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German Pages 164 [327] Year 1795
C.
M.
WIELANDS
SÄMMTLICHE W E R K E
S E C H S T E R
DER
B A N D
GOLDNE EH'S T E R
SPIEGEL
THEIL.
L E I P Z I G E ET ClOltC JOACHIM GÖSCHEN. 1 7 9 4.
DER
GOLDNE
SPIEGEL
ODER DIE KÖNIGE VON SCHESCHIAN
EINE aus
dem
WAHRE
GESCHICHTE
S c h e s c h i a n i s c h en
übersetzt.
— — Insplcere tan quam In speculum jubeo —-
E R S T E R
T H E I L
L E I P Z I G iirGions
JOACHIM GÖSCHEN. I7P4-
Glorwürdigster Sohn des Himmels!
Ihrer Majestät lebhaftestes Verlangen ist Ihre Völker glücklich zu sehen. zige Ziel
Diefs ist das ein-
Ihrer unermüdeten
Bemühungen;
es ist der grofse Gegenstand Ihrer Berathschla» gungen, der Inhalt Ihrer Gesetze und Befehle, die Seele aller löblichen Unternehmungen, die Sie anfangen und — ausführen, und das, was Sie von allem Bösen abhält, welches Sie n^ch dem Beyspiel andrer Grofsen der W e l t thun könnten, und — nicht thun.
Wie
glücklich müfsten Sie selbst seyn,
Bester der Könige, wenn es gleich leicht wäre, ein Volk glücklich z u w ü n s c h e n ,
und es
VIII
glücklich z u m a c h e n ! wenn Sie,
wie der
König des. Himmels, nur w o l l e n
dürften,
um zu v o l l b r i n g e n , nur s p r e c h e n , um Ihre
Gedanken
in
Werke
verwandelt
zu
sehen!
Aber
wie unglücklich würden 'Sie viel-
leicht auch s e y n ,
wenn Sie wissen sollten,
in welcher E n t f e r n u n g , bey allen Ihren Bemühungen, die Ausführung hinter Ihren W ü n schen zurück bleibt!
D i e unzählige M e n g e
der Gehülfen von so mancherley Klassen, Ordnungen und A r t e n ,
unter welche Sie genö-
thiget sind I h r e Macht zu veitheilen, auch den
weil
unumschränktesten Monarchen die
Menschheit
Schranken setzt;
die
Not-
wendigkeit, Sich beynahe in allem auf die Werkzeuge Ihrer wohlthätigen
Wirksamkeit
verlassen zu müssen, macht Sie — erschrekken Sie nicht vor einer unangenehmen aber
IX
heilsamen W a h r h e i t ! —
macht Sie zum ab-
hänglichsten aller Bewohner Ihres unermefslichen Reiches.
N u r zu oft steht es in der
Gewalt eines Ehrgeitzigen, eines Heuchlers, eines Rachgierigen, eines Unersättlichen, — doch, wozu häufe ich die Nahmen der Leidenschaften und L a s t e r , da ich sie a l l e i n Ein ein W o r t e zusammen fassen k a n n ?
eines M e n -
s c h e n — in Ihrem geheiligten Nahmen gerade das
Gegentheil
t h u n ! An jedem T a g e ,
von Ihrem Willen zu in jeder Stunde, bey-
nahe dürft' ich sagen in jedem Augenblick Ihrer R e g i e r u n g , wird in dem weiten Umfang Ihrer zahlreichen Provinzen irgend eine Ungerechtigkeit ausgeübt, ein Gesetz verdreht, ein Befehl übertrieben oder ausgewichen, ein Unschuldiger unterdrückt, ein W a i s e beraubt, ein Verdienstloser befördert, ein Bösewicht geschützt, die Tugend abgeschreckt, das Laster aufgemuntert.
X
W a s für ein Ausdruck von Entsetzen würde mir aus den Blicken Ihrer Höflinge entgegen starren, wenn sie mich so verwegen reden h ö r t e n ! W i e sollt* es möglich seyn, dafs unter einem so guten Fürten das Laster sein Haupt so kühn empor heben,
und ungestraft
so viel Böses thun dürfte ? D i e blofse Voraussetzung einer solchen Möglichkeit scheint eine Beleidigung Ihres R u h m e s , eine Beschimpfung Ihrer glorreichen Regierung zu seyn. —
Ver-
geben Sie, Gnädigster Oberherr! u n g e s t r a f t , aber nicht öffentlich und triumfierend hebt das L a s t e r sein Haupt empor; denn das Angesicht, das es zeigt, ist nicht sein eigenes; es nimmt die Gestalt der Gerechtigkeit,
der
Gnade, des Eifers f ü r Religion und Sitten, der Wohlmeinung mit dem Fürsten und dem Staate , kurz die Gestalt jeder Tugend a n , von welcher es der ewige Feind und Zerstörer ist. Seine Geschicklichkeit in dieser Zauberkunst
XI ist unerschöpflich, and kaum ist es möglich, dafs die Weisheit des besten Fürsten sich gegen ihre Täuschungen hinlänglich verwahren könnte.
E w . Majestät glaubten vielleicht das
Urtheil eines Ubelthäters zu unterschreiben, und unterschrieben den Sturz eines Tugendhaften , dessen Verdienste sein einziges Verbrechen waren. Mann
Sie glaubten einen ehrlichen
zu befördern, und beförderten eineit
schändlichen Gleifsner. Doch, diefs sind Wahrheiten, w o v o n Sie nur zu sehr überzeugt sind. Sie-beklagen das unglückliche L o o s Ihres Standes.
W e m soll man glauben? Tugend und
Ilster,
W a h r h e i t und Betrug haben einerley
Gesicht, reden einerley Sprache, tragen einerley Farbe; j a , der feine Betrüger (das schädlichste unter allen schädlichen
Geschöpfen)
weifs das äufserliche Ansehen gesunder Grundsätze
und
untadeliger
Sitten
gemeiniglich
hesser zu behaupten als der redliche Mann.
XII
Jener ist e s ,
der die Kunst ausgelernt hat,
seine Leidenschaften in die innersten Höhlen seines
schwarzen Herzens
der am besten schmeicheln,
zu verschliefsen, am behendesten
sich jeder Vortheile bedienen • k a n n ,
die ihm
die schwache Seite seines Gegenstandes zeigt. Seine Gefälligkeit, seine Selbstverjäugnung, seine Tugend, seine Religion kostet ihm nichts; denn sie ist nur auf seinen L i p p e n , und in den äufserlichen B e w e g u n g e n , die sein Inwendiges verbergen:
er hält sich reichlich f ü r
seine Verstellung entschädiget,, indem er unter dieser Maske jeder bösartigen Leidenschaft genug t h u n , jeden niederträchtigen Anschlag ausführen,
und
mit
einer
ehernen
Stirne
noch Belohnung f ü r seine Ubelthaten fodern kann.
Ist es zu v e r w u n d e r n ,
o Sohn des
Himmels, dafs so viele sind, die alle andere T a l e n t e verabsäumen, alle rechtmäfsige und edle W e g e zu Ansehen und Glück vorbey gehen,
XIII
und mit aller ihrer Fähigkeit allein dahin sich bestreben-, es in der K u n s t z u
betrügen
zur Vollkommenheit zu bringen?
Aber w i e ? Sollte der F ü r s t , der die W a h r heit l i e b t , wiewohl auf allen Seiten mit Larven und Blendwerken umgeben,
verzweifeln
m ü s s e n , jemalils ihr unverfälschtes Angesicht von dem geschminkten Betrüg unterscheiden zu k ö n n e n ?
Das verhüte der Himmel!
Wer
die W a h r h e i t aufrichtig liebt ( u n d was kann ohne sie liebenswürdig s e y n ? ) wer such alsdann sie liebt, wenn sie nicht
schmeichelt,
der hat n u r geübte Augen vonnöthen,
um
ihre feineren Züge zu unterscheiden, w e l c h e selten so gut nachgemacht werden können, dafs die Kunst sich Und
um
diese
nicht verrathen
geübten Augen
zu
sollte. bekom-
m e n , — ohne welche das 'beste Herz
uns
nur desto gewisser und öfter der arglistigen
XIV
Verführung in die Hände liefert, — ist kein bewährteres Mittel, als die Geschichte der Weisheit und der Thorheit^. der Meinungen und der Leidenschaften,
der Wahrheit und de»
Betrugs in den Jahrbüchern des menschlichen Geschlechtes auszuforschen. I n diesen getreuen Spiegeln erblicken wir Menschen» Sitten und Z e i t e n , entblöfst von allem demjenigen, was unser Urtheil zu verfälschen pflegt, wenn wir selbst in das verwickelte Gewebe des^ gegenwärtigen Schauspiels eingeflochten sind. Oder, wofern auch Einfalt oder List, Leidenschaften oder Vorurtheile geschäftig gewesen sind uns z u hintergehen: so ist nichts leichter, als den falsch gefärbten D u f t w e g z u w i s c h e n ,
womit
sie die .wahre Farbe der Gegenstände überzogen haben. Die der
ächtesten
menschlichen
Schriften
Quellen
der
Thorheiten
derjenigen,
welche
Geschichte sind die
die eifrig-
XV
sten
Beförderer
dieser
Thorheiten
waren.
D e r Mifsbrauch, den sie von der Bedeutung der W ö r t e r machen, nicht:
sie
mögen
Dinge
mit
der
betrügt unser immerhin
Urtbeil
widersinnige
gelassensten Ernsthaftigkeit
erzählen, selbst noch so stark davon zeugt s e y n , nen;
über-
oder überzeugt zu seyn schei-
diefs hindert uns n i c h t ,
lächerlich zu
finden was den allgemeinen Menschenverstand zum T h o r e n machen will.
Immerhin
mag
ein von sich selbst betrogener Schwärmer die Natur der sittlichen Dinge verkehren wollen, und lasterhafte, u n g e r e c h t e , , unmenschliche Handlungen löblich, nen ,
heroisch,
göttlich t nen-
rechtmäfsige und unschuldige hingegen
mit den verhafstesten Nahmen belegen-: nach Yerflufs einiger Jahrhunderte kostet es keine Mühe,
durch den magischen N e b e l , der den
Schwärmer
blendete,
Kon - Fu - Tsen
hindurch
zu
könnte ihm ein
sehen. Betrü-
XVI
ger,
und L a o - K i u n
ein
weiser
Mann
heifsen: sein Urtheil würde die Natur der Sache, und die Sindrücke, welche sie auf eine unbefangene Seele machen mufs, niclit ändern; der K a r a k t e r und die H a n d l u n g e n dieser Männer würden uns belehren, was wir von ihnen zu halteii hätten.
Aus diesem Grund empfehlen uns die ehrwürdigen Lehrer unsrer Nazion die Geschichte der altera Zeiten als die beste Schule der Sittenlehre und der Staatsklugheit,
als
i
die lauterste Quelle dieser erhabenen Filosofie, welche ihre Schüler weise und unabhängig macht, und indem sie das was die menschlichen Dinge scheinen von dem was sie sind, ihren eingebildeten Werth von dem wirklichen , ihr Yerhältnifs gegen das allgemeine Beste von ihrer Beziehung auf den besondern Eigennutz der Leidenschaften, unterscheiden
xvn lehrt,
uns
Selbstbetrug
ein und
untrügliches Ansteckung
Mittel mit
wider fremder
Thorheit darbieteti eine Filosofie, in welcher niemand ohne Nachtheil ganz ein Fremdling seyn k a n n ,
aber w e l c h e ,
in
vorzüglichem \
Verstände, die W i s s e n s c h a f t
der
Kö-
n i g e ist. Überzeugt von dieser Wahrheit widmen Sie,
Bester der Könige,
einen
Theil
der
Stunden, welche die unmittelbare Ausübung Ihres verehrungswürdigen Amtes Ihnen übrig läfst, der nützlichen Und ergetzenden Beschäftigung , Sich mit den Merkwürdigkeiten der vergangenen Zeiten bekannt zu machen,
die
Veränderungen der Staaten in den Menschen, die Menschen in ihren Handlungen, die Handlungen in den Meinungen und Leidenschaften, und in dem Zusammenhang aller dieser Ursachen den Grund des Glückes und des WiiLAKSi sammtl. W. VL B, B
XVIII
Elendes der menschlicheii Gattung ziv erforschen.
I r r e ich nicht, der Könige
von
so ist d i e
Geschichte
Scheschian,
welche
ich zu den Füfsen Ihrer Majestät hier lege, nicht ganz u n w ü r d i g ,
unter die Ernsthaften
E i g e t z u n g e n aufgenommen zu w e r d e n , bey welchen I h r niemahls unthätiger
Geist von
der Eimüdung höherer Geschäfte auszuruhen pflegt. Grofse, dem ganzen Menschengeschlecht angelegne
Wahrheiten,
merkwürdige
Zeit-
p u n k t e , lehrreiche Beyspiele, und eine getreue Abschilderung der Irrungen und Ausschweifungen
des
menschlichen
und H e r z e n s ,
scheinen mir diese Geschichte
vor vielen andern ihrer Art
Verstandes
auszuzeichnen',
und ihr den Titel zu verdienen , womit das hohe
Ober-Polizey-Gerichte
beehrt h a t ; eines S p i e g e l s ,
von
Sina
sie
worin sich die
XIX
natürlichen
Folgen
der Weisheit
und
der
Thorheit in einem so starken L i c h t e , mit so deutlichen Zügen und mit so warmen Farben darstellen,
dafs derjenige in einem seltenen
Grade weise und gut — verdoiben brauch
oder thöricht und
seyn müfste, der durch deii Ge-
desselben
nicht
weiser und
besser
sollte werden können.
Hingerissen von der Begierde, den Augenblick von D a s e y n , den uns die Natur' auf diesem Schauplatze bewilliget, wenigstens mit einem Merkmahle meines guten Willens f ü r meine Nebengeschöpfe zu bezeichnen,
hab'
ich mich der Arbeit unterzogen , dieses merkwürdige Stück alter Geschichte aus der Indischen
Sprache
in
die
unsrige überzutra-
gen ; und in dieses Bewufstseyn einer redlichen
Gesinnung
eingehüllt,
überlafs' ich
dieses Buch und mich selbst dem Schicksale,
XX dessen als
Unvermeidlichkeit
mehr
Tröstende»
Schreckendes für den W e i s e n
unter
dem
Schutz
eines
Königs,
W a h r h e i t liebt u n d die T u g e n d lich durch
hat;
ruhig
der
ehrt,
die
glück-
die Freundschaft der Besten.unter
meinen Zeitgenossen,
und so g l e i c h g ü l t i g , als
es ein Sterblicher seyn kann, g e g e n
')
1 ) H i e r bin ich g e n ö t h i g t gewesen eine L ü c k e z u lassen,
w e l c h e sich z w a r in meinem Sinesiscben
E x e m p l a r e nur z u f ä l l i g e r w e i s e befand, die ich aber aus M a n g e l eines andern E x e m p l a r s nicht ergänzen k o n n t e . A l l e m Ansehen nach w i r d das, w a s Hiang~ F u - T s e o n o c h sagen w o l l t e , — eine Rotomontade g e g e n den bekannten Z o i l u s
s e y n , w o r a n es die
Sinesiscben A u t o r e n eben so w e n i g als die unsrigen i n i h r e n Vorreden fehlen z u lasten p f l e g e n ; und der Leser v e r l i e r t also nichts durch diesen Mangel. jinmerlc. des Lateinischen
Übersetzers.
E I N L E I T U N G ,
Alle Welt kennt den berühmten Sultan von Indien S c h a c h - R i a r , der, aus einer wunderlichen Eifersticht über die Negern seines Hofes, alle Nächte eine Gemahlin nahm, und alle Morgen eine erdrosseln liefs; und der so gern Mährchen erzählen hörte, dafs er sich in t a u s e n d u n d e i n e r N a c h t kein einziges Mahl einfallen liefs, die unerschöpfliche S c h e h e r e z a d e durch irgend eine Ausrufung, Frage oder Liebkosung zu unterbrechen, so viele Gelegenheit sie ihm auch dazu zu geben beflissen, war. Ein so unüberwindliches Flegma war nicht die Tugend oder der Fehler seines Enkels
s
EINLEITUNG.
S c h a c h - B a h a m , der (wie jedermann weifs} durch die weisen und scharfsinnigen Anmerkungen, womit er die Erzählungen seiner Visire zu w ü r z e n pflegte, ungleich berühmter in der 6 e echichte geworden ist, als sein erlauchter Grofsvater durch sein Stillschweigen und durch seine Unthätigkeit.
Schach-Riar gab seinen Höf-
lingen Ursache, eine grofse Meinung von dem» jenigen zu fassen, was er hätte sagen können, w e n n er nicht geschwiegen hätte ; aber sein Enkel hinterliefs den Ruhm, dafs es isnmöglich sey,' und ewig unmöglich bleiben werde, solche Anmerkungen oder Reflexionen (wie er sie zu nennen g e r u h t e ) zu machen wie Schach - Baham.
W i r haben uns alle M ü h e gegeben die Utsache zu e n t d e c k e n , warum die Schriftsteller, denen wir das.Leben und dieThaten dieser beiden Sultanen zu danken haben,
Schach-Riafs
S o h n , den Vater Schach-Babams, mit keinem Worte erwähnen:
aber
wir
sind nicht so
glücklich gewesen einen andern Grund davon ausfindig z u machen, als — weil sich in der
EINLEITUNG.
5
That nichts tfon ihm sagen liefs.
D e r einzige
Kionikschreiber, der seiner gedenkt , läfst sich also vernehmen: „Sultan L o l o , sagt er, vegetierte ein und sechzig Jahre., Er afs täglich vierniahl mit bewundernswürdigem 'Appetit, und aufser diesem, und einer sehr zärtlichen L i e b e zu seinen Katzen, hat man niemahls einige besondere Neigung zu etwas an ihm wahrnehmen können.
Die D e r w i s c h e n und die K a t z e n
sind die einzigen Geschöpfe in der W e l t , welche Ursache h a b e n ,
sein Andenken zu segnen.
Denn er liefs, ohne jemahls recht zu wissen w a rum zwölf hundert und sechs unddreyfsig neue Derwischereyen, jede zu sechzig Mann, in seinen Staaten erbauen; machte in allen gröfsern Städten des Indostanischen Reiches Stiftungen, Worin eine gewisse Anzahl Katzen verpflegt werden mufste; und sorgte für diese und jene so g u t , dafs man in ganz Asien keine fetteraDerwischen und Katzen sieht, als die von seiner Stiftung. ' )
Er zeugte übrigens zwischen W a -
1) Ein gewisser P e r s i s c h e r A u t o r geräth bey Erwähnung dieser Stiftungen Schach-Lolo's in ein«
4
EINLEITUNG.
c h e n u n d S c h l a f e i n e n S o h n , der i h m u n t e r dem Nahmen S c h a c h - B a h a m
in der
Regierung
f o l g t e , u n d starb a n e i n e r U n v e r d a u l i c h k e i t . " S o w e i t dieser K r o n i k s c h r e i b e r , der v o n
Sultan
in der T h a t ,
Lolo
Meldung
der e i n z i g e , t h u t ; -und
w i r b e s o r g e n , w a s er v o n
ihm
s a g t , ist n o c h s c h l i m m e r als g a r n i c h t s .
«eltsame A u f w a l l u n g .
Kann man, ruft er aus, sich
selbst i m heifsesten Fieber einfallen lassen, solche Stiftungen zu m a c h e n ? Es gehört doch w o h l zum W e s e n einer
S t i f t u n g , dafs sie dem Staate nütz-
lich s e y ? Sultan L o l o ' s Stiftungen mufsten gerade die entgegen gesetzte W i r k u n g thun. Hätte er seine D e r w i s c h e n und seine Katzen ihrem Schicksal Aberlassen, so ist Hundert an Eins zu setzen, jene hatten arbeiten müssen, und so hätten
W e l c h ein E i n f a l l , müfsig gingen t
und diese Ratten gefangen,
beide dem Staat Dienste gethan. sie fett zu
machen,
da sie
G l e i c h w o h l w a s die Katzen be-
trifft, möcht 1 es noch hingehen; ihr Fett ist doch s u e t w a s nütze. Aber D e r w i s c h e n f e t t ! W a s soll man m i t Derwischenfett anfangen?
Scheck Seif al Horam, Geschichte der T h o r h e i t 364. T h e i l S. 53g.
EINLEITUNG.
5
Sein S o h n , S c h a c h - B a h a m ,
hatte das
Glück bis in sein vierzehntes Jahr von einer A m m e erzogen zu werden, deren Mutter eben dieses ehrenvolle Amt bey der unnachahmlichen Scheherezade verwaltet hatte.
Alle Umstände
mufsten sich vereinigen , diesen Prinzen zum unmäfsigsten Liebhaber von Mähreben, den man je gekannt hat, zu machen.
Nicht genug, dafs
ihm der Geschmaok daran mit der ersten Nahruiyj eingeflöfst, und der Grund seiner Erzieh u n g mit den weltberühmten Mährchen seiner Grofsmutter gelegt w u r d e : das Schicksal sorgte auch dafür, ihm einen Hofmeister zu gehen, der sich in den Kopf gesetzt h a t t e , dafs die gan^e Weisheit der Ä g y p t e r , Chaldäer und Griechen in Mährchen eingewickelt liege.
E s herrschte damahls die löbliche Gewohnheit in Indien, sich einzubilden, der Sohn eines Sultans, Raja's, Ohmrah's oder irgend eines andern ehrlichen Mannes von Ansehen und Vermögen, könne von niemand als'von einem F a k i r erzogen werden.
W o man einen jungen
6
E I N L E I T/U N G.
Menschen von Geburt erblickte, durfte, mau sicher darauf rechnen, dafs ihm ein Fakir an der Seite h i n g , der auf alle seine Schritte, Reden, Mienen und Geberden Acht haben,
und sorg-
fältig verhüten mufste, dafs der junge Herr nicht — zu g e S c h e i d t werde.
Denn es war eine
durchgängig angenommene Meinung, dafs einer starken Leibesbeschaffenheit, einer guten Verdauung, und der Fähigkeit sein Glück zu machen, nichts so nachtheilig sey als viel denken und viel w i s s e n ; und man mufs es den Derwischen, Fakirn, Santonen, Braminen, Bonzen und Talapoinen der damahligen Zeiten nachrühmen, dafs sie kein Mittel unversucht liefsen, die Völker um den Indus und Ganges vor einem so schädlichen Ubermafse zu bewahren.
Es war einer von
ihren Grundsätzen, gegen die es gefährlich war Zweifel fcu erregen: „Niemand müsse klüger seyn wollen als seine Grofsmutter."
M a n wird nun begreifen, wie Schach - Baham bey solchen Umständen ungefähr der Mann werden m ü i s t e , der er war.
Man hat bisher
EINLEITUNG.
7
geglaubt, die einsichtsvollen Betrachtungen, die abgebrochenen und mit viel bedeutenden Mienen begleiteten— „das dacht ich g l e i c h " — „ich sage nichts, aber ich welfs wohl was ich w e i f s " — oder, „doch was kümmert das mich ? " und andre dergleichen weise Sprüche, an denen er einen eben so grofseri Uberflufs hat als S a n'c h o F a n s a an Sprichwörtern, — nebst seinem Widerwillen gegen das, was er M o r a l ,
und
E m p f i n d u n g s p i n n e n nennt, wären blofse W i r k u n g e n seines Genies gewesen. Aber einem jeden das Seine!
Man kann sicher glauben,
dafs der Fakir, sein Hofmeister, keinen geringen Antheil daran hatte.
D e r Sohn und Erbe dieses würdigen Sultans^ S c h a c h - D o l k a , glich seinem Vater an Fähigkeit und Neigungen beynahe in allen Stücken, ein einziges ausgenommen. E r war nehmlich ein erklärter F e i n d von allem, was einemMährclien gleich saii, und setzte diesem Hafs um so weniger Grenzen , da er bey Lebzeiten des Sultans seines Vaters genöthiget gewesen war, ihn aufs
8
EINLEITUNG. I
sorgfältigste zu verbergen.
W i r würden uns,
nach demBeyspiele vieler berühmter Schriftsteller, über diese Ausartung gar sehr verwundern, wenn uns nicht däuchte, dafs es ganz natürlich damit zugegangen sey.
Sultan Dolka hatte in
dem Zimmer der Sultanin seiner Mama
(wo
Schach-Baham die Abende mit Papierausschneiden , und Anhören lehrreicher Historien von b e s e e l t e n S o f a ' s , p o l i t i s c h e n B a l ' s , und e m p f i n d s a m e n G ä n s c h e n in r o s e n f a r b e n e m D o m i n o , zuzubringen p f l e g t e ) von seiner Kindheit an so viele Mährchen zu sich nehmen müssen,
dafs er sich endlich einen
Ekel daran gehört hatte. Geheimnifs;
Diefs war das ganze
und uns däucht,
es ist nichts
darin, worüber man sich so sehr zu verwundern Ursache hätte.
Vermuthlich ist aus dieser tödtlichen Abneigung von den Erzählungen des Visirs M o s 1 e m ; die aufserordentliche Ungnade zu erklären, welche er auf die Filosofie, und überhaupt auf alle Bücher, sie mochten auf Pergament oder Palm-
E I N L E I T U N G .
9
blätter geschrieben seyn , geworfen hatte; eine Ungnade, die so weit g i n g , dafs er nur mit der äufsersten Schwierigkeit zurückgehalten weiden konnte, nicht etwa blofs die Poeten, (wie P1 a 10)1 sondern alleLeute, welche lesen und schreiben konnten, aus seiner Republik zu verbannen; selbst die Mathematiker und Sterngucker nicht ausgenommen, welche ihm wegen der aeTometrischen und astronomischen Erfindungen des Königs Straus im Herzen zuwider waren. Man sagt von ihm, als der vorbelobte Visir die Geschichte des Krieges zwischen dem Genie G r ü n e r a l s G r a s und dem Könige der g r ü n e n Länder
in seiner Gegenwart erzählt.habe,
hätte der junge Prinz, der damahls kaum siebzehn Jahre alt war, bey der Stelle, wo der P e r ü k k e n k o p f einen der vollständigsten Siege über den König S t ra u s erhält, sich nicht enthalten können auszurufen: Das soll mir niemand weifs machen, dafs jemahls einPerückenkopf den Verstand gehabt hätte, eine Armee zu kommand i e r e n ! " — Eine Anmerkung, welche (wie man denken kann) von allen Anwesenden begierig
IO
EINLEITUNG.
aufgefafst wurde, und, als ein frühzeitiger Ausbruch eines seltnen Verstandes an einem noch so zarten Prinzen, mit schuldiger Bewunderung am ganzen Hofe wiederschallte.
Schach-Dolka
rechtfertigte die Hoff-
nung, welche man sich nach solchen Anzeigungen von seinen künftigen Eigenschaften machte, auf dieaufserordentlichsteWeise. DerNeid selbst mufste gestehen, dafs er seinen Vorältern E h r e machte. E r warder gröfsteMann seinerZeit D i st e l f i n k e n a b z u r i c h t e n ; und in der Kunst M ä u s e a u s Ä p f e l k e r n e n zu s c h n e i d e n hat die Welt bis auf den heutigen Tag seines gleichen nicht gesehen. Durch einen unermüdeten Fleifs
bracht' er es in dieser schönen Kunst
£ ) W i r können nicht u m b i n , die Anmerkung zu m a c h e n , dafs die Neigung sich zu beschäftigen u n d ein anhallender Fleifs unter die seltensten und schätzbarsten Tugenden gehören, die ein grofser Herr besitzen kann. N u r um dieser willen verdient, unser« Erachtens, Schach-Dolka einen Platz unter den besten Fürsten, die jemahls den T h r o n gezieret haben. W a s
EINLEITUNG. so h o c h , dafs er alle A r t e n von M ä u s e n , Hausmäuse, Feldmäuse,
Waldmäuse,
als
Hasel-
m ä u s e , S p i t z m ä u s e , W a s s e r m ä u s e und F l e d e r m ä u s e , auch R a t t e n , M a u l w ü r f e und M u r m e l t h i e r e , mit ihren gehörigen
Unterscheidungs-
z e i c h e n , in der äufsersten V o l l k o m m e n h e i t verfertigte ; ja , w e n n man dem b e r ü h m t e n S c h e k Harnet B e n F e r i d u n ben d a r f ,
Abu Hassan
glau-
so b e o b a c h t e t e er sogar die P r o p o r -
z i o n e n nach dem v e r j ü n g t e n M a f s s t a b e mit aller i der G e n a u i g k e i t , w o m i t H e r r D a u b e n t o n
in
seiner B e s c h r e i b u n g des k ö n i g l i c h e n Naturalienkabinets zu P a r i ? sie zu bestimmen sich die löbl i c h e M ü h e g e g e b e n hat. Aufserdem w u r d e S c b a c J j - D o l k a für einen der besten K u c h e n b ä c k e r seiner Z e i t g e h a l t e n , hätte er erst verdient, wenn er diesen unverdrossenen Fleifs auf die Ausübung
seiner
königlichen
P f l i c h t e n zu verwenden hätte geruhen w o l l e n ? — Seiner k ö n i g l i c h e n P f l i c h t e n ? — Gegen wen?
W o hätte Schach - Dolka hernehmen aollen,
dafs ein König P f l i c h t e n
habe?
Anmerk,
des Lat.
Ubers.
E I N L E I T U N G .
wenn ihm anders seine Hofleute in-diesem Stücke nicht geschmeichelt haben; und man rühmt als einen Beweis seiner ungemeinen Leutseligkeit , dafs er sich ein unverbrüchliches Gesetz daraus gemacht habe, an allen lioheu Festen seinen ganzen Hof mit kleinen Rahmpastetchen von seiner eigenen Erfindung und Arbeit zu bewirthen.
Is'iemahls hat man einen Sultan
mit Geschäften so überhäuft gesehen, als es der arme Dolka in dem ganzen Laufe seiner Regierung war. Denn da alle Könige und Fürsten gegen Morgen und Abend so glücklich seyn wollten, einige Mäuse von seiner Arbeit in ihren Kunstkabinetten, oder einen Finken aus seiner Schule in ihrem Vorzimmer zu haben und da Schach-Dolka theils aus Gefälligkeit, theils in Rücksicht auf das launische Ding, das man Ratio
status
nennt, niemand vor den Kopf
stofsen wollte: so hatte er wirklich (die Stunden, die er im D i v a n v e r l i e r e n m u f s t e , mit eingezählt) vom Morgen bis in die Nacht so viel zu thun, dafs er kaum zu Athem kommen konnte.
E I N L E I T U N G .
13
D e r Himmel w e i f s , ob jemahls ein anderes Volk das Glück h a t t e , mit vier P r i n z e n ,
wie
S c h a c h - R i a r , S c h a c h - L o l o , S c h a c h Bab a m und S c h a c h - D o l k a
w a r e n , in einer
unmittelbaren Folge gesegnet zu werden.
Ol
die guten Herren ! die goldnen Zeiten ! — riefen ihre O m r a ' s und D e r w i s c h e n . Allein diese wackern L e u t e können doch auch nicht verlangen,
dafs
es immer nach
i h r e m Sinne gehen solle. S c h a c h-G e b a 1, ein Bruderssohn Bahams d e s W e i s e n , (wre ihn seine L o b r e i n e r nannten) welcher seinem Vetter in Ermanglung eines Leibeserben folgte, — denn Dolka hatte vor lauter Arbeit keine Zeit gehabt an diese Sache zu denken —
dieser
Schach-Gebal unterbrach eine so schöne Folge von g e k r ö n t e n
Guten Männern,
und
regierte bald so g u t , bald so .schlecht, dafs weder die Bösen noch
die Guten mit ihm
zufrieden waren. W i r wissen n i c h t , ob ein Karakter wie der ' 1 seinige unter regierenden H e r r e n so selten ist, VVIKI.ANDS Särnm.l. W. VI. BC
14
EINLEITUNG.
als die Feinde seines Ruhms behaupten.
Aber
60 viel können wir mit gutem Grunde sagen : dafs, wenn weder der A d e ] noch die P r i e s t e r noch die G e l e h r t e n noch das V o l k mit seiner Regierung zufrieden w a r e n , — Gelehrte und Volk nicht immer so ganz Unrecht hatten. Um eine Art von Gleichgewicht unter diesen Ständen zu e r h a l t e n b e l e i d i g t e er wechselsweise bald diesen bald jenen, und der w e i s e P i l p a i s e l b s t hätte ihm nicht ausreden können, dafs man Beleidigungen durch Wohlthaten nicht wieder gutmachen könne. In heiden pflegte er so wenig Mafs zu halten, so wenig Rücksicht auf Umstände und Folgen zu "nehmen, so wenig nach Grundsätzen und nach einem festen Plane zu verfahren, dafs er meistens imjner den Vortheil verlor,
den er sich dabey
vorsetzte. Man wufste so viele Beyspiele anzuführen, wo er seine besten Freunde mifshan» delt hatte, um die übelgesinntesten Leute mit Gnaden zu überhäufen, dafs es endlich zu einer
E I N L E I T U N G .
15
atigenommenen Maxime w u r d e , es sey nützlicher sein Feind zu seyn als sein Freund. konnten ihn ungestraft beleidigen,
Jene
weil er
schwach genug war sie zu f ü r c h t e n : diesen übersah er auch nicht den kleinsten Fehltritt. J e n e konnten eine Reihe strafwürdiger Handlungen durch eine einzige Gefälligkeit gegen seine Leidenschaften oder Einfälle wieder gut machen: diesen half es nichts ihm zwanzig Jahre lang die stärksten Proben von T r e u e und Ergebenheit gegeben zu h a b e n , w e n n sie am ersten Tage des ein und zwanzigsten das Unglück h a t t e n , sich durch irgend ein nichtsbedeutendes Versehen seinen Unwillen zuzuziehen.
Den P r i e s t e r n
soll er überhaupt nicht
aehr hold gewesen seyn ; wenigstens kann man nicht l ä u g n e n , dafs die D e r w i s c h e n , und Kalender,
Fakirn
welche er nur die Hummeln
seines Staats zu nennen p f l e g t e , der gewöhnlichste Gegenstand seiner bittersten Spöttereyen waren.
E r neckte und plagte sie bey jeder
E I N L E I T U N G .
Gelegenheit; aber weil er sie f ü r ' g e f ä h r l i c h e L e u t e hielt, so fürchtete er sie,
und
weil er sie f ü r c h t e t e , so fand er selten so viel M u t h in sich, ihnen etwas abzuschlagen.
Der
ganze Vortheil, den er von diesem Betrageh' z o g , w a r , dafs sie sich ihm für seine Gefälligkeiten wenig verbunden achteten, weil sie gar Ku wohl w u f s t e n , wie wenig sein guter W i l l e daran Autheil hatte.
Sie rächten sich
f ü r die unschädliche Verachtung, die er ihnen zeigte, durch den Verdrufs,
den sie ihm in
hundert bedeutenden Gelegenheiten durch ihre geheimen Ränke und Anstiftungen zu machen wufsten.
Sein Hafs gegen sie wurde dadurch
immer frisch erhalten; aber die
Schlauköpfe
hatten ausfündig gemacht, dafs er sie f ü r c h t e ; und diese Wahrnehmung wufsten sie so w o h l zu benutzen, dafs ihnen seine wärmste Zuneigung kaum einträglicher gewesen wäre. hatten die Klugheit,
Sie
wenig oder keine E m -
pfindlichkeit über die kleinen Freiheiten zu zeigen, die man sich unter seiner Regierung mit ihnen heraus nehmen durfte.
Man'mag
E I N L E I T U N G .
17
von uns s a g e n was man will, dachten sie, wenn wir nur t h u n dürfen w a s w i r wollen.
Schach-Gebal hatte yveniger Leidenschaften als Aufwallungen.
E r war ein Feind von al-
lem , was anhaltende Aufmerksamkeit und Anstrengung des Geistes erforderte.
W e n n das-
jenige , was seine Hofleute die Lebhaftigkeit seines Geistes nannten, nicht allezeit W i t z w a r , so weifs m a n , dafs es bey einem Sultan so genau, nicht genommen w i r d : aber er w u f s t e doch den W i t z bey andern zu schätzen j und so tödtlich er die langen Reden seines Kanzlers hafste, so hatte er doch Augenblicke, w o man ihm scherzend auch wenig schmeichelnde Wahrheiten sagen durfte.
E r wollte immer
von aufgeweckten Geistern umgeben seyn. E i n schimmernder Einfall hiefs ihm allezeit ein guter E i n f a l l ; allein dafür fand er auch den besten Gedanken p l a t t , der sonst nichts als Verstand hatte. Nach G r u n d s ä t z e n zu denken, oder nach einem P l a n e zu handeln, w a r in seinen Augen Pedanterey und Mangel «in Genie.
18
E I N L E I T U N G .
Seine gewöhnliche W e i s e w a r ,
ein Geschäft
anzufangen, und dann die Mafsregeln von seiner- L a u n e oder vom Zufall zu nehmen.
So
pflegten die witzigeil Schriftsteller seiner Zeit ihre Bücher zu machen.
E r hatte ein paar vortreffliche Männer in seinem Divan. E r kannte und ehrte ihre Klugh e i t , ihre Einsichten , ihre Redlichkeit;
aber
zum Unglürk konnte er ihre Miene nicht leiden.
Sie besafsen eine gründliche Kenntnifs
der Regierungskunst und des Staats; aber sie hatten wenig Geschmack;
sie konnten nicht
scherzen; sie waren zu nichts als zu ernsthaften Geschäften zu gebraueben, und Schach-Gebal liebte keine ernsthaften Geschäfte. W a r u m hatten die' ehrlichen Männer die Gabe nicht, der Weisheit ein lachendes Ansehen zu geben ? — Oder konnten sie sich nur nicht entschliefsen, ihr zuweilen die Schellenkappe aufzusetzen ?
Desto schlimmer für sie und den
Staat! Schach-Gebal unternahm zwar selten etwas ohne ihren Rath; aber er folgte ihm
EINLEITUNG.
19
während seiner ganzen Regierung zur zweym a h l , und beide Mahl — da es zu spät war.
E s war eine seiner Lieblingsgrillen, dafs er d u r c h s i c h s e l b s t regieren wollte. Die Kör n i g e , welche sich durch einen Minister, einen Verschnittnen, einen Derwischen,
oder eine
Mätresse regieren liefsen, waren der tägliche Gegenstand seiner Spöttereyen.
Gleichwohl
versichern uns die geheimen Nachrichten dieser Z e i t , dafs sein erster I m a n , und eine gewisse schwarzäugige Tschirkassierin, dre ihm unentbehrlich geworden w a r , alles was sie gewollt aus ihm gemacht hätten.
W i r würden es f ü r
Verleumdungen halten , wenn wir seine Regie» rung nicht mit Handlungen bezeichnet sähen, wovon der E n t w u r f nur in der Zirkeldrüse eines Imans oder in der Fantasie einer schwarz-, augigen Tschirkassierin entstehen konnte.
Schach-Gebal war kein kriegerischer F ü r s t : aber er sah seine Leibwache gern schön gep u t z t , hörte seine Emirn gern von Feldzügen
20
Einleitung.
und Belagerungen Teden, und las die Oden nicht ungern, worin ihn seine Poeten über die Cyrus und Alexander erhoben, wenn er.bey Gelegenheit eine Festung ihrem Kommendanten abgekauft, odpr seine Truppen einen zweydeutigen Sieg über Feinde, die noch feiger, oder noch schlechter angeführt waren als sie selbst, erhalten hatten. Es war eine von seinen grofsen Maximen: ein guter Fürst müsse Frieden halten, so lange d i e E h r e s e i n e r K r o n e nicht schlechterdings erfodere, dafs er die Waffen ergreife.
Aber das half seinen Unterthanen
w e n i g : er hatte nichts desto weniger immer Krieg.
Denn der Mann im Monde hätte mit
dena Mann im Polarstern in einen Zwist gerathen können; Schach-Gebal mit Hülfe seines I t i m a d u l e t 3 )
würde Mittel gefunden haben,
die Ehre seiner Krone dabey betroffen zu glauben.
3) Allgeraeiner Nähme der ersten Minister der Indostaniichen Könige der Zeiten, wovon hier die Rede ist.
Einleitung.
21
Niemahls hat ein Fürst mehr w e g g e s c h e n k t als Gebal.
Aber da er sich die M ü h e
nicht
nehmen w o l l t e , z u u n t e r s u c h e n , oder nur eine M i n u t e lang zu-überlegen, w e r an seine W o h l thaten das meiste R e c h t haben, möchte ; so fielen sie immer auf diejenigen, die zunächst um ihn w a r e n , und -zum U n g l ü c k konnten sie gemeiniglich n i c h t schlechter fallen.
Uberhaupt liebte er den A u f t v a n d .
Sein
H o f w a r unstreitig der prächtigste in Asien, p r hatte die besten T ä n z e r i n n e n ,
die besten
Gaukler,
die
die besten J a g d p f e r d e ,
besten
K ö c h e , die w i t z i g s t e n Hofnar%sn, die schönsten Pagen und S k l a v i n n e n ,
die gröfsten Traban-
ten und die kleinsten Z w e r g e , die jemahls ein Sultan gehabt h a t ; und seine
Akademie der
Wissenschaften w a r unter allen diejenige, w o r i n man
die
sinnreichsten Antrittsreden und die
höflichsten Danksagungen hielt.
E s gehörte
ohne Z w e i f e l .zu seinen rühmlichen Eigenschaften,
dafs er alle schöne K ü n s t e l i e b t e ;
es ist auch nicht z u l ä u g n e n ,
aber
dafs er dieser
¿22
E i n l e i t u n g .
Neigung mehr nachhing als mit dein Besten seines Reiches bestehen konnte.
Man viäll
ausgerechnet haben, dafs er eine von seinen schönsten Provinzen zur Einöde gemacht, um eine gewisse Wildnifs, welche allen Anstren* gungen der Kunst Trotz zu bieten schien, in eine bezauberte
Gegend .zu verwandeln,
und dafs es ihm wenigstens hundert tausend Menschen gekostet habe, um seine Gärten mit Statuen zu bevölkern.
Berge wurden versetzt,
Flüsse abgeleitet, und unzählige Hände von nützlichem Arbeiten weggenommen t um einen Plan auszuführen, wobey 'die Natur nicht zu Rathe gezogen worden war.
Die Fremden,
welche dieses Wunder der W e l t anzuschauen kamen,
reisten
durch
übel
angebaute und
entvölkerte Provinzen, durch Städte, deren Mauern einzufallen drohten, auf deren Gassen Gerippe von Pferden graseten, und worin die Wohnungen den Ruinen einer ehemahligen Stadt, und die Einwohner Gespenstern glichen, die in diesen verödeten Gemäuern spukten. Aber w i e angenehm wurden diese Fremden
EINLEITUNG.
25
auf einmahl von dem Anblicke der künstlichen Schöpfungen überrascht, welche Schach-Gebal, seinem Stolz und den schonen Augen seiner Tschirkassierin zu Gefallen, w i e aus nichts hatte hervor gehen heifs^n ! Ganze Gegenden, durch welche sie gekommen w a r e n , lagen verödet; aber hier glaubten sie, in einem entzückenden Traum, in die. Zaubergärten der P e r i s versetzt zu seyn. Man konnte nichts schlechteres sehen als die Landstrafsen, auf denen sie oft ihr L e ben hatten wagen müssen; aber wie reichlich wurde ihnen dieses Ungemach ersetzt!
Die
W e g e zu seinem Lustschlosse waren mit kleinen bunten Steinen eingelegt. Bey allem diesem sprach Schach-Gebal gern von Ö k o n o m i e , und die b e s t e unter allen m ö g l i c h e n Einrichtungen des Finanzwesens w a r eine Sache, worüber er seine ganze Regierung durch raffinierte, und die ihm wirklich mehr kostete, als wenn er den Stein der W e i sen gesucht hätte. Eine neue Spekulazion w a r der kürzeste W e g , sich bey i t m in'Gnade zu setzen; auch bekam er deren binnen wenig
24
EINLEITUNG.
Jähren so v i e l e , dafs die schichtenweise in seinem Kabinet aufgethürmt lagen, wo er sich zuweilen die Zeit vertrieb, die Titel und die Vorberichte davon zu überlesen.
Alle Jahre
wurde ein n e u e s S y s t e m eingeführt, oder doch irgend eine n ü t z l i ch e Veränderung gemacht , (das ist, eine Veränderung, die wenigstens einigen, welche die Hand dabey hatten, nützlich w a r ) und die Flüchte davon zeigten sich augenscheinlich.
Kein Monarch in der
W e l t hatte mehr Einkünfte auf dem Papier und weniger Geld, in der Kasse.
Diefs kann,
unter gewissen Bedingungen, das Meisterstück einer weisen Administrazion s e y n :
aber in
Schach-Gebals seiner war es wohl ein F e h l e r ; denn der gröfste Theil seiner Unterthanen befand sich nicht desto besser dabey.
Indessen
war er nicht dazu aufgelegt, durch seine Fehler klüger zu werden; denn er betrog sich immer in den U r s a c h e n .
Der erste, der mit einem
neuen Projekt a u f z o g , beredete ihn er wisse es besser als seine Vorgänger; und so nahm das Übel immer z u , ohne dafs Gebal jemahls
EINLEITUNG.
2 5
dazu gelangen konnte die Quelle davon zu entdecken. W e n n man diese Züge des Karakters und' der Regierung des Sultans Gebal
zusammen
nimmt, so könnte man auf die Gedanken gera» then j das Glück «einer Unterthanen müsse, im Ganzen betrachtet, nur sehr mittelmäfsig gewissen seyn.
I n der T h a t ist diefs auch das ge-
lindeste , was man davon sagen kann.
Allein
seine Unterthanen wurden mehr als zu sehr dadurch gerochen,
dafs ihr Sultan bey aller
seiner Herrlichkeit nicht glücklicher w a r als der unzufriedenste unter ihnen. Diese E r f a h r u n g w a r für ihn ein Problem, worüber er oft in tiefes Nachsinnen gerieth, ohne jemahls die Auflösung davon finden 1 zu können.
Auf dein W e g e ,
hätte er sie ewig vergebens
w o er sie suchte, suchen
D e n n der E i n f a l l , sie i n s i c h
mögen.
selbst
zu
suchen , war gerade der einzige , der ihm unter allen möglichen nie zu Sinne kam. Bald dacht' e r , die Schuld liege an seinen Omra's,
bald
an seinem M u n d k o c h e , bald an seiner Favo-
a6
EINLEITUNG.
r i t i n ; er schaffte sich andere Omra's, andere Köche und eine andere Favoritin a n ; aber da* wollte alles nicht helfen. Es fiel ihm ein, dafs er einmah] dieses 9der jen.es habe thun woll e n , welches bisher unterblieben war.
Gut,
dacht' er, d a s mufs es seyn J Er unternahm e s , amüsierte sich damit bis es fertig war, und -fr fand sich betrogfen,
Ursache genug
für einen Sultan, verdriefslich zu werden! Aher er hatte deren noch andre, die einen weisern Mann als er war aus dem Gleichgewichte hätten setzen können. Die Händel, die ihm seine Priester machten , die Intriguen seines Serails, die Zwistigkeiten seiner Minister, die Eifersucht seiner Sultaninnen, das häufige Unglück seiner W a f f e n , der erschöpfte Zustand seiner Finanzen, und ( w a s noch schlimmer als diefs alles zu seyn pflegt) das Mifsvergnügen seines Volkes, welches zuweilen in gefährliche Unruhen auszubrechen drohte, — alles diefs vereinigte sich, ihm ein Leben zu verbittern, welches denen, die es nur von ferne sahen, beneidenswürdig vorkam.
Schach-Gebal hatte
E I N L E I T U N G .
27
niehr s c h l a f l o s e N ä c h t e als alle Tagelöhner seines Reiches zusammen. Alle Zerstreuung gen und Ergetzlichkeiiterr,
womit man diesem
Übel zu begegnen gesucht hatte, wollten nichts mehr verfarigen.
Seine schönsten Sklavinnen,
seine besten Sänger, seine
wunderthätigsten
L u f t s p r i n g e r , seine W i j z l i n g e , und seine Af/
fen selbst verloren ihre M ü h e dabey.
Endlich brachte eine Dame des Serails, eine erklärte Verehrerin der grofsen Scheherezade,' die Mährchen der Tausend und Einen Nacht in Vorschlag. Aber Schach-Gebal hatte die Gabe nicht
(denn wirklich ist
sie ein
Geschenk
der Natur und keines ihrer schlechtesten) d e r wunderbaren L a m p e des
Schneiders
A l a d d i n Geschmack abzugewinnen, oder d i e w e i f s e n , blauen, gelben und
rothen
F i s c h e amüsant zu finden, welche sich, o h n e ein W o r t zu sagen, in der Pfanne braten lassen, bis sie auf einer Seite gar s i n d , a b e r , so bald man, sie u m k e h r t ,
und
eine
wunderschöne
D a m e , in bebliimten Atlafs vofa Ägyptischer
2g
EINLEITUNG.
Fabrik geltleidet, mit gtofsen diamantnen Oh» yengehängen, mit eiuem Halsbande von grofsen Perlen und mit rubinenreichen goldnen Armbändern geschmückt, aus der Mauer hervor springt, die Fische^mit einer.Myrtenruthe berührt, und die Frage an sie t h u t : Fische, thut ihr eure
Fische,
Schuldigkeit?
alle zugleich die Köpfe aus der Pfanne heben, das einfältigste Zeug von der W e l t antworten, und dann plötzlich zu Kohlen werden.
Scbach-Ge-
b a l , anstatt dergleichen Historien, w i e sein glorwürdiger Altervater, mit glaubigem Erstau* nen und innigstem
Vergnügen
anzuhören,
wurde so ungehalten darüber, dafs man mitten in der Erzählung aufhören mufste.
M a n ver-,
s u c h t e e s also mit den Mährchen des V i s ^ r s M o s l e m , in welchen unstreitig ein grofsesTheil mehr W i t z, und unendlichmal mehrV e r s t a n d und W e i s h e i t , unter dem Schein der ä u f s e rs t e n F r i v o l i t ä t , verborgen ist. Aber SchachGebal halste die d u n k e l n
S t e l l e n darin,
nicht weil sie dunkel, sondern weil sie nicht n o c h d u n k l e r w a r e n ; denn er hatte wirklich
EINLEITUNG.
29
einpn zu gesunden Geschmack, um an Unrath, so fein er auch zubereitet war, Gefallen zu finden ; und überhaupt däuchten ihm die mehr wollüstige ^ls zärtliche Fee A l l e s o d e r N i c h t * mit ihrer Prüderie und mit ihren Experimenten, der Pedant T a c x t ü r n é mit seiner Geometrie, der K ö n i g S t r a u s mit seiner albernen Politik und mit seiner Barbierschüssel, und das ungeheure Mittelding von Galanterie und Ziererey, die Königin der k r y s t a l l n e n
Inseln^
mit allem was sie sagte, that und nicht that, ganz unerträgliche Geschöpfe. Er erklärte sich, dafs er keine Erzählungen w o l l e , wofern sie nicht, ohne darum wenigerunterhaltend zu seyn, s i t t l i c h uad a n s t ä n d i g wären : auch verlangte er, dafs sie w a h r und a u s b e g l a u b t e n U r k u n d e n gezogen seyn, und ( w a s er für eine wesentlich© Eigenschaft der Glaubwürdigkeit h i e l t ) dafs sie n i c h t i W u n d e r b a r e s enthalten sollten; denn davon w a r er jederzeit ein erklärter Feind gewesen.
Dieses brachte die
beiden Omra's, deren w i r vorhin als wohl denkender Männer Erwähnung gethan haben, auf WIELANDS sämmtl. W . VI. H.
D
30
EINLEITUNG.
den Einfall, aus den merkwürdigsten Begebenheiten e i n e s e h m a h l i g e n
benachbarten
R e i c h e s eine Art von Geschichtbuch verfertigen zu lassen, woraus man i h m , wenn er zu Bette gegangen w ä r e , vorlesen sollte, bis er «inschliefe oder nichts mehr hören wollte. D e r Einfall schien um so Viel glücklicher zu seyn, als -er Gelegenheiten herbey führte, dem Sultan jcnit guter Art Wahrheiten beyzubringen, die m a n , auch ohne Sultan zu s e y n ,
sich nicht
gern geradezu sagen läfst.
M a n dachte also unverzüglich an die Ausführung : u n d da man den besten Kopf von ganz Indostan (welches freylich in Vergleichung mit Europäischen Köpfen nicht viel sagt) dazu gebrauchte ,• so kam in kurzer Zeit dieses gegenwärtige W e r k zu Stande, welches H i a n g F u - T s e e , ein wenig bekannter Schriftsteller, in den letzten Jahren des Kaisers T a i - T s u, unter dem Nahmen d e s g o 1 d n e n S p i e g e l s ins Sinesische, — der ehrwürdige Vater I. G. A. D . G. I . ausdemSinesischen in sehrrriittelmäfsiges
EINLEITUNG.
31
L a t e i n , und der g e g e n w ä r t i g e H e r a u s g e b e r aus einer K o p i e der L a t e i n i s c h e n H a n d s c h r i f t , in so gutes D e u t s c h , als man im Jahre 1 7 7 2 z u schreiben p f l e g t e , überzutrag'en w ü r d i g g e f u n d e n hat.
A u s dem V o r b e r i c h t e des Sinesischen Ü b e r setzers
l ä f s t sich s c l i l i e f s e n ,
dafs sein B u c h
eigentlich nur eine A r t v o n A u s z u g
aus der
K r o n i k der K ö n i g e v o n Schescliian i s t , W e l c h e z u r E r g e t z u n g und E i n s c h l ä f e r u n g des Sultans Gebal verfertiget
worden war.
Er
verbirgt
n i c h t1 , dafs seine v o r n e h m s t e A b s i c h t g e w e s e n , den P r i h z e n aus dem H a u s e - d e s K a i s e r s
Tai-
T s u damit z u d i e n e n , denen es ( w i e er meint) unter dem Schein eines Z e i t v e r t r e i b s , und Maximen Gebrauch
einflöfsen k ö n n t e ,
oder N i c h t g e b r a u c h
Begriffe
v o n deren
das G l ü c k der
Sinesischen P r o v i n z e n gröfsten T h e i l s a b h a n g e n dürfte.
So alt diese W a h r h e i t e n sind, sagt er,
so scheint es d o c t i , dafs man sie n i c h t o f t gen u g wjiederhohlen k ö n n e .
S i e g l e i c h e n einer
herrlichen A r z n e y , . w e l c h e aber so beschaffen
32
EINLEITUNG.
i s t , dafs sie nur durch häufigen Gebrauch wirken kann.
Alles kommt darauf an , dafs man
immer ein anderes V e h i k e l zu ersinnen wisse, damit sowohl Kranke als Gesunde (denn sie kann d,ie9-en als Präservativ, wie j e n e n als Arzney dienen) sie mit Vergnügen hinab schlingen mögen.
W a s die hier und da der Erzählung eingemischten Unterbrechungen und E p i s o d e n , besonders die Anmerkungen des Sultans Gebal bet r i f f t , so versichert zwar H i a n ^ - F u - T s e e , er hätte-sie von guter H a n d , und wäre völlig überzeugt, dafs die letztern wirklich von besagtem Sultan herrührten : allein diefs hindert nicht, dafs der geneigte Leser nicht davon sollte glauben dürfen was ihm beliebt.
Wenigstens
scheinen sie dem KarakterSchach-Gebals ziemlich gemäfs; und eben daher würde es unbillig s e y n , zu verlangen, dafs sie so sinnreich und unterhaltend seyn sollten, als die Reflexionen Schach - Bahams, des Weisen.
DIE
KÖNIGE
VON
SCHESCHIAN.
i. V o n S c l i e s c h i a n ? rief Schach-Geba]: mir däucht, ich kenne diesen Nahmen. Ist es nicht das Scheschian, wo der H i o f - T e'l e s - T a n z a i König w a r , dessen verwünschten S c h a u m l ö f f e l ihr mir neulich zu verschlingen geben w o l l t e t , wenn ich mich nicht eben so stark dagegen gesträubt h ä t t e , als der Grofspriester S o g r e n u z i o ? Vermuthlich, Sir«, sagte die s c h w a r z ä u g i g e T s c h i r k a s s i e r i n , welche schon vor einiger Zeit aufgeholt hatte jung zu seyn, aber aus dem Verfall ihrer Reitzungert unter andern eine sehr angenehme Stimme davon
34
D i »
S P I E G E L .
G O L D S I
.gebracht h a t t e ,
und
sich e i n e A n g e l e g e n h e i t
daraus m a c h t e , den Sultan n o c h immer so gut zu amüsieren,
als es die U m s t ä n d e a u f beiden
S e i t e n zulassen wollten. sagte s i e ,
O h n e Z w e i f e l , Sire,
ist es eben dieses S c h e s c h i a n ; denn
es n ö t h i g t uns n i c h t s , deren z w e y a n z u n e h m e n , da w i r uns mit dem E i n e n ganz w o h l bdhelfen k ö n n e n ; w e l c h e s , nach dem B e r i c h t e g e w i s ser alter E r d b e s c h r e i b e r ,
in den Z e i t e n seines
h ö c h s t e n W o h l s t a n d e s b e y n a h e so grofs g e w e sen seyn mufs als das R e i c h I h r e r M a j e s t ä t , ' ) und o s t w ä r t s Die
—
Geografie
thut
fiel S c h a c h - G e b a l e i n ,
nichts
zur
dafür gut soyn w i l l s t , N u r m a h a l , w o deine Geschichte a n f ä n g t , ist,
Sache,
in so fern du mir n u r dafs da,
die Z e i t Vörbey
da die W e l t von F e e n b e h e r r s c h t w u r d e .
D e n n ich erkläre mich ein - für a l l e m a h l , dafs i c h nichts von verunglückten H o c h z e i t n ä c h t e n , v o n alten K o n k o m b e r n , fen,
von
Maulwür-
die in der geziertesten S p r a c h e v o n der
Welt —
nichts s a g e n ,
und k u r z ,
nichts von
i ) Die Wahrheit ist, dafs es weit gröfser w a r ; aber die schöne Tschirkässierin hatte zu viel Lebensart, um dem Sultan eine solche Unhöflichkeit zu sagen. B e j - n ü b e s o g r o fs ist alles, was man in dergleichen Fällen wagen darf. Anmerk, des Sines. Übersetzers.
E n S T E R T II E I t,.
35
Liebeshändeln hören w i l l , wie >der witzigen M o u s t a s c h e und ihres faden K o r m o r a n s , der so schöne Epigrammen macht und so schöne Räderschlägt. M i t Einem W o r t e , N u r m a h a l , und es ist mein völliger E r n s t , keine N e a d a r n e n und keinen S c h a u m l ö f f e l . Ihre Majestät können sich darauf verlassen, versetzte Nurmahal, dafs die F e e n nichts in dieser Geschichte zu thun haben sollen; und was die G e n i e n .betrifft, so wissen Ihre Majestät, dafs man gewöhnlich sechs bis sieben Könige hinter einander zählen kann, bis man auf einen stöfst, der Anspruch an diesen Nahmen eu machen hat. Auch keine Satiren, Madam, wenn ich bitten darf! Fangen Sie Ihre Historie ohne Umschweife an; und.ihr (sagte er zu einem jungen M i r z a , der am Fufse seines Bettes zu sitzen die E h r e hatte) gebt Acht wie oft ich gähne; so bald ich d r e y m a h ] gegähnt habe, so macht