C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 31 Gespräche unter vier Augen [Reprint 2020 ed.]
 9783111611891, 9783111236223

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C.

M.

WIELANDS

SÄMMTLICHE W E R K E EIN

UND

GESPRÄCHE

DR«YSSIGSTER

UNTER

VIER

BAND.

AUGEN.

L E I P Z I G Btr

Ge o ro Joachim

Göschbn.

1

799-

GESPRÄCHE U N T E R

V I E R

A U G E N

V O K

C.

M.

W I E L A N D.

L E I P Z I G BEY

GEORG

JOACHIM

GOSCHÜN.

1799-

G E S P R A C H E U N T E R

V I E R

1

7 9 8-

A U G E N .

I

N

H

A

L

T

.

I. Was verlieren oder gewinnen w i r dabey, w e n n gewisse Vorurtheile unkräftig werden ? II. Uber dei^ Nqufr|nlfischen Staatteid: „Hafs dem Königthum." III. Nähere Belpiiclityng der Vorzüge c(er repräsentativen Demokratie vor der monarchischen Regierungsform. IV. Was ist zu t h u n ? V . Entscheidung de? Rechtshandels zwischen Demokratie und Monarchie. VI. Die Universal - Demokratie. Vir. W ü r d i g i m g der Neufränkischen Republik. VIII. Was w i r d aus dem allen w e r d e n ? IX. Uber die öffentliche Meinung. X . Träume mit offnen Augen. X I . Blicke in die Zukunft. XII. Fragment eines Gesprächs zwisclieH Geron und einem Urtbekannten.

V O R É E R l C H f ,

Gespräche eher

u n t e r ^iéf

Weise

nicht

zum Z u h ö r e r

bestirfimt J a »

zu babéti.

die aìleiri zfu sèyn roifs verstanden veetden;

A u g e n sind

Pafelikui«

Ein' pHai F f e u t i d e j

glaiibetf,

noch

etdeniii- 1

befittigéti nieder

ürirtedlich

jeder spricht w i e

gédèutet

ér d e n k t j

atl und

ist v e r s i c h e r t , dafs sein Freund," Vèèriti -éi iifcbi nicht irrtmer seiner M e i n u n g Gegenstand, andern L i c h t

ist,

w o v o n die R è d é i s t , odér voii

eitler

tfdéfc

dèh"

ih

¿inètti'

andern

S«it6'

b e t r a c h t e t , ihm WeiiigStéhs ebeti dieselbe Ge-' d a n k e n f r e y h e i t z u g e s t e h t , VrOiu 6r sich selbst berechtigt hält.

8

V

O R

B

B

I\ X C

U

T.

Aber auch ohne diese Rücksicht liegt schon in der Natur eines Gesprächs unter vier Augen eine gewisse Sicherheit, die bey keinem andern Statt findet,

ja

bey

einem Aloisen

Selbstgespräche kaum gröfser seyn kann, und man spricht da unfehlbar manches, was in Gegenwart eines Dritten entweder gar nicht, oder doch nicht so freymüthig und

zurück-

haltend gesprochen worden wäre. Wahrscheinlich

mufs also ein., unvermu-

theter Lauscher 9n der W a n d , dem die Kunst geschwind au schreiben oder ein ungewöhnlich glückliches Gedächtnifs zu Dienste stand, an den gegenwärtigen

vertraulichen Unterre-

dungen heimlich Theil genommen, .und ein. gutes W e r k zu thun vermeint haben , er

den Gedanken

der

redenden

wenn

Personen,

an welchen er den unverkennbaren Karakter,' der Wahrheitsliebe, Mäfsigung und Wohlge-

V.

O

R

1! B

R

I

C

II

T;

9

sinntheit zu erkennen glaubte., einen dauerhaften? Leib gäbe, als die'luftige H ü l l e , in welcher blofs gesprochne W o r t e ,

sollte ihr

Inhalt auch ewig zu dauern verdienen, eben so sohnell als sie gehört tverden,

in d'ert^

Ocean zerfliefsen, 'der seit Jahrtausenden unendlich

viel Weisheit

und Thorheit

wiederbringlich verschlungen

hat,

sq un-

ohne die

geringste Spur davon zurück ,zu lassen. D e r unsichtbare Lauscher kannte seinen Einfall um so leichter bewerkstelligen,

da

alle diese Gespräche auf dem Landsitze eine» der Interlokutoren unter einer dichten

Som-

merlaube gehalten w u r d e n , welcher man sifch aus dem benachbarten

Gebüsche

ohne

be-

merkt zu werden nähern konnte. W i e es aber auch damit zugegangen seyn n>ag, so bleibt, auf alle F ä l l e , der Herausgeber allein für die öffentliche Bekanntmachung

V o

lO

R

B

R

I C II T .

verantwortlich , und nimmt die Pflicht? seine anspruchlosen und nichts böses besorgenden noch bezweckenden Freunde im Nöthfall zu vertretet),

um so williger auf sich;

a£s dieiFilosofem r e d e n « d e r schweigen,

(7 J( T-£ A Vl.BB, A f f . G i u ,

13

c^e Welt; geht ihten.Gangi ,,die Kö«ig«.regj^' i e n , . und die Richter sprechen,das Recht. 1 ' Si n i b a I d . Aber w i e ? Geron. D a s i s t eine andere, Frage. leb,, detijti,; w i e «ie vr Q.llen, - qder iSrQ, g u t sie k ö n n e n . Si n i b a l d . M i t beiden ist der W e l t bisher nicht viel gedient,, gewesen. Geron. W a s willst du ? A l l e s geht wie es k a n n ; und wiewohl es durch so seltsame Krvnwn.uiJ: gen und Schneckenlinieta geht, dafs wackra L e u t e sich dadurch haben verleiten lassen, zu ; glauben, die. ganze Schöpfung, und die arme Menschheit mit i h r , drehe sich, wie ein blinder Gaul in einer Rofsaiiihle, ewig in einem und eben demselben Kreise herum , «o fällt es doch, düueht mir, von einem J a h r h u n d e r t zum andern ziemlich stark in die Augen, dafc e» v o r w ä r t s g e h t ; und so hoffe ich denn zu G o t t , es werde sich am Ende finden, dafs alles gegangen s e y , wie es der M o n a r c h vind alleinige oberste D i r e k t o r der e i n e n

H

G c t t

K

ï

und u t i z e r t r e n n b a r ' e h ' W e l t a l l s ' haben wollte, Zweck —

c u • R e p u b l i k de» ttnd dei-^ giofse

S i n î b a 1 d. Verzeih, dafs ich dir ins W o r t falle, G er o n ! D e r g r o f s e ' Z'Vv e'dk der M e n s c h b ê i t (döön, was ü b e r d i è s e gäht'i ist ü b e r u ' n s e ^ m H 6>i*i n> fl t) k a r i n d ö d i w ö h l kein andrer seyn , als das Menschengeschlecht, dem dieser D a n e t zti ^ètwa'ltfen nnd zu benutzen 'gegeberf U t , Von'Stüfe Zü Stoffe elidtich so weit zu bringen , dafs alle MeWscbei» ïrar E i n e F a m i l i e ausmachen, die keinen andern Regenten h a b e , ( u n d , wenn sie erst so weit gekommen' w ä r e , keines andern b e d ü r f t e ) als die a l l g e m e i n e V e r n u n f t , und alsö" zugleich die reinste und vollkommenste M o!n* a r c h i e , und die freyeste, wohlgeordnetste und glücklichste R e p u b l i k wäref^' die sich nur immer denken'läfst. G e r o n l.Vcihelnd. S o w e i t mit dir v o r w ä r t s Mitfliegen, guter Sinibald, sind meine Schwungfedern nicht mehr elastisch genug. Ich kenne dermählett' nur eine Republik, die gerade das i s t , wiâ» sie seyn soll —

unter

vi»*

Ausis.

S i n ¡bald'. U n d die w ä r e — ? Geron. D i e , von w e l c h e r - d u und ich M i t g l i e d e r , s i n d , und dies, D a n k ihrer U n s i f b t b a r k e i t ! m i t und u n t e r allen M o n a r c h i e n , Tetia,rchien ») und A n a r c h i e n , A r i s t o k i a t i e n , D e m o k i a t i e n , G y n ä k o k r a t i e n und Hierokratien, ihren stillen. Gang- f ö r t g e h t , und s© l a n g e f o r t g e h e n w i r d . bi» e n t w e d e r die g o l d n e Z e i t , vor»; der- du s p r a c h s t , g e k o m m e n s e y n wird", o d e r ' der a l l g e m e i n e B r a n d , - w o m i t die S t o i k e t h u n s e r n Erdball b e d r o h t e n , dem ganzen bisherigen W e s e n und U n w e s e n ein Ende m a c h e n , •und eine neue v e r g l a s e t e Schöpfung hervorbringe*»' w i r d , fibeir deren vernftuthliche B e s c h a f f e n h e i t , und w a s für eine KonätittmöH sieb w o h l f ü r g l a s a r t i g e M a n s c h e n am besten x) G e r o p deutet vermutliiltch ii^it diesem Wott^ auf eine Epoke, da vier giofse Mächte, vermine des respektabeln Rechts des Stärkern, über d i e W e l t i m K l e i n e n , oder das, was Geron e i n g-Tofses S o n n e n s t ä u b c h e n nannte, willkührlioh zu disponieren anfingen; eine Rpoke, deren nähere Bestimmung die Chronologen unter sich ausmachen mögen.

16

G

B

S

P

H

Ä

C

H

B

schicken möchte , w i r uns die Köpfe nicht zerbrechen wollen. Sinibald. Darüber sind wir einverstanden. Aber auf diesem Seitenwege hätten wir bald vergessen, dafs du mir meine Frage noch nicht beantwortet-hasi. Geron Und was war es denn gleich? — J a , nun besinne ich mich — du wolltest w i s s e n , Womit meine Gedanken beschäftigt w a t e n , als du herein .kamst. So rathe denn! Sinibald. W e n n es nicht eine .allgemeine Friedensstifturig oder der Stein der Weisen i s t , so geb' ichs auf. Geron. N u n , so wisse d e n n , Bruder! - - ich arbeite —•- erschrick nicht! — an einer A p o l o gie der V o r u r t h e i l e . Sinibald. D u ? an einer Apologie der Vorurtheile? — Das gesteh' ich! da hätt* ich lange rathe» können , eh* ich auf eine so seltsame Möglichkeit gefallen w ä r e ! — N u n ja freilich sind

U N T E R V I E. IV A l T O E i .

•-17

die .Gegenstände, w o r ü b e r sich e t w a s Neues sagen lüfjst, ziemlich/ verbraucht, und so kanu es SjicJ|&„ja w o h l ereignen,, dal's ein Ehrenpian , der nichts anders zu thun h a t , in dip Vje^uehuog.ge.rathfen njfrg , sif.h selbst und die W.^lt.,iTiit P a r a d o x , e n. zu unterhalten, um zi^ ifihtfl» w i e weit ,eji j h m ^ g ' üngen könne, ei nee Ungereimtheit; den Schein der W a l n h * i t zu gebfin, G e r o n. Dipfs.Wäre d e n n . d ö c h nicht der Fall,,, lieber 'Sinih#ld- D e n n w w f e r , « ich auch nichts bessprs, zu,,thun w ü i s t e ,. h^b.'-.ich niqht Kinder Hm;,nNch, mit denen i c h — spielen könnte/? Oder kafliin ich nicht schlafen ? üd$,r', vyenn alles andte. f e h l t , mir w i e Iloraz helfen uild — V.erse machen 'i S i n i l>3 1 d. D a s w ä r e vielleicht nicht das, spfeUtnutsi«, w a s du thun könntest. Q e r o n. "Vielleicht, wejijii ich, Verse machen Jsönrit« wie^ M.e t a S i t a d e r das beöeidensfcvisrthe T a l e M hesafsy iiu .jeder T g g e s - ödet Nachtszeit,r,beiy jedem W e t t e r ^ in jeder Gemüthsstimmung, i'iber jeden G e g e n s t a n d u n d auf AVIELAKD« s.iirimü, \V. XXXI. I i . £

i8

G E S P R Ä C H E

jede Veranlassung, s o g a r a u f a H e r h ö c h s t e n B e f e-h 1 sehr schöne Verse z"ü machen. Und1 doch, 'W-Vriii mich die FeBn aüch mit 'diHtfr -seltben Gabe begabt hätterf, ; wiiidte ich meine Apologie der- V'druvtheile n i c h f i n V e r s e n -schreiben ; —^ " urld'gefade d e l s w e g i n i w e i l es mir d a b e y fcm"iöichts w e n i g e r zu'thiirt ist, W s , w i e du riifeiftst^ itiH der eit^ln Kunst, paradoxen Sätzen den Schein neu entdeckter W a h r h e i t e n zu g e b e n , grofs zu thun. Die schlichteste Piose, und wenn sie noch prosaischer seyn könnte a l s ' X e n'o f o n s , isti däucht m i r , ! gerade das Techte und einzig schicftliohe V e - h l k f e l , werfh es> dämm zu thuii ist', alte W'a'hfhiiteri geg^ri die Täuschungert'flps 'Witt e s Und 'die Sofisinen 1 einer falschen 'oder fälscti: lich angeWandte>ri Fildsofie iii' den Schutfc BU nehmen. Denn rlafs du ja nicht e t w a neue unerhörte Dinge von mir e r w a i t e s t , über eine M a t e r i e , d i e , ihrer'Natur nach , der ausgesog e n e s tfllt r Gemeinplätze i s t — S i niba1d

lachend.

U m so viel gröfser Wäre die E h r e , auf einem So magern und zerstampften Boden-'noch irgend eiii öd j r anderes Blümeben oder Kräutchen a u f z u f i n d e n , das d$n T h i e r e n , die ihn e i n i g e j a h t h u n d e r t e larrg'abg'efretzt haben, ent•gangen w ä r e .

UNTER VIER

ACCH.

»9

Geron. L a f i u n s o h n e Bilder s p r e c h e n , Sinibald. D i e g e m e i n n ü t z i g s t e n W a h r h e i t e n sind alt, titid eben d a r u m , weil sie alt s i n d , w i r k e n sie w e n i g . E s mag w o h l einiges Verdienst dabey s e y n , w e n n man sie unter irgend einer n e u e n gefälligen Gestalt wieder in Umlauf zu setzen w e i f s : aber mir d ä u c h t , dieser Kunstgriff t h u t selten eine andere W i r k u n g , als dafs man sich an der neuen E i n k l e i d u n g e r g e t z t , w e n n sie gefällig i s t , o h n e dafs die alte W a h r h e i t selbst dadurch in gröfsre A c h t u n g kommt. Sinibald. I c h habe doch w o h l eher g e s e h e n , daf» eine n e u e Periike einen alten w u r m s t i c h i g e n H e r r g o t t , oder ein neuer A n z u g eine i n Verfall gekommene M u t t e r G o t t e s in einer Dorl'kiiche wieder zum Gegenstand der eifrigsten Andacht bey unserm g u t e n L a n d v o l k e machte. . Geron. D a s mag bey alten Idolen angehen, F r e u n d ; aber ich z w e i f l e »ehr, ob es mit alten W a h r h e i t e n eben dieselbe B e w a n t n i l * habe. W a h r h e i t , mein L i e b e r , i s t , w i e d u weifst, so sehr f ü r den gesunden M e n s c h e n v e r s t a n d , u n d dieser so ganz f ü r jen« g e m a c h t ,

20

G i s i n Ä c ii •

dafs sie f ü r ilin gar. keines Auffrischen» u n d H e r a u s p u t z e n s b e d a r f ; je nackter sie ihm dargestellt wird , je g e w i s s e r ist s i e , ihn einzunehmen, D a s Übel ist n u r , d a f s das reine Gold der W a h r h e i t e n , von welchen hier die J l e d e i s t , durch die L ä n g e dei Zeit , durch die V e r ä n d e r u n g e n d e r . U m s t ä n d e , und durch die natürlichen F o l g e n der menschlichen Gebrechlichkeit, nach u n d nach so sehr mit schlechtem M e t a l l vermischt und verfälscht w u r d e , dafs es endlich a u f h ö r t e G o l d z u s e y n , und von dem, w a s es u r s p r ü n g l i c h war, n u r noch den N a h m e n behielt. U n d d i e s e r N a h m e ist es d e n n , w o durch der grofse. H a u f e betrogen w i r d , der in seiner E i n f a l t g e w o h n t ist die Zeichen mit den Sachen zu v e i w e c h s e l n , und unter der G e w ä h r des N a h m e n s sich verfälschte W a a r e f ü r echt a u f h ä n g e n z u lassen. Sinibald. N u r zu w a h r ! Aber was w e r d e n die Vor,urtheile, die du in deinen Schutz nehmen willst, durch dieses Gleichnifs, und den S a t z , den du dadurch erläutern w i l l s t , g e w i n n e n ? Geron. D a s e r r ä t h s t du nicht,,. Sinibald? So stelle dir W a h r h e i t e n und Vor.uTtheile als eine grofse M e n g e g'oldner M ü n z e n ,von alleiley. S c h w e r e ,

V m T L i\ \ ' r II G e h a l t und J a h r z a h l

21

I u g e k .

vor,

wovon

einige

andere falsch , die meisten aber m i t •weniger

Kupfer

dafs b e y

v i e l e n s i c h nut- d i e H d l f t e ,

nur d e r d r i t t e fände.

dergestalt

veimischt

oder v i e i t e T h e i l

L a i s uns ein

Land

eines

hey andern

annehmen,

für

gelten,

echt

gesetzinäfsigen und

erlaube

B e h u f der A n w e n d b a r k e i t

oder

wären,

reines G o l d

diese ungleichaitigen' G o l d m ü n z e n , Gewähr

echt,

mehr

unter

mir

alle

noch

(zuin

Gleichnisses)

zwe-y U m s t ä n d e

vorauszusetzen : erstens,

die

stufenweise

Verschlechterung dieser

zen

nach

und

vorgegangen,

nsch

in

gewissen

und z w e y t ' e n s ,

sich

länge

ohne di» träte

Zeit

dieser

einer

dem V o l k e

dem

Ü b e l je

Münze zu

veispiiren

je

lieber

sollte w o h l

Die

geringhaltige

beliolfen,

da d i e

Mü'uäe

S t o c k u n g in H a n d e l

und dafs

würde: Regie-

haben?—

einmahl

und ' W a n d e l

sich

wäre,

eine weise

auf

es

Unge-

liefsen,

abgeholfen

w ü r d e eine höchst

lafs hatte

werden;

r u n g in e i n e i n s o l c h e n F ä l l e z u t b u n

Kurs zusetzen,

Nun

Landes

viel d a r a n g e l e g e n

eher

meinst du,

Gold,

solchen Miinzveifa'ssurig

immer stäiker

also

was,

mit

dieses

endlich eine Z e i t ein',

legenheiten täglich

Volk

Verfälschung gewahr

aber

alles

¡11 d e r b e s a g -

g e u i i i . r / t e n G('dd.es s t e c k e .

uns a n n e h m e n , das

dafs Mün-

Zeitpunkten

dafs

das s i c h i n d i e s e m L a n d e b e f i n d e , ten M a s s e

der

Stempels,

meines

be-

worin

aufser

nachtheilige verur«athtn',

22

G e s p r ä c h e

und einen T h e i l des V o l k e s auf einmahl um sein ganzes Vermögen bringen. M a n düifte sie also nicht anders als nach und n a c h , so unmerklich als möglich , aus dem Umlauf nehm e n , um sie in der M ü n z e , nach vorgänginer S c h e i d u n g , zu Goldstücken von echlem Gehalt u m z u p r ä g e n . Damit aber der S c h a d e , der aus dem f o r t w ä h r e n d e n Umlauf einer M a s s e von Goldmünzen, die b i s h e r a n Z a h l u n g s w e r t h gleich und doch so ungleich an reinein Gehalt w ä r e n , so viel möglich verhütet w ü r d e , w ä r e wolil kein ander M i t t e l , als diese M ü n z e scharf probieren zu l a s s e n , dann zu s o i t i c r e n , und den äufsern P r e i s einer jeden Sorte nach und nach auf den B e f u n d ihres innern W e r t h e s herabzus e t z e n ; da sie dann immerhin noch lo lange z i r k u l i e r e n möchten, bis man sie ohne sonderlichen Naijhtheil gänzlich aufser Kurs setzen, und g e g e n v o l l g ü l t i g e Stücke a u s w e c h s e l n könnte. D ü n k t dich nicht, Sinibald, dafs diels in dem v o r a u s g e s e t z t e n Falle die V e i f a h r u n g s w e i s e einer jeden verständigen Obrigkeit s e y n würde ? Sinibald. I c h s e h e , w o du hinaus willst, Geron, aber r i e h t , w i e du bey der A n w e n d u n g deines Gleichnisses bestehen w i r s t . D a ich d i r so viele Voraussetzungen erlauben mufste, so ist nicht mehr als billig, dafs du m i r eine e i n z i g e gestattest.

VdTlit

v i r n

A V G E u.

G eron, Von .Herzen g e r n ,

und

w e n n du i h r e r n ö t h i g

hast.

mehr

als

Eine,

S i n i b a 1 d. I c h d e n k e m i t flieser e i n z i g e n a u s z u r e i c h e n . G e s e t z t a l s o , es f.inde sich g l ü c k l i c h e r W e i s e iigend

ein

grofsinüthiger

Adept,

,,rler s i c h

e r b ö t e , deinenf m i t v e r f ä l s c h t e r IVIijnEe ü b e r ladenen Volke auf einmahl davon

stu h e l f e n ,

i n d e m er i h n e n , o h n e sich d a r u m z u

bekam-,

mein , wie viel Karate feines Gold m e h r w e n i g e r in möchte,

ihren

unechten

Dukaten

oder

stecken,

f ü r j e d e s g e r i n g h a l t i g e S t ü c k ein y o l l -

haltiges von gleichem allen A ü f w e c h s c l

Z.ahlungswerth ,

oder A b z u g ,

ohne

geben , wollte:

würdest du deine Ijpufe nicht für ausgemachte T h o r e n eikl/iren müssen , w e n n

s i e sich

eines

so v o r t e i l h a f t e n T a u s c h e s a u s d e . n l ä c h e r l i c h e n Grunde w e i g e r t e n , „es w ä r e doch

immer-ein

A c h t e l o d e r S e c h s t e l oder. D r j t t e l f e i n e s G o l d i n ihrer M ü n z e , dessen sie,sich berauhen, wündefi, w e n n sie d a s A n e r b i e t e n des A d e p t e n S t a t t f i n den l i e f s e n ? ' '

Geron, D a c h t ' Ichs n i c h t , s q b a l d nem

groisinüthigen

ich d i c h ipit d e i -

Adepten

kommen

s a h • Leb w ä r e a l s o d e i n e m w e i s e n M e i s t e r ' n o c h

24

G e s p r ä c h e

v i e l e n D a n k s c h u l d i g , dafs er inir die M ü h e des S c h e i d e n s e r s p a r t e , die rhu 11 g e r a d e nicht so k u r z w e i l i g i s t , dafs man i h r f r , \Ver/n es' s e y n k ö n n t e , nicht lieber ü b e i h o b e n w ä r e V Aber lafs dir s a g e n , lieber S i n i b a l d , dafs mein Volk, g l ü c k l i c h e r —^ ödter (in deinei 11 v p o t h e s e ) " i i n glückiicher Weise', keinen G l » u t i l e « K u W lien G o l d m a c h e r h a t ; dafs es seinem i i 1 o s o f is ' c h e n G o l d e nicht t r a u t , u n d au'Fürcht, f ü r g u t e s n a t ü r l i c h e s G o l d ; « o v ( l n doch irwrnev noch ein T h e i l in seinen g e w o h n t e n Miitlzen s t e c k t , eine K o m p o s i z i o n von g a r ' k e i n e m iWert h e zu e m p f a n g e n , lieber das G e w i s s e ^ spielen, und das s e i n i g e , W i e w e n i g es auch s e y ; behalt e n , als G e f a h r Idüftn w i l l , beynr E r w a c h e n a u s e i n e m T r a u m voll g o l d n e r B e r g e nach L u f t zt1 g r e i f e n u n d nichts zu haben. Sinibald. D e s t o schlimmer für dein V o l k , dafs es so m i f s t i a u i s c h i s t , w o f*s in der T h a t nichts z u f ü r c h t e n und so viel zu g e w i n n e » h a t ! G e r o n. D a s w ü r d e s t du ihm nicht sehr übel nehm e n , w e n n d u b e d ä c h t e s t , w i e oft es schon von Schatzgiäbern und Sonntagskindern betiogfefi'Worden i s t , die sich f ü r g r o l l e Adepten a u s g a b e n , und ain Ertde doch n u r als als M e i -

t : N T P. H

V I E «

A

U C» T. M.

s t e r in der K u n s t , e i n f ä l t i g e n ' L e u f e n dus Gt-'nl au« dem B e u t e l z u l o c k e n , b e f u n d e n w u r d e n . S i n i b a 1 d. D u w i r s t so billig s e v n , l i e b e r G e r o n , nem A d e p t e n

mei-

z u z u t r a u e n , d a i s es ihm w e d e r

an W i l l e n n o c h an V e r m ö g e n f e h l t , alle , Hie nicht aus unverzeihlichem Kigensinn Augen und O h r e n v o r ihm v e r s c h l i e f « e n , z u ü b e i z e u g e n , dafs «ein f i l o s o f i » c h e s G o l d w a h i e s G o l d vier 1 u n d z w a n z i g K a r a t e n i s t .

von

Aber auch o h n e

da» W u r d e dein V o l k , w e n n ich d i c h r e c h t v e r standen h a b e , w e n i g bey meinem weisen Meister

wbgen. G e v o n. Wie

so? S i n i b a I d.

V o n dem A u g e n b l i c k an , da es u n t e r Volke bekannt worden ist,

dem

d a f s sich u n t e r d e r

zirkuliérenclen G o l d m a s s e e i n e M e n g e f a l s c h e r u n d sehr g e r i n g h a l t i g e r S t ü c k e f i n d e n , sich

nafiiilicher W e i s e

auch

ein

wird

Mifstrauen

v e r b r e i t e n , das dein e h e m a l i l i g e n b l i n d e n G l a u ben dés V o l k s an s e i n e M ü n z e n

u m so m e h r

A b b r u c h t b u n w i r d , da d a s G e r ü c h t u n d

die

E i n b i l d u n g b e y s o l c h e n G e l e g e n h e i t e n da's Ü b e l i m m e r zu v e r g r ö f s e r n p f l e g e n , u n d es u b è i d i e f a

2.6

G E S P R Ä C H E

nicht an L e u t e n fehlen w i r d , die "dus Neügier oder G e w i n n s u c h t , oder a u s welcbetii andern B e w e g g r u n d es seyn mag, sich die M ü h e geben w e r d e n , die verdachtigen Münzen zu probieren, und dem P u b l i k u m , durch ihre Berichte Und W a r n u n g e n , auch gegen die bessern M i f s t r a u e n beyzubringen. L a f s uns , um eher -zum Ziele, zu k o m m e n , sogleich die A n w e n d u n g dieses^ Gleichnisses auf den Gegenstand unsers Gespräches machen. D u verstehest unter den verschie« denen Goldmünzen, die von alten Zeiten, ber unter deinem Volke herumlaufen,. W" a,h r i},e i t,, I r r t h u m und V o r u r t h e i l e : M*' das feine Gold, Irrthum die falsche Mün-?«, die. Vorurtheile die geringhaltigen Stücke , w e l c h e mehr oder weniger w e r t h sind, je nachdem mehr oder w e n i g e r von jener oder diesem . dapjriiter befindlich ist. So lange das Volk die letztern für w a h r hält, w e i l ihm nie eingefallen ist an i b r e r E c h t h e i t und Gültigkeit zu z w e i f e l e ; / so sollen sie ( w i e ich dir einstweilen unpräjti^dicierlich zugeben w i l l ) ungefähr die ne^imlic^e jV^irJkung thun , als ob sie durchaus w a h r ,w.ären. Aber w i e lange wird das d a u e r n ? Gewifs nicht länger als die L e u t e von niemand in diesem ihrem Glauben gestört werden. L a f s sich ein« mahl eine Anzahl angeblicher Scheidekünstlqr h e r v o r t h u n , die sich ein Geschäft daraus maeben, die Vorurtheile und Meinungen de» Volks

O S I I H

VIER

AUGEN.

27

auf die K a p e l l e zu b r i n g e n , und iL reu w a l l reu reinen G o l d g e h a l t öffentlich a n z u z e i g e n , v o n dieser Stunde an f ä n g t auch das G e b ä u d e an z u s c h w a n k e n , das bisher auf einem s o lockern Grunde ruhte. D i e s e W i r k u n g wird z w a r nicht s o g l e i c h merklich s e y n ; aber einein aufmerksamen Beobachter w e r d e n die Z e i c h e n der änderung nicht e n t g e h e n , die in dem ben,

den G e s i n n u n g e n

und den

Ver-

GlauSitten

des V o l k s v o r g e h t , w i e w o h l das Ü b e l oft ziemlich lange im Stillen um sich greift, und daher, w e n n es endlich zum Ausbruch kommt, L e u t e , die alles immer nur aus der n ä c h s t e n U r s a c h e erklären w o l l e n , i n mächtiges E r s t a u n e n setzt. Gerön. N u r z u w a h r ! U n d gerade diese Erfahrungss a c h e ist e s , w a s mich immer g e g e n die u n z e i tigen und u n b e h u t s a m e n 'Volksaufklärer a u f g e bracht hat. S j n i ba 1 d. E s ist nicht zu l ä u g n e n , dafs diese L e u t e Schaden thun : aber ich s e h e nicht w i e d u da» v e r h ü t e n w i l l s t ; es w ä r e d e n n , du gedächtest dich für d i e M e i n u n g der K ö n i g i n

Semira-

m i s in den

zu erklä-

ren,

Göttergesprächen

und darauf a n z u t r a g e n , dafs das L i c h t ,

das dem m e n s c h l i c h e n Verstände durch d i e K u l -

23

G E S P R Ä C H S

tur dei Wissenschaften aufgeht, gifeich dem h e il i g e n F e u e i der V e s t a , ausschließlich in' der Verwahrung" eine» besondern Ordens : s e y n Sollte, der, unter Obeiaufsicht der R e g i ^ r ü n g , dem Volke nur g e r a d e s o viel rlavon zutheilen d ü r f t e , als seine Obern für gut fänden. G e r p n. N.icht, als seine Oher.n für gut f i n d e n , sondern als dem V o l k e w i r k l i c h gut und heilsam ist. Sinibald. Und w e r soll darüber entscheiden, w i e viel L i c l i t dem Volke gut und heilsam i s t ? Doch wolil seine Obern ? P d e r w e m w o l l t e s t du es soni-t a u f t r a g e n ? W e n n d u es den Aufklärern übeilassen w o l l t e s t , so w e r d e n sie eines von beiden t h u n : entweder sich selbst in ihrem Geschäfte keine Grenzen s e t z e n , oder sich urn die Gebühr mit den Obern e i n v e r s t e h e n , da3 arme Volk in Dummheit upd Unwissenheit zu erhalten, weil mqn.docli nun einmahl in dem W a h ne s t e h t , dafs ein unwissendes Volk leichter z u ' r e g i e r e n sey als ein aufgeklärtes. G e r o n. D i e Erfahrung z e u g t i n unsern T a g e n ¡so l a u t vöm Gegerttheil, dafs ich gewifs : bin, dite Zeit ist nahe!, da rristn von diesem arm'seligeii'VV'ahn

UNTER. V I S »

A . U G BIT.

29

auf e w i g zurück kommen w i r d . Dar erste grofs»« Fürst, der Verstand und Kennt|ij(s der menschlichen Natur und der mensch]¡eben Dinge ge nug haben w i r d , um überzeugt zn seyn, „dafs gesunder Verstand allen Menschen, den niedrigsten w i e den höchsten, u n e n t b e h r l i c h ist um — M e n s c h e n zu s e y n , " und der dieser Grundmaxime in allem ohne Ausnahme gemäfs' harideln w i r d , wird durch sie allein, ohne die geringste E r s c h ü t t e r u n g , still und u n v e r m e r k t , w i e die Natur in ihren w o b l t h ä tlgsten W i r k u n g e n zu verfahren p f l e g t , eine •grofse, in ihren Folgen unendlich nützliche Verbesserung in seinrm Staate b e w i r k e n , und dann aus eigener Erfahrung bezeugen können, dafs keine R e g i e r u n g sicherer, fester und w e niger Reibungen und Stockungen unterworfen •ist, als die Regierung über ein zum gesunden •Verstand reif gewordenes Volk. Von der W a h r heit dieser M a x i m e ist bereits jedermann t h e o r e t i s c h ü b e r z e u g t ; und es bedarf nur noch ein einziges, grofses, stark in die Augen leuchtendes B e y s p i e l , so wird in weniger als zehn Jahren kaum noch — d>*r Dey von Tripoli über Barbaren und Sklaven herrschen wollen. S i n i b a 1 d. B r a v o ! so wären w i r ja einverstanden. Aber w o bleibt da die A p o l o g i e d e r V o m r theile?

30

G l 3 P R Ä C II £ Geion. D i e geht ruhig ihren Gang f o r t , Sinibald.

S i n i ba 1 d. D u scherzest. W a s hätte denn gesundec Verstand mit Vorurtheilen zu schaffen ? Von dem Augenblick an , da ein Volk zum gesunden Verstand reif geworden i s t , w i e du es nennest, h a t es keine Vorurtheile m e h r , und b e d a r f keiner mehr. Geron. A b e r , mein lieber S i n i b a l d , das mufst du doch so gut w i s s e n als i c h , dafs w i r und jedes andere Volk auf diesem Erdenrunde noch ziemlieh w e i t von diesem glücklichen Zeitpunkt entfernt sind. Wahrlich, bevor w i r dieses grofse Ziel erreichen, werden noch allerley Anstalten getroffen werden müssen ; und gerade an denen, die uns allein so weit bringen können, f e h l t e » noch am meisten. Bis d a h i n , mein Freund, w e r d e n w i r w o h l t h u n , unsern schreibseligen Weltverbesserern zu empfehlen, dafs sie g e w i s s e Vorurtheile unangetastetlassen, und unsreObem w e r d e n blofs ihre Schuldigkeit thun , w e n n sie die H e r r e n , die nicht auf guten R a t h hören w o l l e n , ein w e n i g auf die F i n g e r klopfen. Sinibald. Ich sehe w o h l , dafs ich mir vor allen Dingen eine k l e i n e E r k l ä r u n g von die ausbitten

U N T E R

V I E R

A U G E N .

3i

«mifs, w a s das für g e w i s s e V o r u ' r t h ' e i l . fc s i n d , ' z u deren Unverletzlichkeit ein so w o h l denkender M a n n wie 1 du, seine Stimme so fest entschieden giebt ? G e r o n. Vor allen Dingen w i l l ich dir eine k l e i n e Geschichte erzählen w e n n du Geduld hast sie anzuhören. S i n i b a 1 d. Sehr gern. Geron Es' w a r einmalil ein M a n n , der sich v i e l e M ü h e gegeben hatte , ein guter Arzt zu w e r d e n , und dem es so wöhl gelungen w a r , dafs der R u f seinerGeschicklichkeit und seiner glücklichen Kuren in alle Lande ausging. Dieser R » f kam Endlich auch bis zu den Ohren der Herren Bürgermeister und R a t h des durch den berühmten J e a n P a u l uicht w e n i g e r berühmt g e w o r d e n e n Reichsdörfchens oder Städtchens K u h s c h n A p p e l ; und da sie'eben eines Stadt» arztes benöthigt w a r e n , so w u r d e n sie einir^ den besagten Arzt unter ziemlich annehmlicher« Bedingungen an diese Stelle zu berufen. Dieter'mochte «ich aus der Geschichte des berüchtigten Armen-Advokaten Siebenkäs eine Vorstellung von der löblichen Reichsstadt Kuhschnap -

52

G e s p r ä c h e ,

pel gemacht haben, die ihm von einigen Jahren Aufenthalt daselbst eine reiche E r n t e neuer Beobachtungen zu Beförderung der Menschenkunde und Menschenliebe und zu Vermehrung seiner medicinischenKetintnifs versprach. K u r z , er nahm den R u f an, und fand an seinen neuen P a z i e n t e n , besonders denen vom d r i t t e n S t a n d e, ein wohlgesinntes V ö l k c h e n , d a s ihn, auf seinen blofsen R u f und sein ehrliches Gesicht h i n , mit einem Enthusiasmus aufnahm, der kaum gröfser hätte seyn k ö n n e n , wenn er bereits einige Dutzend wichtige K u r e n an ihnen v e n i c h t e t gehabt hätte. • Die guten L e u t c h e n liefsen sichs' nicht einfallen, den Grund^oder Ungrund dieses R u f s zu untersuchen. ¿Ufas w a s die Natur oder ein glücklicher Zufall au Genesung der Kranken t h ä t , schiieben^ie treuherzig ihrem Äskulap z u ; a u s jedem von ihm geheilten Schnupfen, Husten, oderVer.(Jat»HJgifieber machten sie eine .Wunderkur, unterwarfen sich allen seinen Vorschriften hünd-lings, verschluckten mit dem, gewissenhaftesten .¿Gehorsam alle seine Pillen, Pulver und T r ä n k e b e n , und behaupteten gegen 3 Ue,durchreisende Frenade.dais seines gleichen nirgends gefunden werde. B e y diesem auf lau.teirVoi'urtheilen gegriind«teh Glauben an ihren gc.ficbitkten und sorgfältigen Stadtarzt hatte sich nun d**r Senat un4 d a * Volk vo n Kuhschaap;per eine geraume Zeit .wohl : b,e-

U K T E B

VIER

AUGEN.

3a

f'unden ; 'als ein n a s e w e i s e r j u n g e r Patrizier de« O r t s t l e r tinter seinen M i t b ü r g e r n für einen grof&S* K o p f g a l t , auf den Einfall k a m , e i n e A^tst'&aiive'gegen A r z t e nnd, A r z n e y k u n s t herauszugeben , w o r i n er z w a r nicht i n ' A b r e d e seyn. w o l l t e , dafs der P o l i a t e r von K u h sctinappel ein sehr grofser Arzt s e y , aber n u r b e h a u p t e t e , au der A r z n e y k u n s t selbst s e y - g a n z und gar n i c h t s ; es gebe e n t w e d e r g a r kt"in©Heilkräfre in der N a t u r , oder w e n i g s t e n s w ü f s t « n die M e n s c h e n sie w e d e r zu finden n o c h a nzu w e n d e n ; die A s k u l a p i ä c h e Kunst h ä t t e von ihrer E r f i n d u n g an unendlich mehr g e s c h a d e t als g e n u t z t ; k u r z , das g a n z e M e d i c i n a l w e s e n s e y eitel Scharlatanerie und Q u a c k s a l b e r e y , u n d nicht um ein Haar besser als die K u n s t aus dem Kaffesatze zu w e i s s a g e n , T r ä u m e zu deuten, und auf der Ofengabel nach dem B l o c k s b e r g e z u reiten. D a s Schriftchen machte A u f s e h e n u n d erregte A n f a n g s ziemlich a l l g e m e i n e n Unwillen^ Aber der j u n g e 'VolksaufkUirer w a r aus einem der ersten H ä u s e r in K u b s c h n a p p e l , hatte so viele V ä t e r , O h e i m e , S c h w ä g e r , Vettern u n d Gevattern im k l e i n e n und grofsen R a t h , u n d w a r ein so fertiger M e i s t e r in allen k l e i n städtischen f r e y e n Künsten , dafs er in kurzer Zeit einen Anhang b e k a m , unter dessen Uberg e w i c h t der Stadtarzt u n d seine F r e u n d e endlich erliegen mufsten. Z u s e h e n s fiel nun dat W I E L A K L I S s.iiümll, W. XXXI. B.

nöthigen Untei suchungen,lleputazionen , Relazionen und Debatten, endlich ein Dekret ergehenzulassen, wodurch den sämmtlichen Einwohnern der Stadt und Landschaft Kuhschnappel bey hoher Strafe anbefohlen w u r d e , von nun an wieder an den Stadtarzt zu glauben, und in kranken Tagen sich ganzsallein an ihn und seine Vorschriften zu halten. Aber an eben dem Tage, da dieseVerordnung publicieit wurde,

U N T E R

V I E R

35

A u G E S .

lief» d e r w i t z i g e P a t r i z i e r ein

Possenspielchen

auf d e m K u h s c h n a p p l i s c h e n N a z i o n a l t h e a t e r a u f f ü h r e n , w o r i n die Ä r z t e und ihre K u n s t d u r c h alle P r ä d i k a m e n t e l ä c h e r l i c h g e m a c h t Diese Posse,

der das R a t h s d e k v e t

wurden.

zur

Folie

d i e n t e , e r h i e l t nun einen desto l e b h a f t e m B e y f a l l ; das S t ü c k m u f s t e einigemahl der g e s p i e l t w e r d e n ,

hintereinan-

und in w e n i g e n

Tagen

h ö r t e man den R u n d g e s a n g , w o m i t es s c h l o f s , a u f allen Gassen singen.

D e r Stadtarzt w u r d e

des H a n d e l s endlich ü b e r d r ü s s i g ; s e i n e

Men-

s c h e n k u n d e h a t t e sich in K u h s c h r j a p p e l ,

wie-

wohl auf U n k o s t e n d e r M e n s c h e n l i e b e ,

ansehn-

lich v e r m e h r t , und«es w a r da w e i t e r n i c h t s m e h r zu thun n o c h z u l e r n e n übrig. E r z o g also v o n d a n n e n , und bekam einen p r i v i l e g i e r t e n P f u s c h e t zum N a c h f o l g e r ,

der z w a r M i t t e l f a n d ,

sich

den b i s h e r i g e n W i d e r s a c h e r seines O r d e n s d u r c h e i n e w o h l g e t r o f f e n e E h e v e i b i n d u n g mit

einet

verschimmelten B a s e günstig z u m a c h e n ,

und

dem es daher an U n t e r s t ü t z u n g von S e i t e n e i n e t hohen Obrigkeit nicht

fehlte:

a b e r die K u h -

s c h n a p p l e r h a t t e n nun einmahl den G l a u b e n a n die A r z n e y w i s s e n s c h a f t v e r l o r e n ;

und da die

o b e r n K l a s s e n des S t a a t s dem V o l k e hierin s e l b s t b e y j e d e r G e l e g e n h e i t mit b ö s e m B e y s p i e l

vor.

g i n g e n , so blieb die einmahl e i n g e r i s s e n e

Un-

ordnung mit allen i h r e n schädlichen F o l g e n «in

36

G B S P H Ä C I I E

unheilbares tibel bis auf diesen T a g ; und — mein Mährchen ist zu Ende. S i n i b a 1 d lächelnd.

Ich statte dir dafür den gebührenden Dank a b , mein lieber Sokrates; und um dirdieMiiHe zu ersparen , durch eine lange Reibe kleiner hinterlistiger Fragen , die ich mit möglichster Einfalt zu beantworten hätte, nach P l a t o n i s c h e r Art und K u n s t , mich am Ende auf den' Punkt zu bringen , w o du mich haben willst, will ich lieber den Kern aus deinem Mährchen sogleich seihst heraus knacken, und gestehe dir also von ganzem Herxen zu* dafs es mehr als Abderitische und Kuhscbnappli*che Thorheit ist, wenn unsre Obe> n, nachdem sie das Fundartient der Vorurtheile, worauf der Glaube des Volks an ihr Ansehen und die Unverletzlichkeit ihrer Personen, nebst seinem Glauben an die eingeführte R e l i g i o n , an eine göttliche Bestätigung des Unterschieds zwischen Recht und Unrecht, und an Verantwortlichkeit in einem künftigen Leben für das B ö s e , das wir in diesem gethan haben, beruhet, theils p r a k t i s c h s e l b s t u n t e r g r a b e n , theils ungehindert von andern t h e o r e t i s c h untergraben l a s s e n , — gleichwohl bey Strafe gebieten w o l l e n , dafs das Volk g l a u b e , w a s beynahe niemand mehr

D S T E l l

V 1 S n

All C i

37

N.

g l a u b t , u n d es in U n g n a d e n v e r m e r k e n ,

wenn

der daher e n t s p r i n g e n d e und sich liberal) in den Stenden äufsernde K o n t i a s t u n s r e r Z e i t

init

«Jen T a g e n u n s r e r g l a u b e n r e i c h e n u n d iu i h r e n v o n K i n d h e i t an e i n g e s o g e n e n V o r u r t h e i l e n w e beiiden u n d l e b e n d e n V o r ä l t e r n endlich flatihliclje

W i r k u n g , z u thun a n f ä u g t .

stehe feiner ,

seine

Ich ge-

d a f s , n a c h d e m man der

ganzen

e r s t a u n t e n und bestürzten W e l t u n g e s c h e u t das B e y s p i e l , g e g e b e n hat,

2)

dafs man ^Ues,

auch

2) W e n n es ohne Unterbrechung des Gesprächs j^eschfhenkönnte,

mochte ich den Herrn S i n i -

b a i d w o h l bitten, uns d a s

Jahrhundert

zu

nennen, in welchem solclie Beyspiele nicht,häufig gegeben worden wären. W i r wollen u n s r e r Z e i t nicht zu viel t h u n : sie hat w e g e n aller Vqr würfp, dif man ihr über diesen. Artikel m a c h t ,

wenig

mehr zu verantworten qls die vorhergehenden ; und, w e n n ich die e i n z i g e h i s t o r i s c h e Zeit

(Trajans,

Hadrians,

goldne

und der beiden

A n t o n i n e ) ausnehme, so kenne ich keine Periode von achtzig Jahren ip

der ganzen Geschichte de»

kultiviertesten Theils deT Erde, w o r i n nichtimmer der Stärkere den Schwachem

unterdrückt

hätte,

u»,d die .Wohlfahrt der Völker und das Leben v o n Millionen Menschen ein Spiel des Ehrgeitzes und der Vergröl'serungssucbt, oder der S c h w ä c h e , des

38

G e s p r ä c h e

das u n g e r e c h t e s t e , zu dürfen glaubt, sobald man die M a c h t dazu hat und es u n s so beliebt, es m e h r als T h o r h e i t i s t , n o c h von Gerechtigkeit z u s c h w a t z e n , und es irgend einem andern überl zu nehmen, w e n n e r s i e h , eben so gut als dies« Beyspielgeber, f ü r ermächtiget hält, alles zu t h a n w a s man ihm nicht w e h r e n kann, u . s . w . N o c h m e h r , lieber G e r o n ! ich gestehe dir, u n d , w e n n ich eine Stimme h ä t t e , die sich allen M e n s c h e n auf E i n m a l h ö r b a r und verständlich macheh k ö n n t e , so w ü r d e i c h es über den ganzen E r d kreis a u s r u f e n , ,,dafs d i e B e y s p i e l e , d i e seitzehnjahrengegebenwordensiud, geradezu auf den U m s t u r z aller bürgerlichen Gesellschaft und Ordnung,' aller R e l i g i o n , M o ralität und H u m a n i t ä t , l o s a r b e i t e n ; u n d d a f s e s also die höcbsteZeit ist, dafs irgend ein verständiger, Gerechtigkeit liebender, das G u t e ernstlich w o l l e n d e r und k e n n e ri d e r, von l a u t e rrecTitschaffnen L e u t e n u n m i t t e l b a r u m g e b e Ii e r'grofserMonarch ein b e s s e r e s B e y s p i e l gebe, und mit unerschütterlicher Festigkeit nach M a x i m e n h a n d l e , die auf dem ewig n o t w e n digen G r u n d alles R e c h t s b e r u h e n . — Aber, Eigensinns, der Afterpolitik und der verächtlichsten Leidenschaften einiger weniger Gewalthab«!' und ihrer Katbgeber gewesen wäre.

U N T E R

V I E R

A U G E N .

39

noch einmahl, w a s thut dag alles zur Apologie der J5#ruitheile ? Geron, Ich habe dir also mein M ä h f c h e ü vergebens ersählt V S i n i h a 1 d. D u willst vermuthlicb damit sagen, es gebe •wahre, wiewohl dumpfe Gefühle und Vorurt b e i l e , an welche sich fest zu halten, dem unaufgeklärten und, vermöge der Natur der fjache, zahli eichsten Theile der Menschen nicht nur rfiitzlich, sondern, wofern das Ganze besteh e n s o l l , sogar n o t h w e n . d i g s e y ; und diese Vo> urtheile sollten und miifsten also respektiert w e r d e n ; und das um so m e h r , da sie nur s u b j e k t i v betrachtet VorurtTieile sind, im Grunde aber, sobald man sie zu deutlichen Urtheilen e n t w i c k e l t , wahr befunden werden , oder auf W a h r h e i t beiuhen. G u t , lieher Getan,< Buch das geb' ich dir zu. Aber — Geron. Ich bitte dich, kein sofistisches A b e r ! Sinibald.

Bona verba quaeso ! W a s könnte mirs helfen , dich und mich selbst sofistisieien zu wo]-

40

G E S P R Ä C H *

l e n ? W i r haben ja einerley Z w e c k , und aibeiten beide an einem und demselben B a u . G e r o n. Eben defswegen wünschte i c h , dafs w i r auch nach e i n e i l e y Plan aibeiteten. S'inibald. Das kann nie f e h l e n , sobald w i r e i l e n d e r recht veistehen. Geron, Also — dein A b e r ? S i n i b a 1 d. E s ist w e i t e r n i c h t s , als dafs die Sache dei V o r ü r t h e i l e , durch meihe Bereitwilligkeit, dir deine Unterscheidung gelten zu lassen, om nichts gebessert w i i d . Geron. Da« w ä r e schon zu viel. näher.

Erkläre dich

S i n i b a l d. Unstreitig hangt der unaufgeklärte Theil der Menschen an R e l i g i o n , Sittlichkeit und bürgerlicher Ordnung blofs durch G e f ü h l und V o r u r t h e i l . E r hat sich seine Vorstellungen von diesen w i c h t i g e n Gegenständen, von

VH1 I H Vl£«

AüCEN.

4

l

w e l c h e n das Gluck oder Unglück seines ganzen D w e y n s a b h ä n g t , nie deutlich - g e m a c h t ; hat Aip-Giunde, w o i a u f s e i n G l a u b e an p o t t , seine O b i i g k e i t und seine L e h r e r b e r u h e t , nie unbefangen untersucht und geprüft. .Auch k ö n n t e e r es nicht, w e n n er gleich w o l l t e : es fehlt ihin zu einem •solchen Geschäft an M u f s e ; die W e r k z e u g e des Denkens sind bey ihm nicht scharf genug dazu geschliffen, und er ist nicht 'geübt -genug sie bey Gegenständen dieser Art zu gebrauchen. Sein Glaube ist also, in der That ein b l i n d e r Glaube. Immer gut w e n n er ihn h a t ; denn er ist i h m , in E i m a n g l u n g eines b e s s e r n , zü seinei R u h e und zu E i f u l lung seiner Pflichten unentbehrlich.. E r kann ihn nicht v e r l i e i e h , ohne an seiner Sittlichk e i t , der Ergebung ip sein Schicksal und der ü o f f n u p g einei bessern Zukunft sehr g e k r a n k t zu w e r d e n . Aber das alles ist nur darum so, w e i l e r u n a u f g e k l ä r t i s t . Besser w ä r ' es doch immer, w e n n er es n i c h t w ä i e ; und w i e . kann er zu diesem Bessern gelaingen als duTch' A u f k l ä r u n g , d. i. w e n p sein auf V o r u r t b e i l e gegründeter blinder Glaube einer a u s f i e y e r Untersuchung und -deutlicher Erkenntn i s entstandenen Überzeugung Fiats macht ?.

G E S P I Y Ä C I I E

Geron, Sollte w o h l ein Mann von deiner Weltkenritmfs hoffen k ö n n e n , dafs der unendlich grofsere Theil dei Menseben jemahlszu einem solchen Grade von Kultur gelangen werde 1 ? S i n i b a 1 d. , I c h besorge duich meine Antwort'nicht w e nig von der guten M e i n u n g , die mir dieses Kompliment zugezogen hat, zu veilieren : aber sey es darum! Ich kann nichts ander« antworten a l s — Ja! Ich hoiP e s , . u n d glaub' es sogar. Geron. L'ieber Sinibald 1 W i r leben am Ende des nufgekliutesten Jahrhunderts, das je g e w e s e n ist. Schau um dich her! Ich veilange nichts w e i t e r , denn jeh habe olr alles damit gesagt. D i e Hand aufs H e r z , Freund! wie kaim'8t"dti im Ernst eine so sanguinische rtoffnung-hegen ? D a f s eine so ungeheuer grofse Veränderung d e r D i n g e nichtduich einen S p r u n g bewirkt w e i d e n könne, bat Uns, -sollt'ich denken , der neueste Versuch, den einige warme und subtile Köpfe in Frankreich ah ihrer eignen Naziall gemacht haben , auf eine Art gelehrt, weldife ( w e n n anders die Narrheit und Blödsinnigkeit des Menschengeschlechts nicht ganz uaheilbar

iTN I E R VIEIV AUGEN.

43

ist) alle Völker auf e w i g abschrerken w i l d , eine ähoKche Gefahr zu laufen. W a h r e und g i u n d l i c h e Aufklarung des menschlichen Verstandes kann nur duich ein beynabe unmerkliches Zunehmen des L i c h t e s , langsam und ¡stufenweise bewirkt werden. Aber eben defs•wegen wird eine a l l g e m e i n e , oder w e h i g stens über den g 1 ö f s e r n T h e i l der M e n seben verbreiteteEileuchtung n i e Stattfinden. D i e Mittel dazu sind zu b e s c h j a n k t , liegö'n in den Händrtl feiner zu kleinen A n z a h l , hangen zu 'sehr vom Z u f a l l , und ( w a s noch schlimmer i s t ) von der 1 'Willkiihr der Machthaber a b , de« ren giofserm T h e i l alles da*aii gelegen zu seyn scheint, dafs es nicht hell um sie her w e i d e . B e d e n k e , dafs gegen E i n e n , der zu Befoiderung w a h r e r Aufklärung thätig i s t , hundert s i n d , die ibr aus allen Kräften entgegen arbeiten, und zehen tausend, die seine D i e n s i e w e der hegehren noch vermissen. Auch bitt'6 ich nicht zu veigessen, dafs man unter zehen Aufk l ä r e f n wenigstens die H ä l f t e rechnen mufs, die i b i e Pecbfaekeln so ungeschickt und unvoisichtig handhaben, als ob es ihnen w e n i g e r darum isu thun sey uns zu leuchten , als uns die Häuser übei dem Kopf anzuzünden ; nichts von den kleinen L a t e r n e n t i ä g e r n zu s a g e n , die uns ein so trübes und tauschendes L i c h t vortragen, dafs

44

G E S F R A C II B

w i r mit bloisem Tappen inj Dunkeln sichrer an Oit und Stelle k ä m e n , als weuiv w i r uns von ihnen fuhren lassen. S i n i b a 1 d. D « giebt trostlose Aussichten, Bruder 1 W a s bliebe uns da zu thun u b u g , a l s , gleich den trauernden Geniussen auf alten Saikofagen, .uDsre Fackel unizukehren, und out starren steineinen Augen zuzusehen, wiei di&Menschheit a,us der schonen jMorgenrothe., die den nahen Triumf der alleifieuenden „i}pjiij,8 v e t ' k u n d i g t e , jn die N a c h t , w o r i n pui; di^.,bösen Geister w i i k e n , zurück sinken ,wii senswürdig iin

Verfolg

finden als das K ö n i g t h u m , und

dieser

kaum

ein

und

Jahre umfassenden Geschichte eines der

gegen

die

Feldzüge

Helden E u t i n a p a r t e

Ihres

eine

zwanzig Krieges,

und

meines

gar jämmerliche

F i g u r m a c h t , w e n n S i e , sage i c h , die A t h e ner

und

ihre

Demagogen

und

ihren

Senat

und ihre V o l k s v e r s a m m l u n g e n und ihre g a n z e D e m o k r a t i e nicht z w a n z i g m a h l für einmatll mit den Griechen z u r e d e n hen

wünschen,



vor die

so w i l l ich —

Doch



Ranein!

D a müisten Sie v o n einer so monströsen und unerkliiihaien V o r l i e b e f ü r die

Demokratie

besessen s e y n , dafs es nicht billig w ä r e , ich

Unschuldiger ,

wenti

dafür büfsen sollte.

Heribert.

I c h verspreche I h n e n , den L e v e s q u i s c l i e n Tiiucydides zu lesen,, u n d , W11.IAJUIS

si'tmrail. \V. XXXI. Ii.

was

noch E

mehr

66

G E S P R Ä C H E

i s t , ich bekenne, schon bevor ich ihn gelesen h a b e , daf» ich von der Liebenswürdigkeit und den derben populären Reitzen der D em o k r a t i e nicht so mächtig bezaubert bin, dafs ich eines so stark wirkenden Gegenmittel» schlechterdings benötbigt wäre. Wilibald. , I h r e Republik und ihr fünfköpfiges Direktorium läfst es in der T h a t daran nicht fehlen. -Heribert. Gleichwohl, wenn i c h ' a u c h — wie w i r Menschen sind! — zuweilen einige Lauigkeit in der L i e b e , die ich meiner politischen Ven u s Y o l g i v a g a nun einmahl geschworen ftabe, zu verspüren glaube, brauche ich nur einen Blick auf das K ö n i g t h u m , oder (weil Sie es so wollen) auf das hafslicbe Z e r r b i l d desselben, das sich ein für allemahl in meiner Einbidnngskraft festgesetzt b a t , zu w e r f e n , um däs sinkende Flämmchen durch den Hafs des letztem wieder zur lodernden Flamme angefacht zu fühlen. W i l i b a l d lächelnd. Billig sollt' ich Sie, zur Strafe, in Ihrem verstockten Sinne dahin gehen lassen. Aber, da wir doch bereits so alte Freunde sind.

UNTER

V I B H A Ü G E N .

67

kann ich Sie unmöglich in einer so ungerechten Leidenschaft befangen sehen, ohne zu versuchen, ob ich Sie nur wenigstens so weit bringen könne , das Königthum und die Republik mit e i n e r l e y W a g e und G e w i c h t zu w ä g e n , wenn ich auch nicht verhindern k a n n , dafs Ihre Vorliebe für die letztere sich unvermerkt in die Sache mischen, und das Übergewicht derselben, dadurch, dafs s i e s i c h ganz leise auf ihre Schale l e g t , entscheiden wird, Heribert. Sie sollen mich so billig f i n d e n , als man von einem A m o r o s o nur immer verlangen kann. Wilibald. Um also ehrlich und aufrichtig, wie L e u t e , die sonst nichts bey der Sache gewinnen wollen als W a h r h e i t , zu W e r k e zu g e h e n , so lassen Sie uns auf eine Weile vergessen, was Königthum und Demokratie gewöhnlich von jeher in der wirklichen W e l t (oder, wie man in der Schule spricht, in concreto) gewesen " s i n d ; lassen Sie uns von beiden alles Z u f ä l l i g e absondern, um — nicht etwa ein schönes I d e a l und H i r n g e s p e n s t von einem U t o p i s e h e n K ö n i g r e i c h oder einer S c h l a r a f f e n l ä u d i s c h e n D e m o k r a -

G 1¡ S I » Ä C H E t i e an die W o l k e n h i n z ü m a h l e n , — sondern n u r blofs den Begriff, was das Königtimm ist um K ö n i g t h u m , und was Demokratie ist um D e m o k r a t i e zu s e y n , fest zu ehalten. Lassen Sie uns dann beide gegen einander stellen, und s e h e n , worin sie einander gleich und worin sie verschieden sind, und — e s wird sich zeigen, was heraus k o m m t ; denn ich will nichts vorher sehen. — Sagen Sie mir a l s o , w e n n wir beide Begriffe von allem Zufälligen entkleiden, was bleibt uns bey dem W o r t e K ö t i i g t h u m zu denken übrig, als ein S t a a t , w o r i n die h ö c h s t e G e w a l t in ¿ e n H ä n d e n eines E i n z i g e n , und bey dem W o r t e D e m o k r a t i e , ein S t a a t , worin die höchste Gewalt in den H ä n d e n des g a n z e n V o l k e s ist? Heribert. G u t — Und was wollen wir nun mit diesen bis auf die K n o c h e n abgeschälten Begriff e n machen ? WLlibald. E i n e kleine Geiiuld! Sie s e h e n , dafs ich ehe wir weiter gehen k ö n n e n , verschieden? Postúlate voraussetzen m u í s , über w e l c h e w i r beide vermuthlich einig sind. Heribert. W i e meinen Sie das ?

IT N T E 11 V I E n

ÄUGEN.

Wilibald. B. w a s ein S t a a t und w a s die h ö c h s t e G e w a l t im Staat ist. Heribert.

'

Setzen Sie immer getrost voraus, dafs w i r von diesen und andern ersten Elementen der Staatswissenschaft einerley Begriffe haben, Wilibald. F e r n e r : w a s der f e t z t e Z w e c f c einer solchen Vereinigung f r e y e r vernunftfähiger W e s e n i s t ; dafs dieset Z w e c k ohne G e s e t z e , denen Alle gehorchen, nicht erreicht werden h a n n , und dafs die höchste Gewalt im S t a a t e , in Rücksicht auf ihn seihst, blofs dazu da i s t , diesen Gesetzen Gehorsam au verschaffen. HeribertImmer w e i t e r ! Wilibeld. Hauptsächlich aber w o l l e n w i r nicht vergessen., dafs der E i n z i g e , der in der M o Wa^liie die höchste Gewalt in Händen hat,, ein M e n s c h i s t , der diese Gewalt durch M e n s „ c h e n über M e n s c h e n a u s ü b t ; und dafs das Volk in der EJemokratie aus einer



G E S I U A C H E

M e n g e M e n s c h e n b e s t e h t , die diese Gew a l t ü b e r s i c h s e l b s t ausübt. Heribert

lachend.

Versteht s i c h ! — S i e bohlen w e i t au». Wilibald. F r e y l i c h versteht s i c k s ; nur dafs es in praxi alle Augenblicke vergessen w i r d , und dafs dieses V e r g e s s e n sehr schlimme F o l g e n hat. E n d l i c h m u f s ich mir noch ausbitten, als e t w a s E r w i e s e n e s voraussetzen zu dürfet), dafs die N a t u r es bevm M e n s e b e n darauf ang e l e g t h a b e , ein f r e y e s und v e r n ü n f t i g e s W e sen a u s ihm zu machen. Heribert. E s g i e b t , w i e S i e w i s s e n , L e u t e , die I h nen diefs so leicht nicht eingestehen w ü r d e n : aber v o n einem R e p u b l i k a n e r haben S i e am allerwenigsten zu b e f ü r c h t e n , dafs er S i e über diesen P u n k t schikanieren werde. Wilibald. N a c h allen diesen V o r a u s s e t z u n g e n lassen S i e u n s der Sache näher jucken. W i r sind o h n e M ü h e einig darübeT g e w o r d e n , dafs das K ö n i g t h u m in der höchsten G e w a l t eines E i n zigen über ein g a n z e s V o l k bestehe. Aber

O S I B »

VIBB

AUGEN.

71

wie kommt dieser Einzige eu einer solchen Gewalt, über so viele? D e r e r , über welche er sie ausübt, sind vielleicht viele Millionen, und er ist nur einer! J a , wenn er ein W e sen von höherer N a t u r , etwa Voltaires M i k r o m e g a s , oder einer von den G e n i e n d e r L a m p e (in Tausend und einer Nacht) oder Besitzer von S a l o m e n » S i e g e l r i n g wäre! Aber er ist an Seele und Leib nichts als ein Mensch, wie sie a u c h : also, noch eininahl , wie kommt der Einzige zu einer so grofsen Gewalt über so viele? Heribert. Ich sehe w o h l , dafs es mir wenig helfen w ü r d e , wenn ich sagte: es gebe eia Mittel, wodurch ein einzelner Mensch allerdings Millionen z w i n g e n kann zu thun was er will. W i U b a l d. Sie, meinen mitte 1?

doch nicht

etwa

Zauber-

Heribert. • .•, W e n n er nur e r s t , auf einem ganz natürliche» W e g e , Mittel gefunden h a t , sich eine, hinlängliche Anzahl, d e r b e r , wohl bewaffneter und zu allem bereitwilliger Kriegsknechte anzuschaffen, die ihm. blindlings gehorchen —

72

G

E S p n

Ä

C II E

W i l l bald. So wirrt es ihm freylich nicht s c h w e r fallen, friedsame wehrlose M ä n n e r , ' W e i b e r u n d K i n d e r zu seinen Sklaven zu mächen. A b e r , w i e kam er d a z u , sich diejenigen ¿u u n t e r w e r f e n , mit deren Armen er sich n u n die übrigen u n t e r w i r f t ? ' E r , der doch mit seinem P a a r Armen nicht T a u s e n d e und H u n d e r t t a u s e n d e z w i n g e n k o n n t e , seinen W i l len zu t h u n ? Heribert. D a s w a r es e b e n , w a s ich vorhin meinte. I c h mufs I h n e n also schon z u g e s t e h e n , w a s S i e , w i e ich m e r k e , zugestanden haben w o l l e n : ,,dafs der e r s t e M o n a r c h die h ö c h s t e G e w a l t n u r durch f r e y w i l l i g e U n t e r w e r f u n g des Volkes erhalten k o n n t e . " Wilibald. D e f e r s t e , sagen S i e ? U n d w a r u m 'nicht auch alle seine N a c h f o l g e r , und alle andern M o n a r c h e n , von N i m r o d u n d Belus u n d Agam e m n o n bis auf den h e u t i g e n T a g ? Denn der n e h m l i c h e Grund gilt f ü r alle. E s ist lacherlich, sich einzubilden, ein Einziger k ö n n e n u r ü b e r h u n d e r t Menschen , geschweige über Millionen h e r r s c h e n , w e n n sie sieh' nicht b e h e r r s c h e n lassen w o l l t e r i .

UNTER

VIER

AUGEN.

73

H e r i b e r t. Dagegen w ä r e viel zu sagen, lieber W i l i b a l d . Sollten Sie im F.rnst glauben können., es gebe auf der ganzen Erdfläcbe ein so dummes Volk, das sich von einem S c h w a c h k o p f , einem trägen W o l l ü s t l i n g , einem 'Blödsinnigen , einem T a u g n i c h t s oHei Wüthtiricb von einerti Klaudius, Kaligula, Nero, Kommodus, Heliogabal u s , u. s f. beherrschen l i f f s e , w e n n die armen T e u f e l es verhindern könnten ? Wilibald. Vermengen S i e , wenn ich bitten darf, w o l l e n nicht mit k ö n n e n , und schliefsen S i e nicht von dem,, w a s ein Volk nicht thut auf das , w a s es nicht kann. Schon der einzelne Mensch hat oft gute U r s a c h e , lieber ein »iftmlich g r o f s e s Übel zu ertragen, als sich einem g e w i s s e n , oder auch nur besorglichen n o c h g r ö f s e r n auszusetzen. B e y g a n zen Völkern vereinigen sich unzählige Ursachen , die den Arm der M e n g e , w i e sehr sie auch zum W i d e r s t a n d gereizt w i r d , wenigstens sehr lange zurück halten. So lange sich ein Volk beherrschen läfst, w i l l es beherrscht i f i y n ; s o l a n g e es duldet, w i l l es dulden; und Ä a f s es sich beherrschen lafst, d a f s esduldet, ist ein sicheres Z e i c h e n , dais sein Zustand w e nigstöbs' erträglich ist.

74

G ,b s $ ii ä c ir b

Heribert. Vergessen Sie "nicht, dafs ein von. langem Ii er übel regiertes, irre geleitetes und getäuschtes Volk ,,durch Unwissenheit, Aberglauben und Unterdrückung endlich big zu einer die menschliche Natur entehrenden T h i e r h e i t herabgewürdigt weiden kann., Wilibald. Das ist einer von den Gemeinplätzen, worauf sich eure Reduer und Sofisten seit einem paar Jahrzehenden weidlich herum getummelt haben. . Aber w e r die untern VolksltlasAeii/geuauer kennt, weifs, w i e s e b r a u c h dieaerPunkt übertrieben wird. Menschen können nie aufhören Menschen zu s e y n j und je länger die grofse Springfeder der Menschheit, die V e r n u n f t , bey einem Volke gedrückt worden ist,, (lasto stärker ist die G e w a l t , womit sie, sobald sie nur ein wenig Luft bekommt, in ilwen nasürlicli freyeu Stand zurück schnellt. . Die* a u s gearteten Römer duldeten fr ey lieh ihren N e r o einige Jahre. Abei; wie lange zitterten nicht euere auf ihre vorgebliche Freyheit und Gleichheit so übermüithig trotzenden Republikaner, vor dem Bürger R o b e s p i e r r e , in Vergl«ichung dessen Njero nur ein ausgelassener Knabe w a r ! A u f . d i e s e , ( n W e g e gewinne^; Sie, nichts gegen das Königthuui, lutb^r Heribert.

U S T i H

v u k

^ V G M .

75

L a s s e n Sie uns auf den unsrlgen zurück kommen. D i e R e d e : . t jetzt nicht vom M i f s b r a u c h , sondei von der Q u e l l e der Loch« sten G e w a l t ; und ich d e n k e , wir sind darüber einverstanden, dafs es vermöge der Natur der Sache k e i n e andere s e y n k a i n , als überlegte freywillige Unterwerfung. Lassen Sie uns nun eineta Schiitt weiter gehen. W i r haben vorher al* ein Postulat, das w i r beide f ü r erwiesen und unumstößlich wahr, annehmen, vorausgesetzt: dafs die höchste G e w a l t im Stiaat, w e n n w i r diesen b l o ß f ü r s i c h und ohne Rücksicht auf andere Staaten betrachten, allein dazu da sey ( den Gesetzen, w e l c h e n alle B ü r g e r gleichen Gehorsam schuldig s i n d , diesen Gehorsam w i i k l i c h zu verschaffen. Ich w i l l damit nicht s a g e n , dafs ein guter J l e g e n t nicht noch m e h r thun könne, u n d , au« moralischen sowohl als aus ataatsMugen B e w e g g r ü n d e n , sogar v e r b u n d e n s e y noch mehr zu t h u n , w e n n e r k a n n . .Aber dieses m e h r hängt zu sehr von zufälligen Bedingungen und vornehmlich von dem, w a s dem Regenten unter den gegebnen Umständen zu thun möglich ist, a b , als dafs es hier in Betrachtung käme. D i e Erhaltung üttd W o h l f a h r t des Staats, als der letzte politische* Zweck desselben, ist auch der Z w e c k der Gesetze, die-, als nothwendige M i t t e l zu

70

C l ^ I H A C B

l.

Erreichung desselben betrachtet, jedem Bürger für seine Rechte Gewähr leisteb, und seine Pflichten volzeichnen. Da die Gesetze, wovon hier die Rede ist, unmittelbair irt der Natur des Mensebt-in , ,und in der JNatar und dein Zweck des bürgtulichen Vereins gegründet, also nicht von irgend eines Menschen Willkübr, Laune oder Privatinteresse abhäng i g , sondern so ewig und notbwendig > sind als die allgemeine Vernunft, die höchste: Gesetzgebung aller freyen W e s e n : so w a r , ist und bleibt es eine Ungereimtheit, an welcher das Konigthum ganz unschuldig i s t , -«ienn jemahls jemand gesagt hat oder künftig .sagen wird, ,,dafs der W i l l e des Regenten die Q u e l l e des Gesetze« sey." Richtig hingegen kann gesagt werden, der Monarch, in so fern er Handhaber und Vollstrecker des Gesetzes ist, wolle nichts, als was das Geseta will; und in so fern seine Verordnungen die Vollziehung desselben, und überhaupt die E r haltung der Ordnung und Beförderung der allgemeinen Wohlfahrt, nicht zum V o r w a n d , sondern zum w i r k l i c h e n E n d z w e c k hab e n , aber auch nur unter dieser Bedingung, haben sie selbst die Kraft des Gesetzes. Det •unbeschränkte Monarch k a n n , vermöge der INatuv der Sache, iij keinem andern Sinne G e s e t 2 g e b e r seypj, wnd kein weiser und guter

UNTER

VIER

AUGE

W.

•77

F ü r s t 'wird es je in einem andern Sinne seyn w o l l e i i . — Eben so wenig kann oder wird er sieh aofnafsen , die o b e r r i c h t e r I i c h e Gewalt, die ihm ( w o f e r n kein besonderer Vertrag zwischen dem Volk und dem Regenten ein anderes verfügt) als ein Thell der höchsten S t a a t s g e w a l t überlassen ist, zu Unterbrechung des ordentlichen L a u f s der Gerechtigkeit, oder z u andern willkührlichen Eingriffen in die R e c h t e der Staatsbürger, zu mifsbrauchen ; denn auch diese G e w a l t kommt ihm nur t u , in so fern er der höchste Handhaber und G e w ä h r s mann derGesetze i s t ; und sie kann sich ( w e n n man allenfalls den bescheidenen Gebrauch des v ä t e r l i c h e n V o r r e c h t s , die Strenge des Gesetzes in besondern Fällen zu mildern , ausn i m m t ) nicht weiter erstrecken , als auf die O b e r a u f s i c h t über diejenigen, denen er die • Gerechtigkeitpflege an seiner Statt anvertraut hat. Endlich ist auch der Monarch, in so fern ihm die V e r w a l t u n g der ö f f e n t l i c h e n E i n k ü n f t e des Staats als ein Zuständnifs der höchsten Gewalt b e y w o f a n t , keineswegs der Eigenthiiiner, sondern nur der oberste H a u s h a l t e r des Staatsvermögens. J e d e Vers c h w e n d u n g , jede ü b e r f l ü s s i g e Ausgabe, um derentwillen n ö t h i g e verabsäumt werden müssen, jede blofs w i l l k ü h i l i c h e Verfügung über 'Ausgaben , zu deren Aufbringung jVJillL©-

G B 9 P R Ä C M B

78

nen Menschen «rch einen T h e i l durft entziehen m ü s s e n , seiner G e w a l t ,

die

Umfang und die

ist

kein

ihrer

ein

Regent,

Heiligkeit

Noth-

Mifsbranch der

seiner

k e n n t , sich selbst erlauben wird.

^

Alles d i e f s , Freund H e i i b e i t , reinen und

den

Pflichten

liegt in dem

lichtig geiafsten Begriff des K ö -

nigthums. ist in dem

Und nun bitte ich allen,

Menschen

was

berechtigen

Sie,

was

einen-

vernünftigen

könnte,

dem1 K ö n i g -

thuui Hafs zu schwören ? Tst es der Nähme ? U n t e r jedem andern Nahmen bleibt die S a c h e eben dieselbe. ist und bleibt

Ist es die Sache ?

Auch diese

in jeder Einrichtung der bür-

gerlichen Gesellschaft eben dieselbe,

und es

verändert nichts im W e s e n der höchsten setzmäßigen

Staatsgewalt,

ob sie in

ge-

Einet

Person k o n c e n t r i i t , oder unter viele vertheilt wird.

W o w ä r e denn also das Hassenswür-

dige ? Heribert, D a Sie mir nicht erlauben der Art und W e i s e ,

wollen,

aus

w i e die meisten Könige

von jeher ihr Amt verwaltet haben und noch verwalten, mentieren

gegen

das Königthum

Verzeihung , falle!

zu

argu-



Aber Sie

inen in die R e d e sollten

nicht schon wieder

unter

V n »

AOOKS,

79

vergessen haben, dafs ich eslhnen blofsdarum n ¡V h t e r l a u b e n k a n n , weil S i e mir sonst erlauben miifsten, aus eben demselben Grunde gegeK die Demokratie und jede andere Staatsform zu argumentieren : w o b e y am Ende nichts h e r a u s k ä m e , als dafs w i r uns genöthigt'fänd e n , aller bürgerlichen Gesellschaft und Regierung zu entsagen . und in die W ä l d e r 2u unsern vierfüfsigen Verwandten zurückzukehren. Heribert. So bleibt mir nichts iibrig, /als Sie noclimahls zu versichern , dafs das Königthum, dem ich Hafs geschworen habe,, von d e m , dessen W e s e n h e i t Sie aus einem Begriffe, d e n icli nirgends realisiert sehe, abgeleitet haben, mächtig verschieden ist: denn es ist kein anderes, als das Königthum L u d w i g s des X I I I , , X I V . , X V . und X V I . und a l l e r , di. dieseiKKönigen gleichen oder gern ihre Nachfolger w ä r e n ; und hoffentlich werden Sie mi: • i n g e s t e h e n , dafs an d i e s e m Königthum mehr zu hassen als zu lieben ist. Wilibald. W a s den E i n w u r f betrifft, dafs Sie meinen Begriff vom Königthum n i r g e n d s r e a l i s i e r t sehen, so hoffe ich, w i r werden'ihn, w o f e r n uns der Himmel gesunde Augen



G Ei8 S R Ä C II E-

erhält binnen wenig Jahren in .einfcm der ansehnlichsten Ewrppäiscben Reiche ,.,'auf eine Art realisiert sehen , die auch die hartnäckigsten Gegner der Monarchie mit derselben, auss ö h n e n , und vielleicht den Neid der g r o f s e n i J a z i o n s e l b s t erregen wird , die auf eine so. beyspirllose A r t , erst durch rhetorische und, sot'istische. Gaukelkünste , daun durch S a n s k ül o t i s m , E i s g r u b e n , G u i l l o t i n e n , N o y a d e n und F ü s ' i IIa d e n ungefähr auf eben die Art republikanisiert worden ist, wie Molierens S g a n a r e l zum A r z t w i d e r s e i n e n W i l l e n kreiert wird. — D o c h , verzeihen Sie mir diese kleine, von Ihnen selbst veranlafste Abschweifung. Ich wollte sagen, wenn ich auch I h n e n , aus alter Freundschaft den h e i m l i c h e n V o r b e h a l t , ,,dafs Ihr beschworner Hafs nur dem M i f s b r a u c h der königlichen Gewalt und der ehemahligen F r a n z ö s i s c h e n lioyante, wie sie ungefähr seit des dieyzebrtten I udewigs Zeiten w a r , g e l t e , " wenn ich Ihnen auch diesen Vorbehalt, als das einzige Mittel aus der Verlegenheit zu kommen, übersehe: so bleibt es doch immer von der derrnahligen Französischen Regierung sehr ungerecht, unpolitisch, und unnütz , einen solchen Eidschwui in einer unbestimmten Formel, die dein Königthum überhaupt und an sich selbst

UNTER

r i o

AUGEN.



g i l t , folglich beleidigend für alle M o n a r c h e n i s t , zur unumgänglichen Bedingung des Französischen Bürgerrechts und der Fähigkeit zu irgend einem öffentlichen Amte zu machen. Dem Königthum an und für sich Hafs zu schwören , hat nicht mehr S i n n , als der bürgerlichen Gesellschaft, der Religion, den Wissenschaften und K ü n s t e n , der Schiffahrt und dem Seehan» d e l , und zehen tausend andern D i n g e n , deren Mifsbrauch und Verderbnifs der M e n s c h h e i t grofsen Schaden thut, Hafs zu schwören. Ob es k l u g s e y , zu einer Z e i t , da man mit den Königen entweder bereits in Frieden l e b t , oder im Begiiff ist Frieden zu m a c h e n , ihnen einen so insultanten B e w e i s von Verachtung und bösem W i l l e n zu geben, lafs' ich Sie selbst nrtheilen. Und zu welchem Ende bestehen ihre Fünfmänner so eisenfest auf einem so unklugen, so u n g e r e i m t e n , so n o n s e n s i k a l i s c h e n E i d e ? W a s soll er beweisen ? w a s f ü r Sicherheit giebt et den regierenden D ä m a g o g e n , dafs der S c h w ö rende ein aufrichtiger Anhänger ihrer Grund» Sätze und ihrer R e g i e r u n g sey ? um w i e viel ist er kräftiger, als w e n n ein W u c h e r e r bey seiner E h r e , oder ein J u d e bey Jesus, M a r i e und Josef s c h w ö r t ? Gegen Einen, der sich ein Bedenken macht, giebt es zehen tausend , die den E i d ablegen, ohne das geringste Wilibald. Das ist freylieb ein anderes! Heribert. E s ist sehr möglich, und kommt mir selbst mehr als wahrscheinlich v o r , dafs die eigent-

UN-tfER V U Ä

AUOEK,

liehen K e r n - R e p u b 1 i k a n e r

99

b e y weitem

den kleirosten T h e i l des ganzen Volks ausmachen : aber dafür sind s i e a u c h d e r ste

und e n t s c h l o s s e n s t e .

streitbarNiunmeimehr

würden s i e s i c h , so lange sie noch einen T r o p fen B l u t zu vergiefsen haben, nach dem W i l l e n einer royalistischen Majorität fügen,, und der Bürgerkrieg

wäre unvermeidlich. Wilibald.

A b e r , noch einmahl, was für ein

Recht

hätten diese R e p u b l i k a n e r , dem W i l l e n

einer

M a j o r i t ä t , die beynahe die ganze Nazion ausm a c h t , mit Gewalt zu w i d e r s t e h e n ? D e n n Sie werden

mir erlauben,

das,

was Sie vorhin

von der republikanischen A r t , zu d e f i n i e r e n ,

die

Nazion

s a g t e n , für blofsen Scherz

aufzunehmen. Heribert, W a s ich Sie versichern k a n n , ist', dafs es unsern

Republikanern

R e c h t oder unrecht, Republik; haben

und

sie noch

sehr

Ernst

damit

genug s i e w o l l e n was

immer,

ist. die

sie ernslich wollten, wenn

sonst nichts

mehr h a l f , mit den kräftigsten aller Argumente, mit Bajonetten und Kanonen ^

durchgesetzt.

Aber da sie für eine von der gröfsten M a j o rität des Volks feierlich

angenommene

und

G E S P R Ä C H E

beschworrie K o n s t i t u z i o n fechten wür* d e n , hätten sie auch das Recht rauf ihrer Seite. Wilibald. W i e können Sie, nachdem das Direktorium selbst die z w e y wesentlichsten Grundpfeiler dieserKonstituzion umgeworfen h a t , und sich dessen, was von ihr noch übrig ist, blofs zu Maskierung und Deckung seines immer weiter um sich greifenden Despotism bedient , wie können Sie verlangen, dafs die Nazion noch Achtung für eine solche Konstituzion trage, odee sich unter ihr sicher glaube? Heribert. Ich verlange nichts; d a s D i r e k t o r i u m V e r l a n g t e s : und, was auch seine Absichten seyn möchten, genug dafs es , so lange die Konstituzion noch in ihren Hauptmauern s t e h t , wenigstens den A n s c h e i n des Rechts f ü r sich h a t , und (was am Ende doch allein entscheidet) M a c h t genug besitzt, seinem Willen Kraft zu geben. Wilibald. Und wie sieht es nun bey dieser Bewandnifs der Sachen um die Suveränität der Nazion aus ?

*r U *f E IY 1

VIER

AUGES.

'ifci

Heribert.

Herrlich ! glänzend, besser als jemahls! D a lesen Sie. Hier steht ein Beweis, der alle andern überflüssig macht. Lesen Sie iu, diesem öffentlichen Blatte, dafs unter andern klugen M.ifsregeln , ,,den: fi iir g e r s i n n auf die bevorstehenden Urversammlungen wieder aufzufrischen," auch d i e s e genommen worden i s t , dafs die Suveräpität des Volks durch ein eigenes F e s t , am dreyfsigsten V e n t o s e dieses J a h r e s , in der ganzen Republik gefeiert werden soll. Können Sie einen einleuchtend e m Beweis verlangen als diesen ? W i Ubald. Wirklich ? — So gestehe ich I h n e n , die Erfindung dieser neuen Maschine, dem sterbenden Glauben des Französischen Volks an seine eigne Suveränifät etwa« Lebensluft zuz u w e h e n , ist in meinen Augen eine äufserst merkwürdige Erscheinung. Sie beVveiset mir -eines von beiden: entweder, dafs die dermah•ligen Gewalthaber vön dem Verstände des Französischen Volks ein aufserordentlich geTinge Meinung habeh; orfer dafs ihre Furcht vor dem, was auf den nächsten allgemeinen Volksversammlungen geschehen k ö n n t e , sehr grois seyn uiuls, da sie ihnen die möglichen

102

G b s p b a c h b

u n d sogar wahrscheinlichen Folgen eines solchen Festes zu verbeigen scheint. • -, Heribert. Wie so? Wilibald. E s w ä r e doch sehr möglich, dafs I h r Volk, w i e leichtsinnig es auch immer seyn mag, durch eine so laute A u f f ö r d e r u n g zum Nachdenken beynahe gezwungen, gufden Einfall k ä m e , sich selbst zu f r a g e n : I s t es d e n n auch w a h r , dafs w i r der Suverän von F r a n k reich sind ? , Heribert. D i e s e F r a g e w ä r e n i c h t s c h w e r zu beantworten. Wilibald. Sie w i s s e n a b e r , w i e das Volk ist. Sich in w e i t l ä u f i g e u n d tiefsinnige U n t e r s u c h u n g e n , .Abstiakzionen u n d Distinkzionen einzulassen, ist seine Sache nicht. E s giebt einen k u r z e m W e g ins klare zu kemmen. D i o g e n e s f ü h r t e gegen den S o f i s t e n , der seinen Z u h ö rern die U n m ö g l i c h k e i t . der B e w e g u n g durch eine M e n g e spitzfindiger Argumente, vordemonstriert h a t t e , keinen andern Gegenbeweis, W i e , w e n n das als dafs er d a v o n g i n g .

C S T E U

VÍAN

AUGEN.

103

Französische Yollt, um sich selbst von seiner Suvpränit^'i zu überzeugen, plötzlich den Entscblufs , nähme sie a u s z u ü b e n , die Konstituzian von 1795 vollends zu k a s s i e r e n , seine zeitheriger Vertreter und Agenten nach C a y enne zu deportieren, pnd, das K ö n i g t h u m z u r ü c k z u r u f e n ? Gestehen S i e , Freund Heribert , wofern das Französische Volk w i r k l i c h so gestimmt i s t , w i e man mit vieler W a h r scheinlichkeit v e r m u t h e t , so könnte kein T a g z u einem solchen Schritte bequemer und schicklicher &eyn, als das Fest seiner Suveränität. Heribert. Da w ä r e das Direktorium freylich mit seinem vermeinten Präservativ garstig angef ü h r t ! — Aber es hat keine Gefahr. f nsro D r e y m ä n n e r , auf w e l c h e doch am Ende .alles a n k o m m t , haben zu v i e l e und grofse Proben ihrer Vorsichtigbeit abgelegt, als dafs zu besorgen w ä r e , sie möchten bey einer so w i c h t i g e n Gelegenheit in eine Grube s t ü r z e n , die sie sich selbst gegraben hätten. V o n den e n ts c l i i e d n e n Ii. o.y a 1 i s t e n gilt gerade das Gegentheil. W e n n hier eine Grube gegraben w i r d , so däuclit mich sie w e r d e den R o y a l i s t e n g e g r a b e n ; und die u n k l u g e Voreiligkeit, womit sie bisher noch immer ihre eigenen Plane und Anstalten selbst vereitelt haben,

104

G e s p r ä c h e

könnte

ihnen

chung,

leicht

bey d i e s e r

Versu-

in welche sie (vielleicht absichtlich)

g e f ü h r t werden ,

abertnahl

Streich spielen.

Auf

einen

alle F ä l l e

sfchlimmen werden

Sie

s e h e n , dafs die R e p u b l i k , D a n k s e y den eben so k r ä f t i g e n Vorsteher,

als k l u g e n

Mafäregeln

ihr'6*

triumfierend aus der G e f a h r , w o -

fern hier eiue i s t , hervorgehen w i r d . Wilibald. I c h w ü n s c h e allen M e n s c h e n , und g e w i f s auch I h r e r

Nazion,

wiewohl

nigen viel B ö s e s gethan hat , Gutes,

als dafs es mich

w e n n der 3 0 . ruhig

sie der raei> zu

Ventose

diefs a u c h ,

sollte,

in ganz F r a n k r e i c h

und f r ö h l i c h abläuft. —

toriums,

aufrichtig

nicht freuen Aber

wenn

durch die M a f s r e g e l n des D i r e k -

auf

welche

Sie

so eben deuteten,

der F a l l seyn d ü r f t e , dafs b e i f s t , w e n n j e d e z w e c k m ä f s i g e Anstalt getroffen w i r d , dafs das V o l k seine Suveränität n i c h t ausüben k ö n n e , w i e grofse L u s t es auch dazu haben möchte, — kehrt Was

da nicht

f ü r ein

Recht,

die

alte

seltsames

das ich z w a r

Ding

Frage

wieder:

ist es um ein

besitze und nie verlier

ren oder veräufsern k a n n , aber nur nicht ausüben d a r f ? W e n n Mehrheit

der

Wille

f ü r den allgemeinen

w e n n dieser

das höchste

der

eminenten

Willen

Gesetzt

im

gilt; Staat,

UNTER VIER AUGEN.

IO3

'und die' SiWeränität das heiligste unverletzlichste Rdcht des Volkes ist: mit welcher Bef u g n i i s dürfen blofse Staatsbeamte sirh u n t e r fangen^ den W i l l e n ihres obersten Gebieters in Fesseln zu legen ? Heribert. Glauben Sie ja n i c h t , die u n s r i g e n mit dieser F r a g e in Verlegenheit zu setzen. W i e appellieren von dem V o l k e an die N a z i o n . D a s Volk ist v e r ä n d e r l i c h , leicht zu b e w e g e n , leicht zu täuschen u n d irre zu f ü h r e n , leicht v o n einem T o n in einen andern zu stimmen. E s handelt immer nach fremdem Antrieb u n d m o m e n t a n e n F i n d r ü c k e n , ist immer in der Gew a l t eineis j e d e n , der sich seiner Ijeidenschaften zu b e m ä c h t i g e n , oder i h m - s e i n e eigenen mitzutheilen w e i f s , u n d M u t h g e n u g hat, sich an seine Spitze zu stellen. N i c h t s ist d a h e r n o t h w e n d i g e r , als seine A u f w a l l u n g e n u n d L a u n e n v o n seinem f e s t e n , u n w a n d e l b a r e n u n d a 11 g e m e i n e n YV i 11 e n zu unterscheiden. D i e s e r ist d a , w o die a l l g e m e i n e V e r n u n f t ¡6t; nicht in den einzelnen D e p a r t e m e n t e r n , K o m m u n e n und Volksversamml u n g e n , sondern in der g a n z e n N a z i o n , m so fern sie über ihre eignen R e c h t e u n d V o r t h e i l e a u f g e k l ä r t i s t , oder (was. auf das nellmliche hinaus l ä u f t ) in so f e r n sie

G JE 3 P Jl durch

C II E

Ä

Von

echtem

Gemeingeist beseelten T h e i l des V o l k s

den aufgeklärtesten

r.eprä-

5 e n t i e r t wil d.

und

Diesem

kommt es alsdann

z u , die B e w e g u n g e n des V o l k s zu leiten f

es

in Übereinstimmung mit sich selbst zu efhalr ten , es v o r den hinterlistigen K ü n s t e n seiner verkappten Feinde zu v e r w a h r e n , und zu B e obachtung, der G e s e t z e ,

die es einmahl. als

A u s s p r ü c h e der V e r n u n f t erkannt h a t , halten, kurz,

einer Wankelmüthigkeit

halt zu t h u n ,

die

den Staat

des

Gesetzes

Ein-

in eine e w i g e

A n a r c h i e stürzen w ü r d e » w e n n der tism

anzu-

(den

Despo-

man den V o l l -

ziehern desselben mit Unrecht zur L a s t l e g t ) ihm

nicht einen D a m m

entgegen

thürmte,

den sie nicht ungestraft uberspringen darf. Wilibald Ich

danke I h n e n ,

S i e meinen rääität

Begriff

lächelnd.

Heber H e r i b e r t , ' von

der

dafs

Volkssuve-

so schön rektificiert haben.

Denn

ich g e s t e h e , dafs ich mir immer k e i n e ' r e c h t e A b s t e l l u n g davon machen k o n n t e , R e p u b l i k a n e r euch dabey denkt. Ii ¡cht u n v e r l i e r b a r ,

wie

was

ihr

S i e ist also

w i e vorhin an-

nahmen ? Heribert. Dem R e c h t e

nach, allerdings; dem G e -

h r a u c h nach, n i c h t .

Denn

das V o l k

ist

UNTER

VIEH A U G E » .

107

ja um seines eignen Besten W i l l e n genöthig e t , die Ausübung de-srlben einem kleineu Ausschufs aus seinem Mittel aufzutragen. Wilibald. D a s Volk kann sich also nicht selbst regieren, w i e w o h l es rlas vollkommenste Recht «Jazu h a t ? kann nicht sein eigner Gesetzgeber noch Richter seyn'? seime Finanzen,nicht selbst verw a l t e n ? seine Kriegsheere nicht in eigner höchster Person anführen ? — w i e sehr es auch zu allem dem b e r e c h t i g t i s t ? Heribert. Sie scherzen, W i l i b a l d . W il ¡ b a l d . Um V e r z e i h u n g ! Ich rede im ganzen Ernst. D a s Volk befindet sich also mit seiner Suveränität völlig in dem Fall eines unumschränktein Erb-Monarchen, der noch in der W i e g e l i e g t : es bedarf einer Vormundschaft, die alles , warf es als sein eigner Suverän zu thun h a t , in seinem Nahmen beobachtet, — kurz, an seiner Statt seine Rechte wahrnimmt vind seine Pflichten e r f ü l l t ? Heribert. Die Natur der Sache läfst es nicht anders zu. Nur belieben Sie den Unterschied zu

iog

G E 3 P A Ä C H *

bemerken, dafs der unmündige Monarch sich seine Stellvertreter niclit selbst auslesen kann, das Vplk hingegen bereits in dem Alter ist, die seinigen zu w ä h l e n . Wilibald. Nehmen Sie Sieb in Acht, Heribert! MacH» ten Sie mir nicht eben selbst sine Abschilderung von dem Karakter des V o l k s , aus w e l cher ganz geradezu f o l g t , dafs e s , ungeachtet der Volljährigkeit der einzelnen M e n s c h e n , w o r a u s seine gauze M a s s e b e s t e h t , eben so w e n i g zu einer solchen A u s w a h l t a u g t , als ein unmündiger M o n a r c h ? D a s Volk ist ein vielköpfiges, v i e l s i n n i g e s , v i e l z ü n g i g e s T h i e r , voller Leidenschaften und V o r u r t h e i l e ; hitzig und brausend, w o es kalt und gelassen sreyn, e i g e n w i l l i g und starrsinnig, w o es auf Vernunft hören , w a n k e l h a f t , w o es u n b e w e g l i c h stehen, unentschlossen, w o es schnellbesonnen und muthvoll seyn sollte. Seine Berathschlagungen sind gewöhnlich tumultuarisch; und je gröfser die Anzahl derjenigen i s t , die entw e d e r in ihrer eignen E i n b i l d u n g , oder in der M e i n u n g a n d r e r , für vorzügliche Köpfe g e l t e n , in desto mehr kleine Fakzionen w i r d es sich s p a l t e n , desto schwerer wird es seyn, so viele Köpfe unter Einen Hut zu bringen, und desto w e n i g e r ist zu e r w a r t e n , dafs sie

U N. T . E R

VIER

A U G E N .

I 09

sich in ihren W a h l e n , ich will nicht sagen immer, sondern.nur meistens, auf die tauglichsten und würdigsten Subjekte vereinigen werden. Lassen Sie es in irgend einen» kleinen K u h s c h n a p p e l nur um die Wahl eines. Thorschreibers oder Nachtwächters zu thun s e y n , überlassen Sie solche dem Volke und sehen wie es dabey zugehen w i r d ! In einem gröfsern A b d e r a ists nur desto schlimmer. Doch das müssen Sie selbst bereits aus E r f a h rung ain besten wissen. Heribert. N u r allzu w a h r ! Und dennoch — W

i 1 i b a 1 d

ihm in die J\cdc fallend.

D i e grofse Urquelle aller Täuschung euere» republikanischen Dogmatikerist, dafs sie überall, w o es das Interesse ihres Systems erfordert, sich das Volk nicht so denken, w i e es wirklich i s t , sondern w i e es seyn müfste, wenn es sich der Rechte , die sie ihm 'einräumen , weislich sollte bedienen können. D i e f s gilt von .euerer ganzen Konstituzion. Sie ist in einer Art von profetischem Geiste, für ein anderes Jahrhundert, für ein Volk, das erst noch dazu g e b i l d e t w e r d e n soll, gemacht, und wird nach aller Wahrscheinlichkeit eine noch so weit entfernte Zukunft nicht erleben. — Doch,

HO

G f i S P R A C R K

diefs nur im V o r b e y n e b e n , und ich bitte um V e r z e i h i m g , dafs ich Sie unterbrochen habe. I c h erinnere blich llnes „ u n d d e n > n o c h ! " sehr w o h l , und will Ihnen die M ü h e ersparen» Sich n ä h e r zu e r k l ä r e n , weil ich Ihre M e i n u n g zu erraihen glaube. D a w i r gnineinschaftlich W a h r h e i t s u c h e n , so ist n ö t h i g , dafs w i r immer so nahe beysammen bleiben, als möglich seyn will. I c h räume I h n e n also zu diesem Behuf e i n , dafs ein Volk — es sey n u n , dafs es sich bisher noch in einer Art v o n N a t u r s t a n d b e f u n d e n , und n u n entschlossen sey, k ü n f t i g eine b ü r g e r 1 i c h e G e s e 11s c h a f t a u s z u m a c h e n , oder Hafs.es, w i e die Französische N a i i o n , durch irgend eine Revol u z i o n , in jenen anarchischen Stan.l z u r ü c k g e w o r f e n w o r d e n — dafs dieses Volk n i c h t n u r b e r e c h t i g t , sondern ( w o f e r n es anders der W ü r d e v e r n ü n f t i g e r W e s e n nicht entsagen w i l l ) v e r b u n d e n i s t , sich e i n e t gesetzmäfsigen R e g i e r u n g zu u n t e r w e r f e n . E i n V o l k , es bestehe n u n aus dreyfsig tausend oder aus dreylsig Millionen Menschen , k a n n v e r n ü n f t i g e r W e i s e seine Suveiänität n u r z u einem einzigen Akt g e b r a u c h e n , nehmlich z u d e m j e n i g e n , w o d u r c h es sich derselben w i e der b e g i e b t , indem es sie e n t w e d e r m e h r e r n P e r s o n e n oder einer einzigen zur V e r w a l t u n g überträgt.

UNTER

v i s ii

AUGEN.

111

Heribert. M i t Ihrer Erlaubnifs, das Volk begiebt sich seiner Suveränität k e i n e s w e g e s , indem 6s blofs die L a s t der V e r w a l t u n g auf andre wälzt. Wilibald. W a s w o l l e n Sie damit s ä g e n ? Sie wollen doch nicht aus dem millione:;kÖpfigeu S u v e i ä n eine Art von morgenländischetn Schach machen , der die R e g i e r u n g blofs darum auf fremde Schultern l e g t , um sich desto geinäch» lieber und ungestörter einer wollüstigen Unthätigkeit überlassen zu k ö n n e n ? Das V o l k begiebt sich der .Ausübung seiner höchsten G e w a l t , w e i l es sie nicht selbst verwalten k a n n , weil kein anderes Mittel i s t , zu dem Zustand von Ordnung und R u h e zu gelangen, ohne w e l c h e n es sich den Genufs der Vortheile des bürgerlichen L e b e n s nicht verschaffen könnte. D e r w a h r e Suverän im Staat ist derjenige, der das R e c h t hat die höchste Gewalt a u s z u ü b e n ; und von dem Augenblick a n , da das Volk sich der Ausübung dieses Rechts begeben b a t , tritt e s , w i e grofs auch seine gesetzinäfsige Freyheit immer seyn m a g , in das Verhältnifs eines U n t e r t h a i i s , und ¡St 'seiner sich selbst gegebnen Obrigkeit gehorsam schuldig. Gegen die Evidenz dieser Grundwahrheit helfen keine Distinkzionen.

112

G s S i R . Ä C H E

A u c h sehen S i e , dafs I h r e derniahligen G e w a l t h a b e r es nicht a n d e r s v e r s t e h e n , und I h r e n v o r g e b l i c h e n S u v e r ä n sehr g u t in der Z u c h t z u halten wi.sscn ; nicht selten mit e i n e r S t r e n g e , die kein M i n i s t e r I h r e r letzten K ö n i g e z u w a g e n sich g e t r a u e t h ä t t e — A b e r , um n i c h t w i e d e r a u s unserm W e g e zu k o m m e n , w i l l ich mich über diesen P u n k t , w as die T h e o r i e b e t r i f f t , in k e i n e n S t r e i t mit Ihnen e i n l a s s e n ; E u m a h l , da ich nicht z u l ä u g n e n b e g e h r e , d a f s e s , in dem bestimmten F a l l e , den w i r v o r a u s g e s e t z t h a b e n , v o n der W i l l k i i l i r des V o l kes a b h ä n g t , unter welchen B e d i n g u n g e n und M o d i f i k a z i o n e n es s e i n e höchste G e w a l t in die H ä n d e s e i n e r S t e l l v e r t r e t e r l e g e n w i l l . B e k a n n t l i c h bilden d i e s e M o d i f i k a z i o n e n die v e r s c h i e d e n e n F o r m e n der S t a a t s v e r f a s s u n g , deren w e i t m e h r e r e sind a l s man gewöhnlich annimmt. Aber unter allen diesen F o r m e n bleibt das W e s e n der R e g i e r u n g sich selbst g l e i c h ; die B e d i n g u n g e n , u n t e r w e l c h e n es möglich i s t , ein von N a t u r f r e y e s V o l k z u regieren , sind in a l l e n eben d i e s e l b e n ; die I l e c h t . e d e s s e n oder d e r j e n i g e n , w e l c h e m oder w e l c h e n die h ö c h ste G e w a l t a n v e r t r a u t i s t , und d.e P f l i c h t e , n des V o l k s , w e l c h e s zu g e h o r c h e n s c h u l dig i s t , sind in a l l e n eben d i e s e l b e n , u n d u m gekehrt. —

U N T E R

V I B R

A U G E N .

115

Heribert So dafs es also, Ihrer Meinungnach, einem Volke ganz gleichgültig seyn k a n n , ob es von einem Monarchen oder von einer demokratischen Obrigkeit regiert w e r d e ? Wilibald. Doch nicht ganz gleichgültig. Jede dieser F o r m e n hat ihre eigenen Voizüge und Nachtheile; und wenn Sie genau gegen einander abgewogen w e r d e n , »o dürfte w o h l , w i e ich mir zu behaupten getraue, der Vofzug auf Seiten der Monarchie seyn. Heribert. Da kommen w i r auf einmahl so weit aus einander, dafs es schwer halten w i r d , uns wieder zusammen zu finden. W ilibald. W i r wollen also, mit Ihrer Erlaubnifs, die« sen letztern P u n k t , wenigstens vor der Handj, unentschieden, oder, wenn Sie wollen« nach Ihrem eigenen Gutdünken entschieden seyn lassen, und blofs bey d e m verweilen, w a s allen Regierungsformen gemein ist. Um desto eher ai,is der Sache zu kommen , wollen wit nur die uneingeschränkte Monarchie und die W I E L A N D S sämmtl, W. XXXI. B. H

n4

G E S P R Ä C H E

vollkommene Demokratie mit repräsenta v e r R e g i e r u n g und getheilten G e w a l t e n , als die beiden Aufsersten, zwischen welchen alle andern l i e g e n , gegen einander s t e l l e n , um zu « e b e n , w a s sie mit einander gemein haben. Heribert. Ich bins zufrieden. Nur verbitte ich a l l e kleine o p t i s c h e KunstgrifFchen bey der Zusammenstellung. Wilibald. Besorgen Sie nichts dergleichen; ich w e r d e nicht nöthig h a b e n , der W a h r h e i t durch Kunst nachzuhelfen. Fürs erste a l s o : In der besagten D e m o k r a t i e , w i e in der uneingeschränktesten M o n a r c h i e , hat sich das Volk des Gebrauchs der höchsten Gewalt begeben. D e n n w i e w o h l es in jener den N a h m e n des Suveräns b e y b e h ä l t , und in Frankteich künftig sogar ein Fest seiner Snveränität mit allein gebührenden Tompe begehren wird, so w o l l t e ich doch Sr. Populären Majestät nicht ratlien, sich den Verordnungen der Bürger Direktor e n , oder den Bajonetten und Kanonen der unter den Befehlen derselben stehenden Bür> ger Soldaten und Leibgaidisten zu widersetzen. Oder glauben Sie etwa —

UVTEK

vi»»

AUGEN.

»15

Heribert. N e i n , n e i n ! Über diesen P u n k t bin ich völlig Ihres Glaubens. Nur w e i t e r ! Wilibald. Z w e y t e n s : In beiden ist dem Volke das vor einigen Jahren so hoch gepriesene M a r a t i s c h e Recht der h e i l i g e n I n s u r r e k z i o a niedergelegt. Heribert. Ohne alle B e d i n g u n g ? Wilibald. Ohne alle Bedingung. Heribert. D a s ist h a r t ! Wilibald. Es giebt wirklich F ä l l e , w o es »ehr hart ist. Heribert. In de^ unumschränkten Monarchie mag da* w o h l so s e y n , w o das Volk in politischem Sinne für N i c h t s gerechnet ist —Wilibald. D a s ist nun auch so einer von euern auf gut Glück angenommenen S ä t z e n , gegen den

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ich sehr viel einzuwenden hätte. Doch davon ein änd'ermahl! — In der Demokratie also, meinen Sie, wäre es ein andres tait dem Rechte der heiligen Insurrekzion ? Heribert. Uniaugbar ist das Volk in mehr als Einem Falle dazu berechtigt. Wilibald. Berechtigt? Wenigstens in der Deraokra« tie nicht m e h r als in der Monarchie; Heribert. Zum Beyspiel, wenn die obersten Vollzieher der höchsten Gewalt sich einen wesentlichen Eingriff in die Konstituzion erlauben wollten. Wilibald. W i e , H e r i b e r t ? Hahen Sie vergessen, dafs am achtzehnten Frukticlor der Casus in termiuis schon da gewesen ist ? Kann die Konstituzion wohl gröblicher verletzt werden, als wenh das Direktorium sich einer ihm ausdrücklich unter* sagten Dispo'sizion über die bewaffnete Macht anmafst, uin einen gewaltsamen Eingriff in die Freyheit des gesetzgebenden Körpers und seiner eigenen Mitglieder zu thun ? — Da«

ÜMTET.

VIEH

AHSES,

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Mifsfallen aller guten Bürger über diesen ungeheuer!» < Akt von S u i t a n i s m w a r so allgemein a h ihr E r s t a u n e n ; und doch rührte sich das Volk nicht! — Und w a r u m rührte es •ich nicht ? Heribert. D i e Überraschung, der Schrecken — Wilibald. W i r d vermuthlich in jedem ähnlichen Fall« dieselbe W i r k u n g thun. A b e r , was Sie als etwas ganz ausgemachtes annehmen können, i s t , dafs das Direktorium , zum Beweise, dafs es dem Volk kein R e c h t z u m A u f s t a n d zugesteht, in jedem Falle, w o es f ü r n ö t h i g halten wird, „die Republik durch einen Bruch in die K o n s t i t n z i o n zu r e t t e n , " auch die nöthigen Mafsregeln nehmen w i r d , dem Volke die Ausübung eines solchen R e c h t s , durch eben dieselben Mittel, deren sich der entschiedenste Despot gegen unruhige Unterthanen bedient, u n m ö g l i c h BU m a c h e n . Auch versteht sich von selbst, dafs es das entscheidende Urtheil über die iEälle, w o diese Nothvvendigkeit eintreten möchte, jedesmahl sich selbst ausschliefslich vorbehalten wird. W o bliebe denn also, was diesen P u n k t betrifft, der Unterschied awi-

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G B S F R Ä C H B

sehen den F ü n f m ä n n e r n in Her D e m o k r a t i e u n d d«m Einzigen M a n n in der u n u m s c h r ä n k testen aller M o n a r c h i e n ? H e r i b e r t

die Achseln zuckend.

Also w e i t e r . Wilibald. D r i t t e n s : I n beiden ist dem V o l k e , dem s u v e r ä n e n so g u t als dem a l l e r u n t e r t h ä n i g s t e n , alle M a c h t b e n o m m e n , die Staatsverfassung zu ä n d e r n , w i e g r e i s auch immer seine L u s t dazu seyn möchte. Heribert. W i e wäre das? Wilibald. Z u m B e v s p i e l : Setzen w i r den möglichen F a l l , das Volk w ä r e der q u i n q u e v i r a l i s c h e n R e g i e r u n g müde u n d ü b e r d r ü s s i g ; es finge an zu b e m e i k e n , dafs die V o r t b e i l e , die es von seinem einzigen Prärogative, dem W a h l recht in d e n P r i m a r v e r s a m m l u n g e n , zieht, gegen den damit v e r k n ü p f t e n Z e i t v e r l u s t , die U n t e r b r e c h u n g seiner g e w ö h n l i c h e n G e s c h ä f t e , u n d alle die heillosen Folgen des e w i g e n I n t r i guirens, Kabalierens. A u f h e t z e n s , V e r f ü h r e n s u n d B e s t e c h e n s , das von einer solchen alle

r m t n

VINN

AUGES.

ii()

J a l i r e wiederkommenden W ä h l e r e y unzertrennlich i s t , in gar keiner Proporzion s t e h e n ; k u r z , gesetzt das Volk überzeugte s i c h , bey Vergleichung seines gegenwärtigen Zustandes mit den goldnen Zeiten, w o z u man ihm A n fangs so grofse und nahe Hoffnung machte, dafs es ihm besser w ä r e , die dermahlige Ordnung drr Dinge mit einem leidlich eingerichteten K ö n i g t h u m zu v e r t a u s c h e n , und es w o l l t e bey den nächsten Urversaminlungen seinen Suveränen W i l l e n über diesen P u n k t k u n d werden lassen — Heribert. Das könnte doch wohl nicht ohne B e r a t schlagung und Debatten geschehen, und diese sind dem Volk bekannter M a f s e n durch die Iionstituzion untersagt. Wilibald. Das ist es eben, w a s ich meiue. D a s