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German Pages 106 [110] Year 1986
ISSN 00829?
ABHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU L E I P Z I G
Philologisch-historische Band 71 • Heft
FRIEDRICH
Klasse 1
MÖBIUS
BUTICUM IN CENTULA. MIT EINER EINFÜHRUNG IN DIE BEDEUTUNG DER MITTELALTERLICHEN ARCHITEKTUR
AKADEMIE-VERLAG 1985
BERLIN
ABHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU L E I P Z I G Philologisch-historische Klasse Band 60 Heft 1
Prof. Dr. WAITHER HENTSCHEI, Die Zentralbauprojekte Augusts des Starken Ein Beitrag zur Bolle des Bauherrn im deutsehen Barock 1969. 93 Seiten - 113 Abbildungen auf 67 Tafeln - 4° - M 27,50
Heft 2
Prof. Dr. WERKER PEEK, Inschriften aus dem Asklepieion von Epidauros 1969. 156 Seiten - 184 Faksimilia im Text - 100 Abbildungen auf 58 Tafeln - 4° - M 46,50
Heft 3
Prof. Dr. HANS-JOACHIM MRUSEK, Gestalt und Entwicklung der feudalen Eigenbefestigung im Mittelalter 1973.176 Seiten - 4 Textfiguren - 1 1 9 Pläne und 79 Abbildungen auf 96 Tafeln - 4° - M 57,—
Band 61 Heft 1
Dr. EIKE BITTMENTHAL, Untersuchungen zum ägyptischen Königtum des Mittleren Reiches I Die Phraseologie 1970. 471 Seiten - 4° - M 3 8 , -
Heft 2
Beiträge zum Slawischen Onomastischen Atlas. THEODOR FRINGS zum Gedächtnis. Herausgegeben von P r o f . D r . RUDOLF FISCHER u n d D r . sc. ERNST EICHIER
1970. 198 Seiten - 28 Karten im Text, 3 Faltkarten als Beilage - 4° - M 3 7 , Heft 3
FRITZ BÖNISCH, Genauigkeitsuntersuchungen am Öderschen Kartenwerk von Kursachsen 1970. 67 Seiten - 4 Karten im Text, 3 Faltkarten als Beilage - 4° - M 15,50
Band 62 Heft 1
Prof. Dr. WERNER PEEK, Inschriften von den Dorischen Inseln 1969. 67 Seiten - 28 Faksimilia im Text - 11 Abbildungen auf 8 Tafeln - 4° • M 15,-
Heft 2
P r o f . D r R U D O I F GROSSE u n d D r sc. ERNST EICHIER
Onomastica Slavogermanica V RUDOLF FISCHER zum 60. Geburtstag gewidmet. Herausgegeben von
Heft 3
1970.156 Seiten - 2 Karten - 4° - M 2 4 , (Band IV erschien 1968 in Wroclaw) Dr. HEISA DIERSCH, Verben der Fortbewegung in der deutschen Sprache der Gegenwart Eine Untersuchung zu syntagmatischen und paradigmatischen Beziehungen des Wortinhalts 1972. 221 Seiten - 4° - M 24,50
Band 63 Heft 1
Prof. Dr. FRIEDRICH WINNEFELD, Ergebnisse unterrichtspsychologischer Untersuchungen 1970.18 Seiten - 5 Abbildungen - 2 Tabellen - 4° - M 4 , -
Heft 2
Dr. habil. JOACHIM EBERT, Griechische Epigramme auf Sieger an gymnischen und hippischen Agonen 1972. 280 Seiten - 73 Faksimilia im Text - 32 Abbildungen auf 14 Tafeln - 4° - M 4 9 , -
Heft 3
Prof. Dr. KARL DEICHGRÄBER, Aretaeus von Kappadozien als medizinischer Schriftsteller Mit Anhang. Der kranke Gelehrte 1971. 48 Seiten - 4° - M 6,50
Heft 4
Prof. Dr. WERNER PEEK, Griechische Versinschriften aus der Cyrenaica, aus Mauretanien und Numidien 1972. 23 Seiten - 13 Faksimilia - 4° - M 4,50
Heft 5
Prof. Dr. WERNER PEEK, Neue Inschriften aus Epidauros 1972. 65 Seiten - 78 Faksimilia im Text - 65 Abbildungen auf 26 Tafeln - 4° - M 2 3 , -
Band 64 Heft 1
Prof. Dr. WALTER HENTSCHEI, Dr WAITER MAY, Johann Christoph Knöffel. Der Architekt des Bächsischen Rokokos 1973.168 Seiten - 111 Abbildungen auf 72 Tafeln - 4° - M 4 0 , -
ISSN 0080-5297 ABHANDLUNGEN DER SÄCHSISCHEN AKADEMIE D E R W I S S E N S C H A F T E N ZU L E I P Z I G
Philologisch-historische Band 71 • Heft
FRIEDRICH
Klasse 1
MÖBIUS
BUTICUM IN CENTULA. MIT EINER EINFÜHRUNG IN DIE BEDEUTUNG DER MITTELALTERLICHEN ARCHITEKTUR
AKADEMIE-VERLAG 1985
BERLIN
Vorgelegt in d e r Sitzung a m 9. Dezember 1983 Manuskript eingereicht a m 24. J a n u a r 1984 D r u c k f e r t i g erklärt a m 27. August 1985
Erschienen im Akademie-Verlag, D D R - 1086 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1985 L i z e n z n u m m e r : 202- 140/209/85 Printed in t h e German D e m o k r a t i e Republic Gesamtherstellung: IV/2/14 V E B Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 4450 Gräfenhainichen • 6461 L S V 8124 B e s t e l l n u m m e r : 754 529 4 (2024/71/1) 01050
INHALT I . Architekturgeschichtliche Bedeutungsforschung. E i n Problemaufriß
. .
5
I I . B u t i c u m als Conus Dei. Der Ostbereich der Großen Kirche von Centula .
20
Der B a u und die schriftlichen Quellen . '.
• . . . .
20
Altäre und Patrozinien im wechselnden Sprachgebrauch
23
Zur philologischen I n t e r p r e t a t i o n von „ b u t i c u m "
27
R o t u n d e n q u e r b a u t e n in Centula, Ferrieresen-Gatinais u n d Charroux . .
31
Salvatorreliquien im Aachener Umkreis
33
Reliquienverehrung und Architekturkopie
38
B u t i c u m — ein architektonisches Jerusalemzitat
40
Bedeutungsfelder Jerusalem, Byzanz und R o m
42
B u t i c u m als funktionierende S t r u k t u r
44
Anmerkungen
47
Abbildungsnachweis (mit Erläuterungen)
67
Tafelteil
nach
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Für Helga Sciurie
I. Architekturgeschichtliche Bedeutungsforschung Ein Problemaufriß
Der französische Semiotiker Roland Barthes hat in einem berühmt gewordenen Essay den Pariser Eiffelturm (Abb. 1) eine „Architektur der Aussicht" genannt, einen stählernen „Traum vom Aufsteigen", begabt mit der „Fähigkeit zur unendlichen Chiffre". Das leere Monument zieht in jedem J a h r doppelt soviel Besucher an als der Louvre „und wesentlich mehr als das größte Pariser Kino". Ursprünglich entworfen zum Gedenken an den hundertsten Jahrestag des Sturms auf die Bastille und als Sinnzeichen für die revolutionierenden Energien der zeitgenössischen Industrie, gilt er den Menschen heute, die in ihm hinaufsteigen und von ihm aus Paris überschauet», als Symbol für Modernität, f ü r Kommunikation, für Wissenschaft, f ü r Geschichte, sie assoziieren Rakete, Stengel, Bohrturm, Phallus, Blitzableiter oder Insekt. Die „Imaginationsfunktion" des gewaltigen Bauwerkes mobilisiert stets von neuem die allgemeine Vorstellungswelt seiner Besucher. Immer wieder treten neue Symbolbedeutungen an die Stelle der alten. Als materielles Monument unerschütterlich feststehend, erfährt er als Begriff und Bild eine ständige Transformation im Bewußtsein der jeweiligen Umwelt. Der Eiffelturm ist eine architektonische Form, „die die Menschen unablässig mit Bedeutung erfüllen", er „zieht Bedeutung an wie der Blitzableiter den Blitz". Sein immerwährender geistiger Umbau wird bewirkt durch sich veränderndes Wissen um Gesellschaft und Leben, durch Ängste und Utopien, Geschichte und Hoffnung. „Wer könnte sagen, was der Eiffelturm f ü r die Menschen von morgen bedeutet? Sicher ist nur, daß er immer etwas sein wird und zwar etwas von ihnen selbst." 1 Der Kulturphilosoph 2 hat hier offensichtlich versucht, ein stählernes Gebäude als gebauten „Text" 3 zu verstehen, als ein Gefüge bedeutungshaltiger Zeichen, das Mitteilungen enthält. (Abb. 2). In die Struktur scheinen Botschaften eingeschrieben zu sein, die ähnlich funktionieren wie gewisse Porträts: Die Dargestellten schauen uns an, wohin immer wir uns im R a u m bewegen. Die Struktur funktioniert in bezug auf den, der sich ihr stellt, sie verwirklicht sich gleichsam erst im Rezipienten — und in jedem Rezipienten anders. 4 Die Empfänger der Zeichen wechseln, aber die Zeichen, selbst unveränderlich, verwandeln sich ständig in die Lebenswirklichkeit derer, die mit ihnen umgehen. Das damit entworfene Programm einer Bedeutungsgeschichte großer Architekturdenkmäler gründet sich auf die Erkenntnis vom Gebrauchswert künstlerischer Phänomene. 5 Der Gebrauchswert reicht von der materiell-zweckhaften Nutzung der Räume und Strukturen bis zur weltanschaulichen Zeichenfunktion architektonisch-künstlerischer Gebilde innerhalb der zeitgenössischen Selbstverständigung über die Grundfragen des Lebens. Im Gebrauchswert realisiert sich nicht ein zeitloser künstlerischer Wert, der, einmal gesetzt, als Offenbarung lediglich demütig ausgelegt werden k a n n : E r ist die Einheit von ästhetischer Struktur und den Bedingungen ihrer Rezeption. I m Gebrauchswert artikuliert sich der instrumentale Charakter des künstlerischen
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Produkts. Allein die Fähigkeit zum gesellschaftlichen Funktionieren unter sich wandelnden Bedingungen erweist die Zeitlosigkeit großer K u n s t . 6 Das heißt nun aber: Das für den Eiffelturm Beobachtete gilt für Architektur und bildende K u n s t (für Literatur und Musik) überhaupt. Es gilt auch für die Denkmäler der kirchlichen Baukunst des Mittelalters, die der eigentliche Gegenstand der folgenden Abhandlung sind. Auch sie lassen seit Jahrhunderten Fragen entstehen nach dem Woher und Wohin des eigenen Volkes, sie lösen Vergleiche aus zwischen dem Gestern und dem Heute, erregen Problemdenken, Sehnsüchte, Hoffnungen, Proteste. Auch sie erweisen ihre über die Zeiten hinwegreichende Menschlichkeit, ihren absoluten Wert in einem gesellschaftlichen Aneignungsprozeß, der sie zu Gegenständen der jeweiligen Gegenwart werden läßt. Die großen Klosterkirchen des Mittelalters, die Dome und Münster haben sich Ruhm erworben: Sie sind reicher geworden durch die Aufnahme immer wieder neuer Bedeutungen. Das läßt sie jung erscheinen trotz der Spuren des Alters, die sich ihnen unübersehbar eingegraben haben. Mittelalterliche Kirchen sind zutiefst verflochten mit dem, was wir Kulturlandschaft nennen. Sie prägen in hohem Maß das Bild unserer Städte und Dörfer, der Täler und Bergabhänge. Mit ihren Türmen und Turmfronten und ihren breit gelagerten Satteldächern überragen sie ganze Altstadtquartiere. I n Straßenfluchten gestellt oder auf Plätze bezogen, ordnen sie noch heute weitläufige Areale. Als Gelenkstellen der städtebaulichen Komposition verleihen sie dem Fußgängerverkehr Orientierung, Ziel- und Haltepunkte. Die Erfurter Stadtkrone, die vom Dom und der Severikirche gebildet wird, die auf Fernwirkung berechnete Silhouette Stralsunds, die aus den drei großen Stadtpfarrkirchen entsteht, der Meißner Burgberg, der Prager Hradschin, der Krakauer Wavel, die Kölner Rheinfront, der zwischen Rheinufer und S t a d t gelagerte Speyerer Kaiserdom gehören zu den Glanzleistungen europäischer Stadtbaukunst überhaupt. Wo mittelalterliche Kirchen Fußgängerbereichen eingeordnet wurden — in der DDR wäre etwa an Bautzen, Erfurt, Görlitz, Greifswald, Halle, Jena, Leipzig, Rostock, Stralsund und Wismar zu erinnern — gewinnen sie an ästhetischer und touristischer Anziehungskraft. Im Zeitalter der autogerechten Stadt und der seriellen Bauproduktion offenbart historische Altbausubstanz, sinnvoll rekonstruiert und neuen Lebensansprüchen angepaßt, soziale Qualitäten, die in wachsendem Maß in das Blickfeld der Architekten und Städteplaner treten. Aber auch außerhalb der Städte: Ob an Flüsse oder auf Bergvorsprünge gebaut, stets begleiten die Kirchengebäude die großen Energielinien der Landschaft. Ihre Konturen wachsen aus ihnen hervor, machen sie eigentlich erst deutlich. Immer wirken sie mit an der Unverwechselbarkeit, der Individualität menschlich gestalteter Natur. Der Geograph Herbert Lehmann hat auf die Po-Ebene als eine Ziegelprovinz aufmerksam gemacht, am Rhein sind es die romanischen und gotischen Kathedralen, die der ganzen Landschaft „ihren charakteristischen Akzent verleihen". Die kirchliche Architektur trägt in besonderer Weise „zur landschaftlichen Charakterisierung" bei, der naturräumlichen Gliederung wäre deshalb eine kulturräumliche an die Seite zu stellen. 7 Nikolaus Zaske hat in seinem Buch „Gotische Backsteinkirchen Norddeutschlands" die landschaftsbestimmende Rolle der backsteinernen Kirchen in den poetischen Ausruf gefaßt: „Norddeutsche Landschaft — das ist der Dreiklang von Blau, Grün und Rot. Kräftiges Himmelsblau, das sich im Meere widerspiegelt, sattes Grün der Wiesen und Wälder, leuchtendes Backsteinrot: die Farben klingen zusammen, als wären sie seit je verschwistert, als hätte die Natur in einer glücklichen Stunde diesen Dreiklang ersonnen." 8 Manchem
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Ostseeurlauber wachsen schilfgedeekte Dächer, frische Meeresbrise und unverputzte Ziegelkirchen zu einem Begriff und einer, immer auch emotional getönten, Anschauung zusammen. Erstrangige Ersehließer künstlerischer Lebensbezüge und sprachgewaltige Festmacher weltanschaulicher Gebrauchswerte sind die Dichter und Künstler, wenn sie über Werke der bildenden Kunst und Architektur reflektieren. 9 Das Straßburger Münster ist durch Goethe zum ruhmreichen Denkmal, die gotische Baukunst vor allem durch die Schreibenden des 18. und frühen 19. Jahrhunderts zu einem Element der intellektuellen Kommunikation geworden. Der Meißner Dom — Philipp Otto Runge, Caspar David Friedrich und Wilhelm von Kügelgen haben ihn erlebt — stellt sich uns dar auch als ein Denkmal der Dresdner Romantik. Die Klöster Chorin und Lehnin hat Theodor Fontane auf seinen Wanderungen durch die Mark Brändenburg entdeckt. E r hat sie in die Sagen eingebettet, die die Bevölkerung um sie gesponnen hatte, er sah sie in die Landschaft eingeordnet, aus der die gebauten Formen erwachsen waren. Von den ekstatischen Bekenntnissen der Romantiker — „wie innig lieb ich die Bildungen jener Zeit, die eine so derbe, kräftige und wahre Sprache führen", 1 0 „vor der Kühnheit der Meisterwerke stürzt der Geist voll Erstaunen und Bewunderung zur Erde" 1 1 — führt eine Linie zu den stammelnden Meditationen Ernst Barlachs in der „Turmvorkirche St. Marien in Stralsund" (Abb. 3): „das Turminnere als Vor- und Sonderkirche eines übergöttlichen Gottes ohne Dogma und Konvention, bloß Gefühl der Gewalt, der Höhe, des Ungeheuerseins, kein Verhältnis zum Menschen wie drinnen mit Chor, Schiff und dem ganzen Herkommen — hier vorne nur ein Bekenntnis des Unbegreiflichen, nicht des Menschenvaters, sondern des Unmenschlichen, den doch auch der Mensch in sich ahnt, den er aber nicht verehrt, sondern gegen den er sich bäumt wie in Verachtung als Entgelt für Verachtung, fürs Über-Sein." 1 2 Der architektonische R a u m hat Hieroglyphen der Selbstinterpretation entbunden, in denen von einem spezifischen sozialen Standort aus eine ganze Epoche gefaßt wird. Der Autor dieser Abhandlung muß bekennen, daß er die Kirchen in Stendal, Tangermünde und Jerichow nicht mehr anders erleben kann als mit dem Gedanken an die Tagebuchnotiz Jochen Kleppers vom 22. Mai 1934. Dem Verfemten des Naziregimes und dessen jüdischer Frau galten diese Kirchen unendlich viel „für das Heimatgefühl, für die Entdeckerfreude, für das Geschichtsgefühl, als persönliche Erinnerung f ü r uns beide (als Abkehr von dem Unrat, mit dem man sich immer wieder zuschütten lassen muß)." 1 3 Die mittelalterlichen Kirchen haben während der Herrschaft des Faschismus ebenso Menschen zur inneren Sammlung verholfen wie ihren Bedrückern zur Legitimation angemaßten Herrschaftsanspruchs; man denke an die — noch nicht publizierten — Versuche, die Quedlinburger Stiftskirche dem germanisch-arischen Kaiser- und Führerkult dienstbar zu machen oder der Quedlinburger Wipertikrypta SS-Charakter zu geben (Abb. 5). Die Erinnerung daran ist nicht mehr zu löschen. Sie verlangt, aufgearbeitet, zum Element unseres Mittelalterbildes gemacht zu werden. Unter dem Tarnwort „Barbarossa", dem Kennwort deutscher mittelalterlicher Kaiserherrlichkeit, trat das Nazideutschland zum Angriff auf die Sowjetunion an. Die Entbindung gesellschaftlicher Assoziationen aus Gebilden der Kunst kann auf unterschiedliche Weise Zustandekommen und auch auf sehr verschiedene Weise mit der ästhetischen Struktur des Werkes korrespondieren. Eine kleine Kirche in JenaOst aus spätmittelalterlicher Zeit — mit einem reichen Baldachinportal —, in der Friedrich Schiller am 22. Februar 1790 in aller Stille den Ehebund mit Charlotte von Lenge-
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Fbiedrich Möbius
feld einging, hat im Volksmund die Prägemarke „Schillerkirche" erhalten. Die Weimarer Peter- u n d Paulskirche, eine spätgotische Hallenkirche, an der Johann Gottfried Herder lange J a h r e als Superintendent wirkte, kennt in Weimar und Umgebung jedermann nur als „Herderkirche" (Abb. 6). Die Arnstädter Oberkirche, die mit J o h a n n Sebastian Bachs Wirken als Organist verbunden ist, heißt dort die „Bachkirche" (Abb. 8). Die 1954 bei Koehler & Amelang erschienene Monographie von Ernst-Heinz Lemper zur Bau- und Stilgeschichte der spätgotischen Thomaskirche in Leipzig nannte das Bauwerk auf der Titelseite „die Kirche J o h a n n Sebastian Bachs", 1 4 obwohl des Thomaskantors sterbliche Überreste erst seit 1950 dort ruhen. Der R u h m des Thomanerchores ist ebenso in den Ruf der Kirche eingegangen wie die Popularität des Kruzianerchores in das öffentliche Bild der Kreuzkirche in Dresden. Die Wittenberger Schloßkirche ist „Lutherkirche", ihr H a u p t p o r t a l „Thesenportal", die Berliner Marienkirche „Schlüterkirche", die Friedrich-Werdersche Kirche die. Berliner „Schinkelkirche". F a s t ist man versucht, die kürzlich zur Thomas-Müntzer-Gedenkstätte eingerichtete Mühlhäuser Kornmarktkirche „Müntzerkirche" u n d den Güstrower Dom, der Barlachs „Engel" birgt, den „Barlachdom" zu nennen. Auf der Greifswalder Caspar-David-Friedrich-Konferenz von 1974 ging scherzhaft das Wort von Eldena als der „CDF-Ruine" um. Volkstümliche Benennungen, die durchaus, wie die Freiberger „Tulpenkanzel" zeigt, Eingang finden können in die wissenschaftliche Terminologie, sichern ein Mindestmaß gesellschaftlicher Beziehung, bewegen Empfindungen und Gedanken, bereiten das Werk immer wieder für die Aneignung auf. Das Portal des barocken Berliner Schlosses, von dem aus K a r l Liebknecht 1918 die bürgerliche Republik ausgerufen hatte, ist als „Liebknechtportal" an die Fassade des Staatsratsgebäudes der D D R versetzt worden. Das war weder eine propagandistische Aktion noch intellektuelles Architektenspiel, sondern Realisierung eines durch den historischen Gebrauch entstandenen Spolienwertes. Als Erzbischof Albrecht I I . von Magdeburg in den Neubau seines Domes die spätantiken Marmor- u n d Porphyrsäulen des ottonischen Vorgängerbaues überführte (Abb. 7, 9), rettete er mit deren materiellem Wert zugleich das Andenken Ottos des Großen und machte dessen R u h m seinen eigenen Plänen dienstbar. F ü r den Magdeburger Bauherrn des 13. J a h r h u n d e r t s besaßen die alten Säulen, die er im neuen Hochchor feierlich inszenierte, Gebrauchswert in dem von uns beschriebenen Sinn. E r nahm sie als Schöpfungen einer vergangenen Welt, die ein in die Gegenwart hineinreichendes Charisma besaßen. Der Weiterbau u n d die Vollendung des gotischen Kölner Domes im 19. Jahrhundert war Teil der kulturellen Vorgeschichte der Bismarckschen Reichsgründung (Abb. 10). Der Dombau „diente zur Verherrlichung der Nation, die sich in ihm ein Zeichen setzte", in ihm „glaubten die Deutschen die Chiffre u n d die S t ä t t e ihrer nationalen Selbstdarstellung, den Ort u n d das Sinnbild ihrer Hoffnungen, ihrer Ziele und ihres Selbstbewußtseins zu finden". „Sinnbild des ersehnten deutschen Reiches", „Heimstätte der K u n s t " u n d „Kirche der Nation" 1 5 — in dieser semantischen Trinität erfüllte sich der deutschen Bourgeoisie des 19. J a h r h u n d e r t s die Bedeutung des ersten deutschen hochgotischen Bauwerks (vgl. dazu Heinrich Heines bissige Verse in „Deutschland — ein Wintermärchen": „Denn eben die Nichtvollendung/ macht ihn zum Denkmal von Deutschlands K r a f t / u n d protestantischer Sendung." 1 6 ) Auch der Baustil der Neuromanik diente in fast allen europäischen Ländern der widerspruchsvollen Ausbildung bürgerlichen Nationalbewußtseins. Eine Bedeutungsgeschichte mittelalterlicher Kirchenbaukunst, die nach verbalen
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Zeugnissen und nach dem ideologischen Funktionieren gebauter Formen fragt, müßte ergänzt werden durch die Erforschung materieller Umfunktionierungen, durch die die alten Kirchengebäude auch praktisch einen neuen Sinn gewinnen. 1792 hatte Alexandre Lenoir vorgeschlagen, im aufgehobenen Pariser Augustinerkloster ein „Museé des monuments français" einzurichten. 17 Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg entwickelte sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem dortigen Karthäuserkloster, das Baseler Historische Museum am Ende des Jahrhunderts aus der Baseler Barfüßerkirche, das Kölner Schnütgenmuseum seit den 1950er Jahren aus der Kölner Cäcilienkirche. Grunewald,s Isenheimer Altar steht im Chor der museal genützten Kolmarer Dominikanerkirche. Das Moskauer Andronikowkloster ist zum AndrejRublijow-Museum der altrussischen Kunst geworden (Abb. 12), das Neue Jungfrauenkloster exponiert als Filiale des Staatlichen Historischen Museums Werke der Malerei und angewandten Kunst (Abb. 13), die Kathedrale des Klosters der Gottesmutter vom Don hat die Aufgabe einer Zweigstelle des Museums für Geschichte der russischen Architektur übernommen (Abb. 14). I m ehemaligen Präger Agnes- und im Georgskloster sind auf hervorragende Weise Bestände der Prager Nationalgalerie ausgestellt. In fast idealer Weise verbinden sich die Ausdruckswerte der Architektur mit den Stimmungswerten der in ihnen ablaufenden Vorgänge, wenn die mittelalterlichen Bauwerke dergestalt zu „Museumskirchen" werden. Innerhalb der DDR birgt die JSisenacher Dominikanerkirche mittelalterliche Plastik Thüringens, die Güstrower Gertraudenkapelle Barlachplastiken (Abb. 15), das Magdeburger Liebfrauenkloster moderne Kleinplastik (Abb. 16). Im Stralsunder Dominikanerkloster ist das Meereskundliche Museum untergebracht, im Stralsunder Johanniskloster das Stadtarchiv. Mittelalterliche Kirchen und Klausuren sind bevorzugte Heimstätten für Stadt- und Heimatmuseen gewörden, man denke an das Angermünder, das Saalfelder und das Zittauer Heimatmuseum, an das Museum der Stadt Greifswald, das Prignitzmuseum im alten Prämonstratenserstift des Havelberger Domes oder an die museal genützte „Neue Abtei" von Kloster Zinna. Die Ruine der Berliner Franziskanerkirche diente während der X. Weltfestspiele als Fotoausstellungsgelände, die K r y p t a der Sofioter Alexander-Newski-Kathedrale suchten 1979 täglich 4000 Menschen auf wegen der hier untergebrachten Ausstellung „Leonardo da Vinci und seine Schule". Die Tangermünder Nikolaikirche enthält ein Ausstellurigsgeschoß mit Klubraum darunter, das Kloster Mildenfurth ersteht neu als „Musensitz" der bildenden Künstler des Bezirkes Gera. 18 Ästhetisches Eingestimmtsein, Verinnerlichung, Stille, Konzentration, was die mittelalterlichen Bauwerke leichter ermöglichen als Gebäude aus anderen Zeiten, haben fernerhin zur Einrichtung bzw. Verwendung kirchlich nicht mehr genützter Gebäude als Musikstätten geführt. Jährlich erleben Tausende die Choriner Ruine (Abb. 18), die Ruine in Paulinzella, die Thalbürgeler und Leitzkauer Klosterkirche, die F r a n k f u r t e r Franziskaner-Kirche, die Hallesche Ulrichskirche (Abb. 19) bei Konzert und Gesang. Aber auch die Rückgewinnung profanierter Kirchengebäude für gottesdienstliche Zwecke fällt in den Bereich der Wirkungsgeschichte. St. Ägidien in E r f u r t , St. Johannis in Freiberg/Sa., die ehemalige Klosterkirche in Pirna, St. Wigberti in Quedlinburg (Abb. 20) und St. Michael in Rostock dienen heute wieder dem kirchlichen Leben. 19 Ob einer kirchlichen Gemeinde gehörend, 20 ob als Museumskirche oder als Konzerthalle eingerichtet, ob Gedenkstätte oder kulturelles Objekt im Naherholungsgebiet — stets mobilisieren mittelalterliche Bauwerke die Subjektivität ihrer Rezipienten. Der
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Gebrauch entlockt dem Denkmal ständig neue Sinnbezüge. Es kann keine Frage sein, daß derart genützte Räume mit den ihnen eigenen Halleffekten, mit ihrer den Straßenlärm abschirmenden Mauerstärke, der klaren Orientierung der Raumenergie auf die Bühne der Ostpartie, den das Körpergefühl auf nicht alltägliche Weise ansprechenden Lichtverhältnissen und Raumproportionen ästhetische Qualitäten besitzen, die, zur sinnlichen Erfahrung gebracht, nicht nur zweckdienlich wirken, sondern auch tiefere Erlebensbereiche des modernen Menschen ansprechen. Die Ausarbeitung einer bedeutungsgeschichtlichen Methodologie ist dringendes Anliegen einer Forschungsrichtung, die nach dem Lebensbezug ihrer Denkmäler fragt. Freilich sind es nicht die Kunstwerke allein, die sich zur Wirkung bringen. Die erste Ursache aller Kunstaneignung liegt in der sozialen Befindlichkeit des historischen Subjekts, das sich um der Meisterung des Lebens willen dem Kunstwerk stellt. Wer Bedeutungsgeschichte auf Wirkungsgeschichte reduziert, das heißt auf das Sammeln und Interpretieren von sprachlichen Äußerungen zu Künstlern und berühmten Monumenten, nimmt das Kunstwerk praktisch als einen ewigen, zeitlosen Ruf, dessen Echo in den verschiedenen Epochen lediglich unterschiedlich verhallt. Ein Germanist hat im 19. Jahrhundert dickleibige Bände zusammengestellt aus Zeitungskritiken, Berichten und Notizen „Schiller und Goethe und deren Werke betreffend". 2 1 Zwischen 1957 und 1963 erschienen in der D D R vier große Sammelwerke „Schiller und sein Kreis in der Kritik ihrer Zeit", enthaltend „die wesentlichen Rezensionen aus der periodischen Literatur bis zu Schillers Tod, begleitet von Schillers und seiner Freunde Äußerungen zu deren Gehalt". 22 Zum Dürerjubiläum 1971 legte die Bayerische Akademie der Wissenschaften eine Dürer-Bibliographie vor, die alles verzeichnete, was je über Dürer geäußert worden war. Sie verzettelte wissenschaftliche und populäre Bücher und Aufsätze, Abbildungswerke; Würdigungen und Festreden, den Komplex „Dürer im Unterricht" und „Dürers Nachleben", Dürer in der Dichtung", „Dürer im Bildnis", DürerFeiern und Dürer-Gesellschaften — ein unerhörter Arbeitsaufwand, nach dessen Sinn zu fragen wäre. Der Bearbeiter der Bibliographie zeigte sich skeptisch. Er zitierte das „Bekenntnis des erfolgreichsten deutschen Dürer-Forschers der mittleren Generation", der gemeint hatte, „bei seiner Beschäftigung mit Dürer faktisch mit einem Dutzend Büchern ausgekommen zu sein". „Auf den Flanken des verzettelten Zitatenberges" überwiegen „das unfruchtbare Geröll und der entbehrliche Schutt". 2 3 Die traditionelle Wirkungsgeschichte kann erst auf der Grundlage eines funktionalen Kunstbegriffs in Bedeutungsforschung überführt werden. Ästhetisch organisierte Produkte entstehen als Instrumente des sozialen Austauschs. Sie formulieren Botschaften, die sich an Menschen wenden — an solche, die ihrer bedürfen. Sie enthalten Lebenserfahrung in hoch verallgemeinerter Form, die sie mitteilen wollen. Die Mitteilung ist so strukturiert, daß sie als zwingend empfunden wird. Bereits dem Prozeß der Entstehung des Kunstwerkes ist der Adressat, an den sich das fertige Werk wenden soll, eingegeben. Das heißt: Der Schaffensprozeß ist von vornherein „wirkungsästhetisch strukturiert", 2 4 „in die Rezeptionsvorgabe ist ein Appell an den Leser eingeschrieben", „der Leser kann nicht umhin, auf diesen Appell zu reagieren". 25 Die Bedeutungsforschung erreicht ihr eigentliches Arbeitsgebiet in dem Augenblick, da sie den Appellen nachgeht, die in die entstehende Struktur eingeschrieben werden. Die Geschichte des Fünktionierens beginnt nicht erst mit dem Zeitgenossen, der das soeben vollendete Gebäude zu rezipieren beginnt. Die Funktionskomponente prägt bereits den Plan, die Konzeption, alle einzelnen Etappen der mühevollen Realisierung
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des Werkes. Wir halten es für keinen glücklichen Vorschlag, die Wirkungsgeschichte von der „Rezeptionsgeschichte" zu trennen, das heißt, das, was angeeignet wird zu lösen von dem, der es aneignet. Wer „statt des Textes und seines Einflusses" den „Rezipienten und seine Verhaltensweisen" ins „Zentrum" der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit rückt, 26 hat seinen ständigen Ärger mit der „Gleichberechtigung von Werkautorität und Rezeptionsautonomie" 2 7 , die herzustellen nicht gelingen wird. Auch die Konzeption einer „Erfahrungsgeschichte", die „die Frage nach der Wahrheit der Kunstwerke . . . an das Kontinuum der Geschichte delegiert" — Erfahrungsgeschichte „als Medium der Steigerung des Sinnpotentials der Werke", als „Geschichte der Summe von im Umgang mit einem Werk gemachten Erfahrungen" — fördert letztlich den Grund nicht zutage, der Kunstwerke entstehen und immer wieder zum Erlebnis werden läßt. 28 Eine „Kumulationsgeschichte" des Gehalts von Kunstwerken, die Schritt f ü r Schritt „unabgegdltene Rezeptionsstufen." abarbeitet 2 9 , reduziert die lebenssichernde Funktion der künstlerischen Produktion auf die Bedürfnesse dessen, der einem chaotischen Zettelkasten die Sinnbezüge eines Weltgeistes zu entlocken versucht 3 0 (und der deshalb entweder gegen Verfälschungen des wahren Wertes durch spätere Rezipienten polemisieren oder in sanftem Pluralismus alles und jedes, was Künstlern und Kunstwerken je widerfahren ist, genehmigen muß). Bedenken möchten wir auch anmelden gegen den Versuch, die Wirkungsgeschichte von einer „Entstehungsgeschichte" abzuheben, um dann im Nachhinein die „Einheit" beider Verfahrensweisen zu proklamieren. 31 Abgehoben vom Wirken, wird Entstehen zwangsläufig reduziert auf die Technik des Herstellens. Das Leben setzt dann sozusagen erst ein, wenn das Produkt als fertiges Gebilde existiert. Mit dem „Herstellen" ist jedoch das „Auseinandersetzen" untrennbar verbunden, und mit dem Auseinandersetzen die Mobilisierung von Vorstellungen, die über den technischen Prozeß weit hinausgehen, ja, die diesen Prozeß erst eigentlich bestimmen. Die methodische Konsequenz solcher Überlegungen lautet deshalb: Verlängerung der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte von der Gegenwart an rückwärts bis zur Analyse der geschichtlichen Umstände und Bedingungen, die das Kunstwerk als funktionierende Struktur entstehen ließen. Nicht die „Dialektik von Entstehungsgeschichte und Wirkungsgeschichte" sollte „in den Mittelpunkt einer methodologischen Konzeption" der Kunstwissenschaften gestellt werden32,< sondern die Dialektik von ästhetischer Struktur und gesellschaftlicher Funktion. Erst sie macht das aus, was Bedeutung genannt werden darf. Erst sie läßt verstehen, warum sich Bedeutungen im Lauf der Zeiten ändern. Warum haben die mittelalterlichen Menschen Kirchen gebraucht, welchen Wert besaßen die Kultgebäude für die Meisterung des Lebens? Was haben die Erbauer und Benützer beim Anblick ihrer Kultgebäude empfunden, welches Assoziationsspektrum haben Dome und Klosterkirchen bei ihnen besetzt? Die Fragen scheinen verwegen, die mittelalterlichen Quellen Antworten darauf zu verweigern. Wir haben noch keine Kultursoziologie der Feudalepoche, die entsprechende Zeugnisse hätte auffinden oder gar aufschließen können. Eine nahezu zweihundertjährige kunsthistorische Forschung hat riesige Denkmälermengen inventarisiert und stilgeschichtlich klassifiziert, jedoch kaum nach der Funktion der Bauwerke im Alltag der damaligen Menschen gefragt. Wir wissen deshalb nicht eigentlich, was an der weitreichenden Wirkung des mittelalterlichen Kirchenbaus, die wir eben zu skizzieren versucht haben, zurückgeht auf die Bedürfnisse der interpretierenden Subjekte späterer Jahrhunderte, was auf die Erbauer der Gebäude selbst und ihre damalige Sicht auf Welt und Leben.
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Die scheinbar ausweglose Frage wurde jedoch schon vor mehr als dreißig Jahren gestellt, und zwar von einem Kunsthistoriker, der zu den Methoden der Soziologie überh a u p t keinen Zugang besaß. Sein 1951 veröffentlichtes Buch „Mittelalterliche Archit e k t u r als Bedeutungsträger" erschien 1978 zum fünften Mal. 33 „Was hat den Menschen damals, die das Kunstwerk in Auftrag gaben oder anfertigten, dieser Gegenstand bedeutet?" „Was leistete das Kunstwerk als Bedeutungsträger für die Gesellschaft oder auch f ü r den Einzelnen?" Günter Bandmann hatte vorgeschlagen, „das Kunstwerk als Instrument in einer gesellschaftlichen Ordnung" zu begreifen, wobei er ausdrücklich in den Begriff des Gesellschaftlichen „das kollektive Glauben und Meinen in religiöser und sittlicher Hinsicht" eingeschlossen wissen wollte. Für ihn zielte die Frage nach der Bedeutung in „die Wirklichkeit des Kunstwerkes", auf das Verständnis der „Sprache der Figuration". 3 4 Seine Antworten gab er im wesentlichen von ideengeschichtlichen Positionen aus. Das Bauornament zum Beispiel vergegenwärtigte ihm „Wunschwelten", den Himmel, das Paradies, den Garten, Arkadien, Elysium, den Olymp, den Parnaß. Ornamentik wird „aufgerufen, um unmittelbare Erfahrungen und Vorstellungen von der Weltordnung auszusprechen und transparent zu machen". Sie veranschaulicht mit Ranken, Brunnen, Gefäßen und Tieren „zeitgenössische Ideen und Vorstellungen" von der „Umprägung der Welt in eine bessere und schönere". 35 Aber auch die Gebäude selbst bilden geistige Inhalte ab. Das Dach k a n n den Himmel meinen, der Boden die Erde, die Stützen vertreten den himmlischen Lebensbaum oder die Apostel. Die mittelalterliche Kirche wird als „Abbreviatur der Gesamtwelt" zum Himmlischen Jerusalem oder zum Wohnhaus Gottes. 30 Die konkrete Form ist so strukturiert, daß in ihr das Bild eines Anderen erscheint, gleichsam herbeizitiert wird. Dieses Bild ist als Abbild weltanschaulicher Vorstellungen Teil des Weltbildes der Zeitgenossen. Wo immer das Jerusalemer Grab Christi oder die römische Peterskirche in der Architektur des Mittelalters zitiert wird, wird Bedeutung aus der Tiefe der Geschichte heraufbeschworen und dem Bauwerk einverleibt. Der spätantike Kaiserkult und der frühchristliche Totenkult haben die Hoheitsräume und Hoheitsformen gestellt, deren sich die mittelalterlichen Baumeister bedienten, wenn sie über die Zweckform hinausführen wollten. Der Vierungsturm zum Beispiel „ist nichts anderes als die vom antiken Grabmal übernommene, gen Himmel ragende turmartige Form des christlichen Heroengrabes." 3 7 „Die Form . . . bildet ab, weist auf etwas hin. In diesem Augenblick ist der Ansatz für die ikonologische Forschung gegeben." 38 Mit Günter Bandmann wurde die Ikonographie als Kunde von den abgebildeten Inhalten „zu einer Kunde von der Bedeutung der Inhalte" erweitert, sie wurde „Symbolkunde", „Bedeutungskunde", Ikonologie. 39 Was Robert Weimann mit der „Verklammerung von entstehungsgeschichtlicher Rekonstruktion und wirkungsgeschichtlicher Neudeutung" zu umschreiben versuchte 4 0 , f a ß t der Architekturhistoriker seit Günter Bandmann mit dem Begriff der Ikonologie. Das Bild der Baukunst ist ebenso Ausdruck des Weltbildes ihrer Schöpfer wie Eindruck auf die Weltanschauung derer, die sie nützen. I m Weltbildhaften liegt der tiefste Grund für die dauernde Bedeutung großer Architektur — vom Kölner Dom bis zum Pariser Eiffelturm. Mitnichten sind die Ikonologen lediglich „eine Art von Historikern : solche, die von der Kunst her Geschichte betreiben", sie stehen durchaus nicht „zwischen Kunstgeschichte, pragmatischer Geschichte und Kulturgeschichte". 41 Sie verstehen Kunst als bildhaft-anschauliches Medium des sozialen Prozesses — sie sind die Historiker des Mediums, nicht des Prozesses. Um es einfacher zu sagen: Sie wollen
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wissen, wozu Kunst früher gedient hat und ob die Faszination der Form von der Funktion her tiefer verstanden werden kann. 4 2 Das läßt uns nun freilich fragen, ob Günter Bandmann die mittelalterliche Architektur bereits in der vollen Bedeutung des Wortes als „Instrument in einer gesellschaftlichen Ordnung" begriffen hat. Mit dem Instrument greift der Mensch in die Wirklichkeit ein, über Werkzeuge realisiert er seinen Austausch mit Natur und Gesellschaft, verändert er die Welt und sich selbst. Das Instrument gewinnt Bedeutung f ü r den, der es gebraucht — aber nur unter der Bedingung, daß es seinem Zweck entspricht. Günter Bandmann hat sich nicht gescheut, von den Zwecken der Architektur zu sprechen. Tiefes Mißtrauen gegen einen „autonomen Kunst- und Stilbegriff", der nicht nach der „geschichtlichen Bedeutung" der gebauten Formen fragte 43, ließ ihn beispielsweise zu einem Zeitpunkt, da die Forschung den Volksbezug des karolingischen Westwerks nicht mehr wahrhaben wollte, von den „Zehnt-, Rechtssprechungs-, Tauf-, Beerdigungs- und Pfarrechten" der westlichen Vorkirche sprechen/*4 Das klösterliche Westwerk blieb „besonderen Akten vorbehalten", die sich primär auf die „Laienwelt" bezogen: „Taufe, Heirat, Pfarrgottesdienst, Osterkommunion und vor allem die Sendgerichte". 45 Er Heß fernerhin die Vermutung gelten, daß das Westwerk „in früher Zeit" der „Inquisitio des vornehmsten Eigenkirchenherrn, des Kaisers diente, wenn er bei seinem Aufenthalt im Reichskloster residierte". 46 Für andere Westbauformen notierte er: „Das Untergeschoß ist Vorhalle, Krypta, Bestattungsort, das Obergeschoß Michaelskapelle, Herrschersitz und Platz für den Engelschor." 47 Der Zusammenhang von praktischer Nutzung und übergreifender weltanschaulicher Bedeutung blieb der älteren ikonologischen Forschung jedoch undurchsichtig. Günter Bandmann hatte es geradezu für „falsch" gehalten, in den „Zwecken den Entstehungsgrund f ü r die räumliche Disposition und die formale Erscheinung des Westwerks" zu sehen. 48 In anderem Zusammenhang wandte er sich sogar gegen die These von der den Kirchenbau konstituierenden „Funktion der Liturgie und sonstiger kirchlicher Bedürfnisse": „Wie sollte man die Vielzahl der Türme, ja nur die Größe einer karolingischen Klosterkirche vom Zweck her verstehen ?" 49 In einer Probleme eröffnenden Studie von theoretischem Gewicht, die wert wäre, auf modernen Stand und an einem leichter zugänglichen Ort erneut zur Veröffentlichung gebracht zu werden, hatte Ernst Ullmann 1964 die Bandmannschen Überlegungen aufgegriffen und zunächst bestätigt: „Von seinem Zweck her . . . ist die Form des griechischen Tempels nicht zu erklären", „die riesigen Schaugiebel gotischer Rathäuser im Hansegebiet . . . befriedigen kein materielles Bedürfnis. Welchen praktischen Sinn hätte wohl der durchbrochene Turmhelm des Freiburger Münsters?" Die Treppengeländer in den Schlössern des Lukas von Hildebrandt sind sogar „höchst unzweckmäßig." 5 0 Zweck und Bedeutung liegen in der Architektur manchmal so weit auseinander, daß ihr wechselseitiger Zusammenhang fast nicht mehr erkannt werden kann. Es scheint, als befänden sich Nützlichkeit und Schönheit auf unterschiedlichen Kontinenten der menschlichen Tätigkeit. Die älteren Ikonologen haben Bedeutung deshalb auf den „genialen Geist" zurückgeführt, dem es — etwa im Falle der gotischen Kathedrale — „plötzlich klar geworden" ist, „daß es möglich wäre, . . . die Vision der ,himmlischen S t a d t ' . . . in einem wirklichen Bau sinnfällig zur Darstellung zu bringen." 5 1 Voluntative Denkmodelle lassen Bedeutung entstehen allein aus dem gestaltenden Akt des schöpferischen Individuums, des Baumeisters, des Bauherrn. Dort, wo die architektonische Form sich mit Bedeutung anreichert, vergegenständlicht sich die Weltsicht
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ihres Schöpfers. Günter Bandmann hat zwar nie einen Zweifel an der geschichtlichen Determiniertheit der feudalen Auftraggeber und ihrer Bauleute aufkommen lassen. Aber er ist den sich im Schaffensprozeß selber abspielenden Operationen nicht weiter nachgegangen, die zwischen Individuum und Gesellschaft vermitteln. Die Warnkesche „Überleitung zur Form" 5 2 , das Dunkelfeld zwischen Zweck und Bedeutung, in dem die nützliche Form den Charakter eines ästhetischen Instrumentes der gesellschaftlichen Praxis annimmt, erweist sich als der zentrale Gegenstand einer jüngeren, historisch-materialistisch orientierten Ikonologie. Als deren Erstlingsschrift, in vielem noch grob zugehauen, darf Ernst Ullmanns schon erwähnte Studie aus dem Jahre 1964 gelten. Der Verfasser sieht die Einheit von materiellem Gebrauchswert und der Vergegenständlichung menschlicher Potenzen sich zunächst verwirklichen im Bezug der Architekturformen auf die menschliche Gestalt. Das Achsensystem des menschlichen Körpers korrespondiert mit dem Koordinatensystem des Bauwerks. Raumkörper und Raummantel lösen Bewegungsimpulse aus, „Durchblicke fordern zum Durchschreiten auf, die Lichtführung weist dem Auge den Weg, und der Mensch folgt dem Blicke nach vom Dunkeln ins Licht." 5 '' Tastbare Werte, Gang- und Blickbahnen, Anmutungsqualitäten der gebauten Form verbinden sich im „Raumerlebnis", schließen sich zu einem Bild zusammen, das ein Bild der Welt sein möchte. Innerhalb der gebauten vier Wände erfährt der Mensch, wie er sich außerhalb verhalten möge. Zeit, die der Benutzer zum Durchschreiten des Raumes benötigt, kann zum Sinnbild von Lebenszeit werden, Raum, der ihn umgibt, zum Sinnzeichen des Weltortes, an dem er existiert.r>4 Binnenstrukturen der Räume können Gesellschaftsstrukturen, Raumbeziehungen Klassenbeziehungen versinnlichen. Im architektonisch gestalteten Verhältnis von Last und K r a f t , von Oben und Unten, von Vorn und Hinten, von Weg und Ziel erfährt der Mensch seine soziale Befindlichkeit als gesellschaftliches Individuum. Die „zusammengesetzte, aus Teilräumen addierte Basilika" des frühen Mittelalters zum Beispiel, deren Schiffe „gegeneinander gestuft" sind — „ganz eindeutig überwiegt das durch Größe und helleres Licht ausgezeichnete Mittelschiff gegenüber den Seitenschiffen" — ist „ganz allgemein gesagt, eine Bauform, die Gruppen von Menschen mit unterschiedlicher sozialer Stellung aufnimmt." » In der herausgehobenen Vierung, dem „Grundmaß und Quellpunkt des gesamten Bauwerks" 5 0 , versammelte sich der adlige Konvent zum Chorgesang. Weil hier die Herren des Klosters ihren Hauptaufenthaltsort hatten, gewann die Vierung ihre hoheitsvolle Form — weil in der Vierung alle Raumenergien zusammentrafen, trafen sich hier auch die Brüder zum ewigen Gotteslob. Doch dieses Exempel greift zu kurz: Die Vierung entstand nicht um des Chorgesangs willen, sie ist in ihrer vertikalen Erstreckung keineswegs für den zu ebener Erde sitzenden chorus ein notwendiges Gehäuse. Die einfache architektonische Realisierung eines Zweckes führt zum bloßen Nutzbau, soll dieser Bau Bedeutung gewinnen, müssen in den Gestaltungsvorgang Kategorien eingebracht werden, die den im Bauwerk ablaufenden Vorgängen größere Durchsichtigkeit und höhere Würde und den Raumbenützern ein reicheres Erleben sichern. Nach diesen Kategorien, die den Zweck auf architekturspezifische Weise in umfassendere Sinnzusammenhänge einordnen, wäre zu fragen. Ernst Ullmann hat von „architektonischen Grundformen" gesprochen, deren erprobte Wirkungskraft von den jeweiligen Bauherren in den Dienst der Bauaufgabe gestellt worden ist. Für die mittelalterliche Baukunst sieht er als solche Grundformen
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den Zentralbau, den Saalraum, die Basilika und die Halle 5 7 : vier Raumtypen von eigentümlichem Bewegungsgestus. Wer sich für diese oder jene Form entschied, hatte d a s Niveau festgelegt, auf dem er sich an seine Zeitgenossen wandte. E r hatte den Nutzern de.r Räume Maßstäbe vorgegeben, die ihnen erlaubten, sich genauer in die Gesellschaftspyramide ihrer Zeit einzuordnen. Günter Bandmann hat den bedeutungsschaffenden Komplex, der innerhalb der architektonischen Gestaltung wirksam wird, verschiedentlich mit dem Begriff des „Gedankens" bezeichnet. Ihm galt die zentralgestaltige byzantinische Königskirche als ein „Baugedanke" 5 8 , der jahrhundertelang weitergedacht worden ist. Mit dem „Gedanken der bischöflichen Eigenkirche" und dem „Thronsaalgedanken" 59 hat er Strukturen erfassen wollen, die J a n Bialostocki später „Rahmenthemen" genannt hat. Der „Kampf des Menschen mit den Naturkräften" ist zum Beispiel eines der großen Rahmenthemen der europäischen Malerei.eo Im Anschluß an Bialostocki hatte ich vorgeschlagen, von „Topoi" zu sprechen.61 Wie der Architekt, sofern er mehr ist als ein Bautechnolöge, den Zweck nicht einfach in gebaute Form übersetzt, so vermittelt auch der bildende Künstler soz'iale Erfahrungen und Wertvorstellungen nicht im einfachen Abbild von Alltagswirklichkeit. Als Philipp Otto Runge im Altarbild für die Fischerkapelle in Vitte auf Rügen die Not der eigenen Zeit gestalten wollte, hatte er alle seine Empfindungen und Gefühle dem Topos vom schiffbrüchigen Petrus anvertraut. Im Bilde der Navícula Petri gewann historisch Begrenztes plötzlich den Bezug zu den großen Erfahrungen und Hoffnungen der Menschheitsgeschichte. 62 „Stereotype (Schablonen, Klischees) des Bewußtseins spielen eine ungeheure Rolle beim . . . Prozeß der Iniormationsübermittlung." 6 ^ Es wäre wohl möglich, die Geschichte der realistischen neueren Malerei auf einige grundlegende Rahmenthemen oder Topoi zu beziehen: etwa auf den Topos vom „locus amoenus, "das heißt auf die Grunderfahrung und den zentralen Lebenswunsch des angenehmen Ortes, auf den Freundschaftstopos, den Kampf- und Triumphtopos, den Herrschaftstopos und den Topos von der Gefährdung des menschlichen Lebens und seiner möglichen Errettung. Alle diese Topoi steuern die künstlerische Wirklichkeitsaneignung. Sie haben die Funktion, das Besondere auf ein Allgemeineres zu beziehen, über den Augenblick in die Geschichte und vom Individuum zur Gattung zu führen. Die Überleitung der gesellschaftlichen Situation und ihrer Aufgaben und Zwecke in die künstlerische Form vollzieht sich, wie es scheint, auch im Bereich der Baukunst über standardisierte Strukturen, die den Charakter sozialer Deutungsmodelle besitzen. Es muß auch hier Grundformeln geben, die im sinnenfälligen Bild Gesellschaftsbeziehungen, Ansprüche, Haltungen, Appelle, übergreifende Wertvorstellungen anschaulich, über Tast-, Raum- und Körpergefühl rezipierbar, festgemacht haben. Diese architektonischen Formeln müssen — nach der von uns vorgetragenen Toposauffassung — aus der sozialen Praxis hervorgegangen sein, in ihrem Verallgemeinerungsgrad aber über sie hinausführen. Sie müßten — um nun wieder Günter Bandmann sprechen zu lassen - die „Einordnung" des für Zweckerfüllung geschaffenen Raumes „in einen größeren Sinnzusammenhang" leisten. 6 '' Mit der Nazariusbasilika von Lorsch (ab 767) und der zwischen 768/69 und 775 errichteten Kirche des königlichen Grabklosters Saint-Denis war an die Stelle des bis dahin vorherrschenden ungegliederten Saalraumes endgültig die mehrschiffige Basilika der Spätantike als „hochoffizieller" 05 kirchlicher Festraum getreten. Die gegliederte Basilika wurde zum hervorragenden Instrument der praktischen Durchsetzung der feudalen Klassengesellschaft. 60 Die
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ganze, für die Konstituierung von Bedeutung entscheidende Phase der „Überleitung zur F o r m " würde jedoch vom Interpreten übersprungen, wenn er den Import der entwickelten spätantiken Raumform und den Übergang zu entwickelteren Klassenverhältnissen direkt aufeinanderbezöge. Die Karolinger übersetzten nicht eine gesellschaftliche Situation - die ihnen selbst dunkel geblieben war - in ein Raumgefüge, sondern sie rezipierten die römische Peterskirche und mit ihr den Typus der großen Gemeindekirche der frühen Christenheit u n d die Grabkirche des Apostelfürsten. Sie bauten eine Kirche nach, mit deren Struktur der Grabgedanke u n d das Phänomen der „Massenversammlungsarchitektur" 67 verbunden war. Mit dem Hereinholen der römischen Apostelkirche in den eigenen Machtbereich nobilitierten die Karolinger die Grabkirche des einheimischen Apostels Dionysius. Sie zogen aber auch auf das neue Gotteshaus, dem sie den Totendienst f ü r ihre Dynastie übertrugen,68 eine Bedeutung herab, die fränkische Kirchen vorher nie besaßen. Neben der Peterskirche in R o m gingen als bedeutungsstiftende Topoi noch das römische Marienheiligtum Santa Maria Rotonda und das Heilige Grab von Jerusalem durch die mittelalterliche Architekturgeschichte. 6 9 I n den Schriften Günter Bandmanns sind auch alle anderen Grundvorstellungen genannt, mit denen die mittelalterlichen Baumeister gearbeitet und über die sie ihre Bauten in ein reicheres Assoziationsspektrum eingeordnet haben: der Thronsaal, die Königshalle, S t a d t 7 0 u n d Stadttor, Burg und Turm, das K u l t h a u s über dem Grab, der Himmel, die Antike oder die Vergangenheit des eigenen Herrscherhauses. Stilwiederaufnahmen u n d Spolienübernahmen, das Kopieren und Zitieren von fremder Architektur sind längst als künstlerische Operationen erkannt, die alte Bedeutungen in einen neuen geschichtlichen Zusammenhang hereinholen. Zwar entspricht dem Substantiv „Bedeutung "kein transitives Verb, aber ein Werk bedeutend zu machen, ist dennoch ein gezielter Prozeß. E r dient der Auszeichnung des einen Baues gegenüber den übrigen Gebäuden, er hilft, Führungsansprüche zu legitimieren, ja das Anreichern des einen Bauwerks mit Wesenszügen eines anderen kann ebenso den Konkurrenzkampf befördern wie eine fast magisch-apotropäische Bannung des Gegners bezwecken. Heinrich Klotz hat den auf Auseinandersetzung gerichteten Charakter des Bedeutung-Verleihens am Beispiel des florentinischen Stadtpalastes überzeugend herausgearbeitet. Graf Guidi, ghibellinischer Widersacher der unabhängigen Stadt, zitierte an seinem Kastell in Poppi charakteristische Formdetails des Bargello, um im gestalteten Bild den Übergang des Rathauses der florentinischen Kommune in den eigenen Machtbereich zu demonstrieren: E s schien, als wäre er der Herr des Palazzo del Podesta. 7 1 Alle diese Akte stellen intellektuelle Entscheidungen von Bauherren und Baumeistern dar, die mitten im Gestaltungsprozeß auf spätere Wirkungen zielen. Bedeutungsvoll gemachte Architektur funktioniert in einem ideologischen Bezugsfeld, sie ist tatsächlich „Instrument in einer gesellschaftlichen Ordnung", und es sind auch t a t sächlich „Gedanken", die vom N u t z b a u zur Bau-Kunst führen. Aber d a die geistigen Operationen nicht im Bereich der Sprache u n d des Denkens verbleiben, sondern zu anschaulichen Strukturen, zu betretbaren Räumen, zur Gestaltung von Blick- u n d Bewegungsbahnen, zur Formung dreidimensionaler Gebilde der konkreten Lebenswirklichkeit führen, ist es nicht nur den Kennern unter den Zeitgenossen u n d später den vergleichenden Kunsthistorikern gegeben, sie zu erkennen. Bedeutung teilt sich über die Sinne allen Menschen unmittelbar mit. F ü r das frühe u n d hohe Mittelalter
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konzentrieren sieh die architektonischen Bedeutungsformeln auf eine Fest- und Feiertagsatmosphäre, die der Huldigung und Erhöhung der Gottheit, des Herrschers und der Herrschenden, gleichzeitig aber auch der Führung und Disziplinierung, der Bannung der Untergebenen gelten. Baldachin und Kuppel über dem Sitzplatz heben denjenigen aus der Masse der übrigen heraus, der sich hier aufhalten darf, das Podest, das den Thron über die Untertanen heraushebt, erhöht die Person, die ihn besetzt. Wer Türme hochführen kann, besetzt eine Dimension der Wirklichkeit, die über der der Hütten, Werkstätten und Felder liegt; schon im mittelalterlichen Städtebau wird die Stadtkrone nur von den herrschenden Gruppen gestellt. Wenn diese Höhendimension — wie im Eiffelturm — von jedermann erfahren und besiegt werden kann auf Treppen und in Aufzügen, die im Inneren nach oben führen, wenn sich dann auf der Spitze des Giganten ein weiter Panoramablick ergibt, der eine Stadtlandschaft zur Welt werden läßt, wenn dieser Turm, der mit tausenden Tonnen Last auf seine Fundamente drückt (Abb. 4), in durchsichtiger Vergitterung, von Lüften durchweht, leicht und spielerisch sich selbst und seine Benutzer dem Himmel entgegeriträgt, wenn schließlich Unerschütterlichkeit und Eleganz so mühelos zusammenkommen wie hier, dann bewegt solche Außerkraftsetzung von Alltagserfahrung mächtig die Rezipienten. Vom Eiffelturm aus ist es erlaubt, auch im übertragenen Sinne auf die gotische Kathedrale herabzuschauen. Sie hat sich als vergittertes und hoch aufsteigendes Glasgehäuse den gebildeten Zeitgenossen zweifellos als ein „mare vitreum simile crystallo" (Apoc. 4, 6), als gläsernes Meer dargestellt, das dem Kristall gleicht, in dem die Welt am Jüngsten Tage aufgehen wird. Aber was für das Gedankenbild des Himmlischen Jerusalems der Apokalypse des Johannes, das gilt auch für die Ideen des Thronsaals, des Stadttors, der Burg und des Turmes, die in der mittelalterlichen Kirchenbaukunst immer wieder assoziativ angespielt worden sind: nicht sie haben die architektonische Bedeutung erschaffen, sondern die durch sie vermittelten Abstände zur realen Lebenserfahrung (Abb. 1). Fest- und Feiertagsarchitektur überbietet alltägliches Bauen durch architektonische Staridardversionen mit spezifischer Informationsverarbeitung, durch topoisierte Strukturen, die soziale Realität deuten, bewerten und gegebenenfalls gesellschaftliches Handeln manipulieren. Der mixtus populus des Reichsklosters Centula, der zu den großen Christusfesten des Kirchenjahres voll „unten" her, im westlichen Drittel des Langhauses stehend, an der Salvatorliturgie im Obergeschoß des Westwerkes, dessen Altar die adligen Mönche und die Barone des Gaues Ponthieu umgaben, teilzunehmen verpflichtet war, erkannte sich inmitten des heiligen Vorgangs als „unter" den Herren existierend. 72 Architektonische Topoi vermitteln soziale Erfahrung in gestalteter Form. Da ihre Strukturen appellativ funktionieren, sichern sie den Eingreifcharakter gebauter Hoheits- und Würdeformeln. Zu den großen Rahmenthemen der früh- u n d hochmittelalterlichen kirchlichenArchitektur würde ich zählen: die Himmelsburg und die Himmelsstadt, vermittelt über wehrhafte Turmgruppen rund um den Körper des Kirchengebäudes (Abb. 21) und über das Straßen- und Platzsystera der verschiedenen Schiffe, die sich mit dem Querhaus verkreuzen; die Ecclesia vitrea als höchste Steigerung der Idee des Himmlischen Jerusalems, anschaulich werdend in den Glaswänden der gotischen Kathedrale; den Himmelsgarten Eden, in dem die Pfeiler und Gewölbe der spätgotischen Hallenkirche (Abb. 22) zu den Christussymbolen der Lebensbäume „verwalden" ^ ; den unterirdischen Gruftraum der Märtyrerverehrung und des Totenkultes (Abb. 5, 17); den geschützten und geschmückten Eingang in das Gotteshaus, dessen Ornamente und Skulp2 Möbius
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fcuren die Schwelle magisch beschirmen; die Schmuck- und Bilderwand der gotischen Schaufassade (Abb. 11) als städtebauliche Platzbegrenzung von imperial-agitatorischem Gestus, das gleichsam steingewordene Transparent der Herren der Stadt. 7 4 Hier sind nicht „Motive" gemeint, sondern sozial genau adressierte Pathosformeln von menschheitsgeschichtlichem Anspruch. Der Adressat, der ursprünglich gemeint war, verwandelt sich in den Rezipienten der späteren Jahrhunderte. Der hohe Verallgemeinerungsgrad der sinnlichen Erscheinung provoziert immer wieder aufs neue das Bedenken und Empfinden des eigenen Alltags. Roland Barthes hatte einen großen Gedanken formuliert, als er über den Eiffelturm meditierte: Wer könnte sagen, was er für die Menschen von morgen bedeutet? „Sicher ist nur, daß er immer etwas sein wird und zwar etwas von ihnen selbst." Noch die kirchliche Baukunst des 20. Jahrhunderts vermittelt gesellschaftliches Selbstverständnis—nun freilich nur noch der kirchlichen Gemeinden —über die Aktualisierung architektonischer Topoi. Die Zeitschrift „Das Münster" glossierte vor J a h ren unter dem Titel „Hier winkt die Erfüllung des Traums von der Brutal-Architekt u r " das zeitgenössische Kirchengebäude als Gottesbunker und Bunkerkirche, als Seelenreaktor, Gebetsgasometer, Himmelskraft werk, Glaubens-Hangar und Gemeindesilo 75 , ohne zu ahnen, daß mit Bunker, Reaktor, Gasometer und Silo Bilder aufgerufen werden, die ein für Wohn- und Feiererfahrungen extremes Mißverhältnis von geschlossenen zu geöffneten Wandflächen kennzeichnen. 76 In den Öffnungen eines menschlichen Abläufen dienenden Bauwerks spricht sich gesellschaftliches Kommunikationsverständnis, im architektonischen Verschluß die Situation der Isolierung, der Verteidigung, des ghettohaften Rückzuges aus. Die architektonische Struktur signalisiert, indem sie bedeutungsvoll wird, die historische Befindlichkeit — nein, indem sie Zeichen setzt für den Zustand des Menschen, gewinnt sie Bedeutung für das Gemeinwesen. Bedeutende Architektur löst deshalb Emotionen, Haltungen, Sehnsüchte und Proteste, kurz: Aneignung noch nach Jahrhunderten aus. Wir dürfen ein letztes Mal auf Günter Bandmann zurückkommen. In seinem Aufsatz über „Früh- und hochmittelalterliche Altaranordnung als Darstellung" schrieb er polemisch und engagiert: „Es kann die Bemerkung nicht unterdrückt werden, daß die in Handbüchern, auch theologischen, so häufig zitierten Verwendungszwecke — der Altar steht auf Stufen, damit man ihn besser sehen kann, die Apsis ist rund, um als Schallnische zu wirken, das römische Querhaus entstand, um Platz für die Gabentische zu haben, der Lettner trennte den Chorraum ab, um einen ungestörten Gottesdienst zu gewährleisten usw. — sich zwar recht handfest und plausibel anhören, in Wirklichkeit aber fiktiv sind." Sie verfehlen „die Rolle der darstellenden Form und des Zeichens im Glauben und Meinen des Mittelalters". 77 Der älteren Ikonologie schien es, als senkte sich Bedeutung, allein hervorgebracht vom Ingenium der Urheber der Architektur, wie ein deus ex machina auf jeglichen Nutzbau — Geist bekunstet rohe Form. Verlangt waren vom Bauherrn und seinen Gehilfen lediglich kunst- und kirchengeschichtliche Bildung, Phantasie, Fabulierlust und natürlich — beim Kirchenbau — eine tief im Religiösen verwurzelte weltanschauliche Haltung. Gegen eine Methodologie, die Kunst aus Geistigem entstehen läßt, setzen wir den Grundsatz des marxistischen Denkens: „Alle Formen des kulturellen Lebens im Mittelalter sind nichts anderes als Funktion der sozialen Lebenstätigkeit der Menschen dieser Epoche und das Resultat ihrer .Modellierung' der Welt." 7 8
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Von einer solchen Grundhaltung her ergibt sich eine Problematisierung des Zweckbegriffe. E r ist dialektisch mit dem des „Ziels" verbunden. Jedes Ziel verlangt den Einsatz bestimmter Mittel oder Haltungen, um erreicht zu werden, jedes Ziel ist „eine ideelle Vorwegnahme real möglicher zukünftiger und wünschenswerter Zustände materieller Systeme". Die Operationen, die der Erreichung des Zieles dienen, werden als „zweckmäßig" bezeichnet, „der Zweck bestimmt sich so als das Ziel, um dessentwillen ein bestimmter Gegenstand gebraucht oder eine bestimmte Handlung ausgeführt wird." Jedes Ziel wird zum Zweck, „sobald es in bewußter Absicht und unter Einsatz bestimmter Mittel" angestrebt wird. Zwecke und Ziele sind abhängig von „objektiven Gesetzen und Bedürfnissen". 79 Die Liturgie, die die christliche Heilsgeschichte zeichenhaft nachvollzieht und dabei menschliches Verhalten im Angesicht der Gottheit modelliert, zielt auf die Erhaltung und stete Verlebendigung geoffenbarter Wahrheiten Der Dienst an der Gottheit hilft dem Menschen, sein eigenes Leben unter dem Anblick der Ewigkeit, in weitausgreifenden geschichtlichen und übergeschichtlichen Dimensionen zu begreifen und nach diesem Verständnis einzurichten. Die Form der Liturgie — der ihr eigentümliche innere und äußere Bewegungsgestus — modelliert das weltanschauliche und das praktische Verhalten der Gläubigen in einer sehr unfrommen Welt Sie ermöglicht ebenso die geistige Erhebung über das irdische Jammertal wie die Integration in objektiv existierende Lebensbedingungen Auch sie ist auf die ideelle Vorwegnahme zukünftiger und wünschenswerter materieller, das heißt: gesellschaftlicher Systeme gerichtet, auf deren Existenzweisen sie im Mittelalter oftmals feinfühlig reagiert hat Die gottesdienstliche Praxis hatte unter feudalen Bedingungen einen hohen Grad an gesellschaftlicher Zweckmäßigkeit gewonnen. 80 Wir sind deshalb aufgefordert, in die Begriffe des „Benutzens" und „Gebrauchens" den menschheitegeschichtlichen Bezug einzubringen, der ihnen im kirchlichen Raum — und wohl nicht nur hier — zugrundeliegt. Der Altar ist im Sanktuarium auf ein dreistufiges Podest gestellt, weil er den Thron des Himmelsherrn verkörpert, auf ihm vollzieht sich in der Messe die religiöse Epiphanie des Gottes, dessen „Erscheinung". Erscheinung verlangt nach Gesehenwerden — der Altar ist tatsächlich auf Stufen gestellt, „damit man ihn besser sehen kann". Die aller willkürlichen Improvisation entrückte Gebärdensprache des Priesters, der die Messe zelebriert, ist Ausdruck eines streng geregelten Hofzeremoniells, einer Etikette, die alle Untertanen bis in die Körpersprache hinein den Bedingungen des Hofes unterwirft. Jede Bewegung von Menschen und jede Verwendung von Räumen und Utensilien geht im Kirchengebäude in inneres Verhalten und in einen ideologischen Zusammenhang über. Es kann keine Präge mehr sein, daß die Bedeutung des mittelalterlichen Kirchengebäudes aus seinen Zielen erwächst. Bedeutung ist nicht edle Draufgabe und schmückendes Beiwerk, sondern Ausdrucksform gesellschaftlicher Zwecksetzung. Ohne den Einsatz der bereits beschriebenen architektonischen Topoi oder Pathosformeln hätte das mittelalterliche Kirchengebäude und die ihr zugehörende Liturgie nicht in der rechten — zweckmäßigen — Weise wirken können. Die Bedeutung der Architektur ist letztlich eine Funktion der sozialen Lebenstätigkeit der Menschen. Dies akzeptiert und Zwecke verstanden als Beförderer von architektonischer Bedeutung, ergibt sich ein Forschungsprogramm von beachtlichem Ausmaß. Die bisherige Ikonologie konnte den Westeinturm nicht von der Doppelturm- und der Dreiturmfassade abgrenzen, das westliche Atrium nicht von der westlichen Vorhalle und Vor2»
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kirche, vom westlichen Torturm und dem Westwerk. Ihre Kategorien blieben stumpf angesichts der unterschiedlichen Querhausformen, dem römischen Querhaus, dem Zellenquerbau und dem klassischen Querhaus mit der ausgeschiedenen Vierung. Die Entwicklung der K r y p t a von der Ringumgangskrypta und K a m m e r n k r y p t a bis zur Hallenkrypta, aber auch die E n t f a l t u n g der Chorpartie vom einräumigen karolingischen Altarhaus zum mehrschiffigen cluniazensisch-hirsauischen Presbyterium ist ihr nicht zum Problem geworden, auch nicht die ästhetische Erscheinung der Langhäuser der romanischen Basilika u n d ihr ornamentaler Schmuck. Orientiert vor allem auf den Vergleich von Architekturform mit Architekturform, auf Zitat und Kopie, auf Übernahme u n d Wiederverwendung, blieb das Netz ihrer rein geistigen Kategorien allzu weitmaschig. Wir plädieren f ü r eine wissenschaftliche Aufwertung der Zweckfrage und damit — auch — f ü r den Vergleich der Architektur- und Schmuckformen mit schriftlichen Quellen, die eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebrauchs u n d der ursprünglichen Funktionen erlauben. Erst wenn wir genauer wissen, was sich im Zellenquerbau, im Atrium, in der Vierung und im Sanktuarium, in u n d vor d e n D o p pelturm- und Dreiturmfassaden abgespielt hat, welche weltanschaulichen Vorstellungen die Figuren auf den Kapitellen und an den Portalen verkörperten, erschließt sich uns eine differenziertere Sicht auf das komplexe Bedeutungsgefüge mittelalterlicher Feiertags- und Festtagsarchitektur. 8 1 E s hört sich zWar recht handfest und plausibel an, materielle Zwecke im heiligen Gotteshaus nicht f ü r bedeutungsstiftend zu halten. Aber f ü r f i k t i v müssen wir heute eine Methodologie halten, die die darstellende Form und das architektonische Zeichen von den sozialen Prozessen ablöst, in deren Dienst und um derentwillen sie sich einstmals entfaltet hatten. Die folgende Studie soll einen Zweckbegriff zu entfalten helfen, der von der materiellen Nutzung bis zur ideologischen Positionsbildung reicht, sie versucht Denkprozesse zu rekonstruieren, die aus gesellschaftlichen Spannungsfeldern architektonische Formen abgeleitet haben. „Bedeutung" wird als eine Kategorie verstanden, die aus der sozialen Lebenstätigkeit der Menschen erwächst und sich in der Einheit von gebauter S t r u k t u r und lebenssichernder Funktion verwirklicht. Als Kennwort der hier vorgetragenen Auffassung könnte der Begriff der „funktionierenden S t r u k t u r " bezeichnet werden. Wir plädieren f ü r eine Interpretation von Architektur, die das Bauen als eine spezifische Form der Meisterung des Lebens versteht. Das verlangt die analytische Verarbeitung wesentlicher Elemente der Lebenswirklichkeit der Zeitgenossen.
II. Buticum als Conus Dei. Der Ostbereich der Großen Kirche von Centula
Der Bau und die schriftlichen Quellen Am Ende des 8. J a h r h u n d e r t s erneuerte Angilbert, einer der Vertrauten Karls des Großen, das Kloster des hl. Richarius, das zu merowingischer Zeit wohl in einer ehemaligen römischen Militärkolonie an der Mündung der Somme angelegt worden War.82 Die in diesem Zusammenhang entstandene Hauptkirche des Klosters gehörte zu den großen Schöpfungen der frühmittelalterlichen Kirchenbaukunst. Wilhelm E f f m a n n rekonstruierte 1912 einen Bau in wägender Gruppierung, mit einem Querhaus im Osten und einem gleichgeformten Querbau im Westen, dazwischen lagerte ein kurzes,
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kirche, vom westlichen Torturm und dem Westwerk. Ihre Kategorien blieben stumpf angesichts der unterschiedlichen Querhausformen, dem römischen Querhaus, dem Zellenquerbau und dem klassischen Querhaus mit der ausgeschiedenen Vierung. Die Entwicklung der K r y p t a von der Ringumgangskrypta und K a m m e r n k r y p t a bis zur Hallenkrypta, aber auch die E n t f a l t u n g der Chorpartie vom einräumigen karolingischen Altarhaus zum mehrschiffigen cluniazensisch-hirsauischen Presbyterium ist ihr nicht zum Problem geworden, auch nicht die ästhetische Erscheinung der Langhäuser der romanischen Basilika u n d ihr ornamentaler Schmuck. Orientiert vor allem auf den Vergleich von Architekturform mit Architekturform, auf Zitat und Kopie, auf Übernahme u n d Wiederverwendung, blieb das Netz ihrer rein geistigen Kategorien allzu weitmaschig. Wir plädieren f ü r eine wissenschaftliche Aufwertung der Zweckfrage und damit — auch — f ü r den Vergleich der Architektur- und Schmuckformen mit schriftlichen Quellen, die eine Rekonstruktion des ursprünglichen Gebrauchs u n d der ursprünglichen Funktionen erlauben. Erst wenn wir genauer wissen, was sich im Zellenquerbau, im Atrium, in der Vierung und im Sanktuarium, in u n d vor d e n D o p pelturm- und Dreiturmfassaden abgespielt hat, welche weltanschaulichen Vorstellungen die Figuren auf den Kapitellen und an den Portalen verkörperten, erschließt sich uns eine differenziertere Sicht auf das komplexe Bedeutungsgefüge mittelalterlicher Feiertags- und Festtagsarchitektur. 8 1 E s hört sich zWar recht handfest und plausibel an, materielle Zwecke im heiligen Gotteshaus nicht f ü r bedeutungsstiftend zu halten. Aber f ü r f i k t i v müssen wir heute eine Methodologie halten, die die darstellende Form und das architektonische Zeichen von den sozialen Prozessen ablöst, in deren Dienst und um derentwillen sie sich einstmals entfaltet hatten. Die folgende Studie soll einen Zweckbegriff zu entfalten helfen, der von der materiellen Nutzung bis zur ideologischen Positionsbildung reicht, sie versucht Denkprozesse zu rekonstruieren, die aus gesellschaftlichen Spannungsfeldern architektonische Formen abgeleitet haben. „Bedeutung" wird als eine Kategorie verstanden, die aus der sozialen Lebenstätigkeit der Menschen erwächst und sich in der Einheit von gebauter S t r u k t u r und lebenssichernder Funktion verwirklicht. Als Kennwort der hier vorgetragenen Auffassung könnte der Begriff der „funktionierenden S t r u k t u r " bezeichnet werden. Wir plädieren f ü r eine Interpretation von Architektur, die das Bauen als eine spezifische Form der Meisterung des Lebens versteht. Das verlangt die analytische Verarbeitung wesentlicher Elemente der Lebenswirklichkeit der Zeitgenossen.
II. Buticum als Conus Dei. Der Ostbereich der Großen Kirche von Centula
Der Bau und die schriftlichen Quellen Am Ende des 8. J a h r h u n d e r t s erneuerte Angilbert, einer der Vertrauten Karls des Großen, das Kloster des hl. Richarius, das zu merowingischer Zeit wohl in einer ehemaligen römischen Militärkolonie an der Mündung der Somme angelegt worden War.82 Die in diesem Zusammenhang entstandene Hauptkirche des Klosters gehörte zu den großen Schöpfungen der frühmittelalterlichen Kirchenbaukunst. Wilhelm E f f m a n n rekonstruierte 1912 einen Bau in wägender Gruppierung, mit einem Querhaus im Osten und einem gleichgeformten Querbau im Westen, dazwischen lagerte ein kurzes,
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gedrungenes Langhaus (Abb. 25). Über der Mitte der Querbauten erhoben sich eigenartige Rundtürme mit mehrgeschossigem Aufbau, flankiert von Treppentürmen, die offensichtlich Emporengeschosse erschlossen. Das Sanktuarium bestand aus einem einfachen Kastenraum — wahrscheinlich in einer Apsis endend —, an den später eine Krypta angefügt worden war. 83 In Centula scheint das vollausgebildete Westwerk entstanden zu sein, hier erweiterte sich zum erstenmal die Ostpartie einer Basilika um das „Chorquadrat" (Abb. 27). Die von Angilbert geschaffene Aufgipfelung der Baumassen an den Schmalseiten des Langhauses, fast ein Sinnbild der Einheit von Regnum und Sacerdotium, fand Nachfolge über die karolingische Kathedrale von Reims und die ottonische Michaelskirche in Hildesheim bis in die Viertürme-Dome von Bamberg und Naumburg. Die Schöpfung des Abtes Angilbert war reich an Neuerungen. Zu korrigieren ist an diesem Bild nach den jüngsten französischen Ausgrabungen das Verhältnis der beiden Querbauten, die nicht symmetrisch angelegt waren, und die Ausdehnung des Langhauses. 84 In Effmanns Rekonstruktion ergeben die beiden Querbauten zusammen die Längserstreckung des Langhauses, das sich fast wie ein bloßer Verbindungsgang zwischen zwei Turmmassiven darstellt. Aus den ca. 20 Metern Langhauslänge bei Effmann, die Irmingard Achter 195685 bereits auf 30 Meter erweitert hatte, haben die französischen Archäologen etwa 40 Meter werden lassen. Bei einer Gesamtbreite von ca. 20 Metern erweist sich das ca. 40 Meter lange Schiff der Großen Kirche von Centula als ein schlankes, gestrecktes, ganz auf die Längsachse orientiertes Raumgefüge von zügigem Ablauf in der West-Ost-Achse (Abb. 30), in den Proportionen nahezu identisch mit den um 300 Jahre jüngeren Langhäusern etwa der Klosterkirchen in Hirsau und Paulinzella. Das Centualer Langhaus war kein dem Zentralbau angenäherter Ruheraum, sondern ein straßenähnlicher Sehreitraum mit aktivem Bewegungsimpuls. Westwerk und östlicher Querbau geben auch in den Proportionen etwas von dem Herrschaftsanspruch auf, den Wilhelm Effmann ihnen zugebilligt hatte (Abb. 24). Das Westwerk wird mit 13 X27 Metern Grundfläche endgültig zu einem quergelagerten Turm, während der das Langhaus im Osten abschließende Querraum mit seinen 10 Metern Tiefe und 33 Metern Breite an normale Querhäuser erinnert (lichte Weite des Hirsauer Querhauses 34 Meter). Der östliche Querbau war nicht nur schmaler als der westliche, er überragte auch dessen seitliche Fluchten um etwa drei Meter nach Süden und Norden. 86 Das Westwerk hatte Wilhelm Effmann als Querturmkirche mit Hauptkultraum im Obergeschoß erschlossen. Der hochgelegene Festraum besaß Emporen und öffnete sich in offenen Bogenstellungen in das Langhaus. An seinem Salvatoraltar wurden zu karolingischer Zeit die großen Herrenfeste des Kirchenjahres gefeiert. Im Obergeschoß weilte bei solchen Gelegenheiten der adlige Konvent mit den Baronen des Gaues Ponthieu. Das Volk nahm im Langhaus an der Salvatorliturgie teil, im westlichen Drittel stehend und nach Westen und oben schauend. Über Langhaus und Ostpartie waren Altäre verteilt, das Sanktuarium fungierte als Grabkultraum des hl. Richarius und seiner Gefährten. Der 300 Mann starke Konvent absolvierte das Stundengebet gleichzeitig in drei Gruppen, von denen die erste im Salvatorgeschoß des Westwerkes, die zweite im östlichen Drittel des Langhauses und die dritte im Sanktuarium stand (Abb. 28). Unerklärt blieb bislang der östliche Querbau. Gehörte er zum Typus des Römischen Querhauses oder zu dem des Zellenquerbaues, besaß er eine abgeschnürte oder eine ausgeschiedene Vierung? Darf überhaupt von „Querhaus" und „Vierung" gesprochen werden?
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Solange Ausgrabungen diesen Bezirk des Kirchengebäudes noch nicht aufgeklärt haben, muß versucht werden, schriltliche Quellen zum Sprechen zu bringen. Das ist nur möglich über die Rekonstruktion der Sehweisen und des allgemeinen Sprachgebrauchs ihrer Urheber. Das älteste Zeugnis ist die vom Bauherrn selbst verfaßte Weihenachricht. 87 Ein erstes Kapitel nennt die Kirchen und Kapellen des Klosters mit ihren Patrozinien, Altären und Reliquien, die Weihetage und die Namen der weihenden Bischöfe. In einem zweiten Kapitel beschreibt der Bauherr die Heiltümer, die er aus aller Welt zusammengetragen und auf verschiedene Gebäude des Klosters verteilt hat. Das sich durch eine geradezu minutiöse Genauigkeit auszeichnende Reliquienprotokoll wird ergänzt durch Hinweise auf Schenker und Herkunftsorte. In einem dritten Kapitel schließlich ist alles verzeichnet, was den Ruhm und den Schmuck der mittelalterlichen Kirche fernerhin ausgemacht hat: Tabernakel, Lesepult, die Prunktumba über dem Grab des Klostergründers, schließlich das Vermögen an liturgischen Schriften und Gewändern. Das „Büchlein" des Angilbert gibt der Kunstgeschichte, was Weiheurkunden normalerweise der Wissenschaft geben: Anhaltspunkte über den Abschluß der Bauarbeiten. Der Charakter der Dedikationsurkunde, dem sich der Autor unterwarf, hat Äußerungen über den künstlerischen Schaffensprozeß ebenso verhindert wie Beschreibungen der Gestalt der Kirche. Freilich hat sich der Schreibende — Ausdruck einer gehobenen gesellschaftlichen Stellung — als Person nicht aus dem Bericht herausgehalten. Gelegentliche Äußerungen über die Hilfe, die Karl der Große dem Werk angedeihen ließ, erweisen die engen Beziehungen des Bauherrn zum Aachener Hof. 88 Angilbert scheint sich als Bauherr auch verantwortlich gefühlt zu haben für die richtige Benutzung der von ihm entworfenen Kirchen und Kapellen. In einer besonderen Gebrauchsanweisung 89 legte er fest, wie Ostern und Weihnachten, Himmelfahrt und Pfingsten, wie Marienfeste und das Fest des Klosterstifters sowie andere Heiligentage liturgisch zu gestalten sind, in welcher Form man Totenmessen und wie man Bittgänge in Notzeiten zu halten habe. Die zahlreichen Kultorte seines Klosters hat er in ein wohldurchdachtes System wechselnder Handlungen eingespannt. Jeder Altar und jeder Kirchenraum gewinnt im Ablauf des Kirchenjahres besondere Bedeutung, an jedem Kirchenfest wird die religiöse Aufmerksamkeit auf andere Gegenstände der Verehrung gelenkt. Wir sehen, wie die großen Chöre des Klosterkonventes nach genauem Plan ihre Standorte wechseln, wie die Prozessionen von Altar zu Altar, von Kirche zu Kirche und durch die Klosterpforte zu den Kirchen der umliegenden Dörfer ziehen und so die Landschaft dem Kloster verbinden. Die Schrift überliefert den inneren Aufbau des Westwerks, aber auch den Ort, an dem das Volk sich an den Gottesdiensten des Klosters beteiligte. Dreihundert Jahre später entsteht die erste Geschichte des Klosters Centula. 90 Ihr Autor mußte aus zweiter Hand schöpfen: aus der mündlichen Überlieferung, aus Urkunden des Klosterarchivs, schließlich aus Berichten über das Kloster und seine Menschen, die er in zeitgenössischen Viten, Chroniken und Wunderbeschreibungen fand. Wo sich aber der Eindruck der Kirche in Hariulfs Text niederschlägt, scheint es, als würde ein Zeitgenosse des Bauherrn berichten. Allerdings werden inzwischen einzelne Räume der Kirche anders bezeichnet als zu karolingischer Zeit, sind mit den alten Namen auch die früheren Bewertungen verblaßt, Bedeutungswandlungen der Patrozinien spiegeln sicherlich auch veränderte Benutzungsweisen wider.
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Hariulf hat nicht nur der Geschichte des Klosters, sondern auch der Gestalt der Kirche ein beinahe wissenschaftliches Interesse entgegengebracht. Seine Wundergeschichten sind exakt lokalisiert, er hat sogar eine regelrechte Beschreibung der Kirche, ihres Grund- und Aufrisses u n d ihrer Massenverteilung verfaßt. Hariulf sah in der Kirche seines Klosters bereits den karolingischen Bau, das Werk einer vergangenen Epoche, dem gegenüber neben der E h r f u r c h t des F r o m m e n auch die H a l t u n g des Archäologen als angemessen erscheint. N u r einer solchen, bereits historischen Sicht ist die Zeichnung der Kirche zu danken, die Hariulf entwederselbst verfaßt oder zumindest angeregt hat (Abb. 23). Sie ergänzt seinen Text, geht mit ihrer spiegelbildlichen Entsprechung der beiden Querbauten u n d dem zusammengeschobenen Langhaus jedoch entweder auf falsche Beobachtungen oder auf U m b a u t e n zurück, die f ü r das 11. J a h r h u n d e r t zumindest f ü r den Westbau überliefert sind. 9 1 Hariulfs bebilderte Handschrift verbrannte wahrscheinlich 1719, aber das Chronicon Centulense blieb erhalten, d a es mehrfach abgeschrieben worden war. 92 Aus dem 12. J a h r h u n d e r t datiert eine Lebensbeschreibung Angilberts, die in allen wesentlichen Zügen auf der Darstellung Hariulfs a u f b a u t , verblüffenderweise bereichert u m Einzelheiten, die sich in dessen Klosterchronik nicht finden. Der Versuch sollte nicht unterlassen werden, in den phantastischen Erzählungen nach karolingischer Substanz zu suchen. Möglicherweise h a t t e Anscherus mündliche Quellen stärker ausgewertet, die in der Frühzeit des Mittelalters manchmal unmittelbar neben die geschriebene Überlieferung traten. 9 3 Anschers Schrift eröffnet die Reihe der Chroniken, denen f ü r die Rekonstruktion der ecclesia maior primär kein Quellenwert mehr zukommt, die aber dennoch Satz f ü r Satz überprüft werden sollten. 94 Sehr oft finden sich in ihnen wichtige Erklärungen und Kombinationen. Ihre bewahrende und für die Nachwelt sichernde F u n k t i o n k o m m t sehr deutlich in der R e t t u n g der Hariulfschen Zeichnung zum Ausdruck. Sie findet sich ihnen zweimal als Nachstich beigegeben. 95 Hinweise auf die gesellschaftliche Rolle der großen Kirche von Centula gibt auch Hariulf dort, wo er von Besitz- und Eigentumsverhältnissen des Klosters handelt. Wer hier nach Aufschlüssen sucht, darf sich freilich auf die engere Literatur zu Centula nicht beschränken. Die Annalistik und Chronistik des frühen Mittelalters weist immer wieder auf das berühmte Kloster hin, das auch eine Rolle im Urkundenwesen spielt, sogar in der Briefliteratur u n d der Poesie. Altäre und Patrozinien
im wechselnden
Sprachgebrauch
Unser Interesse gilt zunächst der Art, in derAngilbert u n d Hariulf bestimmte Vorgänge mit dem Kirchengebäude verbanden. Zum wichtigsten Problemfeld wird die Altarbezeichnung. E s scheint notwendig, zuvor die geistigen Voraussetzungen einer auf Altäre bezogenen Ortsbestimmung zu umreißen. Die wichtigste Kulthandlung der christlichen Kirche ist an einen Altar gebunden. Der Tisch, an dem der Priester die Messe vollzieht, muß Reliquien eines Heiligen bergen. Die Reliquien bewohnen den Altar, wie früher die Geister der Verstorbenen die Bäume heiliger Haine bewohnten. Sein wichtigster Eigentümer ist jedoch Christus, dessen Tod u n d Auferstehung hier in der Messe nachvollzogen wird. Das Eigentumsverhältnis, in dem der Altar zu Christus u n d den Heiligen steht — Patrozinium gen a n n t — hebt ihn ab von allen anderen Tischen. Seine magische Bedeutung wird durch eine materielle Eigenschaft symbolisiert: E r k a n n nicht hin- und hergerückt werden.
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Aus Steinen aufgemauert wie ein Haus, muß er auf einem Fundament ruhen, das den gewachsenen Boden berührt.95® Der Altar der mittelalterlichen Kirche war ein architekturverwandter Körper wie Säule, Pfeiler und Bogen. Die Stützen und Arkaden unterteilten den Binnenraum und schufen ideelle Teilräume — das gleiche leistete auch der Altar. Die Mauern des K i r chengebäudes ließen den R a u m nur insoweit entstehen, als sie Grenzen gegen den Freiraum der Natur setzten: Als Raum des Mysteriums aber entstand Binnenraum durch den Altar. Das drückt der Ritus seiner Weihe sehr deutlich aus: Erst sie schafft den sakralen Raum. 9 6 Durch die Weihe wird der geistliche Bewohner der Tischarchitektur zum Eigentümer der wirklich existierenden Raumkonfiguration. Die Frage nach dem Patrozinium, ursprünglich rein religions- und kirchengeschichtlicher Natur, gewinnt Bedeutung für die Architekturgeschichte. Stets bezeichnet ein Patrozinium auch ein materiell-dreidimensionales Gebäude. Werden dem Altar der Kirche, der das Patrozinium trägt, noch andere Altäre zugeordnet, so gewinnt er den Rang eines Hauptaltars, Während die Nebenaltäre, an den verschiedenen Orten des Gebäudes stehend, dort wieder eigene Kultzentren und besondere Raumeinheiten schaffen. Es ist deshalb nicht sprachliche Laxheit oder mangelnde Fähigkeit zu exaktem Ausdruck, wenn die einzelnen Teile der Kirche in den frühmittelalterlichen Schriftquellen nicht Querhaus, Langhaus, Mittelschiff, Vierung oder Chorquadrat heißen, sondern in der Regel „ a d sanctum Johannem", „ad sanctam Crucem", „ad sanctam Mariam". Altarbezeichnungen sind fast die Vorläufer wissenschaftlicher Termini und deshalb Grundbegriffe frühmittelalterlicher Architekturinterpretation — leider aber eben nur Vorläufer. Sie besaßen keinerlei Verbindlichkeit für die Menschen, die sie gebrauchten. I n jedem einzelnen Fall gilt es neu zu klären, welche Räume mit ihnen gefaßt worden sind. Einer einfachen Altarnennung ist noch nicht zu entnehmen, ob sie einem Hauptoder einem Nebenaltar gilt, ob sie sich auf eine ganze Kirche oder auf einen bestimmten Ort im Kultraum bezieht. Wenn Angilbert eine Prozession „ad sanctam Resurrectionem", von da „ad sanctam Ascensionem" und von dort „ad sanctum Johannem" ziehen läßt, so könnte eine Auferstehungskirche, eine Himmelfahrts- und eine Johanneskirche gemeint sein. Anderen Angaben entnehmen wir, daß hier von einzelnen Altären die R e d e ist. Mit der gleichen Formulierung aber werden die Mönche in zwei selbständige, im Klostergelände befindliche Kirchen geschickt: „ad sanctum Benedictum" meint die Benediktuskirche, „ad sanctam Mariam" die Marienkirche. 97 Auf einen Hauptaltar und damit eine eigene Kirche weist normalerweise die Ortsangabe „ i n " . So wird die Benediktuskirche als selbständige Anlage erwiesen durch die Formulierung „in sancto Benedicto". Diese Wendung findet sich auch bei zwei — und nur bei zwei — von elf Altären der ecclesia maior, beim Salvator- und beim Richariusaltar: „in sancto Saluatore" und „in sancto Richario". 9 8 Es sind schließlich diese beiden Weihetitel, die mit dem Begriff der „ecclesia" verbunden und dadurch als die Bezeichnungen zweier eigenständiger Kirchen, einer Salvator- und einer Richariuskirche, nachgewiesen werden: „in aecclesia sancti Saluatoris", „in aecclesia beati Richarii". 9 9 W i e sehr sie der Bauherr als zwei Gebäude empfunden hat, zeigt die Formulierung: „tam de aecclesia sancti Saluatoris quam et sancti Richarii seu sanctae Mariae". 1 0 0 Die Marienkirche, 300 Meter südlich der großen Kirche stehend, wird in einen direkten Zusammenhang nicht mit der Salvator-Richariuskirche, sondern mit der Salvator- und der Richariuskirche gebracht. Andererseits aber sah Angilbert die beiden Kultstätten
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auch in einer höheren Ordnung zu einer Einheit zusammengefügt. Die treffendste Formulierung für diese Bewertung ist nun zugleich diejenige, die das Patrozinium der ecclesia maior — ein Doppelpatrozinium — am deutlichsten ausdrückt: „aecclesia sancti Saluatoris et sancti Richarii". 101 Die beiden Patrone verwalteten zu Angilberts Zeit den Gesamtbau der Kirche nicht gemeinschaftlich, sondern jeder einzelne besaß einen eigenen, auch architektonisch abgegrenzten Bezirk, seine Kirche. In jeder dieser Kirchen stand ein Hauptaltar. Liturgische Handlungen, die „ad sanctum Salvatorem" oder „coram sancto Salvatore" oder „in sancto Salvatore" bzw. „in ecclesia sancti Salvatoris" vollzogen werden mußten, waren in die Salvatorkirche verwiesen, sie konnten nicht in der Richariuskirche stattfinden. Und umgekehrt: H a t t e sich etwas „ad sanctum Rich'arium" oder „apud sanct u m Richarium" oder „in sancto Richario" oder „in throno sancti Richarii" bzw. „in ecclesia beati Richarii" ereignet, so war nur der Raum der Richariuskirche, nicht der der Salvatorkirche gemeint. 102 Das gleiche Verfahren begegnet auch in der Aachener Pfalzkapelle, deren Rundbau der „sanctae Dei Genitricis" gewidmet und deren Westbau „in honore Domini nostri Jesu Christi" geweiht war. 103 Auch in Centula galt ein Heiligenname für einen TWZkirchenbau. Die ganze Kirche wurde normalerweise unter dem doppelten Patrozinium erfaßt. Als Angilbert 798 — im J a h r vor der Weihe der ecclesia maior — Erzbischof Arn von Salzburg aufforderte, „in ecclesia sancti Richarii" eine Oratio zu halten, 104 hatte er zweifellos die konkrete Richariuskirche im Sinn, ohne das — dem Salvator unterstellte — Westwerk, das zu dieser Zeit vielleicht noch unter den Baugerüsten stand. Hariulf verstand später unter der Richariuskirche den gesamten Bau einschließlich des Westwerks. Angilbert sah unter dem Patrozinium nur die Kirche des Richarius, die Kirche ohne Westbau. Allerdings bewertete er eindeutig das Patrozinium des Salvators höher als das des Richarius. Wo immer er von der ganzen Kirche sprach, nannte er den Salvatortitel zuerst. An erster Stelle führte er den Salvatoraltar im Verzeichnis der Altäre, mit den Reliquien des Salvators eröffnete er das Reliquienprotokoll. Der Salvatorchor war um eine Person stärker als die in der Richariuskirche postierten Gruppen. Die der Salvatorkirche zugeordnete „capsa" war eine „capsa major", ein größerer Reliquienbehälter im Gegensatz zu den „capsae mitiorae", die in der Richariuskirche aufgestellt Worden waren. 105 Von der Salvatormemorie der Nativitas am Eingang der Kirche führte liturgisch der Weg zu den drei anderen Salvatorgedächtnisstätten der Passio, Resurrectio u n d Ascensio im Ostbereich der Kirche. Schließlich wurde die Kirche an einem Salvatortag geweiht, die Weihe vollzogen zwölf Bischöfe, die die zwölf Apostel vertraten. 1 0 6 Die Auszeichnung des Salvatorpatroziniums scheint auf den persönlichen Willen Angilberts und dessen Beziehung zum Aachener Hof zurückzugehen. Das konstantinische Christussymbol, dem ein „staats- und kirchenpolitisches Programm" zugrundelag — das der „staatlichen Anerkennung des Königtums Christi" — findet sich nicht nur bei Missionaren wie Eligius von Noyön, Amandus, Willibrord und Bonifatius, sondern auch „auffallend häufig in und um Aachen", vor allem in der Pfalzkapelle selbst. 107 Seinen eigentümlichsten Ausdruck f a n d die Erhöhung des Salvatorpatroziniums jedoch in dem Abschnitt des Libellus, der von den Patrozinien der drei Klosterkirchen handelt. Eine Kirche, heißt es dort, ist dem heiligen Benediktus geweiht, eine zweite der heiligen Gottesmutter und den Aposteln, die erste und größte aber dem heiligen Salvator und allen Heiligen: „Quarum prima (ecclesia, F. M.) est in honore sancti Salvatoris et omnium sanctorum eius." 108 Offensichtlich bestand zu Angilberts Zeit
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die Möglichkeit, unter einem Patrozinium die ganze Kirche zu begreifen. Als dieser umfassendere Titel galt nur der des Salvators. 109 Diese erstaunliche Tatsache belegt noch einmal eine Urkunde aus dem Jahre 797, die zweifellos unter persönlicher Mitwirkung des Abtes entstand: Das Kloster Centula ist zu Ehren des Herrn und Erlösers Jesus Christus erbaut. Als weitere Patrone werden dessen Mutter Maria, der heilige Petrus und alle Apostel und viele Heilige genannt. Dann heißt es: I n diesem Kloster liegt auch der heilige Richarius begraben. 110 Zwei Jahre vor der Weihe galt Richarius noch nicht als Mitpatron! Zumindest ist bemerkenswert, daß er an letzter Stelle, nach Maria, den Aposteln und Heiligen genannt wird. Bei einer solchen Bewertung war — zu Angilberts Zeit — das Richariuspatrozinium nicht imstande, den Titel für die ganze Kirche oder gar für das ganze Kloster zu stellen. Um es zugespitzt noch einmal so zu formulieren: Das Salvatorpatrozinium konnte neben dem Westwerk auch der ganzen Kirche gelten, die Richariuskirche inbegriffen. Das Richariuspatrozinium aber stand bei Angilbert niemals für die ganze Kirche, es galt immer nur einem Teil des Ganzen. Schon hundert Jahre später hatte sich das Verhältnis der beiden Patrone in sein Gegenteil gewendet. Der Dominanz des Salvators im Doppelpatrozinium folgten auch Angilberts Zeitgenossen. In der Todesnachricht von 814 wird der Portikus „aecclesiae sancti Salvatoris sanctique Richarii" erwähnt. 111 Sein Sohn Nithard sprach von dem „opus mirificum", das Angilbert „in honore omnipotentis Dei sanctique Richarii" erbaut habe. 112 I m Güterverzeichnis von 831 heißt es, die größere Kirche von Centula sei „in honore sancti Salvatoris et sancti Richarii" erbaut. 113 Schließlich wird in einer gefälschten Bulle Leos I I I . für Centula ein „monasterium sancti Salvatoris sanctique Richarii" genannt. 1 1 4 Der Fälscher, der als Entstehungsdatum der Urkunde das J a h r 800 suggerieren wollte, verwandte diese Formulierung offenbar aus genauer Kenntnis des karolingischen Sprachgebrauchs. Hariulf benützte das umständliche Doppelpatrozinium nur ein einziges Mal, bezeichnenderweise an der Stelle seiner Chronik, in der er Angilberts Bautätigkeit würdigte. 115 Noch der letzte mittelalterliche Chronist des Klosters sprach von einem Salvator-Richariuskloster nur in dem Satz seines Berichtes, der Angilberts Kirchenbau galt. 116 Die Vorrangstellung des Salvatortitels innerhalb des Doppelpatroziniums wird schließlich durch die Urkunde von 797 belegt, die, am Aachener Hof ausgestellt, die in Aachen geläufige offizielle Bewertung ausgedrückt haben wird. 117 Noch die Bollandisten haben das Kloster Centula unter dem „titulo Sancti Salvatoris" und den Teil des Langhauses, in den Angilbert 842 umgebettet wurde, als Teil der Salvatorkirche gesehen. 118 Mabillon ordnete sogar den östlichen Turm der Salvatorkirche zu: „Salvatoris porro ecclesia habebat ab Oriente ingentem turrem". 1 1 9 Man sollte meinen, daß Altäre, die ihr Patrozinium nicht wechseln, über Jahrhunderte hinweg ihre Bedeutung im Bewußtsein der Gläubigen unverändert behalten. Die Centulaer Quellen zeigen vom 8. zum 9. Jahrhundert jedoch den Absturz der auf das karolingische Königtum bezogenen Salvatorsymbolik und damit die hochgradige Abhängigkeit religiöser Vorstellungen von geschichtlichen Prozessen. Der heilige Richarius, der vor dem Eintreffen Angilberts hier geherrscht hatte, trat nun wieder in seine alten Besitzrechte ein. Spätestens seit dem 11. Jahrhundert war den Mönchen von Centula das Salvatorpatrozinium kein lebendiger Besitz mehr. Wer sich — wie Hariulf — in den karolingischen Urkunden auskannte, wußte wohl, daß der westliche Teil der Kirche einstmals einen eigenen Weihetitel getragen hatte, 120 aber der Sinn dieser besonderen Weihe war keinem mehr recht gegenwärtig. Wie sehr das Salvatorpatrozinium
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als etwas Altertümliches, Merkwürdiges begriffen wurde, zeigt die Bemerkung Hariulfs, der westliche Turm der Kirche sei einstmals — olim — auf den Namen des Erlösers geweiht gewesen. 121 Der Salvatoraltar s t a n d noch immer an der alten Stelle, 122 aber er galt offensichtlich nicht mehr als H a u p t a l t a r einer besonderen Kirche. N u n war es Richarius, der dem Kloster und der Großen Kirche den N a m e n gab. Von einer Salvatorkirche oder einem Salvatorkloster wird ü b e r h a u p t nicht mehr gesprochen, sind alte Urkunden zu zitieren, tauscht m a n selbständig die Bezeichnungen aus. 1 2 3 Das Doppelpatrozinium wird nur an den erwähnten Stellen — als Ergebnis historischer Rekonstruktion — aufgeführt. 1 2 4 Als neuer Titel hat sich durchgesetzt u n d wird ohne Ausnahme gebraucht „monasterium sancti Richarii" 1 2 5 oder „abbatia sancti Richarii" 1 2 6 . Dem entsprechen die Benennungen „templum sancti Richarii" 1 2 7 und „ecclesia sancti Richarii" 1 2 8 oder „basilica sancti Richarii" 1 2 9 , die nun nicht mehr eine Teilkirche, sondern den gesamten Bau der ecclesia maior umfassen, d a s Westwerk inbegriffen. D a s wird eindeutig belegt etwa durch die Formulierung von der „major ecclesia, quae sancti Richarii est" 130 : Die größere Kirche — als Ganzes — ist Richarius Untertan. Schließlich zeigen solche Ämter wie „custos ecclesiae sancti Richarii" 1 3 1 oder „thesaurarius sancti Richarii" 1 3 2 oder „ecclesiae sancti Richarii defensor" 1 3 3 , d a ß das alte Salvatorpatrozinium aus dem Gebrauch u n d dem Gedächtnis geschwunden war. N u n lassen sich Vorgänge, die sich in der Richariuskirche abgespielt haben, nicht mehr eindeutig lokalisieren : Sie könnten auch im Westwerk stattgefunden haben. Die Bedeut u n g des Richariuspatroziniums, die schließlich an die Stelle des alten Ortsnamens Centula (öder Centulum) den heutigen Namen Saint-Riquier treten ließ, wird f a ß b a r bereits unmittelbar nach der Mitte des 9. Jahrhunderts. 1 3 4 Zur philologischen Interpretation
von „buticum"
Angilbert verfügte über 14 Ausdrücke, mit denen er architektonische Sachverhalte des Kirchengebäudes direkt bezeichnete: cripta 1 3 5 , turris 1 3 6 , coclea 137 , ambulatoria 1 3 8 , gradus 1 3 9 , fundamentum 1 4 0 , pavimentum 1 4 1 , arcus 1 4 2 , columnae 1 4 3 , porta 1 4 4 , ostium 1 4 5 , claustrum 1 4 6 , .paradisus 1 4 7 und buticum 1 4 8 . Mit Ausnahme des letzteren lassen sich alle Termini auf konkrete Örtlichkeiten bzw. Bauteile der Großen Kirche beziehen, buticum blieb bislang unaufgeklärt. Dem eigentümlichen Wort, das sich bisher nur in Centula h a t nachweisen lassen, muß fin auffallender Bereich der Architektur entsprochen haben. Zunächst sei der sprachliche Befund gegeben. 149 Angilbert ordnet die drei Chöre der Vigilien des Karfreitags so an, daß die erst J Gruppe, die aus Brüdern besteht, vor den Kreuzaltar zu stehen k o m m t , die zweite, von den K n a b e n der Klosterschule gebildet, westlich vor das Richariusgrab und die dritte „unterhalb des buticum", und zwar „hier u n d da," „auf beiden Seiten", „des deux cotés", wie Georges D u r a n d s schrieb : 150 „In Parasceue uero Uigilae in tribus choris impleantur. Quorum sit unus f r a t r u m coram altare ipsius sancte crucis, alius puerorum in throno sancti Richarii ab occidente, tertius uero infra buticum, hinc et inde." 1 5 1 Da sich der Kreuzaltar in der Mitte des Langhauses u n d des Richariusgrab in der Mitte des östlichen Altarhauses erhoben haben dürften, 1 5 2 scheiden der westliche Teil des Mittelschiffes u n d der westliche Teil des S a n k t u a r i u m s als buticum aus. „Infra" läßt zugleich vermuten, daß vor oder unter dem buticum Platz f ü r einen Chor gewesen sein muß, der sich hier offensichtlich als „chorus d e x t e r " u n d „chorus sinister", also zweigeteilt anordnete.
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Hariulf, der Autor des 11. Jh., rechnete mit einer veränderten Disposition der Kirche. Der Bereich des Langhauses zwischen Kreuzaltar und Querhaus, in dem sich früher normalerweise einer der drei Hauptchöre, der „chorus ante passionem" 153 aufgehalten hatte — nach Osten hin beschloß diesen Bereich das Bildwerk der Passio —, war zum „cancellus" geworden, dem ständigen, durch Gitter oder Schranken bezeichneten und mit einem festen Gestühl versehenen Ort des mönchischen Gottesdienstes. Die Stellung des Chorgestühls vor dem Querhausbereich, also im Langhaus, hat Hariulf eindeutig überliefert: „(ecclesia, F. M.) habet ingentem turrem post cancellum", 1M der gewaltige Turm der östlichen Kirchenpartie erhob sich — vom Eingang her gesehen — nach dem Chor der Mönche, der demnach noch zu Hariulfs Zeit nicht in ihn hineingereicht hat. Zu diesem östlichen Turm zählte Hariulf neben dem cancellus auch das buticum: „Turris ergo orientalis cum cancello et butico sancto Richario dicata est." 1 5 5 Das Westwerk nannte er einfach den „westlichen T u r m " : „et turris occidentalis in honore Salvatoris specialiter est dicata." 1 5 6 Was veranlaßte ihn, cancellus und buticum im Falle des östlichen Turmes gesondert zu erwähnen? Ragte etwa das buticum aus dem Umriß des Turmbereiches so auffällig wie der — wir wiederholen es: im Langhaus liegende — cancellus heraus, meinte es vielleicht das Altarhaus mit Apsis, das den Turmbezirk nach Osten bedeutungsvoll erweiterte? Das Sanktuarium mit den Grabmälern des Richarius, Caidoc und Frigor und dem Richariusaltar war freilich bereits durch Angilbert als „thronus sancti Richarii" bezeichnet und im selben Satz vom buticum abgehoben worden. Man sollte meinen, daß Hariulf, der Angilberts Schriften genau kannte, dem Sprachgebrauch des verehrten Gründerabtes streng gefolgt ist. Das würde nun heißen: Das buticum befand sich nicht im Langhaus, erst recht nicht im Westwerk, es ist wahrscheinlich auch nicht identisch mit dem östlichen Sanktuarium. Im buticum standen marmorne Säulen. Hariulf berichtet, wie eine dieser Säulen den Bauleuten beim Aufstellen zersprang: „Cum ergo marmoreae columnae in butico erigerentur, una inter erigentium manus lapsa in duo frusta confracta est." 157 Eine Säulenschranke trennte das Richariusgrab im thronus vom übrigen Sanktuarium, aber diese Säulen waren, wie Angilbert und Hariulf übereinstimmend berichten, aus Kupfer, Silber und Gold. 158 Das buticum muß von beträchtlicher Ausdehnung gewesen sein. Hariulf erzählt von einer wunderbaren Lichterscheinung, die zunächst das Obergeschoß des Westwerks ausfüllte, um dann, sich ausbreitend, das ganze buticum der Basilika zu füllen. Der Konverse Hugo, der auf einer Bank im cancellus saß, „vidit fusam lucem totam turrem (Salvatorem, F. M.) replesse, quae se dilatans totum buticum basilicae coepit implere." Das Licht strebte dann weiter zur Grabstätte des Richarius: „at monachus videns oculis caelestem lucem eo tendere quo beatissimi Richarii corpus quiescit." Zwischen buticum und thronus wird also auch hier unterschieden. Hugo holte daraufhin einen zweiten Bruder, um einen Zeugen für das Wunder zu haben, und beide sahen, wie jetzt das göttliche Licht die ganze Basilika ausfüllte: „viderunt divino lumine totam completam basilicam". Den gleichen Weg des Lichtwunders vom Westwerk zur Grabstätte des Richarius — „ad honorabilem Memoriam sancti Richarii" — und dessen Rückfluten an die übrigen Orte der Kirche — „et jam per caetera basilicae loca se dilataret lumen supernum" — beobachtete gleichzeitig der im West werk stehende Abt Gervinus. 159 Das buticum lag also zwischen Westwerk und östlichem Sanktuarium. Da das Langhaus aus zwingenden Gründen, wie wir gesehen hatten, mit dem buticum nicht gleichgesetzt werden kann und auch das östliche Altarhaus von der Licht-
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erscheinung erst nach dein Passieren des buticum erreicht wird, grenzt sich der Ort des buticum auf den Bereich ein, der normalerweise „Vierung" genannt wird. Mit dieser Behauptung treten wir in Gegensatz zur gesamten bisherigen Forschung. Georges Durand hatte 1911 auf philologischem Wege von buticum auf „buticula" und „bouteille", das ist Flasche, und von „buttis" und „Bütte" auf Faß, Wanne und Lampe geschlossen und in der ApsisderCentulaerKircheein halbes Faß oder eine halbe umgestürzte Lampe gesehen, „une demie cuve ou d'une demie lampe renversée", buticum galt ihm gleichbedeutend mit „l'apside". 160 Schon am Ende des 19. J h . waren Hugo Graf 1 6 1 und Heinrich Holtzinger 162 vom buticum auf das „Chorhaupt" geführt worden, und noch Carol Heitz übersetzte 1963 „infra buticum" mit „derrière l'autel de Saint-Riquier" 1 6 3 . Die Reihenfolge, in der Angilbert die Chöre der Karfreitagsvigilien nannte, scheint für die Gleichsetzung von buticum mit Apsis des Sanktuariums zu sprechen. Dem chorus „coram altare sanctae crucis" im westlichen Teil desLanghauses wäre weiter östlich der chorus „in throno sancti Richarii ab occidente", das heißt im westlichen Teil des Altarhauses gefolgt, ganz im Osten, gleichsam — die fiktive Formulierung sei erlaubt — „in throno sancti Richarii ab oriente" hätte dann inner- oder Unterhalb der Apsis der dritte Chor seinen Platz gefunden. Die lineare Anordnung von Sängergruppen auf der Westachse ist jedoch modern gedacht. Im Libellus nannte Angilbert gemäß dem Doppelpatrozinium der großen Kirche zuerst den Salvatorchor im Westwerk, dann den Richariuschor im Sanktuarium und schließlich — in die Mitte der Kirche zurückspringend — den „chorus psallens ante sanctam Passionem." 16/1 Zur Feier der Kreuzanbetung schritt er vom Chor vor dem Kreuzaltar zu dem im Sanktuarium (es folgt eine Auslassung im Manuskript), am Ende der Aufzählung erscheint der Chor am Salvatoraltar im Westen der Kirche. 165 Durands auf philologischen Erwägungen aufgebaute Hypothese entbehrt der liturgischen Begründung auch aus einem praktischen Grund. In der großen Kirche von Centula besetzten 100 Mönche jeweils einen R a u m von ca. 120 m 2 Fläche. 166 Soviel — oder nicht viel mehr — dürfte auch das Sanktuarium bis zum Ansatz der — vermuteten — Apsisrundung gemessen haben, das durch die aufwendigen Grabmäler ohnehin an nutzbarem Raumvolumen eingebüßt hatte. Sich hier zwei der großen Chöre zu denken, geht schon aus Platzgründen kaum an. Weder befand sich das buticum im Sanktuarium noch stellte es dieses dar. Ein J a h r nach Georges Durand — 1912 — hatte Wilhelm E f f m a n n versucht, „in dem Buticum das Langhaus zu erblicken". 167 Die am schlechtesten begründete These 168 hat vor allem in der deutschen Forschung nahezu kanonische Geltung erlangt. Noch 1964 konnte Edgar Lehmann erklären: „DasLanghaus hieß aber ,buticum'", 169 im ersten Band des Mittellateinischen Wörterbuchs von 1967 heißt es: „buticum, i, n. navis ecclesiae — Langhaus". 1 7 0 Ausgangspunkt und Hauptstütze dieser Deutung ist der Bericht über die Lichterscheinung, die vom Westwerk zum Sanktuarium fließt und dabei „totum buticum basilicae" ausfüllt. Es ist freilich seltsam zu sehen, daß der Ausbreitung des Lichtes durch das Langhaus nicht gedacht worden ist. Das hängt vielleicht zusammen mit der auch sonst bei Hariulf zu findenden eigentümlichen Abwertung des Langhauses, das praktisch nur als Verbindung zwischen West- und Ostturm erscheint. Hariulf sah in Angilberts „fulgentissima ecclesia" 171 vor allem ein Turmgefüge. Wir geben den bereits zitierten Satz nun im vollen Wortlaut: „Haec (ecclesia, F. M.) ab oriente habet ingentem turrem post cancellum, et, interposito vestíbulo, alia turris versus occidentem habetur priori aequalis." 172 Auch in der Bemerkung über die Patrozinien der Kirche ist nur von Türmen die Rede 1 7 3 — eigentüm-
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liehe sprachliche Umsetzung eines architektonischen Gestaltungsprinzips, das Edgar Lehmann „wägende Gruppierung" genannt hat. 174 Den Türmen im Osten und Westen muß das besondere Interesse der Erbauer und der späteren Nutzer der großen Kirche von Centula gegolten haben. Unsere Haupteinwände gegen die Langhausthese folgen — um e"s noch einmal zu sagen — aus Angilberts Karfreitagsanordnung 1 7 5 und Hariulfs Weihenotiz 176 , die den westlichen Teil des Mittelschiffs — „coram altare sanete crucis" — und dessen östliche Erstreckung — den „cancellus" — mit Sicherheit vom buticum unterscheiden. Bezieht sich buticum auf die Mitte des Querhauses, auf eine Vierung? Zwei Gründe scheinen dagegen zu sprechen. Der Bereich „infra buticum", der dann auf die östlichen Joche des Langhauses entfiele, hieß bei Angilbert „ante passionem" und bei Hariulf „cancellus". Hariulf verfügte außerdem über den Begriff der „turris orientalis". 177 Schließlich hat Edgar Lehmann mit guten Gründen vermutet, daß die bei Angilbert sich findenden „arcus ecclesiae", vor allem die „arcus mediae ecclesiae" 178 die „seitlichen Vierungsbögen" gemeint haben könnten 1 7 9 — also Auedrücke genug, die die Wortprägung buticum hätten überflüssig machen müssen. Der „Vierung" eignete offensichtlich ein Ausdruckswert, der den eigentümlichen Begriff dennoch erzwang. Zwei ältere Erläuterungen sind hier heranzuziehen. Kassius Hallinger teilt in der von ihm besorgten neuesten Ausgabe der Angilbertschen „Institutio" den Zusatz einer mittelalterlichen Handschrift mit: „infra buticum Dei coni" 180 , Mabillon hatte Hariulfs Weihenachricht in der Form „cum cancello et butico seu culmine" überliefert. 181 Culmen und conus scheinen das buticum genauer zu charakterisieren: Es muß ein aufsteigender Bauteil auf kreisrundem Grundriß gewesen sein. „Culmen bezeichnet den höchsten Teil eines jeden Gegenstandes" 182 , dessen Gipfel, Kuppe, im übertragenen Sinne auch dessen Höhepunkt, den Berg und den Pflanzenhalm ebenso wie den Dachfirst eines Gebäudes. Auch zum conus, dem Kegel, gehört der Ausdruckswert des Aufragenden, zumeist auch des Runden und Kreisförmigen. 183 Das Wort kann die Ecke, die Grenze, den Winkel, das Ende, auch die Helmspitze in gleicher Weise bezeichnen wie die Spitze eines (runden?) Gebäudes. Unter „conus" verweist Du Cange auf einen Text von 1313, der unseren Zusammenhang zu erhellen hilft: „A cono seu bouto domus dicti Rectoris usque ad aliud Conum granchiae et jardini, de suo conquestu." 1 8 4 Das Haus des Rektors besaß danach einen „conus", aber auch die Scheune und der Garten (oder ein Gebäude dieses Gartens), dieser conus ist gleich dem butus (oder butum). Der butusförmige „Kegel Gottes" in Centula 1 8 5 — das kann sich nur auf den östlichen Turm als den architektonischen Kulminationspunkt der Richariuskirche bezogen haben. Nun dürfen wir vielleicht daran erinnern, daß Hariulf den Ausdruck „turris orientalis" auch unter Einschluß von Teilen des Langhauses sowie des gesamten Sanktuariums gebraucht, mehr im Sinne von „östlicher Partie der Kirche" denn als exakten Ausdruck für „Turm". Vielleicht bezeichnete buticum den inneren Raumeindruck des nach oben hin kegelförmig aufsteigenden runden Gebäudeteiles, das die Zeitgenossen unter Umständen tatsächlich an eine „bouteille", eine Flasche, an die Hohlform einer Tonne oder eines Bechers erinnerte. „Les anciens auteurs liturgiques, notamment, emploient souvent les termes butta, butto, butio, pour designer un vase creux". 186 Könnte „infra" in einem solchen Zusammenhang als „unterhalb" der aufsteigenden Hohlform, als „innerhalb" des Raumkegels gedacht gewesen sein? Der „infra buticum" stehende Chor der Angilbertschen Karfreitagsordnung hätte danach entweder das Turm joch selbst besetzt oder — darauf könnte „hinc et inde" verweisen —
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dessen nördlichen und südlichen Grenzbereich zu den Querräumen hin. Damit stellt sich auf überraschende Weise ein Bezug her zu der Sicht, die E d g a r Lehmann 1965 mit der Frage angeregt h a t t e : „Sollte hier (in Angilberts Karfreitagsordnung, F. M.) nicht eine kreuzförmige Anordnung der Chöre beschrieben sein, die symbolisch auf den Sinn des Tages hinwies?" 1 8 7 Wir meinen, diese Frage, die Edgar L e h m a n n noch „unentschieden zu lassen" vorschlug, weil sonst, „das Wort buticum anders gedeutet werden" müßte 1 8 8 , bejahen zu können. Die feierliche Anordnung der drei großen Chöre in der Nacht zum Sterbetag des Herrn bildete die Kreuzform des Kirchengrundrisses nach (Abb. 28), die Mönche sangen nun „in modum crucis", 189 das Turmjoch mit den angrenzenden Querschiffarmen wurde zum organisierenden Zentrum des liturgischen Bildes. Rotundenquerbauten in Centula, Ferrières-en-Gatinais
und Charroux
Die mit unserer buticum-Interpretation vorgetragene Hypothese von der Kreisform des östlichen Turmes in Centula ist der französischen Forschung von je her geläufig gewesen, hier freilich nur auf die Abbildung der ecclesia maior begründet, die Hariulf seiner Chronik beigegeben h a t t e (Abb. 23). An der West- und Ostseite des Langhauses entwickelt sich auf dem Bild jeweils ein mächtiger runder Tambour mit Okuli und einem Ringpultdach, auf ihm sitzt ein dreigeschossiger hölzerner Glockenturm, das „Tristegum". 1 9 0 Die Pultdächer über den quergerichteten Anbauten stehen in keiner Verbindung zum Dach des Langhauses, die Räume, die sie überdecken, scheinen allein auf die Hohlformen in der Mittelachse der Anlage bezogen zu sein. In den westlichen Tambour öffnete sich das Obergeschoß des Westwerks, der durch die Okuli erleuchtete Höhenbereich galt der Auszeichnung des Salvatoraltars. Man mußte in das Salvatorgeschoß hinaufsteigen, u m in die K u p p e l schauen zu können. Der Tambour des östlichen Turmes dagegen ließ sein Licht bis auf den Erdboden des Kirchengebäudes herabfallen. Wie sah der Centulaer Ostturm unterhalb des Tambours aus ? J e a n H u b e r t bezog ihn 1938 auf einen „plan circulaire ou polygonal" 1 9 1 , 1952 ließ er ihn vom Boden an als runde Form aufsteigen: „depuis le sol, par une construction de plan circulaire". 192 Honoré Bernard verstand ihn 1974 als „un édifice à plan centré", und zwar als einen Z e n t r a l b a u in der Art der Salvatorkirche von Charroux 1 9 3 (Abb. 33). Die französische Kunstwissenschaft hat vom runden Tambour stets auf den runden Grundriß des östlichen Turmes der Centulaer Kirche, das heißt auf die Form der R o t u n d e geschlossen. Die deutsche Architekturforschung, fixiert auf die suggestiven Rekonstruktionszeichnungen Wilhelm E f f m a n n s u n d auf eine Vorstellung von Querhaus u n d Vierung, die an der deutschen B a u k u n s t des 11. u n d 12. J a h r h u n d e r t s gebildet worden ist, hat sich zur Rotundenhypothese grundsätzlich ablehnend verhalten. Gisela Schwering-Illert erklärte noch 1963 in ihrer von Heinrich Lützeler u n d Helmut Beumann betreuten Dissertation: „für Centula (kann) eine Ostrotunde nicht glaubhaft nachgewiesen werden" 1 9 4 , Gerhard Noth postulierte 1967.: die „Querhausmitte" wird in Centula „ k a u m noch als gesonderter R a u m in Erscheinung getreten sein." 1 9 5 Gegen die Rot u n d e n f o r m wird die abgeschnürte Vierung gesetzt, die stets einen rechteckigen Grundriß des Vierungsturms verlangt. Sie gehört einer Entwicklungsstufe vor der Verkreuzung von Lang- u n d Querhaus, vor dem Erreichen der ausgeschiedenen Vierung an. Aus der ungleichen Höhe von Langhausdach und Querflügelabdeckung wurde dieser frühe Zustand der Querhaus- u n d Vierungsbildung auch f ü r die große Kirche von
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Centula gefolgert. Der abgeschnürten Vierung eignete freilich ein Moment, das sie mit der Rotunde teilte: die relative Selbständigkeit gegenüber der Basilika, in deren Verband sie gerückt worden war. Walter Boeckelmann hatte das 1954 in die Worte gefaßt: „Das Turm-Sein von unten bis oben war wohl der eigentliche Grund, Sinn und Zweck der abgeschnürten Vierung . . . Das Motiv des eingestellten Turmes war es, welches die abgeschnürte Vierung erzeugte . . . Der Turm inmitten der Kirchenanlage — turris in media basilica — muß eine besondere und wichtige Rolle in der Liturgie gespielt haben" 1 9 6 . Die abgeschnürte Vierung - so Hermann Beenken 1930 — ist auch technisch „von der Turmidee" abzuleiten. 197 Um es auf eine Formulierung zu bringen: Die deutsche Forschung hat bis zum heutigen Tag im Centulaer Ostturm eine Vorform der klassischen Vierung gesehen, „für die Hofkunst unter Karl" sei „das Motiv des lateinischen Kreuzgrundrisses mit Vierungst u r m " von grundsätzlicher Bedeutung gewesen 198 . Für die französische Kunstwissenschaft stand in Centula östlich des Langhauses eine echte, selbständige Zentralbauform in Rotundengestalt, kein Westwerk, sondern ein in der Verbindung der kreisförmigen Hohlform mit rechteckigen u.nd emporengefüllten Anräumen reich gegliedertes und bedeutungsvolles „Ostwerk", ein „opus orientalis" 199 . 1976 hatte Adolf Reinle, der Züricher Architekturhistoriker, einen vorsichtigen Ausgleich der beiden Anschauungen versucht: Der Centulaer Ostturm war „eine Art Zentralbau, zylindrisch hochragend, von runden Treppentürmchen begleitet und seitlich von mehrgeschossigen Fliigelbauten, offensichtlich nicht ,Querschiffen', flankiert. Ein Vierungsturm im üblichen Sinne war also der Ostbau kaum, sondern eben eher ein Zentralbau" 20°. Wir dürfen nun mit größerer Sicherheit sagen: Dieser „Turm" 2 0 1 in Centula, der die Zeitgenossen an eine Flasche erinnerte, muß eine Rotunde gewesen sein, die in entwickeltere Beziehungen zur Basilika gebracht worden war. Zentralbauten, „die sich mit einer Basilika verbinden" 2 0 2 , gehören zum klassischen Repertoire der frühen französischen Baukunst. 2°3 „Der Tristegum-Turm . . . (war) nicht gebunden an das Quadrat der Vierung." 204 Die Bindingsche Auflistung der basilikalen Querbau- und Querhausformen wäre für das frühe Mittelalter über das Römische Querschiff und den Zellenquerbau hinaus um einen „Rotundenquerbau" zu erweitern 205 . (Den von Wilhelm Schlink eingebrachten Terminus „Vierungsrotunde" 206 möchten wir auch aus sprachlogischen Gründen nicht übernehmen). Wie eine ferne Erinnerung an eine solche Kompilation von Zentralbauform, Queranlage und Langhaus wirkt der „in die Querhausmitte eingestellte Turm" der westfranzösischen „Passagenkirche" des 11. Jahrhunderts. 2 0 7 Das turmtragende Joch nimmt hier „im Gefüge des Gesamtbaues" den Platz der Vierung ein 208 , ohne Vierung zu sein. Zwei französische Denkmäler, in ihrer heutigen Substanz freilich erst aus nachkarolingischer Zeit, besitzen die Elemente, die auch den Centulaer Rotundenquerbau charakterisieren: den „lotartig aufgipfelnden Turm" östlich des Langhauses, der im Inneren als „schachtartig hochragender Mittelraum" empfunden wird (Abb. 32), „in der Querrichtung durch kurze Kreuzarme", durch „kurze Querhausarme" verbreitert und auf einem runden bzw. polygonalen Grundriß stehend 209 . Auf die Kirchen in Ferrieresen-Gatinais und in Charroux hatte zuerst Jean Hubert verwiesen. Auch diese Bauten kennen die „Hintereinanderschaltung von Rotunde und Basilika", die „Durchdringung einer monumentalen Basilikenanlage mit einer großartigen Rotunde", die Einordnung der Rotunden „in das Schema der kreuzförmigen Basilika", auch hier wurde „anstelle des Vierungsturmes eine Rotunde oder ein Oktogon" errichtet. 210 Der dem
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Ganzen der Kirchenanlage „eingepflanzte Zentralbau" dehnt sich in seinen begleitenden R ä u m e n aus „wie ein atmender Körper" 2 1 1 . D a s a m Anfang des 13. J a h r h u n d e r t s errichtete Oktogon der Kirche von Ferneresen-Gatinais (Abb. 31) besitzt einen inneren Umgang aus acht gemauerten Rundpfeilern, der sich nach Norden u n d Süden in querhaus- bzw. sakristeiartige R ä u m e u n d nach Osten in einen polygonal geschlossenen Chor entfaltet. I n den Zentralbau m ü n det das einschiffige Langhaus. „Das Oktogon soll als Grundform auf den Stifter Abt Aldric (811 bis 828) zurückgehen, der N o t a r der kaiserlichen Kanzlei war u n d deshalb möglicherweise dem Aachener Bau (der Aachener Pfalzkapelle, F . M.) nachstreben wollte" 2 1 2 . Gleichfalls in karolingische Zeit f ü h r t die Entstehungsgeschichte der Salvatorkirche von Charroux, deren heutiger Bau 1147 geweiht worden ist. Als K e r n einer sich in gewaltigen Maßen erstreckenden R o t u n d e hat sich der mittlere L a t e r n e n t u r m erhalten (Abb. 34), den drei Umgänge umzogen — auch diese nach Norden, Süden u n d Osten in eigene R ä u m e erweitert — (Abb. 33), „une rotunde majesteuse, au milieu de cette rotonde est l'autel de Saint-Sauveur" 2 1 3 . I n der Mitte des R u n d b a u s , vom flaschenartig aufsteigenden schmalen L a t e r n e n t u r m wie von einem E t u i umfangen u n d wie von einem Baldachin bekrönt, s t a n d ursprünglich der H a u p t a l t a r der Kirche, u n t e r ihm b e f a n d sich eine K r y p t a (Abb. 32). Acht Pfeiler mit Halbkreisvorlagen, die den T u r m tragen, werden im Erdgeschoß durch eine runde, vom ersten Obergeschoß an von einer polygonal gebrochenen Mauer verbunden. Der heute noch mögliche Blick im Flaschenturm nach oben (Abb. 34), aber auch die Stellung des röhrenförmigen Gebildes im Längsschnitt der Kirche vermittelt eine Ahnung vom mögliehen Erscheinungsbild des Centulaer buticum-Turmes. Die zwischen 769 u n d 789 vollzogene Gründung der Abtei Charroux geht auf einen Grafen der Auvergne zurück, dessen T e s t a m e n t im J a h r e 799 von der königlichen Kanzlei in Aachen bestätigt wurde, gleichzeitig erhielt die Abtei das Privileg der königlichen Immunität. 2 1 4 Legenden, die die Stiftung von Charroux K a r l dem Großen zuschreiben, gehören dem 11. J a h r h u n d e r t an. Unter Ludwig dem F r o m m e n war das Anwesen kaiserliches Eigenkloster 2 1 5 . Der Weihetitel der karolingischen Kirche, den das Testament überliefert, erweist sich in der Formulierung als dem Aachener u n d dem Centulaer Sprachgebrauch v e r w a n d t : „in honore sancti Salvatoris sanctissimeque ipsius genitricis" 2 1 6 . Gisela Schwering-Illert, die der Rekonstruktion der Abteikirche eine gründliche Dissertation gewidmet hat, rechnete wohl mit der Möglichkeit, „ d a ß lange vor dem monumentalen Ausbau der Abteikirche von Charroux im 11. J a h r h u n dert Zentralbauten in Verbindung mit Basiliken üblich waren", sie wagte jedoch nicht, die Frage positiv zu beantworten, ob sich die Anlagen hier u n d in Ferrières-en-Gatinais „auf ältere Vorbilder" stützen können 2 1 7 . Honoré Bernard n a h m 1974 den Centulaer O s t t u r m als „un Charroux a v a n t la lettre" 218 , als ein Charroux vor Charroux. Wir meinen auch : Die R o t u n d e n q u e r b a u t e n von Centula u n d Charroux sind ihrer G r u n d s t r u k t u r nach miteinander verwandt.
Salvatorreliquien
im Aachener
Umkreis
Zentralbauten sindin der Regel Schutz- u n d Hegeräume über kultisch verehrten Objekten 2 1 9 , Zentralbauten „in oder an einem L ä n g s b a u " dienen der „Auszeichnung einer heiligen S t ä t t e " 220 . I m karolingischen Charroux fungierten als zentrales Heiltum palä3
Möbius
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stinensische Reliquien, die „in engstem Zusammenhang mit dem Kreuzestod und der Grablegung Christi standen" 221. Das Sammeln von „Reliquien aus der engsten Umgebung Christi" 222 hatte vielleicht mit jenem in einer Legende erwähnten Pilger begonnen, der ein Stück des Kreuzesholzes aus dem heiligen Lande mitgebracht hatte, dieses Stück könnte schon in der „capsa" enthalten gewesen sein, die der Stiftergraf und dessen Ehefrau dem Kloster testamentarisch vermachten 2 2 3 . Im 11. Jahrhundert wußte man von Reliquienschenkungen Karls des Großen nach Charroux, die dieser seinerseits vom Patriarchen von Jerusalem erhalten haben soll.224 Bis zur Mitte des 11. J a h r h u n derts nahm jedenfalls „die Kreuzesreliquie . . . den ersten und bedeutendsten Platz unter den Reliquien von Charroux ein" 225 . Ein 1045 verfaßtes Reliquienprotokoll beginnt mit folgenden Titeln: De radice ilicis Mambre, ubi Dominus locutus est cum Abraham in figura Trinitatis. De presepio Jesu Christi. De tritico quod ipse Christus suis manibus seminavit. De ramis et foliis olivarum cum quibus obviaverunt Domino pueri Hebreorum. De vinculo corrigie de quo Dominus vinctus fuit ad flagellandum. De vestimento et tunica et casula Domini Jesu. De ligno sancte crucis porciuncule duodecim. De spongia ori Domini oblata et de arundine in qua fuit circumligata. De sudario quod fuit super caput Jesu et de sepulchro eius abundanter. De infractione panis quem Dominus dedit discipulis suis. I)e lacte sancte Marie et vestimentis eius. In einer folgenden Gruppe erscheinen Erinnerungen an die Apostel Petrus und Paulus, den heiligen Andreas und Johannes den Evangelisten. Die insgesamt 51 Reliquien machten die Mönche von Charroux jeweils am Gründonnerstag dem Volke zugänglich. 226 Die — außergewöhnlichen - Wurzeln der Eiche in Mambre bezeugen die Symbolkraft der „figura Trinitatis", von der Karl der Große in der Admonitio generalis im März 789 verlangt hatte, daß sie neben der Geburt, Kreuzigung, der Auferstehung u n d Himmelfahrt Christi „allen sorgfältig zu predigen" sei - „. . . Fides sanctae Trinitatis . . . diligenter omnibus predicetur" 227 — und nach der Angilbert in Centula den Grundriß seines Klosters zur Belehrung der Gläubigen ausgerichtet hatte — „quia igitur omnis plebs fideliumsanctissimamatque inseparabilem Trinitatem confiteri venerari et mente colere firmiterque credere debet" 2 2 8 . Die übrigen Reliquien hoben aus dem Lebensweg des Erlösers zwei zentrale Stationen des Heilsgeschehens heraus: die Incarnatio Domini mit der Krippe, in der der Säugling g e l e g e n , und mit der Milch, die ihm seine Mutter gespendet hatte und die Passio mit den Olivenzweigen und Blättern, die die jungen Israeliten Christus beim Einzug in Jerusalem entgegengetragen hatten sowie den Resten des Brotes, das der Herr seinen Jüngern gereicht hatte. Das Karfreitagsgeschehen, dessen Bezug das Zentrum des Gnadenschatzes ausmachte, vergegenwärtigten sechs Partikelpositionen: Stücke der Fesseln, mit denen Christus bei der Geißelung festgebunden war, 12 kleine Fragmente vom Holz des heiligen Kreuzes, ein Teil des Schwammes, der Christus zum Kreuz hinaufgereicht wurde mitsamt den Resten des Stockes, den man dabei verwendete, etwas vom Schweißtuch, das auf dem H a u p t des Herrn gewesen war, Gewand, Tunika und Mantel, um das die Kriegsknechte würfelten, schließlich ein bedeutendes Stück vom Grab.
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Der gleichen Dominanz der Herrenreliquien begegnen wir im karolingischen Reichskloster Centula. Cai ol Heitz hat den Inhalt der hier überlieferten „capsa maior" geradezu „un véritable résumé de la Vie et de la Passion du Christ" nennen können 2 2 9 . Unter der Überschrift „Reliquiae domini Salvatoris" nennt Angilbert u. a. : De ligno Domini. De veste eius. De sandaliis eius. De praesepe eius. De spongia eius. De J o r d a n e ubi baptizatus est. De petra ubi sedit quando 5000 hominum pavit. De pane ilio unde distribuii discipulis. De candela quae in Nativitate eius accensa est. De monte Oliveti ubi oravit. De mensa eius. De monte ubi transfiguratus est. De columna ubi flagellatus est. De ligaminibus unde ligatus fuit. De petra unde crucem ascendit. De olavis unde erucifixus est. De loco Calvariae. De buccella ubi fei et acetum mixtum fuit. De petra super quam sanguis de latere eius stillavit. De sepulchro Domini. De lapide revoluto ab ostio monumenti. De lacte sanctae Mariae. I m folgenden verweist Angilbert u. a. auf Reliquien der Apostel Petrus, Paulus, Andreas und des Evangelisten Johannes 2 3 0 . Das Gedankengut der Incarnatio Domini bzw. der Nativitas wird auch in Centula durch die Krippe des Säuglings und die Milch der Mutter aufgerufen, bereichert um die Kerze, die in der Geburtsnacht geleuchtet hatte. Vielleicht darf man, da im Kirchengebäude das Bildwerk der Geburt Christi und das Taufbecken sich im engen räumlichen Zusammenhang befanden, das Jordanwasser, in dem Christus getauft worden ist, zum Nativitaskomplex hinzurechnen. Über die Speisung der Fünftausend und die Verklärung auf dem Berge Tabor leitete die Reliquiensammlung zum gleichen Zentralthema der Passio über. Auch hier gab es Reste von dem Brot, das Christus an seine Jünger verteilte, ein Zeugnis der Geißelung in Gestalt der Säule, an die er gebunden war, Stücke vom Kreuzesholz. Der mit Galle und Essig getränkte Schwamm, der mit einem Stab an Christi Mund geführt wurde, wird in zweierlei Form genannt, als spongia (Schwamm) und buccella (kleines Brot). Vertreten sind in Centula auch Bestandteile der Kleidung, die an die Kriegsknechte ging, hier mit besonderer Erwähnung der Sandalen, schließlich Hinweise auf das Grab des Herrn. Der Centulaer Reliquienschatz bereicherte die Vorstellung der Passion Christi gegenüber Charroux durch das Element des Tisches, an dem der Heiland mit seinen Jüngern speiste, des Ölberges, an dem er betete, des Steines, auf dem sich das Kreuz erhob sowie des Kalvarienberges überhaupt. E r enthielt Nägel, mit denen Christus am Kreuz befestigt wurde, Reste des Steines, über den dessen Blut geflossen war sowie der Binden, in die man den vom 8«
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Kreuz Genommenen eingehüllt hatte. Ein weiterer Unterschied zu Charroux darf nicht unerwähnt bleiben: I m Kloster des Angilbert reichten die Salvatorreliquien mit den Resten des Steines, der vom Eingang des Grabes weggewälzt worden war, bis in den Heilskomplex der Resurrectio hinein. Salvatorreliquien waren die ältesten und ehrwürdigsten Heiltümer der Christenheit. E s verwundert nicht, sie in der größten Zahl und der höchsten Differenzierung, nun auch durch zeitgenössische Quellen einwandfrei belegt, dort zu finden, wo der Salvatorkult ein staatspolitisches Programm verkörperte. Für Karl den Großen scheint der Erwerb palästinensischer Glaubenszeugnisse für seine „sedes davidica" 231, sein neues Jerusalem, eine fast strategische Bedeutung besessen zu haben. Im Jahre 799 traf in Aachen eine große Reliquienschenkung des Patriarchen von Jerusalem ein 232 , deren einzelne Partikel „in Beziehung zum Grabe bzw. der Auferstehungsstätte des Herrn standen" 233. Ein J ä h r zuvor hatte Alkuin an Karl geschrieben, daß die Aachener Pfalzkapelle „in Hierusalem optatae patriae", in Jerusalem, dem angenehmen Vaterland, als Tempel f ü r Gott erbaut werde „durch die Kunst des weisesten Salomo" (damit war der Empfänger des Briefes gemeint) — „ubi templum sapientissimi Salomonis arte Deo construitur" 234. Ein J a h r nach der Reliquienschenkung bat der Berater Karls des Großen den Patriarchen von Jerusalem um Aufnahme in die Gebetsbrüderschaft 2 3 5 . Angilbert berichtete von Gesandtschaften Karls nach Konstantinopel und Jerusalem — „de Constantinopoli vel Hierosolimis perlegatos illuc a domino meo directus" 236 —, die nach „biblischen Heiligtümern" 237 Ausschau hielten. In Jerusalem lebten fränkische Pilgermönche, „die zur Hofgeseilschaft Karls des Großen K o n t a k t e hatten" 2 3 8 . Anno Domini 800 erhielt Karl der Große vom Priester Zacharias und zwei Mönchen — einer kam vom ÖJberg, der andere aus Bethlehem — im Auftrag des „episcopus Hierosolymorum" 23! > „claves sepulchri dominici ac loci calvariae, claves etiam civitatis et montis cum vexillo" 2 '' 0 , wohl nicht die Schlüssel, sondern schlüsseiförmige Reliquienbehälter mit Partikeln vom Heiligen Grab, vom Kalvarienberg, von der heiligen Stadt und vom Ölberg. „Der neue David, dessen Residenz zu Aachen als zweites irdisches Jerusalem gelten konnte, bedurfte wenigstens der symbolischen Herrschaft über die heiligen Stätten." 2 '* 1 „Vexillum" dürfte nicht eine Fahne gemeint haben, sondern ein Teilchen vom Kreuzholz 242 . Bruchstückhaft verzeichnet ein karolingischer Text für die Aachener Pfalzkapelle: De velamine quod habuit in capite suo. De uestimentis domini cum quibus crucifixus est et scandalia domini. De capillis sancte marie. De pannis domini quibus in presepio inuolutus et de ipso presepio. De fascia cum qua ligatus fuit. De spongia domini. De sepulchro domini. De capistro quo manus domini ligate fuerunt. De lapide caluarie super quem sanguis domini effusus est. De linteo quo dominus pedes discipulorum suorum tersit 243 . Selbst in der unvollständigen Form werden die Schwerpunkte Nativitas and Passio deutlich, die auch die Reliquienbestände von Charroux undCentula bezeichnen. Den geistigen Zusammenhang der drei Kirchenheiltümer belegen die Krippe — in Aachen treten die Windeln des Säuglings hinzu —, Geißelerinnerungen, hier in Gestalt von Handfesseln, das Holz des Kreuzes, der Schwamm, die Kleidung Christi — in Aachen
Buticum in Centula
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und Centula mit besonderer Hervorhebung der Sandalen —, Binden, in die der Leichnam eingehüllt wurde (Centula: „De ligaminibus unde ligatus f u i t " , Aachen: „De fascia cum q u a ligatus fuit"), an allen drei Orten gab es Reliquien „de sepulchro". Das Geschehen des Gründonnerstags, dem in Charroux u n d Centula Reste des Abendmahlbrotes galten, wird in Aachen zitiert durch d a s Tuch, mit dem Christus die Füße seiner J ü n g e r getrocknet hat. Dem Partikel „De sudario quod f u i t super caput J e s u " in Charroux entsprach in Aachen: „De velamine quod habuit in capite suo", der von Angilbert mit „De petra super q u a m sanguis de latere eius stillavit" bezeichnete Gegenstand wurde in Aachen „De lapide caluarie super quem sanguis domini effusus est" genannt. Die Verwandtschaft der Aachener und Centulaer Heiltümer geht auf den heute noch in der katholischen Kirche geläufigen Brauch der Reliquienteilung zurück. „De sacro palatio", aus dem Schatz der Aachener Pfalzkapelle h a t t e Angilbert durch die Milde seines Herrn von allen Stücken der d o r t zusammengetragenen Reliquiensammlung ein Teilchen erhalten 2 4 4 . „ F ü r einen großen Teil der Reliquien von St. Riquier (läßt sich) die H e r k u n f t aus dem Aachener Reliquienschatz Karls des Großen erschließen" 245 . Der gleiche Vorgang wurde auch f ü r die Reichsabtei P r ü m rekonstruiert. Kaiser L o t h a r I., „als er 855 dorthin sterben ging", nahm Aachener Salvatorreliquien mit 2 4 6 . Ein Schatzverzeichnis von 1003 n e n n t : De scandaliis domini. De ligno s. crucis. De sepulchro domini. De loco caluarie. De presepio domni. Deinde sanimentum de lapide ubi orauit in monte oliueti. De sudario domni. De spongia. De columpna ad q u a m in passione dominus flagellatus est. De spinea Corona.247 D a s sind Aachener Reliquien! Heinrich Schiffers h a t auf die Übereinstimmung der Reliquienverzeichnisse von Aachen, Centula u n d P r ü m (wir dürfen hinzufügen: Charroux) „nicht nur in der Art, sondern auch in der Beschriftung" hingewiesen. 248 I n dem Jahrzehnt, in dem Angilbert seine große Kirche in Centula baute, h ä u f t e sich „in auffallender Weise" der auf Christuszeugnisse orientierte „Reliquienerwerb durch K a r l den Großen" 2 4 9 . Die Aachener Pfalz wurde gleichsam zum Sammelzent r u m palästinensischer Erinnerungen im fränkischen Reich. Von ihr aus f ü h r t e d a n n offensichtlich ein sich verzweigender Reliquienstrom in alle die Klöster u n d Stifte, die mit dem Aachener Hof in diplomatischen Beziehungen standen. Vielleicht bewahren die Legenden von Aachener Reliquienschenkungen nach Charroux einen tatsächlichen historischen Vorgang. Wer Reliquien verehrte, m u ß t e annehmen, d a ß in den irdischen Überresten die K r ä f t e des Toten weiterwirkten. Noch die Ketzer von Montaillou schnitten im 13. J a h r h u n d e r t dem verstorbenen Hausvater Fingernägel u n d Haarlocken ab und bewahrten sie sorgfältig im H a u s , damit den Söhnen das Glück erhalten bleibe — „ut dom u s f i l i o r u m . . . förtinata remaneret" 2 5 0 . Wir wissen aus den Akten des Inquisitionsrichters, daß die Toten ein ganz menschliches Bedürfnis nach Behausungen hatten, wo sie nicht froren, wo sie etwas Gutes zu trinken fanden u n d wo m a n ihnen achtungsvoll
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begegnete. Mit Vorliebe hielten sie sich nachts in den Kirchen auf, die Lebendigen hatten deshalb f ü r Beleuchtung zu sorgen, „und zwar womöglich durch Öllampen, deren Licht, weil es länger u n d stetiger brannte, den Toten lieber war als Kerzenlicht" 251. Es galt mit Vorsicht und Bedacht sich in den Häusern und Kirchen zu bewegen, um die hier umgehenden Geister der Verstorbenen nicht „umzuwerfen" 2 5 2 . Reliquienverehrung und
Architekturkopie
Solche Vor,Stellungen waren bereits dem Aachener Hof geläufig. Als Einhard, der Biograph Karls des Großen, aus R o m die Leiber der Märtyrer P e t r u s u n d Marzellinus stehlen ließ, baute er ihnen in Steinbach eine Gang- und K a m m e r n k r y p t a . Hier sollten sich die beiden Gefährten, die mehr als 500 J a h r e in einem gemeinsamen Grab geruht hatten, offensichtlich an die römischen K a t a k o m b e n erinnert fühlen. Doch die Toten meldeten höhere Ansprüche an. I n nächtlichen Stimmen u n d Gesichten, die allen mit den Reliquien Befaßten erschienen, verkündeten sie eindringlich u n d nachdrücklich ihren Wunsch nach einem anderen R u h e o r t : „Die heiligen Märtyrer wollen nicht, d a ß ihre Körper an diesem Ort verbleiben; sie haben sich einen anderen ausgewählt, an den sie schnell überwechseln wollen." 2 5 3 Alle Mahnungen, Aufforderungen, sogar Drohungen fruchteten nichts, d a schwitzten sieBlut u n d T r ä n e n aus. Von dem Schrein, der ihre Überreste barg, lief es wie Wasser und B l u t herab — „in m o d u m umore sanguineo" 2 5 4 . E i n h a r d schreibt als Augenzeuge u n d Berichterstatter des Vorgangs: „Es" steht fest, daß die Flüssigkeit von salzigem Geschmack war, sie besaß die Beschaffenheit von Tränen, sie war d ü n n wie Wasser u n d h a t t e die F a r b e echten Blutes." 2 5 5 Über zwölf Tage hinweg verging keine Nacht, in der nicht ein oder zwei oder auch drei Gef ä h r t e n davon t r ä u m t e n , d a ß jene heiligen Leiber von diesem Ort an einen anderen zu überführen wären. 2 5 6 „ W a r u m ist E i n h a r d von solcher Herzenshärte u n d Hartnäckigkeit" — „tarn duri cordis t a n t a e q u e obstinationis" —, „daß er so vielen Enthüllungen nicht vertraut u n d die vielen Ermahnungen, die ihm durch göttliche Eingebung geschickt worden sind, meint verachten zu dürfen?" 2 5 7 E i n h a r d möge eilen, ihren Befehl zu erfüllen, er möge nicht versäumen, die Leiber an den Ort zu bringen, „den sie sich selbst ausgewählt haben" — „ a d l o c u m quem ipsi elegerunt." 2 5 8 Bis zu diesem Z e i t p u n k t h a t t e n die Reliquien, die sich unangemessen behandelt fühlten, keine W u n d e r bewirkt. Als E i n h a r d jedoch im benachbarten Seligenstadt eine Ringumgangskrypta zu bauen begann, die der der römischen Peterskirche entsprach, u n d die Reliquien nach hier überführen ließ, setzten sofort die Wunder ein" 2 5 9 . Die Heiligen gaben R u h e , nachdem sie den „Ort gefunden hatten, an dem sie bleiben wollten" 2 6 0 . J e t z t endlich begannen sie ihre segenreiche Tätigkeit an K r a n k e n und Sündern, deren Aufzählung den H a u p t i n h a l t der Einhardschen Schrift ausmacht. Ob nun die Fingernägel u n d Haarlocken eines H a u s v a t e r s im Ketzerdorf Montaillou oder die knöchernen Überbleibsel zweier Heiligen auf den Gütern des karolingischen Ministers: Sie brauchten das ihnen zustehende Gebäude, um ihre Gnadengaben voll ausströmen zu können. Wer Ghrisfcusreliquien sammelte, sah sich in die selbstverständliche Verpflichtung gestellt, mit architektonischen Mitteln Jerusalemer Bedingungen herzusteilen. Heiliggrabkopien funktionierten im frühen Mittelalter gewiß nicht in erster Linie als „Erinnerungszeichenfür eine glücklich vollbrachte Jerusalempilgerfahrt", nicht als Stellvertretergebäude, in dem die „Daheimgebliebenen . . . auf einfachere Weise die gleichen
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oder ähnliche religiöse Andachten verrichten und Gnaden empfangen durften" 2 6 1 , „kultische Architekturimitation" 2 6 2 war nicht zuerst ein geschichtsphilosophischer oder frömmigkeitsgeschichtlicher Vorgang. Die Rekonstruktion der Jerusalemer Topographie sollte in erster Instanz als ein Erfordernis des Kultes der Salvatorreliquien selbst verstanden werden. Den Reliquien mußte Heimatgefühl und räumliche Nähe zum Ort der Heilsgeschichte gewährt werden, sollten sie mit ihrem Ursprung und mit dem Ganzen des Erlösungsvorganges verbunden bleiben. Erst die angemessene architektonische Bergung sicherte ihnen die Wirksamkeit an fremden Orten. Nicht „Legende und Grundriß" haben sich in den europäischen Kopien der Jerusalemer Bauten „gegenseitig beeinflußt" 2 6 3 — volkstümlicher Totenkult war zum Element hochkirchlicher Ideologie und zum Prinzip frühfeudalen Kirchenbaus geworden. Darauf beruhte die Anziehungskraft von Bauten mit Jerusalem-Zitaten für die Masse der Gläubigen. Gisela Schwering-Illert hat den über einer K r y p t a stehenden Laternenturm von Charroux mit seinen drei Umgängen und den Apsiden im Norden, Süden und Osten als Nachbild der Jerusalemer Anastasisrotunde erweisen können 264 . Verbergen sich auch in der großen Kirche von Centula Anspielungen auf die Architektur des Heiligen Landes? Carol Heitz war dieser Frage schon 1963 für das dortige Westwerk nachgegangen 265. I m folgenden werden Beobachtungen und Vermutungen zur Diskussion gestellt, die den Ostteil des Baues — das buticum — betreffen. Der Palästina-Pilger Arculph hatte im 7. Jahrhundert die Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche besucht, ihren Grundriß aufgezeichnet und ihre Benutzung beschrieben 266 . Neuere Forschungen haben einen Rundbau mit innerem Säulenkranz nachweisen können, „der das eigentliche Grab einfaßte" 267 , einen flachgedeckten Umgang mit Emporengeschoß, der sich nach Norden, Süden u n d Westen in ebenerdige Apsiden erweiterte. In der Mitte des Holzdaches blieb eine gewaltige Öffnung ausgespart, ein Opaion, dessen Durchmesser 6 m betragen haben soll 268 . Die „kultische Scheitelöffnung über einer heiligen Stätte" 2 6 9 , die in den Rauchabzugs- und Lichtlöchern runder Wohnhütten wurzelt, ist antiken Ursprungs, sie diente in der Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche dem Feuerwunder der Ostersamstagsliturgie: Von oben herab kam die Taube des Heiligen Geistes geflogen, die auf ihrem Flug in die Grabesädikula das himmlische Licht entzündete 270 . Um dieser Funktion willen blieb das Opäion jahrhundertelang erhalten, obwohl es in solche Dachöffnungen „tatsächlich hineingeregnet" hat 2 7 1 . Witterungsschäden in der Jerusalemer Anastasisrotunde gehen auf die Öffnung im Scheitel des Daches zurück. Vor dem Eingang zur Grabkammer lagerte der Stein, den der Engel weggewälzt hatte, unmittelbar vor der R o t u n d e umschloß je ein Kultgebäude den Golgathafelsen und den Ort, an dem die Kreuze Christi und der beiden Schächer gestanden hatten. Die nach dem Himmel geöffnete Rotunde war mit ihren An- und Vorbauten zur Memorialstätte von Passion und Auferstehung, ein in sich geschlossener architektonischer Bezirk zum Sinnzeichen des zentralen Mysteriums der christlichen Religion geworden. Der nächste Ort des Salvatorgedenkens befand sich auf dem Ölberg. Arculph überlieferte auch den Grundriß der dortigen Kirche der Himmelfahrt Christi. Grabungen haben den mittelalterlichen Autor imPrinzip bestätigt: Eine sehr enge Rotunde wurde von einem größeren R u n d b a u umschlossen. I m Zentrum der Himmelfahrtsrotunde sahen die Gläubigen einen Felsen, in den Christus zuletzt seine göttlichen Fußspuren hineingedrückt hatte, als er auf einer Wolke in den Himmel emporgehoben wurde: „in
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quo postremum divinainstiterant vestigia, cum in caelum Dominus in nube sublevatus est". Die ecelesiarotunda besaß weder ein hölzernes noch ein steinernes Dach, Arculph erschien der Raum als unter dem Firmament nackt und enthüllt: „Cujus videlicet rotundae ecclesiae interior domus sine tecto et sine Camera ad caelum sub aere nudo aperta patet". An diesem Ort sollte sich den Augen der Anbetenden der Weg immer geöffnet und in die Luftschichten des Himmels gerichtet erweisen: „via Semper aperta et ad aetherea caelorum directa oculis in eodem loco exorantium pateat". Die Unabgeschlossenheit des Raumes symbolisierte den Ort, an dem Christus in den Himmel aufgefahren sein soll: „de quo Dominus ad caelos ascendisse traditur". Uber den Fußspuren leuchteten nachts Lampen, deren heftiges Flackern in der Stadt beobachtet werden konnte. Arculph führte die Unruhe des Lichterscheines auf das Fehlen der Decke und damit den Luftzug in jenem Teil des Gebäudes zurück, welcher über dem Orte der Fußabdrücke des Herrn immer zum Himmel geöffnet sein soll: „ J u j u s terrifici flatus causa fecit, ut illa pars domus habere cameram non possit, quae supra locum impressionum Domini vestigiorum . . . ad caelum Semper patefacta appareat". Noch Pilger des 8. und 9. Jahrhunderts überlieferten die architektonische Eigenart der nach oben geöffneten Rotunde mit Worten wie: „ecclesia rotunda sine tecto", mit einem Altar „sub divo" in loco ascensionis, sie beschrieben die große,unverschlossene Öffnung, die den Ort der Himmelfahrt des Herrn bezeichnete: „magna foramine quodam aperto, designatur locus ascensionis dominicae" 272. Auch den dritten Zeugnisort der irdischen Erscheinung Christi ummantelte ein Zentralbau. E r erhob sich über der tief in den Felsen geschnittenen Geburtshöhle in Bethlehem. Ein 3,90 Meter großer Okulus im Scheitel der zentralen Grotte, von einem Gitter eingefaßt, gab den Frommen den Blick frei in das Innere des heiligen Geburtsraumes. 2 7 3 Alle von Konstantin dem Großen „über den historisch bedeutsamen Stätten der Geburt, Auferstehung und Himmelfahrt Christi" errichteten zentralen Memorienbauten standen „in engerem oder lockerem Verband mit der Basilika, die ihrerseits dem Gemeindegottesdienst diente" 274 . In allen drei Bauten — und auf den Wegen zwischen ihnen — vergegenwärtigte die Liturgie die Lebensgeschichte des Erlösers als Heilsgeschichte. Nativitas wurde als Incarnatio Domini in der Bethlehemer Geburtskirche begangen, anschließend zogen die Frommen in Prozession nach Jerusalem. Das Epiphanie-Gedenken endete mit Hymnengesang in der Anastasis. Noch heute symbolisiert der Große Einzug der Ostkirche „den Gang der Gläubigen von der Geburts- zur Grabeshöhle" 273 . Die Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche bildete das architektonische Gehäuse der Passio- und Resurrectio-Feiern. Zu Ascensio Domini zog man am Nachmittag des Pfingstsonntages in die Kirche auf dem ölberg, „woran sich eine erst um Mitternacht endende Prozession durch die Kirchen Jerusalems anschloß" 276 . Die Zusammenfassung der drei Memorienorte zu einem sinnbildlichen Ganzen scheint die konstantinische Epoche geleistet zu haben. Buticum
— ein architektonisches
Jerusalemzitat
InCentula hatte Angilbert vier Bildwerke mit den Darstellungen der Nativitas, Passio, Resurrectio und Ascensio über die heilige Landschaft des Kirchengebäudes ausgebreitet: „in medio ecclesiae s. Passio; in australi parte s. Adscensio; in aquilonali s. Resurrectio et in porticu secus ianuas s. Nativitas" 2 7 7 . Das Bild der Geburt Christi
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befand sich im Haupteingang bei den Türen, also im Erdgeschoß des Westwerkes, das der Kreuzigung „am Ostende des Mittelschiffes" 278, im räumlichen Zusammenhang mit der buticum-Rotunde, die Szenen der Auferstehung und Himmelfahrt zeichneten den nördlichen und den südlichen Teil aus, das heißt nach mittelalterlichem Sprachgebrauch den nördlichen und südlichen Querhausflügel. Mit den partes sind hier zweifellos nicht die Seitenschiffe der Basilika gemeint 279 , sondern die der zentralen Rotunde nördlich und südlich angelagerten Räume (Abb. 26). Im östlichen Teil des Langhauses und in den Querbauten beteten die Mönche in der Sterbenacht des Herrn, in modum crucis angeordnet und zugewendet den bildlichen Hinweisen auf die letzten Stationen des irdischen Lebensweges Christi (Abb. 28). In den Seitenschiffen hätten schon aus räumlichen Gründen nicht zwei Drittel des Konventes Platz finden können. Der flaschen- oder becherförmige Rundbau erfuhr durch die drei mit ihm verbundenen Bildwerke einen ikonographisch eindeutigen Bezug auf die Heilsgeschichte. Dürfen wir ihn als Nachbild der Jerusalemer Anastasisrotunde verstehen, die ja Grab und Auferstehung symbolisierte, bereichert und vertieft um das Bild der Himmelfahrtsrotunde auf dem Ölberg? Eine solche Hypothese würde erlauben, buticum ganz wörtlich zu nehmen : als eine kreisförmige und hochgestreckte Form mit einer Öffnung an der oberen Schmalseite. Eine Flasche oder ein Becher wird seiner Aufgabe allein dadurch gerecht, daß man von oben etwas in das Gefäß hineingießen kann. Bis in das 15. Jahrhundert wurde von den Pilgern nicht nur „die Rotundenform als das Wesentliche an einer Anastasis-Nachbildung angesehen" 280 , sondern auch deren erstaunliche Öffnung im Scheitel, das foramen, die Dachlosigkeit. Blieb vielleicht die östliche „Vierung" von Altären und ChorgeBtühl frei — eine bislang unerklärte Anomalie des Centulaer Baues —, weil hier mit Witterungsschäden zu rechnen war? Und muß nicht schließlich der eigentümlich aufwendige hölzerne Tristegum-Aufsatz (Abb. 23), der auf frühmittelalterlichen Elfenbeinen sehr oft die Rotunde des Heiligen Grabes schmückt 2 8 1 , als ein kunstvoller Verschluß der Scheitelöffnung verstanden werden, der dem Wind wehrte und zumindest das direkte Hineinregnen verhinderte? In Almenno San Bartolomeo (Bergamo) ist ein solcher Aufsatz über dem Loch in der gemauerten Kuppel der Rotunde des 11. Jahrhunderts noch heute anschaulich erhalten (Abbildung : RomanischeKunst, Einleitung Friedrich Möbius, Berlin/Wien/München 1969, Nr. 101, 102). Der Tambour des Rundturmes war in Centula „bis zum Dachansatz offen", hatte schon Günther Urban festgestellt 2 8 2 ; wahrscheinlich öffnete sich sogar das Dach der Rotunde selbst. Wenn hier wirklich ein bis in Einzelheiten getreues Jerusalemer Architekturzitat gegeben wäre, könnten die marmornen Säulen des buticum auch auf Emporen in der Art des Aachener Obergeschosses bezogen werden, die Irmingard Achter bereits vermutet hatte 2 8 3 . Emporen gehörten zur Ausstattung der Jerusalemer Grabes- und Auferstehungskirche. Wieder ist es ein französischer Bau des 11. Jahrhunderts, der — auf andere Weise als der flaschenförmige Laternenturm von Charroux — Eigentümlichkeiten der Centulaer buticum-Form bewahrt zu haben scheint. Der Chronist des Klosters St. Bénigne in Dijon beschrieb um 1066 die obere Partie der im Osten des Langhauses stehenden und mit Emporen gefüllten Rotunde folgendermaßen : „Haec in modum coronae constructa. triginta quoque et sex innixa columnae. fenestris undique ac desuper patulo caelo lumen infundentibus micat eximia claritate." 284 Zu deutsch : „Sie (die Kuppel der Rotunde) ist gebaut in der Form der Krone, sie wird gestützt von 36 Säulen. Das Licht
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fließt von allen Seiten durch die Fenster und von oben her durch den offenen Himmel ein u n d läßt den R a u m in höchster Helligkeit erstrahlen." Noch im 17. u n d frühen 18. J a h r h u n d e r t wunderten sich die Zeitgenossen über die Öffnung im Scheitel der R o t u n d e , Dom Plancher schrieb „il est ouvert p a r l e haut de meme que l'étaient autrefois les Temples dédiéz à J u p i t e r " 285 : Sie ist in der Höhe geöffnet wie die dem J u p i t e r geweihten Tempel. Bildliche Darstellungen derZeit zeigen ein zweigeschossiges Laternentürmchen über dem Opaion fast in der Art des (dreigeschossigen) Centulaer TristegumAufsatzes. Bei einem Durchmesser des Scheitelringes von 3 Metern 2 8 6 war ein Wetterschutz tatsächlich unumgänglich. Offenbar aus dem gleichen Grund blieb auch in Dijon das Zentrum der R o t u n d e zu ebener E r d e ohne liturgische Ausstattungsstücke 2 8 7 . U n d auch in Dijon hatten die Mönche, wie es scheint, ihre Probleme mit der sprachlichen Beschreibung des aufsteigenden schmalen Raumgebildes, das in der Höhe der Wölbung in eine lichte Kreisform überging. Wilhelm Schlink gibt zu bedenken, ob nicht der Chronist mit „Corona" auf die „rundscheibenförmige Rasur (circulus) in der Mitte des Scheitels" 288 , auf die Tonsur der Kleriker angespielt haben könnte, der helle Kreis auf der Wölbung des Schädels wäre möglicherweise „ein nicht unpassendes Bild f ü r die K u p p e l mit dem Opaion über dem Mittelschacht" gewesen 289 . Das „patulum caelum", sinngleich mit „foramen" verwandt, ist als Formulierung aus dem Geist der Jerusalemer Pilgerberichte des frühen Mittelalters erwachsen. Auch wenn das Opaion von St. Bénigne über das Pantheon in R o m vermittelt gewesen sein sollte 290 — die Erinnerung an ein zentrales Motiv der Salvatorstätten des Heiligen Landes schlägt unübersehbar durch. Das Gleiche gilt wohl auch f ü r die im ersten Drittel des 11. J a h r hunderts entstandene Vierungskuppel der Stiftskirche von Cardona (Spanien) mit ihrer Scheitelöffnung u n d dem Laternenaufsatz darüber (Abbildung : François Souchal, D a s Hohe Mittelalter, Baden-Baden 1968, S. 219). Wir wissen uns mit Wilhelm Schlink einig: D a s Opaion in Dijon war keine „beliebig verwendbare Bauform ohne nähere Bedeutung", es war „Zitat", „bewußtes Bezugsmerkmal". 2 9 1 Aber gab es „neben St. Bénigne" tatsächlich „keinen zweiten Bau des mittelalterlichen Frankreichs, der den Scheitel seiner Kuppel zum Opaion öffnete?" 2 9 2 Das karolingische Centulaer Buticum mit seinem offensichtlich gegebenen Scheitelaufbruch, originaler Palästina-Import wie die Salvatorreliquien auch, läßt eine Tradition vermuten, die weiter aufzuhellen wäre. Noch so mancher frühmittelalterliche Vierungsturm erinnert in seiner steilen Erstreckung, seiner Himmelszugewandtheit u n d Lichterfülltheit an jenen Weg, den Arculph als immer geöffnet und in die Luftschichten des Himmels gerichtet beschrieben hat — später d a n n freilich endgültig umgeformt von anderen klimatischen Bedingungen. 2 9 3 Bedeutungsfelder
Jerusalem,
Byzanz und
Rom
Weitere Bedeutungsschichten der großen Kirche von Centula, die sich von unserem buticum-Befund aus als erschließbar darstellen, seien thesenartig angedeutet. Die westliche Querturmkirche mit dem Bildwerk der Nativitas scheint sich zum östlichen Rotundenquerbau verhalten zu haben wie die Geburtskirche in Bethlehem zur Grabesund Auferstehungskirche u n d der Himmelfahrtskirche in Jerusalem. 2 9 3 Hier wie dort zogen Prozessionen von einem Salvatorkultort zum anderen, schritten die Gläubigen „in den Spuren des Heilands" 2 9 4 dessen Lebens- und Erlösungsweg ab von der Epiphanie bis zur E n t r ü c k u n g an die Seite des Vaters. Der innere Zusammenhang der vier
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Salvatormemorien erweist die konzeptionelle Einheit des ganzen Baues mit seinen beiden Turmkirehen im Westen und Osten (Abb. 24). Das liturgische Itinerar, das täglich zu bewältigen Angilbert seinen Mönchen auferlegt hatte 2 9 3 , diese gewaltige „Choreographie processionelle" 296 , war Dienst an den palästinensischen Reliquien, fortwährende Vergegenwärtigung des fernen Heiligen Landes und des in den Himmel entrückten Herrn, gleichsam die unendliche Variation einer in die Gegenwart hereingeholten Palmsonntagsbewegung: Das Volk zieht seinem Herrn und Erlöser entgegen, um ihn gebührend in der S t a d t zu empfangen (Abb. 29). Eine „Wanderliturgie" 2 9 7 zwischen Reliquiaren, die Christusheiltümer enthalten 298, muß in direkte Entsprechung gebracht werden zu den liturgischen Bräuchen der Fuß Waschung am Gründonnerstag, der Kreuzverehrung am Karfreitag und dem Fest der Kreuzerhöhung, in denen „eine Gegenwärtigsetzung der Vorgänge zu Jerusalem" erfolgte. 299 Der Palästinabezug der Centulaer Architektur — und der Aachener Hofkultur — wird deutlich überlagert von einem zweiten bedeutungsschaffenden Komplex: der Berufung auf Konstantin den Großen und seine Zeit. Dem ersten christlichen Kaiser verdankte die Christenheit die architektonische Monumentalisierung der palästinensischen Gnadenstätten und ihre Zusammenfassung zu einem einheitlichen Kultkomplex. Konstantin hatte den Glauben der Christen zur Staatsreligion erhoben, und er hatte allen nachfolgenden Kaisern das Beispiel einer Herrschaft gegeben, die irdische Macht einsetzte im Dienste des himmlischen Königs. Unter ihm adaptierte die christliche Kirche Formen des spätantiken Kaiserzeremoniells. Aus der Bewegung von Pilgermassen wurden Triumphzüge zu Ehren des Welterlösers, aus den Gängen des Kaisers vom Wohnpalast zti den verschiedenen Kirchen seiner Residenz pompöse Aufzüge mit genau geregeltem Protokoll. Das, was Carol Heitz die christliche „osmose entre liturgie et l'architecture" genannt hat 3 0 0 , wurzelt in der konstantinischen Epoche! Thomas F. Mathew hat nachgewiesen, daß die auf Prozessionen ausgerichtete Zeremonialkultur in Byzanz Bedürfnissen des Herrschers und des Hofes folgte. 301 Das aber k a n n nur heißen: Die genaue Ordnung des Verhaltens in gelenkten Gruppenbewegungen war zu einem Herrschaftsinstrument geworden, das disziplinierend auf alle Beteiligten wirkte und die Autorität des Lenkers dieser Bewegungen ebenso erprobte wie stärkte. Die Zeitschrift Revue de l'art veröffentlichte 1974 unmittelbar hintereinander zwei Aufsätze über Architektur und Liturgie in den ersten Palastkirchen Konstantinopels und über Architektur und Liturgie in der karolingischen Epoche. 302 Dem redaktionellen Zufall entsprach ein echter geschichtlicher Zusammenhang: Die im Umkreis des Aachener Hofes entwickelte Prozessionsliturgie kopierte ein konstantinisches Herrschaftsmedium. Bei rein ästhetischer Betrachtung darf der Geschmack bewundert werden, mit dem Angilbert die Bewegungen der Mönchsgruppen in die architektonische Gesamtform eingepaßt hatte, ein ornamental gewirktes Wegenetz scheint Menschen und Räume eingefangen zu haben. Carol Heitz hat die Diagramme dieser liturgischen Wanderungen „une harmonieuse et puissante orchestration" genannt. 303 Wir haben an anderem Ort die Centulaer Prozessionsliturgie als Bestandteil einer kulturellen Verhaltensmodellierung darzustellen versucht, deren disziplinierender, zivilisierender und integrierender Aspekt den im Kloster lebenden Adelssöhnen galt. 304 Diese Liturgie war an den von der Zentralgewalt zu bezwingenden Feudaladel and an dessen anarchische Mentalität adressiert, Ausdruck also einer durchaus nicht harmonischen sozialen Figuration. Als dritte Sinnschicht wirkte im Bedeutungsgefüge der Centulaer B ewegungsliturgie neben palästinensischer Pilgertradition und byzantinischem Reichs-
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kirchenzeremoniell d a s Feierwesen der römischen Stationsgottesdienste 3 0 5 . Um die sieben Kirchen der ewigen S t a d t mit der Laterankirche stärker zu verbinden, las der P a p s t die Messe jeweils in der Kirche eines anderen Sprengels. E r zog von seiner Residenz aus beritten durch die Straßen, begleitet von Akolythen, Diakonen, Subdiakonen u n d Hofbeamten und begrüßt vom Volk, das seinen Weg säumte. D a s päpstliche Durchqueren R o m s unter Anteilnahme des populus erinnerte die Zeitgenossen bald an das Umherziehen der Pilger in der Heiligen Stadt. R o m wurde liturgisch zur „Erbin J e r u salems" 3 0 6 . Jerusalemer Stationen des Lebens u n d Leidens Christi gaben römischen Stationskirchen den Namen. Die Jerusalemer Pilgertopographie legitimierte einen Brauch, der in R o m kirchlichenZentralisierungstendenzen seine Ausbildung verdankte. Auch der päpstliche Umzug mit seinem volkstümlichen Schauwert h a t t e sich a m antiken Triumphzug orientiert. E r galt dem Salvator, den zu verehren sich K a r l der Große — darin K o n s t a n t i n folgend — berufen fühlte. Als deshalb der Aachener Hof im dritten Viertel des 8. J a h r h u n d e r t s vom römischen P a p s t ein liturgisches Musterbuch erbat, nach dem die Gottesdienste der Aachener capella regia geordnet werden konnten, schickte man ihm ein Sakramentar, d a s die römischen Stationsgottesdienste enthielt. Alkuin überarbeitete die römische Vorlage. Vom „authenticum", dem in der Pfalzkapelle deponierten Urexemplar, ging eine Abschrift auch nach Centula, aus ihr entwickelte Angilbert seine Institutio. Die triumphale Liturgie feierte „Christus als König u n d Erlöser" 3 0 7 , sie feierte mit dem Himmelsherrn zugleich dessen irdischen Statthalter. 3 0 8 Die Feudalbarone des Gaues Ponthieu, die zu den großen Kirchenfesten nach Centula kamen, wanderten im übertragenen wie im direkten Sinn zu ihrem Herrn. Der Salvator im Himmel besaß „ein Abbild in Karl, dem König" 3 0 9 , was jenem an Opfern u n d Gebeten zufloß, stärkte auch diesen. K a r l der Große „war als Leiter des christlichen Weltstaates Sinnbild Christi", er beanspruchte, „im Sinne der oströmischen Kaiser als Stellvertreter Christi" aufzutreten 3 1 0 . Angilbert h a t t e diesen Zusammenhang von himmlischer u n d irdischer Herrschaft, der im Salvatorpatrozinium seinen reinsten Ausdruck fand 3 1 1 , in die Bestimmung g e f a ß t : Alle 300 Mönche des Klosters bringen d a s tägliche Gotteslob „einmütig d a r f ü r das Heil meines glorreichen Herrn, des Kaisers Karl, u n d f ü r die Dauer seines Reiches" — „omnes unanimes sacrificium laudis Domino omnipotenti pro Salute gloriosi domini mei augusti Karoli proque regni eius stabilitate continua devotione iugiter exhibeant" 3 1 2 (Abb. 28). Jerusalem, Byzanz u n d Rom stellten das ideologische I n s t r u m e n t a r i u m , das die Stellung der Zentralgewalt im jungen fränkischen S t a a t befestigen half. Der Sprachgebrauch der Quellen, Auswahl und Verehrung der Reliquien, Formen u n d Traditionsbezüge der Architektur u n d nicht zuletzt die ritualisierten Verhaltensweisen des Gebrauchs der Architektur bildeten ein auf gesellschaftliche Zwecke gerichtetes funktionierendesGanzes. D a s Westwerk u n d d a s B u t i c u m — d e r O r t derEpiphanie desHerrn 3 1 3 u n d der Ort seiner R ü c k k e h r in die Ewigkeit —, sie dürfen nun beide als Architekturschöpfungen eines vielschichtig angelegtensalvatorischenTriumphes verstanden werden. Buticum als funktionierende
Struktur
Unsere Überlegungen galten bis jetzt noch nicht eigentlich der Bedeutung der Archit e k t u r f o r m „Buticum", sondern lediglich einigen geschichtlichen Umständen und Bedingungen des schöpferischen Prozesses in Centula. Wir haben uns sozusagen an die Semantik des von Angilbert entworfenen östlichen Rotundenquerbaues herangearbei-
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tet, ohne sie schon architekturspezifisch erkannt und beschrieben zu haben. Den Komplex „Anastasiskopie" erschlossen zu haben, hätte der älteren Ikonologie genügt. Im Sinne der eingangs formulierten Grundsätze drängt es uns nun, nach dem instrumentalen Charakter einer gebauten, dreidimensional-sinnlich erfahrbaren Wirklichkeit zu fragen. Welche Appelle waren der architektonischen Struktur einbeschrieben, an welche Adressaten richtete sie sich, welche Lebenswirklichkeit verarbeitete sie, auf welche WeltundSchicksalsmächtelenktesieEmpfinden,GefühlundVerstandihrerRezipienten? Was war ihr Gebrauchswert? Auf welche gesellschaftlichen Zwecke reagierte das Buticum? Wir sind uns bewußt, damit die Ebene nachprüfbarer Quelleninterpretation zu verlassen. Wer auf eine — letztlich nicht einmal voll bewiesene — Hypothese eine hohe Verallgemeinerung baut, muß ebenso mit grundsätzlichen Irrtümern rechnen wie mit dem Mißtrauen seiner Fachkollegen. Wir wagen die folgenden Andeutungen in der Hoffnung auf einen Streit, der schärfer denken lehrt. Der Pariser Eiffelturm war zum Gedenken an ein geschichtliches Ereignis entworfen worden, von dem der Erbauer meinte, daß es noch seine Gegenwart trägt. Das Gedenkzeichen für die Französische Revolution entwickelte sich ihm unter den Händen zu einem Triumphmal der gewaltig expandierenden Produktivkräfte seiner Zeit. Die stählerne Struktur stellte sich ihm letztlich dar als bildgewordener Appell zur Meisterung der Weltprobleme aus dem Geist ingenieurtechnischen Denkens. Der Majakowski der jungen Sowjetmacht wollte dem „Kommissar Turm" ein Visum verschaffen, damit er nach Moskau komme und von hier aus die Revolution leite 314 . Nicht Geschichtswissen verkörperte der stürmisch nach oben drängende und sich dabei verjüngende, durchgitterte Turm, sondern die Erfahrung geschichtlichen Aufsteigens, die Vision unbegrenzter Möglichkeiten des Menschen, die Einheit von höchstem Wagemut und pupillarischer Sicherheit. Und das Buticum in Centula? Es bezog sich gleichfalls auf geschichtliche Erinnerungen, auf Passion und Auferstehung Christi in Jerusalem. Vergangenheit wurde in dessen Umkreis ständig vergegenwärtigt durch Reliquien aus dem Heiligen Land und durch die Nachbildung von Verhaltensweisen, die am wirklichen Grab Christi und an dessen historischer Auferstehungsstätte, aber auch in der Stadt des Apostelfürsten, lebendige Gegenwart waren. Über die Verwandtschaft der Heiltümer und ein Zeremonialwesen, das den salvatorischen Christus im Himmel und den in seinem Dienst stehenden Imperator in Aachen feierte, war das Buticum geistig verbunden mit anderen königlichen Bauten sowie mit der Königstheologie der sich heranbildenden frühfeudalen Zentralgewalt. Aber alles das war dem schachtartigen Austritt des Kirchenraumes, der sich an seinem höchsten Punkt dem Himmel öffnete, genausowenig anzusehen wie der Bezug des Eiffelturmes auf die Französische Revolution. Das Centulaer Buticum wurde zu einer baukünstlerischen Standardversion mit spezifischer Informationsverarbeitung, zu einer topoisierten Struktur, die soziale Realität deutete durch die Lichtführung in dem röhrenförmigen Turmgehäuse.- In größtmöglichem Abstand zu den Wohnerfahrungen des Alltags stürzte das Licht unmittelbar von der Decke und den oberen Seitenfenstern des flaschenförmigen Gebildes nach unten herab. Wem diese Formulierung zu poetisch ist: Die Zone des hellsten Lichtes befand sich, fast auf einen Punkt bzw. eine winzige Einbruchsstelle konzentriert, an der oberen Grenze des Raumes. Das Auge strebt vom Dunkeln ins Licht, die Blickund Kopf wendung derer, die am Fuß des Buticum standen, ging unmittelbar über in ein beeindrucktes Nach-oben-Schauen, dem die innere Einstellung einer religiösen Andacht folgte. Der architektonischen Struktur des Buticum war der Appell einbeschrie-
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ben, alles Große, Hohe, Bedeutungsvolle des Lebens, alles Schicksalsmächtige „von oben" herzu erwarten31'111. Antike Kultstätten mit einem Opaion im Scheitel der Kuppel hatten bereits die Vorstellung von der Existenz der Götter in einer Himmelszone u n d der Abhängigkeit der Menschen unten von den Gottheiten in gebaute Form übersetzt. Die Himmlischen schauten gleichsam durch das Opaion („Auge") auf die Irdischen herab. Für die Christen der Spätantike und des Mittelalters westen Gott, Christus und die Heiligen in kristallenen Sphären weit über den Wolken. Moses hatte auf einem Berg von Gott die Gesetze empfangen, Höhenheiligtümer, die die Religionsgeschichte durchziehen, verstanden sich der Gottheit näher als die Häuser der Menschen in der Niederung der Ebenen. Im Buticum, in zahllosen innen offenen Vierungstiirmen der folgenden Jahrhunderte und noch in den Lichtkuppeln der barocken Kirchen hatte die Abhängigkeit der Unteren von den Oberen und der Gnadencharakter der göttlichen Herablassung — hatte ein Weltbild — anschauliche, sinnlich eri'ahrbare Gestalt gewonnen. Die Götter konnten wechseln, die Bewegungsrichtungen in der steilen Hohlform des Lichtkanals waren austauschbar — die Jerusalemer Anastasisrotunde beflog die Taube des Heiligen Geistes von oben nach unten, von Gott zu den Menschen, Christus aber stieg hier von unten nach oben, aus der Dunkelheit de» Irdischen in die Lichterfülltheit des Vaters —, schließlich prägten immer wieder neue Adressaten, an die sich der Architekturtopos richtete, dem Verbindungsschlauch zur Gottheit ihre subjektive Lebenspraxis ein. Wie die Struktur auch funktionierte: Sie setzte Zeichen für den Zustand des Menschen in seiner Welt. Im Umkreis des Aachener Herrschaftszentrums — im Banne der Salvatorideologie — wurde sie zu einem Instrument des sozialen Austauschs durch die Verschmelzung der Epiphanie des Himmelsherrn mit der des Erdenherrschers 315 . Das heißt: Das religiöse Oben besetzte das Oben der frühfeudalen Staatsgewalt. Der Topos vom „kleinen Mann" und „denen oben" gehört zum „semantischen ,Grundinventar'" 316 wohl bereits der mittelalterlichen Kultur. Aaron Gurjewitsch hat in seinem Buch über „Probleme der mittelalterlichen Volkskultur" auf das langlebige anonyme Substrat volkstümlicher Vorstellungen verwiesen, zu dem das aktuale Bewußtsein der Führungsschichten immer Wieder in konfliktreich-dialogische Beziehung tritt. 3 1 7 Das Centulaer Buticum war zweifellos in die Dialektik von Gelehrten-(Theologen-) und Volksbewußtsein gestellt, non-verbaler Ausdrucksträger sich wandelnder Formen der gesellschaftlichen Lebenssicherung. Alle von uns rekonstruierten Bildungsgehalte beteiligten sich am Funktionieren der Architekturform — zumindest waren sie dem Entwerfer gegenwärtig gewesen —, rezipiert und weltanschaulich verarbeitet werden konnte dasButicum von den Mönchen desKlostersCentula jedoch auch rein als gebaute Struktur: Das Oben hatte als Licht- und Heilsquelle in jedem Sinne neue Eindrücklichkeit erlangt. „Bedeutung" der Architektur ist ebenso reich aspektiert wie die soziale Praxis, als deren Verkörperung und Instrument sie entsteht. XXX Für kollegiale Hilfe und Unterstützung danke ich sehr herzlich den Damen und Herren Günther Binding, Werner Jacobsen, Wolfgang Kemp, Heinrich Klotz, HeinzDieter Limpert, Gerhard Schaumann, Gisela Schwering, Manfred Simon, Ingeborg Stein, Dieter Tauchmann, Winfried Trillitzsch und Monika Wagner. Herr Prof. Dr. Edgar Lehmann war so freundlich, das — im Herbst 1983 abgeschlossene — Manuskript kritisch durchzusehen. Die gesamte Abhandlung hat durch Gespräche und Kritik begleitet und gefördert Frau Dr. Helga Sciurie. Meiner Frau ist die Studie gewidmet.
ANMERKUNGEN
1 Roland Barthes und André Martin, Der Eiffelturm, München 1970, S. 27 f., 33, 38, 43, 77. Vgl. dazu Günther Schiwy, Strukturalismus und Zeichensysteme, München 1973, S. 27: „Wem die Semiologie fremd ist, wer einen leichten Einstieg sucht, wer darüber hinaus mit einem begabten Essayisten unserer Tage Bekanntschaft machen will, . . . dem sei ,Der Eiffelturm' von Roland Barthes, vortrefflich eingedeutscht, empfohlen." 2 Vgl. R i t a Schober, I m Banne der Sprache. Strukturalismus in der Nouvelle Critique, speziell bei Roland Barthes, Halle/S. 1968. Die Strukturalismusdebatte ist nicht Gegenstand unserer Abhandlung. 3 H a n s Sedlmayr, K u n s t und Wahrheit. Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte, H a m b u r g 1958, S. 90ff.: „Der ,Text' des Kunstwerks"; J u r i j M. Lotman, Die Struktur literarischer Texte, München 1972, S. 85ff.: „Der Begriff T e x t " ; Günther Grimm, Rezeptionsgeschichte. Grundlegung einer Theorie. Mit Analysen und Bibliographie, München 1977, S. 32: „Der Text wird zum Signalgefüge, zur Appellstruktur oder zur Rezeptionsvorgabe" = Uni-Taschenbücher 691. 4 Wladimir Majakowski schrieb 1922 in einer „Zwiesprache mit dem Eiffelturm": „ T u r m — wollen Sie den Aufstand leiten? T u r m — wir wählen Sie zum Kommissar! K o m m e n Sie, T u r m ! Zu uns! Sie — zuhaus bei uns sind wichtiger! (als im „Paris der Prostituierten, Poeten und Börsen", F . M.) Auf nach Moskau !
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K o m m t ! Zu uns! Zu uns, in die U d S S R ! K o m m t zu uns — ich besorge das Visum!" Friedrieh Möbius und Helga Sciurie, Symbol werte mittelalterlicher Kunst, Leipzig 1984. Friedrich Möbius, Das „Denkmal" als P r o d u k t der Rezeption. Beobachtungen und H y p o t h e s e n zur Wirkungsgeschichte. I n : Weimarer Beiträge 22, 1976 (9), S. 43—66; ders., Caspar David Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald" und die frühe Wirkungsgeschichte der Ruine Eldena bei Greifswald. Zu aktuellen Aspekten des Denkmalbegriffes u n d der Denkmalpflege, Berlin 1980, S. 12f. = Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 68, H e f t 2. Herbert Lehmann, Zur Problematik der Abgrenzung von „Kunstlandschaften". I n : E r d k u n d e 15, 1961 (4), S. 250, 260. Nikolaus Zaske, Gotische Backsteinkirclien Norddeutschlands zwischen Elbe und Oder, Leipzig 1968, S. 12.
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9 Wilhelm Waetzoldt, Deutsche Kunstwerke beschrieben von deutschen Dichtern, Wiesbaden 1948; Paul Clemen, der Dom zu Köln, 2. Aufl. Düsseldorf 1938 =Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 6. Bd. 3. Abt. =Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln 1. Bd. 3. Abt. (S. 16 Bibliographie „Domdichtung"); Heinrich Lützeler, Die Deutung der Gotik bei den Romantikern. In: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 2, 1925, S. 9—33; ders., Der Kölner Dom in der deutschen Geistesgeschichte, Bonn 1948 = Akademische Vorträge und Abhandlungen 12; Joseph Theele, Der Kölner Dom in der deutschen Dichtung, Bonn 1923 = Strom-Bücher. Kultur-Dokumente des deutschen Westens 7. 10 Wilhelm Heinrich Wackenroder, Werke und Briefe, Heidelberg 1967, S. 57. 11 Georg Forster, Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790, 1. Theil, Berlin 1791, S. 70. 12 Ernst Barlach, Prosa aus vier Jahrzehnten. Hrsg. von Elmar Jansen, Berlin 1966, S. 304; vgl. auch aus dem Roman „Seespeck", Rostock 1962, S. 233: „Aber drinnen in den Kirchen steht ein Adelsgeschlecht von Riesenpfeilern, jeder in seinem Gebet in der Fülle senkrechter Linien als Lebenslosung, wie in einer Rüstung starrend, und dient der Herrlichkeit des Gewölbes über sich. Jeder einzelne dieser Recken findet seine Erlösung vom starren Prinzip, vom Zwang der Geschlechts-Ehre und -Pflicht im Einfließen und Zunichtewerden durch den Kreuzungspunkt im Mittelpunkt der Gewölbe, wo die Sichtbarkeit alles Augenfälligen ihr Ende hat, wo das Riesenaufgebot an Stärke und Hingabe unwirksam wird, wo die Wucht alles Tuns zerfällt, weil die Erfüllung sie tötet und verschwinden läßt, weil die Sehnsucht erlischt. Hier hebt sich alles auf, und man wird zweifelhaft, ob die Pfeiler die Gewölbe erzeugen oder ob die Liebe des Himmels in tausend senkrechten Blitzen segnend zur Erde rollt, — ob die Entfaltung und Opferung eigenen Seins zur Erhöhung eines Anderen von oben oder von unten geschieht, ob die Menschen sind, um Gott zu dienen, oder ob Gott die Menschen geschaffen hat, um sich selbst zum Bewußtsein zu kommen durch ihre Sehnsucht. Der Himmel spaltet sich, und seine Linienbogen sprühen wie steinerne Feuergarben herab." 13 Jochen Klepper, Unter dem Schatten Deiner Flügel. Aus den Tagebüchern der Jahre 1932 bis 1942. Hrsg. von Hildegard Klepper u. a., 3. Aufl. Berlin 1972, S. 138. 14 Ernst-Heinz Lemper, Die Thomaskirche zu Leipzig. Die Kirche Johann Sebastian Bachs als Denkmal deutscher Baukunst, Leipzig 1954 =Forschungen zur sächsischen Kunstgeschichte 3. 15 Ludger Kerssen, Das Interesse am Mittelalter im deutschen Nationaldenkmal, Berlin (W)/New York 1975, S. 7 =Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 8. 16 Eberhard Galley, Heine und der Kölner Dom. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 32, 1958 (1), S. 99. 17 Grundlegend: Gudrun Calov, Die Museumskirche. In: Festschrift Eduard Trautscholdt z. 70. Geb., Hamburg 1965, S. 20-33. 18 Vgl. ferner: Horst Ende, Die Restaurierung und neue gesellschaftliche Nutzung des Klosters zum Hl. Kreuz in Rostock. Ein Vorbericht. In: Mitteilungen des Instituts für Denkmalpflege, Arbeitsstelle Schwerin, an die ehrenamtlichen Beauftragten für Denk malpflege der Bezirke Rostock, Schwerin, Neubrandenburg Nr. 25, Dezember 1979, S. 377—392; Zu Fragen der neuen gesellschaftlichen Nutzung monumentaler Baudenkmale. Hrsg. vom Institut für Denkmalpflege beim Ministerium für Kultur der DDR, Berlin 1974; Denkmale der Geschichte und Kultur. Ihre Erhaltung und Pflege in der DDR. Hrsg. vom Institut für Denkmalpflege, 2. Aufl. Berlin 1974; Denkmale in Thüringen. Ihre Erhaltung und Pflege in den Bezirken Erfurt, Gera und Suhl, Weimar 1973; Denkmale in Sachsen. Ihre Erhaltung und Pflege in 4 den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Cottbus, Weimar 1978; Denkmale in Mecklenburg. Ihre Erhaltung und Pflege in den Bezirken Rostock, Schwerin und Neubrandenburg, Weimar 1978; Zeitschrift: Denkmalpflege in der Deutschen Demokratischen Republik seit 1975. Paul Köhler, Die Paulskirche in Halberstadt. In: Die Denkmalpfleg 9,
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1907, S. 56 (Heuspeicher soll Garnisonkirche werden); ders., Wiederherstellung der Paulskirche in Halberstadt. I n : ebenda 11, 1909, S. 125—128 (Chor als Bismarck-Ehrenhalle: „Die Wände schmücken die Wappen ehemaliger Kommandeure der Halberstädter Regimenter, alte Epitaphien, von Waffentrophäen und Standarten umrahmt, erzählen von mancher Schlacht und die durchschossenen Kürasse von Mars-la-Tour erinnern an den Ehrentag des Reiterregimentes, dessen Uniform kein Geringerer als B i s m a r c k t r u g . " ) ; Merseburg, Sixtuskirche. I n : Deutsche Bauzeitung 58, 1924, S. 96 (Ruine soll Stadttheater werden); R o b e r t Pessenlehner, Michaelskirche — Totenleuchte - Denkmal 1 9 1 4 - 1 9 4 5 . I n : Fuldaer Geschichtsblätter 39, 1963, S. 1 4 1 - 1 6 0 (Michaelskirche seit 1962 Denkmal für die Gefallenen der beiden Weltkriege); J . M. R i t z , Neue Zwecke für alte Baudenkmäler. I n : Deutsche K u n s t und Denkmalpflege 14, 1956, S. 77—78; Alexander Rudhard, Umbau der ehem. Nikolaikirche in Magdeburg zum Zeughausmuseum. I n : Deutsche Kunst und Denkmalpflege 1940/41 (1/2), S. 30—33 (Die Hallenkirche des 14. J h . war 1806/07 Kaserne, ab 1812 Zeughaus, seit 1918 genützt von der Preußischen Militärverwaltung, soll Stahlhelm-Museum werden); Diether Wildemann, Zur R e t t u n g der ehemaligen Augustinerchorherrenkirche in Dalheim und ihrer neuen Nutzung zur Dokumentation westfälischer Plastik. I n : Festschrift Franz Graf Wolff Metternich, Neuß 1973, S. 1 0 8 - 1 1 6 = R h e i n i s c h e r Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, J a h r b u c h 1974; Denkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland. Geschichte, Organisation, Aufgaben, Beispiele. E i n Beitrag zum Europäischen Denkmalschutzjahr 1975, München 1974. Albrecht Dohmann, E l m a r J a n s e n , Hans Müller, Der Wiederaufbau der Kirchen in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1964, S. 3 0 ; Vgl. ferner: Theo Schmidt, Die Wiederherstellung der profanierten Severinskapelle in Augsburg. I n : J a h r b u c h der Bayerischen Denkmalpflege 28, 1970/71, München 1973, S. 1 7 1 - 1 7 5 . Vgl. dazu Walter Verwiebe, Alte Kirchen — Besitz oder Ballast ? I n : K u n s t und Kirche 29, 1966 (4), S. 1 7 8 - 1 8 0 („Diese Brüder und Schwestern bringen oft ihr Unbehagen über die monumentalen Kirchen in den Städten und die allzu geräumigen Dorfkirchen zum Ausdruck . . . diese distanzierte Haltung gegenüber den Großkirchen scheint heute besonders stark zu sein.") J u l i u s W . B r a u n , Schiller und Goethe i m U r t h e i l e ihrer Zeitgenossen. Zeitungskritiken, Berichte und Notizen Schiller und Goethe und deren Werke betreffend, aus den J a h r e n 1 7 7 3 - 1 8 1 2 . 1. A b t . Schiller 1. B d . 1 7 8 1 - 1 7 9 3 , 1. A b t . Schiller 2. B d . 1 7 9 4 - 1 8 0 0 , Leipzig 1882; vgl. auch ders., Lessing im Urtheile seiner Zeitgenossen. Zeitungskritiken, Berichte und Notizen, Lessing und seine Werke betreffend, aus den J a h r e n 1747—1781, 2 B ä n d e Berlin 1884. Oscar F a m b a c h , Schiller und sein Kreis in der K r i t i k ihrer Zeit. E i n Jahrhundert deutscher Literaturkritik ( 1 7 5 0 - 1 8 5 0 ) , 2. B d . 1957, 3. B d . 1959, 4. B d . 1958, 5. B d . 1963, (1. B d . nicht erschienen); vgl. auch ders., Goethe und seine Kritiker. Die wesentlichen Rezensionen aus der periodischen Literatur seiner Zeit, begleitet von Goethes eigenen und seiner Freunde Äußerungen zu deren Gehalt, Berlin 1955. Matthias Mende, Dürer-Bibliographie, Wiesbaden 1971, S. I X — X I V = Bibliographie der K u n s t in Bayern, Sonderband zum Dürer-Jubiläumsjahr 1971 = Bibliographien. Hrsg. von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Vgl. auch Paul Frankl, Meinungen über Herkunft und W e sen der Gotik. I n : Walter Timmling, Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft, Leipzig 1923, S. 9 - 3 5 = Kleine Literaturführer B d . 6 ; Paul Frankl, T h e Gothic. Literary sources and interpretations through eight centuries, Princeton 1960 (mir nicht zugänglich) Manfred Naumann u . a . , Gesellschaft. Literatur, Lesen. Literaturrezeption in theoretischer Sicht, Berlin - Weimar 1973, S. 58 (3. Aufl. 1976). ebenda, S. 8 8 ; vgl. auch Wolfgang K e m p , Der Anteil des Betrachters. Rezeptionsästhetische Studien zur Malerei des 19. Jahrhunderts, München 1983. Möbius
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26 G r i m m 1977, S. 31 - wie Anni. 3. 27 K a r l R o b e r t Mandelkow, Rezeptionsgeschichte als Erfahrungsgeschichte. Vorüberlegungen zu dem Versuch einer Wirkungsgeschichte Goethes. I n : Studien zur Goethezeit. Erich T r u n z z. 75. Geb., Heidelberg 1981, S. 156. 28 ebenda, S. 156, 162, 170. 29 ebenda, S. 155, 173. 30 ebenda, S. 175: Die Erfahrungsgeschichte besitzt (in jedem geschichtlichen Augenblick) „das P o t e n t i a l aller möglichen künftigen D e u t u n g e n " . Wenige J a h r e zuvor m u ß t e K a r l R o b e r t Mandelkow noch b e k e n n e n : „Die Geschichte der D e u t u n g u n d W i r k u n g Goethes in Deutschland ist bis heute eine Geschichte der E x t r e m e , der Widersprüche u n d der Antithesen geblieben" (Goethe im Urteil seiner Kritiker. D o k u m e n t e zur Wirkungsgeschichte Goethes in Deutschland. Teil I 1773— 1832. Hrsg., eingeleitet und komm e n t i e r t von K . R . M., München 1975, S. X V I I ) . 31 R o b e r t W e i m a n n , Literaturgeschichte u n d Mythologie. Methodologische und historische Studien, Berlin - W e i m a r 1972, S. 34ff. 32 ders., „Rezeptionsästhetik" u n d die Krise der Literaturgeschichte. Zur K r i t i k einer neuen S t r ö m u n g in der bürgerlichen Literaturwissenschaft. I n : Weimarer Beiträge 19, 1973 (8), S. 19. 33 Günter B a n d m a n n , Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin (W) 1951, 5. u n v e r ä n d e r t e Auflage 1978. Methodisch vorangegangen w a r e n : L o t h a r K i t schelt, Die frühchristliche Basilika als Darstellung des Himmlischen Jerusalem, München 1938 = M ü n c h e n e r Beiträge zur Kunstgeschichte 3; Hans-Gerhard E v e r s , Tod, Macht u n d R a u m als Bereiche der Architektur, München 1939 (Neudruck 1970); R i c h a r d K r a u t h e i m e r , I n t r o d u c t i o n to an „Iconography of mediaeval architecture." I n : J o u r n a l of t h e W a r b u r g and Courtauld I n s t i t u t e s 5, 1942, S. 1—33; André Grabar, Martyrium. Recherches sur le culte des reliques et l'art chrétien antique. I e r vol. Architecture, Paris 1946; H a n s Sedlmayr, Architektur als abbildende K u n s t , Wien 1948 = Osterreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Sitzungsberichte, 225. Bd., 3. A b h a n d l u n g ; ders., Die E n t s t e h u n g der K a t h e d r a l e , Zürich 1950. Vgl. dazu Martin Gosebruch, Rezension zu H a n s Sedlmayr, Die E n t s t e h u n g der K a t h e d r a l e , Zürich 1950 und Günther B a n d m a n n , Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1951. I n : Göttingische Gelehrte Anzeigen 208, 1954 (3/4), S. 232-277. Willibald Sauerländer schrieb 1981 d a z u : „Gosebruchs Ausführungen sind die bis h e u t e fundierteste kritische Auseinandersetzung mit den Theorien von Sedlmayr u n d B a n d m a n n zur inhaltlichen I n t e r p r e t a t i o n mittelalterlicher A r c h i t e k t u r " ( I n : E t u d e s d ' A r t Médiéval offertes à Louis Grodecki, P a r i s 1981, S. 179). Wichtige Beiträge zur B e d e u t u n g der frühmittelalterlichen Architektur h a t E d g a r L e h m a n n geleistet, wir nennen e t w a : Die B e d e u t u n g des antikischen B a u s c h m u c k s a m D o m zu Speyer. I n : Zeitschrift f ü r Kunstwissenschaft 5, 1951, S. 1—16; ders., Zur D e u t u n g des karolingischen Westwerkes. I n : Forschungen u n d Fortschritte 37, 1963 (5) S. 144—147; ders., Die A r c h i t e k t u r zur Zeit K a r l s des Großen. In : Karl der Große. Lebenswerk und Nachleben. B d . 3, Karolingische K u n s t , Düsseldorf 1965, S. 301—319; ders. K a i s e r t u m und R e t o r m als B a u h e r r e n in hochkarolingischer Zei. I n : Festschrift P e t e r Metz, Berlin (W) 1965, S. 74—98. Vgl. ferner Baldwin F . Smith, Architectural symbolism of imperial R o m e a n d t h e Middle Ages, Princeton/New Jersey 1956 = Princeton monographes in a r t a n d archaeology 30; J ö r g Träger, Mittelalterliche Architekturfiktion. Die Allerheiligenkapelle a m Regensburger Domkreuzgang, München/Zürich 1980; Carol Heitz, R e c h e r ches sur les r a p p o r t s entre architecture et liturgie à l'époque carolingienne. I n t r o d u c tion de Pierre Francastel, P a r i s 1963 = Bibliothèque générale de l'école p r a t i q u e des h a u t e s études, V I e section; ders., L'architecture religieuse carolingienne. Les formes et leurs fonctions, P a r i s 1980. Gesamtdarstellung mit umfangreichem A p p a r a t : Adolf Reinle, Zeichensprache der Architektur. Symbol, Darstellung u n d Brauch in der B a u -
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kunst des Mittelalters und der Neuzeit, Zürich/München 1976. Vgl. ferner: I n memoria m Günter B a n d m a n n . Reden bei der Gedenkfeier der Philosophischen F a k u l t ä t der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität von E d u a r d Trier, Heinrich Lützeler und Werner Busch, Bonn 1977 = Alma mater. Beiträge zur Geschichte der Universität Bonn 39, sowie die dem Andenken des zu f r ü h Verstorbenen gewidmeten Beiträge von Schülern und Kollegen in: K u n s t als Bedeutungsträger. Gedenkschrift f ü r Günther B a n d m a n n . Hrsg. von Werner Busch, Reiner Haussherr und E d u a r d Trier, Berlin (W) 1978. Ein Versuch aus der Sicht des heutigen Architekten: Olaf Weber und Gerd Zimmermann, Probleme der architektonischen Gestaltung unter semiotisch-psychologischem Aspekt, Berlin 1980 = B a u a k a d e m i e der D D R , I n s t i t u t f ü r Städtebau u n d Architektur. Auf überraschende Weise hat sich die postmoderne Architektur seit den 60er J a h r e n wieder Bedeutungsaspekten zugewandt: Heinrich Klotz, Moderne und Postmoderne. Architektur der Gegenwart 1960—1980, Braunschweig — Wiesbaden 1984 = Schriften des Deutschen Architekturmuseums zur Architekturgeschichte u n d Architekturtheorie; Revision der Moderne. Postmoderne Architektur 1960—1980. Hrsg. von Heinrich Klotz, München 1984. Die beiden opulent ausgestatteten, kenntnisreich und engagiert geschriebenen Bände lassen den Wunsch entstehen, Bedeutungskategorien auch f ü r die Geschichte der sozialistischen Architektur und f ü r die sozialistische Architekturpraxis der Gegenwart zu erarbeiten. Ein anregender Sammelband, der ikonologischeBetrachtungsweisen bis zur Architektur des20. J h . demonstriert: Martin W a r n k e (Hrsg.), Politische Architektur in E u r o p a vom Mittelalter bis heute — Repräsentation und Gemeinschaft, Köln 1984. — Die von Friedrich Ohly begründete Bedeutungsforschung zur mittelalterlichen Literatur fragt „nach dem spirituellen Sinn etwa der Zahlen und der Farben, nach der mittelalterlichen Architekturauslegung oder der Bedeutung der Gebärden", sie erforscht vor allem die durch die „Allegorese herbeigeführte" Sinngebung der Welt (Friedrich Ohly, Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, D a r m s t a d t 1977, S. I X f . ) . Vgl. a u c h : Verbum et Signum. Beiträge zur mediävistischen Bedeutungsforschung. Studien zu Semantik und Sinntradition im Mittelalter. Friedrich Ohly z. 60. Geb., Hrsg. von H a n s F r o m m , Wolfgang H a r m s und U w e R u b e r g , 2 B ä n d e München 1975. Zum strukturalistischen Bedeutungsbegriff vgl. L o t m a n n 1972, S. 55 — wie Anm. 3: „Das Problem der Bedeutung im künstlerischen Text." Vgl. auch Anm. 81. Günter B a n d m a n n , Ikonologie des Ornaments und der Dekoration. I n : J a h r b u c h f ü r Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 4, 1958/59, S. 232, 234. ebenda, S. 248. ders., Ikonologie der Architektur. I n : J a h r b u c h f ü r Ästhetik und allgemeine K u n s t wissenschaft 1, 1951, S. 97. ders., Zur Bedeutung der romanischen Apsis. I n : Wallraf-Richartz-Jahrbuch 15, 1953, S. 36. B a n d m a n n 1958/59, S. 237 - wie Anm. 34. B a n d m a n n 1951, S. 72f. — wie Anm. 36. Vgl. auch Günter B a n d m a n n , Bemerkungen zu einer Ikonologie des Materials. I n : Städel-Jahrbuch N F 2, 1969, S. 75-100. Vgl. ferner das Stichwort „Ikonologie" des Lexikons der K u n s t , 2. Bd. Leipzig 1971, S. 370f. Weimann 1972, S. 37 - wie Anm. 31. Heinrich Lützeler, Zur Theorie der Kunstforschung. Beiträge von Günter B a n d m a n n . I n : K u n s t als Bedeutungsträger 1978, S. 568 — wie Anm. 33. E s gibt noch keine theoretische Grundlegung der Ikonologie, die allgemeinere Verbindlichkeit besäße, vgl. z. B. die Differenzen zwischen dem Artikel „Ikonologie" des Lexikons der K u n s t (Bd. 2, Leipzig 1971, S. 370—371), dem wir weithin zustimmen, u n d den Positionen des von E k k e h a r d Kämmerling herausgegebenen Sammelbandes: Ikonographie u n d Ikonologie, Theorien, Entwicklung, Probleme. Bildende K u n s t als Zeichensystem, Bd. 1, Köln 1979; vgl. auch Götz Pochat, Der Symbolbegriff in der Ästhetik und Kunstwissenschaft, Köln 1983.
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FRIEDRICH MÖBIUS
B a n d m a n n 1951, S. 209 - wie A n m . 33. ebenda, S. 211. ebenda, S. 208. ebenda, S. 211. ebenda, S. 217. ebenda, S. 208. Günter B a n d m a n n , Besprechung von Heitz 1963 (wie A n m . 33). I n : Historische Zeitschrift 202, 1966, S. 377. 50 E r n s t Ullmann, A r c h i t e k t u r u n d Gesellschaft. Zu den Problemen des Gegenstandes u n d des I n h a l t s der W e r k e der B a u k u n s t . E i n Beitrag zur Architekturfcheorie. I n : Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, gesellsch.-sprachwiss. R e i h e 13, 1964 (5), S. 890. 51 Sedlmayr 1948, S. 11 - wie A n m . 33. 52 Martin W a r n k e , B a u u n d Ü b e r b a u . Soziologie der mittelalterlichen Architektur nach den Schriftquellen, F r a n k f u r t / M . 1976, S. 147-158. 53 Ullmann 1964, S. 893 - wie A n m . 50. 54 Friedrich Möbius, Westwerkstudien, J e n a 1968, S. 72ff. 55 Ullmann 1964, S. 895 - wie A n m . 50. 56 ebenda S. 896. 57 ebenda S. 894f. 58 B a n d m a n n 1951, S. 200 - wie A n m . 33. 59 ebenda S. 176. 60 J a n Bialostocki, Die „ R a h m e n t h e m e n " u n d die archetypischen Bilder. I n : J . B., Stil u n d Ikonographie. Studien zur Kunstwissenschaft, Dresden 1966, S. 111—125 = F u n d u s 18. 61 Friedrich Möbius, Wirkungsforschung — F r a g e n an die Kunstwissenschaft. I n : F u n k tionen und Wirkungsweisen der K u n s t im Sozialismus. D r i t t e J a h r e s t a g u n g der Sektion Kunstwissenschaft des Verbandes bildender K ü n s t l e r der D D R . Bearbeitetes Protokoll, Berlin 1978, S. 2 3 - 3 9 . Zur Toposliteratur: E r n s t R o b e r t Curtius, E u r o p ä ische L i t e r a t u r u n d lateinisches Mittelalter, 2. Aufl. Bern 1954; Toposforschung. E i n e D o k u m e n t a t i o n . Hrsg. von P e t e r J e h n , F r a n k f u r t / M . 1972; Toposforschung. Hrsg. von Max L. Baeumer, D a r m s t a d t 1973 = W e g e der Forschung B d . 395. 62 Friedrich Möbius, Philipp Otto R u n g e s Gemälde „ P e t r u s auf dem Meer". Topoisierung u n d Adressierung im romantischen Schaffensprozeß. I n : Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, gesellsch.-sprachwiss. Reihe 28, 1979 (1/2), S. 122-126. 63 L o t m a n 1972, S. 410 - wie A n m . 3. 64 B a n d m a n n 1951, S. 11 — wie A n m . 33. 65 Werner Jacobsen, Saint-Denis in n e u e m L i c h t : Konsequenzen der neuQntdeckten Baubeschreibung aus dem J a h r e 799. I n : K u n s t c h r o n i k 36, 1983 (7), S. 307. 66 Friedrich Möbius, Basilikale R a u m s t r u k t u r im Feudalisierungsprozeß. A n m e r k u n g e n zu einer „Ikonologie der Seitenschiffe". I n : kritische berichte 7, 1979 (2/3), S. 5—17. 67 Begriff nach F r a n z - J o a c h i m Verspohl, Stadionbauten von der Antike bis zur Gegenwart. Regie u n d Selbsterfahrung der Massen, Gießen 1976. 68 K a r l Heinrich Krüger, Königsgrabkirchen der F r a n k e n , Angelsachsen u n d Langobarden bis zur Mitte des 8. J a h r h u n d e r t s . München 1971, S. 171 ff. = M ü n s t e r s c h e Mittelalter-Schriften B d . 4. 69 K r a u t h e i m e r 1942 — wie A n m . 33. 70 Dazu i m besonderen: Günter B a n d m a n n , Die vorgotische Kirche als H i m m e l s s t a d t . I n : Frühmittelalterliche Studien. J a h r b u c h des I n s t i t u t s f ü r F r ü h m i t t e l a l t e r f o r s c h u n g der Universität Münster 6, 1972, S. 6 7 - 9 3 . 71 Heinrich Klotz, Der Florentiner S t a d t p a l a s t . Z u m Verständnis einer Repräsentationsform. I n : Architektur des Mittelalters. F u n k t i o n u n d Gestalt. Hrsg. von Friedrieh
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Möbius u n d E r n s t Schubert, W e i m a r 1983, S. 334f. ; vgl. auch H a n s - J o a c h i m K u n s t , Freiheit u n d Zitat in der Architektur des 13. J a h r h u n d e r t s . Die K a t h e d r a l e von Reims. I n : B a u w e r k u n d Bildwerk im Hochmittelalter. Anschauliche Beiträge zur K u l t u r u n d Sozialgeschichte. Hrsg. von K a r l Clausberg u. a., Gießen 1981, S. 87—102. Möbius 1979, S. 12 mit A n m e r k u n g 79 - wie A n m . 66. K a r l Oettinger, Laube, G a r t e n u n d Wald. Zu einer Theorie der süddeutschen Sakralk u n s t 1470-1520. I n : Festschrift f ü r H a n s Sedlmayr, München 1962, S. 228; vgl. d a z u Friedrich u n d Helga Möbius, Ecclesia ornata. O r n a m e n t am mittelalterlichen Kirchenb a u , 2. Aufl. Berlin 1978, S. 192ff. Friedrich Möbius, Die K a t h e d r a l f a s s a d e in der mittelalterlichen Stadt. I n : Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität J e n a , gesellsch.-sprachwiss. Reihe 30, 1981 (3/4), S. 275-301. R e i n h a r d Müller-Mehlis, Hier winkt die E r f ü l l u n g des T r a u m s von der Brutal-Arc h i t e k t u r . I n : D a s Münster 28, 1975 (1/2), S. 84. D a ß der Beton zum Bedeutungsträger werden k a n n , sollte nach Günter B a n d m a n n s A u s f ü h r u n g e n über die Ikonologie des Materials (vgl. A n m . 39) nicht bestritten werden. Wir verweisen in diesem Z u s a m m e n h a n g auch auf Forschungen Dieter Kimpels ü b e r die gotischen Baubetriebe ( I n : Architektur des Mittelalters. F u n k t i o n u n d Gestalt. Hrsg. von Friedrich Möbius u n d E r n s t Schubert, W e i m a r 1983, S. 246-272) u n d die v o n ihm angedeutete Zeichenfunktion technologischer Prozesse. Alle Fragen, die sich aus der ästhetischen B e d e u t u n g der Arbeit ergeben, gehören selbstverständlich z u m Gegenstand kunstgeschichtlicher Bedeutungsforschung. Die Integration der „Technikgeschichte" in die Ikonologie ist jedoch nicht geleistet. Veröffentlichungen von Dieter Kimpel zu diesem T h e m a : Le développement de la taille en série d a n s l'architecture médiévale et son rôle d a n s l'histoire économique. I n : Bulletin m o n u m e n t a l 135, 1977, S. 195—222; Die Versatztechniken des Kölner Domchores. I n : Kölner D o m b l a t t . J a h r b u c h des Zentral-Dombau-Vereins, 54./55. Folge 1979/80, S. 2 7 7 - 2 9 2 ; L ' a p p a r i t i o n des éléments de série d a n s les grands ouvrages. I n : Histoire et archéologie, Dossiers 47, 1980, S. 40—59; Ökonomie, Technik u n d F o r m in der hochgotischen Architektur. I n : Bauwerk und Bildwerk 1981, S. 103—125 — wie A n m . 71. G ü n t e r B a n d m a n n , F r ü h - u n d hochmittelalterliche Altaranordnung als Darstellung. I n : D a s erste J a h r t a u s e n d . K u l t u r u n d K u n s t im werdenden Abendland a n R h e i n u n d R u h r . T e x t b d . I, R e d . Viktor H . Elbern, 2. Aufl. Düsseldorf 1963, S. 389. Aaron J . Gurjewitsch, D a s Weltbild des mittelalterlichen Menschen, 2. Aufl. Dresden 1983, S. 22 = F u n d u s 5 5 - 5 7 . Philosophisches W ö r t e r b u c h . Hrsg. von Georg K l a u s und Manfred B u h r , Bd. 2, Leipzig 1976, S. 1334 (Artikel „Zweck" u n d „Zweckmäßigkeit"). Vgl. dazu Gurjewitsch 1983, S. 19 (wie A n m . 78): „Die Theologie stellte die .höchste Verallgemeinerung' der sozialen P r a x i s des Menschen im Mittelalter dar u n d lieferte ein allgemeingültiges Zeichensystem, in dessen Termini die Mitglieder der feudalen Gesellschaft sich u n d ihre Welt wiedererkannten sowie ihre Begründung u n d Erklärung fanden." Der Verfasser h a t sich diesen F r a g e n in folgenden Arbeiten gestellt: Westwerkstudien, J e n a 1968; Die Chorpartie der westeuropäischen Klosterkirche zwischen 8. u n d 11. J a h r h u n d e r t . Kulturgeschichtliche Voraussetzungen, liturgischer Gebrauch, soziale F u n k t i o n . I n : Architektur des Mittelalters. F u n k t i o n u n d Gestalt. Hrsg. v. Friedrich Möbius u n d E r n s t Schubert, W e i m a r 1983, S. 9—41; D a s L a n g h a u s der Klosterkirche als Festtagspfarrkirche. I n : Möbius und Sciurie 1984, S. 28—78 — wie A n m . 5. Vgl. auch den methodisch wichtigen, auf B r a u c h t u m u n d Gebrauch orientierten B a n d von Reinle 1976 — wie A n m . 33. — Die mit einem einschichtigen Liturgiebegriff arbeitenden älteren kunstgeschichtlichen Darstellungen verbleiben im Nebeneinander von Archit e k t u r f o r m u n d kirchlichem Gebrauch, vgl. etwa K u r t Liesenberg, Der E i n f l u ß der
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Liturgie auf die frühchristliche Basilika. Diss. phil. Freiburg/Br. 1925, Neustadt a. d. Haardt 1928. — E i n jüngerer Versuch, den Gebrauchswert funktionalistischer Architektur des 20. Jahrhunderts zu bestimmen — den wir hier aus methodologischen Gründen anführen —, „will den Nachweis erbringen, daß Architektur etwas mit dem Leben zu tun hat, daß Gebäude Instrumente zur Lebensgestaltung sind", er geht von der Frage aus, die wir in gleicher Weise stellen: „Wie denn kann der gesellschaftliche Bezug von Gebäuden erfaßt werden? Wie ist Gesellschaft den Dingen i m m a n e n t ? " (Eduard Führ, Architektur als Gebrauchswert. Zur Praktognosie materieller Kultur. Diss. phil. Bochum 1979, S. I, 104). Die einseitige Sicht auf die Baukunst des 20. J a h r hunderts und die Bekenntnisse ihrer Schöpfer (und damit die Negierung des von der Architekturgeschichte bislang erarbeiteten Wissens) sowie eine eigentümlich sinnarme Sicht auf das „soziale Handeln" — es ist „eine zweckmäßige . . . Bewegung des Menschen, die sich orientiert an den Mitmenschen und . . . an der dinglichen U m w e l t " (S. U l f . ) — läßt den Verfasser trotz des produktiven Ansatzes und der zu würdigenden theoretischen Anstrengung letztlich — wie mir scheint — nicht zu hilfreichen Erkenntnissen kommen. Möbius 1968, Anmerkung 316 auf S. 106 - wie Anm. 54. Wilhelm Effmann, Centula — Saint Riquier. E i n e Untersuchung zur Geschichte der kirchlichen Baukunst in der Karolingerzeit, Münster 1912 = Forschungen und Funde. Hrsg. von F . Jostes, B d . I I , Heft 5. Honoré Bernard, D'Hariulphe à E f f m a n n , à la lumière des récentes fouilles de SaintRiquier. I n : Actes du 9 5 e Congrès National des Sociétés. Section d'Archéologie et d'Histoire de l'Art, R e i m s 1970, Paris 1974, S. 219—235; ders., U n site prestigieux du monde carolingien Saint-Riquier. Peut-on connaître la grande basilique d'Angilbert? I n : Les Cahiers Archéologiques de Picardie 1978, S. 241—254. Section d'Archéologie et d'Histoire de l'art, Paris 1974, S. 2 1 9 - 2 3 5 . Irmingard Achter, Zur Rekonstruktion der karolingischen Klosterkirche Centula. I n : Zeitschrift für Kunstgeschichte 19, 1956, S. 1 3 3 - 1 5 4 . Alle hier genannten Maße wurden lediglich von Grundrissen abgenommen. Angilberti abbatis de ecclesia Centulensi Libellus. E d . G. Waitz. I n : Monumenta Germaniae historica. Scriptores 15, 1, Hannover 1887, S. 173—179. Sie legen zugleich nahe, die Schrift um 802 entstanden zu denken, da K a r l als „imperat o r " aufgeführt wird — z. B . S. 175 —, die Kaiserkrönung in R o m also bereits stattgefunden haben muß. Das letzte Oratorium wird am 3. September 801 geweiht (Möbius 1968, S. 30 — wie Anm. 54). Unmittelbar nach der Weihe mußte die Weihenachricht formuliert worden sein. Institutio Sancti Angilberti De Diuersitate Officiorum (800—811). I n : Kassius Hallinger, Initia Consuetudines Benedictinae. Consuetudines saeculi octavi et noni, Siegburg 1963, S. 283—303 = Corpus Consuetudinum Monasticarum, tom. I . — David Parsons kommt in seiner quellenkritischen Studie von 1974 zu dem Schluß: E s gibt kaum einen direkten Beweis für den Bezug Angilberts auf die Institutio (S. 32), der T e x t könnte ihm fälschlicherweise zugeschrieben worden sein : „ I t also makes it more likely that the Institutio might have been falsely attributed to Angilbert" (S. 40). Die damit eingeleitete, dringend notwendige, Neusichtung der Centulaer T e x t e und deren Bezug auf den karolingischen B a u („Part I I : The architectural Information", S. 40—50) verdiente eine unvoreingenommene Weiterführung durch Historiker, Liturgie- und Architekturhistoriker sowie Sprachwissenschaftler (insbesondere durch die mittellateinische Philologie). Wir verstehen unsere buticum-Untersuchung als einen solchen Beitrag zum interdisziplinären Gespräch. David Parsons Falsifikationsthesen vermögen wir in den Punkten, die sich auf den karolingischen B a u und die Reichsliturgie beziehen, jedoch nicht nachzuvollziehen. Irrige Argumentation (z. B . zum tatsächlichen Fassungsvermögen des Westwerkobergeschosses) geht oftmals einher mit ungenügender Kenntnis der ein-
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schlägigen Sekundärliteratur sowie der zeitgenössischen architekturgeschichtlichen Situation. Des A u t o r s Aufruf zu kritischem U m g a n g mit den überlieferten Quellen wird von u n s voll u n t e r s t ü t z t . (David Parsons, The pre-romanesque Church of St-Riquier: T h e d o c u m e n t a r y Evidence. The Reginald Taylor Prize Essay, 1974, I n : The J o u r n a l of t h e British Archaeological Association 130, 1977, S. 21—51). Hariulf, Chronique de l'abbaye de Saint-Riquier (V e siècle—1104). Publiée p a r Ferdin a n d Lot, Paris 1894 = Collection de t e x t e s p o u r servir à l'étude e t à l'enseignement de l'histoire. Die letztere V e r m u t u n g bei Günter Binding, Die D a t i e r u n g des karolingischen Kölner Doms. I n : J a h r b u c h des Kölnischen Geschichtsvereins 52, 1981, S. 203. Zuletzt Heitz 1963, S. 22ff. - wie A n m . 33. E x vita Angilberti. Auctore, u t videtur, Anschero. I n : Monumenta Germaniae histórica. Scriptores 15, 1, H a n n o v e r 1887, S. 180; Vita Angilberti auctore Anschero (Aus: J . Mabillon, Acta Sanctorum O. S. B. IV, 1673). I n : Julius von Schlosser, Schriftquellen zur Geschichte der karolingischen K u n s t , Wien 1892, S. 260—262 = Quellenschriften f ü r Kunstgeschichte u n d K u n s t t e c h n i k des Mittelalters u n d der Neuzeit, N. F . Bd. 4. Z. B. J o a n n i s de Capella, Crónica a b b r e v i a t a d o m i n o r u m et sanctorum a b b a t u m sancti Richarii. N o v a editio summariis annotationibusque illustravit E . P r a r o n d , P a r i s 1893. P . P e t a u , De Nithardo, Caroli Magni nepote, ac t o t a ejusdem N i t h a r d i prosapia, breve s y n t a g m a , P a r i s 1613; J o a n n i s Mabillon, Acta Sanctorum ordinis sancti Benedicti IV, 1, Venedig 1734. — Ausgaben, die die Stiche enthielten, waren mir leider nicht zugänglich. Schriftliche Belege f ü r die Verbindung von A l t a r f u n d a m e n t u n d gewachsenem Boden scheint es nicht zu geben. Prof. Dr. G o t t h a r d N e u m a n n f (Jena) glaubte jedoch, eine solche Regel aus zahlreichen Grabungsbeobachtungen erschließen zu können (mündliche Mitteilung während seiner Grabungen in der J e n a e r Stadtkirche 1953—1955, a n denen ich als Grabungsassistent teilnahm). J o s e p h B r a u n , Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1. B d . München 1924, S. 678, 686. I n s t i t u t i o 1963, S. 301 (Benediktuskirche), S. 294, 299 (Marienkirche) - wie A n m . 89. ebenda S. 300 (Benediktuskirche), 295 (Richariuskirche, Salvatorkirche). ebenda S. 296 (Salvatorkirche), 296 (de aecclesia beati Richarii), 301 (in aecclesia ipsius = B e a t i Richarii). ebenda S. 303. ebenda S. 294; Angilberti Libellus 1887, S. 174 (De constructione aecclesia sancti Salvatoris sanctique Richarii), 177 (in aecclesia sancti Salvatoris et sancti Richarii) — wie A n m . 87. Alle Formulierungen a u s I n s t i t u t i o 1963 — wie A n m . 89. Leo Hugot, Der W e s t b a u des Aachener Doms. I n : Aachener K u n s t b l ä t t e r 24/25, 1962/63, S. 121. Alcuini epistolae 152. I n : M o n u m e n t a Germaniae histórica. Epistolae 4, Epistolae karolini aevi 2, Berlin 1895, S. 247 (anno 798). Angilberti Libellus 1887, S. 176: (capsa maior:) „subtus c r i p t a m sancti Salvatoris ponere s t u d u i m u s " ; (13 capsae minores) „super t r a b e m , q u a m in arcu coram altare beati Richarii s t a t u i m u s " — wie A n m . 87. Möbius 1968, S. 29ff. — wie A n m . 54. Zur Apostelbedeutung der Bischöfe, besonders, wenn sie in einer Zwölfergruppe a u f t r e t e n , vgl. Hincmarus, De ordine palatii. I n : M o n u m e n t a Germaniae histórica. L e g u m Sectio I I , Capitularía 2, 1897, S. 519, cap. 4. H i n k m a r s W e r k geht auf eine Schrift Adalhards von Corbie zurück, der als Mitglied der Aachener Kapelle u n d A b t des benachbarten Klosters Corbie ein unmittelbarer
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A m t s b r u d e r Angilberts war. Die symbolische Gleichsetzung von Apostel u n d Bischof m u ß Angilbert geläufig gewesen sein. Adolf Ostendorf, D a s Salvator-Patrocinium, seine Anfänge u n d seine Ausbreitung im mittelalterlichen Deutschland. I n : Westfälische Zeitschrift 100, 1950, S. 357-376. Angilberti Libellus 1887, S. 174 - wie A n m . 87. I m karolingischen Kölner D o m dominierte gleichfalls das mit dem westlichen H a u p t altar verbundene Patrozinium, die Kirche ist heute noch ein Petersdom, keine Marienkirche, vgl. die Belege bei R e n a t e Kroos, Liturgische Quellen zum Kölner Domchor. I n : Kölner D o m b l a t t . J a h r b u c h des Zentral-Dombau-Vereins 44/45, 1979/80, bes. S. 41. E . Mühlbacher, Die U r k u n d e n der Karolinger, 1. Bd., Die U r k u n d e n Pippins, Karlm a n n s u n d K a r l s des Großen, H a n n o v e r 1906 ( = Monumenta Germaniae historica. D i p l o m a t u m Karolinorum 1), S. 246 (Urkunde N r . 182 v o m 28. April 797, ausgestellt in Aachen) : (monasterium Centulum), „quod est constructum in honore domini et salvatoris nostri J e s u Christi eiusque sanctae genitricis Semper virginis Mariae et sancti P e t r i eeterorumque o m n i u m apostolorum et m u l t o r u m sanctorum, in quo etiam sanctus Richarius praeclarissimus Christi confessor corpore requiescit." Angilberti A e p y t a p h i u m . I n : M o n u m e n t a Germaniae historica. Scriptores 15, 1, 1887, S. 179. N i t h a r d i historiarum libri IV. I n : M o n u m e n t a Germaniae historica. Scriptores 2, 1829, S. 671. Hariulf 1894, S. 87 - wie A n m . 90. J o a n n i s Mabillon, Annales ordinis s. Benedicti, Bd. 2, Paris 1704, S. 349. Hariulf 1894, S. 54 - wie A n m . 90. J o a n n i s 1893, S. 21 - wie A n m . 94. siehe A n m . 110. J . Bollandus, G. Henschenius, Acta Sanctorum Februarii, t o m . I I I , Antwerpen 1658, S. 97. Mabillon 1704, S. 330 - wie A n m . 114. Hariulf 1894, S. 54 — wie A n m . 90: „turris occidentalis in honore sancti Salvatoris specialiter est diacata." ebenda, S. 278: „turris, olim dicatae nomini Salvatoris." ebenda, S. 256: „in t u r r e ubi est sancti Salvatoris altare." Die in A n m e r k u n g 110 genannte U r k u n d e von 797 wird von J o a n n i s 1893, S. 31 (wie A n m . 94) so zitiert: „huic ecclesiae sancti Richarii". Die in A n m e r k u n g 108 zitierte Salvatorkirche heißt bei J o a n n i s S. 22 „ecclesia sancti Richarii". siehe A n m . 115 u n d 116. Hariulf 1894, S. 53, 97, 175, 234 - wie A n m . 90. ebenda, S. 86, 114. ebenda, S. 84, 99, 215. ebenda, S. 100, 143. ebenda, S. 101, 271. ebenda, S. 56. ebenda, S. 122. ebenda, S. 141. ebenda, S. 206. Nicht erst im 11. J h . , wie Achter 1956, S. 135 — wie A n m . 85 — v e r m u t e t , vgl. Hariulf 1894, S. 114 — wie A n m . 90 — (Zitat aus einer königlichen U r k u n d e von 856): „sancti Richarii a b b a t i a " ; f e r n e r : E x miraculis s. Richarii (entstanden kurz n a c h 864). I n : M o n u m e n t a Germaniae historica. Scriptores 15, 2, 1888, S. 917: „sancti Richarii monasterium", „ad monasterium sancti R i c h a r i i " ; M o n u m e n t a historiae Tornacensis. I n : M o n u m e n t a Germaniae historica. Scriptores 14, 1883, S. 296: „monasterii s a n c t o r u m
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Walarici et Richarii" (zum J a h r 881); Annalium Lobiensium f r a g m e n t u m . 2. Annales Vedastini ex códice único restituí. I n : M o n u m e n t a Germaniae histórica. Scriptores 2, 1829, S. 199: „Centula, monasterium sancti Richarii" (zum J a h r 881); Annales Vedastini. I n : M o n u m e n t a Germaniae histórica. Scriptores 1, 1826, S. 519: „usque CentuIam, monasterium sancti Richarii" (zum J a h r 881); Chronicon N o r m a n n o r u m , ebenda S. 534 selbe F o r m u l i e r u n g ; Chronica Albrici monachi T r i u m F o n t i u m , a monacho novi monasterii hoiensis interpolata. I n : M o n u m e n t a Germaniae histórica. Scriptores 23, 1874, S. 744: „Centulum regium vicum et a n t i q u u m ac nobile m o n a s t e r i u m sancti Richarii" (zum J a h r 882). — Auch im b e n a c h b a r t e n Corbie verzichtete m a n „seit der Mitte des 9. J h . " auf das ursprüngliche Doppelpatrozinium. Die ehemals P e t e r u n d P a u l geweihte H a u p t k i r c h e wird zu einer Peterskirche (Pierre Héliot, Die Abtei Corbie vor den normannischen Einflüssen. I n : Westfalen 34, 1956, S. 135). Der gleiche Vorgang vollzog sich in W e r d e n , dessen H a u p t k i r c h e 875 „in honore sancti Saluatoris et sánete Dei genitricis Marie et sanetorum Apostolorum P e t r i et Pauli, S t e p h a n i protomartiris, L a u r e n t i i diaconi, Martini confessoris" geweiht worden war (Joseph Niesert, Münsterische U r k u n d e n s a m m l u n g Bd. 2, Cosefeld 1827, S. 7 N r . I I I ) . „ S p ä t e r g e w ö h n t e m a n sich daran, die Kirche vorzüglich n a c h d e m neben oder u n t e r d e m H o c h a l t a r beigesetzten ehrwürdigen Stifter S. Liudger zu nennen, wie sich das in ähnlicher Weise von zahlreichen Kirchen nachweisen läßt, deren offizielles P a t r o z i n i u m durch den N a m e n eines in ihnen beigesetzten Heiligen v e r d r ä n g t w u r d e " (Heinrich Schaefer, Zur Rechtsgeschichte u n d Topographie des Werdener Münsters. I n : Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden, 12. H e f t , Werden 1907, S. 6. I n A n m . 5 n e n n t H . Schaefer neben Centula noch weitere Beispiele des späteren Verzichtes auf ein ursprüngliches Doppelpatrozinium). Die E i n o r d n u n g dieser Verschiebungen im Patrozinienbereich in größere geschichtliche Zusammenhänge ist noch n i c h t geleistet. Angilberti Libellus 1887, S. 176 - wie A n m . 87. , ebenda S. 175. I n s t i t u t i o 1963, S. 294 - wie A n m . 89. ebenda S. 295. ebenda S. 296. Angilberti Libellus 1887, S. 175 - wie A n m . 87. ebenda, S. 177. ebenda, S. 176; I n s t i t u t i o 1963, S. 302 - wie A n m . 89. Angilberti Libellus 1887, S. 177 - wie A n m . 87. ebenda S. 175; I n s t i t u t i o 1963, S. 294, 297, 299, 300 - wie A n m . 89. I n s t i t u t i o 1963, S. 294 - wie A n m . 89. Angilberti Libellus 1887, S. 174 - wie A n m . 87. I n s t i t u t i o 1963, S. 294, 296, 300, 301 - wie A n m . 89. ebenda, S. 294. Der K e r n der folgenden philologischen Analyse erschien u n t e r d e m Titel „ B u t i c u m als Conus Dei. Zur f r ü h e n Vierung in Centula" bereits i n : Ars auro prior. Studia Ioanni Bialostocki sexagenario dicata, Warszawa 1981, S. 79—86. Die dort n u r angedeuteten Schlußfolgerungen werden n u n weiter ausgebaut. Georges D u r a n d , Saint-Riquier (Arondissement d'Abbeville), Amiens-Paris 1911, S. 151 = L a Picardie historique et monumentale, t o m e 4, partie 2. Wie A n m . 148. Zuletzt Heitz 1980, S. 56ff - wie A n m . 33. siehe A n m . 164. Hariulf 1894, S. 54 (wie A n m . 90): „Haec (ecclesia) ab oriente h a b e t ingentem t u r r e m post cancellum, et, interposito vestíbulo, alia t u r r i s versus occidentem h a b e t u r priori aequalis." ebenda S. 54.
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156 ebenda S. 54. 157 e b e n d a S. 54. 158 Angilberti Libellus 1887, S. 177 (wie Anm. 87): „Columnae coram altare saneti Richarii auro et argento p a r a t a e V I " ; Hariulf 1894, S. 87 (wie Anm. 90) : „Ante altare ejusdem saneti s t a n t columnae V I magnae ex cupro argento et auro p a r a t a e . " 159 Hariulf 1894, S. 257 - wie A n m . 90. 160 D u r a n d 1911, S. 154 - wie A n m . 150. 161 H u g o Graf, Opus francigenum. Studien zur Frage nach dem Ursprünge der Gothik, S t u t t g a r t 1878, S. 106; ders., Neue Beiträge zur Entstehungsgeschichte der kreuzförmigen Basilika. I n : R e p e r t o r i u m f ü r Kunstwissenschaft 15, 1892, S. 306—331. Neudruck 1968. 162 Heinrich Holtzinger, Uber den U r s p r u n g u n d die B e d e u t u n g der Doppelchöre. Eine Studie a u s der Baugeschichte des Mittelalters, Leipzig 1882. 163 Heitz 1963, S. 79 - wie Anm. 33. 164 Angilberti Libellus 1887, S. 178 (wie A n m . 87): „chorus saneti Salvatoris centenos monachos cum q u a t u o r et triginta pueris habeat, chorus saneti Richarii centenos monachos tresque et triginta pueros iugiter habeat, chorus psallens a n t e s a n e t a m Passionem centenos monachos triginta t r i b u s adiunetis pueris, similiter h a b e a t . " 165 I n s t i t u t i o 1963, S. 294 (wie A n m . 89): „Sollemnes a u t e m orationes et adoratio crucis per choros q u a t u o r diuidatur. E t quibus u n u s sit f r a t r u m coram sanetae crucis altare, alius p u e r o r u m in prescripto t h r o n o saneti Richarii a b occidente (. . . fehlt eine Zeile) q u a r t u s uero coram saneto Saluatore." 166 Die bei Möbius 1968, S. 71 (wie A n m . 54) angegebenen Größenverhältnisse müssen nach den jüngsten französischen Ausgrabungen leicht erhöht werden. 167 E f f m a n n 1912, S. 44 - wie A n m . 83. 168 D a s bezieht sich allein auf die von i h m vorgetragene I n t e r p r e t a t i o n von buticum, nicht auf den Scharfsinn u n d die Vorbildlichkeit seiner wissenschaftlichen Rekonstruktionsleistung, die in keiner Weise herabgesetzt werden soll. 169 E d g a r L e h m a n n , Rezension von Heitz 1963 — wie A n m . 33. I n : K u n s t c h r o n i k 17, 1964, S. 163. 170 Mittellateinisches W ö r t e r b u c h bis z u m ausgehenden 13. J h . , B d . 1, Berlin 1967, Sp. 1631; ebenso Achter 1956, S. 135 (wie A n m . 85); H a n s R e i n h a r d t , L a cathédrale de Reims. Son histoire, son architecture, sa sculpture, ses vitreaux, Paris 1963, S. 27. — P a r s o n s 1977, S. 44 —wie A n m . 89 — versteht u n t e r b u t i c u m das Querschiff („transept"). 171 Hariulf 1894, S. 54 - wie A n m . 90. 172 ebenda, S. 54. 173 Siehe T e x t zu den A n m e r k u n g e n 155 u n d 156. 174 E d g a r L e h m a n n , Der f r ü h e deutsche Kirchenbau. Die Entwicklung seiner R a u m a n o r d n u n g bis 1080, Berlin 1938, S. 48ff. (2. Aufl. 1948). 175 siehe Text zu A n m e r k u n g 151. 176 siehe T e x t zu den Anmerkungen 155 und 156. 177 siehe T e x t zu A n m e r k u n g 155. 178 I n s t i t u t i o 1963, S. 302 (wie A n m . 89): „pergant f r a t r e s psallendo usque a d s a n e t a m Passionem" ; „ubi oratione f a c t a ingrediantur hinc et inde per areus mediae ecclesiae et orent ad s a n e t a m Passionem"; 303: „inde per arcum ipsiusaecclesiae v a d a n t p e r sancs a n e t a m Resurrectionem." tarn Passionem ad 179 E d g a r L e h m a n n , Die A n o r d n u n g der Altäre in der karolingischen Klosterkirche zu Centula. I n : Karolingische K u n s t , Düsseldorf 1965, S. 379 = K a r l der Große Bd. 3. 180 I n s t i t u t i o 1963, S. 294 - wie A n m . 89. 181 Mabillon 1704, S. 331 - wie A n m . 114. 182 H . Davidsen, Die Benennungen des H a u s e s u n d seiner Teile im Französischen, Diss. phil. Kiel 1903, S. 18.
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183 Lexikon mediae et infimae latinitatis Polonorum vol. I I , fasz. 8 (16), Wroclaw — Warszawa — K r a k ö w 1965, Sp. 1255: „Conus . . . p y r a m i s r o t u n d a . . . Sectio circulus est." 184 D u Cange, Glossarium mediae et infimae latinitatis, t o m e I, P a r i s 1840, S. 586. 185 „ I n f r a b u t i c u m Dei coni" ergibt keine grammatisch eindeutige F o r m . Unsere Übersetzung „Kegel Gottes" würde „Dei c o n u m " erfordern. Der Herausgeber stellt „coni" in Kursivschrift, vielleicht handelt es sich u m eine nachträgliche Zufügung zu „ b u t i c u m Dei". Aber auch die beiden Genitivformen „Dei" u n d „coni" können aufeinander bezogen werden. Versteht m a n „ b u t i c u m " als adjektivische Ableitung von „ b ( o ) u t a / b u t t a " = F a ß (Bütte), d a n n wäre die Übersetzung möglich: „unterhalb des b u t t a f ö r m i g e n R a u m e s des Gotteskegels". „Coni" hinge d a n n als Genitiv 1. Grades, „Dei" als Genitiv 2. Grades mit „infra b u t i c u m " zusammen. Unsere H y p o t h e s e folgt letztlich aus kunsthistorischen, nicht aus philologischen B e f u n d e n . — F ü r freundliche philologische Berat u n g d a n k e ich den H e r r e n Dr. Manfred Simon u n d Dozent Dr. habil. Winfried Trillitzsch von der Sektion Altertumswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 186 D u r a n d 1911, S. 154 — wie A n m . 150 — Auf einen ähnlichen E i n d r u c k m u ß die Deut u n g von b u t i c u m als „Baldachin" oder „Ciborium" zurückgegangen sein, wie sie sich bei L. Traube, Karolingische Dichtungen, Berlin 1888, S. 54 findet (mit Bezug auf eine von uns nicht aufgefundene Stelle bei Mabillon), ferner bei F e r d i n a n d L o t (Hariulf 1894, S. 54, F u ß n o t e 1 — wie A n m . 90) sowie in der französischen Übersetzung der Chronik von Centula a u s d e m J a h r e 1899: Chronicon Centulense ou Chronique de l ' a b b a y e de Saint-Riquier. Traduction p a r le Marquis Le Ver, publiée et a n n o t é p a r M. E . P r a r o n d , Abbeville 1899, S. 63/64 („baldaquin") =Mémoires de la Société d'émulation d'Abbeville. D a s Mittellateinische Glossar, u n t e r Mitwirkung von F . Gröbel hrsg. von E . Habel, 2. Aufl. P a d e r b o r n 1959, verzeichnet S. 42 u n t e r b u t i c u m die Bedeutungen „Trinkbecher, Kelch". 187 L e h m a n n 1965, S. 381 - wie A n m . 166. 188 ebenda S. 381. 189 Die Darstellung der K r e u z f o r m war ein bevorzugtes liturgisches Gestaltungsmittel. Der Ordo V I der R o m a n i Ordines stellt den Akolythen anheim, die K a n d e l a b e r auf den Altarstufen entweder geradlinig, wie an einem F a d e n , oder kreuzförmig aufzustellen : „ E t t u n c acolythi candelabra in inferiori gradu, quasi q u o d a m filo, p e r r e c t a m lineam p o n a n t , vel, u t q u i d a m volunt, in m o d u m crucis" (Migne, Patrologia L a t i n a B d . 78, P a r i s 1862, Sp. 991). D a s Chrisma wurde u n t e r kreuzförmigen H a n d b e w e g u n gen des Priesters in das Taufwasser geschüttet : „fundit chrisma de vasculo aureo intro in fontes super ipsam a q u a m in m o d u m crucis" (ebenda, Sp. 999); „postea i n f u n d a t chrisma in f o n t e m in m o d u m crucis super ipsam a q u a m " (ebenda, Sp. 1016). Gerade zu K a r f r e i t a g wurde die E r i n n e r u n g an das K r e u z besonders eindringlich beschworen. Der Ordo X läßt z. B. eine Prozession schweigend zur römischen Kreuzkirche ziehen, „welche Jerusalem i s t " (darstellt): „omnes discalceati sine c a n t u psallendo ad ecclesiam sanctae Crucis, quae est Jerusalem, ubi statio fieri d e b e t " (ebenda, Sp. 1013). 190 Günter U r b a n , Der Vierungsturm bis z u m E n d e des romanischen Stils u n t e r besonderer Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. Diss. phil. F r a n k f u r t / M . 1953 (Masch.-Sehr.), S. 27, 30, 46, 63. 191 J e a n H u b e r t , L ' a r t pré-roman, P a r i s 1938, S. 79. 192 derselbe, L'architecture religieuse du h a u t moyen âge en France, P a r i s 1953, S. 66. 193 B e r n a r d 1974, S. 232 - wie A n m . 84. 194 Gisela Schwering-Illert, Die ehemalige französische Abteikirche Saint-Sauveur in Charroux (Vienne) im 11. u n d 12. J a h r h u n d e r t . E i n Vorschlag zur R e k o n s t r u k t i o n u n d D e u t u n g der romanischen Bauteile. Diss. phil. B o n n 1960, Düsseldorf 1963, S. 92; in gleicher Weise polemisch Achter 1956, S. 149 — wie A n m . 85. 195 Gerhard N o t h , F r ü h f o r m e n der Vierung im östlichen Frankenreich, Diss. phil. Göttin-
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gen 1967, S. 67. Noch 1982 polemisierte eine amerikanische Forscheringegen, die R u n d f o r m der Centulaer Ostanlage (Virginia Jansen, R o u n d or Square ? The Axial Towers of t h e Abbey Church of Saint-Riquier. I n : Gesta. The I n t e r n a t i o n a l Center öf Mediaeval Art 21, 1982 [2], S. 83—90). Ihren beiden H a u p t a r g u m e n t e n — es gibt keine vergleichbaren Denkmäler in karolingischer Zeit, die karolingischen Texte gebe^i keinerlei Hinweis auf die R o t u n d e n f o r m — glauben wir nicht folgen zu dürfen. W a l t e r Boeckelmann, Die abgeschnürte Vierung. I n : Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie, 1. B d . : Neue Beiträge zur Kunstgeschichte des ersten J a h r t a u s e n d s , 2. H a l b b d . : Frühmittelalterliche K u n s t , Baden-Baden 1954, S. 110; vgl. v o m selben Verfasser: Grundformen im frühkarolingischen K i r c h e n b a u des östlichen Frankenreiches. I n : W a l l r a f - R i c h a r t z - J a h r b u c h 18, 1956, S. 27—69, f e r n e r : Der Widerspruch im St. Galler Klosterplan. I n : Zeitschrift f ü r schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 16, 1956 (3), S. 125-134. H e r m a n n Beenken, Die ausgeschiedene Vierung. Kritische Bemerkungen zu einigen R e k o n s t r u k t i o n e n karolingischer Kirchenbauten. I n : R e p e r t o r i u m f ü r Kunstwissenschaft, 51, 1930, S. 225 ( N e u d m c k 1968). L e h m a n n 1965 Architektur, S. 312 - wie A n m . 26. Heitz 1980, S. 231 - wie A n m . 33. Reinle 1976, S. 174 - wie A n m . 33. ebenda, S. 165: „der Ausdruck t u r r i s f ü r Zentralbau ist dem Mittelalter geläufig." Wilhelm Schlink, Saint-Bénigne in Dijon. Untersuchungen zur Abteikirche Wilhelms von Volpiano (962-1031), Berlin (W) 1978, S. 134 = F r a n k f u r t e r Forschungen zur Architekturgeschichte Bd. 5. Die lockere Verbindung einer „ f r ü h e n " S t r u k t u r kennzeichnete schon die B a u t e n der Konstantinischen Epoche, vgl. Günther Stanzl, Längsbau u n d Zentralbau $,ls Grundt h e m e n der frühchristlichen Architektur. "Überlegungen zur E n t s t e h u n g dQr Kuppelbasilika, Wien 1979 = Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 139. B d . U r b a n 1953, S. 46 - wie A n m . 190. Günther Binding, Architektonische Formenlehre, D a r m s t a d t 1980, S. 20ff. E d g a r L e h m a n n h a t erst jüngst auf den „ Z e n t r a l b a u " als die — neben R ö m i s c h e m Querhaus u n d Zellenquerbau — „dritte Wurzel des Querschiffs" verwiesen (Edgar L e h m a n n , Zu Querschiff, Vierung u n d Doppeltransept in der karolingisch-ottonischen B a u k u n s t . I n : Acta Historiae A r t i u m Academiae Scientiarum Hungaricae 28, 1982, H e f t 3/4, S. 221). Unsere Überlegungen machen es wahrscheinlich, daß der Zentralbau in der Fülle seiner historischen Ausprägungen von den karolingischen Baumeistern rezipiert worden ist; neben d e m kreuzförmigen Zentralbau sollte der kreisförmige iii die Diskussion einbezogen werden. Schlink 1978, S. 135 - wie A n m . 202. Volker Konerding, Die „Passagenkirche". E i n B a u t y p der romanischen B a u k u n s t in Frankreich, Berlin (W) — New York 1976, S. 90 = B e i t r ä g e zur Kunstgeschichte B d . 12. ebenda, S. 89 Z i t a t m o n t a g e a u s : Schwering-Illert 1963, S. 89 - wie Anm. 194 u n d Reinle 1976, S. 175 - wie A n m . 33. Schwering-Illert 1963, S. 83,91 - wie A n m . 194. Reinle 1976, S. 175 - wie A n m . 33. ebenda, S. 175. N a c h einem T e x t von 1758, zitiert bei Schwering-Illert 1963, S. 57 - wie A n m . 194. ebenda, S. 13. ebenda, S. 48. ebenda, S. 13.
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217 ebenda, S. 90, 92. 218 B e r n a r d 1974, S. 232 - wie A n m . 84. 219 K o n r a d Onasch, Liturgie u n d K u n s t der Ostkirche in Stich Worten u n t e r Berücksichtigung der Alten Kirche, Leipzig 1981, S. 194. 220 Reinle 1976, S. 162 - wie A n m . 33. 221 Schwering-Illert 1963, S. 99 - wie A n m . 194. 222 ebenda, S. 91. 223 ebenda, S. 27. 224 ebenda, S. 14, 15. 225 ebenda, S. 29. 226 ebenda, S. 28. 227 Karoli Magni Capitularía. I n : Capitularía R e g u m F r a n c o r u m , ed. A. Boretius, B d . 1, H a n n o v e r 1883, S. 5 4 = M o n u m e n t a Germaniae Histórica, Legum Sectio I I . 228 Angilberti Libellus 1887, S. 174 - wie A n m . 87. 229 Heitz 1980, S. 54 - wie A n m . 33. 230 Angilberti Libellus 1887, S. 176 - wie A n m . 87. 231 K a r l Schmid, Aachen u n d Jerusalem. E i n Beitrag zur historischen Personenforschung der Karolingerzeit. I n : D a s Einhardkreuz. Vorträge u n d Studien der Münsteraner Diskussion zum arcus Einhardi, Göttingen 1974, S. 122 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist.-Klasse 3, Folge Nr. 87. 232 Reginonis chronicon. I n : Monumenta Germaniae histórica. Scriptorum t o m . I, Hannov e r 1826, S. 562 (a. 799): „ E o d e m a n n o monachus q u i d a m de Hierolymis veniens, reliquias m u l t a s a t t u l i t regí ex p a r t e p a t r i a r c h a e Hierosolymitani." Die Annales Laurissenses maiores formulieren genauer: „Eodem anno m o n a c h u s quidam de Hierosolimis veniens, benedictionem et reliquias de sepulchro Domini, quas p a t r i a r c h a Herusolimitanus domno regi miserat, detulit." I n den Annales E i n h a r d i heißt es: „Sed et m o n a c h u s quidam de Hierosolima veniens, benedictionem et reliquias de loco resurrectionis dominicae, quae p a t r i a r c h a regi miserat, detulit" (ebenda, S. 186 u n d 187). 233 Heinrich Schiffers, K a r l s des Großen Reliquienschatz u n d die Anfänge der Aachenf a h r t , Aachen 1951, S. 7 = Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesenarchivs Aachen Bd. 10. 234 Alcuini epistolae Nr. 145 (März 798). I n : Epistolae Kaiolini aevi, t o m . I I , Berlin 1 8 9 5 = Monumenta Germaniae histórica, epistolarum t o m . I V ; vgl. dazu Heinrich Fichtenau, D a s karolingische I m p e r i u m . Soziale u n d geistige Problematik eines Großreichs, Zürich 1949, S. 77. I n welchem Maße die Aachener Pfalzkapelle als „Nachahm u n g der Grabesrotunde von J e r u s a l e m " gelten darf (Romuald Bauerreiß, Sepulc r u m Domini. Studien zur E n t s t e h u n g der christlichen Wallfahrt auf deutschem Boden, München 1936, S. 43 = Abhandlungen der Bayerischen Benediktinerakademie Bd. 1) lassen wir u n e r ö r t e r t ; vgl. dazu R o b e r t K o n r a d , D a s himmlische u n d das irdische Jerusalem im mittelalterlichen Denken. Mystische Vorstellung u n d geschichtliche Wirkung. I n : Speculum Historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung u n d Geschichtsdeutung, Freiburg/Br. — München 1965, S. 527: „Die Pfalzkapelle in Aachen stellte wohl das Abbild der Grabeskirche zu J e r u s a l e m dar." 235 Schmid 1974, S. 134f. - wie A n m . 231. 236 Angilbert Libellus 1887, S. 175 - wie A n m . 87. 237 Schiffers 1951, S. 7 - wie A n m . 233. 238 Schmid 1974, S. 135 - wie A n m . 231. 239 Reginonis chronicon 1826, S. 562 - wie A n m . 232. 240 Annales Laurissenses 1826, S. 188 — wie A n m . 232. 241 K o n r a d 1965, S. 528 - wie A n m . 234. 242 Bauerreiß 1936, S. 37, 43 - wie A n m . 234. 243 Schiffers 1951, S. 81 - wie A n m . 233.
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FEIEDEICH
MÖBIUS
244 A n g i l b e r t i L i b e l l u s 1887, S. 175 — wie A n m . 87; vgl. a u c h H i l d e g a r d N o b e l , K ö n i g t u m u n d H e i l i g e n v e r e h r u n g z u r Zeit d e r K a r o l i n g e r , Diss. p h i l . H e i d e l b e r g 1956, 2 B d e . (Masch.-Sehr.), v o r a l l e m 1. B d . , S. 140ff. 245 S c h i f f e r s 1951, S. 13 - wie A n m . 233. 246 e b e n d a , S. 14. 247 U r k u n d e n b u c h z u r G e s c h i c h t e d e r . . . i n i t t e l r h e i n i s c h e n T e r r i t o r i e n . H r s g . v. H e i n rich B e y e r , 1. B d . Coblenz 1860, S. 7 1 7 - 7 1 9 . 248 H e i n r i c h Schiffers, A a c h e n e r H e i l i g t u m s f a h r t . R e l i q u i e n — G e s c h i c h t e — B r a u c h t u m , A a c h e n 1937, S. lOOf., f e r n e r S. 1 9 5 - 1 9 9 . 249 e b e n d a , S. 16. 250 E m m a n u e l L e R o y L a d u r i e , M o n t a i l l o u . E i n Dorf v o r d e m I n q u i s i t o r 1294—1324, Z ü r i c h 1982, S. 63. 251 e b e n d a , S. 375. 252 e b e n d a , S. 375. 253 T r a n s l a t i o e t m i r a c u l a s a n c t o r u m Marcellini e t P e t r i . A u e t o r e E i n h a r d o . I n : M o n u m e n t a G e r m a n i a e h i s t o r i c a . S c r i p t o r u m t o m . 15, p a r s I , H a n n o v e r 1887, S. 2 4 3 : „isti s a n e t i m a r t y r e s n o l u n t , u t e o r u m c o r p o r a hoc in loco r e q u i e s c a n t ; a l i u m e n i m e l e g e r u n t , a d q u e m celeriter m i g r a r e d i s p o s i t u m h a b e n t . " 254 e b e n d a , S. 243. 255 e b e n d a , S. 2 4 4 : „ C o n s t a t e n i m , u m o r e m illum s a p o r i s fuisse subsaisi, a d l a c r i m a r u m videlicet q u a l i t a t e m , e t t e n u i t a t e m q u i d e m a q u a e , c o l o r e m a u t e m v e r i s a n g u i n i s habuisse." 256 e b e n d a , S. 244: „ F a c t u m est, u t p e r e o n t i n u o s d u o d e e i m dies n u l l a n o x p r a e t e r i r e t , in q u a u n i vel d u o b u s vel e t i a m t r i b u s s o c i o r u m n o s t r o r u m in s o m n i s r e v e l a t u m n o n f u i s s e t , q u o d illa s a n c t o r u m c o r p o r a de eo loco in a l i u m f o r e n t t r a n s f e r e n d a . " 257 e b e n d a , S. 244. 258 e b e n d a , S. 244. 259 Josef F l e c k e n s t e i n , E i n h a r d , seine G r ü n d u n g u n d sein V e r m ä c h t n i s in S e l i g e n s t a d t . I n : D a s Einhardkreuz. Vorträge und Studien der Münsteraner Diskussion z u m a r c u s E i n h a r d i , G ö t t i n g e n 1974, S. 113 = A b h a n d l u n g e n d e r A k a d e m i e d e r W i s s e n s c h a f t e n in G ö t t i n g e n , p h i l . - h i s t . - K l a s s e 3. F o l g e N r . 87. 260 e b e n d a , S. 113. Vgl. a u c h H e i n r i c h F i c h t e n a u , Z u m R e l i q u i e n w e s e n i m f r ü h e r e n M i t t e l a l t e r . I n : M i t t e i l u n g e n d e s I n s t i t u t s f ü r österreichische G e s c h i c h t s f o r s c h u n g 6 0 , 1 9 5 2 (1—3), S. 6 5 : „ D e r T r a u m v o n d e m Heiligen, d e r d e n O r t seiner G e b e i n e a n g i b t , k a n n g e r a d e z u als ein N o r m a l f a l l i n n e r h a l b d e r , I n v e n t i o ' - L i t e r a t u r a n g e s e h e n w e r d e n . " 261 R e i n l e 1976, S. 127 - wie A n m . 33. 262 e b e n d a , S. 162. 263 S c h w e r i n g - I l l e r t 1963, S. 17 - wie A n m . 194. 264 S c h w e r i n g - I l l e r t 1963, S. 11, 90, vgl. d e n A b s c h n i t t „ Z u r D e u t u n g d e r A b t e i k i r c h e " S. 9 2 f f . - wie A n m . 194; f e r n e r R e i n l e 1976, S. 128ff., 175 - wie A n m . 33. 265 H e i t z 1963, S. 106: „ L ' A B B A T I A L E D ' A N G I L B E R T E S T - E L L E D I S P O S É E C O M M E L E S A I N T - S E P U L C R E ? " - wie A n m . 33, f e r n e r H e i t z 1980, S. 5 8 : „ L a t u r r i s o c c i d e n t a l e . . . t i e n t u n rôle q u i l ' a p p a r e n t e en f a i t à l ' A n a s t a s i s , l'église d e la R é s u r r e c t i o n à J é r u s a l e m " . — wie A n m . 33. Zu H e i t z 1963 vgl. die R e z e n s i o n v o n E d g a r L e h m a n n i n : K u n s t c h r o n i k 17, 1964, S. 161: „ I s t d a s W e s t w e r k . . . als A b b i l d u n g d e r A n a s t a s i s zu v e r s t e h e n ? . . . h ä t t e m a n . . . eine N a c h b i l d u n g d e r Anastasis. e r r i c h t e n wollen, so h ä t t e diese doch wohl a n d e r s a u s g e s e h e n " . 266 H e i t z 1963, S. 113ff. - wie A n m . 3 3 ; C h r i s t o p h Spuler, O p a i o n u n d L a t e r n e . Z u r F r a g e d e r B e l e u c h t u n g a n t i k e r u n d f r ü h c h r i s t l i c h e r B a u t e n d u r c h ein O p a i o n u n d z u r E n t s t e h u n g d e r K u p p e l l a t e r n e . Diss. p h i l . H a m b u r g 1971, H a m b u r g 1973 ( m i t a u s führlichem Nachweis der älteren Literatur); Kurzfassung der Dissertation in: das m ü n s t e r 27, 1974 ( 1 - 2 ) , S. 1 6 - 2 3 .
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Spuler 1973, S. 121 - wie A n m . 266. ebenda, S. 124. Reinle 1976, S. 118 - wie A n m . 33. Spuler 1973, S. 125 - wie A n m . 266. ebenda, S. 99. ebenda, S. 130-132. ebenda, S. 127. Schwering-Illert 1963, S. 88 - wie A n m . 194. Onasch 1981, S. 317 — wie A n m . 219; vgl. auch dessen Artikel „Epiphanie", S. 105ff. ebenda, S. 160. Vita Angilberti auotore Anschero 1892, S. 354 — wie A n m . 93. L e h m a n n 1965, S. 377 - wie A n m . 179. ebenda, S. 378; im gleichen Sinne Heitz 1963, S. 123 u n d Heitz 1980, S. 58 - wie A n m . 33. 280 L e h m a n n 1964, S. 161 - wie A n m . 265. 281 Dieser Hinweis schon bei U r b a n 1953, S. 47 - wie A n m . 190, bei Heitz 1963, S. 215ff. und Heitz 1980, S. 214ff. - wie A n m . 33. 282 U r b a n 1953, S. 30 - wie A n m . 190. 283 Achter 1956, S. 143 - wie A n m . 85. 284 Schlink 1978, S. 174 - wie A n m . 202. 285 ebenda, S. 41. 286 ebenda, S. 41. 287 ebenda, S. 128, 130. 288 J o s e p h B r a u n , Liturgisches Handlexikon, 2. Aufl. Regensburg 1924, S. 348 (Stichwort Tonsur). 289 Schlink 1978, S. 182 - wie A n m . 202. 290 ebenda, S. 125. 291 ebenda, S. 125. 292 ebenda, S. 125. 293 D a s Erdgeschoß der Schwarzrheindorfer Doppelkapelle besitzt einen Scheitelaufbruch in der A r t des Opaions. Sollten auch die romanischen Doppelkapellen mit ihren Offnungen zwischen den Geschossen Erinnerungen an palästinensische G n a d e n s t ä t t e n bewahren ? 293 a Die Gesamtikonologie des Westwerks, in die weitere B e f u n d e einbezogen werden m ü ß t e n , ist d a m i t noch nicht bezeichnet. 294 A n t o n B a u m s t a r k , Abendländische Palästinapilger des ersten J a h r t a u s e n d s , Köln 1906, S. 31. 295 I n s t i t u t i o 1963 - wie A n m . 77. 296 Carol Heitz, Architecture et liturgie processionelle à l'époque préromane. I n : R e v u e de l ' a r t 24, 1974, S. 35. 297 Möbius 1968, S. 72ff. - wie A n m . 54. 298 Angilberti Libellus 1887, S. 176: die capsa maior ist untergebracht „ s u b t u s c r i p t a m sancti Salvatoris", also im Bereich des Westwerks, 13 kleinere Reliquiare wurden verlegt „super t r a b e m , q u a m in arcu coram altare beati Richarii statuimus", also in den Ostbereich der Kirche. 299 K o n r a d 1965, S. 535 - wie A n m . 234; Onasch 1981, S. 317 - (wie A n m . 219): „Vergegenwärtigung des Heilsgeschehens im hl. L a n d e stellt eines der wichtigsten Motive der Prozession d a r . " 300 Heitz 1974, S. 30 - wie A n m . 296. 301 T h o m a s F . Mathews, Architecture et liturgie d a n s les premières églises palatiales de Constantinople. I n : R e v u e de l ' a r t 24, 1974, S. 2 2 - 2 9 . 302 Vgl. die Titel Heitz u n d Mathews in A n m . 296 u n d 301.
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FRIEDRICH
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303 Heitz 1974, S. 35 - wie A n m . 296. 304 Friedrich Möbius, Die „eeclesia maior" von Centula (790—799). Wanderliturgie im höfischen K o n t e x t . I n : kritische berichte 11, 1983 (2), S. 4 2 - 5 8 . 305 J o h a n n Dorn, Stationsgottesdienste in frühmittelalterlichen Bischofstädten. I n : F e s t g a b e Alois Knöpfler z. 70. Geb., Freiburg/Br. 1917, S. 43—55; H a r t m a n n Grisar, D a s Missale R o m a n u m im Lichte römischer Stadtgeschichte. Stationen, Perikopen, Gebräuche, Freiburg/Br. 1925; J o h a n n P e t e r Kirsch, Die Stationskirchen des Missale R o m a n u m . Mit einer U n t e r s u c h u n g über Ursprung u n d Entwicklung der liturgischen Stationsfeier, Freiburg/Br. 1926 = Ecclesia Orans B d . 19; Theodor Klauser, E i n e Stationsliste der Metzer Kirche a u s dem 8. J a h r h u n d e r t , wahrscheinlich ein W e r k Chrodegangs. I n : Ephemerides Liturgicae 44, 1930 (3), S. 162—193; Lucie Pfleger, Frühmittelalterliche Stationsgottesdienste in Straßburg. I n : Archiv f ü r elsässische Kirchengeschichte 7, 1932, S. 339—350; Angelus Albert Häussling, Mönchskonvent u n d Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe des f r ü h e n Mittelalters u n d zur Geschichte der Meßhäufigkeit, Münster/W. 1973 = Liturgiewissen schaftliche Quellen und Forschungen H e f t 58. 306 K o n r a d 1965, S. 526 - wie A n m . 234. 307 Götz P o c h a t , Bildende K u n s t , Liturgie u n d geistliches Spiel im F r ü h m i t t e l a l t e r . I n : Kunsthistorisk tidskrift 48, 1979, S. 11. 308 Grundlegend von der A u f a r b e i t u n g der schriftlichen Quellen h e r : E r n s t H . K a n t o r o wicz, L a u d e s regiae. A s t u d y in liturgical acclamations a n d mediaeval ruler worship, Berkeley/Los Angeles 1946 = U n i v e r s i t y of California publications in history 33. Wichtige Ergänzungen aus der zeitgenössischen L i t e r a t u r bei Heinrich Fichtenau, D a s karolingische I m p e r i u m . Soziale u n d geistige P r o b l e m a t i k eines Großreichs, Zürich 1949, z. B. S. 55 (wie im Himmel, so soll auch auf E r d e n n u r E i n e r herrschen), 56 (Gott sitzt nach A r t des irdischen Königs auf d e m Thron in einem großen Palast), 59 (Karl e m p f ä n g t eine Gesandtschaft „strahlend wie die Sonne" an einem F e n s t e r stehend, geschmückt mit Edelsteinen u n d Gold, umgeben von der Familie u n d den Großen des Reiches wie von den himmlischen Heerscharen). 309 K o n r a d 1965, S. 529 - wie A n m . 234. 310 L e h m a n n 1965 K a i s e r t u r m , S. 81, 83 - wie A n m . 33. 311 Möglicherweise gehören auch die vier Memorien in den Zusammenhang der Salvatorideologie. Staatliches Interesse an der Vierzahl der Christusaspekte h a t t e K a r l mit dem K a p i t u l a r v o m März 789 b e k u n d e t : Allen Gläubigen ist neben der heiligen Dreifaltigkeit sorgfältig zu predigen die Lehre der „incarnationis Christi, passionis et resurrectionis et ascensionis in celos" (Karoli Magni Capitularia, S. 56 — wie A n m . 227). Die bisherige Forschung h a t die Centulaer Bildwerke entweder „auf die vier großen Kirchenfeste Weihnachten, K a r f r e i t a g , Ostern u n d H i m m e l f a h r t " bezogen (Bandm a n n 1963, S. 377 — wie A n m . 77) bzw. auf einen Konzilsbeschluß a u s d e m J a h r e 567, „nach dem bei der Brechung des Brotes während der Messe die Brotpartikel in Kreuzform gelegt werden und so Menschwerdung, Leiden, Auferstehung u n d Himmelfahrt Christi darstellen" (ebenda, S. 377) bzw. auf das symbolische E i n s t i m m e n der Gläubigen, die die Kirche betreten, in den „Lebensweg des Gottessohnes", die Bildwerke forderten „Nachvollzug u n d kultische Verehrung des Lebens, Sterbens u n d Auferstehens Christi" (Möbius 1968, S. 72 — wie A n m . 54). Vielleicht ist auch die Vierzahl zwei b e r ü h m t e n biblischen Visionen zuzuordnen, die m a n auf den richtenden Christus bezog. Bei Ezechiel 1,6 ist von den vier Gesichtern (quatuor facies) der vier Wesenheiten die R e d e , die mit d e m Menschen, d e m Löwen, d e m Stier u n d dem Adler gleichgesetzt werden (Ez. 1,10). I n Ap. 4,6 umstehen gleichfalls vier Wesen (quatuor animalia) den Thron des Weltenrichters; Löwe, Stier, Mensch u n d Adler symbolisieren in ihrer Einheit den H e r r n des J ü n g s t e n Tages. Die Theologen der karolingischen E p o che haben „den I n h a l t der apokalyptischen u n d der ezechielischen Vision" nicht von-
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einander geschieden (Wilhelm Meuss, Das Buch Ezechiel in Theologie und Kunst bis zum Ende des XII. Jahrhunderts. Mit bes. Berücksichtigung des Gemäldes in der Kirche zu Schwarzrheindorf, Münster/W. 1912, S. 201 =Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinerordens Heft 1—2). Das Bild der apokalyptischen Erscheinung des Weltenherrschers schmückte die Kuppel der Aachener Pfalzkapelle, zur Ausstattung des Einhardbogens gehörten „Medaillons mit den vier apokalyptischen Wesen" (Carl Nordenfalk, Die Evangelistensymbole. In: Das Einhardkreuz. Vorträge und Studien der Münsteraner Diskussion zum arcus Einhardi, Göttingen 1974, S. 50 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist.-Klasse 3. Folge Nr. 87). Steht die Vierzahl der Memorien in einem geheimen Bezug zu den „quatuor fa» cies" des salvatorischen Christus? Rupertus von Deutz hat — freilich erst im 12. Jahrhundert — in den vier Gesichtern des Tetramorphs vier Heilswahrheiten erkannt: Der Mensch verkörpere die Menschwerdung Christi, der Stier (als Opfertier) das Leiden, der Löwe die Auferstehung und der Adler die Himmelfahrt (Egid Beitz, Rupertus von Deutz und die Skulpturen einer Siegburger Kathedra. In: Zeitschrift für christliche Kunst 34, 1921 (4/5), S. 50, 54; vgl. auch ders., Rupertus von Deutz, Seine Werke und die bildende Kunst, Köln 1930, S. 92—94 = Veröffentlichungen des kölnischen Geschichtsvereins Bd. 4). Rupertus nahm „faeiem hominis, faciem vituli, faciem leonis et faciem aquilae volanti" als „principalia sacramenta" in Anspruch für incarnatio, passio, resurrectio, atque ascensio" (Rupertus Abbas monasterii s. Heriberti Tuitiensis. In cantica canticorum. De Incarnatione domini. In: Patrologia Latina Bd. 168, Paris 1854, Sp. 899). Als die „facies Christi" bezeichnete er geradezu: „prima est incarnatio vel nativitas . . seeunda, passio; tertia, resurrectio; quarta, ascensio" (Rupertus Abbas monasterii s. Heriberti Tuitiensis. In Ezechielem prophetam. Commentariorum liber primus. I n : Patrologia Latina Bd. 167, Paris 1854, Sp. 1423f.). Rupert von Deutz sah in Ezechiels Prophetie „die Verkündigung vom menschgewordenen Christus, dem Christus, ,qui incarnatus et passus est, ressurrexit et ascendit'" (Neuss 1912, S. 116 — in dieser Anmerkung). Vielleicht waren solche Überlegungen schon den Aachener Hoftheologen möglich. Die Centulaer ecclesia maior wäre dann von ihrer Ikonographie her verbunden mit der Ideologie des Richtergottes — unter diesem Aspekt fast ein Schwesterbau der Aachener Pfalzkapelle. — Herr Prof. Dr. Edgar Lehmann schreibt mir zu dieser Anmerkung: „Die vier Memorien und die Vierzahl in den apokalyptischen Visionen, stehen sie in einer geheimen Beziehung? Trotz Ihres Aufgebotes an Gründen glaube ich das nicht. Die Vierzahl ist als Sinnbild der Welt (4 Evangelisten, 4 Paradiesesströme, 4 Weltgegenden, 4 Kardinaltugenden usw. usw.) etwas so allgemeines, daß ein gedanklicher Zusammenhang A'ngilbert dabei doch wohl besser nicht unterstellt werden sollte." 312 Angilberti Libellus 1887, S. 178 - wie Anm. 87. 313 Die Auffassung vom Epiphanie-Charakter des Westwerks am weitesten ausgeführt bei Lehmann 1965 Architektur (wie Anm. 33), S. 310: „Das Westwerk war ,Erscheinungskirche' 'Christi"; Lehmann 1965 Anordnung (wie Anm. 179), S. 383: „dem Westwerk von Centula liturgisch die Rolle zufällt, Festkirche für die Feiern der Erscheinung des Herrn zu sein". Vgl. auch Ernst Badstübner, Emporen- und Doppelkirche. Vergleich eines Motivs der Sakralbaukunst in Ost und West (Thesen). In: IV e Symposium International sur l'Art Georgien, Tbilissi 1983, S. 4: den Typus der Emporenkirche teilen die Westwerke „mit den kaiserlichen ,Erscheinungs'-Kirehen des byzantinischen Hofes." =Academie des Sciences de )a R.S.S. de Georgie, Institut de l'art Georgien. 314 Vgl. Anm. 4. 314aVgl. dazu Hubert Faensen, Lichtsymbolik in der mittelalterlichen Architektur mit Beispielen aus Georgion. Iii: Cahiers archeologiques 33, 1985, S. 87—97. 6 Möbin>
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FRIEDBICH
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315 Vgl. Anm. 308 und 313. 316 Gurjewitsch 1983, S. 23 - wie Anm. 78. 317 A. J a . Gurevic. Problemy srednevekovoj narodnoj kul'tury, Moskva 1981, siehe besonders S. 340 ff.
ABBILDUNGSNACHWEIS (mit Erläuterungen)
Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
1 2 3 4 5 6 7 8 9
A b b . 10 A b b . 11 A b b . 12
A b b . 13
A b b . 14
Abb. 15
5*
Paris, Eiffelturm, 1889, F o t o Marburg 1072837 Paris, Eiffelturm, 1889, F o t o Marburg 775575 Stralsund, Marienkirche, W e s t b a u 1416—1473, F o t o Klaus G. Beyer P a r i s E i f f e l t u r m , 1889, Substruktionsgeschoß, F o t o Marburg 183790 Quedlinburg, K r y p t a der Wipertikirche, u m 1020, F o t o K l a u s G. Beyer Weimar, Herderkirche, 1498-1500, U m b a u 1735-1745, F o t o K l a u s G. Beyer Magdeburg, Domchor, 1209 - Mitte 13. J h . , F o t o K l a u s G. Beyer A r n s t a d t , Bachkirche, e r b a u t u m 1444, N e u b a u 1676—1683, F o t o K l a u s G. Beyer Magdeburg, Domchor, Triumphbogenpfeiler, unterer Teil einer antiken Säule aus dem ottonischen Vorgängerbau (Basis 13. Jh.), F o t o K l a u s G. Beyer. Zwölf der von Otto I. a u s Italien importierten Säulenschäfte aus P o r p h y r , Granit u n d M a r m o r stehen im Chor, n e u n in der Sepultur, elf kleinere in der Marienkapelle, zwei in der L a u f g a n g a r k a d e des nördlichen Querschiffs (nach Dehio, Bezirk Magdeburg, Berlin 1974) Köln, Dom, Gemälde von der Weihe des im 19. J h . vollendeten Domes. R e p r . nach P o s t k a r t e Straßburg, Münster, Untergeschoß der Westfassade, beg. 1275, F o t o Marburg 830528 Moskau, Andronikow-Kloster, Erlöserkathedrale, 1422—1423, F o t o K l a u s G. Beyer. Vgl. H u b e r t Faensen u n d Wladimir Iwanow, Altrussische B a u k u n s t , Berlin 1972, S. 398: „Sofort nach der E r b a u u n g wurden die W ä n d e u n d Gewölbe der K a t h e d r a l e von Andrei Rubljow, Daniii Tschorny u n d Gehilfen mit Malereien versehen, von denen sich aber n u r in den Fensterleibungen fragmentarische R e s t e (Pflanzenornamente) erhalten haben . . . Zur E r i n n e r u n g an den hervorragendsten Meister der Ikonenmalerei ist in seiner letzten W i r k u n g s s t ä t t e d a s ,Rubljow-Museum f ü r altrussische K u n s t ' eingerichtet worden." Moskau, Neues J u n g f r a u e n k l o s t e r , Christi-Verklärungs-Torkirche, 1687—1689, F o t o K l a u s G. Beyer. Vgl. J u r i M. Owsjannikow, Moskauer Klöster, Dresden 1975, S. 142: „Seit 1922 ist das Neue J u n g f r a u e n - K l o s t e r ein Museum der altrussischen B a u k u n s t , der Malerei und der angewandten K u n s t . " Moskau, Neue K a t h e d r a l e der Ikone der Gottesmutter v o m Dom, 1684—1693, F o t o K l a u s G . B e y e r . Vgl. Faensen 1972 (vollst. Titel u n t e r Abb. 12), S. 496: „In der K a t h e d r a l e ist jetzt das A. W . Schtschussew-Architektur-ForschungsMuseum u n t e r g e b r a c h t . " Güstrow, Gertruden-Kapelle, 15. J h . , F o t o K l a u s G. Beyer. 1951 wurde die seit 1904 profanierte Friedhofskapelle in eine Barlach-Gedenkstätte umgewandelt, seit 1970 ist sie den Staatlichen Museen Schwerin angeschlossen. Vgl. E l m a r J a n sen, Die Barlach-Gedenkstätten in Güstrow. I n : Geist u n d Zeit. Eine Zweimonatsschrift f ü r K u n s t , L i t e r a t u r u n d Wissenschaft, D a r m s t a d t 1960 (3), S. 145f.: „Der G r ü n d u n g dieser Gedenkstätte in den Mauern einer alten Kirche liegt eine besonders glückliche F ü g u n g zugrunde, denn Barlach k a n n t e St. Gertruden i m verfallenen Friedhofsgelände genau u n d h a t t e schon in den zwanziger J a h r e n
68
Abb. 16
A b b . 17 A b b . 18
A b b . 19
A b b . 20
A b b . 21 A b b . 22 Abb. 23
Abb. 24
Abb. 25
FBIEDBICH
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einmal geäußert : ,Hier ließe sich wohl arbeiten. Das wäre eine Situation f ü r einen Bildhauer von meiner Beschaffenheit; meinen Arbeiten fehlt eben doch der sakrale R a u m . ' Diese erwünschte H e i m s t a t t ist seinem W e r k n u n p o s t h u m zuteil geworden. W e r das breite Kapellenschiff betritt, wird sofort empfinden, wie wenig museal diese Gedenkstätte wirkt, wie sehr der innere R h y t h m u s dieses mittelalterlichen R a u m e s mit dem Wesen der Plastiken zu einer Einheit verschmilzt." Magdeburg, Kloster Unser Lieben F r a u e n , Altes R e f e k t o r i u m , 2. Viertel 12. J h . , F o t o Klaus Beyer (Dehio, Bezirk Magdeburg, Berlin 1974, S. 284: „ein in 3 Geschossen tonnengewölbter B a u in vorzüglicher Technik a u s h a m m e r r e c h t e n Quarzitsteinen"). Vgl. K u r t Pudlowski, Zur kulturellen N u t z u n g von Sakralbauten in Magdeburg. I n : Zu Wirkungsaspekten bei der kulturellen N u t z u n g historischer B a u t e n u n d bei der Kunstrezeption in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, Halle/S. 1981 = M a r t i n - L u t h e r - U n i v e r s i t ä t Halle — W i t t e n b e r g , Wissenschaftliche Beiträge 1981/10 (H2), S. 81: „Während die mittlere Tonne . . . die Plastik der Feudalepoche als ständige Ausstellung a u f n i m m t , befinden sich Sonderausstellungen vorwiegend mit kunsthandwerklichen Gegenständen verschiedener J a h r h u n d e r t e in der unteren kleineren Tonne . . . die große (obere, F . M.) Tonne (unser Bild, F . M.) mit 45 m Länge, 8 m Breite u n d einer Wölbung, deren Scheitelhöhe 7 m beträgt, beherbergt seit d e m J a h r e 1976 die Nationale S a m m l u n g der Kleinplastiken der D D R als ständige Ausstellung." Quedlinburg, K r y p t a der Wipertikirche, u m 1020, F o t o K l a u s G. Beyer. Blick a u s d e m U m g a n g durch die Stützen der mittleren Tonne auf den K r y p t e n a l t a r . Chorin, Klosterkirche, L a n g h a u s nach Westen, beg. nach 1273, F o t o K l a u s G. Beyer. Säkularisation 1534, Zerstörung im 17. u n d 18. J h . L e t z t e R e s t a u r i e r u n g 1957/58. Seit 1964 öffentliche K o n z e r t e („Choriner Musiksommer") u n t e r d e m P a t r o n a t des I n s t i t u t s f ü r F o r s t w i r t s c h a f t e n Eberswalde. Halle/S., Ulrichskirche, L a n g h a u s nach Osten, beg. Mitte 14. J h . , Gewölbe 1510, F o t o K l a u s G. Beyer. Bettelordenskirche (Marienknechte), zweischiffige unsymmetrische Halle von 8 Jochen. Seit 1975 Ausbau zur Konzerthalle. Quedlinburg, Wipertikirche, L a n g h a u s nach Osten, nach 1148 begonnen, U m b a u u n d Erweiterung 2. H ä l f t e 13. J h . , F o t o K l a u s G . B e y e r . Seit 1812 Scheune, 1955/56 Gesamtinstandsetzung, seitdem wieder kirchliche N u t z u n g (nach Dehio, Bezirk Halle, Berlin 1978, S. 367). H a l b e r s t a d t , Liebfrauenkirche von Südosten, E n d e 11.—Anfang 13. J h . , F o t o K l a u s G. Beyer. N a c h Kriegszerstörung Wiederherstellung 1946—1954. Annaberg, Annenkirche, 1499—1525, F o t o K l a u s G. Beyer. L e t z t e R e s t a u r i e r u n g abgeschlossen u m 1982. Centula (Saint-Riquier), Klosterkirche u n d Klausur von Süden gesehen, 799 vollendet. Barocker Nachstisch (1612) einer Vorlage, die vermutlich dem 1088 vollendeten Chronicon Centulense des Mönches Hariulf beigefügt war. R e p r . n a c h Friedrich Möbius, Westwerkstudien, J e n a 1968 Centula (Saint-Riquier), R e k o n s t r u k t i o n der äußeren Erscheinung der Klosterkirche von 799. K o r r e k t u r des Vorschlages von Wilhelm E f f m a n n (Centula, St. Riquier. Eine U n t e r s u c h u n g zur Geschichte der kirchlichen B a u k u n s t in der Karolingerzeit, Münster 1912, vgl. A b b . 25) auf der Grundlage der andeutungsweise publizierten französischen Grabungsergebnisse (Honoré Bernard i n : Actes d u 95 e Congrès national des Société Savantes de R e i m s 1970, Section d'archéologie et d'histoire de l'art, Paris 1974, S. 219—235). Zeichnung Diplomarchitekt Dr. Heinz-Dieter-Limpert Centula (Saint-Riquier), R e k o n s t r u k t i o n der äußeren Erscheinung der Klosterkirche im Zustand des 11. J a h r h u n d e r t s von Wilhelm E f f m a n n 1912 (vollst. Titel u n t e r Abb. 24). R e p r . nach Möbius 1968 (vollst. Titel u n t e r Abb. 23)
Buticum in Centula
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Abb. 26 Centula (Saint-Riquier), Rekonstruktion des Grundrisses der 799 vollendeten Klosterkirche mit (hypothetischer) Eintragung der Standorte der vier Memorien nach Friedrich Möbius und der (gleichfalls hypothetischen) Altarstandorte nach Edgar Lehmann (Die Anordnung der Altäre in der karolingischen Klosterkirche zu Centula. In: Karolingische Kunst, Düsseldorf 1965, S. 374—383 =Karl der Große Bd. 3; vgl. Abb. 27). Zeichnung Friedrich Möbius Abb. 27 Centula (Saint-Riquier), Rekonstruktion des Grundrisses der 799 vollendeten Klosterkirche mit (hypothetischer) Eintragung der vier Memorien und der Altarstandorte, Zeichnung Edgar Lehmann 1965 (vollst. Titel unter Abb. 26). Repr. nach Möbius 1968 (vollst. Titel unter Abb. 23) Abb. 28 Centula (Saint-Riquier), Rekonstruktion der unterschiedlichen Standorte der drei Chöre, Zeichnung Friedrich Möbius. O b e r e r G r u n d r i ß : Chorus sancti Salvatoris centenos monachos cum quatuor et triginta pueris habeat, chorus sancti Richarii centenos monachos tresque et triginta pueros iugiter habeat, chorus psallens ante sanctam Passionem centenos monachos triginta tribus adiunctis pueris, similiter habeat (Angilberti abbatis de ecclesia Centulensi Libellus. In: Mon. Germ. Hist. Scriptores 15, 1, 1887, S. 178). M i t t l e r e r G r u n d r i ß : In Parasceue uero Uigiliae in tribus choris impleantur. Quorum sit unus fratrum coram altare ipsius sancte crucis, aliuspueroruminthrono sancti Richarii ab occidente, tertius uero infra buticum, hinc et inde (Institutio Sancti Angilberti De Diuersitate Officiorum. 800—811. In: Kassius Hallinger, Initia Consuetudines Benedictinae. Consuetudines saeculi octavi et noni, Siegburg 1963, S. 294). U n t e r e r G r u n d r i ß : Cum autem ad adorandam crucem peruentum fuerit, statuatur crux una coram eodem altare quam patres . . . adorent. Alia statuatur coram altare sanctorum martyrum Quintini, Crispini et Crispiniani, quam populus vulgaris adoret. Tertia uero ponatur ad sanctum Mauricium, quam pueri . . . adorent (Institutio S. 295). Sollemnes autem orationes et adoratio crucis per choros quatuor diuidatur. Ex quibus unus sit fratrum coram sanctae crucis altare, alius puerorum in prescripto throno sancti Richarii ab occidente . . . (fehlt eine Zeile) uero coram sancto Saluatore (Institutio S. 294). Abb. 29 Centula (Saint-Riquier), Rekonstruktion möglicher liturgischer Benutzungsweisen der Klosterkirche, Zeichnung Friedrich. Möbius. O b e r e r G r u n d r i ß : Quando ad sanctum Richarium expleuerint omnia, pergant fratres psallendo usque ad sanctam Passionem. Ubi oratione facta, in duos diuidantur choros, quorum unus pergat ad sanctam Resurrectionem, alter ad sanctam Ascensionem. Deinde oratione peracta, ueniat unus chorus ad sanctum lohannem, alter ad sanctum Martinum. Et post exinde per sanctum Stephanum et sanctum Laurentium ceteraque ältaria psallendo et orando coniungant se ad sanctam Crucem; et ibi peracta oratione accedant simul ad sanctum Mauricium (Institutio S. 302). Das heißt: Alle Mönche versammeln sich am Richariusaltar und ziehen von hier, wahrscheinlich in zwei Gruppen, vor das Bildwerk der Passio, wobei sie die Stützen des buticum nicht durchschreiten, die Rotunde also unberührt lassen. Vor der Passio teilt sich der Gesamtkonvent, nachdem er die .oratio' absolviert hat, in zwei Chöre. Der eine zieht zum Bildwerk der Resurrectio und zum Johannesaltar in den nördlichen Querhausflügel, von hier in das nördliche Seitenschiff zum Stephanusaltar, sicherlich dann weiter über den Quintinusaltar, vielleicht auch über den Dionysiusaltar — vielleicht — zum Salvatoraltar im Westwerkobergeschoß (ceteraque altaria), um dann zum Kreuzaltar wieder herabzusteigen. Hier vereinigt er sich mit dem zweiten Chor, der von der Passio zum Bildwerk der Ascensio und zum Martinusaltar in den südlichen Querhausflügel gezogen war, von hier den Laurentius- und sicherlich auch den Mauritiusaltar im südlichen
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MÖBIUS
Seitenschiff aufgesucht hatte und vielleicht ebenso über den Dionysiusaltar zum Salvatoraltar aufgestiegen war. Vor dem1 Kreuzaltar trifft er mit dem ersten Chor zusammen, über Mauritiusaltar und Mauritiuspforte ziehen sie gemeinsam in das Klostergelände. Auffallend bleibt hier das Umgehen der Rotunde. M i t t l e r e r G r u n d r i ß : Cum enim Uesperos et Matutinos ad sänctum Saluatorem cantauerint, tunc descendat unus chorus ad sanctam Resurrectionem, alter ad sanctam Ascensionem-, ibique orantes uadant similiter ut supra canendo usque ad sanctum Iohannem et sanctum Martinum; ubi oratione facta ingrediantur hinc et inde per arcus mediae ecclesiae et orent ad sanctam Passionem. Inde ad sanctum Richarium perueniant, ubi oratione finita diuidant se iterum sicut ante fuerant, et ueniant per sanctum, Stephanum et sanctum Laurentium psallendo et orando usque ad sanctam Grucem. Inde uero iterum ad sanctum Mauricium et per longaniam usque ad sanctum Benedictum (Institutio S. 302). Ausgangspunkt für den Gesamtkonvent ist hier der Salvatoraltar im Westwerkobergeschoß. Der Abstieg erfolgt (durch die nördliche und südliche Wendeltreppe) in zwei Chören. Der erste Chor geht zum Bildwerk der Resurrectio und zum Johannesaltar in den nördlichen, der zweite Chor zum Bildwerk der Ascensio und zum Martinusaltar in den südlichen Querhausflügel. Nachdem vor dem Johannes- und dem Martinusaltar gebetet worden ist, ziehen die Chöre von beiden Seiten (von hier und da), aus dem nördlichen und dem südlichen Querbau durch die Bögen der Rotunde (durch das buticum) hindurch vor das Bildwerk der Passio. Sie benutzen also weder die Querverstrebungen, die Passagen des buticum, noch die beiden Seitenschiffe, um an das Ostende des Mittelschiffes zu gelangen. Von dort streben sie zum Richariusaltar, nun aber, wahrscheinlich wieder in zwei Chören, unter Vermeidung des Innenraumes der Rotunde, also durch die seitlichen Passagen hindurch. Nach dem Dienst am Richariusaltar teilen sie sich wiederum in zwei Gruppen auf. Die eine Gruppe zieht über den Stephanusaltar zum Kreuzaltar, die andere gelangt zum Kreuzaltar über den Laurentiusaltar. Vom Kreuzaltar aus verlassen sie —t durch die Mauritiuspforte — die große Kirche in Richtung auf die in der Klausur befindliche Benediktuskirche. Auffallend ist hier das Durchqueren der Rotunde beim Weg aus den Querhausflügeln zum Ostteil des Mittelschiffes. U n t e r e r G r u n d r i ß : I n sollemnitate etenim sancti Mauricii ordinavimus, u t post peractum officium omnis chorus simul pcrgat psallendo et orando per sanctum Laurentium et sanctum Martinum.; inde per arcum ipsius aecclesiae uadant per sanctam Passionem ad sanctam Resurrectionem. Ibi oratione finita ueniant ad sanctam Ascensionem, inde uero per sanctum Iohannem et per arcum eiusdem aecclesiae ueniant ad sanctum Richarium. Ubi peracta oratione per sanctum Stephanum et sanctum Quintinum ueniant ad sanctam Crucem (Institutio S. 303). Vom Mauritiusaltar zieht der ganze Konvent geschlossen über den Laurentiusaltar im südlichen Seitenschiff zum Martinusaltar im südlichen Querhausflügel. Von hier schreiten die Brüder durch den Innenraum der Rotunde (per arcum ipsius aecclesiae) zum Bildwerk der Passio am Ostende des Mittelschiffes und von da zum Bildwerk der Resurrectio an der Nordseite des buticum; sie begeben sich also von der Passio in den nördlichen Querhausflügel, entweder wiederum die -Stützen der Rotunde passierend oder durch die seitlichen Passagen bzw. Seitenschiffe hindurch. Von der Nor,dseite der Rotunde wechseln sie nun wiederum auf die Südseite hinüber zum Bildwerk der Ascensio, wobei immer drei Wege möglich sind: entweder geradewegs durch das buticum hindurch oder die seitlichen Passagen oder die Seitenschiffe benutzend. Auffallend ist das Hin und Her von einem Querbau zum anderen, wobei die Rotunde teils durch-, teils umschritten worden sein kann. Vom südlichen Querflügel geht es nun ein zweites Mal in den nördlichen Querbau, jetzt aber zum Johannesaltar — offensichtlich unter Umge-
B u t i c u m in Centula
A b b . 30
Abb. 31
Abb. 32
A b b . 33
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Abb. 35
71
h u n g des R o t u n d e n i n n e n r a u m e s —, v o m J o h a n n e s a l t a r durch die R o t u n d e hindurch (per a r c u m eiusdem aecclesiae) z u m Richariusaltar, von hier in weitem Bogen — durch die Passagen oder die Seitenschiffe hindurch — über den Stephanus- u n d den Quintinusaltar z u m Kreuzaltar. Centula (Saint-Riquier), R e k o n s t r u k t i o n des Grundrisses der von 790—799 gebaut e n „ecclesia maior" n a c h den von Honoré B e r n a r d ermittelten Maßen (Bernard 1974, vollst. Titel u n t e r A b b . 24). Die F o r m der b u t i c u m - R o t u n d e wurde — hypothetisch — von der Kirche in Ferrières-en-Gatinais ü b e r n o m m e n (vgl. im T e x t den Abschnitt „ R o t u n d e n q u e r b a u t e n in Centula, Ferrières-en-Gatinais u n d C h a r r o u x " sowie Abb. 31). Zeichnung Friedrich Möbius Ferrières-en-Gatinais, Klosterkirche, Grundriß in idealtypischer R e k o n s t r u k tion. An die Stelle der h e u t e real gegebenen Ungleichartigkeit von Nord- u n d Südflügel wurde — hypothetisch — die symmetrische E n t s p r e c h u n g der beiden Querbauten gesetzt. I m hier mitgeteilten Grundriß erscheint ferner das L a n g h a u s des 12. J a h r h u n d e r t s mit dem Ostbereich aus dem 13. J a h r h u n d e r t zu einer Einheit zusammengefaßt. Mitgeteilt wird diese Fassung des Grundrisses, u m die architektonische Möglichkeit eines „ R o t u n d e n q u e r b a u e s " zu demonstrieren. Der Grundriß der R o t u n d e selbst u n d ihrer A n b i n d u n g an die Querbauten, den wir zur R e k o n s t r u k t i o n des Centulaer b u t i c u m verwendet haben (vgl. A b b . 30), entspricht voll dem heutigen, aus d e m 13. J a h r h u n d e r t s t a m m e n d e n B a u b e f u n d , der in karolingischer Zeit vorgeprägt worden sein könnte. Zeichnung Friedrich Möbius Charroux, Salvatorkirche, Längsschnitt der von 1017/18—1096 e r b a u t e n Klosterkirche nach der R e k o n s t r u k t i o n von Gisela Schwering-Illert. R e p r . mit frdl. Genehmigung der Verfn. n a c h : Gisela Schwering-Illert, Die ehemalige französische Abteikirche Saint-Sauveur in Charroux (Vienne) im 11. u n d 12. J h . E i n Vorschlag zur R e k o n s t r u k t i o n u n d D e u t u n g der romanischen Bauteile. Diss. phil. B o n n 1960, Düsseldorf 1963 (Tafel 36) Charroux, Salvatorkirche, Umzeichnung des von Gisela Schwering-Illert rekonstruierten Grundrisses der von 1017/18—1096 e r b a u t e n Klosterkirche. Zeichnung Friedrich Möbius Charroux, Salvatorkirche, Blick in den L a t e r n e n t u r m des R o t u n d e n q u e r b a u e s . Mit frdl. Genehmigung von F r a u D r . Gisela Schwering reproduziert nach ihrer Dissertation von 1963 (vollst. Titel u n t e r A b b . 32), Tafel 6. Ich d a n k e F r a u D r . Schwering f ü r die Möglichkeit, den Originalabzug von Z y g m u n t àwiechowski verwenden zu können. Charroux, Salvatorkirche, Blick auf das Gelände der R o t u n d e u n d des südlichen Querschiffs n a c h den Grabungen. Mit frdl. Genehmigung von F r a u D r . Gisela Schwering reproduziert nach ihrer Dissertation von 1963 (vollst. Titel u n t e r A b b . 32), Tafel 5. Ich d a n k e F r a u Dr. Schwering f ü r die Möglichkeit, den Originalabzug von Z y g m u n t àwiechowski verwenden zu können. .
TAFELTEIL
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Abb. 1 Paris, Eiffelturm
Abb. 2 Paris, Eiffelturm
Abb. 4 Paris, Eiffelturm
Abb. 5 Quedlinburg, K r y p t a der Wipertikirehe
Abb. (5 Weimar, Herderkirche
Abb. 7 Magdeburg, Domchor
A b b . 9 M a g d e b u r g , D o i n e h o r , a n t i k e Säule a u s d e m o t t o n i s c h e n V o r g ä n g e r b a u
B o m b m t a r 1880
A b b . 10 K ö l n , D o m , G e m ä l d e v o n der D o m w e i h e 1880
A b b . 11 S t r a ß b u r g , M ü n s t e r , U n t e r g e s c h o ß d e r W e s t f a s s a d e
mmimmmrn.ms'
Abb. 12 Moskau, Andronikow-Kloster, Erlöserkathedrale
A b b . 13 Moskau, Neues Jungfrauenkloster, Christi-Verklärungs-Torkirche
A b b . 14 M o s k a u , N e u e K a t h e d r a l e d e r I k o n e d e r G o t t e s m u t t e r v o m D o n
A b b . 15 G ü s t r o w , G e r t r u d e n k a p e l l e
A b b . 17 Q u e d l i n b u r g , 'Blick auf den A l t a r d e r K r y p t a der W'ipertikiivhe
Abb. 18 Chorin, Klosterkirche, L a n g h a u s nach Westen
Abb. 19 Halle/S., Ulrichskirchc, Langhaus nach Osten
Abb. 20 Quedlinburg, Wipertikirche, Langhaus nach Osten
Abb. 21 Halberstadt, Liebfrauenkirche
A b b . 22 A m m b o r g , Aimeiikiroho, L a n g h a u s n a c h Osten
j E C C L t J i A i y A Q A N C l L B C K T O A^iVQ C E W T V t A M ' Ä N ' D C C X C I X CONXrRVC.TA.P.VH t SCR1PTO C O D I C E £K.MAr£lON
Abb. 23 Centula, Klosterkirche und Klausur nach einem Stich von 1612 (Vorlage aus dem 11. Jh.)
A b b . 24 C e n t u l a , R e k o n s t r u k t i o n d e r K l o s t e r k i r c h e v o n 799
A b b . 25 Cenlulu, ^Rekonstruktion der K l o s t e r k i r c h e im Z u s t a n d des 11. J h . v o n W i l h e l m Effmann
1 2 3 f5
10 15 n\ i 11 i i i |
m
ALTAR
=
BILDWERK [Befindet sich ü b e r dem
bogen]
Abb. 26 Centula, Rekonstruktion des Grundrisses der Klosterkirche mit Standorten der Memorien und Altäre
10s
50
CHORUS S l 05
CD , ! B S
6RA1MAIER -{— d«( ! HARKS' -j—
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:
¡0'
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C ASCENSlO IB
ST I MAURC l"
Abb. 27 Centula, Rekonstruktion des Grundrisses der Klosterkirche mit Standorten der Chöre, der Memorien und der Altäre von Edgar Lehmann
AUFSTELLUNG DER CHÖRE ZU DEN VK5IIJEN DES K A R F R E I T A G S
ANBETUNG
DES
KREUZES
A M KARFREITAG
A b b . 28 Centula, R e k o n s t r u k t i o n der S t a n d o r t e der Chöre
PROZESSIONSORONUNG
PROZESSIONSORONUNG
PROZESSIONSORDNUNG
113*9
10
| I I I I | I I I 1^1 I I 1 |
VESPER
VESPER
I
I
MAURfTIUSFESf
fT1 =
ALTAR BILDWERK
Abb. 29 Centula, Rekonstruktion der liturgischen Bewegungsabläufe in der karolingischen Klosterkirche
A b b . 30 C e n t u l a , R e k o n s t r u k t i o n d e s G r u n d r i s s e s d e r k a r o l i n g i s c h e n K l o s t e r k i r c h e n a c h den f r a n z ö s i s c h e n A u s g r a b u n g e n
A b b . 31 F e r r i e r e s - e n - G a t i n a i s , i d e a l t y p i s c h e R e k o n s t r u k t i o n d e s G r u n d r i s s e s d e r K l o s t e r kirche
HIIMIIIIIIIIIIIIIIIIMIIMIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIHIItlllllMIMIIIIIII .IMI..IUI,,I I Illliillli.il II. IUI,,1111,,MI..1111,
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A H f
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Abb. 32 Charroux, Salvatorkirehe, Längsschnitt nach Gisela Schwering-liiert
Abb. 33 Charroux, Salvatorkirehe, Umzeichnung des von Gisela Schwering-Illert rekonstruierten Grundrisses
A b b . 34 C h a r r o u x , S a l v a t o r k i r c h e , Blick in d e n L a t e r n e n turm desRotundenquerbaueß
Heft 2
O n o m a a t i c a S l a v o g e r m a n i c a V I I . RUDOLF FISCHER i n m e m o r i a m . H e r a u s g e g e b e n v o n D o z . D r so. ERNST BICHLER u n d D r . so. HANS WAITHER, R e d a k t i o n : JOHANNES SCHULTHEIS
1973. 204 Seiten - 4° - M 2 9 , (Band VI erschien 1971 in Wroclaw) Heft 3
Prof. Dr. GOTTHARD NEÜMANN, Die Fibeln vom Kleinen Gleichberge bei Römhild 1973. 74 Seiten - 10 Tafeln - 1 Tabelle - 4° - M 1 1 -
Heft 4
Prof. Dr. HERBERT PETSCHOW, Mittelbabylonische Rechts- und Wirtschaftaurkunden der HilprechtSammlung Jena. Mit Beiträgen zum,mittelbabylonischen Recht 1974.116 Seiten - 5 Abbildungen auf 2 Tafeln - 4° - M 2 9 -
Band 65 Heft 1
Dr ROM HEILER, Die Laxdoela Saga. Die literarische Schöpfung eines Isländers des 13. Jahrhunderts 1976. 152 Seiten - 4° - M 2 9 , -
Heft 2
Prof. Dr. JOACHIM MÜLLER, Heines Prosakunst 2. Auflage 1977. 179 Seiten - 4° - M 2 3 , -
Heft 3
Prof. Dr. WERNER PEEK, Ein neuer spartanischer Staatsvertrag 1974. 15 Seiten - 8 Faksimilia im Text - 8 Abbildungen auf 5 Tafeln - 4° - M 6,50
Heft 4
Dr. CLAUS WELCHE, Kollationen zu den sumerischen literarischen Texten aus Nlppur in der HilprechtSammlung Jena 1976. 92 Seiten - 31 Autographien im Text - 8 Abbildungen auf 7 Tafeln - 4° - M 3 3 , -
Band 66 Heft 1
O n o m a s t i c a S l a v o g e r m a n i c a I X . H e r a u s g e g e b e n v o n D o z . D r sc. ERNST EICHLER u n d D r . sc. HANS WALTHER, R e d a k t i o n : JOHANNES SCHULTHEIS
1974.127 Seiten - 5 Tabellen - 4° - M 2 1 , (Banä VIII erschien 1973 in Wroclaw) Heft 2
Heft 3
Prof. Dr. ERNST WALTHER, Lexikalisches Lehngut im Altwestnordischen. Untersuchungen zum Lehngut im ethisch-moralischen Wortschatz der frühen lateinisch-altwestnordischen Üb^rsetzungsliteratur 1976. 198 Seiten - 4° - M 34,O n o m a s t i c a S l a v o g e r m a n i c a X I . H e r a u s g e g e b e n v o n D o z . D r . sc. ERNST EICHLER u n d D o z . D r . sc. HANS WALTHER. R e d a k t i o n : D r JOHANNES SCHULTHEIS
1976. 164 Seiten - 9 Karten - 2 Tabellen - 4° - M 2 5 , (Band X erschien 1976 in Wroclaw) Heft 4
Prof. Dr HILMAR WALTER, Temporale, aspektliche und modale Semantik des verbum finitum im modernen Bulgarischen 1977. 95 Seiten - 2 Abbildungen - 4° - M 13,—
Band 67 Heft 1
Prof.'Dr. EBERHARD BRÜNINQ. Humanistische Tradition und progressives Erbe der Leipziger Anglistik/ Amerikanistik. 100 Jahre Lehrstuhl für englische Sprache und Literatur an der Iiarl-Marx-Universität 1977. 64 Seiten - 14 Tafeln - 4° - M 1 2 , -
Heft 2
Beiträge zum deutsch-slawischen Sprachkontakt. Herausgegeben von Prof. Dr. ERNST ECHLER 1977 104 Seiten - 1 Tabelle - 4° - M 19,-
Heft 3
Prof. Dr HANS DIESNER, Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien 1977 127 Seiten - 6 Tabellen - 4° - M 2 8 , -
Heft 4
Dr phil. liabil. KARLHEINZ BLASCHKE, Ereignisse des Bauernkrieges 1525 in Sachsen. Der sächsische Bauernaufstand 1790. Karten mit erläuterndem Text 1978. 14 Seiten - 2 Farbkarten - 4° - M 10,-
Band 68 Heft 1
Dr GERDA HASSLER, Sprachtheorien der Aufklärung zur Rolle der Sprache im Erkenntnisprozeß 1984. 193 Seiten - gr. 8° - M 20,-
Heft 2
Prof. Dr. phil. habil. FRIEDRICH MÖBIUS, Caspar David Friedrichs Gemälde „Abtei im Eichwald" und die frühe Wirkungsgeschichte der Ruine Eldena bei Greifswald
Zu aktuellen Aspekten des Denkmalbegriffs und der Denkmalpflege. Mit einem Anhang: Zur Rekonstruktion der Anfänge der Denkmalpflege in Eldena 1980. 36 Seiten - 19 Abbildungen auf Tafeln - gr. 8° - M 6,50 Heft 3
Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen. Herausgegeben von der Historischen Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Bearbeitet von Dr. JOHANNES HERRMANN und Dr. GÜNTHER WARTENBERG 3. B a n d : (1. J a n u a r 1547-25. Mai 1648) 1978. 915 Seiten - gr. 8° - Halbleinen M 8 8 , -
Band 69 Heft 1
Dr. KLAUS BOCHMANN, Der politisch-soziale Wortschatz des Rumänischen von 1821 bis 1850 1979. 221 Seiten - gr. 8° - M 2 8 , -
Heft 2
Prof. Dr. WERNER PEEK, Attische Versinschriften 1980. 92 Seiten - 110 Abbildungen, davon 7 auf 4 Tafeln - gr. 8° - M 1 2 , -
Heft 3
Prof. Dr. FRIEDRICH WELLER, Untersuchungen über die textgeschichtliche Entwicklung des tibetischen Buddhacarita 1980. 91 Seiten - gr. 8° - M 9 , -
Heft 4
Onomastica Slavogermanica X I I I . Herausgegeben von Prof. Dr. sc. ERNST EICHLER und Prof. Dr. sc HANS WALTHER. Redaktion: JOHANNES SCHULTHEIS 1981. 150 Seiten - gr. 8° - M 1 5 , -
Band 70 Heft 1
Prof. Dr. Dr. KURT RUDOLPH, Der mandäisehe „Diwan der Flüsse" 1982. 71 Seiten - 25 Abbildungen, davon 23 auf 18 Tafeln - gr. 8" - M 1 0 , -
Heft 2
Dr. WOXFGANG THIELE, Die semantisch-syntaktische Beschreibung von Ursache-Wirkung-Beziehungen in englischen Texten 1982.165 Seiten - gr. 8° - M 1 6 , -
Heft3
Prof. Dr. JOACHIM MÜLLER, „Weltseele" — Eine lyrisch-philosophische Triade Goethes 1984. 54 Seiten - gr. 8° - M 1 6 , -
Heft 4
Herausgeber: Prof. Dr. WERNER BAHNER, Sprache und Kulturentwicklung im Blickfeld der deutschen Spätaufklärung. Der Beitrag Johann Christoph Adelungs 1984. 267 Seiten - 1 Tafel - gr. 8° - M 2 6 , -
Band 71 Heft 1
Prof. Dr. phil. habil. FRIEDRICH MÖBIUS, Butieum in Centula Mit einer Einführung in die Bedeutung der mittelalterlichen Architektur Vorliegendes
Die Bände 1 bis 54,66 und 57 vom Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik Leipzig, Band 55 und ab Band 58 durch die Universitätsbuchhandlung, 7010 Leipzig, zum Teil noch lieferbar, Einzel- oder Fortsetzungsbestellungen durch eine Buchhandlung erbeten
AKADEMIE-VERLAG DDR -1086 Berlin, Leipziger Str. 3 - 1
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