositionen bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun kann. Diesen Überlegungen nach lässt sich die gemeinsame zentrale Funktion moralischer Rechte darin sehen, dass sie in jedem Fall bestimmen, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann. Diesen Überlegungen nach wäre folgendes Verständnis moralischer Rechte möglich: Die zentrale Funktion moralischer Rechte besteht, wie erwähnt, in der Bestimmung dessen, was der Rechtsinhaber tun bzw. unterlassen kann. Dies geschieht, wie vorhin erörtert, in der Kernposition. Damit einhergehend wird bestimmt, was andere Parteien zu tun haben. Dies geschieht, je nach Kernposition, bereits in dieser, wenn die Kernposition ein moralischer Anspruch ist, oder erst in den verknüpften Elementen, wenn die Kemposition eine moralische Freiheit 1 bzw. eine bilaterale moralische Freiheit 1 oder eine moralische Kompetenz ist. Bis hierher werden alle moralischen Positionen, die in den oben erwähnten Beispielen Bestandteile eines moralischen Rechts bilden, bis auf moralische Immunitäten berücksichtigt. Die oben erwähnten moralischen Immunitäten wurden der zweiten Gruppe zugewiesen. Durch sie wird nicht bestimmt, was eine andere Partei tun oder unterlassen soll, sondern was sie in Bezug auf die Kemposition und damit in Bezug auf das moralische Recht nicht bewirken kann. Während eine moralische Kompetenz, als moralische Position des Rechtsinhabers, aufgrund einer mit ihr verknüpften (bilateralen) moralischen Freiheit 1, diese Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben), der ersten Gruppe zugeordnet werden kann, lassen sich die oben erwähnten moralischen Immunitäten nicht in analoger Weise der ersten Gruppe zuordnen. Insofern wäre zu untersuchen, ob die moralische Position Immunität in irgendeiner Weise auch zur ersten Gruppe gezählt werden könnte, und wenn nicht, wie sich ihre Funktion mit der Funktion, die der Kemposition zukommt, in Zusammenhang bringen lässt. 5.3.2 Zwei Formen von Freiheit2 und Kontrolle - Blickt man auf die vorhin genannten zwei Funktionen moralischer Rechte, so sieht man, dass damit einhergehend auch die Freiheit2 oder Kontrolle variiert, die die in den zwei Gruppen genannten verknüpften moralischen Positionen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion in Bezug auf die Kemposition dem Rechtsinhaber übertragen. Die Form von Freiheit2 und Kontrolle, die die verknüpften moralischen Positionen der ersten Gruppe dem Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei über die Kemposition übertragen, betrifft das, was die im moralischen Recht genannten Parteien tun können bzw. sollen. Die Form von Freiheit2 und Kontrolle, die die verknüpften moralischen Positionen der zweiten Gruppe dem Rechtsinhaber gegenüber einer zweiten Partei über die Kemposition übertragen, betrifft das, was die im moralischen Recht genannten Parteien in Bezug auf
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die Gültigkeit einer moralischen Position des moralischen Rechts mit ihrer Handlung als Konsequenz bewirken bzw. nicht bewirken können. Sieht man gemäß den vorigen Überlegungen die zentrale Funktion eines moralischen Rechts gemäß seiner Kernposition darin, dass es bestimmt, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann und damit einhergehend, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen bzw. können, so ist die Funktion, die den moralischen Positionen der ersten Gruppe zukommt, als die zentrale Funktion eines moralischen Rechts anzusehen. Dieses Verständnis der zentralen Funktion eines moralischen Rechts würde Folgendes für die Freiheit2 und Kontrolle bedeuten, die die verknüpften moralischen Positionen über die Kernposition übertragen: In der Funktion, die verknüpfte moralische Positionen in Bezug auf die Kernposition haben, und in Bezug auf die Freiheit2 und Kontrolle, die sie über die Kernposition übertragen, ist die genannte Funktion der Kernposition zu berücksichtigen. Diese Funktion der Kernposition könnte ein Kriterium in der Frage bilden, welche weiteren moralischen Positionen mit ihr verknüpft werden können, oder anders formuliert, welche weiteren Handlungen des Rechtsinhabers oder anderer Parteien in Bezug auf die Kernposition und die in ihr gedachte Handlung als moralisch relevant begriffen werden und in Form welcher moralischer Position ihre moralische Relevanz begriffen wird. Demnach wäre zu klären, inwiefern die genannte Funktion der Kernposition erstens bestimmt, welche weiteren Handlungen in Bezug auf sie als moralisch relevant erkannt werden, und zweitens bestimmt, in welcher Weise, also in Form welcher moralischen Position sie in Bezug auf die Kernposition als moralisch relevant erkannt werden. Ferner wäre zu berücksichtigen, ob auch die oben zweitgenannte Funktion, die bestimmte moralische Positionen als Kernpositionen haben, eine ähnliche Rolle in Bezug auf die Frage spielen kann, welche moralischen Positionen mit der Kernposition verknüpft werden können. Die moralischen Positionen, die die zweitgenannte Funktion als Kernpositionen haben, sind gemäß den obigen Erörterungen moralische Kompetenzen und auch moralische Ansprüche, die zum einen Teil aus einer moralischen Kompetenz bestehen. Ihre Funktion besteht in der Wirkung der Handlung, die den Gegenstand der moralischen Kompetenz bildet, für das Verhältnis des Rechtsinhabers zu anderen Parteien und den moralischen Positionen, die dieses ausmachen.
5.3.3 Die zwei Funktionen unterschiedlicher moralischer Positionen in Zusam hang mit der Funktion eines moralischen Rechts, Willenskonflikte zu lösen vermeiden - Schließlich wäre auch zu klären, wie sich die zwei genannten Funktionen der Kernposition eines moralischen Rechts zur Funktion desselben verhalten, einen Willenskonflikt mit anderen Parteien zu lösen bzw. zu vermeiden. Dazu kann man bemerken, dass die erste Funktion, wonach durch die Kemposition bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann bzw. andere Parteien tun oder unterlassen sollen, als die oder ein Teil der Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts betrachtet werden kann. Denn man kann argumentieren, dass ein Willenskonflikt zwischen zwei oder mehreren Parteien dadurch gelöst oder vermieden werden kann, dass man festsetzt, was die eine Partei tun oder unterlassen kann und was damit einhergehend die andere Partei bzw. die anderen Parteien tun oder unterlassen sollen. Da jedoch ein moralisches Recht nach Wellmans Modell nicht nur aus Kemposition, sondern auch aus verknüpften moralischen Positionen besteht, kann das, was durch die Kemposition bestimmt wird, nur als ein Teil der Lösung oder Vermeidung eines Wil-
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lenskonflikts gesehen werden, der (sc. Teil) durch die mit der Kernposition verknüpften moralischen Positionen ergänzt wird. Dies lässt sich z.B. an moralischen Rechten illustrieren, deren Kernposition eine (bilaterale) moralische Freiheit 1 des Rechtsinhabers bildet. Durch diese wird bestimmt, was der Rechtsinhaber tun (bzw. tun oder unterlassen) kann. Was andere Parteien damit einhergehend tun oder unterlassen sollen bzw. können wird erst durch die verknüpften Elemente bestimmt. Wie verhält es sich aber in den anderen Fällen, in denen eine moralische Kompetenz oder ein moralischer Anspruch, der ebenfalls zum einen Teil aus einer moralischen Kompetenz besteht, die Kernposition eines moralischen Rechts bildet? Auch hier wird durch die mit der Kernposition verknüpften (bilateralen) moralischen Freiheitl, die moralische Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben) bzw. den moralischen Anspruch zu erheben (bzw. zu erheben oder nicht zu erheben), bestimmt, was der Rechtsinhaber tun (bzw. tun oder unterlassen) kann. Ein moralischer Anspruch, der die Kemposition eines moralischen Rechts bildet, bestimmt zugleich, was andere Parteien zu tun haben. Da mit einer moralischen Kompetenz bzw. einem moralischen Anspruch als Kemposition die genannte (bilaterale) moralische Freiheitl verknüpft ist, wäre zu erwarten, dass auch in diesen Fällen durch weitere verknüpfte moralische Positionen bestimmt wird, was andere Parteien zu tun haben. Auf diese Frage wird im Folgenden eingegangen. Diesen Bemerkungen nach, lässt sich behaupten, dass mit allen moralischen Positionen als Kernpositionen in den obigen Beispielen bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun kann, und bei moralischen Ansprüchen wird auch bestimmt, was andere Parteien zu tun haben. Geht man davon aus, dass durch ein moralisches Recht nicht nur bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, so kann man den Grund für die Annahme moralischer Positionen, die mit der Kemposition verknüpft werden, darin sehen, dass durch sie bestimmt wird, was in Bezug auf die Kemposition andere Parteien zu tun haben. Was die zweite Funktion bestimmter moralischer Positionen anbelangt, nämlich moralischer Kompetenzen und Immunitäten, die die Gültigkeit anderer moralischer Positionen betreffen, wäre zu klären, ob und inwiefern auch diese Funktion unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden kann, dass sie zur Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts beiträgt. Da dies im Vergleich zur ersten Funktion nicht so klar der Fall zu sein scheint, ist es vielleicht förderlich, sich die konkreten moralischen Positionen in den obigen Beispielen anzusehen: (i) Als Kemposition eines moralischen Rechts kommt in den obigen Beispielen nur eine moralische Kompetenz vor, nämlich die moralische Kompetenz, die Beteiligung an einem gerechten Krieg moralisch erlaubt zu machen. Insofern mit ihr eine bilaterale moralische Freiheitl verknüpft ist, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben, wird durch sie bestimmt, was der Rechtsinhaber in der Situation, in der das moralische Recht gilt, tun oder unterlassen kann. Insofern liegt hier die erste Funktion vor. Die intendierte Konsequenz der Ausübung dieser moralischen Kompetenz betrifft eine weitere Situation, in die der Rechtsinhaber involviert ist und in einem Verhältnis zu anderen Parteien steht. Demnach liegen hier zwei Situationen vor, die eine, in der das konkrete moralische Recht mit seiner Kemposition besteht, und die andere, die von der Konsequenz der Ausübung seiner Kemposition betroffen ist. Soll nun die hier zur Debatte stehende Funktion der moralischen Kompetenz, die in ihrer Konsequenz für die zweite Situation besteht, eine Rolle für die Lösung oder Ver-
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meidung des Willenskonflikts in der erstgenannten Situation spielen, so müsste gezeigt werden, wie diese Konsequenz für die zweite Situation etwas zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts in der ersten Situation beiträgt. (ii) Als verknüpfte moralische Position kommt in den obigen Beispielen erstens eine moralische Kompetenz vor und zwar in zweierlei Form: (a) Erstens als moralische Kompetenz auf den moralischen Anspruch, mit dem sie verknüpft ist, zu verzichten. Bildet letzterer die Kernposition des moralischen Rechts, so wird durch ihn bestimmt, was zur Lösung oder Vermeidung eines Willenskonflikts einerseits der Rechtsinhaber tun kann, andererseits, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen. Soll nun die Funktion der genannten moralischen Kompetenz, die die Gültigkeit des moralischen Anspruchs betrifft, in irgendeiner Weise mit der Funktion des moralischen Rechts in Zusammenhang stehen, so müsste gezeigt werden, inwiefern ein Verzicht auf das Erheben des moralischen Anspruchs zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts beiträgt, dessen Lösung oder Vermeidung durch den moralischen Anspruch ermöglicht wird. In einem Beispiel ist der moralische Anspruch ein verknüpftes Element, das mit einer bilateralen moralischen Freiheit 1 als Kernposition verknüpft ist. Durch ihn wird auch in diesem Fall in Bezug auf die bilaterale moralische Freiheit 1 bestimmt, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen, und hierin kann ein Teil der Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts gesehen werden. Insofern müsste in analoger Weise zum vorigen Fall auch hier gezeigt werden, inwiefern ein Verzicht auf das Erheben des moralischen Anspruchs zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts beiträgt, die durch die Kernposition und den mit ihr verknüpften moralischen Anspruch ermöglicht wird, (b) Zweitens als moralische Kompetenz, die Leistung, auf die ein moralischer Anspruch besteht, zu akzeptieren und damit den moralischen Anspruch, der die Kernposition des moralischen Rechts bildet, aufzuheben. Man kann argumentieren, dass diese moralische Kompetenz insofern zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts gehört, als die in ihr gedachte Handlung des Akzeptierens der Leistung als Voraussetzung für das Erheben des moralischen Anspruchs, der die Kernposition bildet, und für die Erfüllung der mit ihm korrelierenden Pflicht betrachtet werden kann. Durch den genannten moralischen Anspruch und die mit ihm verknüpfte bilaterale moralische Freiheit 1, Anspruch zu erheben bzw. nicht zu erheben, wird bestimmt, wie der Rechtsinhaber handeln kann und die Adressaten handeln sollen, damit ein bestimmter Willenskonflikt gelöst oder vermieden wird. (iii) Als weitere verknüpfte moralische Position kommt in den obigen Beispielen eine moralische Immunität vor und zwar in zweierlei Gestalt: (a) Erstens in Form einer moralischen Immunität dagegen, dass irgendeine andere Partei die Kernposition des moralischen Rechts durch eine unilaterale Handlung aufhebt. Man kann argumentieren, dass diese moralische Immunität insofern zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts beiträgt, als sie die Gültigkeit der Kernposition schützt. Diese moralische Immunität bestimmt also nicht, wie die Lösung oder Vermeidung des betreffenden Willenskonflikts aussieht, sondern schützt eine moralische Position, die Kernposition, in der dies bestimmt wird. Allerdings stellt sich hier, am Rande bemerkt, folgende Frage: Bei moralischen Rechten, deren Kernposition eine (bilaterale) moralische Freiheit 1 bildet, wird durch diese bestimmt, was der Rechtsinhaber tun (bzw. tun oder unterlassen kann), und durch den mit der Kernposition verknüpften moralischen Anspruch, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen. Da man argumentieren kann, dass beide moralischen Positionen zur Lösung oder Vermeidung des ent-
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sprechenden Willenkonflikts beitragen, stellt sich die Frage, wieso die verknüpfte moralische Immunität nicht auch den verknüpften moralischen Anspruch schützt, (b) Zweitens in Form einer moralischen Immunität dagegen, dass die Handlung, die den Gegenstand der moralischen Kompetenz im Kern des moralischen Rechts bildet, im Namen des Rechtsinhabers ausgeübt wird. Auch hier kann man argumentieren, dass diese moralische Immunität zur Lösung oder Vermeidung des Willenskonflikts beiträgt, als sie die Kernposition des Rechtsinhabers schützt, durch die - gemeinsam mit der mit ihr verknüpften bilateralen moralischen Freiheit 1, diese moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben - bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann. Wie vorhin besteht auch hier die Funktion dieser moralischen Immunität nicht darin zu bestimmen, wie die Lösung oder Vermeidung des betreffenden Willenskonflikts aussieht, sondern sie schützt eine moralische Position, die Kernposition, in der dies bestimmt wird. Auch in diesem Fall lässt sich, am Rande bemerkt, die Frage stellen, ob diese moralische Immunität nicht auch die soeben erwähnte bilaterale Freiheit 1, die Kernkompetenz auszuüben oder nicht auszuüben, schützt.
5.4 Ein nahe liegendes Verständnis des Aufbaus von Wellmans Modell eines schen Rechts gemäß den erörterten Funktionen - Die hier erwähnten Überlegungen legen folgenden Gedanken nahe: Geht man davon aus, dass moralische Rechte zur Lösung oder Vermeidung von Willenskonflikten dienen und dass dies, wenn nicht ausschließlich, so in einem wesentlichen Teil dadurch geschieht, dass durch moralische Positionen bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, und damit einhergehend, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen, so kann man Folgendes annehmen: Da ein moralisches Recht den Rechtsinhaber zum Subjekt hat, kann man annehmen, dass in einem moralischen Recht eine Handlung oder Unterlassung einer Handlung des Rechtsinhabers die zentrale Rolle spielt und dass in Bezug auf sie bestimmt wird, was die Adressaten des Rechts tun oder unterlassen sollen. Geht man davon aus, dass in der Kernposition des Rechts bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, so muss dieses Charakteristikum in allen oben genannten Beispielen von Kernpositionen moralischer Rechte anzutreffen sein. Bei moralischen Freiheiten 1 und bilateralen moralischen Freiheiten 1 als Kernpositionen ist dies klarerweise der Fall. Moralische Kompetenzen und moralische Ansprüche, die ebenfalls zum einen Teil aus einer moralischen Kompetenz bestehen, bestimmen für sich betrachtet nicht, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann. Berücksichtigt man aber die mit ihnen verknüpfte (bilaterale) moralische Freiheit 1 - im einen Fall ist es die (bilaterale) moralische Freiheit 1, die moralische Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben), im anderen Fall die (bilaterale) moralische Freiheit 1, den moralischen Anspruch zu erheben (bzw. zu erheben oder nicht zu erheben) - so kann man behaupten, dass dadurch bestimmt wird, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann. Dass die Handlung, die man tun oder unterlassen kann, in einem Fall Gegenstand einer moralischen Kompetenz, im anderen Fall Bestandteil einer moralischen Kompetenz, Anspruch zu erheben, ist, zeigt, dass diese Handlung auch in anderer Weise moralisch relevant ist. Diese moralische Relevanz liegt in den Konsequenzen der Handlung für andere moralische Positionen: im Fall der moralischen Kompetenz als Kernposition müssen diese moralischen Positionen des Rechtsinhabers bzw. anderer Parteien nicht Bestandteile des moralischen Rechts sein, im Fall des moralischen Anspruchs kann die mit ihm korrelierende moralische Position Pflicht des Adressaten als korrelierender Bestandteil der Kernposition des moralischen Rechts betrachtet werden. Diesen Erörterungen nach wird im Kern der moralischen Rechte,
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die Wellman in seinen Beispielen erörtert, eine (bilaterale) moralische Freiheit 1 gedacht: Entweder bloß eine (bilaterale) moralische Freiheitl oder eine (bilaterale) moralische Freiheit 1, eine moralische Kompetenz auszuüben oder nicht auszuüben, wobei letztere auch eine moralische Kompetenz sein kann, Anspruch zu erheben. Mit der (bilateralen) moralischen Freiheitl als Kernposition werden moralische Positionen verknüpft, die bestimmen, was andere Personen tun oder unterlassen sollen bzw. können. Dies müsste diesen Überlegungen nach auch in den moralischen Rechten der Fall sein, deren Kernposition aus einer moralischen Kompetenz oder einem moralischen Anspruch besteht, mit der bzw. dem eine (bilaterale) moralische Freiheitl, diese moralische Kompetenz auszuüben (bzw. auszuüben oder nicht auszuüben) bzw. diesen moralischen Anspruch zu erheben (bzw. zu erheben oder nicht zu erheben), verknüpft ist. Denn auch hier müsste in Bezug auf die (bilaterale) moralische Freiheitl des Rechtsinhabers analog bestimmt werden, was andere Parteien zu tun oder zu unterlassen haben. Dieses Verständnis stimmt insofern mit Wellmans Beispielen nicht gänzlich überein, als in seinen Beispielen moralischer Anspruchsrechte und seinem Beispiel eines Kompetenzrechts mit der genannten (bilateralen) moralischen Freiheitl, die mit der Kernposition verknüpft ist, keine weiteren moralischen Positionen verknüpft sind. (Hier könnte folgendes Problem auftreten: Wenn mit dieser verknüpften bilateralen moralischen Freiheitl, die bestimmt, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, wieder ein moralischer Anspruch verknüpft würde, der in Bezug auf sie bestimmt, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen, und mit ihm wieder eine bilaterale moralische Freiheitl, diesen Anspruch zu erheben oder nicht zu erheben, usw., so würde sich die Frage stellen, wo man diese Kette miteinander verknüpfter moralischer Ansprüche und bilateraler moralischer Freiheiten 1 abbrechen kann.) Stattdessen verknüpft Wellman in einigen Beispielen moralischer Rechte, deren Kernposition aus einem moralischen Anspruch besteht, moralische Pflichten oder Freiheiten 1 dritter Parteien direkt mit der Kernposition und im Beispiel eines moralischen Rechts, dessen Kemposition aus einer moralischen Kompetenz besteht, verknüpft er direkt mit dieser einen moralischen Anspruch. Die moralischen Positionen, die mit der Kemposition verknüpft werden und bestimmen, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen oder können, sind entweder moralische Positionen des Rechtsinhabers oder anderer Parteien. Verknüpfte moralische Positionen mit dieser Funktion sind, wenn sie moralische Positionen des Rechtsinhabers sind, moralische Ansprüche, wenn sie moralische Positionen anderer Parteien sind, moralische Pflichten oder moralische Freiheiten 1. In Bezug auf die moralischen Positionen anderer Parteien stellt sich die Frage, ob nicht eine Bedingung dafür, dass sie zum moralischen Recht gezählt werden können, ist, dass mit ihnen eine moralische Position auf Seiten des Rechtsinhabers korreliert. Bei moralischen Pflichten dritter Parteien stellt sich die Frage, ob sie nicht relative moralische Pflichten gegenüber dem Rechtsinhaber sein müssten, mit denen ein moralischer Anspruch des Rechtsinhabers korreliert, um zum moralischen Recht dazuzugehören. Die Funktion der verknüpften moralischen Kompetenzen und Immunitäten in einem moralischen Recht besteht, wie oben erläutert wurde, nicht in der Bestimmung dessen, was unter der Lösung oder der Vermeidung des betreffenden Willenskonflikts zu verstehen ist. Diese moralischen Positionen betreffen die Gültigkeit bestimmter moralischer Positionen in unterschiedlicher Hinsicht. Um sie als Bestandteile eines moralischen Rechts betrachten zu können, muss, wie es oben kurz versucht wurde, geklärt
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werden, inwiefern ihre Funktion ein notwendiger Bestandteil der Funktion des moralischen Rechts betrachtet werden kann, die in der Lösung oder Vermeidung eines bestimmten Willenskonflikts besteht.
6. Abschließende Bemerkungen zum Zusammenhang moralischer Positionen halb eines moralischen Rechts - Der Teil ( I I I ) hat sich damit befasst, gewisse Kriterien festzustellen, die in den Zusammenhängen zwischen den einzelnen moralischen Positionen in den in Teil (I) erwähnten Beispielen moralischer Rechte enthalten sind und diese Zusammenhänge voneinander zu unterscheiden erlauben. Diese Kriterien betreffen Aspekte bzw. Bestandteile der miteinander verknüpften moralischen Positionen und sollen Aufschluss über die Art der Zusammenhänge der moralischen Positionen in Wellmans Modell eines moralischen Rechts geben. Ein allgemeiner Schlüssel, nach dem sich der Aufbau aller erwähnten moralischen Rechte erklären lässt, hat sich hier nicht finden lassen. Die unterschiedlichen moralischen Positionen, die in den moralischen Rechten vorkommen, lassen sich, wie wir in Punkt 5.3.1 gesehen haben, nach zwei Funktionen, die sie haben können, in zwei Gruppen einteilen. Diesen Funktionen gemäß lassen sich auch zwei Formen von Freiheit2 und Kontrolle unterscheiden. In Zusammenhang mit der Funktion, die Wellman einem moralischen Recht zuschreibt, nämlich Willenskonflikte zu lösen bzw. zu vermeiden, lässt sich behaupten, dass eine dieser beiden Funktionen eine zentrale Rolle innerhalb eines moralischen Rechts spielt. Es ist jene Funktion, die moralischen Freiheiten 1, moralischen Kompetenzen und moralischen Ansprüchen zukommt: Jede von ihnen bestimmt, was eine der Parteien (der Rechtsinhaber bzw. zweite oder dritte Parteien) des moralischen Rechts, dessen Bestandteile sie bilden, tun oder unterlassen kann bzw. soll. Gemäß den obigen Überlegungen wird in der Kernposition bestimmt, was der Rechtsinhaber tun oder unterlassen kann, auch dann wenn in der Kernposition eine moralische Position gedacht wird, der die zweite Funktion zukommt, also wenn die Konsequenz der Handlung, die in der Kernposition gedacht wird, die Gültigkeit einer weiteren moralischen Position betrifft. In Bezug auf die Handlung, die der Rechtsinhaber gemäß der Kernposition tun oder unterlassen kann, wird bestimmt, was andere Parteien tun oder unterlassen sollen. Dies trifft in manchen Fällen auch dann zu, wenn bereits in der Kernposition bestimmt wird, was andere Parteien (die Adressaten des Rechts) tun oder unterlassen sollen. Hier wurde anhand einer Analyse der Beispiele moralischer Rechte, die Wellman bringt, der Versuch unternommen, die eingangs aufgestellte These zu stützen. Diese Analyse wurde in einer Endnote vorgenommen, da sie nur eine der Fragen betrifft, die sich in Bezug auf Wellmans, Theorie stellen lassen. Das Ergebnis dieser Analyse ist eine These. Die Form dieser Analyse wirft die Frage auf, ob sie sich auch auf andere Theorien anwenden und damit erweitern, vertiefen oder modifizieren lässt. Dieselbe Frage stellt sich auch in Bezug auf das Resultat dieser Analyse, die These. Die Überprüfung dieser Frage würde es erforderlich machen, die systematischen Analysen von Rechten anderer Autoren heranzuziehen. Eine solche Analyse würde allerdings über den Rahmen dieser Arbeit und über Wellmans Theorie hinausgehen. Zwei Autoren, auf die hier besonders hingewiesen werden muss, sind und
Helle Kanger.
Stig Kanger
Wie bereits in der Einleitung (Kapitel A., I X . , 1. „Typen analysie-
render Theorien über Rechte", Abschnitt: „Erklärung der möglichen Bedeutungen des
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Begriffs ,ein Recht'") hingewiesen wurde, unterscheiden Kanger und Kanger auf der Basis von Hohfelds Begriffsapparat zwischen 8 einfachen Typen von Rechten: Anspruch, Freiheit2, Kompetenz und Immunität und damit einhergehend zwischen Gegen-Anspruch (counter-claim), Gegen-Freiheit2 (counter-freedom), Gegen-Kompetenz (counter-power) und Gegen-Immunität (counter-immunity). Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 121. Anhand dieser Liste von 8 einfachen Typen von Rechten gewinnen Kanger und Kanger methodisch durch Negation eines oder mehrerer ihrer Elemente 26 Listen, die jeweils einen antomaren (komplexen) Typ eines Rechts repräsentieren. Vgl. Kanger und Kanger, S. 126 f. (Vgl. dazu auch Kanger (1984), S. 55, und ferner Lindahl (1994), S. 155). Diese Listen sind gemäß Kangers und Kangers Theorie insofern komplett, als eine weitere Spezifizierung anhand eines einfachen Typs eines Rechts oder eines negierten Typs eines Rechts entweder unnötig oder inkonsistent ist. Wichtig ist hierbei, dass Kanger und Kanger eine eigene (deontische) Interpretation dieser Begriffe entwickeln. Vgl. Kanger und Kanger (1966), S. 122 f. (und femer Kanger (1984), S. 40 f., 49 ff., 65, 184, 194). Kangers Begriffe „Freiheit2", „Kompetenz" und „Immunität" unterscheiden sich infolgedessen von den entsprechenden Begriffen bei Hohfeld, worauf Helle Kanger in (1984), S. 38, 168, ausdrücklich hinweist. Auf die Theorie von Kanger und Kanger kann hier aus drei Gründen nicht eingegangen werden: erstens ist ihre systematische Analyse des Begriffs „ein Recht" sehr inhaltsreich, sodass eine genauere Betrachtung ihrer Resultate in einem längeren Abschnitt vorgenommen werden müsste; zweitens unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, ihre Begriffe ,JFreiheit2", „Kompetenz" und „Immunität" von Hohfelds und damit auch von Wellmans entsprechenden Begriffen; drittens müsste in einer Auseinandersetzung mit Kangers und Kangers Theorie zum Teil auch auf die Schwierigkeiten derselben eingegangen werden, die einige Autoren aufgezeigt haben, vgl. z.B. Lindahl (1994), S. 157-162. Die terminologischen Unterschiede zwischen Kanger und Wellman zeigen sich erstens an folgender Stelle, in der Helle Kanger in ihrer Dissertation (1984) auf eine frühe Schrift Wellmans (1978 b) zum Thema Rechte Bezug nimmt und Folgendes bemerkt: Wellmans Begriff „Autonomie" unterscheide sich nicht sehr von ihrem Begriff (idea) von „Freiheit2" (freedom). Vgl. Kanger (1984), S. 174. Mit Bezug auf Wellmans Beispiel „freie Meinungsäußerung" („free Speech") bemerkt sie, dass es ihrer Auffassung von freier Meinungsäußerung ähnle. Wellman spreche von der Freiheit 1 sich zu äußern (liberty to speak out) - während sie den Ausdruck „Kompetenz" („power") gebrauchen würde - und der Freiheitl, dies zu unterlassen (= Gegen-Kompetenz). (...) Dem füge Wellman das Nichteingreifen durch andere hinzu, was grob ihrem (sc. H. Kangers) Gebrauch von „Immunität" entspreche. Die unterschiedlichen Auffassungen von Freiheit2, Kompetenz und Immunität von Wellman einerseits und Kanger und Kanger andererseits, lassen sich auch zweitens aus den folgenden Bemerkungen von Helle Kanger zum Unterschied der Kangersehen und der Hohfeldschen Begrifflichkeit erschließen: Hohfeld spreche von einer „legalen Kompetenz" („legal power"). Stig Kanger lasse im Unterschied zu Hohfeld den Zusatz „legal" weg und verallgemeinere den Begriff „Kompetenz" so, dass er bedeute „es kann der Fall sein, dass X dafür sorgt, dass S der Fall ist" („it may be the case that x sees to it that S ist the case"). Vgl. ebd., S. 168. (Mit „X" ist eine Partei und mit „S" eine Situation oder eine Relation zwischen zwei Parteien X und Y gemeint, vgl. Kanger (1984), S. 39). Unter „Immunität" versteht Kanger das, was X gegenüber
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Y hat, wenn Y keine Gegen-Kompetenz (counterpower) gegenüber X hat. Vgl. ebd., S. 168. Der Begriff „Immunität" gehe mit der genannten Verallgemeinerung des Begriffs „Kompetenz" einher und bedeute „es soll der Fall sein, dass Y nicht dafür sorgt, dass nicht S der Fall ist" („it shall be the case that y does not see to it that not S is the case"). Mit „Freiheit2" („freedom") bzw. „Freiheit 1" („liberty") sei im Unterschied zu Hohfelds „Privileg" eine sehr schwache Situation gemeint, nämlich, die in der X es unterlassen könne, für die gegenteilige Situation zu sorgen („in which x may refrain from seeing to the opposite State of affairs") (= Y's Gegen-Anspruch). In ebd., S. 169, bemerkt Helle Kanger, dass Hohfelds Begriff „Privileg" wahrscheinlich Stig Kangers Begriff „Kompetenz" näher stehe als dessen Begriff „Freiheit2" („freedom") [bzw. ihrem (sc. Helle Kangers) Begriff „Freiheitl" („liberty")]. Für das Verständnis der hier erwähnten Begriffe seien noch folgende Definitionen von Kanger erwähnt. Die folgenden Sätze seien synonym: X hat gegenüber Y einen Gegen-Anspruch hinsichtlich S(X, Y) X hat gegenüber Y einen Anspruch hinsichtlich nicht S(X, Y) Ebenso seien folgende Sätze synonym: X hat gegenüber Y eine Gegen-Kompetenz hinsichtlich S(X, Y) X hat gegenüber Y eine Kompetenz hinsichtlich nicht S(X, Y) Vgl. Kanger (1984), S. 39, bzw. Kanger und Kanger (1966), S. 122. Kangers Interpretation der einfachen Typen von Rechten (A) (B) (C) (D)
X X X X
hat gegenüber Y hat gegenüber Y hat gegenüber Y hat gegenüber Y
einen Anspruch hinsichtlich S(X, Y) eine Freiheit2 hinsichtlich S(X, Y) eine Kompetenz hinsichtlich S(X, Y) eine Immunität hinsichtlich S(X, Y)
sieht folgendermaßen aus: (A') Es soll der Fall sein, dass Y dafür sorgt, dass S(X, Y) (Jt shall be the case that Y sees to it that S(X, Y)") (B') Nicht: es soll der Fall sein, dass X dafür sorgt, dass nicht-S(X, Y) (C) Nicht: es soll der Fall sein, dass nicht: X sorgt dafür, dass S(X, Y) (D') Es soll der Fall sein, dass nicht: Y sorgt dafür, dass nicht-S(X, Y) Vgl. Kanger (1984), S. 40, bzw. Kanger und Kanger (1966), S. 122. Statt des Ausdrucks in (C') „Nicht: es soll der Fall sein, dass nicht" könne der einfachere Ausdruck „Es kann der Fall sein, dass" („It may be the case that") verwendet werden. Vgl. Kanger (1984), S. 41, bzw. Kanger und Kanger (1966), S. 121. ** (S. 388) Wie bereits erwähnt [vgl. das Kapitel B., IL, 4., e)] sind Wellmans Ausführungen über Freiheit2, Kontrolle und Autonomie aus seinen früheren Schriften (bis 1979) von Martin und Nickel kritisiert worden. Vgl. Martin, R.; Nickel, W. (1983), S. 211 f. Montague erörtert die Rolle der Herrschaft in Wellmans Theorie in Bezug auf eine bestimmte Fragestellung: Warum starke (strong) Rechte eine Erlaubnis (permission) auf Seiten des Rechtsinhabers enthalten. Vgl. Montague (2001), S. 263. Unter starken
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Rechten versteht Montague Rechte, die Pflichten auf Seiten anderer beinhalten. Wellman argumentiere gegen den Gedanken, dass Rechte bloße Ansprüche sein können und bestreite daher implizit, dass starke Rechte mit Pflichten auf Seiten anderer äquivalent seien. Er schlage, so Montague, als Teil seines Arguments zur Unterstützung der Behauptung, dass starke Rechte Erlaubnisse beinhalteten, das vor, was er als Gegenbeispiel zum Gedanken betrachte, dass starke legale Rechte nichts mehr als Pflichten auf Seiten anderer seien. Vgl. ebd., S. 264. Wellman stelle sich ein Rechtssystem vor, das einen Eingriff in bestimmte Arten von Handlung, aber auch die Ausführung dieser Handlungen verbiete. Wellman behaupte dann, dass es eine Farce wäre zu behaupten, dass ein solches Rechtssystem dem Einzelnen ein Freiheitsrecht übertrage, die verbotenen Handlungen auszuführen. [Montague verweist hier auf Wellman (1985), S. 64; vgl. hier das Kapitel B., II., 4., a), cc), (1)] Auf moralische Rechte angewandt, würde Wellmans Behauptung, so Montague, vermutlich lauten, dass jemand ein moralisches Recht, eine bestimmte Handlung auszuführen, ermangle, wenn die Handlung moralisch verboten sei - und dies ungeachtet dessen, ob andere Pflichten zur Unterlassung eines Eingriffs in die Ausführung dieser Handlung hätten. Vgl. Montague (2001), S. 264 f. Dieses Argument stehe in enger Beziehung mit Wellmans Erklärung von etwas grundsätzlicherem: die besondere Rolle, die moralische Rechte in der moralischen Theorie spielten. Vgl. ebd., S. 265. Montague verweist dabei auf jene Stelle, an der Wellman behauptet, dass das Charakteristische an Rechten sei, dass sie die Verteilung von Freiheit2 und Kontrolle zwischen dem Rechtsinhaber und einer zweiten Partei oder mehreren betreffen, gegenüber denen das Recht gelte, und dass die wesentliche Funktion eines Rechts sei, Herrschaft zu übertragen. (Vgl. Wellman (1995), S. 107.) Montague verweist dann auf L W. Sumners Behauptungen, dass man Rechten eine besondere normative Funktion zuschreiben könne; dass Personen so zu betrachten, als hätten sie bestimmte Rechte, sie so zu betrachten sei, als wären sie in den Bereichen autonom, die durch die Kerne der Rechte bestimmt würden; und dass der Begriff der Autonomie innerhalb eines Bereichs mit Wellmans Begriff von Herrschaft wesentlich ähnlich sei. (Vgl. Sumner (1987), S. 98.) Montague bemerkt dann, dass unter der Voraussetzung, dass diese Bemerkung richtig sei, Sumner und Wellman so verstanden werden könnten, als würden sie folgendes Argument (A) vorbringen: (Starke) Rechte würden eine besondere Rolle in der Moraltheorie spielen - eine Rolle, die man am besten in Form von Autonomie (oder Herrschaft) innerhalb eines Bereichs von Tätigkeit (activity) erklären könne; und kraft dieser Rolle, müssten Rechte zu handeln Erlaubnisse beinhalten, sowohl zu handeln als auch Handlungen zu unterlassen. Montague sieht in diesem Argument darin einen Fehler, dass es die Behauptung, dass starke Rechte Erlaubnisse zu handeln beinhalten würden, mit dem Begriff »Autonomie" in Zusammenhang bringe. Der Begriff des Erlaubtseins stehe im Wesentlichen in keinem Zusammenhang mit dem Begriff der Autonomie. Erlaubtsein sei ein Charakteristikum von Handlungen und eine Theorie, die sich mit dem moralischen Status von Handlungen befasse, werde Überlegungen spezifizieren, die dafür relevant seien, ob bestimmte Handlungen erlaubt seien. Vgl. ebd., S. 266. - Montague bemerkt in ebd., S. 264, dass man Verpflichtungen als (möglicherweise komplexe) Eigenschaften von Handlungen allein betrachten sollte und dass Rechte an sich als Eigenschaften von Handlungen allein interpretiert werden könnten. Kompetenzen und Immunitäten seien hingegen Eigenschaften von Personen. - Autonomie sei, sofem sie auf Personen (im Gegensatz zu politischen Gemeinschaften) Anwendungfinde, ein Charakteristikum moralischer Handelnder, dessen Gegebensein bei
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bestimmten Individuen durch Überlegungen bestimmt sei, die von jenen sehr unterschiedlich seien, von denen das Erlaubtsein von Handlungen abhänge. Vgl. ebd., S. 266. Daher könnte (might) eine moralische Theorie geringen Spielraum, wenn überhaupt, für Handlungen bieten, die erlaubt, aber nicht gefordert seien (und daher geringen Spielraum, wenn überhaupt, für Rechte, wie sie Wellman und Sumner interpretierten, bieten), aber dennoch mit einer starken Auffassung von persönlicher Autonomie vereinbar sein. Montague erläutert dies an einem Beispiel, das hier nicht wiedergegeben wird. Montagues Argumentation wirft einige Fragen auf, auf die hier nicht eingegangen werden kann: z.B. ob seine Interpretation von Wellmans Argumentation korrekt ist. Da sich die hier angestellten Erörterungen mit der Rolle der Herrschaft im Begriff „ein Recht" befassen, werden sie sich auf den Unterschied der Begriffe des Erlaubtseins und der Autonomie (bzw. Herrschaft) und auf die Frage beschränken, warum ersterer mit letzteren im Wesentlichen in keinem Zusammenhang steht. Montague betrachtet das Erlaubtsein, Verpflichtungen und Rechte als Eigenschaften bzw. Charakteristika von Handlungen im Unterschied zur Autonomie, die er als Charakteristikum von Personen begreift. Dazu ist Folgendes zu bemerken: Wenn aufgrund dieses Unterschieds Erlaubnisse im Wesentlichen in keiner Beziehung zu Autonomie bzw. Herrschaft stehen, dann könnte man auch annehmen, dass kraft desselben Unterschieds auch Rechte im Wesentlchen in keiner Beziehung zur Herrschaft stehen, was im Rahmen von Wellmans Theorie problematisch wäre. Diesem Argument kann man entgegenhalten, dass es nicht zeigt, inwiefern der in ihm aufgezeigte Unterschied hinreicht, um eine Erlaubnis (oder allgemeiner eine moralische Position einer bestimmten Art) und Herrschaft im Wesentlichen in keinem Zusammenhang stehend zu sehen, und, femer, dass aufgrund dieses Unterschieds nicht die Möglichkeit ausgeschlossen wird, dass die genannten Begriffe auf andere Weise in Zusammenhang stehen, die mindestens ebenso relevant ist wie ihr aufgezeigter Unterschied. Ein wesentlicher Zusammenhang zwischen moralischen Positionen als Bestandteilen moralischer Rechte (z.B. einer moralischen Erlaubnis), moralischen Rechten und Herrschaft besteht darin, dass sie die Lösung und Vermeidung von moralischen Konflikten und damit die Möglichkeit von Handlung betreffen. Moralische Rechte und ihre Bestandteile (z.B. moralische Erlaubnisse) ermöglichen dem Rechtsinhaber in einem Willenskonflikt gemäß Wellmans Theorie Herrschaft gegenüber einer zweiten Partei. Insofern mit Herrschaft das gemeint ist, was moralische Rechte und ihre Bestandteile in den genannten Situationen ermöglichen und wozu sie dienen, stehen die Begriffe „Herrschaft", „moralisches Recht" und „moralische Erlaubnisse" als wesentliche Bestandteile desselben in wesentlichem Zusammenhang. (Wellman nimmt, wie wir gesehen haben, an, dass jedes genuine Recht entweder eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz enthält. Vgl. Wellman (1995), S. 112. Diese Bemerkung fällt er in seiner Erörterung der Frage, welche Art von Tätigkeit (agency) für das Besitzen moralischer Rechte erforderlich ist, wobei er auch auf die Rolle von Herrschaft zu sprechen kommt. Vgl. ebd., S. 107, 110 f. Allerdings vertritt Wellman nirgends das oben erwähnte Argument (A), das Montague mit Hilfe von Sumners Bemerkungen rekonstruiert. Montague weist allerdings, am Rande bemerkt, mit diesem rekonstruierten Argument möglicherweise auf einen interessanten Zusammenhang hin, der im Rahmen von Wellmans Theorie genauer untersucht werden müsste. Auch sei in Parenthese angemerkt, dass Wellman in (1995), S. 110, auf einen anderen Aufsatz von Montague Bezug nimmt.)
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xv (S. 402) Campbell erörtert die drei Argumente, die Wellman zur Bestätigung seiner Hypothese, dass nur Handelnde Rechte besitzen könnten, und zur Bestimmung der dabei vorausgesetzten Art von Tätigkeit anfuhrt, und versucht einige Schwierigkeiten aufzuzeigen. Er erörtert Wellmans Ansatz im Kontrast zu einer modifizierten Version der Interessetheorie, wonach zu behaupten, dass X ein Recht habe, zu behaupten bedeute, dass seine Interessen ein hinreichender Grund für die Auferlegung von Pflichten auf Seiten anderer sei (oder in manchen Versionen für das Gewähren einer Erlaubnis für den Rechtsinhaber sei). Vgl. Campbell (2001), S. 882. Unter Hinweis auf die Tendenz in den letzten Jahren, jedem Wesen, dessen Existenz oder Wohlergehen als wertvoll anerkannt worden sei, ein moralisches Recht auf die Bedingungen dieser Existenz oder dieses Wohlergehens zuzuschreiben, bemerkt Campbell, dass Wellman einer übermäßigen Expansionsauffassung von Rechten entgegenzutreten versuche. Vgl. ebd., S. 883. Es stelle sich die Frage, ob Wellman an derrichtigenStelle und aus den richtigen Gründen die Grenze ziehe. Campbell erörtert dann in welcher Weise Interessetheorien Grenzlinien ziehen könnten, was hier nicht wiedergegeben wird.
Wellmans Darstellung unterscheide sich davon und gründe auf der Vorstellung, dass nur ein moralischer Handelnder ein Rechtsinhaber sein könne. Diese Vorstellung gründe auf drei in Beziehung stehenden Behauptungen (claims): Erstens beträfen Rechte Herrschaft und diese setze moralische Tätigkeit (agency) voraus. Zweitens enthalte jedes Recht entweder eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz und nur ein moralischer Handelnder könne eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz besitzen. Drittens tendiere die Sprache über Rechte im Genus Aktiv ausgedrückt zu werden und dies scheine nur dann passend, wenn Tätigkeit involviert sei. In Bezug auf die erste Behauptung nimmt Campbell auf Holtfelds Auffassung eines Rechts Bezug, wonach eine (für Holtfeld die wesentliche) Bedeutung von „ein Recht" sei, dass Y eine Pflicht bezüglich X habe, der dann der Rechtsinhaber sei. Charakteristisch für Hohfelds Auffassung sei, dass sie nicht das „aktive" Element enthalte, auf das Wellman hier bestehe; jemand könnte ein Rechtsinhaber sein, indem er der passive Rezipient der Ausübung der Pflicht eines anderen sei. Vgl. ebd., S. 884. Campbell bemerkt, es wäre möglich als Einwand die Frage zu stellen, worin in so einem Fall der Vorteil der Behauptung, dass X ein Recht habe, gegenüber der Behauptung, dass Y die korrespondierende Pflicht habe, bestehe. Wellman glaube natürlich, es gebe keinen. Campbell weist darauf hin, dass in manchen Versionen der Interessetheorie gerade auf den Grund der Pflicht hingewiesen werde, nämlich X's Interessen (im Gegensatz z.B. zu Überlegungen über das allgemeine Wohl, die nicht notwendig X's Wohl einschlössen). Wellmans Schlüsselbegriff „Herrschaft" scheine ein etwas unklarer Begriff zu sein, da er nicht immer bedeute, dass der Rechtsinhaber eine Wahl habe, und auch keinen Bezug auf die Interessen des Rechtsinhabers habe als Gründe für die Pflichten anderer. [Campbeils Ausführungen zu den Begriffen „Wahl" und „ H e r r s c h a f t " wurden in einer Fußnote in der Erörterung der Begriffe „Freiheit2" und „Kontrolle" erwähnt. Vgl. hier den Punkt (d) im Kapitel B., III., 2., b), aa)] Daraufhin befasst sich Campbell mit Wellmans zweiter Behauptung und stellt die Frage, ob jedes volle Recht entweder eine Freiheit 1 oder eine Kompetenz enthalte. Wie vorhin [vgl. die Erörterung der Charakteristika bestimmter moralischer Positionen, Kapitel B., HI., 2., a), bb)] wiedergegeben, zeigt Campbell auf, dass es ein Missverständnis ist, von Kompetenzen (oder Immunitäten) als Rechten zu sprechen, weswegen er sie beiseite lässt. Er stellt dann die Frage, warum ein Recht durch eine Freiheit 1 des
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Rechtsinhabers gebildet werden könne und nicht nur durch eine Pflicht einer oder mehrerer anderer Parteien. Die Antwort liege darin, dass Wellman den Begriff eines Rechts an den Begriff der Tätigkeit koppeln wolle. Nur ein moralischer Handelnder könne ein moralisches Recht haben, was die Fähigkeit voraussetze, das Subjekt einer moralischen Pflicht zu sein. Vgl. ebd., S. 885. Da Kindern und geistig Verwirrten keine moralischen Pflichten auferlegt werden könnten, könnten sie keine Rechtsinhaber sein. Campbell stellt zwei Fragen: Erstens, selbst wenn es eine Verbindung dazwischen gebe, dass jemand ein möglicher Rechtsinhaber und dass jemand ein möglicher Verpflichteter [eigentlich: Pflichtschuldender (duty-ower)] sei, warum müsse diese Verbindung so eng sein und warum könne jemand nicht ein Rechtsinhaber sein, wenn er ein Verpflichteter gewesen sei, sein werde oder unter anderen Umständen gewesen wäre, selbst wenn er gegenwärtig keiner sei? Zweitens stellt er die Frage, ob es klar sei, dass Kinder und geistig stark Verwirrte keine Verpflichteten sein könnten. Er weist darauf hin, dass die gängigere Sicht zumindest für letztere darin bestehe, dass sie Pflichten unterworfen seien, aber für die Verletzung derselben entschuldigt werden könnten. Campbeils genauere Erläuterungen zu diesem Punkt werden hier nicht wiedergegeben. Femer scheine die Vorstellung vom Fehlverhalten und daher des Verpflichtetseins ein wesentlicher Teil der Erziehung auch ganz kleiner Kinder zu sein, in Situationen, in denen jeder zustimmen würde, dass sie nicht strafbar seien. Anschließend zeigt Campbell inwiefern die Schwierigkeit von Wellmans Standpunkt klarer in Bezug auf legale Rechte zutage tritt, was hier nicht wiedergegeben werden kann. In seinem dritten Argument behaupte Wellman, dass die Sprache über Rechte im Genus Aktiv sei. Die Verben (z.B. ausüben, bestehen auf, aufgeben, beanspruchen, verzichten) würden wesentliche Charakteristika unserer legalen und moralischen Rechte widerspiegeln. Wenn Rechte kraft ihrer Beschaffenheit diese Arten von Handlung enthielten, dann könnte nur ein Handelnder ein Rechtsinhaber sein. Campbell bemerkt, dass natürlich manche Rechte ein aktives Element auf Seiten des Rechtsinhabers erforderten, das auf einer absichtlichen Behauptung desselben als Rechts basiere (predicated on). Wenn Person B Person A 10 $ schulde, dann übe A dieses Recht aus, indem sie Anspruch auf die 10 $ erhebe. Campbell gibt zu bedenken, dass es Arten von Rechten gebe, die dadurch ausgeübt würden, dass man sich in das einlasse, was das Recht schütze. Angenommen man habe ein legales Recht über ein Feld zu gehen, dann übe man dieses Recht einfach dadurch aus, dass man über das Feld gehe. Vgl. ebd., S. 886 f. Angenommen es gebe ein moralisches oder legales Recht auf Leben (das zumindest ein Recht, nicht seines Lebens ohne hinreichende Begründung beraubt zu werden, impliziere), dann könne ein Erwachsener dieses Recht einfach durch seine täglichen Verrichtungen ausüben. Darüber hinaus sei nichts erforderlich. Vgl. ebd., S. 887. Denn dies würde zu implizieren scheinen, dass man dieses grundlegendste aller Rechte nur dann habe, wenn man aktiv (zumindest geistig) seine Beanspruchung oder Verteidigung gegen das Eindringen anderer betreibe, was sicherlich nicht richtig sein könne. Wenn dies für Erwachsene gelte, dann gelte es nicht minder in Bezug auf Kinder, wobei ihre Verhältnisse berücksichtigt werden müssten. Ihr Recht auf Leben übten sie dadurch aus, dass sie ihr Leben bis zu dem Grad, zu dem sie zu diesem Zeitpunkt fähig seien, lebten. Nichts aus dem Argument, das aus der gewöhnlichen Sprache rühre, scheine Kinder oder geistig Verwirrte davon auszuschließen, Rechtsinhaber sein zu können. Eine genaue Analyse von Campbeils Argumenten würde zu sehr ins Detail führen. Im Folgenden wird nur zu einigen Punkten in Campbells Argumentation etwas be-
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merkt. Campbell bezeichnet in seiner Erörterung von Wellmans erstem Argument den Begriff Herrschaft als unklar. Als Begründung gibt Campbell an, dass der Begriff „Herrschaft" nicht immer mit einer Wahl des Rechtsinhabers verbunden ist und auch keinen Bezug auf seine Interessen als Gründe für die Pflichten anderer bildet. Dazu kann man Folgendes bemerken: Im Zentrum von Wellmans Modell eines moralischen Rechts können weder allein bilaterale moralische Freiheiten 1 stehen, sodass die Bedeutung von Herrschaft mit einer Wahl (etwas zu tun oder nicht zu tun) gleichzusetzen wäre, noch nur moralische Ansprüche, mit denen moralische Pflichten korrelierten, sodass die Bedeutung von Herrschaft allein durch einen Bezug auf Interessen des Rechtsinhabers erklärt werden könnte. In Wellmans Modell kann in manchen Fällen eine Wahl oder ein Bezug auf Interessen des Rechtsinhabers gedacht werden, sodass in ihm (sc. dem Modell) Elemente einer Wahl- oder Interessetheorie von Rechten gedacht werden können. Doch Wellmans Modell eines moralischen Rechts geht darüber hinaus. Wellmans Begriff „Herrschaft" mag in mancher Hinsicht unklar sein, doch diese Unklarheit dürfte nicht daher rühren, dass er im Sinn keiner der zwei Theorien von Rechten (Wahl- bzw. Interessetheorie) erklärbar ist, die Campbell in seiner Begründung nennt. Diese dürften nicht die einzig möglichen sein und Wellmans Theorie könnte man als eine Alternative zu diesen begreifen. Wellmans Modell eines moralischen Rechts ist komplex und die in ihm gedachte Herrschaft geht über das hinaus, was mit einer Wahl bzw. mit einem Interesse gemeint ist. Die Unklarheit des Begriffs „Herrschaft" ist in erster Linie im Rahmen des Modells zu suchen, im Rahmen der Elemente, in Bezug auf die dieser Begriff gedacht wird: Also darin, dass mit diesem Begriff die Art der Verbindung verknüpfter moralischer Positionen mit einer moralischen Position im Kern des moralischen Rechts gedacht wird, dessen Funktion in der Lösung oder Vermeidung von Willenskonflikten besteht. Da Campbell in seinen Bemerkungen die Wahl und die Interessen des Rechtsinhabers anspricht, sei hier ergänzend eine Bemerkung Wellmans zu beiden Punkten erwähnt: Ein wichtiges Interesse des Rechtsinhabers scheine ein Grund für eine korrespondierende Pflicht einer zweiten Partei zu sein, während der bloße Wille oder die Wahl des Rechtsinhabers ein geringer oder kein Grund dafür zu sein scheine, dass jemand anderer eine Pflicht entsprechend zu handeln habe. Vgl. Wellman (1995), S. 124. Aber Interessen könnten (might) Rechte begründen, ohne für sie konstitutiv zu sein. Folglich könnte jemand eine Willenstheorie über die Natur von Rechten gemeinsam mit einer Interessetheorie über die Grundlagen von Rechten vertreten. Oder, was er (sc. Wellman) vorziehen würde, jemand könnte argumentieren, dass die logische Priorität von Rechten gegenüber Pflichten, sofern sie existiere, in der Tatsache bestehe, dass die Grundlagen mancher Rechte die Grundlagen der Pflichten, die sie auferlegten, einschlössen, aber über sie hinaus gingen. Die genaue Erörterung der Unterschiede zwischen Wellmans Theorie und der Interesse- sowie der Wahltheorie moralischer Rechte würde ein eigenes Kapitel erfordern, worauf im Rahmen dieser kurzen Bemerkungen nicht genauer eingegangen werden kann. Campbeils Einwände in der Erörterung des zweiten Arguments werfen z.B. die Frage auf, wie sich theoretisch erklären lässt, dass jemand, der nicht (gegenwärtig) als Verpflichteter betrachtet werden kann, (gegenwärtig) als Rechtsinhaber gedacht werden könnte. Es stellt sich die Frage, auf welche Auffassung von einem Recht dies hinauslaufen würde und welche Probleme damit einhergehen würden. Campbeils Einwände resultieren vermutlich daraus, dass er eine unterschiedliche Perspektive im Ver-
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gleich zu Wellman einnimmt. Den Unterschied ihrer Sichtweisen könnte man auf folgende Weise zu erklären versuchen: Wellmans Überlegungen lassen sich so verstehen, dass er auf jene Bedingungen (d.i. eine bestimmte Art von Tätigkeit und bestimmte Fähigkeiten) zu schließen versucht, durch die sich das Besitzen moralischer Rechte prinzipiell erklären lässt, und die (sc. Bedingungen), streng genommen, im Begriff eines moralischen Rechts und seinen wesentlichen Bestandteilen vorausgesetzt und enthalten gedacht werden. Davon hängt die Beantwortung der Frage ab, in welcher Weise die Relation zwischen moralischen Normen und Wesen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, gedacht werden kann und wie diese Wesen (z. B. „in ihren Interessen") normativ geschützt werden können. Aus Wellmans Erklärungen folgt, dass diese Relation bzw. dieser rechtliche Schutz nicht so verstanden werden kann, dass man Kleinkindern moralische Positionen bzw. Rechte zuschreibt, so dass man sagen kann, dass sie diese besitzen und als Inhaber dieser Positionen bzw. Rechte betrachtet werden können. Campbell scheint sich in seinen Einwänden gegen Wellman im Gegensatz zu ihm nicht primär an der Frage zu orientieren, ob und inwiefern die Bedingungen für das Besitzenkönnen moralischer Rechte und Pflichten auch prinzipielle Voraussetzungen in der Erklärung des Begriffs moralischer Rechte bilden. Da Campbell die Frage stellt, ob es klar ist, dass Kleinkinder und selbst geistig Schwerbehinderte keine Verpflichteten sein können, seien folgende Bemerkungen von Wellman erwähnt, in denen sich zeigt, warum in seiner Erklärung des Begriffs moralischer Rechte Kleinkinder nicht als Inhaber moralischer Positionen bzw. Rechte gedacht werden können. Nach Wellman kann nur jemand ein Rechtsinhaber sein, der die Fähigkeit hat, gemäß moralischen Gründen zu handeln. Vgl. Wellman (1995), S. 113. Wenn ein Wesen diese Voraussetzung nicht erfüllt, so kann es weder eine moralische Pflicht noch ein moralisches Recht haben. Wellman erörtert die Frage, ob Kleinkinder, die moralischer Tätigkeit ermangelten, gemäß seinem Argument unfähig seien, moralische Rechte zu besitzen. Vgl. Wellman (1995), S. 113. Dabei erklärt er, warum das Kind zwar in seinen Interessen, nicht aber als Rechtsinhaber repräsentiert werden kann. Er bemerkt, dass die spezielle Bedeutung von Rechten in ihrer Relevanz für mögliche Konfrontationen besteht. Vgl. ebd., S. 120. Folglich sei der charakteristische und größte Wert von Rechten aus der Art abgeleitet, in der sie gerechtfertigte Herrschaft dem Rechtsinhaber gegenüber einem möglichen Gegner übertrügen. Diese spezielle Bedeutung von Rechten gehe verloren, wann immer ein Recht einem Wesen zugeschrieben werde, das moralischer Tätigkeit ermangle und folglich unfähig sei, irgendeine Art von Freiheit und Kontrolle auszuüben. Wellman stellt auch die Frage, warum dieser Wert verloren sei, wenn jemand anderer diese Herrschaft im Interesse des Kleinkindes ausüben könne. Herrschaft sei nicht mehr in den Händen des Rechtsinhabers und er sei hilflos gegenüber seinem Vertreter, der seine Interessen missinterpretieren oder absichtlich seine Kompetenzen als Repräsentant missbrauchen könnte. Selbst wenn der Repräsentant den Interessen des Kindes gemäß handelte, repräsentierte er es nicht als einen Rechtsinhaber; weil der Rechtsinhaber sich entscheiden könnte, von seinem Recht gegen sein Interesse Gebrauch zu machen, was oft der Fall sei. Wenn jemand anderer für uns Freiheit2 und Kontrolle ausübe, so behielten wir Herrschaft nur, wenn der andere als Vertreter (agent) für uns als Auftraggeber handle, d.i. unseren Willen oder unsere Tätigkeit repräsentiere. Wellman bemerkt, man müsse daraus schließen, dass obwohl es wahr sei, dass die Interessen eines Kleinkindes repräsentiert werden könnten, dies nicht rechtfertige, Kindern moralische Rechte zuzuschreiben, weil diese Repräsentation für Rechte nicht angemessen sei.
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Wellman bemerkt aber auch, dass obwohl seine Hypothese impliziere, dass Kleinkinder keine moralischen Rechtsinhaber sein könnten, es nicht folge, dass es keine Kinderrechte (children's rights) gebe. Vgl. ebd., S. 125. Kinder würden moralische Tätigkeit erwerben, während sie heranreiften. Auch unterscheidet er drei Dimensionen, in denen die moralischen Rechte, die jemand besitzen könnte, mit seiner moralischen Tätigkeit variierten: Eine geistig beschränkte Person könnte fähig sein, weniger Rechte, eingeschränktere Rechte oder nur Teilrechte im Vergleich zu einer normalen erwachsenen Person zu besitzen. Vgl. ebd., S. 130. In der Erörterung des dritten Arguments von Wellman weist Campbell darauf hin, dass es nicht nur Rechte gibt, deren Ausübung ein aktives Element auf Seiten des Rechtsinhabers erfordere, das auf einer absichtlichen Behauptung desselben als Rechts basiere wie z.B. (i) wenn jemand sein Recht ausübe, indem er Anspruch auf die ihm geschuldeten 10 $ erhebe. Es gebe auch Rechte, die dadurch ausgeübt würden, dass man sich in das einlasse, was das Recht schütze. Die Ausübung betrifft also die Handlung, die den Inhalt oder Gegenstand des Rechts bildet, d.h. in den obigen Beispielen (ii) „über das Feld gehen" bzw. (iii) das, was unter „Leben" verstanden werden kann, z.B. den täglichen Verrichtungen nachgehen. Hier kann man auf folgende Punkte hinweisen: In den Beispielen, die Campbell bringt, zeigt sich (1) erstens ein Unterschied in Bezug auf die Handlung, die den Gegenstand oder Inhalt des jeweiligen Rechts bildet: Während im ersten Beispiel die relevante Handlung (d.i. das Zurückzahlen der 10$) auf Seiten des Adressaten des Rechts gedacht wird, wird sie in den anderen zwei Beispielen auf Seiten des Rechtsinhabers gedacht („über das Feld gehen" bzw. „seinen täglichen Verrichtungen nachgehen"). Zweitens scheint es auch, dass in diesen Beispielen (2) ein Unterschied in Bezug auf die Bedeutung von „Ausübung" vorliegt. Im ersten Beispiel ist mit Ausüben die Behauptung des Rechts gemeint, in letzteren zwei Beispielen die Ausübung der Handlung, die den Gegenstand oder Inhalt des Rechts bildet. Dazu ist zu bemerken, dass auch in den letzten zwei Beispielen eine Ausübung in derselben Bedeutung wie im ersten Beispiel, also als Behauptung des Rechts möglich ist: wenn z.B. jemand sein Recht, über das Feld zu gehen, oder sein Recht auf Leben einer anderen Person gegenüber behauptet. Wellman berücksichtigt in seiner Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Rechten den erstgenannten Unterschied, der die Handlung betrifft, die den Gegenstand oder Inhalt des Rechts bildet. Vgl. Wellman (1995), S. 110. Er bemerkt, dass man gemäß der Art, in der der Inhalt eines Rechts beschrieben werden kann, zwischen aktiven und passiven Rechten unterscheiden muss. Er weist darauf hin, dass diese Unterscheidung nur auf den Inhalt der Rechte Anwendung findet und dass in anderer Hinsicht verschiedene Handlungen des Rechtsinhabers in die Beschaffenheit auch des passivsten Rechts Eingang finden würden. Z.B. könne der Gläubiger die Zahlung annehmen, wenn sie ihm angeboten werde, oder verlangen, wenn sie nicht geleistet werde, er könne auf sie verzichten etc. Wellman bemerkt, dass dies nicht bloß Handlungen seien, die der Gläubiger in Zusammenhang mit seinem Recht tun oder nicht tun könnte; die Möglichkeit, auf diese Weise zu handeln, sei ein wesentlicher Bestandteil seines Rechts, den Betrag zurückbezahlt zu bekommen. Die meisten der Handlungen, die Wellman hier auflistet, sind Handlungen in Bezug auf ein Recht; sie unterscheiden sich also von der Handlung, die den Gegenstand oder Inhalt desselben bilden. Hinsichtlich dieser Handlungen und nicht bzw. nicht nur der Handlungen, die den Gegenstand oder Inhalt von Rechten bilden - auf die Campbell in seinem Einwand hinweist - sieht Wellman das Genus Aktiv in unserer gewöhnlichen Sprache über Rechte. Well-
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mans und Campbelh Argumentation scheinen also verschiedene Aspekte eines Rechts zu betreffen. In Bezug auf dieses dritte Argument von Wellman bemerkt ein anderer Autor, nämlich Martin, dass dieselbe Sprache auch die Herrschaft von Rechten beschreibe, ihren Bereich, der nicht nur Freiheiten 1 zu handeln (liberties of action), sondern auch Interessen des Rechtsinhabers enthalte, Interessen, die nicht einfach Dinge seien, die Rechtsinhaber täten oder tun könnten. Vgl. Martin (1998b), S. 978. Und sie beschreibe auch Dinge, die für den Status des Rechtsinhabers passend seien (wie geschützt sein oder das Geschuldete erhalten), die nicht besonders aktiv auf Seiten des Rechtsinhabers seien. Folglich seien sowohl Freiheiten 1 als auch Interessen das Material von Rechten, und Rechte seien Dinge, die in manchen Fällen unveräußerlich und unverzichtbar seien und in anderen nicht. In Bezug auf Martins knappe Ausführungen stellt sich im Kontext der vorigen Bemerkungen die Frage, ob die Interessen und die Dinge, die den Status des Rechtsinhabers betreffen, nicht im Kern des Rechts gedacht werden (durch den auch der Bereich des Rechts bestimmt wird). In diesem Fall wäre hier analoges wie vorhin in Bezug auf Campbelh Ausführungen zu bemerken: dass Martins und Wellmans Argumentation verschiedene Aspekte eines Rechts betreffen. XV1
(S. 426) Da Wellman in seiner Erörterung der Frage, wie sich der Kriegsdienstverweigerer entscheiden soll, auch ein Prinzip erwähnt, in dem auf das Gewissen Bezug genommen wird - vgl. Wellman (1995), S. 237 f. - , seien dazu am Rande folgende Bemerkungen aus der Literatur erwähnt. Kutschera bemerkt in (1982), S. 293 f.: „Wie steht es nun mit... dem rechtlichen und moralischen Grundsatz der Gewissensfreiheit, dem Recht, so zu handeln, wie es das eigene Gewissen vorschreibt? Wären die Urteile unseres Gewissens unfehlbar, so entstünde kein Problem ... Sind sie aber nicht immer richtig, so können sie moralischen Geboten widersprechen. Man kann dann konsistenterweise nicht behaupten, jeder hätte das Recht so zu handeln, wie er das nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält. Eine schlechte Handlung wird nicht dadurch gut, dass der Handelnde fälschlich von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Daher kann man kein Recht auf Gewissensfreiheit annehmen im Sinn eines Rechts, sich durch (aufrichtige) Berufung auf sein Gewissen von moralischen oder rechtlichen Verpflichtungen oder staatlichem Zwang zu bestimmten Handlugen zu befreien. So wird denn auch die Gewissensfreiheit im Recht durch die geltenden gesetzlichen Vorschriften begrenzt und im Effekt auf einige wenige Rechte wie Glaubens- und Bekenntnisfreiheit oder das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen beschränkt. Ein generelles moralisches Recht auf Gewissensentscheidungen gibt es also nicht. Man hat nur dann das Recht, etwas zu tun, wenn es objektivrichtigist, nicht aber schon dann, wenn man es nach bestem Wissen und Gewissen für richtighält. Man kann nur sagen: Ein Verbotsirrtum entschuldigt eine Pflichtverletzung, wenn er nicht auf einen Mangel an Sorgfalt zurückzuführen ist. Für jeden ist natürlich das, was er nach bestem Wissen und Gewissen für richtig hält, die Richtschnur seines Handelns. Eine andere hat er nicht und kann sie nicht anerkennen. Daraus folgt aber nicht, dass diese Richtschnur untrüglich ist." Abgesehen von den Unterschieden zwischen Wellmans und Kutscheras Theorien - z.B. in ihrer Auffassung der Bedeutung von „objektivrichtig"- ist auch bei Wellman die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich der Handelnde in seinen Überlegungen nach Ansicht der meisten anderen irrt, moralische Gründe missinterpretiert und damit gegen sie handelt.
Literaturverzeichnis Alexy, Robert (1994): Theorie der Grundrechte. 2. Aufl. Frankfurt a. M. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 [Resolution der UN-Genralversammlung, UN-Doc. 217/A (HI)] In: Ermacora, Felix (Hrsg.) (1988): Rechtsquellen zu den Grundfreiheiten und Menschenrechten in Österreich. [A2] Wien: Manz 1988. -
Ebenso in: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Hrsg. v. Amnesty International Österreich. 2. Aufl. 1998. Ferner im Internet unter: http://www.un.org/Depts/german/grunddok/ar217 a3 .html oder unter: http://www.igfm.de/mrerkl.htm (Siehe auch im Folgenden: The Universal Declaration of Human Rights)
Amendments to the Constitution of the United States of America. Siehe z.B. im Internet unter: FindLaw. For legal Professionals. http://caselaw.lp.findlaw.com/data/constitution/amendments.html Arnold, Christopher (1978): Analyses of Right. In: Kamenka, E.; Tay, A. E.-S. (ed.): Human Rights. London: Edward Arnold, S. 74-86. Bayertz, Kurt (1994): The Concept of Moral Consensus. Dordrecht [u.a.]: Kluwer. Becker, Lawrence C. (1982): Individual Rights. In: Regan, TJVanDeVeer, And Justice for All. Totowa, New Jersey: Rowman and Littlefield, S. 197-216. -
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Namens- und Sachregister 1 Im folgenden Register sind Namen kursiv gedruckt. Achtung 82 Akzeptanz 21 Alexy 24, 28, 66, 67, 88, 172, 491 Anspruch 39, siehe Position - legaler 352 - Ansprucherheben 352 - Kompetenz 352 Anspruchstheorie 39, 240, 255, 368 Argumentation 314, 376, 443, 445 - Folgerung 116 - moralische 115, 309 - nicht deduktiv 114, 290 Arnold 33 Ausnahme 116 axiologisch 113 Bankowski 17 Becker 20, 23, 36, 37 Bedürfnisse 53, siehe ,ein Recht4 - ungleich 54 Begriff - deontisch 329 - deontischer 326, 348 - normativer 326 - Wertbegriff 326 Bentham 294, 295 Bewertung 319 Brandt 41, 45, 61, 67, 273, 366 Brock 50 Bryner 198 1
Campbell 395,466,534 Carnap 15 Charakter 113 Cranston 69, 85, 87 deduktiv 115,164,314 Deklaration, ein Recht 198 - Freiheit2 214 deontologisch 29, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 73, 113, 119, 317, 326, 347, 355, 356, 426, 448, 449, 451, 452, 453 deskriptiv 15 Dworkin 21, 45, 46, 49, 50, 53, 58, 60, 61, 117, 198, 199, 201, 202, 233, 279 ein Recht 28, 37, 39, 76, 125, 264, 439, 469 siehe Sanktion - Ableitung eines Rechts 262 - absolutes 66 - Adressat 24, 27 - aktives 27, 265 - Akzeptanz 19 - allgemeines, Beschaffenheit 268 - Anerkennung 21, 40, 65, 82, 257 - Anleitung 60 - Anspruch 37, 39, 58, 63, 227 - Begriff, normativer 225 - Ansprucherheben 240 - Anspruchsrecht 23, 185, 234, 364, 441
Seitenangaben zu den im Register erwähnten Begriffen und Namen, die sich aus den Überschriften des Inhaltsverzeichnisses eindeutig erschließen lassen, werden im Register nicht angeführt. Daher ist das Inhaltsverzeichnis als zusätzliche Orientierungshilfe für das Vorkommen von Namen und Begriffen zu betrachten.
Namens- und Sachregister
555
- Freiheit2 59, 101, 211, 265, 359, 390, 399 - Begriff 390, 391 - faktischer 225 - Gegenstand, Handlung des Subjekts 390 - verschiedene Formen 508, 510, 515, - inadäquat 202 523 Ausübung 187, 268, 372 - Freiheitsrecht 23, 35, 182, 233 Autonomie 59, 101, 210, siehe ,ein - Funktion 59, 62, 200, 244, 360, 523 Recht4, Herrschaft - Aufbau 527 Bedeutung 232 - Gegen-Anspruch 38 Bedürfnisse 58 - Gegen-Freiheit2 38 Begriff 19, 22, 83, 99, 233, 293, 373, - Gegen-Immunität 38 470, siehe Vermögen - Gegen-Kompetenz 38 - positiver 469 - Gegenteil 24, 37, 98 Begründung 36, 47, 125, 287, 434, - Geltung 63, 64, 65, 83, 425 siehe Handlung - universelle 57, 84 Behandlung 60 - Gerechtigkeit 281 Berechtigung 34, 36, 39, 40 - Gesetzgebung 222 Bereich 26,68,359 - Gewicht 26, 68 Beschaffenheit 291 - Grund 59 Besitz 238, 263, 267, 268, 269, 270, - Grundlagen 412, 417 401, 403, 534 - Grundrecht 27, 84, 89 Definition 225, 230, 357 - Grundsatzerklärungsrecht 39 dritte Partei 244, 298, 366 - Handlung 20, 23, 28, 38, 60, 85, 414 Durchsetzung 82 - Bezug 122 Eigentumsrecht 26 - Handlungszusammenhang 379 ein Recht gegenüber 34 - unrichtige 233 ein Recht haben 236 - Handlungsfähigkeit siehe Freiheit2 ein Recht zu 34 - Herrschaft 211, 237, 240, 242, 247, 264, 360, 368, 381, 384, 413, 420, 531 Einheit 210, 219 Art 380 Einklagbarkeit 78,79 Bedeutung 384 Existenz 65, 132, 268, 275, 279, 282, Begriff 389, 392 293 Gegenstand 389 - Grundlagen 272 - Schutz 369 Förderung 40 - statt Autonomie 210 Fötus 268,278,279 hypothetisches, tatsächliches 269 Freiheit 37 - Immunität 23, 37, 226, 241 Freiheit1 39, 40, 59, 217, 225, 359, - Begriff, normativer 225 534 - Begriff, normativer 225 - Bestandteil 468 - oder Kompetenz 266, 400, 415 - Immunitätsrecht 192 Argumentation 242 Arten 26, 36, 109 auf etwas 19 auf Privatleben 96, 104 auf Sterbehilfe 281 Auffassung 203, 286, 375
556
Namens- und Sachregister
- in personam 27, 28, 31 - in rem 27, 28, 31, 177 - Inhaber 20, 24, 26, 36, 41, 54, 57, 78, 236, 268, 291 - Stellung 238 - Inhalt 24, 25, 27, 28, 60, 88, 89, 90, 97, 194, 203, 274, 400, 409, 414 - Beschreibung 275 - institutionelles 69, 108, 287, 421 - Interesse 51, 58, 61, 200 - Interpretation 198, 418 - juristische Entscheidung 222 - Kern 103, 105, 205, 222, 226, 358, 382 - Bestimmung 230 - Freiheit2 413 - Handlung 410 - Implikation, verknüpfte Elemente 382 - Kontrolle 413 - verknüpfte Elemente 209 - Verknüpfung 380, 413 - Kleinkinder 292 - Kompetenz 23, 37, 39, 217, 225, 226, 241, 359, 534 - Auffassungen 363 - Begriff, normativer 225 - Bestandteil 468 - Kompetenzrecht 184 - Komplex 40, 60, 177, 178, 182, 190, 196, 203, 219, 222, 250, 373, 378, 442, 470, 479 - Erklärung 375 - Struktur 383 - Konflikt 26, 67, 114, 207, 219, 238, 242, 269, 434 - Lösung 277, 524 - Pflicht 67 - Rechte 276, 303, 424, 435 - Grundlagen, Abwägung 303 - konsequentialistisch 66 - Konsequenzen eines Rechts 25, 28
- Kontrolle 101, 190, 210, 211, 359, 390, 399 - Begriff 266, 390, 391 - faktischer 225 - Gegenstand, Handlung des Adressaten 390 - normativ 394, 395 - verschiedene Formen 508, 510, 515, 523 - konventionelles 36, 50, 69 - Korrelat 24, 34, 37, 98 - Korrelation, Pflicht 29, 31, 35, 58, 176, 191 -legales 69,311 - Anspruchsrecht 35 - Begriff 69 - Begründung 289, 292, 293, 299 - durch ein moralisches Recht 310 - Grund 53 - Immunitätsrecht 35 - Implikation, moralische Pflicht 433, 434 - Interpretation 222 - Kern 411 - versus moralisches 65, 245, 263, 277, 369 - Zusammenhang, moralisches 422 - Leistung 60 - Menschenrecht 26, 46, 56, 62, 63, 64, 74, 103, 106, 265, 268, 270, 280, 283, 310, 330 - Adressat 87, 91, 104 - allgemein 84 - Berechtigung 83 - Geltung 85 - Kategorisierungen 88 - moralisches 82 - Positivierung 90 - speziell 84 - Zwang 81 - Modell 99, 195, 223, 232 - analytisch 358, 405 - Anwendung 228, 425
Namens- und Sachregister
- heuristischer Behelf 229 - interpretativ 405 moralische Gründe 415 moralische Position, Funktion 383 moralisches 53, 79, 420 - auf Abtreibung 227 - Begriff 83, 388 - Begründung 260, 292, 299, 300, 441 - Beispiel 261 - Besitz 417, 419 - Einschränkung 330 - Existenz 81, 420 - Freiheit1 264, 359 - Funktion 384 - Kompetenz 264, 359 - natürliches 250 - Praxen 420 - Relevanz 82 - für das Recht 280 - Schutz 296, 297, 366 - dritte Parteien 244 - wirkliches 282, 284 - Zusammenhang, legales 422 Moralitätsrecht 256 - unerkannt 250 natürliches 36, 51, 53, 69, 77, 109, 245, 252 - Begriff 83 - Freiheit2 86 - Gleichheit 86 negatives 28 Neudefinition 277 neue Rechte 280, 281, 283 Nicht-Recht 36 nominelles 41, 79, 257, 258 Norm 26, 62 normativ 213, 394 Nutzen 58,311 partikulares 26 passives 27, 265 Pflicht 36, 78, 217, 221, 233, 249, 271
-
-
-
557
- Implikation 301 positives 27, 28, 53, 69, 77, 82 Praxen 63 prima facie 66 Recht auf Leben 279 Recht und Moral, Analogie 376 Rechte-Paket 275 Regel 58 Reichweite 26, 68, 85, 86 Relation 24, 123 Respekt 244, 248, 370 richtig 22 Sanktion 53, 245, 368 Schutz 40, 221, 298, 310, 312, 368, 434 - dritte Partei 299 soziale Institution 259 spezielles 78 Stärke 364 starkes 531 Struktur 386 - Herrschaft 381, 385 System, dynamisches 220 Theorien 57 überpositives 27, 69, 77 Unfähigkeit 36 Universalität 84 universelles 78, siehe Geltung Unterlassung 28, siehe Unterlassung unveräußerlich 86 variabel 225 Verbindlichkeit 36, 241 verknüpfte Elemente 208, 299, 391 - Bestimmung 231 - Gleichheit 396 - Handlung 380 - prima facie 244 - Variation 385 - Verknüpfung 471 Verletzung eines Rechts 296 Versprechen 34, 277 versus Freiheit 1 31, 35
558
Namens- und Sachregister
- versus Pflicht 61 - versus Privileg 35 - Verteilung 190 - Vertrag 36 - vertragliches 51 -Wahl 38 - Wille 362 - Willenskonflikt 60, 359, 377, 378, 381, 384, 398, 403, 409, siehe Konflikt - Handlungsfreiheit 398 - Lösung 385, 386, 388, 393, 414, 416, 421 - wirkliches 282 - Wirklichkeit 271 - Ziel 60, 370 - Zwang 245 Ellscheid 78 Emotion 139 Entscheidung 322 - richterliche 306 - richtige 323 Erfahrung 120 erlaubt - moralisch 341 - siehe »Freiheitl4 Ethik 42, 54, 80, 171, 252, 326 siehe deontologisch, siehe Moral, siehe teleologisch, siehe auch Argumentation - aprioristisch 44 - Axiologie 355 - Deskriptivismus 16 - deskriptiv 42 - Egoismus 43 - empiristisch 44 - intuitionistisch 42, 44, 51, 251, 273 - Kognitivismus 16 - kognitivistisch 42, 73 - Metaethik 42, 52, 354 - Unterschied 355 - naturalistisch 42, 44 - normative 355
- Objektivismus 54 - objektivistisch 44, 73 - Pflichtethik 43, 49 - Subjektivismus 43, 54 - teleologische 360 - Wertethik 44 - Wollensethik 52 Fairness 73 Fakten 130, 320, 332, 347, 408, 410, 412, 418, 427, siehe Tatsache - Beschaffenheit 333 - moralische, Relevanz 332 Feinberg 23, 25, 29, 30, 31, 32, 33, 39, 40, 41, 46, 48, 55, 56, 58, 61, 62, 63, 78, 85, 87, 142, 143, 176, 183, 198, 202, 204, 241, 255, 279, 376, 471 Finnis 70,72,73 Frankena 44, 316, 331, 355, 371 Frazier 29 Freiheit 398, siehe Freiheitl, Freiheit2, Handlungsfreiheit, Willensfreiheit Freiheitl 13, 120, 305, siehe Position - Begriff 23, 98 Freiheit2 12, 77, 87, 213, 264, siehe ,ein Recht4, Handlungsfreiheit - Begriff 390 - Einschränkung 266 - Handlungsfreiheit 391 - negativ 469 Gebot, siehe Position Generalisierung 116, 314 Gerechtigkeit 54, 57, 73, 75, 84, 294, 308, 424 - distributive 56 Gericht 223, 305 Gesetzgebung 307 Gewalt 363,420 Gewirth 20, 23, 25, 27, 33, 38, 39, 46, 48, 50, 51, 52, 55, 56, 57, 58, 65, 67, 76, 81, 347
Namens- und Sachregister
Gewissen 149, 303, 539 Gleichheit 47,54,56,77 Glück 457 Golding 46,259 Gorecki 44, 51 Green 256 Gründe - axiologisch 113 - Begriff 272 - deontologisch 113 - Grundlagen 114 - Handlungsgründe 324 - Klugheitsgründe 134 - legale 124 - moralische 109, 251, 290, 315, 333, 416, 424, 432, 457, 458, 460, 462 - Akzeptanz 464 - Änderung 168 - Anspruch 153 - Begriff 345 - Abstraktion 259 - doppel-Aspekt 111, 114 - dritte Partei 139, 244 - ein Recht 252 - Fakten 317 - faktisch 114 - Gewicht 137, 324 - Gültigkeit 330 - Handlung 111, 114, 121, 323, 334 - Konsequenz 321 - Planung 403 - Unterschiedlichkeit 347 - handlungsbestimmend 464 - Institution 259 - Komplex 373 - Konflikt 157 - Kraft 345 - Moralität 110,259 - normativ 114 - Pflicht 334, 426 - Wunsch 349 - Zwang 137
559
- Reaktion 111, 138 - Recht 132 - relational 153 - Sanktion 112, 132, 134 -Tatsache 119,121,253,325 - Wahlmöglichkeit 257 - Wille 349 -Zwang 134,335,349 - Gewalt 257 - Zweck 329 - praktische 110, 131, 165 - technische 134 - versus Motiv 323 Grundlagen 124 - Begriff siehe Gründe Gut 218, 234, 364 Habermas 34, 74, 75, 78, 83, 84, 89, 450 Handlung 21, 44, 57, 58, 65, 71, 74, 78, 102, 108, 109, 110, 111, 113, 114, 117, 119, 121, 128, 129, 131, 135, 138, 142, 143, 144, 145, 148, 155, 156, 161, 164, 165, 166, 170, 171, 173, 181, 204, 213, 214, 229, 232, 234, 238, 260, 267, 309, 314, 317, 318, 321, 332, 336, 337, 340, 341, 347, 349, 350, 352, 353, 354, 359, 364, 379, 383, 389, 401, 403, 404, 408, 409, 414, 453, 454, 457, 472, 473, 474, 475, 477, 484, 497, 504, 508, 510, 511, 512, 524, 532, 535, 539 - Absicht 44 - Beschaffenheit 333 - Bewertung 319, 321, 349 - Absicht 325 - Hinsicht 319 - Charakter 138 - Erzwingung 235 - Freiheitsrecht 35 - Gründe, moralische 347 - Handlungsgrund 20 - intentionale 264
560
Namens- und Sachregister
- Konsequenz 129, 321, 325, 338, 339, 341 - Bewertung 322 - Relevanz 346 - Verknüpfung 164, 165, 166, 170 - moralische, Relevanz 332 - nicht freiwillige 399 - Pflicht 29, 138 - Grund 29 - Planung 403 - Reaktion 368 - richtig 18, 309, 322, 446, 448, 455, siehe richtig - Richtigkeit 329 - Sinn 218 - staatliche 199 - Umstände 159 - Unterlassung 314, 317 - Verantwortung 266, 417 - versus Handlungsweise 43, 45 - Wert 43, 449 - Wollen 74 - Zweck 52 Handlungsfähigkeit 264, 266, siehe ,ein Recht* Handlungsfreiheit 74, 136, 209, 265, siehe Freiheit2 Handlungsmöglichkeit 28 Handlungsweise 44 Hare 273 Harman 50 Hart 32, 33, 38, 40, 46, 51, 56, 58, 72, 73, 85, 142, 143, 180, 182, 188, 192, 197, 198, 202, 206, 208, 210, 212, 214, 215, 233, 242, 247, 256, 257, 297, 342, 348, 361, 369, 375, 394, 395 Hitchcock 448 Höffe 48, 51, 52, 55, 56, 57, 66, 70, 73, 74, 75, 76, 78, 81, 82, 88, 90, 91 Hohfeld 23, 24, 27, 28, 34, 38, 39, 97, 99, 100, 122, 123, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 144, 158, 172, 174, 175, 177, 185, 192, 197, 198, 202, 215, 221, 228, 229, 241, 250, 265,
332, 336, 340, 347, 357, 383, 400, 467, 470, 530, 534 Holland 215 Hossenfelder 52 Imperativ 234 Induktion 116,443 Institution 81, 90, 108, 162, 421 Intention 129 Interesse 47, 48, 51, 53, 54, 55, 134, 199, 200, 308 Interessetheorie 20, 38, 40, 41, 48, 143, 188, 217, 239, 247, 404, 534 Intuition 50 In-vitro-Fertilisation 120 Kanger 23, 24, 25, 26, 28, 38, 40, 58, 88, 529, 530, 531 Kant 30, 44, 45, 73, 74, 80, 88, 142, 238 kategorisch 80, 137 Kersting 29, 30 Klugheit 320,335 Koller 13, 20, 23, 24, 26, 27, 28, 42, 61, 62, 63, 69, 70, 79, 80, 82, 90, 98, 334, 491 Kompetenz siehe Position Konflikt 117, 157, siehe ,ein Recht4, Position, Willenskonflikt - Abwägung 118 - Gründe, technische - , Klugheitsgründe 349 König 47, 88 konsequentialistisch 47, 53, 318, 326, 350, 451, 452, 460 Konsequenz 98, 103, 129, 154, 160, 162, 165, 166, 169, 172, 173, 178, 252, 335, 341, 374, 400, 474, 477, 486, 520, 524, siehe Handlung - Bewusstsein 321 - entfernte 322 - Handlung 44, 161, 165 - Adressat 319 - legale 114 - Wert 322
Namens- und Sachregister
561
Konsequenzen 462 Mill 30, 32, 46, 57, 64, 73, 74, 76, 142, 143, 150, 245, 297, 320 Kontrolle siehe ,ein Recht4 Miller 46 Korrelation siehe ,ein Recht4 Montague 33, 67, 353, 424, 467, 531 korrelativ, Begriff siehe ,ein Recht4 Moral 71, 79, 80, siehe Ethik Korsgaard 450 versus kritische Moralität 115 Kriegsdienstverweigerer 302, 303, 324, versus Moralität 110, 259, 288, 465 425, 539 Kutschera 15, 16, 42, 43, 44, 45, 49, versus Recht 69, 432 50, 51, 53, 54, 55, 56, 72, 73, 76, 80, - Zusammenhang 81, 88, 314, 321, 325, 326, 327, 328, - Moralität 289 329, 331, 334, 348, 355, 449, 456, - Recht 289, 422, 428, 429, 430, 433, 458, 496, 539 434, 435 moralischrichtigsiehe richtig Laden 401,437 Moralität 57, 73, 108, 110, 134,421,429 Leben 55,56,456 - konventionell 289 legal 13 - kritische 115 - Begriff 126 - öffentliche 306 Lindahl 38 -positive 115,286 Logik, normativ 334 - Zusammenhang, Recht 435 Lohmann 70, 78, 79, 88 Motiv 323 Lüge 116,452,456 - Unterbewusstsein 324 Lyons 31, 35, 39, 45, 48, 50, 57, 76, Motivation 17, 41, 335, 455 176, 318, 471 MacCormick 39, 48, 57, 58, 158, 189, 220, 222, 243 Machan 46, 52, 56, 59, 62, 68, 85 Maclntyre 47, 48 Mack 27,46,51,65 Mackie 50,67 Maritain 47, 56, 85 Martin 19, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 31, 32, 34, 35, 38, 39, 40, 41, 48, 49, 50, 52, 59, 60, 61, 63, 64, 66, 67, 68, 69, 70, 75, 76, 79, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 104, 225, 243, 248, 257, 297, 360, 366, 376, 400, 462, 464, 531, 539 Mayo 32,39,48,57,87 McCloskey 34, 39, 40, 41, 46, 58, 68 McNaughton 326, 451 Melden 46,57,68 Mensch 85 - Handlung, Charakter 138
naturalistischer Fehlschluss 253, siehe , Sein-Sollens-Problem4 Naturrecht 71, 72, 73, 110, 172, 298 - positives Recht, Zusammenhang 294 Neigung 137 Nelson 48,58,84,255 Neumann 47,452,453,457 Nickel 20, 25, 26, 31, 32, 35, 38, 39, 40, 59, 60, 61, 66, 67, 68, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 104, 225, 243, 248, 360, 366, 531 Norm 15, 44, 51, 72, 108, 109, 111, 132, 164, 165, 170, 214, 315 - Akzeptanz 18 - Geltung 62 - Handlung 16 - institutionell 421 - kategorisch 18 - legale 207, 220 - versus moralische 263
562
Namens- und Sachregister
- moralische 63, 225, 251, 316 - versus Regel 256 - Norminhalt 16 - Rechtsnorm, positive 63 - Zwang 63 normativ 15, 73, 114, 135, 318, 349 Nozick 46, 49, 50, 234 Nutzen 48, 121, 157, 237, 293, 361, 441, 454 Nutzentheorie 197 Nutznießertheorie 38, 188, 191, 196, 239 Opalek 15, 16, 17, 18, 19 Ossowska 17 Paul 46 Pennock 20, 26, 46, 47, 49, 50, 70, 75 Person 55 Pflicht 102, siehe Position Position - Begriff 124 - Freiheit 1 241 - Gegen-Anspruch 530 - Gegen-Freiheit2 530 - Gegen-Immunität 530 - Gegen-Kompetenz 530 - Immunität 466 - institutionelle 345 - Kompetenz 466, 469, 470 - Begriff 98, 470 - legale - Anspruch 98 - Zwang 364 - Fähigkeit 187 - Freiheit 1 98, 128 - Gemeinsamkeit 348 - Handlung 99 - Immunität 98 - Kompetenz 98 - Konsequenz 98, 99,129, 130, 206 - Tauglichkeit 131 - undefinierbar 344
- Komplex 177 - Pflicht 35, 140 - Handlung 127 - Kompetenz 126 - Sanktion 127 - undefinierbar 344 - Zwang 126 - relative 206 - Unfähigkeit 35 - Verbindlichkeit 206 - moralische 466 - Anspruch 102, 189, 235, 338, 352, 353, 365, 366, 490 - Grund 338 - Verknüpfung 473 - Zwang 364 - Begriff 343 - Begründung 374 - Definition 335, 362 - deontisch 334 - dritte Parteien 368 - Freiheit1 102, 264, 341, 359, 362, 415, 493 - Verknüpfung 475 - Funktion 516, 518, 519 -Handlung 106,351,390,511 - Person 512, 516 - Herrschaft 381, 382 - Immunität 103, 141, 467, 485 - Grund 342 - Metaposition 343 - Verknüpfung 478 - Inhalt, Handlungszusammenhang 489 - Kernposition, Verknüpfung 485 - Kompetenz 102, 141, 152, 153, 159, 160, 171, 172, 235, 264, 337, 348, 362, 365, 367, 401, 415, 467, 487 - Freiheit 1 341 - Grund 339 - Handlung 166, 342 - institutionelle 162, 254 - Intention 170
Namens- und Sachregister
-
- Konsequenz 102, 159, 342 - Metaposition 342 - Tauglichkeit 102 - Verknüpfung 478 - Komplex 373 - Konsequenz 350 - MPA 351, 390, 472, 486, 490, 494 - MPH 353, 522 - MPMP 353, 522 - MPS 351, 390, 472, 490, 494 - Pflicht 50, 79, 102, 189, 235, 348, 353, 365 - dritte Partei 153 - institutionell 151 - Konflikt 117 - relative 140, 141, 151 - Kompetenz 144 - Sanktion 140 - Zwang 140 - relative 344, 353 - Sanktion 364 - Tabelle 480 - Unfähigkeit 172 - Unvermögen 172 - verknüpfte, Verknüpfung 484 - Verknüpfung 379 - Handlung 508 - Kriterien 508 - versus legale 258 - Zwang 350 moralische, Pflicht 503 Moralität 346 Nicht-Anspruch 241 normative 20 Pflicht 30, 68, 73, 224, 234, 238, 241 - Begriff 29 - Dekalog 32 - Konflikt 425 - legale, unvollkommene 150 - negative 29 - positive 29 - prima facie 29, 66, 157, 261, 367
563
- Sanktion 234 - Theorien 29 - unvollkommene 29, 30, 74, 140 - Verpflichtung 29, 46 - vollkommene 29, 30 - Zwang 29 - Privileg 128 - Verbindlichkeit 172 Postema 445, 446 Präferenz 43 Praxen 21, 40, 71, 108, 109, 115, 462, 465 - Existenz 288 Prinzip 423 - ethisches - induktiv 116 - Relevanz 116 - legales 117 - Moralität 347 Privileg siehe Position Raphael 23,57,58,87 Raz 32, 33, 39, 46, 48, 54, 158, 198,
200, 202
Reaktion 119, 121, 136, 145, 317 Recht 53, 71, 73, 108, 114, 124, 132, 140, 164, 221, 232, 279, 292, 302, 311, 421, 428, 437, 438, 469, 532, siehe ,ein Recht4 - Begründung 52 - Entwicklung 280 - Gesetze 305 - Interpretation 204, 223 - positives 90, 108, 115, 286, 290, 307 - versus Moralität 286 - Rechtspositivismus 44 - Wahl 383 - Zusammenhang, Moral 304, 422, 431, 433, 434, 435 Rechtfertigung 111 - Überlegungsgleichgewicht 273 Regel 115,116,118,459 - Ausnahme 116
564
Namens- und Sachregister
Stoljar 19, 23, 24, 27, 33, 39, 40, 46, - Konflikt 117 48, 49, 52, 53, 55, 56, 59, 61, 66, 67, - Moral 452 77, 79, 82, 86, 87, 336, 470 - moralische 115 Sumner, L W. 532, 533 - Moralität 347 Sumner, W. G. 449 - Recht 452 Relativismus 50 Tammelo 334 Relevanz 124, 132 Tatsache 16,115,318 - moralische 320, 411, 412 - normativ 325 Richter 153,337,429 richtig 115,117,317,321,331 teleologisch 44, 45, 46, 48, 53, 73, 119, 121, 315, 316, 317, 321, 326, 329, - Begriff 71 342, 349, 354, 356, 378, 392, 408, - moralisch 316, 320 411, 425, 426, 428, 442, 448, 451, Riebold 20, 69 454, 456, 457, 458, 460, 461 Robertson 88, 198 - Verfahren 450 Robinson Crusoe 246, 259 Thomson 278, 279 Ross, Alf 178, 357 Tiere 283 Ross, W. D. 30, 45, 46, 66, 142, 143, Tugend 43, 45, 112, 113, 450 449 Tugendhat 78 Salmond 39,57,58 Sanktion 112, 139, siehe ,ein Recht4, Position - legale 140 - moralische 140 Schwartländer 88 Seifert 70 Sein-Sollens-Problem 16, 245, siehe Fehlschluss Sen 48,65,66,82 Shue 46,66,78 Sieckmann 67 Sollen 16, 18, 71, 110, 135, 158, 349, 426, 467, 471, siehe ,Sein-SollensProblem4 - Begriff 232 - Grund 349 - Handlung 295 - moralisches 232 - umfassendes 293 Sorensen 198 Stegmüller 329, 331, 450 Steiner 27, 51
Ungehorsam 33 Unterlassung 147, 166, 339, 354, 453, 475, 479, 485, 498, 504, 509, 513 Urteil, moralisches 116, 315, 443 - Gültigkeit 251 - Werturteil 450 Utilitarismus 33, 44, 47, 49, 50, 73, 76, 122, 325, 455, 456, 457 utilitaristisch 43, 45, 49, 57, 121, 326, 371, 442, 452 Vergewaltigung 278 Vernunft 134 Versprechen 23, 59, 65, 133, 134, 144, 145, 147, 148, 156, 160, 163, 164, 165, 172, 254, 295, 320, 335, 350, 353, 449, 455, 466, 468 Vertrag 37, 49, 170 - Vereinbarung 338 Vlastos 76, 84
141, 161, 319, 459,
46, 54, 55, 56, 58, 66, 67, 68,
Namens- und Sachregister
Wahl 106, 111, 113, 122, 133, 155, 183, 185, 196, 214, 235, 238, 266 - moralische 309 - rationale 264 - Zwang, Pflicht 364 Wahlmöglichkeit 192,246 Wahltheorie 38, 194, 195, 197, 211, 247, 536 Wainwright 84 Waldron 395 Wert 53, 56, 120, 121, 171, 238, 329, 355, 457, 462 - außermoralischer 119, 315, 331, 408, 431 - moralische Gründe 332 - moralischer 43, 230, 331 - objektiver 54 -vorausgesetzter 119, 316, 318, 325, 328, 331, 347, 360, 371, 416, 427, 455, 464 - Beschaffenheit 457 - Bewertung 319 - ein Recht 330 - Funktion 327
565
- Gültigkeit 330 - Herrschaft 381 - Willenskonflikt 381 - Wertordnung 327 Werterfahrung 81 White 22, 27, 31, 32, 33, 34, 35, 39, 40, 57, 58, 59, 339, 469, 470 Wille 196, 208, 211, 230, 241, 242, 247, 349 Willensfreiheit 74 Willenskonflikt 183, 185, 196, 315, 319, 327, siehe ,ein Recht4, Konflikt, Position - Lösung, teleologisch 393 Willenstheorie 38, 40, 143, 191, 197, 217, 220, 239, 247, 403, 536 Winston 25,47,48,50,52 Würde 55,56,62 Ziel 218, 238, siehe Zweck Zwang 65, 79, 81, 113, 123, 134, 144, 154, siehe Sanktion - Wollen 335 Zweck 52, 65, siehe Ziel, Handlung