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German Pages [132] Year 1980
H Y P O M N E M A T A 65
HYPOMNEMATA UNTERSUCHUNGEN ZUR ANTIKE UND ZU IHREM NACHLEBEN
Herausgegeben von Albrecht Dihle/Hartmut Erbse/Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones/Günther Patzig/Bruno Snell
HEFT 65
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
ECKART MENSCHING
Caesar und die Germanen im 20. Jahrhundert Bemerkungen zum Nachleben des Bellum Gallicum in deutschsprachigen Texten
VANDENHOECK &. RUPRECHT IN GÖTTINGEN
CJP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Mensching, Eckart: Caesar und die Germanen im 20. [zwanzigsten] Jahrhundert: Bemerkungen zum Nachleben d. Bellum Gallicum in deutschsprachigen Texten/Eckart Mensching. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1980. (Hypomnemata; H. 65) ISBN 3-525-25161-0
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1980 - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Satz: Dörlemann-Satz GmbH & Co. KG, Lemförde. Druck: Hubert & Co., Göttingen
Ernst Heinrich Mensching
Vorwort Der hier vorgelegte Versuch bemüht sich in erster Linie, die Grundzüge der Entwicklung und die tiefen Einschnitte während der betrachteten sieben Jahrzehnte deutlich herauszuarbeiten. Mit dieser Ausrichtung könnte die Gefahr verbunden sein, daß nicht klar genug zutage tritt, wie facettenreich das Bild einer bestimmten Spanne - etwa der Weimarer Zeit — tatsächlich gewesen ist, welch unterschiedliche Werke und Tendenzen zur gleichen Zeit auf einen Interessierten eingewirkt haben können. Dies Risiko mag die, Chronologische Übersicht der herangezogenen Literatur' (S. lOOff.) ein wenig mindern. - Da das untersuchte Material zu einem Teil nicht ganz einfach zu erreichen ist, schien es sinnvoll, sich auf diese Texte nicht nur zu beziehen, sondern sie auch in einer Weise vorzulegen, die dem Leser ein eigenes Urteil über die jeweiligen Positionen und eine Kontrolle der vorgelegten Wertungen erlaubt. Zugleich aber sollte die Darstellung der Entwicklung nicht durch zu umfangreiche Zitate behindert werden. Aus diesen Gründen wurde im Anhang eine Auswahl der Texte in größerem Umfang zitiert (S. 103 ff.), so daß in der Untersuchung selbst eine Beschränkung auf die wichtigsten Aussagen möglich wurde. Gegen die Auswahl der Themen, die im folgenden betrachtet werden sollen, ließe sich vielleicht einwenden, es fehle eine eigene Untersuchung des Komplexes ,der Feldherr Caesar und die Germanen'; hier scheinen sich - läßt man die Andeutungen anläßlich des Ariovist-Kapitels beiseite - Caesars Vorgehen gegen die Usipeter und Tenctherer sowie die Rhein-Übergänge anzubieten. Doch im ersten Fall fände man nur emotional bestimmte Verurteilungen des ,ruchlosen römischen Vorgehens' in Fülle; wenn einzelne Autoren den Problemen ein wenig sorgfältiger nachgehen, können sie nicht umhin, sich vor allem mit der entscheidenden literarischen Quelle auseinanderzusetzen - damit ist man wieder beim Bellum Gallicum angelangt. Bei dem zweiten möglichen Thema, bei der Frage, welche Ziele der Feldherr mit den zwei Rhein-Ubergängen verfolgt habe, drängt sich der Eindruck auf, daß diese Dinge außerhalb der Wissenschaft kaum jemanden ernsthaft interessiert haben. Eine Beschränkung auf wissenschaftliche Texte war aber gerade nicht beabsichtigt. Die Ausführungen basieren auf einem Referat, das anläßlich eines Colloquiums über Rezeption und Nachleben der Antike (veranstaltet vom Fachbereich 1 der Technischen Universität Berlin) vorgetragen 7
wurde. Mein Dank gilt mehreren Kollegen für wichtige Hinweise, Fräulein G. Dräger für die Unterstützung bei der Material-Zusammenstellung, den Herausgebern und dem Verlag für die Aufnahme in die Reihe der Hypomnemata, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für eine Druckbeihilfe. Im Herbst 1979
E. M.
Inhaltsverzeichnis Einleitung
11
I. Kapitel:
Caesar und die Germanen
15
II. Kapitel:
Komponenten der Rezeption
17
III. Kapitel:
Ein Kommentator und der I. Weltkrieg
22
IV. Kapitel:
Der Rhein-Deutschlands Grenze?
32
V. Kapitel:
Zur Charakterisierung Ariovists
45
VI. Kapitel:
Zu dem Roman ,Heerkönig Ariovist' von K.H.Strobl( 1927)
63
Zusammenfassung und Einordnung
90
VII. Kapitel:
Chronologische Ubersicht der herangezogenen Literatur
100
Texte
103
Indices
123
A.
123
B.
Zu den Texten 1. Autoren
123
2. N a m e n und Sachen
123
3. Stellen des Bellum Gallicum
124
Zur Untersuchung
125
1. Autorendes 19.und20.Jahrhunderts
125
2. Namen und Sachen
126
3. Stellen des Bellum Gallicum
128
Einleitung Die folgenden Beobachtungen und Überlegungen zum Nachleben von Caesars Bellum Gallicum, begrenzt auf die Germanen-Nachrichten, 1 seien eingeleitet mit dem Hinweis auf einen außerordentlich erfolgreichen Text, dessen Autor dem Erfolg wohl nicht zuletzt dadurch Vorschub geleistet hat, daß er in anfechtbarer Weise die potentiellen deutschen Käufer zur Identifikation verleitete. Das Buch ,Die eisten Deutschen' von S. F i s c h e r - Fabian wird in der Taschenbuch-Ausgabe auf dem Titelblatt als „Der große Bestseller" charakterisiert oder angepriesen; und diese Angabe ist gewiß berechtigt. Nach den mir vorliegenden Informationen sind innerhalb von sechs Monaten 130 Tausend Exemplare gedruckt, dazu kommt zumindest noch das Taschenbuch, das nach knapp drei Jahren im Mai 1978 erschienen ist. Auch ohne über die Auflagenzahlen populärwissenschaftlicher Bücher genau informiert zu sein, kann man zweifellos von einem höchst bemerkenswerten Verkaufserfolg sprechen. Der Haupttitel des Buchs ,Die eisten Deutschen' ist für sich genommen mißverständlich. Es ist zwar kaum abzusehen, was sich ein großes Publikum unter den ,ersten Deutschen' vorstellt; aber gewiß ist für viele der Untertitel unentbehrlich, um sich ein Bild vom tatsächlichen Inhalt des Buches zu machen: ,Der Bericht übei das rätselhafte Volk der Germanen'. Mit den ,ersten Deutschen' sind also die Germanen gemeint; das heißt aber, es wird hier eine Identifikation von Germanen und Deutschen vorgenommen, die in der wissenschaftlichen Literatur seit hundert oder spätestens seit fünfzig Jahren überholt ist. Darüber unten mehr. Die extrem anachronistische Identifikation, der das Buch einen Teil seines Verkaufserfolgs verdanken wird, scheint der Autor mit einem halbwegs schlechten Gewissen vorzunehmen. Darauf deutet beispielsweise die Divergenz zwischen Klappentext und Vorwort. Während der Klappentext an hervorgehobener Stelle (T la)2 von den „ersten 1 Auf Probleme der Caesar-Forschung wird nur im Zusammenhang mit speziellen Fragen, die für das Nachwirken wesentlich sind, eingegangen (vgl. Gnomon 48, 1976, 148 ff.; Latomus 38, 1979, 902ff. ; Caesars Interesse an Galliern und Germanen, Göttingische Gelehrte Anzeigen 227, 1975, 9 ff.). - Für einen Teil der Untersuchung ist zu verweisen auf K. Thraede, Livius im Spiegel der neueren Forschung, Dialog Schule - Wissenschaft 5, 1970, 61 ff. 2 Mit den Chiffren T(ext) 1, 2 , 3 usw. wird auf die in der Materialsammlung zusammengestellten ausführlicheren Belege verwiesen. - Im Rahmen der Untersuchung stammen die Hervorhebungen innerhalb der zitierten Texte von mir.
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Deutschen" spricht (dort dürfte der Verlag die letzte Verantwortung tragen), ist der Verfasser selbst sehr viel behutsamer. So beherrschen das Vorwort zunächst die Begriffe „Germanen" und „Geimanenbild", bis dann gegen Ende eher versteckt auch einmal die „eisten Deutschen" begegnen. Ähnliches lehrt das Inhaltsverzeichnis, das im vorgelegten Teil (T lb) neben dem geographischen Terminus Deutschland ein einziges Mal die,,eisten Deutschen", dagegen dreimal die„Geimanen" nennt. 3 Dies Stück des Inhaltsverzeichnisses zeigt zugleich, daß Fischer-Fabian begreiflicherweise auch das Thema , Caesar und die Germanen' behandelt. Der Eindruck der Zwiespältigkeit ist es auch, den das übrige Oeuvre des Verfassers weckt. Titel wie die folgenden prädestinieren ihn vielleicht nicht für die hier zu bewältigende Aufgabe: Apihodite ist an allem schuld Beilin Eveigieen Liebe im Schnee Deutschland kann lachen Euiopa kann lachen Venus mit Heiz und Köpfchen eine Liebeseikläiung an die Beilineiin. Andererseits ist er an der Freien Universität Berlin promoviert, anscheinend 1953 mit der Dissertation ,Die Aufnahme des natuialistischen Theateis in dei deutschen Zeitschiiftenpiesse 1887-93' (verfaßt von Siegfried Fischer).4 3 Fischer-Fabian hat sich innerhalb des gesamten Inhaltsverzeichnisses noch deutlicher für den Terminus .Germane' entschieden bzw. vom,ersten Deutschen' distanziert. Zu den oben erwähnten Formulierungen treten noch (a) einmal die,,Deutschen" (nicht: ,die ersten Deutschen'; innerhalb eines Zitats; Kap. 8) und einmal „Deutschland" (auf die Gegenwart bezogen: „Deutschlands populärstes Denkmal"-, Kap. 10] sowie (b) vierzehnmal „Germanen/germanisch/Germania" (femer Kap. 7: „Schrumpfgermane"; Kap. 8: „Die ,Germania' ein Ausflugsdampfer!"). 4 Die Identifikation ist deshalb nicht absolut sicher, weil Fischer-Fabian seinen Vornamen nicht auszuschreiben pflegt. Die Promotion spricht der Verlag auf der letzten Umschlagseite an: „machte seinen Dr. phil. in Berlin"; auf die oben angedeutete Zwiespältigkeit zielt der Verlag mit den Worten: „ Von der Kritik wurde besonders die Vielseitigkeit S. Fischer-Fabians hervorgehoben". Sein Buch .Schätze, Forscher, Abenteurer' (1972; Schneider-Taschenbuch 1975) kann nur mit größten Einschränkungen als Vorläufer der .Ersten Deutschen' angesehen werden (hier ist C. W. Cerams, Götter, Gräberund Gelehrte', 1. Auflage 1949, ein mögliches Vorbild), während, Die deutschen Cäsaren. Triumph und Tragödie der Kaiser des Mittelalters' |1976) augenscheinlich die Fortsetzung des „großen Bestsellers" sind-über den Einfluß Rudolf Pörtners ließe sich diskutieren:,Bevor die Römer kamen' (zuerst 1961), ,Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit' (zuerst 1959), ,Das Römerreich der Deutschen' (zuerst 1967); vgl. unten Anm. 137.
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Dem Verfasser eines populärwissenschaftlichen Werkes wird selbst ein kritischer Betrachter konzedieren müssen, daß er die Bedeutung seines Buchs einem größeren Publikum auch mit etwas gröberen Mitteln verdeutlicht; bei historischen Werken mag es sich anbieten, dem potentiellen Käufer oder dem Leser die Möglichkeit der Identifikation einzuräumen. So kann etwa auf das Kelten-Buch von H. N o e l l e verwiesen werden, der mit dem Abschnitt,Vor uns waren die Kelten' beginnt und dort konstatiert, daß die Kelten „auch zu unseren Vorfahren gehören wie die Germanen" (T 2a); am Ende wird die mögliche europäische Einigung als Fortsetzung der keltisch-germanischen Geschichte verstanden (T 2b): Den Bewohnern nicht nur Süddeutschlands, sondern ganz Westeuropas bietet sich, folgen sie Noelle, die Chance der Identifizierung.5 Dagegen beschränkt sich G. Herrn in,Die Kelten' darauf, an eher versteckter Stelle das Fortwirken bis in die Gegenwart zu notieren, in einer Partie, die die Kelten „die frühesten Widerstandskämpfer Europas" nennt (T 2c). 6 Zugleich aber zeigt Herrn einen anderen Weg auf, das Interesse der Leser zu wecken; er spricht von einem Rätsel (das er Im Blick auf den Verkaufserfolg der,Ersten Deutschen' seien einige Zahlen zu Pörtners Taschenbuch-Auflagen genannt:,Bevor die Römer kamen': 1.-30. Tausend November 1964; 79.-85. Tausend Januar 1973; Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit' : 1 - 2 0 . Tausend Juli 1967; 104.-110. Tausend Juli 1976; ,Das Römerreich der Deutschen': 1.-20. Tausend Mai 1970; 50.-54. Tausend August 1977. Fischer-Fabians neuestes Werk liegt auf der beobachteten Linie:,Preußens Gloria. Der Aufstieg eines Staates' (mit 50 z. T. farbigen Abbildungen, 1.—100. Tausend 1979, 367 S.; dort auf dem Schutzumschlag die Angabe, daß die Gesamtauflage der,Ersten Deutschen' 290 000, der,Deutschen Cäsaren' 373 000 Exemplare beträgt). Daß das Buch anläßlich der Frankfurter Buchmesse im Fernsehen und etwa gleichzeitig mittels eines Interviews im Radio vorgestellt wurde, paßt zum Bild des ,Bestseller-Autors'. 5 Noelles Buch ist eigenartig angelegt. Im Zentrum stehen zwar die Ausgrabungen und die Geschichte Manchings, doch wird zur Erklärung der dortigen Erscheinungen auf die Kelten allgemein in sehr großem Umfang eingegangen (so im Zusammenhang mit der Manchinger Mauer S. 110f. das Caesar-Kapitel über den murus Gallicus, VII 24). Die Konzentration auf die eine Seite, auf,Die Kelten', wie sie der Umschlag der gebundenen Ausgabe und krasser noch das Taschenbuch vornehmen, ist vom Inhalt her unvertretbar. Wie kaum breiter ausgeführt zu werden braucht, kann der exakte ausführliche Titel ,Die Kelten und ihre Stadt Manching' nur einen Bruchteil der Interessenten ansprechen (ursprünglicher Erscheinungsort: Pfaffenhofen/Ilm). - Begreiflicherweise geht Noelle mehrfach auf das Bellum Gallicum, Caesar und Ariovist ein (etwa S. 58ff. ; mit bemerkenswerten Lateinkenntnissen: oppidas, S. 92; 99; 326).-Vgl. auch Anm. 8 f, Wir und die Germanen'). 6 Herrn führt im .Literaturverzeichnis' das Buch von Noelle an, so daß möglicherweise Noelles Identifikations-Vorstellungen Herrn von einem entsprechenden Schritt abgehalten haben. Daß Herrn das Bellum Gallicum in größtem Umfang auswertet, lehren die Kapitel X und XI (S. 255-302).
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gewiß lösen wird): ,Das Volk, das aus dem Dunkel kam'. Und ebenso verfährt Fischer-Fabian, ebenfalls im J. 1975. Nicht nur, daß es zu den Indogermanen heißt: „ein Volk steigt aus dem Dunkel" (S. 54f.); der Untertitel verspricht einen, nein: den ,Bericht über das rätselhafte Volk der Germanen'. Die Identifikation von Germanen und Deutschen, wie sie FischerFabian noch 1975 vornimmt, könnte man geneigt sein, für ein Curiosum zu halten, und allein auf den wirtschaftlichen Aspekt zurückführen wollen. Doch scheint mir hier nur besonders kraß zutage zu treten, was bei sehr vielen deutschsprachigen Autoren zu beobachten ist, eine beträchtliche Germanen-Freundlichkeit (entsprechend der GallierSympathie im französischen Sprachraum). Dies gilt nicht allein für die Auseinandersetzungen Caesars mit den Germanen, wo es auch einem entschiedenen Caesar-Verehrer schwerfallen wird, Caesars Vorgehen gegen Ariovist sowie gegen die Usipeter und Tenctherer als unanfechtbar hinzustellen. Im folgenden sollen zunächst Caesars Nachrichten über die Germanen charakterisiert und dann zwei Komponenten der Rezeption gestreift werden, nämlich Urteile über Caesar auf der einen und über die Germanen auf der anderen Seite, die unabhängig von der speziellen Thematik , Caesar und die Germanen' existieren. Anhand von drei Komplexen sei dann das Nachleben detaillierter betrachtet; es geht dabei um die Einflüsse des I. Weltkrieges auf einen wissenschaftlichen Kommentar, ferner um das Problem der Rhein-Grenze und schließlich um das Porträt von Caesars bedeutendem Gegenspieler, des Germanen Ariovist; in diesen Zusammenhang gehört dann auch die Untersuchung eines Ariovist-Romans von 1927. Das Ziel, möglichst verschiedenartige Texte zu berücksichtigen, läßt sich nur innerhalb gewisser Grenzen erreichen; es ist zu hoffen, daß sich dennoch ein repräsentatives Bild ergeben wird.
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I. KAPITEL
Caesar und die Germanen Will man Caesars Germanen-Kenntnisse richtig einordnen, so ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, daß die Mittelmeer-Völker bis dahin von den Germanen nur anläßlich des Zuges der Kimbern und Teutonen erfahren hatten, also unter exzeptionellen Umständen, daß es zudem von der Gallia Narbonensis, d. h. der Mittelmeer-Küste und dem untersten Rhonetal, aus kaum möglich war, genauere Informationen über die Germanen zu erlangen. 7 Wie tiefgreifend sich die Lage durch den Gallischen Krieg änderte, der Caesar bereits im ersten Sommer in die Nähe des Oberrheins brachte, und wie sehr sich plötzlich der Horizont weitete, wird man sich ohne Mühe vorstellen können. Die These, daß Caesar über die Germanen mehr wußte als seine Zeitgenossen, läßt sich vor allem anhand dreier Argumente erhärten. (1.) Caesar besaß eine umfassende Bildung, die es ihm erlaubte, eigene Beobachtungen und die Mitteilungen der Gewährsleute in das System der damaligen wissenschaftlichen Ethnographie einzuordnen - hier unterscheidet er sich von dem anderen großen Eroberer, von seinem Gegenspieler Pompeius. (2.) Die Basis für Informationen war im Rahmen der Möglichkeiten jener Zeit vorzüglich. Caesar hatte sich auf gallischem Boden zweimal intensiv mit den Germanen auseinanderzusetzen (mit Ariovist und den Usipetern); er war zweimal - wenn auch nur kurz - auf der rechten Seite des Rheins; er hielt sich schließlich mehrfach auf dem linken Rhein-Ufer auf, so daß er sich von gut informierten Galliern unterrichten lassen konnte. (3.) Schon die militärische Konstellation, die vom Sommer 58 an Feldzüge gegen Germanen möglich erscheinen ließ und dann tatsächlich auch bedingte, erzwang ein ausgeprägtes Interesse an diesem potentiellen Feind, und zwar von Anfang an. Kurz, das unstreitige Interesse an den Germanen, die guten Informations-Quellen 7 Diese notgedrungen summarische Aussage soll in erster Linie den Hintergrund andeuten, vor dem Caesar zu sehen ist. Damit ist impliziert, daß Poseidonios' Kenntnisse gegenüber denen Caesars gering gewesen sein müssen (zumal unklar bleibt, wie weit Poseidonios von Massilia aus nach Norden gekommen ist; wenn nach W. Capelle, ,Die Germanen im Frühlicht der Geschichte', 1928, 52, Poseidonios,.sicher auch noch gefangene Kimbern und Teutonen dort gesehen" hat - in Rom und Massilia - , wird das Exzeptionelle dieser Erfahrung erst recht deutlich). Doch wie gleich noch genauer auszuführen sein wird, können wir im Detail nicht die Kenntnisse beider vergleichen, sondern allein einen Teil der von ihnen vorgelegten Mitteilungen.
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und die Fähigkeit, die Nachrichten zu verarbeiten, müssen zu vorzüglichen Kenntnissen geführt haben. Detaillierte Aussagen über Caesars Wissen sind indes nur begrenzt möglich, da man sich hier auf keine andere Quelle als das Bellum Gallicum stützen kann. In diesem Werk aber, in Eile gegen Kriegsende niedergeschrieben, will der Autor in erster Linie einem weiteren Publikum seine militärischen Leistungen vorführen. Der Umstand, daß er sich nicht primär an militärische Spezialisten wendet, erlaubt es ihm allerdings auch, Exkurse mit ethnographischem Inhalt einzurücken; zwei von ihnen gehen auf die Germanen ein. Diese Exkurse darf man - vereinfachend - in die Tradition der wissenschaftlichen Literatur einordnen,- hier besteht kaum Anlaß, die subjektive Aufrichtigkeit des Verfassers in Zweifel zu ziehen. Daneben aber gibt es eine beträchtliche Anzahl von Germanen-Aussagen, die eine besondere Funktion innerhalb der (versteckten) Argumentation des Bellum Gallicum haben. Es stellt sich also die Frage, ob auch hier die subjektive Aufrichtigkeit wahrscheinlich ist oder ob die erzählerische Funktion den Wert der Nachrichten beeinträchtigt. Erst von der Zeit Caesars an hat die Mittelmeer-Welt einen unproblematischen Zugang zu Kenntnissen über die Germanen; in der Person Caesars ist uns zudem ein Gewährsmann mit vorzüglichem Wissen bekannt. Nur finden sich seine Nachrichten in den Memoiren über den Gallischen Krieg, ein Großteil im Laufe der Erzählung. Dadurch aber kann der Wert der Aussagen beeinträchtigt worden sein: Das Bellum Gallicum ist eine durchaus problematische Quelle. Doch aus der vorangehenden Zeit gibt es nur einige Fragmente des Griechen Poseidonios, aus Caesars Jahren nichts außer dem Bellum Gallicum; es folgen erst wieder Nachrichten aus der Zeit um Christi Geburt. Das heißt: Die sehr unbefriedigende Überlieferungslage macht - ungeachtet aller Schwierigkeiten - Caesars Bellum Gallicum zu einer Quelle ersten Ranges, an der bei der Beschäftigung mit den Germanen kein Weg vorbeiführt.
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II. KAPITEL
Komponenten der Rezeption Betrachten wir nun die oben angesprochenen Komponenten der Rezeption, so ist zum einen auf die moderne Beurteilung Caesars hinzuweisen. Wird seine Tätigkeit in Gallien gewertet, dann ist er entweder der Mann, der dem Abendland oder Europa (dies die gängige Terminologie) eine so wichtige Provinz wie Gallien bzw. Frankreich hinzugewinnt, oder aber er ist der Imperialist, der bedenkenlos freie Völker unterjocht, zudem aus rein egoistischen Gründen. Schaut man hingegen auf seine Rolle im Rahmen der römischen Geschichte, dann hat er entweder eine Art Demokratie vernichtet und eine Militärdiktatur herbeigeführt, oder er hat einer maroden Staatsform ein Ende bereitet und Wege zu Neuem gewiesen. Im ersten Fall war er ein machtbesessener Militär, ohne politische Ziele, im zweiten Fall indes der große Staatsmann, mit einem weit in die Zukunft weisenden Programm. Schließlich sind hier noch die Einflüsse zu nennen, die das Bild eines zeitgenössischen Politikers und Militärs auf den Leser ausgeübt hat und die auf die Beurteilung Caesars einwirken können. Eines der wichtigsten Beispiele stellt im 19. Jahrhundert Napoleon I. dar; das heißt, das Porträt Caesars konnte sich entsprechend dem Bild Napoleons entwickeln. Ähnliches scheint dann für Hitler zu gelten. Diese notgedrungen überspitzten Andeutungen seien konkretisiert anhand einiger Sätze von H. Oppermann(T3). Caesars Herrschaft in Rom - für manche eine Diktatur - beruht für Oppermann auf seiner „Größe, Würde und Leistung", „sein Erscheinen [hat] das Bild des Menschen gehoben"-, die Tätigkeit in Gallien bedeute eine „entschiedene Stärkung der westlichen, europäischen Reichshälfte", nicht zuletzt deswegen ist Caesar ein , Wegbereiter Europas'und schließlich erweist sich das Bellum Gallicum als „die großartigste Selbstobjektivierung, die die Geschichte kennt": Bemerkenswert sind diese Urteile nicht so sehr an sich - ließe sich doch ohne weiteres manche Parallele beibringen - , sondern vielmehr im Zusammenhang mit den Daten. Alle diese Ansichten wurden noch in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts vertreten. Der zweite Punkt, der noch zu berühren ist, betrifft einen speziellen Aspekt der umfassenden Germanen-Problematik. Es geht um die Ubersetzung des Wortes Germanus, das seit dem 16. Jahrhundert in den 17
Übertragungen nicht nur mittelalterlicher, sondern auch antiker Texte als,Deutsch' bzw.,Deutscher' erscheint.8 Diese Praxis ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu dokumentieren etwa bei Kaspar Zeuss (T 4a), bei dem dort aus den copiae Germanorum „deutsche Kriegsvölkei" werden (nur zur Verdeutlichung sei angemerkt, daß es hier um den Titel von Zeuss' Werk gerade nicht geht). Ähnliches gilt für den französischen Sprachraum, wie das Napoleon - Zitat belegt (T 4b); das Nebeneinander von „Allemand" und ,,Germain" findet sich begreiflicherweise nicht nur hier. - In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und zwar gegen Ende, löst dann die Übersetzung Germane/germanisch' die ältere ab bzw. verdrängt sie. Dieser Ubergang läßt sich deutlich etwa an Theodor Mommsens ,Römischer Geschichte' ablesen (T 5). Im frühen III. Band, wo es um den Gallischen Krieg geht, dominiert eindeutig die Ubersetzung „deutsch"; so wird aus Caesars rex Germanorum - um ein Beispiel zu nennen - ein „deutscher Heerkönig". Im V. Band von 1885 dagegen überwiegt unübersehbar der Begriff ,Germane/germanisch'. Der gelegentliche Rückgriff auf die ältere Terminologie scheint, zumindest in einigen Fällen, ein Zeichen der pathetischen Hervorhebung, der Betonung zu sein, so dort, wo es im weiteren Kontext um Arminius' Tod geht, der von seinen eigenen Landsleuten umgebracht worden war. Hier nun wird die Ansicht, die innere Zwietracht arbeite den Feinden in die Hände, nicht auf die Germanen bezogen, sondern auf die „Deutschen", und von Mommsen akzeptiert:
8 Hachmann (in: Hachmann-Kossack-Kuhn, s. T 14a, S. 17, 26) verweist für die Gleichsetzung von Teutschen und Germanen auf Johannes Turmair/Aventinus,, Chronica von ursprung, heikomen und thaten dei uralten Teutschen' (1541). Andererseits hatte bereits 1531 Beatus Rhenanus, Rerum Germanicarum libri III, sich entschieden ausgesprochen gegen „eine Praxis [. . .], die unbekümmert Germanisches von Einst und Deutsches von Jetzt ineinssetzt, die, einzig von der trügerischen Identität der Bezeichnungen (zumal der Bezeichnungen Germani, Germania) geleitet, alles Germanische und alles Deutsche als deckungsgleich betrachtet. Der wirksamste Keil, den er in dieses monolithische Ganze von Identifikationen treibt, ist seine Unterscheidung Germania vetus - Germania recentior" (Fuhrmann, s. Anm. 142, S. 46). L. Krapf, Germanenmythus und Reichsideologie. Frühhumanistische Rezeptionsweisen der taciteischen ,Germania', Studien zur deutschen Literatur 59, 1979,124 S. (eine Konstanzer Dissertation von 1974) behandelt im ersten Kapitel: Die Geschichte der,Germania' von der Antike bis zu ihrer Wiederentdekkung in der Renaissance (S. 1-42), dann - nach Typen der ,Germania' - Rezeption im Quattrocento - im dritten Kapitel: Die Rezeption der ,Germania' im frühen deutschen Humanismus (S. 68-116; zu Conrad Celtis, Wimpfeling, Bebel u. a.). Vgl. noch Hachmann, ,Die Germanen' (s. Anm. 47) S. 12ff. (,1m Irrgarten der Begriffe'; dies der zweite Abschnitt des Kapitels ,Das Problem der Definition', das eingeleitet wird mit dem Passus , Wir und die Germanen').
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„darin [. . .]hat die Geschichte ihm [Tibeiius]Recht gegeben" (T 5c).9 Mommsens Vorgehen scheint auch deshalb erwähnenswert, weil er Anfang der achtziger Jahre Reichstagsabgeordneter war, und zwar als Liberaler einer linken Gruppierung. Nimmt man noch hinzu, daß sich Mommsen dem Vorwurf ausgesetzt sah, national nicht zuverlässig zu sein, so dürfte eins klar werden: Die Gleichsetzung Germane = Deutscher muß keine betont nationale oder gar chauvinistische Haltung implizieren.10 In dieselbe Richtung weist auch der Text aus der römischen Geschichte von Carl Peter (T 5d), demzufolge Caesar vom linken Rhein-Ufer nach „Deutschland" übersetzte. Die Vorstellung, daß irgendwann einmal gegenüber von Bonn oder Koblenz Deutschland nur bis zum rechten Rhein-Ufer reichte, ist gewiß auch nicht nationalistisch zu nennen.11 Das Ergebnis, die Ubersetzungs-Gleichung Geimanus = Deutscher klinge mit dem 19. Jahrhundert aus, gilt nun aber - wie nachdrücklich zu betonen ist - allein für die wissenschaftliche Literatur. Daß die Gleichung etwa in der Schule, bei Fachfremden oder in populärer Literatur noch lange weiterleben kann, dafür spricht nicht nur allgemein die Wahrscheinlichkeit, dies lehrt überdeutlich die römische Geschichte 9 Auf den zwölf Seiten über die Germanen-Kriege bis hin zur Varus-Schlacht (S. 23 ff.| sind von den insgesamt fünf Belegen wenigstens drei im angedeuteten Sinn bemerkenswert: (a) die,,linksrheinischen Deutschen" |S. 23, dazu unten Kap. IV; S. 25 „linksrheinische Germanen"!) (b| die Mischung von Kelten und „Deutschen" und zwar gerade für Nordost-Gallien (S. 23); (c) ,,Großdeutschland" im Zusammenhang mit Marbod und Böhmen (S. 33). 10 Vgl. A. Heuß, Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956, 237: „Mommsen konnte nichts dafür, daß einem im politischen Denken schwach gewordenen Geschlecht sich hier ein Rätsel auftat und man albem fragte, ob er ein,nationaler' Mann sei" (ferner S. 280f., wo verwiesen wird auf „die vergröbernde Charakteristik des Generals von Sarwey, Mommsen sei in Wirklichkeit Imperialist' gewesen, womit er ihn offenbar gegen den Verdacht mangelnden Patriotismus' in Schutz nehmen wollte"). 11 Bei Carl Peter (1. Auflage 1853 ff., 4. Auflage 1881) wie auch bei Mommsen (letzter Nachdruck in unserem Jahrzehnt) drängt sich die Problematik von Nachdrucken bzw. nur leicht überarbeiteten Auflagen auf; dazu wäre noch mehrfach Stellung zu nehmen. Bei Mommsen ist dies Problem deshalb besonders virulent, weil er auch heute oft genug noch zur Stützung der Argumentation herangezogen und nicht nur im Rahmen der Wissenschaftsgeschichte zitiert wird. So kann es dann aus Anlaß von Mommsens Formulierung ,.Aufstand der Patrioten" zu einer solchen Formulierung kommen: „Es liegt auf der Hand, daß der leidenschaftliche Haß Mommsens gegen den römischen Führungsanspruch die Grundstimmung vieler deutscher adhoc-Äußerungen bestimmte" (C. M. Ternes, Die römerzeitliche civitas Treverorum, Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II 4, 1975, 369, 164). Dies liegt gerade nicht auf der Hand. Vielmehr überbewertet Ternes - gleichsam zugunsten Mommsens - den Einfluß eines Individuums erheblich, um dann Mommsen implizite des Nationalismus zu zeihen, doch wohl eines Nationalismus, der im Rahmen seiner Zeit negativ auffalle.
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von K. L. Roth (T 6), ein Nachdruck aus dem J. 1922, wo einem in der Nacherzählung des Gallischen Krieges ,,Deutsche" auf Schritt und Tritt begegnen.12 Den Hintergrund für die Ubersetzung Gezmanus = Deutscher bildet die komplexe Frage, wann die deutsche Geschichte begonnen habe. Zur Verdeutlichung dieses Kontextes muß es hier genügen, einen Text von Johannes Haller heranzuziehen (T 7a), der sich in seinem Buch ,Die Epochen der deutschen Geschichte' noch in den zwanziger Jahren energisch dagegen wenden muß, daß die Völkerwanderungszeit zur deutschen Geschichte gezählt wird.13 Er konstatiert: „Germanen und Deutsche sind eben nicht dasselbe. Alle Deutschen sind Germanen, aber nicht alle Germanen sind Deutsche." Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947, geht dann Veit Valentin noch einen entscheidenden Schritt weiter: ,,Das deutsche Volk, wie es heute besteht, ist ein verhältnismäßig spätes Erzeugnis der Mischung verschiedenster ethnischer Bestandteile, wobei das germanische Element nur eines von verschiedenen gleichwertigen Elementen gewesen ist" (T 7b).14 - Diese Zitate lehren zugleich auch, weshalb der Titel Fischer-Fabians ,Die ersten Deutschen' eingangs kraß anachronistisch genannt werden mußte. Unter den skizzierten Voraussetzungen drängt sich die Annahme auf, daß sich auch im 20. Jahrhundert noch ein Großteil der deutschen 12 Dieses Buch von Roth (T 6) stellt wohl einen Höhepunkt des Anachronismus dar. So wird das Vorwort zur dritten Auflage von 1905 nachgedruckt, und dort waren die Römer als Vorbilder empfohlen, in der Erwartung eines,,größeren Deutschland": 1905 konnte dies wohl nur den Erwerb neuer Kolonien bedeuten; was dem Verlag, als er dies in die Auflage von 1922 übernahm, vorschwebte, sehe ich nicht. - Der Umstand, daß in unserer Ubersicht Texte der Schule größtenteils fehlen, kann ein wenig durch den Hinweis auf ein Urteil über Roths Griechische und Römische Geschichte gemildert werden, hieß es doch im,Humanistischen Gymnasium': „Insbesondere als Festgeschenk für Schüler der mittleren und oberen Klassen möchten wir das Werk dringend empfehlen" und in,Lehrproben und Lehrgänge' zur Griechischen Geschichte: „Möge das längst bewährte Buch [. . ,]in den Schülerbibliotheken immerfort seinen wahlberechtigten Platz behaupten". Beide Texte sind in diesem Band von 1922 abgedruckt und bezeugen eine Form der Kontinuität von Wilhelminischer Zeit zur Weimarer Republik. 13 Hallers .Epochen . . .' hatten in der Originalausgabe „über 150000" Exemplare und als Taschenbuch (List, Nr. 65) bereits 1967 das „88.-99. Tausend" erreicht: Ein außerordentlich weit verbreitetes Werk. 14 Valentins Worte stellen, wie ohne weiteres ersichtlich ist, eine Reaktion auf das Dritte Reich dar. Mit dieser Korrektur am Bild Hallers („Alle Deutschen sind Germanen") ist dann der Weg gebahnt etwa zur Anerkennimg des keltischen Elements, das für Noelle (T 2) so wesentlich ist. - Die Konsequenz von Hallers Position ist dann ein Büchlein mit dem Titel ,Dei Eintritt der Germanen in die Geschichte' (zuerst von Haller, 1939; s. unten Anm. 81).
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Caesar-Leser mit Caesars Geimani identifiziert hat, wie bewußt auch immer dies geschehen sein mag. Schwierig wird die Lage dann, wenn eben diese Leser gleichzeitig Sympathien für Caesar, den Feldherm und Alleinherrscher, empfinden; dann müßten sich Kollisionen abzeichnen. Der umgekehrte Fall, daß nämlich Geimani und Caesar auf gleich große Aversionen stoßen, scheint in Deutschland weniger wahrscheinlich.
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III. KAPITEL
Ein Kommentator und der I. Weltkrieg Das erste Beispiel aus unserem Jahrhundert, das sorgfältiger betrachtet werden soll, bietet der Kommentar von Heinrich Meusel, dessen I. Band 1913 abgeschlossen wurde. Gerade weil manche der folgenden Zitate verblüffen oder irritieren werden, sei nachdrücklich betont, daß es sich um einen wissenschaftlichen Kommentar handelt, dessen hohes Niveau unbestritten ist und der bis heute nicht wirklich überholt werden konnte. Der erste Band enthält die Bücher I-IV, und das sind mit den Themen ,Ariovist' und ,Usipeter-Vernichtung' gerade diejenigen Bücher, die (abgesehen von dem großen Exkurs) ausführlich von den Germanen handeln. Hier nun ergibt sich zweierlei. Erstens, pro-germanische oder pro-deutsche Töne finden sich ebenso wenig wie anti-gallische oder anti-französische. Zweitens, die Einbeziehung der Gegenwart fehlt nicht ganz. Der einzige gravierende Fall begegnet sogleich am Anfang, in der Kommentierung des 2. Kapitels des I. Buches, also wohl an der frühest möglichen Stelle (T 8a). Caesar berichtet dort über den Auswanderungsplan der Helvetier, der von sehr wenigen Personen durchgesetzt wurde. Diese Aussage bietet Meusel die Gelegenheit, sich gegen SPD und Katholiken zu wenden. Bei den Sozialdemokraten werden - so Meusel - „die wenigen denkenden und selbständigen Männer [. . .] mundtot gemacht und vergewaltigt"; und ähnlich schlimm ist es für ihn im katholischen Bereich: „Was die Piiestez sagen, geschieht von fast allen, [. . .]namentlich in unserem lieben katholischen Deutschland". Meusels Vergleich von antiken und gegenwärtigen Zuständen kann also nicht sehr fortschrittsgläubig ausfallen: „Unser Volk hat wirklich keinen Grund, hochmütig auf die alten Griechen, Römer, Kelten herabzusehen. So herrlich weit haben wir es diesen gegenüber nicht gebracht". Ob in dieser Zusammenstellung die,alten Germanen' rein zufällig fehlen, sei dahingestellt. Im Blick auf die Entwicklung, die die Ubersetzung des Wortes Germanus durchgemacht hat, verdienen einige Stellen erwähnt zu werden, die überraschenderweise von „Deutschland" und„deutsch" sprechen, wo man nun - im 20. Jahrhundert - , Germanien' oder,germanisch' erwartet (T 8b). Es ergibt sich eine Parallele beispielsweise zur Vorstellung Peters (T 5d), derzufolge „Deutschland" einmal nur bis zum Rhein 22
reichte. Wenn ich recht sehe, ist in keinem Fall eine spezielle Funktion mit dieser Wortwahl verbunden (im Unterschied zu Mommsen, T 5c).15 In diesem I. Band von 1913 fehlt also die Gegenwart nicht ganz, zu diesem Zeitpunkt sieht Meusel in SPD und Katholiken (gemeint ist wohl das Zentrum) seine Feinde oder Gegner. Ein völlig anderes Bild vermittelt der II. Band, der von 1914 bis zu Meusels Tod im Juni 1916 seine endgültige Form erlangt hat. In unserem Zusammenhang ist es nun wichtig, daß in den hier kommentierten Büchern V-VII die Germanen eine minimale Rolle spielen, abgesehen von dem großen Exkurs über Gallier und Germanen. So gibt es für den Kommentator nur begrenzt Anlaß für pro-germanische oder pro-deutsche Auslassungen, und diese finden sich dann primär anläßlich des Exkurses. Unser erstes Beispiel ist in doppelter Hinsicht lehrreich (T 9a): „Bei den Deutschen galt zu allen Zeiten das Sprichwort: ein Mann, ein Wort; wer sein Wort nicht hielt, entehrte sich selbst und fiel der allgemeinen Verachtung anheim." Die pro-germanische Tendenz äußert sich hier also unter anderem darin, daß Caesars Germani zu „Deutschen" werden, ähnlich wie im folgenden Bezug auf Tacitus' Germania (T 9b), d. h. eine eigentlich überholte Gleichsetzung erlebt eine Wiederbelebung. 16 Zum anderen, die pro-deutsche Aussage wird verbunden mit Angriffen auf andere, die hier allerdings in der Anonymität belassen werden: „Bei anderen Völkern zeigt sich oft eine abgrundtiefe Verlogenheit: selbst Minister, ja Fürsten brechen ihr Ehrenwort (Krieg 1914)!" Von den anderen Beispielen wirkt das eine auf uns eher komisch (T 9c), wo sich Meusel fragt, ob man „Badeanzüge in Deutschland zu Caesars Zeiten" kannte; doch droht, wenn ich Meusel recht interpretiere, der Vorwurf, die Germanen oder Deutschen hätten in einer frühen Zeit sich zucht- oder schamlos verhalten. 17 Der andere Beleg ist 15 Auf die Gegenwart wird mehrfach in ganz unproblematischer Form verwiesen: „Die Gegendum Toulouse gehört noch jetztzu den getreidereichsten von ganz Frankreich" (S. 103 zu I 10,2; meine Hervorhebung); ähnlich S. 160; 195; 196; 250; 277. 16 Nur mit größter Gewaltsamkeit könnte man zum Wort von den „Deutschen [. . . ]zu allen Zeiten" (T 9a) einschränkend einwenden, Meusel ziehe Germanen (wenige Jahrhunderte) und Deutsche (viele Jahrhunderte) zu „Deutschen" zusammen, es liege also k e i n e ausdrückliche Identifikation vor. Doch bei T 9b, der im Original unmittelbar folgt, k o m m t eine solche Ausrede überhaupt nicht in Betracht, da Tacitus eben von den Germani spricht. - Die in T 8b zusammengestellten Belege aus Band I von 1913 können lehren, wie es zu der politischen Identifikation k o m m e n konnte,- die Texte 8b und 9a-c sind nicht wirklich parallel. 17 Das ,Badeanzug-Problem' könnte man auch innenpolitisch deuten, als Stellungnahme gegen die beginnende Freikörper- (Nackt-)Kultur.
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gleichsam harmlos (T 9d), werden doch nur „staunenswertere" Marschleistungen „unserer Truppen" erwähnt. - Kurz, die patriotischen Töne klingen eher zurückhaltend, solange es allein um die Vorzüge der Germanen bzw. Deutschen geht. Viel eindrücklicher fällt die Wendung gegen die anderen aus, und hier sind an erster Stelle begreiflicherweise die Gallier oder Franzosen zu nennen: die Identifikation von Germanen und Deutschen bringt diejenige von Galliern und Franzosen nahezu zwangsläufig mit sich. Das erste Beispiel (T 10a) ist deshalb besonders eindrucksvoll, weil es eine Argumentation zugunsten der Gallier mit heftigsten Angriffen gegen die Franzosen verbindet. Ausgangspunkt ist eine Aussage über die Gefolgschaft des Vercingetorix, die Caesar egentes undperditi nennt. Zum einen geht es dabei um Verarmte oder Arme, das ist der unproblematische Teil. Bei den perditi dagegen - hier käme als Übersetzung,Desperados' in Betracht - kommt Meusel zusammen mit dem Franzosen Jullian zu dem Ergebnis, daß es sich hauptsächlich um Exilierte handelt. Das heißt: Meusel überführt Caesar der Denunziation seiner Kontrahenten, und dies zugunsten der Gallier. Diese Stellungnahme ist alles andere als selbstverständlich, wie nicht zuletzt G. Hornig in einem Lehrerkommentar aus unserem Jahrzehnt lehrt, der Jullian und Meusel einen ,,Beschönigungsversuch" vorwirft (T 10b).18 Doch nach der pro-gallischen Interpretation vollführt Meusel dann eine Art Salto, um die Franzosen doch noch zu treffen: Bei Vercingetorix' Gefolgschaft handelt es sich aber „nur zum kleinen Teil gewiß [um] verkommenes Gesindel und Verbrecher, wie sie in dem jetzigen Kriege aus den Zuchthäusern gegen die deutschen ,Barbaren' losgelassen worden sind" (T 10a). Die folgenden Belege sprechen von einem „Chaiakterfehler", der Gallier und Franzosen verbindet, von „unerhörten Lügen" oder „bewußten Unwahrheiten", von „empörenden Schandtaten". Das Thema ,Aktualität der Antike' wird hier (in T 10c) dann auf die Spitze oder ad absurdum geführt, wenn es heißt, die „empörenden Schandtaten" ereigneten sich „jetzt noch gerade so wie vor 2000 fahren". - Eher am 18 Hornig ist m. E. viel zu sehr gegen eine Richtung der Forschung eingenommen, die Caesar nur eine begrenzte Glaubwürdigkeit zubilligt (zu M. Rambaud, ,La déformation historique chez César' ' 1 9 5 2 , 2 1 9 6 6 s. Gnomon 48, 1976,148 ff.). Hornig ist augenscheinlich beherrscht von einer bemerkenswerten Bewunderung Caesars, primär des Politikers und Militärs, dann des Autors. Dies lehrt besonders deutlich die Einleitung des Vorworts zum I. Band des Lehrerkommentars (Buch I-IV, 1965, S. 5): „Caesar tantus eras quantus et orbis. Dieser Vers umschreibt prägnant Caesars Bedeutung [. . .]er trifft zu auf das Leben eines Genies, wie Caesar es war" - die Berührungen mit Oppermann (T 3) drängen sich auf.
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Rande muß noch auf den Kommentar zu V 29 hingewiesen werden (T 10e), der sich an relativ früher Stelle des II. Bandes findet und noch zurückhaltend zu nennen ist: „Die gloire hat die Köpfe in Frankreich zu allen Zeiten benebelt". Wie diese Stelle lehrt, hat Meusels Engagement, seine Erbitterung oder sein Patriotismus im Laufe der Zeit eine unverkennbare Steigerung erfahren.19 Zu den pro-deutschen Äußerungen, die eher harmlos sind, und zu den anti-französichen Ausfällen kommen dann noch Seitenblicke auf andere Völker. Besonders hart werden die Engländer angegangen, denen in T IIa ein „reiner erbärmlicher Krämerneid" vorgehalten wird, der sie „keinem Volke etwas Gutes gönnen" läßt. Ähnlich hatte es bereits an früherer Stelle geheißen, sie hätten „von schmutzigen Leidenschaften getrieben" „im Weltkriege und oft genug in früheren Zeiten" „ihrer schlechten Sache ein hübsches moralisches Mäntelchen" umgehängt (T IIb). Aber auch die Russen werden getadelt, da ihre Offiziere sich großenteils „hinter den Kämpfenden" aufhielten, also feige und pflichtvergessen handelten (T 1 lc). Und nicht besser ergeht es den Italienern (T lld): „Manche angesehenen Männer in Italien" hätten „schon damals" von Treue und Zuverlässigkeit „recht eigentümliche Begriffe gehabt".20 Nimmt man alle diese und die übrigen Stellen zusammen, dann überrascht es nicht, wenn das Ergebnis für „die Mitglie19 Wenn ich nichts Gewichtiges übersehen habe, ergibt sich diese Verteilung der Anspielungen in den Büchern V-VIII: V. Buch: Gloire (T 10e| VI. Buch: Pro-deutsches |T 9a-c) Eine anti-englische Äußerung (T IIb) VII. Buch: Eine Fülle von Äußerungen VIII. Buch: Eine anti-italienische Äußerung (T lld). Hinzukommen Hinweise von P. Viereck |s. Anm. 23) S. V, Meusel sei „während des Druckes des vorliegenden zweiten Bandes" gestorben, er habe bis zuletzt „mit der großen Gewissenhaftigkeit und Sorgsamkeit [. . .¡den Druck überwacht"; „zudem lag das Manuskript, bis auf den letzten Buchstaben vollendet, schon in der Druckerei [...], so daß mir [Viereck] im wesentlichen nur eine genaue f. . .] Durchsicht der Korrekturbogen blieb". All dies empfiehlt die Vermutung, nahezu alle Stellungnahmen zur Gegenwart seien in letzter Minute hinzugefügt, und zwar als Korrekturzusätze während des Satzes, vereinzelt vielleicht noch als Nachträge im Manuskript. So würde die relative Zurückhaltung in den Büchern V und VI verständlich, wo der Satz Ende 1914 oder Anfang 1915 abgeschlossen sein dürfte, während von Mitte 1915 bis Anfang 1916 das umfangreiche Buch VII (S. 236-447) gesetzt worden wäre. Die vereinzelte Notiz in Buch VIII |T 1 ld) könnte als Nachtrag im Manuskript gedeutet werden. 2 0 Ob der Londoner Vertrag (26. 4. 1915) oder Italiens Kriegserklärung an ÖsterreichUngarn vom 23. 5. 1915 (gegen das Deutsche Reich erst am 26. 8. 1916) als Terminus post quem für T l l d anzusehen ist, muß wohl offenbleiben. Die Formulierung vom „Drei (Vier-) verband" ist frühestens nach dem 26. 4. 1915 möglich.
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der des Drei(Viei-)veibandes" deprimierend ausfällt (T lle): „Dies deutet auf das böse Gewissen, das Schuldbewußtsein, das die Schuldigen zu immer neuen Missetaten fortreißt: das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären".21 Heinrich Meusels Kommentar, dessen wissenschaftliche Qualität wie schon betont - über jeden Zweifel erhaben ist, wandelt sich in seiner Einstellung zur Gegenwart, unter dem Eindruck des Weltkriegs. Kurz vor Kriegsbeginn, im J. 1913, äußert er sich ein einziges Mal zu zeitgenössichem Geschehen, und zwar zur Innenpolitik. Dieses gewichtige, umfängliche Stück (46 Zeilen in zweispaltigem Druck) ist dadurch gekennzeichnet, daß Meusel hier allem Anschein nach auf länger zurückliegende Ereignisse Bezug nimmt und daß ferner die Äußerung nicht als äußerlicher Zusatz anzusprechen ist. 22 An der absolut frühest möglichen Stelle, anläßlich des 22. Worts der Erzählung (I 2,1: civitati), legt er eine grundsätzliche Stellungnahme vor, indem er antike und gegenwärtige Zustände vergleicht. Bei diesem Vergleich schneidet die Gegenwart nicht sonderlich gut ab, und schuld daran sind die Sozialdemokraten und Katholiken. Kurz, es hat Meusel augenscheinlich seit langem gedrängt, sich entschieden gegen diejenigen Gruppen der deutschen Gesellschaft auszusprechen, die weitesten Kreisen des protestantischen Bürgertums seit Bismarcks SozialistenGesetzen und dem Kulturkampf sehr suspekt waren. Im II. Band, einem Zeugnis der Jahre 1915/16, ist demgegenüber die Gegenwart ganz und gar unter dem Eindruck des Weltkriegs gesehen, kaum in den Erläuterungen zum V. und VI. Buch, handgreiflich anläß21
Die Verse aus den Piccolomini (5. Aufzug, 1. Auftritt; Worte des alten Piccolomini, der sich auf Befehl des Kaisers gegen Wallenstein wendet) zielen im Schillerschen Kontext in eine andere Richtung (auch der Redliche muß schuldig werden), d. h. Meusel verwendet das Zitat nur, um seinen Worten Gewicht und Pathos zu verleihen. 22 Während die Ausfälle gegen die Katholiken viel zu allgemein sind, als daß sie Möglichkeiten der Datierimg böten, könnten die Worte gegen die Sozialdemokraten sich auf Parteitagsbeschlüsse von 1908 und 1910 beziehen, die den Abgeordneten in den -süddeutschen - Landtagen die Zustimmung zum Budget untersagten (s. F. Osterroth D. Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie, 1963, 126, 136 f.; eher unwahrscheinlich ist der Verweis auf die - äußerst seltenen - Parteiausschlüsse wie den von Gerhard Hildebrand i. J. 1912, der sich für Kolonien und Schutzzölle ausgesprochen hatte|. Zum Text 8a ist noch anzumerken, daß dieser im Anschluß an das Ausgeschriebene wieder zu den Kelten zurückkehrt: Ganz im Unterschied zu den Anspielungen im II. Band (s. Anm. 19 und 25) ist dies Stück keineswegs ohne weiteres auszusondern. Hornig (s. Anm. 18) zu 12,1 S. 49: „Meusels Interpretation ist zwar abwegig, aber man sollte seine leidenschaftliche Kritik an der eigenen Zeit hier oder bei der Lektüre von VI 13 nicht außer acht lassen, wenn man Caesar mit älteren Schülern liest" (gemeint ist wohl VI 23).
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lieh des VII. Buchs. Den eher zurückhaltenden pro-deutschen Worten stehen extrem aggressive Äußerungen gegen die Franzosen gegenüber, dazu kommen Seitenhiebe auf Engländer, Russen, Italiener und den ,,Drei(Vier-)verband". Daß hier ein „durch und durch deutsch fühlender Mann" spricht (wie es im Vorwort heißt), 23 braucht nicht weiter in Erinnerung gerufen zu werden. Wesentlicher scheint etwas anderes. Es mag zunächst überraschen, wenn ich den Einfluß des Nationalismus gleichsam oberflächlich nenne und als letztlich harmlos einschätze. Zur Begründung kann einerseits auf eine zeitgenössische Parallele verwiesen werden. So hat Woyte bereits 1913 in einer Quellensammlung ausdrücklich „gallischen" und „französischen Nationalcharakter" identifiziert und implizite gesagt, auch die Franzosen ließen sich durch „falsche Gerüchte täuschen und zu Untaten verleiten" (T 16a); diese Ausfälle finden sich in einer der nicht sehr zahlreichen Anmerkungen des kleinen Heftchens. Wie kaum ausführlich belegt zu werden braucht, hatte Meusel im I. Band von 1913 eine Fülle von Gelegenheiten, sich in jenem Sinne zu äußern; ja selbst in der Kommentierung des VI. Buchs während des Weltkriegs enthielt sich Meusel an jener Stelle einer anti-französischen oder pro-deutschen Stellungnahme.24 Erst die Anmerkung zu VII 42, die vermutlich 1916 niedergeschrieben wurde, bietet eine Parallele; Woytes „falschen Gerüchten" und „Untaten" (T 16a) entsprechen Meusels „bloße Gerüchte, [...], unerhörte Lügen" und „empörende Schandtaten" (T 10c)-doch zwischen 1913 und 1916 hat sich einiges zugetragen, das diese parallelen Äußerungen unvergleichbar macht. - Ein zweites Argument liefert die Beobachtung, daß wohl nicht ein einziges Mal ein Wort zum Weltkrieg wirklich eng mit 2 3 P. Viereck im Vorwort des H Bands, S. III: „ Wie sehr wäre es ihm zu wünschen gewesen, daß er die Vollendung dieses seines letzten großen Werkes [. . .]noch erlebt hätte, aber andrerseits muß man doch vielleicht dem Schicksal dafür dankbar sein, daß dem durch und durch deutsch fühlenden Manne erspart geblieben ist, sein liebes Vaterland, an dem er mit allen Fasern seines Lebens, mit unerschütterlicher Treue hing, so furchtbar und so schmählich zusammenbrechen zu sehen". Daß Vierecks Vorstellungen für einen Teil der Zeitgenossen bezeichnend sind, lehrt etwa O. Immisch, ,Das Nachleben der Antike', Das Erbe der Alten N. F. 1, 1919, S. VII zum Tod von O. Crusius, der sich im Dezember 1918 „dem langen Zuge der Toten angeschlossen [hat], die dieses /ahr des Unheils von uns scheiden ließ. Wir betrauern sie und preisen sie zugleich glücklich im Gedanken an alles, was ihnen erspart blieb und bleiben wird". Vierecks Vorwort stammt vom J. 1920, in dem der Druck endlich abgeschlossen werden konnte; so kann Band II auch als Zeugnis für e i n e im J. 1920 vorhandene Strömung gewertet werden. 2 4 Zu VI 20,2, auf das sich Woyte T 16a bezieht, bringt Meusel einerseits ein Zitat von Jullian (s. T 10a), andererseits Stellen, die „die Richtigkeit von Caesars Behauptung" im 7. Kriegsjahr aufzeigen; dabei handelt es sich aber um eine Erklärung des BG mittels anderer BG-Stellen, nicht um anti-gallische oder anti-französische Ausfälle.
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dem Kontext verbunden ist. Dies heißt: Wer den II. Band des Kommentars von zeitgebundenen Anspielungen befreien wollte, brauchte allein die entsprechenden Sätze oder Satzteile zu streichen, ohne im vorangehenden oder im folgenden auch nur ein Wort ändern zu müssen. 25 - Das Entscheidende indes läßt sich nicht in aller Breite und Deutlichkeit erweisen, nämlich das Fehlen von Caesar-Interpretationen, die durch und durch von nationalen oder nationalistischen Voraussetzungen und Gefühlen geprägt oder durchtränkt sind. Daß es derartige Deutungen nicht gibt, ist natürlich positiv nicht aufzuweisen, doch sei ein Charakteristikum der zuvor betrachteten Stellen (T 9-11) in Erinnerung gerufen: Nicht einmal mußte die nationale Haltung mühselig mittels diffiziler Interpretation des Meuselschen Textes erwiesen werden; sie liegt an den entsprechenden Stellen offen zutage. Wer sich im II. Band von den nationalen , Glanzlichtern' nicht blenden läßt, wird eher zu einem ganz anders gearteten Ergebnis kommen. Denn bestimmend scheint in der sachlichen Kommentierung (die hinter der sprachlichen zurücktritt) eine Art Internationalität, die sich am leichtesten in den Zitaten greifen läßt. Hier dominiert neben zwei Werken des Engländers Rice Holmes [,Caesar's Conquest of Gaul', 21911; ,Ancient Britain and the Invasions of Julius Caesar', 1907) der Einfluß des Franzosen Camille Jullian, des Autors der ,Histoiie de la Gaule' und des, Vercingetorix'. Um von der Vielzahl der Zitate hier abzusehen, es findet sich ein ausdrückliches Lob, also ein extrem seltenes Phänomen: „Die äußere Erscheinung des Mannes [. . .] malt derselbe hervorragende Geschichtsforscher mit folgenden Worten" (II S. 245 zu VII 4,1).26 Und so ist es denn auch alles 25 Unabhängig von der These der Korrektur-Nachträge (s. Anm. 19) wirken die meisten Äußerungen zur Gegenwart angehängt an eine bereits vorhandene Bemerkung, so in T lOd „[. . .¡wie in dem jetzigen Weltkrieg" (ähnlich T 10a), in T 9d „ Übrigens haben [. . ,/",T 10c,, Der hier geschilderte Charakterfehler [. . .]" (völlig unverbunden ist T l l e angeschlossen). Es gibt wohl kein Beispiel, wo Meusel nach den Worten über die Gegenwart im selben Stück wieder zu antiken Dingen zurückkehrt. 26 Zu den fünf Kapiteln VII 1-5 bringt Meusel auf ca. zehn Seiten (II S. 240-250) neun )ullian-Zitate (diese Häufigkeit scheint aber nicht unbedingt repräsentativ zu sein). Meist zitiert er Jullian kommentarlos, d. h. er folgt ihm. Wenn dies nicht der Fall ist, werden behutsame Formulierungen verwandt:,,/. . ,] wohl nicht, wie C. Jullian [. . .] meint" (VII4, 5, S. 247); vgl. S. 266 zu VII 11,8. - Ein sehr deutliches Urteil fällt Meusel in Band I, Vorwort S. VI:,,[. . .]auch desselben Verfassers [. . .]Buch Vercingetorix, das sich jeder Lehret, der Caesar im Unterricht zu behandeln hat, anschaffen und studieren sollte" - doch diese Anerkennung ist 1913, nicht 1915, ausgesprochen worden. - Wie Meusel dann, wenn er n i c h t unter dem Eindruck des Weltkriegs steht, über Franzosen urteilt, lehrt S. 247 (zu VII 4,6): „Die Pariser waren allzeit ein erregtes und leicht zu erregendes Völkchen", dies doch wohl ein Urteil, das mancher konservative Franzose hätte teilen können.
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andere als ein Zufall, daß Meusel Caesars Worte über Vercingetorix' Gefolgsleute, egentes und peiditi, als Denunziation erweist, im Anschluß an Jullian (T 10a); diese pro-gallische Deutung hat Meusel später den Tadel eingetragen, man müsse sich „voi solchen Beschönigungsversuchen [. . .] hüten" (T 10b). Nicht weniger bemerkenswert ist schließlich die Kommentierung zu Vercingetorix' eindrucksvoller Schluß-Szene (VII89, 4). Das unerhörte Lob, das diesem Gallier gespendet wird, legt Meusel nun zwar nicht mit seinen eigenen Worten vor, sondern mit denen Mommsens. Doch dies geschieht nicht, um die Verantwortung auf einen anderen abzuwälzen, vielmehr soll das Zitat einer solchen Autorität, wie sie Mommsen besitzt, der Kommentierung ein besonderes Gewicht verleihen. Ruft man sich noch in Erinnerung, daß Vercingetorix als französischer Nationalheld gefeiert wurde (eine Art Pendant zu Arminius/Hermann), so mag während des Weltkrieges in den Augen manch eines Chauvinisten ein derart positives Urteil über Vercingetorix geeignet gewesen sein, die nationale Zuverlässigkeit Mommsens ebenso wie die Meusels in Zweifel zu ziehen.27 Meusels II. Kommentar-Band vermittelt ein unausgeglichenes Bild. Unter der dünnen Schicht nationalistischer Äußerungen, die bar jeden inneren Zusammenhangs mit Caesar-Text und Caesar-Kommentierung auf den Weltkrieg Bezug nehmen, tritt eine Deutung des Gallischen Krieges und des Bellum Gallicum zutage, die die Situation der internationalen Forschung repräsentiert und auf Grund des gewichtigen französischen Einflusses in diesem oder jenem Detail vielleicht gar zu Gallier-freundlich ist. Da Meusel den II. Band bei Kriegsbeginn nahezu abgeschlossen hatte, da er aber auch nicht darauf verzichten wollte, während der ersten beiden Kriegsjahre zu gegenwärtigen Ereignissen Stellung zu nehmen, 2 7 Die obigen Ausführungen basieren auf der Voraussetzung, daß Meusel das Mommsen-Zitat, falls es sein Wunsch gewesen wäre, auch hätte tilgen können, wenn es schon gesetzt war. - Das umfängliche Zitat (40 Zeilen) enthält in seinem ersten Teil negative Bewertungen von Vercingetorix' Gegner, „die antinationale Opposition verletzter Egoisten und aufgestörter Feiglinge, wie sie die entartete Zivilisation regelmäßig begleitet"-, ferner ist die Rede von „einer zerfahrenen und im Partikularismus verkommenen Nation". All dies mindert aber nicht den exzeptionell positiven Charakter des Vercingetorix-Urteils: „Das ganze Altertum kennt keinen ritterlicheren Mann in seinem innersten Wesen wie in seiner äußeren Erscheinung. Es ist nicht möglich, ohne geschichtliche und menschliche Teilnahme von dem edlen Arvernerkönig zu scheiden; aber es gehört zur Signatur der keltischen Nation, daß ihr größter Mann doch nur ein Ritter war" (Mommsen, Rom. Geschichte III, 9. Auflage, S. 291 f. = Meusel S. 445 zu VII 89,4). - Material zum Vercingetorix-Bild bis in das 20. Jahrhundert (Vorbild der Résistance) hat P.-M. Duval in der Einleitung der Neuausgabe von C. Jullian,, Vercingetorix', 1963, zusammengestellt (S. 23ff.), einige Auszüge daraus bei Hornig II S. 265f.
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charakterisiert den Kommentar eine Zwiespältigkeit, die es letztlich unmöglich macht, ihn präzise in die geistige Landschaft jener Jahre einzuordnen. Das Fehlen wirklicher Parallelen 28 läßt es geraten erscheinen, die damalige Stimmung anhand von Äußerungen aus dem Hochschulbereich anzudeuten: Wie in Frankreich und England hat auch in Deutschland eine Fülle von Professoren sich mit national(istisch)en Stellungnahmen hervorgetan. Vor diesem Hintergund nehmen sich Meusels knappe Bemerkungen nicht außergewöhnlich aus. Während sich dort die Enttäuschung und Wut besonders gegen England richtete Walter Sombart stellt in der Schrift .Händler und Helden. Patriotische Besinnungen' (1915) die Engländer als Händler und die Deutschen als Helden par excellence dar - , kann Meusel sich bei der Thematik des Bellum Gallicum nur vereinzelt in dieser Richtung vernehmen lassen; sein Wort vom „erbärmlichen Krämerneid" (T 1 la) spiegelt die allgemein verbreiteten Vorwürfe wider. 29 Größere Schwierigkeiten bereitete es vielerorts, das französische Verhalten zu deuten; und so verwundert es nicht, wenn etwas zurückhaltendere Betrachter zu einer , Zwei-Frankreich-Theorie' greifen, schuldig ist die verantwortungslose Führung', das Volk ist nur irregeleitet'. Falls Meusels knappe Bemerkungen sich für die Frage der, Schuld' auswerten lassen, mögen die Indizien auf eine Entscheidung zugunsten der, Zwei-Frankreich-Theorie' zielen, erhebt er doch Vorwürfe etwa gegen die „verlogensten Zeitungen, [...], Präsidenten, Minister, Generäle" (T 10c, ähnlich lOd). Wenn man sich die Äußerungen deutscher Professoren vor Augen hält, die an Deutlichkeit und Aggressivität nichts zu wünschen lassen, und sich erinnert, daß einem in diesem Zusammenhang die erlauchtesten Namen begegnen - willkürlich seien Max Weber, Fr. Meinecke, P.
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Eine wirkliche Parallele könnte nur ein wissenschaftlicher Kommentar zu einem vergleichbaren Text (in Deutschland: Tacitus' Germania, vielleicht noch Annalen I—III) bieten, der ebenfalls bei Kriegsbeginn fast abgeschlossen war. Interessant wäre es ferner zu wissen, wie etwa seit langem existierende Vorlesungsmanuskripte 1914—16 aktualisiert worden sind. Da es oben |Anm. 19) sich als Möglichkeit ergab, daß das Manuskript zu Buch VIII erst 1915 oder 1916 abgeschlossen wurde, sei noch dies angemerkt: Auf den 85 Seiten finden sich wohl 17 Jullian-Zitate, also eher weniger als sonst. Doch das wird mit der besonders starken Ausrichtung auf sprachlich-stilistische Fragen zu erklären sein, wo Jullian nicht weiterhilft. Das Fehlen eines Jullian-Lobs (wie I S. VI und II S. 425; vgl. Anm. 26) besagt natürlich nichts. 29 Es ist wohl kein Zufall, daß im VI. Buch sich ein böser Ausfall gegen die Engländer findet |T 1 lb, zu VI 8,1), aber allem Anschein nach kein Wort gegen die Franzosen (voran geht allein T lOe zu V 29,4 über die gloire).
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Natorp, A. v. Harnack herausgegriffen-, dürfte das Ergebnis dies sein:30 Daß Meusel sich zum Weltkrieg äußerte, überrascht nicht im geringsten; mit der aggressiven Undifferenziertheit seiner Anwürfe fällt er nicht negativ aus dem Rahmen.31
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Das Material bei Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, 1969, der S. 26 ff. („England gab das Hauptangriffsziel ab") und S. 31 ff. (zur Frankreich-Problematik) die unterschiedlichen Argumente und Vorwürfe zusammenstellt. Neben einigen Althistorikern (Ed. Meyer, f. Kaerst) werden Ed. Schwartz, A. Rehm beiläufig und U. von Wilamowitz-Moellendorff ausführlicher berücksichtigt. Für den Bereich der Philosophie s. H. Lübbe, Politische Philosophie in Deutschland, 1974 (11963), IV. Teil: „Die philosophischen Ideen von 1914" (zu R. Eucken, P. Natorp, W. Sombart, G. Simmel, M. Scheler, E. Troeltsch u. a.). 31 H. Meusel ist am 18. 2. 1844 in Zahna bei Wittenberg geboren und am 12. Juni 1916 gestorben; der, Kürschner'verzeichnet die erste Publikation für das J. 1871 (eine Ausgabe des Pseudo-Callisthenes) - es ist offensichtlich, wie sehr sein Leben mit der Wilhelminischen Zeit verknüpft ist, zumal er in diesen Jahrzehnten im Preußischen Schuldienst avancierte. Der Nachruf im Börsenblatt' (Nr. 136 vom 15. Juni 1916) lautet: „In Berlin ist der frühere Direktor des Kölnischen Gymnasiums Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Meusel im Alter von 72 Jahren gestorben. Er war begeisterter Klass. Philologe und wirkte besonders mit verschiedenen Gleichgesinnten im Sinne der humanistischen Studien. Von seinen Werken ist das bekannteste das im Jahr 1884 zuerst erschienene Caesar-Lexikon".
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IV. KAPITEL
Der Rhein - Deutschlands Grenze? Im Zusammenhang mit dem tiefen Einschnitt, den der erste Weltkrieg mit allen seinen Folgen markiert, gewinnen diejenigen Aussagen Caesars ein besonderes Gewicht, die den Gebieten der Germanen im Allgemeinen und der R h e i n - G r e n z e im Speziellen gelten. Hier nun ist vorauszuschicken, daß Caesars Äußerungen über die von Germanen und Galliern bewohnten Gegenden nicht ganz frei von Widersprüchen sind oder scheinen. Im Vordergrund steht die mehrfach und nachdrücklich verkündete Ansicht, der Rhein scheide beide Gruppen. Die Zahl der Belege macht es wenig sinnvoll, hier eine Auswahl vorzulegen, so daß der Hinweis auf eine mehrfach wiederkehrende Formulierung genügen muß: Geimani, qui tians Rhenum incolunt, heißt es bereits im Eingangs-Kapitel (I 1,4). Neben dieser eindeutigen und leicht nachvollziehbaren Vorstellung gibt es aber zum einen die Erwähnung von linksrheinischen Germanen am Niederrhein, etwa in der Gegend von Köln sowie nördlich von Eifel und Ardennen. Zu diesen einmal Germani cisrhenani Genannten (VI 2,3) wird man - ein wenig großzügig - auch die Atuatuker rechnen dürfen, die nach Caesar von den Cimbern und Teutonen abstammten (II 29,4). Zum anderen sind die Stämme der Triboker, Nemeter und Vangionen zu nennen. Caesar führt zwar diese unter den copiae Germanorum im Heer Ariovists auf; daß diese aber zur Zeit des Gallischen Krieges bereits zwischen dem Elsaß und der Gegend von Mainz lebten, ist dem Bellum Gallicum durchaus nicht ohne weiteres zu entnehmen; vielmehr kann diese Lokalisierung nur in Verbindung mit anderen Quellen als möglich erwiesen werden.32 3 2 Bei dieser Übersicht über das caesarische Material ist ein Bereich ausgelassen. Nach II 4,1 behaupteten Gesandte der Remer, „daß der Großteil der Beiger (plerosquej von den Germanen abstamme und vor langer Zeit (antiquitus) über den Rhein gekommen sei". Nun ist es zwar gut möglich, daß Caesar dies von diesen oder anderen Galliern hörte (zum Kontext s. E. Bickerman, Origines gentium, Classical Philology 47, 1952,65-81, bes. 75 f., der allerdings nur auf BG VI 18 und V12 eingeht), doch ist einerseits die Datierung extrem unscharf (antiquitus, die BG-Parallelen geben nichts aus) und andererseits folglich die Verifizierung durch die Archäologie kaum möglich. Diese Stelle berücksichtigt Koepp (T 12b) mit den Worten, von den Germanen sei ein Teil „vor Jahrhunderten eingewandert"; und er verbindet das wohl mit den Germani cisrhenani sowie - leicht eingeschränkt - mit Nerviern und Treverem.
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Für die Auswertung all dieser Stellen ergeben sich somit drei Wege. Man kann sich für eine der beiden Seiten entscheiden und entweder auf die Rhein-Grenze oder auf die Existenz linksrheinischer Germanen das Gewicht legen. Die dritte Möglichkeit ist die, jene unterschiedlichen Aussagen miteinander zu verbinden: Das Wort von der Rhein-Grenze dient der groben Orientierung, die auch für ein in geographicis wenig informiertes Publikum verständlich ist, die aber die Existenz linksrheinischer Germanen keineswegs ausschließt; es gibt nur eine sichere Ausnahme in Form der Geimani cisrhenani am Niederrhein, hinzu kommen am ehesten noch die Triboker im Elsaß. 33 Wenn ein Autor wie Friedrich Koepp (T 12) über ,Die Römer in Deutschland' handeln will, darf man erwarten, daß er an früher Stelle deutlich macht, was denn in diesem Buch unter „Deutschland" zu verstehen sei. Die Antwort gibt Koepp in zwei verschiedenen Auflagen mit demselben Einleitungs-Satz, der sich an Ernst Moritz Arndts Kriegsschrift von 1813 anlehnt,Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze'-, bei Koepp heißt es also: „,Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze' war schon zur Römerzeit der Rhein." Die Fortsetzung dieser Einleitung nimmt dann aber sehr unterschiedliche Formen an. Im früheren Text (T 12a) folgt eine Einschränkung: „Dreimal zwar stand des römischen Reiches Grenzwacht am Ufer des Stroms", und eine dieser drei Phasen war die „Zeit Casars". Die Ansicht, während des Gallischen Krieges habe der Rhein Germanen und Gallier geschieden, wird deutlich aus der Fortsetzung: „schon zur Zeit des Augustus war die Grenze des Reichs, die der große Cäsar gezogen [...], in Wahrheit nicht mehr die Grenze des Germanenlandes gewesen, wohnten vielmehr Germanen schon auf beiden Ufern des Stroms". Es hat also den Anschein, als akzeptiere Koepp Caesars These von der Rhein-Grenze. Doch wie dem auch sei, unstreitig ist etwas anderes: Die Frage, ob zur Zeit Caesars Germanen links des Rheins lebten, bewegt den Verfasser nicht. Ganz anders die zweite Fassung (T 12b). Jetzt ist „in Casars Tagen" der Rhein zwar die Grenze des römischen Imperiums, aber ei „galt" nur als Grenze Galliens. Die mit dem einen Wort „galt" angedeuteten 33 Triboker, Nemeter, Vangionen erscheinen gemeinsam mit anderen 151,4. Die Triboker werden zudem IV 10,3 (m. E. zu unrecht verdächtigt, Anlehnung an Poseidonios bei Strabo 4, 3, 4), die Nemeter VI 25,2 (nicht von Caesar, d. h. aus späterer Zeit; IV 10,3 Nemetum nur varia lectio für richtiges Nantuatium) genannt, die Vangionen überhaupt nicht mehr. Die Triboker werden also im 1. Drittel des Jhs. schon im Elsaß gelebt haben; d. h. aber doch wohl: vor Ariovist; die damaligen Wohnsitze der Nemeter und Vangionen sind unbekannt.
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Zweifel führt Koepp dann aus mit der korrespondierenden These: „Aber auf seinem linken Ufer saßen schon damals Germanen". Diese Ansicht wird nun untermauert durch eine Aufzählung, die wörtlich wiederzugeben zu weit führen würde. Hier erscheinen zuerst aus dem Kreis von Ariovists Truppen die Triboker, Nemeter, Vangionen zwischen Elsaß und Rheinhessen, es folgen dann am Niederrhein „all die kleinen Stämme", also die Germani cisrhenani. Koepp fügt schließlich noch die Nervier (in West-Belgien) und die Treverer (im Moseltal) hinzu; von ihnen wird zwar nur überliefert, sie hätten sich germanischer Herkunft gerühmt, doch unser Autor ist zuversichtlich, „wahischeinlich" gehörten sie hierher, mögen sie inzwischen auch „der gallischen Kultur mehr oder weniger verfallen" gewesen sein. Mit dieser Erwähnung von Nerviern und Treverem kommt in den caesarischen Kontext allerdings ein Fremdkörper, liegt hier doch eine Notiz aus Tacitus' Germania zugrunde (28,4), die der Interpretation größte Schwierigkeiten bereitet (circa adfectationem Germanicae originis).3* Denselben Ausgangstext, eben das Bellum Gallicum, hat Koepp an den entsprechenden Stellen ganz unterschiedlich ausgewertet; zuerst wird gegen die These von der Rhein-Grenze zumindest kein Widerspruch eingelegt, dann aber sammelt der Autor all das Material, das für die Existenz linksrheinischer Germanen auch schon zur Zeit Caesars spricht oder zu sprechen scheint. Diesen Umschwung auf die Entwicklung der politischen Lage zurückzuführen, liegt nahe. Doch man braucht sich hier nicht auf unsichere Hypothesen zurückzuziehen, der Verfasser läßt es in beiden Auflagen an Deutlichkeit nicht fehlen. Im einen Fall (T 12c) zeigt er sich zufrieden, erstreckt sich Deutschland doch jetzt ,,bis hoch hinauf ins Moseltal und bis zu den Bergen der Vogesen", dazu gehören also Lothringen und das Elsaß. Bei dieser Zufriedenheit mit den derzeitigen Zuständen, d. h. mit dem wilhelminischen Deutschen Reich i. J. 1912, überrascht es nicht, wenn ihn Caesars Worte über die Rhein-Grenze nicht weiter beschäftigen. 3 4 1912 hatte Koepp vorsichtiger formuliert: „Wenn freilich Treverer und Nervier [. . .] sich ihres germanischen Blutes rühmten, so hat die Wissenschaft ihre Verwandtschaft mit den Germanen des anderen Ufers nicht immer gelten lassen wollen" (anschließend über,,Sueben des Ariovist" „im jetzigen Elsaß und in der Pfalz", d. h. ohne Namensnennung). Damals, 1912, wollte der Autor sich also nicht festlegen. Die nunmehr 1926 geänderte Haltung ist kaum durch neue Forschungsergebnisse bedingt; zumindest hatte in der wichtigsten Publikation E. Norden (,Die germanische Urgeschichte in Tacitus' Germania', '1920, 3 1923, S. 374 von Koepp S. 3 ; 68; 183 zitiert) bei Tacitus eine „sarkastische Ausdrucksweise" und damit Zweifel an der Berechtigung jenes Anspruchs festgestellt; für Norden ergibt sich „eine auf ihre Stärke nicht nachprüfbare Mischung mit germanischem Blut".
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Die Zeit der späteren Auflage ist für Koepp geprägt durch den Versailler Frieden (T 12d): „ Unser Deutschland' ist nicht das des sogenannten Friedens von Versailles, der kein Friede ist, noch jemals sein wird." Deutschland reicht für ihn vielmehr „soweit die deutsche Zunge klingt", wie er mit einem ausdrücklichen Zitat aus E. M. Arndts Gedicht , Was ist des Deutschen Vaterland' versichert. So will er auf keinen Fall darauf verzichten, auch von den Römern in Elsaß-Lothringen zu handeln, also die jetzige französische Grenze nicht respektieren: „Noch weniger kann es [dies Buch] sich verpflichtet fühlen, vor den blauweißroten [Grenzpfählen], wo sie heute stehen, haltzumachen." Die Aufzählung der linksrheinischen Germanen, die Koepp i. J. 1926 unter dem Eindruck von Versailles formuliert, stellt sich in eine Reihe mit der Argumentation Ernst Moritz Arndts; jener hatte seinerzeit auf die linksrheinischen Deutschen geblickt, „die unter römischer Tyrannei germanisch blieben, weil ihre Herzen das Fremde verabscheuten, die sollen endlich beinahe 2000 Jahre nach Julius Caesar doch eine Art Römlinge, sie sollen Franzosen werden! Die Enkel der Trevirer, Nervier, Aduatiker, Eburonen, Sigambern und Franken sollen Knechte der Fremden werden [. . .]{" Natürlich legt ein populärwissenschaftliches Werk einen anderen Stil nahe als eine politische Schrift, selbstverständlich erfolgt die historische Beschreibung hier differenzierter - Koepp muß also etwa die Franken beiseite lassen; aber das Ziel seiner Argumentation ist dasselbe wie das Arndts, der 1813 kurz nach der Leipziger Völkerschlacht geschrieben hatte. 35 Im wilhelminischen Deutschen Reich, 1912, hatten Caesars Worte über die Rhein-Grenze nicht beunruhigt; nach dem Weltkrieg aber, als nun im Süden der Rhein tatsächlich zur Grenze Deutschlands geworden war, werden alle nur möglichen Indizien zusammengetragen, um 35 Vgl. das umfangreiche Material bei J. und I. Grolle, Der Hort im Rhein, in: E. Schulin (Hrgb.), Gedenkschrift M. Göhring, Wiesbaden 1968, 214-238 (S. 291 zu E. M. Arndt, Ausgewählte Werke, Band 13, o. J., S. 179); vgl. F. Wolters-W. Elze,,Stimmen des Rheins. Ein Lesebuch für die Deutschen', 1923, 320 S. (2 Ariovist-, 6 Caesar-Erwähnungen,- die Triboker erscheinen nicht; daß Arndt eine zentrale Rolle zufällt, ist selbstverständlich). T 12d von 1926 zitiert mit dem Wort „so weit die deutsche Zunge klingt" E. M. Arndts Gedicht ,Des Deutschen Vaterland' (,,[. . .JWas ist des Deutschen Vaterland! So nenne endlich mir das Land! So weit die deutsche Zunge klingt und Gott zur Ehre Lieder singt, das soll es seyn! Das, wackrer Deutscher, nenne dein! [. . .]Das ist des Deutschen Vaterland, wo Zorn vertilgt den welschen Tand, wo jeder Franzmann heißet Feind, wo jeder Deutsche heißet Freund - Das soll es seyn! Das ganze Deutschland soll es seyn! [. . .]"). Es spricht allerdings wohl alles dafür, daß die Wendung „so weit die deutsche Zunge klingt" losgelöst vom Kontext tradiert wurde und ein solches Zitat keine Ubereinstimmung mit allen Thesen Arndts impliziert - ähnlich wie Meusel (s. oben Anm. 21) das Piccolomini-Zitat abweichend vom Original verwandt hatte.
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deutsche Ansprüche auf das linke Rhein-Ufer zu untermauern. Bei der Bewertung dieses handgreiflichen Umschwungs ist zudem noch zu bedenken, daß diese Auflage 1926 erschienen ist, als die spontane Reaktion abgeklungen gewesen sein müßte, und daß der Autor, Friedrich Koepp, ein angesehener Fachwissenschaftler und keineswegs ein politischer Publizist gewesen ist. Uber dieser deutlich veränderten Caesar-Auswertung sei der politisch-publizistische Kontext nicht außer Acht gelassen. Dabei scheinen weniger wichtig die französischen Stimmen, die sehr dezidierte Ansprüche auf das linksrheinische Gebiet formulierten.36 Bedeutsamer ist es, daß es eine Fülle von chauvinistischen Äußerungen im Zusammenhang mit den Komplexen Rheinland und Elsaß-Lothringen gegeben hat, von denen zweifellos auch viele mit Material des Bellum Gallicum arbeiteten. (Dies zu belegen, würde zu weit führen.) Vor einem solchen Hintergrund erweist sich Koepps Vorgehen noch als zurückhaltend, und seine Warnung vom Ende dieser Auflage verdient es, nicht als Lippenbekenntnis abgewertet, sondern ernstgenommen zu werden: „Möge man [. . .]sich den Blick nicht trüben lassen duich jenen Rationalismus', den heute so viele mit Vaterlandsliebe verwechseln, und der dem Geschichtsforscher ein schlechter Berater ist. f . . .J Es liegt ohne Zweifel eine Gefahr darin, wenn man ,die deutsche Vorgeschichte eine hervorragend nationale Wissenschaft' nennt" (S. 179).37 Aus der folgenden Zeit seien nur noch einige wenige Stellungnahmen vorgelegt, die sich von der Position Koepps aufs deutlichste unterschei-
36 Bei Grolle 233 f. wird (neben Victor Hugo, 1842: „Frankreich muß den Rhein wiederhaben") vor allem auf Maurice Barrés verwiesen (1919:,,[. . ./ein Schatz liegt in den Fluten des Rheins vergraben. [. . ,]Wir aber glauben eher, es sei der Schatz Caesars und der Legionen"), auf den Emst Bertram,,Rheingenius und Génie du Rhin', 1922, antwortete. 3 7 Die Fortsetzung des Zitats (ebenfalls S. 179) irritiert dann allerdings durch ihre Einseitigkeit: ,,Französische Forscher, die sich durch die entsprechende [nationalistische] Auffassung um ihren wissenschaftlichen Ruf gebracht haben, sollen uns ein abschrekkendes Beispiel sein". Grundsätzlich zu historisch begründeten Gebietsanforderungen S. 180f.: „Die Franzosen beanspruchen das Rheinland, weil da einst Kelten gesessen. Das soll nicht bestritten werden; der Name des Stromes selber würde sonst gegen uns zeugen. Aber keine Nation kann vernünftigerweise Besitzansprüche der Gegenwart herleiten aus einer Zeit, in der sie selbst noch gar nicht bestanden hat, und nichts ist gewisser, als daß in der Zeit, als das heutige Frankreich sich bildete, in dem streitigen Gebiet das deutsche Wesen, die deutsche Sprache vor allem, geherrscht hat. Wo das nicht der Fall war, dahin gehen auch unsere Ansprüche nicht, mag auch der Menschenschlag bis auf den heutigen Tag den starken germanischen Einschlag verraten".
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den. 38 Hier nun liegt es sehr nahe, einmal die Beschränkung auf deutschsprachige Äußerungen aufzugeben und eine französische Geschichte des Elsaß heranzuziehen, zudem eine, die in mehreren Fassungen erschienen ist. Die kleine Schrift von Fernand L ' H u i l l i e r aus der Reihe, Que sais-jeV mit dem Titel .Histoire de L'Alsace' (T 13a-d) zeichnet sich dadurch aus, daß der Verfasser in der Eingangspartie die keltischen bzw. gallischen Ursprünge stark herausarbeitet; dies gilt für alle vier Auflagen, die zwischen 1947 und 1974 erschienen sind, es gilt allerdings in unterschiedlichem Maße. Alle vier Auflagen verbindet ferner das Gewicht, das sie der Rolle der gallischen Mediomatriker zuweisen (und stets wird dabei auf die Gründung von Brocomagus/Brumath verwiesen). Schließlich insistiert der Verfasser von 1947 bis 1974 unverändert auf dem Begriff der „civilisation gallo - romaine" - dies mit vollem Recht, während man die Bedeutung der Mediomatriker für das Elsaß (nicht: die der Gallier) in Frage stellen könnte. 39 Den ersten drei Auflagen (1947-1965) ist dann noch dies gemeinsam, daß sich der Autor unverändert gegen deutsche Ansprüche wendet; trotz gegenteiliger deutscher Thesen solle man das Gewicht der gallischen Vergangenheit nicht bestreiten (T 13a-c: „Malgré les thèses allemandes [. . .] l'importance du passé gaulois de l'Alsace ne saurait être contestée"). Auf diese Zurückweisung deutscher Ansprüche, die ihm 1947, 1955 und auchnoch 1965 wesentlich erschien, hat L'Huillier 1974 im Rahmen einer tiefergreifenden Umarbeitung verzichtet. Die nicht geringen Unterschiede der vier Auflagen, die sich hier schon andeuten, scheinen mir das eigentlich Interessante, so daß es auf sie näher einzugehen lohnt. Nur am Rande ist dabei die Verbindung von 38
Eine vermittelnde Position („das südwestdeutsche Wesen" zwischen der gefährlichen ,, .völkischen' Lehre" und dem „Franzosentum") bei Erich Tross, ,Dei deutsche Rhein'. Frankfurt/M. 1925 (S. 14 zu Ariovist, Caesar und Elsaß). - Miltner (T 17d) sieht Ariovists dauerhafte Leistung darin, daß,, damals [. . .] das Elsaß zum deutschen Land geworden" ist (S. 14). 39 Die literarische und die inschriftliche Uberlieferung kennen eine civitas Mediomatricorum, und zwar im Umkreis von Metz ; was Strabon 4, 3, 4 nach Poseidonios über die Mediomatriker am Rhein sagt, ist mit einer Fülle von Problemen behaftet (wie zuverlässig ist Strabons Referat, wie gut war Poseidonios unterrichtet?). Wer die gallischen Bewohner des Elsaß - deren Existenz natürlich nicht in Zweifel gezogen werden soll - mit den Mediomatrikern identifiziert, legt nicht mehr als eine Hypothese vor, die als solche gekennzeichnet werden sollte. Brocomagus/Brumath, das L'Huillier mit den Mediomatrikem in allen vier Auflagen verbindet (der gallische Name ist unstrittig), erscheint in der modernen Literatur als Hauptort der Triboker (die L'Huillier in der vierten Auflage ausspart). - Wer will, mag die unterschiedliche Argumentation von Koepp (s. Anm. 37: „das deutsche Wesen, die deutsche Sprache", aber nicht so sehr der „starke germanische Einschlag") und L'Huillier (T 13a: „aucun vestige de civilisation", T 13 b-d: „la civilisation gallo-romaine") für mehr als zufällig halten.
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Argentorate (Straßburg) mit den Mediomatrikern zu notieren, die allein in der dritten Auflage (1965; T 13c) begründet wird, gar mit einer der seltenen Anmerkungen; wiederum setzt der Verfasser gallisch und mediomatrikisch gleich. Ein zweiter Punkt betrifft den Komplex , Caesar und Ariovist': Daß sich Ariovist (von den gallischen Sequanern gerufen) eine Zeitlang im Elsaß aufgehalten hat, ist bekanntlich unstrittig. Ariovist nun begegnet bei L'Huillier in den ersten drei Auflagen nicht (1947-1965), Caesar allein in der ersten, allerdings in einer extrem kurzen Andeutung, in dem Wort über den römischen Einfluß „nach Caesar" (S. 6: „On sait l'apport romain, après César"). Hier spielt der Autor auf den Gallischen Krieg an, doch in einer Weise, daß sich dabei nur ein ausgesprochen gut unterrichteter Leser an die Schlacht erinnert fühlen dürfte, die Caesar und Ariovist im Elsaß ausgetragen haben. Angesichts der bloßen Datierung „nach Caesar" in der ersten Auflage und des Schweigens in der zweiten und dritten ist man dann doch wohl überrascht, in der Auflage von 1974 vom Kampf Caesars und Ariovists zu hören, genauer: von Caesar, dem Sieger über „die suebischen und germanischen Eindringlinge Ariovists" (T 13d: „Vainqueur [. . .] des envahisseurs suèves et germains d'Arioviste"). Wie kaum breiter ausgeführt zu werden braucht, ist diese Wertung doch recht unfreundlich und steht - direkt oder mittelbar-unter dem Einfluß des Bellum Gallicum, vielleicht gar der dortigen Diviciacus-Rede (BG I 31; s. Kapitel V). Die plötzliche Hinwendung zum Ariovist-Komplex, die in der vierten Auflage vollzogen wird, wird - wie mir scheint - erst richtig verständlich, wenn man einen weiteren gravierenden Unterschied beachtet, bei der Behandlung der Triboker. In den ersten drei Auflagen (1947-1965) hatte sich L'Huillier ausdrücklich gegen deutsche Thesen gewandt, und in jeder dieser Auflagen werden dann die Triboker erwähnt. Dies heißt: Der Verfasser setzt sich mit der Ansicht auseinander, daß seit Caesars Zeiten Germanen - eben die Triboker - im Elsaß lebten und deshalb - so die auch bei Koepp (1926; T 12b) durchschimmernde Argumentation - das Elsaß deutsch sei. In der ersten Auflage akzeptiert L'Huillier die Triboker zwar als Germanen (leicht einschränkend T 13a: „des éléments germaniques infiltrés [. . Jvers le nord"), betont aber, sie hätten keine zivilisatorischen Spuren hinterlassen (T 13a: „aucun vestige de civilisation"): Da die Triboker unter dem Einfluß der gallischen oder gallo-römischen Zivilisation ihre Identität aufgegeben haben, können sich - so der Autor deutsche Ansprüche nicht auf die Triboker-Einwanderung stützen. - In 38
der zweiten Auflage aber (1955) stellt sich die Lage vollständig anders dar. fetzt räumt der Verfasser noch ein, die famosen Triboker würden üblicherweise als Germanen angesehen (T 13b: „Les fameux Triboques, traditionellement présentés comme les premiers éléments germaniques infiltrés dans le nord"), in Wirklichkeit aber dürften sie Kelten-nicht: Gallier-gewesen sein (T 13b:,, Les fameux Triboques [. . .] seraient des Celtes")-, eine gewisse Behutsamkeit in der Formulierung ist unverkennbar. Die „deutschen Thesen" wären damit hinfällig. Die dritte Auflage (1965), die die Verbindung Straßburgs mit den gallischen Mediomatrikern neu herausarbeitet, behält die Zurückweisung der deutschen Thesen ebenso bei wie die Einstufung der Triboker als Kelten (T 13c) - um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß die neue, wenig überzeugende Zuordnung der Triboker offensichtlich nicht von L'Huillier stammt, daß er diese Ansicht vielmehr übernommen hat, gewiß nicht widerstrebend.40 Während die zweite und dritte Auflage (jeweils „revue et corrigée" genannt) in der Eingangspartie eher geringe Modifikationen des ursprünglichen Texts bieten, hat sich der Autor bei der vierten Auflage („mise à jour") im J. 1974 für eine tiefergreifende Überarbeitung entschieden, nicht zuletzt bei den einleitenden Sätzen. So entfiel der Hinweis auf das ,mediomatrikische Straßburg', ferner die ausdrückliche Abwehr deutscher Thesen und damit dann der Satz über die Triboker. Dafür aber kommt nun der bereits besprochene Passus über Caesar und Ariovist hinzu. Die Geschichte des Elsaß, soweit sie als Haupttext in der normalen Type gesetzt ist, beginnt im J. 58 v. Chr. mit dem Sieg der Römer um Caesar über die Germanen Ariovists (T 13d). Die Unterschiede der ersten und der vierten Auflage lassen sich zu einem Gutteil auf die Erscheinungsdaten zurückführen. Der Anfang 1947 erschienene Text ist unter dem Eindruck des soeben beendeten 4 0 Die Triboker werden nicht nur von Caesar und Poseidonios-Strabon (o. Anm. 33) ausdrücklich zu den Germanen gerechnet, sondern auch von Plinius (n. h. 4,106) und Tacitus (Germ. 28,4); eine bessere literarische Bezeugung ist kaum möglich. So ist es m. E. das Zeichen eines übergroßen, extremen Mißtrauens gegenüber der literarischen Uberlieferung, nicht nur gegenüber Caesars Bellum Gallicum, wenn die Triboker oder Ariovist zu Kelten gemacht werden, so von M. Rambaud [,A propos d'Arioviste et des Germains', Revue des études anc. 1959, 121-133;,L'art de la déformation historique . . .', 2. Aufl. 1966, S. 418: „rien n'a jamais prouvé ni qu'il était suève, ni qu'il venait de loin. C'était probablement un celte delà rive droite du Rhin";,César', Que sais-je? No. 1049, 4. Aufl. 1967, S. 24: „les Helvètes, pressés par les Celtes de la future Germanie", S. 26: „pourtant Arioviste n'était pas un Suève, mais probablement un Celte, roitelet transrhénan qui cherchait des fiefs sur la rive gauche") und J. Hatt,,Histoire de la Gaule romaine', 1959 (zu Ariovists Truppen S. 49f.: „une confédération suève groupant [. . ,]des Germains du Nord, et des Celto-Germains du Sud et de l'Est").
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Weltkriegs verfaßt, der gerade auch das Schicksal des Elsaß tiefgreifend beeinflußt hatte [,Le cauchemai' nennt L'Huillier das entsprechende Kapitel). Von welchen ,Argumenten' die verschiedenen Versuche der , Germanisation' im einzelnen auch begleitet gewesen sein mögen, es ist einfach unvorstellbar, daß dabei nicht auch den Tribokem eine gewisse Rolle zugefallen ist: Ähnlich wie bei Koepp (1926; T 12) können auch hier die qualitativ sehr unterschiedlichen Stellungnahmen nicht vorgelegt werden, die L'Huillier bei seiner Reaktion vor Augen gehabt haben mag (verwiesen sei allerdings auf T 17e von Wentzcke aus dem J. 1941). Angesichts des Kontexts, in dem gerade auch von 1940 an mit den germanischen Tribokern argumentiert worden ist, hätte es gewiß überrascht, wenn der Autor - etwa 1946 - sich gegen „les theses allemandes" nicht gewandt, wenn er das Argument der germanischen Herkunft nicht damit beantwortet hätte, daß die Triboker in der gallischen bzw. gallo-römischen Zivilisation aufgegangen seien. Spätestens 1974 ist die Notwendigkeit einer derartigen Reaktion entfallen, nunmehr fehlt die Wendung gegen die deutschen Thesen (zugleich auch jede Erwähnung der Triboker) - ein Reflex der politischen Entwicklung West-Europas. Es bleiben allerdings Eigentümlichkeiten. So erscheinen 1955 und 1965 die Triboker als Kelten; in der neuesten Auflage (die noch 1979 verkauft wurde) fehlt jeder Hinweis auf die Triboker, die für mehrere Jahrhunderte einer im Elsaß gelegenen civitas den Namen gegeben haben,- dort wird andererseits, gleichsam als Ersatz, eine Notiz über die letztlich folgenlose Ariovist-Episode eingerückt. Das heißt: Jener Satz der ersten Auflage, der die Triboker im Spannungsfeld zwischen germanischer Herkunft und gallischer bzw. gallo-römischer Zivilisation zeigt, erscheint als angemessener denn sein Pendant von 1974, wo es um Ariovist geht. Diese weniger überzeugenden Modifikationen beruhen zweifellos darauf, daß L'Huilliers Interessen vor allem der Neuzeit gelten (beginnend wohl mit Napoleon I.) und er mit der Problematik der Antike weniger vertraut ist - diesen oder ähnlichen Schwierigkeiten sieht sich jeder Autor gegenüber, der einen großen Zeitraum behandelt und nicht überall in demselben Maße kompetent sein kann.41 Bei einer gewissen Abstraktion läßt sich das Vorgehen von Koepp (1926 ) und L'Huillier (1947-1965) vergleichen. Unter dem Eindruck ei4 1 L'Huillier's Arbeiten (soweit sie in dem Bändchen verzeichnet sind: „Du même auteur") setzen ein mit,Recherches sur l'Alsace napoléonienne' -, ein Titel wie .Dialogues franco-allemands, 1925-1932' (Straßburg 1970) und das Schlußkapitel dieses Bändchens (S. 122-124) lassen keine betont nationale oder nationalistische Ausrichtung in unserem
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nes Weltkriegs, dessen Bedeutung gerade auch für das Schicksal des Elsaß kaum zu überschätzen ist, werten sie beide das Bellum Gallicum und andere antike Zeugnisse zugunsten ihrer Seite aus, in einer nicht ganz unproblematischen Weise, ohne dabei doch die extremen Möglichkeiten zu repräsentieren. Eine bemerkenswerte Variante bietet Karl Kautsky in der kurzen Streitschrift ,Elsaß-Lothringen', deren dritte Auflage im November 1917 abgeschlossen war, jedoch erst nach Kriegsende 1919 erschienen ist (T 13e). Nach Kautsky hatten „germanische Stämme unter Ariovist [. . .] das Elsaß erobert"-, es kommt also zu einer „germanischen Fremdherrschaft" - eine gewisse Nähe zu L'Huilliers„envaMsseurs suéves et germains d'Arioviste" (T 13d, s. T 24b) ist ebenso wenig zu verkennen wie der Abstand von den Ansichten Koepps (T 12). Andererseits verbindet Kautsky mit sehr vielen deutschen Autoren der Umstand, daß er auf dem ausbleibenden Vorteil der freiheitsliebenden Gallier insistiert, die die germanische Fremdherrschaft,loswerden', „um dafür die römische einzutauschen" (T 13d): Auf der französischen Seite stellt man - im Blick auf die gesamte nachchristliche Antike - in der Regel das ,gallo-römische Element' heraus, so daß den Römern nicht mit diesem Nachdruck eine „Fremdherrschaft" nachgesagt wird, Gallien nicht einfach als „römischer Besitz" (T 13e) erscheint. - Wie Kautsky sich in seiner Schrift nachdrücklich von den unreflektierten Einseitigkeiten distanziert, die spätestens seit Kriegsausbruch bei beiden Parteien absolut dominierten, so wählt er auch dort, wo gleich beim „frühesten Auftreten in der Geschichte" das Elsaß als „vielumstrittenes Gebiet" erscheint, eine Position, die ganz und gar aus dem üblichen Rahmen fällt. 42 Vollkommen andere Wege, für die es in der vorangehenden Zeit keine Parallele gibt, wählen die drei Autoren H a c h m a n n - Kossack Kuhn (T 14a). Diese Forscher wollen mit Argumenten, die aus der Geschichts-, Vorgeschichts- und Sprachforschung kommen, die Alternative ,Germanen oder Gallier/Kelten' als unangemessene Vereinfachung und zugleich die Existenz einer dritten Gruppe erweisen. Doch Jahrzehnt erkennen. - Zur elsässischen Situation in der zweiten Hälfte der 40er Jahre S. 121: „Le 20 mars [1945], il n'y a plus un Allemand libre en Alsace. Le cauchemai est enfin dissipé - ce qui n'exclueia pas des séquelles doulouieuses - une ,épuiation' difficile, inégale, injuste, qui tiaine une giäce en 1947, une amnistié en 1951, le rísque d'un rebondissement taidif et dangereux, avec le procés d'Oradoui en 1953". 4 2 Das erste der sechzehn Kapitel heißt, Das Elsaß im frühen Mittelalter' (S. 5-9; bis zur Habsburger Zeit), und dort begegnet unser Ariovist-Passus. Dies heißt, daß der Antike ein minimaler Raum zugestanden wird. Für Kautsky beginnt also die elsässische Problematik frühestens mit der großen Völkerwanderung bzw. mit den Alemannen.
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diese neue Gruppe läßt sich nicht wirklich positiv bestimmen, und daraus erklärt sich auch die eher unscharfe Benennung im Titel des Buchs: , Völker zwischen Germanen und Kelten'. Gelegentlich wird auch vom „Nordwestblock" gesprochen, dessen Gebiet ungefähr durch Oise, Mosel und Main sowie Weser und Aller begrenzt wird (mit dem Begriff ,nördliches Westdeutschland', den der Untertitel nennt, ist der Raum nicht ganz abgedeckt). Die Aufgabe,,Schriftquellen, Bodenfunde und Namengut' (so der Untertitel) in einer Weise zu interpretieren, daß ein möglichst kohärentes, in sich stimmiges Bild entsteht, deutet m. E. nur eine scheinbare Gleichberechtigung der drei Quellen-Arten an; de facto behandeln zwei der drei Forscher primär das archäologische Material, Hans Kuhn hingegen „das Zeugnis der Namen" (Überschrift seines Beitrags). Dies soll nicht heißen, daß die schriftliche Uberlieferung der Antike nicht berücksichtigt würde.43 Da die Bodenfunde gleichsam direkt zum Interpreten sprechen und all die Unsicherheitsfaktoren, die mit jeder schriftlichen Uberlieferung zwangsläufig verbunden sind, ausscheiden, ist es begreiflich, daß den Ergebnissen der Vorgeschichtsforschung das entscheidende Gewicht zugebilligt wird. Doch werden diese den literarischen Zeugnissen nicht einfach gegenübergestellt, es erfolgt vielmehr eine Art Annäherung: Es „ergibt sich für den vorliegenden Fall doch eine unmittelbare Berührung" (S. 55). Dies geschieht mittels einer Abwertung der literarischen Zeugnisse, die ja nur Germanen und Gallier-Kelten, nicht aber die dritte Gruppe oder den „Nordwestblock" kennen. In diesem Zusammenhang wird begreiflicherweise das Bellum Gallicum immer wieder herangezogen und manches gegen den Wert seiner Nachrichten vorgebracht - hätte Caesar recht, könnte es die, Völker zwischen Germanen und Kelten' nicht gegeben haben.44 4 3 Die Beiträge der Prähistoriker Hachmann (9-68) und Kossack (69-104) sind beträchtlich ausführlicher als der Kuhns über die Namen (105-128; ,Die Kelten. Die Germanen. Die dritte Volksgruppe'). Die literarische Überlieferung bespricht Hachmann: (d) - (e): ,Antike Nachrichten zur Gliederung der Bevölkerungsgruppen beiderseits des Rheins. Schriftliche Zeugnisse und archäologischer Befund' (43 ff. 55 ff. 68); voraus gehen (a) - (c): ,Stand der Forschung. Kossinna und seine Stellung in der Geschichte der Forschung. Der archäologische Sachverhalt'. 4 4 Aus philologischer Sicht fällt an Hachmanns Argumentation zweierlei auf. Zum einen geht er von der jahrweisen Entstehung des Bellum Gallicum aus (Caesar sprach von der Rhein-Grenze, „ehe et sich selbst aus eigener Anschauung ein objektives Bild von den ethnischen Verhältnissen am Rhein hatte machen können"-, 45), diese Ansicht konnte sich in den 50er Jahren zwar noch auf Barwick stützen, wird inzwischen aber wohl kaum noch einen Vertreter finden. Zum anderen wird - zum Teil mit dem ersten Punkt verknüpft - Caesars Glaubwürdigkeit gering veranschlagt, wohl nicht zuletzt unter dem Einfluß Walsers (s. unten T 21); die Kritik H. Oppermanns im Gymnasium, 68, 1961, wird S. 45, 67 zitiert.
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Die skizzierte neue Deutung, 1961 vorgetragen und 1962 veröffentlicht, führt eine dritte Gruppe zwischen Germanen und Kelten ein zu einer Zeit, während der der Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland, nicht zuletzt auf dem politischen Gebiet, abgebaut wurde - ob die Lage der prähistorischen Forschung, blickt man allein auf die Auswertung der Bodenfunde, gerade um 1960 eine solche Theorie nahelegte, kann ich nicht entscheiden. Wenn nun auch eine politische Entwicklung und das Entstehen einer wissenschaftlichen Theorie keineswegs in einen direkten, unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden sollen, so fällt es doch schwer, sich vorzustellen, diese These hätte im Umkreis des Ersten Weltkriegs, des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs aufkommen können; am ehesten wäre noch die Atmosphäre am Ende der zwanziger Jahre in Erwägung zu ziehen. Doch ein Forscher, der um 1930 die Bedeutung nicht nur des Keltischen, sondern auch des Germanischen reduziert hätte, wäre unter den deutschsprachigen Forschern zweifellos ein Außenseiter geblieben: Wo sich schon ein Autor wie Koepp 1926 distanzieren muß von „jenem .Nationalismus', den heute so viele mit Vaterlandsliebe verwechseln, und der dem Geschichtsforscher ein schlechter Berater ist" (S. 179), drängt sich die Vermutung auf, die These von der,dritten Gruppe' wäre weithin auf heftigsten Widerstand gestoßen.45 Ganz im Gegensatz dazu hat die Theorie der, Völker zwischen Germanen und Kelten' in den sechziger Jahren keine ,nationalen Bedenken' hervorgerufen; allerdings sei nicht verschwiegen, daß sich Konrad Kraft in seiner sorgfältigen Besprechung die Frage aufdrängt, ob nicht diese Alternative (Germanen oder Kelten) „am Anfang ihrer Lösungsversuche stand in der Gestalt des verführerischen Wunsches, ein 46 lästiges Dilemma aus der Welt zu schaffen" (T 14b). Es könnten 4 5 Erwähnung verdienen hier die Versuche von F. Feist (u. a. in:,Germanen und Kelten in der antiken Überlieferung', 1927, Nachdruck 1948), die Stämme zwischen Rhein und Elbe als Kelten zu erweisen (ähnliche Arbeiten von 1927 bis 1933 bei Walser, s. T 21, S. 90f.). Darauf erfolgte heftiger Widerspruch, „der freilich vielfach von unsachlichen Argumenten nicht frei ist" (Walser 91; mit Verweis auf die „unangenehme Polemik von Much", in: Zeitschrift für deutsches Altertum 65, 1928, 1 ff.; von einer „Keltomanie" spricht in einem ähnlichen Zusammenhang Ludw. Schmidt, ,Die Westgermanen', 2 1938=1970, S. 131,2). Natürlich ist nicht zu übersehen, daß dieses Vorgehen sich nicht nur,gegen die Germanen', sondern zugleich auch ,zugunsten der Kelten' auswirkt, also ,zugunsten des sog. Erbfeindes'; insofern wirken Thesen wie die Feists besonders anstoßerregend. 4 6 Kraft arbeitet - neben den Divergenzen zwischen den drei Wissenschaftlern - vor allem das stark ausgeprägte Mißtrauen gegenüber der literarischen Uberlieferung heraus, das er in dieser Form nicht akzeptieren kann.
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also - folgt man Kraft - auch hier Tendenzen der Gegenwart die Forschung zu stark beeinflußt haben. Doch wie dem auch sei, vor allem R. Hachmann verficht weiterhin die These von der dritten Gruppe und findet gerade auch in den siebziger Jahren eine bemerkenswerte Resonanz. 47
4 7 Hachmanns letzte ausführliche Äußerung findet sich m. W. in dem Aufsatz: ,Die Tieverei und die Beiger zur Zeit Caesars. I: Die literarischen Quellen', an eher entlegenem Ort (23. Bericht der staatl. Denkmalpflege im Saarland, 1976, 85-116). Wesentlicher für die Breitenwirkung und die Resonanz sind zwei andere Arbeiten: 1971 ,Die Germanen'. Archaeologia mundi, Genf 1975 , Cäsar gab ihnen den Namen. Die Germanen - Zeitalter der großen Wanderungen', in: R. Pörtner (Hrgb.), ,Alte Kulturen ans Licht gebracht. Neue Erkenntnisse der modernen Archäologie', Düsseldorf 1978 ,Die Germanen', Heyne-Taschenbuch, 189 S. .Cäsar gab ihnen den Namen', Heyne-Taschenbuch (S. 429-444). In beiden Publikationen wird jene These kurz berührt: „In vagen Umrissen zeichnet sich für Nordgallien eine Gruppe von Stämmen ab, die sich selbst Germanen nannte und die ein gewisses Bewußtsein der Zusammengehörigkeit besaß" (,Die Germanen', S. 47 des Taschenbuchs); „Was et [Caesar] als Germanen bezeichnete, war eine kleine Gruppe in Nordfrankreich, Belgien und am Rhein, die sich selbst offenbar so nannte. Sie stand kulturell den Kelten nahe und dürfte auch eine dem Keltischen nahe verwandte Sprache gesprochen haben" (,Cäsar . . .', S. 436 des Taschenbuchs).
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V. KAPITEL
Zur Charakterisierung Ariovists Als drittes und letztes Beispiel sei das Ariovist-Bild gewählt. Dies scheint deshalb ein reizvolles Thema, weil Ariovist der erste Germane ist, über den die Informationen reicher fließen, so daß eine wirkliche Chance besteht, ein individuelles Porträt entwerfen zu können: Aus der vorangehenden Zeit kennt man fast nur den Teutonen Teutoboduus, doch der bleibt ein Schemen. Von den zwei bekannten Fakten betrifft das eine seine enorme Größe, ein Charakteristikum, das vielen Germanen nachgesagt wird (so daß oft der Verdacht nicht ganz fern liegt, es handle sich um einen Topos). Die zweite Nachricht spricht von seiner Fähigkeit, über vier und sechs nebeneinander gestellte Pferde zu springen,- und er pflegte dies zu tun (Flor. 1, 38, 10: quateinos senosque equos transsiliie solitus) - wie man sich das im Detail konkret vorzustellen hat, sei dahingestellt.48 Immerhin läßt dieser für römische Senatoren pittoreske, wenn nicht absurde Zug die unendliche Entfernung von den Wertvorstellungen der Mittelmeer-Kulturen hinreichend deutlich werden. Unter den Quellen über Ariovist fällt dem Bellum Gallicum verständlicherweise die entscheidende Rolle zu, hat Caesar doch den Germanen selbst kennengelernt. Allerdings hatte der Proconsul Caesar beträchtliche Schwierigkeiten gehabt, den Feldzug gegen Ariovist plausibel zu machen, da dieser erst im Jahr zuvor unter dem Consulat Caesars als iex atque amicus geehrt worden war. So verblüfft es kaum, daß der Autor Caesar den Germanen durch einen parteilichen Sprecher einführt, der ausschließlich Negatives zu berichten weiß (131 f.). Vor allem sind es fünf Etikette, mit denen der Sprecher Diviciacus seinen Feind bedenkt: Er handle anmaßend und grausam, er sei barbarisch, jähzornig und unberechenbar (31, 12f.: süperbe, cmdeliter, barbarum, iiacundum, temerarium; s. T 15).49 Es sei noch einmal vor dem Ersten Weltkrieg eingesetzt, mit einem Quellenheft von Curt Woyte (T 16). Schon 1913, also vor Kriegsaus4 8 Fischer-Fabian S. 38 (des Taschenbuchs): „[. . .] der sechs nebeneinander aufgestellte Pferde spielend [!] übersprang (was einem Hoch- und Weitsprungrekord von 1,40/7,00 m entsprach)." 4 9 Zu Ariovist zuletzt D. Timpe, ,Die Siedlungsverhältnisse Mainfrankens . . .', in Ch. Pescheck, Die germanischen Bodenfunde der römischen Kaiserzeit in Mainfranken, Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 27, 1978, 121 ff.
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bruch, hatte dieser eine Stelle des Bellum Gallicum zu Ausfällen gegen die Franzosen genutzt (T 16a). Eine solche Äußerung läßt einen Blick in die ausgeprägt nationale Vorstellungswelt des Verfassers zu, und damit verliert die eigenartige Übersetzung zweier jener Etikette den Charakter des Zufälligen; superbus ist hier - im Gegensatz zu Woytes Vorstellungen - n i c h t „stolz", temeiaiius nicht „leidenschaftlich" (T 16b). Da nun beide Male eine unverkennbar negative Aussage zum Positiven gewandt wird, kann man nicht an einen banalen Ubersetzungsfehler glauben,- augenscheinlich bemüht sich Woyte, das arg dunkle Bild Ariovists aufzuhellen. 50 Der Versuch aber, Ariovist freundlicher erscheinen zu lassen, basiert zweifellos auf der Voraussetzung, der - de facto äußerst parteiische - Diviciacus wolle ein zutreffendes Bild seines Widersachers zeichnen. 51 Eben diese Voraussetzung spricht dann etwa zehn Jahre später, 1924, Hermann S t e g e m a n n in dem umfänglichen Werk,Der Kampf um den Rhein' direkt aus. Nachdem er unseren Passus mit den Worten vom „stolzen, gewalttätigen, jähzornigen Baibaienfüisten" resümiert hat, und zwar im einzelnen anfechtbar, heißt es dann ausdrücklich: „Wir haben keinen Grund, dem Urteil des Römers zu mißtrauen" (T 16c). 52 Manche der damaligen Interpreten halten also das Urteil einer sehr en-
5 0 Woyte legt keine wirkliche Ubersetzung des Caesar-Textes vor, wie am deutlichsten das Faktum zeigt, daß er statt der caesarischen indirekten Rede die oratio recta wählt. Während superbus = ,,stolz" in Caesar-Übersetzungen und den gängigen Lexika oft begegnet, findet sich temeiarius = ,,leidenschaftlich" in den üblichen Lexika der Zeit (Kleiner und Großer Georges) und in Meusels Caesar-Lexikon von 1886 |t. = „unbeson-' nen, verwegen"; ähnlich temere, temeritas) gerade n i c h t . Die Gallier, die er VI 20,2homines temerarios et imperitos nennt, erscheinen bei Woyte als „kühn eund unerfahrene Leute" (T 16a). Woyte hat in seine Bellum Gallicum-Übersetzung (Reclam Nr. 1012, Copyright 1951, erste Auflage allerdings bereits 1926; nachgedruckt 1977) beides übernommen: „stolzes Regiment [. . . Jleidenschaftlicher Mensch". - Die BG-Übersetzung von Max Oberbreyer (Reclam, zuerst 1877) bringt manche Seitenhiebe auf die Franzosen, unter dem Eindruck des Krieges von 1870/71 (so zu VI 42; zu 24,1 [die Gallier hätten früher die Germanen angegriffen]: „Diese Stelle scheint Napoleon III. besonders imponiert zu haben"). Übrigens hatte Oberbreyer süperbe = „mit Uebermuth" und temerarius = „tollkühn" übersetzt. 51 Wie kaum zu übersehen ist, wirkt sich Woytes Vorgehen am Ende zuungunsten Ariovists aus. Wer durch Interpretation oder Retouchen von superbus-temerarius Diviciacus' Ausführungen in Richtung einer Unparteilichkeit aufwertet, wird dann folgern müssen, daß Ariovist wirklich crudelis, barbarus, iracundus gewesen ist. 52 H. Stegemann ist (wie besonders der Untertitel lehrt) zwar kein Altphilologe, hat sich aber anläßlich der großen Partie über Caesar und Ariovist (S. 15-26) sorgfältig in der einschlägigen Literatur umgesehen, d. h. sein Urteil über die Charakteristik Ariovists dürfte die damalige Forschungslage repräsentieren.
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gagierten Person der Handlung, hier des Haeduers Diviciacus, unbesehen für das Urteil des Autors Caesar, dem dann auch noch historische Gültigkeit zugebilligt wird. Aus der Zeit des sog. Dritten Reichs sei zuerst der Ariovist-Artikel des Großen Brockhaus betrachtet; der erste Band der „völlig neu bearbeiteten Ausgabe" ist 1939 erschienen und dürfte Ende 1938 abgeschlossen worden sein (T 17b). Daß nun im Unterschied zu der Version von 1928 (T 17a) dem Germanen viel mehr Platz eingeräumt wird, kann nicht überraschen. So tritt an die Stelle der eher unverbindlichen, aber auch unanfechtbaren Funktionsbezeichnung ,,geiman. Heeifühzei" (T 17a) eine Fassung, die sichere Kenntnisse nur vortäuscht: „Fürst der suevischen Triboker, später Heerkönig einer Kampfgemeinschaft suevischer und anderer Germanenstämme" (T 17b). Das Faktum, daß er „die erste geschichtl. greifbare [. . .] Gestalt des Germanentums" ist (T 17c, von 1952), findet seinen Ausdruck in den Worten: „Die erste german. Führerpersönlichkeit, von der auf Grund geschichtlicher Zeugnisse eine anschauliche Vorstellung zu gewinnen ist" (T17b). Das in unserem Zusammenhang aber Interessanteste ist der Versuch der Charakterisierung, der sich ausdrücklich auf das Bellum Gallicum beruft; diese Quelle zeige ihn „als einen selbstbewußten, unterrichteten und mutigen Mann". Ob diese Charakteristik dem nationalsozialistischen Germanen-Bild entspricht, kann dahingestellt bleiben, solange zweierlei unstrittig ist: Das Ariovist-Porträt soll unverkennbar positiv wirken, und das Ergebnis dieser Bemühung ist ausgesprochen nichtssagend. Wer das Charakteristikum „mutig" ohne Kenntnis des Bellum Gallicum zu deuten hätte, müßte vermuten, Ariovist habe sich in den Kämpfen, von denen Caesar berichtet, durch persönlichen Mut ausgezeichnet, er sei einer der tapfersten Kämpfer gewesen. Doch davon spricht Caesar eben keineswegs. Nicht daß hier dem Gegenteil, der Feigheit, das Wort geredet werden soll. Vielmehr wären im Blick auf das Militärische und auf die Nachrichten des Bellum Gallicum Ariovists taktische Fähigkeiten und seine Risikobereitschaft herauszustellen. Das Etikett „mutig" ist ein reiner Notbehelf, um die Charakteristik eindeutig vorteilhaft und zugleich nicht dürftig zu gestalten. Das Charakteristikum „selbstbewußt" könnte demgegenüber auf einer vollständigen Umdeutung des Begriffs arrogantia basieren, mit dem Caesar Ariovist bereits an einer sehr frühen Stelle bedenkt (133,5) - falls es sich um eine Umdeutung handelt, wäre an Woyte und die Ubersetzung superbus = stolz zu erinnern (T 16b). Was mit dem Wort „unterrichtet" gemeint 47
sein kann, ist auch bei Konsultation des Bellum Gallicum nicht mit Sicherheit zu sagen. 53 Der Text des Großen Brockhaus von 1939 legt eine Wertung vor, die mit dem Ariovist-Porträt, das ein unbefangener Leser dem Bellum Gallicum entnehmen wird, kaum etwas gemein hat. Das Bemühen, sich von der gegen Ariovist gerichteten Charakterisierung zu lösen, mag verständlich erscheinen; das Ergebnis aber wirkt eher hilflos. Diese Schwäche ist indes nicht primär dem Verfasser jenes Lexikon-Artikels anzulasten, sie kennzeichnet die Lage der damaligen Forschung: Die beiden Autoren, auf die verwiesen wird, gehen eindeutig wertenden, etikettartigen Charakteristika aus dem Wege, sowohl L. Schmidt als auch F. Miltner (T 17d).54 Der Aufsatz,Caesar und Ariovist', den Erich K ö s t e r m a n n 1940 in einer deutschen Zeitschrift vorlegte, weckt jetzt im siebten oder achten Jahr des Dritten Reichs nicht die Erwartung, es werde zu einer unvoreingenommenen Würdigung der einschlägigen Probleme kommen. 55 Doch obwohl das Thema zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort wirklich keiner Apologie bedarf, versichert der Verfasser dem Leser: „Aber wir sind heute mehr denn je verpflichtet, alle Steine zusammenzutragen, um über die Anfänge der Geschichte unseres Volkes Aufklä53 Zu „selbstbewußt" sei noch auf Mommsen verwiesen, der seinerzeit im Blick auf Ariovists Verhalten bei den Verhandlungen mit Caesar formuliert hatte: „Diese Sprache der vollkommen ebenbürtigen und ihre Selbständigkeit schroff und rücksichtslos äußernden Macht" sei Rom seit Jahrhunderten nicht gewohnt |T 5a). - Bei dem Charakteristikum „unterrichtet" könnte mit allem Vorbehalt auf Ariovists Worte angespielt sein, er werde,vielen römischen nobiles und principes mit der Tötung Caesars einen Gefallen tun' (BG I 44,12|; gemeint wäre dann: ,gut unterrichtet sogar über die Entwicklung in Rom'. 5 4 Schmidt js. Anm. 45) hat in der ausführlichen Würdigung Ariovists |S. 132-140) diesen wohl nicht einmal wirklich charakterisiert (am ehesten noch später S. 148: „Ariovist muß als ein hervorragender Stratege angesehen werden"). Für Miltner sind die ausgeschriebenen Stellen (T 17d) bezeichnend, sein Interesse ist auf die linksrheinischen Germanen (bzw. „deutsche Siedler") gerichtet. Wertend konzentriert er sich auf einzelne Fakten: „Er war der erste Germanenfürst, der von der römischen Großmacht [. . .] die Anerkennung als gleichberechtigter [l], selbständiger Herrscher erreicht hat. Es war das nach dem militärischen Sieg über die Äduer ein sehr bedeutender außenpolitischer Erfolg" (16); „eine Meisterleistung der Manövrierkunst" (20); „in kluger Ausnützung der Eigenart seiner Truppe" (21); „angesichts der hohen taktischen Fähigkeiten" (22). 55 Anders erscheint die Lage noch im J. 1935, als Hans Diller einen Aufsatz mit demselben Titel vorlegte (Humanist. Gymnasium 46, 1935, 189-202 = D. Rasmussen (Hrgb.), Caesar, 1967, 189-207). Für Dillers Arbeit spricht nicht zuletzt der Tadel Köstermanns: Jener hat „allerdings m. E. nur wenig zur Aufklärung der Probleme beigetragen" (309,2). Diller streift die Bedeutung des Themas an einer unauffälligen Stelle mit einer unanfechtbaren Formulierung, es handle sich um „die Interpretation eines der bekanntesten und für uns interessantesten Abschnitte aus diesem Werk" (S. 190-191).
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rung zu verschaffen" (T 18a). Konkret ist die Aufgabe dann die, „das Bild des großen Germanen-Fürsten [. . Jvon seinen Flecken rein zu waschen", da, wie der Autor indigniert feststellt, sein Porträt „auch heute noch in den meisten Darstellungen in durchaus verzerrter Weise wiedergegeben wird" (T 18b).56 Um auf unsere Stelle in der Diviciacus-Rede zu schauen, so ist es methodisch richtig, wenn jede Behauptung des Sprechers anhand des von Caesar vorgelegten Materials überprüft wird, und im ersten Fall ist es auch angemessen, die Perspektive des Diviciacus, d. h. die des Unterlegenen, einzubringen. So verwandelt sich dann die superbia, die Anmaßung und Arroganz, in den positiv gewerteten Stolz - im Unterschied zu Woyte (T 16b) wird „stolz" also nicht als Übersetzung ausgegeben. Die Formulierung aber, zu der Köstermann findet, irritiert: „Im Vollgefühl seiner Erfolge [brachte er] das Bewußtsein seiner Kraft auch nach außen hin zum Ausdruck" (T 18c).57 - Daß das angestrebte und angekündigte , Reinwaschen' im folgenden mit , Erfolg' und ohne hinreichende Differenzierung betrieben wird, ist nicht besonders überraschend. Zweierlei jedoch erscheint wesentlich: Das Spezifische d i e s e r Ariovist-Charakterisierung (die eben von einer sehr engagierten Person der Handlung vorgelegt wird) arbeitet viel stärker als seine Vorgänger ein Forscher heraus, der das , Reinwaschen' zu seinem Programm erklärt hat. Zum anderen fehlt, wie kaum zu verkennen ist, ein wirklich intensives und gleichmäßiges Bemühen, Ariovists Charakter zu erhellen. Köstermann weist zwar wiederholt auf positive Züge hin und betont etwa, „alle seine Handlungen [. . .] [seien] von Weitsicht und Vorausschau getragen" (T 18d); doch wenn er auf eine Ariovist-günstige Aussage stößt, vergißt er einen Gutteil der methodischen Sorgfalt,
56 Es ist selbstverständlich, daß Worte über die Bedeutung eines Themas bzw. einer Arbeit nicht allein im Blick auf eben dies Thema zu beurteilen sind. Man hätte beispielsweise auch auf die Eigenart einer Zeitschrift und auf die spezielle Situation des Verfassers oder seine akademische Karriere zu blicken, die möglicherweise eine größere Deutlichkeit unausweichlich erscheinen ließen. Dies gilt nicht allein für Köstermann. 57 Eine Argumentation zugunsten Ariovists hätte wohl eher (vorausgesetzt Diviciacus spreche subjektiv aufrichtig) darauf hinzuweisen, daß das kulturelle Gefälle zwischen Galliern und Germanen gerade dann, wenn der kulturell Unterlegene der militärische Sieger ist, zu besonders starken Spannungen führen muß. Da Diviciacus Ariovist baibarus nennt, liegt der Vorwurf der superbia sehr nahe. Doch mit einem starken kulturellen Gefälle konnte Köstermann, unter seinen Voraussetzungen, kaum arbeiten. - Die vorgelegte Formulierung basiert auf sozial-darwinistischen Vorstellungen vom Recht des Stärkeren.
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die er bei Ariovist-ungünstigen Stellen für angemessen hält. 58 - Beachtenswert ist schließlich noch ein Dilemma, dem sich Köstermann gegenüber sieht. Für ihn zählt auch Caesar zu den großen,Führerpersönlichkeiten', und damit müßten ihm ebenfalls die Sympathien des Verfassers gelten. Das ist auch der Fall - anders wenigstens läßt sich der Entlastungs-Versuch nicht deuten: „Daß Caesar untei dem Zwang einer politischen Lage handelte, bestreiteich natürlich nicht" (T 18e).59 Ein Wort noch zu den Daten. Der Aufsatz dürfte Ende 1939/Anfang 40 entstanden sein, als ein Krieg gegen Frankreich bevorstand. Er ist im letzten Heft des Jahrgangs 1940 erschienen, vermutlich kurz nach der Niederlage Frankreichs. Als 1941 ein großzügig ausgestatteter Band,Elsaß und Lothringen deutsches Land', herausgegeben von Staatsminister O. Meißner, darauf reagieren sollte, daß, „dieses alte deutsche Land [. . ,]nun durch die geschichtliche Tat des Führers und durch den Sieg der deutschen Waffen für immer in das Großdeutsche Reich eingefügt worden" ist, als zugleich „die Mär von der Brücke zwischen Deutschland und Frankreich" für beendet erklärt wurde [.Geleitwort', S. 9), da konnte ein Beitrag zur Elsässischen Geschichte nicht fehlen; und dieser wiederum mußte auch auf das Geschehen rund um Ariovist eingehen. Der Verfasser P. Wentzcke sah sich nun, da Deutschland und Italien nicht nur militärisch verbunden waren, nicht imstande, eindeutig gegen die Römer und gegen Caesar Partei zu ergreifen, angesichts „einer nie unterbrochenen völkischen Schicksalsgemeinschaft des Mittelmeerraumes mit den binnendeutschen Landschaften". Damit deutet sich die Notwendigkeit an, Ariovists Charakteristik nicht auf Kosten Caesars positiv zu gestalten; tatsächlich aber verzichtet Wentzcke auf jede Andeutung einer direkten Charakterisierung des Germanen. Die zweite Schwierigkeit stellt Ariovists Niederlage dar, könnte diese doch von vielen als deutsche Niederlage verstanden werden. In dieser Konstellation begnügt sich der Verfasser damit, die Germanen als sog. Barbaren 5 8 Vor allem wird der Beitrag zu einem positiven Ariovist-Porträt, den der Imperator I 40 vorlegt (dazu auch unten S. 59f.), bemerkenswert kurz und undifferenziert besprochen: „Doch auch aus der gedämpften Darstellung Caesars geht hervor, mit welchem Geschick und welcher Bravour der Geimanenfiirst seiner gallischen Gegner Herr geworden war (40,8), ein Zeugnis, das gewiß unvoreingenommen ist und uns den Zugang zu einer richtigen Würdigung der Persönlichkeit Ariovists wie kein anderes erschließt" (S. 330). 5 9 Kritisch setzt sich mit diesem „Zwang" auseinander K. Christ,,Caesar und Ariovist', Chiron 4, 1974, 259f.: „Daß Caesar daran gelegen sein mußte, einen solchen Zwang zu konstruieren und zu suggerieren, ist eine andere Sache" [meine Hervorhebung).
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anzusprechen und ihnen ausdrücklich Tapferkeit zu attestieren. Und zum Ausgang der Schlacht heißt es zuerst beschönigend, die Germanen seien Rom „nicht gewachsen" gewesen, abschließend aber wird gleich doppelt relativiert: „Der äußere Erfolg war zunächst auf Seiten der Römer" (T 17e). Was der Autor hier sagt, entspricht nun aber kaum seinen eigenen Intentionen - entweder war der äußere, der scheinbare Erfolg bei den Römern, der wirkliche, nicht nur äußere Erfolg bei den Germanen; oder Erfolg hatten zunächst die Römer, später (d. h. nach Jahrhunderten) die Germanen. Die vorliegende Fassung aber behauptet implizite, der äußere Erfolg sei später den Germanen zuteil geworden, so daß also der wirkliche Erfolg später anderen zugefallen sein müßte (etwa den Franzosen?). Wie man also sieht, hat die Niederlage des Germanen Ariovist den Verfasser so sehr irritiert, daß er gleich zu zwei Mitteln der Relativierung oder Bagatellisierung in demselben Satz greift, und diese heben sich gegenseitig auf. Wer sich Unterrichtswerke aus der Zeit des Dritten Reichs anschaut, stößt bei zwei Caesar-Texten zunächst auf wenig Bemerkenswertes. Wenn Max Krüger der kommentierten Ausgabe des gesamten Bellum Gallicum (mit breiter Einleitung) im J. 1936 den Hinweis vorausschickt, daß die Erörterung der sehr schwierigen Fragen im Zusammenhang mit Galliern und Germanen „gerade jetzt sehr lebendig ist und gute Ergebnisse erwarten läßt" (T 19a), gibt er zu der Vermutung Anlaß, die nächste Auflage werde Änderungen eindeutiger Art bieten. Doch dem ist nicht so (20. Aufl. 1938). Die Erläuterungen zu den Stichworten „Ariovistus" und „Germani" überraschen eher durch ihre unverbindliche Art; und die Formulierung, Ariovist ,,nahm als Sieger jenen [den Sequanern] einen Teil ihres Landes weg", wirkt fast schon komisch undifferenziert (T 19b). Bei der Textausgabe des I. Buches, die Dr. Person unter dem Titel ,Helvetier und Sueben im Kampf gegen Cäsar' 1937 besorgte, gibt es als Indizien der Interpretation zwar nur die Überschriften; doch läßt sich leicht vorstellen, daß hier - z. B. bei einer Unterteilung in viel mehr Einheiten - auch sehr deutliche Worte möglich wären. 60 Was sich aber tatsächlich findet, etwa,Römische Einmischung in den germanisch-keltischen Streit' und ,Bleiche Angst vor 60 .Helvetier /. . .]. Cäsar, Gallischer Krieg I.' Textgestaltung Oberstudienrat Dr. Person, 1937, 32 S., dazu 12 S.,Anmerkungen'. - Dies die Uberschriften zu c. 3 0 - 5 4 : , G a n z Gallien neigt sich vor Cäsar' (c. 30). - , Die Gallier rufen Cäsar gegen die Germanen zur Hilfe' (c. 31-32). -.Cäsar sagt zu' (c. 33). - .Römische Einmischung in den germanischkeltischen Streit' (c. 34—36). - .Wieder Krieg' (c. 37-38). Bleiche Angst vor den Germanen' (c. 39). -.Cäsar muß den Legionen Mut machen' |c. 40-41,3). - .Fühlung mit dem Gegner' (c. 41,4—42).-.Die Feldherren treffen sich zwischen beiden Heeren' (c. 43-45). -
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den Germanen' (c. 37/38; c. 39), ist auch vor 1933 bei konservativen Herausgebern vorstellbar. - Diese beiden Ausgaben aus dem renommierten Teubner-Verlag, die ohne Zweifel weit verbreitet gewesen sind, 61 lassen Zurückhaltung gegenüber Tendenzen der Gegenwart erkennen - ob dies durch den Umstand erleichtert wurde, daß Krüger an die Anlage eines bereits seit langem bestehenden, von Fügner begründeten Werkes gebunden war, ist weniger wesentlich: Zumindest in den Texten, die die Schüler in der Hand hatten, fehlte der Versuch der Indoktrination, so daß der Lehrer zu keiner Stellungnahme genötigt war. Anders ist der Eindruck, den das Heft,Germanien. Land und Leute' von Mauriz S c h u s t e r vermittelt. Neben der vollständigen Germania, einer umfänglichen Einleitung, Erläuterungen und einem Verzeichnis der Eigennamen legt der Herausgeber auch einige Partien aus dem Bellum Gallicum vor ; dabei handelt es sich primär um die beiden Exkurse, daneben aber auch um die Usipeter-Partie, während - nicht ganz konsequent - der Ariovist-Komplex ausgespart ist (IV 1-15; VI 21-29). Wenn anläßlich der Bandkeramik die Entdeckung eines Hakenkreuzes „im Ahnengau Adolf Hitlers" notiert wird, wenn Schuster ein Zitat des , Rassen-Günther' über die Kelten in das Namenverzeichnis aufnimmt und die Römer um 100 n. Chr. „ein durch schlechte Rassenmischung bereits entartetes, dem Verfall geweihtes Volk" nennt (T 19c), kann an der Einstellung des Autors kein Zweifel bestehen, mögen hier auch die Besonderheiten des Orts, vielleicht noch die des Zeitpunkts (1944)62 eine besonders große Rolle gespielt haben. Es dürfte indes kein Zufall sein, daß sich diese eindeutigen Stellungnahmen in einer Schrift finden, die in erster Linie der taciteischen Germania gewidmet ist.
, Der Kampf ist unvermeidlich' (c. 46-47).-.Erste Scharmützel' (c. 48-50].-,Die Schlacht im Elsaß' |c. 51-54). Wenn etwa c. 31 und c. 44 als eigene Einheiten behandelt worden wären, hätten Diviciacus' Vorwürfe gegen die Germanen und Ariovist sowie Ariovists Reaktion auf Caesars Vorhaltungen doch wohl Möglichkeiten der eindeutigen Stellungnahme geboten (zumal, wenn man wie Schuster (T 19c) die Germani für„die alten Deutschen" hält, S. 11).-In den,Anmerkungen' übersetzt Person folgendermaßen: ,,iracundus jähzornig; temerarius unbedacht, tollkühn". 61 Es ist schon bezeichnend, daß zwischen 1933 und 1938 das Werk viermal aufgelegt wurde (17.-20. Auflage]. 62 Die zweite Auflage (1944) scheint sich von der ersten (1941) nicht wesentlich zu unterscheiden. Die S. 125 f. verzeichnete Literatur reicht bis zum J. 1939. Vor allem aber muß betont werden, daß die zitierten Stellen (T 19c) keineswegs isoliert sind; vielmehr sind große Teile der Einleitung ,Aus der Frühzeit der Germanen' von der Rassentheorie durchtränkt (z. B. S. 11: Tacitus nenne die Germanen ,,rassenreine Ureinwohner") zweifellos keine Zutat zur zweiten Auflage.
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Wer Krügers .Namenverzeichnis' und Schusters, Verzeichnis dei Eigennamen' vergleicht (die ja beide für Gymnasiasten bestimmt sind) und bei letzterem unter dem Stichwort ,Galli' Günthers Rassenlehre gar in Form eines ausdrücklichen Zitats angeführt findet, stößt damit auf eine Divergenz, die nicht belanglos ist. Nimmt man noch hinzu, daß Krüger 1936 eine Berücksichtigung zeitgenössischer Tendenzen für die nächste Ausgabe anzukündigen scheint (T 19a), dann verdient das Fehlen einschlägiger Ingredienzien im J. 1938 - trotz der vorgenommenen Änderungen - doch eine Erwähnung.63 Von den Ariovist-Texten aus den Jahren 33—45 fallen beim Großen Brockhaus neben der Verwendung des obligaten Terminus , Führerpersönlichkeit' das Bemühen um eine positive Charakteristik und die dabei zutage tretende Hilflosigkeit auf (T 17b). Nicht nur hilflos, sondern fast schon grotesk ist das Vorgehen von Wentzcke, der angesichts der germanischen (deutschen?) Niederlage vom J. 58 v. Chr. nicht zu sagen imstande ist, was er sagen will (T 17e). Miltner hingegen sieht Ariovists Rolle primär im Zusammenhang mit der Frage Elsaß-Lothringen; dies dürfte eine Sicht sein, die letztlich eine Reaktion auf Versailles darstellt (T 17d) - bei anderen dieser,Germanischen Köpfe' scheint Miltner der nationalsozialistischen Ideologie stärker verpflichtet. Köstermann 63 Nicht ganz so zurückhaltend ist M. Krüger in dem Aufsatz .Häusliche Piäpaiation Schülerkommentare - Lehieikommentaie', Gymnasium 52, 1941, 70-78 - ein Indiz dafür, wie schwierig es ist, auf Grund von Zitaten sich ein Bild von der Einstellung eines Autors zu machen: „Die Sammlungen bei Diesterweg ,Auf dem Wege zum nationalpolitischen Gymnasium' und bei Teubner die Fortsetzung der altbewährten Sammlung,Neue Wege zur Antike' oder die im Entstehen begriffene Schriftenreihe,Hellenen und Römer in deutscher Gegenwart und Zukunft' sind stolze Zeugnisse für das starke Bemühen, die Antike in der Erziehung der Höheren Schule des neuen Deutschlands zur rechten Wirkung zu bringen" |S. 78). Sobald man sich populären Werken zuwendet, stößt man begreiflicherweise auf sehr eigenartige Stellungnahmen. Es muß hier genügen, ein Werk anzuführen: Heinar Schilling, .Germanische Geschichte. Von den Kimbern und Teutonen bis zu Wittekind', Leipzig 1934, 592 S. („Niederschrift: November 1933 - Februar 1934"). „Das erste Jahrtausend deutscher Geschichte" werde zeigen, „warum das Einigungswerk Ariovists und Armins als verfrüht scheitern mußte, wieso aber aus des Civilis Freiheitsbewegung die Keimzelle des späteren deutschen Reiches erwuchs" (S. 5, Vorwort). Bemerkenswert ist zum einen die Vorstellung von „Ariovists Reich", das „vom Böhmerwald bis zu den Vogesen" reichte (S. 74) und dem dann noch das Sequaner- und Haeduer-Land hinzugefügt wurde - ein phantastisches Gebilde. Zum anderen wird das Dilemma deutlich, in das derjenige gerät, der Ariovist und Caesar bewundert: „Nur mit tiefem Mitgefühl können wir das tragische Ende des großen Mannes betrachten, dem das Schicksal [. . .Jnach der Errichtung eines mächtigen Reiches an einem einzigen Tage den völligen Absturz ins Nichts auferlegte. Hätte ihm nicht ein Größerer, ja der größte Römer gegenübergestanden, so wäre vielleicht schon diesem ersten Vorkämpfer des Deutschtums in der Welt gelungen, einen dauerhaften Staat zu errichten" |S. 94).
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schließlich will Ariovists Bild von den Flecken reinwaschen: Das plakativ wirkende Wort, das sich wohlgemerkt in einer Anmerkung findet, darf indes den Blick dafür nicht behindern, daß sich der Verfasser um eine wissenschaftliche Bewältigung des Themas bemüht (T 18). Diese Andeutungen aber wären unvollständig ohne einen Hinweis etwa auf Dillers Aufsatz, Caesar und Ariovist' vom J. 1935 (s. Anm. 55), der auf alle entsprechenden Ingredienzien gerade verzichtet - um von dem Großteil der übrigen Caesar-Literatur jener Jahre zu schweigen, die den üblichen Bibliographien zu entnehmen ist. - Die philologische und historische Forschung im Bereich Caesar - Germanen hebt sich, wie es scheint, nicht im Negativen von den Arbeiten auf anderen Gebieten ab. Im Vergleich zu manchen anderen Disziplinen waren die Gefahren, die die Klassische Philologie und die Alte Geschichte bedrohten, doch wohl geringer. Daher ist es nicht ganz unbedenklich, beispielsweise Altphilologie und Germanistik einander gegenüberzustellen. Um aber nicht auf jede Andeutung der damaligen Atmosphäre zu verzichten, sei doch wenigstens ein Zitat vorgelegt (das natürlich nicht für alle Germanisten repräsentativ sein kann). In einem Vortrag über die ,Goetheveiehiung in fünf Jahrzehnten' (1935) heißt es etwa, Goethe würde „den schwarzen Gesellen und den braunen Kameraden, die [. . .]für die innere Befreiung Deutschlands sich zu opfern bereit waren, seinen Gruß nicht versagt haben".64 Bei den Unterrichtsmaterialien ist das Ergebnis viel unerfreulicher. Derjenige Lehrer, der mit dem Büchlein von Schuster arbeitete oder arbeiten mußte, hatte keine Chance, im Zusammenhang mit Caesar und Tacitus eine Stellungnahme zur Rassen-Ideologie zu vermeiden; daß die kommentierte Ausgabe von Fügner-Krüger eine andere Qualität hat, dürfte deutlich geworden sein. Ähnlich zwiespältig ist der Ein64 Eine zusammenfassende Untersuchung über die Klassische Philologie im Dritten Reich gibt es nicht; einiges Material auch über Philologen bei Volker Losemann, Nationalsozialismus und Antike. Studien zur Entwicklung des Faches Alte Geschichte 1933-1945, Hamburg 1978 (vgl. dort zu Miltner). - Christ (s. Anm. 59) 252 legt Köstermanns ominösen Satz |T 18b) vor und kommentiert den Aufsatz zurückhaltend dahingehend, daß dieser „nicht frei von apologetischen Tönen war". Für den Vergleich muß es hier genügen, auf das weit verbreitete Büchlein von E. Lämmert u. a., Germanistik - eine deutsche Wissenschaft, 1 1967, mit seinem reichen Zitaten-Material zu verweisen. Die zitierten Worte (von Julius Petersen] führt dort K. O. Conrady, Deutsche Literaturwissenschaft und Drittes Reich, S. 74, an. Erwähnt sei noch der Vergleich zweier im Vorwort beträchtlich divergierender Auflagen (1939, Dieterich Leipzig: 1958, Schünemann Bremen) von Viktor Stegemanns Bellum-Gallicum-Übersetzung, den W. Hering, Helikon 5, 1965, 199-204, vorlegt (Stegemann schließt 1939 seine,Einleitung' S. LXV mit dem Satz: „ Cäsars geistige Existenz aber wirkt sich in neuer Lebendigkeit aus in dem politischen Wollen unserer Gegenwart").
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druck, auf den eine Untersuchung der, Lehrpläne und Schulbücher des Nationalsozialismus' im Blick auf den griechischen Lehrplan hinweist. Der ausdrücklichen Warnung vor „billigen Parallelisierungen", durch den sich dieser Lehrplan von allen anderen unterscheidet, steht die Begründung gegenüber, diese billigen Parallelisierungen „verfehlen auch den damit beabsichtigten Zweck der politischen Gesinnungsbildung".65 - Die abschließenden Fragen, wie die Rolle der Caesar-Lektüre im Rahmen des Latein-Unterrichts, wie die des altsprachlichen Unterrichts im Kontext der damaligen schulischen Situation zu beschreiben und zu werten seien, sind umfassend - noch - nicht zu beantworten. Der Zweite Weltkrieg bringt dann einen tiefgreifenden Wandel, den Worte Hermann Strasburgers verdeutlichen können (T 20). Im Rückblick auf einen Aufsatz vom J. 1953 zählt er sich im J. 1967 zu den,,Spanen", die angefallen waren, als andere „hobelten", und unter die „Männer, die Geschichte machen", rechnet er augenscheinlich ebensosehr Hitler wie Caesar. Als Verbindendes, das mit der Chiffre „Hobeln" umschrieben wird, sind primär die von beiden ausgelösten Kriege anzusehen. In jedem Zusammenhang, wo es um die Auseinandersetzung Caesars mit anderen geht, kann die kritische oder ablehnende Haltung gegenüber Caesar dann anderen zugute kommen. Bei der Konfrontation Caesar - Germanen wirken sich die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit nun auch tatsächlich zugunsten Ariovists aus.66 65 Das Material bei Kurt-Ingo Flessau, Schule der Diktatur. Lehrpläne . . ., München 1977, S. 87 f.; nach S. 97 zählte zu den Schulbüchern, „in denen sich kein einziger linientreuer' Satz und keine der spezifisch nationalsozialistischen Begriffe findet" auch W. Schäfer u. a., Lateinisches Unterrichtswerk für deutsche Oberschulen, 1938 (s. S. 189, Anm. 5). R. Nickel, Der Mythos vom Dritten Reich und seinem Führer in der Ideologie des humanistischen Gymnasiums vor 1945, Paedagogica Historica 10, 1970, 111-128 stellt eine Fülle von einschlägigen Äußerungen, primär aus grundsätzlichen Verlautbarungen, zusammen. Den Hintergrund bilden Stellungnahmen von Altphilologen, die die Rolle des altsprachlichen Unterrichts im Dritten Reich arg beschönigend darstellen. Ob aber diese Zitate, auch in ihrer Häufung, ein repräsentatives Bild des Schulalltags vermitteln können, erscheint sehr fraglich. 6 6 Strasburger hatte sich in dem Aufsatz, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen' (Historische Zeitschrift 175, 1953, 225-264] recht kritisch zu Caesar geäußert. Der damalige Text beruhte „noch weitgehend auf dem Wortlaut meiner beiden ineinandergearbeiteten Heidelberger Habilitationsvorträge vom Sommer 1946" (S. 67). Die Nähe des Weltkriegs ist unstrittig; heute würde er die „Folgerungen für das Gesamturteil über Caesar als Staatsmann etwas weniger schroff vertreten als damals" (a. O.). Das umfängliche Nachwort vom J. 1967, das dann zum überarbeiteten Nachdruck hinzugefügt wurde |S. 67-81), nutzt er vor allem dazu, seine Position (primär M. Gelzer gegenüber) zu präzisieren und abzustützen. Daneben aber gibt es eine kurze Schlußbemerkung (in T 20 etwa zur Hälfte vorgelegt), in der er vom Einfluß der Zeitgeschichte spricht - eine Äußerung wie die vorliegende ist im Rahmen althistorischer Arbeiten also äußerst selten.
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Die bald nach dem Krieg entstandene Arbeit von Gerold Walser ,Caesar und die Germanen' dürfte in mehrfacher Weise mit den Ereignissen der jüngsten Vergangenheit verbunden sein. 67 Der Untertitel ,Studien zur politischen Tendenz römischer Feldzugsberichte' deutet eine Richtung an, gemeint ist das Verhältnis von Kriegsberichterstattung und Realität. Wie kaum breit belegt oder bewiesen zu werden braucht, waren die Erfahrungen eines deutschsprachigen Zeitgenossen nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Kriegsberichterstattung zu stärken. Hinzukommt die soeben anhand von Strasburgers Worten belegte Caesar-kritische Haltung. Beide Komponenten tragen dazu bei, daß der Wert des Bellum Gallicum für die Rekonstruktion des historischen Geschehens eher gering veranschlagt wird.68 Wenn es etwa heißt: „Die Technik, solche anfechtbaren Angaben [. . .] als Aussage eines Dritten wiederzugeben, befreite Caesar vom Odium der direkten Lüge" (T 21a), dann wird nicht nur Walsers Position in der Diskussion um die Glaubwürdigkeit deutlich. Zugleich zeigt auch das Wort vom „Odium der direkten Lüge", daß eine moralische Wertung einfließt, zuungunsten Caesars.69 Walsers Arbeit gehört nach seinen Worten in den „Zusammenhang des Themas ,Rom und das Ausland'" (S. VII). Sieht man von den Griechen ab, dann geht es um die römische Sicht der fremden Völker oder der Barbaren. Während bei Tacitus, dem Walsers Dissertation gegolten hatte, noch beide Möglichkeiten realisiert sind, die negative und die positive Verzeichnung, ist bei Caesar zu fragen, ob er die Barbaren und speziell die Germanen unvoreingenommen oder wenig freundlich 6 7 Die Arbeit hat 1951 „in den Grundzügen" als Habilitationsschrift vorgelegen, sie ist 1956 erschienen. In der Basler Dissertation von 1946: ,Rom, das Reich und die fremden Völker in der Geschichtsschreibung der frühen Kaiserzeit' (erschienen 1951) wird das Caesar-Buch verhüllt |S. 68, 309) und deutlich (S. 104, 457) angekündigt. 6 8 Wie in der Vorbemerkung betont wird, soll Caesar gerade,.nicht als Schriftsteller und Politiker" gewürdigt werden, was befremden könne, „da durch die Arbeiten von Rambaud und Strasburger die Persönlichkeit Caesars wieder mehr in den Mittelpunkt der Diskussion rückt" (S. VII). Aber der Verfasser hat sich im Laufe der Arbeit natürlich ein Bild vom Politiker und Militär Caesar gemacht, dessen Ausrichtung zweifellos die Erwähnung von Strasburger und Rambaud andeutet. M. Rambaud (,La déformation historique chez César') ' 1952. 2 1966 hat nach Worten H. Oppermanns a. O. (T 3c) 476 ein Rezensent vorgehalten, er liebe Caesar nicht [,,n'aime pas César"). 6 9 Die Reaktion eines pro-caesarischen Forschers verblüfft. H. Oppermann (s. Anm. 44) 261 akzeptiert die Unrichtigkeit einer BG-Angabe (Umfang von Ariovists Herrschaftsgebiet), wälzt die Verantwortung indes auf Diviciacus ab. Dies aber heißt doch: Entweder hat der Militär Caesar sich in den sechs fahren von 58 bis 52 über die tatsächlichen Verhältnisse nicht informiert, oder der Autor Caesar weiß nicht, daß die falsche Aussage einer Person der Handlung, die nicht korrigiert wird, zu Lasten des Autors geht - der Proconsul oder der Schriftsteller wäre seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen.
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zeichnet. 70 Wer nun aber Ariovists Charakterisierung, die Diviciacus an unserer Stelle vorlegt (süperbe, crudeliter, baibaium, iiacundum, temeiarium), in jenem Rahmen betrachtet, muß mit Walser zu diesem Ergebnis kommen: Ariovist,,besitzt alle Eigenschaften, die man seit langem den Barbaren nachsagt" (T 21b).71 Damit aber schwindet die Wahrscheinlichkeit, in Diviciacus' Worten Indizien für Ariovists tatsächlichen Charakter greifen zu können. So deutlich Walsers Caesar-kritische Haltung ist, die dann eine unvoreingenommene Betrachtung Ariovists erleichtert, es bleiben noch zwei Möglichkeiten, wie Walsers Position in die Atmosphäre der ersten Nachkriegsjahre eingeordnet werden könnte. Da in Rom die negative Wertung der fremden Völker dominiert, derzufolge es sich bei den Barbaren„um eine inferiore Menschenklasse handelt, welche an der wahren Kultur und am richtigen Staat keinen Anteil hat" (Walser, ,Rom, das Reich . . . S . 71), wäre zu fragen, ob eine Verbindung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit bzw. eine Reaktion darauf vorliegt. Die zweite Möglichkeit resultiert daraus, daß auch schon im ersten Jahrzehnt nach dem Weltkrieg die großen Imperien Englands und Frankreichs in der Auflösung begriffen waren. Dies bedeutete ein vermehrtes Interesse und eine gerechtere Würdigung der,fremden Völker', die sich auch damals schon auf die Betrachtung antiker Verhältnisse ausgewirkt haben mag. Friederike Heubner konzentriert in ihrer Rostocker Dissertation ,Das Feindbild in Caesars Bellum Gallicum' (1971 bzw. 1974) im Hauptteil ihr Interesse auf,Die Feinde des 1. Buches' (2. Kap.); dort aber verdient Ariovist die größte Aufmerksamkeit. 72 Das Ergebnis ihrer 7 0 Für Walser ist es in der Dissertation entscheidend, daß wir bei Tacitus „nie ein wirklich historisches Erkennen des Fremden" finden |S. 154). Ob Caesar das Fremde oder Unrömische unvoreingenommen erkannt hat, ist weniger wichtig als die Antwort auf die Frage, ob er sein zweifellos großes Wissen zu einer unvoreingenommenen D a r s t e l l u n g verwertet hat; im Falle Ariovists wird man vermutlich anders antworten als im Fall der Exkurse. 71 Walser stützt diese Aussage durch eine umfangreichere Anmerkung (u. a. Verweis auf seine Dissertation S. 67 ff.). - Eine gewisse Delikatesse oder Pointe besteht darin, daß der Haeduer Diviciacus den Germanen als Barbaren charakterisiert: Wenn es der Kontext wünschenswert erscheinen läßt, stellt Caesar auch die Haeduer als Barbaren hin (140,9: Unter den von Ariovist besiegten homines barbaros atque imperitos hat man in erster Linie die Haeduer zu verstehen). 7 2 Die Dissertation vom f. 1971 ist erschienen in: Klio 56, 1974, 103-82. Die Kapitel 1 und 3 behandeln: ,Der Begriff „Feindbild"' und ,Das Feindbild im Bellum Gallicum oder: Die Leistung der Charakteristika' (103-119; 170-182). Das 2. Kapitel gliedert sich folgendermaßen: ,Die Helvetier und Divico. Die Rolle des Orgetorix. Der Haeduer Dumnorix' (119-149) und .Ariovist als Repräsentant der Germanen' (149-170). Die Gewichtung innerhalb des 2. Kapitels ist sinnvoll.
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Überlegungen läßt sich mit dem Stichwort „Argumentationsfunktion" zusammenfassen (T 22): Caesar teilt nur die Charakteristika eines Feindes mit und nur soviel, wie im Rahmen seiner jeweiligen Argumentation nötig ist. Nur dort, wo eine wesentliche Bewegung zu motivieren ist, sieht der Autor Anlaß, auf die Züge eines feindlichen Volkes - wie der Helvetier - oder eines Individuums - wie Ariovists - einzugehen; er bedient sich dabei der gängigen Merkmale fremder oder barbarischer Völker. Die fünf Etikette, die Diviciacus für Ariovist formuliert, sollen mithelfen zu erklären, warum der römische Proconsul dem amicus populi Romani höchst kritisch gegenübertritt (S. 150ff.). Caesar ist es also nicht darum zu tun, ein abgerundetes Bild einer Person der Handlung zu entwerfen, sei es nun ein Feind oder ein Römer.73 - Blickt man allein auf die Behandlung des Bellum Gallicum, wie sie die Verfasserin im 2. und 3. Kapitel vorlegt, so ließe sich ihre Arbeit in die Entwicklung der Forschung einordnen, die nun schon seit längerem der Objektivität Caesars zweifelnd entgegentritt und mit größerer Intensität der literarischen Funktion der einzelnen Aussage nachgeht. Doch der Charakter des vorangehenden 1. Kapitels schafft ein Problem. Hier geht es am Ende darum, daß Caesar nicht nur sein höchst individuelles Bild von irgendeiner Person vorlegt, daß vielmehr Vorstellungen seiner eigenen sozialen Schicht und Erwartungen des Publikums in das jeweilige Porträt einfließen.74 Dies Kapitel nun stellt, versehen mit einer beträchtlichen Zahl von Marx- und Lenin-Zitaten,75 Caesar in den Rahmen des „Impeiiumsgedankens der herrschenden 73 Heubners These gilt (läßt man die Barbaren-Topoi beiseite) ebenso sehr für die Feinde wie für die Untergebenen des Proconsuls. Allerdings sollte man besser nicht vom Ergebnis sprechen (das das Bellum Gallicum liefert), sondern von den Zielen des Autors: Bei hinreichend verfeinerter Analyse läßt sich doch manches über Ariovist aussagen, das sich mit den Zielen Caesars gerade nicht deckt. - Heubner wendet sich primär gegen H. Oppermann, .Caesar. Der Schriftsteller und sein Werk', 1933, S. 85: Caesar „stellt den ganzen Menschen lebendig hin. Äußeres und Inneres, die Handlung und der Charakter, dem sie entspringt, sind in seiner Darstellung eins wie in der Wirklichkeit als seiend gegenwärtig" - „Dieser Meinung kann ich nicht zustimmen" (Heubner 181, 342). Ob Oppermanns Ansicht etwa für die 60er Jahre repräsentativ ist, erscheint mir fraglich. 74 „Caesars Darstellungsweise ist eine subjektive Formung des Begriffes .Feind'. Hier fließen die staatlichen und Caesars Interessen und die in Rom herrschenden Ideen, Theorien, ethischen Normen ein in die Gestaltung seines Feindbildes, das er, auf dem traditionellen Bild aufbauend, der konkreten Situation entsprechend modifizierte. Caesars taktische Varianten, die Einschätzung der Situationen und des Gegners und insbesondere seine Darstellung des Krieges, sind ideologiegebrochen" (S. 119; Schluß des 1. Kapitels). 75 Das 1. Kapitel beginnt mit einem langen Lenin-Zitat (61 Wörter|, die letzte Anmerkung des 1. Kapitels lautet: „Marx schreibt dazu in der 6. These an Feuerbach, in: MEWerke 3,6, der Mensch ist das ,ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse'" (S. 119,
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Klasse und ihrer gesamten Ideologie" (T 22); die „Aggression in Gallien" (T 22) erweist ihn - vereinfacht gesprochen - als Repräsentanten des römischen Imperialismus. Damit wären wohl Sympathien für die ,Opfer der Aggression' verbunden, unter ihnen Ariovist. Mit Köstermann verbindet die Verfasserin ein Teil des Ergebnisses, die Destruktion der von Caesar intendierten Ariovist-Charakteristik; im Blick auf dies 1. Kapitel wäre allerdings die Ausgangsposition Heubners die, daß Ariovist primär als Opfer der Aggression gesehen wird. 76 Das angedeutete Problem besteht nun darin, daß jenes 1. Kapitel m. E. mit dem folgenden erstaunlich lose verbunden ist 77 (so daß die gesonderte, vorangestellte Betrachtung des 2. Kapitels nicht abwegig ist). Diese Diskrepanz ließe sich nur durch Hypothesen erklären. Die Schwierigkeiten bei dem Bemühen, ein Bild des historischen Ariovist zu entwerfen, sind zugegebenermaßen nicht gering, da ja Caesars ebenso tiefgreifende wie einseitige Stilisierung zu überwinden ist. Das Entscheidende dabei aber scheint doch zu sein, daß der Autor in seinen recht breiten Ausführungen eine Vielzahl von Nachrichten über Ariovist mitteilt; und das Material reicht aus, sich zu einem Gutteil von Caesars Einfluß zu befreien: Um den römischen Soldaten die Angst vor der Tapferkeit der Germanen zu nehmen, wird Ariovists Sieg über die Haeduer herangezogen, der magis ratione et consilio quam virtute errungen sei (I 40, 8). Wäre man allein auf diese Schlagworte angewiesen, hülfe dieser Passus nicht. Doch zur Stützung der These bringt der
85). S. 107, 14: ,,Vgl. dazuj. v. Witzleben, Das ,Kiiegsbild' - Ausdruck der Aggressivität des westdeutschen Militarismus, in: Einheit 10 (1966), 1319-1334". Karl-Heinz Otto, Deutschland in der Epoche der Urgesellschaft (500000 v. u. Z. bis zum 5./6. }h. u. Z), '1959 = 21961 (der Autor bemüht sich,,,auf der theoretischen und methodologischen Grundlage des historischen Materialismus die Quellen [. . .] möglichst allseitig auszuschöpfen", S. V) nennt Ariovists Vorgehen gegen die Sequaner „räuberisch und durch Beutegier und Machtstreben bestimmt"; er scheiterte an der,,überlegenen römischen Politik und Kriegskunst", d. h. am,,römischen Sklavenhalterstaat" (S. lllf.). 76 Köstermann wird im, Verzeichnis der in größerem Umfange benutzten Literatur' zitiert, doch gibt es, wenn ich nichts übersehen habe, nur zwei Zitate (ablehnend 180, 334; kommentarlos 150, 244) und einen Verweis (149, 242). 77 In Kapitel 2 und 3 fehlen, wenn ich recht sehe, Marx-, Lenin- und ähnliche Zitate völlig. - Daß hier der Begriff,Feindbild' entweder begegnet oder durchschimmert, ist natürlich unbestritten; nur wäre zu untersuchen, ob dort das »Feindbild' im Sinn des 1. Kapitels oder sehr viel allgemeiner und unverbindlicher erscheint. - Eine Art Verbindung zum 1. Kapitel stellen dann die Schlußsätze der gesamten Arbeit (s. T 22) in sehr lockerer Form dar.
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Autor einige Details, die - unabhängig von der Argumentation - überraschende militärische Fähigkeiten Ariovists erweisen. 78 Zum Problem der caesarischen Stilisierung tritt die Spezialisierung der Forschung. Das Bellum Gallicum als zentrale Quelle spricht primär Altphilologen und Althistoriker an, deren Interesse zumindest zu gleichen Teilen beiden Kontrahenten gilt: ,Caesai und Ariovist' ist der häufig gewählte Titel der Arbeiten. Aber es sind doch wohl nicht allein diese beiden Schwierigkeiten, die dazu führten, daß in den letzten Jahrzehnten keine spezielle Untersuchung vorgelegt wurde, der es allein um das Bild des historischen Ariovist geht. 79 Hier hat augenscheinlich die Germanen-Verherrlichung des Dritten Reichs abschreckend gewirkt. Ohne jetzt in eine detaillierte Interpretation einzutreten, darf man zugunsten von Ariovists geschicktem Vorgehen als gewichtiges Argument das Bellum Gallicum anführen: Das Bemühen des Autors Caesar, Ariovist als bösartig, dumm und dreist erscheinen zu lassen, wirkt weithin arg angestrengt, wenn nicht verkrampft. 80 7 8 Heubners Bemerkung, man könne Ariovist und Dumnorix„nur auf Grund der von Caesar für erwähnenswert gehaltenen spezifischen Situation und Motivation" unterscheiden (T 22; meine Hervorhebung) differenziert nicht genug. Dumnorix bleibt angesichts der wenigen Erwähnungen eher blaß. Anders bei Ariovist, dessen Gestalt im Mittelpunkt von I 31-53 steht. Und zudem spricht es für den Autor Caesar, daß er es z. B. I 40,8 nicht bei bloßen Behauptungen und Schlagworten bewenden läßt, sondern auch Fakten liefert: Ariovist verweigerte solange die Schlacht, bis sich beim Gegner Auflösungserscheinungen zeigten - dies spricht nicht primär für Wahrheitsliebe oder Objektivität, sondern für Caesars Kenntnis der unterschiedlichen Wirkung von Tatsachen|behauptungen) und Schlagworten. 79, Caesar und Ariovist': H. Diller, 1935 (s. Anm. 55]; Köstermann, 1940 (T 18); Christ, 1974 (s. Anm. 59); M. L. Deshayes 1960/61 (s. Christ 253,15); S. Gutenbrunner, ,A. und C.', Rheinisches Museum 96, 1953, 97-100 |zu Verlauf und Ausgang der Schlacht); hierher gehört ferner Walser,,Caesar und die Germanen', 1956 (T 21). - K. Fuß, .Ariovist', Zeitschrift für deutsche Philologie 70, 1948/49, 371-379, bildet nur scheinbar eine Ausnahme; dies deutet schon der Untertitel an:,Studie zum frühzeitlichen Herrschertypus'. Dem Verfasser (der die bisherige Forschung größtenteils neglegiert) geht es darum, „einen ergreifenden historischen Moment" zu betrachten (372), den Zusammenstoß AriovistCaesar: Es ist „das erste Wetterleuchten am historisch-politischen Horizont, ausgelöst durch die Friktion zweier Sphären, die innerlich grundverschiedenen Zeitaltern angehörten. Ariovists Untergang zeigt, daß der frühzeitliche Riese vor seiner Zeit zur Tat gedrängt hat" (379). Fuß' Aufsatz (im ,Marouzeau' nicht verzeichnet, von Christ a. O. angeführt) ist von der philologischen und althistorischen Forschung nicht zur Kenntnis genommen worden. 8 0 Die ,Rührszene' der Sequaner (132), deren Schweigen Diviciacus interpretiert, charakterisiert Christ 259 dahin, da& „deren rhetorische Übertreibung fast peinlich wirkt". Ariovists Antwort muß der Autor mit einer „deklassierenden Bewertung" einleiten: ad postulata Caesaris pauca respondit, de suis virtutibus multa praedicavit (I 44,1), mit „einer Wertung, welcher Caesars eigener Bericht völlig widerspricht" (Christ 267). Reizvoll ist die Divergenz in der Beurteilung der Unterredung 143—45; die einen halten Caesars, andere Ariovists Argumentation für überzeugender (Christ 271,59].
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Von den Personen, die am Zug der Kimbern und Teutonen beteiligt waren, gewinnt in der Uberlieferung am ehesten noch der Teutone Teutoboduus Profil. Aus den folgenden Jahrzehnten bis zu den sechziger Jahren ist uns kein Germane als Individuum greifbar. Aber auch in den fünfzig Jahren nach Ariovist lassen uns die erhaltenen Texte im Stich; erst mit Marbod und - natürlich - Arminius samt den Personen seines Umkreises werden in der Zeit um Christi Geburt wieder Individuen sichtbar.81 - Nimmt man alle die Nachrichten hinzu, die uns neben dem Bellum Gallicum von Ariovist berichten, die aber angesichts der Autorität Caesars nur ein Minimum an Aufmerksamkeit finden, dann ist die Bedeutung Ariovists ohne weiteres ersichtlich, im Rahmen der Uberlieferung. So scheint es denn auch nahezuliegen, Teutoboduus und Ariovist zu vergleichen, um - wenn möglich - die Entwicklung innerhalb von fünfzig Jahren anzudeuten. Doch zumindest der Versuch, dessen Ergebnis Fischer-Fabian vorlegt, kann nicht überzeugen (T 23). Es mag ja sein, daß Ariovist wirklich „eine Persönlichkeit neuen Typs" war,- nur dürfte man zur Stütze dieser These nicht mit derart überzogenen Kontrasten arbeiten - die Tatsache, daß keine erhaltene Quelle davon spricht, Ariovist sei gern über vier oder sechs Pferde gesprungen (s. Anm. 48), beweist noch nicht das Fehlen von Charakteristika oder Vorlieben, die einem römischen Senator unendlich fern waren.82 Ob sich Ariovists „Tugenden [. . .] von denen seiner Vorgänger fundamental unterschieden" haben (T 23), entzieht sich doch wohl unserer Kennt81 J. Haller-H. Dannenbauer, .Der Eintritt der Germanen in die Geschichte,, 4 1970, 19 und 30f. nennen Ariovist, Marbod, Arminius und übergehen Teutoboduus; ebenso verfährt das Lexikon der Alten Welt, während der Kleine Pauly auch Teutoboduus verzeichnet. Nicht ganz unproblematisch ist die Einordnung des Eburonen Ambiorix (die Eburonen werden II 4,9 zu den Germani in Belgien gezählt), der im J. 54 fünfzehn Kohorten hatte vernichten können (im Kl. Pauly breiter behandelt, im LAW in fast irreführender Kürze). Vgl. noch H. Callies, Hoops Reallexikon der Germ. Altertumskunde s. v.,Ariovist', 1972, 407 f. (zweifelhaft scheint mir, daß Ariovist „ vermutlich Münzen prägen ließ", es sei denn, man denke an die Vangionen-Prägungen, s. R. Göbl, Antike Numismatik, II, 1978, Tafel 125, Nr. 2656: „1. Jh. v. Chr."). 82 Unabhängig davon, daß sich Fischer-Fabian in dieser Partie (T 23) einer modernen Quelle anschließen dürfte (möglicherweise mit verherrlichender Tendenz), scheint der Preis Ariovists bei ihm primär auf der Neigung zu beruhen, historische Entwicklungen personalisiert zu sehen - was sich vielleicht in populärer Literatur nicht (ganz) umgehen läßt. 83 Die parallelen Vergleiche, Ariovist - Marbod' und, Ariovist - Arminius' sind, soweit ich sehe, nicht gewagt: Schon dadurch, daß sowohl Marbod als auch Arminius im römischen Heer gedient hatten, sind die Voraussetzungen bei ihnen vollkommen anders als bei Ariovist - der entscheidende Wandel hat sich erst in den fünfzig Jahren nach Ariovist vollzogen.
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Die Kriterien, auf Grund deren uns Nachrichten über einzelne Germanen erhalten sind, brauchen hier nicht untersucht zu werden, da im Falle Ariovists wenigstens soviel sicher ist, daß die Erinnerung an ihn nicht unverdientermaßen bewahrt wurde: Sein Sieg über das - wohl durch andere Gallier verstärkte - Haeduer-Heer und seine Verhandlungen mit Rom, die zur Anerkennung als amicus führten, sein großes aber nicht genau zu bestimmendes - Herrschaftsgebiet sowie schließlich im}. 58 die Verhandlungen mit Caesar und der Verlauf der Schlacht beweisen Fähigkeiten, die ihm eine hervorragende Posititon innerhalb der germanischen Geschichte sichern. Eine intensive Beschäftigung mit Ariovist - um seiner selbst willen, nicht nur als Kontrahent Caesars - schiene berechtigt und naheliegend, wenn nicht vor allem im deutschen Sprachraum die Erinnerung an die Germanen-Ideologie des Dritten Reichs schreckte.84
84 Wie unterschiedlich die Situation in verschiedenen Ländern bei parallelen Aufgaben ist, mag ein kleines Indiz verdeutlichen. In Frankreich hat augenscheinlich die Résistance das Interesse am Gallischen Krieg und an Vercingetorix gemehrt (s. Anm. 27), und daraus erklärt sich das Vorgehen von Jacques Harmand (, Une campagne césarienne. Alésia'), der Caesars Galli nahezu ausnahmslos „barbares" nennt: „Cet emploi risque de choquer l'opinion française, qui y verra une volonté systématique de dénigrer le patriotisme gaulois de 52 avant J. C. ainsi que Vercingétorix" (R. Schmittlein, Rezension Harmand, Gnomon 41, 1969, 169). Speziell Vercingetorix wird scharf attackiert, so daß er als Provokateur im Dienst Caesars erscheint. Diese Angriffe, die ein bis dahin ungebrochenes Verhältnis zur Geschichte der Gallier (oder zur französischen Geschichte?) voraussetzen, erfolgten im Jahre 1967.
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VI. KAPITEL
Zu dem Roman , Heerkönig Ariovist' von K. H. Strobl (1927) Wer sich fragt, welche Fakten mit dem Namen Ariovist ein Leser, der mit diesem Komplex nicht sonderlich vertraut ist, verbinden dürfte, wird kaum an der Antwort vorbeikommen, jener müsse in den Augen eines weiteren Publikums als ,der von Caesar besiegte Germane' erscheinen 85 - eine Folge der Tatsache, daß Caesars Bellum Gallicum unsere zentrale Quelle für alle Nachrichten ist, die Ariovist betreffen, daß es ferner großer Anstrengungen bedarf, sich vom Einfluß einer solchen Autorität zu lösen. Wird nun aber Ariovist als ,der von Caesar besiegte Germane' gesehen, dann muß es doch sehr überraschen, daß eben dieser Ariovist als Titelheld für einen historischen Roman gewählt wird von einem Autor, der - soviel kann ohne Bedenken vorausgeschickt werden - zumindest als deutschnational einzustufen ist. Und die Überraschung wird auch nicht geringer, wenn man einen weiteren Punkt hinzunimmt. Caesars Nachrichten machen es unmöglich, in überzeugender Weise ein heroisches Scheitern' oder einen, tragischen Untergang' Ariovists zu gestalten; das Bellum Gallicum berichtet nur von der gelungenen Flucht über den Rhein. 86 Die Lage ist hier also grundverschieden etwa von derjeni85 Als Beleg diene das,Lehrbuch der Geschichte für höhere Lehranstalten. III. Theil: Geschichte des Altertums' (Für die Obersekunda der höheren Knabenschulen und die Untersekunda der Studienanstalten) von Friedrich Neubauer, 21. Auflage (74.-82. Tausend), Halle a.d.S. 1913, S. 163, wo es über den gesamten Komplex heißt: „Noch in demselben Sommer zog er [Caesar ] gegen Ariovist. Es gelang ihm, der Angst seiner Soldaten Herr zu werden; nach vergeblichen Unterhandlungen fand bei Mülhausen im Elsaß die Schlacht statt, die zu einer Niederlage der Germanen wurde; Ariovist floh über den Rhein" (Hervorhebungen im Original). Wie sehr hier die römische Sicht der Entwicklung dominiert, liegt offen zutage - so daß eine Klage wie die von Rudolf Lange,, Cäsar, der Eroberer Galliens', Gütersloh (Gymnasialbibliothek) 1896, Vorwort, verständlich wird: ,,Es hat mich oft verdrossen, daß so viele Lehrer sich beim Lesen und Erklären von Cäsars Bellum Gallicum ganz auf den römischen Standpunkt stellen, wozu doch für uns Deutsche am allerwenigsten Berechtigung vorhanden ist. In der vorliegenden Schrift habe ich diesen Fehler nach Kräften zu vermeiden gesucht und mich bemüht, bei aller Anerkennung für Cäsars Größe und für die Tüchtigkeit seines Heeres auch den Galliern und vor allem den Germanen völlig gerecht zu werden". 8 6 B G 1 5 3 , 3 über die Flucht der geschlagenen Germanen zum Rhein: In his fuit Ariovistus, qui naviculam deligatam ad ripam nactus ea profugit. Uber das weitere Schicksal ist nichts bekannt; aus V 29,3 ist zu entnehmen, daß er im J. 54 bereits tot war. - Hier mag bereits erwähnt werden, daß Strobl im vorletzten Kapitel seines Romans (S. 327ff.) keine
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gen, der sich Felix Dahn in seinem Roman,Ein Kampf um Rom' (1876) gegenüber sah. Ein historischer Roman über Ariovist ist viele Jahrzehnte lang auch deshalb unwahrscheinlich, weil diese Literatur-Gattung zum einen der Antike insgesamt, zum anderen aber speziell dem 1. Jahrhundert v. Chr. (abgesehen von Spartakus) wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben scheint. Eine verallgemeinernde Aussage ist hier zwar nur mit großem Vorbehalt möglich, da das Material bislang nicht in der wünschenswerten Vollständigkeit vorgelegt ist. Es spricht aber manches dafür, daß erst im 20. Jahrhundert Stoffe des ersten vorchristlichen Jahrhunderts, aus römischer bzw. antiker Sicht erzählt, ein stärkeres Interesse fanden.87 Wenn aber ein deutschnationaler Verfasser eines historischen Romans sich germanischen Themen der Frühzeit zuwendet, dann bietet sich nachgerade Arminius an. Ganz abgesehen von der Schlacht im Teutoburger Wald, auf Grund deren ihn schon Tacitus den ,Befreier intensiven Anstrengungen unternimmt, dem Leser den Eindruck eines tragischen Scheiterns zu vermitteln (s. höchstens S. 331:,,Ariovist sann [. . .]seinen ungeheueren Plänen nach, Gallien den Germanen, [...]• Warum war es mißlungen, warum hatten diese Gallier nicht begriffen, daß man einen gemeinsamen Feind hatte, warum hatte er selbst es zu spät begriffenf"). Es dominiert - nur ein wenig abgeschwächt durch den Hinweis auf eine eitrige Wunde - das Bild eines gebrochenen Mannes: „Tagsüber saß Ariovist in der Herbstsonne vor seinem Haus" (S. 330). 8 7 Hannu Riikonen, Die Antike im historischen Roman des 19. Jahrhunderts, eine literatur- und kulturgeschichtliche Untersuchung, Helsinki, Commentationes Humanarum Litterarum 58, 1978, beabsichtigt gerade keine - mehr oder weniger vollständige - Zusammenstellung der Romane, so daß seine Wertung eher pauschal ist (das Personenregister' verzeichnet Caesar, nicht aber Ariovist): „Ebenso ist das erste vorchristliche Jahrhundert im historischen Roman verhältnismäßig wenig vertreten. Cicero, Catilina, Caesar und viele andere sind erst im 20. Jahrhundert in den Themenkreis des künstlerisch bemerkenswerten historischen Romans gekommen, obwohl sich einzelne Zeichen auch schon im vorhergehenden Jahrhundert finden (z. B. die Werke Hendersons und Herberts in England, E. Salburgs Caesar-Buch in Deutschland und G. Rovanis La giovinezza di Giulio Cesare in Italien). - Die bekanntesten Caesar-Romane des 20. Jahrhunderts sind The Ides of March (1948) von Thornton Wilder und The Young Caesar (1958) und Imperial Caesar (1960) von Rex Warner; vgl. auch Brechts Roman Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar (1957). Die große Monographie des Literaturkritikers Georg Brandes über Caesar erschien im J. 1918" (S. 36 mit Anm. 1). - H. Eggert, Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen historischen Romans 1850-1875, 1971, S. 209 bringt in Abb. 4 die „in den historischen Romanen behandelten geschichtlichen Stoffe" für 1850-1900; in die Rubrik „Antike Kulturen" (danach: „Germanische Zeit und Völkerwanderungszeit") fallen vor 1875 nur sechs von 388 Titeln (1,5%) und im letzten Viertel des Jahrhunderts 35 von 242 Werken (14,5%), von denen aber ein Großteil von dem Ägyptologen Ebers stammt (S. 90). - Riikonen S. 210ff. führt (,Antikeromane aus dem 19. Jahrhundert: Eine Auswahl'), z. T. gestützt auf Eggers, drei deutsch-sprachige Titel an: E. H. Bauer, ,Aut Caesar aut nihil! Geschichtl. Roman', 1893; Lucian Herbert, ,Bis zum Rubicon. Roman aus Cäsars Jugendleben", 1867 = Album, Jg. 22, Band 18-21; E. Salburg,,Caesar', 1890.
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Germaniens' nannte (Annalen 2,88: libeiatoihaud dubie Geimaniae), man weiß dank Tacitus' erhaltener Annalen und anderer Texte einiges über seine Familie und die hochdramatischen Stationen seines Lebens, daß er etwa seine spätere Frau entführte, daß diese mit dem gemeinsamen Sohn in römische Gefangenschaft geriet, der Bruder und der Schwiegervater auf der Seite der Römer blieben, er selbst schließlich von Landsleuten ermordet wurde. Kurz, die historische Bedeutung von Arminius' Handlungen steht außer Frage, und für das ,allgemein Menschliche' bietet die Uberlieferung einen Rahmen, der als Orientierimg dienen kann und zugleich doch dem Erfindungs-Reichtum des Verfassers genügend Spielraum läßt. So verwundert es nicht, beispielsweise 1863 auf dies Werk E. H. von Dedenroths zu stoßen:,Heimann, dei eiste Befieiei Deutschlands. Romantische Geschichte füi das deutsche Volk' (3 Bände; Scherl, Berlin).88 Der im folgenden zu betrachtende Ariovist-Roman aus dem Jahr 1927 ließe sich also, soweit er - ob nun mit Interesse oder nur notgedrungen sich mit Caesar beschäftigt, mit der seit Jahrhundertbeginn vermehrten Aufmerksamkeit für das erste vorchristliche Jahrhundert verknüpfen, während die Entscheidung für Ariovist als Titelheld so gedeutet werden könnte, daß nunmehr das Thema Arminius oft genug behandelt war und der Verfasser eine Konkurrenz mit den vorhandenen Werken scheut. Im Rahmen der germanischen Frühzeit bleibt dann kaum eine andere Wahl als eben Ariovist. Dies gilt indes nur unter der Voraussetzung, daß der Verfasser den Roman auf eine bedeutende Person hin anlegen will, über die die historische Tradition ein Minimum an Informationen liefert (was, wie oben S. 45 angedeutet, bei dem Teutonen Teutoboduus nicht der Fall ist).89 Die vorstehenden Überlegungen gingen von dem Ariovist-Bild aus (sofern von einem ,Bild' überhaupt gesprochen werden darf), das bei einem breiteren Publikum zu vermuten ist; vereinfacht geht es um den M
Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist (nach Riikonen 215) noch zu nennen F. Schmidt,,Hermann und Thusnelda', aus den siebziger fahren. Hier böte es sich an, auch das historische Drama in die Betrachtung einzubeziehen (Kleists ,Hermannsschlacht', 1808, und Grabbes .Hermannsschlacht', 1836). 89 Nur theoretisch bieten sich - neben Arminius/Hermann und Ariovist - noch zwei weitere Möglichkeiten, Werke über a) Civilis und den Bataver-Aufstand und b) die Cimbern und Teutonen, a) Bei Civilis spielen wesentliche Teile der Handlung auf dem Gebiet der heutigen Niederlande, außerdem könnten Civilis eher die Holländer als die Deutschen als Vorfahren beanspruchen. So scheint sich dies Thema für deutschsprachige Autoren nicht anzubieten (vielleicht gehört hierher Wilhelm Herchenbach, ,Die Bataver, histor. Erzählung', Regensburg 1867; den Titel hat Riikonen allerdings nicht von Eggers übernommen. F. Dahns,Die Bataver', 1890, datiert der Untertitel in di e .Völkerwande-
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Komplex ,Germanen und Römer'. Nun ist es aber doch nicht so, daß man Ariovists Handeln und Schicksal allein auf jene Konfrontation zurückzuführen gezwungen ist. Es gibt daneben - das macht, wenn auch in einer besonderen Weise, das Bellum Gallicum ebenfalls deutlich einen zweiten wesentlichen Aspekt, Ariovists Weg vom rechtsrheinischen Germanien nach Gallien. Das Thema , Germanen und Gallier' bleibt bei Caesar aber letztlich am Rande, es wird zudem mit einer unbestreitbaren Einseitigkeit (vor allem mittels der Figur des Diviciacus) behandelt. So müßte ein deutschnationaler Interessent die entsprechenden Partien des Bellum Gallicum entgegen den Intentionen des römischen Autors lesen und auswerten, wenn er Positives über die Germanen herausfinden will. Im Rahmen der Gattung des historischen Romans besteht im 20. Jahrhundert bei deutschen Autoren die Möglichkeit, Ariovist vor allem unter dem Aspekt, Germanen und Gallier' zu sehen, am ehesten in den zwanziger fahren. Eine solche Sicht wäre dann als Folge des ersten Weltkriegs zu deuten, sie stände unter dem Eindruck der deutschen Niederlage und des Verlusts Elsaß-Lothringens: Ein Indiz, das das Interesse an der Zeit Caesars und Ariovists in jenem Jahrzehnt andeutet, bietet der 1926 publizierte Text von Koepp (T 12b.d). Der Roman ,Heerkönig Ariovist' von Karl Hans Strobl (1927; K. F. Koehler in Berlin und Leipzig, 338 Seiten) geht auf die beiden Themen , Germanen und Römer' sowie , Germanen und Gallier' ein. Wenn man aber die historische Bedeutung der Schlacht, in der Caesar Ariovist besiegte, und ihre Konsequenzen für den Germanen in Rechnimg stellt, ferner den relativen Reichtum der Überlieferung für diese römischgermanische Auseinandersetzung, wenn man andererseits sieht, daß rung a. 69 n. Chr. '•, s. u.|. b| Bei den Cimbem oder Teutonen könnte man eine Schwierigkeit darin sehen, daß hier historisch wohlbekannte Personen fehlen. Für Strobl aber dürfte etwas anderes ausschlaggebend gewesen sein: Walter Bioems,Teutonen', 1926, lagen wohl schon vor, als Strobl mit dem .Ariovist' begann - vielleicht haben gar diese, Teutonen' (die ebenfalls bei K. F. Koehler verlegt sind) Strobl zu dem Roman über Ariovist animiert; der ungemein produktive Strobl (dazu u. S. 86f.) hat sich sonst anscheinend mit der frühen Zeit nicht beschäftigt (die, Teutonen' waren so erfolgreich, daß sie bereits 1927 in der 3. Auflage erschienen). Übrigens preist der Verlag im Anhang zum,Ariovist' die ,Teutonen' u. a. mit diesen Worten an:,. Ein historischer Roman aus der Urgeschichte der Germanen, der zu den wenigen belletristischen Werken gehört, die als Kulturbild ihren Wert immer behalten.,[. . ]und überall strahlt die heiße Liebe des Dichters zum Vaterlande hervor' (Dresdner Nachrichten, Dresden)". Zu Bioems,Teutonen' vgl. noch Anm. 98; 103; 105; 1 1 8 . - D a h n s , Bataver', diedem Gegensatz, Germanen-Rom', aber auch dem Kontrast ,Germanen-Gallier' gelten, und Bioems,Teutonen' haben in ähnlicher Weise Strobl von einer Behandlung dieser beiden Zeiten abgehalten und zugleich bei manchen Details als Vorbild gedient.
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sich Strobls Erfindungen darauf konzentrieren, die Beziehungen von Germanen und Galliern zu gestalten, dann darf man behaupten: Strobls Interesse gilt primär dem Komplex ,Germanen und Gallier'. 90 Ein Betrachter, der von den betreffenden oder betroffenen wissenschaftlichen Disziplinen kommt, wird von vornherein davon ausgehen, auf eine beträchtliche Zahl irritierender oder gar abwegiger Ingredienzien zu stoßen; er sollte aber auch gerade in unserem Fall nicht vergessen, daß über jene Zeit und Gegend nicht allzu viel an gesicherten Kenntnissen existiert, so daß manche Lücken eben durch die Phantasie geschlossen werden müssen. Auf der anderen Seite aber darf man erwarten, der Autor habe sich doch in der (populär)wissenschaftlichen Literatur umgesehen: Wie es darum bei der Prähistorie bestellt ist, wage ich nicht zu entscheiden, weil ich über den Stand der Forschung Mitte der zwanziger fahre nicht gut genug unterrichtet bin. Hinzu kommt aber noch dies, daß sich der Autor auch im Zusammenhang mit der gallischen und germanischen Zivilisation manche Freiheiten genommen haben wird, um der dramatischen Effekte willen. 91 Im Bereich der Altphilologie und der Alten Geschichte aber hat sich Strobl allem Anschein nach genauer umgesehen - diese Einschätzung basiert auf der Annahme, manche Szenen, die sich beträchtlich von der historischen Wahrscheinlichkeit entfernen, seien b e w u ß t unabhängig von der Uberlieferung komponiert, um der literarischen Effekte bzw. 9 0 Das Bild des Schutzumschlags (der Leinen-Ausgabe; im Original farbig) basiert auf der Nachricht des Bellum Gallicum, derzufolge es zu einer Begegnung Caesars und Ariovists gekommen ist: Planities erat magna et in ea tumulus tenenus satis grandis. [. . .] Eo, ut erat dictum, ad conloquium venerunt. [.. JAriovistus ex equis ut conloqueientui et praeter se denos ad conloquium adducerent, postulavit (I 43,1 ff.). - Das Bild widerspricht nicht der Interpretation, Strobls Interesse gelte primär dem Bereich ,Germanen und Gallier': Der Verlag, der hier die Verantwortung tragen dürfte, wird dort anknüpfen, wo er Kenntnisse des Publikums erwartet, und das ist nun eben die Thematik ,Germanen-Römer' - auf dem Bild sind die beiden Personen ohne weiteres - d. h. auch bei minimalen sonstigen Kenntnissen - als Römer und Germane zu identifizieren. 91 Die prähistorische Literatur, mit der sich Strobl beschäftigt haben könnte, ist am ehesten E. Wahle,, Vorgeschichte des deutschen Volkes', 1924, und C. Schuchardt,, Vorgeschichte von Deutschland', 1928 (dort S. 227 über Caesar und Ariovist), zu entnehmen. Ob Eberts Reallexikon der Vorgeschichte (ab 1924) oder Hoops' Reallexikon der germanischen Altertumskunde (1911 bis 1919 ] eine nennenswerte Rolle gespielt haben, erscheint zweifelhaft. - Zur Problematik der Erfindungen nur dies. Nach Caesar hat es vor allem in Aquitanien Bergwerke gegeben (III 21,3: multis locis apud eos aerariae [. . ,]sunt). Wenn es VII 22,2 heißt: apud eos magnae sunt ferrariae atque omne genus cuniculorum notum atque usitatum est, zielt der Autor doch wohl primär (mit eos) auf die Biturigen (um Bourges-zl varicum), nicht auch auf die benachbarten Völkerschaften. Bei Strobl aber spielen haeduische Bergwerke eine wesentliche Rolle (s. S. 83): Hier kann er sich augenscheinlich auf keine Überlieferung stützen, er hat Nachrichten, die sich auf nicht sonderlich entfernte Gegenden beziehen, auf das Haeduer-Land übertragen.
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der Dramatik willen.92 Hierzu zähle ich etwa jene Sitzung des römischen Senats, in der der Haeduer Divitiakus und Ariovist auftreten; dieser möchte - von Cicero unterstützt - Rom veranlassen, gegen die Germanen vorzugehen, während jener mit Caesars Hilfe die Anerkennung als amicus anstrebt und - begreiflicherweise - Erfolg hat (Kap. 22, S. 127ff.). Aus literaturwissenschaftlicher Sicht ist die Erfindung dieser Szene zu akzeptieren; ein Einwand könnte eher der sein, Strobl habe die reizvolle Konstellation im Senat, die er selbst geschaffen hat, nicht hinlänglich genutzt. Das Absurde und unfreiwillig Komische ist etwa in der Figur des germanischen Schmiedes Willo zu greifen, der nicht nur über die Kunst des Fliegens sinniert, sondern auch,,ein Wunder, ein helles, erhabenes, niederschmetterndes Wunder" hat produzieren können - ein großes Dreirad (S. 148). Da dieser Willo nun gar noch die Kraft des Dampfes entdeckt, kann er darüber nachdenken, das Rad durch Dampf antreiben zu lassen: „Mein Dreirad, [. . .] der Geist [ = der Dampf J auf seine Rädergelenkt, mein Dreirad geistgetrieben" (S. 161). - Diese extrem anachronistische Erfindung könnte man - aus heutiger Sicht - noch als Spaß werten oder abtun, wenn Strobl nicht mit der , Lichtgestalt' des germanischen Schmiedes einen gallischen Gegenspieler verbunden und den Gallier nicht als reines Scheusal gezeichnet hätte. Dieser Ikko,,, Willos Nachbar dadurch, daß er ihm einen Teil seines Landes hatte abtreten müssen" (S. 145), ist - um Details zu übergehen -derart „von Neid zerfleischt" (S. 148), daß er das ominöse Dreirad um jeden Preis erwerben will. Am Ende ermordet er den Schmied (S. 162).93 - Zur außerordentlich negativen Zeichnung des gallischen Individuums kommt dann noch - in demselben Komplex - die Grausam9 2 Es gibt natürlich Indizien, die bei einer Suche nach Strobls modernen Quellen (also nach anderen Caesar-Benutzern) hilfreich sein könnten. So heißt ein Suebe im BG 137,3 unbestreitbar Nasua, während Strobl wohl durchgehend (z. B. S. 330f.) von „Masua" spricht. Der Name des Orts, in dessen Nähe Ariovist über die Haeduer siegte, ist dem BG nicht eindeutig zu entnehmen: quod pioelium factum sit ADMAGETOBRIGAM / BRIGE (I 31,12); entweder liest man ad Magetobrigam (nahe M.) oder Admagetobrigae (zu A.), vgl. etwa das Material bei Ihm, RE s. v. Admagetobriga, 1893,377. Anhand solcher und ähnlicher Details ließe sich vielleicht etwas Klarheit über die modernen Quellen schaffen; immerhin scheint mir sicher, daß Strobl („Masua"; „Admagetobriga" S. 63 u. ä.) den oben im III. Kapitel vorgestellten Kommentar von Meusel (Nasua,- ad Magetobrigam, dazu auch im Kritischen Anhang) nicht konsultiert hat. 93 ,,Ikko aber beugte sein häßliches Gesicht über das Lichtiätsel" (S. 144); „Ikko warf ihm einen bösen Blick zu" (S. 145);,,[ . ,]daß trotz alledem Ikkos Herz voll Neid und Bosheit war, während er unterwürfige Andacht vor der Weisheit des Nachbarn heuchelte" (S. 146); „mit tückischer Aufmerksamkeit belauerte er Willos Arbeit" (S. 146); „Ikko aber sah dem Schmied mit heißen gierigen Augen nach" (S. 158); „[. . .] dann wäre er
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keit des Kollektivs: „Es war ein strenges, unerbittliches Gesetz bei den Galliern, daß jener, der zuletzt bei einer gebotenen Tagsatzung eintraf, ohne Gnade dem Feuer übergeben wurde. Da galt keine Ausrede, keine Beschönigung, keine Entschuldigung, es war eines der ganz alten, heiligen, fürchterlichen Gesetze, mit denen ernst gemacht zu werden pflegte" (S. 203). Da nun Ikko durch übernatürliches Wirken einen Unfall mit dem Dreirad erleidet, trifft er als letzter ein: „Die Flammen des Scheiterhaufens begegneten der aufgehenden Sonne, machtlos im Strahl des Tagesgestirns, aber stark genug, um Ikkos Geschrei bald zu ersticken und seinen Körper zu verzehren" (S. 204). So sehr den Leser die Bestrafung des Bösewichts mit Genugtuung erfüllen wird, so abstoßend dürfte auf ihn die Grausamkeit des gallischen Vorgehens wirken.94 Die kleine, um Willo und Ikko gesponnene Geschichte erscheint insofern repräsentativ für den Roman, als eine Art doppelter Strategie hier wie dort zu beobachten ist; es geht dem Autor mindestens in demselben Maße darum, die Germanen positiv und die Gallier negativ zu zeichnen. Bevor diese Haltung detaillierter belegt wird, ist noch auf den Aufbau des Romans und dessen Personal einzugehen. Caesar hatte einmal Ariovist anmerken lassen, die Germanen hätten seit vierzehn Jahren kein Dach über dem Kopf gehabt. Nun ist es zwar nicht absolut sicher, daß diesen Worten zu entnehmen ist, Ariovist sei mit seinen Scharen bereits 72/71 aus dem rechtsrheinischen Gebiet nach Gallien aufgebrochen, aber trotzdem ist Strobls Vorgehen ohne weiteres zu akzeptieren, der diesen Aufbruch eben 72/71 ansetzt und vielleicht durch den inen Flackerblick des Mannes gewarnt worden" (S. 160): Man sieht, unser Autor ist in der Wahl seiner Mittel nicht sonderlich anspruchsvoll. - Der Name Icco scheint in literarischen Texten nicht belegt zu sein, hingegen Iccius (die längere Form desselben Namens?) auch bei Caesar II 3,1; vgl. Anm. 98. 94 V 56,2 zum armatum concilium: quo lege communi omnes puberes armati convenire coguntur; qui ex iis novissimus convenit, in conspectu multitudinis omnibus cruciatibus adfectus necatur; zu den omnes cruciatus mag auch die Verbrennung gehören. Vielleicht ist noch eine Stelle über Vercingetorix hinzuzunehmen: nam maiore commisso delicto igni atque omnibus tormentis necat (VII 4,10). Wie Caesar mit den beiden Aussagen die Abtrünnigen Indutiomarus und Vercingetorix diskreditieren will, so verfährt augenscheinlich auch Strobl (die Übertagung auf das - von ihm erfundene - sequanische concilium ist durch das Wort von der in ganz Gallien üblichen Praxis gerechtfertigt). Nur wirkt Strobls Vorgehen deshalb eindrücklicher und im Blick auf die Gallier noch unerfreulicher, weil er vom Feuertod einer dem Leser bekannten Person schreibt und nicht abstrakt über eine lex. - Vielleicht ist noch dies zu notieren: Wenn Caesar aus römischer Sicht und für ein römisches Publikum über die,gallische Grausamkeit' schreibt (ähnlich übrigens Cicero in der Rede für Fonteius), scheint das verständlicher als bei Strobl, der sich bemüht, aus der Sicht der damaligen Germanen zu formulieren.
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in dieser Zeit auch mit der Erzählung beginnt. Doch über jene frühen Jahre läßt sich nicht viel historisch Belangvolles sagen, so daß nach der Vorstellung der wichtigsten Personen rasch ein Sprung vorgenommen werden kann. Bereits mit dem 10. Kapitel (von 58) ist nach „elf Sommern" (S. 49) das Jahr 60 erreicht, in dessen Verlauf es zum Sieg Ariovists über die Haeduer kommt (131,12: ut semel Gallorum copias pioelio vicerit, quod pioelium factum sit ad Magetobrigam). Von nun an wird einigermaßen gleichmäßig erzählt, wenn auch mit gewissen chronologischen Freiheiten. So erfährt der Leser zuerst von Ariovists Anerkennung als amicus populi Romani (S. 104-134), dann von dem Prozeß gegen den Helvetier Orgetorix; in Wirklichkeit hat sich das zuerst erzählte Geschehen i. J. 59 abgespielt, der Prozeß aber gewiß bereits 60 - die Umdatierung des Orgetorix-Prozesses basiert zweifellos nicht auf einer anderen Interpretation der Quellen, sondern resultiert aus dem Wunsch, den Prozeß mit Aktivitäten des Druiden Divitiakus zu verbinden, dem - als einem wichtigen Vertreter der Gallier - die Antipathien des Autors in einem ganz besonderen Maß gelten. 95 Mit dem 26. Kapitel (S. 148) ist der Auszug der Helvetier und damit das Jahr 58 erreicht, dem nun der restliche, größere Teil des Romans gewidmet ist (etwa drei Fünftel). Dabei ist es durchaus nicht selbstverständlich, daß Caesars Feldzug gegen die Helvetier zehn Kapitel oder fünfzig Seiten erhält (S. 148-199): Dies Geschehen spielt sich im Helvetier-, Sequaner- und Haeduerland ab, also in unmittelbarer Nähe von Ariovists Einflußbereich, so daß dessen Interessen aufs stärkste berührt sein mußten. Caesar aber hat in seinem Bericht über das Bellum Helvetiorum (I 2-29) Ariovist konsequent ausgespart, ein Vorgehen, das in der wissenschaftlichen Literatur auf teilweise sehr heftige Kritik gestoßen ist. Strobl hat also doch wohl nicht nur eine gewisse Lücke der Überlieferung schließen wollen, sondern auch auf Äußerungen der Wissenschaft reagiert. Zur Erzähltechnik ist noch eines anzumerken. Dreimal verwendet der Autor das Mittel des Briefes, stets schreibt Aulus Hirtius an Come95
„Zu den Dingen, die zwischen Cäsai und Divitiakus ausgemacht worden waren, gehörte, daß Divitiakus einen Boten zu den Helvetiern zu entsenden hätte";,,[. . . ]nicht ohne Grund fürchtete Divitiakus in ihm (Orgetorix) den ebenbürtigen Gegner" (S. 134f.): Strobls Divitiakus, der in jener Partie (S. 12.0ff.) Caesar zum Krieg gegen die Helvetier und letztlich auch gegen die Germanen anstiften will, ist nicht daran gelegen, ein Königtum - bei den Helvetiem oder bei den Haeduem - zu verhindern, er versucht vielmehr, sich erneut die führende Position in Gallien zu verschaffen. So ist er aus sehr eigennützigen Gründen am Tod des Orgetorix schuld - für diese Konstruktion bietet, wie noch einmal betont sei, das Bellum Gallicum überhaupt keine Basis.
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lius Baibus aus Gallien nach Rom (S. 204-209; 248-254; 334-338). Wenn auch die Verwendung dieses literarischen Mittels im historischen Roman gang und gäbe gewesen sein muß, so ist dennoch in unserem Fall das Vorbild des Bellum Gallicum über jeden Zweifel erhaben: Hirtius hatte seine Fortsetzung der sieben caesarischen Bücher des Bellum Gallicum mit einem Brief eingeleitet, der an Baibus gerichtet ist. Von diesen Briefen dient der erste dazu, die Caesur im Geschehen des J. 58 zu verdeutlichen, er trennt Caesars Helvetier- und GermanenFeldzug und entspricht von Ferne der großen Diviciacus-Rede des Bellum Gallicum (I 31), auf die er auch ausführlich eingeht. Der dritte Brief, der den Roman beschließt, endet - von Belanglosem abgesehen mit der Nachricht, eine germanische Gefangene habe Caesar vor den Iden des März gewarnt. Zuvor aber insistiert Hirtius (oder Strobl) auf der Undankbarkeit der Gallier - diese Wertung ist nur deshalb möglich, weil er nicht angemessen zwischen den Bewohnern Mittelgalliens und den Belgern unterscheidet, sondern primär auf die Gallier blickt.96 Die Aufgabe, den Roman mit einer ausreichenden Zahl von Personen zu füllen, löst der Autor bei den Germanen und Galliern auf drei Wegen, die von der Konstellation der Überlieferung bestimmt sind. 1. Dem Bellum Gallicum entnimmt er nicht nur die Titelfigur, sondern auch - als zentrale Gegenspieler unterschiedlicher Art - die beiden wichtigsten Haeduer: Ariovist, Divitiakus, Dumnorix; wie verdeutlichend angemerkt sei, hebt sich der „Divitiakus", die Figur des Strobl'sehen Romans, durchaus vom Diviciacus des Bellum Gallicum ab. 2. Beiläufig hatte Caesar einige weibliche Personen erwähnt, allerdings namenlos. Auf diese Nachrichten greift der Verfasser zurück, er gibt den Frauen bzw. Mädchen Namen und weist ihnen, um das weibliche Element im Roman gebührend berücksichtigen zu können, teilweise wichtige Rollen zu:97 9 6 Der zweite Hirtius-Brief (S. 248ff.) handelt primär von der Meuterei bei Vesontio (s. BG I 39-41). Wie im ersten Brief Diviciacus' Rede (I 31; oratio obliqua) so wird hier Caesars Rede (I 40; oratio obliqua) von Hirtius referiert. Durch die Aufnahme in einen Brief ist es Strobl möglich, jene Ansprachen in indirekter Rede vorzulegen, sich also besonders eng an das Bellum Gallicum anzulehnen. 9 7 1 5 3 , 4 : duae fuerunt Ariovisti uxores, una Sueba natione, quam domo secum duxerat, altera Noiica regis Voccionis SOIOT, quam in Gallia duxeiat a fiatie missam: utraque in ea fugaperiit; duae filiae:harum altera occisa, altera capto est.- VonOrgetorix'Toch-
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Gattinnen Ariovists:
Die Suebin (Sueba): Hawiu; Die Schwester des norischen Königs: Sigberta; Töchter Ariovists: Fawawisa (nach Strobl: Tochter Hawius); Idisa (nach Strobl: Tochter Sigbertas); Orgetorix' Tochter, Dumnorix' Gattin: Belsamis. 3. Der Autor sieht nun noch die Notwendigkeit, zwei weitere Ergänzungen vorzunehmen, um ein gewisses Gleichgewicht zu erreichen; hier aber kann er sich gar nicht mehr auf das Bellum Gallicum stützen. Zum einen erhält auch der Druide Divitiakus eine Familie: Divitiakus' Gattin: Gutrua. Vor allem aber muß die germanische Seite durch eine Reihe weiterer Personen vertreten sein, wird doch die Geschichte überwiegend aus der germanischen Perspektive erzählt. Folglich fügt der Autor zu Ariovist und seinen Angehörigen eine weitere, ebenfalls adlige Familie hinzu: Adagasul ) Brüder, Leubwin (stirbt bald an Verwundung, S. 53) / Generation Ariovists Ensilo 1 Söhne Radilo / Leubwins Es ergeben sich somit auf gallischer und germanischer Seite diese beiden Verbindungen: 98 Orgetorix Belsamis
°°
Adagasul
Dumnorix
Leubwin
Ensilo
Hawiu (Sueva)
Radilo
oo
Divitiakus
°°
Gutrua
Ariovist
oo
Sigberta (Norica)
Fawawisa (Verlobung)
Idisa
ter, die Dumnorix geheiratet hatte, ist gleich dreimal die Rede: itemque Dumnorigi [. . . ] filiam suam in matrimonium dat (13,5); Helvetiis erat amicus, quodex ea civitate Orgetorigis filiam in matrimonium duxerat (19,3); ipsum ex Helvetiis uxorem habere (118,7). Die I 26,4 erwähnte Orgetorix-Tochter (nach der Schlacht bei Bibracte gefangen genommen) wird man - mit Meusel - nicht mit Dumnorix' Gattin zu identifizieren haben. 98 Für die gallischen Roman-Figuren, die im Bellum Gallicum keine Entsprechung haben, schafft der Autor die Namen auf folgende Weise: 1. Lukterius und Olloviko (dazu unten) haben im BG Namensvettern (Lucterius zuerst VII 5,1; Ollovico nur VII 31,5). - 2.
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Für unsere wichtigste Frage, nämlich die, welches Bild von Germanen und Galliern der Verfasser sich gemacht hat und dem Leser vermitteln will, sind die, Staatsaktionen', die Strobl selbstverständlich nicht übergeht," schon deshalb weniger bedeutsam, weil sich der Autor angesichts der historischen Überlieferung in seinen Möglichkeiten eingeengt sieht. Bei der Gestaltung des Alltags aber kann er weitestgehend frei erfinden. Hier also müßten die Tendenzen und Uberzeugungen des Autors um vieles deutlicher zu greifen sein. Wie kaum anders zu erwarten, hat Strobl den Liebesbeziehungen eine beträchtliche Aufmerksamkeit geschenkt - nicht umsonst hatte er den Aus dem Namen des Remer-Fürsten Iccius wird die Kurzform Ikko gebildet (s. Anm. 93); dem Männer-NamenGutuatrus (VIII38,3; s. VII3,1) dürfte Strobls,.Gutrua" entsprechen (nach Meusel zu VII3,1 wäregutuater ein keltischer Priestertitel gewesen). - 3. Der Name Belsamis (für den es im BG weder eine Parallele noch einen Ausgangspunkt für die Erfindung gibt) ist gewiß mit dem Namen der Göttin Belisama zu verbinden (die übrigens ausgerechnet mit der keuschen Minerva identifiziert wird, s. A. Holder, Alt-Celtischer Sprachschatz I, 1896, 386). Die Namen der erfundenen germanischen Personen sind unzweifelhaft germanisch, vgl. E. Förstemann, Altdeutsches Namenbuch, 2. Aufl. 1900: Willo (Förstemann 1592: „sehr häufig"); Sigberta (1322: Sigiberta); Leubwin (1030: Leubwini, fem. Leubwinis; 1609: Liubwin); Radilo (1207: Ratilo, fem. Radila). Nicht ganz so eindeutig scheint die Beziehung bei Ensilo (453: Enhilo); Idisa (946: Itissa); Hawiu (802: Hav-); Fawawisa (503: Fava; 1563: fem. -wis); keinen Ansatzpunkt für eine Deutung bietet Förstemann für Adagasul (152ff.: Ada-). Das heißt, daß Strobl eine (populär-)wissenschaftliche Quelle benutzt haben muß, gewiß nicht Förstemanns Buch. - Ein ähnliches Ergebnis erbringt die Betrachtung von Bioems,Teutonen' (dessen Namen bei Strobl n i c h t begegnen), mit der einen Besonderheit, daß Bloem eine Vorliebe für das Nebeneinander von vollständigem und verkürzten Namen hat (S. 41-55: „Iimintiud - Imiza-, Hiltipurch-Hidda; Wigburg-Wiba; Eodbert-Eddo; Sigerich-Sicco"). 9 9 Die , Haupt- und Staatsaktionen' werden nur zu einem kleinen Teil in den Mittelpunkt gerückt (Ariovist in Rom, die Meuterei in Vesontio, vor allem Ariovists Niederlage), die Mehrzahl wird allein in Spiegelungen oder Brechungen berücksichtigt: Der Autor entfernt sich - teilweise notgedrungen - vom Bellum Gallicum. Zum anderen ist noch anzumerken, daß von diesen Ereignissen eines vollständig erfunden ist (Ariovist und Divitiakus vor dem römischen Senat), ein anderes (Dumnorix' Ermordung) aus dem Jahr 54 in den Sommer 58 vorverlegt wurde. Zu nennen wären hier etwa: Ariovists Aufbruch nach Gallien im f. 72 (S. 7ff.); die Schlacht bei Magetobriga, die aus der Sicht des zu spät eintreffenden Radilo und seiner Begleitung erzählt wird (S. 49ff.) ; Ariovists Rom-Aufenthalt, eine Erfindung Strobls, aus Ariovists Anerkennung als amicus entwickelt (S. 104ff.); der Orgetorix-Prozeß (S. 134ff. ; BG I 4); die Auseinandersetzung Caesars und der Helvetier bei Genf (S. 148ff.; BG I 8); die Verhandlungen Caesars mit dem haeduischen Adel (S. 173 ff.; BG I 16 ff. f; Folgen der Helvetier-Niederlage (S. 192ff. ; s. BG I 25ff.) ; die Meuterei bei Vesontio (S. 230ff. 248ff; BG I 39ff.|; die Begegnung Caesars und Ariovists (S. 255ff. ; BG I 43ff.); Dumnorix' Ermordung (S. 277ff. ; BG V 6f. ; vgl. aber I 19f.); Ariovists Niederlage (S. 296ff. ; BG I 50ff.).
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weiblichen Personen, die Caesar beiläufig und namenlos erwähnt, Namen verliehen und sich damit die Möglichkeit geschaffen, Individuen oder auch nur Schemen zu entwickeln. In diesem Bereich sind es in erster Linie zwei Erzähl-Komplexe, die Beachtung verdienen, Ariovists Stellung zu seinen beiden Frauen sowie die Beziehungen der Dumnorix-Gattin Belsamis zu den beiden - erfundenen - Brüdern Ensilo und Radilo. Wie Caesars Worten (153,4) eindeutig zu entnehmen ist, war Ariovist gleichzeitig mit zwei Frauen verheiratet. Dies erscheint Strobl augenscheinlich anstößig, und so bemüht er sich um eine Abschwächung: Als Ariovist im f. 72 vom rechtsrheinischen Gebiet nach Gallien aufbricht, läßt er seine suebische Gattin, Hawiu, in der Heimat zurück. Erst im Sommer 58 darf sie nach Gallien kommen, Strobl hat damit für vierzehn Jahre die anstößige Bigamie (so nämlich stellt sich ihm Ariovists Verhalten dar) ausgeräumt. Die suebische Gattin kommt in dem Augenblick, „wo es ums Ganze" geht (S. 209), ihr fällt nun der erste Rang zu. Die Germanin aber vergilt der Anderen die Bosheiten der Vergangenheit nicht: Es ist nicht zu verkennen, daß der Autor jener Gattin mit großer Reserve gegenüber steht, die nach Caesars Zeugnis von ihrem königlichen Bruder aus Noricum nach Gallien zu Ariovist gesandt worden war. Diese Keltin, die Strobl ausgerechnet Sigberta nennt, ist also eine Fremde, sie gehört - in den Augen des Verfassers - nicht wirklich zu Ariovist. 100 Kurz, es ist nicht überraschend, wenn Strobl einseitig urteilt: „Jetzt war Hawiu immer um Ariovist, Sigberta schmollte im Hintergrund des Hauswagens, in dem sie gefahren wurden, zänkisch, übellaunig, geneigt, in allem eine Beleidigung und Herabsetzung zu sehen. Sie ertrug es schlecht, von der ersten Stelle abgesetzt zu sein, würgte Groll in sich und spie ihn bei jeder Gelegenheit gegen Hawiu, sie flüsterte mit der kleinen Idisa [. . .]und verhetzte es-, wie eine kleine Katze der großen, so glich Idisa der Mutter, immer bereit zu fauchen und zu kratzen. Hawiu übersah großmütig alle Bosheiten und Feindseligkeiten" (S. 254). Eine Partie wie diese entbehrt nicht der fremdenfeindlichen, antikeltischen Haltung. Hier aber, bei Ariovists Frauen, ist selbstverständlich Zurückhaltung geboten, müßte doch jedes allzu deutliche Wort gegen Sigberta sich mittelbar auch gegen Ario100 „Die Schwester des Königs von Noricum hatte eine gewaltige Vorstellung von der Größe und Macht dieses [römischen] Volkes, das ihrer Heimat Nachbar war. Es war ein letzter Rest davon, daß sie von Haus aus nicht gebürtige Germanin war, sondern ein keltisches Fürstenkind, deren Volk diese Nachbarschaft ständige Schicksalsdrohung schien" |S. 100).
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vist richten, gegen den Titelhelden. Nicht umsonst sieht sich Strobl veranlaßt, Ariovist aus der Angelegenheit herauszuhalten: „Von all diesem Zank und Kleinkrieg erfahr Ariovist nichts" (S. 254). Belsamis, Dumnorix' Gattin und Orgetorix' Tochter, zeichnet Strobl als ,femme fatale' (mit einer angedeuteten Begründung: eine verschmähte frühere Liebe; Rache für die Ermordving des Vaters); sie stellt eine Herausforderung für die beiden jungen Germanen dar, die der Autor erfunden hat, für die Brüder Ensilo und Radilo. Wie nur zu naheliegend, wählt der Verfasser für das Verhalten der beiden den Kontrast, allerdings handelt es sich dabei nur um zwei Möglichkeiten des Scheiterns. - Ensilo verfällt der Gallierin so sehr, daß er nicht nur alle seine Pflichten vergißt, sondern schließlich sogar - nachdem Belsamis sich von ihm abgewandt hat - seinen Bruder erstechen will. Erst die Abwehr des Anschlags bringt ihn „aus seiner Raserei durch den plötzlichen Schmerz [des gebrochenen Handgelenks]zur Vernunft". Das Verhältnis der verheirateten Gallierin mit dem jungen Germanen endet also mit dessen,.irrer Tat" (S. 218). In einer anderen Situation befindet sich anfangs Radilo - auf germanischer Seite nach und neben Ariovist die wichtigste Figur -, 1 0 1 ist er doch mit der Ariovist-Tochter Fawawisa verlobt. Aber er muß sie im J. 61 im rechtsrheinischen Land zurücklassen, und diese dreijährige Trennung schafft eine der Voraussetzungen für das Verhältnis Belsamis - Radilo. Zunächst allerdings ist die Beziehung, von Radilos Seite aus, noch unproblematisch: „In Belsamis' Augen flackerte, wenn sie Radilo erblickte, das begehrliche Feuer, das Dumnorix kannte, aber in denen Radilos lag nicht mehr als unbefangenes Wohlgefallen an der schönen Frau, eine unverhohlene Bewunderung, die sich nicht zu verstecken brauchte, weil sie ein gutes Gewissen für sich hatte, so ein rechtes vierschrötiges, germanisch geradkantiges Bauerngewissen" (S. 224). Bald aber erliegt auch dieser Germane den Nachstellungen und Verführungskünsten der Gallierin (S. 227ff.). Er nennt sich zwar selbst 101 Es wäre zu untersuchen, in welchem Maße man Radilo als einen fiktiven,mittleren Helden' zu sehen hat. Dieser lebt, nach Eggert (o. Anm. 87) 119, „in der unmittelbaren Nähe der historischen Persönlichkeiten, steht aber in der Regel nicht in einem engen Untergebenenverhältnis. Ihm muß eine gewisse Selbständigkeit erhalten bleiben, damit e r schon aus erzählerischen Notwendigkeiten - eine äußere Beweglichkeit besitzt, die ihn nicht an Alltag und Tageslauf der historischen Personen bindet"; vgl. noch R. Herzog, Antike-Usurpation in der deutschen Belletristik seit 1866, Antike und Abendland 23, 1977, 15 f. Es sei noch (auch im Hinblick auf Anm. 102) angemerkt, daß Strobl Radilo mit der Ariovist-Tochter verlobt sein läßt, die dieser von der Suebin (Hawiu) hatte. Eine Verbindung mit der Tochter der keltischen Sigberta erschien ihm also wohl schon bedenklich.
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„Abschaum"; „aber stärker als das Bewußtsein seiner Erniedrigung war die Liebe der Frau"-, der Gürtel Fawawisas, „ein Talismann einer fernen, zarten, märchenzarten Liebe", „hatte seine Kraft verloren" (S. 247f.). Radilo also läßt sich eine Weile pflichtvergessen treiben, doch kann sich Ariovist nicht ganz von jeglicher Schuld freisprechen: „Er hatte durchschaut, wie dieses Weib nach Radilo brannte, hatte eben dies in Rechnung gestellt, aber nicht die Schwäche des Mannes bedacht; er hätte gewarnt sein können, nach allem, was man von Belsamis wußte" (S. 286). So nun verliert Radilo Fawawisa, die Priesterin wird. Erst nach der Niederlage der Germanen, in haeduischer Gefangenschaft, wird er den Forderungen gerecht, die der Autor an ihn stellt. Es gelingt ihm, Fawawisas Tod herbeizuführen und sie auf diese Weise von der erniedrigenden Knechtschaft zu befreien. Dann gibt er sich selbst den Tod, seine germanischen Mitsklaven „fanden, er sei als ein Held gestorben" (S. 318ff.). Die Beziehung eines Germanen zu einer Keltin zeichnet Strobl gleich dreimal (nicht aber die einer Germanin zu einem Gallier). Im ersten Fall, bei Ariovists aus Noricum stammender Frau, liegt eine Notiz Caesars zugrunde, die zugleich auch noch von einer suebischen Gattin spricht. Das Konkurrenz-Verhältnis, das sich damit als eine Möglichkeit der Deutung abzeichnet, gestaltet der Autor soweit zuungunsten der Fremden aus, wie dies die Rücksicht auf Ariovist gerade noch erlaubt. - Völlig frei erfunden dagegen sind die Verhältnisse Belsamis Endilo und Belsamis - Radilo, die das - wenn auch abgestufte - Scheitern der Germanen verbindet. Die Möglichkeit, daß die Beziehung eines Germanen zu einer Gallierin oder eines Galliers zu einer Germanin positiv gewertet und gestaltet werden könnte, existiert für den Verfasser anscheinend nicht. 102 Nur eine Gallierin läßt Strobl den Leser genauer kennenlernen, Belsamis, „der die Liebe Urgrund, Beginn undZielder Weltschöpfung und alles Lebens war" (S. 318). Diese - abwertend gemeinte - Charakteristik und die vorgeführten Stationen ihres Lebens zeigen mit übergroßer Deutlichkeit, welch negatives Bild der Autor vermitteln will - es liegt
1 0 2 Die Tatsache, daß solche positiv gezeichneten Verbindungen fehlen, ist deshalb erwähnenswert, weil der Autor Ariovist die Absicht zuschreibt, ein besseres Kennenlernen, vielleicht gar eine Art Verbrüderung von Galliern und Germanen zu stiften |s. unten S. 88): Wäre es Strobl mit diesem Aspekt ernst gewesen, hätte er (gleichsam im Sinn einer deutsch-französischen Aussöhnung) ein gallisch-germanisches Paar erfunden.
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die Annahme nahe, er sei dabei nicht unbeeinflußt von Klischee-Vorstellungen ,der Französin'. 103 Wenn diesem erzählerischen Vorgehen eine anti-gallische (und antifranzösische?) Haltung zugrunde liegt, ist mit einer entsprechend eindeutigen Zeichnung der männlichen Seite des gallischen Personals zu rechnen. Diese ist nun in der Tat nicht zu übersehen, mit leichten Variationen. Von den beiden wichtigsten Galliern wird dem einen, Dumnorix, wenigstens noch eine Wandlung zum - relativ - Guten zugestanden, während Divitiakus, der Druide, vom Anfang bis zum Ende mit allen nur erdenklichen Negativa eingedeckt wird. Dumnorix, bei Caesar vor allem ein gefährlicher Römer-Feind, ist für den Leser des Romans zuerst der - erfolglose - Widersacher seines Bruders Divitiakus (S. 75ff.), dann werden seine Pläne enthüllt, das Königtum bei den Haeduem zu erringen (S. 92 ff.) - gegen Belsamis' Intrigen jedoch wagt er sich nicht zu wenden (S. 150). Am Ende des Werks aber, kurz vor der entscheidenden Schlacht gegen die Germanen, entdeckt der Autor doch noch eine andere, eine positive Seite bei diesem Gallier: Dumnorix „war ernstlich betrübt, das mit der Freiheit war ihm keine bloße Redensart; wohl dachte er auch dabei an sein fraglich gewordenes Königtum, aber er hatte wirklich Angst um die Freiheit bekommen". So nun kann Strobl, von Caesar überlieferte Worte übernehmend (BG V 7,8: saepe clamitans liberum se esse liberaeque civitatis), ihn direkt vor seiner Ermordung ausrufen lassen: „ ,Ich bin ein freier Mann, Bürger eines freien Staates'" (S. 279ff.). Dumnorix' anti-römische Aktivität und
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„Hatte sehen müssen [Ensilo], wie sie aus einem Arm in den anderen glitt, sie hatte sich gar keinen Zwang angetan und ihren Wandel kaum verhohlen [. . .]. Die vornehmen Herren hatten sie genommen und einander abgetreten, mit Großmut und eleganter Lässigkeit. Diese Dinge unterstanden hier nicht einem so grausamen Gesetz wie daheim, wo der Frevel am Heiligtum der Ehe durch schwere Strafe geahndet wurde" (S. 140). Möglicherweise spielt hier auch eine Aversion des Autors gegen die städtische Zivilisation herein, insistiert er doch mehrfach darauf, daß die Germanen aus Dörfern und Wäldern kommen (einen Teil der Germanen nennt er die,, Waldmenschen"), so daß das erste Betreten einer Stadt ein besonderes Ereignis darstellt: „Auch eine Menge Frauenzimmer war da, frechen, unzüchtigen Blickes, die allen Männern ins Gesicht lachten und sich zur Lust anboten" (S. 62f.); „es war erstaunlich, wie schnell die Händler und käuflichen Frauenzimmer vom Marktplatz verschwunden waren" (S. 64). Es scheint möglich, daß Strobl die Figur der Belsamis auch im Blick auf eine Erfindung in Bioems,Teutonen' gestaltete. „Vesunna" ist eine Gallierin, die zunächst zur römischen Sklavin, genauer: zur,,römischen Lustdirne" (S. 67) wird, dann - als Spionin zu den Kimbern und Teutonen gesandt - es dort gar bis zur Herzogin bringt (S. 217), um schließlich vom Verfasser,angemessen' bestraft zu werden. Als sie eine Belohnung von den Römern fordert, reagieren diese unerwartet und „erdrosseln sie; werfen ihren Leichnam ins Dickicht" |S. 317).
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seine Ermordung von römischer Hand sichern ihm schließlich noch eine gewisse Sympathie des Verfassers. 104 Diviciacus ist nach dem Bellum Gallicum maßgeblich dafür verantwortlich, daß Caesar sich gegen Ariovist wendet. So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn Strobl ihn mit ausgemachter Antipathie verfolgt. Sein Divitiakus hatte zwar für die Haeduer geschworen, sich jeder Handlung zum Nachteil der Germanen zu enthalten, dennoch kennen seine Quertreibereien und antigermanischen Handlungen keine Grenze. Die Erklärung liefert im Roman, auf Caesars Vorhaltungen, Divitiakus selbst: „,Auf bloßer Erde beim Eid mit nackten Sohlen zu stehen, gebietet das Gesetz. Die Erde muß den Schwur einsaugen und aufbewahren. Ich hatte unter meine Sohlen dünnes Leder geklebt, die Erde weiß nichts von meinem Schwur'" Diese Erklärung verschlägt - so Strobl - selbst Caesar die Sprache (S. 125). Ist schon der Politiker Divitiakus unserem Autor zuwider, so gilt dies - wenn möglich - in einem noch stärkeren Maße für den Druiden Divitiakus. Von mehreren eindrücklichen Belegen sei nur einer angeführt, wo es um das Schicksal der gefangenen Ariovist-Tochter Fawawisa geht: „ Unter den Amtsgenossen des Druiden war einer, namens Kamulogenus, ein hinfälliger Greis, aber keiner von der würdigen Art, sondern einer, der trotz seines Alters allen Lastern ergeben und von ihnen gezeichnet war. [. . ,]Er bot den widerwärtigsten Anblick mit dem eklen Aussatz, der seinen Körper bedeckte, der schmutzigen, faltigen Haut, die um sein übelriechendes, dürres Fleisch schlotterte, mit der ganzen verfallenen Lüsternheit, die immer noch nach Opfern gierig war. - Ihm wurde Fawawisa übergeben. Divitiakus meinte, die Tochter Ariovists, die Priesterin, könnte nicht besser aufgehoben sein als bei ihm" (S. 313f.). 1 0 5 1 0 4 Diese - historisch gesehen: gravierende - Umdatierung ist vermutlich dadurch bedingt, daß Strobl auch Dumnorix' Schicksal in seinem Buch noch zu einem (gewissen| Abschluß bringen wollte. Da nun das Bellum Gallicum neben jener todbringenden Episode nichts mehr über Dumnorix berichtet (abgesehen von einer kaum verständlichen Andeutung V 6,2), blieben dem Verfasser wohl nicht viele andere Wege, zu einer halbwegs befriedigenden Lösung zu gelangen. 105 Manche Aussagen über die gallische Religion und speziell über die Druiden sind am Bellum Gallicum orientiert. Doch im Gegensatz zu Caesar, der Diviciacus' Zugehörigkeit zu den Druiden übergeht (eher zufällig hat Cicero dies wichtige Faktum überliefert), ist der Strobl'sche Divitiakus weitgehend als Druide gesehen: Strobl erfindet eine Episode, in der Divitiakus einen Dumnorix-Helfer (Galba genannt, wohl in Anlehnung an II 4,7; 13,1) opfert - ein Menschenopfer, das der Leser direkt miterlebt (S. 85 ff.), ist natürlich eindrücklicher als eine ethnographische Notiz (s. VI 16) und muß den Leser gegen Divitiakus einnehmen, zumal Divitiakus ausschließlich eigensüchtige Motive zugeschrie-
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Es bleibt noch, was die Charakterisierung von Galliern angeht, auf das Schicksal eines Mannes hinzuweisen, der dem Leser gleich zu Beginn des Buches und dann immer wieder bis zur buchstäblich vorletzten Seite begegnet; es ist der verstümmelte Olloviko. Ausgangspunkt der Erfindung scheint eine Notiz Caesars zu sein, Vercingetorix habe leichtere Vergehen damit bestraft, daß er die Ohren habe abschneiden oder ein Auge ausstechen lassen (VII 4,10: commisso delicto [. . .Jlevioie de causa auribus desectis aut singulis effossis oculis). Da Strobl Olloviko nicht als Blinden gebrauchen kann (s. S. 321 ff.), sich aber auch nicht mit einer, begrenzten Grausamkeit' begnügen will, hat er seiner Figur neben dem Verlust der Ohren auch noch den der Nase zugefügt; „ein Mann ohne Nase und Ohien" heißt es noch zurückhaltend am Ende, in Hirtius' Brief (S. 337). Bei dem ersten Auftreten aber hatte sich der Verfasser weniger Zurückhaltung auferlegt: ,,Es wäre aber viel mehr Anlaß zum Erschrecken für den gewesen, dem Olloviko so plötzlich den Kopf zuwandte. Olloviko sah nicht schön aus. In der Mitte des Gesichtes [. . .]hatte er ein großes, zweigeteiltes dunkles Loch, durch das man wie durch die Mündung einer Höhle in das Innere des Kopfes sehen zu können glaubte. Das Loch befand sich dort, wo sonst bei anderen Leuten die Nase sitzt. Aber Olloviko hatte keine Nase, und er hatte auch keine Ohren, darum trug er Sommer und Winter eine Pelzkappe, die ihm um den halben Kopf herum bis in den Nacken ging" (S. 17). Damit nicht genug, bei jedem der vielen Auftritte wird auf sein Aussehen immer wieder hingewiesen, sei es mit dem einen Wort „der Verstümmelte" (S. 31 f. u. ö.), sei es daß die Reaktionen seiner jeweiligen Umgebung oder sein eigenes scheues Verhalten vorgeführt werden. Das Ziel dieser Erfindung, die nicht weniger abstoßend ist als das Fawawisa zugedachte Schicksal, scheint mir ein doppeltes zu sein. Zum einen sollte Divitiakus einmal mehr belastet werden, war er doch für diese grausame Bestrafung verantwortlich (seine Gattin Gutrua war, wie sie auf dem Totenbett andeutet, Olloviko verbunden gewesen; S. 242 ff.). Dieser Hintergrund der Verstümmlung aber wird erst sehr spät offenbart, und dadurch, daß die Gründe so lange im Dunkeln bleiben, wird auch das zweite Ziel des Verfassers deutlicher. Nicht so sehr für ben werden. Ob Strobl derartiges ,nur' auf Grund seiner Aversion gegen die Gallier erfindet oder ob auch eine antiklerikale Haltung eine Rolle spielt, muß offen bleiben. Auch hier mag noch einmal auf Bioems,Teutonen' verwiesen werden. Als die Frauen der bereits vernichteten Teutonen die Römer um den Schutz der Vesta bitten, fordert eine Römerin von Marius: „, Wirf die Hündinnen deinen Tioßknechten vor'" (S. 356, auf der drittletzten Seite; auf entsprechende römische Andeutungen hin wählen die Germaninnen den Tod - dies der Schluß des Romans).
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ein spezielles Individuum ist diese bestialische Art der Strafe charakteristisch, sondern für ein Kollektiv, für die Gallier - konsequenterweise hat Olloviko auch bei den Germanen Aufnahme gefunden und bleibt dort bis zu deren Katastrophe.106 Die gallischen Individuen, die dem Leser im Laufe des Romans besser bekannt werden, sind mit voller Absicht negativ gestaltet; das gilt ganz besonders für die wichtigsten Repräsentanten, Divitiakus und Belsamis. Demgegenüber ist es unwesentlich, daß wenigstens eine Randfigur freundlich gezeichnet wird. Lukterius, der zuerst und vor allem von dem Germanen Radilo gefördert bzw. geschützt wird, der dann aber die Wohltaten mit einer entsprechenden Hilfe vergilt, auf Kosten seines eigenen Lebens (S. 268ff.). - Angesichts dieser Verteilung von Licht und Schatten bei den einzelnen Galliern überrascht der folgende Vergleich von Galliern und Germanen nicht, den eine Person der Handlung ganz im Sinne des Autors vornimmt, ausgehend von dem behaupteten gemeinsamen Ursprung beider ('gallischer Dis = germanischer Tuisko'): „Dann hat dieser Vater zwei sehr ungleiche Söhne gehabt. So ähnlich sie [die Gallier]uns von Gestalt scheinen, so sind sie doch ein arges Gezücht voll Falschheit und Tücke. Sie wissen nicht, was Treue ist" (S. 65). Bei den G e r m a n e n lernt der Leser nur drei Personen näher kennen: Ariovist; Radilo; Adagasul, Radilos Onkel, Ariovist an Alter und Ansehen ähnlich. Während Radilo anfangs blaß bleibt (er ist nur uninteressant vorbildlich), gewinnt er später Profil, anläßlich der Verbindung mit Belsamis; Adagasul aber ist wohl nur als Kontrastfigur zu Strobls Ariovist zu verstehen. Den germanischen weiblichen Figuren - Hawiu und ihrer Tochter Fawawisa - wird insgesamt erstaunlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Bei der Charakterisierimg A r i o v i s t s sei aus dem reichen Material* nur ein Komplex ausgewählt, Strobls Auseinandersetzung mit den Angriffen, die Caesar im Bellum Gallicum gegen Ariovist richtet. 107 Es 106
Man mag sich fragen, ob die an mehreren Stellen herausgearbeitete gallische Grausamkeit auch die Funktion hat, die germanische Grausamkeit, die der Autor in einem spektakulären Fall erfunden hat (Geisel-Vernichtung im Bergwerk, s. S. 83), zu relativieren - dahinter steht allerdings die grundsätzlichere Frage, wie sorgfältig der Roman gearbeitet bzw. wie dicht das Geflecht der Beziehungen ist. 107 Selbstverständlich legt Strobl sehr direkte und sehr positive Urteile über Ariovist vor. Dies sei nur mit einem Beispiel belegt, mit den Worten des Feindes, der zugleich die größte militärische Autorität besitzt: „Der Scharfblick des Feindes nötigte Cäsar Achtung ab, das war kein wilder Draufgänger, sondern ein kluger Rechner" (S. 230). Diese Wertung, die vielleicht am Bellum Gallicum orientiert ist (140,8: Ariovist habe die Gallier besiegt magis ratione et consilio quam virtute), scheint indes in ihren Grundzügen fast schon zu einem Topos geworden zu sein (vgl. Fischer-Fabian in T 23).
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geht um das Ende der Zusammenkunft, die Caesar und Ariovist zusammengebracht hatte; um die Gefangennahme römischer Unterhändler; um den Vorwurf der Grausamkeit. Jene Zusammenkunft bricht Caesar in dem Augenblick ab, wo er vom aggressiven Vorgehen der germanischen Reiter erfährt. 108 Diesen Zwischenfall nun leugnet unser Roman-Autor nicht, er beläßt die Verantwortung auch bei den Germanen, befreit aber Ariovist von jeder Schuld. Der Stroblsche Ariovist ist nach Kräften um einen Ausgleich mit Caesar bemüht und scheut deshalb auch eine längere Unterredung nicht. Adagasul aber, „der unten in der Ebene Ariovists Reiter befehligte, dauerte es zu lange. [. . .] Adagasul hatte seinen Wurfspeer auf die Römer geworfen. In kurzem Galopp brausten die Reiter hinter ihm her, brüllten, schleuderten die Speere" (S. 231 f.). - Nicht den Heerkönig Ariovist trifft also die Schuld, sondern einen anderen, weniger einsichtigen Germanen. Das war hier Adagasul, er wird auch bei einem zweiten Zwischenfall bemüht. Auf Ariovists Vorschlag hin hatte Caesar zwei Unterhändler zu den Germanen gesandt, diese werden indes umgehend im germanischen Lager festgenommen. Das Verhalten Ariovists ist gerade auch nach dem Bellum Gallicum widersprüchlich, doch Caesar kann das Rätsel durch den Rückgriff auf das Bild vom unberechenbaren Barbaren lösen. 109 In unserem Roman nun kanzelte Ariovist die Gesandten zwar ab, aber er schickte sie wieder heim - für den Leser des Bellum Gallicum durchaus überraschend. Doch die Übereinstimmung mit dem Bellum Gallicum wird dadurch wieder hergestellt, daß Strobl umgehend die Gesandten verhaften läßt, auf Veranlassung Adagasuls: „Gesandtenrecht hin, Gesandtenrecht her, was ging Adagasul das Gesandtenrecht an, es waren Spione" (S. 265f.). Der Verfasser geht noch einen Schritt weiter in seinem Bemühen, die Germanen zu entlasten. Bald nach der germanischen Verfehlung (nicht: 108 146,1:/. . .] Caesari nuntiatum est, equites Ariovisti propius tumulum accedereet ad nostros adequitaie, lapides telaque in nostros coniceze (aus dem unpräzisen nuntiatum est wird bei Strobl: „,Achtung, Cäsar, sieh dich vor!' schrie Labienus plötzlich", S. 262). Die Worte des Bellum Gallicum lassen zumindest die Möglichkeit durchscheinen, Ariovist habe die Absprache verletzt und einen Anschlag auf die Römer versucht. Diese Deutung - eine von mehreren - baut Strobl aus. 109 Der Ariovist des Bellum Gallicum hatte um Gesandte gebeten (147,1: [. . ,]ex suis legatis aliquem ad se mittetet), die beiden Abgesandten aber unter dem Vorwurf der Spionage verhaften lassen (147,6: quid ad se venirenti an speculandi causa? conantes dicere prohibuit et in catenas coniecit). Nach Caesar hat Ariovist das Gesandten-Recht gröblichst verletzt. Die Verhaftung, die man nicht wird in Zweifel ziehen dürfen, ist für viele Forscher unverständlich, sofern sie nicht den Vorwurf der Spionage zu untermauern suchen.
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der Ariovists) ist von einer römischen zu hören, und bei dieser handelt es sich um eine reine Erfindung. Boten, die Ariovist zu den nahenden Sueben gesandt hatte, waren abgefangen worden: „Auf den spitzen Pfählen dei römischen Lagerschanzen erschienen eines Morgens die Köpfe der Boten" (S. 200). Wer also hier kurz vor der Entscheidungsschlacht eine Rechnung aufmachen wollte, käme - in absolutem Gegensatz zum Bellum Gallicum - zu einem für Ariovist und die Germanen positiven Resultat, dank Strobls Erfindungen. Der Vorwurf der Grausamkeit war im Bellum Gallicum vor allem von Diviciacus erhoben, im Rahmen jener sehr negativen Charakteristik Ariovists (s. T 15 und o. Kapitel V.).110 Auf diese schweren Anschuldigungen reagiert Strobl durchaus nicht mit Verschweigen, vielmehr gestaltet er die überaus knappen Andeutungen zu einem geschlossenen Erzählkomplex aus: Die anfänglich gute Behandlung der haeduischen Geiseln ändert sich in dem Augenblick, als sich die Haeduer an Caesar wenden. Nun müssen jene jungen Männer im Bergwerk arbeiten; sie „waren übler daran als die Sklaven, deren Stelle sie einnahmen", waren doch ehemalige haeduische Bergwerkssklaven zu Aufsehern gemacht, die sich durch das „Ersinnen täglich neuer Martern" auszeichneten (S. 184). Schließlich bricht noch eine Seuche aus: „Man ließ sie sterben" (S. 187).111 Die Grausamkeit des Bergwerk-Komplexes (Kap. 33, S. 183ff.) veranlaßt den Autor zu zwei sehr unterschiedlichen Entlastungsversuchen. Zum einen muß es ihm darum gehen, Ariovist selbst von möglichen Vorwürfen freizuhalten. Daß die Schuld die Ariovist-Kontrastfigur Adagasul trifft, kann nach den vorangehenden Beobachtungen nicht weiter überraschen; Radilos Einspruch ist vergeblich. 112 1,0
Der Diviciacus des Bellum Gallicum hatte zunächst allgemein vom ,grausamen Herrschen' (crudelitei impeiaie) gesprochen und dann ein wenig präzisiert: obsides nobilissimi cuiusque libeios poscere et in eos omnia exempla ciuciatusque edere, si qua res non ad nutum aut advoluntatem eius facta sit (131,12). Die Datierung ist ungenau (nach der Haeduer-Niederlage), Details über die ciuciatus fehlen. 111 Die Brutalität wird dadurch gesteigert, daß der Leser das Geschehen primär aus der Sicht des Lukterius (der Name nach einer Person des Bellum Gallicum, VII5 u. ö.| erlebt, der anfangs bei dem Schmied Willo untergebracht war:,,Lukterius schätzte sich glücklich, gerade zu Willo gekommen zu sein, ei [. . .] fühlte sich väterlich behütet" (S. 144). Dann aber tritt die extreme Peripetie ein. Lukterius überlebt, dank Radilos Eingreifen (S. 187f.|. 112 Uber die Qualität seiner Erfindung ist sich Strobl nicht im Unklaren: ,,Adagasul hatte den grausamen Gedanken gehabt, einige der früheren Bergwerkssklaven zu Gebietein über die unglücklichen Jünglinge zu setzen" (S. 184). Radilos Versuch, bei Adagasul Änderungen durchzusetzen, ist umsonst, er „mußte sich damit begnügen, zu mildern, wo er konnte" (S. 184).
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Der andere Weg, der Bergwerks-Geschichte die anti-germanische Spitze nach Möglichkeit zu nehmen, ist der, die Schuld der Bestraften herauszuarbeiten. Zu diesem Mittel greift Strobl in exzessivem Maße. Die Verpflichtung, keine Aktivitäten zum Nachteil der Germanen zu unternehmen, hatte der haeduische Adel durch die Geiselstellung stützen müssen,- aber mit dem Hilfegesuch, das von haeduischer Seite (hier, S. 156, bleibt Strobl sehr ungenau) an den römischen Proconsul gerichtet wurde, ist die Pflicht gröblich verletzt, und damit sei - so der Autor der Anspruch auf eine menschliche Behandlung der Geiseln erloschen: „Der Verrat der Haeduei [hatte die Geiseln ]zur Beigweiksaibeit verurteilt" (S. 183). Doch bei dieser - abwegig abstrahierenden - Begründung beläßt es Strobl nicht, zuvor bereits hatte eine Person der Handlung sich breit ausgelassen. Dies ist Adagasul, an dem der Autor nur eine gewisses Übermaß zu tadeln hat; aufs Ganze gesehen aber repräsentiert er die Meinung des Erzählers: „,Eme Väter und Brüder sind Meineidige, Schurken und Verräter! Ihr seid Söhne der Haeduer, eines Volkes, das selbst unter diesen Galliern sich auszeichnet durch Tücke, Hinterlist und Doppelzüngigkeit. [. . .]ihr sollt uns den Eidbruch entgelten!'" (S. 166). 113 Das Vorgehen des Autors scheint auf den ersten Blick überzeugend und konsequent: Er erzählt von germanischen Maßnahmen, die er selbst nicht billigt, folglich bemüht er sich um eine Entlastung der Germanen; nicht der Titelheld Ariovist, sondern Adagasul hat die Durchführung der Maßnahmen im einzelnen zu vertreten, die eigentliche Verantwortung aber trifft den haeduischen Adel, der - doch in Kenntnis der wahrscheinlichen Konsequenzen - sich wider den Vertrag an die Römer wendet. Da auch in den Augen des Verfassers die Geiseln selbst sich nichts haben zuschulden kommen lassen, da er selbst aber die Behandlung grausam nennt, wird diese Episode sich wohl jedem heutigen Betrachter als ,von Germanen organisierte Vernichtung unschuldiger Nicht-Germanen' darstellen und Erinnerungen an die Zeit 113 Zu den Vorwürfen Adagasuls [und Strobls) ist zweierlei zu bemerken. Nach der unbezweifelbaren Aussage des Bellum Gallicum haben die Helvetier im Haeduer-Land große Schäden angerichtet (111,1: agiospopulabantui; von Strobl 154f. übernommen), so daß sich die Haeduer nach Hilfe umsehen mußten, die kaum von den weit entfernten Germanen kommen konnte (auch Strobl müßte die beträchtliche Entfernung realisiert haben, ganz abgesehen von der langwierigen germanischen Mobilmachung). Zum anderen waren die Hilfegesuche (III) Caesar zwar hochwillkommen, doch hatte er sich längst entschieden, gegen die Helvetier zu ziehen; dies zeigen seine Aushebungen nach den Ereignissen bei Genf. Kurz, die Feldzüge Caesars gegen die Helvetier und dann gegen die Germanen sind durchaus nicht vom Verhalten der Haeduer abhängig.
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des Dritten Reichs wecken. Unter diesen Umständen dürfte es nur wenig bedeuten, daß sich auch für Erzähl-Komplexe dieser oder ähnlicher Art Parallelen in der extrem umfänglichen Roman-Produktion finden lassen werden.114 Die vorgeführten Versuche, Ariovist und die Germanen nach Kräften zu entlasten, könnten aber nur dann konsequent genannt werden, wenn der Verfasser tatsächlich genötigt gewesen wäre, von der Vernichtung der Geiseln zu handeln. Da nun aber das Bellum Gallicum bezüglich der Geisel-Behandlung nur knappe Andeutungen bietet, die zudem noch in ihrem Wahrheitsgehalt nicht über jeden Zweifel erhaben sind, bestand eine derartige Notwendigkeit nicht. Es ergibt sich damit die paradox wirkende Situation, daß Strobl Handlungen der Germanen erklären und entschuldigen zu müssen glaubt, die er selbst erfunden hat. 115 Das Paradox löst sich auf, wenn man auf das Ereignis blickt, das die Vernichtung der Geiseln bewirkt; dies ist das Hilfegesuch der Haeduer, und dem fällt in der Argumentation des Bellum Gallicum eine zentrale Rolle zu (I 11,2: Haedui [. . .] legatos ad Caesarem mittunt logatum auxilium). Aus dem Gesuch resultieren letztlich der Kampf gegen die Helvetier; deren Bezwingung; die Bitten ,fast ganz Galliens', gegen Ariovist einzuschreiten (130,1: totius feie Galliae), und damit auch der Untergang der Germanen. Dies heißt zugleich, daß nicht nur Diviciacus (s. 131), sondern der haeduische Adel oder Staat (111,2 Haedui) eine Entwicklung ausgelöst haben, mit der die Katastrophe der Germanen unlöslich verbunden ist. 116 Noch krasser als die implizite Argumenta114 Bezeichnend ist etwa die Charakterisierung eines Romans (C. Schmeling, ,Der Spion Wallensteins oder der drei Mal Gehängte', um 1858), die Eggert |s. Anm. 90) 94 f. vorlegt: „Das Werk besteht hauptsächlich aus einer Aneinanderkettung von halsbrecherischen Kämpfen und Uberfällen, Entführungsszenen und Duellen, heimlichen Stelldicheins, Intrigen der Rathausherren und Verratsepisoden, von Torturen aller Art, Verschwörungen, Kerkerszenen und Ausbruchsversuchen". 115 Allerdings sei in Erinnerung gerufen, daß auch in den zwanziger Jahren die Charakterisierung Ariovists, die Caesar Diviciacus in den Mund legt, weitestgehend für objektiv und zuverlässig gehalten wurde (s. Kap. V zu T 16). Insofern mag sich Strobl vor die Aufgabe gestellt gesehen haben, etwas detaillierter auf Caesars Worte über die grausame Geisel-Behandlung einzugehen. Andererseits hatte Strobl Hirtius die Deutung vortragen lassen, Divitiakus habe im Auftrag Caesars gesprochen; und damit müßte eigentlich jedes negative Wort, das Diviciacus im BG über Ariovist sagt, als wenig glaubwürdig abqualifiziert sein. 116 Die Interpretation der Eingangspartie des Bellum Gallicum wird dadurch erschwert, daß der entscheidende Schritt des römischen Proconsuls dort bewußt undeutlich angesprochen wird. Mit insgesamt fünf Legionen zieht Caesar von Nord-Italien über die Alpen ins Allobroger-Land, dann aber verläßt er seine Provinz, er betritt das Gebiet der Segusiaver. Im Bellum Gallicum wird diese höchst bedeutsame Maßnahme gerade nicht gebüh-
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tion des Bellum Gallicum ist die Deutung, zu der Strobl gelangt: Die Haeduer („Meineidige, Schurken und Verräter", S. 166) sind schuld daran, daß sich die Germanen um Ariovist links des Rheins in einem mächtigen Reich nicht auf Dauer haben niederlassen können. - Eine solche Schuld aber bedarf härtester Bestrafung. Karl Hans Strobl (1877-1946) ist ein ausgesprochen produktiver Autor gewesen, dessen Ansehen immerhin so groß war, daß ihm nicht nur eine Monographie gewidmet wurde (erschienen in dem uns interessierenden Jahr 1927), sondern er auch in Konversations-Lexika Berücksichtigung fand (zuletzt 1978). Von den zahlreichen Werken, darunter vielen zeitgeschichtlichen und historischen Romanen, in denen er „Fragen des Deutschtums" behandelte, mag die folgende Auswahl einen Eindruck vermitteln.117 Aus Gründen und Abgründen, 1901. Die Vaclavbude. Eine Präger Studentengeschichte, Seemann 1902. Die gefährlichen Strahlen, Fontane 1906. Der Schipkapaß, Fontane 1908. Der brennende Berg, Vita 1910. Eleagabal Kuperus, G. Müller 1910 (Phantastischer Roman). Die vier Ehen des Matthias Merian. Ein heiterer Roman, Staackmann 1913. Die drei Gesellen. Ein heiterer Roman, Staackmann 1914 (17. Jh.). Madame Blaubart, Wille 1915. Bismarck-Trilogie, Staackmann 1915-1919. Der Attentäter, Staackmann 1920 (Nationale Kämpfe um 1905). Verlorene Heimat. /ugenderinnerungen aus dem deutschen Ostland, Lutz 1920. Der dunkle Strom, Staackmann 1922 (Thom, 18. Jh.). Wir hatten gebauet, Roman, Staackmann 1923 (nach 1. Weltkrieg). Trilogie der Familie Freißleben, 1921-27. Das Geheimnis der blauen Schwerter, Staackmann 1925 (Dresden, Joh. Fr. Böttger). Der Goldberg. Ein Roman aus Kärnten, Staackmann 1926. Erasmus mit der Wünschelrute, Staackmann 1927. Heerkönig Ariovist, K. F. Koehler, 1927. rend herausgestellt: ab Allobrogibus in Segusiavos exercitum ducit; hi sunt extra provinciam trans Rhodanum primi (I 10,5). Nun erst folgen die Hilfegesuche (I 11). Angesichts dieser Verschleierungstaktik Caesars mag man Strobls unzutreffende Bewertung des haeduischen Hilfe-Ersuchens etwas weniger hart beurteilen. 117 Die Monographie von Dr. Anton Altrichter, Karl Hans Strobl. Ein Lebens- und Schaffensbild (125 S.; S. 119 ff. Bibliographie) ist 1927 im L. Staackmann Verlag, Leipzig, erschienen (auf den ,Ariovist' geht Altrichter nicht ein). - Das Zitat stammt aus dem Großen Brockhaus (16. Aufl., 1957); vgl. Meyers Enzyklop. Lexikon (22. Band, 1978): „Beschrieb in histor. und zeitgeschichtl. Romanen aus nationalist. Sicht den ,Volkstumskampf' im sudetendt. Grenzgebiet; schrieb daneben phantast.-groteske Spukromane, in denen er bes. E.T. A. Hoffmann verpflichtet ist". - Der Uberblick über die Romane basiert vor allem (bei den erläuternden Zusätzen) auf A. Luther, Deutsches Land in deutscher Erzählung, 2. Aufl. 1937. - Der L. Staackmann Verlag, 1869 gegründet, hat u. a. Werke von F. Spielhagen, P. Rosegger, R. H. Bartsch, F. v. Gagern und A. Wildgans veröffentlicht.
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Zwei Saltzenbrod, Staackmann 1928 (von 1848-1866). Die Fackel des Hus, Staackmann 1929. Od. Die Entdeckung des magischen Menschen, Staackmann 1930 (1840 und folgende Jahre in Wien). Prag. Geschichte und Leben einer Stadt, 1931. Goya und das Löwengesicht, 1932. Aber Innocenz! Ein bereits durchaus heiterer Roman, Zsolnay 1935. Die Runen und das Marterholz, Zwinger-Verlag 1936 (9. Jh., Christentum gegen Germanentum).
Dieser Uberblick dürfte neben der politischen Ausrichtung, die man deutschnational oder nationalistisch nennen mag, die Sonderstellung des ,Ariovist' verdeutlichen: Mit dieser frühen Zeit hatte sich unser Autor bislang nicht befaßt; im Verlag K. F. Koehler hatte er allem Anschein nach noch nicht publiziert. Daß 1926 bei Koehler W. Bioems ,Teutonen' erschienen waren, dürfte kein Zufall sein - ob Strobl sich nun von Bioems Buch anregen ließ und sein Werk Koehler anbot oder er im Auftrag dieses Verlages geschrieben hat. 118 Ariovists Schicksal erlaubt es selbstverständlich nicht, das Thema ,Germanen und Römer' gänzlich zu vernachlässigen, zumal eben Caesars Sieg über Ariovist einem weiteren Publikum am ehesten bekannt 118 Bioems .Teutonen' konzentrieren sich deutlich auf die Figur des „Teutobod", dessen Schicksal der Leser vom Heranwachsenden über die Position des Herzogs bis hin zu seinem Scheitern und Tod verfolgen kann (S. 35-338). Da nun die uns erhaltene Überlieferung kaum etwas über Teutoboduus berichtet (s. oben S. 61], ist Bloem bei der Gestaltung dieses Teils seiner Geschichte weitestgehend auf seine Einfälle und Erfindungen angewiesen (in anderen Teilen sind Plutarchs Marius und Sallusts Bellum Jugurthinum verwertet). Durchaus im Gegensatz dazu bemüht sich Strobl darum, Ariovists Schicksal in engem Anschluß an die Uberlieferung (vor allem also an Caesar) zu gestalten. - Ein zweiter Unterschied besteht in den zentralen Gegensätzen, von denen die beiden Romane ausgehen. Während für Bloem die Konfrontation ,Germanen-Römer' die wesentliche ist (mit überaus eindeutiger Parteinahme), zielt Strobl stärker auf den Gegensatz Germanen-Gallier', anders als bei Strobl, der deutlich auf die Gegenwart und das elsässische Schicksal abhebt, wäre es bei Bloem mehr als gewaltsam, wollte man in den .Teutonen' einen Bezug auf die jüngste Vergangenheit vermuten (etwa im Blick auf Italiens Verhalten im Weltkrieg oder die Südtirol-Frage). - Bei manchen Details liegt eine gewisse Parallelität der Erfindungen vor, so daß man sich fragen kann, ob Strobl hier Bloem-Variationen versucht; dies gilt etwa für die Figuren der Vosunna und Belsamis (s. oben Anm. 103), für den Rom-Aufenthalt Teutobods (S. 168 ff.) und Ariovists, vielleicht auch für die Aversionen gegen die Stadt (s. Anm. 103 und bei Bloem etwa S. 184). - All dies macht es wahrscheinlich, daß Strobl bei der Abfassung seines,Heerkönig Ariovist' Bioems .Teutonen' kannte und sich in vielen Punkten von Bloem abheben wollte - da der Verlag Koehler in der 3. Auflage der, Teutonen' (1927) Strobls Roman nicht annonciert und ebenso Altrichter (s. oben Anm. 117) den,Ariovist' nicht kennt, dürfte der,Ariovist' erst gegen Ende des Jahres 1927 erschienen sein, so daß die Publikation der beiden Romane vielleicht doch sechzehn bis achtzehn Monate auseinander liegt (genauere Erscheinungsdaten der Romane von Bloem und Strobl sind dem , Börsenblatt' augenscheinlich nicht zu entnehmen).
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war. So will Strobl jene Partie über die entscheidende Schlacht gewiß als einen Höhepunkt verstanden wissen (Kap. 51-52; S. 289-303); und dieser Entscheidung präludieren die Senatssitzung in Rom sowie die Begegnung der beiden Heerführer. 119 Im Mittelpunkt aber steht dieses Thema nicht. - Ferner mußte aus den verschiedensten Gründen auf die Verhältnisse bei den Germanen eingegangen werden. Hier geht es Strobl vor allem um die Gegensätze der Adligen, zu Ariovist gehört für ihn der erfundene Gegenspieler Adagasul. Die Zwietracht, die nicht zuletzt für die Niederlage gegen Caesar verantwortlich ist, stellt für unseren Autor das schlimmste germanische Übel dar - er nimmt ein Wort des Tiberius auf, das z. B. auch Mommsen beeindruckt hatte (s. T 5c). Für einen Verlag, der bei Bioems ,Teutonen' „die heiße Liebe des Dichteis zum Vaterlande" betont (s. Anm. 89) und dem Buch ein Bild voranstellt, das extrem altertümelnd sich an den Germanen des Wagnerschen Bayreuth orientiert (o. S. 67), und für einen Autor, dessen Rationale Zuverlässigkeit' über jeden Zweifel erhaben ist, steht etwas anderes im Vordergrund: der Komplex,Germanen und Gallier',- immerhin hatte Ariovist eine germanische Herrschaft auf gallischem Boden errichten können. 120 Vielleicht heißt es zuviel erwarten, wollte man eine neutrale oder unparteiische Behandlung von Galliern und Germanen als möglich ansehen - einmal wünscht Ariovist, Germanen und Gallier sollten einander „besser kennenlernen" (S. 144), allerdings unter germanischer Herrschaft. Doch der haeduische Verrat folgt sogleich. (Die deutsch-französische Verständigungspolitik von Stresemann und Briand wurde von den deutschen Rechtsparteien konsequent bekämpft.) Die anti-gallische Einstellung hingegen ist kaum zu überbieten. Bei der Zeichnung der einzigen Gallierin, die er - als seine Erfin119
Andererseits wäre es auch vorstellbar, daß der Autor sich in stärkerem Maße auf die germanische Seite beschränkt und das römische Element - abgesehen natürlich von der Begegnung und der entscheidenden Schlacht - ganz beiseite gelassen hätte. Das heißt: Mit dem - erfundenen — Rom-Besuch, der breiten Berücksichtigung der Vesontio-Ereignisse und den drei - erfundenen - Hirtius-Briefen wird ein Interesse an den Römern demonstriert, das möglicherweise für das 20. Jahrhundert bezeichnend ist (vgl. das Material oben in Anm. 87). 120 Hier wie in anderen Fällen ist das Schicksal einer Hauptperson bezeichnend, hier des - erfundenen - Radilo. Im J. 58 hatte Ariovist ihn aufgefordert, Hawiu und Fawawisa aus dem rechtsrheinischen Land nach Gallien zu holen; es deutet sich also die Möglichkeit an, im Zusammenhang mit diesen drei germanischen Personen und anläßlich des Aufenthalts rechts des Rheins breiter von der Situation bei den Germanen zu handeln. Doch unterwegs stößt Radilo durch einen Zufall auf Belsamis und gelangt am Ende nach Bibrakte ins Haeduer-Land |der Umschwung S. 2.10 ff.). Auf diese Weise also wird Radilos Schicksal umgelenkt, um ein Beispiel dafür zu liefern, wie verhängnisvoll eine gallischgermanische Verbindung sein kann (oder sein muß).
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dung - dem Leser deutlich vor Augen treten läßt, hat er auf alle Vorurteile über die ,sittenlose Französin' bedenkenlos zurückgegriffen (Belsamis). Der Gallier, der das Geschehen weitgehend beherrscht, ist mit allen nur erdenklichen schlechten Zügen versehen; daß er mit den schlimmsten Mitteln, allein aus eigennützigen Gründen zum Krieg gegen die Germanen hetzt, ist nur einer unter mehreren Vorwürfen (Divitiakus).121 Aber auch die Gesamtheit der Haeduer hat sich aufs Schlimmste an den Germanen vergangen, so daß Strobl seine ganze wenig ansprechende - Phantasie bemühen muß, um eine passende Strafe für die jungen Geiseln zu gestalten. Wer mit Vorstellungen dieser Art an das Bellum Gallicum herantritt, muß den Text in einer ganz spezifischen Weise lesen: Worte Caesars, die gegen die Gallier gerichtet sind oder sich so deuten lassen, werden begierig aufgegriffen und ausgestaltet; die wenigen positiven Aussagen über die Germanen werden mit aller Sorgfalt herausgeklaubt; bei Vorwürfen gegen Ariovist muß die Phantasie helfen, notfalls zu Lasten eines anderen - erfundenen - Germanen. Die Vielzahl der Erfindungen läuft so lange der Tendenz des Bellum Gallicum direkt entgegen, als nicht beide Autoren sich gegen die Gallier wenden. Sieht man von Vertretern der Schule und der Wissenschaft ab, die sich ex officio mit dem Werk Caesars befaßten, so hat während vieler Jahre niemand das Bellum Gallicum mit einer solchen Intensität gelesen wie Strobl - ob Strobls Widerwillen bei der Lektüre der caesarischen Germanen-Partien größer war als der eines heutigen Lesers, der sich mit dem Stroblschen,Ariovist' beschäftigt hat, sei dahingestellt.
121 Divitiakus' Bosheit muß Strobl bestrafen, wie er zuvor den „Eidbruch" der Haeduer nicht hatte ungestraft lassen können. Olloviko, „der Verstümmelte", für dessen brutale Entstellung Divitiakus verantwortlich ist, gelingt es, unbemerkt den Tod von Divitiakus' Söhnen herbeizuführen. Der Druide kann diesen Schicksalsschlag nicht verwinden (wieder hat Strobls grausame Phantasie ihr Ziel erreicht); er ist am Ende des Romans ein gebrochener Mann, ähnlich seinem Widersacher Ariovist. Es bleibt noch Caesar, den Strobl von einer gefangenen germanischen Seherin vor den Iden des März warnen läßt: Auch hier ist eine Art Abschluß erreicht, und die Strafe für die Vertreibung der Germanen erscheint am Horizont.
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VII. KAPITEL
Zusammenfassung und Einordnung Wer aus deutschsprachigen Texten des 20. Jahrhunderts eine Auswahl treffen will und sich dabei um ein repräsentatives Bild im Umkreis der Altertumswissenschaften bemüht, 122 sieht sich einer solchen Fülle Materials gegenüber, daß jede Entscheidung als subjektiv oder willkürlich angefochten werden kann. Bei unserer Auswahl ging es zum einen darum, die wichtigsten Tendenzen der Entwicklung herauszuarbeiten - dies impliziert die Gefahr, daß die Gleichzeitigkeit stark divergierender Ansichten nicht deutlich genug wird. So wurde im V. Kapitel von den späteren Stimmen des Westens allein eine kritische Würdigung Caesars besprochen, diejenige Walsers (T 21); deshalb sei noch einmal auf die Auffassungen Oppermanns verwiesen, der eine entgegengesetzte Position vertritt (T3), 1 2 3 und ähnlich günstig über Caesar hatte sich etwa Hornig noch im J. 1965 geäußert (o. Anm. 18). Zum anderen sollten die tiefen Einschnitte anläßlich des Ersten Weltkriegs, des Dritten Reichs und des Zweiten Weltkriegs erkennbar werden. 124 H. Meusel hatte sich in seinem Kommentar vor dem Ersten Weltkrieg (1913) über Sozialdemokraten und Katholiken geäußert (T 8). Nach Kriegsausbruch aber setzt er seinem Werk nationale , Glanzlichter' auf, nicht so sehr zugunsten der Germanen-Deutschen, als vielmehr in Form von Ausfällen gegen die Franzosen und - besonders ge1 2 2 Texte der Altgermanistik bzw. Germanischen Altertumskunde sind weitestgehend beiseite gelassen, auf Grund meiner Kompetenz, aber auch angesichts des Eindrucks, daß dort nicht selten spätere Zustände (etwa solche der Völkerwanderung) in die frühe Zeit Ariovists projiziert werden. 1 2 3 H. Oppermann ist wohl zuerst im J. 1931 mit einer Caesar-Arbeit hervorgetreten {.Caesars Stil', Neue Jahrbücher 7, 111-125), am wichtigsten ist sein Buch,Caesar. Der Schriftsteller und sein Werk', Neue Wege zur Antike II 2, 1933. Es scheint bezeichnend, daß dort die Ariovist-Partien insgesamt wenig herangezogen werden (etwa S. 75 ; 93) - gerade für den, der den Autor Caesar in die Nähe des Thukydides rückt (S. 34ff.), bietet die Zeichnung Ariovists manche Probleme. Die damals vertretene Position hat Oppermann insgesamt beibehalten. 124 Die Chronologische Ubersicht' über die zitierten und herangezogenen Texte (S. lOOff.) kann, wie ich hoffe, helfen, deutlich zu machen, welche divergierenden Tendenzen einen am Bellum Gallicum Interessierten in ein und derselben Zeit beeinflußt haben mögen. - Die Wissenschaftler, die nach dem Zweiten Weltkrieg studiert haben, scheinen zu einem großen Teil dem Politiker und Militär, aber auch der Glaubwürdigkeit des Autors Caesar kritisch gegenüberzustehen.
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quält - von Seitenhieben auf die Englänger (T 9-11), und dies, obwohl seine sachliche Kommentierung die internationale Forschung angemessen berücksichtigt, möglicherweise gar zu Gallier-freundlich ist. Der Versailler Friede und vor allem der Verlust Elsaß-Lothringens veranlassen Koepp, den vor dem Weltkrieg die Rhein-Grenze zu Caesars Zeiten nicht interessiert hatte, nun alle möglichen linksrheinischen Germanen aufzuführen, zweifellos in der Absicht, deutsche Ansprüche zu stützen (T 12): Grundsätzlich nicht anders verfährt nach dem Zweiten Weltkrieg L'Huillier, der die Existenz der germanischen Triboker im Elsaß zuerst abwertet, dann aber dem Leser vorenthält - anläßlich der Eliminierung solcher Formulierungen, die als , anti-deutsch' verstanden werden könnten (T 13).125 Das Ariovist-Porträt, das Caesar den Haeduer Diviciacus mittels mehr als eindeutiger Etikette entwerfen läßt (T 15), wurde lange Zeit für unparteiisch und letztlich objektiv gehalten, so daß es die einen akzeptierten (1924; T 16c), andere zu kleineren Retouchen griffen (1913; T 16b). Köstermanns 1940 formulierter Einspruch gegen Caesars bzw. Diviciacus' Verfahren wertet sich selbst durch das erklärte Ziel ab, Ariovist,.reinwaschen" zu wollen (T 18); doch wird der Wert des Aufsatzes nicht so sehr gemindert, daß er beispielsweise nicht mehr zitiert werden könnte (s. Anm. 76). Wie ein. Blick auf weitere Arbeiten aus der Zeit des Dritten Reichs lehrt, bemüht sich der Ariovist-Artikel des Großen Brockhaus von 1939 (T 17b) bemerkenswert hilflos um eine positive Charakteristik Ariovists, während Miltner in der Sammlung ,Germanische Köpfe der Antike' (1938; T 17d)126 Ariovists „weltgeschichtliche und germanische Tat" darin sieht, daß er ,,deutsche Siedler" auf das linke Rheinufer gebracht habe - es geht also um den Kom125 Es ist zu beachten, daß Koepp 1926 zwar den Rekurs auf Zustände vor der Existenz einer Nation unvernünftig nennt - vor der Existenz der französischen Nation (s. Anm. 37) - , selbst aber kaum anders verfährt als die getadelten Franzosen. Wenn er dort (s. Anm. 37) auf das „deutsche Wesen, die deutsche Sprache vor allem" verweist, überzeugt dies nicht; anscheinend werden implizite Germanen und Deutsche identifiziert. 126 Dies Buch dürfte den Anspruch stellen, neben Eduard Schwartz' ,Chaiakterköpfe der Antike' gesehen zu werden (zuerst 1902 und - für die zweite Reihe - 1909; diese reichen von,Hesiod und Pindar' bis ,Constantin'): daneben mögen Gustav Roethes,Deutsche Männer', 1922, eine Rolle spielen. In diese Reihe gehören dann Ernst Komemanns ,Große Frauen des Altertums' (1942; vgl. desselben .Gestalten und Reiche', 1943) und Max Pohlenz '.Gestalten aus Hellas', 1950. Einen Anschluß an Th. Birt (, Römische Charakterköpfe. Ein Weltbild in Biographien', ,Charakterbilder Spätroms und die Entstehung des modernen Europa'; beide Werke vom Anfang des Jh. mehrfach aufgelegt) halte ich für höchst unwahrscheinlich, weil die Ansprüche und auch das Ansehen der Birt'schen Werke eher mäßig waren, ganz im Gegensatz zu Ed. Schwartz', Charakterköpfen'.
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plex Elsaß-Lothringen und um eine ,Tat', die mit Ariovist zu verbinden höchst riskant ist (s. Anm. 33). Von den zwei herangezogenen Schülerausgaben hat sich die eine unübersehbar auf die Rassen-Ideologie gestützt (T 19c), die andere - die eigens auf im J. 1938 vorgenommene Änderungen hinweist - auf die Berücksichtigung zeitgenössischer Tendenzen verzichtet (T 19b). In welchem Umfang diese Arbeiten repräsentativ sind für den Einfluß des Nationalsozialismus auf die Altertumswissenschaften, muß offenbleiben.127 Was die historischen Romane angeht, so hat sich K. H. Strobl anläßlich seines ,Heeikönig Ariovist' (1927) am intensivsten mit Caesars Bellum Gallicum und speziell mit den Germanen-Partien beschäftigt (Kap. VI). Selbstverständlich hat er eine Fülle von Details aus dieser antiken Vorlage genommen, aber stärker ins Auge fallen die extrem gallier-feindlichen Erfindungen, die sich in erster Linie gegen Divitiakus, die Dumnorix-Gattin Belsamis und die Haeduer insgesamt richten. Für Strobls Roman sind also weniger die Anleihen bei Caesar charakteristisch als die Zutaten, die sich weit vom Bellum Gallicum entfernen. Diese Elemente aber, bei denen es sich im Rahmen des Romans keineswegs um belanglose Ingredienzien handelt, lassen sich nur aus der Atmosphäre der Nachkriegszeit und des Versailler Vertrags erklären. Es ist augenscheinlich vor allem der Verlust des Elsaß, der Strobls Vorstellungen beherrscht - vergleichbar erscheinen ihm die Deutschen von 1918/19 und die Germanen Ariovists im Herbst 58 v. Chr. Vermutlich darf man noch einen Schritt weiter gehen und bei Strobl - leicht überspitzt - Überlegungen dieser Art vermuten: Hätten sich die Haeduer nicht an Caesar gewandt, wären die Germanen nicht besiegt und vertrieben worden; dann hätte es schon Jahrhunderte vor der Völkerwanderung ein dauerhaftes germanisches Reich links des Rheins gegeben. Nimmt man dann noch die Identifizierung , Germanen = Deutsche' hinzu, gegen deren Rolle in der Wissenschaft sich in den zwanziger Jahren Johannes Haller wendet (T 7a), dann liegt es nahe zu folgern, Strobl habe das erste vorchristliche und das zwanzigste Jahrhundert direkt miteinander verknüpft: Wäre Caesar damals trotz gallischer Bitten nicht eingeschritten, wäre das Elsaß - seit fast zweitausend Jahren -
127 Vgl. die Andeutungen oben S. 47 ff. mit Anm. 53 ff. Es scheint, daß in diesem Punkt die klassische Philologie und die Alte Geschichte sowie die Germanische Altertumskunde und die Vor- und Frühgeschichte zu trennen seien, wie nicht zuletzt G. Kossinnas Buchtitel ,Die deutsche Vorgeschichte, eine hervorragend nationale Wissenschaft', 1911, andeutet (Bedenken äußerte schon Koepp, oben S. 36 mit Anm. 37).
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derart eng mit Deutschland verknüpft gewesen, daß es 1918/19 nicht hätte ,geraubt' werden können.128 Will man sich an der groben Klassifizierung der literarischen Produktion in „ fechte' und,linke' Usurpationen der Antike" orientieren, so kann es nicht überraschen, daß die ,rechte Seite' der historischen Romane publikumswirksam vertreten ist, durch Mirko Jelusichs, Caesai' (1929), der in zehn Jahren 99 Auflagen erreichte,-129 ebenso wenig, daß in Bertolt Brechts Romanfragment ,Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar' (1937/38), das ja nur bis zum J. 60 reicht, in der Rahmenhandlung der Gallische Krieg beiläufig gestreift wird, begreiflicherweise in einer Form, die desillusionierend wirken soll.130 Hinzuweisen ist schließlich noch auf H. Stresaus Roman ,Adler über Gallien' (1942), der vom Kampf zwischen Caesar und Vercingetorix im f. 52 handelt. Hier wird die gallische Seite von einem deutschen Autor augenscheinlich voller Sympathie gezeichnet, so daß mancher Leser über den Sieg der Römer betrübt sein wird.131 Wenn auch nach dem Zweiten Weltkrieg die traditionelle Hochschätzung Caesars nicht abreißt (T 3), so setzt sich doch unter dem Eindruck eben dieses Krieges (T 20) eine sehr distanzierte Wertung des Po128 Es sei noch einmal erwähnt, daß ein deutscher Ariovist-Roman am ehesten auf Grund einer gewissen ,Marktlücke' verständlich erscheint (über Arminius - Hermann war bereits reichlich viel geschrieben) und daß ein Zusammenhang mit Bioems 1926 im selben Verlag erschienenen ,Teutonen' bestehen dürfte. - Von der - geringen - stilistischen Qualität, auf die hier nicht eingegangen werden konnte, mögen die vorgelegten Zitate einen Eindruck vermittelt haben, speziell von der bemühten Altertümelei. 129 Herzog (s. Anm. 101), von dem jene Klassifizierung übernommen ist, rechnet Jelusichs Buch zum „Lager der nationalen, z. T. offiziös nationalsozialistischen Produktion" (S. 17) und neigt dazu, die,Bauernrede' (99. Aufl., 1940, 104ff.) „Caesars Parteitagsrede" zu nennen (S. 24). - 1 9 5 4 ist (nach H. Gesche, Caesar, Erträge der Forschung, 1976,322) die 149. Auflage erschienen. 130 Das Fragment ist posthum 1957 publiziert - Uber den gallischen Krieg geht es im Gespräch mit einem ehemaligen Legionär: „.Waren Sie in Gallien mitl' fragte ich zurück. Ja, Herr', sagte er,, wir waren mit. Drei Legionen, Herr'. Ich war ein wenig irritiert, so daß meine nächste Frage ziemlich banal ausfiel. ,Sahen Sie ihn aus der Nähe!' ,500 Schritt das eine Mal, 1000 Schritt das andre Mal', war die Antwort. [. . .].Aber der einfache Mann hatte Vertrauen zu ihmf ,Die Verpflegung war nicht schlecht. Darauf soll er geachtet haben, hieß es'" (edition suhrkamp 332, 2. Aufl. 1970, 36f.|. - Ein absolut andersgeartetes Bild von Caesars Verhältnis zu den Soldaten entwarf J. Vogt,,Caesar und seine Soldaten', Neue Jahrbücher 1940, 120-135 (nachgedruckt in: J. V., Orbis, 1960, 89 ff.). 131 Das Copyright datiert ins J. 1942, die erste Auflage ist anscheinend 1943 erschienen (4. Aufl. = 21.-28. Tausend 1954; Gesche a. O. 321 führt eine 4. Aufl. von 1966 an). - Anders, m. E. einseitig, urteilt M. Krüger, ,Die Caesar-Lektüre in der heutigen Schule', Der Altsprachliche Unterricht 4, 1952, 78 mit Anm. 8: ,,Es gilt den genialen Politiker und Feldherrn zu zeichnen, aber ebenso den großen Menschen, der durch seinen überragenden Geist und den Zauber seiner Persönlichkeit alle in seinen Bann zieht, ob Freund oder
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litikers und Militärs, aber daraus abgeleitet auch des Bellum Gallicum immer mehr durch (T 21a). Mittelbar resultiert daraus die Einsicht, daß Caesar Diviciacus auf die Barbaren-Topik zurückgreifen läßt, wodurch der Wert dieser Passage für die Charakterisierung des historischen Ariovist gemindert wird (T 21b). Ob es nun die Einschätzung Caesars als Repräsentanten des Imperialismus' ist oder die intensivierte Aufmerksamkeit für die Funktionen der Nachrichten - sobald die Argumentationsfunktion einer jeden charakterisierenden Äußerung erkannt ist (und damit auch von Diviciacus' Worten,- T 22), wird bei der Destruktion des caesarischen Ariovist-Bilds ein weiterer Schritt voran getan. Es scheint allerdings nicht voreilig zu vermuten, nunmehr finde Ariovist nur mittelbar oder auf Umwegen Interesse, den Ausgangspunkt stelle der negativ gesehene Militär Caesar dar. Die nach dem Weltkrieg ungünstiger beurteilte Glaubwürdigkeit des Bellum Gallicum mag keine ganz belanglose Rolle bei dem Unternehmen gespielt haben, literarische Uberlieferung und Bodenfunde harmonisierend zu deuten, zuungunsten der schriftlichen Quellen, die nur mit der Alternative Germanen: Kelten/Gallier arbeiten. Ob oder in welchem Umfang neuere Ergebnisse der prähistorischen Forschung die Einführung einer dritten Gruppe, der, Völker zwischen Germanen und Kelten', gerade um 1960 nahelegten, wage ich nicht zu entscheiden. Was aber das allgemeine politische Klima angeht, so ist nun wohl zum erstenmal in der deutschen Geschichte eine Situation gegeben, die eine solche, gleichsam gegen den germanischen Einfluß gerichtete These nicht im Widerspruch zu weit verbreiteten Strömungen sieht 132 - ein Rezensent, Konrad Kraft, fragte sich, ob nicht der „ verführerische Wunsch, ein lästiges Dilemma aus der Welt zu schaffen", unwissentlich die Abkehr von der Alternative, Germanen oder Kelten' bestimmte (T 14b). Doch wichtiger noch als die Entstehung der Theorie (T 14a) Feind, ob hoch oder niedrig. - Dies herauszuarbeiten ist das Hauptbemühen Hermann Stresaus in seinem sehr lesenswerten Roman ,Adler über Gallien'". Vgl. noch Krüger 68 Anm. 2: „Erzählungen über den Gallischen Krieg in einer diesem Alter angepaßten Form gibt es kaum, jelusichs früher weitverbreiteter Caesar-Roman ist ein Reißer. Zu empfehlen sind: K. H. Strobl,, Heerkönig Ariovist', Leipzig '27 und vor allem Meissinger,,Caesars Gallischer Krieg', Berlin '44. - Den schönsten Abschluß [der Caesar-Lektüre] bilden C. F. Meyers Gedichte ,Das Geisterroß', ,Das verlorene Schwert' und ,Das Heiligtum'". 132 Wie oben in Anm. 45 angedeutet, mag um 1930 eine halbwegs vergleichbare Atmosphäre bestanden haben, die dem Entstehen einer solchen Theorie nicht im Wege stand. Nur hätte spätestens von 1933 an jede Ansicht, die als ,anti-germanisch' und damit als ,anti-deutsch' hätte denunziert werden können, überhaupt keine Aussicht auf Wirkung gehabt.
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scheint ihre große Wirkung zu sein; das erweisen etwa diejenigen Publikationen R. Hachmanns, die sich an ein großes Publikum wenden und in diesem Jahrzehnt erschienen sind (1971; 1975; 19 78). 133 - Jene Atmosphäre, die vereinfachend durch die Existenz der Europäischen Gemeinschaft charakterisiert sei, kann dann andererseits Noelle, den Verfasser eines populären Werks über ,Die Kelten', dazu bringen, (West-) Europa als keltisch-germanische Einheit zu sehen: „Vielleicht war es schon Ariovist, der die germanisch-keltische Zusammenfassung auf dem Festland versuchte" (T 2b). 134 Wenn in den letzten Jahrzehnten Ariovist um seiner selbst willen kaum Interesse fand, so könnte das überraschen, angesichts der vermehrten Aufmerksamkeit, die in eben diesem Zeitraum den ,fremden Völkern' inner- und außerhalb des römischen Reichs auf den verschiedensten Gebieten zuteil geworden ist. Doch wer so urteilt, stellt nicht hinreichend in Rechnung, daß im deutschen Sprachraum die Germanen keineswegs in ähnlicher Weise wie die übrigen ,fremden Völker' oder ,Barbaren' betrachtet werden können; nach wie vor schreckt die frühere, verhängnisvolle Germanen-Verherrlichung. In diesem Kontext verdient das Ariovist-Porträt Fischer-Fabians (T 23), das wohl ebenso Ariovist-freundlich wie undifferenziert ist, 135 in doppelter Hinsicht Beachtung. Für ein „natürliches Nationalbewußtsein, wie es andere Völker seit Jahrhunderten mit Selbstverständlichkeit in An-
1 3 3 Die Titel oben in Anm. 47. Es ist in diesem Zusammenhang wesentlich, daß zwei dieser Arbeiten 1978 in Form von Taschenbuch-Ausgaben einem um vieles größeren Publikum zugänglich gemacht worden sind. 1 3 4 Das eigentlich Verwunderliche an Noelles Geschichtsbild (oder -klitterung), das von Ariovist über die Frankenkönige und Napoleon bis zur Europäischen Gemeinschaft eilt (T 2b), ist das Fehlen des römischen Elements, und dabei kann es sich gewiß nicht u m ein Versehen handeln (Ariovist,,scheiterte an Rom"). Möglicherweise steht im Hintergrund der Eindruck, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft falle Italien |= Rom?) nur eine begrenzte Bedeutung zu. 1 3 5 Fischer-Fabian, S. 118 |des Taschenbuchs) schließt den Komplex Ariovist j„Ein antiker Prinz von Homburg wendet das Schlachtenglück", s. T lb) mit einem langen Zitat aus Ludw. Schmidt, Die Westgermanen, 1970, S. 140 [s. Anm. 45); dort heißt es unter anderem: „Daß es so [zum Sieg Roms]gekommen ist, wird man auch vom deutschen Standpunkt aus kaum zu beklagen haben. Noch waren die Germanen politisch nicht reif genug, um eine solche Mission zu erfüllen" (meine Hervorhebung). Deutlicher wird Fischer-Fabian selbst: „Wenn Ariovist der Sieger gewesen wäre, hätte es vielleicht kein romanisches Frankreich gegeben, sondern ein germanisches, hätte man zwischen Rhein und Atlantik nicht französisch gesprochen, sondern deutsch" (meine Hervorhebung; S. 118). Augenscheinlich wird wiederum zwischen Germanen und Deutschen, germanischer und deutscher Sprache nicht hinreichend differenziert - hinter dem Wort vom ,ersten Deutschen' verbergen sich sehr wirre Vorstellungen.
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spruch nehmen" (S. 10),136 plädiert im Zusammenhang mit den Germanen eben ein Außenseiter.Der außerordentliche Erfolg der, Ersten Deutschen', der oben (T 1 mit Anm. 4) dokumentiert worden war, belegt in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts ein wiederbelebtes Interesse an den Germanen, das in dieser Form nicht ohne Probleme ist. 137 Ob es nun Publikationen von der Art Fischer-Fabians waren oder aber mündliche Äußerungen von Personen, denen Fischer-Fabians Vorstellungen durchaus nicht fremd sind, gewiß haben deutsche Stimmen dazu beigetragen, daß Anfang 1979 von französischer Seite der Versuch vorgelegt wurde, den gallischen Charakter der elsässischen Bevölkerung mit erstaunlichen oder befremdlichen Mitteln zu erweisen. In seiner, Histoire secrète de l'Alsace' gelingt es Paul Arnold, einen Bogen von Ariovist über Barbarossas Vater, 1870, Hindenburg und 1940 bis zu rheinischen Industriellen des J. 1977 zu schlagen; alle verbinde das Ziel, „de faire de l'Alsace une terre allemande, une,terre d'empire' (Reichs136 Diesem Satz, der die Einleitung |,Ein Wort zuvor') abschließt, geht folgendes voran: „Man spricht soviel von Nostalgie, von dem Heimweh nach der Vergangenheit. Wenn Nostalgie auch dazu führt, sich der eigenen Vorfahren zu entsinnen, so hat sie ihren Zweck erfüllt, jedenfalls scheint es an der Zeit, daß die Deutschen ein Verhältnis zu ihrer Vergangenheit gewinnen, das f. . ./von der schlichten Überzeugungfgeprägtist], daß man sich seiner Urväter nicht zu schämen braucht: ein natürliches Nationalbewußtsein
[.. . r (s. io).
137 R. Pörtner |s. das Material in Anm. 4) beginnt mit der römisch-germanischen Zeit (1959:,Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit'; laut Vorwort geht es um die „Hinterlassenschaft der Römer in Deutschland"), darauf folgt 1961 das Buch .Bevor die Römer kamen', das ausdrücklich„500000 fahre durchmessen" will (Vorwort), so daß für Germanen (und Kelten) nur ein relativ beschränkter Raum bleibt. Im jeweiligen Untertitel,Städte und Stätten der deutschen Ur-/Frühgeschichte' ist,deutsch' im geographischen Sinn zu verstehen: ,in Deutschland befindlich' („Städte und Stätten der Römer in Deutschland" spricht das Vorwort an, wo auch die Erweiterung des Raums in einer späteren Auflage „um ein österreichisches und ein schweizerisches Kapitel" eigens begründet wird). Da es sich aber um Stätten handelt, die „jedermann erreichbar" sind, ergibt sich de facto eine Konzentration auf die Bundesrepublik. Für Pörtner ist also der,nicht-germanische' Ausgangspunkt charakteristisch: die ,ersten Deutschen' wären (will man schon das Wort übernehmen) demnach etwa die Neandertalçr. Daß Fischer-Fabians Vorstellungen von anderer Art sind, müßte deutlich geworden sein; und diese Unterschiede sind zweifellos nicht - allein - auf kommerzielle Überlegungen zurückzuführen. Doch in welchem Verhältnis die Tendenzen dieser Jahre zu Fischer-Fabians persönlicher Einstellung stehen, muß offenbleiben. Eines der derzeit letzten Indizien dafür, wie ausgeprägt das Interesse an den Germanen ist, stellt ein im April 1979 erschienenes Heyne-Taschenbuch dar: Ernst Jung, ,Sie bezwangen Rom. Die Rolle der Germanen von der Frühzeit bis zu Karl dem Großen' (413 S.; zuerst 1976 bei Econ/Düsseldorf). .Buch III' heißt dort, Von Ariovist bis Armin' und enthält |so Kapitel- und Zwischenüberschriften): ,Die 2. Konfrontation zwischen Nord und Süd; Ariovist im Scheinwerferlicht Caesarischer Journalistik-, „Wolf" contra „Wisent"; Caesar am Rhein: Schicksalsstrom - Grenzstrom; Die Germani cisrhenani' (S. 155 ff.).
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land) de coeui et de sang" (T 24c-d). Wenn in diesem Zusammenhang Partien des Bellum Gallicum nacherzählt werden und dies - trotz einer Andeutung der Problematik (T 24a: „Tel est du moins l'opinion du Romain" ) - reichlich unreflektiert geschieht, so kann das kaum überraschen. - Etwas anders ist die Stellungnahme zur Triboker-Frage zu bewerten (T 24b). Die gewiß zutreffende Feststellung, die Bodenfunde erwiesen die Bewohner des Elsaß als der gallischen (la Tène-) Zivilisation zugehörig, ist im Grunde schon von L'Huillier her bekannt (T 13a); sie bewegt sich indes als Argument auf einer ganz anderen Ebene als die Behauptimg, zusammen mit anderen Galliern hätten die gallischen Triboker auf Ariovists Seite gekämpft: Caesar hatte im Bellum Gallicum ausdrücklich von den, Germanen' und, ihren Truppen' gesprochen (151: Geimani suas copias . . wer in dieser Partie so ins Detail geht wie Arnold, hätte sich mit der Caesar-Stelle auseinandersetzen müssen. 138 Wenn schließlich verwiesen wird auf „un conte alsacien encore vivant au siècle dernier", der „un bois sacré, le Tribocher" bezeugt (T 24b), bleibt unklar, was bewiesen werden soll - daran, daß einmal Triboker im Elsaß gelebt haben, hat bislang wohl niemand gezweifelt. Die Tendenz des Buches aufzuzeigen, daß „tant ethniquement que culturellement la race est essentiellement gallo-romaine" (so der Verlag auf dem Umschlag), 139 macht den lebhaften Widerspruch eines deutschen Rezensenten verständlich. N. B e n c k i s e r wendet sich zum 138 Wiederum schneidet bei einem Vergleich L'Huillier - trotz des viel geringeren Umfangs - unvergleichbar viel besser ab. Die überzeugendste Lösung bietet m. E. L'Huilliers erste Auflage von 1947 (T 13a), wo eben germanische Herkunft und gallische (bzw. gallo römische) Zivilisation einander gegenübergestellt werden; aber auch die Auflagen von 1955 und 1965 |T 13b, c), die die Triboker als Kelten einordnen, nehmen in aller Kürze auf die (traditionelle Meinung' Bezug (Material zu dieser Problematik oben Anm. 40). 139 Auf dies Thema (Hervorhebung von mir) kommt der Verlag ebendort zurück, in der Vorstellung des Autors: „Né et élevé dans le Haut-Rhin, Paul Arnold appartient à une famille dont la trace remonte, en Alsace, jusqu'à la Guerre de Trente Ans. Tout en poursuivant à Paris une carrière de magistrat, il s'est fait connaître pat des oeuvres purement littéraires [...]. Il a traduit toute l'oeuvre de Shakespeare, Faust, les poèmes de Nietzsche, des nô japonais. Grand voyageur, il a séjourné [. . Jen Afrique et en Amérique où il a étudié la civilisation des anciens Mayas. Il vient de déchiffrer leur écriture et de décrypter l'un des rares manuscrits préservés. Cette fréquentation d'une race opprimée l'a préparé à mieux comprendre le drame de sa province natale" (meine Hervorhebung). Folglich spricht auch Benckiser (s. T 24e) von „rassenpolitischen Thesen": „ Offenbar ist das Buch dieses Elsässers gemeint als ein Einspruch gegen das von vielen seiner Landsleute, insbesondere in den letzten fahren auch Literaten, getragene Bekenntnis zur alemannischen Herkunft und Sprechweise als dem wichtigsten Signal einer eigenen elsässischen Identität. Auch mißfällt ihm, das, wie er sagt, Vorurteil [...], die Elsässer seien Germanen, deren Volkstum sich nur einzelne, die stürmischen Zeiten überlebende Gallo-Romanen zugemischt hätten".
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einen gegen die „rassenpolitischen Thesen"; daneben betont er die Unergiebigkeit der literarischen Uberlieferung,, von Stiabo über Cäsar bis ins frühe Mittelalter"; insgesamt fühlt er sich erinnert „an Zeiten deutsch-französicher Auseinandersetzung, die man verflossen glaubte" (T 24e). Bis in die unmittelbare Gegenwart reicht das Interesse an Themen, zu deren Behandlung auch Caesar Material bereitstellt, so daß sich die unterschiedlichsten Texte - direkt oder mittelbar - auch auf das Bellum Gallicum stützen. Die Vielfalt bringt es wohl zwangsläufig mit sich, daß man Caesar oder dem Bellum Gallicum auch in manch befremdlichem oder abstoßendem Zusammenhang begegnet. Die Frage, ob Tendenzen und Strömungen der jeweiligen Gegenwart auf das wissenschaftliche Bemühen um antike Werke unmittelbar eingewirkt haben oder wie ausgeprägt diese Einflüsse waren, ist für den Großteil des 20. Jahrhunderts am leichtesten im Blick auf diejenigen deutschsprachigen Texte zu beantworten, die sich mit Germanen beschäftigen:140 Eine angemessene Einordnung der Antwort wäre nur dann möglich, wenn entsprechende Ergebnisse für Frankreich (oder den französischsprachigen Raum), für England (oder englischsprachige Texte) und Italien vorlägen. Doch auch nur Andeutungen zu diesem extrem weiten Thema sind hier nicht möglich,141 so daß die Gefahr gegeben sein mag, daß ein unbefriedigendes, weil einseitiges Bild entsteht. Innerhalb des deutschsprachigen Bereichs selbst sind die Verfasser, die sich mit Caesars Bellum Gallicum beschäftigen, der Versuchung, zugunsten der Germanen-Deutschen die Ansprüche der Wissenschaft zu vernachlässigen, augenscheinlich weniger ausgesetzt als diejenigen, deren Thema Tacitus' Germania ist; aber auch die ersten Bücher von Tacitus' Annalen, in denen es unter anderem um Germanen-Kriege und auch um Arminius geht, werden manche Schwierigkeit jener Art berei-
140 Klaus von See,,Deutsche Germanen-Ideologie', 1970, erschwert Bedenken gegen das Büchlein gleich im ersten Satz des Vorworts: „Titel und Umfang der vorliegenden Arbeit stehen in einem Mißverhältnis zueinander, denn der Stoff, den der Titel umfaßt, könnte mehrere Bände füllen" (S. 7). Der Autor streift zwar auch die nicht-ideologische Beschäftigung mit Germanen-Problemen, doch kann sie angesichts des knappen Raums nicht behandelt werden. Übrigens wird des öfteren deutlich, daß der Verfasser mit der altphilologischen Forschung nicht allzu gut vertraut ist. 141 Vgl. zur Vercingetorix-Würdigung in Frankreich das Material bei Duval (oben Anm. 27), ferner Anm. 84 ; einiges auch bei E. Paratore, Das Caesarbild des 20. Jahrhunderts in Italien, in: D. Rasmussen (Hrgb.|, Caesar, Wege der Forschung 43, 1967, 474—484.
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ten können. Doch es ist derzeit nicht möglich, auf diesem Sektor das Nachwirken antiker Texte zusammenfassend zu werten. 142 Bei der Beurteilung der mit dem Caesar-Text verbundenen Äußerungen ist selbstverständlich die jeweilige historische Situation zu berücksichtigen, auch auf das Risiko hin, durch die historischen Parallelen das aus heutiger Sicht Unerträgliche zu relativieren - bei Meusels Ausfällen von 1915/16 könnte das der Fall sein. Nicht vergessen sei femer die oft schwierige Lage der Altphilologen (für die Althistoriker gilt dies wohl weniger), die sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, angesichts der Forderungen der Gegenwart zu versagen; daraus können dann überzogene Stellungnahmen resultieren, auch im Sinne der gerade dominierenden Tendenzen: Wilhelms II. Aversionen gegen den Latein-Unterricht mögen Meusel nicht unbeeindruckt gelassen und zu besonders kräftigen Tönen bestimmt haben. - Auf der anderen Seite ist die Gefahr nicht zu verkennen, daß ein heutiger Betrachter ausschließlich Maßstäbe der Gegenwart anlegt und vorschnell jene Stellungnahmen aburteilt, letztlich doch wohl auf Grund eines wenig reflektierten Fortschrittsglaubens, der sich nicht vorzustellen vermag, wie eigenartig heutige Worte in einigen Jahrzehnten wirken können. Zwischen der historisch argumentierenden Entschuldigung alles Skandalösen und der hurtigen Verurteilung jeder Ansicht, die momentan nicht allgemein gebilligt wird, bleibt kein allzu breiter Weg.
142 M. Fuhrmann,,Einige Dokumente zur Rezeption der taciteischen .Germania', Der altsprachl. Unterricht 21,1,1978,39-49 und Anhang S. 11-17 bespricht fünf Texte (bis zu den Humanisten); über die Zeit vom 19. Jahrhundert an unterrichtet ein knapper Überblick (S. 47 f.; in engstem Anschluß an M. Fuhrmann,,Tacitus, Germania', übersetzt, erläutert und mit einem Nachwort hrgb., Reclam, 1972, S. 108ff.,• jeweils mit Verweis auf K. von See). Aus der dritten, neubearbeiteten Auflage des Germania-Kommentars von R. Much ('1936; 51967) bringt von See, S. 12, zwei eindeutige Zitate, eines aus dem Kommentar von H. Philipp (2. Aufl. 1936).
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Chronologische Übersicht der herangezogenen Literatur*
1912
F. Koepp, Die Römer in Deutschland, 2. Aufl. (T 12a ; c) 1913 H. Meusel, Caesars Bellum Gallicum I (T 8) C. Woyte, Antike Quellen zur Geschichte der Germanen (T 16a; b) F. Neubauer, Lehrbuch für höhere Lehranstalten, 21. Aufl. 1915/6 H. Meusel, Caesars Bellum Gallicum II, Manuskript |T 9-11) 1917 E. Kautsky, Elsaß-Lothringen, Manuskript |T 13e) 1918 L. Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme II (s. T 17a) 1919 E. Kautsky, Elsaß-Lothringen, Publikation (T 13e) 1920 H. Meusel, Caesars Bellum Gallicum II, Publikation (T 9-11) E. Norden, Die germanische Urgeschichte . . ., 1. Aufl. 1922 E. Bertram, Rheingenius und Génie du Rhin K. L. Roth, Römische Geschichte, 4. Aufl. (T 6) 1923 J. Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, 1. Aufl. (T 7a) E. Norden, Die germanische Urgeschichte . . ., 3. Aufl. F. Wolters-W. Elze, Stimmen des Rheins 1924 H. Stegemann, Der Kampf um den Rhein, 2. (?| Aufl. (T 16c) E. Wahle, Vorgeschichte des deutschen Volkes 1925 J. Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, 4. Aufl. (T 7a) E. Tross, Der deutsche Rhein
1926
1927 1928
1929 1931 1933 1934 1935 1936
1937 1938
F. Koepp, Die Römer in Deutschland, 3. Aufl. (T 12b ; d| C. Woyte, Caesars Bellum Gallicum, Ubersetzung, 1. Aufl. W. Bloem, Teutonen. Roman F. Feist, Germanen und Kelten K. H. Strobl, Heerführer Ariovist (Kap. VI) R. Much, Rezension Feist W. Capelle, Die Germanen im Frühlicht der Geschichte Großer Brockhaus I, 15. Aufl. (T 17a) C. Schuchardt, Vorgeschichte von Deutschland M. Jelusich, Caesar, 1. Aufl. H. Oppermann, Caesars Stil H. Oppermann, Caesar. Der Schriftsteller und sein Werk H. Schilling, Germanische Geschichte H. Diller, Caesar und Ariovist F. Fügner-M. Krüger, Gallischer Krieg, 19. Aufl. |T 19a) R. Much, Tacitus, Germania, I. Aufl. H. Philipp, Tacitus, Germania, 2. Aufl. Person, Cäsar, Gallischer Krieg I F. Miltner, Germanische Köpfe der Antike (T 17d) F. Fügner-M. Krüger, Gallischer Krieg, 20. Aufl. |T 19b) L. Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme, 2. Aufl. (s. T 17b) W. Schäfer, Lateinisches Unterrichtswerk für Oberschulen
* Diese Ubersicht soll nur ein wenig deutlicher machen, als das im Rahmen der Untersuchung möglich war, welche Werke und Tendenzen auf einen Interessierten z u r gleic h e n Z e i t eingewirkt haben können. Bei einer intensiveren Auswertung des Materials ließe sich das Bild einer bestimmten Spanne (wie etwa der Weimarer Zeit) komplexer und differenzierter gestalten, als dies bei einer auf die Entwicklung ausgerichteten Betrachtung geschehen konnte. Die unveränderten Nachdrucke (T 1: 1.-50. Tausend/101.-130. Tausend) wurden vereinfachend als Auflagen gezählt, die indes nicht alle in die Übersicht aufgenommen worden sind.
100
1938/9 B. Brecht, Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar, Niederschrift 1939 Großer Brockhaus, 15. Aufl., 2. Ausg. (T 17b) J. Haller, Der Eintritt der Germanen in die Geschichte, 1. Aufl. V. Stegemann, Caesars Bellum Gallicum, Ubersetzung 1940 E. Köstermann, Caesar und Ariovist (T 18) M. (elusich, Caesar, 99. Aufl 1941 M. Krüger, Häusliche Präparation - Schülerkommentare . . . M. Schuster, Germanien, 1. Aufl. (s. T 19c) P. Wentzcke, Elsässisches Schicksal (T 17e) 1942/3 H. Stresau, Adler über Gallien 1944 M. Schuster, Germanien, 2. Aufl. (T 19c) 1946 G. Walser, Rom, das Reich und die fremden Völker . . ., Diss. 1947 F. L'Huillier, Histoire de l'Alsace, I. Aufl. (T 13a) V. Valentin, Geschichte der Deutschen (T 7b) 1948 F. Feist, Germanen und Kelten, Nachdruck K. Fuß, Ariovist 1951 G. Walser, Rom, das Reich und die fremden Völker, Veröffentlichung G. Walser, Caesar und die Germanen, Hab.schrift (T 21) C. Woyte, Caesars Bellum Gallicum, Ubersetzung 1952 M. Rambaud, Déformation, 1. Aufl. M. Krüger, Die Caesar-Lektüre in der heutigen Schule 1953 H. Strasburger, Caesar im Urteil seiner Zeigenossen, 1. Aufl. (T 20) S. Gutenbrunner, Ariovist und Caesar 1955 F. L'Huillier, Histoire de l'Alsace, 2. Aufl. (T 13b) 1956 G. Walser, Caesar und die Germanen, Veröffentlichung (T 21) 1958 H. Oppermann, Caesar. Wegbereiter Europas, 1. Aufl. (T 3b) V. Stegmann, Caesars Bellum Gallicum, Ubersetzung 1959 R. Pörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, 1. Aufl.
1960 1961
1962
1963 1964
1965
1966 1967
1968
1970
1971
1972
K.-H. Otto, Deutschland in der Epoche der Urgesellschaft, 1. Aufl. M. Rambaud, A propos d'Arioviste et des Germains J. Hatt, Histoire de la Gaule romaine M. L. Deshayes, César et Arioviste H. Oppermann, Nachwort zu Meusel I (T 3c) H. Oppermann, Gymnasium R. Pörtner, Bevor die Römer kamen, 1. Aufl. K.-H. Otto, Deutschland in der Epoche der Urgesellschaft, 2. Aufl. R. Hachmann-G. KossackH. Kuhn, Völker zwischen Germanen und Kelten |T 14a) H. Oppermann, Caesar. Wegbereiter Europas, 2. Aufl. |T 3b) R. Pörtner, Bevor die Römer kamen, Taschenbuch K. Kraft, Besprechung Hachmann - Kossack - Kuhn (T 14b) G. Hornig, Caesars Bellum Gallicum, Kommentar I F. L'Huillier, Histoire de l'Alsace, 3. Aufl. (T 13c) M. Rambaud, Déformation, 2. Aufl. R. Much, Tacitus, Germania, Kommentar, 3. Aufl. R. Pörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, Taschenbuch M. Rambaud, César, 4. Aufl. H. Strasburger, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen, 2. Aufl. (T 20) H. Oppermann, Julius Caesar in Selbstzeugnissen . . ., 1. Aufl. (T 3a) K. von See, Deutsche Germanen-Ideologie J. Haller-H. Dannenbauer, Der Eintritt der Germanen in die Geschichte, 4. Aufl. L. Schmidt, Die Westgermanen, Nachdruck der 2. Aufl. R. Hachmann, Die Germanen F. Heubner, Das Feindbild in Caesars Bellum Gallicum, Diss. (T 22) M. Fuhrmann, Tacitus, Germania, Ubersetzung H. Callies, Hoops Reallexikon s. v. Ariovist
101
1973
1974
1975
1976
102
G. Hornig, Caesars Bellum Gallicum, Kommentar II (T 10b) R. Pörtner, Bevor die Römer kamen, Taschenbuch F. Heubner, Das Feindbild in Caesars Bellum Gallicum, Veröffentlichung (T 22) F. L'Huillier, Histoire de l'Alsace, 4. Aufl. (T 13d) K. Christ, Caesar und Ariovist H. Noelle, Die Kelten und ihre Stadt Manching (T 2a ; b) H. Oppermann, Julius Caesar in Selbstzeugnissen . . . , 4. Aufl. (T 3a) S. Fischer-Fabian, Die ersten Deutschen, 1. Aufl. (T 1 ; 23) G. Herrn, Die Kelten (T 2c) R. Hachmann, Caesar gab ihnen den Namen H. Oppermann, Julius Caesar in Selbstzeugnissen . . ., 6. Aufl. (T 3a) R. Hachmann, Die Treverer und die Belger zur Zeit Caesars
1977 1978
1979
S. Fischer-Fabian, Die ersten Deutschen, 4. Aufl. (T 1 ; 23) R. Pörtner, Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit, Taschenbuch F. Jung, Sie bezwangen Rom. Die Rolle der Germanen, 1. Aufl. C. Woyte, Caesars Bellum Gallicum, Übersetzung, Nachdruck H. Noelle, Die Kelten (T 2a ; b) S. Fischer-Fabian, Die ersten Deutschen, Taschenbuch (T 1; 23) R. Hachmann, Die Germanen, Taschenbuch R. Hachmann, Caesar gab ihnen den Namen, Taschenbuch M. Fuhrmann, Rezeption der taciteischen ,Germania' D. Timpe, Die Siedlungsverhältnisse Mainfrankens P. Arnold, Histoire secrète de l'Alsace (T 24a-d) N. Benckiser, Unsere Urväter, die Gallier, F.A.Z. (T 24e| F. Jung, Sie bezwangen Rom. Die Rolle der Germanen, Taschenbuch
Texte 1. S. Fischer-Fabian, Die ersten Deutschen. Der Bericht über das rätselhafte Volk der Germanen, 1975.* 1. bis 50. Tausend August 1975 51. bis 70. Tausend Oktober 1975 71. bis 100. Tausend Dezember 1975 101. bis 130. Tausend Januar 1976 Taschenbuch-Ausgabe: Droemer Knaur, Mai 1978, 319 S. Gesamtauflage bis Mitte 1979: 290000 Exemplare
a) S. Fischer-Fabian räumt in seinem Buch auf mit den Klischeevorstellungen von den ersten Deutschen als biertrinkende Bärenhäuter oder nordische Übermenschen. Aus dem Dämmerlicht der Vorgeschichte tritt uns ein Volk entgegen, in dem die Erdverbundenheit von Bauern, die im Norden Deutschlands lebten, mit der Angriffslust aus dem Osten eingedrungener Hirtenkrieger verschmolz. (Klappentext) b) 4. Kapitel Streitaxt und Hünengräber 62 Deutschland vor 4000 Jahren 62 Ein ,Herrenvolk' gibt sich geschlagen 65 Die ersten Deutschen - Produkt einer gefährlichen Mischung 68 Zeit der Ruhe, Zeit der Sammlung 70 Bronze - die wundersame Entdeckung 72 Der germanische Vormarsch 73 Chatten, Cherusker, Sweben und Markomannen 75 Warum die Germanen Germanen hießen 76 Hariuha Haitika wenn Steine sprechen 78 5. Kapitel Cäsar und Ariovist - die Geschichte einer Tragödie 83 Die Germanen an die Front! * * 83 Cäsar - der , Größte der Sterblichen' 86 Die Legionäre meutern 89 Die Gipfelkonferenz in der elsässischen Ebene 91 Soldaten, die sich nichts befehlen ließen 95 Schlachtruf, Schwert und Schmiedemeister 113 Ein antiker Prinz von Homburg wendet das Schlachtenglück 115 Der Antrag des Marcus Porcius Cato, Cäsar den Germanen auszuliefern 118 Flammen am Horizont 122 (Aus dem Inhaltsverzeichnis der Taschenbuch-Ausgabe) 2. Hermann Noelle, Die Kelten und ihre Stadt Manching, Pfaffenhofen/Ilm 1974. H. N., Die Kelten und ihre Stadt Manching, Wiesbaden (E. Vollmer Verlag) o. J., 380 S.*** H. N., Die Kelten, Bergisch Gladbach (G. Lübbe Verlag: Bastei Lübbe/Geschichte) 1977, 384 S. * Vgl. noch unten T 23. * * Aus dieser Partie stammt T 23. * * * Auf dem Titelblatt ist ,Die Kelten' graphisch sehr deutlich von der Fortsetzung in neuer Zeile abgehoben; auf dem Vorsatzblatt, dem Buchdeckel und beide Male auf dem Schutzumschlag begnügt man sich mit der Angabe ,Die Kelten'.
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a) Vor uns waren die Kelten* Wir sind nicht die Ersten, die über diesen Boden gehen und sagen, daß er uns gehört. Vor uns waren andere da, die eine andere Sprache sprachen, die eine andere Denkart hatten und ein anderes Leben führten. Südlich des Thüringer Waldes saßen vor den Germanen die Kelten. [...] Süddeutschland erfuhr seine germanische Ausprägung erst nach der keltischen. Der keltischen Zeit gehörten fünfhundert Jahre. Die germanische dauert schon ein bißchen länger. Immerhin: Fünfhundert fahre gehörten den Kelten ganz. Und dann waren sie noch eine ganze Weile akustisch vorhanden. Denn Keltisch hörte man in Süddeutschland noch bis in die Zeit Karls des Großen. Wer waren diese Kelten, die auch zu unseren Vorfahren gehören wie die Germanen? (S. 9) b) Was ist noch geblieben? * * [...] Doch was ist bei uns nach zweitausend fahren noch keltisch? Keltisch war eine Lebensform mit eigener Sprache, in einem bestimmten Raum, in einer bestimmten Zeit. Mit einer neuen Überschichtung durch die Germanen begann die neue Zeit. In einem neuen Verhältnis entstand neues Wesen und neue kulturelle Leistung. Aber die Grundsubstanz ist wirksam geblieben, auch im Fortgang. Danach sind wir in Deutschland weder Kelten noch Germanen, sondern eben Deutsche. Es ist eine Frage unserer Zeit, ob die politische Einigung der Europa tragenden Länder gelingen wird, die kulturelle Einheit ist jedoch schon lange gegeben. Vielleicht war es schon Ariovist, der die germanisch-keltische Zusammenfassung auf dem Festland versuchte. Er scheiterte an Rom. Dann kamen die großen Frankenkönige, die (statt von Deutschland nach Frankreich zu greifen wie Ariovist) von Frankreich nach Deutschland ausgriffen in einer bewußten Konzeption. Und Napoleon? [. . .] Es bleibt die schicksalhafte Frage, ob die europäische Einigung in dem ehemaligen keltischen Raum gelingen wird. Dieser Raum ist das Kernstück des heutigen Abendlandes. Es geht um das große Gebilde, das die Kelten zwar nicht gewollt, die Germanen aber vorbereitet haben. Der Raum für ein neues Gebilde aus uralter Gemeinsamkeit ist seit dreitausend fahren vorhanden. (S. 371 f.) c) Gerhard Herrn, Die Kelten. Das Volk, das aus dem Dunkel kam, 1975, 438 S. * Das Stück, Vor uns waren die Kelten' hat die Funktion einer Einleitung. Es umfaßt in der Taschenbuch-Ausgabe (nach der zitiert wird) ungefähr 11/2 Seiten, wovon hier etwa ein Drittel ausgeschrieben ist. * * Vom Schlußkapitel ,Was ist noch geblieben' sind die Seiten 351-370 ausgespart; die letzte Seite ist (abgesehen von 5 Zeilen über Napoleon) vollständig vorgelegt.
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Kapitel I: Das Volk, das aus dem Dunkel kam Kapitel X: Das ränkevolle Spiel des Julius Caesar Kapitel XI: Der vergebliche Kampf des Vercingetorix Über das heutige Österreich, über Süddeutschland, Westdeutschland und Frankreich legte sich damit jene neue lateinische Kulturschicht, die alle diese Gebiete mitprägt - bis auf den heutigen Tag. Was keltisch gewesen war, rumort unter einer mit Rationalität getränkten Decke nur noch wie ein fernes Erdbeben. Das heißt jedoch keineswegs, daß es völlig verschwunden sei. [. . .] Moderne alpenländische Intellektuelle jedoch finden es längst wieder schick, ein keltisches Bewußtsein künstlich zu beleben und gar von einer ,Liga' zu sprechen, in der ihre Völker auf unterirdische Weise mit Schotten und Iren verbunden seien. * (S. 304) 3. Hans Oppermann a) Julius Caesar in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten Caesar ist der erste, der - wenigstens in den Augen der Römer seiner Zeit und der Bewohner der westlichen Reichshälfte - die Welt als Mensch beherrscht hat kraft der Größe, Würde und Leistung des Menschen. So hat sein Erscheinen den Bereich dessen, was dem Menschen möglich ist, unendlich erweitert und das Bild des Menschen gehoben. Es liegt in dem Wesen der neuen Art der Herrschaft, daß es nicht theoretisch verkündigt, nicht in Paragraphen gefaßt werden konnte. Es mußte gelebt werden. Caesar lehrte nicht das Neue, er war es. Die Sprache, dieser feine Zeiger dessen, was ist, macht das deutlich: die Träger solcher Herrschaft heißen fortan nach seinem Namen Kaiser. (S. 157) 1.-20. 21.-23. 24.-26. 27.-29. 30.-32. 33.-37.
Tausend Tausend Tausend Tausend Tausend Tausend
Januar 1968 April 1972 Juli 1973 Juni 1974 August 1975 September 1976
b) Caesar. Wegbereiter Europas, 1958, 2. durchges. Auflage 1963. Aber die Eroberung Galliens bedeutet mehr. Ein Jahrzehnt früher hatte Pompeius das Reich im Orient weit ausgedehnt. [. . .] Das bevölkerungsmäßige Schwergewicht hatte sich dadurch bedenklich nach Osten verschoben. Demgegenüber bedeutete die Eroberung Galliens mit seinen indogermanischen Kelten eine entschiedene Stärkung der westlichen, europäischen Reichshälfte. Die rasche Romanisierung des Landes [ . . . ] beruht auch auf der nahen Verwandtschaft der beiden Volkstümer. (S. 63) c) Kraner-Dittenberger-Meusel, Kommentar zum Bellum Gallicum, I, mit einem Nachwort von H. Oppermann, 1961. * Der Text findet sich am Ende von Kapitel XI (Zwischenüberschrift: ,Kelten, die frühesten Widerstandskämpfer Europas').
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Ihr zentrales Anliegen [das der Kommentarien] ist in der Tat die Darstellung des großen geschichtlich Handelnden durch diesen Täter selbst in der großartigsten Selbstobjektivierung, die die Geschichte kennt. (S. 482)
4. a) Kaspar Zeuss, Die Deutschen und die Nachbarstämme, 1837. Cäsar fand sie [die Vangionen u. a.] unter den Reihen der deutschen Kriegsvölker Ariovists sich gegenüber: Germani suas copias castris eduxerunt. (S. 217f.) b) Napoléon, Précis des Guerres de César, Stouttgart 1836. César et Arioviste eurent une entrevue qui n'eut aucun résultat. Les Allemands étaient d'une haute taille, forts, braves. Après plusieurs manoeuvres, les deux armées en vinrent aux mains, sur un champ de bataille éloigné de seize lieues du Rhin. Arioviste fut battu [...]. Ce désastre consterna les Germains et sauva les Gaules. (S. 32)
5. Theodor Mommsen, Römische Geschichte. a) Am Oberrhein also war der drohenden Invasion der Deutschen vorgebeugt. [. . .] Auch am Mittelrhein, wo die Deutschen bereits vor Jahren übergegangen waren und die in Gallien mit der römischen wetteifernde Macht des Ariovist täglich weiter um sich griff, mußte in ähnlicher Weise durchgegriffen werden. [. . .] Seit Jahrhunderten war den Römern gegenüber diese Sprache der vollkommen ebenbürtigen und ihre Selbständigkeit schroff und rücksichtslos äußernden Macht nicht geführt worden, wie man sie jetzt von dem deutschen Heerkönig vernahm. Band III von 1856 (12. Auflage, 1920, S. 254f.) b) Es waren die Germanen, die die Offensive ergriffen. Die Sugambrer und ihre Verbündeten griffen wieder alle Römer auf, deren sie auf ihrem Ufer habhaft werden konnten [...]. So versuchten sie im Anfang des J. 742 wieder den Rhein zu überschreiten und hofften auf die Unterstützung der linksrheinischen Germanen. Band V von 1885 (10. Auflage, 1927, S. 25) c) Wenn Tiberius bei Abberufung des Germanicus bemerkte, daß es gegen die Deutschen der Kriegsführung nicht bedürfe und daß sie das für Rom Erforderliche schon weiter selber besorgen würden, so kannte er seine Gegner; darin allerdings hat die Geschichte ihm Recht gegeben. (S. 56) d) Carl Peter, Geschichte Roms, II, 4., verbesserte Auflage 1881. Nach diesem Siege, den Cato mit Recht im Senate aufs Nachdrücklichste tadelte, weil er in der That durch einen Bruch des Völkerrechts erkauft war, ließ er [Caesar] - zwischen Bonn und Coblenz - eine Brücke über den Rhein schlagen, über welche er sein Heer nach Deutschland führte. (S. 283)
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6. Karl Ludwig Roth, Römische Geschichte, nach den Quellen erzählt von K. L. R., 4., durchgesehene Auflage 1922. a) Dennoch glaubte Cäsar, sich der Gallier gegen die Deutschen annehmen zu müssen; waren doch auch die Äduer von Rom wiederholt als,Brüder und Vettern des römischen Volkes' erklärt worden; ausschlaggebend aber war die Gefahr, mit welcher der fortwährende Zuzug der Deutschen nach Gallien auch Italien bedrohte. Zwei Botschaften, mit denen er von Ariovistus zuerst eine Unterredung, sodann aber die Einstellung der deutschen Einwanderung und der Mißhandlungen der Äduer begehrte, wurden trotzig zurückgewiesen. (S. 296) b) [. . .] daß auch dies Buch der deutschen Jugend der Gegenwart zu dienen berufen ist, weil sein Gehalt und seine innerste Tendenz auf Erziehung zur Persönlichkeit zielt. Welches Volk ist reicher an kraftvollen und sittlich hochstehenden Persönlichkeiten als die alten Römer? [. . .] die Hoffnung auf ein werdendes größeres Deutschland und der Ernst der Zeiten stellt in den alten Römern ein neues Ideal vor unsere Jugend: den unerbittlichen römischen Willen zur Macht [. . .]. (Nachdruck aus dem Vorwort zur 3. Auflage, 1905) 7. a) Johannes Haller, Die Epochen der deutschen Geschichte, 4. Auflage 1925, S. 11 f. (= 1. Aufl. 1923) In den landläufigen Darstellungen [der deutschen Geschichte] begegnet man nämlich hier einem starken Irrtum. Sie lassen die deutsche Geschichte mit der sogenannten Völkerwanderung beginnen, erzählen mehr oder weniger ausführlich von Goten, Vandalen, Burgundern und so weiter, ohne sich die Frage vorzulegen, was das mit der deutschen Geschichte zu tun habe. So groß kann auch in der Wissenschaft einmal die Macht der Gewohnheit sein, daß man die Verwechslung der Begriffe gar nicht bemerkt, die hier vorliegt: man setzt nämlich Deutsche und Germanen einander gleich. [. . .] Germanen und Deutsche sind eben nicht dasselbe. Alle Deutschen sind Germanen, aber nicht alle Germanen sind Deutsche. In der Gesamtheit der Germanen bilden die Deutschen eine besondere Gruppe, und - was für uns von wesentlicher Bedeutung ist - keine ursprünglich zusammenhängende Gruppe. b) Veit Valentin, Geschichte der Deutschen, 1947. Die Geschichte des deutschen Volkes beginnt nicht mit den Cimbern und Teutonen und auch nicht mit Hermann, dem Cherusker. Es ist Zeit, mii den alten Legenden aufzuräumen. Das deutsche Volk, wie es heute besteht, ist ein verhältnismäßig spätes Erzeugnis der Mischung verschiedenster ethnischer Bestandteile, wobei das germanische Element nur eines von verschiedenen gleichwertigen Elementen gewesen ist. Das deutsche Volk ist zusammengeschmiedet worden von einer sehr farbig zusammengesetzten Herrenschicht, ein langer Prozeß, der den ständischen Aufbau der Deutschen bestimmte. (S. XV) 107
Heinrich Meusel, C. Iulii Caesaris Commentarii de Bello Gallico, erklärt von H. M. 8. Band I (Buch I-IV) 1913. a) Verwundert fragt man sich nun: Ist es denn aber denkbar, daß so wenige über das Schicksal eines ganzen Volkes entscheiden und die Auswanderung von Hunderttausenden beschließen konnten? und denkt dann wohl: Wie viel besser ist es doch bei uns, so etwas wäre jetzt doch unmöglich. Gemach! Ist es wirklich bei uns wesentlich besser? Was bei uns die „Führer", die gewandten Redner oder die größten Schreier dem „Volke" vorreden, „beschließt" das „Volk", unsere Socialdemokraten, und die wenigen denkenden und selbständigen Männer unter ihnen werden auf Befehl der Herren Führer mundtot gemacht und vergewaltigt. Und in katholischen Ländern? Was die Priester sagen, geschieht von fast allen, und zwar nicht bloß in religiösen Fragen, sondern auch in politischen, namentlich in unserem lieben katholischen Deutschland. [. . .] Unser Volk hat wirklich keinen Grund, hochmütig auf die alten Griechen, Römer, Kelten herabzusehen. So herrlich weit haben wir es diesen gegenüber nicht gebracht. Zu beachten ist noch in dem vorliegenden Falle [...]. (Zu 12,1, S. 85) b) Noch weniger ist es möglich, daß die hier von Caesar geschilderten Zustände in ganz Deutschland (s. VI 22) geherrscht haben. Caesar konnte bei der Kürze der Zeit, die er selbst in Deutschland zugebracht hat, [...] nur eine sehr geringe Kenntnis von deutschen Verhältnissen und Zuständen und Sitten haben. (Zu IV 1,5, S. 290) [. . .] der Aufenthalt Caesars in Deutschland [. . .]. [. . .] die Feldzüge nach Germanien und Britannien [. . .]. (Zu IV 20,1, S. 320f.) Die angeblich deutsche Abkunft der Nervier zeigte sich in ihrer Lebensweise mehr als bei den anderen. (Zu II 15,4, S. 211) Der Name soldurii ist gewiß nicht, wie Grimm [. . .] will, deutschen Ursprungs, sondern keltisch. (Zu III 22,1, S. 275) Sie hofften wohl, durch die Gebirgslücke bei Beifort (zwischen Vogesen und Jura) an den Rhein und nach Deutschland zu entkommen. * (Zu I 27,4, S. 134) Band II (Buch V-VII) & Band m (Buch VIII) 1920, abgeschlossen 1916. 9. a) Bei den Deutschen galt zu allen Zeiten das Sprichwort: ein Mann, ein Wort; wer sein Wort nicht hielt, entehrte sich selbst und fiel der allgemeinen Verachtung anheim. Bei anderen Völkern zeigt sich oft eine abgrundtiefe Verlogenheit: selbst Minister, ja Fürsten brechen ihr Ehrenwort (Krieg 1914)! (Zu VI 23, S. 188) * Nach dem Kontext von 128 (ad Rhenum finesque Germanorum) und den eben zitierten Stellen kann hier mit „Deutschland" nur rechtsrheinisches Gebiet gemeint sein.
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b) Der Fremde stand unter dem Schutze d e r G ö t t e r * (sanctos habent). [. . .] Vgl. überhaupt, was Tacitus dort [Germ. 21] über die Gastlichkeit der Deutschen berichtet. (Ebenda) c) Mit dem Eintreten der Mannbarkeit aber hörte sicherlich bei den alten Deutschen das gemeinsame Baden auf. Badeanzüge kannte man in Deutschland zu Caesars Zeit gewiß noch nicht, und das mit dem Eintreten der Geschlechtsreife ganz von selbst sich einstellende Schamgefühl ließ gewiß ein weiteres gemeinsames Baden ganz von selbst aufhören. (Zu VI 21,5, S. 182) d) Übrigens haben unsere Truppen wiederholt ähnliche, ja noch staunenswertere Leistungen [als 74 km in 19-20 Stunden] aufzuweisen gehabt. (Zu VII 41,5, S. 340) 10. a) BG VII 4,4: Non desistit tarnen [Vercingetorix] atque in agris habet dilectum egentium ac perditorum. Zur Sache s. C. Jullian, Hist. de la Gaule II S. 68: „Ceux que leurs dettes rendent incapables de jouir la pleine liberté, ceux que l'exil a chassés de leur tribu ou de leur cité, ceux qui ont perdu, [. . .], l'exercise de leurs droits, la souveraineté de leur personne, l'adhérence à une patrie, la jouissance d'un foyer ou d'une famille, tous les exclus de la loi étaient entassés dans la foule confuse de la plèbe". Und an all solche Leute ist hier zu denken, nur zum kleinen Teil gewiß an verkommenes Gesindel und Verbrecher, wie sie in dem jetzigen Kriege aus den Zuchthäusern gegen die deutschen,Barbaren' losgelassen worden sind. (S. 246f.) b) Georg Hornig, Commentarii Belli Gallici, Lehrerkommentar zu Buch
V-Vin, 1973, 328 S.**
Jullian, Hist. de la Gaule II, S. 68 (bei Meusel z. St.) denkt an Menschen, die ihre wahre Freiheit, ihre Habe verloren haben, Leute, die verbannt wurden, die die Selbstbestimmung über ihre Person verloren haben usw., und Meusel stimmt ihm zu: „an all solche Leute ist hier zu denken, nur zum kleinen Teil gewiß an verkommenes Gesindel und Verbrecher, wie sie in dem jetzigen Kriege (1914!) aus den Zuchthäusern gegen die deutschen ,Barbaren' losgelassen worden sind"! Man muß sich vor solchen Beschönigungsversuchen ebenso hüten wie vor Verallgemeinerungen in malam partem, wie sie Rambaud, a.a.O., S. 325 vornimmt, wenn er aus unserer wie angeblich ähnlichen Stellen, die Absicht Caesars herausliest, die Gallier insgesamt zu diffamieren. (S. 152) c) Der hier geschilderte Charakterfehler der Gallier hat sich auf ihre Nachkommen vererbt: sie lassen sich durch bloße Gerüchte, durch Hetzereien * Hervorhebung im Original. * * Homig merkt zu T 9a (VI 23) an: „Solche von einem uns heute unbegreiflichen Patriotismus und vor allem abgrundtiefen' Franzosenhaß getragenen Bemerkungen finden sich bei Meusel erstaunlich oft" (S. 117). 109
und Hetzartikel ihrer verlogensten Zeitungen, durch unerhörte Lügen ihrer Präsidenten, Minister, Generäle zu empörenden Schandtaten jetzt noch geradeso wie vor 2000 Jahren fortreißen. (Zu VII 42,2, S. 341) d) [. . .] wie in dem jetzigen Weltkrieg die französischen Führer ihre Truppen durch bewußte Unwahrheiten zum Kampfe und zu mutigem Vorgehen anzuspornen suchen.* (Zu VII 20,6, S. 287) e) [. . .] daß früher kein Volk den tapferen Galliern habe widerstehen können. Die gloire hat die Köpfe in Frankreich zu allen Zeiten benebelt. * * (Zu V 29,4, S. 71) 11. a) Nicht ohne Grund schreibt Critognatus den Römern dieselben Absichten [. . .] zu, die die Engländer nun schon lange überall an den Tag gelegt haben: daß sie aus reinem erbärmlichen Krämerneid keinem Volke etwas Gutes gönnen, sondern jedes Volk, das irgend ein begehrenswertes Gut besitzt, zu knechten suchen. (Zu VII 77,15, S. 423) b) Aber im Kriege hängen gar zu gern die, die von schmutzigen Leidenschaften getrieben werden, ihrer schlechten Sache ein hübsches moralisches Mäntelchen um. Vgl. die Engländer im Weltkriege und oft genug in früheren Zeiten. (Zu VI 8,1, S. 143) c) Aber ein sehr großer Verlust an Officieren ist bei schweren Kämpfen das Gewöhnliche, wenn tüchtige Officiere (und Unterofficiere) die Truppen führen. Auch in dem jetzigen Weltkriege kann man diese Erfahrung immer wieder machen. Nur bei den Russen, deren Officiere sich zum großen Teil hinter den Kämpfenden aufhalten, ist der Verlust an Mannschaften unverhältnismäßig größer als der an Officieren. (Zu VII 51,1, S. 360) d) Schon damals scheinen manche angesehenen Männer in Italien von fides und perfidia recht eigentümliche Begriffe gehabt zu haben. (Zu VIII 23,4, S.34) e) Dies deutet auf das böse Gewissen, das Schuldbewußtsein, das die Schuldigen zu immer neuen Missetaten fortreißt: das eben ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend immer Böses muß gebären. Der jetzige Krieg hat dafür bei den „Verbündeten", den Mitgliedern des „Drei (Vier-¡Verbandes" erschreckende Beweise gebracht. (Zu VII 43,3, S. 343) * Vgl. S. 334 zu VII38,10: „Durch derartige Lügen haben die Hetzer in keltisch-romanischen Staaten bis in die allerneueste Zeit ihre Landsleute, die noch ebenso mobiles sind, wie zu Caesars Zeit, zu den empörendsten Greueltaten forzureißen verstanden", S. 394 zu VII 66,3: „Durch derartige Übertreibungen und absichtliche Entstellung der Wahrheit haben gallische Feldherren allezeit ihren Leuten Mut zu machen gesucht". * * Vgl. noch S. 329 zu VII 37,5: „Echt keltisch! Der gallische Hahn hat sich zu allen Zeiten gern aufgebläht und recht laut gekräht" und S. 272 zu VII 14,9 mit einem weiteren Vorwurf: „Unter den Kelten und den von ihnen abstammenden Völkern hat es zu allen Zeiten eine ziemlich große Zahl von Leuten gegeben, die sich unter allen möglichen Vorwänden ihrer Dienstpflicht zu entziehen suchten".
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12. Friedrich Koepp, Die Römer in Deutschland. a) „Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze" war schon zur Römerzeit der Rhein. Dreimal zwar stand des römischen Reiches Grenzwacht am Ufer des Stroms - am Niederrhein ja überhaupt die längste Zeit, aber dreimal auf der ganzen Strecke: einmal zur Zeit Casars, dann unter den ersten Kaisern, nachdem der Traum der Eroberung Germaniens zerronnen war, und wieder 250 Jahre später, als der Grenzwall preisgegeben war, der das durch die flavischen Kaiser und ihre Nachfolger zum Reich gezogene Stück des rechten Rheinufers umschloß. Aber die nachdrängenden Germanenscharen sprengten bald auch den Festungsgürtel der Rheinlinie, und schon zur Zeit des Augustus war die Grenze des Reichs, die der große Cäsar gezogen, [.. .], in Wahrheit nicht mehr die Grenze des Germanenlandes gewesen, wohnten vielmehr Germanen schon auf beiden Ufern des Stroms. b) „Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze" war schon zur Römerzeit der Rhein. Als er in Cäsars Tagen zur Grenze des römischen Reiches wurde, wurde er dazu, weil er als Grenze Galliens galt. Aber auf seinem linken Ufer saßen schon damals Germanen, teils eben jetzt erst angesiedelt, teils vor Menschenaltern, ja vor Jahrhunderten eingewandert. Jenes gilt von den Suebenstämmen, die, mit Ariovist nach Gallien gekommen, trotz Cäsars Sieg und doch wohl mit seinem Willen im jetzigen Elsaß, der Pfalz und Rheinhessen verblieben waren, von den Tribokem, Nemetern und Vangionen. Das andere gilt von all den kleinen Stämmen auf dem linken Ufer des Niederrheins, die Cäsar unter dem Namen der Germani cisrhenani zusammenfaßt, gilt wahrscheinlich auch von den größeren Völkerschaften der Belgica, die sich, wie Treverer und Nervier, germanischer Abstammung rühmten, obgleich sie die germanische Sprache aufgegeben hatten und der gallischen Kultur mehr oder weniger verfallen waren. c) Seit vier Jahrzehnten dürfen wir wohl sagen, daß von den römischen Provinzen, [. . .], nicht allzuviel außerhalb der Grenzpfähle des Deutschen Reiches liegt; nicht nur der Name, den die Römer ihren Provinzen gaben, gibt uns heute das Recht, das Deutschland der Römerherrschaft bis hoch hinauf ins Moseltal und bis zu den Bergen der Vogesen reichen zu lassen. d) Dieses Buch hat sich, als es vor zwanzig Jahren zuerst „die Römer in Deutschland" zu schildern unternahm, nicht ängstlich innerhalb der schwarzweißroten Grenzpfähle gehalten - weder im Westen noch im Süden. Noch weniger kann es sich verpflichtet fühlen, vor den blauweißroten, wo sie heute stehen, haltzumachen, am wenigsten wird es die Überschreitung der ehemals schwarzgelben scheuen, deren Verschwinden ja nur eine Frage der Zeit sein kann. Unser „Deutschland" ist nicht das des sogenannten Friedens von Versailles, der kein Friede ist, noch jemals sein wird. Es ist das Deutschland - wie es sein sollte, im politischen Sinn freilich - was wir auch von der Zukunft noch zu erhoffen wagen! - niemals sein wird, in einem höheren als dem politischen Sinn aber trotz allem auch heute ist und allezeit bleiben soll: „so weit die deutsche Zunge klingt". (a) + (c): 2. Auflage 1912, S. 3f. (b) + (d): 3. Auflage 1926, S. lff. 111
13. Fernand L'Huillier, Histoire de l'Alsace, Coll. Que sais-je? No. 255. a) 1. Auflage 1947, 127 S. L'Alsace ancienne et médiévale* Le premier document qui nous présente le pays d'Alsace sous ce nom date du VIP siècle et la première mention de Strasbourg (Strateburgum) ne remonte pas au delà du VIe siècle. Certes, le pays compris entre les Vosges, le Jura et le Rhin possède une bien plus longue histoire! Les civilisations gauloise, germanique et romaine s'y sont rencontrées vers la fin de l'ère païenne et, malgré les thèses allemandes, malgré le caractère très fragmentaire des fouilles, l'importance du passé gaulois de l'Alsace ne saurait être contestée, - d'un passé dans lequel il faut comprendre au moins les cinq siècles antérieurs à fésus-Christ et le premier siècle de notre ère. C'est le peuple gaulois des Médiomatriques qui a fondé la capitale primitive de l'Alsace, Brocomagus (le Brumath actuel) et aussi Argentorate, le futur Strateburgum. C'est sans doute lui qui baptisa la montagne occidentale et le fleuve oriental. C'est lui qui traça un premier réseau de routes, frappa la première monnaie, produisit des objets de fer et de bronze, des bijoux émaillés et une céramique estimable. Les Triboques ne représentent, en tout état de cause, que des éléments germaniques infiltrés au Ier siècle de notre ère, vers le nord, et n'ayant laissé aucun vestige de civilisation. (S. 5) b) 2. Auflage („revue et corrigée") 1955, 127 S. L'Alsace ancienne et médiévale* Le premier document qui nous présente [. . .] une céramique estimable. Les fameux Triboques, traditionnellement présentés comme les premiers éléments germaniques infiltrés dans le nord, seraient des Celtes. La civilisation gallo-romaine fleurit jusqu'au IVe siècle de notre ère: [. . .]. (S. 5) c) 3. Auflage („revue et corrigée") 1965, 127 S. L'Alsace ancienne et médiévale* Le premier document qui nous présente [. . .]. C'est le peuple gaulois des Médiomatriques qui a fondé la capitale primitive de l'Alsace, Brocomagus (Brumath) et aussi Argentorate / „la colline d'Argento", (1), sur laquelle se sont succédés, modestes Troies, plus de douze „vici", jusqu'au Strasbourg historique./ C'est sans doute lui qui baptisa [. ..]. La civilisation gallo-romaine fleurit jusqu'au IVe siècle de notre ère: [. . .]. (1) Que désigne Argento? La rivière de l'Ill ou un personnage? (S. 5f.) d) 4. Auflage („mise à jour"), 1974, 128 S. L'Alsace ancienne et médiévale* * Das Thema ,L'Alsace ancienne et médiévale' (bis zum 15. Jh. reichend) wird in der 1. Auflage als,Introduction' (S. 5-10), von der 2. Auflage an als,Chapitre premier' eingeordnet. Der veränderten Benennung entspricht eine neue Gewichtung, das Thema wird ausführlicher behandelt (in der 3. und 4. Auflage z. T. mittels Petit-Druck, auf den die 1. Auflage verzichtete).
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Habité dès l'âge de la pierre polie, le pays entre Vosges, Rhin et Jura appartient au domaine des Celtes à partir du VIIIe siècle, à celui des Gaulois à partir du IIIe. C'est le peuple gaulois des Médiomatriques qui a fondé la première ,capitale', Brocomagus (Brumath). C'est sans doute lui qui a baptisé la montagne occidentale et le fleuve oriental. C'est lui qui a tracé un premier réseau de routes, frappé la première monnaie, produit des objets de fer et de bronze, des bijoux émaillés et une céramique estimable. *
Vainqueur, en 58 avant notre ère, près du Wittelsheim actuel, des envahisseurs suèves et germains d'Arioviste, César intègre le pays, pour cinq siècles, au monde romain. La civilisation gallo-romaine y fleurit: [. . .]. (S. 5) e) Karl Kautsky, Elsaß-Lothringen. Eine historische Studie, 3. Auflage Stuttgart 1919, 86 S . * * Das Elsaß ist stets ein vielumstrittenes Gebiet gewesen. Als solches erscheint es schon bei seinem frühesten Auftreten in der Geschichte. Die ersten Nachrichten über das Elsaß gibt uns Cäsar. Germanische Stämme unter Ariovist waren über den Rhein gegangen und hatten das Elsaß erobert, das von keltischen Galliern bewohnt wurde. Diese gefährliche Nachbarschaft wollten die Römer nicht dulden. Cäsar bekriegte Ariovist, schlug ihn (58 v.u.Z.) und jagte die Germanen über den Rhein. Die Kelten im Elsaß waren die germanische Fremdherrschaft losgeworden, aber nur, um dafür die römische einzutauschen. Mit dem übrigen Gallien wurde auch das Elsaß römischer Besitz und völlig romanisiert. (S. 5f.)
14. a) Rolf Hachmann - Georg Kossack - Hans Kuhn, Völker zwischen Germanen und Kelten. Schriftquellen, Bodenfunde und Namengut zur Geschichte des nördlichen Westdeutschlands um Christi Geburt, Neumünster 1962, 144 S. und 16 Karten. R. Hachmann, Germanen und Kelten am Rhein in der Zeit um Christi Geburt, S. 9-68. G. Kossack, Archäologisches zur frühgermanischen Besiedlung zwischen Main und Nordsee, S. 69-104. H. Kuhn, Das Zeugnis der Namen, S. 105-128. Gemeinsames Schlußwort, S. 129-135. Wir müssen jetzt vieles in Kulturgut und Lebensformen der Frühzeit wie auch der folgenden Perioden, dem wir uns gewöhnt hatten entweder keltische oder aber germanische Herkunft zuzuschreiben, daraufhin prüfen, ob es nicht vielmehr zum Besitz der nachgewiesenen dritten Gruppe gehört * Dieser Passus, der Beginn des Buchs und des Kapitels, ist auch im Original durch eine kleinere Type v o m folgenden abgehoben. * * D a s ,Vorwort' s t a m m t vom „ N o v e m b e r 1917", als Elsaß-Lothringen natürlich noch Reichsland war: „ D e m Kampfe u m einen solchen Frieden will die vorliegende Schrift dienen". Der Autor hofft, „daß der Kriegszustand in e i n e m Punkte meine Schrift nicht beeinflußt, daß er mir die U n b e f a n g e n h e i t in nationalen Dingen nicht geraubt hat, die einem internationalen Sozialisten z i e m t " (Hervorhebungen im Original).
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hat. Bei einigem ist dies offenkundig, so bei dem Kult der Muttergottheiten, von dem im Nordteil des Rheingebiets Hunderte von Votivsteinen zeugen [. . .]. Auch viele der vermeinten keltischen Lehnwörter im Germanischen verlangen eine solche Revision [. . .].* (S. 134f.) b) Konrad Kraft, Besprechung von Hachmann-Kossack-Kuhn, Germania 42, 1964, 313ff. (= Kl. Schriften, 1973, 144ff.) Seit Jahrzehnten war die Frage der Grenze zwischen Germanen und Kelten belastet von politischen Gegenwartserwägungen. Es ist recht wohl begreiflich, daß man auch einmal versucht, dieses Problem damit aus der Welt zu schaffen, daß man eine dritte Volksgruppe dazwischenschiebt, die dann wieder verschwinden muß, und so die umstrittene germanisch-keltische Grenze für die entscheidende caesarisch-augusteische Zeit beseitigt. Wenn die Verfasser in dem gemeinsamen Schlußwort meinen, sie hätten die Alternative Kelten oder Germanen überwunden, so drängt sich die Frage auf, ob nicht die Verfasser, ohne es recht zu ahnen, sich gerade im Schlepptau dieser Alternative befinden, daß nämlich diese Alternative am Anfang ihrer Lösungsversuche stand in der Gestalt des verführerischen Wunsches, ein lästiges Dilemma aus der Welt zu schaffen. (S. 319)
15. Caesar, BG I 31, 12-13 (§ 3: locutus est pro his Diviciacus Haeduus): Ariovistum autem, ut semel Gallorum copias proelio vicerit, quod proelium factum sit ad Magetobrigam, süperbe et crudeliter imperare, obsides nobilissimi cuiusque liberos poscere et in eos omnia exempla cruciatusque edere, si qua res non ad nutum aut ad voluntatem eius facta sit. hominem esse barbarum, iracundum, temerarium: non posse eius imperia diutius sustineri. 16. a) Curt Woyte, Antike Quellen zur Geschichte der Germanen, II, 1913, 120 S. Zu beachten ist die treffende Schilderung des gallischen d. h. des heutigen französischen Nationalcharakters. An einer Stelle der Beschreibung Galliens (BG VI, 20,2) nennt Cäsar die Gallier tollkühne und unerfahrene Leute, die sich durch falsche Gerüchte täuschen und zu Untaten verleiten lassen. (S. 50, 2) b) [. . .] führt Ariovist ein stolzes und grausames Regiment. [.. .] Er ist ein roher, jähzorniger und leidenschaftlicher Mensch, dessen herrschsüchtiges Gebaren man unmöglich noch länger ertragen kann. (S. 13) c) Hermann Stegemann, Der Kampf um den Rhein. Das Stromgebiet des Rheins im Rahmen der großen Politik und im Wandel der Kriegsgeschichte, 1924 (11. bis 20. Tausend) Als Julius Cäsar im Rhonedelta erschien, war Ariovists Stellung gefestigt und anerkannt. Der Römer schildert den Sueven als stolzen, gewalttätigen, * Aus dem gemeinsamen Schlußwort. 114
jähzornigen Barbarenfürsten. Wir haben keinen Grund, dem Urteil des Römers zu mißtrauen. (S. 16) 17. Der große Brockhaus a) 15. Auflage, Band I 1928 Ariovist, german. Heerführer, ging um 71 v. Chr. über den Rhein, von den gallischen Sequanern gegen die Häduer zu Hilfe gerufen, besiegte diese 61 bei Magetobriga und siedelte seine Leute (Triboker, Nemeter, Wangionen) im Elsaß, in der Pfalz und Rheinhessen an. Seinen Absichten auf Gallien trat Cäsar entgegen und schlug ihn 58 zwischen Besançon und Schlettstadt. A. entkam über den Rhein und starb bald darauf. Ludw. Schmidt: Geschichte der deutschen Stämme, Bd. 2 (1918). b) 15. Auflage, 2. völlig neu bearbeitete Ausgabe, Band I 1939 Ariovist, Fürst der suevischen Triboker, später Heerkönig einer Kampfgemeinschaft suevischer und anderer Germanenstämme, ging um 71 v. Chr. über den Rhein, von den gallischen Sequanern gegen die Häduer zu Hilfe gerufen, besiegte diese 61 bei Magetobriga und siedelte seine ältesten Mitkämpfer (Triboker, Nemeter, Wangionen) im Elsaß, in der Pfalz und Rheinhessen an. Seinen Absichten auf Gallien trat Cäsar entgegen und schlug ihn 58 zwischen Schlettstadt und Besançon. Er entkam über den Rhein und starb bald darauf. A. ist die erste german. Führerpersönlichkeit, von der auf Grund geschichtlicher Zeugnisse eine anschauliche Vorstellung zu gewinnen ist. Cäsars Darstellung (Bellum Gallicum I, 30-54) zeigt ihn als einen selbstbewußten, unterrichteten und mutigen Mann. Ludw. Schmidt: Geschichte der deutschen Stämme, Teil 1 (2. Aufl. 1938); Miltner: Germanische Köpfe der Antike (1938). c) 16. Auflage, Band I 1952 Ariovist, german. Heerführer, die erste geschichtl. greifbare, von Cäsar eindrucksvoll geschilderte Gestalt des Germanentums, ging um 71 v. Chr. über den Rhein [. . .] starb bald darauf. * d) Franz Miltner, Germanische Köpfe der Antike, 1938** Hat Ariovist durch den Vorstoß in linksrheinisches Land für alle Zeiten den Rhein zu deutschen Landes Strom gemacht [. . .]. (S. 10; Einleitung) Und wenn auch Caesars Sieg im Elsaß über Ariovist die Gefahr, daß auf gallischem Boden ein germanisches Reich errichtet würde, auf Jahrhunderte hinaus beseitigt hat, so hat auch er es nicht mehr ändern können, daß bis * Der ausgesparte Text aus der 16. Auflage ist identisch mit dem der Auflage von 1928 (T 17a), abgesehen von den Literatur-Angaben (neben Ludw. Schmidt: Geschichte der dt. Stämme, Bd. 2 Die Westgermanen 1, 2 1938, noch Köstermann, s. T 18). * * Das Buch behandelt: Ariovist; Armin und Marbod; Civilis; Arbogastes; Stilicho und Alarich; Geiserich. Der zweite ausgeschriebene Abschnitt ist der Schluß des AriovistKapitels (S. 12-24).
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zum Wasgenwald hin das Land seit dem letzten vorchristlichen Jahrhundert von deutschen Siedlern besetzt ist. Und das ist die weltgeschichtliche und germanische Tat Ariovists, des Königs der Sueben. (S. 24) e) Staatsminister Dr. Otto Meißner (Hrgb.), Elsaß und Lothringen - deutsches Land, Berlin 1941 (1.-20. Tausend), 324 S.* Professor Paul Wentzcke, Elsässisches Schicksal. [. . .] treten im ersten Jahrhundert v.u.Z. germanische Stämme im engsten Bereich des Elsasses ins helle Licht der Geschichte. Kein Geringerer als der Wegbereiter des römischen Weltreiches, der Feldherr Caius Julius Cäsar, erzählt in seinem Rechenschaftsbericht über den gallischen Krieg eingehend von diesen Vorgängen. Die Anfänge einer nie unterbrochenen völkischen Schicksalsgemeinschaft des Mittelmeerraumes mit den binnendeutschen Landschaften werden lebendig. Seit fast genau zwei Jahrtausenden bestimmt germanisches Bluterbe das Schicksal des Landes. Unter der Führung ihres Heerkönigs Ariovist hatten suevische Scharen als Vorhut gleichsam einer weit größeren Bewegung den Rhein überschritten. Als im Kampf gegen die eigenen Nachbarn heimische Völkerschaften die Hilfe der Fremden anriefen, nahmen die Germanen bereitwillig das Angebot neuen Siedlungslandes auch im oberen Elsaß auf. Durch die Burgundische Pforte begann der weitere Vormarsch; bis tief ins Rhonetal dehnte sich bereits der Einfluß des germanischen Herrschers über die in sich uneinigen keltischen Stämme aus. Erst der römische Staat [. . .] drängte ihn gewaltsam zurück. Auf demselben, von leichten Erhebungen bedeckten Gelände bei Mülhausen, das im Sommer 1914 und 1940 erneut zum Schlachtfeld zwischen Romanen und Germanen werden sollte, ward im Jahr 58 v.u.Z. der Kampf ausgefochten. Dem taktischen Geschick der Führung und der Überlegenheit der römischen Waffen waren die „Barbaren" trotz aller Tapferkeit nicht gewachsen. Im Elsaß zuerst kündete sich in diesem Treffen die Auseinandersetzung von Kultur und Staatsgedanken des ersten Imperiums mit den jungen Völkern des Nordens an. Der äußere Erfolg war zunächst auf seiten der Römer.
(S. 61 f.)
18. Erich Köstermann, Caesar und Ariovist, Klio 33, 1940, S. 308-334 a) Aber wir sind heute mehr denn je verpflichtet, alle Steine zusammenzutragen, um über die Anfänge der Geschichte unseres Volkes Aufklärung zu verschaffen. (S. 309f.) b) Uns kommt es hier allein auf die „Schuldfrage" an und darauf, das Bild des großen Germanenfürsten, das auch heute noch in den meisten Darstel* Das Werk stellt die offizielle Reaktion auf die Ereignisse des J. 1940 dar, den „Gruß an die zurückgewonnene Heimat" (Meißner, eingangs des ,Geleitwortes'). Er bietet zuerst das Photo „Der Führer vor dem Münster in Straßburg" sowie die Reportage „Der Einzug des Führers in Straßburg am 28. Juni 1940" von Reichspressechef Dr. Dietrich und endet mit „Gau Westmark im Kampf geformt" von Gauleiter Josef Bürckel, „Die Lösung des elsässischen Problems" von Adolf Schmid, Leiter des Reichspropagandaamtes Baden, sowie dem Verzeichnis „Die Ortsbezeichnungen früher und jetzt".
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lungen in durchaus verzerrter Weise wiedergegeben wird, von seinen Flekken rein zu waschen. (S. 325,2) c) Seine [Ariovists] Gestalt wird in der Darstellung des Diviciacus in bezeichnender Weise verzerrt. Barbaras iracundus temerarius (31,13), superbus und crudelis (31,12) sind die Attribute, die ihm beigelegt werden. Davon mag der Stolz, der den Besiegten als superbia erscheinen mußte, zu Recht bestehen: wer möchte es dem Germanenfürsten verdenken, daß er im Vollgefühl seiner Erfolge das Bewußtsein seiner Kraft auch nach außen hin zum Ausdruck brachte? Alle anderen ihm beigelegten negativen Eigenschaften müssen als unberechtigt betrachtet und zurückgewiesen werden. [. . .] Und ganz ebenso verhält es sich mit seiner angeblichen Grausamkeit. (S.323f.) d) Zeigen doch, wie öfters betont, alle seine Handlungen, daß sie von Weitsicht und Vorausschau getragen sind. (S. 331) e) Daß Caesar unter dem Zwang einer politischen Lage handelte, bestreite ich natürlich nicht. (S. 325,2) 19. F. Fügner - M. Krüger, Des C. Iulius Caesar Gallischer Krieg, Teubners Schülerausgaben. a) 19. Auflage, 1936 Textliche Änderungen sind nicht nötig, wohl aber ist mancherlei im Namenverzeichnis zu ändern. Wenn in dieser Auflage darauf verzichtet wird, so geschieht das deswegen, weil die Erörterung dieser sehr schwierigen Dinge gerade jetzt sehr lebendig ist und gute Ergebnisse erwarten läßt. (Vorwort) b) 20. Auflage (Text B), 1938, XXXVI und 202 S. Textänderungen sind nur an 4 Stellen erfolgt. Größer ist die Zahl der Änderungen im Namenverzeichnis. (Vorwort) Ariovistus, i, m., ein Heerkönig der germanischen Sweben, dessen Reich im nördlichen Elsaß lag; er wurde von den Sequanern gegen die Haeduer zu Hilfe gerufen ([. . .]) und nahm als Sieger jenen einen Teil ihres Landes weg. C. schlug ihn (am 14. Sept. 58) im Elsaß, wahrscheinlich etwas nördlich von Kolmar [. . .],- er entkam über den Rhein ; sein Tod wird erwähnt 5,29,3.* (Namenverzeichnis, S. 173) Germani, orum, m. wohnten zum kleineren Teil auf dem linken Rheinufer [. . .], in der großen Mehrzahl auf dem rechten [. . .]. - Adjektivisch tritt Germani zu equites [. . .]. Vgl. zu Germani und Germania im allgemeinen die Einleitung dieses Buches S. XXVIff.** (Namenverzeichnis, S. 185) c) Germanien. Land und Leute, herausgegeben und mit Erläuterungen versehen von Dr. Mauriz Schuster, 2. Auflage, Wien 1944, 128 S. * Ausgelassen sind allein die Stellenangaben (und Quantitätszeichen). * * Ausgelassen sind die lateinischen Zitate und die Stellenangaben (femer Quantitätszeichen).
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Als Klassenlesestoff für den Unterricht an Höheren Schulen zugelassen laut Erlaß des Reichserziehungsministers vom 9. November 1943 [. . .]. Es sei hier daran erinnert, daß zu Mold bei Horn in Niederdonau, also im Ahnengau Adolf Hitlers, auf dem Bodenteil eines bandkeramischen Gefäßes ein Hakenkreuz entdeckt wurde, welches das älteste Hakenkreuz des Deutschen Reiches, ja vielleicht Europas darstellt (Höbarth-Museum in Horn). (S. 25,1) Galli, -orum: die keltischen Bewohner des Landes Gallia (s. d.); „was wir heute als bezeichnend,keltisch' empfinden, ist in der Hauptsache ein nordisch-westischer Rassenausgleich" (H. Günther). - adj. Gallicus 3 gallisch. (Verzeichnis der Eigennamen, S. 115) Die Römer zu Tacitus' Zeit waren ein durch schlechte Rassenmischung bereits entartetes, dem Verfall geweihtes Volk.* (S. 9) 20. Hermann Strasburger, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen. 2., durch ein Nachwort erweiterte Auflage 1968, 81 S. (' 1953) Daß ich das Phänomen von Caesars staatsmännischer Größe und Leistung vielleicht mangelhaft erkenne, muß ich in Kauf nehmen - : wer einmal bei den „Spänen" war, als „Männer, die Geschichte machen", „hobelten", lernt den Konflikt zwischen Vitalität und Objektivität bei sich selber kennen, vermag aber um so eher auf ebensolche Erlebnisse im geschichtlichen Felde aufmerksam zu machen. Falls die Ablehnung Caesars durch seine Zeitgenossen auf Beschränktheit beruhte, so wäre es nur die Beschränkung, die allem geschichtlichen Leben aus seiner Vergangenheit und Gegenwart zwangsläufig gesetzt ist. (S. 81)
21. Gerold Walser, Caesar und die Germanen. Studien zur politischen Tendenz römischer Feldzugsberichte, 1956. (Uberarbeitete Habilitationsschrift von 1951) a) Er läßt aber den tendenziösen Bericht des Diviciacus ruhig auf den Leser wirken, ohne ihn richtigzustellen, da ihm an der Übersteigerung der germanischen Macht viel liegt. Die Technik, solche anfechtbaren Angaben nicht als eigenen Bericht sondern als Aussage eines Dritten wiederzugeben, befreite Caesar vom Odium der direkten Lüge. Auch an anderen Stellen gibt Caesar die Verantwortung für eine falsche Orientierung an Sprecher von der Art des Diviciacus ab. (S. 23) b) Ihr Führer, ein barbarischer, jähzorniger und frecher Mensch, paßt zu diesem räuberischen Volke. Er besitzt alle Eigenschaften, die man seit langem den Barbaren nachsagt: superbia, crudelitas, arrogantia. Er verachtet das primitivste Völkerrecht, seine Herrschaft ist unerträgliche Willkür. (S. 22) * Im , Schrifttum' werden unter den ,Abhandlungen' eine von 1921 sowie fünf aus den Jahren 1934—38 zitiert. Die erste Auflage ist 1941 erschienen; sie umfaßt ebenfalls 128 S.
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22. Friederike Heubner, Das Feindbild in Caesars Bellum Gallicum, Klio 56, 1974, S. 103-182 (ursprüngl. Diss. Rostock 1971) Die einzelnen Charakteristika und das aus ihnen zusammensetzbare ,Bild' von einem Feind ist bestimmt von der caesarischen Argumentationsabsicht. [. . .] Sicherlich kann man Ariovist von Dumnorix unterscheiden, aber auch nur auf Grund der von Caesar für erwähnenswert gehaltenen spezifischen Situation und Motivation des Krieges oder seiner Vorgeschichte. In dieser Argumentationsfunktion sind die Wesensmerkmale bei Caesar untergeordnet unter den Imperiumsgedanken der herrschenden Klasse und ihrer gesamten Ideologie. So fungieren sie mit ihrer Beweiskraft als Begründung für die vermeintliche Unvermeidbarkeit der Aggression in Gallien. (S. 182; Schluß der Zusammenfassung' und der gesamten Arbeit) 23. S. Fischer-Fabian, Die ersten Deutschen, 1975/1978 (s. T. 1) Auch wäre Ariovist nicht wie Kimbernkönig Boiorix vor das Lager des gegnerischen Feldherrn geritten, um mit ihm Termin und Stätte der Schlacht zu vereinbaren, und es hätte ihm nicht sonderlich viel bedeutet, daß ein König, wie weiland Teutobod, über sechs nebeneinander aufgestellte Pferde zu springen vermochte. In Ariovist war den Germanen eine Persönlichkeit neuen Typs erwachsen. Er war mit Tugenden ausgerüstet, die sich von denen seiner Vorgänger fundamental unterschieden: An die Stelle der Tollkühnheit war besonnener Mut getreten, berserkerhafte Todesverachtung wurde ersetzt durch Disziplin, blindes Drauflosstürmen durch strategisches Kalkül, Biedersinn durch staatsmännisches Denken. (S. 83f.)
24. Paul Arnold, Histoire secrète de l'Alsace, Paris (Editions Albin Michel) 1979, 240 S.* a) D'ailleurs les Séquanes les attirent et croient même politique de s'attacher un petit potentat de la Forêt-Noire, le Suève (Souabe) Arioviste avec ses hordes, lui consentant „de grands sacrifices et de grandes promesses". E n - 5 8 , les Germains sont cent vingt mille. Ambitieux, intelligent et impitoyable, Arioviste déploie des talents militaires. [. . .] Il [Arioviste] leur intime l'ordre d'en évacuer un autre tiers où il entend établir vingt-quatre mille Herules, Germains de la région de Hambourg accourus pour lui demander des terres. Les Séquanes, assure César, sont terrorisés par ce „tyran orgueilleux et cruel", car il „exige comme otages les enfants des plus grandes familles et, pour faire des exemples, les livre aux pires tortures, si l'on n'obéit pas au premier signe, ou si seulement son désir est contrarié". Détenant par l'entremise des Séquanes des otages éduens, Arioviste a désormais à sa discrétion la majeure partie de la Gaule. Tel est du moins l'opinion du Romain. [. . .] Arioviste répond avec arrogance, demandant „ce qu'avaient à * Aus der Reihe ,Histoire secrète des provinces françaises'; bereits erschienen sind Bände über die Bretagne, Korsika, Lyon und Lyonnais, Languedoc, Provence, Burgund.
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faire César, et d'une façon générale, les Romains, dans une Gaule qui lui appartenait, qu'il avait conquise". César lui envoie un ultimatum qui est rejeté avec insolence. [ . . . ] C'est là que les Gaulois lui tracent un portrait des guerriers germains point encore affrontés par les légions de César. „Le seul aspect de leur visage, le seul éclat de leurs regards nous furent insoutenables". Ils n'exagéraient guère. C'était la méthode de combat des Germains de se grimer et de se donner des airs de fauves en fureur, les Berserkir. (S. 28f. ; ,Première poussée germanique: Arioviste')* b) Le long du Rhin se succédaient alors du sud au nord les Séquanes et les Médiomatriques. Les Triboques formaient une enclave au milieu de ces derniers que le Ried séparait des premiers. Les historiens allemands ont voulu rejeter les Séquanes en Franche-Comté jusqu'où ils s'étendaient, les Médiomatriques en Lorraine où Metz était leur capitale et au Palatinat qu'ils avaient colonisé. On attribuait ainsi toute l'Alsace à la tribu des Triboques que, sur la foi de César et de Strabon, l'on tenait pour des envahisseurs germains. Les fouilles récentes ont démontré que c'étaient des Gaulois qui ont dû se maintenir sur la rive droite du Rhin avant de conquérir la région de Brumath aux dépens des Médiomatriques. Leurs noms étaient gaulois,- ils adoraient des dieux gaulois quelque peu mâtinés d'aspects germaniques, tel Teutatès qui, assimilé par les Romains à Mercure, devenait chez eux Teutatès-Médru assimilé à Mars. Ils ont dû être fort belliqueux et impatients de s'étendre au-delà de Strasbourg. Aussi les trouverons-nous, avec d'autres tribus gauloises aux côtés d'Arioviste. Un conte alsacien encore vivant au siècle dernier prétend même garder le souvenir d'un bois sacré, le Tribocher, à l'emplacement de la cathédrale de Strasbourg. (S. 26f. ; ,Survivances gauloises')* c) Ni au XIe siècle, le père de Frédéric Barberousse ni au XX e siècle, Hindenburg, ne s'y sont trompés. Par une politique fort analogue et pareillement impatiente mais implacable, ils ont tenté de „germaniser" un peuple allogène. A l'aube de l'histoire propre de l'Alsace, le potentat suève Arioviste, en passe de mettre la main sur toute la Gaule, avait tracé la voie: implanter sur le sol de l'Alsace des populations purement germaniques d'outre-Rhin, s'approprier en maîtres privés de vastes districts, afin de violer l'ethnie, de la métisser, de l'absorber, de la „digérer", comme a dit Hindenburg, en 1917 afin de faire de l'Alsace une terre allemande, une „terre d'empire" (Reichsland) de coeur et de sang. Ce n'est pas une vision rétrospective, un vieux souvenir d'histoire: la même tentative recommençait en 1940; elle recommence, plus sournoise mais non moins obstinée, sous nos yeux mêmes. (S. 230; ,Conclusion') d) En 1977, des industriels de Rhénanie expliquaient à des journalistes parisiens leurs préférences pour les ouvriers alsaciens: „Ils sont germains * Beide Stücke stammen aus dem Einleitungskapitel, Au coeur du celtisme' (S. 13-32), das von den keltisch-gallischen Anfängen (um 1300-1200 v. Chr.?) bis in Caesars Zeit reicht; es folgt das Kapitel,L'Alsace gallo-romaine, bastion de l'empire' (S. 33—44).
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comme nous; ils parlent notre langue." Ces patriotes étaient sincères, comme ceux qui, accourus de toute l'Allemagne, vinrent, en 1870, contempler les ruines de Strasbourg et féliciter les habitants d'avoir enfin échappé à la servitude de l'oppresseur français. Je révélerai des démarches actuelles moins avouables, plus secrètes, exploitant la même veine. (S. 10; ,Avant-propos') e) Nikolas Benckiser, Unsere Urväter, die Gallier. Eine politische Abstammungslehre für Elsässer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. April 1979* Es ist bestimmt schwierig, aus den kärglichen Quellen von Strabo über Cäsar bis ins frühe Mittelalter genau die Anteile von Kelten und Germanen an dem Volk zu bestimmen, das in seinen Siedlungen am Oberrhein schließlich eigenes Profil annahm. Bedeutsame Schlüsse, etwa auch politischer Art, würden sich indessen aus neuen Ausdeutungen bekannter Quellen und Literatur auch nicht ergeben; entscheidend bleibt die Sprache und das Bekenntnis zu ihr. Ein bei Arnolds Geschichtsdeutung immer wieder zum Vorschein kommender Vorwurf an „jenseits des Rheins" erinnert an Zeiten deutsch-französischer Auseinandersetzung, die man verflossen glaubte. Da ist von dem Wohlgefallen die Rede, mit dem man „jenseits des Rheines" das „Vorurteil" von der germanischen Herkunft der Elsässer betrachte, von weit zurückreichenden „Germanisierungsbestrebungen" bis zu einem diesbezüglichen Geheimplan Hindenburgs zu Beginn dieses Jahrhunderts, und schließlich der gegenwärtigen Bemühung um das Elsässerditsch - der Dialekt sei „die Basis des ganzen quiproquo", der ganzen Unterschiebung.
* Der Artikel findet sich auf der Seite Deutschland und die Welt', d. h. nicht im Feuilleton oder in der Literaturbeilage.
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Indices A. Zu den Texten (Die Z a h l e n v e r w e i s e n auf die N u m m e r n der T e x t e )
Arnold 2 4 a - d Benckiser 24e
1. Die Autoren L'Huillier
13a-d Meusel 8 - 1 0 a ; 1 0 c - l l e M i l t n e r 17d Mommsen 5a-c N a p o l e o n I. 4 b Noelle 2 a - b Oppermann 3a-c P e t e r 5d Roth 6a-b S c h u s t e r 19c S t e g e m a n n 16c Strasburger 20 Valentin 7b Walser 2 1 a - b W e n t z c k e 17 Woyte 16a-b Zeuss 4a
Brockhaus, Der Große 17a-c Fischer-Fabian l a - b ; 23 F ü g n e r s. Krüger H a c h m a n n 14a H a l l e r 7a Herrn 2 c Heubner 22 H o r n i g 10b K a u t s k y 13e Koepp 12a-d Köstermann 18a-e K o s s a c k s. H a c h m a n n Kraft 14b Krüger 1 9 a - b K u h n s. H a c h m a n n
2. Namen und Sachen A g g r e s s i o n in G a l l i e n 2 2 Ahnengau 18c Allemands 4b Argumentationsfunktion 22 A r i o v i s t 1; 2 2 ; 4 a ; 5 a ; 6 a ; 1 2 b ; 13d ; 1 5 - 1 8 ; 19b; 2 1 - 2 4 A u g u s t u s 12a Baden, g e m e i n s a m e s 9 c ,Barbaren', deutsche l O a - b B l u t e r b e , g e r m a n i s c h e s 17e Boiorix 23 B r o c o m a g u s 13 B r u m a t h 13 Caesar passim C a t o s. P o r c i u s Charakterfehler 10c Cimbern 7b; 23 Critognatus I I a D e u t s c h e , d e u t s c h , D e u t s c h l a n d 1; 2 ; 4 a - b ; 5 a ; c, d ; 6 b ; 7 a - b ; 8b; 9 a - d ; 1 0 a - b ; 1 2 c ; 17d
D i v i c i a c u s 15; 21 Drei-(Vier)verband 1 le D r i t t e G r u p p e 14 Dumnorix 22 E l s a ß 12b; 13; 17; 18b; 2 4 Elsässerditsch 24e E n g l ä n d e r 11 a - b e n v a h i s s e u r s 13d ; 2 4 b Erfolg, ä u ß e r e r 17e F l u c h der b ö s e n T a t 1 l e F r a n z o s e n , f r a n z ö s i s c h 10; 12; 16a F r e m d h e r r s c h a f t , g e r m a n i s c h e 13e F ü h r e r p e r s ö n l i c h k e i t 17b Gallien, Gallier, gallisch 3b; 4b; 6a; 1 0 b - c ; e ; 12a—b; 1 3 a - e ; 1 6 a ; 1 8 c ; 2 4 Gastlichkeit 9b G e r m a n e n , g e r m a n i s c h 1; 2-, 5 b ; 7 a - b ; 1 2 a - b ; 13; 14; 1 8 b ; 2 4 G e r m a n i c i s r h e n a n i 12b gloire 10e H a k e n k r e u z 18c
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Heerführer 17a,- c Heerkönig 17b Hetzereien, Hetzartikel 10c ; 10 Anm. 2 Hermann der Cherusker 7b Hindenburg 24b; e Hitler 18c , Hobeln' 20 Italien l l d Jullian lOa-b Kaiser 3a Katholisch 8a Kelten 2; 3b ; 8a ; 10 Anm. 2 - 3 ; 13; 14 Klasse, herrschende 22 Krämerneid, erbärmlicher I I a Lügen 10c; 10 Anm. 2 Mäntelchen, moralisches I I b Manching 2 Marschleistungen 9d Mediomatriker 13; 24b Moseltal 12c Mühlhausen 17e Namen 14 Nationalcharakter 16a Nemeter 12b ; 17 Nervier 8b ; 12b perditi lOa-b Pfalz 12b; 17 M. Porcius Cato lb; 5d Rassenmischung 18c Reichsland 24c Rhein 5b; d ; 12a-b; 13; 14; 17 ; 24b ; e Rheinhessen 12b; 17 rheinische Industrielle 24c Römer 18c
Russen 11c Selbstobjektivierung 3c Sequaner 24a-b Socialdemokraten 8a soldurii 8b ,Späne' 20 Stolz - superbus 16b; 18c Strabon 24b ; e Straßburg 12a ; 24b ; d Sueben 12a ; 13d; 16b ; 17b, 18b Sugambrer 5b Tacitus 9b Teutobod 23 Teutonen 7b Tiberius 5 c Treverer 12b Triboker 12b; 13; 17; 24b Tribocher, le 24b Vangionen 4a ; 12b; 17 Verbrecher lOa-b Vercingetorix lOa-b Verlogenheit 9a Verluste an Officieren 11c Versailles 12d Vier-Verband l l e Völkerzwischen Germanen und Kelten 14 Völkerwanderung 7a Völkische Schicksalsgemeinschaft 17e Vogesen 12c ; 13 Weltkrieg, I. 9 - 1 1 Weltkrieg, II. 20 Zuchthäuser lOa-b zunächst 17e Zunge, deutsche 12d
3. Stellen des Bellum Gallicum I
II III IV V VI
124
2,1: 8a 27,4: 8b 3 0 - 5 4 : 17b 31,12-13: 15; 16b; 18c; 21b 15,4: 8b 22,1: 8b 1,5: 8b 20,1: 8b 29,3: 19b 29,4: lOe 8,1: I I b 20,2: 16a ' 21,5: 9c 22: 8b
VII
VIII
23,8: 23,9: 4,4: 14,9: 20,6: 37,5: 38,10: 41,5: 42,2: 43,3: 51,1: 66,3: 77,15: 23,4:
9a ; 10 Anm. 1 9b lOa-b 10 Anm. 3 lOd 10 Anm. 3 10 Anm. 2 9d 10c lle 11c 10 Anm. 2 IIa lld
B. Zur Untersuchung 1. Autoren des 19. und 20. Altrichter 86,117 Arnold 96 f. Arndt 33; 35; 3 5 , 3 5 Barrés 3 6 , 3 6 Barwick 4 2 , 4 4 Bauer 64,87 Benckiser 97 f. Bertram 3 6 , 3 6 Bickerman 3 2 , 3 2 Birt 9 1 , 1 2 6 Bloem 66,89; 74,98; 7 8 , 1 0 3 ; 80,105; 8 7 f . ; 93,128 Brandes 6 4 , 8 7 Brecht 64,87; 93 Brockhaus, Der Große 47 f.; 53; 8 6 , 1 1 7 ; 91 Callies 61,81 Capelle 15,7 Ceram 12,4 Christ 50,59; 54,64; 6 0 , 7 9 + 80 Conrady 5 4 , 6 4 Dahn 64; 6 5 , 8 9 Dannenbauer 61,81 v. Dedenroth 65 Deshayes 6 0 , 7 9 Diller 48,55; 54; 6 0 , 7 9 Duval 29,27; 9 8 , 1 4 1 Ebers 6 4 , 8 7 Eggert 64,87; 76,101; 8 5 , 1 1 4 Elze 3 5 , 3 5 Eucken 3 1 , 3 0 Feist 4 3 , 4 5 Fischer-Fabian l l f . ; 14; 2 0 ; 4 5 , 4 8 ; 61; 8 1 , 1 0 7 ; 95 f. Flessau 55,65 Förstemann 74,98 Fügner 52; 54,• 92 Fuhrmann 18,8; 9 9 , 1 4 2 Fuß 6 0 , 7 9 Geizer 55,66 Gesche 9 3 , 1 2 9 + 131 Göbl 61,81 Grabbe 6 5 , 8 8 Grolle, I. u. J. 3 5 , 3 5 ; 3 6 , 3 6 G ü n t h e r 52 Gutenbrunner 6 0 , 7 9 Hachmann 18,8; 41 ff., 44; 95 Haller 20; 20,14; 92 Harmand 6 2 , 8 4
Jahrhunderts
v. Harnack 31 Henderson 64,87 Hatt 3 9 , 4 0 Herbert 64,87 Herchenbach 6 5 , 8 9 Hering 5 4 , 6 4 Herrn 13 f. Herzog 76,101; 9 3 , 1 2 9 Heubner 57ff. ; 94 Heuß 19,10 Holder 74,98 Holmes 28 Hornig 24,18; 26,22; 2 9 , 2 7 ; 90 Hugo, V. 3 6 , 3 6 Ihm 6 9 , 9 2 I m m i s c h 27,23 Jelusich 93; 94,131 (ullian 27,24; 28 f.; 3 0 , 2 8 Jung 9 6 , 1 3 7 Kaerst 3 1 , 3 0 Kautsky 41 Kleist 65,88 Koepp 3 2 , 3 2 ; 3 3 f f . ; 3 7 , 3 9 ; 38; 4 0 f . ; 43; 91; 9 1 , 1 2 5 ; 9 2 , 1 2 7 Köstermann 4 8 f f . ; 53 f.; 54,64; 59; 60,79; 91 Kornemann 9 1 , 1 2 6 Kossack 41 ff. Kossinna 92,127 Kraft 43 f. ; 94 Krapf 18,8 Krüger 51ff.; 54; 92; 93,131 Kuhn 41 ff. Lämmert 5 4 , 6 4 Lange 63,85 L'Huillier 3 7 f f . ; 91; 97 Losemann 5 4 , 6 4 Lübbe 3 1 , 3 0 Luther, A. 86,117 Meinecke 3 0 Meissinger 94,131 Meißner 50 f. Mensching 11,1; 2 4 , 1 8 Meusel Kap. III; 69,92; 73,97; 74,98; 90 f. Meyer, Ed. 3 1 , 3 0 Miltner 37,38; 4 8 ; 53; 54,64; 91 f. M o m m s e n 18f. ; 1 9 , 1 0 + 11; 23; 29; 29,27, 48,53; 88
125
Much 43,45; 99,142 Napoleon I. 17 f. Natorp 31; 31,10 Neubauer 63,85 Nickel 55,65 Noelle 13; 20,14; 95 Norden 34,34 Oberbreyer 46,50 Oppermann 17; 24,18; 42,44; 56,68 + 69; 58,73; 90 Osterroth-Schuster 26,22 Otto 59,75 Paratore 98,141 Person 51 f. Pescheck 45,49 Peter 19; 22 f. Petersen 54,64 Philipp 99,142 Pörtner 12,4; 96,137 Pohlenz 91,126 Rambaud 24,18; 39,40; 56,68 Rasmussen 48,55; 98,141 Rehm 31,30 Riikonen 64,87; 65,88 + 89 Roethe 91,126 Roth 20 Rovani 64,87 Salburg 64,87 Schäfer 55,65 Scheler 31,30 Schilling 53,63 Schmeling 85,114 Schmidt, F. 65,88
2. Namen Abendland 17 Adagasul 73 f. ; 81 ff. Aktualität 24 Alemannen 41,42 Allemand 18 Anachronismus 11; 20; 20,12 Antike im histor. Roman 64 Argentorate 38 Argumentation 16 Argumentationsfunktion 58; 94 Ariovist 13,5; 14f. ; 22; 32; 33,33; 35,35; 37,38; 39ff.; Kap. V-VII Arminius 18; 29; 61; 64 f. ; 93,128 Atuatuker 32 Auflagen 11; 12,4
126
Schmidt, Ludw. 43,45; 48; 95,135 Schmittlein 62,84 Schwabe 31,30 Schwartz 31,30; 91,126 Schuchardt 68,91 Schulin 35,35 Schuster 52f. ; 54; 92 von See 98,140; 99,142 Simmel 31,30 Sombart 30; 31,30 Stegemann, H. 46 Stegemann, V. 54,64 Strasburger 55; 56,68; 93 Stresau 93 Strobl Kap. VI; 92 f. ; 94,131 Ternes 19,11 Thraede 11,1 Timpe 45,49 Troeltsch 31,30 Tross 37,38 Valentin 20 Viereck 25,19; 27,23 Vogt 93,130 Wahle 68,91 Walser 42,44; 43,45; 56f.; 60,79; 90 Warner 64,87 Weber, M. 30 Wentzcke 40 ; 50 f. ; 53 v. Wilamowitz-Moellendorff 31,30 Wilder 64,87 Wolters 35,35 Woyte 27; 27,24; 45f. ; 46,50 + 51; 47; 49 Zeuss 18
und
Sachen
Badeanzüge 23 Baibus 71 f. Belger 32,32 Belsamis 73ff. ; 87,118; 88f.; 92 Bergwerke 68,91; 83f. Briefe 72 Brocomagus/Brumath 37 Caesar und Ariovist 60,79 Cicero 70,94 Civilis 65,89 Civilisation gallo-romaine 3 7 ff. Denunziation 24 Deutsches Wesen 91,125 Deutsch fühlend 27 Deutschland 19; 22 f.
Deutschtum 86 Diviciacus 38; 45ff. ; 49; 57ff. ; 72; 85; 91; 94 Divitiakus 68; 72ff. ; 78ff. ; 89; 92 Dreirad 69 Dritte Gruppe 41ff. ; 94 Druiden 79 Dumnorix 60,78; 72 f. ; 78 f. Elsaß Kap. IV ; 66; 91 ff. Engländer 25; 27f. ; 30; 30,29 Ensilo 73 ff. Europäische Gemeinschaft 95 Exkurse 16 Fawawisa 73 ff.; 79 Feindbild 57f. ; 59,77 Franken 35; 95,134 Franzosen 24f. ; 27ff. ; 30,29; 36ff. ; 46; Kap. VI; 90f.; 91,125; 96ff. Fremde Völker 57 Fremdherrschaft 41 Führerpersönlichkeit 47; 50; 53 Gallier 24ff. ; Kap. IV ; 51; Kap. VI Gegenwart 13 Geiseln 83 ff. Germanen, linksrheinische Kap. IV Geschichte, deutsche 20 Gesindel 24 Gloire 25 Goethe 54 Grausamkeit 69f. ; 80f. ; 83 ff. Gutrua 73; 80 Haeduer 83ff. ; 88; 92 Hakenkreuz 52 Hawiu 73 ff. Heerführer 47 Heerkönig 18; 47; Kap. VI Helvetier 71 Hindenburg 96 Hirtius 71 f. ; 85,115 Hitler 17; 52; 55 Hobeln 55 Iden des März 72 ; 89,121 Identifikation 11; 13; 13,6; 21 Idisa 73 Ikko 69 f. Indutiomarus 70,94 Italiener 25; 27 Kamulogenus 79 Katholiken 22f. ; 26 ; 90 Kelten 13; 39ff. ; 41f. ; 52; 75; 77; 94 f. Keltomanie 43,45 Koehler, K. F. 86f. ; 87,118
Köpfe, germanische 91,126 Korrekturzusätze 25,19 Kriegsberichterstattung 56 Kriegsmoral 31,30 Liebesbeziehungen 74 ff. Livius 11,1 Manching 13,5 Marbod 61 Massilia 15,7 Mediomatriker 37ff. Nachdrucke 19,11; 95,133; 96,137 Nachruf 31,31 Nachträge 25,19; 28,25 N a m e n im Roman 73,98 Napoleon I. 17f. ; 95,134 N a s u a 69,92 Nationalbewußtsein 95 Nationalismus 19,11; 20; 27 ; 43 Nemeter 32 ff. Nervier 34 f. Nordwestblock 42 Olloviko 80f.; 89,121 Orgetorix 71; 73 Parallelisierung, billige 55 Patrioten 19,11 Plinius d. Ä. 39,40 Plutarch 86,118 Poseidonios 15,7 ; 16; 39,40 Priesterin 77; 79 Professoren, deutsche 31,31 Radilo 73ff. ; 83f. ; 88,120 Rätsel 13 f. Rassen-Ideologie 92 ; 97 f. Reich, Drittes 47ff. ; 85 ; 91 Reichsideologie 18,8 Reichsland 96 f. Reinwaschen 49; 91 Rhein Kap. IV Roman, historischer 63ff. ; 92 f. Russen 25 ; 27 Sallust 87,118 Scheitern 63; 76 Schiller 26,21; 35,35 Selbstobjektivierung 17 Sozialdemokraten 22 f. ; 26; 90 Strabon 98 Straßburg 38 f. Strom, Deutschlands 33 Südwestdeutsches Wesen 37,38 superbus 46; 46,50; 49 Tacitus 18,8; 23; 30,28; 34 ; 39,40; 52; 52,62; 54; 64f. ; 98 temerarius 46; 46,50; 52,60
127
Teubner 52 Teutobod(uus) 60; 65; 118 Teutonen 66,89 Tiberius 19 Triboker Kap. IV; 47; 91; 97 Unterrichtswerke 51 ££.; 63,85; 92 Usipeter 14 f. ; 22; 52 Usurpation der Antike 93 Vangionen 32 ff. Vaterland 35 Vercingetorix 24; 28 f.; 62,84; 70,94; 80; 93; 98,141
Verlogenheit 23 Versailler Vertrag 35; 53; 91 f. Verständigungspolitik 88 Vesunna 78,103; 87,118 Vorgeschichte, deutsche 36; 92,127 Weltkrieg, I. Kap. III; 35; 41 ; 90f. Weltkrieg, II. 38ff. ; 55; 91; 94 Willo 69; 83,111 Zentrum 23 Zitat 26,21; 35,35; 58,75 Zivilisation, städtische 78,103 Zwietracht 18
3. Stellen des Bellum I,4: 32 ; 74,99 2-29: 71 3,5: 73,97 8: 74,99 9,3: 73,97 10,2: 23,15 10,5: 86,116 11: 84,113; 86,116 II,1: 84,113 11,2: 85 16 ff.: 74,99 18,7: 73,97 19 ff.: 74,99 25 ff.: 74,99 26,4: 73,97 30-54: 51,60 30,1: 85 31-53: 60,78 31: 38; 72; 72,96; 85 31,12f.: 45; 69,92; 71; 83,110 32: 60,80 33: 83 33,5: 47 37,3: 69,92 39-41: 72,96; 74,99 40: 50,58; 72,96 40,8: 59; 81,107 40,9: 57,71 43-45: 60,80; 74,99 43,1 ff.: 68,90 44,1 60,80 46,1 82,108 47,1 82,109 47,6 82,109 50 ff.: 74,99 51: 97
128
Gallicum 51,4: 51 f.: 53,4:
33,33 88 72,97; 75
3,1 70,93 4,7 79,105 4,9 61,81 13,1: 79,105 29,4: 32 III
21,3:
68,91
IV
1-15: 52 10,3: 33,33 6f 6,2 7,8:
74,99 79,104 78 12: 32,32 29: 25 29,4: 30,29 56,2: 70,94 VI
2,3: 32 8,1: 30,29 16: 79,105 18: 32,32 20,2: 46,50 21-29: 52 24,1: 46,50 25,2: 33,33 42: 46,50
VII
1-5: 28,26 4,1: 28
4,5: 28,26 4,6: 28,26 4,10: 70,94; 80 5: 83,111 11,8: 28,26
24: 13,5 31,5: 73,98 89,4: 29,27 Vili
38,3:
74,98
Hellmut Flashar / Karlfried Gründer / Axel Horstmann (Hg.) Philologie und Hermeneutik im 19. Jahrhundert Zur Geschichte und Methodologie der Geisteswissenschaften. 1979.421 Seiten, kart. Aus dem Förderungsbereich „Grundlagen der geisteswissenschaftlichen Forschung" der Fritz ThyssenStiftung. Darin u. a. die Beiträge: Viktor Pöschl, Nietzsche und die klassische Philologie / Manfred Landfester, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff und die hermeneutische Tradition des 19. Jahrhunderts / Klaus Oehler, Dilthey und die Klassische Philologie / Werner Fuchs, Fragen der archäologischen Hermeneutik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts / Ulrich Muhlack, Zum Verhältnis von Klassischer Philologie und Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert / Karl Stackmann, Die Klassische Philologie und die Anfänge der Germanistik / Karlheinz Stierle, Altertumswissenschaftliche Hermeneutik und die Entstehung der Neuphilologie / Gunter Scholtz, Die Darstellung der griechischen Philosophie bei den Schülern Hegels und Schleiermachers / Franz Wieacker, Einwirkungen der altertumswissenschaftlichen Behandlung des römischen Rechts auf die Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts
Uvo Hölscher • Die Chance des Unbehagens Drei Essays zur Situation der klassischen Studien. 1965.91 Seiten, engl, brosch. (Kleine Vandenhoeck-Reihe 222/222a) Inhalt: Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff / Karl Reinhardt / Selbstgespräch über den Humanismus.
Aktualität der Antike 1979. 182 Seiten, kart. (Neue Hefte für Philosophie 15/16) Inhalt: Jean Bollack, Zum Verhältnis von Aktualität und Überlieferung / Charles Kahn, Linguistic Relativism and the Greek Project of Ontology / Heinz Wismann, Atomos Idea / Julius Moravcsik, Understanding and Knowledge in Plato's Philosophy / Ada B. Neschke-Hentschke, Aristoteles und Aristotelismus / Michael Frede, Des Skeptikers Meinungen / Wolfgang Detel, Bemerkungen zum Piatonismus bei Galilei / Uvo Hölscher, Die Wiedergewinnung des antiken Bodens
Wolf-Hartmut Friedrich • Dauer im Wechsel Aufsätze. Herausgegeben von C. Joachim Classen und Ulrich Schindel. 1977.440 Seiten, Leinen Inhalt: I. Allgemeines: Zur philologischen Methode / Philologen als Teleologen / Uber den Hexameter / II. Zur griechischen Dichtung und zu ihrem Nachleben: Odysseus weint. Zum Gefüge der homerischen Epen / Prolegomena zu den Phönissen / Zu Euripides' Hypsipyle / Zwei Szenen in Racines Phèdre / Menander redivivus. Zur Wiedererkennung im Nathan / III. Zur lateinischen Dichtung und zu ihrem Nachleben: Zur altlateinischen Dichtung / EnniusErklärungen (Auszug) / Otto Ribbeck und die Römischen Tragiker / Exkurse zur Aeneis (Auszug) / Europa und der Stier. Angewandte Mythologie bei Horaz und Properz / Lückenbüßer: Zu Ausonius / Sprache und Stil des Hercules Oetaeus / Cato, Caesar und Fortuna bei Lucan / IV. Zu antiken Prosa-Autoren: Der Tod des Tyrannen. Die poetische Gerechtigkeit der alten Geschichtsschreiber - und Herodot / Caesar und sein Glück / Multa Caesarem incitabant / Eine stilistische Tugend Senecas / Eine Denkform bei Tacitus / Stilistische Symptome der Geschichtsauffassung des Tacitus.
V A N D E N H O E C K 6c R U P R E C H T IN GÖTTINGEN UND Z Ü R I C H
Alfred Heuß • B. G. Niebuhrs wissenschaftliche Anfänge 1 9 8 0 . E t w a 6 0 8 Seiten, kartoniert (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse I I I / 1 1 4 ) Übersicht: Einleitung zur Niebuhrforschung / Die Kopenhagener Manuskripte / Die biographischen Bedingungen der „Römischen Geschichte" / D a s Thema der Manuskripte im R a h m e n von Niebuhrs „Römischer Geschichte" / Die römische Geschichte im Zusammenhang der Agrar-Manuskripte / Ackergesetz und Französische Revolution / Die loi agraire außerhalb der Französischen Revolution / Hintergründe und Anstöße von Niebuhrs historischem Forschen / Folgerungen
Karl Reinhardt • Vermächtnis der Antike Gesammelte Essays zur Philosophie und Geschichtsschreibung. Herausgegeben von Carl Becker. 2 . , erweiterte Auflage 1 9 6 6 . 4 7 9 Seiten, Leinen Inhalt: Personifikation und Allegorie / Heraklits Lehre vom Feuer / Heraclitea / xomôwv áQzV/'k ! Empedokles, Orphiker und Physiker / Hekataios von Abdera und D e m o k r i t / Herodots Persergeschichten / Gyges und sei Ring / Thukydides und Machiavelli / Piatons Mythen / Nietzsche und die Geschichte / Nietzsches Klage der Ariadne / Die Klassische Philologie und das Klassische / Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff / Gedenkworte für Ludwig Curtius / Gedenkworte für Gilbert Murray / Walter F. O t t o / Akademisches aus zwei Epochen / Poseidonios über den Ursprung und Entartung. Interpretation zweier kulturgeschichtlicher Fragmente / Nachwort / Register.
Detlef Rasmussen - Caesars Commentarii Stil und Stilwandel a m Beispiel der direkten Rede. 1963. 2 0 3 Seiten, engl, broschiert
Frank £ . Adcock • Caesar als Schriftsteller Aus dem Englischen übersetzt von Ursula Gaetzschmann. 2 . Auflage 1 9 6 2 . 8 4 Seiten, engl, broschiert (Kleine Vandenhoeck-Reihe 45)
Rudolf Giingerich • Kommentar zum Dialogus des Tacitus Aus dem N a c h l a ß herausgegeben von Heinz Heubner. 1 9 8 0 . 2 1 5 Seiten, kartoniert Übersicht: Kapitel 1, 1 - 2 , 2 : Proömium / Kapitel 3 , 1 - 5 , 2 : Einleitendes Gespräch / Kapitel 5 , 3 - 1 0 , 8 : Erste Rede Apers / Kapitel 1 1 , 1 - 1 3 , 6 : Erste Rede des Maternus / Kapitel 1 4 , 1 - 1 6 , 3 : D a z u k o m m e n des Messalla, Zwischengespräch / Kapitel 16, 4—23, 6 : Zweite Rede Apers / Kapitel 2 5 , 1 - 2 6 , 8 : Erste Rede Messallas / Kapitel 2 8 , 1 - 3 5 , 5 : Zweite Rede Messallas / Kapitel 3 6 , 1—41, 5 : Zweite Rede des Maternus N a c h w o r t des Herausgebers: Die Entdeckung / Die Handschriften / Die Verfasserfrage / Die Lücke / Abfassungszeit und Gesprächsdatum / Die Gesprächsteilnehmer / Das T h e m a / D e r Aufbau / Tacitus und der Dialogus / Literatur
M. L. Clarke • Die Rhetorik bei den Römern Ein historischer Abriß. Aus dem Englischen übersetzt von Klaus D o c k h o m . 2 8 7 Seiten, kartoniert
1971.
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN UND ZÜRICH