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German Pages 184 [211] Year 1952
BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Philologisch-historische Band
KARL
99 • Heft
Klasse 1
BARWICK
CAESARS BELLUM CIVILE (TENDENZ, A B F A S S U N G S Z E I T UND STIL)
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A K A D EM I E - V E R L A G • B E R L I N
BERICHTE ÜBER DIE VERHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU LEIPZIG Philologisch-historische Band
KARL
99
Klasse • Heft
1
BARWICK
CAESARS BELLUM CIVILE (TENDENZ, A B F A S S U N G S Z E I T UND S T I L )
19 5 1
AKADEMIE-VERLAG-BERLIN
Vorgelegt in der Sitzung v o m 15. Januar 1951 Vorgetragen in der Sitzung v o m 7. Mai 1951 Manuskript eingeliefert am 25. Januar 1951 Druckfertig erklärt am 30. September 1951
Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7, Schiffbauerdamm 19 Lizenz-Nr. 202 • 100/25/51 Satz und Druck der Buchdruckerei F. Mitzlaff, Rudolstadt/Thür. (457) Bestell- und Verlagsnummer 2026/99/1 Preis: DM 11,70
FRIEDRICH
ZÜCKER
ZUM 70. G E B U R T S T A G
GEWIDMET
i*
Inhaltsverzeichnis x ) Seite
Vorwort I. Kapitel: D i e T e n d e n z d e s B C 1. Die Schuld am Ausbruch des Bürgerkrieges a) Die Rechtslage b) Die Senatssitzung vom 1. Januar 49 (1, 1—2) c) Die Vorgänge vom 2.—6. Januar und das SC ultimum vom 7. Januar (1, 3—5) d) Die Vorgänge der auf den 7. Januar unmittelbar folgenden Tage und Caesars Appell an seine Soldaten (1, 6—7) . . . e) Caesar beordert angeblich erst initio tumultus die 13. Legion nach Ravenna (1, 7, 8) f) Caesars Marschbefehl an die im jenseitigen Gallien stehenden Legionen (1,8,1) g) Caesars Ansprache vor seinen Soldaten angeblich in Ravenna (1,7) 2. Einige weitere Beispiele tendenziöser Darstellung a) Caesar bemächtigt sich gewaltsam des Staatsschatzes in Rom (1,33.1,14) b) Angebliche Auslieferung der in Corfinium erbeuteten Kriegskasse (1,23) c) Lentulus und Caesars Gladiatoren in Capua (1,14) . . . . d) Übergabe von Sulmo (1,18) und die angeblich cäsarfreundliche Stimmung der italischen Bevölkerung e) Die Meuterei in Placentia f) Caesars Versuch, heimlich allein von Epirus nach Brundisium überzusetzen 3. Caesars Bemühungen um einen friedlichen Ausgleich nach Eröffnung der Feindseligkeiten a) Die Mission des L. Caesar und Roscius (1, 8—11) . . . . b) Caesars Verständigungsversuch durch Vermittlung des Magius und Rebilus-Libo (1, 24—26) 1
7 9 9 9 15 21 26 30 32 34 36 36 38 39 41 45 46 47 48 54
Die ins einzelne gehende Gliederung der vorliegenden Untersuchungen dürfte ein Register überflüssig machen.
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KARL BABWICK, Caesars Bellum civile Seite c) Caesars Vorschlag im Senat, a n Pompeius eine Friedensgesandtschaft zu schicken ( 1 , 3 2 f.) d) Mission des Vibullius R u f u s ( 3 , 1 0 f. 13. 18, 3—5) e) Verhandlungen m i t Bibulus-Libo (3, 15—17) . f) Aktion des Vatinius (3,19) g) Caesars Vermittlungsversuch d u r c h Scipio (3, 57) h) Vermittlungsvorschlag Pisos 4. Caesars Milde u n d Menschlichkeit 5. Tendenziöse Elemente in Caesars Darstellung der kriegerischen Ereignisse
II. Kapitel: A b f a s s u n g s z e i t d e s B C 1. I s t das BC unvollendet? a) Der auffällige Schluß des BC b) Angebliche Unfertigkeiten im I n n e r n des BC 2. D a s BC von Caesar selbst veröffentlicht 3. D a s BC vor E n d e 46 veröffentlicht 4. D a s BC vor 46 entstanden a) Legalitätstendenz des BC b) Caesars Charakteristik seiner Gegner 5. D a s BC vor 47 geschrieben 6. Sukzessive E n t s t e h u n g u n d P u b l i k a t i o n der Bücher des BC . a) Annalistische Darstellungsform u n d buchmäßige Gliederung im, BC die gleiche wie im B G b) Propagandistische Ziele u n d Fälschungen des BC c) D a s BC im Urteil des Asinius Pollio d) D a s erste Buch des BC z. T. schon w ä h r e n d des J a h r e s 49, vor Caesars R ü c k k e h r aus Spanien nach R o m , e n t s t a n d e n
58 59 64 67 68 69 70 79 86 86 86 93 106 108. 109 109 114 121 123 124 127 130 132
7. Zusammenfassung. Die Leser, a n die Caesar im BC sich wendet
134
III. Kapitel: S t i l d e s B C 1. Ciceros U r t e i l ü b e r die Sprache der Commentarii Caesars . . 2. Caesars elegantia a) Ü b e r die Schlichtheit u n d K l a r h e i t der Commentarii . . . b) I h r e Reinheit u n d Eleganz (Latinitas) a) Ü b e r die a n t i k e Theorie der elegantia = Latinitas . . . ß) Ü b e r die elegantia = Latinitas in Caesars Commentarii 3. Volkstümliche u n d sonstige unklassische E l e m e n t e in d e n Commentarii Caesars 4. Falsche Beurteilung gewisser Lässigkeiten im Sprachgebrauch des BC
137 137 141 141 144 144 148
5. Stilistische Besonderheiten des BC u n d ihre E r k l ä r u n g S c h l u ß w o r t u n d Rückblick
. . .
155 163 165 177
Vorwort Die folgenden Untersuchungen sind gedacht als Ergänzung zu meinem Buch, das ich 1938 im Philologus Suppl. X X X I 2 unter dem Titel Caesars Commentarii und das Corpus Caesarianum veröffentlicht habe. Sie beschäftigen sich jedoch ausschließlich mit dem BC1), seiner Tendenz, .seiner Abfassungszeit und seinem Stil, der sich allerdings von dem des BG nicht trennen läßt. Dabei steht, nicht nur äußerlich gesehen, im Mittelpunkt der Betrachtung die Frage nach der Abfassungszeit des BC. Sie hängt aufs engste zusammen mit seiner Tendenz; und andererseits sind auch gewisse Besonderheiten im Stil des BC nicht unwichtig für die Beurteilung, seiner Abfassungszeit, über die bis auf den heutigen Tag die widersprechendsten Ansichten herrschen. Auf Tendenz und Stil des BC war ich früher, in dem genannten Buch, nur ganz kurz eingegangen. Daher sollen sie jetzt verhältnismäßig ausführlich zur Sprache kommen. Ich darf bemerken, daß ich überall meine früheren Ausführungen als bekannt voraussetze; doch ließ es sich nicht immer vermeiden, das dort Gesagte hier noch einmal zu wiederholen. Die behandelten Fragen sind nicht nur philologisch und für den Schriftsteller Caesar von Interesse: sie sind ebenso bedeutsam für den Menschen und Politiker Caesar. Alles, was dieser große Mann angefaßt hat, trägt den Stempel der Genialität; seine Interessen sind ebenso vielseitig wie seine Begabung. Aber im Mittelpunkt seines Denkens und Wollens steht durchaus das Politische. Als In1
So bezeichne ich im folgenden das Bellum civile und mit BG das Bellum Gallicum: die Bücher des letzteren mit lateinischen, die des ersteren mit arabischen Ziffern.
8
Karl Babwick, Caesars Bellum civile
strument seiner Politik sind auch BG und BC zu bewerten. Nur von hier aus erklären sich die zahlreichen Entstellungen des letzteren und sein ausgesprochen tendenziöser Charakter, und auch seine Abfassungszeit kann nur von diesem Gesichtspunkt aus richtig beurteilt werden.
I. K a p i t e 1
Tendenz des BC Auf die tendenziöse Färbung des BC ist wiederholt hingewiesen worden, z. B. von H. NISSEN 1 ) und E D . MEYER 2 ). Und schon bei H . GLÖDE3) finden sich darüber einige gute Bemerkungen. Aber eine auch nur einigermaßen erschöpfende und etwas tiefer eindringende Untersuchung fehlt. Und sie erscheint um so nötiger, als neuerdings H. OFPERMANN 4 ) eine Tendenz des BC leugnete selbst an Stellen, wo Caesar sich die schwersten Fälschungen hat zuschulden kommen lassen. 1. Die Schuld am Ausbruch des Bürgerkrieges Eins der Hauptanliegen Caesars im BC, jedenfalls des 1. B., ist seine Absicht, sich von der Schuld an dem Ausbruch des Bürgerkrieges rein zu waschen; c. 1—6 werden von dieser Absicht völlig beherrscht. Um freilich ein Urteil zu gewinnen, wie Caesar in diesen Kapiteln die Schuldfrage behandelt hat, ist es zweckmäßig, sich zunächst über die Rechtslage klar zu werden, als Caesar Anfang Januar 49 in Italien einmarschierte. Es genügt, hier nur auf einige grundlegende und entscheidende Tatsachen hinzuweisen. a ) Die Rechtslage
595) wurde Caesar durch einen von dem Volkstribunen Yatinius veranlaßten Volksbeschluß (lex Vatinia) Gallia cisalpina mit Illyri1
Histor. Ztschr. 46 (1881), 49. 50. Caesars Monarchie und das Prinzipat des Pompeius. 3. Aufl. S. 620. 3 Über die Quellen des Pomp. Krieges I. Caesars histor. Glaubwürdigkeit in den Conun. vom Bürgerkrieg. Diss. Rostock 1871. 4 Caesar, der Schriftsteller und sein Werk (N. Wege z. Antike, II. Reihe, H e f t 2, 1933). 5 Ende Mai oder Juni: M. GELZER, Hermes 63 (1928), 113 ff. 2
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KARL
BARWICK
cum auf 5 Jahre als Provinz zugesprochen, d. h. wie sich mit Sicherheit aus Cic. Prov. cons. 37 ergibt, bis zum 1. März oder, genauer, bis zum letzten Februar 54. Zu dieser Provinz fügte dann der Senat auf Betreiben des Pompeius 1 ) noch das jenseitige Gallien hinzu 2 ). 55 setzte der Volkstribun Trebonius einen Volksbeschluß durch (lex Trebonia), der den damaligen Konsuln Pompeius und Crassus die beiden Spanien und'Syrien als Provinzen zuwies. Anschließend wurde Caesars Kommando durch einen von den Konsuln veranlaßten Volksbeschluß 3 ) (lex Pompeia Licinia) auf 5 Jahre, d. h. also bis zum 1. März 49, verlängert. Die 5 Jahre werden ausdrücklich bezeugt von Cic. Att. 7, 7, 6. 9, 4; Vell. Pat. 2, 46, 2; Plut. Crass. 15; Pomp. 52; Caes. 21; App. 2, 17. 18; Suet. Caes. 24. Nur Dio (39, 33) nennt 3 Jahre, aber nicht, weil er sich auf eine Überlieferung stützen konnte, sondern, wie er selber andeutet, auf Grund einer eigenen, für uns in keiner Weise verbindlichen Kombination. Das Gesetz enthielt außerdem noch eine Klausel, die man mit Recht aus einem Brief des Caelius an Cicero (Fam. 8, 8, 9) und aus Hirt. VIII 53 erschlossen h a t ; sie verbot, vor dem 1. März 50 über einen Nachfolger Caesars zu verhandeln 4 ). Während die Verlängerung, der Statthalterschaft auf 5 Jahre vermutlich mit Rücksicht auf die ebenfalls mit 5 Jahren befristete Statthalterschaft des Pompeius und Crassus verfügt worden war, hatte jene Klausel offenbar 1
Ille (Pompeius) Galliae ulterioris adiunctor Cic. Att. 8|, 3, 3. Suet. Caes. 22; Dio 38,8. 41; App. 2 , 1 3 ; Vell. 2 , 4 4 ; Plut. Caes. 14; Pomp. 48; Cato minor 33; Crass. 14; Zon. 10, 6; Oros. 6, 7, 1; Eutrop. 6 , 1 7 ; Cic. Prov. cons. 36. 3 Hirtius VIII 53; App. 2, 18; Dio 39, 33; Cic. Att. 8, 3, 3 von Pompeius ille provinciae propagator. * In der oben angegebenen Weise hatte schon MOMMSEN, die Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat 1858 (Ges. Sehr. IV 92 ff.), den Inhalt der lex Pompeia Licinia bestimmt. Seitdem ist viel darüber gestritten worden. Über den Vorlauf der Diskussion orientiert gut T. R. HOLMES, The Rom. Rep. II 299 ff., der mit durchschlagenden Gründen die Richtigkeit der Auffassung MOMMSENS erweist (vgl. auch E D . M E Y E R , a. O . 1 5 8 , 1 ) , der aber irrtümlich behauptet, HIRSCHFELD habe in der Klausel „eine Hauptbestimmung des Gesetzes gesehen". HIRSCHFELD glaubt vielmehr, sie sei dessen einzige Bestimmung gewesen. 2
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Caesars Bellum civile
den Zweck, Caesar im Besitz seiner Provinzen über den 1. März 49 hinaus, bis zum 1. Januar 48, sicherzustellen. Denn nach der lex Sempronia mußten die von den Konsuln nach ihrem Amtsjahr zu übernehmenden Provinzen bereits vor ihrer, damals in der Regel im Juli stattfindenden, Wahl bestimmt werden. Es war also nicht möglich, vor dem 1. Januar 48 Caesar einen gewesenen Konsul als Nachfolger zu senden, und nach der damals herrschenden Ordnung konnte auch kein Prätor des Jahres 50 während des Jahres 49 eine der beiden Provinzen Caesars übernehmen 1 ). So war also durch jene Klausel der lex Pompeia Licinia Caesar de facto als Statthalter bis zum 1. Januar 48 anerkannt. Nun beabsichtigte aber Caesar, für das Jahr 48 sich um das Konsulat zu bewerben. Die Bewerbung mußte persönlich in Rom erfolgen; das hätte den Rücktritt von seinem Kommando Anfang Juli 49 zur Folge gehabt; er wäre daher von der Meldung zur Wahl bis zum Antritt seines Konsulates ohne Amt gewesen; und das wollte er, aus Gründen, über die noch zu sprechen sein wird, unter allen Umständen vermeiden. So wußte er es durchzusetzen, daß er von der Bestimmung, sich persönlich um das Konsulat zu bewerben, entbunden wurde: Etwa im März 522), alsbald nachdem Pompeius sein 3. Konsulat angetreten hatte, gelangte, auf Antrag sämtlicher 10 Tribunen und mit Unterstützung des Pompeius, ein Plebiszit zur Annahme, das Caesar in seiner Abwesenheit die Bewerbung um das Konsulat für das Jahr 48 gestattete 3 ). So schien Caesar am Ziel seiner Wünsche angelangt und sicher zu sein, daß er, auch bei einer Bewerbung um das Konsulat für 48, sein Kommando bis Ende Dezember 49 behalten und am 1. Januar 48 sein 2. Konsulat antreten konnte. Aber noch das Jahr 52 brachte eine entscheidende Wendung zu seinen Ungunsten. Pompeius hatte sich während seines Konsulates der Senatspartei immer mehr ge1
V g l . MOMMSEN, a. O . 1 3 0 ff.
2
Über die Zeit H. NISSEN, a. 0. 59 ff.
3
Caesar
1,32,3
(9,2);
Cic. A t t .
8,3,3.
7,1,4.
3,4;
Farn.
6, 6, 5 ; L i v .
Per. 107; Flor. 2,13,16; Suet. Caes. 26.28; Dio 40,51; App. 2,25; Plut. Pomp. 56.
Karl Babwick
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nähert und war offenbar entschlossen, im Bund mit ihr Caesar zu stürzen. Diesem Zweck dienten zwei unverkennbar cäsar-feindliche Maßnahmen. Die eine bestand darin, daß Pompeius einen Senatsbeschluß vom vorigen Jahr zum Gesetz erheben ließ 1 ). Es bestimmte, daß die Prätoren und Konsuln nicht wie bisher sofort nach Ablauf ihres Amtes, sondern erst 5 Jahre später eine Provinz übernehmen sollten (lex Pompeia de provinciis). So wurde durch die Möglichkeit, Caesar schon im Verlauf des Jahres 49 einen Nachfolger zu senden, die Klausel der lex Pompeia Licinia bedeutungslos. Caesar hat das sehr bitter empfunden, und er bezeichnet selber, in seiner Antwort auf die Rede des Afranius (1, 85, 9), jenes Gesetz als gegen sich gerichtet: in se iura magistratuum commutari, ne ex praetura in provincias
et consulatu ut Semper, sed per paucos probati et electi mittantur.
Noch härter wurde Caesar durch die zweite Maßnahme des Pompeius getroffen, durch die lex Pompeia de iure magistratuum, über die er sich ebenfalls im BC (1, 9, 2) beschwert. In ihm wurde u. a . die Bestimmung, jeder müsse sich persönlich in Rom um ein Amt bewerben, erneut eingeschärft 2 ). Damit verlor der früher zu Caesars Gunsten gefaßte Volksbeschluß, der ihm eine Bewerbung in Abwesenheit gestattete, seine Gültigkeit; und Caesar sah sich im Falle einer Bewerbung um das Konsulat gezwungen, persönlich in Rom zu erscheinen und sein Kommando niederzulegen. Als seine Anhänger gegen das Gesetz Lärm schlugen, ließ Pompeius zwar, aus eigener Machtvollkommenheit, nachträglich eine Klausel aufnehmen, die die Bewerbung Abwesender zuließ für den Fall, daß diese unter Namensnennung gestattet worden war 3 ); aber diese Klausel war rechtlich ohne bindende Kraft. Nach dem Gesagten war also die Rechtslage zu Beginn des Jahres 49 folgende: Auf Grund der lex Pompeia Licinia (55) dauerte das Kommando Caesars bis Ende Februar 49; die Klausel dieses Gesetzes, die ihm das Kommando bis Ende 49 sichern sollte, war un1 2 3
Dio 40, 46. 56 (30). Dio 40, 56. Dio 40, 56; Suet. Caes. 28; Cic. Att. 8, 3, 3.
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Caesars Bellum civile
wirksam gemacht worden durch die lex Pompeia de provinciis (52); denn sie ermöglichte es, ihm sofort nach Beendigung seines Kommandos (Ende Februar 49) einen Nachfolger zu bestellen. Aber Caesar war auf jene Klausel nicht angewiesen: Das Plebiszit von 52 gestattete ihm, sich abwesend um das Konsulat zu bewerben und setzte als selbstverständlich voraus, daß Caesar bis zum Antritt seines zweiten Konsulats, d. h. bis zum 1. Januar 48, Heer und Provinzen behalten durfte. Das ergibt sich aus Liv. Per. 108 [agente in senatu veniret,
M. Marcello
consule,
ut Caesar
ad petitionem
cum is lege lata ( d a s P l e b i s z i t v o n 52) in tempus
consulatus consulatus
provincias obtinere deberet1)] und wird auch von Cicero wiederholt in seinen Briefen (Att. 7, 7, 6; 8,4. 9, 2; vgl. auch Fam. 8, 8, 9) anerkannt. Aber durch die später erlassene lex Pompeia de iure magistratuum (52) wurde Caesar gezwungen, im Fall einer Bewerbung um das Konsulat fjir 48 sich persönlich in Rom zu melden, was für die zweite Hälfte des Jahres den Verlust seines Kommandos zur Folge gehabt hätte. Das hat Caesar selber, in einem Schreiben an Pompeius (1, 9, 2), klar ausgesprochen: doluisse se, quod populi Romani beneficium toque semenstri haberi
proximis
sibi per contumeliam
imperio comitiis
ab inimicis
in urbem retraheretur, populus
extorqueretur
cuius absentis
ereprationem
iussisset2).
Also: im Falle einer Nichtbewerbung konnte Caesar bis Ende 49 im Amte bleiben; "anderenfalls mußte er vor den im Juli stattfindenden Konsulwahlen sein Kommando niederlegen. Dies war die formalrechtliche Situation am 1. Januar 49. Aber wenn Caesar mit dieser Situation sich abfand, bedeutete das so gut wie sicher 1
Die Stelle richtig beurteilt von DRUMANN-GROBE, Gesch. Roms III 326, 5; falsch MOMMSEN, a. O. 130. 2 Dazu die treffende Bemerkung von MEUSEL (Kommentar): „Nach der im Jahre 52 durch einen Volksbeschluß gegebenen Erlaubnis, sich abwesend um das Konsulat für 48 zu bewerben, hätte er bis Ende 49 das Imperium behalten können; nach Zurücknahme dieser Vergünstigung mußte er sich schon im Sommer desselben Jahres in Rom zur Bewerbung für die nächstfolgenden Wahlen (proximis comitiis), die seit Sulla in der Regel im Juli vorgenommen wurden, einfinden, wodurch sein Imperium um 6 Monate gekürzt worden wäre (erepto semenstri impelió)."
14
KARL
BABWICK
seinen Untergang, gleichviel ob er nach Aufgabe seines Kommandos Mitte 49 sich um das Konsulat bewarb oder ob er auf das Konsulat verzichtete und Heer und Provinzen bis Ende 49 behielt. In beiden Fällen war er gezwungen, Mitte 49 bzw. ein halbes Jahr später, in den Privatstand zurückzutreten; und darum war es vor allem seinen Gegnern, und auch Pompeius, zu tun, der daher entschieden dagegen war, daß Caesar, ohne vorher sein Kommando niedergelegt zu haben, zum Konsul gewählt würde1). Man beabsichtigte, ihn während seiner amtslosen Zeit anzuklagen; ein Zweifel darüber war nicht möglich, denn Cato hatte bereits wiederholt damit gedroht 2 ). Man war allgemein, und auch Caesar selber, im Fair einer Anklage, von seiner Verurteilung überzeugt3). Caesar war nicht gewillt, sich an die formalrechtlichen Bestimmungen zu halten, sondern entschlossen, seine Existenz mit allen Mitteln, durch Verhandlungen oder, wenn est sein mußte, durch Gewalt zu sichern. Zunächst versuchte er es mit Verhandlungen; und als diese nicht zum Ziele führten, griff er, schon in der ersten Hälfte des Januar 49, zu den Waffen und marschierte in Italien ein. Damit setzte sich Caesar ins Unrecht, und er ist daher in der Darstellung seines BC lebhaft bemüht, die Rechtslage nach Möglichkei zu verschleiern und für sein gewalttätiges Vorgehen seine Gegner verantwortlich zu machen, die er als inimici oder, was bei ihm ungefähr dasselbe besagt, als fiauci4) bezeichnet. Die Gründe für seinen Einmarsch in Italien formuliert er kurz und prägnant in seiner Ansprache an Lentulus Spinther vor Cor1
plane
Caelius an Cicero (Fam. 8 , 1 1 , 3 ) : valde timet
Caesarem
consulem
designari,
autem
priusquam
non vult (Pompeius) et exercitum
et
provinciam
tradident. Ähnlich Fam. 8, 14, 2. 2 Suet. Caes. 30, 3. 3 Suet. Caes. 30, 3 f.; Plut. Caes. 46; vgl. auch Caelius an Cicero Fam. 8, 14, 2. 4 Es sind die Männer, die Sali. Ad. Caes. 2, 3, 3. 6, 4 als factiosi oder 2, 8, 6 (4, 2. 9, 4. 10, 8. 9. 11, 6) als factio
nobilitatis
bezeichnet.
A l s dieser
factio
zugehörig bezeichnet Sallust beispielsweise M. Bibulus, L. Domitius, M. Cato, L. P o s t u m i u s u n d M. F a v o n i u s . — V o n der factio paucorum
Caesaris spricht auch Hirt. VIII, 50, 2. 52, 3.
und den
inimici
15
Caesars Bellum civile f i n i u m (1, 22, 5): se non maleficii uti se a contumeliis re ex civitate Romanum
inimicorum
expulsos factione
causa
in suam dignitatem paucorum
ex provincia
defenderet,
egressum,
ut tribunos restitueret
oppressüm
in
plebis
et se et
libertatem
sed in ea
populum vindicaref.
Caesar will sich also erstens verteidigen gegen die contumeliae seiner Gegner, und er will zweitens die in ea re, d. h. (wie K L O T Z im Apparat seiner kritischen Ausgabe richtig erklärt) in Caesare ab inimicorum contumeliis defendendo vertriebenen Yolkstribunen wieder in ihre Würde einsetzen. Der mit et angereihte Schlußteil des ausgeschriebenen Satzes bringt keinen neuen Gedanken, sondern enthält eine erläuternde Bestimmung zum Vorausgehenden1): Dadurch, daß Caesar gegen die contumeliae seiner Feinde sich zur Wehr setzt und für die Rechte der Volkstribunen eintritt, befreit er sich und das römische Volk von der factio paucorum. Die nämlichen Gründe wie hier macht Caesar auch in seiner Ansprache (1, 7) geltend, die er in Ravenna vor seinen Soldaten gehalten haben will; vgl. besonders die Schlußworte des Kapitels: Die Soldaten erklären sich b e r e i t , imperatoris
sui tribunorumque
plebis
iniurias
defendere.
Das Bild, das nun freilich Caesar in den ersten 6 Kapiteln seines BC von den iniuriae feiner Gegner und seinem eigenen Verhalten entwirft, verfehlt zwar nicht seine Wirkung auf den uneingeweihten Leser, erweist sich aber bei näherem Zusehen als ganz einseitig und tendenziös gefärbt; selbst vor lügenhaften Entstellungen schreckt Caesar nicht zurück. b) Die Senatssitzung vom I . J a n u a r 49 ( 1 , 1 — 2 )
Caesar beginnt sein BC mit einer Schilderung der Senatssitzung am 1. Januar 492). Bis Ende 50 war es Caesars Gegnern trotz aller Bemühungen nicht gelungen, einen entscheidenden Beschluß über die Regelung seiner Nachfolge durchzusetzen. So war ein neuer Vorstoß nach dieser Richtung hin in der ersten Sitzung des Jahres 1
et darf daher nicht, wie gelegentlich geschehen ist, in ut geändert werden. des nicht verbesserten Kalenders; auf ihn beziehen sich auch weiterhin die angegebenen Daten. 2
15
Caesars Bellum civile f i n i u m (1, 22, 5): se non maleficii uti se a contumeliis re ex civitate Romanum
inimicorum
expulsos factione
causa
in suam dignitatem paucorum
ex provincia
defenderet,
egressum,
ut tribunos restitueret
oppressüm
in
plebis
et se et
libertatem
sed in ea
populum vindicaref.
Caesar will sich also erstens verteidigen gegen die contumeliae seiner Gegner, und er will zweitens die in ea re, d. h. (wie K L O T Z im Apparat seiner kritischen Ausgabe richtig erklärt) in Caesare ab inimicorum contumeliis defendendo vertriebenen Yolkstribunen wieder in ihre Würde einsetzen. Der mit et angereihte Schlußteil des ausgeschriebenen Satzes bringt keinen neuen Gedanken, sondern enthält eine erläuternde Bestimmung zum Vorausgehenden1): Dadurch, daß Caesar gegen die contumeliae seiner Feinde sich zur Wehr setzt und für die Rechte der Volkstribunen eintritt, befreit er sich und das römische Volk von der factio paucorum. Die nämlichen Gründe wie hier macht Caesar auch in seiner Ansprache (1, 7) geltend, die er in Ravenna vor seinen Soldaten gehalten haben will; vgl. besonders die Schlußworte des Kapitels: Die Soldaten erklären sich b e r e i t , imperatoris
sui tribunorumque
plebis
iniurias
defendere.
Das Bild, das nun freilich Caesar in den ersten 6 Kapiteln seines BC von den iniuriae feiner Gegner und seinem eigenen Verhalten entwirft, verfehlt zwar nicht seine Wirkung auf den uneingeweihten Leser, erweist sich aber bei näherem Zusehen als ganz einseitig und tendenziös gefärbt; selbst vor lügenhaften Entstellungen schreckt Caesar nicht zurück. b) Die Senatssitzung vom I . J a n u a r 49 ( 1 , 1 — 2 )
Caesar beginnt sein BC mit einer Schilderung der Senatssitzung am 1. Januar 492). Bis Ende 50 war es Caesars Gegnern trotz aller Bemühungen nicht gelungen, einen entscheidenden Beschluß über die Regelung seiner Nachfolge durchzusetzen. So war ein neuer Vorstoß nach dieser Richtung hin in der ersten Sitzung des Jahres 1
et darf daher nicht, wie gelegentlich geschehen ist, in ut geändert werden. des nicht verbesserten Kalenders; auf ihn beziehen sich auch weiterhin die angegebenen Daten. 2
Kahl Babwick
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49 zu erwarten. Daher ließ Caesar den Konsuln zu Beginn dieser Sitzung ein Schreiben überreichen, dessen Vorschläge von ihm als Diskussionsgrundlage für die Verhandlungen gedacht waren. Den Inhalt des Schreibens verschweigt Caesar, betont aber, daß die Tribunen nur mit größter Anstrengung durchsetzen konnten 1 ), daß es verlesen, jedoch nicht, daß darüber referiert wurde. Statt dessen referierten die Konsuln über die allgemeine Lage des Staates. Der geschäftsführende Konsul L. Lentulus forderte ein energisches Vorgehen gegen Caesar und versuchte durch seine Andeutung, er würde sich anderenfalls mit Caesar verständigen, den Senat unter Druck zu setzen. In ähnlicher Weise äußerte sich des Pompeius Schwiegervater Scipio. Er drohte, der Senat würde, wenn er jetzt zögere und gelinde Maßregeln ergreife, später nicht mehr auf die Hilfe des Pompeius rechnen können. Pompeius selbst war nicht anwesend. Aber Caesar läßt durchblicken, daß Scipio in seinem Auftrag gesprochen hatte (c. 1). Es wurden aber auch, erzählt Caesar weiter (c. 2), Stimmen laut, die von der extremen Haltung des Lentulus und Scipio-Pompeius nichts wissen wollten: M. Marcellus, der Konsul von 51, schlug vor, die Angelegenheit zu verschieben und darüber erst zu referieren, wenn man genügend gerüstet sei; M. Calidius und M. Rufus forderten, Pompeius solle in seine Provinzen gehen; dann würde ein Konflikt vermieden. Aber die Vorschläge dieser Männer drangen gegenüber dem rücksichtslosen Eingreifen des Lentulus in den Gang der Verhandlungen nicht durch: hi omnes convicio L. Lentuli consulis correpti exagitabantur. Lentulus sententiam Calidi pronuntiaturum se omnino negavit, Marcellus perterritus conviciis a sua sententia discessit (§ 4 f.). Überdies wurden die meisten Senatoren durch die Anwesenheit von Truppen und die Drohungen der Pompejaner eingeschüchtert. So schloß sich die Mehrheit des Senates nicht aus Überzeugung, wie Caesar nachdrücklich hervorhebt, sondern widerwillig und gezwungen dem Antrag Scipios 1
summa tribunorum plebis contentione. Aber Dio 41, 1 bemerkt, gewiß mit Recht, daß es nur Antonius und Crassus waren, die die Verlesung erzwangen.
Caesars Bellum civile an1):
uti
faciat,
eum adversus
ante
certam
diern
Caesar
rem publicam
17
exercitum
facturum
videri
dimittat\
si
non
(§ 6). Die
Tri-
bunen M. Antonius und Q. Cassius erheben dagegen Einspruch, ihr Veto wird sofort vom Senat zum Gegenstand einer Aussprache gemacht; die härtesten und grausamsten Maßregeln werden gegen sie vorgeschlagen und von den Gegnern Caesars begeistert aufgenommen. Diese Darstellung ist höchst eindrucksvoll und geeignet, den Leser sofort für Caesar und gegen seine Feinde einzunehmen. Aber schon ED. M E Y E R , a. 0 . 284, 2 bemerkt, sie sei „ganz einseitig und zu Ungunsten seiner Gegner gefärbt". Aber worin besteht nun diese einseitige Färbung? Die Darstellungsmittel, deren sich Caesar im BC in tendenziöser Absicht bedient, sind im wesentlichen dreierlei Art: Er hat gewisse Tatsachen, die für die Beurteilung der Sachlage durch den Leser von Wichtigkeit sind, verschwiegen; oder zweitens, er hat, umgekehrt, gewisse Tatsachen aus propagandistischen Gründen einseitig in den Vordergrund gerückt; und drittens hat er gewisse Tatsachen umgefälscht oder geradezu erfunden. In unserem Fall kommen, soweit wir urteilen können, nur die beiden ersten Mittel zur Anwendung: Alle gegnerischen Maßnahmen, die geeignet sind, den Senat unter Druck zu setzen und einen Caesar ungünstigen Beschluß herbeizuführen, werden sorgfältig notiert und dem Leser eingeschärft; andererseits werden ihm gewisse für die Beurteilung der Situation wichtige Tatsachen vorenthalten. So verschweigt Caesar gleich zu Beginn seiner Erzählung (c. 1,1) den Inhalt des Schreibens, das er vor der Sitzung den Konsuln hatte' überreichen lassen. Er berichtet nur nebenbei, und an einer späteren Stelle (c. 9, 3; vgl. auch c. 32, 4), eine Einzelheit daraus: Die Forderung, ut omnes (d. h. er und Pompeius) ab exercitibus discederent. Im übrigen sucht er die Vorstellung zu erwecken, als seien seine Forderungen höchst maßvoll gewesen; lenissima postulata nennt er sie c. 5, 5. In Wirklichkeit hatten sie einen ultimativen 1
Über die abweichende Darstellung Dios und des Plutarch richtig DRUMANN-
GKÖBE I I I 3 6 1 , 6 u n d PAUL STEIN, D i e S e n a t s s i t z u n g e n d e r cicer. Z e i t .
Münster 1930, S. 62, 339. Barwick
2
Diss.
18
KARL BABWICK
Charakter und waren in drohendem Ton gehalten 1 ). So hat denn auch, nach App. 2, 32, das Schreiben im Senat einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, und Cicero (Fam. 16,11, 2) nennt es minacis ad senatum et acerbas litteras. Im übrigen war die Empörung des Senates über das Schreiben, auch abgesehen von seinem drohenden und ultimativen Charakter, durchaus verständlich. Es gipfelte in der Forderung 2 ), das Plebiszit von 52 solle, trotz der entgegenstehenden und später erlassenen lex Pompeia de iure magistratuum, für Caesar seine Gültigkeit behalten; d. h. er solle abwesend, unter Beibehaltung seines Kommandos, sich um das Konsulat bewerben dürfen; Caesar erklärte sich bereit, sein Kommando nur dann niederzulegen, wenn Pompeius (dem es aber erst 52 auf weitere 5 Jahre verlängert worden war) ein Gleiches täte. Den Inhalt eines solchen Schreibens, das unverblümt mit Auflehnung gegen die Staatsgewalt drohte und offenbar den Zweck hatte, die friedliebende und ängstliche -Mehrheit des Senats durch die Furcht vor einem Bürgerkrieg gefügig zu machen, hatte Caesar allen Grund, mit Stillschweigen zu übergehen: Er hätte sonst seine in c. 1—6 verfolgte Tendenz von vornherein illusorisch gemacht und das energische Vorgehen seiner Gegner bis zu einem gewissen Grad selber gerechtfertigt. Ferner unterdrückt Caesar den Termin seines Rücktritts, der in dem auf Antrag Scipios gegen ihn gefaßten Senatsbeschluß festgelegt war; er ersetzt ihn durch die unbestimmte Wendung ante certam diem; d. h. vor einem bestimmten Tag (Termin) 3 ). N I S S E N , 1
App. 2, 32 (Caesar erkläre sich bereit zurückzutreten, wenn dies gleich-
zeitig auch Pompeius tue): äoyovrog eri execvov ovrs anofirjotodai xai Tifuogog avxixo. vr] te naxqibi xat eavT) mutaverat consuetudo qua offerentur\ municipia etiam diversis partibus coniuncta — aeque (neque a>) enim ex Marsis Paelignisque veniebant (veniebat a) —, ut qui superiore nocte in contuberniis commilitonesque (commilitesque co).; nonnulli graviora; sermones militum\ dubia (duabus W) durius accipiebantur, nonnulla (L nonnulli ceteri codd.) etiam ab Ms qui diligentiores videri volebant, fingebantur. Demgegenüber betonte ich S. 154 f., daß man bisher allgemein der Ansicht gewesen sei, der Text der fraglichen Stelle sei heillos verdorben und lückenhaft. Diese Auffassung verdiene, nach den vortrefflichen, von K L O T Z nicht berücksichtigten Ausführungen von N I P P E K D E Y den Vorzug, zumal die Überlieferung des BC auch sonst schwere Schäden und Lücken aufweise1). Überdies müsse man erwarten, daß ein Caesar auch in einem ersten Entwurf sich klar ausdrücke; das sei aber in dem von K L O T Z hergestellten Text keineswegs der Fall. Auch F A B R E wendet sich in seiner Ausgabe des BC I p 9 3 gegen die Auffassung von K L O T Z . Dieser verteidigt sich in der Rezension dieser Ausgabe Phil. Woch. 1937, 894 mit dem Hinweis, keinem Schreiber würde es einfallen, „gerade immer die Yerba wegzulassen, so daß der Gedankengang durch Stichwörter angedeutet wird". Dagegen habe ich S. 155, 2 eingewandt, daß die überlieferten Bruchstücke nur z. T., zum andern, größeren Teil dagegen keinen stichwortartigen Charakter tragen. Und dieser stichwortartige Charakter kann, soweit er überhaupt besteht, bedingt sein durch den Zufall der Überlieferung, wie dies z. B. die Analyse von N I P P E R DEY2) beweist. Über all das geht K L O T Z praef. IX f. stillschweigend 1
Ähnlich korrupt und lückenhaft, wenn auch vielleicht nicht in dem Maße wie in 2, 29, ist der Text in 1, 39; außerdem vgl. 2, 14, 3. 3, 8, 4. 10, 11. 18, 4. 22, 2. 50, 2. 53, 5. 73, 6. Dazu kommen noch kleinere Lücken, wo vermutlich nur ein Wort ausgefallen ist. KLOTZ hält, aber wie ich glaube zu Unrecht, den Text für lückenhaft auch 1, 6, 7. 2, 34, 1 und 3, 105, 2. Dagegen ist noch 3, 2, 2 eine Lücke anzunehmen; vgl. meine Ausführungen a. O. 159 ff. 8
Quaest. Caes. 150 ff.
Caesars Bellum civile
99
hinweg und hält an seiner Auffassung fest mit der Begründung, es sei bisher noch nicht gelungen, einen Caesar würdigen Text herzustellen. Aber das beweist nichts. Dessen waren sich natürlich alle bewußt 1 ), die sich bisher um ein Verständnis und eine Heilung der Stelle bemühten. Offenbar war im Archetypon unserer Handschriften an unserer Stelle der Text nur teilweise beschädigt, so daß einzelne Stücke noch entziffert werden konnten; an anderen Stellen des BC dagegen, wo der Text mitten im Satz abbricht und eine größere Lücke folgt (1, 39, 2. 3, 8, 4. 10,11. 50, 2), war die Beschädigung so stark, daß nichts mehr gelesen werden konnte. 2, 32; 37, 2. Curio setzt in seiner Rede (2, 32) voraus, daß ihm die Besitzergreifung der beiden Spanien durch Caesar bereits bekannt war. KLOTZ S. 87 ff., und mit ihm andere, sahen darin einen Widerspruch mit 2, 37, 2 (iamque Caesaris in Hispania res secundae in Africam nuntiis ac litteris perferebantur)] denn aus diesen Worten ergebe „sich unzweideutig, daß erst zu diesem Zeitpunkte, also frühestens im Laufe des der Ansprache folgenden Tages, die Kunde von Caesars spanischem Siege eingetroffen ist". Ich habe meinerseits (S. 143 f.) einen Widerspruch zwischen den Anspielungen der Rede Curios auf Caesars spanische Erfolge und jenem Satz nicht finden können. Leider ist es mir nicht gelungen, K L O T Z ZU überzeugen: Er hält an seiner Auffassung fest und bemerkt praef. XII, ich habe versucht, jenen Satz mirum in modum detorquere. Da ich meine eigene Auffassung nach wie vor für richtig halte und den Eindruck habe, von K L O T Z nicht verstanden worden zu sein, möchte ich sie hier noch einmal und, wenn möglich, noch deutlicher entwickeln. Zwei Tage nach seiner Rede (vgl. 2, 36,1 mit 33, 2) nahm Curio die Belagerung von Utica in Angriff. Zunächst schien alles gut zu gehen, und man dachte in Utica schon an Übergabe: Da kam die Nachricht, daß der König Juba mit einem Heer im Anmarsch sei; das gab den Belagerten neuen Mut. Aber Curio schenkte der Nachricht keinen Glauben; und Caesar begründet Curios Zweifel wie folgt: tantam habebat suarum rerum fiduciam; iamque Caesaris in Hi1
V g l . z. B . FABBE I 9 3 , 1. 7*
100
KABL BARWICK
spania res secundae in Africam nuntiis ac litteris perferebantur. quibus omnibtis rebus sublatus nihil contra se regem nisurum existimabat. Danach muß Curio, als er den Anmarsch Jubas erfuhr, der Meinung gewesen sein, daß die Nachricht von Caesars Erfolgen in Spanien auch zu dem König gedrungen war. Denn dies bestimmte ja Curio mit zu dem Glauben, daß der König nichts gegen ihn unternehmen würde. Nun beachte man auch das Imperfekt perferebantur. „Als Tempus der unbestimmt lange dauernden Handlung" ( S C H M A L Z - H O F M A N N 559) deutet es darauf hin, daß die Nachricht von Caesars Erfolgen in Spanien seit einiger Zeit und immer wieder nach Afrika, und also auch zu Juba, drang. Und die Rede Curios liegt nach Caesars Darstellung den in c. 36 f. geschilderten Ereignissen nur zwei Tage voraus. Ich sehe daher nicht, wie ein Widerspruch zwischen den Anspielungen der Rede Curios und 2, 37, 2 bestehen sollte. Ferner nahm K L O T Z praef. X I I auch daran Anstoß, daß Curio in seiner Rede (2, 32) nicht nur die Niederlage der Pompejaner im diesseitigen Spanien, sondern auch die Übergabe des jenseitigen Spanien voraussetze: das stehe in Widerspruch zu der Zeit des afrikanischen Feldzugs. Denn die Kapitulation des Afranius und Petreius im diesseitigen Spanien habe, wie K L O T Z richtig bemerkt, am 2. August stattgefunden, und erst Anfang September sei Caesar im jenseitigen Spanien eingetroffen. Aber, behauptet nun K L O T Z weiter, schon am 8. August war Curio in Afrika gelandet und kaum 12 Tage später, am 20. August, bereits gefallen. Damit hätte sich Caesar in der Tat einen groben Verstoß gegen die Chronologie 1 ) zuschulden kommen lassen, vorausgesetzt, daß K L O T Z den Feldzug in Afrika zeitlich richtig angesetzt hat. Das ist aber nicht der Fall. K L O T Z folgt bei seinem Ansatz des afrikanischen Feldzuges, stillschweigend und ohne seine Quelle zu überprüfen, der Berechnung von S T O F F E L , der a. 0 . 1 , 305 ff. die Landung Curios auf den 8. Au1
Der Verstoß wäre übrigens, nebenbei bemerkt, noch keineswegs ein Be weis für die Nichtvollendung des BC.
Caesars Bellum civile
101
gust ansetzt und seinen Tod 12 Tage später, auf den 20. August 1 ). Über die Dauer des afrikanischen Feldzuges kann nach den Andeutungen Caesars kein Zweifel sein; sie betrug 10—12 Tage: ob 10 Tage, wie M E U S E L , oder 12 Tage, wie S T O F F E L meint, ist für unsere Frage ziemlich gleichgültig. S T O F F E L berechnet nun das Datum der Landung (8. August), indem er die (bekannte) Dauer des Feldzuges kombiniert mit der Tatsache, daß Curio in seiner Rede die Kapitulation des Afranius und Petreius (2. August) als bekannt voraussetzt. Er hat dabei seltsamerweise übersehen, daß Curio in der gleichen Rede sich zweimal auch auf die Übergabe des jenseitigen Spaniens (2, 32, 5 an vero in Hispania res gestas Caesaris non audistis? duos pulsos exercitus, duos superatos duces, duas receptas provincias? § 13 Hispaniarum deditionem) bezieht, die über einen Monat später als die des diesseitigen Spaniens erfolgte. Dieses Versehen ist sowohl M E U S E L wie K L O T Z entgangen. Und nur auf dieses Versehen gründet sich die Annahme von K L O T Z , Caesar habe sich in 2, 32 eines Verstoßes gegen die Chronologie schuldig gemacht. Curio ist eben nicht, wie aus seiner Rede c. 32 und Caesars Andeutungen über die Dauer des afrikanischen Feldzuges gefolgert werden muß, im August 2 ), sondern erst im September gefallen. 2, 3 4 , 1 . Nach 2 , 3 4 , 1 (committeret) statuierte P A U L eine Lücke, die später auch von anderen Herausgebern gebilligt wurde. K L O T Z bemerkt im Apparat seiner ersten Ausgabe zu der Stelle: post committeret lacunam statuit Paul, ac sane desideratur aliquid, sed ego Caesarem hoc postea additurum fuisse censeo. Dagegen wandte ich mich S. 155 f. und erklärte, es sei „schwer einzusehen, weshalb Caesar selbst im Text eine kleine Lücke (denn nur um eine solche könnte es sich handeln) gelassen haben soll, um sie bei einer späteren 1 Auch METTSEL (ZU 2, 23, 1, Krit. Anh. zu 2, 24, 1 und seine Zeittafel S. 371) folgt STOFFEL, freilich mit einer geringfügigen Abweichung. Nach ihm landet Curio am 11. August; als Todestag Curios nimmt auch MEUSEL den 20. August an. 2 So z. B. auch DRUMANN-GROBE I I I 405. Unrichtig oder ungenau auch MOMMSEN, der RG I I I 404 bemerkt, Curio sei im August oder September 705 gefallen.
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KARL BABWICK
Gelegenheit auszufüllen". Darüber hinaus suchte ich zu begründen, daß die Annahme einer Lücke überhaupt nicht in Frage komme, wenn man, die bisher übliche Interpunktion ändernd, nach committeret ein Komma setzt, und das folgende simul = simulatque auffasse. In seiner Neuausgabe notiert nun K L O T Z Z. St.: post committeret hiare sententiam sensit Paul, errare videtur B A R W I C K p. 155. K L O T Z hat also seine frühere, von mir bekämpfte Auffassung stillschweigend aufgegeben und glaubt nun an eine durch die Überlieferung verschuldete Lückenhaftigkeit des Textes 1 ). Dies Zu-geständnis genügt mir. Da K L O T Z seinen Zweifel an der Richtigkeit der von mir vorgeschlagenen Interpretation nicht begründet, kann ich nicht näher darauf eingehen und möchte nur betonen, daß ich an ihr auch jetzt noch festhalte. 2, 35, 1—2. K L O T Z rahmt diesen Abschnitt in seiner ersten und zweiten Ausgabe mit je einem Sternchen ein, um damit anzudeuten, daß der Abschnitt mangelhaft in den Zusammenhang eingeordnet sei. Demgegenüber wies ich S. 144 ff. nach, daß die gleiche oder eine ganz ähnliche Art der Komposition sich öfter bei Caesar finde und nicht beanstandet werden dürfe. Ich führte beispielsweise 3, 8 , 1 an, wo bisher noch niemand Anstoß genommen habe, ferner 3, 94, 3—4 und 3, 96,1—2, zwei Abschnitte, die K L O T Z ebenfalls unberechtigterweise mit Sternchen versehen habe. In seiner zweiten Ausgabe hat dann K L O T Z an diesen beiden Stellen die Sternchen, mit Rücksicht auf meine Einwände, fortgelassen, dagegen 2, 35, 1—2 beibehalten. Er begründet das praef. X I I I f. mit dem Hinweis, man erwarte in c. 35, 3, wo nach dem exkursartigen Abschnitt c. 35,1—2 fortgefahren wird mit den Worten hac fugientium multitudine ac turba, statt des Pronomens hic das Pronomen itte. Aber K L O T Z hat nicht beachtet, daß mit hac f . m. ac t. die ersten Worte des Exkurses c. 3 5 , 1 qua in fuga e q s = hac in fuga wieder aufgenommen werden. Überdies scheint hic mit Vorliebe verwandt 1
Trotzdem versieht er ihn seltsamerweise mit einem Sternchen. Uber seine Bedeutung bemerkt KLOTZ in der praefatio seiner ersten Ausgabe p. X : stellulam * adponendam curavi qua non ultimam limam locum subiisse monerem.
103
Caesars Bellum civile
worden zu sein, wenn nach einem Exkurs auf die ihm vorausliegende Partie wieder zurückgegriffen wird, wie z.B. in Y I I 2 4 , 1 : VII 22 läßt Caesar den Faden der Erzählung fallen und legt (c. 23) einen Exkurs über den gallischen Mauerbau ein. Dann heißt es in c. 24, 1, die Erzählung von c. 22 wieder aufnehmend und fortführend, weiter: his tot rebus e q s. Mit dem gleichen Recht wie in 2, 35, 3 könnte K L O T Z auch hier das Pronomen hic beanstanden und ille erwarten. 3, 6, 2 : supra
impositae,
bemerkt
KLOTZ
quod aliter scripturum
ut supra
demonstratum,
est, legiones
VII.
Zu
im Apparat seiner ersten Ausgabe: cf. 3, 2, 2, fuisse
Caesarem
suspicor,
si libros
perfecisset.
In seiner zweiten Ausgabe wiederholt K L O T Z diese Bemerkung mit einem Hinweis auf die Ausgabe von F A B R E II p. 9 (lies 10), der ebenfalls beanstandet, daß an der Stelle (3, 2, 2), auf die mit ut supra demonstratum est verwiesen wird, von 7 Legionen nicht die Rede ist. Ich habe S. 159 ff. eingehend gezeigt, daß 3 , 2 , 2 der überlieferte Text nicht nur korrupt, sondern auch lückenhaft ist und daß sich so die scheinbare Unstimmigkeit der Rückverweisung erklärt. Ich habe mich dabei auch mit der von K L O T Z aus F A B R E zitierten Stelle auseinandergesetzt. Um so mehr ist es verwunderlich, daß dieser wohl auf F A B R E , mit keinem Wort aber auf meine Ausführungen verweist, doch wohl, weil er sich ihrer nicht erinnert hat. Ich sehe daher keine Veranlassung, das früher von mir Gesagte, das ich auch jetzt noch für richtig halte, hier zu wiederholen. 3, 8, 4. 10, 11. 50, 2. An diesen drei Stellen bricht der überlieferte Text mitten im Satz ab; es folgt eine größere Lücke. Trotzdem äußert K L O T Z im Apparat seiner ersten Ausgabe die Vermutung, daß Caesar selbst in dieser verstümmelten Form den Text hinterlassen habe und versieht ihn nach seiner Gepflogenheit mit einem Sternchen. Seine Vermutung begründet er praef. X. der ersten Ausgabe: similiter ut Vergilius Aeneidem ne Caesar quidem'belli civilis commentarios continuos scripsit, sed modo hic modo illic partem quandam elaboravit, alia quasi tibicinibus fulsit. quae si concesseris, ne iis quidem locis quibus ipsa oratio imperfecta est, textum mutilatum esse statuemus, sed Caesarem ipsum laborem
104
K A R L BARWICK
interrupisse 1 ). Dazu bemerkte ich S. 158: „Es ist von vornherein äußerst unwahrscheinlich, daß Caesar in dieser "Weise gearbeitet und wiederholt soga,r einen Satz unvollendet gelassen haben sollte. Das letztere ist allenfalls bei einem wie Virgil mit dem Stoffe und den Schwierigkeiten des Verses ringenden Dichter verständlich, aber nicht bei einem Caesar, der mit spielender Leichtigkeit und Schnelligkeit (vgl. BG VIII praef. 6) in dem leicht geschürzten Kommentarienstil seine eigenen Taten beschrieben hat." Außerdem wies ich darauf hin, daß 3, 67, 5 auf den Inhalt der Lücke von 3, 8, 4 und 3, 58,1 (vgl. auch 3, 53,1) auf den von 3, 50, 2 zurückverwiesen wird. Gleichwohl beharrt K L O T Z in seiner zweiten Ausgabe auf seiner früheren Auffassung, ohne meine Einwände auch nur zu erwähnen. Nur 3, 10,11, also ausgerechnet an der Stelle, wo eine Rückverweisung auf den Inhalt der Lücke nicht vorliegt, glaubt K L O T Z jetzt, anders als früher, an die Schuld der Überlieferung. Warum nicht auch an den beiden anderen Stellen? Auch 1, 39, 2 besteht, wie K L O T Z richtig notiert, eine größere Lücke2), und der Text bricht mitten im Satz ab. Warum schiebt K L O T Z nicht auch hier Caesar die Schuld an der Lückenhaftigkeit des Textes zu? 3, 55. Zu diesem Kapitel bemerkt N I P P E R D E Y : caput 55 aptius post 56 legeretur] er hat sich aber gescheut, die Umstellung wirklich vorzunehmen 3 ). Dagegen hat Klotz die Umstellung vollzogen und darüber hinaus die Vermutung geäußert, die Störung der Anordnung sei Caesar selber, und nicht der Überlieferung, zur Last zu legen. Diese Vermutung ist unbegründet und hängt völlig in der Luft. Überdies hatte ich schon S. 148 f. den Nachweis versucht, daß kein Grund bestehe, die überlieferte Anordnung der fraglichen Kapitel zu beanstanden. Ich möchte hier dem früher Gesagten noch einiges hinzufügen und vor allem klarstellen, weshalb Caesar die überlieferte Anordnung gewählt hat. N I P P E R D E Y hatte seine Ansicht, 1
Ähnlich praef. XIV der zweiten Ausgabe. Über ihren Inhalt vgl. meine Ausführungen a. O. 161 ff. 3 Was KLOTZ irrtümlich im Apparat seiner zweiten Ausgabe behauptet. In der ersten Ausgabe hatte er fälschlich DÜBNER statt NIPPERDEY genannt. Aber auch DÜBNER hat die überlieferte Anordnung im Text belassen. 2
Caesars Bellum civile
105
c. 55 stehe passender nach c. 56, nicht begründet; aber es dürfte nicht zweifelhaft sein, was ihn dazu veranlaßte. In c. 41 wird Caesars Marsch in die Gegend von Dyrrhachium erzählt; und alles was weiter, bis c. 54, berichtet wird, beschäftigt sich mit den Ereignissen vor dieser Stadt. Anschließend handelt c. 55 von der Entsendung des Q. Calenus nach Achaia und den dortigen Vorgängen. Dann greift c. 56 auf die Ereignisse vor Dyrrhachium zurück und erzählt, Caesar habe alle Tage hindurch, hintereinander (omnibus deinceps diebus), Pompeius vergeblich die Schlacht angeboten. Es folgt in c. 57 Caesars Versuch, durch Vermittlung Scipiös eine Verständigung mit Pompeius herbeizuführen. Offenbar hat NIPPERDEY es als störend empfunden, daß die zusammenhängende Darstellung der Ereignisse vor Dyrrhachium (c. 41—54 + 56) durch die Schilderung der Operationen in Achaia (c.-55) unterbrochen wird. Aber daß diese Anordnung von Caesar beabsichtigt war, darf man aus dem ersten Satz von c. 57 entnehmen: haec cum in Achaia atque apud Dyrrhachium gererentur Scipionemque in Macedoniam venisse consiaret, non oblitus pristini instituti Caesar mittit ad eum Clodium e q s . Achaia und Dyrrhachium werden hier in der Reihenfolge genannt, wie sie nach der überlieferten Reihenfolge der Kapitel 55 und 56 zu erwarten ist. Und vor allem: Wird c. 55 hinter c. 56 gerückt, so werden zwar die Ereignisse vor Dyrrhachium von c. 41 ab zusammenhängend und in einem Zug erzählt, aber die Zeitbestimmung der Entsendung des Clodius zu Scipio c. 57, 1 (haec — gererentur) wird nach der Umstellung ganz vage. Denn jene Vorgänge bei Dyrrhachium (41—54 + 56) spielten sich ungefähr ab von Mitte April bis Ende Juni, und man weiß nun nicht, wann in diesem langen Zeitraum die Botschaft an Scipio gesandt wurde. Beläßt man dagegen c. 56 an der überlieferten Stelle, so kann sich apud Dyrrhachium c. 57, 1 nur auf die unmittelbar vorher in c. 56 erwähnten Vorgänge beziehen, und der Leser weiß genau, wann die Friedensaktion bei Scipio unternommen wurde: unmittelbar nach den in c. 41—54 geschilderten Ereignissen, d. h. während der Tage, als Caesar fort-
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laufend dem Pompeius eine Schlacht anbot. Ungefähr gleichzeitig war Q. Calenus mit seinen Operationen in Achaia beschäftigt. 3 , 1 0 5 , 3 . Hier nahm GLANDORP vor item eine Lücke an. K L O T Z schließt sich ihm in seinen beiden Ausgaben an und meint, daß „vielleicht" Caesar selbst die Schuld an der Lücke trüge. Diese Vermutung ist völlig willkürlich und durch nichts zu beweisen. Viele Herausgeber, und nicht die schlechtesten, glaubten überhaupt nicht an eine Lücke, so z. B. N I P F E R D E Y . Ich selber habe mich S. 156 f. eingehend mit der Stelle beschäftigt und nachgewiesen, daß die Annahme einer Lücke auf einer falschen Interpretation beruht. K L O T Z übergeht meine Ausführungen auch hier mit Stillschweigen. 2. Das BC von Caesar selbst veröffentlicht Wenn sich keine durchschlagenden Gründe für die Nichtvollendung des BC erbringen lassen, also anzunehmen ist, daß Caesar es in fertigem Zustand hinterlassen hat, dann besteht von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit, daß es zu Lebzeiten Caesars und von ihm selbst veröffentlicht worden ist 1 ). Den strikten Beweis dafür liefert eine Notiz bei Hirtius in seinem Einleitungsbrief a,n Baibus BG VIII 3 ff. Ich habe zwar früher bereits a. 0 . 1 6 5 f. diesen Brief besprochen; es wird aber zweckmäßig sein, hier noch einmal darauf einzugehen. Hirtius bemerkt an der genannten Stelle: Wenn doch meine Leser wüßten, wie ungern ich die vorliegende Arbeit (Caesars BG und BC fortzusetzen) übernommen habe, quo facilius caream stultitiae atque arrogantiae crimine, qui me mediis interposuerim Caesaris scriptis. constat enim inter omnes nihil tarn operose ab aliis esse perfectum, quod non horum elegantia 1
Daß das nicht der Fall sei, wollte man, und so auch KLOTZ (Rhein. Mus. €6,1911,81), aus einer Bemerkung Pollios bei Suet. Caes. 56, 4 erschließen, aber sicher zu Unrecht; vgl. meine Ausführungen a. O. 136 f. Während KLOTZ noch Beitr. z. Altertumskunde, hrg. v. 6. RÄBKE und A. BOBK 1949 S. 71 in jener Bemerkung Pollios einen Beweis für die posthume Veröffentlichung des BC sah, hat er jetzt in der Neuausgabe (1950) praef. VIII seine frühere Auffassung preisgegeben.
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KABL BARWICK
laufend dem Pompeius eine Schlacht anbot. Ungefähr gleichzeitig war Q. Calenus mit seinen Operationen in Achaia beschäftigt. 3 , 1 0 5 , 3 . Hier nahm GLANDORP vor item eine Lücke an. K L O T Z schließt sich ihm in seinen beiden Ausgaben an und meint, daß „vielleicht" Caesar selbst die Schuld an der Lücke trüge. Diese Vermutung ist völlig willkürlich und durch nichts zu beweisen. Viele Herausgeber, und nicht die schlechtesten, glaubten überhaupt nicht an eine Lücke, so z. B. N I P F E R D E Y . Ich selber habe mich S. 156 f. eingehend mit der Stelle beschäftigt und nachgewiesen, daß die Annahme einer Lücke auf einer falschen Interpretation beruht. K L O T Z übergeht meine Ausführungen auch hier mit Stillschweigen. 2. Das BC von Caesar selbst veröffentlicht Wenn sich keine durchschlagenden Gründe für die Nichtvollendung des BC erbringen lassen, also anzunehmen ist, daß Caesar es in fertigem Zustand hinterlassen hat, dann besteht von vornherein die größte Wahrscheinlichkeit, daß es zu Lebzeiten Caesars und von ihm selbst veröffentlicht worden ist 1 ). Den strikten Beweis dafür liefert eine Notiz bei Hirtius in seinem Einleitungsbrief a,n Baibus BG VIII 3 ff. Ich habe zwar früher bereits a. 0 . 1 6 5 f. diesen Brief besprochen; es wird aber zweckmäßig sein, hier noch einmal darauf einzugehen. Hirtius bemerkt an der genannten Stelle: Wenn doch meine Leser wüßten, wie ungern ich die vorliegende Arbeit (Caesars BG und BC fortzusetzen) übernommen habe, quo facilius caream stultitiae atque arrogantiae crimine, qui me mediis interposuerim Caesaris scriptis. constat enim inter omnes nihil tarn operose ab aliis esse perfectum, quod non horum elegantia 1
Daß das nicht der Fall sei, wollte man, und so auch KLOTZ (Rhein. Mus. €6,1911,81), aus einer Bemerkung Pollios bei Suet. Caes. 56, 4 erschließen, aber sicher zu Unrecht; vgl. meine Ausführungen a. O. 136 f. Während KLOTZ noch Beitr. z. Altertumskunde, hrg. v. 6. RÄBKE und A. BOBK 1949 S. 71 in jener Bemerkung Pollios einen Beweis für die posthume Veröffentlichung des BC sah, hat er jetzt in der Neuausgabe (1950) praef. VIII seine frühere Auffassung preisgegeben.
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Caesars Bellum civile commentariorum scriptoribus repta,
superetur.
deesset,
non praebita
qui sunt editi, ne scientia
adeoque facultas
probantur
scriptoribus
omnium videatur.
tantarum iudicio,
ut
rerum prae-
Mit den im ersten
Satz genannten scripta Caesaris, in deren Mitte sich Hirtius geschoben zu haben behauptet, können nur BG und BC gemeint sein; sein BG VIII füllt ja die von Caesar zwischen BG VII und BC gelassene Lücke. Um abzuwechseln, ersetzt Hirtius im zweiten Satz den Ausdruck scripta durch commentarii; damit sind also ebenfalls BG und BC gemeint. Von den Commentarii des BG und BC wird nun erstens ihre unübertreffliche elegantia gerühmt. Das wäre unmöglich,, wenn Hirtius und seine Zeitgenossen in dem BC das unvollendete und auch sprachlich nur mangelhaft durchgearbeitete Werk gesehen hätten, als das es von vielen in den letzten Jahrzehnten hingestellt wurde. Zweitens heißt es von jenen Commentarii, also auch von dem BCj- sie seien veröffentlicht worden {editi sunt), natürlich von Caesar selbst, wie nicht nur aus dem Zusammenhang geschlossen werden muß, sondern auch aus der Tatsache, daß Caesar das BG zweifellos selbst veröffentlicht hatte. Drittens wird vom BG und BC gerühmt: adeo probantur omnium iudicio, ut e q s. Das setzt voraus, daß, als Hirtius diese Worte schrieb, auch das BC bereits allgemein und daher seit längerer Zeit der Öffentlichkeit bekannt war. Das letztere ist aber nur möglich, wenn es schon vor Caesars Tod publiziert worden war: An den Iden des März 44 wurde Caesar ermordet. Im Spätsommer des gleichen Jahres verfiel Hirtius iin eine schwere und lange Krankheit, von der er noch nicht genesen war, als er Anfang Januar 43 gegen Antonius zu Felde zog (Cic. Phil. 1, 37 f. 7,11 f. 8, 5. 10,16. 14, 4. Fam. 12, 22, 2). Am 21. April 43 fiel er bereits in der Schlacht bei Mutina. Seit Beginn seiner Krankheit bis zu seinem Tod kam also eine literarische Tätigkeit für ihn kaum noch in Frage. So dürfte frühestens der Sommer 44 als Abfassungszeit von BG VIII in Frage kommen. Andererseits ist bei der Voraussetzung, die Freunde Caesars hätten nach dessen Tod sich entschlossen, das BC zu veröffentlichen, kaum anzunehmen, daß sie diesen Entschluß unmittelbar nach den Iden des März gefaßt hatten. K A L I N K A ist
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also gewiß im Recht, wenn er (Burs. Jahresber. 264,1939, 211) meint, daß zwischen der Ermordung Caesars und dem Brief des Hirtius nur „wenige Wochen" lägen. Daher kann Hirtius kurz: nach Caesars Tod nur dann eine allgemeine Bekanntschaft mit dem BC voraussetzen, wenn es bereits vor den Iden des März 44 veröffentlicht worden war. Die von KALINKA früher 1 ) vertretene These, das BC sei zu Lebzeiten Caesars, aber gegen seine Absicht und hinter seinem Rücken publiziert worden, entbehrt jeder Grundlage und Wahrscheinlichkeit. • 3. Das BC vor Ende 46 veröffentlicht Daß das BC spätestens im Jahr 46 veröffentlicht wurde, ergibt sich aus Ciceros Rede Pro Ligario, die im Spätherbst 46 vor Caesar gehalten wurde. Die Rede enthält § 18 f. eine Reihe von Gedanken, die ganz ähnlich im BC wiederkehren. Zunächst richtet Cicero an C a e s a r die F r a g e : tua quid
meliarn propulsare? maleficii
causa
inimicorum Romani
ex
provincia
def ender et;
beneficium
aliud
arma
voluerunt,
nisi
a te
contu-
Im BC behauptet Caesar (1,22,5): se non egressum,
vgl. a u c h
sibi
sed
uti
se
1, 9, 2 doluisse
per contumeliam
a
se,
ab inimicis
— Cicero f r a g t w e i t e r : quid egit tuus invictus
contumeliis quod
fopuli
extorqueretur.
exercitus,
nisi ut
suum
ius tueretur et dignitatem tuam? In Caesars Referat über seine Rede v o r d e n S o l d a t e n h e i ß t es 1, 7, 7: hortatur existimationem
dignitatemque
lites) . . . sese paratos
ab inimicis
esse imperatoris
(milites),
defendant.
. . . ut conclamant
sui tribunorumque
eius (mi-
plebis
in-
iuriam defendere-, vgl. auch 3, 91, 2, wo der Evokat Crastinus zu seinen K a m e r a d e n s a g t : suam
dignitatem
quo
et nos nostram
(proelio) libertatem
confecto
et ille
(imperator)
recuperabimus.
— Dann
erinnert Cicero an Caesars Bemühungen um eine Verständigung m i t seinen G e g n e r n : quid? tu, cum pacem esse cupiebas, ut tibi cum sceleratis,
an cum bonis civibus
conveniret?
idne
agebas,
Caesars zahl-
reiche Versuche, auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen, werden im BC sorgfältig registriert. —• Endlich bemerkt Cicero: secessionem tu illam existimasti, 1
Vgl. meine Anm. a. O. 166.
108
KARL BARWICK
also gewiß im Recht, wenn er (Burs. Jahresber. 264,1939, 211) meint, daß zwischen der Ermordung Caesars und dem Brief des Hirtius nur „wenige Wochen" lägen. Daher kann Hirtius kurz: nach Caesars Tod nur dann eine allgemeine Bekanntschaft mit dem BC voraussetzen, wenn es bereits vor den Iden des März 44 veröffentlicht worden war. Die von KALINKA früher 1 ) vertretene These, das BC sei zu Lebzeiten Caesars, aber gegen seine Absicht und hinter seinem Rücken publiziert worden, entbehrt jeder Grundlage und Wahrscheinlichkeit. • 3. Das BC vor Ende 46 veröffentlicht Daß das BC spätestens im Jahr 46 veröffentlicht wurde, ergibt sich aus Ciceros Rede Pro Ligario, die im Spätherbst 46 vor Caesar gehalten wurde. Die Rede enthält § 18 f. eine Reihe von Gedanken, die ganz ähnlich im BC wiederkehren. Zunächst richtet Cicero an C a e s a r die F r a g e : tua quid
meliarn propulsare? maleficii
causa
inimicorum Romani
ex
provincia
def ender et;
beneficium
aliud
arma
voluerunt,
nisi
a te
contu-
Im BC behauptet Caesar (1,22,5): se non egressum,
vgl. a u c h
sibi
sed
uti
se
1, 9, 2 doluisse
per contumeliam
a
se,
ab inimicis
— Cicero f r a g t w e i t e r : quid egit tuus invictus
contumeliis quod
fopuli
extorqueretur.
exercitus,
nisi ut
suum
ius tueretur et dignitatem tuam? In Caesars Referat über seine Rede v o r d e n S o l d a t e n h e i ß t es 1, 7, 7: hortatur existimationem
dignitatemque
lites) . . . sese paratos
ab inimicis
esse imperatoris
(milites),
defendant.
. . . ut conclamant
sui tribunorumque
eius (mi-
plebis
in-
iuriam defendere-, vgl. auch 3, 91, 2, wo der Evokat Crastinus zu seinen K a m e r a d e n s a g t : suam
dignitatem
quo
et nos nostram
(proelio) libertatem
confecto
et ille
(imperator)
recuperabimus.
— Dann
erinnert Cicero an Caesars Bemühungen um eine Verständigung m i t seinen G e g n e r n : quid? tu, cum pacem esse cupiebas, ut tibi cum sceleratis,
an cum bonis civibus
conveniret?
idne
agebas,
Caesars zahl-
reiche Versuche, auch nach Ausbruch des Bürgerkrieges einen friedlichen Ausgleich herbeizuführen, werden im BC sorgfältig registriert. —• Endlich bemerkt Cicero: secessionem tu illam existimasti, 1
Vgl. meine Anm. a. O. 166.
109
Caesars Bellum civile
Caesar, initio, non bellum. Das erinnert an eine Äußerung Caesars im BC. Er war bereits Herr von Italien und hatte Pompeius in Brundisium eingeschlossen. Alle seine bisherigen Verständigungsversuche waren fehlgeschlagen; und nun sagt Caesar von sich 1, 26, 6 : ita saepius iatam
Caesar
rem (die V e r s t ä n d i g u n g s v e r s u c h e ) frustra
aliquando
dimittendam
sibi iudicat
et de bello
temp-
agendum\
d. h. jetzt, nachdem alle seine bisherigen Friedensbemühungen fehlgeschlagen sind, glaubt Caesar endlich an den Krieg (bellum) denken zu müssen. Nach seiner Auffassung bestand also bisher, d. h. initio, noch kein bellum, sondern ein Zustand, den Cicero als secessio bezeichnet. Die genannten Übereinstimmungen der Ligariana mit Stellen des BC lassen sich kaum anders erklären, als daß Cicero es gekannt hat. Vielleicht wird man einwenden, daß dem Redner seine an das BC anklingenden Gedanken vielleicht nicht durch dieses vermittelt worden sind, sondern ihm aus seiner sonstigen Kenntnis der Verhältnisse vertraut waren. Nun wird man gewiß zugeben müssen, daß Cicero das BC nicht gelesen zu haben brauchte, um über Caesars Verständigungsversuche in den Jahren 49 und 48 unterrichtet zu sein. Aber bei den anderen Übereinstimmungen liegen die Dinge doch anders; und wenn man bedenkt, daß die an das BC anklingenden Stellen der Rede auf engem Raum und unmittelbar hintereinander folgen und daß sie nicht nur inhaltlich, sondern z. T. auch im Wortlaut mit Stellen des BC sich decken, so wird man nicht um die Annahme herumkommen, daß Cicero bei der Niederschrift der Ligariana und gewiß auch schon zur .Zeit, als er sie hielt, das BC gekannt und wahrscheinlich absichtlich, mit einer fein berechnenden Schmeichelei für Caesar, daran hat erinnern wollen. 4. Das BC vor 46 entstanden a) Legalitätstendenz des BC
Sehr bedeutsam für die Beurteilung der Abfassungszeit des BC ist eine das ganze Werk durchziehende Tendenz, auf die ich bisher noch nicht ausdrücklich hingewiesen habe. Nach Caesars Darstellung haben seine Gegner willkürlich sich über das Recht und
109
Caesars Bellum civile
Caesar, initio, non bellum. Das erinnert an eine Äußerung Caesars im BC. Er war bereits Herr von Italien und hatte Pompeius in Brundisium eingeschlossen. Alle seine bisherigen Verständigungsversuche waren fehlgeschlagen; und nun sagt Caesar von sich 1, 26, 6 : ita saepius iatam
Caesar
rem (die V e r s t ä n d i g u n g s v e r s u c h e ) frustra
aliquando
dimittendam
sibi iudicat
et de bello
temp-
agendum\
d. h. jetzt, nachdem alle seine bisherigen Friedensbemühungen fehlgeschlagen sind, glaubt Caesar endlich an den Krieg (bellum) denken zu müssen. Nach seiner Auffassung bestand also bisher, d. h. initio, noch kein bellum, sondern ein Zustand, den Cicero als secessio bezeichnet. Die genannten Übereinstimmungen der Ligariana mit Stellen des BC lassen sich kaum anders erklären, als daß Cicero es gekannt hat. Vielleicht wird man einwenden, daß dem Redner seine an das BC anklingenden Gedanken vielleicht nicht durch dieses vermittelt worden sind, sondern ihm aus seiner sonstigen Kenntnis der Verhältnisse vertraut waren. Nun wird man gewiß zugeben müssen, daß Cicero das BC nicht gelesen zu haben brauchte, um über Caesars Verständigungsversuche in den Jahren 49 und 48 unterrichtet zu sein. Aber bei den anderen Übereinstimmungen liegen die Dinge doch anders; und wenn man bedenkt, daß die an das BC anklingenden Stellen der Rede auf engem Raum und unmittelbar hintereinander folgen und daß sie nicht nur inhaltlich, sondern z. T. auch im Wortlaut mit Stellen des BC sich decken, so wird man nicht um die Annahme herumkommen, daß Cicero bei der Niederschrift der Ligariana und gewiß auch schon zur .Zeit, als er sie hielt, das BC gekannt und wahrscheinlich absichtlich, mit einer fein berechnenden Schmeichelei für Caesar, daran hat erinnern wollen. 4. Das BC vor 46 entstanden a) Legalitätstendenz des BC
Sehr bedeutsam für die Beurteilung der Abfassungszeit des BC ist eine das ganze Werk durchziehende Tendenz, auf die ich bisher noch nicht ausdrücklich hingewiesen habe. Nach Caesars Darstellung haben seine Gegner willkürlich sich über das Recht und
110
Kahl Barwick
die herkömmliche Verfassung hinweggesetzt und sich nicht gescheut, im Senat wichtige Beschlüsse unter Anwendung gewalttätiger Druckmittel zustande zu bringen: vocibus consulis, terrore praesentis exercitus, minis amicorum Pompei plerique compulsi inviti et coacti Scipionis sententianp sequuntur : uti ante certam diem Caesaris exercitum dimittat; si non faciat, eum adversus rem publicam facturum videri (1, 2, 6). —• Omnes amici consulum, necessaria Pompei atque ii qui veteres inimicitias cum Caesare gerebant, in senatum coguntur. quorum vocibus et concursu terrentur infirmiores, dubii confirmantur, plerisque vero libere decernendi potestas eripitur (1,3,4f.). — His de causis aguntur omnia raptim atque turbate, nec docendi Caesaris propinquis eius spatium datur, nec tribunis plebis sui periculi deprecandi neque etiam extremi iuris intercessione retinendi, quod L. Sulla reliquerat, facultas tribuitur ; sed de sua salute septimo die cogitare coguntur, quod illi turbulentissimi superioribus temporibus tribuni plebis octavo (octo ß orto a) denique mense (menses ß) suarum (variarum ß) actionum respicere ac timer e consuerant. decurritur ad illud extremum atque ultimum senatus consultum, quo nisi paene in ipso urbis incendio atque in desperatione omnium salulis latronum (latorum co) audacia numquam ante descensum est: dent operam consules praetores tribuni plebis, quique (pro) consulibus sunt ad urbem, ne quid res publica detrimenti capiat (1, 5, 1 ff.). —• Provinciae privatis decernuntur, . . . Philippus et Cotta privato Consilio praetereuntur neque eorum sortes deiciuntur. . . . neque expectant (quod superioribus annis acciderat), ut de eorum imperio ad populum ferätur paludatique votis nuncupatis exeant. consules (quod ante id tempus accidit numquam) ex urbe proficiscuntur, lictoresque habent in urbe et Capitolio privati contra omnia vetustatis exempla1). tota Italia dilectus habentur, arma imperantur, pecuniae a municipiis exiguntur, e fanis tolluntur, omnia divina humanaque iura permiscentur (1, 6, 5 ff.). — Novum in re publica introductum exemplum queritur, ut tribunicia intercessio armis notaretur atque opprimeretur, quae superioribus annis (zur Zeit des C. Gracchus) armis esset restituta (1, 7, 2). — Iniuriam in eripiendis legio1
Zu den hier gerügten Verfassungsverletzungen vgl. oben Kap. I 1 d.
Caesars Bellum civile
111
nibus praedicat, crudelitatem et insolentiam in circumscribendis tribunis plebis (1, 32, 6). — Im Gegensatz dazu betont Caesar, er selber habe die Formen der herkömmlichen Verfassung nicht nur gewahrt, sondern sich auch für Freiheit, Recht und Verfassung eingesetzt. Er will nicht vor der gesetzlich festgelegten Zeit Konsul werden: docet se nullum extraordinarium honorem adpetisse, sed expectato legitimo tempore consulatus eo fuisse contentum, quod omnibus civibus pateret (1, 32, 2). — Dictatore habente comitia Caesare creantur Julius Caesar et P. Servilius; is enim erat annus, quo per leges ei consulem fieri licer et ( 3 , 1 , 1 ) . — Caesar weist wiederholt im 3. Buch darauf hin, daß er rechtmäßiger Konsul sei: . . . cum Uli . . . (die aus Parthinern bestehende Besatzung) . . . se contra imperium populi Romani pugnaturos negarent, oppidani autem etiam sua sponte Caesarem recipere conarentur (3,11, 4). Uli (die Bewohner von Apollonia) vero daturos (seil, obsides) se negare ñeque portas consuli praeclusuros ñeque sibi iudicium sumpturos contra atque omnis Italia populus Romanus iudicavisset (3, 12, 2). . . . nonnullae militum (Scipionis) voces cum audirentur sese contra hostem si ducerentur ituros, contra civem et consulem (Caesarem) arma non laturos (3, 31, 4). Interim controversias regum ad populum Romanum et ad se quod esset cónsul pertinere existimans (3,107, 2). — Caesar ist bereit, die Schlichtung des Streites zwischen ihm und Pompeius den verfassungsmäßigen Gewalten in Rom anheimzustellen: Ad omnia se descendere paratum atque omnia pati rei publicae causa, proficiscatur Pompeius in suas provincias, ipse exercitus dimittat (ipsi e. dimittant codd.), discedant in Italia omnes ab armis, metus e civitate tollatur, libera comitia atque omnis res publica senatui populoque Romano permittatur (1, 9, 5). — Caesar respektiert die Rechte des Volkes: Statuerat enim prius hos iudicio populi debere restituí quam suo beneficio videri receptos, ne . . . arrogans in praeripiendo populi beneficio videretur (3, 1, 5). condiciones pacis quoniam antea convenire non potuissent, Romae ab senatu et a populo peti debere (3, 10, 8). — Caesar fordert die Senatoren auf, ut rem publicam suscipiant atque una secum ad-* 'ministrent. sin timore defugiant, Ulis se oneri non futurum et per se
112
KARL BARWICK
rem publicam administraturum (1,32,7); d . h . am liebsten würde er verfassungsmäßig, unter Mitwirkung des Senates, regieren; erst wenn dieser seine Mitarbeit versagt, sieht er sich gezwungen, aus eigener Machtvollkommenheit zu handeln. — Caesar Hüter der Freiheit: se non maleficii causa ex provincia egressum, sed uti se a contumeliis inimicorum defenderet, ut tribunos plebis in ea re ex civitate expulsos in Suam dignitatem restitueret et se et populum Romanum factione paucorum oppressum in libertatem vindicaret (1, 22, 5). Caesars Evokat Crastinus spricht: quo (proelio) confecto et ille (Caesar) suam dignitatem et nos nostram libertatem recuperabimus (3, 91, 2). — Caesar Beschützer des Yolkstribunates: die bedrohten Volkstribunen profugiunt statim ex urbe seseque ad Caesarem conferunt (1, 5, 5). conclamant legionis XIII quae aderat milites . . sese paratos esse imperatoris sui tribunorumque plebis iniurias defendere (1, 7, 8); vgl. auch 1, 22, 5 (oben ausgeschrieben). So ist Caesar unverkennbar bemüht, sich, im Gegensatz zu seinen Feinden, als Wahrer und Hüter- der verfassungsmäßigen Einrichtungen und der Freiheit des Volkes hinzustellen. Bei der Situation, in der sich Caesar zu Beginn des Bürgerkrieges befand, ist das nur zu verständlich. Er war, unter Verletzung der herkömmlichen Ordnung, mit bewaffneter Macht in Italien einmarschiert; die verfassungsmäßigen Organe der Regierung mußten, sofern sie ihm sich nicht fügen wollten, fliehen und die Halbinsel verlassen. Und daher versucht Caesar, wie wir sahen (11), die Schuld an seinem Verhalten, und d. h. an dem Ausbruch des Bürgerkrieges, von sich auf seine Gegner abzuwälzen; er versucht weiter, wie wir sahen {I 3), seine Gegner für die Fortdauer der Feindseligkeiten verantwortlich zu machen; und in diesen Zusammenhang gehört nun auch seine im BC sich aussprechende Absicht, sein eigenes Tun und Lassen, im Gegensatz zu dem seiner Gegner, mit einem Schein von Legalität zu umkleiden. Auf diese „Legalitätstendenz des BC" hatte schon W I C K E R T 1 ) hingewiesen und mit Recht betont, sie sei „unsinnig, ja sogar lächerlich, sobald er (Caesar) begonnen hatte, in eindeutiger und 1
Klio 30 (1937) 246 ff.
113
Caesars Bellum civile
allen kenntlicher Weise die Verfassung zu zerschlagen" (249). Und W I C K E R T betont weiter, unter Hinweis auf D R U M A N N - GROBE III 4751), „daß die Ehrenbeschlüsse nach dem Eintreffen der Siegesnachricht von Pharsalus die ersten Durchbrechungen der Verfassung bedeuten". Nach Thapsus traten dann bekanntlich Caesars monarchische Tendenzen und sein Bestreben, die alte Verfassung zu zerschlagen, immer unverhüllter zutage. Daraus ergibt sich der Schluß, den auch W I C K E R T als folgerichtig anerkennt, daß Caesar das BC nicht nach 47 geschrieben hat 2 ). W I C K E R T hat nun freilich diesen Schluß nicht gezogen, da er in dem herkömmlichen Glauben befangen war, „daß Caesar erst nach der Schlacht bei Thapsus, vielleicht erst nach Munda, das BC ausgearbeitet hat und daß nicht eigener Entschluß, sondern seine Ermordung die Vollendung des Werkes verhinderte" (249). Unter diesen Umständen sah W I C K E R T „nur eine Möglichkeit, die Legalitätstendenz des BCzu erklären: Caesars Absicht war nachzuweisen, nicht nur, daß er den Frieden gewollt habe, sondern auch, daß er im Kampf mit den Pompejanern und im Gegensatz zu ihnen alles getan habe, um die alte res publica zu retten, daß aber das Verhalten der Gegner und die Ereignisse selbst es ihm unmöglich gemacht hätten, diesen Plan durchzuführen, daß er Schritt für Schritt gegen seinen ursprünglichen Willen mit zwingender Notwendigkeit dazu geführt worden sei, die Verfassung in der Weise umzugestalten, daß die Monarchie und — können wir hinzufügen —• der Reichsstaat das Ergebnis sein mußten" (250). Caesar habe „in dem BC eine Entwicklungsgeschichte seiner Monarchie geben und seine Revolution als notwendig erweisen3)" wollen (250). Diese neu1
Vgl. auch BD. MEYER a. O. 370 f. An das Jahr 4 7 denkt GELZER in einem am 13. März 1 9 4 1 gehaltenen Vortrag, jetzt abgedruckt in Vom römischen Staat II 147 ff. (176). Auch FABRE in der Einleitung seiner Ausgabe des BC (p. XXI f.) hält es für höchst wahrscheinlich, daß dessen Abfassungszeit vor Thapsus liegt, und d. h. vor 46; denn Caesar setzte Ende 47 nach Afrika über, und niemand wird glauben, daß es dort entstanden ist. 3 Ähnlich urteilt WICKERT auch N. Jahrb. f. ant. u. deutsche Bildung 1941 2
S . 19. Barwiok
8
114
KABL BABWICK
artige Auffassung des BC hängt völlig in der Luft, sie hat in dem Werk selber keinen Anhalt: W I C K E R T kann sich nur auf Caesars Ausspruch vor den Senatoren 1, 32, 7 berufen, der aber, wie wir oben (II 4 a) festgestellt haben, durchaus in Übereinstimmung mit seiner Legalitätstendenz ist. b) Caesars Charakteristik seiner Gegner
Man hat immer wieder bei der Lektüre des BC den Eindruck, daß die großen Erregungen, die die schicksalsschweren Ereignisse der Jahre 49 und 48 in Caesars Seele auslösen mußten, in seiner Darstellung noch stark nachzittern, und daß der Verfasser bei der Niederschrift noch nicht genügend Abstand von den Dingen gewonnen hatte. Das gilt u. a. auch für die Beurteilung seiner Gegner, die gelegentlich geradezu boshaft und sarkastisch ist. Ich greife nur einige wenige Beispiele heraus, so zunächst Pompeius. Auf seine Großsprechereien und die vernichtende Kritik seiner Eignung als Feldherr habe ich oben (I 5) schon hingewiesen. Es sei außerdem noch an die Rolle erinnert, die ihn Caesar (1,1—4) als Scharfmacher und Kriegstreiber spielen läßt. Dabei wird ausdrücklich betont (1, 4, 5), er habe den Krieg gewollt (rem ad arma deduci studebat). Und später (1, 30, 5) läßt Caesar seinen erbitterten Gegner Cato über Pompeius rundweg erklären, daß dieser non necessarium bellum suscepisset. Aber Pompeius hat nicht nur den Krieg angestiftet, er hat ihn nach seinem Ausbruch auch verlängert: Nach Caesars Darstellung war er es vor allem, der seine Bemühungen um eine Beendigung des Krieges immer wieder vereitelt hat. Nicht minder hart ist Caesars Urteil über Lentulus, der als Konsul während der Senatsverhaiidlungen in den ersten Tagen des Januar 49 sehr entschieden gegen Caesar Stellung genommen hatte. Über die Gründe dieser feindseligen Haltung äußert sich Caesar (1, 4, 2) in der d e n k b a r gehässigsten W e i s e : Lentulus aeris alieni magnitudine et spe exercitus ac provinciarum et regum appellandorum largitionibus movetur, seque alterum fore Sullam inter suos gloriatur, ad quem summa imperii redeat. D a s B e n e h m e n des L e n t u l u s w ä h r e n d
der Panik, die der rasche Vormarsch Caesars in Rom hervorruft,
115
Caesars Bellum civile
wird 1 , 1 4 , 1 lächerlich gemacht durch den Hinweis, dieser habe es mit seiner Flucht so eilig gehabt, daß er das geöffnete Ärarium n i c h t v e r s c h l o ß : quibus rebus Romam nuntiatis tantus repente terror invasit, ut cum Lentulus consul ad aperiendum aerarium venisset ad pecuniamque Pompeio ex senatus consulto proferendam, protinus aperto sanctiore aerario ex urbe profugeret. Die V e r u n g l i m p f u n g
wirkt um so peinlicher, als Caesars Behauptung, Lentulus habe das Ärar offenstehen lassen, eine bewußte Lüge ist 1 ). Später, in der Schilderung des Luxus im pompejanischen Lager (3, 96, 1), wird n u r der N a m e des L e n t u l u s g e n a n n t : in castris Pompei videre licuit trichilas structas, magnum argenti pondus expositum, recentibus caespitibus tabernacula constrata, Lud etiam Lentuli et nonnullorum tabernacula protecta hedera multaque praeterea quae nimiam luxuriem et victoriae fiduciam designarent. A u c h 3, 8 3 , 1 , wo Caesar in
boshafter Weise erzählt, wie seine Gegner vor der Schlacht bei Pharsalus sich um sein Priesteramt stritten, wird der Name des Lentulus als Bewerber nicht vergessen. Wie Lentulus, so werden auch Scipio als Gründe für seine feindselige Einstellung gegen Caesar nur unsachliche und egoistische Motive u n t e r s t e l l t , 1, 4, 3 : Scipionem eadem exercituum impellit, quos se pro necessitudine peio arbitratur, simul iudiciorum metus atque latio potentium, qui in re publica iudiciisque
spes provinciae partiturum cum ostentatio sui et tum plurimum
atque Pomadupolle-
bant. Besonders gehässig wird 3, 31—33 sein Verhalten in Syrien und Kleinasien geschildert. Mit bitterer Ironie beginnt Caesar: Scipio
detrimentis
quibusdam
circa montem Amanum
acceptis
impe-
ratorem se appellaverat. Er trieb, heißt es dann weiter, in rigoroser Weise Gelder in seiner Provinz ein, verließ mit seinen Truppen Syrien und zog nach der Provinz Asien, obwohl das erstere von den feindlichen Parthern bedroht war (finitimis hostibus Parthis
post
se relictis, qui paulo ante M. Crassum imperatorem interfecerant et M. Bibulum in obsidione habuerant 3, 31, 3). Als die wehrlose P r o -
vinz deshalb in größte Besorgnis und Furcht geriet und Stimmen unter Scipios Soldaten laut wurden, sese contra hostem si ducerenter 1
Vgl. oben I 2 a. 8*
116
Kahl Babwick
ituros, contra civem et consulem arma non laturos (B, 31, 4), wies er ihnen in Pergamum und anderen reichen Städten Asiens Winterquartiere an, überließ ihnen diese zur Plünderung und verteilte außerdem noch große Spenden an die Soldaten. Er selber und seine Untergebenen plünderten die Provinz in grauenhafter Weise aus, was in allen Einzelheiten ausgemalt wird; selbst die römischen Bürger wurden nicht verschont. Ja, Scipio hatte schon Befehl gegeben, die im Tempel der Diana zii Ephesus deponierten Gelder fortzuschaffen; und nur der plötzlichen Landung Caesars in Epirus war es zu danken, daß es nicht dazu kam, da Scipio von Pompeius zum sofortigen Aufbruch gedrängt wurde. Auch später, als Caesar den würdelosen Streit der römischen Großen um sein Priesteramt schildert, wird Scipio mit als Bewerber genannt (3, 83, 1). Die Charakteristik der erwähnten und anderer Gegner Caesars ist derart gehässig und boshaft, daß sie bei einem sonst so hochsinnigen Mann wie Caesar befremdet. Sie ist am ehesten verständlich, wenn sie aus einer Zeit stammt, als Caesar von dem unmittelbaren Eindruck des Geschehens der Jahre 49 und 48 noch stark und leidenschaftlich bewegt wurde. Das war schon nicht mehr im Jahre 46 der Fall; damals sprach er z. B. von Pompeius nur mit höchster Achtung 1 ). Dagegen entspricht die im ersten Buch des BC gegen ihn herrschende Stimmung, wo er als Kriegstreiber gebrandmarkt wird, durchaus dem Ton, den Caesar gegen Pompeius in den Sendschreiben angeschlagen hatte, die er im Jahre 49 in Italien verbreiten ließ 2 ). Besonders boshaft und aufschlußreich ist die Schilderung, die Caesar von Varro und seiner Tätigkeit als Legat des Pompeius in Spanien entwirft, 2,17—20. Bei Ausbruch des Bürgerkrieges wurden die spanischen Provinzen des Pompeius von drei Legaten verwaltet: das diesseitige Spanien von Afranius, der nördliche Teil des jenseitigen Spanien von Petreius, der südliche von 1
Cicero in einem Brief an Caecina (Fam. 6, 6, 10) etwa Anfang Oktober
46: (Caesar) numquam nisi honorificentissime Pompeium appellat. 2 Dio 41, 10 (Kwoap) yqdfi^aza ig näoav rf/v 'hal.lav 7t¿fiyjas, dl o>v töv ts IJofi3ir]'Cov es dixijv rtvä jzgosxaXsTro.
117
Caesars Bellum civile
Yarro. Nach der Eroberung Italiens durch Caesar schickte Pompeius seinen Vertrauten Yibullius, der in Corfinium gefangengenommen und freigelassen worden war, nach Spanien; und offenbar auf dessen Veranlassung erhielt Varro das ganze jenseitige Spanien, während Petreius seine Streitkräfte mit denen des Afranius im diesseitigen Spanien vereinigte (1, 38). Varro hatte anfänglich, wenn wir Caesar (2,17,1—3) glauben dürfen, eine sehr zweifelhafte Rolle gespielt. Im Hinblick auf dessen Erfolge in Italien machte er keine Miene, etwas gegen ihn zu u n t e r n e h m e n : i m G e g e n t e i l , diffidens
Pompeianis
rebus
amicissime
de Caesare loquebatur. Als Legat des Pompeius sei er diesem zwar zur Treue verpflichtet, er habe aber ebenso enge Beziehungen zu Caesar; er kenne die Schwäche seiner eigenen Streitkräfte und die Hinneigung seiner ganzen Provinz zu Caesar: haec omnibus ferebat sermonibus
neque
se in ullam
partem
movebat.
Aber dann
änderte
Varro sein Verhalten. Als er hörte, daß Caesar in Massilia festgehalten wurde, daß Petreius mit Afranius sich vereinigt habe, und daß im diesseitigen Spanien die Sache des Pompeius gut stünde, Caesar hingegen mit ernsten Schwierigkeiten zu kämpfen habe, da besann er sich eines anderen: se quoque ad motum fortunae movere coepit (1,17, 4). Und nun gebärdet sich Varro, der früher amicissime
de Caesare
loquebatur,
als dessen entschiedenen u n d
bös-
artigen Gegner: Er nahm große Aushebungen vor und brachte eine Masse Getreide zusammen, um es nach Massilia und in das diesseitige Spanien an die Pompejaner zu schicken. Er ließ aus dem Herkulestempel bei Gades alles Geld und sämtliche Kunstschätze in die Stadt schaffen, die er durch eine 6 Kohorten starke Besatzung sicherte. Diese Truppe stellte er unter den Befehl des C. Gallonius, eines Vertrauten des Domitius, der als erbitterter Gegner Caesars bekannt war. Varro selbst hielt feindliche Reden gegen Caesar, in denen er bewußt die Wahrheit entstellte. Den römischen Bürgern preßte er das Versprechen ab, ihm Geld und Getreide zu liefern. Den als cäsarfreundlich geltenden Städten bürdete er besonders harte Lasten auf und legte Besatzungen hinein. Private, die sich unvorsichtig geäußert hatten, wurden vor Gericht gestellt und
118
Kabl Barwick
ihre Güter eingezogen. Schließlich vereidigte er die ganze Provinz auf seinen und des Pompeius Namen (2, 18,1—5). Aber da kam die Nachricht, daß dessen Sache im diesseitigen Spanien verloren sei; und nun entschloß sich Yarro zum Krieg: Sein Plan war, mit 2 Legionen sich nach Gades zu werfen, dort seine sämtlichen Schiffe zu versammeln und alles Getreide nach dort zu schaffen; so hoffte er, mit Leichtigkeit den Krieg in die Länge ziehen zu können (2, 18, 6). Aber es kam ganz anders. Ein in seine Provinz vorausgeschicktes Edikt Caesars und dessen Anmarsch mit nur 600 Reitern genügten, um Varros Pläne über den Haufen zu werfen. Dem Edikt wurde allgemein Folge geleistet, die wichtigsten Städte seiner Provinz, darunter Gades, und sämtliche Truppen, mit Ausnahme einer Legion, fielen von ihm ab. So war Yarro in Kürze gezwungen, sich, seine Provinz und die ihm noch verbliebene Legion Caesar zu übergeben (2,19—20). Er wurde begnadigt, ohne daß Caesar, gegen seine sonstige Gewohnheit, es für nötig hält, dies ausdrücklich zu bemerken. Man hat wohl nie verkannt, daß diese Darstellung einen ausgesprochen feindseligen und boshaften Charakter trägt. Das würde auch dann zutreffen, wenn wir annehmen dürften, daß alle Einzelheiten, die Caesar über Varro mitzuteilen für gut befindet, auf Wahrheit beruhten; das ist aber höchstwahrscheinlich nicht der Fall. So läßt Caesar Varro behaupten, necessitudinem sibi nihilo minorem cum Caesare intercedere (als mit Pompeius). Nun sind uns die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Pompeius und Yarro ziemlich genau bekannt. Sie reichen, soweit wir sehen können, bis in das Jahr 77 zurück. Damals widmete Varro dem Pompeius seine Efihemeris na.va.lis. Dann begleitete er ihn in den Krieg gegen Sertorius nach Spanien, wo er sich eine Reihe von Jahren, wahrscheinlich bis zur Rückkehr des Pompeius im Jahre 71, aufhielt und wo ihm dieser vorübergehend vertretungsweise die Geschäfte eines Quästors anvertraute. Noch in dem gleichen Jahr schrieb Varro auf dessen Bitte eine Anleitung für seine Tätigkeit als Konsul (commentarius eiaaycoyixög). 67 erhielt er von Pompeius eine Legatenstelle im Seeräuberkrieg und wurde von ihm
Caesars Bellum civile
119
als einziger mit einer Corona rostrata ausgezeichnet. 59 ist er, zusammen mit Pompeius, einer der 20 Kommissare, die auf Grund der lex Julia die Ackerverteilung durchzuführen hatten. 49 finden wir ihn in Spanien, abermals als Legat des Pompeius. Endlich ist noch Varros Schrift De Pomfieio zu nennen, die wahrscheinlich nach dessen Tod entstand und ganz gewiß einen pompejusfreundlichen Charakter trug 1 ). — Es ist seltsam, daß wir dagegen von engeren Beziehungen Varros zu Caesar aus den Jahren vor dem Bürgerkrieg überhaupt nichts wissen. Möglich, daß Varro seit 60, d. h. seitdem Pompeius mit Caesar ein politisches Bündnis geschlossen hatte, durch Vermittlung des ersteren auch Caesar nähergekommen war. Es kann aber kaum ein Gedanke daran sein, daß Varro und Caesar einander so nahe gestanden hätten, wie Varro und Pompeius. Wenn Caesar dies trotzdem Varro behaupten läßt, so hat entweder Varro die Unwahrheit gesagt, oder, und das ist bei weitem das Wahrscheinlichere, Caesar hat Varro, um sein widerspruchsvolles Verhalten in ein möglichst schlechtes Licht zu stellen, eine Äußerung in den Mund gelegt, die dieser nie getan hatte. Und überhaupt scheint Caesar Varros anfänglich caesarfreundliche Haltung und seine Lauheit gegenüber der eigenen Partei zum mindesten stark übertrieben zu haben. Man darf das schließen aus einem gewissen Widerspruch seiner Darstellung zwischen 2,17, 1—3 und 1, 38. Varros laue Haltung wurde, nach Caesar, dadurch hervorgerufen, daß er der, Sache des Pompeius wegen der unglücklichen Entwicklung der Dinge in Italien, die durch die Preisgabe Horns und später durch Caesars Eroberung von Corfinium eine 1
Angesichts dieser Tatsachen halte ich es für so gut wie ausgeschlossen, daß Varro, wie man heute wohl allgemein annimmt, in seinem TQtxdgavos das sogenannte Triumvirat vom Jahr 60 angegriffen habe. Das einzige, was wir darüber wissen, ist eine Notiz bei App. 2, 9: Pompeius, Crassus und Caesar ras y/jeiag ¿.XXrjXots avvt]gdvi(ov, Kai xis avrwv rijväe ri]V avfifpQoovvrjv avyygaqpsve, Oväo@a>i\ evi ßtßliq) nsQikaßcbv ¿jityoaye Tgixäfjavov. Hätte es sich in dieser Schrift um einen Angriff auf die Triumvirn gehandelt, so könnte ihr Inhalt kaum in der Weise umschrieben werden, wie das hier geschieht. Ich glaube daher auch nicht, daß der Trikaranos eine menippeische Satire gewesen ist; Zweifel in dieser Hinsicht äußerte schon CICHORIUS, Rom. Stud. S. 211.
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katastrophale Wendung genommen hatte, mißtraute. Nach dem Fall von Corfinium hatte Pompeius, wie oben schon bemerkt, seinen Vertrauensmann Vibullius nach Spanien geschickt. Daraufhin hatte dann Yarro, natürlich auf Veranlassung des Vibullius, das ganze jenseitige Spanien erhalten und Petreius sich mit Afranius vereinigt. Als Vibullius nach Spanien kam, mußte Varro zweifellos längst über die militärische Lage in Italien unterrichtet sein, und er hatte, nach Caesar, sein Verhalten dementsprechend eingestellt. Vibullius konnte bei seiner Ankunft in Spanien die zweifelhafte Haltung Varros nicht verborgen bleiben, da dieser ja, wie es im BC heißt, seine cäsarfreundliche Einstellung ganz offen zur Schau trug. Unter diesen Umständen ist es unbegreiflich, daß Vibullius trotzdem Varro nicht nur seines Postens nicht enthoben, sondern überdies auch noch mit dem nördlichen Teil des jenseitigen Spaniens betraut hat. So erweist sich auch von dieser Seite her Caesars Darstellung als kaum zuverlässig und zuungunsten Varros gefärbt. —• Varro wird später von Caesar im BC nicht mehr erwähnt. Aber wir wissen, daß er von Spanien sich zu Pompeius nach dem Osten begab. Während der Schlacht bei Pharsalus befand er sich, zusammen mit Cicero, in Dyrrhachium. Nach der Schlacht kehrte er über Corcyra nach Italien zurück und machte im Herbst 47 mit Caesar, nach dessen Ankunft in Italien, seinen Frieden. Bald darauf, noch in dem gleichen Jahr 1 ), widmete er Caesar, wohl als äußeres Zeichen ihrer Aussöhnung, seine AnPiquitat.es rerum divinarum. Ebenfalls noch in dem gleichen Jahr 2 ) betraute ihn Caesar mit der Errichtung einer öffentlichen Bibliothek in Rom3). Daß Varro von Caesar nach 47 mit so boshafter Feindseligkeit behandelt wurde, wie dies in 2, 17—20 geschieht, wird unter diesen Umstän1
Das darf nach den Ausführungen von MERKEL, Ausgabe der Fasten Ovids, Proleg. CIX f. als gesichert gelten. 2 Das ist zwar nicht ausdrücklich bezeugt, wird aber wohl allgemein, und gewiß mit Recht, angenommen, vgl. z. B. FUNAIOLI, GrRF 1180 f. D A H L MANN R E S u p p l . V I 1178. 3
Suet. Caes. 44 Isid. Orig. 6, 5, 1.
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den niemand glauben wollen. Das Werk muß also vor Caesars Rückkehr aus dem Osten, d. h. vor seiner Aussöhnung mit Varro im Herbst 47, entstanden sein. 5. Das BC vor 47 geschrieben Man wird aber des weiteren auch kaum annehmen dürfen, daß. das BC im Sommer 47 oder überhaupt in diesem Jahr entstanden ist. Die ersten 5 Monate des Jahres verbrachte Caesar noch in Ägypten, wo er zunächst noch schwer zu kämpfen hatte. Am 27. März wurde das ägyptische Heer entscheidend geschlagen, der König ertrank in den Fluten des Nil, und noch am gleichen Tage zog Caesar in Alexandria ein. Dann feierte er, zusammen mit Cleopatra, glänzende Feste und reiste mit ihr nilaufwärts bis an die Südgrenze ihres Reiches, um die Wunder dieses seltsamen Landes kennenzulernen. Erst Anfang Juni verließ Caesar Ägypten und zog über Syrien, wo er am 27. Juni Antiochia betrat, nach Kleinasien. Hier landete er in Cilikien, durchquerte nordwärts die Halbinsel und schlug am 2. August bei Zela Pharnaces. Dann trat er, wie in Syrien so auch in Kleinasien die Verhältnisse neu ordnend, die Reise nach dem westlichen Kleinasien an, von wo er über Griechenland nach Italien fuhr; gegen Ende September 47 landete er in Tarent. Niemand wird glauben, daß Caesar während dieser ersten 9 Monate des Jahres 47 Zeit, Ruhe und Neigung empfand, das BC zu schreiben; andererseits muß es, wie wir sahen, vor dem Herbst 47 entstanden sein. Damit sind wir ans Ende des Jahres 48 gelangt. Damals, im letzten Viertel dieses Jahres, scheint demnach das ganze Werk entstanden zu sein. Nach der gleichen Richtung weisen auch noch andere Erwägungen. Als Caesar, erzählt dieser 3,57, vor Dyrrhachium die Ankunft Scipios in Macedonien gemeldet wurde, ließ er ihm durch A. Clodius vorschlagen, sich bei Pompeius für das Zustandekommen eines friedlichen Ausgleichs zu bemühen. Scipio sei zunächst nicht abgeneigt gewesen, habe aber schließlich auf Drängen des Favonius, wie er später, nach Beendigung des Krieges erfahren habe (ut postea confecto hello reperiebamus), davon Abstand genommen.
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den niemand glauben wollen. Das Werk muß also vor Caesars Rückkehr aus dem Osten, d. h. vor seiner Aussöhnung mit Varro im Herbst 47, entstanden sein. 5. Das BC vor 47 geschrieben Man wird aber des weiteren auch kaum annehmen dürfen, daß. das BC im Sommer 47 oder überhaupt in diesem Jahr entstanden ist. Die ersten 5 Monate des Jahres verbrachte Caesar noch in Ägypten, wo er zunächst noch schwer zu kämpfen hatte. Am 27. März wurde das ägyptische Heer entscheidend geschlagen, der König ertrank in den Fluten des Nil, und noch am gleichen Tage zog Caesar in Alexandria ein. Dann feierte er, zusammen mit Cleopatra, glänzende Feste und reiste mit ihr nilaufwärts bis an die Südgrenze ihres Reiches, um die Wunder dieses seltsamen Landes kennenzulernen. Erst Anfang Juni verließ Caesar Ägypten und zog über Syrien, wo er am 27. Juni Antiochia betrat, nach Kleinasien. Hier landete er in Cilikien, durchquerte nordwärts die Halbinsel und schlug am 2. August bei Zela Pharnaces. Dann trat er, wie in Syrien so auch in Kleinasien die Verhältnisse neu ordnend, die Reise nach dem westlichen Kleinasien an, von wo er über Griechenland nach Italien fuhr; gegen Ende September 47 landete er in Tarent. Niemand wird glauben, daß Caesar während dieser ersten 9 Monate des Jahres 47 Zeit, Ruhe und Neigung empfand, das BC zu schreiben; andererseits muß es, wie wir sahen, vor dem Herbst 47 entstanden sein. Damit sind wir ans Ende des Jahres 48 gelangt. Damals, im letzten Viertel dieses Jahres, scheint demnach das ganze Werk entstanden zu sein. Nach der gleichen Richtung weisen auch noch andere Erwägungen. Als Caesar, erzählt dieser 3,57, vor Dyrrhachium die Ankunft Scipios in Macedonien gemeldet wurde, ließ er ihm durch A. Clodius vorschlagen, sich bei Pompeius für das Zustandekommen eines friedlichen Ausgleichs zu bemühen. Scipio sei zunächst nicht abgeneigt gewesen, habe aber schließlich auf Drängen des Favonius, wie er später, nach Beendigung des Krieges erfahren habe (ut postea confecto hello reperiebamus), davon Abstand genommen.
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— Einige Kapitel weiter (c. 60) berichtet Caesar, daß zwei allobrogische Reiterführer zu Pompeius übergelaufen seien und daß sie zuvor versucht hätten, ut postea hello confecto cognitum est, den Reiterpräfekten C. Volusenus zu ermorden. Da an beiden Stellen 1 ) bellum ohne jeden erklärenden Zusatz gebraucht wird, kann nur der Anfang 49 ausgebrochene Bürgerkrieg gemeint sein, dessen Hauptetappen durch die Schlachten bei Pharsalus (48), Thapsus (46) und Munda (45) gebildet wurden; und da durch die letztere der Bürgerkrieg seinen Abschluß fand, sah man 2 ) begreiflicherweise in jenen Stellen einen Beweis, daß das BC erst nach Munda abgefaßt worden sei. Aber es ist ganz unverständlich, daß die in 3, 57 und 3, 60 erzählten Begebenheiten so spät Caesar zu Ohren gekommen sein sollten; es spricht vielmehr alles dafür, daß dies sofort nach der Schlacht bei Pharsalus geschah. Um dies auszudrücken, sagt aber Caesar seltsamerweise nicht etwa proelio Pharsalico commisso oder ähnlich, sondern hello confecto. Er muß daher, als er das BC schrieb, geglaubt haben, daß durch jene Schlacht der Bürgerkrieg beendet sei. Man versteht auch durchaus, daß Caesar zunächst, unter dem Eindruck der vernichtenden Niederlage seiner Gegner, zumal ihr Führer Pompeius bald darauf in Ägypten den Tod fand, dieser Meinung gewesen ist 3 ). Aber allzu lange kann Caesar diese Meinung nicht gehabt haben. Eine Anzahl seiner erbittertsten Gegner war entkommen und z. T. nach Afrika geflohen, so Cato, Labienus, Scipio u. a. Auch beträchtliche Reste der pompejanischen Armee sammelten sich in Afrika; Cato brachte 1
Zu einer weiteren Stelle, 3, 18, 4 f. vgl. METJSEL ZU 3, 18, 5 und meine Bemerkung a. 0 . 135. In dem Satz cuius rei opinio tolli non poterit, cum in Italiam, ex qua profectus sum reductus existimabor hello perfecto hat K Ü B L E R nach profeotus sum mit Recht eine Lücke statuiert. Ich schlage die Ergänzung vor: 'in bellum, a Caesare. 2 FHESE, Beiträge zur Beurteilung der Sprache Caesars, München 1899-1900 S . 9 u n d MEUSEL z u 3, 5 7 , 5. 6 0 , 4 . 3
Schon 49 äußerte Curio, wie Cicero an Atticus in einem Brief berichtet (10, 4, 8), der Tod des Pompeius würde das Ende des Krieges bedeuten. Curio gab damit, gewiß nicht seine private Meinung wieder, sondern die Caesars und seiner Anhänger.
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z. B. die 15 Kohorten mit, die er in Dyrrhachium befehligte, wo ihn Pompeius bei seinem Abzug nach Thessalien zum Schutz der Stadt zurückgelassen hatte. Die Provinz Afrika war seit der vernichtenden Niederlage Curios im Jahr 49 in der Hand des Attius Varus, der sich auf zwei von ihm ausgehobene Legionen und die Macht des Königs Iuba stützte. Hier in Afrika errichteten nun die flüchtigen Pompeianer eine neue, starke Widerstandsfront gegen Caesar. Ihre Streitkräfte wuchsen im Laufe des Jahres 47 auf 10 Legionen an, die des Königs Iuba nicht mit eingerechnet. Diese Entwicklung der Dinge in Afrika, die sich schon bald nach der Schlacht bei Pharsalus anbahnte, mußte Caesar, der natürlich auch während seines Aufenthalts in Ägypten über das, was seine Gegner taten und planten, unterrichtet wurde, schon Ende 48/Anfang 47 bekannt sein. Schon damals (bereits im Januar spricht Cic. Att. 11,10,2 von der starken Position der Pompeianer in Afrika und der für Caesar bedrohlichen Lage in Spanien und Italien: nihil firmius
esse dicunt,
nihil paratius
[sc. Africanis
rebus].,
accedit
Hispania et alienata Italia) konnte Caesar nicht mehr der Meinung sein, daß die Schlacht bei Pharsalus und der Tod des Pompeius das Ende des Bürgerkrieges bedeute. Und da das 3. Buch des BC diese Meinung voraussetzt, muß es, wie wir früher auch schon aus anderen Gründen festgestellt haben, vor 47, und d. h. in den letzten Wochen des Jahres 48, entstanden sein. Es fragt sich nur, ob damals das ganze Werk in einem Zug oder nur sein letztes Buch geschrieben wurde. 6. Sukzessive Entstehung und Publikation der Bücher des BC Caesar selbst hatte seine Darstellung des BC nicht in 3, sondern in 2 Bücher aufgeteilt 1 ), die die Ereignisse je eines Jahres behandelten: Buch 1 ( = 1 + 2 unserer Ausgaben) schilderte die Ereignisse des Jahres 49, Buch 2 ( = 3 unserer Ausgaben) die anschließenden Ereignisse des Jahres 48 bis etwa Mitte November, d. h. das bellum Pompeianum und die Anfänge des alexandrini1
Vgl. meine Anmerkung a. O. S. 152.
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z. B. die 15 Kohorten mit, die er in Dyrrhachium befehligte, wo ihn Pompeius bei seinem Abzug nach Thessalien zum Schutz der Stadt zurückgelassen hatte. Die Provinz Afrika war seit der vernichtenden Niederlage Curios im Jahr 49 in der Hand des Attius Varus, der sich auf zwei von ihm ausgehobene Legionen und die Macht des Königs Iuba stützte. Hier in Afrika errichteten nun die flüchtigen Pompeianer eine neue, starke Widerstandsfront gegen Caesar. Ihre Streitkräfte wuchsen im Laufe des Jahres 47 auf 10 Legionen an, die des Königs Iuba nicht mit eingerechnet. Diese Entwicklung der Dinge in Afrika, die sich schon bald nach der Schlacht bei Pharsalus anbahnte, mußte Caesar, der natürlich auch während seines Aufenthalts in Ägypten über das, was seine Gegner taten und planten, unterrichtet wurde, schon Ende 48/Anfang 47 bekannt sein. Schon damals (bereits im Januar spricht Cic. Att. 11,10,2 von der starken Position der Pompeianer in Afrika und der für Caesar bedrohlichen Lage in Spanien und Italien: nihil firmius
esse dicunt,
nihil paratius
[sc. Africanis
rebus].,
accedit
Hispania et alienata Italia) konnte Caesar nicht mehr der Meinung sein, daß die Schlacht bei Pharsalus und der Tod des Pompeius das Ende des Bürgerkrieges bedeute. Und da das 3. Buch des BC diese Meinung voraussetzt, muß es, wie wir früher auch schon aus anderen Gründen festgestellt haben, vor 47, und d. h. in den letzten Wochen des Jahres 48, entstanden sein. Es fragt sich nur, ob damals das ganze Werk in einem Zug oder nur sein letztes Buch geschrieben wurde. 6. Sukzessive Entstehung und Publikation der Bücher des BC Caesar selbst hatte seine Darstellung des BC nicht in 3, sondern in 2 Bücher aufgeteilt 1 ), die die Ereignisse je eines Jahres behandelten: Buch 1 ( = 1 + 2 unserer Ausgaben) schilderte die Ereignisse des Jahres 49, Buch 2 ( = 3 unserer Ausgaben) die anschließenden Ereignisse des Jahres 48 bis etwa Mitte November, d. h. das bellum Pompeianum und die Anfänge des alexandrini1
Vgl. meine Anmerkung a. O. S. 152.
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sehen Krieges bis zum Tode des Pothinus. Nachdem wir festgestellt haben, daß das BC vor 46 oder, genauer, vor dem Herbst 47 und so gut wie sicher vor dem Jahr 47 entstanden ist, wäre es durchaus möglich, daß Buch 1 ( = 1 + 2) Ende 49, Buch 2 ( = 3 ) Ende 48 geschrieben und der Öffentlichkeit übergeben wurde. Nun habe ich in meinem schon wiederholt zitierten Buch, nach dem Vorgang anderer, den Nachweis erbracht1), daß die 7 Bücher des BG sukzessiv, d.h. am Ende eines Jahres je ein Buch, also Ende 58 Buch I usw., entstanden und publiziert wurden; es ist daher von vornherein wahrscheinlich, daß das gleiche auch für die beiden Bücher des BC gilt. Dafür sprechen auch noch folgende Erwägungen. a) Annalistische Darstellungsform und buchmäßige Gliederung im BC die gleiche wie im BG
Die Bücher des BG haben bekanntlich einen sehr verschiedenen Umfang. Buch I z. B. ist größer als Buch II + III zusammen, und Buch YII ist mehr als dreimal so stark wie Buch III. Das ist sehr auffällig; denn die antike Buchtechnik pflegte die einzelnen 1 Mit den zahlreichen Besprechungen meines Buches oder sonstigen Äußerungen darüber mich auseinanderzusetzen, sehe ich keine Veranlassung. Ich h ä t t e nur gewünscht, daß ein Teil der Rezensenten meine Untersuchungen etwas sorgfältiger durchgearbeitet und vor allem gründlicher durchdacht hätte. Hier nur einige Worte zu einer Notiz von M. G E L Z E R (Vom röm. Staat I 147 Anm. 35). E r gibt zu, ich habe „mit sehr beachtlichen Gründen ausgeführt", daß Caesar „jeweilen nach Abschluß eines Feldzuges seine Berichte niederschrieb"; er bezweifelt aber, daß die einzelnen Bücher auch gesondert veröffentlicht worden seien. Dagegen spreche die Tatsache, „daß Caesar den Feldzug von 51 nicht mehr mitbehandelte". G E L Z E B scheint sich nicht an meine Ausführungen S. 123—131 und S. 169 erinnert zu haben, wo ich nachgewiesen habe, was Caesar zu einer jahrweisen Publikation seiner Commentarii bestimmt und warum er den Ereignissen der J a h r e 51 und 50 keinen Commentarius mehr gewidmet hat. Überdies ist es von vornherein ganz unwahrscheinlich, daß Caesar das BG sukzessiv, d. h. ain Ende eines jeden Kriegsjahres je ein Buch, verfaßt, aber die einzelnen Bücher nicht auch sofort, sondern zusammen im J a h r e 51 veröffentlicht habe: es ist kein Grund einzusehen, der ihn zu einem so seltsamen Verfahren veranlaßt haben sollte.
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Bücher innerhalb eines Werkes ihrem Umfang nach möglichst einander anzugleichen. Jene auffällige Tatsache erklärt sich aus der sukzessiven Entstehung und Publikation des BG: Nachdem Caesar den Ereignissen des ersten Jahres nur ein Buch gewidmet hatte, blieb er dieser Gepflogenheit in den folgenden Jahren treu, ohne Rücksicht darauf, daß auf diese Weise die einzelnen Bücher z. T. einen völlig verschiedenen Umfang erhielten. An sich lag nun keinerlei Zwang vor, auch im BC die Ereignisse je eines Jahres in je einem Commentarius zu behandeln; man denke z. B. nur an die heute übliche Einteilung in 3 Bücher. Wenn Caesar trotzdem, wie oben bemerkt, den Jahren 49 und 48 je einen Commentarius widmete, so liegt es am nächsten, dies, wie im BG, aus der Tatsache zu erklären, daß jeder Commentarius unmittelbar im Anschluß an die Ereignisse geschrieben und veröffentlicht wurde. Im BG erzählt Caesar den Feldzug seines Legaten Galba gegen die Nantuaten, Yeragrer und Seduner, der noch in den Herbst des Jahres 57 fällt, gegen seine sonstige Gepflogenheit, die Ereignisse je eines Jahres in einem Commentarius zusammenzufassen, nicht am Ende des zweiten, sondern zu Beginn des dritten Buches (c. 1—6). Während des Feldzuges hielt sich Caesar in Oberitalien und Illyrikum auf (II 35, 2 f. III 7, 1). Er wird also einen Bericht des Legaten über sein Unternehmen verhältnismäßig spät, wahrscheinlich erst nach seiner Rückkehr aus Gallien, erhalten haben. Das legt die Vermutung nahe, daß Caesar mit der Publikation des zweiten Commentarius, die wohl schon während seines Aufenthaltes in Oberitalien erfolgte, nicht so lange warten wollte, bis ihm von Galba ausführliche Nachrichten über sein Unternehmen zukamen. Caesar zog es daher vor, den Bericht über dieses Unternehmen zu Beginn des dritten Buches nachzutragen 1 ). Nur so läßt sich in plausibler Weise seine auffällige Stellung2) zu Beginn 1
Zum Obigen vgl. auch CHR. EBERT, Über die Entstehung von Caes. Bell. Gall. Diss. Erl. 1909 S. 17 f., 49 ff. 2 KLOTZ versuchte dies, da er an eine sukzessive Entstehung und Publikation des BG nicht glauben wollte, in anderer Weise zu deuten. Er spricht (Caesarstud. 20) von einer „Schlappe" Galbas und einem „offenkundigen
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des dritten Buches erklären. Auch im BC ist auffälligerweise 1 ) eine Gruppe von Ereignissen, die sich auf dem illyrischen Schauplatz abspielten, nicht unter dem Jahr, in dem sie stattgefunden hatten, erzählt. Denn über P. Dolabella und den Verlust seiner Flotte und ferner über die Niederlage des C. Antonius, der sich mit 15 Kohorten auf der illyrischen Insel Curicta ergeben mußte, hatte Caesar erst eingangs des zweiten (dritten) Buches, in der Lücke am Schluß von c. 82), berichtet. Leider sind wir über den Mißerfolg", er meint daher, Caesar habe „aus schriftstellerischen Rücksichten" den Bericht darüber an den Anfang des dritten Buches verschoben. Das kann schon deshalb nicht richtig sein, weil Galbas Expedition von Caesar keineswegs als Mißerfolg dargestellt wird. Vgl. I I I 1, 4 (Galba secundis aliquot proeliis factis castellisque compluribus eorum expugnatis missis ad eum undique legatis obsidibusque datis et pace facta constituit cohortes duas in Nantuatibus conlocare et ipse cum reliquis eius legionis cohortibus in vico Veragrorum qui appellatur Octodurus hiemare) und I I I 6, 2 aus der Erzählung über die K ä m p f e bei Octodurus: Galbas Truppen undique circumventos intercipiunt et ex hominum milibus amplius triginta, quem numerum barbarorum ad castra venisse constabat, plus tertia parte interfecta reliquos perterritos in fugam coniciunt ac ne in locis quidem superioribus consistere patiuntur. sie omnibus hostium copiis fusis armisque exutis se intra munitiones suas reeipiunt; ferner wird I I I 7, 1 Gegen die' (superatis Belgis, expulsis Germanis, victis in Alpibus Sedunis. Tilgung dieser Worte durch M E U S E L m i t Recht B E C K M A N N , Geogr. und E t h nogr. in Caes. B G 170. 1; vgl. auch KALINKA, Burs. Jahresber. Suppl. 224, 50) auf Galbas Erfolge verwiesen und diese in einem Atem mit den Siegen über die Beigen und Ariovist genannt. Wenn Galba seinen ursprünglichen Plan, in Octodurus zu überwintern, aufgibt, so wird das in I I I 6, 4 in plausibler Weise motiviert. Überdies h a t t e Caesar das Überwintern im Alpengebiet Galba keineswegs befohlen, sondern nur nötigenfalls gestattet: huic permisit, si opus esse arbitraretur, uti in his locis legionem hiemandi causa conlocaret (III 1, 3). 1
D a ß die Ausführungen zu Beginn des dritten Buches c. 1—2, 2 noch in das J a h r 49 (Dezember) gehören, ist nicht auffällig: Sie schildern Caesars politische Tätigkeit während seines kurzen Aufenthaltes in Rom nebst den Vorbereitungen zur Überfahrt nach Epirus und konnten kaum von dem Folgenden getrennt werden. Überdies h a t Caesar möglicherweise den Commentarius f ü r 49 sofort nach seinem Eintreffen in Rom veröffentlicht, so daß die Darstellung seiner Tätigkeit in Rom bis zur Abfahrt von Brundisium überhaupt erst i m nächsten Commentarius Platz finden konnte. 2 Vgl. N I P P E R D E Y , Quaest. Caes. 159 ff. und M E U S E L ZU 3, 8, 4.
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zeitlichen Ablauf der illyrischen Operationen im einzelnen nicht genauer unterrichtet; aber sie gehören jedenfalls noch in die zweite Hälfte des Jahres 49, und dementsprechend hat sie auch Dio 41, 40 (App. 2, 47) in seiner Erzählung eingeordnet. Es ist daher sehr wohl möglich und höchst wahrscheinlich, daß Caesar sie im Commentarius des Jahres 49 nicht mehr berücksichtigen konnte, weil er -zur Zeit seiner Veröffentlichung noch nicht die nötigen Unterlagen 1 ) besaß und sich daher entschloß, den Bericht über die illyrischen Ereignisse an geeigneter Stelle im Commentarius des nächsten Jahres nachzutragen. Ist das richtig, so hätten wir damit einen durchschlagenden Beweis, daß die Bücher des BC, ähnlich wie die des BG, nicht in einem Zug, sondern sukzessiv entstanden und veröffentlicht wurden. Nun könnte man freilich einwenden, Caesar hätte es absichtlich vermieden, die Vorgänge in Illyrien unter dem Jahr 49 zu erzählen, weil er sich scheute, am Ende von Buch 1 ( = l - | - 2 ) die empfindlichen Niederlagen in Afrika und Illyrikum nebeneinander zu rücken. Aber dieser Einwand spricht eher für als gegen eine gesonderte Abfassung und Publikation des ersten Commentarius. Denn Buch 1 mit jenen beiden Niederlagen zu beschließen, war nur dann, aus propagandistischen Gründen, bedenklich, wenn es Ende 49, als Sonderpublikation, herauskam. Entstand dagegen das BC in einem Zug und nach dem Tod des Pompeius, so hatte die Tatsache, daß Caesars Unterführer im Jahr 49 in Afrika und Illyrikum schwere Niederlagen erlitten hatten, kein aktuelles Interesse mehr; und sein entscheidender Sieg bei Pharsalus, dessen Darstellung den Höhepunkt des zweiten Commentarius bildete, trat um so eindrucksvoller hervor, wenn der erste Commentarius mit den Niederlagen in Afrika und Illyrikum schloß. b) Propagandistische Ziele und Fälschungen des BC
Caesar hat offenbar während des Jahres 49 in Italien für seine Sache eine lebhafte propagandistische Tätigkeit entfaltet, die wahr1 Sie waren offenbar um so schwerer zu beschaffen, als Antonius und seine Kohorten restlos vernichtet oder gefangen genommen waren.
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schemlich viel stärker war, als wir das heute noch nachweisen können. Bald nach seinem Einmarsch, als er von der Massenflucht aus Rom Kunde erhielt, ließ er, wie Dio 41,10 berichtet, Sendschreiben im Lande verbreiten: Kaiaag . . . yodju/uaru ¿g näoav rijv 'IraUav nefiipag, dl cov röv TE üo/JLTirfiov ig dixrjv Tiva nQoexaleho xal xöig alloig fiagoeiv Tiagr/vei, xard %o')oav TE avxovg ¡XEVEIV EXEXEVE xal vmoyvEao NOXXÄ avrolg. Auf dieses Schreiben bezieht sich vermutlich Cicero in einem Brief an Atticus (7, 11, 1), wo es von Caesar im Hinblick auf seinen Vormarsch (er hatte bereits Ancona besetzt) heißt: atque haec ait omnia facere se dignitatis causa,1). In einem späteren Brief an Atticus (7, 26,1) vom 15. Februar 2 ) bezieht sich Cicero auf ein weiteres Manifest Caesars3)- Die propagandistische Verbreitung eines seiner Briefe erwähnt Cicero Att. 8, 9, 1: epistulam meam quod fervolgatam scribis esse, non moleste fero (vgl. 8, 2,1). Eins der Hauptziele, die Caesar mit jener Propaganda im Auge hatte, war, nach Dios und Ciceros Andeutungen zu schließen, der Versuch, sich wegen der Eröffnung und Fortsetzung der Feindseligkeiten zu rechtfertigen und die Schuld dafür seinen Gegnern und vor allem Pompeius zuzuschieben. Dies ist aber auch di« wichtigste propagandistische Absicht im ersten Buch des BC. Sie mußte, und ebenso auch die übrigen oben (in Kapitel I) aufgezeigten tendenziösen Absichten des Buches, am stärksten Erfolg haben, wenn dieses Buch sofort, am Ende des Jahres 49, veröffentlicht wurde. Dann hätte man seine Publikation als ein Teilstück der bereits zu Beginn dieses Jahres von Caesar eröffneten Propaganda zu bewerten. Auf diese Weise finden auch die unerhörten Fälschungen, wie wir sie oben (Kapitel I) im ersten Buch nachgewiesen haben und die man einem Caesar nur ungern zutraut, ihre Erklärung und Entschuldigung. Auch die tendenziösen Motive des zweiten ( = dritten) Buches sind am ehesten verständlich, wenn dieses sofort nach den in ihm geschil1
2
Vgl.
NISSEN
a. O. 97, 4.
Vgl. O. E. S C H M I D T a. O. 133 f.; etwas früher setzt Brief an. 3 Dazu N I S S E N a. 0 . 1 0 2 , 3.
BINDER
a. 0 . 4 den
129
Caesars Bellum civile
derten Ereignissen geschrieben und veröffentlicht wurde: Die völlig einseitige Darstellung z. B., die Caesar am Schluß des Buches von den Gründen seines längeren Verbleibens in Ägypten und von dem Ausbruch des alexandrinischen Krieges entwirft, konnte nur ihre Wirkung tun, wenn sie in Rom verbreitet wurde, als Caesar noch nicht nach dort zurückgekehrt und sein Verhältnis mit Cleopatra stadtbekannt geworden war. Dazu kommt noch etwas anderes. Die Fälschungen, die Caesar, besonders im ersten Buch, sich zuschulden kommen läßt, sind, wie wir sahen, teilweise so offenkundig, daß sie von den politisch informierten Zeitgenossen als solche ohne weiteres durchschaut und entlarvt werden konnten. Das wußte Caesar natürlich selbst am besten. Trotzdem schreckte er vor jenen Fälschungen nicht zurück. Das ist sinnvoll nur, wenn Caesar das BC schrieb und veröffentlichte zu einer Zeit, als er hoffen konnte, daß es trotzdem seine Wirkung nicht verfehlen würde; und das war nur der Fall, wenn mit der Abfassung und Publikation des Werkes schon während des Bellum Pompeianum begonnen wurde. Die politisch eingeweihten und führenden Kreise Roms hatten, soweit sie Caesars Gegner waren, im Laufe des Jahres 49 Rom und Italien verlassen; und soweit sie zu Caesars Parteifreunden zählten, brauchte seine Darstellung auf sie keine Rücksicht zu nehmen. Nach der Schlacht bei Pharsalus, als eine immer größere Menge der früheren Gegner Caesars wieder nach Italien zurückkehrte, ließ es sich nicht vermeiden, daß jene Fälschungen, je länger je mehr, als propagandistische Mache erkannt und damit wirkungslos wurden. Aber das konnte Caesar nunmehr gleichgültig sein, wenn er nur früher, als er das BC der Öffentlichkeit vorlegte, seine Zwecke erreicht hatte; und später wird ihm niemand seine Entstellungen besonders verübelt haben: Die Lüge als propagandistisches Kampfmittel war, zumal in Kriegszeiten, im damaligen Rom ebensowenig verpönt wie im politischen Leben der neueren Zeit. Barwick
9
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BAKWICK
c) Das BC im Urteil des Asinius Pollio Die
vorstehenden
Bestätigung
durch
Ausführungen das
Urteil
erhalten
Pollios
über
eine das
nachdrückliche BC
bei
Suet.
Caes. 56. D a n a c h h a t t e sich dieser, zweifellos in d e n Historien, über Caesars
Commentarii
parum
diligenter
tarios)
putat,
crediderit peram
folgendermaßen
parumque
integra
cum Caesar pleraque existimatque
compositos
Pollio
Asinius
(seil,
commen-
et quae per alios erant gesta
et quae per se vel consulto ediderit;
geäußert:
veritate
vel etiam
rescripturum
et
memoria
lapsus
correcturum
temere perfuisse.
Pollio g l a u b t e also, Caesar h ä t t e i n seinem BC 1 ), z. T. irrtümlicherweise, z. T. a u c h absichtlich, die W a h r h e i t verfälscht, u n d er w ü r d e seine
Darstellung,
zweiten
Ausgabe 2 ),
natürlich in einer umgearbeitet
und
später
zu
verbessert
veranstaltenden haben.
Diese
Meinung Pollios setzt bei i h m die A n n a h m e voraus (und wer k o n n t e es besser wissen als er?), d a ß Caesar die einzelnen Bücher des ( B G u n d ) BC sofort nach d e n in i h n e n geschilderten Ereignissen geschrieben u n d v e r ö f f e n t l i c h t h a t .
D e n n , w e n n Pollio
behauptet,
1 Dieses hatte Pollio gewiß in erster Linie im Auge, wenn auch keineswegs ausschließlich. Denn auch das BG kam f ü r Pollios Historien als Quelle in Präge; und es gab ihm ebenfalls zu einer Kritik an seiner Glaubwürdigkeit Anlaß, wenn auch nicht in dem Maße wie das BC; vgl. auch meine Bemerkungen a. O. 136 f. 2 Es spricht manches dafür, daß Caesar geplant hatte, seine Taten in Gallien von 58—50 und im Bürgerkrieg von 49—45 in einem Werk zusammenfassend zu behandeln, in das die bereits vorliegenden Bücher des BG und BC in umgearbeiteter und verbesserter Form aufgenommen werden sollten. Diesen Plan hat später Baibus und, auf dessen Veranlassimg, Hirtius (BG V I I I praef.) aufgegriffen; auch Pollio hatte offenbar von ihm Kenntnis. Etwas näher eingegangen bin ich auf diese Frage a. O. 206 ff.; vgl. besonders 212 ff. — Man hat vielfach in jener Notiz Pollios einen Beweis für die Nichtvollendung des BC erblicken wollen. Aber Pollios Äußerung gibt dazu keinerlei Veranlassung, zumal sie sich ja nicht nur auf das BC, sondern auch auf das BG bezieht, dessen Vollendung niemand bezweifelt. Pollio knüpft seine Vermutung, Caesar habe beabsichtigt, seine Commentarii rescribere et corrigere, ausschließlich an die Tatsache, daß diese sachlich vielfach Unrichtigkeiten und geradezu wissentliche Fälschungen enthalten. Die Worte parum diligenter beziehen sich nicht auf die Form der Darstellung: sie werden näher bestimmt durch parumque integra veritate.
131
Caesars Bellum civile
Caesar habe gelegentlich den Berichten seiner Legaten blindlings (temere) vertraut, und dieser würde die so entstandenen Unrichtigkeiten später verbessert haben, so kann Pollio das nur getan haben, weil er wußte, daß Caesar mitten im Drange der Ereignisse seine Commentarii geschrieben hatte, als er weder die Zeit noch die Möglichkeit besaß, die eingegangenen Berichte auf ihre Wahrheit hin zu überprüfen und sie mit Hilfe von später irgendwie gewonnenen Erkenntnissen zu korrigieren. Und wenn Pollio weiterhin glaubte, Caesar habe sich gelegentlich absichtliche Fälschungen zuschulden kommen lassen, und er würde auch diese später berichtigt haben, so mußte er sich über den tendenziösen Charakter des BC völlig im klaren sein und wissen, daß dessen ärgste Entstellungen rein propagandistischen Motiven, die durch die Interessen und Nöte des Augenblicks bedingt waren, ihren Ursprung verdankten; und Pollio nahm.es daher als selbstverständlich an, daß Caesar, wenn seine propagandistischen Lügen ihre Wirkung getan hatten und nicht mehr aktuell waren, selber der Wahrheit die Ehre gegeben haben würde. — So führen Erwägungen der verschiedensten Art zu dem Ergebnis, daß die Bücher des BC, wie die des BG, einzeln und nacheinander, am Ende der in ihnen behandelten Kriegsjahre, geschrieben und veröffentlicht wurden. Das erste Buch dürfte im Dezember 49 herausgekommen sein, wahrscheinlich sofort nach dem Eintreffen Caesars in der Hauptstadt. Gewisse Spuren, auf die ich im nächsten Abschnitt zu sprechen komme, lassen darauf schließen, daß Caesar, als er auf seiner Rückreise aus Spanien nach Rom in Massilia angekommen war, bereits größere Teile des Buches verfaßt hatte. Der zweite Commentarius dürfte noch gegen Ende 48, etwa Anfang Dezember, aus Ägypten nach Rom abgegangen und dort veröffentlicht worden sein. Denn Caesar hatte ein Interesse daran, daß die Begründung seines längeren Verbleibens in Ägypten und die Ursachen des dort ausgebrochenen Krieges, die den Abschluß des zweiten ( = dritten) Buches bilden1), möglichst bald in Italien bekannt wurde. 1
Vgl. darüber oben II 1 a. 9*
132
KARL
BARWICK
d) Das erste Buch des BC z . T . schon während des Jahres 49, vor Caesars Rückkehr aus Spanien nach Rom, entstanden
Aber nicht einmal jedes der beiden Bücher des BC scheint in einem Zug entstanden zu sein: Manches weist darauf hin, daß einige Teile der beiden Bücher, jedenfalls des ersten Buches (1 + 2), nicht erst am Ende des in ihnen geschilderten Jahres niedergeschrieben wurden, sondern schon vorher, wie es scheint, in unmittelbarem Anschluß an die Operationen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen. In 1, 48—55 erzählt Caesar, wie er in Spanien, vor Herda, durch ein Unwetter in große Schwierigkeiten geriet, die immer größer wurden, bis es ihm schließlich gelang, durch den Bau einer Brücke über den Sicoris, sich aus seiner gefährlichen Lage zu befreien. Nun folgt c. 56—58 die Schilderung eines für ihn glücklichen Seegefechtes vor Massilia, die eingeleitet wird durch die "Worte: Dum haec ad Ilerdam geruntur e q s. Nach dieser Schilderung erzählt Caesar c. 59—60, wie rasch sich die Lage durch die Errichtung jener Brücke zu seinen Gunsten änderte. Diese Kapitel werden an die vorausgehende Schilderung des Seegefechtes angeknüpft durch die Sätze (c. 59,1): Hoc froelium1) tiatur;
Caesari ad Ilerdam nun-
simul perjecto fönte celeriter fortuna mutatur.
Nach Caesars D a r -
stellung hat also das Seegefecht bei Massilia ungefähr um die Zeit stattgefunden, als die Unwetterkatastrophe vor Herda einsetzte, und Caesar erhielt von dem Seegefecht Nachricht in dem Augenblick, als er sich durch den Bau einer neuen Brücke aus seiner kritischen Lage befreit hatte. Die c. 56—58 sind also zeitlich durchaus an der richtigen Stelle eingeordnet. Um so merkwürdiger ist es, daß die c. 56—58 nicht gerade geschickt mit c. 59—60 verklammert sind. Nach c. 59,1 (hoc —. muta1
So CIACCONIUS: primum cum a: primum ß. In der ersten Ausgabe seines folgte KLOTZ dieser Besserung des CIACCONIUS, in der zweiten schließt er sich MORUS an und schreibt: hoc cum primum Caesari ad Ilerdam nuntiatur, simul perjecto ponte celeriter fortuna mutatur. Die Besserung von MORUS scheint mir weniger glücklich, schon deshalb, weil man haec statt hoc erwartet, da das Pronomen ja auf eine Vielheit der in c. 56—58 erzählten Ereignisse zurückweist. BC
Caesars Bellum civile
133
tur) heißt es weiter: illi perterriti e q s . Dieses Uli ist höchst auffällig. Ich habe schon früher, a. 0.150, darauf hingewiesen, „daß mit illi nicht, wie man nach dem Zusammenhang erwarten muß, die in 56—58 genannten Gegner, die Massilienser, gemeint sind, sondern die Pompejaner in Spanien, Kap. 55". illi weist also, über c. 56—59,1 hinweg, zurück auf c. 55. Nimmt man c. 56—59,1 heraus, so schließt illi perterriti e q s c. 59, 2 glatt an c. 55 an. Ich wußte früher, a. 0.150, und weiß heute diesen Tatbestand nicht anders zu erklären als durch die Annahme, daß Caesar c. 56—58 erst nachträglich in den jetzigen Zusammenhang eingelegt und, um den Übergang mit den folgenden Kapiteln herzustellen, c. 59,1 [hoc — mutatur) hinzugefügt hat. Aber nun drängt sich die Frage auf: Wie ist Caesar dazu gekommen, c. 56—58 erst nachträglich in seine Darstellung der spanischen Ereignisse einzulegen? Es gibt darauf, soviel ich sehe, nur eine Antwort: Ich habe sie bereits a. 0.151 f. gegeben; aber ich will das Wesentliche hier noch einmal kurz wiederholen. Die im ersten Buch ( = 1 + 2) des BC geschilderten Ereignisse spielen sich auf vier Kriegsschauplätzen ab: in Italien, in Gallien vor Massilia, in Spanien und in Afrika. Die Operationen in Italien und Spanien wurden von Caesar selbst durchgeführt, die in Afrika und vor Massilia von seinen Unterführern; bei der Darstellung der letzteren war er also durchweg von fremden Berichten abhängig. Die Operationen in Spanien, Afrika und vor Massilia verliefen ungefähr gleichzeitig, ihnen voraus lagen die Ereignisse in Italien. Hätte nun Caesar das erste Buch des BC ( = 1 + 2) in einem Zug, am Ende des Jahres 49, geschrieben, so stand ihm das Material für seine Darstellung, seine eigenen Erlebnisse und Aufzeichnungen, die Berichte seiner Unterführer usw., in vollem Umfang zur Verfügung. Er konnte also seine Darstellung von vornherein entsprechend einrichten. Daher wäre es in diesem Falle nicht zu verstehen, warum er das Seegefecht vor Massilia (1, 56—58) erst nachträglich in seine Schilderung der spanischen Ereignisse ein-
134
KAHL
BARWICK
gefügt hat. Anders liegen die Dinge, wenn Caesar sich entschloß, die von ihm selbst in Italien und Spanien geleiteten Operationen sofort nach ihrem Abschluß zu beschreiben; und das wäre an sich sehr begreiflich, wenn er vorhatte, den Commentarius für 49 sofort, am Jahresende, zu veröffentlichen. Es wäre also durchaus möglich, daß Caesar den Bericht über seine Besitzergreifung Italiens (1,1—33), ferner über seine Reise von dort über Massilia nach Spanien und seine Eroberung dieses Landes (1, 34—87 [ohne 56—58] +2,17—21) bereits fertig hatte, als er auf der Rückkehr aus Spanien in Massilia eintraf. Erst hier wird er eingehender über den Verlauf der Ereignisse daselbst informiert worden sein. Unter diesen Umständen dürfte der nachträgliche Einschub von 1, 56—58 folgendermaßen zu erklären sein: Als Caesar nach Massilia kam, hatte er die Darstellung der von ihm selbst in Italien und Spanien geleiteten Operationen bereits abgeschlossen. Dann gab er auf Grund der genaueren ihm in Massilia zugegangenen Berichte eine Beschreibung der dortigen Operationen zu Wasser und zu Land, die er (1, 56—58 + 2,1—16 + 22) nachträglich in die zeitlich ihnen zukommenden Stellen des bereits fertigen Stückes des Commentarius einfügte, wobei er den Abschnitt 1, 56—58 (59,1) nur flüchtig und mangelhaft mit dem anschließenden Kapitel verklammerte. Die Partie über Massilia dürfte noch vor seiner Ankunft in Rom entstanden sein. Erst nach seiner Ankunft daselbst wird Caesar den Abschnitt über die afrikanischen Ereignisse geschrieben haben (2, 23—44), der den Abschluß des ersten Commentarius bildete.
7. Zusammenfassung. Die Leser, an die Caesar im BC sich wendet Blicken wir auf das Ergebnis dieses II. Kapitels zurück, so hatten wir zunächst festgestellt, daß Caesar das BC nicht unvollendet hinterlassen hatte, und daß es bei seinem Tod sich bereits in den Händen des römischen Publikums befand. Dann waren wir, rück-
134
KAHL
BARWICK
gefügt hat. Anders liegen die Dinge, wenn Caesar sich entschloß, die von ihm selbst in Italien und Spanien geleiteten Operationen sofort nach ihrem Abschluß zu beschreiben; und das wäre an sich sehr begreiflich, wenn er vorhatte, den Commentarius für 49 sofort, am Jahresende, zu veröffentlichen. Es wäre also durchaus möglich, daß Caesar den Bericht über seine Besitzergreifung Italiens (1,1—33), ferner über seine Reise von dort über Massilia nach Spanien und seine Eroberung dieses Landes (1, 34—87 [ohne 56—58] +2,17—21) bereits fertig hatte, als er auf der Rückkehr aus Spanien in Massilia eintraf. Erst hier wird er eingehender über den Verlauf der Ereignisse daselbst informiert worden sein. Unter diesen Umständen dürfte der nachträgliche Einschub von 1, 56—58 folgendermaßen zu erklären sein: Als Caesar nach Massilia kam, hatte er die Darstellung der von ihm selbst in Italien und Spanien geleiteten Operationen bereits abgeschlossen. Dann gab er auf Grund der genaueren ihm in Massilia zugegangenen Berichte eine Beschreibung der dortigen Operationen zu Wasser und zu Land, die er (1, 56—58 + 2,1—16 + 22) nachträglich in die zeitlich ihnen zukommenden Stellen des bereits fertigen Stückes des Commentarius einfügte, wobei er den Abschnitt 1, 56—58 (59,1) nur flüchtig und mangelhaft mit dem anschließenden Kapitel verklammerte. Die Partie über Massilia dürfte noch vor seiner Ankunft in Rom entstanden sein. Erst nach seiner Ankunft daselbst wird Caesar den Abschnitt über die afrikanischen Ereignisse geschrieben haben (2, 23—44), der den Abschluß des ersten Commentarius bildete.
7. Zusammenfassung. Die Leser, an die Caesar im BC sich wendet Blicken wir auf das Ergebnis dieses II. Kapitels zurück, so hatten wir zunächst festgestellt, daß Caesar das BC nicht unvollendet hinterlassen hatte, und daß es bei seinem Tod sich bereits in den Händen des römischen Publikums befand. Dann waren wir, rück-
135
Caesars Bellum civile
wärts schreitend, von den verschiedensten Seiten her zu dem Ergebnis gelangt, daß das Werk sehr frühzeitig geschrieben wurde und daß es gegen Ende 48 bereits vorlag. Aber es erwies sich als so gut wie sicher, daß es nicht in einem Zug geschrieben wurde, daß damals vielmehr nur das letzte Buch entstand, und daß das 1. Buch ( = 1 + 2) am Ende des ersten Kriegsjahres (49) der Öffentlichkeit übergeben wurde. Bei dem ausgesprochen propagandistischen Charakter des BC ist seine sukzessive Entstehung und Veröffentlichung nur zu verständlich; und aus ihm erklärt sich auch die Tatsache, daß Caesar auf die ersten beiden Bücher ( = [1 + 2] + 3) kein weiteres mehr folgen ließ: die propagandistischen Ziele, die ihm bei der Abfassung seiner Commentarii vorschwebten, hatten nach dem Abschluß der beiden ersten Bücher für ihn kaum mehr Interesse: Eine etwaige Fortsetzung des Werkes wäre propagandistisch zum mindesten wirkungslos gewesen oder hätte sich mit seinen früheren Teilen geradezu in Widerspruch gesetzt; man denke etwa an die Legalitätstendenz. Bei den propagandistischen Zielen des BC ist es selbstverständlich, daß es sich, ähnlich wie das BG 1 ), nicht an Caesars Standesgenossen wandte, sondern an die große Masse der Gebildeten in Rom und Italien. Daher auch das lebhafte Bemühen des Verfassers um Klarheit, nicht nur in sprachlich-stilistischer, sondern auch in sachlicher Beziehung. Seine Schilderungen, insbesondere der kriegerischen Ereignisse (und mit solchen befaßt sich das BG fast ausschließlich, das BC in der Hauptsache), sind so klar und setzen so wenig technisches Wissen voraus, daß sie von jedem militärischen Laien der damaligen Zeit ohne weiteres verstanden werden konnten. Gelegentlich hilft Caesar durch eine erklärende Bemerkung noch etwas nach. So verdeutlicht er II 20, 1 vexiUum proponendum 1
d u r c h d e n Z u s a t z quod erat insigne,
Vgl. darüber meine Ausführungen a. 0. 124 ff.
cum ad arma
concurri
136
KARL
BABWICK
o forter et; VII 8 8 , 1 eins adventu ex colore vestitus cognito die Worte quo insigni in proeliis uti consueverat1).
durch
Auch im BC
setzt z. B. die Beschreibung des musculus ( 2 , 1 0 ) ein nicht militärisch und fachmännisch gebildetes Publikum voraus 2 ). Der Verfasser des Bellum Alexandrinum hat diese Gepflogenheit Caesars nachgeahmt und verdeutlicht 45, 3 vexillo sublato durch quo pugnandi dabat Signum. 2 KLOTZ, Rhein. Mus. 66 (1911) 82 ff. 1
III.
Kapitel
Stil des BC Vielfach glaubte man, auch aus gewissen sprachlichen Besonderheiten und Lässigkeiten des BC auf seine Nichtvollendung schließen zu dürfen. Aber diese lassen sich mit Sicherheit nur beurteilen, wenn man sie nicht isoliert betrachtet, sondern untersucht, ob sich Ähnliches auch sonst bei Caesar, in den sprachlichen Gewohnheiten des BG, nachweisen läßt. Das macht eine genauere Analyse seines Stils notwendig, die in gleicher Weise BC und BG berücksichtigt. 1. Ciceros Urteil über die Sprache der Commentarii Caesars Der Stil des BC ist, von gewissen Besonderheiten, über die noch zu sprechen sein wird, abgesehen, der gleiche wie im BG und bedingt durch die Literaturgattung der Commentarii 1 ), der die beiden Werke angehören. Sie wurden als solche schon durch den Titel charakterisiert. Er lautete, wie man 2 ) vor allem aus Ciceros Brut. 262, Hirt. VIII praef. und Suet. Caes. 56 mit Recht geschlossen hat, commentarii rerum gestärum. In der Literaturgattung der Commentarii (vnofiviqfiara) war der einfache und schlichte Stil üblich; auf die rhetorische Ausschmückung wurde kein Wert gelegt. Daher stellt auch Lucian (neos dsT iazoiav avyyodfpeiv 48) das historische vno/uvrj/^a, das er als ein aä>/na uxaleq Sei xal ädiaQ'&QmTov bezeichnet, zu den mit allen Mitteln der • Rhetorik ausgestatteten Geschichtswerken in Gegensatz. Zu den letzteren gehören also Caesars Commentarii nicht, wie auch Cicero Brut. 262 1
OPPERMANN a. O. 1 ff. Weitere Literatur bei STROUX, Böm. Bechtswissenschaft und Ehetorik (1947) 97, 1. 2 KELSEY, Transact. of the Amer. Philol. Assoe. 1905, 211 ff. und KLOTZ, Caesarstud. 1 f.
138
K a r l Babwick
•ausdrücklich betont. Natürlich sind innerhalb der mannigfaltigen Arten der Kommentarienliteratur, und hier wieder bei den einzelnen Vertretern einer Art, verschiedene Stilnuancen möglich. Über den speziellen Stilcharakter der Commentarii Caesars besitzen •wir aus dem Altertum das kompetente Urteil Ciceros (Brut. 262). Er charakterisiert sie als nudi, recti et venusti, omni ornatu orationis tamquam veste detracta; und er schreibt ihnen ferner eine pura et illustris brevitas zu. Um dies Urteil Ciceros recht zu würdigen, müssen wir einen kurzen Blick werfen auf die antiken Stiltheorien, wie sie vor allem Cicero selbst in seinen rhetorischen Hauptwerken, im dritten Buch De oratore und im Orator, entwickelt. Er unterscheidet hier, in Anlehnung an Theophrast, 4 laudes orationis: 1. Latine, 2. plane, 3. órnate, 4. apte congruenterque dicere. Über das órnate dicere {ornatus orationis) äußert sich Cicero ausführlicher De or. 3, 52 ff., 149ff. und Or. 80—81. 134 ff. Er unterscheidet zwei Kategorien des rednerischen ornatus: Die eine besteht in dem Schmuck einzelner "Worte, die andere in dem der zusammenhängenden Rede. Bei der ersten werden genannt: a) altertümliche Worte, die nicht mehr der lebendigen Sprache angehören; b) neugeschaffene Worte; c) Metaphern und Tropen im Gegensatz zu den eigentlichen Ausdrücken, den verba propria. Zu den Schmucktiteln der zusammenhängenden Rede rechnet Cicero: a) eine Wortfügung, die nicht rauh ist durch den Zusammenstoß hartklingender Konsonanten, und nicht klaffend durch das Zusammentreffen von Vokalen (Hiat); b) die Rhythmisierung der Rede, worunter vornehmlich die Klauseln am Ende der Perioden und ihrer Teile, der Kola und Kommata, zu verstehen sind; c) die Ausschmückung der Rede durch Wortund Gedankenfiguren. Das apte congruenterque dicere besteht nach Cicero (De or. 3, 210—212) darin, daß die verschiedenen Stilarten und Schmuckmittel der Rede eine angemessene Verwendung finden, die sich zu richten hat nach dem behandelten Stoff, der Person des Sprechers und der Zuhörer und den Zeitumständen, unter denen gesprochen wird.
139
Caesars Bellum civile
Über das Latine dicere (Latinitas) sind vor allem zu vergleichen Cic. De or. 3, 39 ff., 150 f., daneben Auct. ad Her. 4,17. Danach gehört es zum "Wesen eines guten und reinen Lateins (locutio emendata et Latina
Cic. B r u t . 2 5 8 ;
sermo fiurus et Latinus
Or. 79;
pure
et emendate loqui De opt. gen. or. 4), daß es sich freihält von fehlerhaften Wortformen und syntaktischen Fügungen und vorsichtig ist in der Wahl der Worte und syntaktischen Fügungen; im übrigen wird über die Latinitas unten noch ausführlicher zu sprechen sein. Ü b e r d a s plane
dicere
(dilucide
planeque
dicere
Or. 79,
dilucidus
sermo De or. 3, 38) ist zu vergleichen Auct. ad Her. 4, 17 (explanatio
est, quae reddit
duabus
rebus,
santur
in [sermone]
apertam
usitatis
verbis
et dilucidam et propriis.
consuetudine
verba sunt aut esse possunt,
orationem. usitata
cotidiana;
ea
sunt ea,
propria,
qua de re loquemur);
comparatur quae
quae
ver-
eius
rei
f e r n e r Cic. D e o r .
3, 49: Klarheit der Rede wird erreicht Latine dicendo, verbis usitatis ac proprie
demonstrantibus
sine ambiguo
ea, quae significari
verbo aut sermone,
non nimis
ac declarari
volemus;
longa continuatione
ver-
borurn e q s. Danach ist die erste Voraussetzung einer klaren Darstellung das Latine dicere. Außerdem werden vor allem gefordert usitata verba (also keine altertümlichen Worte, keine neugebildeten Worte) und verba propria, d. h. bildhafte und übertragene Ausdrücke sind zu vermeiden; desgleichen zweideutige Worte und Wortfügungen,, allzu große Perioden usw. Das Latine und plane dicere faßte Cicero, und vorher schon der Auetor ad Herennium, unter dem Begriff der elegantia zusammen. Für Cicero ergibt sich das aus Or. 79, wo behauptet wird, daß im schlichten Stil die aufdringlichen 1 ) Schmuckmittel keinen Platz h a b e n u n d d a ß d a h e r v o n d e n 4 virtutes 2
et munditia ) plane
remanebit;
m i t elegantia
dicere g e m e i n t sein.
orationis
elegantia
k ö n n e n a l s o n u r Latine
D e n n d a s apte congruenterque
dicere
modo und ist
in den Commentarii ohne weiteres gegeben, wenn die für sie maß1
Denn der vetecundus usus oratoriae quasi supellectilis wird ihm zugestanden; vgl. Or. 79 e ff. 2 munditia ist zugesetzt, um den Begriff der elegantia zu verstärken und zu verdeutlichen.
140
K A R L BABWICK
gebende schlichte Ausdrucksweise gewahrt und d. h. der ornatus orationis gemieden wird. Die aus Ciceros Orator zu erschließende Gleichsetzung
von
Latine -f- plane = eleganter
dicere
wird
vom
Auetor ad Herennium ausdrücklich vollzogen, indem er (4,17) Latinitas
und explanatio unter den Begriff elegantia subsummiert:
elegantia est, quae facit, ut locus unus quisque pure et aperte dici atur.
haec tribuitur
in Latinitatem,
explanationem
vide-
e q s.
Nach diesen Vorbemerkungen ist nun ohne weiteres klar, was Cicero Brut. 262 mit seinem Urteil über den Stil der Commentarii Caesars im Rahmen seiner rhetorischen Theorie besagen will: 1. der ornatus omni
ornatu
orationis orationis
w i r d i h n e n abgesprochen (nudi tamquam
veste detracta);
sunt . . .,
d a f ü r wird
2. Latine u n d plane dicere z u e r k a n n t , wobei recti et venusti u n d ('brevitas) auf das Latine,
illustris
brevitas
ihnen pura
(lichtvolle K l a r h e i t ) auf
das plane dicere sich beziehen; denn auch die brevitas dient der K l a r h e i t , vgl. Cic. P a r t . or. 19 brevitas
conficitur
simplieibus
semel una quaque re dicenda, nulli rei nisi ut dilucide dicas
verbis, serviendo.
Da nun, wie wir sahen, Latine und plane dicere unter dem Begriff der elegantia zusammengefaßt wurden und der ornatus den Commentarii fehlt, ist ihr wesentliches Charakteristikum die elegantia. Das versteht sich nach dem oben Gesagten von selbst, wenn Cicero von den Commentarii es auch nicht ausdrücklich bemerkt; wohl aber bemerkt er von dem Redner Caesar (Brut. 252; vgl. auch 261): illum omnium fere oratorum Latine loqui elegantissume.
A u c h Quin-
tilian (10,1, 114) hebt an dem Redner Caesar das Streben nach Eleganz als besonders bezeichnend hervor: exornat tarnen haec omnia (d. h. alle diese, im Vorhergehenden genannten Vorzüge des R e d n e r s Caesar) mira sermonis, cuius proprie studiosus
fuit,
elegantia.
Dagegen rühmt Hirtius, Ciceros Schüler in der Rhetorik, BG VIII praef. mit besonderem Nachdruck die elegantia auch der Comment a r i i Caesars: constat inter omnes nihil tarn operose ab aliis esse perfectum,
quod non horum
u n d BC) superetur. etiam
elegantia
commentariorum
(d. h . des
. . . ceteri enim quam bene atque emendate,
quam facile atque celeriter eos perfecerit,
seimus.
erat
BG nos autem
141
Caesars Bellum civile
in Caesare cum facultas atque elegantia summa scribendi, tum verissima scientia suorum consiliorum explicandorum (§ 4 ff.). 2. Caesars
elegantia
Wenn wir jetzt zu einer kurzen Charakteristik des sprachlichen Stils der Commentarii übergehen, so brauchen die knappen, aber sachkundigen und zutreffenden Andeutungen Ciceros im Brut. 262 nur weiter ausgeführt zu werden. Das charakteristische Stilmerkmal der Commentarii Caesars war für Cicero und Hirtius ihre elegantia. Cicero verstand darunter, wie wir festgestellt haben, und zweifellos auch Hirtius, eine gewisse Schlichtheit (d. h. das Fehlen rhetorischer Schmuckmittel) und Klarheit des Ausdrucks; und ferner eine gute Latinitas. Ich spreche zunächst a) Über die Schlichtheit und Klarheit der Commentarii
Der Bau der Perioden zeigt eine gewisse Einförmigkeit und nicht die Abrundung, wie wir sie bei Cicero gewohnt sind. Die Sätze sind meist klein oder von mäßigem Umfang. Nur selten begegnen größere Gebilde; vgl. etwa II 25,1—2 und 1, 21, 1—2. Die Wortstellung ist einfach, natürlich und vielfach bedingt durch das Streben nach Klarheit 1 ). So gewinnt z. B. in Sätzen wie II 19, 1 (Caesar equitatu praemisso subsequebatur omnibus copiis) und VI 21, 5 (parvis renonum tegimentis utuntur magna corporis parte nuda) die Ausdrucksweise durch die Einschaltung des Verbums zwischen die verschieden gearteten Ablative an Gefälligkeit und Klarheit. Dem schlichten Stil entsprechend kommt es verhältnismäßig selten vor, daß zusammengehörige Worte voneinander getrennt werden (Sperrung). Wenn es geschieht, ist die Sperrung in der Regel gering und dient meist der Hervorhebung eines Begriffes; vgl. etwa 1,1, 3 ut superioribus fecerint temporibus; 1, 4 , 2 alterum fore Suttam. Größere Sperrungen, die in dem hohen Stil Ciceros der Rhythmisierung und Abrundung der Periode zuliebe so sehr bevorzugt werden, sind selten; vgl. V58, 4 magna proposuit iis qui occiderint 1
Vgl.
N.
SCHNEIDER,
De verbi in lingua Lat. collocatione
S.
86 ff.
141
Caesars Bellum civile
in Caesare cum facultas atque elegantia summa scribendi, tum verissima scientia suorum consiliorum explicandorum (§ 4 ff.). 2. Caesars
elegantia
Wenn wir jetzt zu einer kurzen Charakteristik des sprachlichen Stils der Commentarii übergehen, so brauchen die knappen, aber sachkundigen und zutreffenden Andeutungen Ciceros im Brut. 262 nur weiter ausgeführt zu werden. Das charakteristische Stilmerkmal der Commentarii Caesars war für Cicero und Hirtius ihre elegantia. Cicero verstand darunter, wie wir festgestellt haben, und zweifellos auch Hirtius, eine gewisse Schlichtheit (d. h. das Fehlen rhetorischer Schmuckmittel) und Klarheit des Ausdrucks; und ferner eine gute Latinitas. Ich spreche zunächst a) Über die Schlichtheit und Klarheit der Commentarii
Der Bau der Perioden zeigt eine gewisse Einförmigkeit und nicht die Abrundung, wie wir sie bei Cicero gewohnt sind. Die Sätze sind meist klein oder von mäßigem Umfang. Nur selten begegnen größere Gebilde; vgl. etwa II 25,1—2 und 1, 21, 1—2. Die Wortstellung ist einfach, natürlich und vielfach bedingt durch das Streben nach Klarheit 1 ). So gewinnt z. B. in Sätzen wie II 19, 1 (Caesar equitatu praemisso subsequebatur omnibus copiis) und VI 21, 5 (parvis renonum tegimentis utuntur magna corporis parte nuda) die Ausdrucksweise durch die Einschaltung des Verbums zwischen die verschieden gearteten Ablative an Gefälligkeit und Klarheit. Dem schlichten Stil entsprechend kommt es verhältnismäßig selten vor, daß zusammengehörige Worte voneinander getrennt werden (Sperrung). Wenn es geschieht, ist die Sperrung in der Regel gering und dient meist der Hervorhebung eines Begriffes; vgl. etwa 1,1, 3 ut superioribus fecerint temporibus; 1, 4 , 2 alterum fore Suttam. Größere Sperrungen, die in dem hohen Stil Ciceros der Rhythmisierung und Abrundung der Periode zuliebe so sehr bevorzugt werden, sind selten; vgl. V58, 4 magna proposuit iis qui occiderint 1
Vgl.
N.
SCHNEIDER,
De verbi in lingua Lat. collocatione
S.
86 ff.
142
KAHL
BARWICK
praemia. Spuren der Rhythmisierung und die bei Cicero üblichen Klauseln fehlen nicht ganz; sie sind aber kaum gesucht. Eine Ausnahme machen die großen Reden des Critognatus (VII 77) und Curio (2, 32), die auch sonst eine etwas höhere Stilisierung zeigen 1 ). Altertümliche und neugebildete Worte, die als Schmuckmittel in der Dichtersprache, aber auch in der gehobenen Prosa verwandt wurden," sind dem schlichten Stil nicht angemessen und beeinträchtigen die Klarheit der Rede; sie werden daher von Caesar gemieden. Ebenso übertragene Ausdrücke (verba translata) und die Ausschmückung der Rede durch Wort- und Gedankenfiguren. Wenn in letzterer Hinsicht einiges bei Caesar sich findet, so handelt es sich u m Erscheinungen, die ihm ungesucht unterlaufen sind oder um solche,-die auch im schlichten Stil nicht gemieden wurden. So sind die Alliterationen, die in den Commentarii gelegentlich begegnen, wohl zufällig und kaum gewollt. Vgl. I 5, 4 ad se socios sibi;
18, 5 suo sumptu
Caesaris mitii
consecuti
consilio
Semper u . a . ; 1, 1, 4 si senatus
milites
consistere
coegerunt;
sequatur;
20, 1 divulgato
13, 3 Do-
u.a.
Die Anapher, die auch in der Umgangssprache beliebt war 2 ), ist bei Caesar sehr häufig, vgl. I 14, 3, 33, 5, 43, 4 u. ö.; 1, 2, 2—3, 21, 6, 22, 4, 47, 3 u. ö. Sie hat vielfach den Zweck, einzelne Momente der Darstellung deutlicher hervortreten zu lassen; vgl. 1 1 9 , 1 quod . . ., quod . . ., quod . . . Oder sie dient der Eindringl i c h k e i t ; v g l . 3, 3 magnam nam
. . ., magnarn
. . ., magnam
. . .,
mag-
. . .
Gern verwendet proelio
levi facto, perspecto
et spe exercitus
den Chiasmus 3 ); vgl. V I I 3 6 , 1
Caesar a u c h -urbis situ;
ac provinciarum;
1, 4, 2 aeris alieni
magnitudine
f e r n e r 1, 1 4 , 1 31, 1 52, 1 u . ö.
Ziemlich oft begegnet das Asyndeton 4 ), häufiger noch, wie es scheint, im BC als im BG. Es t r i t t in mannigfaltiger Funktion 1
Vgl. L. HOLTZ, C. Julius Caesar, quo usus sit in or. die. gen. Diss. Jena 1913, S. 29 ff. " B . HOFMANN, Lat. U m g a n g s s p r a c h e 61 ff. 3 4
Er ist auch der Umgangssprache nicht ganz fremd; HOFMANN a. 0 . 1 2 2 f. Über das Asyndeton in der Umgangssprache HOFMANN a. 0 . 1 1 0 ff.
14a
Caesars Bellum civile
auf und veranschaulicht die Eile und Schnelligkeit, z. B. I 7; 1,15, 2; oder es bringt einen Gegensatz zum Ausdruck ( 1 1 , 1 1, 9,3); oder es führt weiter (IV 2 7 , 1 1,3,1); oder es steigert (139, 4 1,24,2); oder es erklärt (VII 5 0 , 1 1, 7, 6). In der Verwendung des Polysyndeton ist Caesar viel zurückhaltender. Nicht selten ist bei Caesar auch eine gewisse tautologische Ausdrucksweise zu beobachten 1 ), die aber nicht, wie vielfach bei Cicero, einer Freude an der copia verborum entspringt; es handelt sich vielmehr bei ihm in der Regel um einen nur scheinbaren Pleonasmus, der meist die Absicht verfolgt, einen Begriff zu verstärken oder zu verdeutlichen. So wird in 1, 2, 6 (inviti et coacti) der schon durch inviti ausgedrückte Begriff durch coacti verstärkt; ähnlich 1, 4 4 , 1 rari
dispersique;
I I 18, 2 Collis adversus
huic
(colli)
et
contrarius
'genau gegenüber'; I I I 8, 3 subita et repenüna consilia 'ganz plötzliche
Entscheidungen'
und
oft.
3, 72, 2
(iniquitatem
loci
atque
angustias) wird die iniquitas loci durch angustiae erläutert. Auch ganze Satzteile verdanken dem Streben nach Deutlichkeit ihren Ursprung; intermissis, vigiliis
vgl. etwa ut
erat
stationibusque,
1,21,3
(milites disponit,
superiorum
dierum
ut contingant
non
consuetudo,
inter
certis
spatiis
sed
perpetuis
se atque omnem
munitio-
nern expleant), wo der konsekutive «¿-Satz das Adjektiv perpetuis erläutert. Gelegentlich steht neben dem Fremdwort der verdeutlichende lateinische Ausdruck; so I I I 15, 3 malacia ac tranquillitas2). Wahrscheinlich ist VI 15, 2 (ambactos clientesque) das Nebeneinander von ambacti und clientes in der gleichen Weise zu beurteilen. Manchmal geht Caesar in seinem Streben nach Verdeutlichung allerdings weiter, als es uns nötig erscheint; so V 1 3 , 1 insula natura triquetra\
1, 81, 1 natura
iniquo
loco;
3, 37, 4 edito
natura
loco;
3, 92, 4 alacritas naturaliter innata. Hier ist überall der Zusatz natura (naturaliter) sachlich kaum notwendig. Aber aus der Gleichartigkeit der Stellen darf man wohl schließen, daß Caesar und der 1
Vgl. P. HELLWIG, Über den Pleonasmus bei Caesar. Progr. Soph. Gymn. Berl. 1889. 2 Ähnlich verfährt Cicero, z. B. De or. 2, 270 in hac ironia dissimulantiaque.
144
KARL
BARWICK
Lateiner überhaupt (vgl. z. B. Sallust Cat. 40, 1 lug. 92, 5) eine Naturgegebenheit gern auch da betonte, wo der Zusammenhang es nicht unbedingt erforderte. — Ein Pleonasmus liegt natürlich auch nicht vor an Stellen, wo es sich um ein Hendiadyoin handelt, wo also ein Begriff durch zwei Worte umschrieben wird, z. B. IV 35, 3 cursu et viribus
'durch angestrengten Kitt'; 1,13, 1
oppido
moenibusque prohiberi 'von den Stadtmauern'. Eine Sonderstellung nehmen ferner ein die Stellen, wo Caesar, besonders im BG I, die umständliche Ausdrucksweise des Kurialstils übernimmt; so in den W e n d u n g e n postridie
eius diei, propterea
quod s t a t t des einfachen
quoä und in der Wiederholung des Beziehungswortes im Relativsatz. Nächst dem Fehlen aufdringlicher Schmuckmittel und dem Streben nach Klarheit ist das hervorstechendste Merkmal im Stil der Commentarii Caesars ihre elegantia im engeren Sinn, nämlich b) Ihre Reinheit und Eleganz
(Latinitas)
a) Ober die antike Theorie der elegantia = Latinitas
Unter elegantia verstand man zwar, wie wir oben festgestellt haben, zu Caesars Zeit neben dem Latine auch das plane dicere. Aber im allgemeinen hatte man bei elegantia speziell ein fehlerfreies und gutes Latein (Latinitas) im Auge. Das Latine dicere ist jedenfalls im Begriff der elegantia das wichtigste und ausschlaggebendste Element. Denn nach Cicero (De or. 3, 49) bildet das Latine
dicere a u c h f ü r das plane dicere die Voraussetzung, u n d ge-
legentlich scheint er Latine und eleganter geradezu gleichzusetzen. So spricht er De or. 3, 39 von der loquendi
elegantia,
wo d e m Zu-
sammenhang nach nur das Latine und nicht auch das plane dicere gemeint sein kann. Ferner darf darauf hingewiesen werden, daß in den Vorschriften über das plane dicere die Verwendung von usitata u n d propria verba gefordert wird (Auct. a d H e r . 4, 17 Cic. De or.
3, 48), daß aber nicht jedes Verbum usitatum und proprium an sich schon elegantia besitzt; über sie hat, wie wir sehen werden, ausschließlich die Lehre von der Latinitas zu befinden.
Caesars Bellum civile
145
Das Latine dicere wurde natürlich auch von den Rhetoren gelehrt, in erster Linie aber von den Grammatikern, deren Unterricht dem rhetorischen vorauszugehen pflegte (Quint. 1, 4, 1. 10, 1). Daher beschränkt sich Cicero bei seinen Ausführungen über das Latine dicere (De or. 3, 38 ff.) auf ein paar allgemeine und andeutende Bemerkungen mit dem Hinweis, daß es traditur lüteris doctrinaque puerili, d. h. durch deji grammatischen Unterricht. Dabei war es zunächst abgesehen auf das Vermeiden von sprachlichen Fehlern bei einzelnen Worten wie in der zusammenhängenden Rede, die man als Barbarismen bzw. als Solözismen bezeichnete. Die römischen Grammatiker pflegten sie in ihren Lehrbüchern (artes grammaticae) ausführlich zu behandeln (Auct. ad Her. 4,17). Auch Quintilian widmet ihnen in dem grammatischen Abschnitt seiner Institutio oratoria eine ziemlich eingehende Erörterung (1,5); und noch in den spätrömischen Schulgrammatiken der Kaiserzeit sind Abschnitte über barbarismus, soloecismus und die vitia orationis überhaupt die Regel 1 ). Aber bei den elementaren Vorschriften über Sprachrichtigkeit ließen es die Grammatiker nicht bewenden. Darüber hinaus bemühten sie sich um ein möglichst gutes und elegantes Latein. Das f ü h r t e darauf, aus dem vorhandenen Sprachgut eine Auswahl zu treffen; elegantia und gewählte Ausdrucksweise gehören daher eng zusammen. Man war sich zur Zeit Ciceros des engen Zusammenhangs von elegans mit eligere sehr wohl bewußt 2 ). So wurden fremdsprachliche Elemente (vgl. z. B. Quint. 1, 5, 7 f.) sowie auch gemeine und vulgäre Ausdrücke (Cic. De or. 3,150) nach Möglichkeit gemieden. Aber auch von diesen abgesehen, war man bemüht, aus dem Reichtum an sprachlichen Mitteln und Wortformen eine Auswahl zu treffen. Dabei war jeder zunächst auf sein sprachliches Gefühl und seinen Geschmack angewiesen 3 ). Diese suchte 1
Näheres darüber in meinem Buch Remmius Palaemon und die römische ars grammatica. 2 Cic. De nat. d. 2, 72 elegantes ex eligendo. 3 Cic. De or. 3, 150 f. in hoc verborum genere propriorum dilectus est habendus quidam atque is cturium quodam iudicio ponderandus est; in quo consuetudo Barwick 10
146
KAHL
BAKWICK
man daher zu entwickeln und zu pflegen durch eifrige Lektüre der besten Autoren (omnis loquendi elegantia . . . augetur legendis oratoribus et poetis Cic. De or. 3, 39; vgl. auch § 42 und 48). Man war sich aber auch bewußt, daß die Eleganz des sprachlichen Ausdrucks mitbedingt ist durch das häusliche Milieu, in dem der Sprechende aufgewachsen war und sich bewegte: praecepta Latine loquendi ... alit consuetudo sermonis cotidiani ac.domestici Cic. De or. 3, 48 1 ). Endlich versuchte man, mit Hilfe theoretischer Erwägungen eine Auswahl der besten Worte und Wortformen zu treffen. Dabei spielte die Analogie {ratio)2) als Kriterium die wichtigste, aber nicht die einzige Rolle3). Diese theoretischen Erörterungen fanden ihren Niederschlag in besonderen Schriften, die bei den Griechen den Titel IISQI SMRJNOFIOV oder IJegl avakoylag, bei den Römern den Titel De latinitate, De- analogia (De proportione, De similitudine verborum) oder De Latino sermone zu führen pflegten. Uns ist eine Reihe derartiger Schriften aus der römischen Literatur noch mehr oder weniger gut bekannt, so ein Werk von Staberius Eros (De proportione), von Antonius Gnipho, dem Lehrer Caesars (De Latino sermone II), von Yarro (De similitudine verborum I I I und De sermone Latino V)4), von Caesar (De analogia II), von Pansa5) (De latinitate), von dem älteren Plinius (Libri dubii sermonis VIII) 6 ) und von Caper (De latinitate)7). Auch Quintilian widmet der Theorie des Latinus sermo ein besonderes Kapitel (1,6). etiam bene loquendi valet plurimum. itaque hoc,quod volgo de oratoribus ab imperitis dici solet: Bonis hic verbis, aut: A liquis non bonis utitur, non arte aliqua perpenditur, sed quodam quasi naturali sensu iudicatur. Vgl. auch Cic. B r a t . 210. 252 Quint. 1, 1, 6. Sie ist gemeint, wenn es bei Cic. De or. 3 , 4 2 heißt: (die subtilitas verborum, d. h. die Eleganz des Ausdrucks) adfert ratio, (docent litterae, confirmat consuetudo et legendi et loquendi). 1
2
3 Über die. verschiedenen Kriterien der Auswahl Verf. Remm. Pal. 182 ff. 203 ff. 206 ff. 4 Vgl. Verf. Remm. Pal. 185. 5 Über ihn ausführlich Verf. Remm. Pal. 167—186 und öfter. 6 Verf. Remm. Pal., besonders 206 ff. 7 Verf. Remm. Pal. 203 ff.
147
Caesars Bellum civile
Es ist nun kein Zufall, daß gerade Caesar der Eleganz des Ausdrucks seine besondere Sorgfalt zuwandte. Die Voraussetzungen dazu lagen bei ihm besonders günstig. In seinem Elternhaus befleißigte man sich eines reinen und guten Lateins 1 ). Er war überdies ein hochgebildeter Mann von feinem Geschmack und hatte in seiner Jugend den Unterricht des Grammatikers Antonius Gnipho genossen, der, wie sein soeben genanntes "Werk, De Latino sermone' beweist, den Fragen einer guten Latinitas seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte. Caesar hatte daher ein starkes Interesse für diese Probleme gewiß schon aus der Schule mitgebracht; und daß sie ihn durchs Leben begleiteten, beweist die Tatsache, daß er später, während des gallischen Krieges, ein De analogia betiteltes Werk verfaßt hat, das, wie die erhaltenen Fragmente beweisen und Ciceros Umschreibung des Titels (Brut. 252) durch de ratione Latine loquendi bestätigt, sich mit der Frage eines guten und eleganten Lateins beschäftigte. Wie nicht anders zu erwarten, spielte in ihm das Moment der „Auswahl", die Wahl bestimmter Worte und Wortformen, eine große Rolle. So hatte Caesar im ersten B u c h b e h a u p t e t : verborum KLOTZ). inauditum
delectum
originem
esse eloquentiae
(fr. 1
In dem gleichen Buch stand der Satz, man müsse ein atque
insolens
verbum
meiden
wie
eine
Klippe
(fr. 2
KLOTZ); es wurde also vor altertümlichen Worten und sprachlichen Neubildungen gewarnt. Wenn verschiedene Worte oder Flexionsformen im Sprachgebrauch zur Verfügung standen, pflegte Caesar mit Hilfe der ratio eine Auswahl zu treffen. Das besagt der Satz Ciceros Brut. 261, den man bisher seltsamerweise nicht unter die Fragmente bzw. testimonia der Schrift aufgenommen hat: Caesar rationem
adhibens
corrupta
consuetudine
consuetudinem emendat.
vitiosam
et corruptam
So w a r
im lateinischen
-pura et inSprach-
gebrauch (consuetudo) für 'Sand' sowohl der Singular harena wie der Plural harenae geläufig. Caesar entschied sich auf Grund der Analogie {ratio) von caelum und triticum f ü r den Singular (fr. 3 Klotz).
Der Plural gehörte also für ihn zur vitiosa et corrupta consuetudo. 1 Auf die Bedeutung der domestica consuetudo für die sprachliche Eleganz Caesars weist Cicero Brut. 252 ausdrücklich hin; vgl. auch Tacitus Dial. 28. 10»
148
KABL
BABWICK
Nach alledem dürfen wir annehmen, daß Caesar auch in seinen Commentarii wählerisch war 1 ) in der Verwendung der vom Sprachgebrauch dargebotenen Worte, Wortformen und syntaktischen Verbindungen. Wie weit er sich dabei an die in seiner theoretischen Schrift niedergelegten Grundsätze gehalten hat, ist bei der geringen Zahl der Fragmente, die wir aus ihr besitzen und die überdies, weil aus dem Zusammenhang gerissen, sehr leicht ein falsches Bild vermitteln, sehr schwer zu entscheiden und kann hier des näheren nicht untersucht werden. Wir müssen uns im wesentlichen darauf beschränken, seine sprachlichen Grundsätze und Gepflogenheiten aus den Commentarii selber- abzulesen. ß) Über die elegantia = Latinitas
in Caesars Commentarii
Zweifellos war Caesar bemüht, seine Sprache von fremden Elementen rein zu erhalten. Doch ließ er fremde Worte, die das Bürgerrecht in der lateinischen Sprache erlangt hatten, unbedenklich zu, z.B.
ephippium%)
I V 2, 6 ; epistula
( 4 m a l i n V 48, s o n s t
litter ae,
auch = Briefe); scopulus 3, 27, 2; theatrum 2mal im BC usw. Auch vor militärischen und sonstigen Fachausdrücken fremder Herkunft, für die es einen lateinischen Ersatz nicht gab, scheute Caesar nicht zurück; so begegnen z . B . anteris IV 17, 9; ambacti VI 15, 2; ballista
2,2,2;
catapulta
1 , 5 7 , 2 ; machinatio phalanga
2,9,3;
gaesum
1114,1;
harpago
( 3 + 1 ) 3 ) ; malacia 11115,3; matara
2, 10, 7; phalanx
5 m a l in V ; scapha
V I I 81, 1
126,3;
( 1 + 9); scorpio
VII
25, 2; tetrarches 3, 3, 2 usw. Dabei hält sich aber Caesar von jeder pedantischen Konsequenz frei. Er vermeidet z. B. das griechische Fremdwort epibatae (die auf einem Schiff befindlichen Kampftruppen), das der Verfasser des Bell. Afr. ausschließlich (4mal) und einmal auch der Verfasser des Bell. Alex, verwendet, und gebraucht dafür defensores (3, 24, 3 40, 4) oder propugnatores (3, 27, 2). Aber hippotoxotae (berittene Bogenschützen) läßt er zu (3, 4, 5). Das 1 Er stimmt in dieser Hinsicht mit Cicero überein, von dem Tacitus (Dial. 22) bemerkt, daß er primus verbis delectum adhibuii. 2 Das Wort auch bei Cic. Fin. 3, 15. 3 d. h. 3mal im BG und lmal im BC.
Caesars Bellum civile
149
Wort begegnet auch im Bell. Afr. 19, 6; aber Curtius (5, 4,14) und Tacitus (Ann. 2,16) gehen ihm aus dem Wege und umschreiben es durch den lateinische^ Ausdruck equites sagittarii. Es scheint, daß die puristischen Neigungen Caesars anfänglich, während der Abfassung der älteren Bücher des BG, stärker ausgeprägt waren als später. So umschreibt er IV 26, 4 das griechische catascopus (Bell. Afr. 26, 3) durch speculatorium navigium. Das griechische Fremdwort harpagones, Stangen mit eisernen Haken ( V I I 8 1 , 1 1, 57, 2), und den technischen Ausdruck manus jerreae (Bmal im BC) wagt Caesar erst verhältnismäßig s p ä t : in I I I 13, 8 verwendet er dafür copulae, ein Wort, das in dieser Bedeutung nur hier vorkommt und das seinen neuartigen Begriffsinhalt wahrscheinlich nur den puristischen Neigungen Caesars verdankt. Weiterhin war Caesar darauf bedacht, alles zu vermeiden, was nur dem hohen Prosastil oder der Dichtersprache angemessen schien, also Worte wie aevum statt aetas, ensis statt gladius, letum s t a t t mors] tellus s t a t t terra usw. Auf der anderen Seite geht er Worten der niederen und vulgären Sprachsphäre aus dem Wege. Daher fehlen bei ihm im allgemeinen auch Ausdrücke der Soldatensprache ; so das von Hirtius (VIII 35, 4) und im Bell. Hisp. 3, 7 gebrauchte vigiles1);, er verwendet dafür vigiliae, custodiae oder excubitores. bracchnim bezeichnete in der Soldatensprache 2 ) eine befestigte Verbindungslinie zwischen zwei Punkten, so im Bell. Alex. 30, 3 und öfter im Bell. Afr. und Bell. Hisp. Caesar vermeidet das Wort und gebraucht f ü r einen solchen Verbindungswall (3, 66, 6) den allgemein gehaltenen und gewählteren Ausdruck munitio. Aber konsequent ist Caesar auch hier nicht verfahren und hat V I I 7 3 , 1 ein Wort der Soldatensprache zugelassen (materiari) 3 ). Bei seinem Ausleseverfahren sind aber f ü r Caesar nicht nur Gesichtspunkte der bisher besprochenen Art maßgebend gewesen; es spielen dabei auch noch andere Faktoren eine Rolle, so sein aus1
Vgl. KEMPF, Romanorum sermonis castr. rel. coli, et illustr. Jahrb. f. Philol. Suppl. 26 (1901) 351 376. 2
KEMPF a. O. 3 6 4 347.
3
KEMPF a. O. 3 7 6 3 5 1 .
150
KABL BARWICK
geprägtes Gefühl für Urbanität des Ausdrucks und seine sprachtheoretischen Anschauungen. Die Folge seines wählerischen Verfahrens war eine gewisse Normalisierung und Verarmung der Sprache, so daß Caesar seine Darstellung mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand sprachlicher Mittel bestreitet. Vielfach sind wir nicht mehr in der Lage festzustellen, warum Caesar im einzelnen Fall gerade diese und keine andere Wahl getroffen hat. Besonders schwer sind für uns sein Gefühl für Urbanität des Ausdrucks und seine sprachtheoretischen Anschauungen zu fassen. Aber die Tatsache der Auswahl ist unbezweifelt und soll im folgenden durch einige Beispiele veranschaulicht werden: Abalienare wird gemieden; dafür Verbindungen mit avertere. Abdere, verbergen (12 + 1), occultare (13 + 2); dagegen fehlen condere, abscondere (dazu L A N D G R A F , Komm, zu Cic. Pro Sex. Roscio Am.2 226 f.), recondere, occulere: nur das Partizip Perfekt Passivum reconditus (3,105, 5) und occultus, substantivisch und adjektivisch, kommen vor. Abesse, entfernt sein, das Übliche; distare nur in den späteren Büchern des BG (IV 17, 6, 4mal in VII) und 3mal im BC. Abscedere,
decedere, discedere,
excedere, proficisci,
weggehen, h ä u f i g ;
abire selten und nur in den späteren Büchern des BG (VI 43, 4 VII50, 6) und 2mal im BC; absistere, sich entfernen, nur V 17, 2 (ab signis legionibusque absistere). Absolvere fehlt; dafür, sehr häufig,' perficere.
Absterrere
fehlt;
dafür
deterrere
(6+2).
Accendere,
anzünden, fehlt; dafür incendere (häufig). Aeger, substantivisch und
adjektivisch;
nie
aegrotus.
Amnis
(dichterisch) u n d
fluvius
fehlen; dafür, mehr als 200mal, flumen. Antecedere, vorausgehen, ziemlich häufig; praecedere nur 11, 4, und zwar bildlich = übertreffen. Antequam nur 2mal im BC; sonst immer priusquam. Appellare
etwa 5 0 m a l ; nominare
u n d vocare = appellare
n u r je l m a l
im BG (VII 73, 9 V21, 3). Apud, bei,, in Verbindung mit Städtenamen nur VII 75,1 (wo aber in ß apud durch das üblichere ad ersetzt ist), 3, 57,1 und in einem Brief bei Cic. Att. 9, 7 C, 1; sonst ad ( 8 + 2 3 ) . Arcere, abhalten, zurückhalten, fehlt; dafür, sehr h ä u f i g , prohibere.
posse
nur
Arma
V 3 , 4.
ferre non posse (6 + 0); in armis esse non
Armatura
nur = Bewaffnung ( 4 + 7 ) ;
nie =
Caesars Bellum eivile
151
Bewaffnete, wie z. B. im Bell. Afr., Bell. Hisp. und bei Livius. Assuefacere (4 + 1); nie consuefacere, wie z. B. Bell. Afr. 73, 2 Sali, lug. 80, 2. Auxiliares, zu den Hilfstruppen gehörig (1 + 2); Hirtius
und der Verfasser des Bell. Alex, auxiliarius (je lmal). Castra movere (15 + 6); castra promover e nur 2mal im B G .
Causa
mit Gen., wegen, mehr als 150mal; dagegen gratiä in der gleichen Bedeutung nur je lmal im BG und BC. Certare fehlt; dafür, häufig, decertare. Clades wird, offenbar wegen seiner üblen Vorbedeutung, nicht nur von Caesar, sondern auch von seinen Fortsetzern gemieden; Caesar verwendet dafür damnum, detrimentum oder calamitas. Clam, heimlich, das Übliche; seltener secreto (2 + 2), occulto (1 -(- 1), occultissime 3 , 6 7 , 3 ; clanculum, furtim, furtive, obscure, tacite u n d tacito fehlen. Clamorem tollere (6 + 1) "> clamorem facere
fehlt. Dagegen clamorem facere Bell. Afr. 80, 5 Bell. Hisp. 5mal, daneben 2mal clamorem tollere. Über den volkstümlichen Charakter
von clamorem facere
KLOTZ,
Komm. z. Bell. Hisp. 47 f.
Commode
wird nur in Verbindung mit minus (4mal) und satis (4mal) gebraucht; commode allein nur IV 31, 3. Commemorare sehr häufig; memorare fehlt. Complere häufig; seltener explere ( 6 + 4 ) ; replere nur VII 5 6 , 5 ; opplere
3 , 7 3 , 3 ; im-plere f e h l t .
Concidere
(8+2);
corruere
fehlt. Consolari (5 + 1); solari (dichterisch) fehlt. Consulto ( 4 + 0 ) ; deditä
oferä
u n d de industria
fehlen.
Continere
se(se): Die Orts-
angabe steht immer im bloßen Ablativ (10 + 6 und lmal in einem Brief bei Cic. Att. 9,14,1); einzige Ausnahme 1118,3 {intra eas silvas). In der späteren Prosa werden außer dem bloßen Ablativ die Präpositionen in und intra häufig verwendet. Cruciatus: Caesar
gebraucht das Substantiv im Singular nur in Verbindung mit einer Präposition (5mal), sonst immer im Plural (4mal). Cupiditas (8 + 1); nie
cupido.
Defatigare: Die Ursache der Ermüdung wird nur durch den bloßen Ablativ ausgedrückt (3 + 1). Man vergleiche dagegen die Mannigfaltigkeit der Ausdrucksweise im Bell. Afr.: 18,4 iumenta ex nausea recenti sitique defatigata; 19, 3 caedendo defatigati; 32, 2 tirones in labore def atigare; 71, 2 militem defatigabat propter velocitatem; 75, 3 milites sub onere et sub sarcinis defatigatos. Deinde
K&kl
152
BÄRWICK
( 7 + 2 ) ; dein nur 1,64,1. Desistere, von etwas abstehen, verwendet Caesar regelmäßig mit dem Ablativ (8 + 4); nur 2,12, 3 ab defensione desistere. Auch VII, 12, 1 ist daher mit ß wohl ab oppugnatione zu lesen (a oppugnatione), da VII vielfach dem Sprachgebrauch des BC näher steht. Difficile&h Adverb gemieden; dafür non (neque) oder minus
facile;
difficulter n u r 1, 2 6 , 1 .
Eo mit Genitiv gemieden. Etsi die Regel, tametsi selten (3mal); gemieden etiamsi, licet, quamquam, quamvis der V e r b i n d u n g quamvis pauci I V 2, 5).
Fatigatus
(das l e t z t e r e n u r in
nur V I I 4 8 , 4 3 , 9 5 , 1 ; defatigatus
(4+1);
defessus
( 6 + 7); fessus u n d lassus f e h l e n . Festinare g e m i e d e n ; accelerare n u r V I I 87, 4 ; contendere u n d properare h ä u f i g . Forem, fores usw.
gemieden, aber nicht fore. Fortitudo gemieden, dafür virtus; fortitudo nur I 2, 5, von den Helvetiern. Fugere (intransitiv) sehr häufig; confugere
n u r 5mal (1 + 4).
Fugiens
laboris
(1, 69, 3):
Dies d a s
einzige Beispiel eines Partizip Präsens Aktivum mit dem Genitiv eines Substantivs. Haud n u r V, 54, 5. Igitur n u r 1, 8 5 , 4 , sonst itaque; ergo erst in V I I u n d im BC. Iner-
mis (3 + 3): I 40, 6 inermos a: inermes B° ß. Ich halte es durch-
aus für möglich und wahrscheinlich, daß Caesar im B G I , das auch sonst manche sprachliche Besonderheiten aufweist, die Form inermus zugelassen hat. Infimus (6 + 6); imus nur 2mal in den älteren Büchern des BG (III 19,1 IV 17, 3), und zwar in der präpositionalen Wendung ab imo. Ebenso wird infimus von Cicero bevorzugt. In den Reden 21mal infimus, imus nur in einer der ältesten Reden Rose. com. 20; in den philosophischen Schriften nur infimus, 22mal (LÖFSTEDT Syntactica II 347 f.). Nach LÖFSTEDT war imus „die gewöhnliche und volkstümliche Form, während infimus mehr literarisches Gepräge hatte". Initium sehr häufig; prineipium gemieden. Insuetus mit Genitiv die Regel (2 + 2); insuetus ad nur 1, 78, 2. Mater familiae
(nicht -as) u n d pater familiae
( 4 + 1 und 1 +
1).
Metuere fehlt; dafür timere, sehr häufig. Auch metus ist viel seltener als timor: es begegnet fast nur im Ablativ. Außerdem kommt
Caesars Bellum civile
isa
nur 2mal der Nominativ (metus) im BC und 2mal der Akkusativ (metum) im B G vor. Ad modum immer in Verbindung mit einem Pronomen (9 + 4 - f 1 in einem Brief); in modum nur in Verbindung mit einem Adjektiv (2 -j- 0). Monere häufig; commonere fehlt; commonefacere nur 119, 4. Monstrare gemieden (V 1, 1 ist sicher mit a demonstrat zu schreiben: ß monstravii); dafür, sehr häufig, demonstrare und ostendere (ostentare). Mortales — homines gemieden; dazu LANDGRAF a. 0 . 33 f. Namque nur vor Vokal, bzw. h + Vokal. Nec (und ac) nie vor Vokal; daher werden necopinans und necopinus gemieden-; dafür inopinans ( 8 + 4). Nequire (und non quire) gemieden; dafür non posse. Nescire gemieden; dafür non (haud, neque) scire; vgl. dagegen Cic. Or. 157 non scire quidem barbarum iam videtur, nescire dulcius. Ni = nisi fehlt. Non tantum —• sed etiam fehlt, ebenso bei Sallust; dafür non modo — sed etiam und non solum — sed etiam. Nulli (Dativ von nullus) die Regel; dafür nullo VI 13, 1 (so a nulli ß) 2, 7, 1. Ob, wegen, nur in Verbindung mit causa (9 + 6) und res (6mal im BG). Oboedire fehlt; dafür audire, dicto audientem esse, obtemperare, parere. Pati sehr häufig; sinere nur I V 2, 6, wo aber nur a sinere überliefert, ß pati. Parum mit Genitiv fehlt. Paulo und multo mit Komperativ gehen diesem in der Regel voraus; nur 3mal (I 54, 2 3, 79, 4. 63, 1) folgen sie ihm. Perfugere, überlaufen (2 + 7), perfuga, "Überläufer ( 6 + 6), transfugere und transfuga fehlen; sie gehörten vermutlich dem sermo castrensis an; vgl. KÖHLER, Acta semin. philol. Erlang. I 388. Plenus verbindet Caesar, dem herrschenden Sprachgebrauch seiner Zeit entsprechend, mit dem Genitiv: 5mal im BC; nur 1 , 7 4 , 7 macht eine Ausnahme. V I I 76, 5 geht die Überlieferung auseinander: a bietet den Genitiv, ß den Ablativ. Potiri mit Ablativ die Regel (16mal); mit dem Genitiv nur 1 3 , 8 ; 2mal (II 7, 2 I I I 6, 2) wird es in der Gerundivkonstruktion wie ein Transitivum behandelt. Prius — potius nur 2mal im BC; sonst potius ( 6 + 4 ) . Promittere, versprechen, fehlt; dafür, sehr häufig, polliceri (pollicitari fehlt). Auch promissio und pro-
154
KARL BARWICK
missum, das Versprechen, wird gemieden; dafür pollicitatio (9 + 4). Das letztere fehlt bei Cicero, der promissio und promissum gebraucht. Propterea nur in Verbindung mit quod; quocirca und quapropter (dazu L A N D G R A F a. 0. 31) fehlen. Qua als Femininum des Pronomen indefinitum qui ist bei Caesar die Regel (9 + 4); dafür nur 2 mal quae (VII 3, 2 1, 2, 3). Quod, weil, die Regel; quia nur 3, 30, 4. Reditio nur zu Beginn des BG (15,3); sonst reditus (3 + 1). Repentino gemieden; nur II 33, 2 überliefert a repentino, ß B° re•pente. Auch in Ciceros Reden begegnet repentino nur lmal, bezeichnenderweise in einer der ältesten Reden, Quinct. 14. Als Ersatz für repentino gebraucht. Caesar subito (33 + 18), weniger oft repente (6 + 4). Silentium nur in VII (lOmal) und im BC (7mal), und zwar nur im Ablativ. Terga vertere (6 + 8); terga convertere nur 1, 80, 5. Verum, aber, fehlt. Vulnerare sehr häufig; convulnerare fehlt; das letztere 9mal im Bell. Afr., daneben 7mal vulnerare; das spricht für den volkstümlichen Charakter des Wortes 1 ). Die Perfektformen auf -erunt bilden die Regel; die Form auf -ere wird nur 3mal einstimmig überliefert: I 32, 3 1, 51, 5 3, 63, 5; dazu Cic. Or. 157 nec vero reprehenderim 'scripsere alii reni1 (Enn. Ann. 213 V.), et scripserunt esse verius sentio, sed consuetudini auribus indulgenti libenter obsequor. Die Perfektform auf -arunt wird nach M E U S E L ZU II 17, 2 nur je lmal in Buch I—'III des BG einhellig bezeugt; ab Buch IV und im BC begegnen nur die Formen auf -averunt (29mal). Das hier vorgelegte Material, das sich leicht vermehren ließe, dürfte die weitgehende Normalisierung der Sprache Caesars zur Genüge beleuchten; sie wird aber, wie aus eben diesem Material ersichtlich ist, nicht so weit getrieben, daß die maßgebenden Normen gelegentlich nicht auch durchbrochen würden, und zwar im BG ebenso wie im BC, wenn auch in dem letzteren die Normalisierung 1
KÖHLER, a . 0 . 3 8 2 .
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Caesars Bellum civile
etwas weniger straff durchgeführt wird als im BG. Ebenso ist, trotz aller Normalisierungstendenz, auch ein gewisses Streben nach Abwechslung im Ausdruck nicht zu verkennen. Für Einzelheiten der militärischen Terminologie hat das hübsch nachgewiesen F R Ö H LICH, Festschrift d. philol. Kränzchens in Zürich 1887, S. 28 ff. Es ist ferner bemerkenswert, daß bei Caesar gelegentlich ganz singulare Worte und Wortformen auftauchen; so können wir z. B. nur bei ihm nachweisen I 42, 6 inridicule;
I I I 12, 1 lingulä 'Land-
zunge'; IV 2, 5 ephippiatus; VI 24, 4 insnefactus 'daran gewöhnt'; V I I 1 3 , 1 detrimentari; 84, 5 demisissime
und
V I I 73, 1 materiari;
1,27,4
inaequare;
1,
subiectissime.
3. Volkstümliche und sonstige unklassische Elemente in den Commentarii Caesars Die von Caesar getroffene Auswahl aus dem ihm zur Verfügung stehenden lateinischen Sprachgut verleiht seinem Stil ein gewisses klassisches Gepräge. Freilich hat er sich, wie wir feststellen konnten, nicht überall und konsequent an die von ihm aufgestellten Normen und Regeln gehalten. Noch in anderer Hinsicht wird in den Commentarii das Prinzip der Auswahl nicht so streng durchgeführt, wie man es vielleicht bei dem „Klassiker" Caesar erwarten könnte. Man findet nicht selten bei ihm, freilich nur vereinzelt, Worte, Wendungen und syntaktische Verbindungen, die vornehmlich in der Umgangs- und Volkssprache gebräuchlich gewesen sind oder solche, die sich sonst nur noch, ausschließlich oder in der Hauptsache, bei Dichtern und späteren Prosaikern nachweisen lassen. Und endlich sind Caesar auch gewisse Nachlässigkeiten des Ausdrucks gelegentlich unterlaufen. Die folgende Zusammenstellung, die auf Vollständigkeit keinerlei Anspruch erhebt, möge das veranschaulichen. 118,6
largiter
posse = multum
posse:
„Der
Umgangssprache
entlehnt", vgl. die ausgezeichnete und im folgenden noch oft von mir zitierte Arbeit von F R E S E (Beitr. z. Beurteilung d. Sprache Caesars. Progr. Luitpold-Gymn. München 1899/1900), S. 25 und M E U S E L
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Caesars Bellum civile
etwas weniger straff durchgeführt wird als im BG. Ebenso ist, trotz aller Normalisierungstendenz, auch ein gewisses Streben nach Abwechslung im Ausdruck nicht zu verkennen. Für Einzelheiten der militärischen Terminologie hat das hübsch nachgewiesen F R Ö H LICH, Festschrift d. philol. Kränzchens in Zürich 1887, S. 28 ff. Es ist ferner bemerkenswert, daß bei Caesar gelegentlich ganz singulare Worte und Wortformen auftauchen; so können wir z. B. nur bei ihm nachweisen I 42, 6 inridicule;
I I I 12, 1 lingulä 'Land-
zunge'; IV 2, 5 ephippiatus; VI 24, 4 insnefactus 'daran gewöhnt'; V I I 1 3 , 1 detrimentari; 84, 5 demisissime
und
V I I 73, 1 materiari;
1,27,4
inaequare;
1,
subiectissime.
3. Volkstümliche und sonstige unklassische Elemente in den Commentarii Caesars Die von Caesar getroffene Auswahl aus dem ihm zur Verfügung stehenden lateinischen Sprachgut verleiht seinem Stil ein gewisses klassisches Gepräge. Freilich hat er sich, wie wir feststellen konnten, nicht überall und konsequent an die von ihm aufgestellten Normen und Regeln gehalten. Noch in anderer Hinsicht wird in den Commentarii das Prinzip der Auswahl nicht so streng durchgeführt, wie man es vielleicht bei dem „Klassiker" Caesar erwarten könnte. Man findet nicht selten bei ihm, freilich nur vereinzelt, Worte, Wendungen und syntaktische Verbindungen, die vornehmlich in der Umgangs- und Volkssprache gebräuchlich gewesen sind oder solche, die sich sonst nur noch, ausschließlich oder in der Hauptsache, bei Dichtern und späteren Prosaikern nachweisen lassen. Und endlich sind Caesar auch gewisse Nachlässigkeiten des Ausdrucks gelegentlich unterlaufen. Die folgende Zusammenstellung, die auf Vollständigkeit keinerlei Anspruch erhebt, möge das veranschaulichen. 118,6
largiter
posse = multum
posse:
„Der
Umgangssprache
entlehnt", vgl. die ausgezeichnete und im folgenden noch oft von mir zitierte Arbeit von F R E S E (Beitr. z. Beurteilung d. Sprache Caesars. Progr. Luitpold-Gymn. München 1899/1900), S. 25 und M E U S E L
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KAHL BABWICK
z. St. I 25, 4 praeoptare mit Infinitiv: „gehört der Umgangssprache a n " . F E E S E 26. M E U S E L Z . St. 1 2 8 , 1 resciit. Nicht klassisch: „Resciscere findet sich häufig in der vorklassischen Zeit, besonders bei Plautus und Terenz; bei Caesar nur hier, bei Cicero nur Off. I I I 91; außerdem in einem Brief des Caelius an Cicero (Fam. V I I I 12, 2 ) . " M E U S E L Z. St. I 34, 1 locurn medium utriusque. Zu medius mit dem Genitiv bemerkt M E U S E L : „Bei Dichtern und Späteren."' Es folgen Belege, dann heißt es weiter: „aber in der klassischen Prosa befindet sich gewiß keine derartige Stelle. Es dürfte also entweder utrisque (von M E U S E L in den Text gesetzt) zu lesen oder utriusque zu streichen sein." Aber F R E S E 27 weist darauf hin, daß medius mit dem Genitiv sich noch an zwei weiteren Stellen des BG findet: IV 19, 3 (locum) medium fere regionum earum. VI 13, 10 quae regio totius Galliae media habetur. I 34, 2 si quid ille se velit: „Velle aliquem aliquid findet sich sonst nicht in der klassischen Sprache, ist der Umgangssprache entlehnt." F R E S E 27. M E U § E L z. St. I 35, 4 sese . . . se Haeduorum iniurias non neglecturum: vorausgehendes sese wird durch se wieder aufgenommen. Über den umgangssprachlichen Charakter dieser Erscheinung vgl. STOLZSCHMALZ L G 5. Aufl. von L E U M A N N - H O F M A N N S. 829. I 39, 6 non se hostem vereri, sed angustias itineris et magnitudinem silvarum . . .; aut rem jrumentariam ut satis commode supportari posset timere dicebanl. Der hier vorliegende, allerdings durch die Konzinnität entschuldigte, sogenannte proleptische Akkusativ ist besonders der Umgangssprache geläufig. H O F M A N N , Lat. Umgangssprache 113 f. STOLZ-SCHMALZ 5 654 f. 1 4 3 , 2 item . . . pari intervallo: item findet M E U S E L (Krit. Anhang z. St.) wegen des folgenden pari intervallo überflüssig und „unerträglich". Aber die umgangssprachliche Abundanz des Ausdrucks ist, im Hinblick auf die zahlreichen anderen umgangssprachlichen Erscheinungen bei Caesar, kaum zu beanstanden. I 48, 7 V I I 5 2 , 1 3, 46, 5. 6 3, 97, 2 recipere = se recipere (von den Herausgebern z. T. korrigiert); vgl. F R E S E 2 9 ; STOLZSCHMALZ 5 5 4 6 f . : der intransitiv-reflexive Gebrauch transitiver Verba ist „in der Volkssprache ganz geläufig, besonders bei Bewegungsverben".
Caesars Bellum civile
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II 1, 1. 24,1. 28,1 IV 27, 2. Lässiger Gebrauch des Plusquamperfekts statt des Perfekts in Rückverweisungen: FRESE 49 f. BECKMANN a. 0 . 30. Über eine ähnlich lässige Verwendung des Plusquamperfekts bei Caesar in Relativsätzen FRESE 50. I I 24, 1 fugam petebant: scheint mehr der Umgangssprache anzugehören. MEUSEL Z. St.; sonst bei Caesar fugae se mandare (4 + 0). II 25, 2 scuto ab novissimis uni militi detracto. uni, das VIELHABER u n d MEUSEL getilgt haben, kommt hier, wie unus in der Wendung uno tempore = aliquando (3, 15, 4) u n d unum flumen tantum (3, 19, 1)
dem Indefinitum quidam sehr nahe. Über diese umgangssprachliche Verwendung von unus vgl. STOLZ-SCHMALZ5 482 und HOFMANN, Lat. Umgangsspr. 4 0 1 f. 1 1 2 9 , 4 VI 1 8 , 1 prognati: „Das Wort ist dichterisch, in der älteren Prosa nur in einem Brief des Caelius bei Cic. F a m . V I I I 1 5 , 2 . " MEUSEL ZU I I 29, 4. I I 30, 4 omnibus Gattis prae magnitudine corporum suorum breviias nostra contemptui est: brevitas als Gegensatz zu magnitudo corporis f i n d e t sich nur noch bei Dichtern und Späteren; so richtig MEUSEL z. St.
nach Ausweis des Thes. 1. L. 2, 2190, 5. I I I 9, 4 itinera concisa aesiuariis. In diesem Sinne kommt con•cisus zuerst bei Caesar vor, dann erst wieder bei Columella und .späteren Prosaikern (Thes. 1. L. 4, 34, 60). I I I 12, 1 minuente aestu. Intransitives minuo begegnet erst bei Plinius d. Ält. (luna minuens) und Späteren. MEUSEL Z. St. FRESE 65. Über die intransitivreflexive Verwendung transitiver Verba vgl. oben zu I 48, 7. I I I 15, 5 non absimili forma: absimilis zuerst hier bei Caesar nachweisbar. Dann erst wieder bei Columella und Späteren. Mit einer einzigen Ausnahme (Mar. Vict. GL VI 55, 2) immer in Verbindung mit einer Negation (Thes. 1. L. 1,170 f.). 1 1 1 2 0 , 4 V32, 2 convattis = vallis. Nach Buch V gebraucht Caesar nur noch vallis : VI 34, 2 VII 47, 2 und 5mal im BC. Für den volkssprachlichen Charakter des Wortes bezeichnend ist u. a. die Tatsache, daß die Verfasser des Bell. Afr. und Bell. Hisp. nur convallis (4 + 4) verwenden. I I I 26, 2 intritae 'ungeschwächt'. In dieser Bedeutung nur hier. Außerdem ist das Wort noch einmal (Colum. 12, 49), in nicht übertragener Bedeutung (intriia oliva), nachzuweisen.
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KAHL BARWICK
I V 4, 4 rursus reverterunt; V 34, 4 rursus se recipere; V I 3, 3 V I I 9, 6 rursus reducere; 3, 58, 2 rursus recipere; 3, 93, 1 rursus
renovare. In der volkstümlichen Sprache ist die abundante Hinzufügung von rursus zu Composita mit re — beliebt. FRESE 61. STOLZ-SCHMALZ 5 8 2 7 f . LANDGRAF a . 0 . 9 8 f .
I V 1 6 , 4 postulare
mit
AcJ „gehört wohl mehr der Umgangssprache an". FRESE 53; vgl. auch STOLZ-SCHMALZ 5 584 f. IV 26, 5 V 51,1 in fugam dare (auch II 23, 2 ist wohl mit ß dederunt zu lesen: coniecerunt a). Die Wendung „ist der Umgangssprache zuzuweisen"; FRESE 66. Gewöhnlich sagt Caesar in fugam conicere (10 + 3). V 17, 2 absisto = abscedo. Zuerst hier bei Caesar nachzuweisen, dann bei Vergil, Livius, Silius Italicus, Statius, Martial und Tertullian (Thes. 1. L. 1,171); also ausgesprochen dichterisch. V 39, 4 hanc adepti victoriam
in perpetuum
se fore victores confidebant;
eine
ähnlich lässige Ausdrucksweise VII 26, 2: Das Partizip Perfekt eines Deponens wird auf das Verbum finitum bezogen, statt auf den S u b j e k t s a k k u s a t i v des A c J - S a t z e s . V 47, 5 . tria milia passuum longe ab suis castris consedisse. longe in der gleichen V e r w e n d u n g
auch V I I 1 6 , 1 2, 37, 3; ferner Bell. Alex. 36, 3 Bell. Afr. 67, 3 68,1 77, 4. „Die Hinzufügung des Adv. eine der Umgangssprache entlehnte Ausdrucksweise." DOBERENZ-DINTER Z. St.; vgl. auch MEUSEL z. St. V 52, 6 diutinus (hier entschuldigt durch das Streben nach Abwechslung: es folgt longior) und 3mal im BC. Das "Wort ist der klassischen Hochsprache (Cicero, auch Sallust) fremd. Cicero nur lmal in einem Brief (Fam. 11, 8, 2); in einem Brief auch Cassius bei Cic. Fam. 12,13, 2. Vor, Cicero begegnet das Wort in der Komödie und bei Cato. VI, 1, 2 peto mit dem bloßen Konjunktiv: Cicero nur 6mal in Briefen (Lebreton, Caesar. Syntaxis quatenus a Ciceron. differat. Paris 1901, S. 35). Das spricht für den umgangssprachlichen Charakter der Ausdrucksweise. VI 9, 2 3, 53, 5: lässiger, aus der Umgangssprache eingedrungener Gebrauch des Reflexivums statt is. Zu beiden Stellen MEUSEL und KÜHNER-STEGMANN, Ausführl. Gr. d. lat. Spr. II 1 § 117 Anm. 6 und 7. Umgekehrt verwendet Caesar im BG und BC nicht selten is, wo man nach dem strengen Sprach-
Caesars B e l l u m c i v i l e
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gebrauch das Reflexmim erwartet. FRESE 2 4 f. M E U S E L ZU 1 , 2 , 3 . STOLZ-SCHMALZ 5 470. VI 17, 1 post hunc (sc. Mercurium) Apollinem et Martern et Iovem et Minervam (sc. maxime colunt). post von der Rangordnung bei Cicero nie, aber sehr häufig bei den Späteren. LEBRETON a. 0 . 91. VI 3 5 , 1 VII 8 2 , 2 adpetere 'sich nähern' (zeitlich): vorklassisch, bei Plautus und Cato; nachklassisch in der Prosa seit Livius; fehlt bei Cicero (Thes. 1. L. 2, 283, 45). V I I 1 0 , 1 stipendiariis Haeduorum expugnatis: expugnare mit persönlichem Objekt „dem sermo cotidianus oder vielmehr dem sermo castrensis entlehnt"; F R E S E 66. M E U S E L Z. St. V I I 1 4 , 8 neque interesse ipsosne interficiant impedimentisne exuant: indirekte Doppelfrage vom Typ ne . ... ne „ist der Dichtung eigen"; STOLZ-SCHMALZ 5 699. F R E S E 68 f. KLOTZ Z. St. im krit. Apparat. V I I 1 9 , 4 constare in übertragener ^Bedeutung 'kosten, zu stehen kommen' hier zuerst bei Caesar; dann dichterisch seit OviÜ und in der späteren Prosa (Thes. 1. L. 4,529,57). VII 26, 3 apparare mit Infinitiv; ausgesprochen dichterisch; vor Caesar nur bei Plautus nachweisbar; dann bei Vergil in der Aeneis, Seneca in den Tragödien, Silius Italicus und anderen Dichtern; in der Prosa nur bei Sueton, Aug. 46 (Thes. 1. L. 2, 270). VII 2 8 , 1 cuneatim: wohl dem sermo castrensis zugehörig. Vor Caesar nicht nachzuweisen. Nach Caesar erst wieder bei Apuleius und' Späteren (Thes. 1. L. 4,1402). VII 29, 4 obsequentia: „scheint nur noch bei Kirchenvätern gelegentlich vorzukommen". M E U S E L z. St. VII 32, 5, 3 , 1 1 2 , 1 0 ; quisque. statt uterque. In ähnlich lässiger "Weise steht qui statt uter V 44, 2 {quinam a, in ß durch uter ersetzt) und 1, 66, 4 (dazu M E U S E L ) , ferner nullus für neuter 2, 28, 4 (dazu M E U S E L ) ; vgl. STOLZ-SCHMALZ 5 487 489. VII 4 9 , 1 praemetuens: -„bis jetzt nur nachgewiesen bei Lucr. I I I 1017; Verg. Aen. I I 573; Phaedr. I 16, 4 und bei Prudentius". M E U S E L z. St.; also ausgesprochen dichterisch. V I I 5 0 , 2 post paulurn = paulo post oder post paulo. Einige Male bei Quintilian (2, 17, 25 9, 4 , 1 6 11, 3,148; 2, 5 , 1 ist die Überlieferung nicht einheitlich). VII 56, 2 abiungere = seiungere, separare: unklassisch. Bei Cicero nur Att. 2,1, 3. Dann bei Dichtern und in der späteren Prosa (Thes. 1. L. 1,101, 48). VII 59, 2 bezieht sich daß Relativum
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KARL BABWICK
nicht auf das zunächst, sondern das entfernter stehende Substantiv. Eine analoge, wenn auch etwas anders geartete Lässigkeit 2, 22, 4. Derartige Flüchtigkeiten sind häufiger in der Briefliteratur; sie fehlen aber auch nicht ganz bei sorgfältigeren Schriftstellern. F R E S E 62. M E U S E L zu 2, 22, 4. VII 87, 5 accelerare intransitiv = festinare; transitiv 2, 39, 6. Transitives und intransitives accelerare hauptsächlich der Dichtersprache eigen. (Thes. 1. L. 1, 272 f.) 1, 9, 2 semenstris und 3, 20, 5 sexennis: vermutlich häufiger „in der Volkssprache, besonders in der Sprache der Landwirte und vielleicht im Geschäfts- und Amtsstil". F R E S E 58 f. 1 , 1 5 , 3 cum his duabus legionibus. Flüchtige Ausdrucksweise: nur die 12. Legion war unmittelbar vorher, die andere, die 13. Legion bereits c. 7, 8 genannt worden. 1, 6 2 , 1 difficulter: unklassisch. Fehlt bei Cicero. Vor Caesar nur 2mal bei Varro, später lmal bei Sallust, 8mal bei Livius und immer in Verbindung mit einer Negation; dann in der kaiserzeitlichen Prosa (Thes. 1. L. 5, 1091). 1, 6 8 , 1 albente caelo. Die Wendung vor Caesar bei Sisenna fr. 103 P. (caelo albente); albeo nach Ausweis des Thes. 1. L. 1,1489 f. vornehmlich dichterisch, vgl. auch M E U S E L Z. St. 1, 74, 6 -plenus mit Ablativ; sonst bei Caesar der Genitiv: „Zu Ciceros Zeit der Genitiv gewählter." K L O T Z , Komm, zu Bell. Hisp. 5 , 1 S . 50; S T O L Z - S C H M A L Z 5 403. 2, 26, 4 3, 44, 6 toti = omnes; volkssprachlich. K Ö H L E R a. O. 398. S T O L Z - S C H M A L Z 5 488. 2 , 3 2 , 8 clam mit Ablativ; vor Caesar nur bei Lucr. 1, 476; nach Caesar Bell. Afr. 11, 4 Ov. Am. 2, 13, 3 und in der Prosa der späteren Kaiserzeit (Thes. 1. L. 1247). 2, 33, 1 cohortor mit bloßem Konjunktiv: nur noch bei Apul. Met. 4 , 3 (Thes. 1. L. 3, 1562, 50). Über eine Reihe anderer Verba, die in ähnlicher Weise vereinzelt bei Caesar den bloßen Konjunktiv bei sich haben, L E B R E T O N a. 0 . 35 f. 3, 15, 8 summe (cupere) = maxime „gehört der Umgangssprache an". F R E S E 60. 3,17, 2 reeifere — polliceri „gehört der Umgangssprache an". F R E S E 53. 3, 21, 5 averio mit bloßem Ablativ; sonst immer (4 + 5) mit a (ab). Der bloße Ablativ in der Prosa erst seit Livius, im übrigen dichterisch: Vergil, Ovid u . a . (Thes. 1. L. 2, 1323). 3, 32, 4 differtus: unklassisch. Das Wort außer an unserer
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Caesars Bellum ciyilo
Stelle nur noch in der Prosa der Kaiserzeit und bei Catull und Horaz Sat. 1, 5, 4 (Thes. 1. L. 5,1082, 35). 3, 42, 5 effödere 'durchwühlen' ; so nur noch in der Dichtung seit Vergil und in der Prosa der Kaiserzeit: Thes. 1. L . 5 , 1 9 7 ; vgl. auch MEUSEL Z. St. 3, 46, 5 conspiratus = concors 'einmütig': erst in der Prosa der Kaiserzeit seit dem Philosophen Seneca wieder nachzuweisen (Thes. 1. L. 4, 502, 27). 3, 50, 1 adgredi = accedere. Wie hier, ohne Angabe des Zieles durch ad oder bloßen Akkusativ, vor Caesar nur Ennius, Plautus und Terenz. Auch mit Angabe des Zieles meist nur bei Dichtern und in der nachklassischen Prosa (Thes. 1. L. 1,1315). 3, 5 1 , 3 bellum finire; unklassisch: „Kommt sonst nur bei Dichtern und dann bei Vellerns, Curtius und späteren Schriftstellern vor." MEUSEL Z. St. 3, 58, 4 adaugere = augere (adaugeri statt augeri auch VI 1, 3 in T Q) volkssprachlich. KÖHLER a. 0 . 382. LANDGRAF a. 0 . 7 5 f . 3 , 7 3 , 6 vettere intransitiv-reflexiv: „bei Cicero nur in der Verbindung anno vertente (annus vertens), oft bei Livius und Tacitus." MEUSEL z. St.; vgl. oben zu 1 4 8 , 7 und zu 11112,1. 3, 76, 3 contubernium 'Zelt'. Wohl ein Ausdruck des sermo castrensis. Das Wort in dieser Bedeutung zuerst hier bei Caesar, dann wieder in der Kaiserzeit bei Seneca pater, Tacitus, Fronto, Apuleius (Thes. 1. L. 4, 799 f.). 3, 98, 2 passis palmis dichterisch. Dafür BG (3mal) passis manibus; vgl. FRESE 55 f. Das hier vorgelegte Material, das sich gewiß noch vermehren läßt, dürfte zur Genüge beweisen, daß Caesar gelegentlich von einer gewissen Lässigkeit der Ausdrucksweise sich nicht freigehalten und daß er vereinzelt auch Elemente der Volks- und Dichtersprache zugelassen hat. Das erklärt sich z. T. wohl aus seiner raschen Arbeitsweise 1 ), die sich keine Zeit zum Feilen ließ; andererseits vielleicht auch aus einer bewußten Konzession an die sprachlichen Lässigkeiten und Kunstlosigkeiten der Literaturgattung der Commentarii, der BG und BC ja angehören. So darf man wohl auch die Tatsache deuten, daß Caesar sich nicht scheut, auf engem Baum die gleichen Worte und Wendungen zu wiederholen. Man vergleiche etwa I 3 , 1 f. . . . cum proximis civitatibus pacem et amicitiam 1 Über sie Hirtius VIII praef. 6. Barwiok
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Kahl Babwick
conjirmare. ad eas res conficiendas biennium sibi satis esse duxerunt, in tertium annum profectionem lege conformant, ad eas res conficiendas Orgetorix deligitur. I 7, 1 f. . . . quam maximis potest itineribus in Galliam ulteriorem contendit et ad Genavam pervenit. provinciae toti quam maximum potest militum numerum imperata In den späteren Büchern des B G und im BC sind die Wiederholungen nicht mehr so zahlreich und aufdringlich wie im B G I 1 ), aber sie fehlen auch dort nicht ganz; vgl. z. B. 3, 97, 2 f f . qua re impetrata montem opere circumìre instituit. Pompeiani quod is mons erat sine aqua diffisi ei loco relieto monte universi iugis eius Larisam versus recipere coeperunt. qua re animadversa Caesar copias suas divisit partemque legionum in castris Pompei remanere iussit, partem in sua castra remisit, quattor secum legiones duxit commodioreque itinere Pompeianis occurrere coepit et progressus milia passuum sex aciem instruit. qua re animadversa Pompeiani in quodam monte constiterunt. hunc montem flumen subluebat. In ähnlich unbekümmerter "Weise scheinen die älteren Annalisten sich derartige Wiederholungen gestattet zu haben 2 ); so Calpurnius Piso fr. 27 I p. 132 P. Cn. Flavius, patre libertino natus, scriptum faciebat, isque in eo tempore aedili curuli apparebat, quo tempore aediles subrogantur, eumque pro tribù aedilem curulem renuntiaverunt. aedilem qui comitia habebat, negat accipere, neque sibi piacere, qui scriptum facer et, eum aedilem fieri. Cn. Flavius, Anni filius, dicitur tabulas posuisse, scriptu sese abdicasse, isque aedilis curulis factus est. idem Cn. Flàvius, Anni filius dicitur ad collegam venisse visere aegrotum. eo in conclave postquam introivit, adulescentes ibi complures nobiles sedebant. hi contemnentes eum adsurgere ei nemo voluit. Cn. Flavius, Anni filius, aedilis id arrisit, sellam curulem iussit sibi afferri, earn in limine apposuit, ne quis illorum exire posset, utique hi omnes inviti viderent sese in sella curuli sedentem3). Und noch Claudius Quadrigarius erzählt gelegentlich 1 Vgl. die von Kxotz, Caesarstud. 6 ff. aus diesem Buch zusammengetragenen Stellen. 2 Vgl. Mabouzeau, Bevue de philol. 45 (1921) 159 f. ® Ahnliche Wiederholungen auch in fr. 8 I p, 123 P.
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Caesars Bellum civile
in dieser ungekünstelten und sich selbst wiederholenden Weise: fr. 57 I p. 224 P . . . . Q. Fabius Maximus, filius eius qui priore anno erat consul. ei consuli pater proconsul obviam in equo vehens venit neque descendere voluit, quod -pater erat, et quod inter eos sciebant maxima concordia convenire, lictores non ausi sunt descendere iubere. ubi iuxta venit, tum consul a i t : 'Quid postea?' lictor ille qui apparebat cito intellexit. Maximum proconsulem descendere iussit. Selbst ein rhetorisch so durchgebildeter und hervorragender Redner wie C. Gracchus ließ in seinen Reden, wo er bewußt schlicht erzählte, solche Wiederholungen unbedenklich zü; vgl. etwa das bei Gell. 10, 3, 5 ( O R F 2 p. 236 M.) überlieferte Fragment: hig annis paucis ex Asia missus est, qui, per iä tempus magistratum non ceperat, homo adulescens pro legato. is in lectica ferebatur. ei obviam bubulcus de plebe Yenusina advenit et per iocum, cum ignoraret, qui ferretur, rogavit, num mortuum ferrent. ubi id audivit, lecticam iussit deponi, struppis, quibus lectica deligata erat, usqüe adeo verberari iussit, dum animam efflavit. 4. Falsche Beurteilung gewisser Lässigkeiten im Sprachgebrauch des BC Wir haben konstatiert, daß Caesar, im B G ebenso wie im BC, das Prinzip der sprachlichen Auswahl nicht streng und konsequent durchgeführt und andererseits vielfach Elemente der Volkssprache und sonstige Lässigkeiten zugelassen hat. E s ist nötig, diese Tatsache einmal entschieden zu betonen. Denn man hat sie nicht immer genügend beachtet und daher gelegentlich hierher gehörige Erscheinungen des BC falsch beurteilt und in ihnen einen Beweis für dessen Nichtvollendung erblicken wollen. So bemerkt M E U S E L zu apud Dyrrhachium 3, 57, 1: „hätte er (Caesar) das B . civ. veröffentlicht, so würde er jedenfalls auch hier ad D. geschrieben haben." M E U S E L glaubte sich zu dieser Behauptung berechtigt, weil Caesar in seinen Commentarii 31mal (8 + 23) ad 'bei' in Verbindung mit Städtenamen verwendet, dagegen apud nur an der genannten Stelle. Aber ähnliche Singularitäten sind uns bei Caesar öfter begegnet. Überdies bemerkt M E U S E L selbst, daß apud auch 11*
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Caesars Bellum civile
in dieser ungekünstelten und sich selbst wiederholenden Weise: fr. 57 I p. 224 P . . . . Q. Fabius Maximus, filius eius qui priore anno erat consul. ei consuli pater proconsul obviam in equo vehens venit neque descendere voluit, quod -pater erat, et quod inter eos sciebant maxima concordia convenire, lictores non ausi sunt descendere iubere. ubi iuxta venit, tum consul a i t : 'Quid postea?' lictor ille qui apparebat cito intellexit. Maximum proconsulem descendere iussit. Selbst ein rhetorisch so durchgebildeter und hervorragender Redner wie C. Gracchus ließ in seinen Reden, wo er bewußt schlicht erzählte, solche Wiederholungen unbedenklich zü; vgl. etwa das bei Gell. 10, 3, 5 ( O R F 2 p. 236 M.) überlieferte Fragment: hig annis paucis ex Asia missus est, qui, per iä tempus magistratum non ceperat, homo adulescens pro legato. is in lectica ferebatur. ei obviam bubulcus de plebe Yenusina advenit et per iocum, cum ignoraret, qui ferretur, rogavit, num mortuum ferrent. ubi id audivit, lecticam iussit deponi, struppis, quibus lectica deligata erat, usqüe adeo verberari iussit, dum animam efflavit. 4. Falsche Beurteilung gewisser Lässigkeiten im Sprachgebrauch des BC Wir haben konstatiert, daß Caesar, im B G ebenso wie im BC, das Prinzip der sprachlichen Auswahl nicht streng und konsequent durchgeführt und andererseits vielfach Elemente der Volkssprache und sonstige Lässigkeiten zugelassen hat. E s ist nötig, diese Tatsache einmal entschieden zu betonen. Denn man hat sie nicht immer genügend beachtet und daher gelegentlich hierher gehörige Erscheinungen des BC falsch beurteilt und in ihnen einen Beweis für dessen Nichtvollendung erblicken wollen. So bemerkt M E U S E L zu apud Dyrrhachium 3, 57, 1: „hätte er (Caesar) das B . civ. veröffentlicht, so würde er jedenfalls auch hier ad D. geschrieben haben." M E U S E L glaubte sich zu dieser Behauptung berechtigt, weil Caesar in seinen Commentarii 31mal (8 + 23) ad 'bei' in Verbindung mit Städtenamen verwendet, dagegen apud nur an der genannten Stelle. Aber ähnliche Singularitäten sind uns bei Caesar öfter begegnet. Überdies bemerkt M E U S E L selbst, daß apud auch 11*
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KARL BABWICK
in einem Brief Caesars bei Cicero Att. 9, 7 C, 1 (apud Corfinium) vorkommt und ferner im BG VII 75,1, wo die bessere Handschriftenklasse a apud Alesiam. bietet, ß dagegen das bei Caesar sonst übliche ad eingesetzt hat. — 1, 38,1 f. (adventu L. Vibulli . . . Afranius et Petreius et Varro legati Pompei, quorum unus Hispaniam citeriorem (tribus legionibus, alter ulteriorem) a saltu Castulonensi ad Anarn duabus legionibus, tertius ab Ana Vettonurn agrum Lusilaniamque pari numero legionum obtinebat, officia inter se partiunUir, uti Petreius ex Lusitania per Vettones cum omnibus copiis ad- A franium proficiscatur, Varro cum iis quas habebat legionibus omnem ulteriorem Hispaniam tueatur) geht unus auf
den zuerst genannten Afranius (vgl. c. 37,1); alter müßte sich also auf den nach Afranius erwähnten Petreius und tertius auf Varro beziehen. In Wirklichkeit geht aber, wie der Zusammenhang beweist, alter auf Varro und tertius auf Petreius. Dazu M E U S E L : „Es ist dies eine Nachlässigkeit, wie so viele in dieser eilig abgefaßten und nicht gehörig überarbeiteten Schrift vorkommen"; und er verweist auf c. 35, 4, wo eine ähnliche Nachlässigkeit sich findet und alter — alter ebenfalls „in umgekehrter Ordnung auf die vorher genannten Nomina bezogen werden muß". Aber in der gleichen Weise gebraucht Caesar alter — alter 2mal auch im BG (V 27, 9 VII17, 2). Auch KLOTZ (Rhein. Mus. 66, 1911, 82) ist der Ansicht, „daß Caesar für die Herausgabe selbst den Stil des Bellum civile dem des Bellum Gallicum homogener gestaltet haben würde". Er verweist auf das singulare quia in 3, 30, 4, während sonst in den Kommentarien überall quod gebraucht werde. Demgegenüber muß daran erinnert werden, daß Caesar in der Wortwahl nicht immer konsequent verfahren ist und daß ähnliche Singularitäten auch innerhalb' des BG begegnen; z. B. haud nur V 54, 5; fortitudo nur I 2, 5
(sonst immer virtus)\ epistula nur V 48 (sonst immer, und sehr oft, litterae); patior regelmäßig und sehr häufig; sino nur IV 2, 6 (von der stark interpolierten Klasse ß in das bei Caesar übliche patior geändert); causä mit Genitiv = 'wegen' in den beiden Kommentarien mehr als 150mal, gratiä in der gleichen Bedeutung und
Caesars Bellum civile
165
Verbindung nur je lxnal im B G und BC. — potiri mit dem Ablativ bei Caesar die Regel (16mal), mit dem Genitiv nur I 3, 8, wo manche zu Unrecht den Genitiv beseitigen wollten. — K L O T Z weist ferner darauf hin, daß im B G nam gegenüber enim entschieden überwiegt, während im BC das Umgekehrte der Fall ist; und er meint, es könne kein Zweifel sein, „daß vor Herausgabe im Bellum civile noch manches enim durch nam ersetzt worden, wäre". Aber können sich denn die sprachlichen Gewohnheiten in dem später verfaßten BC gegenüber dem B G nicht in Einzelheiten geändert haben? Das führt uns hinüber zu gewissen sprachlichen Besonderheiten des BC. 5. Stilistische Besonderheiten des BC und ihre Erklärung "Wenn auch B G und BC, wie schon bemerkt, stilistisch im großen" und ganzen den gleichen Charakter tragen, so sind doch gewisse Unterschiede in ihren sprachlichen Gewohnheiten nicht zu verkennen. So ist z. B . der relative Anschluß im BC häufiger als im B G ; das Verhältnis 7 : 5 1 ) . Die Wiederholung des Beziehungswortes im Relativsatz im B G 19mal (8mal im B G I, l l m a l in I I bis VII), nur 4mal im BC 2 )- Adverbia vom adjektivisch gebrauchten Part. Perf. Pass. und ihre Steigerung fast nur im BC 3 ). Supina auf -u und -um ausschließlich im B G ; die letzteren 3mal ( 1 1 1 , 2. 31, 9 V I I 5,2); von den ersteren kommen vor natu 3mal, factu 3mal, aspectu V 1 4 , 1 . Der bloße Akkusativ der Zeitdauer bei Caesar die Regel, im B G ausnahmslos; denn V I 3 6 , 1 wird nur in ß per hinzugefügt. Im BC dagegen wird -per 2mal (3, 26, 5. 64, 3) zur Bezeichnung der zeitlichen Dauer verwendet. Adeo, mit oder ohne Adverb, mit einem Verbum verbunden und folgendem ut nur im BC (6mal); adeo ut auf einen Satz bezogen nur V 53, 7, aber 7mal im BC. Admodum i m . B C nur 2, 25, 1, im B G 8ma], Auxiliari (von militärischer Hilfe) nur B G (4mal); an1
FRESE
2
PASLAY, Class. Journ. 13 (1917/8) 348. DERNOSCHEK, De elegantia Caes. sive de com. de b. Gall. et de b. eiv.
3
61.
diff. animadv. 1903, S. 27.
Caesars Bellum civile
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Verbindung nur je lxnal im B G und BC. — potiri mit dem Ablativ bei Caesar die Regel (16mal), mit dem Genitiv nur I 3, 8, wo manche zu Unrecht den Genitiv beseitigen wollten. — K L O T Z weist ferner darauf hin, daß im B G nam gegenüber enim entschieden überwiegt, während im BC das Umgekehrte der Fall ist; und er meint, es könne kein Zweifel sein, „daß vor Herausgabe im Bellum civile noch manches enim durch nam ersetzt worden, wäre". Aber können sich denn die sprachlichen Gewohnheiten in dem später verfaßten BC gegenüber dem B G nicht in Einzelheiten geändert haben? Das führt uns hinüber zu gewissen sprachlichen Besonderheiten des BC. 5. Stilistische Besonderheiten des BC und ihre Erklärung "Wenn auch B G und BC, wie schon bemerkt, stilistisch im großen" und ganzen den gleichen Charakter tragen, so sind doch gewisse Unterschiede in ihren sprachlichen Gewohnheiten nicht zu verkennen. So ist z. B . der relative Anschluß im BC häufiger als im B G ; das Verhältnis 7 : 5 1 ) . Die Wiederholung des Beziehungswortes im Relativsatz im B G 19mal (8mal im B G I, l l m a l in I I bis VII), nur 4mal im BC 2 )- Adverbia vom adjektivisch gebrauchten Part. Perf. Pass. und ihre Steigerung fast nur im BC 3 ). Supina auf -u und -um ausschließlich im B G ; die letzteren 3mal ( 1 1 1 , 2. 31, 9 V I I 5,2); von den ersteren kommen vor natu 3mal, factu 3mal, aspectu V 1 4 , 1 . Der bloße Akkusativ der Zeitdauer bei Caesar die Regel, im B G ausnahmslos; denn V I 3 6 , 1 wird nur in ß per hinzugefügt. Im BC dagegen wird -per 2mal (3, 26, 5. 64, 3) zur Bezeichnung der zeitlichen Dauer verwendet. Adeo, mit oder ohne Adverb, mit einem Verbum verbunden und folgendem ut nur im BC (6mal); adeo ut auf einen Satz bezogen nur V 53, 7, aber 7mal im BC. Admodum i m . B C nur 2, 25, 1, im B G 8ma], Auxiliari (von militärischer Hilfe) nur B G (4mal); an1
FRESE
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PASLAY, Class. Journ. 13 (1917/8) 348. DERNOSCHEK, De elegantia Caes. sive de com. de b. Gall. et de b. eiv.
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diff. animadv. 1903, S. 27.
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KARL
BABWICK
dere, synonyme, Ausdrücke in beiden Schriften: subvenire (4 — — [ 3); succurrere
(2 + 3); auxilio
venire (2 + 1); subsidio
venire (3 -f- 2).
Circa (Präposition) nur 2mal im BC; dafür sonst im BG und BC, circum
( 9 + 1 0 ) ; a d v e r b i a l e s circum
n u r 2, 10, 1.
Consimilis
nur BG (3mal); sonst similis (11 + 4 + 1 in einem Brief bei Cicero A t t . 9, 16, 2).
Cansulto
nur
B G (4mal).
Continere
se (se) in Ver-
bindung mit einer Ortsangabe 6 + l m a l ; dagegen tenere se(se) in der gleichen Bedeutung 5 + 5 + 1 mal in einem Brief bei Cicero Att. 9,14, 1. Cotidie mit einem Komperativ oder komperativischen Begriff 1 + 2mal, dagegen in dies 4 + 2mal. Deicere in übertragener Bedeutung mit Ablativ (spe, opinione, principatu)
nur 3mal im BG.
7 + 2mal.
Desperare
desperare
de aliqua
alicui
Dein
n u r 1, 64, 1; d a g e g e n
deinde
(rei) nur B G (11112,3 V I I 50, 4);
re 5 + 3mal.
Dicere bei R ü c k v e r w e i s u n g e n i m
1
BG 16mal, im BC nie ). Difficulter nur 1, 26,1, sonst non (neque) minus
facile.
Enim im BG 19, im BC 59mal, nam im BG 45, im BC 23mal2). Eo = ideo n u r i m B G (5mal). Exponere navibus 0 + 2.
ex navibus 2 + 0 ;
exponere
Fugere und refugere ex1) 2 (VII 38, 3. 5) + 6; mit bloßem Ablativ 3, 29,1 und 3, 95, 3. Improviso 1+2; de improviso 6+1; ex improviso 0+1. Incedit timor (dolor) 0 + 4 ; terror incidit 0 + 1 ; terror invadit 0 + 1.
Im BG gebraucht Caesar andere Wendungen, z.B. I 39,1 tantus occupavit3),
subito timor omnem exercitum
Inde in der Regel lokal,
sehr häufig im BG und BC; temporal nur BC (1, 83, 3 3, 9, 7. 43, 2; wahrscheinlich auch 3, 101, 4). Insequens in zeitlicher Verwendung 0 + 34). Intercludere al aliqua re nur in VII (2mal) und BC (2mal); sonst intercludere
aliqua
re ( 5 + 6).
dafür intro im BC (3, 26, 5).
Introrsus
n u r im B G ( 5 m a l ) ;
Iuxta als Präposition nur im B G
(4mal); als Adverb nur II 26, 1. Locus im örtlichen Sinn auf die Frage wo?, mit einem Adjektiv oder Pronomen, mit in 56 + 46, ohne in 32 + lmal 5 ). 1
FRESE 21.
2
FRESE 21.
3
FRESE 35.
4
FRESE 59.
6
FRESE
44.
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Caesars Bellum civile Namque
eíiam
0+3.
Nuntiarí
w i r d i m BC s o w o h l m i t
dem
Acl (3mal) wie mit dem Ncl (5mal) konstruiert; im BG nur mit dem Acl (5mal). Porta, von Einem Tor im BG und BC sehr oft; der Plural von Einem Tor nur VII 50, 4 und 3,67,5. Prius = potius nur BC (2mal); sonst -potius (6 + 4). Perpetuo (-e fehlt) nur BG (2mal), ebenso in perpetuum (3mal). Portas praecluiere, der Bedeutung nach = portas claudere,
n u r i m BC (4mal), i m ü b r i g e n portas
claudere
(4 +
4).
Postridie eins dici 7mal in I—V; fehlt in VI—-VII und BC; dafür postridie 0 + 2 ; postero die llmal in I—VI, lOmal in VII, 18mal i m B C ; proximo
die I 5 0 , 1 1, 81, 4.
Proinde
terea quod 1 3 m a l in I ( d a z u n o c h propterea
ac {sí) 0 + 3. . . . quod
Prop-
1 1 6 , 3);
in
II—VII 5mal, im BC 2mal. Quia
n u r 3, 30, 4 ; s o n s t i m B G u n d B C
Saepe
numero
Terga
convertere
tergo
'im
5 + 0 ;
saepe
10+7;
quod.
v g l . LANDGRAF a . 0 . 1 4 1 f .
n u r 1, 80, 5 ; s o n s t terga vertere
Rücken' 1 + 4;
post
tergum
5+1.
( 6 + 8). Territare
( A ) ab 4 + 0
terrere 5 + 6 . Traicere wird im BG nur in der Bedeutung 'durchbohren' gebraucht; also nie = 'übersetzen', wofür transmitiere, transducere, transportare verwendet werden. Dagegen begegnet im BC traicere nicht selten = 'übersetzen'; in der Bedeutung 'durchbohren' nur 2, 9, 4. Die vorstehend verzeichneten Abweichungen im Sprachgebrauch des BG von dem des BC beweisen, daß die sprachlichen Gewohnheiten Caesars im Laufe der Zeit eine gewisse Wandlung erfahren haben, deren Caesar selbst sich kaum bewußt war. Darüber hinaus aber muß gesagt werden, daß auch gewisse Nachlässigkeiten im Ausdruck und Anklänge an die Volkssprache im BG weniger zahlreich sind als im BC. Darauf haben schon FRESE a. O . und besonders DERNOSCHEK a. O. hingewiesen. Auch die Normalisierung der Sprache wird in dem jüngeren Werk, wie oben schon bemerkt (Kap. III 2 b ß), etwas weniger streng durchgeführt als im BG. Aber man muß sich hüten, aus diesen Unterschieden, die ja nicht prinzipieller, sondern nur gradueller Natur sind, wie bisher vielfach geschehen ist, den Schluß zu ziehen, als habe Caesar das
168
KAHL BABWICK
BC unvollendet hinterlassen. Denn die Auflockerung des Stils kann in dem jüngeren Werk auch durch andere Momente bedingt sein. Zunächst ist zu betonen, daß Caesar auch gewisse Regeln in der Wißdergabe der Eigennamen, die er im BG streng befolgt hatte, im BC preisgibt, ohne daß dies als ein Zeichen für die Nichtvollendung des letzteren angesehen werden darf. K L O T Z (Caesarstud. 207) hat beobachtet, daß überall im BG, wo eine Person zum ersten Mal genannt wird, erstens diese Person (Caesar allein ausgenommen) mit dem Pränomen erscheint, und daß ferner, zweitens, das Pränomen auch nirgends fehlt, wenn der Person eine Amts- oder Bangbezeichnung beigefügt wird. Beide Regeln hat Caesar im BC nicht beachtet. Die erstere wird hier ziemlich genau ebensooft verletzt wie eingehalten; und auch um die zweite Regel hat Caesar im BC sich in mehr als der Hälfte sämtlicher Fälle nicht gekümmert. Dies und die Tatsache, daß gleich im 1. Kapitel des BC die erstere Regel 2mal verletzt wird, läßt mit Sicherheit darauf schließen, daß Caesar in dem jüngeren Werk sich bewußt über die strenge Normalisierung, wie er sie im BG durchgeführt hatte, hinwegsetzt. — Ferner nennt sich Caesar im BG konsequent schlechthin nur Caesar. Im BC wird diese Regel 4mal durchbrochen: 3mal (1,1, 1. 13, 1. 35, 4) fügt er dem Cognomen das Pränomen bei, lmal (3, 1, 1) das Gentile. In dem letzteren Fall ist das Nebeneinander von Gentile und Cognomen besonders auffällig, da der unmittelbar folgende Name durch Pränomen und Gentile bezeichnet wird (Julius Caesar et P. Servilins). Die gleiche auffällige Erscheinung auch 2, 44, 3: Ser. Sulpicius et Licinius Damasippus. Auch hier darf die Außerachtlassung der im BG durchgeführten Regel nicht als bloße Flüchtigkeit beurteilt werden, die Caesar etwa bei einer sorgfältigen Durchsicht des BC vor seiner Veröffentlichung beseitigt hätte. Man müßte sonst zu der denkbar unwahrscheinlichen Annahme greifen, daß Caesar gleich im ersten Satz des 1. und 3. Buches sich eine Flüchtigkeit hätte zuschulden kommen lassen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß dieser im BC sich bewußt einer lässigeren Ausdrucksweise bedient hat.
169
Caesars Bellum civile
Weiterhin ist auch noch folgendes zu betonen. Caesars Sprache hat, wie wir oben bereits festgestellt haben, im Laufe der Zeit eine gewisse Wandlung durchgemacht. Das gilt im allgemeinen, insbesondere aber nach der Richtung hin, daß sie ihre klassische Haltung immer mehr aufgibt und größere Lässigkeiten der verschiedensten Art sich gestattet. Selbst innerhalb des BC weist das jüngere Buch (d. h. das 3.) gegenüber dem älteren ( = 1 + 2) gewisse Eigentümlichkeiten auf. Z. B. findet sich öfter im 3. Buch ein verbum simplex, wo man nach dem strengeren Sprachgebrauch ein Kompositum erwartet: 3, 24, 2 propinquare statt appropinquare, dichterisch und in der Prosa erst bei Sallust, Livius und Tacitus (WEISSENBORN-MÜLLER ZU Liv. 21, 46, 4). 3, 36, 2 tendere 'eilen', sonst bei Caesar stets contendere. Das simplex nach MEUSEL Z. St. bei
Cicero
nur
A t t . 16, 5, 3.
3, 4 6 , 1
locare = conlocare.
3, 65, 2
firmare = confirmare 'ermutigen'; das letztere bei Caesar 8 + llmal. Bei Cicero fehlt firmare in dieser Bedeutung (MEUSEL Z. St.). 3, 96, 3 citare equum;
C a e s a r g e b r a u c h t s o n s t incitare
u n d admitiere
( I 22, 2 2, 34, 3).
equum
equum (4 +
3 , 1 1 1 , 1 fidere,
sonst
1) ver-
wendet Caesar, sehr häufig, confidere. Umgekehrt das Kompositum conservare (ordiñes) nur im 3. Buch (93, 2); sonst im BG und BC ordinem (-es) servare (1 + 4). Lässiger Gebrauch des Akkusativs bei Städtenamen, wo es sich um die Umgebung handelt, statt ad nur 3, 41, 3. 5. Auch innerhalb des BG ist eine gewisse Veränderung in den Sprachgewohnheiten festzustellen. Die elegantia Caesaris repräsentieren am reinsten, wie das DERNOSCHEK a. 0. im einzelnen gut nachgewiesen hat, die Bücher II—VI. Von diesen abweichend zeigt Buch I zahlreiche stilistische Besonderheiten1), insbesondere aber Buch VII, das in seiner ganzen sprachlichen Haltung, vor 1
Z. B. findet sich die pleonastische Ausdrucksweise volúntate alicuius licere ausschließlich in diesem Buch: 7 , 3 30,4 39,3 35,3; an der letzteren Stelle wird der Pleonasmus noch dadurch verstärkt, daß volúntate eius liceret von permitiere abhängig gemacht wird, propterea quod in I 13 (14) mal; in II—VII zusammen 5mal, im BC nur 2mal; weiteres, umfangreiches Material b e i FRESE u n d DERNOSCHEK.
170
KAHL BARWICK
allem in seiner Neigung zu volks- und umgangssprachlichen Gepflogenheiten, dem BC sehr nahesteht. Das ist besonders eindrucksvoll von D E R N O S C H E K 1 ) herausgearbeitet worden 2 ). Ich greife aus seinen Ausführungen nur einen Punkt heraus, der für das spätere Nachlassen der Normalisierungstendenzen Caesars charakteristisch ist. In I—VI wird konsequent urbs nur für Rom, oppidum für die übrigen Städte verwendet. In Buch VII und im BC begegnet urbs auch bei anderen Städten. So werden z. B. in Buch V I I Alesia, Avaricum und Gergovia, im BC Alexandria, Corfinium und Gades bald als urbs, bald als oppidum bezeichnet. Wer also in der lässigeren sprachlichen Haltung des BC einen Beweis für dessen Unfertigkeit erblickt, müßte logischerweise dasselbe auch für BG VII gelten lassen. DERNOSCHEK hat dies tatsächlich getan; er hat aber damit keinen Anklang gefunden, und gewiß mit Recht. Denn die sprachliche Sonderstellung des BC und die Tatsache, daß BG VII in dieser Beziehung vielfach dem BC näherkommt als den übrigen Büchern des BG, lassen sich leicht und befriedigend auf andere Weise erklären 3 ) als durch die Annahme, Caesar habe BG VII und BC in unfertigem Zustand hinterlassen. Wenn Caesar, wie ich das in meinem Caesarbuch des näheren begründet habe, die 7 Bücher des BG sukzessiv geschrieben und veröffentlicht hat, d. h. am Ende eines jeden Kriegsjahres je ein Buch, und wenn das gleiche, wie wir in Kapitel II* festgestellt haben, auch von dem BC gilt, so steht das 7. Buch zeitlich diesem näher als den ersten Büchern des BG. Schon dadurch werden 1
Vgl. auch G. IHM, Philol. Suppl. 4 (1893) 767 ff. Von Interesse in dieser Hinsicht ist auch einiges aus dem oben (Kap. III 2 b ß; 3; 4) vorgelegten Material, z . B . : Ergo nur in VII und BC; sonst itaque, in BG und BC, das Übliche. Qua als Femininum des Pronomen indefinitum qui die Regel (9 + 4); dafür quae nur VII 3, 2 und 1, 2, 3. Quisque statt uterque nur VII 32, 5 und 3, 112, 11. Intercludere ab aliqua re nur je einmal in VII u. BC, sonst intercludere aliqua re (5 + 6). Portas von Einem Tor je einmal in VII (50,4) und BC (3,67, S); sonst immer im BG undBC, sehr häufig, der Singular. Poslridie eius diei 7mal in I—VI: fehlt in VII und BC; dafür sonst meist postero die-, I—VI llmal, VII lOmal, BC 18mal. 3 Zum folgenden vgl. auch meine Ausführungen a. 0 . 170, 5. 2
Caesars Bellum civile
171
bis zu einem gewissen Grad auch die nahen stilistischen Beziehungen zwischen BG VII und BC verständlich. Nun ist aber das 7. Buch bei weitem das umfangreichste des BG; es waren in ihm erheblich größere Stoffmassen zu bewältigen als in den Darstellungen der vorausgehenden Jahre. Und da Caesar es gewiß, wie seine früheren Bücher, bald nach dem Abschluß der Kämpfe, d. h. um die Jahreswende 52/51 abgefaßt und sofort veröffentlicht hat, um dem römischen Volk alsbald von seinen Großtaten des verflossenen Jahres Rechenschaft abzulegen, so war er in diesem Fall bei der Ausarbeitung zu besonderer Eile gezwungen. Überdies hatten die innerpolitischen Verhältnisse in Rom damals eine Wendung genommen, die Caesars Aufmerksamkeit besonders stark beanspruchten. So war es Caesar nicht möglich, bei der Niederschrift des 7. Buches die gleiche innere Ruhe und Sorgfalt aufzubringen, wie bei den früheren Büchern; er mußte rascher und mit größerer Unrast arbeiten, und das konnte auch auf den Stil dieses Buches nicht ohne Einfluß bleiben. Ähnlich, aber noch ungünstiger als bei dem 7. Buch des BG, lagen die Dinge bei den Büchern des BC. Das erste ( = 1 + 2) entstand, wie wir oben in Kapitel I I 5 festgestellt haben, Ende 49, das zweite ( = 3) Ende 48, und jedes der beiden ist erheblich umfangreicher als Buch VII. Caesar, der aus propagandistischen Gründen sie möglichst rasch herausbringen wollte, stand also für ihre Abfassung, zumal seine Kräfte damals in der vielfältigsten "Weise in Anspruch genommen waren, noch weniger Zeit zur Verfügung als Ende 52 für die Niederschrift von BG VII. Dazu kommt noch etwas anderes. Nicht nur der sprachliche Stil hat im letzten Buch des BG und im BC gewisse Wandlungen erfahren: auch sonst ist die Darstellung in mancher Beziehung anders geworden. Im BG ist eine kühle Ruhe und Zurückhaltung über die Erzählung ausgebreitet. Caesars Person tritt fast völlig hinter den Ereignissen zurück; er läßt die Dinge selber sprechen. Das wird schon etwas anders in den späteren Büchern, besonders aber im Buch VII; und erst recht im BC: Die Darstellung wird persönlicher, lebhafter und bewegter. Das kommt u. a. durch die
172
KARL
BABWICK
eingelegten Reden zum Ausdruck, die, nach der bekannten Gepflogenheit der antiken Historiographie, auch in den Commentarii Caesars nicht fehlen. Aber in den ersten 3 Büchern des BG werden, objektiv referierend, die Reden nur in indirekter Form mitgeteilt. Diese indirekte Form der Reden wird auch weiterhin beibehalten. Aber daneben taucht seit dem 4. Buch des BGauch die direkte Rede auf; zunächst nur in einem kurzen Ausspruch dieses Buches (25, 3). Neben solchen Aussprüchen bringen dann Buch Y und VI auch kurze Reden (V 30 44, 3 VI 8, 3—4 35, 8). Einen noch breiteren Raum nimmt in Buch VII die direkte Form der Reden ein; hier finden sich zum ersten Mal auch längere Ansprachen (20, 8. 12 50, 4. 6 38, 2—3 + 6—8 77, 3—16), und ähnlich auch in den 2 Büchern des BC ( = 1 + 2 ) + 3; doch ist in dem letzten, dem 3. Buch, gegenüber dem früheren eine noch häufigere Verwendung der direkten Rede zu beobachten (2, 31, 2—8 32, 2—14 34, 4 39, 2—3; 3,18, 4 19, 8 64, 3 85, 4 86, 2—4 87, 2—4 91, 2—3 94, 5). Wie die in direkter Form gehaltenen Aussprüche und Reden die Darstellung lebendiger gestalten, so bilden auch die geographischethnographischen Exkurse ein Moment der Belebung und Abwechslung. Sie sind außerdem'ein Ausdruck für das persönliche Interesse Caesars an den geographisch-ethnographischen Problemen des damals noch so wenig bekannten Westens und Nordens Europas. Diese Exkurse setzen innerhalb des BG in dem gleichen, d. h. dem 4. Buche ein, in dem auch zum ersten Mal die Wiedergabe einer Äußerung in direkter Form sich findet 1 ). Es beginnt (c. 1—3) mit einem Exkurs über die Sueben, diesem folgt in c. 10 ein Abschnitt über die Maas und den Rhein, im 5. Buch ein Abschnitt über die Britannen (c. 14), im 6. Buch (c. 11—28j der große Exkurs über Gallier und Germanen und anschließend Bemerkungen über den hercynischen Wald und seine Tierwelt. Das große Interesse Caesars an Land und Leuten der von ihm erschlossenen Gebiete beweist u. a. die Tatsache, daß er seine geographisch-ethnographischen Ausführungen später z. T. ergänzt hat durch Zusätze in 1 Zum Folgenden sind die Ausführungen meines Caesarbuches S. 1—100 zu vergleichen.
173
Caesars Bellum civile
seinem Handexemplar, die von ihm in einer eingearbeitet werden sollten, dann aber erst Gesamtausgabe seiner Commentarii, auf die zurückgeht, Aufnahme fanden. So hat Caesar al parte temque1)
quadam efficit
ex Rheno
Batavorum
recepta
in Oceanum
quae
2. Ausgabe des BG in einer posthumen unser heutiger Text in IV 10, 2 den Satz
appellatur
influit
Vacalns
insu-
u n d i n V die c. 1 2 — 1 3
nachgetragen. Ein späterer Zusatz ist auch das Stück I 5, 7, das bestimmt war, an die Stelle des 2. Satzes in § 2 zu treten. Wenn im BC, abgesehen von den Bemerkungen über die Insel Pharus und ihren Leuchtturm (3,112,1—4), derartige Exkurse fehlen, so hängt das mit der Tatsache zusammen, daß die hier geschilderten Ereignisse sich in Italien selbst oder in den bekannten Gebieten der Mittelmeerländer abspielten. Für die Erzählung des BG ist, wie oben schon angedeutet, eine kühle Zurückhaltung und Objektivität charakteristisch. Das subjektive Element fehlt zwar nicht ganz, es tritt aber sehr in den Hintergrund. Anders das BC. Man hat bei seiner Lektüre immer wieder das Gefühl, daß sein Verfasser sehr stark mit dem Herzen beteiligt ist. Durch das Ganze pulsiert eine verhaltene Leidenschaft, die gelegentlich aber auch offen und rückhaltlos zum Durchbruch kommt. So wird, um nur einige Beispiele zu nennen, 2, 17 f. die schwächliche und schwankende Haltung Yarros als Legat des Pompeius in Spanien mit unverblümter Bosheit und Ironie geschildert ; 3, 31—33 wird das unqualifizierte Vorgehen Scipios in Syrien und Kleinasien in sarkastischer Weise gegeißelt; die Grausamkeit und Großsprecherei des Überläufers Labienus wird wiederholt (3,19,6—8 71,4 87,1—5) angeprangert; das -unwürdige Treiben der oligarchischen Gegner Caesars vor der Entscheidung bei Pharsalus wird mit beißendem Spott bloßgestellt (3, 82—83 96,1—2) und die Unzulänglichkeit und Kopflosigkeit des Pompeius als Feldherr (3, 86 87, 6—7 92 94, 5—6) erbarmungslos dem Leser vor Augen geführt. An diesen Stellen berichtet Caesar meist sachlich und nüchtern nur Tatsachen, die durch sich selber sprechen 1
So die Handschriften.
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KARL
BARWICK
sollen. Aber nicht selten tritt er im BC auch aus seiner Reserve heraus und unterbricht seine Erzählung durch Bemerkungen subjektiv persönlicher Art. So erklärt er z. B. 1,11,1—3, weshalb die von Roscius und L. Caesar überbrachten Vorschläge seiner Gegner unbillig und daher für ihn unannehmbar waren. 3, 51, 3—5 rechtfertigt er das Verhalten seines Legaten Sulla gegen den Vorwurf, daß er den Feind nicht energisch genug verfolgt und so den Krieg entschieden habe. 3, 72, 3—4 übt er scharfe Kritik an der Siegesgewißheit der Pompejaner und sucht seine eigene Niederlage zu entschuldigen. 3, 92, 4—5 tadelt er eine Maßnahme des Pompeius während der Schlacht bei Pharsalus, dagegen stellt er 3, 94, 3—4 mit Stolz fest, daß seine eigenen Maßnahmen, genau wie er vorausgesagt, die Schlacht entschieden hätten. Bemerkungen ähnlicher Art wird man im BG vergebens suchen. Ein subjektives Element der Erzählung kommt gelegentlich auch dadurch zum Ausdruck, daß Caesar den objektiven Bericht mit persönlichen Bemerkungen ausstattet, die in sententiöser Weise eine Erfahrung auf militärischem oder sonstigem Gebiet aussprechen. Solche Bemerkungen fehlen zwar auch nicht im BG1), sie sind aber im BC viel zahlreicher; vgl. 1, 21,1 44, 2 52,1 85, 4; 2, 4, 4 27,1 39, 4 41, 8; 3,1, 3 20, 3 32, 5 36,1 47, 2 68,1 72, 4 92, 4 104,1. Die größere Bewegtheit der Darstellung und das starke Hervortreten des subjektiven Elementes, die bereits im 7. Buch des BG einsetzen, aber im BC in gesteigertem Maße sich geltend machen, sind gewiß mitbedingt durch die Besonderheit der daselbst geschilderten Ereignisse. Höchst gefährliche Situationen werden gelegentlich auch im BG I—VI geschildert. Aber sie sind nicht vergleichbar mit den schweren Kämpfen des Jahres 52, durch die alles in Frage gestellt wurde, was Caesar in den vorausgehenden 6 Kriegsjahren erreicht hatte. Und noch viel schwerwiegender und aufregender waren die Ereignisse des Jahres 49 und 48, die im BG 1
Einige diesbezügliche Stellen aus dem a. O. 1 0 8 f. notiert.
MANN
BG
und
BC
hat bereits
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Caesars Bellum civile
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zur Darstellung gelangen. War im Jahr 52 durch die Erhebung Galliens nur ein bedeutsames Stück der Lebensarbeit Caesars bedroht, so stand in den Kämpfen der Jahre 49 und 48, die alle Gebiete des weiten römischen Reiches in Mitleidenschaft zogen, seine ganze Existenz auf dem Spiel. Und dabei hatte er es nicht mit einem landfremden Gegner zu tun, wie im Jahr 52, sondern es kämpften Bürger gegen Bürger. Und diese Kämpfe, in denen es für Caesar um Sein oder Nichtsein ging, mußten ihn natürlich auf das tiefste erregen und aufwühlen. Das brauchte, wenn zwischen den Ereignissen und ihrer Niederschrift eine längere Zeit verstrichen war, auf die Darstellung nicht von tieferer Wirkung zu sein. Da wir aber festgestellt haben, daß Caesar den aufregenden Stoff unter dem unmittelbaren Eindruck des weltbewegenden Geschehens und in fliegender Eile gestaltet hat, so konnte das nicht ohne Einfluß bleiben auf die sachliche Haltung der Darstellung und ebensowenig auf den sprachlichen Stil. Dessen Auflockerung im BC und die Tatsache, daß diese Auflockerung bereits im BG VII sich anbahnt, wird auf diese Weise restlos erklärt; sie darf im BC ebensowenig wie im BG VII mit der Frage der Vollendung oder Nichtvollendung in Zusammenhang gebracht werden.
Schlußwort und Rückblick Als charakteristisches Merkmal der Sprache Caesars erwies sich ihre elegantia, d. h. ihre Reinheit, ihre Klarheit und das Fehlen rhetorischer Schmuckmittel, besonders aber eine gewisse Gewähltheit und Normalisierung der Ausdrucksweise. Das häusliche Milieu, in dem Caesar aufgewachsen war, die grammatische Schulung, die er genossen hatte, sein fein entwickelter Geschmack, sein eigenes Nachdenken über das Wesen einer guten Latinitas und eine intensive Beschäftigung mit ihr, die auch in einer besonderen Schrift (De analogia) ihren theoretischen Niederschlag gefunden hatte: all das macht Caesars Streben nach Eleganz des Ausdrucks nicht nur in seinen Reden begreiflich, sondern auch in seinen Kommentarien, d. h. in einer Literaturgattung, deren stilistisches Merkmal sonst keineswegs die sprachliche Eleganz zu sein pflegt. Freilich läßt Caesar gelegentlich die elegantia auch vermissen; es findet sich manches bei ihm, was man bei dem ,,Klassiker" Caesar zunächst nicht erwartet. In diesen Lässigkeiten spricht sich, gewollt oder unbeabsichtigt, die Tatsache aus, daß BG und BC einer Literaturgattung angehören, die auf sprachliche Sorgfalt. im allgemeinen kein großes Gewicht legt. Dabei ist das Streben nach Reinheit, Gewähltheit und Normalisierung des sprachlichen Ausdrucks in den Kommentarien nicht überall gleich stark ausgeprägt. Es macht sich im Laufe der Zeit eine immer stärker werdende Auflockerung des Stils bemerkbar, die aber nicht nur entwicklungsmäßig bedingt ist, sondern auch durch die Umstände, unter denen BG und BC entstanden sind. Innerhalb des BG ist die sprachliche Eleganz am wenigsten im 7. Buch ausgeprägt, das in dieser Hinsicht in engere Beziehung zum BC tritt als zur Masse der übrigen Bücher des BG. Die Auflockerung macht dann im
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BC weitere Fortschritte und ist in seinem letzten Buch wieder stärker bemerkbar als in Buch 1 + 2. Schon diese Tatsachen weisen darauf hin, daß das BC, ebenso'wie das BG, nicht in einer knappen Zeitspanne und in einem Zug geschrieben wurde, sondern, daß die Entstehung ihrer einzelnen Bücher sich auf verschiedene Jahre* verteilte. Und dazu stimmt alles übrige, was wir in diesen Untersuchungen festgestellt haben. In ihrem Mittelpunkt, im II. Kapitel, stand speziell die Frage nach der Abfassungszeit des BC zur Diskussion. Sie gipfelte in dem Nachweis, daß die Bücher des BC [(1 + 2) + 3], ähnlich wie die 7 Bücher des BG, sukzessiv, d. h. am Ende eines jeden Kriegsjahres je ein Buch, geschrieben und veröffentlicht wurden. Die Begründung dieser Auffassung wurde im III. Kapitel vertieft, wo sich zeigte, daß die sprachlichen Besonderheiten des BC nicht bedingt sind durch dessen Unfertigkeit, sondern durch die Tatsache, daß Caesars. Sprache vom 1. Buch des BG bis zum letzten Buch des BC eine Entwicklung durchgemacht hat, die darauf schließen läßt, daß weder das eine noch das andere Werk in einem Zug entstanden, und daß insbesondere das BC in überstürzter Eile und im Drang aufregender Ereignisse geschrieben ist. Und nach der gleichen Richtung weist das I. Kapitel, das den tendenziös-propagandistischen Charakter des BC aufzeigt: Dieser Charakter des Werkes und seine zahlreichen und vielfach geradezu erstaunlichen Fälschungen lassen sich kaum anders erklären und entschuldigen als durch die Annahme, daß es mitten im Strom des in ihm geschilderten politischen und militärischen Geschehens entstand und veröffentlicht wurde 1 ). 1
loh muß um Nachsicht bitten, wenn mir, wegen der Ungunst der Verhältnisse, etwas aus der einschlägigen Literatur der neueren und neuesten Zeit entgangen sein sollte. Das Buch von R. SYME, „The Roman Revolution" {Oxford 1939) kenne ich nur durch den Hinweis M. GELZERS, Pompeius S. 8 der zweiten Ausgabe (1949).
B E R I C H T E Ü B E R DIE VERHANDLUNGEN D E R SÄCHSISCHEN A K A D E M I E D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU L E I P Z I G PHILOLOGISCH-HISTORISCHE
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NW 7
WERNERHARTKE RÖMISCHE
KINDERKAISER
E i n e S t r u k t u r a n a l y s e römischen D e n k e n s u n d Daseins Den I n h a l t des Buches bildet eine Analyse der spätrömischen Fälschung einer Kaisergeschichte. D a s vielbehandelte Problem soll einer Lösung entgegengeführt werden, indem die geistigen, historischen u n d sozialen Voraussetzungen dieser Fälschung ermittelt werden. I m Z u s a m m e n h a n g d a m i t erweist sich die U n t e r suchung a n t i k e r Zeit- u n d R a u m a n s c h a u u n g als sehr f r u c h t b a r : diese Frage, vor Augustin der A n t i k e ü b e r h a u p t n u r teilweise b e w u ß t , e n t l a r v t d e n Fälscher eindeutig, weil er sie n i c h t genügend beachten k o n n t e . A u s zahlreichen historischen, staatsrechtlichen u n d kulturgeschichtlichen Einzeluntersuchungen u n d philologischen I n t e r p r e t a t i o n e n e n t s t e h t das Bild einer Gesellschaft, die abweichend v o n d e r traditionellen Auffassung u n d Einschätzung schon ziemlich f r ü h in E r s t a r r u n g u n d fälschenden Formalismus zu verfallen beginnt. X I I u n d 488 Seiten — 1950 — brosch. D M 49.—, gebd. D M 52.— (Bestell- u n d Verlagsnummer 5029)
FRANZ VERSCHMÄHTES
DORNSEIFF
ZU V E R G I L ,
HORAZ UND
PROPERZ
U n t e r Verschmähtem ist hier manches f ü r u n e c h t E r k l ä r t e s verstanden, ferner bestimmte a n t i k e Nachrichten über diese Dichter u n d Anspielungen derselben aufeinander, die m a n meist ignoriert h a t . Aus der sog. Appendix Vergiliana wird das K a t a l e p t o n behandelt, das sich als ein von Vergil beabsichtigtes Buch herausstellt, das aber von ihm selber n i c h t veröffentlicht worden ist. A e t n a u n d Culex s t a m m e n mindestens v o n dem Vergil sehr nahestehenden Personen Imd sind kurz vor 44 u n d bald nach 28 v. Chr. v e r f a ß t . I n der b e r ü h m t e n 4. Ekloge Vergils ist das Epochemachende das erste Verwenden einer jüdisch-messianischen Weissagung aus den u n s erhaltenen Sibyllinischen Orakeln, w a s als Annäherung a n die biblische Religion m i t R e c h t als etwas völlig Neues e m p f u n d e n worden ist und Vergil u n t e r die P r o p h e t e n auf Christus gebracht h a t . Horaz kritisiert in seinem Epodoibuch nicht n u r Vergils E r w a r t u n g eines heilbringenden K n a b e n , sondern — natürlich ebenso freundschaftlich — a u c h dessen Schwärmerei f ü r L a n d a u f e n t h a l t u n d erotische H e x e n . I n späteren W e r k e n des Horaz ist noch etliches a n Vergils Adresse gerichtet. I m Propertius zeigen n i c h t wenige Stellen, wie n a h e er als d r i t t e r Dichter im Maecenaskreise d e n F r e u n d e n Veigil u n d Horaz s t a n d . (in: Berichte über die Verhandlungen d e r Sächs. A k a d . d. Wiss. zu Leipzig) 108 Seiten — 1951 — D M 11.50 (Bestell- u n d Verlagsnummer 2026/97/6) Bestellungren an eine Buchhandlung oder den Verlag erbeten
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