Übungen im Strafrecht [Reprint 2019 ed.] 9783110891836, 9783110124439


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German Pages 216 Year 1990

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung
2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen
3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung
Sachregister
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Übungen im Strafrecht [Reprint 2019 ed.]
 9783110891836, 9783110124439

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•DODtTCa Übungen

3UKB

Juristische Ausbildung

Übungen herausgegeben von Prof. Dr. Dagmar Coester-Waltjen, München Prof. Dr. Hans-Uwe Erichsen, Münster Prof. Dr. Klaus Geppert, Berlin Prof. Dr. Philip Kunig, Berlin Prof. Dr. Harro Otto, Bayreuth Prof. Dr. Klaus Schreiber, Bochum

de Gruyter • Berlin • New York

Übungen im Strafrecht von Harro Otto 3., neubearbeitete und ergänzte Auflage

w DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York • 1990

Dr. Dr. h. c. Harro O t t o o. Professor f ü r Strafrecht, Strafprozeßrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Bayreuth

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Otto, Harro: Übungen im Strafrecht / von Harro Otto. — 3. neubearb. u. erg. Aufl. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1990 (Jura : Übungen) ISBN 3-11-012443-2

© Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH: 7, neutral) © 1990 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Druck: K. Gerike GmbH, 1000 Berlin 36 Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer GmbH, 1000 Berlin 61

Vorwort Die Übungen im Strafrecht sollen den um eine erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit im Strafrecht Bemühten während seines Studiums begleiten. Ihr Ziel ist es, die Schwierigkeiten zu beheben, die der Anfänger hat, wenn es in der Lösung des konkreten Falles gilt, durchaus vorhandenes Wissen in Argumente umzusetzen, dem Studenten während der einzelnen Ausbildungsabschnitte (Übungen, Referendarexamen) die Ungewißheit zu nehmen, was jeweils von ihm erwartet wird, sowie durch Einübung in die Methode der Fallösung und Ermöglichung von Selbstkontrolle dazu beizutragen, jene Ruhe und Überlegenheit zu gewinnen, die Voraussetzung für ein sinnvolles Studium sind. Im ersten Teil werden die Strafrechtsübungen in den Rahmen der juristischen Ausbildung eingepaßt und allgemeine Grundsätze der Methodik der Fallbearbeitung sowie der in Klausuren und Hausarbeiten zu beachtenden Besonderheiten dargestellt. Im zweiten Teil wird das "Wie" der Fallösung durch Aufbauschemata der verschiedenen Deliktsarten durchschaubarer gemacht. Im dritten Teil folgt sodann die Einübung. Sie ist über die bloße Kenntnisnahme hinaus auf das Mitdenken des Lesers angelegt, das durch Auswahl und Art der Lösung der Fälle motiviert werden soll: 1. Stoff und Problematik sind von den jeweiligen Erwartungen im Gang der Ausbildung her bestimmt. In der Anfängerübung werden Kenntnisse des Allgemeinen Teils des Strafrechts vorausgesetzt, exemplifiziert werden die Probleme im wesentlichen an Tötungsund Körperverletzungsdelikten. Die Vorgerücktenübung ist mehr auf den Besonderen Teil zugeschnitten. Der Raum für die eigene Argumentation ist erweitert. Den Klausuren aus dem Referendarexamen liegen Originaltexte zugrunde. Sie sind insofern typisch, als sie deutlich machen, daß es nicht so sehr um etwaiges Detailwissen geht, sondern genaue Argumentation und verständige Auslegung allein weiterhelfen, auch wenn Tatbestände in Rede stehen, die nicht zum üblichen Wissen des Kandidaten gehören oder deren Grenzen ihm plötzlich eigenartig verschwommen erscheinen. 2. Die "Musterlösung" besteht nicht nur aus dem Gutachten, sondern die für den konkreten Aufbau des Falles maßgeblichen Überlegungen werden mitgeteilt und die Lösung des Falles durch Anmerkungen sowie Hinweise zur Vertiefung ergänzt. 3. Den Ubungsfällen liegen höchstrichterliche Entscheidungen zugrunde. Der Vergleich mit diesen Entscheidungen soll bewußt die Stellungnahme des Lesers provozieren.

VI

Vorwort

4. Das Niveau der Gutachten ist von den Erwartungen bestimmt, die - unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes - jeweils an eine "sehr gute" Leistung gestellt werden. Daß dies keine "Traumnote" ist, wenn der Student einmal das "kleinliche Schielen" nach der "wohl gefragten Lösung" aufgibt und ihm richtig erscheinende Lösungen mit vertretbaren Argumenten begründet, hat die praktische Erprobung der Fälle gezeigt. Den Musterlösungen liegen für den Veröffentlichungszweck überarbeitete und aktualisierte Fallösungen zugrunde, die mit der Note "sehr gut" bewertet wurden. Unterschiede in Aufbau und Argumentation, z.B. auch bei der Gestaltung der Lösungsskizzen, wurden nicht beseitigt, um auch hier zu zeigen, daß verschiedene Möglichkeiten vertretbar sind. 5. Gleichsam nebenbei soll die Beherrschung der Aufbauschemata vermittelt werden, und zwar so weit, daß der Bearbeiter erkennt, daß ihn das Aufbauschema als Denkschema an die Probleme eines Falles heranführen und ihm Argumentationsmöglichkeiten eröffnen soll und kann. Ein Aufbauschema, das Problembereiche ausspart, ist untauglich, denn es verschließt Argumentationsmöglichkeiten. Es ist daher ein weitverbreiteter Irrtum, daß die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Aufbauschema als solche die Note beeinflußt. Maßgeblich ist allein, ob das gewählte Schema in die Probleme hinein- oder an ihnen vorbeiführt. Nicht die Wahl des Schemas oder ein bestimmtes Ergebnis, sondern die folgerichtige, nachvollziehbare Begründung eines bestimmten Ergebnisses wird bewertet! Für ihre Mitarbeit danke ich herzlich meinen Assistenten, Frau Barbara Schnabel, Herrn Knut Schnabel, Herrn Detlev Geerds und Herrn Klaus Zacharias. Bayreuth, März 1990

Harro Otto

Inhalt 1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung I.

Formelles: Die Übungen als Examensvoraussetzung.

II. Sachliches: Die Teilnahme an den Übungen 1. Die Funktion der Übungen in der Ausbildung.... 2. Die Vorbereitung auf die "Strafrechtsübungen".. 3. Die Übung als "Scheinveranstaltung" III. Methodik der Fallbearbeitung

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1. Erfassen des Sachverhalts und Fallfrage 2. Gliederung des Sachverhalts 3. Lösungsskizze 4. Tatbeteiligung mehrerer Personen 5. Die zu erörternden Straftatbestände 6. Subsumtion 7. Gutachtenstil 8. Auslegen des Sachverhalts 9. Darstellung eines Theorienstreits 10. Konkurrenzen IV. Besondere methodische Hinweise für die Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten 1. Die Klausur 2. Die Hausarbeit V. Anleitungsbücher zur Lösung strafrechtlicher Aufgaben und Fallrepetitorien

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

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A. Das Außauschema als Denkschema

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B. Das Erfolgsdelikt

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I.

Das vorsätzliche Begehungsdelikt

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1. Das final orientierte Aufbauschema der h.M 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen Begehungsdelikts

22 23

14 14 14 19

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VIII

Inhalt

II. Das vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h.M 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts

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III. Das fahrlässige Begehungsdelikt

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1. Das Aufbauschema der h.M 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema für das fahrlässige Begehungsdelikt IV. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt

V.

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1. Das Aufbauschema der h.M 2. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikts

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Das einheitliche Auf bauschema für das vorsätzliche/ fahrlässige Begehungs- und unechte Unterlassungsdelikt

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VI. Das versuchte Erfolgsdelikt 1. Der Versuch 2. Das Aufbauschema C. Besondere Formen der Deliktsverwirklichung I.

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32 32 33 34

Das erfolgsqualifizierte Delikt als Vorsatz-/ Fahrlässigkeitskombination II. Actio libera in causa III. Der Vollrausch, § 323 a IV. Die Wahlfeststellung.

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D. Beteiligungsformen

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I.

Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft und Nebentäterschaft. II. Teilnahme

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Inhalt

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

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Anfängerklausur Nr. 1: Tierfreunde in Not Aufbau des vorsätzlichen und fahrlässigen Erfolgsdelikts. - Prüfung von Rechtfertigungsgründen. - Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Notwehr, des defensiven, des aggressiven und des rechtfertigenden Notstands.

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Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall Aufbau des unechten und echten Unterlassungsdelikts, Prüfung der Garantenstellungen. - Bedeutung des Prinzips der Eigenverantwortung. - Tötungsdelikte, §§ 212 und 222.

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Anfängerklausur Nr. 3: Jägerball Aufbau des versuchten Erfolgsdelikts. - Rücktrittsmöglichkeit trotz Erreichens des Handlungsziels? - Mordmerkmale, § 211. - Nötigung.

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Anfängerklausur Nr. 4: Säurefall Probleme des Versuchsaufbaus bei mittelbarer Täterschaft und Mittäterschaft. - Mordmerkmale, § 211. Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens beim Versuch in mittelbarer Täterschaft. - Rücktritt eines Mittäters.

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Anfängerklausur Nr. 5: Bierkistenfall Aufbau des vorsätzlichen und fahrlässigen Begehungsdelikts. - Anstiftung, versuchte Anstiftung. - Error in persona - aberratio ictus.

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Anfängerklausur Nr. 6: Gaststättenfall Objektive Zurechnung eines Erfolgs bei Nichtfeststellbarkeit der Kausalität eines Verhaltens, auch wenn nach der Äquivalenztheorie die "Kausalität" anzunehmen ist. - Aufbau des erfolgsqualifizierten Delikts. Bedeutung des sog. rechtmäßigen Alternatiwerhaltens.

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Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall Aufbau des vorsätzlichen und fahrlässigen Tötungsdelikts. - Abgrenzung Tun und Unterlassen. - Rechtfertigung außerhalb des Katalogs der anerkannten und ausformulierten Rechtfertigungsgründe. - Prüfung des Mordtatbestandes.

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Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall Abgrenzung von Betrug und Erpressung. - Urkundenfälschung.

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Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall Vollrausch, § 323 a. - Probleme der Schuldprüfung. Actio libera in causa. - Anstiftung, § 26. Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall Aufbau des Versuchs. - "Versuch eines Regelbeispiels". - §§ 242, 243, 244, 249, 252, 212, 211, 23. - Rechtfertigung fahrlässigen Verhaltens. - Grenzen des Festnahmerechts, § 127 Abs. 1 StPO. - Irrtum über tatsächliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. Verlesung von Behördengutachten. - Bedeutung der Verletzung der Schweigepflicht. Examensklausur Nr. 2: Wahlfeststellungsklausur Probleme des Betrugs, des Diebstahls und der Urkundenfälschung. - Vollrausch, § 323 a und Wahlfeststellung. - Antrag auf unzulässiges Beweismittel: Lügendetektor. Referendarhausarbeit: Brandstiftungsdelikte, Brandstiftung durch Unterlassen, Intensivieren der Brandgefahr als In-Brand-Setzen. Garantenpflicht aus Übernahme von Schutzfunktionen. - Überzeugungstäter und Unrechtsbewußtsein. - Mittelbare Täterschaft durch vollverantwortlich handelndes Werkzeug. - Anstiftung zum Unterlassungsdelikt.

Erster Teil Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung I. Formelles: Die Übungen als Examensvoraussetzung Die erfolgreiche Teilnahme an der "Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene" ist in allen Bundesländern notwendige Voraussetzung für die Zulassung zum Referendarexamen. - Die Bedeutung der "Übung im Strafrecht für Anfänger" hingegen ist an den einzelnen Universitäten unterschiedlich: zum einen ist die Teilnahme an der "Übung im Strafrecht für Anfänger" freiwillig, zum anderen ist der Nachweis erfolgreicher Teilnahme Examensvoraussetzung, schließlich wird eine erfolgreiche Teilnahme als Zulassungsvoraussetzung zur "Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene" gefordert. Unabhängig davon aber kommt der Anfängerübung besondere Bedeutung deshalb zu, weil die nach § 5 a DRiG vorgeschriebenen, studienbegleitenden Leistungskontrollen in Form von Aufsichtsarbeiten (Klausuren) unter Prüfungsbedingungen im Regelfall in der Anfängerübung durchgeführt werden. Auch die Bestimmung dessen, was unter einer "erfolgreichen Teilnahme" an einer Übung verstanden wird (mindestens eine ausreichende Hausarbeit oder Klausur, mindestens zwei ausreichende schriftliche Arbeiten, mindestens je eine ausreichende Hausarbeit und Klausur), ist an den einzelnen Universitäten nicht einheitlich getroffen. Im Referendarexamen fordern die Ausbildungsordnungen aller deutschen Bundesländer die Anfertigung mindestens einer strafrechtlichen Klausur. In den Bundesländern, die im Referendarexamen eine Hausarbeit verlangen (Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein), kann der Kandidat die Hausarbeit auch im Strafrecht wählen.

II. Sachliches: Die Teilnahme an den Übungen 1. Die Funktion der Übung in der Ausbildung Die Strafrechtsübungen haben, wie auch die Übungen in den anderen Rechtsgebieten, verschiedene Aufgaben: Sie dienen der Kontrolle des Leistungsstandes, sollen das in Vorlesungen, Arbeitsgemeinschaften und eigener aktiver Bemühung um den Rechtsstoff

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

erworbene Wissen vertiefen und den Verständnishorizont des angehenden Juristen durch Einübung in die Methodik rechtlicher Lösung sozialer Probleme dahin erweitern, daß es ihm möglich wird, die Probleme eines Rechtsfalles im methodischen Vorgehen zu erfassen, sie anderen verständlich zu machen und selbständig einen Lösungsweg zu finden und überzeugend zu begründen. a) Die Kontrolle des Leistungsstandes erstreckt sich auf zwei Bereiche: zum einen soll überprüft werden, wieweit der junge Jurist fähig ist, erworbenes Wissen zur Lösung eines ganz konkreten Falles heranzuziehen. Zum anderen wird beurteilt, ob es ihm gelingt, den Leser mit eigenständigen Argumenten in rational nachvollziehbaren Begründungsschritten zu dem Ergebnis zu führen, das er für richtig hält. b) Die Vertiefung des Wissens ist in der Übung weniger auf weitere Informationsvermittlung angelegt als auf Erweiterung des Verständnishorizonts. Im Gegensatz zur Vorlesung, die vorrangig Wissen vermittelt, geht die Übung bereits darauf, die kriminalpolitischen, methodologischen und dogmatischen Grundfragen des Strafrechts in Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung selbständig zu durchdenken. Ausgangspunkt ist der konkrete Fall mit seinen speziellen Problemstellungen. Die Einzelfallösung verfolgt jedoch keinen Selbstzweck, noch zielt sie auf die Sammlung von Detailwissen. Mit der Anwendung der vorhandenen Kenntnisse auf den Einzelfall wird es vielmehr möglich, die vielfältigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Rechtsinstituten und Problemstellungen zu verstehen, ihre Prämissen zu erkennen und sich der übergreifenden Zusammenhänge zwischen ihnen und in das Sozialleben hinein bewußt zu werden. So erweitert sich der Verständnishorizont beim Eindringen in den Rechtsstoff auch zum Verständnis des gesellschaftspolitischen Stellenwerts juristischer Entscheidungen. c) Die Einübung in die Methodik der Lösung strafrechtlicher Fälle steht in der Übung gleichberechtigt neben der Wissens- und Verständniserweiterung. Die Methodik der Lösung rechtlicher Probleme muß auf die Sauberkeit von Begriffsbestimmungen und die Sorgfalt der einzelnen Deduktion bedacht sein. Zu beachten ist jedoch, daß es nicht darum geht, durch Anwendung irgendwelcher Techniken irgendein Ergebnis zu finden, sondern stets darum, im methodischen Vorgehen die richtige, d.h. überzeugende Lösung eines sozialen Konflikts aufzudecken. - In diesem Rahmen ist auch die Bedeutung der Subsumtionstechnik zu sehen. Sie ist nötiges Handwerkszeug eines jeden Juristen und die Voraussetzung für eine planvolle Fallbearbeitung - zugleich aber muß der subsumierende Jurist sich darüber

II. Die Teilnahme an den Übungen

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klar sein, daß Subsumtion nicht Selbstzweck oder selbst bereits wissenschaftliche Methode ist, sondern nur, als planvolles Vorgehen, Voraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens. Sie verhindert, daß wesentliche Teile eines Tatbestandes nicht erörtert werden. Die wissenschaftliche Arbeit aber beginnt erst mit der Auseinandersetzung über Inhalt und Grenzen der einzelnen Begriffe, mit denen der Fallbearbeiter bei der Subsumtion konfrontiert ist, d.h. bei der Beantwortung der Frage, ob der im Gesetz gemeinte Sachverhalt auch wirklich dem zu beurteilenden Sachverhalt entspricht. Subsumtion und formale Regeln (z.B. argumentum e contrario, argumentum a maiore ad minus) sind nur Hilfsmittel bei dieser Feststellung. Das "Hin- und Herwandern des Blickes" (ENGISCH Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 15) zwischen Norm und Lebenssachverhalt ist gerichtet auf ein Verstehen der zwischen ihnen bestehenden Entsprechung. Das Verständnis selbst beruht auf einer analogen Denkweise, die eine doppelte Analyse sozialer Sachverhalte voraussetzt: Zunächst gilt es, den Inhalt einer Norm durch Auslegung zu ermitteln, sodann ist zu prüfen, ob ein konkreter Lebenssachverhalt (soziale Konfliktsituation) jenem Sachverhalt entspricht, den der Gesetzgeber in bestimmter Weise regeln wollte. Abweichungen des tatsächlichen Sachverhalts vom gesetzlich typisierten Sachverhalt sind in sorgfältiger Analyse zu ermitteln und auf ihre Relevanz hin zu untersuchen. 2. Die Vorbereitung auf die "Strafrechtsübungen" a) Die sinnvolle Teilnahme an einer "Übung im Strafrecht" setzt gründliche Kenntnisse des Sachgebiets voraus, auf das sich die Übung erstreckt. Dieses ist für die Anfängerübung in erster Linie der Allgemeine Teil, dessen Problemstellungen vorrangig bei der Prüfung von Körperverletzungs- und Tötungsdelikten erörtert werden. Der Schwerpunkt der Fortgeschrittenenübung liegt in der Regel im Besonderen Teil des Strafrechts. b) Das bloße Anhören einer Vorlesung genügt für den Erwerb dieser Kenntnisse nicht. Das aktive Bemühen um den Lehrstoff ist unerläßlich. Sei es, daß der Student mit Hilfe eines Lehrbuchs das Verständnis für das Gehörte vertieft oder sich sogar schon vor der Vorlesung einen Überblick über den Gegenstand im Lehrbuch verschafft bzw. den Stoff der Vorlesung nacharbeitet. Von Anfang an sollte der Student sich an den Umgang mit einem Lehrbuch gewöhnen, das er sich selbst zulegt. Benutzt er dieses neben der Vorlesung, so wird er sich einen problemorientierten Einstieg in die Materie eröffnen und leichter Verständnis gewinnen, als wenn er ein Lehrbuch isoliert Seite für Seite durchliest. -

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

Ist bei dieser Weise der Erarbeitung des Stoffs die eigene Meinung gebildet worden, so sollte - zumindest im Bereich der Grundprobleme des Allgemeinen Teils - der kontrollierende Blick in ein anderes Lehrbuch oder einen Kommentar gewagt werden. 3. Die Übung als "Scheinveranstaltung" Es bedarf nicht erst tiefgründiger Überlegungen, um zu der Einsicht zu gelangen, daß die für eine Übung zur Verfügung stehende Zeit (2 Wochenstunden) und die Zahl der Teilnehmer es oft von vornherein ausschließen, den genannten Aufgaben in dem Umfang gerecht zu werden, der nötig wäre. Auf ein beschämendes Minimum sinkt der Gewinn einer Übung jedoch erst dann, wenn die Übung nur als "Schein-Veranstaltung" angesehen wird. Der Schein soll Nebenprodukt, nicht aber einziges Ziel der Übung sein! Die Übung soll der Kontrolle der eigenen Leistung dienen, der in ihr erteilte Schein darf aber nicht alleiniges Leistungsziel werden! Das setzt allerdings voraus, daß der Student zu einer Mitarbeit bereit ist, die über das bloße "Erschlagen" des Scheines hinausgeht, d.h. daß er nicht nur die Arbeiten mitschreibt, die für den Scheinerwerb notwendig sind, sondern daß er möglichst viele Klausuren mitschreibt und sich an der Besprechung der Übungsfälle aktiv beteiligt. Dies gilt in besonderem Maße für die Anfängerübung, denn sie wurde eingeführt, weil die hohen Mißerfolgsquoten in der Fortgeschrittenenübung deutlich machten, daß eine Übung allein nicht die hinreichende Sicherheit im Fallaufbau und in der Fallösung vermitteln kann.

III. Methodik der Fallbearbeitung 1. Erfassen des Sachverhalts und Fallfrage Die Fallbearbeitung beginnt damit, daß der Bearbeiter den Sachverhalt sorgfältig - u.U. mehrmals - durchliest. Dabei ist besonders auf die Fragestellung am Schluß des Sachverhalts zu achten, denn die Fallfrage steckt das für den Bearbeiter strafrechtlich relevante Geschehen ab. Möglich ist es, daß nur nach der Strafbarkeit einer bestimmten Person gefragt wird (Hat A sich strafbar gemacht?). Es kann aber auch das strafrechtliche Verhalten mehrerer Personen zu prüfen (Haben A, B und C sich strafbar gemacht?) oder das strafbare Verhalten aller im Sachverhalt genannten Personen umfassend zu würdigen sein (Wie ist der Fall strafrechtlich zu beurteilen?).

III. Methodik der Fallbearbeitung

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Grundsätzlich ist das Verhalten von Personen, nach deren Strafbarkeit nicht gefragt ist oder die nicht mehr bestraft werden können, weil sie zu Tode gekommen sind, nicht zu erörtern. Eine Ausnahme ist nur dann zu machen, wenn dieses Verhalten für die Prüfung der Strafbarkeit anderer Personen relevant ist, z.B. wenn eine Teilnahme am Verhalten eines Verstorbenen in Betracht kommt.

2. Gliederung des Sachverhalts Da ausschließlich die Strafbarkeit bestimmter Personen interessiert, ist allein relevant, wer durch welches Verhalten welchen Straftatbestand erfüllt hat. Um an diese Fragestellung sachgerecht heranzukommen, ist der Sachverhalt zu gliedern. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten, die gleichberechtigt nebeneinander stehen, und für deren Wahl im Einzelfall allein praktische Gesichtspunkte ausschlaggebend sind, keineswegs aber zwingende Gründe sprechen. a) Werden in dem zu bearbeitenden Fall mehrere trennbare Sachverhalte geschildert, so sind diese gesondert zu behandeln (Gliederung nach Tatkomplexen). Innerhalb der einzelnen Tatkomplexe wird sodann das Verhalten der verschiedenen Personen erörtert. b) Erscheint eine Trennung einzelner Handlungsabschnitte nicht sinnvoll, weil sie nicht geeignet ist, den Fall klarer zu gliedern z.B. es kommt nur eine einzige Handlung oder Unterlassung in Betracht -, oder zieht sich das strafbare Verhalten einer Person wie ein roter Faden durch den Fall, wobei hin und wieder Randfiguren auftauchen, so ist es richtiger, zunächst das Verhalten dieser Person zu untersuchen und sodann die Erörterung der anderen Personen anzuschließen (Gliederung nach Personen). Möglich, unter Umständen nötig, ist es auch, mit der Prüfung des Verhaltens einer Person zu beginnen, diese Prüfung zu unterbrechen und später wieder fortzusetzen, so z.B. wenn außer mehreren eigenständigen Taten einer Person auch eine Teilnahme dieser Person an Taten anderer Personen in Betracht kommt. c) Maßgeblich für die Wahl im Einzelfall sind allein praktische Gesichtspunkte (Übersichtlichkeit, Möglichkeit besserer Straffung, Zusammengehöriges bleibt zusammen). Mit Beginn der Ausarbeitung muß der Bearbeiter aber seine Entscheidung für die eine oder die andere Gliederungsweise getroffen haben, sonst werden seine Ausführungen unübersichtlich. 3. Die Lösungsskizze Nach der gedanklichen Grobgliederung des Sachverhalts empfiehlt es sich, eine Lösungsskizze zu entwerfen. Diese wird je nach der gewählten Gliederungsweise aufgebaut.

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

Bei der Gliederung nach Tatkomplexen ist der Tatkomplex zu nennen, die Person, deren Verhalten geprüft wird, das relevante Verhalten selbst und der rechtliche Gesichtspunkt (Straftatbestand), der erörterungsbedürftig erscheint. Bei der Gliederung nach Personen ist die Person herauszustellen, deren Verhalten geprüft werden soll, sodann das Verhalten selbst und der rechtliche Gesichtspunkt (Straftatbestand), der erörterungswürdig erscheint. Bei der Niederschrift dieser Lösungsskizze, die der gedanklichen Klärung der Ausführungen dient, sollte der Bearbeiter sich bereits mit je einem Stichwort entscheiden, ob er einen Straftatbestand bejahen oder ablehnen will und wo erörterungswürdige Probleme stecken, die eingehender dargelegt werden müssen. Gleichwohl sollte versucht werden, diese Skizze kurz und übersichtlich zu halten. 4. Tatbeteiligung mehrerer Personen Stehen die Verhaltensweisen mehrerer Personen in Frage, so ist stets mit der Person zu beginnen, die der Tatausführung am nächsten steht, d.h. am ehesten mit demjenigen, der die Tat mit eigener Hand ausgeführt hat. Sodann ist das Verhalten weiterer beteiligter Personen nacheinander zu erörtern. a) Es ist unzulässig, das Verhalten mehrerer Personen zugleich zu untersuchen. Von dieser Regel gibt es nur eine einzige Ausnahme, wenn mehrere Personen nämlich im Sachverhalt wie eine einzige Person geschildert werden. Es heißt z.B.: "A und B steigen bei C ein, nehmen eine bewegliche Sache weg, entfernen sich und bringen die Sache zu einem Hehler, dem sie diese für 50,- DM verkaufen." In diesem Falle ist überhaupt nicht auszumachen, welche Einzelhandlungen A bzw. B begangen haben. Auch eine Trennung nach der subjektiven Einstellung ist nicht möglich. Hier ist es ausnahmsweise erlaubt, zwei Personen zugleich zu prüfen. b) Streben mehrere Personen bei zweiaktigen Delikten (z.B. Raub, § 249) den Erfolg arbeitsteilend an, z.B. A hält den B fest, während C ihm die Brieftasche wegnimmt, so empfiehlt es sich, gleichfalls mit einer Person zu beginnen und an dem Punkte, wo das Verhalten der anderen Person aktuell wird, kurz darzulegen, daß beide Personen einen bestimmten Erfolg (die Wegnahme unter Gewaltanwendung) arbeitsteilend anstreben und der erste Täter sich daher das Handeln des zweiten zurechnen lassen muß, um sodann kurz zu prüfen, was der zweite Täter vollbracht hat. c) Bei der Prüfung einer mittelbaren Täterschaft ist zunächst das Verhalten der ausführenden Person (Werkzeug) zu würdigen.

III. Methodik der Fallbearbeitung

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Nach Abschluß dieser Prüfung ist darzulegen, warum der Hintermann das Werkzeug derart beherrscht hat, daß er als Täter anzusehen ist. d) Kommt als relevantes Verhalten Täterschaft (sei es auch Mittäterschaft bzw. mittelbare Täterschaft) oder Teilnahme in Betracht, so ist mit der Prüfung der Täterschaft zu beginnen, denn die Täterschaft zehrt die schwächeren Formen der Teilnahme auf. e) Niemals kann Anstiftung oder Beihilfe vor der Haupttat geprüft werden. Das verbietet der Grundsatz der Akzessorietät. Hat der Bearbeiter die Handlungen einer Person X erörtert, und taucht nun die Frage der Anstiftung oder Beihilfe der Person X zu Handlungen einer anderen Person Y auf, so ist die Erörterung von X abzubrechen. Nach Feststellung der Taten des Haupttäters ist sodann mit der Prüfung des Verhaltens von X fortzufahren. f) Aus der Akzessorietät der Teilnahme ergibt sich auch, daß es nicht den Tatbestand einer Anstiftung bzw. Beihilfe an sich geben kann. Genauso, wie es keine Mittäterschaft schlechthin, sondern nur Mittäterschaft bei einem Totschlag, Mord, Raub usw. geben kann, gibt es nur Anstiftung bzw. Beihilfe zu einer Straftat (Haupttat), z.B. zum Totschlag, Mord, Raub usw. Zum Aufbau von Anstiftung und Teilnahme im einzelnen vgl. 2. Teil D II.

5. Die zu erörternden Straftatbestände Das relevante strafrechtliche Verhalten ist umfassend daraufhin zu prüfen, welche Straftatbestände jeweils erfüllt sind. Dabei sind auch relevante Tatbestände außerhalb des StGB - z.B. § 53 WaffG, § 38 BJagdG, §§ 21 ff StVG - zu beachten. a) Jeder Straftatbestand, der erwähnenswert erscheint, ist einzeln zu erörtern. Dies gilt auch dann, wenn ein Paragraph mehrere Tatbestandsalternativen enthält (z.B. § 267: Herstellen einer unechten, Verfälschen einer echten sowie Gebrauchmachen von einer unechten oder verfälschten Urkunde). b) Welche Straftatbestände vom Bearbeiter zu erörtern sind, kann nicht abstrakt für alle Fälle verbindlich festgelegt werden. Maßgeblich ist hier der Grundsatz, daß jeder Straftatbestand zu erörtern ist, der nicht abwegig erscheint und für dessen Vorliegen im Sachverhalt ein vernünftiger Anhaltspunkt spricht. c) Die Ausführungen sind stets mit dem Straftatbestand zu beginnen, der am wahrscheinlichsten gegeben ist. Kommen bei dieser Vorprüfung mehrere Straftatbestände in Betracht, so ist dem schwersten Delikt grundsätzlich Vorrang zu geben. Dabei ist das Verhältnis der einzelnen Straftatbestände zueinander zu beachten:

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

aa) Der Grundtatbestand eines Delikts ist vor der Qualifizierung bzw. Privilegierung zu erörtern, denn diese baut auf dem Grundtatbestand auf. Beispiel: § 223 im Verhältnis zu § 223 a; § 212 im Verhältnis zu § 216.

bb) Die lex specialis ist vor der lex generalis zu prüfen, denn die lex specialis schließt als das engere Gesetz die lex generalis aus. Beispiel: § 266 b schließt §§ 263, 266 aus.

cc) Straftatbestände, die andere Straftatbestände nach den Regeln der Subsidiarität oder Konsumtion verdrängen, sind vor diesen zu prüfen, da ihnen größeres Gewicht zukommt. Beispiel: § 145 d nach §§ 164, 258, 258 a. - §§ 123, 303 nach §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1.

dd) Das Vorliegen von Regelbeispielen ist zu prüfen, auch wenn es sich sachlich um Strafzumessungsgründe handelt, die gemeinhin im Gutachten nicht zu erörtern sind. Diese Strafzumessungsgründe sind jedoch so tatbezogen ausformuliert, daß sich zu ihnen - im Gegensatz zu Strafzumessungsgründen, die in der Person des Täters liegen - Stellung nehmen läßt. Beispiel: Prüfung des § 243 im Anschluß an § 242.

6. Subsumtion Mit der Überlegung, welcher Straftatbestand durch ein bestimmtes Verhalten erfüllt sein könnte, sind dem Bearbeiter zwei Sachverhalte gegeben. 1. Der Fall 2. Der im Gesetz beschriebene Sachverhalt Die Aufgabe des Bearbeiters ist es, darzulegen, ob der im Fall beschriebene Sachverhalt dem im Gesetzeswortlaut erfaßten entspricht. Sachverhalt: A schlägt dem B mit der Faust ins Gesicht, weil er sich über ihn geärgert hat. Tatbesland: § 223 Abs. 1: Wer einen anderen körperlich mißhandelt... Subsumtion: 1. "Wer": der A 2. "einen anderen": den B 3. "körperlich mißhandelt", d.h. den Körper übel unangemessen behandelt, so daß das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt wird. - Ein Faustschlag ins Gesicht ist ein schwerer, übler Eingriff in die körperliche Integrität, der das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt.

III. Methodik der Fallbearbeitung

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Ergebnis: A hat den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1,1. Alt. erfüllt.

a) Niemals ist eine Fallbearbeitung mit Vorreden zu beginnen. Seien diese nun Erörterungen zivilrechtlicher Vorfragen oder Darlegungen, warum mit einem bestimmten Straftatbestand begonnen wird und nicht mit einem anderen, oder gar Ausführungen zur Mittäterschaft bzw. zum "Irrtumsproblem schlechthin". Aufbauerwägungen sind zwar richtig, doch dürfen sie ihren Niederschlag nur im Aufbau selbst finden. Ist dieser Aufbau nicht aus sich heraus überzeugend, so helfen Ausführungen zur Berechtigung dieses Aufbaus auch nicht weiter. Alle Vorreden sind vollkommen uninteressant an dieser Stelle und sagen dem Leser gar nichts für die Lösung des Falles. Allein dort, wo z.B. ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal, sei es etwa der Begriff "fremd" in § 242 oder sonst ein Begriff, der auf zivilrechtliche Fragen hindeutet, der Klärung bedarf, sind diese Fragen zu erörtern. b) Bei seinen Ausführungen hat der Bearbeiter zu beachten, daß der praktische Fall weder lediglich Aufliänger für irgendwelche theoretischen Erwägungen ist, die dem Bearbeiter anläßlich der Fallbearbeitung in den Sinn kommen, noch dem Korrektor allein an einem Ergebnis gelegen ist, mag es noch so richtig sein. Maßgeblich ist vielmehr, ob man den Ausführungen entnehmen kann, daß der Bearbeiter fähig ist, einen praktischen Fall gründlich und sinnvoll zu einem begründeten Ergebnis zu führen. Mit anderen Worten: Die Bearbeitung hat alles das und nur das zu enthalten, was zur Begründung der Lösung nötig ist. Nicht notwendige Darlegungen, schmückendes Beiwerk, schaden nur. c) Um sofort zur Sache zu kommen, empfiehlt es sich, bereits im ersten Satz klarzustellen, welche konkrete Verhaltensweise einer bestimmten, im Fall genannten Person auf ihre Strafbarkeit hin untersucht wird. d) Allerdings sollte der Einleitungssatz im Laufe der Ausführungen ein wenig variieren, zum Beispiel: "A könnte sich des Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben, indem er dem B das Portemonnaie aus der Tasche zog." Oder: "Es ist zu prüfen, ob der A den Tatbestand des Diebstahls, § 242, erfüllte, indem er dem B das Portemonnaie aus der Tasche zog." Oder: "A zog dem B das Portemonnaie aus der Tasche. Damit könnte er den Tatbestand des Diebstahls, § 242, erfüllt haben." Oder: "A hat das Portemonnaie dem B aus der Tasche gezogen, er könnte sich daher wegen eines Diebstahls, § 242, strafbar gemacht haben."

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

e) Bei der Subsumtion ist ein Tatbestandsmerkmal nach dem anderen zu erörtern. Eine Häufung der Merkmale führt nur zu Ungenauigkeit und Unübersichtlichkeit. Beispiel: Der Student S nimmt aus der Anatomie den Kopf einer Leiche mit, um ihn zu Hause zu sezieren. Falsch ist es, bei der Prüfung des Diebstahls die Frage, ob der Kopf eine fremde bewegliche Sache ist, undifferenziert zu erörtern, denn ob der Kopf eine Sache ist, erscheint bereits problematisch. Daß diese Sache beweglich ist, läßt sich zwar mit einem kurzen Hinweis klarstellen, hingegen ist der Nachweis, daß die bewegliche Sache eine "fremde" ist, recht schwierig zu führen.

7. Gutachtenstil Der Bearbeiter hat ein Gutachten anzufertigen, kein Urteil. Das heißt, am Anfang der Ausführungen steht die Erwägung des Bearbeiters, welche Strafrechtsnorm durch das Verhalten einer Person verletzt sein könnte, sodann folgt die Untersuchimg, ob die Strafrechtsnorm verletzt wurde, und das Ergebnis der Erörterung. Gutachtenstil: Die Frage, ob ein bestimmtes Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, wird aufgeworfen (1.), das Tatbestandsmerkmal definiert (2.), der Sachverhalt subsumiert (3.), das Ergebnis festgestellt (4.). Beispiel: A, der den B töten und ihm zuvor Qualen bereiten will, sperrt den B auf dessen Segelboot in der Koje ein und versenkt das Schiff. B ertrinkt jämmerlich. (1.) A könnte den B grausam getötet haben. (2.) Grausam tötet, wer dem Opfer besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt. (3.) A hat dem B besondere Qualen zugefügt. Da es ihm darauf ankam, lag auch ein Handeln aus gefühlloser Gesinnung vor. (4.) A hat den B grausam getötet.

Urteilsstil: Das Ergebnis der Überlegungen wird vorangestellt (1.) und durch einen Vergleich von Defmition (2.) und Sachverhalt (3.) begründet. Beispiel: Sachverhalt wie oben. (1.) A hat den B grausam getötet. (2) Denn grausam tötet, wer dem Opfer besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung zufügt. (3.) A hat dem B besondere Qualen zugefügt. Da es ihm darauf ankam, lag auch ein Handeln aus gefühlloser Gesinnung vor.

III. Methodik der Fallbearbeitung

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Der Gutachtenstil braucht aber nicht in jedem einzelnen Punkt der Ausführungen durchgehalten zu werden. Überall dort, wo der Bearbeiter einerseits zeigen will, daß er ein Tatbestandsmerkmal oder einen Tatbestand nicht übersehen hat, andererseits jedoch die Begründung evident ist, kann der Urteilsstil verwandt werden. Gleiches gilt, wenn für einen Ausschluß der Rechtswidrigkeit oder der Schuld kein Anhaltspunkt im Sachverhalt gegeben ist. Beispiel: A beschmiert das auf einem Plakatständer befindliche Werbeplakat einer politischen Partei mit Teer. A könnte sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig gemacht haben, indem er das Werbeplakat der Partei beschmierte. Dann müßte er eine fremde Sache beschädigt haben. Das Plakat war eine Sache. Diese Sache war für A auch fremd, denn sie stand im Eigentum der Partei. Beschädigt ist eine Sache, wenn ihre stoffliche Zusammensetzung so verändert wird, daß sie in ihrer bestimmungsmäßigen Funktions- und Gebrauchsfähigkeit beeinträchtigt wird. Das ist hier der Fall, denn die Werbefunktion des Plakates wurde durch die Substanzveränderung beeinträchtigt. Dies war dem A bewußt, er handelte daher vorsätzlich. Rechtfertigungsgründe und Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor. A hat sich'demgemäß einer Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB schuldig gemacht.

8. Auslegen des Sachverhalts Erscheint der Sachverhalt nicht eindeutig, so ist er von der allgemeinen Lebenserfahrung her auszulegen. Ganz abwegige abstrakt mögliche - Konstellationen sind nicht zu erörtern, auf sie müßte im Text ausdrücklich verwiesen werden. Beispiel: Heißt es im Sachverhalt, A lauert dem B auf, um diesen zu berauben, so wäre eine Alternative dahin, ob A zurechnungsfähig ist oder nicht, unvertretbar. - Zwar sagt der Sachverhalt nichts über die Zurechnungsfahigkeit des A, eine derart vom Üblichen abweichende Gegebenheit müßte jedoch ausdrücklich im Text erwähnt werden.

Bleibt der Sachverhalt auch nach der Auslegung mehrdeutig und führen die unterschiedlichen Deutungen zu verschiedenen rechtlichen Folgerungen, so muß der Bearbeiter eine Alternativentscheidung treffen. Beispiel: A erschießt eine Katze, die wiederholt Tauben aus seinem Taubenschlag geholt hat. - Hier ist es möglich, daß es sich um eine fremde (Eigentümer ist ein Dritter) oder eine derelinquierte Katze gehandelt hat. - Diese Sachverhaltsalternative ist für die Frage, ob der Tatbestand der Sachbeschädigung gegeben ist ("fremde Sache"), wesentlich. Daher die Alternative: a) Die Katze gehörte einem Dritten. b) Die Katze gehörte niemandem.

9. Darstellung eines Theorienstreits Sog. Theorienstreitigkeiten (unterschiedliche Ansichten über den

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

Inhalt oder die Grenzen eines Begriffs o.ä.) sind nur zu erörtern, wenn der Theorienstreit" für die Lösung des Falles erheblich ist. In einem solchen Falle hat der Bearbeiter zunächst einmal darzulegen, warum aus seiner Sicht ein Problem vorliegt, d.h. er hat aufzuzeigen, daß es verschiedene Möglichkeiten gibt, einen bestimmten Begriff zu interpretieren. Sodann ist nachzuweisen, daß die verschiedenen Ansichten im konkreten Fall zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen. Ist das der Fall, so muß der Bearbeiter Stellung nehmen, sich für eine Meinung entscheiden und seine Ansicht begründen. Beispiel: Die A sagt als Zeugin vor Gericht aus, der B sei in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai bei ihr gewesen. Sie glaubt, daß dieses der Wahrheit entspreche, während in Wirklichkeit der B eist in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai bei ihr war. Hätte sie sich ihre Aussage eingehender überlegt, wäre ihr der Irrtum aufgefallen. a) Sieht man eine Aussage als "falsch" an, weil sie mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (obj. Theorie), so ist die Aussage der A falsch. b) Bestimmt man "falsch" subjektiv (subj. Theorie), so war die Aussage der A nicht falsch, weil sie selber glaubte, die Wahrheit zu sagen. c) Betrachtet man eine Aussage als "falsch", die zustande gekommen ist, weil der Aussagende sein Wissen nicht überprüft hat (Pflichttheorie), so war die Aussage der A falsch, da sie nicht sorgfaltig von A überdacht worden war. Da die verschiedenen "Theorien" zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muß der Bearbeiter dies darlegen und sich mit den verschiedenen Meinungen bei der Begründung seines eigenen Lösungsweges auseinandersetzen.

Kommen hingegen bei einer Streitfrage sämtliche "Theorien" zu demselben Ergebnis, so braucht der Verfasser die Theorien nicht im einzelnen darzulegen, sondern kann nur kurz mitteilen, daß es verschiedene "Theorien" gibt, die hier aber jeweils zu dem gleichen Ergebnis kommen. Eine Auseinandersetzung ist sodann nicht nötigDaraus folgt: Immer dann, wenn verschiedene Lehrmeinungen, d.h. Rechtsmeinungen, ein unterschiedliches Ergebnis begründen, muß der Verfasser sich für die eine und gegen die andere Meinung entscheiden. - Alternativentscheidungen über Rechtsfragen sind unzulässig! Bei der Entscheidung von Streitfragen verdrängt die eigene, bewußte Stellungnahme die zufällige Übernahme irgendwelcher fremden Meinungen. Dieser Stellungnahme kann der Jurist nämlich nicht ausweichen, soll er seiner Rolle, soziale Probleme "richtig" zu entscheiden, gerecht werden. Die eigene Stellungnahme ist sogar weit häufiger erforderlich, als der junge Jurist meint. Da nämlich weder die genauen Umrisse des vom Gesetzgeber in seinen gesetzlichen Vorschriften Gemeinten, noch die in jeder straf-

III. Methodik der Fallbearbeitung

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rechtlichen Problemlösung mitschwingenden allgemeinen Prämissen des Strafrechts unstreitig feststehen - geschweige denn immer konsequent verfolgt werden -, kommt es zu erheblichen Auseinandersetzungen über den Inhalt einzelner Normen, über die richtige Auslegung oder Definition einzelner Begriffe oder über die Überzeugungskraft einer Einzelfallösung bei Anwendung dieser Prämissen oder Begriffe. Will man in diesem Streit nicht den Boden unter den Füßen verlieren, so ist es wesentlich zu erkennen, warum es zu dem Streit kommt, d.h. wo überhaupt ein Problem liegt, und warum es sich dabei um ein Problem handelt. Ist dies geschehen, so wird die eigene Stellungnahme und die Entwicklung der abweichenden Lösungsvorschläge zu dem Problem keine Schwierigkeiten machen. Allein darauf kommt es an, denn der Jurist soll nicht irgendwelche fremden Meinungen zur Lösung sozialer Probleme auswendig herleiern können, sondern seine eigene Meinung überzeugend begründet - in Auseinandersetzung mit etwaigen Gegenmeinungen vortragen und zur Basis seiner Entscheidung machen. - Natürlich kann er sich auch einer anderen Meinung anschließen, wenn er diese für richtig hält. In seinen eigenen Worten, in denen er darlegt, warum er sich dieser Meinung anschließt, erhält dann seine Entscheidung gleichfalls ihre Überzeugungskraft. Mit dem eigenen Vor-urteil, d.h. dem in einem bestimmten Verständnishorizont (Vorverständnis) gefaßten Urteil über die Sachgerechtigkeit der Lösung eines konkreten sozialen Konflikts, beginnt das dogmatische Denken: Die Überprüfung des Vorurteils ist der Anfang der methodischen, d.h. schrittweise rational nachvollziehbaren Begründung des Urteils. Erweist diese Überprüfung des Vorurteils dieses als nicht haltbar, weil es z.B. nicht mit der gesetzlichen Regelung in Einklang zu bringen ist, so ist zu prüfen, ob der Argumentationsweg einen Fehler aufweist oder aber, ob bisher für richtig gehaltene Prämissen der Korrektur bedürfen und damit das Vorverständnis neu zu strukturieren ist. 10. Konkurrenzen Die Fallbearbeitung endet mit dem Abschnitt "Konkurrenzen". Hier hat der Bearbeiter geschlossen darzulegen, welche strafbaren Handlungen von den einzelnen im Fall genannten Personen begangen worden sind, und wie diese Handlungen im Verhältnis zueinander stehen: Idealkonkurrenz, Realkonkurrenz, Gesetzeskonkurrenz (Konsumtion, Subsidiarität, Spezialität). Es empfiehlt sich zunächst festzustellen, ob der Täter verschiedene Tatbestände durch eine oder mehrere Handlungen bzw. Unterlassungen ver-

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

wirklicht hat. Sodann ist zu prüfen, ob den Delikten jeweils eigenständige Bedeutung zukommt oder ob ein Fall der Gesetzeskonkurrenz vorliegt. Ausführungen zur Strafhöhe sind unstatthaft. Um über das Strafmaß entscheiden zu können, müßte der Bearbeiter den Täter kennen und sehr viel mehr wissen, als der knappe Sachverhalt sagt. In den Übungs- oder Examenssachverhalten begegnen dem Bearbeiter nur Pappfiguren.

IV. Besondere methodische Hinweise für die Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten 1. Die Klausur (1) Die Klausursituation In der Klausur soll der Bearbeiter zeigen, daß er in der Lage ist, eine juristische Problematik in beschränkter Zeit zu erfassen, zu lösen und darzustellen. Das wesentliche Problem dieser Aufgabe ist das Zeitproblem. Wer zunächst eine vollständige Niederschrift ins "Unreine" anfertigt, kommt zwangsläufig in Zeitnot. Schlechte Schrift, Auslassungen und eine unvollständige Reinschrift sind die Folge. Wer sogleich nach kurzem Blick mit der "Reinschrift" beginnt, endet nicht besser. Flickwerk, Ergänzungen, Durchstreichungen, Widersprüche, kurz das Ergebnis eines gedanklichen Durcheinanders, sind unumgänglich. Richtig hingegen ist es, etwa 1/3 der zur Verfügung stehenden Zeit zur Anfertigung einer Lösungsskizze zu benutzen. In dieser Lösungsskizze sind die Gedanken nach Personen und Handlungsabschnitten zu ordnen, die zu erörternden Paragraphen aufzunehmen und hierbei die wesentlichen Tatbestandsmerkmale bereits aufzuzählen, Problemlösungen zu skizzieren und in Stichworten festzuhalten, welche Argumente für die Lösung sprechen. Im einzelnen vgl. dazu die Lösungsskizzen im 3. Teil.

(2) Formalien Die Arbeit hat auf der ersten Seite den Namen, die Studienanschrift und die Semesterzahl des Bearbeiters zu enthalten. Weiter ist die Übung, in deren Rahmen die Arbeit geschrieben wird, genau zu kennzeichnen und anzugeben, bei wem diese belegt ist, z.B.:

IV. Besondere methodische Hinweise

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Friedrich Müller Gisselberger Straße 10 8580 Bayreuth 2. Semester Übungen im Strafrecht für Anfänger bei Prof. Dr. X. SS 1. Klausur Diesen Angaben folgt das Gutachten. Es empfiehlt sich, ein entsprechendes Deckblatt bereits zur Klausur mitzubringen. Dadurch spart der Bearbeiter Zeit. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß Stil und Sprache der Ausführungen korrekt, klar und knapp zu halten sind, die Schrift lesbar sein muß. Es ist darauf zu achten, daß ein hinreichender Rand für Korrekturen gelassen wird (mindestens 1/3 des Bogens). Es empfiehlt sich, die Seiten nur einseitig zu beschreiben, denn für den Fall, daß der Bearbeiter größere Änderungen vornehmen will, lassen sich um so leichter ganze Seiten austauschen. Die Seiten sind fortlaufend zu numerieren. Eine Gliederung ist der Ausarbeitung nicht voranzustellen. Das bedeutet aber nicht, daß eine Gliederung überflüssig ist. Mit der sorgfältigen gedanklichen Gliederung des Sachverhalts beginnt vielmehr die Arbeit an der Klausur. Sie ist Voraussetzung jeder ordentlichen Klausur. - Ist die gedankliche Gliederung erfolgt, so ist eine Lösungsskizze zu entwerfen. 2. Die Hausarbeit (1) Die Aufgabenstellung In der Aufgabenstellung unterscheidet sich die Hausarbeit von einer Klausur nicht in der Art, sondern im Umfang und in der Gründlichkeit sowie der Pflicht, andere Ansichten möglichst umfassend zu belegen. An eine Hausarbeit ist daher genauso heranzugehen wie an eine Klausur: Den Beginn stellt die gedankliche Gliederung dar, die in der Lösungsskizze ihren unmittelbaren Niederschlag findet. Die Lösungsskizze sollte der Bearbeiter hier ruhig mit Hilfe eines Lehrbuchs oder eines Kommentars anfertigen. Dabei wird er bereits die wesentlichsten Problempunkte erkennen und bemerken, zu welchen rechtlichen Problemen eine Vertiefung in der Literatur nötig ist. Nach Anfertigung der Lösungsskizze ist die genaue Überarbeitung der Lösung mit der Literatur zu empfehlen, wobei sehr wesentlich ist, darzustellen, warum ein bestimmtes Problem vorliegt, wie Lehre und Rechtsprechung die Lösung sehen (mit Zitaten!), und sodann in kritischer Auseinandersetzung mit den vorgefun-

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

denen Auffassungen die eigene Meinung zu entwickeln und zu begründen. Die bloße Bezugnahme auf die herrschende Meinung oder auf andere Autoritäten genügt nicht. - Auch wenn der Bearbeiter sich einer anderen Meinung anschließt, muß er mit eigenen Worten begründen, warum er dies tut. Es ist dringend davor zu warnen, die Literaturarbeit zu beginnen, bevor die Lösungsskizze vollständig fertig ist. Vor dem ziellosen Exzerpieren und Fotokopieren in der Seminarbibliothek kann nicht eindringlich genug gewarnt werden. (2) Die Arbeit mit Literatur Im Gegensatz zur Klausur, in der der Bearbeiter die Probleme und möglich erscheinende Problemlösungen nur darstellt und seine Entscheidung mit eigenen Argumenten begründet, ist in der Hausarbeit eine Auseinandersetzung mit den in Lehre und Rechtsprechung vorgeschlagenen Problemlösungswegen notwendig. Die verschiedenen in Lehre und Rechtsprechung vertretenen Ansichten sind zu belegen, und zwar möglichst umfassend. Selbstverständlichkeiten, die sich insbesondere bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergeben, bedürfen jedoch keines weiteren Nachweises. Wichtig ist es, daß der Bearbeiter sich nicht mit den Literaturnachweisen in Lehrbüchern und Kommentaren begnügt, sondern selbst zur Primärliteratur (Entscheidungen, Monographien, Aufsätze) greift, da dort die Auseinandersetzung im Regelfall wesentlich breiter geboten wird als in den u.U. kurzen Hinweisen eines Lehrbuches und Kommentars, deren Hinweise als Verweisungen auf weiterführende Literatur zu verstehen sind. Es ist für die Zwecke der Übung nicht unbedingt erforderlich, die Literatur in der jeweils neuesten Auflage zu benutzen. Man sollte sich jedoch bemühen, möglichst mit neuesten Auflagen zu arbeiten. Beim Zitieren ist zu beachten: Zitate sind nur bei Rechtsfragen sinnvoll. - Falsch: A hätte den Erfolg vorhersehen können (BGHSt. 24 S. 215). - Der BGH hat sich nicht mit dem im Fall genannten A beschäftigt. Die Zitate müssen so genau sein, daß der Leser die Fundstelle ohne Schwierigkeiten finden kann. Wörtliche Zitate sind möglichst zu vermeiden. Sie sind allein angebracht, wenn es auf den Wortlaut der zitierten Stelle ankommt. In einem solchen Falle ist das wörtliche Zitat in Anführungszeichen zu setzen. Im einzelnen vgl. dazu die H a u s a r b e i t e n im 3. Teil.

IV. Besondere methodische Hinweise

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(3) Formalien Auch die Hausarbeit enthält zunächst die Personalien des Bearbeiters, die Kennzeichnung der Übung und den Text des Falles. Es folgen sodann die Gliederung, das Literaturverzeichnis, das Gutachten - möglichst in Maschinenschrift - und die Unterschrift. a) Die Gliederung soll dem Leser auf einen Blick erkenntlich machen, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten (§§) und auf welchen Seiten seiner Arbeit der Bearbeiter die Strafbarkeit welcher Personen auf Grund welcher Verhaltensweisen geprüft hat. Enthält die Gliederung weniger, so ist nichts mit ihr anzufangen, so z.B. wenn in einem Fall, in dem der A verschiedene Handlungen vorgenommen hat, lediglich die Überschrift "Strafbare Handlungen des A" und sodann ein Dutzend §§ zu finden sind. Enthält die Gliederung mehr, z.B. eine Aufgliederung der erörterten Tatbestände nach obj. und subj. Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld, so wird sie zu umfangreich und nimmt die Ergebnisse vorweg. b) Im Literaturverzeichnis ist diejenige Literatur anzugeben, die der Bearbeiter in seinem Gutachten zitiert, und zwar vollständig, d.h. alle verwerteten Lehrbücher, Grundrisse, Kommentare, Monographien, Dissertationen, Aufsätze in Zeitschriften, Festschriften und sonstigen Sammelwerken, Urteilsanmerkungen, Buchbesprechungen usw., dagegen nicht Urteile. Diese sind nur in den Anmerkungen zum Text zu zitieren. Das Literaturverzeichnis ist vernünftig zu ordnen, am besten durchgängig alphabetisch nach den Verfassern. Selbständige Schriften (Lehrbücher, Kommentare, Monographien usw.) werden zitiert: Name des Verfassers (bei Verwechselungsgefahr auch der Vornahme), Titel des Werkes, Auflage, Erscheinungsjahr, z.B.: MAURACH/SCHROEDER/MAIWALD Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 1, 7. Auflage 1988; SCHMIDHÄUSER Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975. Der Erscheinungsort ist nur bei gänzlich unbekannten Werken anzugeben. Die Herausgeber eines Kommentars sind vollständig aufzuführen. Unselbständige Beiträge (Aufsätze in Zeitschriften, Festschriften und Sammelwerken o.ä., Urteilsanmerkungen, Buchbesprechungen) werden nach Verfasser, Titel oder sonstiger Kennzeichnung und Fundstelle angeführt, z.B.: BOCKELMANN Wann ist der Rücktritt vom Versuch freiwillig?, NJW 1955 S. 1417 ff; SCHMIDHÄUSER Über die Wertstruktur der Notwehr, Honig-Festschrift, 1970, S. 185 ff, oder SCHMIDHÄUSER Über die Wertstruktur der Not-

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1. Teil: Die Strafrechtsübungen in der Universitätsausbildung

wehr, in: Festschrift für Honig, 1970, S. 185 ff. Entscheidungssammlungen brauchen nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt zu werden. c) In der Ausformulierung des Gutachtens kann sodann unter Verweisung auf die allgemeinen Angaben im Literaturverzeichnis die Literaturangabe in der Fußnote gekürzt angegeben werden: z.B.: vgl. MAURACH/SCHROEDER/MAIWALD B . T . I, § 4 1 R d n . 45,

oder BOCKELMANN NJW 1955 S. 1418. Sind mehrere Schriften der gleichen Verfasser zitiert, so ist bei den Einzelzitaten ein klärender Hinweis nötig, auf welches im Literaturverzeichnis angegebenes Werk an dieser Stelle verwiesen wird, z.B. SCHMIDHÄUSER A.T., 8/3, im Gegensatz zu: SCHMIDHÄUSER Honig-Festschrift, S. 190. Im einzelnen vgl. dazu die Literaturverzeichnisse der Hausarbeiten im 3. Teil.

V. Anleitungsbücher

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V. Anleitungsbücher zur Lösung strafrechtlicher Aufgaben und Fallrepetitorien ARZT BAUMANN/ARZT/ WEBER BRÜHL DENCKER GEILEN

FAHSE/HANSEN FELD/KAEFER/POHL HAFT HILLENKAMP HILLENKAMP JESCHECK JUNG/MÜLLER-DIETZ KERN/LANGER KIENAPFEL KÖBLER

MAURACH/GÖSSEL

ROXIN/SCHÜNEMANN/ HAFFKE RUDOLPHI SCHWIND/FRANKE/ WINTER TIEDEMANN TIEDEMANN WAGNER

Die Strafrechtsklausur, 4. Aufl. 1984 Strafrechtsfälle und Lösungen, 6. Aufl. 1986 Die juristische Fallbearbeitung in Klausur, Hausarbeit und Vortrag, 2. Aufl. 1989 Klausuren aus dem Strafrecht, 1977 in: Erichsen (Hrsg.), Jura Extra: Studium und Examen mit Beiträgen zur Anfertigung von Klausuren und Hausarbeiten, 2. Aufl. 1983 Übung für Anfänger im Zivil- und Strafrecht, 5. Aufl. 1983 Strafrecht - Klausur - und Prüfungsrepetitorium anhand praktischer Fälle, 1983 Fallrepetitorium zum Allgemeinen und Besonderen Teil, 1982 24 Probleme aus dem Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1981 36 Probleme aus dem Strafrecht, Besonderer Teil, 5. Aufl. 1985 Fälle und Lösungen zum Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil mit Aufbaumustern, 1978 Anleitung zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, 1983 Anleitung zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, 8. Aufl. 1985 Strafrechtsfälle: Zwischenprüfung, Klausurtechnik, Musterlösungen, 9. Aufl. 1989 Die Anfängerübung mit Leistungskontrolle im bürgerlichen Recht, Strafrecht und öffentlichen Recht, Eine Einführung, 5. Aufl. 1986 Strafrecht - Mit Anleitungen zur Fallbehandlung und zur Subsumtion für Studenten und Referendare, 4. Aufl. 1983 Strafrechtliche Klausurenlehre mit Fallrepetitorium, 4. Aufl. 1982 Fälle zum Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1983 Übungen im Strafrecht für Anfänger, 2. Aufl. 1987 Die Zwischenprüfung im Strafrecht, 1987 Fälle und Entscheidungen zum Strafrecht - Besonderer Teil, 3. Aufl. 1983 Fälle zum Strafrecht, Besonderer Teil, 1976.

Zweiter Teil Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen A, Das Aufbauschema als Denkschema Jedes Aufbauschema ist ein Denkschema, d.h. es soll die Prüfung des Sachverhalts dadurch erleichtern, daß der Bearbeiter zum schrittweisen Vorgehen in einer Weise gezwungen wird, die es ihm ermöglicht, etwaige Probleme eines Falles zu erkennen und in einem vernünftigen Zusammenhang zu erörtern. Der hier relevante Zusammenhang wird im Strafrecht unmittelbar durch den Deliktsaufbau vorgegeben. Das Delikt ist unabhängig von der Frage eines zwei- oder dreistufigen Aufbaus als tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten zu erfassen. Seine einzelnen Elemente sind bei einer Deliktsprüfung daher in ihrer Prüfungsreihenfolge vorgegeben. Auszugehen ist von den Merkmalen des objektiven Gesetzestatbestandes, sodann sind die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes, der Rechtswidrigkeit und der Schuld zu erörtern. 1. Tatbestand a) Obj. Tatbestand b) Subj. Tatbestand, inkl. Vorsatz 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß dieses Prüfungsschema lediglich eine Aussage über die logische Prüfungsreihenfolge enthält, hingegen nicht an die auf den einzelnen Prüfungsebenen - z.B. objektiver Tatbestand - angesiedelten Probleme heranführt. Zwar gibt es Tatbestände, die das verpönte Verhalten so anschaulich beschreiben, daß man mit Hilfe des skizzierten Schemas und der Kenntnis der Definitionen einzelner Begriffe durchaus erfolgreich die Prüfung durchführen kann, ob das in einem bestimmten Sachverhalt geschilderte Verhalten, dem im Gesetz beschriebenen Verhalten entspricht. Dies gilt nicht nur für die schlichten Tätigkeitsdelikte, z.B. die Falschaussage, § 153 StGB, und die echten Unterlassungsdelikte, z.B. unterlassene Hilfeleistung, § 323 c StGB, sondern auch für zahlreiche Erfolgsdelikte. Sachverhalt: A sieht im Supermarkt, daß B das Wechselgeld, das er an der Kasse erhalten hat, unaufmerksam neben den Waren liegen läßt, während er diese einpackt. Als B sich gerade umwendet, ergreift A das Geld, 78,- DM, und verschwindet damit.

A: Das Aufbauschema als Denkschema

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In Betracht kommt eine Prüfung des § 242 StGB. Objektiver Tatbestand: Dann müßte A eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Das Geld ist eine bewegliche Sache und für A auch eine fremde Sache, denn der Eigentümer war B. A hat das Geld weggenommen, wenn er fremden Gewahrsam an dem Geld gebrochen und eigenen begründet hat. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Sachherrschaft über das Geld erlangte B, als die Kassiererin ihm das Geld aushändigte. Sein Sachherrschaftsverhältnis wurde gelockert, ging aber keineswegs verloren, als er das Geld neben die Ware legte. Dieses Sachherrschaftsverhältnis brach A, als er das Geld an sich nahm und einsteckte. A hat demnach eine fremde bewegliche Sache weggenommen. Subjektiver Tatbestand: A handelte in Kenntnis der Tatumstände und ihres Bedeutungsgehaltes, d.h. er erfüllte den objektiven Tatbestand wissentlich. Da er das Geld zu eigenen Zwecken nutzen wollte, handelte er zugleich in der Absicht rechtswidriger Zueignung des Geldes. Rechtswidrigkeit: Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Schuld: A handelte schuldhaft (es gibt keine Anhaltspunkte für einen Schuldausschluß).

Nicht viel mehr als einen Einstieg in die Probleme bietet der von den allgemeinen Deliktsvoraussetzungen vorgegebene Prüfungsaufbau: Tatbestand - Rechtswidrigkeit - Schuld, aber bei jenen Erfolgsdelikten, in deren Wortlaut der Gesetzgeber das tatbestandsmäßige Verhalten relativ farblos beschreibt, wie z.B. bei den Tötungsdelikten, wenn gerade die Verantwortung für den Erfolg problematisch erscheint. Hier hilft nicht die Kenntnis der Definition einzelner Begriffe weiter, denn es geht im wesentlichen um die Frage, ob einer Person ein bestimmter Erfolg, z.B. der Tod einer anderen Person, als ihr Werk zuzurechnen ist oder nicht. Um dieser Fragestellung näher zu kommen, ist das oben zitierte Prüfungsschema notwendigerweise zu modifizieren. Von diesem Punkt an ist das Aufbauschema auch nicht mehr von einer konkreten Sachaussage über den Deliktsaufbau freizuhalten. Je nachdem, ob jemand das relevante Zurechnungskriterium einer Rechtsgutsverletzung in der Kausalität einer Person für den Erfolg sieht oder darin, ob eine Person ein Risiko für das geschützte Rechtsgut begründet oder erhöht hat, das sich im Erfolg realisiert hat, unterscheiden sich die einzelnen Kriterien des Auf-

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

bauschemas. Ebenso muß das Aufbauschema im Bereich des subjektiven Tatbestandes ein weiteres Merkmal enthalten, das den Vorsatz nicht nur auf sein finales Element (Wissen und Wollen des objektiven Tatbestands) beschränkt, sondern neben dem finalen Element ein Gesinnungselement als Bestandteil des Vorsatzes anerkennt, wenn der Vorsatz als "dolus malus", d.h. bewußte Auflehnung gegen die Rechtsordnung im subjektiven Bereich verstanden wird. Schließlich muß auch schon im Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts die Prämisse Ausdruck finden, ob jemand im Unrechtstatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts nur auf die objektive (generelle) Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung abstellt oder bereits auf die individuelle Vorhersehbarkeit und Sorgfaltspflichtverletzung. Derartige Sachfragen muß der Bearbeiter des Falles daher bereits entschieden haben, bevor er nach einem bestimmten Aufbauschema mit der Deliktsprüfung beginnt. Diese Entscheidungen können nicht erst innerhalb des Deliktsaufbaus getroffen werden, sie prägen diesen bereits selbst.

B. Das Erfolgsdelikt I. Das vorsätzliche Begehungsdelikt 1. Das final orientierte Außauschema

derh.M.

Vorprüfung a) "Handlung" im Sinne des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? (1) Tatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Objektive Zurechnung: Kausalität i. S. der conditio-sine-qua-non Formel? und (von Fall zu Fall) weitere Zurechnungskriterien, insbesondere die Gesichtspunkte des Risikoerhöhungsprinzips? c) Vorsatz (nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters?

B: Das Erfolgsdelikt

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(2) Rechtswidrigkeit Aufhebung der unrechtsindizierenden Wirkung des vorliegenden Gesetzestatbestands durch einen Rechtfertigungsgrund mit seinen a) objektiven und b) subjektiven Merkmalen? - Von Fall zu Fall unabhängig von diesem Ergebnis zusätzliche Erwägungen, z.B. rechtfertigende Pflichtenkollision, "fehlender Erfolgsunwert". (3) Schuld, inklusive Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? Im einzelnen vgl. zum Aufbauschema der H.M.: GEILEN Methodische Hinweise zur Bearbeitung von Strafrechtsfällen, in: Jura Extra: Studium und Examen, hrsgeg. v. Erichsen, 2. Aufl. 1983, S. 72 ff; JESCHECK Fälle und Lösungen zum Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil mit Aufbaumustern, 1978, S. 182 f; WESSELS Strafrecht - Allgemeiner Teil, 19. Aufl. 1989, § 19 IVA.

2. Hinweise zur Benutzung des Schemas (1) Differenzierungen innerhalb derh. M. a) Innerhalb der h.M. läßt sich das unter 1. dargestellte Aufbauschema noch nach einem streng finalen (z.B. WELZEL, MAURACH, HIRSCH und STRATENWERTH) und einem weniger streng finalen (z.B. JESCHECK, ESER, LENCKNER und WESSELS) A u f b a u unter-

scheiden. Aufbautechnisch soll dieser Unterschied darin Ausdruck finden, daß dem Vorsatz eine Doppelfunktion zugemessen wird als Unrechts- und Schuldmerkmal, so daß im eingeschränkt finalen Aufbau der Vorsatz als Unrechtselement zu prüfen ist und sodann innerhalb der Schuld ein eigener Punkt "Vorsatzschuld" auftaucht. Richtig ist daran, daß der Vorsatz in der Tat Unrecht und Schuld eines Verhaltens betrifft. Dies gilt aber für jedes Unrechtsmerkmal, da die Schuld auf das Unrecht bezogen ist. Ein eigenständiges Schuldelement ist damit nicht zu begründen. b) Ein eigenständiger und aufgrund der abweichenden Prämissen in der Verbrechenslehre wesentlich abweichender Deliktsaufbau wird von den Vertretern der teleologischen Straftatsystematik SCHMIDHAUSEN vertreten; dazu SCHMIDHÄUSER Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975, Anhang A, sowie Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 2. Auflage 1984, Anhang A. c) Zu dem durch die Prämisse, der Vorsatz sei ausschließlich Schuldmerkmal, begründeten Deliktsaufbau der sog. kausalen Lehre vgl. BAUMANN/WEBER Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1985, § 26 I; KIENAPFEL Strafrechtsfälle, § 6 A.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

(2) Mängel des Aufbauschemas der h.M. a) Wird das Aufbauschema der h.M. ernst genommen, so ist es mit dem gesamten Streit um den Handlungsbegriff belastet, der zudem vor den eigentlichen Deliktsprüfungsakt gezogen werden muß, obwohl gerade dieser Streit gezeigt hat, daß es in der praktischen Rechtsanwendung alleine darum geht, daß die strafrechtliche Haftung ein Verhalten voraussetzt, dessen Willenssteuerung dem Täter möglich war. b) Auch die h.M. erkennt inzwischen an, daß die bloße Kausalität im Sinne der Äquivalenzformel als alleiniges Zurechnungskriterium im objektiven Tatbestand zum einen zu eng ist, zum anderen zu weit reicht. Hier werden in Einzelfällen Ergänzungen und Modifizierungen nötig, die sich gerade nicht aus dem Aufbauschema selbst ergeben, so daß dieses in diesen Fällen geradezu in die Irre führt, so z.B. in Fällen der Risikoverminderung und der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs (Risikozusammenhang, Rechtswidrigkeitszusammenhang). In gleicher Weise zeigt sich, daß die zunächst den Deliktsaufbau vereinfachende Formel von der Indizwirkung des Tatbestandes sich dort als Hindernis erweist, wo nur die objektiven Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Die hier z.T. vertretene Argumentation, es fehle am Erfolgsunwert, daher liege kein vollendetes Delikt vor, ist aus dem Aufbauschema nicht nachvollziehbar. c) Diese Mängel vermeidet das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema, das seinem Wesen nach ein modifiziertes Aufbauschema gegenüber dem der h. M. ist. 3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Auf bauschema des vorsätzlichen Begehungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöht? d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die von X

B: Das Erfolgsdelikt

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begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere Gefahr? e) Subjektive Merkmale: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X, weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, ober liegen z.B. Rechtfertigungsgründe vor? - Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? g) Unrechtsbewußtsein: Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes)? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

II. Das vorsätzliche unechte Unterlassungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h.M. Vorprüfung a) "Handlung" i. S. des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? (1) Tatbestand a) Ist ein gesetzlich mißbilligter Erfolg eingetreten? 1

Der Priifungspunkt (1) g) (Bewußtsein der Sozialschädlichkeit) beruht auf der Prämisse, daß der Vorsatz ein finales Element (Kenntnis der Merkmale des objektiven Tatbestandes und Verwirklichungswille) und ein Gesinnungselement enthält und beides Elemente des Unrechtstatbestandes sind. Diese Prämisse ist stark umstritten. Die h.M. erkennt ein derartiges materielles Unrechtsbewußtsein nicht an, sondern akzeptiert allein das Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17 als Schuldelement. Wer dieser Meinung folgt, für den entfällt dieser Prüfungspunkt. Weitere Konsequenzen hat diese Meinungsverschiedenheit über die Verbrechenselemente für die Benutzung des Prüfungsschemas nicht.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

b) Hat der Täter die Abwendung dieses Erfolgs unterlassen? aa) Bestand eine objektive Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden? bb) Hätte das Eingreifen des Täters den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet? c) Hatte der Täter eine Erfolgsabwendungspflicht (Garantenstellung)? d) Subjektiver Tatbestand: Kannte der Täter die Tatsachen, die seine Erfolgsabwendungspflicht begründen? (2) Rechtswidrigkeit (3) Schuld 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas a) Auch dieses Schema ist wiederum mit der Frage der "Handlungsqualität des Untätigbleibens" sowie der Abgrenzung von Tun und Unterlassen belastet, obwohl die Problematik im praktischen Deliktsaufbau auf die Frage zurückgeführt werden kann, ob der Täter die Möglichkeit hatte, den deliktischen Erfolg zu vermeiden. b) Zum anderen beruht das Schema auf der sachlichen Prämisse, daß eine Haftung aus einem Erfolgsdelikt wegen unechten Unterlassens nur dann statthaft ist, wenn der Täter den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abwenden konnte. Eine Haftung wegen unterlassener Verminderung der Erfolgseintrittschancen, wenn der Erfolg sich realisiert hat, ist damit ausgeschlossen. Beispiel: Der Sohn des A ist ins Wasser gefallen. A könnte ihm einen Rettungsring zuwerfen, doch ist es nicht sicher, ob S ihn ergreifen kann, denn S ist aufgeregt und im Fluß herrscht eine starke Strömung. Wahrscheinlich würde S den Ring greifen können, doch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht gegeben. - A wirft aufgrund dessen den Ring nicht - S ertrinkt. Frage: War A nicht zur Rettungshandlung verpflichtet, weil keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Rettung bestand, oder war A verpflichtet, die vorhandenen Rettungschancen zu nutzen mit der Konsequenz, daß er für den Erfolg haftet, wenn sich die Gefahr im Erfolg realisiert, die er abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war?

Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema geht von einer Verpflichtung des Garanten, die Gefahren zu vermindern, aus.

B: Das Erfolgsdelikt

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3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hatte X eine Garantenstellung inne? d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war? e) Subjektive Merkmale: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X, weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, oder liegen z.B. Rechtfertigungsgründe vor? - Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? g) Unrechtsbewußtsein: Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes)? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

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Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

III. Das fahrlässige Begehungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h.M. Vorprüfung: a) "Handlung" i.S. des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? (1) Erfolg verursacht? (2) Vermeidepflichtverletzung Obj. Sorgfaltspflichtverletzung und obj. Vorhersehbarkeit des tatbestandsmäßigen Erfolgs? (3) Rechtswidrigkeit (4) Schuld a) Subj. Vorhersehbarkeit? b) Subj. Sorgfaltspflichtverletzung? 2. Hinweise zur Benutzung des Schemas a) Wie die Praxis zeigt, führt dieses Schema den Anfänger immer wieder zu widersprüchlichen Aussagen. Da Rechtswidrigkeit stets Rechtspflichtwidrigkeit ist, kann ein sorgfaltspflichtwidriges Verhalten nicht gerechtfertigt, das heißt rechtspflichtmäßig sein. Hier liegt ein Widerspruch. Die Sorgfaltspflichtverletzung begründet vielmehr die Rechtspflichtverletzung, denn ob jemand sich sorgfaltspflichtwidrig verhalten hat, ist allein am Maßstab der rechtlichen Pflichten zu sorgfältigem Verhalten zu messen. Darüberhinaus begünstigt der eigenständige Prüfungspunkt "Rechtswidrigkeit" die Vorstellung, zum Ausschluß der Rechtswidrigkeit seien auch im Fahrlässigkeitsbereich sämtliche Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes, d.h. auch das subj. Rechtfertigungselement erforderlich. Dem ist nicht so, denn schon beim Vorliegen der obj. Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes fehlt es an der obj. Sorgfaltspflichtverletzung. b) Unabhängig von der Frage des Handlungsbegriffs fällt die Entscheidung für das unter 1. dargestellte Aufbauschema sodann mit dem Bekenntnis zu der Prämisse, daß das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts durch die generelle (objektive) Vorhersehbarkeit und generelle (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung bestimmt wird. Wer hier der Meinung folgt, auch das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts sei - wie das Unrecht des Vorsatzdelikts - durch die individuelle Sorgfaltspflichtverletzung des konkreten Täters bestimmt, muß auch den Deliktsaufbau entsprechend strukturieren.

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Eingehend dazu: OTTO Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre (A.T.), 3. Aufl. 1988, § 10 I 3. - Sodann vgl.: JAKOBS Studien zum fahrlässigen Erfolgsdelikt, 1972, S. 64 ff; DERS. Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1983, S. 258 ff.; SAMSON in: Systematischer Kommentar, Bd. I, Stand: April 1988, Anh. zu § 16 Rdn. 13 ff; CRAMER in: Schönke/Schröder, StGB, 23. Aufl. 1988, § 15 Rdn. 135 f; STRATENWERTH Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1981, Rdn. 10% ff. Zur herrschenden Meinung vgl.: GÖSSEL Bruns-Festschrift, 1978, S. 49; JESCHECK Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, S. 521 ff; ARMIN KAUFMANN Welzel-Festschrift, 1974, S. 404 ff; SCHMIDHÄUSER Schaffstein-Fest-

schrift, 1975, S. 141 ff; F.-CHR. SCHROEDER in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 10. Aufl. 1978 ff, § 16 Rdn. 144 ff; B. SCHÜNEMANN Schaffstein-Festschrift, 1975, S. 159 ff.

Darüber hinaus kommt dem am Risikoerhöhungsprinzip orientierten Aufbauschema hier besondere Bedeutung zu, da auch die höchstrichterliche Praxis eine Erfolgszurechnung allein auf Grund der nach der Äquivalenztheorie vermittelten Kausalität ablehnt. Im einzelnen dazu: OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 6.

3. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema für das fahrlässige Begehungsdelikt (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöht? d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die von X begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere Gefahr? e) Subjektive Merkmale: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Hat X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig?

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

g) Unrechtsbewußtsein: Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

IV. Das fahrlässige unechte Unterlassungsdelikt 1. Das Aufbauschema der h.M. Vorprüfung: a) "Handlung" i.S. des Strafrechts? b) Positives Tun oder Unterlassen? (1) Ist ein gesetzlich mißbilligter Erfolg eingetreten ? (2) Hat der Täter die Abwendung dieses Erfolges unterlassen? a) Bestand eine objektive Möglichkeit, den Erfolg abzuwenden? b) Hätte das Eingreifen des Täters den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgewendet? (3) Hatte der Täter eine Erfolgsabwendungspflicht (Garantenstellung)? (4) Subjektiver Tatbestand: Hätte der Täter die Tatsachen kennen können, die seine Erfolgsabwendungspflicht begründen? (5) Rechtswidrigkeit (6) Schuld 2. Das am Risikoerhöhungsprinzip orientierte Aufbauschema des fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikts (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: Hatte X eine Garantenstellung inne? 3

Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

B: Das Erfolgsdelikt

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d) Zurechnungszusammenhang: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war? e) Subjektive Merkmale: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen? f) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: Hat X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig? g) Unrechtsbewußtsein:4 Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

V. Das einheitliche Aufbauschema für das vorsätzliche/fahrlässige Begehungs- und unechte Unterlassungsdelikt Die verschiedenen, hier als sachgerecht vorgeschlagenen Schemata zum Aufbau der einzelnen Deliktsformen lassen sich in einem einheitlichen Schema folgendermaßen darstellen: (1) Unrechtstatbestand a) Ist die im Gesetzestatbestand beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten? - Weitere objektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besonders geforderte Tätereigenschaft oder Tatmodalitäten? b) Verfügte X über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden (Betrachtung objektiv ex post)? c) Zurechnungsgrund: aa) Begehungsdelikt: Hat X eine Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut begründet oder erhöht? bb) Unterlassungsdelikt: Hatte X eine Garantenstellung inne? d) Zurechnungszusammenhang: aa) Begehungsdelikt: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des 4

Vgl. dazu die Anmerkung zum Aufbauschema oben I 3.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

Rechtsguts die von X begründete oder erhöhte Gefahr, die seiner Steuerbarkeit unterlag, oder eine andere Gefahr? bb) Unterlassungsdelikt: Realisierte sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr, die X aufgrund seiner GarantensteUung abzuwenden oder zu vermindern verpflichtet war? e) Subjektive Merkmale: aa) Vorsatzdelikt: Vorsatz des X (hier nur finales Unrechtselement)? - Sonstige subjektive Merkmale des Tatbestandes, z.B. besondere Absichten oder Motive des Täters? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: Hatte X bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit, den Sachverhalt zu erkennen? f ) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung: aa) Vorsatzdelikt: Mißbilligt die Rechtsordnung in dieser konkreten Situation das Verhalten des X, weil er seinen Handlungsspielraum über die rechtlich ihm zugestandenen Grenzen hinaus ausgedehnt hat, oder liegen z.B. Rechtfertigungsgründe vor? - Objektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? - Subjektive Merkmale eines Rechtfertigungsgrundes? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: Hat X die ihm obliegende Sorgfaltspflicht gerade im Hinblick auf den eingetretenen Erfolg verletzt, oder verhielt sich X zumindest objektiv nicht pflichtwidrig? g) Unrechtsbewußtsein: aa) Vorsatzdelikt: Bewußtsein der Sozialschädlichkeit des X (Gesinnungselement des Vorsatzes)? bb) Fahrlässigkeitsdelikt: Möglichkeit des X, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden? (2) Schuld a) Unrechtsbewußtsein i.S. des § 17? b) Entschuldigungsgründe?

VI. Das versuchte Erfolgsdelikt 1. Der Versuch Der Versuch eines Delikts ist dadurch gekennzeichnet, daß ein Merkmal des Unrechtstatbestandes (Tatbestand und Rechtswidrigkeit) fehlt. Typisch für die Versuchssituation ist ein Mangel im obj. Gesetzestatbestand. Zu beachten ist aber, daß auch das Fehlen des subj. Rechtfertigungselements bei Vorliegen der obj. Vor-

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aussetzungen der Rechtfertigung einer Rechtsgutsverletzung eine Versuchssituation begründet. Beispiel: Der Oberförster O, der lange schon dem Wilderer W übel will, sieht den W hinter einem Gebüsch sitzen. Gr legt an und erschießt den W. Später stellt sich heraus, W hatte seinerseits bereits auf O gezielt, um ihn zu erschießen. Dieses hatte O nicht bemerkt. Ergebnis: Kein vollendeter Totschlag des O, da O obj. gerechtfertigt handelte, aber versuchter Totschlag, denn O hatte den Entschluß gefaßt, den Unrechtstatbestand des Totschlags zu verwirklichen und kannte die rechtfertigende Situation nicht; Str., im einzelnen dazu: OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 18 IV 1.

a) Bevor Erörterungen zur Frage gemacht werden, ob der Täter ein bestimmtes Delikt versucht hat, ist darzulegen, daß ein vollendetes Delikt nicht vorliegt. Es ist daher mit der Prüfung des vollendeten Delikts zu beginnen. Diese ist abzubrechen, nachdem feststeht, daß der obj. Tatbestand nicht erfüllt ist oder daß der Täter obj. gerechtfertigt gehandelt hat. In offensichtlichen Fällen kann dieses mit einem einzigen kurzen Satz geschehen. b) Ist der obj. Tatbestand eines Delikts nicht erfüllt, so ist als erstes zu prüfen, ob der Versuch dieses Delikts überhaupt strafbar ist; dazu vgl. § 23 Abs. 1 in Verb, mit § 12. Steht fest, daß der Versuch des betreffenden Delikts strafbar ist, so beginnt die sachliche Erörterung des Versuchs. c) Umstritten ist der Versuchsbeginn dann, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 handeln. Nach der heute überwiegend vertretenen Meinung beginnt der Versuch für alle Mittäter, wenn zumindest einer der Mittäter in Vollzug des gemeinsamen Tatplans zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (sog. Gesamtlösung), d.h. auch im Falle der Beteiligung mehrerer ist zunächst zu prüfen, ob in der Person eines der Beteiligten ein Versuch vorliegt. Vgl. dazu: 3. Teil, Anfängerklausur Nr. 4: Säurefall.

d) Die Prüfung eines strafbefreienden Rücktritts setzt die Feststellung voraus, welches Delikt der Täter rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht hat. Erst im Anschluß an diese Feststellung ist daher ein eventueller strafbefreiender Rücktritt zu erörtern. 2. Das Aujbauschema a) Feststellung, daß kein vollendetes Delikt vorliegt. b) Ist der Versuch strafbar? c) Hat der Täter den Entschluß gefaßt, ein bestimmtes Delikt zu begehen, d.h. wollte er bewußt den obj. Tatbestand eines Delikts erfüllen und hat er auch evtl. geforderte subj. Einstellungen zu

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

dem Geschehen (z.B. Zueignungsabsicht, Bereicherungsabsicht usw.)? - Beim unechten Unterlassungsdelikt ferner: Bewußtsein der Garantenstellung des Täters? d) Hat der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt, d.h. ist unter Zugrundelegung seines Vorstellungsbildes von der Situation in seinem Verhalten bereits eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung zu erkennen? - Beim unechten Unterlassungsdelikt ferner: Garantenstellung des Täters? e) Unrechtsbewußtsein, d.h. Bewußtsein der Sozialschädlichkeit? 0 Schuld? Anmerkung: Gemeinhin wird die Versuchsprüfung nach Erörterung der Punkte a) und b) auf die Fragestellung beschränkt, ob der Täter (c) den Entschluß gefaßt hat, den obj. Tatbestand eines best. Delikts zu verwirklichen, (d) mit der Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt hat und ob er (e) rechtswidrig sowie (f) schuldhaft gehandelt hat. Dabei wird jedoch mißachtet, daß der Versuch den Entschluß des Täters eine rechtswidrige Tat, d.h. eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige Tat zu begehen, voraussetzt, denn Versuch ist die vollständig gewollte, aber unvollständig gebliebene rechtswidrige tatbestandsmäßige Tat.

C. Besondere Formen der Deliktsverwirklichung I. Das erfolgsqualifizierte Delikt als Vorsatz /Fahrlässigkeitskombination Das erfolgsqualifizierte Delikt baut auf dem Grundtatbestand auf. Einigkeit besteht sodann darüber, daß die bloße Kausalbeziehung zwischen dem Grunddelikt und dem besonderen Erfolg nicht genügt. Es ist ein engerer Zusammenhang erforderlich. Str. ist, wie dieser Zusammenhang beschaffen ist. Der Bundesgerichtshof und ein Teil der Lehre fordern mit Recht, daß ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Tathandlung des Grundtatbestandes und dem besonderen Erfolg gegeben sein muß, so daß sich in dem besonderen Erfolg eine dem Tatverhalten typischerweise eigentümliche Gefahr realisiert hat. Demgegenüber fordern andere, daß der besondere Erfolg sich unmittelbar aus dem Erfolg des Grundtatbestandes entwickelt haben muß. Demgemäß wird im Aufbau des erfolgsqualifizierten Delikts unterschieden.

C: Besondere Formen der Deliktsverwirklichung

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1. Entwicklung des besonderen Erfolgs aus der Handlung des Grundtatbestandes a) Unrechtstatbestand des Grunddelikts b) Stellt sich der besondere Erfolg als Realisierung einer bereits spezifisch (typischerweise) in der Verwirklichung des Grundtatbestandes angelegten Gefahr dar, oder liegt z.B. eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor? c) War der besondere Erfolg dem Täter vorhersehbar (§ 18)? d) Schuld. 2. Entwicklung des besonderen Erfolgs aus dem Erfolg des Grundtatbestandes a) Unrechtstatbestand des Grunddelikts b) Hat sich der besondere Erfolg aus dem Erfolg des Grundtatbestandes entwickelt, oder liegt z.B. eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vor? c) War der besondere Erfolg dem Täter vorhersehbar (§ 18)? d) Schuld. 3. Hinweis Niemals darf der qualifizierende Erfolg vor dem Grundtatbestand erörtert werden. Ist die bewußte Verwirklichung dieses Grundtatbestandes nämlich gerechtfertigt, so verliert das erfolgsqualifizierte Delikt seine Grundlage!

II. Actio libera in causa 1. Die Konstruktion 1. Bildlich, nicht begrifflich (!) läßt sich die "actio libera in causa" als der Fall einer mittelbaren Täterschaft des Täters durch sich selbst beschreiben: Der Täter will eine bestimmte Tat begehen, versetzt sich in den Zustand der Unzurechnungsfähigkeit und führt jetzt die Tat aus. - In diesem Fall wird dem Täter auf Grund des verantwortlichen In-Gang-Setzens des Geschehens der Erfolg so zugerechnet, als habe er ihn voll verantwortlich verwirklicht. 2. Der Deliktsauf bau a) Zunächst ist der verwirklichte Tatbestand zu erörtern (z.B. § 212).

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

b) Im Rahmen der Schuldprüfung ist festzustellen, daß der Täter im Zeitpunkt der Tatvornahme unzurechnungsfähig war. c) Nunmehr ist - wenn Anhaltspunkte im Sachverhalt dafür gegeben sind - die Frage nach der "actio libera in causa" aufzuwerfen, d.h. die Frage danach, ob der Täter wie ein zurechnungsfähiger Täter haftet, weil er das Geschehen voll verantwortlich in Gang gesetzt hat und sich daher auf seine Unzurechnungsfähigkeit nicht berufen kann. Liegt eine "actio libera in causa" auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten vor, so ist aus dem verwirklichten Tatbestand zu strafen. Ist dies nicht der Fall, so ist auf § 323 a einzugehen (vgl. unten III). 3. Hinweis Vieles spricht dafür, daß die "actio libera in causa" nur als vorsätzliche "actio libera in causa" erörterungswürdig ist. - Die in der Literatur erwähnte fahrlässige "actio libera in causa" ist ohne eigenständige Bedeutung. Sie wird im Rahmen der Sorgfaltspflicht bei der Prüfung des Fahrlässigkeitsdelikts abgetan, indem nämlich der Moment des sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens u.U. in den Zeitraum verlegt wird, in dem der Täter vollverantwortlich war. - Ist dies im Rahmen der Sorgfaltspflichtprüfung nicht möglich, so hilft auch die Konstruktion der "actio libera in causa* nicht.

III. Der Vollrausch, § 323 a 1. Bei der Deliktsprüfung ist nicht mit § 323 a, sondern mit dem Tatbestand zu beginnen, der im Vollrausch verwirklicht wurde (z.B. §§ 223, 212, 303). 2. Nachdem in der Schuldprüfung festgestellt worden ist, daß der Täter z.Z. der Tat unzurechnungsfähig i.S. des § 20 war, ist - wenn Anhaltspunkte im Sachverhalt vorliegen - auf das Vorliegen einer "actio libera in causa" einzugehen (dazu vgl. unter II). 3. Sind keine Anhaltspunkte für eine "actio libera in causa" gegeben oder hat der Bearbeiter das Vorliegen einer solchen verneint, ist nunmehr mit der Prüfung des § 323 a zu beginnen, indem der Bearbeiter darlegt, der Täter habe im Vollrausch (hierfür kann er auf die oben durchgeführte Schuldprüfung verweisen) eine Straftat begangen (wiederum Verweisung nach oben), anschließend folgt die Prüfung der übrigen Merkmale des § 323 a. Sodann erfolgt die Prüfung von Rechtswidrigkeit und Schuld des Vollrauschdelikts, wobei hier insbesondere darauf zu achten ist, ob z.B. ein Rechtfertigungsgrund für das Berauschen vorlag oder Entschuldigungsgründe gegeben sind.

C: Besondere Formen der Deliktsverwirklichung

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IV. Die Wahlfeststellung Eine Wahlfeststellung kommt nur dann in Betracht, wenn feststeht, daß der Täter von verschiedenen, selbständigen Straftaten notwendigerweise eine begangen hat, jedoch nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist, welche. 1. Zunächst ist im Rahmen der gewöhnlichen Deliktsprüfung darzulegen, daß je nachdem, ob die Tatsache X oder die Tatsache Y als richtig unterstellt wird, der Täter das Delikt V oder W begangen hat. Beispiel: Vor der Firma B werden 3 Fernsehgeräte von einem Kfz abgeladen. Während der Fahrer F und B das erste Gerät in den Laden tragen, verschwindet eines der beiden anderen Geräte. B und F bringen schnell den letzten Apparat in das Geschäft, sichern dieses und begeben sich auf die Verfolgung des Täters. Sie erwischen einige Straßen entfernt den A, der schwer an einem Fernsehgerät der Art, wie es dem B abhanden gekommen ist, schleppt. - Vor Gericht bekundet A, er habe diesen Apparat von einem Passanten für SO,- D M gekauft, während manches dafür spricht, daß er selbst den Apparat weggenommen hat. Das Gericht kann nicht mit letzter Sicherheit feststellen, welcher Sachverhalt der richtige ist.

Der Bearbeiter hat nunmehr dem Leser durch sorgfältige Subsumtion zu zeigen: Hat A den Apparat selbst fortgenommen, so hat er sich eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht, hat er ihn angekauft, so wäre er wegen Hehlerei, § 259, strafbar. Hat A den Apparat weggenommen, so ist die Möglichkeit einer Hehlerei ausgeschlossen, wie umgekehrt die Hehlerei voraussetzt, daß A nicht Täter des Diebstahls ist. 2. Anschließend ist darzulegen, daß die beiden in Frage stehenden Delikte nicht in einem Stufenverhältnis, z.B. im Verhältnis des Grundtatbestandes zur Qualifikation oder zur Privilegierung stehen (sonst in dubio pro reo). 3. Jetzt erst ist zu prüfen, ob die Wahlfeststellung in dem konkreten Fall überhaupt zulässig ist. Im einzelnen dazu: OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 24 II 2.

4. Nachdem die Zulässigkeit der Wahlfeststellung bejaht worden ist, ist darzulegen, daß der Täter wegen z.B. eines Diebstahls oder einer Hehlerei in Wahlfeststellung zu bestrafen ist, wobei die Strafe unter Anwendung des Grundsatzes in dubio mitius dem mildesten Gesetz, hier § 259, zu entnehmen ist.

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2. Teil: Der Aufbau strafrechtlicher Fallösungen

D. Beteiligungsformen I. Mittäterschaft, mittelbare Täterschaft und Nebentäterschaft Stehen die Verhaltensweisen mehrerer Personen in Frage, so ist stets mit der Person zu beginnen, die der Tatausführung am nächsten steht, d.h. zunächst mit derjenigen, die die Tat mit eigener Hand ausführt. Sodann ist das Verhalten weiterer beteiligter Personen nacheinander zu erörtern, und zwar unter der Fragestellung, ob diese Person auf Grund ihrer Stellung zur Tat als Täter (Mittäter, mittelbarer Täter, Nebentäter) oder Teilnehmer anzusehen ist.

II. Teilnahme 1. Anstiftung a) Haupttat (Unrechtstatbestand, d.h. tatbestandsmäßige vorsätzlich rechtswidrige Tat des Haupttäters). b) Bestimmen des Haupttäters zum Tatentschluß i.S. des § 26. c) Vorsatz des Anstifters (besser: Kenntnis des Anstifters): (a) in bezug auf die vom Haupttäter ausgeführte Tat, (b) in bezug auf das Bestimmen des Haupttäters gerade zu dieser Haupttat. d) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung. e) Schuld. 2. Beihilfe a) Haupttat (s.o. bei Anstiftung) b) Förderung der Haupttat durch Rat oder Tat derart, daß das Risiko für die bedrohten Rechtsgüter des Opfers erhöht wird. c) Vorsatz des Gehilfen (besser: Kenntnis des Gehilfen): (a) in bezug auf die vom Haupttäter ausgeführte Tat, (b) in bezug auf die eigene Förderung gerade dieser Tat. d) Feststellungen zur Pflichtbegrenzung. e) Schuld.

Dritter Teil Einübung in die Fallbearbeitung Anfängerklausur Nr. 1: Tierfreunde in Not A. Sachverhalt Hans Hase sitzt auf einer Parkbank, während sein Hund Taps, ein Mischling, den er aus dem Tierheim geholt hat, in einiger Entfernung umhertollt. Neben sich hat er den Stockschirm seines Bekannten Sebastian Sparsam gelegt. An diesem hatte er, um dem Sebastian einen Gefallen zu tun, eine kleine Reparatur vorgenommen. Plötzlich taucht Richard Ratlos mit dem Rassehund Russ auf, den er kürzlich für 1000.- DM erworben hat. Als er Hans Hase erkennt, eilt er freudig auf diesen zu, um ihn zu begrüßen, und macht sich durch Winken bemerkbar. Auch Taps erkennt Richard Ratlos und eilt schwanzwedelnd auf diesen zu. Richard Ratlos bückt sich, um den heranstürmenden Taps zu streicheln. Kaum hat er den Taps jedoch berührt, stürzt sich der eifersüchtige Russ voller Wut auf den Taps und beginnt ihn zu beißen. Ratlos versucht, durch lautes Rufen den Russ abzulenken, hat damit aber keinen Erfolg. Von fern stürmt Hase heran, der die lebensbedrohliche Lage für Taps erkannt hat. Mit dem Schirm schlägt er auf Russ ein, doch das berührt diesen nicht. Darauf holt Hase weit aus mit dem umgedrehten Schirm, dessen Krücke er dem Russ auf den Kopf schlagen will. Er ist sich bewußt, daß er den Russ tödlich treffen kann. In seiner Aufregung verkennt er, daß Ratlos inzwischen hinter ihm steht. Beim Ausholen trifft er den Ratlos am Kopf, wodurch dieser eine Platzwunde erleidet. Dann gelingt ihm ein tödlicher Schlag gegen Russ. Die Platzwunde des Ratlos heilt ohne weitere Folgen. Der Schirm ist bei dem Kampf irreparabel verbogen und zerfetzt worden. Wie hat sich Hase strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Wahl der Grobgliederung des Sachverhalts nach Sachverhaltsabschnitten oder nach Personen in diesem Fall unproblematisch: Da nur nach der Strafbarkeit einer einzigen Person gefragt ist, ist die Frage nach der Strafbarkeit des H an den Beginn der Überlegungen zu stellen. Eine Besonderheit des Falles liegt allerdings darin, daß hier nur eine strafrechtlich relevante Handlung des H in Betracht kommt: Der Schlag mit dem Schirm. Deshalb erübrigt sich eine weitere Untergliederung nach Sachverhaltsabschnitten. Die Fallfrage konkretisiert sich vielmehr dahin, welche Rechtsgutsverletzungen welchen Personen gegenüber durch den Schlag verwirklicht wurden.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Gegenüber R könnte sich H einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung, §§ 223, 230, schuldig gemacht haben. Soweit der Schlag zu einer Körperverletzung geführt hat, ist die Zurechnung des Erfolges zur Person des H unproblematisch, kann daher kurz abgetan werden. Problematisch ist die Rechtfertigung, da R den H nicht angreift. 3. Die Tötung des Hundes könnte eine Sachbeschädigung, § 303, darstellen. Auch hier Problematik in der Rechtfertigung: § 228 BGB. 4. Gegenüber dem S könnte gleichfalls eine Sachbeschädigung vorliegen, § 303. Problematik vgl. 3., aber Abgrenzung §§ 228, 904 BGB.

C. Lösungsskizze Das Straßare Verhalten des H: Der Schlag mit dem Schirm I. Körperverletzung gegenüber R, § 223: 1. Erfolg eingetreten. 2. Vorsatz: -, kein Anhaltspunkt, daß H sich im Moment des Schlages der Gefahr für R bewußt war. II. Fahrlässige Körperverletzung gegenüber R, § 230: + 1. Erfolg eingetreten. 2. Vorhersehbarkeit: +. 3. Pflichtbegrenzung: a) Notwehr, § 32: -, kein Angriff des R. b) Notstand, § 34: -, da tödlicher Schlag auch ohne Gefährdung des R möglich. 4. Möglichkeit, sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu werden: +. 5. Schuld: +. III. Sachbeschädigung gegenüber R, § 303: 1. Erfolg eingetreten, da Ruß getötet wurde. 2. Vorsatz: +. 3. Pflichtbegrenzung: Defensiver Notstand, § 228 BGB: +. Tötung des Ruß steht nicht außer Verhältnis zur Gefahr für das Leben des Taps. IV. Sachbeschädigung gegenüber S, § 303: -. 1. Erfolg eingetreten, der Schirm wurde zerstört. 2. Vorsatz: +. 3. Pflichtbegrenzung: a) Defensiver Notstand, § 228 BGB: -, von dem Schirm selbst ging keine Gefahr aus.

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b) Aggressiver Notstand, § 904 BGB: +, auf Grund Abwägung zwischen Leben des Taps und Zerstörung des Schirmes. Gesamtergebnis: H ist wegen fahrlässiger Körperverletzung des R, § 230, zu bestrafen.

D. Gutachten Das Straßare Verhalten des H: Der Schlag mit dem Schirm I. Körperverletzung gegenüber R, § 223 Abs. 1 Indem der H dem R das Schirmende gegen den Kopf schlug, könnte er sich einer Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 schuldig gemacht haben. 1. Dann müßte H den R körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt haben. Der Schlag mit dem Schirm gegen den Kopf des R war eine üble unangemessene Behandlung, durch welche das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt wurde. H hat den R damit körperlich mißhandelt. - Unter Gesundheitsbeschädigung versteht man das Hervorrufen oder Steigern eines Zustandes körperlichen Leidens. Der Schlag führte bei R zu einer Platzwunde. Dieser anormale körperliche Zustand stellt ein körperliches Leiden dar. Damit hat H den R auch an der Gesundheit beschädigt. 2. H müßte vorsätzlich gehandelt haben. Der H war sich nicht bewußt, daß R hinter ihm stand, als er zum Schlag gegen den Hund Russ ausholte. Er hatte auch keine Kenntnis von der konkreten Gefahr, den R körperlich zu mißhandeln oder an der Gesundheit zu beschädigen. - H handelte somit nicht vorsätzlich. Eine vorsätzliche Körperverletzung, § 223 Abs. 1, liegt nicht vor. II. Fahrlässige Körperverletzung gegenüber R, § 230 1. Durch den Schlag auf den Kopf wurde der R körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt (vgl. 11). 2. Dieser Erfolg müßte für H vorhersehbar gewesen sein. H und R standen bei dem Versuch, die beiden Hunde auseinanderzubringen, nahe beieinander. Unter diesen Umständen war es für H, als er zum Schlag ausholte, erkennbar, daß der R jetzt möglicherweise hinter ihm stand. Damit war H der Erfolg vorhersehbar.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

3. Fraglich ist, ob sich H rechtswidrig, d.h. pflichtwidrig verhalten hat. a) H könnte durch Notwehr, § 32, gerechtfertigt sein. Dann müßte ein Angriff vorliegen. Angriff ist jede bewußte Rechtsgutsbedrohung durch einen schuldfähigen Menschen. Bedroht war hier das Leben des Hundes Taps und damit das Eigentum des H. Dieses wurde jedoch nicht von R, sondern von dessen Hund Russ, über den R keinerlei Kontrolle mehr hatte, bedroht. Damit scheidet eine Rechtfertigung durch Notwehr aus. b) In Betracht kommt aber eine Rechtfertigung aufgrund Notstands, § 34. Dann müßte eine Gefahr vorliegen. Gefahr ist ein Zustand, der den Eintritt eines Schadens ernstlich befürchten läßt. Durch die Attacken des Russ befand sich Taps in einer lebensbedrohlichen Lage. Eine Gefahr für das Eigentum des H lag deshalb vor. Diese Gefahr war auch gegenwärtig, da sie jederzeit in die Rechtsgutsverletzung umschlagen konnte. Die Gefahr durfte nicht anders abwendbar gewesen sein. Dies wäre der Fall, wenn das Ausholen zu dem Schlag das mildeste Mittel darstellen würde, um die Gefahr sicher zu beseitigen. Weder das laute Zurufen des R, noch die bisher geführten Schläge des H vermochten den Hund Russ von Taps abzubringen. In dieser Situation bestand für H kein milderes Mittel, die Gefahr für das Leben des Taps sicher abzuwenden, als Russ mit einem kräftigen Schlag kampfunfähig zu machen. Nicht erforderlich war jedoch, diesen Schlag so zu führen, daß R hierdurch verletzt wurde. H hätte einen vergleichbar schweren Schlag auch ohne Gefährdung des R durchführen können, wenn er seitlich zu dem Schlag ausgeholt hätte. Damit war die Gefahr im Hinblick auf die Rechtsgutsverletzung des R anders abwendbar gewesen. H ist nicht gem. § 34 gerechtfertigt. Da weitere Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, handelte H rechtspflichtwidrig. 4. H besaß die Möglichkeit, sich der Sozialschädlichkeit seines Tuns bewußt zu werden. 5. Für eine Entschuldigung des H gibt der Sachverhalt keinen Hinweis. H ist daher gemäß § 230 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu bestrafen. III. Sachbeschädigung gegenüber R, § 303 Indem H den Hund Russ tödlich verletzte, könnte er sich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 schuldig gemacht haben.

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1. Der Hund Russ gehörte dem R, er war daher für H eine fremde Sache. - Indem der H den Hund Russ getötet hat, hat er eine fremde Sache zerstört. 2. H müßte mit Vorsatz gehandelt haben. Da es dem H um die Rettung seines Hundes Taps und nicht um die Tötung des Russ ging und er den Tod des Russ auch nicht als notwendige Folge seines Tuns erkannte, handelte er nicht mit direktem Vorsatz. H könnte aber mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben. - Streitig sind jedoch die Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes. Im vorliegenden Fall bedarf es gleichwohl keiner eingehenden Auseinandersetzung, denn übereinstimmend wird der Vorsatz bejaht, wenn der Täter die konkrete Gefahr der Rechtsgutsverletzung erkennt und dennoch handelt, bzw. die Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung erkennt und ihm der Erfolgseintritt gleichgültig ist oder er ihn sogar billigt. So lag die Situation aber hier. 3. Fraglich ist, ob H sich rechtspflichtwidrig verhalten hat. Es könnte eine Rechtfertigung wegen defensiven Notstandes, § 228 BGB, in Betracht kommen. Von dem getöteten Hund ging eine Gefahr für das Leben des Taps und damit für das Eigentum des H aus. Der tödliche Schlag gegen Russ war das mildeste Mittel, um diese Gefahr noch mit Sicherheit abwehren zu können. Die Tötung des Hundes Russ war daher erforderlich. Der Schaden durch die Tötung des Russ dürfte nicht außer Verhältnis stehen zu der Gefahr für das Eigentum des H. Bei Russ handelte es sich um einen Rassehund im Wert von 1.000.- DM, wohingegen Taps als Mischling wirtschaftlich nahezu wertlos war. Wird daher allein der wirtschaftliche Wert zum Maßstab genommen, so war der Schaden unverhältnismäßig. Für diesen Maßstab spricht, daß er bei Sachen objektivierbar ist. Andererseits ist die Besonderheit "der Sache Tier" zu berücksichtigen. Tiere können gerade der Befriedigung emotioneller Bedürfnisse dienen. Das war auch hier der Fall, denn die Hunde waren nicht als Wachhund o.ä. angeschafft worden. Wird das beachtet, dann steht die Tötung des Rassehundes nicht außer Verhältnis zur Gefahr für das Leben des Taps, da dem H sein Mischlingshund nicht weniger bedeutet, wie dem R sein Rassehund. H handelte auch in dem Bewußtsein, eine drohende Gefahr abzuwenden. Die Tötung des Russ ist damit gem. § 228 BGB gerechtfertigt. IV. Sachbeschädigung gegenüber S, §303 Bei dem Kampf mit dem Hund Russ wurde der Schirm des S ir-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

reparabel verbogen und zerfetzt. H könnte sich daher einer Sachbeschädigung, § 303, schuldig gemacht haben. 1. Der Schirm war eine fremde Sache, da er dem S gehörte. Durch den Kampf mit Russ wurde die Gebrauchsfähigkeit des Schirmes völlig aufgehoben. Der Schirm wurde somit zerstört. 2. H müßte vorsätzlich gehandelt haben. H hatte nicht das Ziel, den Schirm zu zerstören. Er handelte daher nicht mit dolus directus 1. Grades. Dem Sachverhalt läßt sich auch nicht entnehmen, daß H die Zerstörung des Schirmes als notwendige Folge seines Verhaltens erkannte, so daß dolus directus 2. Grades ebenfalls nicht vorliegt. Der H erkannte jedoch die konkrete Gefahr, daß der Schirm bei dem Kampf mit dem Hund Russ zerstört werden könnte. Da H trotzdem mit dem Schirm auf Russ einschlug, handelte er mit bedingtem Vorsatz (Vgl. III 2). 3. Zu prüfen ist, ob das Verhalten des H gerechtfertigt ist. a) Der defensive Notstand, § 228 BGB, scheidet aus, da von dem Schirm selbst keine Gefahr ausging. b) Es könnten die Voraussetzungen des sog. aggressiven Notstandes, § 904 BGB, vorliegen. Durch die lebensbedrohlichen Angriffe des Hundes Russ auf Taps bestand für das Eigentum des H eine gegenwärtige Gefahr. Indem der H den Schirm als Waffe gegen Russ einsetzte, hat er auf eine fremde Sache zur Abwehr dieser Gefahr eingewirkt. Der Einsatz des Schirmes war auch notwendig, da dem H in der konkreten Situation kein anderes Mittel zur Verfügung stand, um die Angriffe des Russ abzuwehren. Der drohende Schaden müßte gegenüber dem aus der Einwirkung entstehenden unverhältnismäßig groß sein. Abzuwägen ist hier das Leben des Hundes Taps gegenüber der Zerstörung des Schirmes. Möglicherweise übersteigt der wirtschaftliche Wert des Schirmes den des Hundes Taps. Zu bedenken ist jedoch, daß der Schirm ein ersetzbarer Gebrauchsgegenstand ist, während der Hund Taps für H einen ungleich höheren ideellen Wert besitzt. Der Schaden durch den Tod des Taps war deshalb unverhältnismäßig groß gegenüber dem Schaden durch die Zerstörung des Schirmes. H handelte auch im Bewußtsein, die gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Die Zerstörung des Schirmes war gem. § 904 BGB gerechtfertigt. H hat sich nicht nach § 303 Abs. 1 strafbar gemacht.

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Gesamtergebnis: H ist wegen fahrlässiger Körperverletzung des R, § 230, zu bestrafen.

E. Anmerkungen 1. Möglich war es, zwischen den einzelnen Schlägen des H gegen den Ruß zu differenzieren, jedoch war es nicht nötig, da H lediglich dieselbe Handlung wiederholte und seinen Vorsatz nicht wechselte. Es bestand also zwischen den einzelnen Schlägen eine natürliche Handlungseinheit. 2. Wer dagegen unterstellte, daß sich H nur beim letzten Schlag bewußt war, Ruß möglicherweise tödlich zu verletzen, konnte die ersten Schläge getrennt prüfen und eine vollendete Sachbeschädigung, § 303, bejahen. Zwar wurde die "bestimmungsgemäße Brauchbarkeit" des Hundes nicht beeinträchtigt, bei Tieren ist es aber zu erwägen und vertretbar, den tatbestandlichen Erfolg entsprechend § 223 mit dem Hervorrufen einer Körperverletzung zu bejahen. Die Sachbeschädigung durch die ersten Schläge würde dann jedoch von der Sachbeschädigung aufgrund des tödlichen Schlages konsumiert. 3. Die Berücksichtigung ideeller Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung des § 228 BGB ist nicht unproblematisch, da diese nicht quantifizieibar sind und somit eine Abwägung verschiedener ideeller Interessen nicht möglich ist. Bei Haustieren, bei denen der ideelle Wert häufig im Vordergrund steht, erscheint es jedoch gerechtfertigt, auch ideelle Gesichtspunkte in die Interessenabwägung einzubeziehen. 4. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zur Frage, ob bei der Beurteilung der Abwendbarkeit i.S. von § 34 isoliert auf die zu beseitigende Gefahr abzustellen ist, oder ob auch die durch die Abwehrhandlung entstehenden Gefährdungen zu berücksichtigen sind, vgl. für den Fall der Notwehr, § 32, BayObLG JZ 1988, S. 725 mit Anm. OTTO JK 89, StGB § 32/11.

2. Zum Verhältnis des rechtfertigenden Notstandes, § 34, zu den einzelnen vertypten - konkretisierten - Rechtfertigungsgründen vgl. OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., 3. Aufl. 1988, § 8 I 3. 3. Zur Berücksichtigung ideeller Werte im Rahmen der Interessenabwägung bei § 228 BGB vgl. HEINRICHS in: Palandt, BGB, 49. Aufl. 1990, § 228 Rdn. 3.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Anfängerklausur Nr. 2: Heroinfall A. Sachverhalt M und S bewohnten seit einem Jahr gemeinsam eine Wohnung. S war bereits heroinsüchtig, bevor sie mit dem M zusammengezogen war. M hatte wiederholt erfolglos versucht, sie vom Rauschgiftkonsum abzubringen. Eines Tages trafen M und S in ihrer Stammkneipe den B. Bei einem Glas Bier beschlossen sie, gemeinsam von einem dem B bekannten Rauschgifthändler R Heroin zu kaufen. Nachdem sie den Stoff zusammen von R erworben hatten, gingen sie in die Wohnung von M und S, wo sich B und S sofort das Heroin spritzten. Nach einiger Zeit merkte M, daß S und B bewußtlos geworden waren. Er versuchte, durch Herzmassage und Einflößen eines Kreislaufmittels zu helfen. Obwohl er erkannte, daß ärztliche Hilfe notwendig war, überließ er es dem Zufall, ob sich die von ihm erkannte Lebensgefahr für S und B verwirklichte oder nicht. S verstarb um 4.00 Uhr und B um 6.00 Uhr morgens. Bei rechtzeitiger ärztlicher Behandlung hätte B mit Sicherheit gerettet werden können, während die Rettung der S auf Grund ihrer gesundheitlichen Gesamtverfassung zwar gut möglich, aber keineswegs sicher gewesen wäre. Wie ist das Verhalten von M und R strafrechtlich zu würdigen? Eine Strafbarkeit auf Grund von Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes soll außer Betracht bleiben.

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Die Wahl der Grobgliederung ergibt sich aus der Frage, in der nach dem strafbaren Verhalten von M und R gefragt ist. 2. Sowohl bei M als auch bei R kommen jeweils Tötungsdelikte in Betracht. R könnte ein Delikt durch positives Tun, M durch Unterlassen verwirklicht haben. In beiden Fällen stellt sich jedoch die Frage, wieweit S und B jeweils für ihren Tod selbst verantwortlich waren.

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C. Lösungsskizze 1. Teil: Strafbarkeit des M wegen der Nichtherbeiholung eines Arztes 1. Tod der S 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13: +, es besteht eine Garantenstellung des M aus natürlicher Verbundenheit; zwar hat S für sich selbst durch den Heroingenuß eine Gefahr begründet, aufgrund seiner Garantenstellung war M aber zur Abwendung des Erfolges verpflichtet, da S den Erfolg nicht bewußt anstrebte. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c: +. 3. Verhältnis von §§ 212,13; 323 c: Konsumtion. II. Tod des B 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13: -, Gefahrengemeinschaft und Ingerenz entfallen; zwar Möglichkeit der Garantenstellung aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs, aber Voraussetzungen: Herrschaftsbereich und weiteres Vertrauenselement; letzteres fehlt hier. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c: + . 2. Teil: Strafbarkeit des R wegen des Verkaufs des Heroins I. Tod der S 1. Fahrlässige Tötung, § 222: - , R hat eine Gefahr für das Leben der S begründet, aber nicht diese Gefahr hat bei wertender Betrachtungsweise zum Tode der S geführt, sondern die von S selbst gesetzte, bzw. die durch das pflichtwidrige Garantenunterlassen des M herbeigeführte. 2. Vergiftung, § 229: - , kein Beibringen. II. Tod des B Vgl. die Ausführungen zu S unter I. Gesamtergebnis 1. Teil: M: §§ 212,13; 323 c, 52. 2. Teil: R hat keinen Straftatbestand erfüllt.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

D. Gutachten 1. Teil: Strafbarkeit des M wegen der Nichtherbeiholung eines Arztes I. Tod der S 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13 a) Die Rechtsgutsverletzung - der Tod der S - ist eingetreten. b) M verfügte auch über die tatsächliche Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden, denn er hätte einen Arzt rufen können. c) Eine Garantenstellung des M ergibt sich hier aus natürlicher Verbundenheit in Form einer eheähnlichen Gemeinschaft. Fraglich ist jedoch, worauf die Garantenpflicht des Beschützergaranten M gerichtet ist. Laut Sachverhalt wäre die Rettung der S aufgrund ihrer gesundheitlichen Gesamtverfassimg zwar gut möglich, aber keineswegs sicher gewesen. Die nach dem Kausalitätsprinzip vorgehende herrschende Meinung gelangt jedoch zu einer Erfolgszurechnung nur dann, wenn der Täter es unterlassen hat, eine Bedingung zu setzen, die nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Daraus folgt, daß auch die Handlungspflicht nur dann bestehen kann, wenn der Täter die Möglichkeit hat, den Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abzuwenden. Folgt man dieser Ansicht, so wäre eine Pflicht des M zur Abwendung der Todesgefahr der S hier zu verneinen. Berücksichtigt man jedoch, daß eine solche Begrenzung der Garantenpflicht an der Pflicht des Garanten, das ihm Mögliche zur Rettung des Rechtsguts zu unternehmen, vorbeigeht, so besteht eine Pflicht des Garanten zum Tätigwerden bereits dann, wenn überhaupt eine Chance besteht, das Rechtsgut zu retten. Demnach traf M hier die Pflicht, tätig zu werden. d) Fraglich ist jedoch, ob sich in der Beeinträchtigung des Rechtsguts die Gefahr realisierte, die M aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden bzw. zu vermindern verpflichtet war, oder vielmehr eine von S selbst gesetzte. S, die bereits über ein Jahr heroinsüchtig war, hat sich das Rauschgift eigenverantwortlich gespritzt. Aus der Tatsache, daß sie heroinsüchtig war, ist nicht zu folgern, daß sie unzurechnungsfähig war. Auch unter Berücksichtigung des eigenverantwortlichen Handelns der S stellt sich jedoch die Frage, ob M nicht spätestens zu dem Zeitpunkt verpflichtet war einzugreifen, als S bewußtlos geworden war. Zwar realisierte

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sich im Tod der S die durchaus typischerweise mit dem Genuß von Rauschgift verbundene Gefahr, die S eigenverantwortlich auf sich genommen hatte. Sie hatte jedoch nicht vorsätzlich ihren Tod ins Werk gesetzt. Daher ist ihre Handlungsunfähigkeit auch nicht als planmäßige Realisierung eines verantwortlich gefaßten Tötungsentschlusses anzusehen. Im Tod der S realisierte sich daher die Gefahr, die M aufgrund seiner Garantenstellung abzuwenden verpflichtet war. e) Obwohl M erkannte, daß ärztliche Hilfe notwendig war, überließ er es dem Zufall, ob sich die von ihm erkannte Lebensgefahr für S realisierte oder nicht. Damit erkannte er die konkrete Gefahr der Rechtsgutsverletzung und ließ sich trotz des Bewußtseins dieser Gefahr nicht von seinem Vorhaben abhalten. Somit handelte er mit dolus eventualis. f) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. g) M handelte auch schuldhaft. h) M hat sich daher eines Totschlages durch Unterlassen schuldig gemacht. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c Gleichgültig, ob man "Unglücksfall" als plötzlich eintretendes Ereignis, das erheblichen Schaden an Leib oder Leben eines anderen zu bringen droht, oder als Situation, in der der Einzelne auf die Solidarität der anderen angewiesen ist, soll er nicht erheblichen Schaden an Leib oder Leben nehmen, interpretiert, liegt in dem Moment, in dem S bewußtlos geworden ist, ein Unglücksfall vor. Die Zuziehung eines Arztes war erforderlich und dem M, der selbst nicht rauschgiftsüchtig war, auch zumutbar. Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld sind zu bejahen. 3. Verhältnis §§ 212, 13, 323 c In dem unechten Unterlassungsdelikt liegt eine gegenüber dem echten Unterlassungsdelikt intensivere verbrecherische Tätigkeit, die den Unrechts- und Schuldgehalt des echten Unterlassungsdelikts aufzehrt. Daher konsumiert die Tötung durch Unterlassen die unterlassene Hilfeleistung. II. Tod des B 1. Totschlag durch Unterlassen, §§ 212, 13 a) Die Rechtsgutsverletzung ist eingetreten.

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b) Der M hatte die Möglichkeit, den Tod des B zu vermeiden, indem er einen Arzt geholt hätte. c) Fraglich ist, woraus sich eine Garantenstellung des M ergeben könnte. aa) Eine Garantenstellung aus Gefahrengemeinschaft setzt voraus, daß sich Menschen miteinander in einer Gemeinschaft befinden, die ihrem Wesen nach auf gegenseitige Hilfe angelegt ist, wie z.B. Bergtouren oder Expeditionen. Daran fehlt es aber gerade bei einer Zechgemeinschaft oder dem gemeinsamen Erwerb und Konsum von Drogen. bb) Möglicherweise könnte sich eine Garantenstellung aus Ingerenz ergeben. Diese würde aber voraussetzen, daß ein vorangegangenes Tun des M in Hinblick auf den eingetretenen Erfolg gefährlich gewesen wäre und daß die Gefahr sich selbständig (unmittelbar) in dem Erfolg realisiert hätte. Gerade daran fehlte es aber hier, weil der B die Gefahr eigenverantwortlich auf sich genommen hat. Insofern kommt es auf die Frage, ob man als Vorverhalten ein pflichtwidriges Verhalten verlangt oder auch rechtmäßiges genügen läßt, nicht an. cc) Schließlich könnte sich eine Garantenposition auch aus der Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs ergeben. Diese Garantenstellung setzt einmal einen rechtlich geschützten Herrschaftsbereich voraus, der hier in der Wohnung zu sehen ist. Weiter aber ist erforderlich, daß zwischen dem Inhaber dieses Herrschaftsbereichs und dem Dritten ein Vertrauensverhältnis dergestalt besteht, daß der Dritte, der sich zulässigerweise im Herrschaftsbereich des Wohnungsinhabers aufhält, sich darauf verlassen kann, daß ihm in diesem Bereich kein Schaden zugefügt wird. In diesem Fall ist jedoch entscheidend darauf abzustellen, daß dem B kein Schaden durch den Hausrechtsinhaber oder Dritte zugefügt wurde, sondern er für sich selbst eigenverantwortlich eine Gefahr gesetzt hat. Daran scheitert im vorliegenden Fall eine Garantenstellung des M gegenüber B aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs. M hat sich demnach gegenüber B keines Totschlags durch Unterlassen schuldig gemacht. 2. Unterlassene Hilfeleistung, § 323 c

Hierzu gelten die unter I 2 gemachten Ausführungen entsprechend.

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2. Teil: Strafbarkeit des R wegen Verkaufs des Heroins / . Der Tod der S 1. Fahrlässige Tötung § 222 a) Die Rechtsgutsverletzung, der Tod der S, ist eingetreten. b) R hatte die Möglichkeit, den Erfolg dadurch zu vermeiden, daß er kein Rauschgift verkaufte. c) Eine Gefahr für das Leben der S hat R durch den Verkauf des Rauschgifts begründet. d) Fraglich ist aber auch in diesem Zusammenhang, ob sich die von R begründete Gefahr realisiert hat oder eine andere. Fragt man nur danach, ob R den Tod der heroinabhängigen S durch Verkauf und Übergabe von Heroin verursacht hat, so ist eine solche Kausalität im vorliegenden Fall zu bejahen, da R eine Bedingung gesetzt hat, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entGele. Diese Betrachtungsweise läßt jedoch außer acht, daß S sich das Heroin selbst gespritzt hat. Ihr eigenverantwortliches Verhalten in voller Kenntnis der möglichen Gefahren unterbrach den Zurechnungszusammenhang zwischen der von R gesetzten Ursache und dem Erfolg. Der Erfolg ist nicht mehr als ein Werk des R, sondern als Werk der S selbst bzw. des Garanten M, der seiner Pflicht nicht genügte (vgl. oben 1. Teil 11), anzusehen. R hat sich daher keiner fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. 2. Vergiftung, § 229 Dann müßte R der S Gift beigebracht haben, um deren Gesundheit zu beschädigen. Gift ist jeder anorganische oder organische Stoff, der unter bestimmten Bedingungen durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit zu zerstören vermag, also auch Heroin. Für das Tatbestandsmerkmal "Beibringen" genügt jedoch das bloße Verschaffen des Stoffes oder wie hier der Verkauf nicht. § 229 entfällt. II. Tod des B Hier gelten die unter I. zu S gemachten Ausführungen entsprechend. Gesamtergebnis: M hat sich gegenüber S eines Totschlages durch Unterlassen und gegenüber B einer unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Die beiden "Unterlassungen" beruhen auf einem einheitlichen Tatentschluß und bilden eine Einheit, weil beiden Handlungspflichten durch dieselbe Handlung - Herbeirufen des Arztes - hätte genügt werden können. Dieses natürliche Bild wird auch nicht durch die Tatsache zerstört, daß es sich hier um die Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen handelt. M: §§ 212,13; 323 c; 52. R hat keinen Straftatbestand verwirklicht.

E. Anmerkungen 1. Hinsichtlich der Garantenposition aus Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschaftsbereichs (vgl. 1. Teil II 1) ist zu beachten, daß diese Garantenstellung nicht zu weit geraten darf. Zwar ist Anknüpfungspunkt für diese Garantenstellung die Überlegung, daß durch die Einräumung eines Herrschaftsbereichs dem Einzelnen ein räumlich geschützter Bereich überlassen wird, der staatlicher Kontrolle nur unter erschwerten Voraussetzungen zugänglich ist. Da es aber hier nur um die Abwehr ganz bestimmter, mit der Herrschaftssphäre verknüpfter Gefahren geht, kann diese Garantenstellung nicht darauf gerichtet sein, alle Gefahren abzuwehren, die sich irgendwie für irgendwelche Güter aus oder in der Herrschaftssphäre ergeben. Eine solche Erwartung ist nicht als Grundlage des Soziallebens auszumachen. Weder wird allgemein erwartet, daß sich z.B. aus einer fremden Wohnung heraus keine Gefahren für andere entwickeln, noch vertraut der Einzelne schlechthin darauf, daß ihm in einer fremden Herrschaftssphäre kein Schaden entsteht. Es muß ein weiteres Vertrauenselement hinzukommen. Daran fehlt es aber gerade, wenn ein Gast sich selbst Rauschgift spritzt. 2. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zur Frage, ob der Täter nur zur Abwendung des - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abwendbaren - Erfolgs verpflichtet ist oder ob die Pflicht auf Minderung der Gefahr geht, vgl. BRAMMSEN MDR 1989 S. 123 ff m.w.N. 2. Zur Garantenstellung des Wohnungsinhabers, dessen Gäste Rauschgift zu sich nehmen, vgl. OLG Stuttgart NJW 1981 S. 182 mit Anm. HASSEMER JUS 1981 S. 381; SONNEN J A 1981 S. 260.

3. Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vgl. OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., 3. Aufl. 1988, § 6 II 3 b. 4. Zur Bedeutung der Eigenverantwortung beim tödlich endenden Drogenkonsum vgl. einerseits BGHSt. 32 S. 262, andererseits BGH NStZ 1984 S. 452. Z u r A u s e i n a n d e r s e t z u n g vgl. FÜNFSINN S t V 1985 S. 5 7 ff; HERZBERG J A 1985 S. 2 6 9 ff; OITO/BRAMMSEN J u r a 1985 S. 6 4 8 ff; STREE J u S 1985 S. 179 ff.

5. Zur Bedeutung und zu den Grenzen der Eigenverantwortung des Opfers für die Folgen einer Selbstgefährdung vgl. OTTO Tröndle-Festschrift, 1989, S. 157, 170 ff m.w.N.

Anfängerklausur Nr. 3: Überraschung auf dem Jägerball

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Anfängerklausur Nr. 3: Überraschung auf dem Jägerball A. Sachverhalt Bei dem im Anschluß an die jährliche Treibjagd stattfindenden Jägerball merkt der verwitwete Oberförster O, daß seine bei ihm zu Besuch weilende Nichte N, die er schwärmerisch verehrt, sowie der junge Forstgehilfe G sich seit längerem aus dem Ballsaal entfernt haben. Von Eifersucht getrieben eilt O nach draußen, um nach dem Rechten zu sehen. Auf dem Parkplatz sieht er, wie G und N sich gerade im Auto des O inniglich umarmen. Um die beiden auseinander zu bringen, tritt er an das Fahrzeug heran, zieht seine voll geladene Pistole, reißt die Fahrertür auf und gibt einen Schuß in Richtung auf den G ab. Dabei ist er sich dessen bewußt, daß der Schuß den G tödlich verletzen kann. Der Schuß geht jedoch haarscharf am Kopf des G vorbei. G verläßt daraufhin fluchtartig das Fahrzeug, stürzt vor den Füßen des O zu Boden, rappelt sich mühsam hoch und läuft dann fort. Obwohl O den G ohne weiteres hätte töten können, schießt er nicht, denn nachdem G und N auseinandergebracht sind, hat er sein Ziel erreicht. Wie hat sich O strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Bei der Wahl der Grobgliederung erübrigt sich eine Untergliederung nach Sachverhaltsabschnitten, da als strafrechtlich relevante Handlung des O nur die Abgabe des Schusses in Betracht kommt. 2. Zu prüfen sind versuchter Totschlag, §§ 212, 23 Abs. 1, 22, und versuchter Mord, §§ 211, 23 Abs. 1, 22. Zu beachten ist die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nach § 24 Abs. 1. Zudem könnte in der Abgabe des Schusses eine Nötigung gegenüber G, § 240, liegen. 3. Wird der Mordtatbestand, $ 211, als Qualifizierung des Totschlags, § 212, erfaßt, so ist die Prüfungsreihenfolge vorgegeben: Zu beginnen ist mit der Prüfung des versuchten Totschlages, §§ 212, 23 Abs. 1, 22, sodann ist zu untersuchen, ob sich der Tatentschluß des G auch auf Mordmerkmale bezog, und erst danach ist die Frage eines Rücktritts, § 24 Abs. 1, zu erörtern, denn vor der Prüfung des strafbefreienden Rücktritts ist festzustellen, welche Strafe der Täter verwirklicht, von der er durch den Rücktritt befreit werden kann.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

C. Lösungsskizze Das Straßare Verhalten des O: Der Schuß auf G I. Versuchter Totschlag gegenüber G, §§ 212, 23 Abs. 1, 22: +. 1. Tat nicht vollendet. 2. Versuch strafbar, §§ 23 Abs. 1, 212,12 Abs. 1. 3. Tatentschluß: +, bedingter Tötungsvorsatz. 4. Unmittelbares Ansetzen zur Tat: +. 5. Rechtswidrigkeit, Unrechtsbewußtsein, Schuld: +. II. Versuchter Mord, §§212, 211, 23 Abs. 1, 22: +. Tatentschluß auf Mordmerkmale bezogen: a) Niedrige Beweggründe: +. b) Heimtücke: -. III. Persönlicher Strafauflxebungsgrund: Rücktritt, § 24 Abs. 1: -. 1. Versuch noch nicht beendet. 2. Freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung, § 24 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.: denn O hat bereits mit Abgabe des 1. Schusses sein Handlungsziel, G und N auseinanderzubringen, erreicht. IV. Nötigung gegenüber G, § 240: +. 1. Nötigungserfolg: +, G flieht aus dem Wagen. 2. Nötigungsmittel: +, Gewalt. 3. Vorsatz: +. 4. Rechtswidrigkeit: +, Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, O handelte auch verwerflich, § 240 Abs. 2. 5. Unrechtsbewußtsein, Schuld: +. Gesamtergebnis: O strafbar gem. §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 22, 240, 52.

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D. Gutachten Das Straßare Verhalten des O: Der Schuß auf G I. Versuchter Totschlag gegenüber G, §§ 212, 23 Abs. 1, 22 Indem O einen Schuß in das Wageninnere abgab, könnte er sich eines versuchten Totschlags schuldig gemacht haben. 1. Ein vollendeter Totschlag liegt nicht vor, denn der Schuß hat den G verfehlt. 2. Nach § 12 Abs. 1 ist Totschlag, § 212 , ein Verbrechen, da er mit einer Mindeststrafe nicht unter 5 Jahren bedroht ist. Der Versuch ist deshalb nach § 23 Abs. 1 strafbar. 3. Der O müßte den Tatentschluß gefaßt haben, den G zu töten. Dem O kam es nicht auf den Tod des G an, auch sah er diesen Erfolg nicht als notwendige Folge seines Verhaltens an. Der O handelte somit nicht mit direktem Tötungsvorsatz. O könnte jedoch mit bedingtem Tötungsvorsatz geschossen haben. Nach der sog. Gefährdungstheorie ist Vorsatz gegeben, wenn der Täter trotz Kenntnis der konkreten Gefahr der Rechtsgutsverletzung handelt. Im vorliegenden Fall ist sich der O dessen bewußt, den G durch den Schuß tödlich verletzen zu können. Er handelt deshalb in Kenntnis der konkreten Gefahr für das Leben des G. Das Ausbleiben des Erfolges hängt in dieser Situation allein vom Zufall ab. Zu demselben Ergebnis kommt die sog. Billigungstheorie der Rechtsprechung, wonach derjenige mit bedingtem Vorsatz handelt, der den Erfolg billigend in Kauf nimmt. Maßgeblich soll auch hier sein, ob der Täter noch mit guten Gründen auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen konnte, oder ob sich ein solches Vertrauen lediglich als vage Hoffnung darstellt. Damit handelte der O auch nach der Billigungstheorie der Rechtsprechung mit bedingtem Tötungsvorsatz. Er hat damit den vorbehaltlosen Tatentschluß hinsichtlich eines Totschlages gefaßt. 4. Mit der Abgabe des Schusses müßte O nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben, § 22. Dann müßte nach seiner Vorstellung der Schuß eine unmittelbare Gefahr für das Leben des G begründet haben, bzw. nach seiner Vorstellung unmittelbar in die Rechtsgutsverletzung übergehen. Das ist hier der Fall. 5. Mangels anderslautender Hinweise aus dem Sachverhalt liegen Rechtswidrigkeit, Unrechtsbewußtsein und Schuld vor. O ist daher eines versuchten Totschlages, §§ 212, 23 Abs. 1, 22 schuldig.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

II. Versuchter Mord, §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 22 Dann müßte sich der Tatentschluß des O auf eines der Mordmerkmale des § 211 bezogen haben. 1. In Betracht kommen "niedrige Beweggründe". Dies wäre der Fall, wenn die Triebfeder für die Tat auf sittlich tiefster Stufe stehen würde, weil zwischen dem Anlaß der Tat und deren Folgen ein unerträgliches Mißverhältnis besteht. O schoß in den Wagen, um den G von der N zu trennen. Das Motiv hierfür war, daß der O seine Nichte N selbst schwärmerisch verehrte. Diese Schwärmerei als Beweggrund zeugt von einer hemmungslosen Eigensucht, so daß sein Verhalten als auf sittlich tiefster Stufe stehend zu bewerten ist. Der O war sich auch dieser Umstände, die sein Verhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen, bewußt. Er handelte damit aus niedrigen Beweggründen. 2. O könnte den Entschluß gefaßt haben, den G heimtückisch zu töten. Nach der Rechtsprechung tötet deijenige heimtückisch, der die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewußt ausnutzt, wobei die Arg- auf der Wehrlosigkeit beruhen muß. Arglos ist, wer sich keines Angriffs versieht. Der G umarmte in dem Moment, als O die Tür aufriß, noch inniglich die N und rechnete nicht mit einem Angriff des O. Er war somit arglos und infolge dessen auch wehrlos. Dessen war sich der O auch bewußt. Danach handelte O heimtükkisch. Demgegenüber wird in der Literatur die Auffassung vertreten, daß Heimtücke als das Ausnutzen eines bestehenden Vertrauensverhältnisses bzw. als Mißbrauch begründeten Vertrauens zu sehen ist. Der Sachverhalt sagt nichts darüber, ob zwischen O und seinem Forstgehilfen G ein Vertrauensverhältnis bestand. Dies ist auch irrelevant, da O ein eventuell bestehendes Vertrauensverhältnis nicht zu seiner Tat ausgenutzt hätte. Nach dieser Ansicht wäre das Mordmerkmal Heimtücke abzulehnen. Dieser Meinung ist zu folgen, da der qualifizierende Tatbestand des Mordes einen über die Tötung hinausgehenden Unrechtsvorwurf voraussetzt. Das bloße Überraschen des Opfers in hilfloser Lage vermag ein solches gesteigertes Unrecht nicht zu begründen. O handelte daher nicht heimtückisch. Er hat sich jedoch eines versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen schuldig gemacht.

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III. Persönlicher Strafaufhebungsgrund: Rücktritt, §24 Abs. 1 Indem O von weiteren Schüssen auf den fliehenden G absah, könnte er gem. § 24 Abs. 1 strafbefreiend vom Versuch des Mordes zurückgetreten sein. 1. Zu prüfen ist zunächst, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorlag. Dies richtet sich danach, ob der Täter nach der letzten Tathandlung den Erfolgseintritt noch für möglich hält (dann beendeter Versuch), oder ob er nach seiner Vorstellung in diesem Moment noch nicht alles getan hat, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen (dann unbeendeter Versuch). Im vorliegenden Fall erkannte der O, als der G nach Abgabe des Schusses fluchtartig das Fahrzeug verließ, daß sein Schuß ohne tödliche Wirkung geblieben ist und er somit noch nicht alles getan hat, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Es lag deshalb die Situation des unbeendeten Versuchs vor. 2. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1,1. Alt. müßte der O die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben haben. a) O hat keine weiteren Schüsse auf G abgegeben und damit die weitere Ausführung der Tat aufgegeben. b) Fraglich ist, ob O freiwillig handelte. Der Täter gibt die Tatausführung dann freiwillig auf, wenn er aus autonomen, d.h. selbstgesetzten Motiven heraus handelt und nicht durch die äußere Situation oder eine innere Zwangslage an der Tatausführung gehindert wird. O hätte weitere tödliche Schüsse auf G abgeben können. Er läßt jedoch von der weiteren Tatausführung ab, weil er sein Ziel, G und N auseinanderzubringen, bereits erreicht hat. Die weitere Deliktsverwirklichung war für O damit sinnlos. Da der O bei Abbruch seines kriminellen Tuns erkannte, daß er das Handlungsziel, auf das es ihm bei seinem Tun ankam, bereits erreicht hatte, konnte er die weitere Tatausführung nicht mehr freiwillig aufgeben. Dem O kommt daher das Rücktrittsprivileg nicht zugute. O ist wegen versuchten Mordes, §§ 212, 211, 23 Abs. 1, 22 zu bestrafen. IV. Nötigung gegenüber G, § 240 Indem O den G durch Abgabe des Schusses dazu veranlaßte, aus dem Wagen zu fliehen, könnte er sich einer Nötigung gem. § 240 schuldig gemacht haben. Dann müßte O den G mit Gewalt zum Verlassen des Wagens genötigt haben. 1. Durch die Abgabe des Schusses wurde der G veranlaßt, sich aus der Umarmung mit N zu lösen und aus dem Wagen zu fliehen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Da dieses Verhalten nicht dem Willen des G entsprach, wurde er hierzu genötigt. 2. Diese Nötigung könnte durch Gewalt erfolgt sein. Gewalt ist der - nicht notwendig erhebliche - Einsatz körperlicher Kraftentfaltung, welche von der Person, gegen die sie sich richtet, als körperlicher Zwang empfunden wird. Mit der Abgabe des Schusses hat der O körperliche Kraft entfaltet. Dies müßte von G als körperlicher Zwang empfunden worden sein. Da der Schuß den G verfehlte, wurde auf den Körper des G nicht unmittelbar eingewirkt. Es kann jedoch auch ein psychischer Zwang körperlich empfunden werden, wenn das Opfer ihm nicht, nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Art und Weise begegnen kann. Es wäre dem G zwar möglich gewesen, auch nach Abgabe des Schusses im Fahrzeug des O zu verweilen. Dies war ihm jedoch nicht zumutbar, da er sich damit der Gefahr ausgesetzt hätte, möglicherweise von einem weiteren Schuß des O getroffen zu werden. O hat den G daher mit Gewalt zum Verlassen des Wagens genötigt. 3. O handelte auch in dem Bewußtsein, den G durch sein Verhalten zum Verlassen des Fahrzeugs zu zwingen. 4. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, das Verhalten des O war auch verwerflich i.S. des § 240 Abs. 2, denn die Abgabe des Schusses auf G zu dem Zweck, diesen zum Verlassen des Fahrzeugs zu veranlassen, stellt ein sozial unerträgliches und damit verwerfliches Verhalten dar. O handelte daher rechtswidrig. 5. Für einen Ausschluß von Unrechtsbewußtsein und Schuld liegen keine Anhaltspunkte vor. Gesamtergebnis: O hat sich wegen eines versuchten Mordes, §§ 211, 23 Abs. 1, 22 sowie wegen einer Nötigung, § 240, strafbar gemacht. Da beide Delikte durch dieselbe Handlung - Abgabe des Schusses - verwirklicht wurden, besteht zwischen ihnen Tateinheit: §§ 211, 23 Abs. 1,22; 240, 52.

E. Anmerkungen 1. Der Schwerpunkt der Klausur lag bei der Prüfung des Rücktritts, § 24 Abs. 1. Ein häufiger Fehler war, daß § 24 Abs. 1 unmittelbar nach §§ 212, 23 Abs. 1, 22 erörtert wurde, so daß eine Prüfung der Mordmerkmale unterblieb. Zudem wurde die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch nicht beachtet.

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2. Das Mordmerkmal "niedrige Beweggründe" wurde von einigen Bearbeitern nur mit dem Hinweis auf die Eifersucht des O bejaht. Dies ist jedoch zu ungenau, da Eifersucht nicht stets ein niedriger Beweggrund im Sinne des Mordtatbestandes ist.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Die weite Begriffsbestimmung des Mordmerkmals Heimtücke durch die Rechtsprechung stößt in der Literatur auf Kritik. Zu den dort diskutierten Möglichkeiten, den Begriff der Heimtücke inhaltlich zu begrenzen vgl. LACKNER StGB, 18. Aufl. 1989, § 211 Anm. 3 b. 2. Bei der Abgrenzung von beendetem und unbeendetem Versuch stellte die Rechtsprechung früher auf den Tatplan des Täters zu Beginn der ersten Ausführungshandlung ab, vgl. z.B. BGHSt. 22 S. 330. Inzwischen hat der BGH seine Auffassung geändert und sich der h.L. angeschlossen, wonach für die Bestimmung des Rücktrittshorizontes der Abschluß der letzten Ausführungshandlung maßgeblich ist, vgl. BGHSt. 31 S. 171 ff; 33 S. 295; 34 S. 53 ff, 56 ff; 35 S. 90. Eingehender hierzu OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 19 II 1. 3. Die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg nur mit bedingtem Vorsatz anstrebt, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung umstritten. Der 1. Senat des BGH bejaht diese Möglichkeit mit dem Argument, auch der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter vermeide eine weitere Gefährdung des Opfers, vgl. BGH NStZ 1989 S. 317; BGH MDR 1989 S. 1114. Demgegenüber lehnt der 2. Senat eine solche Rücktrittsmöglichkeit als mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar ab, BGH NStZ 1990 S. 77 mit Anm. OTTO JK 90, StGB § 24/17.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Anfängerklausur Nr. 4: Säurefall A. Sachverhalt A hatte ein Verhältnis mit E, der Ehefrau des J, der dem Verhältnis störend im Wege stand. Aus diesem Grunde wollte A den J töten. Da J ihn kannte und A bei einem Fehlschlag mit seiner Entdeckung rechnen mußte, entschloß er sich, die Tat durch Dritte ausführen zu lassen. Diese sollten über seine Tötungsabsichten im unklaren bleiben. In der gemeinsamen Kneipe, die A, E und J öfters aufsuchten, gab A dem Ober O ein Fläschchen, das angeblich ein Schlafmittel enthielt. O sollte das Schlafmittel in das Bierglas des J schütten, damit A sich ungestört mit E vergnügen könnte. In Wirklichkeit enthielt die dem O übergebene Plastikflasche 100 ml 35 %ige Salzsäure, die bei Aufnahme von 20 ml in den leeren Magen mit Sicherheit tödlich wirkt. Als O das Fläschchen öffnete, kam ihm die Angelegenheit verdächtig vor, und er gab deshalb nichts davon in das Bier. Als dem J das nächste Bier serviert wurde, glaubte A, dieses enthalte die tödliche Säure. Als nichts passierte, wunderte er sich sehr. Auf Grund des Fehlschlags beschlossen A und E, den J auf andere Weise zu töten. Sie warben den C an, der den J abends, wenn er aus dem Hause ging, erschießen sollte. C sollte dem J im Dunkeln vor der Haustüre auflauern. E sollte den J abends mit der Bitte um eine Schachtel Zigaretten aus dem Hause schicken und dem C ein Zeichen geben, wenn J das Haus verläßt. A wollte hinter der nächsten Straßenecke mit dem Fluchtauto warten. Pünktlich am nächsten Abend gab E das Zeichen, unmittelbar darauf öffnete sich die Haustür, in der J erschien. C war inzwischen aber nach Hause gegangen, da er es sich anders überlegt hatte. Wie haben sich A, E und C strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Der Sachverhalt enthält zwei deutlich voneinander getrennte Handlungsabschnitte. Die Grobgliederung ist damit vorgegeben. Das Geschehen in der Gaststätte und die Ereignisse vor dem Haus sind getrennt voneinander zu erörtern. 2. Bezüglich des Geschehens in der Gaststätte ist nur nach der Strafbarkeit des A gefragt. In bezug auf den geplanten Anschlag vor dem Haus ist die Strafbarkeit aller drei Tatbeteiligten zu prüfen. Hier empfiehlt es sich, mit der Strafbarkeit der G zu beginnen, da sie als einzige aktiv gehandelt hat. 3. Zu erörtern sind: In der Gaststätte: bei A: §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.; 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.; 229 Abs. 1, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.

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Vor der Haustüre: bei E und A: §§ 212, 23, 25 Abs. 2; 211, 23, 25 Abs. 2 und bei C: §§ 212, 211, 23, 25 Abs. 2, 24 Abs. 2; 30 Abs. 2; 31 Abs. 1 Nr. 3.

C. Lösungsskizze 1. Teil: In der Gaststätte Strafbarkeit des A 1. Versuchter Totschlag in mittelbarer Täterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 1,2. Alt.: +. a) Vollendung: -. b) Versuch strafbar: +, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1, da Verbrechen. c) Tatentschluß: +, A wollte den J zwar nicht eigenhändig töten, aber er hatte den Entschluß gefaßt, den J als mittelbarer Täter zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: +, wäre der Tatplan verwirklicht worden, so hätte die unmittelbare Gefährdung für das geschützte Rechtsgut mit dem Servieren des Bieres vorgelegen. 2. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1,2. Alt.: +. a) Tatentschluß auf Mordmerkmale bezogen: +. aa) niedrige Beweggründe: +. bb) Heimtücke: -. cc) Grausam: -. b) Unmittelbares Ansetzen: +, vgl. oben 1 d. 3. Versuchte Vergiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 229 Abs. 1,23,25 Abs. 1,2. Alt.: +. a) Versuch strafbar: +, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1, da Verbrechen. b) Tatentschluß: +, A wollte als mittelbarer Täter Gift i.S. des § 229 verabreichen. c) Unmittelbares Ansetzen: +, vgl. oben 1 d. d) Versuchte Vergiftung wird vom versuchten Mord konsumiert. 4. Ergebnis: Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Teil: Vor dem Haus /. Straßarkeit der E 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23,25 Abs. 2: +. a) Vollendung: -. b) Versuch strafbar: +, da Verbrechen, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1. c) Tatentschluß: +, E ist Mitträgerin des mittäterschaftlich gefaßten Tatentschlusses, den J zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: +, mit dem Öffnen der Haustüre durch J. 2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211,23, 25 Abs. 2: +. a) Tatentschluß auf Mordmerkmale bezogen: +, Heimtücke: +. b) Unmittelbares Ansetzen: +, vgl. oben 1. Teil 1 d. II. Straßarkeit des A 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: +. a) Vollendung: -. b) Versuch strafbar: +, da Verbrechen, §§ 23 Abs. 1,12. Abs. 1. c) Tatentschluß: +, A war Mitträger des mittäterschaftlich gefaßten Tatentschlusses, den J zu töten. d) Unmittelbares Ansetzen: +, er muß sich das Verhalten der E zurechnen lassen. 2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: +. a) Tatentschluß: +, Heimtücke: +, Zurechnung als Mittäter. b) Unmittelbares Ansetzen: +, er muß sich den Tatbeitrag der E zurechnen lassen. III. Straßarkeit des C 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: +. a) Vollendung: -. b) Versuch strafbar: +, vgl., oben 1. Teil lb. c) Tatentschluß: +, C ist Mitträger des Tatplanes. d) Unmittelbares Ansetzen: +, er muß sich als Mittäter das Verhalten der E zurechnen lassen, auch wenn er selbst noch nichts getan hat.

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2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: + . Zurechnung der Heimtücke als Mittäter; vgl. II 2a-b. 3. Rücktritt vom Versuch, § 24 Abs. 2 S. 1: +. Vollendung der Tat verhindert: +, freiwillig: +. 4. Versuch der Beteiligung am Mord §§ 211, 30 Abs. 2: -. a ) § 30 Abs. 2 i.V. mit § 211: +. b) Rücktritt, § 31 Abs. 1 Nr. 3: +. C hat die Ausführung der Tat verhindert. 3. Teil: Gesamtergebnis 1. In der Gaststätte: A ist strafbar gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. 2. Vor dem Haus: E und A sind strafbar nach den §§ 211, 23, 25 Abs. 2. 3. C ist straffrei. 4. Die Taten des A stehen zueinander in Realkonkurrenz, § 53.

D. Gutachten 1. Teil: In der Gaststätte Straßarkeit des A 1. Versuchter Totschlag in mittelbarer Täterschaft, §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. Indem A den J durch Beibringen der Salzsäure töten wollte, könnte A sich eines versuchten Totschlages gem. §§ 212, 23 schuldig gemacht haben. a) Ein vollendeter Totschlag liegt nicht vor, da J nicht zu Tode gekommen ist. b) Der versuchte Totschlag ist strafbar, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1, da es sich um ein Verbrechen handelt. c) A müßte den vorbehaltlosen Tatentschluß gefaßt haben, den J zu töten. A wollte den J nicht mit eigener Hand töten, sondern die Tat durch O ausführen lassen. Gem. § 25 Abs. 1, 2Alt. wird aber auch derjenige als Täter bestraft, der die Tat durch einen anderen begeht, sog. mittelbarer Täter. Handeln als mittelbarer Täter bedeutet, daß der Täter ein Delikt durch eine andere Person begeht,

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

weil er deren Verhalten kraft seines planvollen Willens beherrscht. In Betracht kommt hier die Steuerung durch den Hintermann dadurch, daß dieser einen Irrtum des Tatmittlers benutzt, um die Tat zu begehen. A hat dem O erzählt, daß es sich bei dem Mittel in der Flasche nur um ein harmloses Schlafmittel handele, um ihn dazu zu bewegen, das Mittel in das Bier des J zu schütten. Dadurch wollte er O in einen Irrtum über die Gefährlichkeit des Mittels versetzen. O hätte nicht gewußt, daß er dem J ein tödliches Mittel beibringt. Deshalb hätte A das tödliche Verhalten des O beherrscht. Damit hat A den Entschluß gefaßt, den J durch den O als Werkzeug kraft Irrtums zu töten. Er hatte damit den erforderlichen Tatentschluß als mittelbarer Täter gem. § 25 Abs. 1, 2. Alt. d) Gem. § 22 muß der Täter nach seiner Vorstellung auch unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt haben. Fraglich ist hier, wie das Ansetzen bei der mittelbaren Täterschaft zu verstehen ist. Nach einer Ansicht setzt der mittelbare Täter schon dann unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, wenn er auf den Tatmittler einwirkt. Nach dieser Auffassung hätte A in dem Moment unmittelbar angesetzt, als er O das angebliche Schlafmittel gab. Eine andere Auffassung unterscheidet zwischen dem bösgläubigen und dem gutgläubigen Tatmittler. Beim bösgläubigen Tatmittler ist unmittelbares Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung gegeben, wenn dieser zur Tat ansetzt, beim gutgläubigen Tatmittler dann, wenn der mittelbare Täter auf ihn einwirkt. O ist gutgläubig, da er sich über den Inhalt des Fläschchens irrt. Nach dieser Auffassung wäre wiederum die Übergabe der Säure als unmittelbares Ansetzen zu betrachten. Nach einer dritten Auffassung gilt für das Ansetzen des mittelbaren Täters nichts anderes als für den selbst handelnden Täter. Danach setzt der mittelbare Täter unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, wenn nach seiner Vorstellung die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts eingetreten ist. Hiernach kommt es darauf an, ob A durch das Übergeben der Flasche an O mit der Anweisung, den Inhalt bei Gelegenheit in das Bier zu schütten, unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung des J angesetzt hat. Eine unmittelbare Gefährdung des Lebens des J wäre durch solche Handlungen eingetreten, die in ihrem räumlich-zeitlichen Zusammenhang unmittelbar in die tödliche Handlung übergehen. Dieser Zeitpunkt war mit der Aushändigung der Säure noch nicht erreicht, denn es stand in diesem Moment noch nicht einmal fest, ob und wann dem J das nächste Bier serviert werden sollte. Allerdings wäre die unmittelbare Gefährdung des Rechtsguts aus der Sicht

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des A in dem Moment eingetreten, wenn O die Säure in das Bier geschüttet und dann dem J das Bier serviert hätte. Als nach der Vorstellung des A dieser Zeitpunkt erreicht war, hat er unmittelbar zum Totschlag angesetzt. - Nach einer neuesten im Schrifttum vertretenen Ansicht soll ein Versuch des mittelbaren Täters allerdings nur solange in Betracht kommen, wie er das Geschehen beherrscht. Damit wird jedoch die Möglichkeit eines untauglichen Versuchs in diesem Bereich über Gebühr beschränkt. Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. A war sich auch der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens bewußt und handelte schuldhaft. A hat sich dadurch gem. §§ 212, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt. strafbar gemacht. 2. Versuchter Mord in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25Abs. 1, 2. Alt. a) Bei dem Verhalten des A könnte es sich sogar um einen versuchten Mord handeln. Dazu müßte sich der vorbehaltlose Tatentschluß des A auch auf eines der Merkmale des Mordes, § 211, bezogen haben. aa) In Betracht kommt zunächst das Mordmerkmal "niedrige Beweggründe". Das sind Beweggründe, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich sind. Die Absicht, den Ehemann zu töten, um ein Verhältnis mit der Ehefrau ungestört fortsetzen zu können, stellt nach allgemeiner sittlicher Wertung eine Form hemmungsloser Eigensucht dar, die verwerflich ist. A wollte den J daher aus niedrigen Beweggründen töten. Er hatte den Tatentschluß gefaßt, einen Mord zu begehen. bb) Aber auch das Mordmerkmal der "Heimtücke" könnte A in seinen Tatentschluß aufgenommen haben. Nach der Rechtsprechung handelt "heimtückisch", wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Arglos ist, wer zumindest beim Beginn des Tötungsversuchs von dem Täter keinen Angriff auf Leib und Leben befürchtet. Wehrlos ist, wer in seiner Abwehrbereitschaft oder Abwehrfähigkeit im Moment stark eingeschränkt ist. Da A gerade wollte, daß der J nicht merkt, daß A ihn unter Benutzung des O töten wollte, wollte A die Arg- und Wehrlosigkeit ausnutzen. A hat damit den Entschluß gefaßt, den J heimtückisch zu töten. Definiert man Heimtücke allerdings als Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses oder als Mißbrauch begründeten Vertrauens des Opfers, so kommt man hier zu einer Ablehnung des Mordmerkmals der Heimtücke. Denn zwischen J und A bestand kein enges Gemeinschaftsverhältnis, das A zur Tat ausgenutzt hätte.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Dieser Auffassung ist zu folgen, denn sie bietet die Möglichkeit, das Merkmal der Heimtücke konkreter und enger zu fassen, und verhindert so eine Ausuferung des Tatbestandes. A hat demnach nicht den Entschluß gefaßt, den J heimtückisch zu töten. cc) Dadurch, daß A den J, wenn auch in mittelbarer Täterschaft, durch die Säure töten wollte, könnte das Merkmal "grausam" in Betracht kommen. Grausam handelt derjenige, der dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besondere Schmerzen oder Qualen zufügen will. Dies wollte A nicht. Es kam ihm nicht darauf an, dem J besondere Qualen zuzufügen. Er wollte J nur möglichst schnell beseitigen. Damit hat A nicht den Entschluß gefaßt, den J grausam zu töten. b) A hat auch unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt (vgl. oben ld). A hat sich also eines versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 1,2. Alt. schuldig gemacht. 3. Versuchte Vergiftung in mittelbarer Täterschaft, §§229Abs. 1, 23 Abs. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt. Durch die beabsichtigte Verabreichung der Salzsäure könnte A sich einer versuchten Vergiftung gem. §§ 229 Abs. 1, 23 schuldig gemacht haben. a) Eine vollendete Vergiftung liegt nicht vor, aber auch der Versuch der Vergiftung ist strafbar, da es sich bei § 229 Abs. 1 um ein Verbrechen handelt, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1, 229 Abs. 1. b) A hatte den Entschluß gefaßt, dem J durch den Kellner O Salzsäure beibringen zu lassen (vgl. oben 1 b). c) Salzsäure ist ein Stoff i. Sinne des § 229, denn der Genuß ist geeignet, die Gesundheit zu zerstören. Zum Beibringen dieses Stoffes hatte A unmittelbar angesetzt (vgl. oben 1 d). - A handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. d) Der Unrechtsgehalt dieses Delikts wird aber durch den versuchten Mord konsumiert. 4. Ergebnis: A hat sich eines versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 1, 2. Alt., schuldig gemacht. 2. Teil: Vor dem Haus I. Strafbarkeit der E 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25Abs. 2 a) Der Totschlag ist nicht vollendet, J lebt noch.

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b) Der Versuch ist strafbar, §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1, es handelt sich um ein Verbrechen. c) E müßte den Entschluß gefaßt haben, den J zu töten. E wollte den J nicht eigenhändig töten. Dies sollte vielmehr durch den C geschehen. E könnte aber als Mittäterin zusammen mit A und C den Tatentschluß gefaßt haben. Mittäter ist, wer im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen einen Unrechtstatbestand derart erfüllt, daß die Tätermerkmale in der Person eines jeden Mitwirkenden vorliegen, d.h., daß jeder Mitträger des Tatentschlusses ist und an der Tatausführung arbeitsteilig mitwirkt, § 25 Abs. 2. A, E und C wollten hier gemeinschaftlich den J töten. Dabei war die Arbeitsteilung zwischen den drei Personen derart verabredet, daß jeder einen Teil der Tatausführung übernahm. E hat also als Mittäterin den Entschluß gefaßt, den J zu töten. d) E ist aber nur dann wegen eines versuchten Totschlags strafbar, wenn sie auch unmittelbar zur Tat angesetzt hat. Das unmittelbare Ansetzen könnte darin liegen, daß E das Zeichen gibt, als J das Haus verlassen will. Vertritt man die Auffassung, daß ein unmittelbares Ansetzen erst dann vorliegt, wenn das Rechtsgut, das verletzt werden soll, unmittelbar gefährdet ist, so liegt kein Ansetzen vor. Denn allein durch das Zeichen wird das Rechtsgut "Leben" des J noch nicht gefährdet. Es müssen hier noch weitere Schritte hinzu kommen. Auch wenn man mit der Formel der Rechtsprechung arbeitet, daß die Schwelle zum "jetzt geht's los" überschritten sein muß, hat E noch nicht unmittelbar angesetzt. Denn die Handlung der E, das Zeichen, mündet noch nicht ohne Zwischenakte in die Tat, denn J selber muß noch aus der Tür treten. Nach beiden Auffassungen liegt aber ein unmittelbares Ansetzen dann vor, als J die Haustüre öffnet. Denn nach dem gemeinsamen Tatplan sollte jetzt der tödliche Schuß fallen und E ging davon aus, daß dieser fallen wird. Dieser Schuß wäre der E auf Grund des mittäterschaftlichen Vorgehens als eigene Tat zuzurechnen gewesen. Mit dem Öffnen der Haustüre durch J war demnach der Zeitpunkt erreicht, in dem E nach ihrer Vorstellung und dem gemeinsamen Tatplan unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt hatte. e) Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. f) E handelte auch schuldhaft. g) E hat sich gem. §§ 212, 23, 25 Abs. 2 eines versuchten Totschlags in Mittäterschaft schuldig gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25Abs. 2 a) E könnte sich auch eines versuchten Mordes schuldig gemacht haben. Dann müßte ihr Tatentschluß auch Mordmerkmale umfaßt haben. In Betracht kommt hier allein die Heimtücke. Nach beiden (vgl. oben 1. Teil 2 a, bb) aufgezeigten Auffassungen kommt man hier zur Bejahung der Heimtücke. Denn E, als Ehefrau, hat sowohl die Arg- und Wehrlosigkeit ihres Mannes ausnützen wollen, als auch das zwischen Eheleuten bestehende Vertrauensverhältnis auszunutzen versucht. E hat damit das Mordmerkmal der Heimtücke in ihren Tatentschluß mit aufgenommen. b) Zum unmittelbaren Ansetzen gilt das oben - 1 d - Gesagte. Die Schuld der E liegt vor. E hat sich also eines versuchten Mordes in Mittäterschaft schuldig gemacht, §§ 211,23, 25 Abs. 2. II. Straßarkeit des A 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25Abs. 2 A könnte sich eines versuchten Totschlages schuldig gemacht haben. a) Ein vollendeter Totschlag liegt nicht vor. b) Der Versuch des Totschlags ist strafbar, da es sich um ein Verbrechen handelt, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1. c) A muß auch den erforderlichen Tatentschluß haben. A wollte gemeinsam mit E und C töten, sein Tatbeitrag sollte in dem Wegfahren des Fluchtautos liegen. A ist demnach als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 zu betrachten. d) Fraglich ist, ob A unmittelbar zur Verwirklichung der Tötung angesetzt hat. A hat selbst noch nichts getan, er sitzt in dem Auto und wartet. Es stellt sich daher die Frage, welche Voraussetzung für das unmittelbare Ansetzen bei dem Vorliegen einer Mittäterschaft erforderlich sind. Nach der herrschenden Auffassung beginnt bei Mittätern der Versuch für alle Mittäter, wenn zumindest einer der Mittäter in Vollzug des gemeinsamen Tatplans zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar angesetzt hat (Gesamtlösung). Nach dieser Auffassung muß sich A das unmittelbare Ansetzen der E zur Tat zurechnen lassen. Auch A hat demnach im Moment des unmittelbaren Ansetzens zur Tat durch E unmittelbar zur Tat angesetzt. Die Mindermeinung stellt für den Versuchsbeginn auf das Verhalten eines jeden einzelnen Mittäters ab. Damit wird jedoch die Institution der Mittäterschaft in diesem Bereich zerstört.

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e) Pflichtbegrenzende Merkmale sind nicht ersichtlich. Unrechtsbewußtsein und Schuld liegen vor. Damit hat sich A eines versuchten Totschlages schuldig gemacht. 2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25Abs. 2 a) A könnte auch den Tatentschluß dahingehend gefaßt haben, Mordmerkmale zu erfüllen. In Betracht kommt hier wieder das Mordmerkmal der Heimtücke. A selbst wollte jedoch nicht eigenhändig heimtückisch handeln, er selbst konnte nicht die Arg- und Wehrlosigkeit oder das Vertrauensverhältnis des J ausnutzen, da er mit J nicht in Kontakt kam. Zu fragen ist daher, ob sich A das Merkmal der Heimtücke, das die E im Rahmen des Tatplans verwirklicht hat, zurechnen lassen muß. - Dies wäre nicht der Fall, wenn die Heimtücke als besonderes persönliches Merkmal i.S. des § 28 anzusehen wäre, § 28 Abs 2. Werden als besondere persönliche Merkmale nur Sonderpflichtmerkmale anerkannt und § 211 als Qualifizierung des § 212 begriffen, so kann § 28 im Rahmen der Tötungsdelikte keine Bedeutung erlangen. Die h.M. identifiziert die besonderen persönlichen Merkmale i.S. des § 28 mit sog. täterbezogenen Merkmalen. Da aber die Mordmerkmale der zweiten Gruppe, unter die auch die Heimtücke fällt, als tatbezogene Merkmale angesehen werden, greift § 28 nicht ein. Damit ist dem A nach beiden Auffassungen die Verwirklichung des Mordmerkmals "Heimtücke" im Rahmen der Mittäterschaft zuzurechnen. b) Zum unmittelbaren Ansetzen zur Verwirklichung des Tatbestandes vgl. oben 1 d. A handelte auch schuldhaft. A hat sich damit eines versuchten Mordes in Mittäterschaft gem. §§ 211, 23, 25 Abs. 2 schuldig gemacht. III. Strafbarkeit des C 1. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25Abs. 2 Indem C sich bereiterklärte, auf den J zu schießen, und den Tatort aufsuchte, könnte er sich eines versuchten Totschlages in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. a) Eine Vollendung des Totschlags liegt nicht vor. b) Der Versuch des Totschlags ist strafbar (vgl. oben II 1 b).

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

c) Ferner müßte C den erforderlichen vorbehaltlosen Tatentschluß gefaßt haben, den J zu töten. C wollte, gemeinsam mit A und E, den J töten. Damit hatte er den erforderlichen Tatentschluß. d) Weiter müßte C unmittelbar zur Tat angesetzt haben. Nach der oben aufgestellten Prämisse, daß das unmittelbare Ansetzen eines Mittäters für alle anderen Mittäter wirkt, muß er sich das Verhalten der E zurechnen lassen. C hat also auch unmittelbar zur Tat angesetzt. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft. 2. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25Abs. 2 Als Mittäter muß C sich auch die Verwirklichung des Mordmerkmals Heimtücke zurechnen lassen; vgl. oben II 2 a-b. 3. Rücktritt vom Versuch, § 24 Abs. 2 Es ist jedoch zu fragen, ob C von der Tat gem. § 24 Abs. 2 S. 1 zurückgetreten ist. - § 24 Abs. 2 S. 1 gewährt dem Tatbeteiligten Straffreiheit, der die Vollendung der Tat freiwillig verhindert. Im vorliegenden Fall hat C dadurch, daß er es unterließ zu schießen, die weitere Tatausführung verhindert. Sein aktives Zutun (der Schuß) wäre erforderlich gewesen, um die Tat zu vollenden. C ist daher von der weiteren Tatausführung zurückgetreten. Dieser Rücktritt geschah auch freiwillig. C ging weg, weil er es sich anders überlegt hatte. - Daß die Rücktrittshandlung bereits vor Versuchsbeginn erfolgte, ist irrelevant. Ein Versuch liegt auch in der Person des C vor, weil dieser sich die Versuchshandlung der anderen Mittäter zurechnen lassen muß. Sein Fortgehen ändert daran nichts. Da dieses Fortgehen sich aber auf die weitere Deliktsverwirklichung dahingehend auswirkte, daß es den Erfolgseintritt verhinderte, ist das Fortgehen dem C als Rücktritt vom Versuch zuzurechnen. C hat bewirkt, daß der Verbrechenserfolg nicht eintreten konnte. C ist damit strafbefreiend vom Versuch des Mordes zurückgetreten, § 24 Abs. 2 S. 1. 4. Versuch der Beteiligung am Mord, §§ 211, 30 Abs. 2 a) Dadurch, daß C sich mit A und E verabredet hat, den J heimtückisch zu töten, also ein Verbrechen zu begehen, könnte er nach §§ 30 Abs. 2, 211 strafbar sein.

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b) Aber auch hier könnte C Straffreiheit erlangt haben dadurch, daß er vom Tatort weggegangen ist. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 wird nämlich nicht bestraft, wer, nachdem er das Verbrechen verabredet hat, die Tat verhindert. Dies hat C hier getan, als er seinen Tatbeitrag der zur Deliktsverwirklichung notwendig war, den Schuß, unterließ. C ist demnach strafbefreiend vom Versuch der Beteiligung zurückgetreten. 5. Ergebnis: C ist straffrei 3. Teil: Gesamtergebnis 1. In der Gaststätte: A ist strafbar wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft, §§ 211, 25 Abs. 1, 2. Alt. Alle anderen Tatbestände werden im Wege der Gesetzeskonkurrenz konsumiert. 2. Vor dem Haus: E und A sind jeweils strafbar wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft, §§ 211, 23, 25 Abs. 2. 3. C bleibt straffrei. 4. Konkurrenzen: Die Straftaten des A stehen in Realkonkurrenz: §§ 211, 23,25 Abs. 1,2. Alt.; 211, 23,25 Abs. 2; 53.

E. Anmerkungen 1. Der Aufbau der Prüfung der §§ 212, 211 machte den Bearbeitern besondere Schwierigkeiten, die sich keine Gedanken über das Verhältnis der beiden Tatbestände zueinander gemacht hatten. Jedoch unabhängig davon, ob man § 212 als Grundtatbestand des § 211 ansieht oder ob man mit der Rechtsprechung davon ausgeht, daß es sich um zwei unabhängige Tatbestände handelt, ist es falsch, mit der Erörterung der Qualifikationsmerkmale des § 211 zu beginnen. Auch wenn man § 211 als selbständigen Tatbestand auffaßt und mit der Prüfung des § 211 beginnt, muß man zuerst die Tötung erörtern. 2. Die Tatsache, daß A den J nicht eigenhändig töten wollte, führte zu groben Fehlformulierungen bei der Darlegung des Tatentschlusses des A. Diese Fehlerquelle läßt sich entweder dadurch umgehen, daß der Tatentschluß schon dahingehend formuliert wird: "A müßte den Entschluß gefaßt haben, als Täter den J zu töten", oder aber durch die Differenzierung dahingehend, daß A zwar den J nicht eigenhändig töten wollte, aber den Entschluß gefaßt hatte, den J als mittelbarer Täter zu töten. 3. Innerhalb des Theorienstreites zum Versuchsbeginn war der Bearbeiter in seiner Entscheidung frei. Maßgeblich konnte allein sein, daß er seine Meinung verständlich darlegte und die von ihm gesetzten Prämissen durchhielt. 4. Die Ausführungen bezüglich der Zurechnung des Geschehens vor der T ü r litten wesentlich darunter, daß die Bearbeiter die Frage des Verhältnisses der

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Tatbeteiligten zueinander (Mittäterschaft/Teilnahme) zu ungenau erörterten und daher nicht fähig waren, die entsprechenden Konsequenzen ihrer Prämissen zu ziehen. 5. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Der Fall ist der Entscheidung BGHSt. 30 S. 363 nachgebildet. Die Entscheidung hat eine lebhafte Diskussion über den Versuchsbcginn bei der mittelbaren Täterschaft ausgelöst vgl. dazu: KADEL GA 1983 S. 299 ff; KÜHL JUS 1983 S. 180; KÜPER J Z 1 9 8 3 S. 3 6 1 ff.

2. Zur Vertiefung der Probleme des Versuchs und Rücktritts bei Tatbeteiligung mehrerer vgl. OTTO JA 1980 S. 641 ff, 707 ff. 3. Der Versuch der Beteiligung am Mord, §§ 30 Abs. 2, 211 tritt nach einer verbreiteten Auffassung im Wege der Subsidiarität zurück, sobald - wie hier - auch nur der Versuch der Haupttat begangen wurde; vgl. BGHSt. 14 S. 378; BGH NStZ 1983, S.364; CRAMER in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 23. Aufl. 1988, $ 30 Rdn. 40.

Anfängerklausur Nr. S: Bierkistenfall

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Anfängerklausur Nr. 5: Bierkistenfall A. Sachverhalt A, der sich in der Gaststätte des X grob ungebührlich benommen hatte, ist von X und einigen Gästen vor die Tür gesetzt worden. Gerade rappelt er sich an einem draußen stehenden Stapel von Bierkästen wieder hoch, als B ihm zuruft: "Zeig's ihnen, knall ihnen 'nen Kasten übern Kopf!" A ergreift daraufhin voller Rachedurst einen Bierkasten, schwenkt ihn herum und schlägt ihn dem neugierig herbeigeeilten C, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat, an den Kopf. C erleidet eine Gehirnerschütterung. 1. A glaubt nämlich, auch der C habe ihn mit aus der Gastwirtschaft befördert. Als er von seinem Irrtum erfährt, ist er sehr betrübt und versichert, er habe niemals einen am Hinauswurf Unbeteiligten treffen wollen. B ist geradezu entsetzt über die Verletzung des C, mit dem er gut befreundet ist. 2. A weiß, daß C nicht zu seinen Widersachern gehört. Er wollte den X treffen, hat aber beim Ausschwenken des Kastens die Entfernung zu C falsch eingeschätzt und diesen daher versehentlich getroffen. Haben A und B sich strafbar gemacht? - Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt.

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Der Sachverhalt enthält zwei voneinander unabhängige Varianten. Jede dieser Varianten ist daher als eigenständiger Fall zu behandeln. 2. Erste Alternative: a) Zu beginnen ist mit A, da dieser am tatnächsten ist und dem B mehr die Rolle eines Teilnehmers zuzukommen scheint. (Grundsatz der Akzessorietät!) b) In Betracht kommen bei A: §§ 223, 223 a, bei B: §§ 223, 223 a, 23, 26; 223, 223 a, 30; 230. 3. Zweite Alternative: Zu erörtern bei B: Anstiftung zur Körperverletzung, falls bei A vorsätzliche Körperverletzung bejaht wird, sonst § 230. Außerdem §§ 223, 223 a, 23, 26.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

C. Lösungsskizze 1. Alternative 1. Strajbarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223: +. Notwehr, § 32: -, rechtfertigender Notstand, § 34: -. 2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a: +. Gefährliches Werkzeug und lebensgefährdende Behandlung: +. II. Strafbarkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 26: -, vorsätzliche Tat des A liegt vor, doch wollte B nicht diese Tat des A, sondern eine andere. 2. Versuchte Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§223, 223 a, 30: -, gefährliche Körperverletzung ist kein Verbrechen. 3. Fahrlässige Körperverletzung, § 230: + , Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen. 2. Alternative I. Strafbarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223: -, Vorsatz fehlt, da wesentliche Abweichung des vorgestellten vom realisierten Kausalverlauf. 2. Fahrlässige Körperverletzung, § 230: +. II. Strafbarkeit des A wegen der geplanten Verletzung des X Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23: +, Versuch der gefährlichen Körperverletzung strafbar. III. Strafbarkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung des C, §§ 223, 223 a, 26: -, da keine vorsätzliche Haupttat. 2. Fahrlässige Körperverletzung des C, § 230: +, Vorhersehbarkeit noch gegeben. 3. Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung an X, §§ 223, 223 a, 23, 26: +.

Anfängerklausur Nr. 5: Bierkistenfall

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D. Gutachten 1. Alternative I. Strafbarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223 Indem A dem C den Bierkasten an den Kopf schlug, könnte er sich einer Körperverletzung, § 223, schuldig gemacht haben. a) Dann müßte der Schlag mit dem Bierkasten eine körperliche Mißhandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung des C bewirkt haben. - Körperliche Mißhandlung ist jede üble unangemessene Behandlung des Körpers einer Person, welche die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt. Der Schlag mit einem Bierkasten an den Kopf fällt darunter. - Gesundheitsbeschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes. Eine Gesundheitsbeschädigung liegt vor, denn eine Gehirnerschütterung ist ein krankhafter Zustand. b) Fraglich erscheint es jedoch, ob A vorsätzlich gehandelt hat. Der Vorsatz des A könnte dadurch ausgeschlossen sein, daß er nur jemanden treffen wollte, der an dem Hinauswurf beteiligt war. A hatte im Augenblick der Tat den Willen, den C mit dem Bierkasten zu treffen. Diesen Willen realisierte er in der Tat. Die Frage, warum er den C treffen wollte, ist für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 223 unwesentlich, weil dieser zwischen den Motiven des Täters nicht differenziert. Der A hat den Menschen körperlich verletzt, den er verletzen wollte, sein Irrtum ist ein für den Vorsatz unbeachtlicher Motivirrtum (error in persona). c) Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des A könnte durch Notwehr, § 32, ausgeschlossen sein. Dann müßte zunächst ein rechtswidriger, gegenwärtiger Angriff vorliegen. Ein Angriff, d.h. eine drohende Rechtsgutsverletzung durch Menschen, liegt in dem Hinauswurf des A durch X und einige Gäste. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob sich X oder die Gäste rechtspflichtwidrig verhielten, bzw. ob der Angriff nicht schon beendet und damit nicht mehr gegenwärtig war. Entscheidend ist hier nämlich, daß sich die Abwehrhandlung jedenfalls nicht gegen den Angreifer richtete, sondern gegen den unbeteiligten C. Daher scheidet Notwehr aus. d) In Betracht kommt außerdem rechtfertigender Notstand, § 34. Dann müßte zunächst eine gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut des A vorgelegen haben.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Gefahr ist ein Zustand, der den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten läßt. Der Hinauswurf stellt einen Eingriff in die Willensfreiheit und die körperliche Integrität des A dar. Nachdem A vor die Tür gesetzt worden war, dauerte die Gefahr jedoch nicht mehr an, d.h. sie war nicht mehr gegenwärtig. § 34 rechtfertigt das Verhalten des A nicht. e) A hat auch schuldhaft gehandelt. 2. Gefährliche Körperverletzung §§ 223, 223 a In dem Schlag mit dem Bierkasten könnte eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges sowie mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung liegen. a) Der Bierkasten, gegen den Kopf des C geschleudert, ist nach der konkreten Art seiner Benutzung geeignet, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, und somit gefährliches Werkzeug im Sinne des § 223 a Abs. 1. Darüber war sich A auch im klaren. b) Der Schlag mit dem Bierkasten gegen den Kopf des C ist sowohl bei abstrakter als auch bei konkreter Betrachtungsweise geeignet, eine Lebensgefährdung hervorzurufen, so daß es auf die diesbezügliche Streitfrage hier noch nicht ankommt. Allerdings sagt der Sachverhalt nichts darüber aus, daß A die konkrete Lebensgefährdung des C erkannt hatte. Er war sich aber der Umstände bewußt, die sein Verhalten zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machten. Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, daß er diese Umstände nicht in ihrer gefährlichen Bedeutung erkannte. Daher hat er vorsätzlich gehandelt, wenn man auf eine abstrakte Lebensgefährdung abstellt. Diejenigen, die eine konkrete Lebensgefahr verlangen, weisen darauf hin, daß es sich bei § 223 a in allen Alternativen um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Für eine abstrakte Betrachtungsweise spricht demgegenüber entscheidend, daß andernfalls dieser Alternative keine eigenständige Bedeutung zukäme, da zugleich immer ein versuchter Totschlag vorläge. Folgt man der zuletzt genannten Meinung, ist im vorliegenden Fall auch das Merkmal "mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung" zu bejahen. II. Strafbarkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 26 a) Die Verletzung des C durch A erfolgte durch eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat (vgl. oben 11). b) Durch seine Aufforderung: "Zeig's ihnen, knall ihnen 'nen Kasten übern Kopf!" brachte B den A auf die Idee, mit dem Schlag auf den Kopf zu reagieren. Er verursachte daher den Tatentschluß.

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In der psychischen Ausnahmesituation, in der sich A befand, war er nicht in der Lage, sich abwägend mit derartigen Vorschlägen auseinanderzusetzen. Daher ist in dem Zuruf des B über die bloße Verursachung hinaus eine Einwirkung unmittelbar auf den Willen des A zu sehen. B bestimmte den A daher zu dessen Verhalten. c) Fraglich ist jedoch, ob der sog. doppelte Vorsatz des Anstifters hier gegeben ist. Dazu müßte sich B erstens des konkreten Tatgeschehens in groben Zügen bewußt sein und zweitens müßte er wissen, daß er A zu dieser Haupttat bestimmt. Was die erste Voraussetzung betrifft, kam es dem B im hier vorliegenden Sachverhalt nicht darauf an, daß der C verletzt wurde, sondern er ging davon aus, daß A einen von denen treffen würde, die den A aus der Gaststätte geworfen hatten. Die von A begangene Tat stimmte demnach nicht mit der von B geplanten überein. B wollte nicht, daß irgendwelche Personen verletzt wurden, sondern daß ganz bestimmte Personen zu Schaden kommen sollten. Bei den verletzten Rechtsgütern handelte es sich um höchstpersönliche Rechtsgüter, daher kann man nicht von einer Identität des verletzten Rechtsguts mit dem nach dem Plan des B zu verletzenden Rechtsgut ausgehen. - Aus der Sicht des B war die Tat, die der A beging, eine andere als die, zu der B ihn bestimmen wollte. Zu der Verletzung des C hat B den A daher nicht vorsätzlich bestimmt. 2. Versuchte Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung des C, §§ 223, 223 a, 30 Eine Bestrafung nach §§ 223, 223 a, 30 kommt nicht in Betracht, da die gefährliche Körperverletzung kein Verbrechen, sondern nur ein Vergehen ist, §§ 223 a Abs. 1,12 Abs. 1. 3. Fahrlässige Körperverletzung, § 230 B könnte sich jedoch der fahrlässigen Körperverletzung gem. § 230 schuldig gemacht haben. a) Eine körperliche Mißhandlung und auch eine Gesundheitsbeschädigung des C liegen vor (vgl. oben 11). b) Durch seinen Zuruf hat B auch eine Gefahr für den C begründet. c) Da jedoch, wie oben ausgeführt, der A die Verletzung des C zu verantworten hat, ist zu prüfen, ob sich die Gefahr realisiert hat, die B durch sein Verhalten begründet hat. Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem Zuruf des B und der Verletzung des C läge vor, wenn B nur Voraussetzungen geschaffen hätte, die A für die Verwirklichung

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

der Körperverletzung an C genutzt hätte. Das würde selbst dann gelten, wenn in diesem Schaffen von Voraussetzungen schon erhebliche Gefahren für die Körperintegrität des C begründet gewesen wären: Wer frei verantwortlich handelnd die Herrschaft über einen derartigen Geschehensablauf übernimmt, haftet für den Erfolg und schließt zugleich, vom Moment der Übernahme an, andere Personen von der Haftung aus. Der hier zu entscheidende Sachverhalt liegt jedoch anders. B hat nicht nur Voraussetzungen für die Haftung des A geschaffen, sondern den Willen des A zu der Körperverletzung bestimmt. Durch die Bestimmung des Willens des A wurde B Mitbeteiligter an dem Geschehen, wenn auch in untergeordneter Form. Es entlastet ihn nicht, daß der Plan nicht seinen Vorstellungen gemäß realisiert wurde. Die gefährliche Beeinflussung des Willens des A, die unmittelbar zur Verletzung des C führte, ist ihm als eigenständige Begründung eines Risikos für den Körper des C zuzurechnen. d) Die Möglichkeit einer Verletzung des C war für B auch vorhersehbar, denn daß A in seinem Erregungszustand den Anzugreifenden ruhig auswählte, war nicht zu vermuten. e) Die Gefährdung des C durch B war pflichtwidrig seitens des B. f) Dieser handelte auch schuldhaft. g) B hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung, § 230, schuldig gemacht. 2. Alternative

I. Straßarkeit des A wegen der Verletzung des C 1. Körperverletzung, § 223 a) Die objektiven Voraussetzungen des Grundtatbestandes, § 223, liegen vor (vgl. oben 1. Alt. 11). b) Der Vorsatz des A, den C zu verletzen, könnte jedoch fehlen. A wollte den X treffen. Auf eine Körperverletzung dieser Person war sein Wille gerichtet. Allein durch ein Versehen ging sein Schlag fehl. Aus der Sicht des A war es auch nicht gleichgültig, welche Person er traf, denn es kam ihm nicht darauf an, irgendeine Person zu verletzen. Aufgrund der Höchstpersönlichkeit des verletzten Rechtsguts kann vom Rechtsgut her die Verletzung des C auch nicht der des X gleichwertig sein. Die durch das Versehen verwirklichte Tat ist nicht identisch mit der von A angestrebten Tat, es liegt eine wesentliche Abweichung des realisierten von dem

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geplanten Kausalverlauf vor (aberratio ictus). Der Vorsatz des A, den C zu verletzen, fehlt. 2. Fahrlässige Körperverletzung § 230 a) Der Erfolg einer Körperverletzung in der Person des C ist eingetreten (vgl. oben 1. Alt. 11). b) Durch das Schwenken des Bierkastens begründete A eine Gefahr für den Körper des C. c) Aus dieser Gefahr realisierte sich die Körperverletzung des C. d) Der Erfolg war für A vorhersehbar. A handelte sorgfaltspflichtwidrig und schuldhaft. e) A hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung an C schuldig gemacht. II. Strafbarkeit des A wegen der geplanten Verletzung des X 1. Versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23 a) Eine vollendete Körperverletzung des X liegt nicht vor. b) Der Versuch einer gefährlichen Körperverletzung ist strafbar, § 223 a Abs. 2. c) A wollte seinen Widersacher X mit dem Bierkasten treffen. Er faßte also den Entschluß, eine gefährliche Körperverletzung (vgl. 1. Alt. I 2) zu begehen. Mit dem Ausholen setzte er nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung an, denn in diesem Augenblick lag eine unmittelbare Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des X vor. d) Fraglich ist, ob pflichtbegrenzende Merkmale vorliegen. In Betracht kommt Notwehr, § 32. Ein Angriff lag vor (vgl. oben 1. Alt. 11). A hatte sich jedoch in der Gaststätte des X "grob ungebührlich" benommen. Daher ist davon auszugehen, daß X berechtigterweise von seinem Hausrecht Gebrauch machte und sich daher nicht rechtswidrig verhielt. Außerdem war der Angriff mit dem Hinauswurf beendet, d.h. nicht mehr gegenwärtig. e) A handelte auch schuldhaft. 2. Ergebnis Eine versuchte gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 223 a, 23 liegt vor.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

III. Strafbarkeit des B wegen der Aufforderung 1. Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung an C, §§ 223, 223 a, 26 Eine Bestrafung des B wegen Anstiftung des A zu der von A begangenen Körperverletzung an C scheidet aus, da die Anstiftung eine vorsätzliche Haupttat voraussetzt. A handelte jedoch bei der Körperverletzung an C nicht vorsätzlich. 2. Fahrlässige Körperverletzung an C, § 230 In Betracht könnte jedoch auch hier eine fahrlässige Körperverletzung des C, § 230, kommen, die dem B als selbständige Tat zuzurechnen wäre. a) Der Erfolg der Körperverletzung ist eingetreten (vgl. oben 1. Alt. I 1); B hätte die Möglichkeit gehabt, den Erfolgseintritt zu verhindern. b) Durch seine Aufforderung begründete B auch eine Gefahr für den Körper des C. c) Aus dieser Gefahr erwuchs die Körperverletzung des C (vgl. oben 1. Alt. II 3 c). d) Problematisch erscheint es jedoch, ob dem B die Körperverletzung des C vorhersehbar war. C wurde nur deshalb an seinem Körper verletzt, weil A einem Irrtum unterlag und dadurch die Entfernung zu X falsch einschätzte. Dieser Sachverhalt liegt jedoch nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß ein derartiges Versehen bei einer stark erregten Person durchaus im Rahmen des Vorstellbaren liegt. Die Verletzung des C durch A war daher durch B vorhersehbar. e) B handelte auch sorgfaltspflichtwidrig, indem er auf den Willen des A Einfluß nahm und dadurch die Gefahr für C begründete. f) Entschuldigungsgründe liegen nicht vor. g) B hat sich einer fahrlässigen Körperverletzung an C schuldig gemacht. 3. Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung an X, §§ 223, 223 a, 23, 26 a) Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat in der Form einer versuchten gefährlichen Körperverletzung liegt vor. b) B hat den A auch zu dieser Haupttat bestimmt (vgl. oben 1. Alt. II 1). c) Er war sich außerdem sowohl des konkreten Tatgeschehens bewußt als auch des Umstandes, daß er den A zu dieser Tat bestimmte. Daß die Haupttat im Versuchsstadium stecken blieb,

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stellt eine unwesentliche Abweichung des vorgestellten vom eingetretenen Geschehensablauf dar. d) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. e) B handelte auch schuldhaft. Gesamtergebnis: 1. Alternative: a) Der A: §§223, 223 a. b) Der B: § 230. 2. Alternative: a) Der A: §§ 230; 223,223a, 23; 52. b) Der B: §§ 230; 223a, 23, 26; 52.

E. Anmerkungen 1. Der Sachverhalt ist nachgebildet der Entscheidung OLG Neustadt NJW 1964 S. 311. 2. Die Schwierigkeiten des Falles liegen in der Argumentation. Zu gern hantiert der Anfanger mit Schlagworten wie z.B. "error in persona" oder "aberratio ictus", ohne sich darüber klar zu sein, daß die Verwendung derartiger Floskeln die Begründung, warum z.B. der Irrtum des A in der 1. Alternative unbeachtlich ist, nicht ersetzen kann. Die Arbeiten, in denen diese Stichworte überhaupt nicht auftauchen, sind erheblich besser, weil die Verf. nicht in die Versuchung kommen, der Begründung des Ergebnisses auszuweichen. 3. Durchweg wurde die Problematik, daß der "error in persona" des Haupttäteis eine "aberratio ictus" des Teilnehmers sein könnte, auch von den Bearbeitern nicht angesprochen, denen die Unterschiede in dieser Problematik beim Alleintäter geläufig waren. 4. Die fahrlässige Körperverletzung durch B ließ sich zumindest in der zweiten Alternative mit guten Gründen ablehnen. 5. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Vgl. OLG Neustadt NJW 1964 S. 311. 2. Die Problematik der aberratio ictus und des error in persona in ihrem Zusammenspiel beschäftigt die Lehre seit der berühmten Entscheidung des Preuß. Obertribunal im Fall Rose-Rosahl - veröffentlicht in GA 7 S. 332 ff. - Vgl. im einzelnen dazu, Orro Grundkurs Strafrecht, A.T., § 7 VI 3.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Anfängerklausur Nr. 6: Gaststättenfall A. Sachverhalt In der Gaststätte des G sind A und B in Streit geraten. Als G schlichten will, schlägt A ihm mit voller Wucht gegen den Kopf. Durch die Wucht des Schlages gerät G aus dem Gleichgewicht, taumelt und fällt zu Boden. Er schlägt mit dem Schädel auf die Betondecke auf. B, der sich schon lange über G geärgert hat, nutzt die Gelegenheit und tritt dem am Boden liegenden G mit großer Wucht gegen den Kopf. G stirbt 2 Stunden später an den Folgen eines Schädelbruchs. Ob der Schädelbruch durch das Aufschlagen oder durch den Fußtritt oder beides erst im Zusammenwirken zum Tod des G geführt hat, läßt sich nicht feststellen. Daran, daß G sterben könnte, haben weder A noch B gedacht. Unmittelbar nachdem er den G niedergeschlagen hat, macht sich A davon, springt in sein Kraftfahrzeug und fährt mit überhöhter Geschwindigkeit - 70 km/h - davon. Als er um die erste Kurve kommt, erfaßt er mit seinem Fahrzeug den betrunkenen Rentner R, der vor das Auto torkelt. Den Tod des R hätte der A auch bei erheblich geringerer Geschwindigkeit nicht vermeiden können. Wie haben sich A und B strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Weg zur Fallösung 1. Der Sachverhalt besteht aus zwei voneinander unabhängigen Abschnitten. Diese bieten sich als' Grobgliederungspunkte an. Im Rahmen des ersten Sachverhaltsabschnittes kann dann nach Personen untergliedert werden. 2. Im ersten Teil erscheint es sodann zweckmäßig, die Prüfung mit A zu beginnen, da dieser das Geschehen ausgelöst hat. 3. Der Sachverhalt weist im ersten Teil ausdrücklich darauf hin, daß weder A noch B an die Möglichkeit des Todes des G gedacht haben. Deshalb liegt eine Prüfung des § 212 fern. In Frage kommen vor allem Körperverletzungsdelikte sowie fahrlässige Tötung. Dabei erscheint es sinnvoll, wegen der Möglichkeit der Körperverletzung mit Todesfolge mit dem Grundtatbestand der Körperverletzungsdelikte, § 223, zu beginnen, § 223a kurz anzusprechen und sodann zu § 226 überzugehen. - § 222 würde von § 226 konsumiert werden. 4. Der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Tatplan und damit eine mögliche Mittäterschaft von A und B. 5. Auch im zweiten Teil ist kein Anhaltspunkt für einen Tötungsvorsatz des A gegeben. Die Prüfung kann deshalb sogleich mit § 222 begonnen werden.

Anfängerklausur Nr. 6: Gaststättenfall

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C. Lösungsskizze 1. Teil: Das Geschehen in der Gastwirtschaft I. Strafbarkeit des A: Der Schlag 1. §223: +. a) Körperliche Mißhandlung: +. b) Gesundheitsbeschädigung: +. c) Vorsatz: +. d) Rechtswidrigkeit: +. e) Schuld: +. 2. § 223 a: +. a) Grundtatbestand: +. b) Mittels eines gefährlichen Werkzeugs: da Faust als Körperteil kein gefährliches Werkzeug; Betondecke nicht zur Verletzung eingesetzt. c) Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung: + , da konkrete Lebensgefahr eingetreten. d) Von mehreren gemeinschaftlich: da A und B unabhängig voneinander und nacheinander handeln. e) Vorsatz: -, da nicht einmal Bewußtsein abstrakter Lebensgefahr (aA. Kenntnis der die Lebensgefahr begründenden Umstände genügt). 3. § 226: -. a) Grundtatbestand: +. b) Erfolg: +. c) Erfolg typische, spezifische Folge der Körperverletzung: da nicht feststellbar, welche Gefahr sich im Tode des G realisiert hat. 4. § 227: -. a) Schlägerei: -, nicht mehr als zwei Personen aktiv beteiligt, da G schlichten wollte. b) Von mehreren gemachter Angriff: -, kein einheitlicher Angriffswille von A und B. 5. § 222: -. a) Erfolg eingetreten: +. b) Vermeidemöglichkeit: +. c) Gefahrbegründung: +. d) Gefahrrealisierung: -, da nicht feststellbar, welche Gefahr sich im Tod des G realisiert hat. 6. Zwischenergebnis: Strafbarkeit gem. § 223.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

II. Straßarkeit des B: Der Tritt 1. § 223: +, auch Fußtritt ist üble unangemessene körperliche Behandlung; im übrigen vgl. entspr. Ausführungen zu A. 2. § 223 a: +. a) Grundtatbestand: +. b) Mittels eines gefährlichen Werkzeugs: +, beschuhter Fuß. c) Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung: +, da konkrete Lebensgefahr bestand. d) Gemeinschaftlich: -. e) Vorsatz: +, aber nur bezügl. der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs. 3. § 226: -. a) Grundtatbestand: +. b) Erfolgseintritt: +. c) Erfolg spezifische, typische Folge der Körperverletzung: nicht nachweisbar, welche Verletzung zum Tode führte.

da

4. § 227: -, vgl. oben. 5. § 222: -, da jedenfalls Gefahrrealisierung nicht nachweisbar. 6. Konkurrenzen: Strafbarkeit gem. § 223a, da § 223a Qualifikation zu § 223. 2. Teil: A überfährt den R 1. § 222: -. a) Erfolg eingetreten: +. b) Vermeidemöglichkeit: +. c) Gefahr begründet: +. d) Gefahr realisiert: +. e) Vorhersehbarkeit: +. f) Sorgfaltspflichtwidrigkeit: -, da durch zu schnelles Fahren die Gefahr für das Leben des R nicht über das erlaubte Maß gesteigert wurde. 2. § 315c Abs. 1 Nr. 2 d, Abs. 3 Nr. 2: -, kein grob verkehrswidriges Verhalten. Ergebnis: A hat sich gemäß § 223a, B gemäß § 223a strafbar gemacht.

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D. Gutachten 1. Teil: Das Geschehen in der Gastwirtschaft I. Strafbarkeit des A: Der Schlag 1. Körperverletzung, § 223 A könnte sich, indem er dem G an den Kopf schlug, einer Körperverletzung gem. § 223 schuldig gemacht haben. a) Der Schlag könnte eine körperliche Mißhandlung des G darstellen. Körperliche Mißhandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt. Das ist bei einem schweren Schlag gegen den Kopf der Fall. b) A könnte auch eine Gesundheitsbeschädigung hervorgerufen haben. Gesundheitsbeschädigung ist jedes Hervorrufen eines krankhaften Zustandes. Auch ohne daß man dem A den Schädelbruch des G anlastet, ruft ein Aufprall mit dem Kopf auf einen Betonfußboden zumindest starke Kopfschmerzen, Prellungen etc. hervor. A beschädigte den G daher auch an der Gesundheit. c) A war sich der Folgen seines Schlages bewußt, denn auch das Aufschlagen ist nur eine unwesentliche Abweichung vom vorgestellten Geschehen, wenn A an diese Folge seines Schlages nicht gedacht hätte, da es typischerweise im Gesamtgeschehen angelegt war. d) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. e) A handelte auch schuldhaft. Damit hat er sich gem. § 223 strafbar gemacht. 2. Gefährliche Körperverletzung, § 223 a a) A hat den Grundtatbestand der Körperverletzung verwirklicht; vgl. 1. b) Er könnte den G mittels eines gefährlichen Werkzeugs verletzt haben. Als gefährliche Werkzeuge sind nur Gegenstände anzusehen. Hier hat A den G mit der Faust geschlagen. Körperteile sind jedoch keine Gegenstände und können somit auch nicht als gefährliche Werkzeuge qualifiziert werden. Desweiteren könnte auch die Betondecke als gefährliches Werkzeug angesehen werden. Jedoch unabhängig von der Frage, ob auch unbewegliche Gegenstände als Werkzeug angesehen werden

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

können, hat A die Betondecke jedenfalls nicht dazu eingesetzt, um den G zu verletzen. Damit scheidet eine Verletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs aus. c) A könnte den G jedoch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung verletzt haben. Fraglich ist, ob dazu die konkrete Handlung nur abstrakt zur Herbeiführung der Lebensgefahr geeignet sein muß oder ob der konkrete Eintritt von Lebensgefahr erforderlich ist. Hier war der Schlag mit dem anschließenden Aufprall auf die Betondecke möglicherweise ursächlich für den Tod des G. Damit war aber durch die Handlung des A bereits eine konkrete Lebensgefahr begründet worden. A hat den G mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung verletzt. d) Eine Verletzung von mehreren gemeinschaftlich scheidet aus, da A und B unabhängig voneinander und nacheinander handeln. e) A müßte Vorsatz bezüglich der das Leben gefährdenden Behandlung gehabt haben. Nach dem Sachverhalt hat A nicht einmal daran gedacht, daß der Schlag tödlich sein könnte. Er war sich daher nicht einmal der abstrakten Lebensgefahr bewußt. - Zwar läßt die Rechtsprechung bereits die Kenntnis der die Lebensgefahr begründenden Umstände genügen, doch kann dem nicht gefolgt werden, da diese Kenntnis nicht den sozialen Sinngehalt des Geschehens vermittelt. Der Vorsatz ist daher abzulehnen. A hat sich nicht gemäß § 223a strafbar gemacht. 3. Körperverletzung mit Todesfolge, § 226 A könnte sich auch der Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 226 schuldig gemacht haben. a) Der Grundtatbestand liegt vor; vgl. 1. b) Der besondere Erfolg ist mit dem Tod des G eingetreten. c) Außerdem müßte der Erfolg Folge der Körperverletzung sein. Geht man rein vom Wortlaut des § 226 aus, erscheint ein Kausalzusammenhang im Sinne der Äquivalenztheorie ausreichend. Hier hat A den G geschlagen, wodurch dieser entweder unmittelbar tödlich verletzt wurde oder aber für B die Möglichkeit geschaffen wurde, den G tödlich zu verletzen. Der Schlag des A kann somit nicht hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg, der Tod des G, entfiele. Jedoch ist allgemein anerkannt, daß dieses Zurechnungskriterium allein viel zu weit ist. Darüber hinaus wird deshalb gefordert, daß sich in dem Erfolg die der Körperverletzung anhaftende, ihr typische, spezifische Gefahr realisiert haben muß. Wäre hier der

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Schädelbruch durch den Sturz hervorgerufen worden, wäre eine Zurechnung zu bejahen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß erst der Tritt des B den Schädelbruch verursacht hat. Damit ist gerade nicht festzustellen, ob sich im Tode des G die spezifische, von A begründete Gefahr realisiert hat. Damit kann dem A der Tod des G nicht zugerechnet werden. Er hat sich nicht gemäß § 226 strafbar gemacht. 4. Beteiligung an einer Schlägerei, § 227 A könnte sich wegen Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 227 strafbar gemacht haben. a) Es könnte eine Schlägerei stattgefunden haben. Schlägerei ist ein Streit von mehr als zwei Personen mit gegenseitigen Körperverletzungen. Hier streiten jedoch nur A und B miteinander. G wollte lediglich schlichten. Damit liegt keine Schlägerei vor. b) Auch ein von mehreren gemachter Angriff scheidet aus, da die Einheitlichkeit des Angriffs fehlt. A und B handeln unabhängig voneinander. A hat sich damit nicht wegen der Beteiligung an einer Schlägerei strafbar gemacht. 5. Fahrlässige Tötung § 222 A könnt sich einer fahrlässigen Tötung gem. § 222 schuldig gemacht haben. a) Der Erfolg ist eingetreten; G ist tot. b) A hätte auch die faktische Möglichkeit gehabt, diesen zu vermeiden. c) Durch seinen Schlag hat er eine Gefahr für das Leben des G begründet. d) Diese Gefahr müßte sich im Tod des G realisiert haben. Falls G an den Folgen des Fußtritts des B gestorben sein sollte, hätte sich eine andere als die von A begründete Gefahr realisiert, da sein Schlag nicht die Gefahr beinhaltete, daß G von einem Dritten gegen den Kopf getreten wird. Von dieser für A günstigeren Möglichkeit ist aber wiederum "in dubio pro reo" auszugehen. Damit ist nicht feststellbar, daß sich im Tode des G die von A begründete Gefahr realisiert hat. A hat sich nicht der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. 6. Zwischenergebnis: A hat sich gemäß § 223 strafbar gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

II. Strafbarkeit des B: Der Tritt 1. Körperverletzung, § 223 B könnte sich einer Körperverletzung gemäß § 223 durch den Tritt an den Kopf des G schuldig gemacht haben. a) Es könnte eine körperliche Mißhandlung vorliegen. Auch der Tritt des B stellt eine üble, unangemessene Behandlung dar; vgl. 11. b) Es könnte ebenfalls eine Gesundheitsbeschädigung vorliegen. Auch hier ist davon auszugehen, daß der Tritt bei G zumindest Prellungen und Kopfschmerzen hervorgerufen hat und damit ein krankhafter Zustand verursacht wurde. c) B handelte vorsätzlich. d) Er handelte rechtswidrig und schuldhaft. Damit hat er sich einer Körperverletzung schuldig gemacht. 2. Gefährliche Körperverletzung § 223 a a) B hat den Grundtatbestand der Körperverletzung verwirklicht; vgl. oben. b) Dies könnte mittels eines gefährlichen Werkzeuges geschehen sein. Der Fuß würde als Körperteil wiederum kein gefährliches Werkzeug darstellen (s.o.). Etwas anderes könnte jedoch deswegen gelten, weil B mit einem Schuh zugetreten hat. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erheblichere Körperverletzungen zuzufügen. Bei einem Tritt gegen den Kopf ist ein Schuh durchaus geeignet, schwerere Verletzungen hervorzurufen. Damit hat A den B mittels eines gefährlichen Werkzeuges verletzt. c) Desweiteren könnte auch hier die Verletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung stattgefunden haben. Auch der Tritt des G rief eine konkrete Lebensgefahr hervor, womit diese Tatbestandsalternative ebenfalls erfüllt ist. d) Eine gemeinschaftliche Begehung ist wiederum abzulehnen; vgl. I 2 . e) B war sich des Umstandes, daß er mit einem Schuh zutrat, bewußt. Es fehlte jedoch auch dem B am Bewußtsein einer wenigstens abstrakten Lebensgefährlichkeit seines Trittes; vgl. I 2 e. Somit handelte er nur bezüglich der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs vorsätzlich. Er hat sich somit gemäß § 223 a strafbar gemacht.

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3. Körperverletzung mit Todesfolge, § 226 a) Der Grundtatbestand liegt vor; vgl. 1. b) Der besondere Erfolg ist eingetreten. c) Auch hier müßte der Erfolg spezifische, typische Folge der Körperverletzung sein. Gerade das ist aber auch hier nicht nachzuweisen. Damit hat B sich nicht gemäß § 226 strafbar gemacht. 4. Beteiligung an einer Schlägerei, § 227 B hat sich aus den oben - vgl. I 4 - genannten Gründen keiner Beteiligung an einer Schlägerei schuldig gemacht. 5. Fahrlässige Tötung § 222 Der Erfolg ist eingetreten. Zweifelhaft aber ist bereits, ob B überhaupt noch die Möglichkeit hatte, den Erfolg zu vermeiden, und ob durch seinen Tritt noch eine Gefahr für das Leben des G begründet werden konnte. - Das kann jedoch dahinstehen, denn in jedem Fall ist wiederum nicht nachweisbar, ob sich die von B begründete oder die von A durch den Schlag hervorgerufene Gefahr im Tode des G realisiert hat. "In dubio pro reo" ist zu Gunsten des B davon auszugehen, daß es der Schlag des A war. B hat sich nicht gem. § 222 strafbar gemacht. 6. Konkurrenzen: B hat sich gem. § 223 a als Qualifikation zu § 223 strafbar gemacht. 2. Teil: A überfährt den R

1. Fahrlässige Tötung, § 222 A könnte sich gem. § 222 wegen einer fahrlässigen Tötung an dem Rentner R strafbar gemacht haben. a) Der Erfolg ist mit dem Tod des R eingetreten. b) A hätte den Erfolg auch vermeiden können, indem er gar nicht mit dem Auto gefahren wäre. c) Durch das Überfahren des R hat er auch eine Gefahr für das Leben des R begründet. d) Diese Gefahr hat sich im Tod des R realisiert. e) Der Tod des R müßte dem A vorhersehbar gewesen sein. Das war der Fall, denn als Autofahrer muß man stets mit Situationen rechnen, in denen Fußgänger unerwartet die Straße betreten.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

f) A müßte rechtspflichtwidrig gehandelt haben. A überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit und verhielt sich damit sorgfaltspflichtwidrig. Jedoch wurde durch diese Sorgfaltspflichtverletzung das Risiko für das Leben des R nicht über das erlaubte Maß hinaus erhöht. Auch bei rechtmäßigem Verhalten - Fahren mit 50 km/h. - wäre der Unfall und damit der Tod des R nicht zu vermeiden gewesen. Damit hat sich A nicht wegen einer fahrlässigen Tötung an R strafbar gemacht. 2. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315 c Abs. 1 Nr. 2 d, Abs. 3 Nr. 2 Da sich der Unfall hinter einer Kurve ereignete, kann man davon ausgehen, daß es sich dabei um eine unübersichtliche Stelle handelte. Jedoch stellt eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h noch keinen besonders schweren Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften und damit kein grob verkehrswidriges Verhalten dar. Damit hat sich A nicht gemäß § 315 c strafbar gemacht. Ergebnis: A hat sich gem. § 223, B gem. § 223 a strafbar gemacht.

E. Anmerkungen 1. Bei der Prüfung der Körperverletzungsdelikte konnte auch mit § 226 begonnen werden. Innerhalb dieses Tatbestandes mußte dann aber zunächst § 223 als Grunddelikt geprüft werden. 2. Viele Bearbeiter hatten Schwierigkeiten, die Zurechnungsproblematik an der richtigen Stelle mit vertretbaren Argumenten zu lösen. Häufig wurden verschiedene Zurechnungstheorien sehr breit erörtert, ohne daß ein überzeugendes Ergebnis begründet wurde. Diejenigen Bearbeiter, die Überflüssiges breit erörterten (z.B. $ 212), hatten große Schwierigkeiten, fertig zu werden. 3. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zur Erfolgsverursachung bei Zweifeln am Zusammenhang von Tathandlung und Erfolg vgl. einerseits BGH MDR 1979 S. 279; BGHSt. 32 S. 25; andererseits BGH MDR 1977 S. 282; BGH MDR 1984 S. 442. 2. Zum rechtmäßigen Altematiwerhalten vgl. OLG Karlsruhe GA 1970 S. 313; BGHSt. 33 S. 61 (64) mit Anm. EBERT JR 1985 S. 356 ff, O T T O JK, StGB, § 230/2, PUPPE JZ 1985 S . 295 ff, STRENG NJW 1985 S. 2809; A R T H U R KAUFMANN Jescheck-Festschrift, Bd. 1,1985, S. 279 f.

Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall

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Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall A. Sachverhalt Im Krankenhaus in X liegen A und B, die an Reanimatoren angeschlossen sind. A ist bewegungsunfähig und leidet unter qualvollen Schmerzen. Als sie von ihrem Enkel D besucht wird, bittet sie diesen flehentlich, ihr weitere Qualen zu ersparen und die Maschine abzustellen, weil sie sich den Ärzten nicht anvertrauen will. Da D seine Großmutter sehr gerne hat, verspricht er ihr das. D, technisch unbegabt, betätigt jedoch den Schalter für den Hauptstrom und schaltet deshalb - unbewußt - auch den Reanimator von B ab. Sodann verläßt D das Krankenhaus. Unmittelbar danach besucht E seine Mutter B. E , technisch versiert, erkennt sofort, daß der Reanimator bei seiner Mutter nicht arbeitet. Er schaltet schnell die Notstromversorgung für dieses Gerät ein. Daß der Hauptstrom abgeschaltet war, hat E nicht erkannt. Als E merkt, daß seine Mutter wieder fester atmet, überkommt ihn plötzlich die Geldgier. Um seine nicht unvermögende Mutter schon jetzt beerben zu können, schaltet E die Notstromversorgung wieder ab. A und B sterben. Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Weg zur Fallösung 1. In Frage kommt eine Strafbarkeit des D und des E. Es bietet sich daher an, das Gutachten nach Personen zu gliedern. 2. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß das Abstellen des Reanimators durch D sowohl die A als auch die B betrifft. Somit ist diese Handlung bezüglich ihrer Folgen für beide Personen zu prüfen.

C. Lösungsskizze I. Das Straßare Verhalten des D auf Grund des Abstellens des Reanimators 1. Totschlag § 212, gegenüber der A: a) Erfolg eingetreten: + . b) Möglichkeit, den Erfolg zu vermeiden: + .

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

c) Gefahrbegründung durch Abstellen des Reanimators: +. d) Realisierung der Gefahr im Tode: +. e) Vorsatz: +. f) Rechtfertigung: +. aa) Einwilligung: keine rechtswirksame Einwilligung möglich, kein Verfügungsrecht über das Rechtsgut Leben, vgl. § 216. bb) Rechtfertigung über Art. 2 Abs. 1 GG: +, D verhilft A zur Durchsetzung ihres Selbstbestimmungsrechtes. g) Ergebnis. 2. Fahrlässige Tötung § 222, gegenüber der B: a) Rechtsgutsverletzung eingetreten: +. b) Vermeidemöglichkeit: +. c) Gefahrbegründung: +. d) Realisierung dieser Gefahr im Tode der B: -, durch Tätigkeit des E wurde Zurechnungszusammenhang unterbrochen. e) Ergebnis. 3. Fahrlässige Körperverletzung § 230, gegenüber der B: + a) körperliche Mißhandlung: +. b) Vorhersehbarkeit: +, nach Lebenserfahrung gegeben. c) Sorgfaltspflichtverletzung: +. d) Schuld: +. e) Kein Strafantrag (§ 232) gestellt; Antragstellung nicht mehr möglich, da B tot. Strafbarkeit nur bei Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses. f) Ergebnis: D ist einer fahrlässigen Körperverletzung schuldig, aber Antrag. II. Das Straßare Verhalten des E 1. Totschlag § 212, gegenüber der B: + a) Erfolg: +. b) Vermeidemöglichkeit: +. c) Gefahr begründet: +. d) Realisierung dieser Gefahr: +.

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e) Vorsatz: +. f) Rechtswidrigkeit: +; Schuld: +. g) Ergebnis. 2. Mord, §211: + a) Habgier: +. b) niedrige Beweggründe: -, keine anderen niedrigen Beweggründe als Habgier. c) Heimtücke: +, unabhängig davon, wie Heimtücke definiert wird: aa) Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit; dabei str., ob Bewußtloser arglos. Dieses ist zu verneinen, aber Ausnutzung der Arglosigkeit des Krankenhauspersonals. bb) Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses: hier zwar Vertrauensverhältnis zur Mutter, da diese aber bewußtlos, kein Ausnutzen; aber Ausnutzen des Vertrauens des Krankenhauspersonals. d) Bewußtsein der qualifizierenden Umstände: +. e) Ergebnis. 3. Aussetzung § 221 Abs. 1, 2. Alt., gegenüber der B: + a) wegen Krankheit hilflose Person: +. b) Verlassen: E verläßt das Zimmer: +. c) Obhutspflicht bestimmt sich wie Garantenpflicht; hier: natürliche Verbundenheit: +. d) Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld: +. e) Ergebnis. 4. Konkurrenzen: § 211 konsumiert § 221 III. Gesamtergebnis: E ist des Mordes schuldig, § 211.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

D. Gliederung I. Das straßare Verhalten des D auf Grund des Abstellens des Reanimators 1. Totschlag, § 212, gegenüber der A 2. Fahrlässige Tötung, § 222, gegenüber der B 3. Fahrlässige Körperverletzung, § 230, gegenüber der B 4. Ergebnis II. Das straßare Verhalten des E auf Grund des Abstellens der Notstromversorgung 1. Totschlag, § 212, gegenüber der B 2. Mord, § 211, gegenüber der B 3. Aussetzung, § 221, gegenüber der B 4. Konkurrenzen

95 95 98 99 100 100 100 100 102 103

III. Gesamtergebnis

103

E. Literaturverzeichnis AUER/MENZEL/ESER Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, Z u m Behandlungsabbruch aus ethischer, medizinischer, rechtlicher Sicht, 1977, zit.: A / M / E Bearbeiter. DREHER/TRÖNDLE Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 44. Auflage 1988. ENGISCH Tun und Unterlassen, in: Gallas-Festschrift, 1973, S. 163 ff. GEILEN Neue medizinisch-juristische Grenzprobleme, J Z 1968 S.145 ff. JESCHECK Lehrbuch des Strafrechts, A.T., 4. Aufl. 1988. KAUFMANN, ARTHUR Die Bedeutung hypothetischer Erfolgsursachen im Strafrecht, in: Eb.-Schmidt-Festschrift, 1961, S. 200 ff. KROLL § 216 StGB - Tötung auf Verlangen, in: A r t h u r Kaufmann (Hrsg.), Moderne Medizin und Strafrecht, 1989, S. 137 ff. LACKNER Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 18. Aufl. 1989. Leipziger Kommentar, Großkommentar zum Strafgesetzbuch; hrsg. von Jescheck, Ruß, Willms, 10. Aufl. 1978 ff, zit: LK-Bearbeiter. MAUNZ/DÜRIG/HERZOG Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 1987.

Loseblattkommentar,

MAURACH/SCHROEDER/MAIWALD Strafrecht, B.T.l, 7. Aufl.1988.

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OTTO Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, 3. Aufl. 1988, zit.: Otto, A.T. DERS. Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, 2. Aufl. 1984, zit.: Otto, B.T. DERS. Recht auf den eigenen Tod? Strafrecht im Spannungsverhältnis zwischen Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmung, Gutachten D zum 56. Deutschen Juristentag Berlin 1986,1986, zit.: Otto, Gutachten. DERS. Anmerkung zu: LG Regensburg, NStZ 1987 S. 229 f, JK 87, StGB § 216/3. RANFT Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen im Strafrecht, JuS 1963 S. 340 ff. ROXIN An der Grenze von Begehung und Unterlassen, Engisch-Festschrift, 1969, S. 380 ff. SAX Zur rechtlichen Problematik der Sterbehilfe durch vorzeitigen Abbruch einer Intensivbehandlung, JZ 1975 S. 137 ff. SCHMIDHÄUSER Strafrecht, B.T., 2. Aufl. 1983. SCHÖNKE/SCHRÖDER Strafgesetzbuch, bearb. von Cramer, Eser, Lenckner und Stree, 23. Aufl. 1988; zit.: Schönke/Schröder/Bearb. SIEBER Die Abgrenzung von Tun und Unterlassen bei der "passiven" Gesprächsteilnahme, JZ 1983 S. 431 ff. SPENDEL Zur Unterscheidung von Tun und Unterlassen, Eb.-Schmidt-Festschrift, 1961, S. 183 ff. Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, bearb. von Rudolphi, Horn, Samson und Schreiber, Loseblattsammlung, Stand: Oktober 1989; zit.: Bearb. in: SK. WESSELS Strafrecht, A.T., 19. Aufl. 1989, zit.: Wessels, A.T. DERS. Strafrecht, B.T.-l, 12. Aufl. 1989, zit.: Wessels, B.T-1.

F. Gutachten I. Das straßare Verhalten des D auf Grund des Abstellens des Reanimators 1. Totschlag gegenüber der A, §212 D könnte sich, indem er den Reanimator der A abstellte, wegen eines Totschlags gemäß § 212 strafbar gemacht haben. a) Mit dem Tod der A ist die in § 212 beschriebene Rechtsgutsverletzung eingetreten. b) A hatte auch die tatsächliche Möglichkeit, diesen Erfolg zu vermeiden, da A zu diesem konkreten Zeitpunkt nicht gestorben wäre, wenn der Reanimator nicht abgestellt worden wäre. c) Es müßte durch ein Tun des D eine Gefahr für das Leben der A begründet worden sein.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Zwar schwebte A bereits auf Grund ihrer Krankheit in Lebensgefahr, jedoch kommt es darauf nicht an. D hat den Reanimator der A abgestellt. Damit hat D für A die Gefahr begründet, innerhalb kurzer Zeit wegen des Wegfalls der lebenserhaltenden Funktionen des Reanimators zu sterben. Umstritten ist, ob dieses durch ein Tun oder Unterlassen geschah. Die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen wird nach unterschiedlichen Kriterien vollzogen. So wird zum einen in Zweifelsfällen darauf abgestellt, wo der Schwerpunkt des Verhaltens des Täters liegt1, zum anderen auch auf den sozialen Sinn des Verhaltens . Arthur Kaufmann und Spendel wiederum wollen stets im Zweifel ein Tun annehmen. Schließlich wird danach differenziert, daß als Tun der Energieaufwand in einer bestimmten Richtung, während als Unterlassen das Nichteinsetzen von Energie in einer bestimmten Richtung^ verstanden wird. D schaltete den Reanimator ab und beendete damit die durch den Arzt eingeleiteten lebensverlängernden Maßnahmen. Er wendete damit Energie auf, um das Leben der A zu beenden. Auch nach dem sozialen Sinngehalt wie nach dem Schwerpunkt seines Verhaltens liegt darin ein aktives Tun. Ein anderes Ergebnis könnte sich nach jenen Ansichten ergeben, die bezüglich eines Arztes, der lebensverlängernde Maßnahmen nicht fortführt, ein Unterlassen annehmen wollen . Die Vertreter dieser Meinungen kommen zu dem von ihnen angestrebten Ergebnis über eine Betonung der Weiterbehandlungsmöglichkeit des Arztes, deren Wahrnehmung dieser mit dem Einstellen der lebenserhaltenden Maßnahmen unterläßt . Dies gilt jedoch nicht bei medizinischen Laien, die als solche zur Beurteilung und Durchführung lebenserhaltender Maßnahmen nicht in der Lage sind. Bezüglich solcher Personen wird deshalb auch von diesen Autoren von einem Tun ausgegangen .

1

So z.B.: BGHSt. 6, S. 59; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE vor §§ 13 ff, Rdnr. 158; WESSELS A . T . , § 16 1 2 .

2

S o z.B.: GEILEN J Z 1 9 6 8 S. 151; RANFT JUS 1963 S. 344.

3

Eb.-Schmidt-Festschrift, S. 212.

4

Ebenda, S. 194.

5

ENGISCH Gallas-Festschrift, S. 170; so auch: JESCHECK A.T., § 58 II 2; LACKNER § 13 A n m . 2 a; OTTO A . T . , § 9 1 2 a; SIEBER J Z 1983 S. 4 3 3 ff.

6

Vgl. dazu: OTTO Gutachten, D 43.

7

V g l . d a z u : WESSELS B.T.-L, § 1 III 3.

8

Vgl. z.B.: A / M / E - E S E R S. 141; ROXIN E n g i s c h - F e s t s c h r i f t , S. 399; SAX J Z 1975 S. 137 f.

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Bei D handelt es sich um einen medizinischen Laien. D hat somit nach allen Auffassungen durch ein aktives Tun eine Gefahr für das Leben der A begründet. d) Die durch D begründete Gefahr hat sich auch im Tod der A realisiert. e) D war sich dessen bewußt und strebte den Erfolg an, er handelte daher vorsätzlich. f) D könnte jedoch gerechtfertigt sein. aa) Als Rechtfertigungsgrund kommt hier zunächst eine Einwilligung der A in Frage. Dazu müßte sie rechtswirksam in ihre Tötung einwilligen, also frei über ihr Rechtsgut Leben verfügen können. Aus § 216 könnte sich jedoch eine rechtliche Begrenzung der Einwilligungsmöglichkeit ergeben. In dieser Vorschrift ist die Tötung auf Verlangen, also gerade die Tötung eines anderen auf dessen Wunsch hin, unter Strafe gestellt. Dies zeigt, daß der Gesetzgeber das Rechtsgut Leben nicht der Verfügungsbefugnis des Einzelnen unterstellen wollte. Eine Tötung kann deshalb nicht durch eine Einwilligung gerechtfertigt sein. bb) Als Rechtfertigungsgrund kommt aber Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in Betracht. Zunächst ist problematisch, ob ein Grundrecht unmittelbar rechtfertigend wirken kann. Rechtswidrigkeit bedeutet Rechtspflichtwidrigkeit, d.h. ein Handeln ist nur dann rechtswidrig, wenn der Täter eine Rechtspflicht verletzt . Fördert der Täter jedoch das Verhalten eines anderen, mit dem dieser eine ihm eigene Grundrechtsposition verwirklicht, so fördert er das rechtmäßige Verhalten des anderen, verhält sich aber nicht rechtspflichtwidrig. Die Verwirklichung des Grundrechts wirkt unmittelbar rechtfertigend. Im vorliegenden Fall könnte sich ein Recht der A auf Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergeben. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG garantiert das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit. Diesem unterfällt unter anderem auch die Freiheit des Einzelnen zu entscheiden, ob er eine Heilbehandlung an sich vornehmen lassen will oder ob nicht (sog. Behandlungsfreiheit)10. Diese steht dem Einzelnen auch dann zu, wenn die Weigerung, sich behandeln zu lassen, den eigenen Tod bedeu-

9

Vgl. dazu: OTTO A.T., § 8 1 1 .

10

MAUNZ/DÜRIG/HERZOG Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 37.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

tet 11 . Wird eine Behandlung dennoch gegen seinen Willen durchgeführt oder fortgesetzt, so wird in sein Grundrecht eingegriffen . Die Entscheidung des Patienten ist auch und gerade dann zu respektieren, wenn sie existentiell ist . Hier wollte die A nicht länger an den Reanimator angeschlossen bleiben. Diesen Entschluß, dessen Beachtung ihr Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG garantiert, half ihr D zu verwirklichen. Dadurch griff er auch nicht in Rechte Dritter ein. Er handelt somit nicht rechtspflichtwidrig, sondern gerechtfertigt. g) D hat sich damit nicht gemäß § 212 strafbar gemacht. 2. Fahrlässige Tötung gegenüber der B, § 222 D könnte sich, indem er unbewußt auch den Reanimator der B ausschaltete, einer fahrlässigen Tötung gemäß § 222 schuldig gemacht haben. a) Mit dem Tod der B ist der in § 222 beschriebene Erfolg eingetreten. b) D hätte auch die Möglichkeit gehabt, den Erfolg zu vermeiden, da nur durch sein Abschalten des Reanimators E auf die Idee kam, diesen nach einem zwischenzeitlichen Wiederanschalten erneut abzuschalten. c) D hat durch das Abschalten des Reanimators eine Gefahr für das Leben der B begründet. d) Diese Gefahr müßte sich auch im Tod der B realisiert haben. Zwar hatte D die Gefahr begründet, daß B wegen des abgeschalteten Reanimators stirbt, und B ist auch deswegen gestorben. Aber E hatte zwischenzeitlich den Reanimator wieder in Betrieb gesetzt und die durch D begründete Gefahr damit beseitigt. Er hatte den Zurechnungszusammenhang zwischen der von D gesetzten Gefahr und dem eingetretenen Erfolg unterbrochen. Mit dem erneuten Abschalten begründete E eine neue Gefahr für das Leben der B. Es hat sich nicht die von A begründete Gefahr im Tod der B realisiert. e) A hat sich nicht gemäß § 222 strafbar gemacht.

11

KROLL S. 140.

12

Vgl. dazu: LG Regensburg NStZ 1987 S. 229 f mit Anm. OTTO JK 87, StGB § 216/3.

13

OTTO Gutachten, D 39 f.

Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall

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3. Fahrlässige Körperverletzung gegenüber der B, § 230 D könnte sich durch das Ausschalten des Reanimators gegenüber der B einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 230 schuldig gemacht haben. a) Dazu müßte eine körperliche Mißhandlung der B durch D vorliegen. Körperliche Mißhandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt . D hat den Reanimator der B abgeschaltet. Nach Wiederanschalten des Gerätes atmete B laut Sachverhalt wieder fester. Daraus läßt sich folgern, daß sie nur noch flach geatmet hatte und die Sauerstoffversorgung ihres Körpers dadurch beeinträchtigt war. Damit stellte das Abschalten des Gerätes eine körperliche Mißhandlung dar. Fraglich ist, ob sich dadurch etwas anderes ergibt, daß B wegen ihres Zustandes die körperliche Beeinträchtigung nicht wahrgenommen hat. Die Wahrnehmung ist jedoch nicht erforderlich, da sonst Bewußtlose oder schmerzunempfindliche Menschen nicht vor körperlichen Mißhandlungen geschützt wären . b) Die Gefahr einer körperlichen Mißhandlung der B durch das Abstellen des Reanimators hätte für D vorhersehbar sein müssen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung muß man davon ausgehen, daß eine technisch nicht versierte Person, die sich an komplizierten technischen Einrichtungen eines Krankenhauses zu schaffen macht, erkennen kann, daß sie durch ihr Tun auch andere Patienten, die an die gleichen Geräte mit angeschlossen sind, gefährdet. Auch für D gelten keine Besonderheiten, da dem Sachverhalt nicht zu entnehmen ist, daß sein Aufnahmevermögen unterdurchschnittlich entwickelt war. Damit war die Gefahr für D erkennbar. Daß er konkret erkennt, die B zu gefährden, ist nicht erforderlich 16 . c) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. d) D handelte auch schuldhaft. e) Erforderlich ist ferner das Vorliegen eines Strafantrages oder die Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Strafverfolgungsbehörde (§ 232). 14

BGHSt. 25 S. 277.

15

So z.B.: LK-HIRSCH § 223 Rdnr. 7 m.w.N.

16

OTTO A . T . , § 1 0 1 2 a, aa.

100

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Ein Strafantrag wurde bisher noch nicht gestellt. Antragsberechtigt wäre gem. § 77 Abs. 1 der Verletzte, hier also die B. Diese ist jedoch tot. Für diesen Fall bestimmt § 77 Abs. 2, daß das Antragsrecht in den gesetzlich festgelegten Fällen auf die gesetzlichen Erben übergeht, allerdings nur im Falle einer vorsätzlichen Körperverletzung, § 232 Abs.l S. 2. Damit ist die Stellung eines Strafantrages nicht mehr möglich. Ergebnis: D hat sich somit einer fahrlässigen Körperverletzung, § 230, schuldig gemacht. Die Strafverfolgung setzt jedoch voraus, daß die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. II. Das Straßare Verhalten des E auf Grund der Notstromversorgung 1. Totschlag gegenüber der B, §212 E könnte sich dadurch, daß er das Notstromaggregat wieder abschaltete, wegen eines Totschlags gegenüber der B gemäß § 212 strafbar gemacht haben. a) Der tatbestandsmäßige Erfolg ist eingetreten, B ist tot. b) E hätte die Möglichkeit gehabt, diesen Erfolg zu vermeiden, indem er das Notstromaggregat nicht wieder abstellte. c) Er hat für die B die Gefahr begründet, wegen des abgestellten Reanimators zu sterben, da er den bereits wieder angestellten Reanimator erneut abschaltete. d) Gerade diese Gefahr hat sich im Tod der B realisiert. e) E handelte mit dolus directus 1. Grades, da er den Tod der B als Ziel seines Handelns anstrebte. f) Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. g) E hat sich damit gemäß § 212 wegen Totschlags strafbar gemacht. 2. Mord gegenüber der B, § 211 E könnte Mordmerkmale verwirklicht und sich damit gemäß § 211 strafbar gemacht haben. a) E könnte habgierig gehandelt haben. Habgier, d.h. ein Streben des Täters nach Gewinn um jeden Preis, liegt dann vor, wenn der Täter in einer Situation um eines materiellen Vorteils willen handelt, in der der erstrebte Vorteil in

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Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall

keinem irgendwie vernünftigen Verhältnis zum gewählten Mittel steht. E tötete die B, um sie früher beerben zu können. Er handelt also rein um des materiellen Vorteils willen. Dieser steht in keinem irgendwie vertretbaren Verhältnis zu der Tötung. Damit handelte er habgierig. b) Das Mordmerkmal niedrige Beweggründe käme nur dann in Betracht, wenn neben der Habgier als speziellem niedrig&p Beweggrund weitere andere niedrige Beweggründe vorlägen . Das ist nicht der Fall. c) E könnte jedoch auch heimtückisch gehandelt haben. aa) Heimtücke wird von der herrschenden Meinung als Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tat in feindlicher Willensrichtung verstanden . Dabei ist arglos, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs nicht versieht . Hier war die B zum Zeitpunkt der Tat nicht bei Bewußtsein. Ob ein Bewußtloser arglos ist, ist innerhalb der herrschenden Meinung umstritten. So wird vertreten, daß Schlafende und Bewußtlose stets arglos sind . Überwiegend wird jedoch dahingehend differenziert, Schlafende, nicht aber Bewußtlose seien arglos Begründet wird dies damit, daß das Opfer bei vorhandenem Argwohn wenigstens zu einer Verteidigungshandlung hätte in der Lage sein müssen. So nimmt der Schlafende seine Arglosigkeit mit in den Schlaf. Dies ist bei Bewußtlosen jedoch nicht der Fall. Vom Ausgangspunkt der herrschenden Meinung her ist dieses Ergebnis durchaus überzeugend. Da B zum Zeitpunkt der Tat bewußtlos war, kommt bei ihr Arglosigkeit nicht in Betracht. Jedoch läßt der BGH in derartigen Fällen auch die Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten genügen 22 . Hier könnte das Krankenhauspersonal als schutzbereiter Dritter anzusehen sein. Die B befand sich in der Obhut des Krankenhaus-

17

SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 2 1 1 R d n . 14.

18

So z.B. BGHSt.

9

S. 385;

32

S. 382;

19

DREHER/TRÖNDLE §

211 Rdnr. 6a.

20

DREHER/TRÖNDLE §

211 Rdnr. 6c.

21

BGH

NJW

1966

S.

1824;

DREHER/TRÖNDLE § 2 1 1

LACKNER

MAURACH/SCHROEDER/ MAIWALD §

22

BGHSt. 8 S. 216.

§

2 Rdnr. 44.

211

Rdnr.

Anm.

3

6

m.w.N.

b

aa;

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Personals, das damit ihr gegenüber Schutzpflichten übernommen hatte. Es ist damit schutzbereiter Dritter. Das schutzbereite Personal war dem E als Sohn der B gegenüber arglos, da es von diesem keinen Angriff auf das Leben der B erwartete. Dessen war sich der E auch bewußt. Er hat daher auch die Arglosigkeit des Krankenhauspersonals ausgenutzt, um die B zu töten. bb) Demgegenüber stellt die Literatur zur Bestimmung von Heimtücke überwiegend auf die Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses oder den Mißbrauch begründeten Vertrauens des Opfers zur Ausführung der Tat ab . Hier besteht zwar ein Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Sohn, da man von einem solchen ausgehen muß, soweit der Sachverhalt nichts anderes erkennen läßt. Weil die Mutter zum Zeitpunkt der Tat bewußtlos war, kann jedoch von einer Ausnutzung dieses Vertrauensverhältnisses zur Begehung der Tat nicht gesprochen werden. Jeder beliebige Dritte hätte ihr gegenüber in gleicher Weise handeln können. Jedoch kommt auch hier die Ausnutzung des Vertrauens eines schutzbereiten Dritten in Betracht . Dieser übernimmt gerade den Schutz gegenüber Personen, von denen her Gefahren drohen können. Gegenüber Personen, die das Vertrauen des Betreuten genießen, wird der Schutz eben wegen dieses Vertrauensverhältnisses vernachlässigt. Damit aber entsprechen sich beide Situationen. Auch hier gilt, daß das Krankenhauspersonal, in dessen Obhut sich die B befand, darauf vertraute, daß der B seitens des E keine Gefahr drohte, weil zwischen diesen ein Vertrauensverhältnis bestand. Deshalb konnte er unbehelligt im Zimmer der B den Reanimator abschalten. E hat somit nach beiden Meinungen heimtückisch gehandelt. d) E hatte auch Vorsatz bezüglich der Mordmerkmale. e) Damit hat er sich eines Mordes gemäß § 211 strafbar gemacht. 3. Aussetzung gegenüber der B, § 221 Als E die B sterbend zurückließ, könnte er sich einer Aussetzung gemäß § 221 strafbar gemacht haben. 23

S o z . B . : O T T O B T . , § 4 I I 2 a ; SCHMIDHÄUSER B . T . , 2 / 2 0 .

24

SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER §

211 Rdnr. 26.

Anfängerhausarbeit: Reanimatorfall

103

a) Bei der B handelte es sich um eine wegen Krankheit hilflose Person. b) E müßte sie verlassen haben. Dabei ist umstritten, ob das Verlassen eine räumliche Trennimg von Täter und Opfer voraussetzt . Der Meinungsstreit ist hier aber unerheblich, da eine räumliche Trennimg vorliegt. Zwar steht dies nicht ausdrücklich im Sachverhalt, jedoch ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, daß E nach dem Abstellen des Notstromaggregats das Zimmer der B verließ und nicht an ihrem Bett wartete, bis sie tot war. Damit hat er die B nach jeder Meinung verlassen. c) Die B müßte unter der Obhut des E gestanden haben. Zur Bestimmung dieser Obhutspflicht sind die Regeln über das Bestehen einer Garantenpflicht heranzuziehen . Hier bestand zwischen E und B eine derartige Obhutspflicht aus natürlicher Verbundenheit. d) E handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. e) Damit hat er sich gemäß § 221 strafbar gemacht. 4. Konkurrenzen: § 221 wird von § 211 konsumiert. III. Gesamtergebnis: E hat sich gemäß § 211 strafbar gemacht.

G. Anmerkungen 1. Die Hausarbeit befaßte sich mit der sehr aktuellen und damit vor allem in der Literatur viel diskutierten Problematik der Sterbehilfe. Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Handelns des D war es notwendig, zunächst den Streitstand aufzuarbeiten und sich selbst einen Überblick zu verschaffen. 2. Als problematisch erwies es sich, die verschiedenen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur in die Fallösung zu integrieren. Hierbei war es wichtig, daß keine einem Punkt der Fallösung vorangestellten theoretischen Erörterungen zu dem Problemkreis 'Sterbehilfe" gemacht wurden. Dies war hier besonders schwierig, da an ganz unterschiedlichen Punkten angesetzt werden kann, um die Sterbehilfe straflos zu lassen (z.B.: T u n oder Unterlassen", Rechtfertigung, Entschuldigung). 3. Ebenso vertretbar wie eine Rechtfertigung des D direkt über Art. 2 GG ist eine Rechtfertigung über § 34 . Dabei ist bei der Interessenabwägung das Selbst25

Für das Erfordernis einer räumlichen Trennung z.B.: RGSt. 38 S. 377; 59 S. 387; DREHER/TRÖNDLE § 221 Rdnr. 6; HORN in: SK, § 221 Rdnr. 9; dagegen z.B.: MAURACH/SCHROEDER/MAIWALD § 4 Rdnr. 8; OTTO B.T., § 10 2 b; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 221 Rdnr. 7.

26

BGHSt. 26 S. 37; WESSELS B.T.-l, § 3 II 2.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

bestimmungsrecht der Patientin sowie ihre Menschenwürde als verteidigtes Rechtsgut dem Leben als verletztem Rechtsgut gegenüberzustellen. 4. An manchen Stellen ist eine Interpretation des Sachverhaltes erforderlich, so bei der Frage der Vorhersehbarkeit einer Verletzung der B durch D oder dem Verlassen des Zimmers der B durch E nach dem Abstellen des Reanimators. Dabei ist stets von der nach allgemeiner Lebenserfahrung wahrscheinlichsten Möglichkeit auszugehen. 5. Die Hausarbeit war angelegt auf eine Bearbeitungszeit von zwei Wochen. Ihr Umfang sollte 15 bis 20 Schreibmaschinenseiten nicht überschreiten.

Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall

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Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall A. Sachverhalt E las am 2.9. in der "Bild-Zeitung", daß der zwölfjährige Volker entführt worden war und daß der Entführer von den Pflegeeltern unter Androhung von Lebensgefahr für das Kind ein Lösegeld von 25 000,- DM forderte. Das brachte ihn auf den Gedanken, sich als Entführer des Kindes auszugeben und sich in den Besitz des Lösegeldes zu setzen. Er schrieb folgenden Brief: "Volker lebt noch. Wir sind zu dritt. Gegen eine Zahlung von 25 000,- DM wird Volker heute abend um 20 Uhr am M-Tor in Karlsruhe übergeben. Keine Polizei! Die Entführer." Den Brief sandte E an die Pflegeeltern. Diese verständigten die Polizei, die den E um 20 Uhr am M-Tor festnahm, als er auf das Geld wartete. Hat E sich strafbar gemacht?

B. Überlegungen auf dem Weg zur Fallösung 1. Da nur nach der Strafbarkeit einer Person gefragt ist, empfiehlt sich ein chronologischer Aufbau. 2. Zu beginnen ist mit dem Herstellen des Briefes, § 267 Abs. 1,1. Alt. 3. Absenden des Briefes: Zu erörtern: §§ 255, 253, 263 bzw. 255, 23; 253, 23; 263, 23; 241 Abs. 1, 239 a, 164, 258,145 d Abs. 2 Nr. 1. - Problem, ob Vermögensverfügung der Eltern auf Irrtum oder Drohung begründet war. - Zunächst Drohung erörtern, da im Rahmen der Drohung eine Täuschung kein besonderes Problem: Es kommt nicht darauf an, ob Täter das angedrohte Übel wirklich realisieren kann, sondern ob er das Opfer glauben machen kann, er verfüge über die Möglichkeit der Realisierung.

C. Lösungsskizze Das Straßare Verhalten des E 1. Teil: Das Anfertigen des Briefes 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1,1. Alt. Urkunde: a) Gedankenerklärung: +, Beweis für rechtserhebliche Tatsachen: + . b) Ein bestimmter Aussteller erkennbar: -, Aussteller nur

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

scheinbar angegeben, da Person nicht identifizierbar im Moment des Zugangs der Urkunde. 2. Ergebnis: Urkundenfälschung: 2. Teil: Das Absenden des Briefes 1. Räuberische Erpressung, §§ 253, 255: -, die Nötigung war erfolglos, Tatbestand nicht vollendet. 2. Versuchte räuberische Erpressung, §§ 253, 255, 23: +. a) Grundtatbestand: +. aa) Versuch strafbar: +, §§ 23, 253 Abs. 3. bb) Entschluß: +. cc) Ansetzen zur Tat: +. b) Qualifikation, § 255: +. Drohung für Leib und Leben zwar nicht wörtlich in dem Brief enthalten, wohl aber aus Gesamtumständen zu entnehmen. Ob § 255 auch durch ein Verhalten erfüllt werden kann, das keine Vermögensverfügung darstellt, braucht nicht erörtert zu werden, da hier eine Vermögensverfügung vorgelegen hätte. 3. Bedrohung, § 241: in §§ 255, 23 enthalten. 4. Versuchter Betrug, §§ 263, 23: -. Verfügung hat ihren Grund in der Drohung, nicht aber in einer freien Entscheidung. 5. Erpresserischer Menschenraub, § 239 a: -. E hat selbst keine Entführung begangen: obj. Tb.: -. 6. Falsche Verdächtigung, § 164: -, konkrete Person: -, neuer Sachverhalt: -. 7. Strafvereitelung, § 258: -, nicht einmal abstrakte Eignung des Briefes, die wahren Entführer günstiger zu stellen. 8. Vortäuschen einer Straftat, § 145 d Abs. 2 Nr. 1: -. E wollte gerade nicht vortäuschen, daß er selbst als identifizierbare Person die Entführung begangen habe. 9. Ergebnis: §§ 253, 255, 23.

D. Gutachten Das Straßare Verhalten des E 1. Teil: Das Anfertigen des Briefes 1. Urkundenfälschung, § 267 Durch das Schreiben des Briefes an die Pflegeeltern könnte sich

Vorgerücktenklausur Nr. 1: Entführungsfall

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E der Herstellung einer unechten Urkunde schuldig gemacht haben, §267 Abs. 1,1. Alt. Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, für außerhalb ihrer selbst liegende rechtserhebliche Tatsachen Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen läßt. a) Der Brief enthält eine verkörperte Gedankenerklärung, die die rechtserhebliche Tatsache zum Inhalt hat, daß der entführte Volker gegen Zahlung von 25 000,- DM freigelassen wird. b) Problematisch erscheint es jedoch, ob dem Brief der Aussteller zu entnehmen ist. Unterzeichnet ist das Schreiben mit: "Die Entführer". Das könnte im Zusammenhang mit dem Text des Briefes darauf hindeuten, daß bestimmte konkretisierbare Personen sich zu dem Inhalt des Schreibens bekennen, nämlich die Personen, die den Volker entführt haben. Daß deren Namen sich aus dem Text ergeben, ist nicht erforderlich, wenn sie auf Grund der in dem Schreiben angegebenen Umstände für die Betroffenen identifizierbar sind. Es genügt, daß der Autor durch ein bestimmtes Verhalten gekennzeichnet ist, aufgrund dessen er individualisiert werden kann. Gerade das jedoch ist im zu entscheidenden Sachverhalt nicht der Fall. Auch wenn jegliche Unterschrift fehlen würde, ergäbe sich aus dem Inhalt des Schreibens nur, daß es von "den Entführern" stammt. Wer diese Personen jedoch sind, wird dem Leser bewußt verheimlicht. Im Moment des Zugangs des Briefes ist es daher auch den Betroffenen nicht möglich, aufgrund des mitgeteilten Sachverhalts und der bekannten Umstände den Autor zu identifizieren. Es genügt nicht, daß der Aussteller als jemand erscheint, der aufgrund des Inhalts der Urkunde etwas Bestimmtes getan hat, er muß - zumindest für die Betroffenen - unter Berücksichtigung aller Umstände identifizierbar erscheinen. Wird dieses nicht beachtet, so wird eine schriftliche Lüge zur Urkundenfälschung umgedeutet, obwohl es gerade an dem als individuelle Person feststellbaren Aussteller fehlt. Zu fordern ist demnach als Minimum der Konkretisierbarkeit des Ausstellers für Eingeweihte, daß die Kenntnis der Tat auf eine konkrete, individualisierbare Person hinweisen muß, die aufgrund des Sachverhalts dem Eingeweihten erkennbar ist. So ist es im vorliegenden Falle aber nicht. Art und Weise des Briefes und seine Unterschrift zeigen, daß die Unterschrift gerade nicht auf eine Person hinweisen soll, die sich an der Erklärung festhalten lassen will, weil sie die Absicht hat, für den Inhalt einzustehen. Es liegt daher ein Fall offener Anonymität vor.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

2. Ergebnis: Die Herstellung des Briefes ist als Herstellung einer schriftlichen Lüge anzusehen, nicht aber als Urkundenfälschung. 2. Teil: Das Absenden des Briefes 1. Räuberische Erpressung, §§ 253, 255 Mit dem Absenden des Briefes könnte E sich jedoch wegen einer räuberischen Erpressung, §§ 253,255, strafbar gemacht haben. Eine vollendete Erpressung scheidet allerdings aus, weil es nicht zur Zahlung des Geldes gekommen ist, d.h. der mit der Nötigung erstrebte Erfolg nicht eingetreten ist. 2. Versuchte räuberische Erpressung, §§ 253, 255, 23 In Betracht kommt aber eine versuchte räuberische Erpressung, §§ 253,255,23. a) Grundtatbestand: §§ 253, 23. aa) Der Versuch der räuberischen Erpressung ist strafbar, da diese ein Verbrechen ist, §§ 253,255, 249, 23,12 Abs. 1. bb) Zunächst müßte E den Entschluß gefaßt haben, die Pflegeeltern durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung zu nötigen und dadurch dem Vermögen der Pflegeeltern einen Nachteil zuzufügen, um sich zu Unrecht zu bereichern. Als E an die Pflegeeltern schrieb: "Volker lebt noch" und ein Lösegeld von 25 000,- DM forderte, brachte er zum Ausdruck, daß Volker ohne Zahlung des Geldes nicht freigelassen würde, wobei er sehr bewußt offenließ, was weiter mit Volker geschehen würde. Doch auch, wenn seinen Zeilen die Drohung mit einer Lebensgefahr nicht unmittelbar entnommen werden konnte, so war diese bei verständiger Auslegung des Briefes aufgrund der Typik derartiger Entführungsfälle doch unausgesprochen in dem Schreiben enthalten. Der Brief enthielt demnach die Drohung mit einem empfindlichen Übel für Volker und damit für die Pflegeeltern. Nach dem Plan des E sollten die Pflegeeltern durch diese Drohung zur Zahlung, d.h. zu einer Handlung genötigt werden, die ihrem Vermögen einen Nachteil zugefügt hätte. E leitete das Ganze in die Wege, um sich rechtswidrig zu bereichern, d.h. er hatte den Entschluß gefaßt, die Eltern durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu erpressen. cc) Mit dem Absenden des Briefes, spätestens mit dem Eingang des Briefes bei den Pflegeeltern, lag unter Berücksichtigung des Planes des E eine unmittelbare Gefährdung der Willensfreiheit und des Vermögens der Pflegeeltern vor. E hatte demnach mit der Ausführungshandlung begonnen.

Vorgerückteilklausur Nr. 1: Entführungsfall

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dd) E handelte rechtswidrig. - Er hat damit den Unrechtstatbestand der versuchten Erpressung erfüllt. b) Die Merkmale des qualifizierten Tatbestandes, §§ 255,23. Die Drohung, Volker ohne Zahlung des Lösegeldes nicht herauszugeben, enthielt eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben Volkers. Denn über die bloße Freiheitsentziehung hinaus mußten die Eltern aufgrund der Drohung befürchten, daß die Entführer sich im Falle der Nichtzahlung des Kindes durch Tötung entledigen würden. Dies schrieb E zwar nicht ausdrücklich, doch war dies im Zusammenhang mit der auch ihm bekannten Drohung der wirklichen Entführer der erkennbare Sinn seiner eigenen Drohung. Diese, dem Kind in Aussicht gestellte Gewalt stellte auch für Pflegeeltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu dem Kind ein Übel dar. Daß sich die Drohung unmittelbar gegen Leib oder Leben der Pflegeeltern richtete, ist nicht erforderlich. In dieser Weise hatte E den Sachverhalt auch in seinen Entschluß aufgenommen. E handelte rechtswidrig und schuldhaft. Ergebnis: Er hat sich einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig gemacht, §§ 253, 255, 23. 3. Bedrohung, § 241 Abs. 1 Eine Bedrohung liegt vor, ist aber tatbestandlich auch in der versuchten räuberischen Erpressung enthalten und wird daher von dieser konsumiert. 4. Versuchter Betrug, §§263, 23 Das Verhalten des E könnte auch einen versuchten Betrug, §§ 263,23, darstellen. Ein vollendeter Betrug scheidet aus, weil es nicht zu einer Vermögensverfügung durch die Pflegeeltern gekommen ist. - Doch auch der versuchte Betrug ist strafbar, §§ 263 Abs. 2, 23. a) E hatte den Entschluß gefaßt, die Eltern darüber zu täuschen, daß er der Entführer des Kindes sei. b) Diese Täuschung sollte einen Irrtum über die wahren Entführer bei den Pflegeeltern hervorrufen. c) Dieser Irrtum wäre auch kausal gewesen für eine Vermögensverfügung seitens der Pflegeeltern, wenn diese gezahlt hätten. - Es fragt sich aber, ob der Betrugstatbestand nicht mehr erfordert als diese rein kausale Verknüpfung des Irrtums mit der Vermögensverfügung. Der Betrug wird gemeinhin ein Selbstschädigungsdelikt genannt. Diese Kennzeichnung wird seinem Wesen durchaus gerecht. Wesentlich ist dem Betrug nämlich, daß der Täter das Opfer in eine

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Situation versetzt, in der das Opfer meint, aufgrund freien, rechtlich nicht relevant beeinflußten Entschlusses eine Verfügung zu treffen, wobei dem Opfer jedoch verborgen bleibt, daß diese Verfügung unmittelbar zu einem Vermögensschaden des Opfers führt. Gerade diese Situation ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Pflegeeltern wären sich des Verfügungscharakters ihrer Handlungsweise bewußt gewesen, wenn sie das Geld gezahlt hätten. In gleicher Weise wäre ihnen jedoch auch die schädigende Natur dieser Verfügung klar gewesen. Nicht auf Grund vermeintlich freien Entschlusses wäre es zur Verfügung gekommen, sondern auf Grund eines unfreien, von anderer Seite beeinflußten Willens wäre die Verfügung erfolgt, und zwar lag nach dem Vorstellungsbild des Opfers der typische Fall einer Erpressung vor, da die Verfügung ihren Grund in einer Drohung mit einem empfindlichen Übel gehabt hätte. Es ist nämlich völlig gleichgültig, ob der Täter der Erpressung das angedrohte Übel realisieren kann oder nicht. Es kommt allein darauf an, daß der Täter dem Opfer weismacht, er verfüge über die Realisierungsmöglichkeit. Das ist unstreitig, und dessen war sich auch der Gesetzgeber bei der Schaffung des Erpressungstatbestandes bewußt. Wenn dem aber so ist, dann schließt die Erpressung, auch wenn sie auf einer Täuschung über die Grundlagen der Drohung beruht, tatbestandlich den Betrug aus. Bei dem nur vorgetäuschten Übel kommt dem Erpressungstatbestand gleichsam die Rolle einer lex specialis gegenüber dem Betrugstatbestand zu: Verfügungen, die ihren Grund in einer Nötigungssituation haben, können nicht Verfügungen i.S. des Betrugstatbestandes sein. Diese setzen nach dem Vorstellungsbild des Opfers eine freie Entscheidung voraus. d) Der Entschluß des E war daher nicht auf die Begehung eines Betruges gerichtet. 5. Erpresserischer Menschenraub, § 239 a Ein erpresserischer Menschenraub des E, § 239 a, liegt nicht vor. Der Tatbestand setzt im objektiven Teil bereits voraus, daß E selbst die Entführung begangen hat, und zwar in beiden Alternativen des § 239 a Abs. 1. 6. Falsche Verdächtigung § 164 Eine falsche Verdächtigung, § 164, liegt nicht vor, weil E nicht wider besseres Wissen einen anderen einer strafbaren Handlung gegenüber einer Behörde usw. verdächtigt hat. Weder wurde eine konkrete Person genannt, noch ein Sachverhalt übermittelt, der in bezug auf die strafbaren Handlungen über das hinausging, was den Behörden schon bekannt war.

Vorgerücktenldausur Nr. 1: Entführungsfall

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7. Straf vereitelung § 258 Auch eine Strafvereitelung, § 258, entfällt. Zum einen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Brief dazu führte, die Suche nach den wirklichen Entführern mit geringerer Intensität zu betreiben. Zum anderen wollte E diesen Erfolg nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß er sich dieses Erfolges gar nicht bewußt war. 8. Vortäuschen einer Straftat, § 145 d In Betracht könnte jedoch das Vortäuschen einer Straftat, § 145 d Abs. 2 Nr. 1, kommen. Dann müßte E wider besseres Wissen eine Behörde oder eine zur Entgegennahme von Anzeigen zuständige Stelle über die Person eines an einer Straftat Beteiligten zu täuschen gesucht haben. E hat sich zwar nicht unmittelbar an eine Behörde gewandt, für die Tatbestandserfüllung genügt es jedoch, daß der Täter damit rechnen muß, daß seine Täuschungshandlung mittelbar einer Behörde bekannt wird. Indem E als Entführer auftrat, gab er vor, eine Straftat begangen zu haben. Da er sich jedoch peinlich bemühte, jeglichen Hinweis auf seine eigene Person zu vertuschen, kann von einer Täuschung über seine eigene Beteiligung an der Straftat keine Rede sein. Die Tatsache, daß die Polizei aufgrund der Tätigkeit des E mit Mehrarbeit belastet wurde, genügt zur Erfüllung des Tatbestandes nicht. Diese Mehrarbeit ist unmittelbar in der eigenen Straftat des E, versuchte räuberische Erpressung, begründet, die ihrerseits zwar wiederum auf einer Täuschung über seine Beteiligung an einer anderen Straftat beruht, der jedoch wegen ihrer Mittelbarkeit keine Eigenständigkeit mehr zukommt. 9. Ergebnis: E hat sich einer versuchten räuberischen Erpressung schuldig gemacht, §§ 253,255, 23.

E. Anmerkungen 1. Das Erkennen der Problematik der Anonymität des Ausstellers der Urkunde erforderte bereits gediegenes Wissen. Die Entscheidung, ob unechte Urkunde oder nicht, mag streitig bleiben. Herauszuarbeiten war jedoch die Problemstellung. 2. Wer die Erörterung der Vermögensdelikte mit dem Betrug begann, hatte es schwieriger in der Argumentation, wenn er die Problematik des funktionellen Zusammenhangs zwischen Irrtum und Verfügung überhaupt sah. Die Kausalität des

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Irrtums für die Verfügung ließ sich nicht leugnen. Wer daher nicht mehr als Kausalität des Irrtums für die Verfügung voraussetzte, kam zwangsläufig zur Idealkonkurrenz von versuchtem Betrug und versuchter Erpressung. 3. Aufbautechnisch richtig war es auch, mit der versuchten einfachen Erpressung zu beginnen und erst nach deren Bejahung die versuchte räuberische Erpressung zu erwähnen, da auf Grund der verschiedenen Interpretationen des § 255 das Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation zwischen diesen Tatbeständen nicht unstreitig ist. Dieser Interpretationsstreit konnte sich im vorliegenden Fall allerdings nicht auswirken. 4. Bearbeitungszeit: 3 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Der Sachverhalt ist nachgebildet der Entscheidung BGHSt. 23 S. 294 ff = NJW 1970 S. 1855 f. 2. Zum Überblick über die Schwierigkeit der Argumentation innerhalb der Problematik der Urkundenfälschung vgl. TRÖNDLE LK, 10. Aufl. 1978 ff, § 267 Rdn. 26 ff. 3. Zur Abgrenzung von Betrug und Erpressung vgl. außer der unter 1. genannten Entscheidung auch BGH NStZ 1985 S. 408; GÜNTHER ZStW 88 (1976) S. 9 6 0 ff; HERZBERG JUS 1972 S. 5 7 0 f; KÜPER A n m . z u B G H N J W 1970 S. 1855 f, in: N J W 1970 S . 2253; OTTO Z S t W 7 9 ( 1 9 6 7 ) S. 5 8 ff, i n s b e s . S . 94; SEELMANN J u S 1982 S. 914 ff.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall A. Sachverhalt A und B haben in der Gaststätte des C kräftig gezecht. Als A volltrunken ist, weist C ihn aus dem Lokal. Voller Verbitterung macht sich A auf den Heimweg. An der Tür entnimmt er dem Schirmständer einen fremden Schirm, im Glauben es sei sein eigener. Vor der Gaststätte merkt A, daß das Gehen recht mühsam ist. Aus diesem Grunde schwingt er sich auf ein Fahrrad, das vor der Gaststätte abgestellt war. Er ist entschlossen, von nun an mit diesem Fahrrad seine Wege zu erledigen. Froh über die Neuerwerbung, aber noch verbittert über den Rausschmiß, dreht er eine Kurve, nimmt dabei einen vor der Tür liegenden Stein an sich und wirft ihn durch die Scheibe der Gaststätte. Das erleichtert ihn sehr, zumal ihm der B beim Rausschmiß gesagt hat, "laß dir das nicht bieten". Am nächsten Morgen wacht A mit einem fürchterlichen Brummschädel auf. Voller Entsetzen entdeckt er in seinem Schlafzimmer ein fremdes Fahrrad. Er eilt mit diesem zur Gaststätte des C, um sich dort zu erkundigen, ob jemand etwas über das Fahrrad weiß. Bei dieser Gelegenheit wird er über den Sachverhalt aufgeklärt und auch darüber, daß C bereits Strafantrag gegen ihn gestellt hat. Das Fahrrad gehört dem X, der es zurückerhält. Die Verwechslung des Schirmes ist noch nicht bemerkt worden. Strafbarkeit des A und B?

B. Überlegungen auf dem Wege zur Fallösung 1. Da A "volltrunken" war, und Anhaltspunkte für eine actio libera in causa nicht gegeben sind, kommt nur eine Strafbarkeit des A wegen Vollrausches, § 323 a, in Betracht. 2. Bei der Deliktsprüfung ist mit den im Vollrausch begangenen Straftaten zu beginnen. Nachdem festgestellt ist, daß eine Bestrafung aus diesen Taten nicht erfolgen kann, ist die Prüfung des § 323 a anzuschließen. 3. Bezüglich des B ist zu prüfen, ob eine Teilnahme am Vollrausch, § 323 a, in Betracht kommt oder eine Beteiligung an den im Rausch von A begangenen Taten. 4. Als Rauschtaten bei A sind zu erörtern: §§ 242, 248 b, 303 und 316. Bezüglich B sind zu erörtern: §§ 323 a, 26; 303, 25 Abs. 2 bzw. 26.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

C. Lösungsskizze I. Strafbarkeit des A 1. Mitnahme des Schirms, Diebstahl, § 242: a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: +. b) Vorsatz: 2. Wegnahme des Fahrrads, Diebstahl, § 242: a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache: +. b) Absicht rechtswidriger Zueignung: zwar Zueignungsabsicht, da aber A in einem Zustand des § 20, ist die Absicht rechtswidriger Zueignung nicht gegeben. 3. Benutzen des Fahrrads, unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248 b: a) Fahrrad gegen den Willen des Berechtigten in Gebrauch genommen: + . b) Subjektiver Tatbestand: +, auch Ingebrauchnahme zwecks Zueignung ist Ingebrauchnahme im Sinne des § 248 b. c) Schuld: -, § 20. d) Actio libera in causa: -. 4. Zerstörung der Scheibe, Sachbeschädigung, § 303: a) Fremde bewegliche Sache zerstört: +. b) Subjektiver Tatbestand: +, natürlicher Vorsatz. c) Schuld: -, § 20. d) Actio libera in causa: -. 5. Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 1: a) A hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. b) Absolute Fahruntüchtigkeit: +, A hatte volltrunken über 1,7 Promille. c) Vorsatz: -. 6. Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 2: a) Tathandlung vgl. 5 a, b. b) Vorhersehbarkeit: +. c) Rechtspflichtverletzung: +. d) Schuld: -, § 20. e) actio libera in causa: -.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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7. Vollrausch, § 323 a: + a) Trunkenheit des A: +. b) Subjektiver Tatbestand: +, mindestens Fahrlässigkeit. c) Rauschtaten: aa) Mitnahme des Schirms aufgrund rauschbedingten Irrtums: bb) Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen, § 248 b: +, vgl. oben, cc) Sachbeschädigung, § 303: +, vgl. oben, dd) Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 2: +, vgl. oben. d) Strafantrag: § 248 b: -, § 303: +. e) Trotz dreier "objektiver Bedingungen der Strafbarkeit" nur eine Vollrauschtat. 8. Ergebnis A hat sich eines Vollrausches, § 323 a i.V.m. §§ 248 b, 303 schuldig gemacht. II. Strafbarkeit des B 1. Teilnahme am Vollrausch, §§ 323 a, 26, 27: -. 2. Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft, §§ 303, 25Abs. 2: -. B ist nicht Mitträger der Tatherrschaft. 3. Anstiftung zur Sachbeschädigung, §§ 303, 26: -. a) Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat: +. b) Bestimmen: + / -. c) Doppelter Anstiftervorsatz: -, zu unbestimmte Tat. 4. Ergebnis B hat sich nicht strafbar gemacht.

D. Gutachten I. Straßarkeit des A 1. Mitnahme des Schirmes, Diebstahl, § 242 A könnte sich, als er den fremden Schirm mitnahm, eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

a) Der Schirm war für A eine fremde bewegliche Sache, da er nicht dem A gehörte und nicht herrenlos war. A müßte den Schirm weggenommen haben, d.h. fremden Gewahrsam gebrochen und neuen begründet haben. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Für die Frage, ob jemand eine Sache noch in Gewahrsam hat, ist nicht allein auf die körperliche Nähe zu einer Sache abzustellen, sondern auch auf die Anschauung des täglichen Lebens. So ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß Gewahrsam des Eigentümers am Schirm fortbestand, solange er in der Gaststätte war. - Wäre er vom Eigentümer vergessen worden, so hätte der Gastwirt Gewahrsam an dem Schirm erlangt. A hatte den noch fortbestehenden Gewahrsam gebrochen und eigenen begründet, als er den Schirm an sich nahm. b) A müßte vorsätzlich gehandelt haben. Als A den Schirm an sich nahm, glaubte er, es sei sein eigener. Damit irrte er über den Bedeutungsgehalt des Tatbestandsmerkmals "fremd" i.S.d. § 242. Daß dieser Irrtum möglicherweise rauschbedingt war, ist bei der Erörterung des § 242 irrelevant. Bedeutung kann die Rauschbedingtheit eines Irrtums nur im Rahmen des § 323 a erlangen. Mangels Vorsatzes entfällt daher eine Strafbarkeit des A nach §242. 2. Wegnahme des Fahrrads, Diebstahl, § 242 Durch die Mitnahme des vor der Tür stehenden Fahrrades, könnte sich A eines Diebstahls, § 242, schuldig gemacht haben. a) Das Fahrrad war für A eine fremde bewegliche Sache, da es dem X gehörte. A hat dieses Fahrrad weggenommen, da er den fortbestehenden Gewahrsam des X gegen dessen Willen gebrochen und neuen, eigenen, begründet hat. b) A handelte im Bewußtsein der Tatumstände und ihres natürlichen Bedeutungsgehaltes, also mit natürlichem Vorsatz. Fraglich ist, ob A die für den Diebstahl erforderliche rechtswidrige Zueignungsabsicht hatte. A wollte nach seinem im Rausch gefaßten Plan das Fahrrad von nun an zur Erledigung seiner Wege benutzen, er wollte den Berechtigten von dem Besitz ausschließen, eigene umfassende Herrschaft über das Fahrrad begründen und dieses wirtschaftlich nutzen, d.h. sich zueignen. Aufgrund seines Rausches war A jedoch nicht in der Lage, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, so daß er nicht in rechtswidriger Zueignungsabsicht handelte, als er das Fahrrad an sich nahm. A hat sich keines Diebstahls am Fahrrad schuldig gemacht.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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3. Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeug, § 248 b Dadurch, daß A das Fahrrad zur Heimfahrt benutzte, könnte er sich eines unbefugten Gebrauch eines Fahrzeuges, § 248 b, schuldig gemacht haben. a) A hatte das Fahrrad gegen den Willen des X in Gebrauch genommen, als er mit diesem nach Hause fuhr. b) Der Ingebrauchnahme war A sich auch bewußt. Die Ingebrauchnahme zwecks Zueignung schließt die Ingebrauchnahme im Sinne des § 248 b ein. c) A könnte jedoch nach § 20 schuldunfähig gewesen sein. Schuldunfähig ist, wem die Einsicht in das Unrecht der Tat oder die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, fehlt. Hier könnte die Schuldunfähigkeit auf einer Bewußtseinsstörung beruhen. In Betracht kommt eine krankhafte seelische Störung aufgrund von Trunkenheit. Der Alkoholrausch ist eine krankhafte seelische Störung i.S. des § 20, so daß A schuldunfähig war. d) Anhaltspunkte für eine actio libera in causa, d.h. dafür, daß sich A bewußt in den Rausch versetzt hat, um im Rausch strafbare Handlungen zu begehen, liegen nicht vor. A kann demnach wegen der bestehenden Schuldunfähigkeit nicht aus § 248 b bestraft werden. 4. Zerstörung der Scheibe, Sachbeschädigung, § 303 A könnte sich einer Sachbeschädigung schuldig gemacht haben, als er den Stein durch die Scheibe warf und sie dabei zu Bruch ginga) Die Scheibe war für A eine fremde bewegliche Sache, die durch seinen Steinwurf zerstört wurde. b) A müßte vorsätzlich gehandelt haben. A war sich seines Verhaltens trotz der Volltrunkenheit bewußt, als er den Stein durch das Fenster warf. Er handelte mit natürlichem Vorsatz. c) A war jedoch nach § 20 schuldunfähig, vgl. oben 3 c. d) Actio libera in causa kommt ebenfalls nicht in Betracht. A kann demnach nicht aus § 303 bestraft werden. 5. Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 1 A könnte sich, als er mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, gemäß § 316 Abs. 1, vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, strafbar gemacht haben. a) Bei seiner Trunkenheitsfahrt hat A ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. b) A müßte infolge seines Alkoholkonsums fahruntüchtig gewesen sein. Für rauschbedingte Fahrmängel gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Jedoch nimmt die Rechtsprechung regel-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

mäßig absolute Fahruntüchtigkeit von Radfahrern bei 1,7 Promille an. Der Sachverhalt enthält keine Angaben über den Promillewert des A. Da A aber volltrunken war, ist von einer Blutalkoholkonzentration von über 2 Promille auszugehen. A war somit absolut fahruntüchtig. c) Weiter müßte A vorsätzlich gehandelt, d.h. in Kenntnis seiner Fahruntüchtigkeit das Fahrrad benutzt haben. Der Sachverhalt enthält jedoch keinen Hinweis, daß sich A Gedanken über seine Fahrtüchtigkeit machte. Es ist deshalb davon auszugehen, daß sich A seiner Fahruntüchtigkeit nicht bewußt war. Er handelte daher nicht vorsätzlich. 6. Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 2 a) A hat fahruntüchtig ein Fahrzeug im Straßenverkehr gelenkt; vgl. 5 a, b. b) Nach § 316 Abs. 2 wird bestraft, wer fahrlässig seine Fahruntüchtigkeit verkennt. Da jedem Erwachsenen die Gefahren des Alkohols bekannt sind, kann unterstellt werden, daß auch der A bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit hatte, sich seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit bewußt zu werden. c) A verhielt sich auch rechtspflichtwidrig, als er das Fahrrad in volltrunkenem Zustand im Verkehr benutzte. d) A war jedoch nach § 20 schuldunfähig; vgl. oben 3 c. e) Fraglich ist, ob sich A die Trunkenheitsfahrt über die actio libera in causa zurechnen lassen muß. Für eine vorsätzliche actio libera in causa liegen keine Anhaltspunkte vor. Aber auch eine fahrlässige actio libera in causa kommt nicht in Betracht, da es dem A, als er in der Gaststätte zechte, nicht vorhersehbar war, daß er sich in volltrunkenem Zustand dazu entschließen werde, ein fremdes Fahrrad für den Nachhauseweg zu benutzen. Der Streit darüber, ob es eine fahrlässige actio libera in causa überhaupt gibt, muß daher nicht entschieden werden. A ist nicht gemäß § 316 Abs. 2 strafbar. 7. Vollrausch, § 323 a In Betracht kommt eine Strafbarkeit des A wegen Vollrausches, §323 a. a) Nach dem Sachverhalt war A aufgrund des Alkoholgenusses volltrunken, als er die Gaststätte verließ, d.h. er hatte sich durch alkoholische Getränke in einen Rausch versetzt. b) Der Sachverhalt sagt nichts darüber aus, daß A sich bewußt berauschen wollte. Als erwachsener Mann hatte er jedoch die Fähigkeit zu erkennen, daß seine Zecherei zu einem Rausch führen würde. Er handelte damit fahrlässig.

Vorgerücktenklausur Nr. 2: Rauschtatfall

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c) Weiter müßte A im Rausch eine rechtswidrige Tat begangen haben, wegen der er nicht bestraft werden kann, weil er schuldunfähig war. Als derartige Taten kommen in Betracht: aa) Die Wegnahme des Regenschirmes. Sie könnte hier von Belang sein, falls der Irrtum des A rauschbedingt war. Das kann jedoch dahinstehen, denn selbst wenn der Irrtum rauschbedingt war, begründet dies nicht die Zueignungsabsicht bei A. Da er den Schirm nämlich für seinen eigenen hielt, handelte er nicht im Bewußtsein, den wahren Berechtigten von der Sachherrschaft auszuschließen und selbst umfassende Sachherrschaft zu begründen. Dieses Bewußtsein ist auch nicht unter Hinweis auf den Rauschzustand des A zu ersetzen. bb) Der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248 b; vgl. oben 3. cc) Die Sachbeschädigung, § 303, vgl. oben 4. dd) Die fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, § 316 Abs. 2; vgl. oben 5. d) Allerdings ist der Strafantrag nur bezüglich § 303 gestellt, nicht in bezug auf § 248 b. Dies müßte - soweit zeitlich noch möglich - nachgeholt werden, andernfalls kann § 248 b nicht als Rauschtat berücksichtigt werden, § 323 a Abs. 3. e) Die drei im Rausch begangenen Taten sind - soweit der zweite Strafantrag noch gestellt wird - drei objektive Bedingungen der Strafbarkeit innerhalb eines Vollrausches. A handelte rechtswidrig und bezüglich des Berauschens auch schuldhaft. Er hat sich daher nach § 323 a strafbar gemacht. 8. Ergebnis: A hat sich eines Vollrausches, § 323 a i.V.m. § 248 b, 303, 316, schuldig gemacht. II. Strafbarkeit des B 1. Teilnahme am Vollrausch, §§ 323 a, 26, 27 Teilnahme am Vollrausch, § 323 a, ist ausgeschlossen. Dies folgt daraus, daß es sich hier sachlich nicht um ein eigenständiges Delikt handelt, sondern um eine Erweiterung der subjektiven Haftungsvoraussetzungen in einer bestimmten Situation für bestimmte Personen. 2. Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft, §§ 303, 25 Abs. 1, 2. Alt. B könnte jedoch mittelbarer Täter der von A begangenen Sachbeschädigung sein, §§ 303, 25 Abs. 1, 2. Alt.

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

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Mittelbarer Täter ist, wer durch einen anderen die Tat begeht. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn sich das Gesamtgeschehen aufgrund der Tatherrschaft des Hintermannes als Werk des steuernden Hintermannes darstellt. Die Situation liegt hier jedoch nicht vor. Die Aufforderung begründet keine Herrschaftsposition desB. Eine mittelbare Täterschaft des B scheidet daher aus. 3. Anstiftung zur Sachbeschädigung, §§ 303, 26 B könnte sich jedoch einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung schuldig gemacht haben. a) A hat eine tatbestandsmäßige, vorsätzliche und rechtswidrige Sachbeschädigung begangen. b) B müßte den A dazu bestimmt haben. Bestimmen heißt, den Tatentschluß in einem anderen durch Beeinflussung seines Willens hervorrufen, wobei das Mittel gleichgültig ist. Im vorliegenden Fall könnte B den A durch seine Aufforderung zu der begangenen Sachbeschädigung bestimmt haben. c) B müßte jedoch dann den Vorsatz gehabt haben, den A zu einer bestimmten Tat zu bestimmen, und sich dessen auch bewußt gewesen sein. Die Aufforderung eines anderen zur Begehung irgendwelcher unbestimmter Taten genügt nicht. Da B den A lediglich aufforderte, sich das nicht bieten zu lassen, kann nicht angenommen werden, daß B einen entsprechenden Vorsatz hatte. B hat sich daher nicht gemäß §§ 303, 26 strafbar gemacht. 4. Ergebnis: B hat sich nicht strafbar gemacht.

E. Anmerkungen 1. Der Schwerpunkt der Klausur lag im Aufbau des Vollrauschtatbestandes. 2. Ein besonderes Problem war sodann die Behandlung der Absicht rechtswidriger Zueignung im Rausch. Fordert der Tatbestand eines Delikts eine bestimmte, auf rechtswidrige Verwirklichung eines Sachverhalts gerichtete Absicht, z.B. Absicht rechtswidriger Zueignung beim Diebstahl und bei der Unterschlagung, Absicht rechtswidriger Bereicherung beim Betrug, so soll die "natürliche Absicht" genügen. Da die spezifische Absicht bei diesen Delikten aber wesentlich den Unrechtstypus bestimmt, ist dem nicht zu folgen. - Wesentlich ist die Auflehnung des Täters gegen die Vermögensordnung als rechtswidrige Auflehnung. Ist der Täter aufgrund seines Rausches zu dieser Auflehnung nicht in der Lage, so sollte ihm eine "ähnliche" Auflehnung nicht als die relevante zugerechnet werden. Gerade bei den Bereicherungsdelikten ist mit der Tat im Rausche - anders z.B. bei der Sach-

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beschädigung - noch keine endgültige neue Lage geschaffen. Die Zueignung im Rausch ist nicht die für die Deliktsverwirklichung relevante. Daher ist die Haftung wegen der Rauschtat auch kriminalpolitisch nicht nötig. - Vollzieht der Täter aber im nüchternen Zustand die rechtswidrige Absicht, so haftet er voll für diese Tat. 3. Bearbeitungszeit: 2 Stunden.

F. Hinweise zur Vertiefung 1. Zum Problem des rauschbedingten Irrtums vgl. einerseits OLG Celle NJW 1969 S. 1775, andererseits DENCKERNJW 1980 S. 2164.

2. Zur Problematik der Absicht rechtswidriger Zueignung im Rausch vgl. OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., 2. Aufl. 1984, § 81 II 2 c; OLG Celle NJW 1962 S. 1833. 3. Zur 1,7 Promille-Grenze für Radfahrer vgl. BGHSt. 34 S. 133. 4. Die actio libera in causa beim Fahrlässigkeitsdelikt ist umstritten. Zur Auseinandersetzung vgl. OTTO Jura 1986 S. 433 f. 5. Allgemein zu dem Problem des Vollrausches vgl. OTTO Jura 1986 S. 478 ff; PUPPE Jura 1982 S. 281 ff; RANFT Jura 1988,133 ff.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall A. Sachverhalt Astmann, dem erst kurz zuvor aus seinem Kfz das Autoradio entwendet worden war, und der ein neues Radio hatte einbauen lassen, wurde eines Nachts gegen Mitternacht durch eigenartige Geräusche wach. Als er aus dem Fenster schaute, sah er eine Gestalt, den Brecher, der sich an seinem Fahrzeug, das er auf der Straße vor seinem Haus geparkt hatte, zu schaffen machte. Voller Zorn ergriff Astmann sein Jagdgewehr und eilte auf die Straße. Auf seinen Ruf "Was machen Sie da?" wandte sich Brecher, der mit einem Brecheisen an der Tür des Kfz tätig gewesen war, zur Flucht. Dabei trug er das Brecheisen und eine Tasche bei sich. Astmann ging davon aus, daß Brecher sein Auto aufgebrochen und das Radio entwendet hatte. Nachdem der Flüchtende auch auf einen Halteruf nicht reagierte, gab Astmann einen Warnschuß ab. Dieser Schuß prallte an einem Eisengitter ab und traf den Ciller. Ciller sollte - von Astmann unbemerkt - in Zusammenarbeit mit Brecher den Rückzug decken. Als ihn der Schuß traf, zielte er gerade abredegemäß mit einer lebensgefährlichen Stahlkugelschleuder auf den Kopf des Astmann. Brecher lief weiter. Astmann gab nun einen gezielten Schuß auf die Beine des Brecher ab, der diesen ins linke Bein traf. Anschließend benachrichtigte Astmann die Polizei. Diese fand auch den durch den Schuß zu Tode gekommenen Ciller. Zur Wegnahme des Autoradios, die Brecher und Ciller geplant hatten, war es nicht gekommen, da Brecher die Tür noch nicht hatte öffnen können. Der besinnungslose Brecher wurde in das öffentliche Krankenhaus gebracht. In der gegen Brecher durchgeführten Hauptverhandlung beruft dieser sich darauf, zur Tatzeit schuldunfähig betrunken gewesen zu sein. Zum Gegenbeweis beantragt Staatsanwältin Riegle-Lautenbacher, ein Blutalkoholgutachten zu verlesen, das der Oberarzt Dr. Oppermann aufgrund einer routinemäßigen Blutentnahme bei Einlieferung des besinnungslosen Brecher in die Klinik erstellt und der Staatsanwaltschaft im Namen der Klinik übermittelt hatte. Brecher widerspricht der Verlesung des Gutachtens. In einem Gutachten sind die folgenden Fragen zu beantworten: 1. Wie haben sich Astmann und Brecher strafbar gemacht? Waffenrechtliche Bestimmungen bleiben außer Betracht. 2. Ist die Verlesung des Gutachtens zulässig?

Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall

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B. Lösungsskizze 1. Teil: Materiellrechtliche Prüfung I. Strafbarkeit des B wegen des Tätigwerdens mit dem Brecheisen 1. Versuchter Diebstahl zum Nachteil des A, §§ 242,23: +. a) Vollendetes Delikt: -. b) Versuch strafbar: +. c) Tatentschluß: + . d) Unmittelbares Ansetzen: +. e) Rechtfertigung: -. 0 Schuld: +. 2. Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, 23: -, bei § 243 als Strafzumessungsregel ist der Versuch nicht strafbar. 3. Versuchter Diebstahl mit Waffen, § 244 Abs. 1, 2: -. a) §§ 244 Abs. 1 Nr. 1: -, eine Schleuder ist keine Schußwaffe. b) § 244 Abs. 1 Nr. 2: -, denn die Schleuder sollte nur der Ermöglichung der Flucht dienen. 4. Sachbeschädigung, § 303: +. 5. Versuchter Raub in Mittäterschaft, §§ 249, 23, 25 Abs. 2: -. a) Versuch strafbar: +. b) Tatentschluß: -, der Einsatz der Schleuder sollte nicht der Gewahrsamserlangung, sondern der Flucht dienen. 6. Versuchter räuberischer Diebstahl in Mittäterschaft, §§ 252, 23, 25 Abs. 2: -. a) Versuch strafbar: +. b) Tatentschluß: B und C wußten, daß der Diebstahl nicht vollendet war. 7. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25 Abs. 2: +. a) Vollendetes Delikt: -. b) Versuch strafbar: +. c) Täterschaft: +, das Zielen mit der Schleuder war vom gemeinsamen Tatplan umfaßt. d) Unmittelbares Ansetzen: +. e) Rechtfertigung: -. f) Schuld: +.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

8. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25 Abs. 2: +. a) Heimtücke: -. b) Zur Verdeckung einer Straftat: +, es reicht aus, wenn der Täter Absicht bezüglich der Verhinderung seiner eigenen Ergreifung hat. I. Teilergebnis: B: §§ 242,23,303, 52; 211, 23, 25 Abs. 2; 53. II. Strafbarkeit des A

1. Der abgeprallte Warnschuß: Fahrlässige Tötung zum Nachteil des C, § 222: -. a) Erfolg: +. b) Gefahr begründet: +. c) Gefahr realisiert: +. d) Vorhersehbarkeit: +. e) Rechtspflichtverletzung: -, A handelte in Notwehr, § 32 StGB. 2. Der abgeprallte Warnschuß: Versuchte Nötigung zum Nachteil des B, §§ 240, 23: -. a) Vollendetes Delikt: -. b) Versuch strafbar: +. c) Tatentschluß: +. d) Unmittelbares Ansetzen: +. e) Rechtswidrigkeit: -, A handelte durch § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt. 3. Der gezielte Schuß: Körperverletzung zum Nachteil des B, § 223: -. a) Körperliche Mißhandlung: +, Gesundheitsbeschädigung: +. b) A handelte bewußt und gewollt. c) Rechtfertigung: -. aa) Festnahmerecht, § 127 Abs. 1 StPO: -, gezielter Schuß nicht gerechtfertigt, bb) Notwehr, § 32: -, kein gegenwärtiger Angriff des B. d) Irrtum über die Voraussetzungen der Notwehr: +. aa) Strenge Schuldtheorie bb) Eingeschränkte Schuldtheorie cc) Modifizierte Vorsatztheorie dd) Konsequenzen

Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall

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4. Der gezielte Schuß: Fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil des B, § 230: -. a) Rechtsgutsverletzung: +. b) Rechtspflichtverletzung in bezug auf Notwehrsituation: -.

2. Teilergebnis: A: 2. Teil: Die Verlesung des Gutachtens 1. Kein Verstoß gegen § 250 StPO, da Ausnahmeregel des § 256 StPO eingreift. 2. § 81 a StPO greift bei der Blutentnahme aufgrund medizinischer Indikation nicht ein. 3. Die Blutentnahme war durch § 34 StGB gerechtfertigt, da O durch den Eingriff das höherrangige Interesse wahrnahm. 4. Kein Verwertungsverbot aus § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

C. Gutachten 1. Teil: Materiellrechtliche Prüfung I. Straßarkeit des B wegen des Tätigwerdens mit dem Brecheisen 1. Versuchter Diebstahl zum Nachteil des A, §§ 242, 23 B könnte sich, indem er sich mit dem Brecheisen an dem Auto des A zu schaffen machte, eines versuchten Diebstahls, §§ 242, 23, schuldig gemacht haben. a) Ein vollendeter Diebstahl liegt nicht vor, da es zur Wegnahme des Autoradios nicht gekommen ist. b) Der Versuch des Diebstahls ist strafbar, §§ 23 Abs. 1, 242 Abs. 2. c) B müßte den vorbehaltlosen Tatentschluß bezüglich der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in Zueignungsabsicht gefaßt haben. B wußte, daß es sich bei dem Autoradio um eine für ihn fremde bewegliche Sache handelt. Er wollte das Radio aus dem Auto des A ausbauen und mitnehmen, d. h. den Gewahrsam des A brechen und eigenen begründen. Das Autoradio wollte er in Eigenbesitz nehmen. Er hatte damit den vorbehaltlosen Tatentschluß.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

d) B müßte zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt haben, d.h. es müßte nach seinem Vorstellungsbild von der Situation in seinem Verhalten bereits eine unmittelbare Rechtsgutsgefährdung zu erkennen sein. B war dabei, mit dem Brecheisen die Tür des PKW aufzubrechen. Er ging dabei davon aus, daß er, wenn ihm dies gelungen ist, das Autoradio ausbauen und mitnehmen könnte. Es bestand also nach dem Vorstellungsbild des B eine unmittelbare (konkrete) Gefährdung des Eigentums des A. e) Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. f) B handelte schuldhaft. B hat sich also eines versuchten Diebstahls schuldig gemacht. 2. Versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall, §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, 23 B könnte sich eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht haben, §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 1, 23. Ob es einen Versuch der Regelfallbeispiele des § 243 gibt, ist strittig, da es sich bei § 243 um eine Strafzumessungsregel handelt. Für die Strafbarkeit des Versuchs wird geltend gemacht, daß die Regelfallbeispiele sich nicht wesentlich von selbständigen Qualifikationsmerkmalen unterscheiden, für die als selbständige Tatbestände eine Anwendung der Versuchsregeln selbstverständlich ist. Die Unterscheidung sei mehr eine Frage der formalen Gesetzestechnik. Deshalb wird der Vorsatz in Bezug auf ein Regelfallbeispiel zum Teil als ausreichend erachtet, einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall zu begründen. Dagegen spricht, daß der Gesetzgeber den § 243 eben gerade als Strafzumessungsregel und nicht als Qualifikationstatbestand ausgestaltet hat, und daß zwischen diesen Gesetzestechniken durchaus ein Unterschied besteht. Bei § 243 handelt es sich um einen unbenannten Strafänderungsgrund, da das Vorliegen eines Regelfallbeispiels - im Gegensatz zu der Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandes - den Richter nicht zwingt, den erhöhten Strafrahmen anzuwenden. Da es sich bei den Regelfallbeispielen damit aber nicht um Merkmale eines Tatbestandes im Sinne des Gesetzes handelt, sind die §§ 22, 23 nicht direkt anwendbar. Eine Anwendung der Versuchsregeln auf die Regelfallbeispiele des § 243 würde daher, wenn das Regelfallbeispiel selbst noch nicht verwirklicht ist, eine verbotene Analogie zu Ungunsten des Täters (Art. 103 Abs. 2 GG) darstellen. Etwaige Strafbarkeitslücken müßte der Gesetzgeber schließen. Es liegt somit kein versuchter Diebstahl in einem besonders schweren Fall vor.

Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall 3. Versuchter Diebstahl mit Waffen, §§244Abs.

127 1, 2, 25Abs.2

B könnte sich eines versuchten Diebstahls mit Waffen in Mittäterschaft schuldig gemacht haben, da C bei dem gemeinsamen Versuch, das Auto aufzubrechen, eine Schleuder bei sich hatte.Der Versuch ist strafbar, § 244 Abs. 2. a) Für die Verwirklichung vom § 244 Abs. 1 Nr. 1 müßte B den vorbehaltlosen Tatentschluß gehabt haben, eine Schußwaffe mitzuführen. Eine Schußwaffe ist eine Waffe, bei der ein Geschoß durch einen Lauf getrieben wird. B hatte gemeinsam mit C geplant, daß dieser eine Schleuder bei dem Diebstahlsunternehmen bei sich führt. Da Schleudern keinen Lauf haben, ist die Stahlkugelschleuder keine Schußwaffe. B hatte also keinen vorbehaltslosen Tatentschluß bezüglich des Bei-sichFührens einer Schußwaffe. b) Für die Verwirklichung des § 244 Abs. 1 Nr. 2 müßte B den vorbehaltlosen Tatentschluß gehabt haben, eine Waffe mitzuführen, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die Schleuder müßte eine Waffe i.S. des § 244 Abs. 1 Nr. 2 sein. Eine Waffe ist ein Gegenstand, der nach seiner Art und seinem Verwendungszweck in der konkreten Situation dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Bei der von C mitgeführten Schleuder handelt es sich um eine lebensgefährliche Stahlkugelschleuder, also um eine Waffe. Das Bei-sich-Führen der Schleuder zur Ermöglichung der Flucht müßte den Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 2 erfüllen. Läßt man es genügen, daß die Täter planen, zu irgendeinem Zeitpunkt der Tat, auch noch nach der Vollendung, die mitgeführte Waffe zu dem in § 244 Abs. 1 Nr. 2 beschriebenen Zweck zu verwenden, ist der Tatbestand hier erfüllt, denn hätte B wie im Tatplan vorgesehen das Radio bei der Flucht schon in Besitz gehabt, wäre der Diebstahl zwar vollendet, aber noch nicht beendet gewesen. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß der Zweck der Qualifizierung darin besteht, denjenigen schwerer zu bestrafen, der den Diebstahl mittels einer Waffe ermöglichen will. Das bedeutet aber, daß die Waffe als Mittel, den Gewahrsamsbruch durchzuführen, eingesetzt werden muß. Wendet der Täter auf der Flucht Waffengewalt an, d.h. nach Vollendung des Diebstahls, um sich die Beute zu sichern, so ist der Anwendungsbereich des § 252 eröffnet. Da B und C aber nur geplant hatten, die Schleuder zur Deckung des Rückzugs einzusetzen, hat B sich also nicht eines versuchten Diebstahls mit Waffen schuldig gemacht.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

4. Sachbeschädigung, § 303 B könnte sich einer Sachbeschädigung an dem Auto des A schuldig gemacht haben. B hat das Kfz des A bei dem Versuch, es gewaltsam aufzubrechen, beschädigt, denn der Versuch, eine Autotür mit einer Brechstange zu öffnen, führt notwendigerweise zu Schäden am Auto. B handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. 5. Versuchter Raub in Mittäterschaft, §§ 249, 23, 25Abs. 2 B könnte sich eines versuchten Raubes in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. a) Der Versuch ist gemäß §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1 strafbar. b) B müßte den vorbehaltlosen Tatentschluß gehabt haben, das Autoradio mit Gewalt oder durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben wegzunehmen. Nach dem gemeinsamen Tatplan mit C sollte B das Autoradio ausbauen und mitnehmen, also schon Gewahrsam begründet haben, bevor C zur Deckung des Rückzugs im Notfall die Schleuder einsetzen sollte. Damit hatte B bezüglich eines Raubes keinen vorbehaltlosen Tatentschluß. 6. Versuchter räuberischer Diebstahl in Mittäterschaft, §§252, 23, 25 Abs. 2 B könnte sich dadurch, daß C mit der Schleuder auf A zielte, eines versuchten räuberischen Diebstahls in Mittäterschaft schuldig gemacht haben. a) Der Versuch ist strafbar, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1. b) Für § 252 ist ein vollendeter Diebstahl Voraussetzung. B und C wußten jedoch, daß der Diebstahl nicht vollendet war, als C im Rahmen des gemeinsamen Tatplanes auf A anlegte. Damit hatte B nicht den erforderlichen Tatentschluß zur Begehung eines räuberischen Diebstahls. 7. Versuchter Totschlag als Mittäter, §§ 212, 23, 25Abs. 2 Das Anlegen auf A könnte einen versuchten Totschlag des B in Mittäterschaft darstellen. a) Der Totschlag ist nicht vollendet, da A noch lebt. b) Der Versuch ist strafbar, §§ 23 Abs. 1,12 Abs. 1. c) B müßte den vorbehaltlosen Tatentschluß gehabt haben, den A zu töten. B und C handelten weder mit direktem Vorsatz 1. Grades noch mit direktem Vorsatz 2. Grades, da der Tod des A weder ihr Ziel noch ihnen als notwendige Folge ihres Verhaltens bewußt war.

Examensklausur Nr. 1: Autoknackerfall

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Innerhalb des gemeinsamen Tatplanes könnte B jedoch bedingten Vorsatz bezüglich des Todes des A gehabt haben. Bedingter Vorsatz liegt nach der Gefährdungstheorie dann vor, wenn der Täter die konkrete Gefahr der Rechtsgutsverletzung erkennt und sich trotz des Bewußtseins dieser Gefahr nicht von seinem Vorhaben abhalten läßt. B und C hatten gemeinsam den Plan gefaßt, etwaige Verfolger mit Hilfe der Schleuder aufzuhalten. Sie waren sich bewußt, daß der Einsatz der Schleuder das Leben eines Verfolgers konkret gefährden würde und wollten dennoch gegebenenfalls von ihr Gebrauch machen. Nach der vor allem von der Rechtsprechung vertretenen Billigungstheorie liegt bedingter Vorsatz dann vor, wenn der Täter einen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Das billigende Inkaufnehmen soll aber nicht nur dann vorliegen, wenn der Täter den Erfolg gutheißt, sondern auch dann, wenn er ihn als unerwünscht ansieht, aber sein Ziel trotz der von ihm erkannten Gefahr für das Rechtsgut weiter anstrebt. B hätte auch nach der Billigungstheorie mit bedingtem Vorsatz gehandelt, wenn er bei dem ihm bewußten Grad der Wahrscheinlichkeit einer lebensgefährlichen Verletzung vernünftigerweise nicht auf das Ausbleiben des Erfolges vertrauen konnte. Da beim Schießen mit einer Stahlkugelschleuder eine große Wahrscheinlichkeit für lebensgefährliche Verletzungen besteht, und B und C die Gefahr derartiger Verletzungen sahen und dennoch handelten, liegt nach beiden angeführten Theorien bedingter Vorsatz vor. d) B müßte unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt haben. Dies ist der Fall, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat das Leben des A unmittelbar gefährdet hat. B selbst hatte aber nicht eigenhändig den A gefährdet. Auf A angelegt hatte jedoch C. Dieser hatte damit das Leben des A konkret gefährdet. aa) B müßte sich das Verhalten des C zurechnen lassen, wenn er mit diesem mittäterschaftlich, § 25 Abs. 2, tätig geworden ist. bb) Mittäter ist, wer im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen einen Unrechtstatbestand derart erfüllt, daß die Tätermerkmale in der Person eines jeden Mitwirkenden vorliegen, d. h. daß jeder Mitträger des Tatentschlusses ist und an der Tatausführung arbeitsteilig mitwirkt. B und C haben gemeinsam den Tatentschluß gefaßt, das Autoradio des A an sich zu nehmen. Entsprechend des gemeinsamen Tatplans sollte B das Autoradio ausbauen, während C aufpassen und dem B eventuell Schutz mit der Stahlkugelschleuder bieten sollte. Das Vorgehen von B und C war also arbeitsteilig geplant und durchgeführt worden. Da C im Rahmen des gemeinsamen

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Tatplanes tätig geworden ist, muß B sich das Verhalten des C zurechnen lassen. e) Rechtfertigungsgründe liegen nicht vor. f) B handelte schuldhaft. B hat einen versuchten Totschlag in Mittäterschaft begangen. 8. Versuchter Mord als Mittäter, §§ 211, 23, 25Abs. 2 B könnte auch einen versuchten Mord in Mittäterschaft begangen haben. Dazu müßte sein Tatentschluß ein Mordmerkmal umfaßt haben. a) Das Mordmerkmal der Heimtücke könnte vorliegen. Nach einer Lehrmeinung ist dazu die Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Täter und Opfer erforderlich. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen A und B liegt nicht vor. Die Rechtsprechung verlangt für das Vorliegen von Heimtücke die Ausnutzung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers. A war nicht arglos, da er B festnehmen wollte und in dieser Situation mit Gegenwehr rechnen mußte. Damit liegt auch nach dieser Definition Heimtücke nicht vor. b) B könnte aber den Vorsatz gehabt haben, den A zu töten, um eine andere Straftat zu verdecken. B und C hatten geplant, den Tod eines Verfolgers in Kauf zu nehmen, um sich selbst vor der Ergreifung zu schützen. Fraglich ist, ob das Mordmerkmal auch erfüllt ist, wenn der Täter handelt, um seine eigene Straftat zu verdecken. Das ist der Fall, da § 211 hier der besonderen Gefährlichkeit eines aus diesen Motiven heraus handelnden Täters Rechnung trägt und dahinter die sonst strafmildernd berücksichtigte Selbstbegünstigungsabsicht des Täters zurücktritt. Desweiteren müßte der hier gegebene bedingte Tötungsvorsatz für das Mordmerkmal ausreichend sein. Dieses Mordmerkmal setzt nur bezüglich der Verdeckung einer Straftat Absicht voraus, nicht aber bezüglich des Totschlags. Ziel des B war es, nicht gefaßt zu werden, er handelte also in bezug auf die Verdeckung mit Absicht. Da die Verdeckungsabsicht sowohl in der Person des handelnden C als auch in der Person des B vorliegt, kann hier offen bleiben, ob die Verdeckungsabsicht i. S. des § 28 strafbegründendes, täterbezogenes oder Schuldmerkmal ist. B hat sich nach §§ 211, 23, 25 Abs. 2 strafbar gemacht.

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I. Teilergebnis: Der versuchte Diebstahl und die Sachbeschädigung wurden durch eine Handlung des B verwirklicht. Der versuchte Mord ist gegenüber dem versuchten Totschlag das qualifizierte Delikt. Der versuchte Mord und der versuchte Diebstahl konkurrieren realiter. Zwar hatten B und C es von vornherein eingeplant, etwaige Verfolger mit der Schleuder aufzuhalten. Als C auf A anlegte, war der Diebstahlsversuch aber bereits fehlgeschlagen, so daß das Geschehen bei natürlicher Betrachtungsweise keine Einheit bildet. B ist strafbar wegen §§ 242, 23, 303; 52; 211,23, 25 Abs. 2; 53. II. Strafbarkeit des A 1. Der abgeprallte Warnschuß: Fahrlässige Tötung zum Nachteil des C, §222 A könnte sich einer fahrlässigen Tötung zum Nachteil des C schuldig gemacht haben, indem er einen Warnschuß abgab. a) Der tatbestandsmäßige Erfolg ist eingetreten, da C tot ist. b) A hat durch den Warnschuß eine Gefahr für das Leben in der Nähe befindlicher Personen begründet. c) Die von A begründete Gefahr hat sich im Tod des C realisiert. d) Der Tod müßte für A vorhersehbar gewesen sein. Daß bei einem Schuß in einer Straße, selbst wenn auf den ersten Blick niemand zu sehen ist, jemand verletzt oder getötet werden kann, liegt im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung. Der Tod des C war daher auch für A vorhersehbar. e) A müßte pflichtwidrig gehandelt haben. Es könnte der Rechtfertigungsgrund des § 32 eingreifen. Dazu müßte ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff gegeben sein. C hatte auf A mit einer lebensgefährlichen Stahlkugelschleuder angelegt. Es lag also ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf sein Leben vor; vgl. oben I 7. Der Schuß auf C müßte eine erforderliche Verteidigungshandlung gewesen sein. Der Schuß auf C war erforderlich, da A nur so verhindern konnte, daß C seinerseits auf ihn schießt. Eine Rechtfertigung gemäß § 32 setzt des weiteren Verteidigungswillen voraus. A handelte ohne Verteidigungswillen, da ihm die Gefahr für sein Leib und Leben nicht bewußt war. Fraglich ist, welche Konsequenz das Fehlen des Verteidigungswillens beim Fahrlässigkeitsdelikt hat. Auch dann, wenn das subjektive Rechtfertigungselement fehlt, handelt der Täter objektiv nicht rechtswidrig. Handelt der Täter aber objektiv nicht rechtswidrig, so handelt er objektiv nicht rechtspflichtwidrig. Eine Be-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

strafung wegen eines vollendeten Fahrlässigkeitsdelikts entfällt damit. - Eine Versuchsprüfung aufgrund des fehlenden subjektiven Rechtfertigungselements erübrigt sich hingegen, weil der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts nicht strafbar ist. A hat sich also nicht gemäß § 222 strafbar gemacht. 2. Versuchte Nötigung zum Nachteil des B, §§ 240, 23 Durch den Warnschuß könnte sich der A einer versuchten Nötigung zum Nachteil des B schuldig gemacht haben. a) Es liegt keine vollendete Nötigung vor, da B weiterlief. b) Der Versuch ist strafbar, § 240 Abs. 3. c) A müßte bezüglich einer Nötigung des B den vorbehaltlosen Tatentschluß gehabt haben, den B durch Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu veranlassen. A wollte durch einen Warnschuß erreichen, daß B stehenbleibt. d) A hat durch seinen Schuß auch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, denn er hat durch die Abgabe des Schusses bereits alles getan, was er geplant hatte, um den B zum Stehenbleiben zu veranlassen. e) A könnte aber gemäß § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt gehandelt haben. Durch § 127 Abs. 1 StPO wird die Nötigung gerechtfertigt, die mit der Ausübung des Rechts auf vorläufige Festnahme notwendigerweise verbunden ist. Fraglich ist jedoch, ob dies auch für eine Nötigung mittels Schußwaffengebrauchs gilt. Da es sich bei § 127 Abs. 1 StPO um eine restriktiv auszulegende Ausnahmeregelung vom Gewaltmonopol des Staates handelt, wird von einem großen Teil der Lehre der Schußwaffengebrauch durch Privatleute vom Anwendungsbereich des § 127 Abs. 1 StPO ausgeschlossen. Dies wird auch mit der besonderen Gefährlichkeit von Schußwaffen begründet. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß es bei einem fliehenden Täter notwendig sein kann, die Nötigung, die zur Festnahme führen kann, mittels eines Warnschusses zu unterstützen, damit sie Erfolg hat. Dem Verfolgenden hier das Recht abzusprechen, einen Warnschuß abzugeben, würde ihn oft in eine Lage versetzen, in der sein Festnahmerecht leerläuft. Dies muß der Verfolgende aber nicht in Kauf nehmen, zumal ein Warnschuß zwar gefährlich ist, aber keine hohe Wahrscheinlichkeit von schwerwiegenden Auswirkungen hat. Daher ist die Abgabe eines Warnschusses durch § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt. B handelte also nicht rechtswidrig.

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3. Der gezielte Schuß: Körperverletzung zum Nachteil des B, § 223 A könnte sich durch den gezielten Schuß auf die Beine des B einer Körperverletzung schuldig gemacht haben. a) Eine Körperverletzung begeht, wer einen anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit beschädigt. Eine körperliche Mißhandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung durch die das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Schuß in die Beine führt zu erheblichen Verletzungen, ist also eine Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt. Eine Gesundheitsbeschädigung ist das Herbeiführen oder die Steigerung eines nicht unerheblichen anomalen körperlichen oder auch psychischen Zustandes. Der Schuß in die Beine des B führte zu einer Schußverletzung, ein krankhafter Zustand wurde damit hervorgerufen. A hat den B also durch den Schuß in die Beine sowohl körperlich mißhandelt als auch an der Gesundheit beschädigt. b) A verwirklichte die Körperverletzung bewußt und gewollt. c) A könnte jedoch gerechtfertigt sein. aa) Auch hier könnte § 127 Abs.l StPO als Rechtfertigungsgrund eingreifen. Es ist unstreitig, daß § 127 Abs. 1 StPO eine Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung, die insbes. durch das Festhalten verursacht wird, rechtfertigt. Fraglich ist, ob darunter auch das Schießen in die Beine, um den Täter an der Flucht zu hindern, fällt. Der Unzulässigkeit jedes Schußwaffengebrauchs ist aus den oben angeführten Gründen zu widersprechen. Fraglich ist aber, ob nur ein Warnschuß oder auch ein gezielter Schuß von § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt werden kann. Auch hier ist zu beachten, daß das Festnahmerecht dem Täter auch die entsprechenden Maßnahmen gestatten muß, die zur Ausübung desselben erforderlich sind. Dabei kann es sein, daß ein Warnschuß nicht ausreichend ist. Der gezielte Schuß kann also grundsätzlich auch durch § 127 Abs. 1 StPO gerechtfertigt sein, jedoch ist immer zu berücksichtigen, daß die auf eine Festnahme gerichtete Handlung auch dem Ziel einer Festnahme dienlich und diesem angemessen ist. Der gezielte Gebrauch einer Schußwaffe birgt immer das Risiko erheblicher Verletzungen bis hin zu einem tödlichen Treffer in sich. Gerade ein tödlicher Treffer würde aber nicht eine Festnahme ermöglichen, sondern diese unmöglich machen. Der gezielte Schuß ist daher nur ausnahmsweise zu rechtfertigen. Bei der Beurteilung der Ausnahmesituation ist die Schwere des Delikts zu berücksichtigen, vor allem aber der Grad der Lebensgefahr. Nur dann, wenn sich das Risiko einer lebensgefährlichen Verletzung nach den Tatumständen zwar als abstrakt möglich,

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

aber als so unwahrscheinlich darstellt, daß es vernachlässigt werden kann, rechtfertigt das Festnahmerecht einen auf eine Person gezielt abgegebenen Schuß. Von einer derart geringen Chance einer lebensgefährlichen Verletzung kann hier - bewegliches Ziel, Lichtverhältnisse zur Nachtzeit, Erregung des Schützen - jedoch nicht ausgegangen werden. Eine Rechtfertigung des Schusses gemäß § 127 Abs. 1 StPO kommt daher nicht in Betracht. bb) A könnte jedoch durch Notwehr, § 32, gerechtfertigt sein. Dann müßte ein gegenwärtiger Angriff des B gegen den A vorgelegen haben. Als B sich am Kfz. des A zu schaffen machte, bedrohte er das Eigentum des A. Dieser Angriff war jedoch abgeschlossen und damit nicht mehr gegenwärtig, als B sich ohne Beute zur Flucht wandte. - A handelte daher bei der Abgabe des gezielten Schusses nicht in Notwehr. d) A stellte sich aber vor, daß B ihm das Autoradio gestohlen hat und es bei sich führt. Nach seiner Vorstellung lag daher die Situation eines zwar vollendeten, aber noch nicht beendeten Diebstahls und damit die Situation eines noch andauernden rechtswidrigen Angriffs vor. Da B auf den Warnschuß nicht reagiert hatte, wäre der gezielte Schuß auch eine erforderliche Verteidigungshandlung gewesen. Die rechtlichen Konsequenzen eines Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes sind allerdings umstritten. aa) Nach der strengen Schuldtheorie findet auf diese Irrtumssituation § 17 Anwendung, der Vorsatz bleibt unberührt. - Diese Meinung ist jedoch abzulehnen, da derjenige, der sich über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes irrt, nicht mit dem Vorsatztäter auf dieselbe rechtliche Wertungsstufe gestellt werden darf. Der irrende Täter will sich nämlich im Gegensatz zum Vorsatztäter rechtstreu verhalten. bb) Den verschiedenen Ausgestaltungen der eingeschränkten Schuldtheorie ist gemeinsam, daß sie den Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes dem Irrtum über ein Tatbestandsmerkmal gleichsetzen. Das wird mit der vergleichbaren Situation für den Täter in diesen Fällen begründet. § 16 wird sodann entweder direkt oder analog angewandt, bzw. es wird die Rechtsfolge des § 16 für maßgeblich erachtet. - Nach sämtlichen Ausprägungen der eingeschränkten Schuldtheorie entfällt damit im vorliegenden Fall die Möglichkeit, den A wegen vorsätzlicher Deliktsverwirklichung zu bestrafen. cc) Nach der modifizierten Vorsatztheorie setzt sich der Vorsatz aus zwei Elementen zusammen, dem finalen Element und dem Gesinnungselement. Dieses Gesinnungselement beruht auf der

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Kenntnis der Sozialschädlichkeit. Fehlt dem Täter das Bewußtsein dieses Sinngehalts, so bedeutet dies, daß ein Element des Vorsatzes fehlt und damit der Vorsatz nicht gegeben ist. - Da A sich vorstellte, in Notwehr zu handeln, war er sich der Sozialschädlichkeit seines Verhaltens nicht bewußt. Auch nach der modifizierten Vorsatztheorie kommt eine Bestrafung des A wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung daher nicht in Betracht. dd) Da eingeschränkte Schuldtheorie und modifizierte Vorsatztheorie im vorliegenden Fall zum selben Ergebnis kommen, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit diesen Theorien. 4. Der gezielte Schuß: Fahrlässige Körperverletzung zum Nachteil des B, § 230 a) A hat den B körperlich mißhandelt und an der Gesundheit beschädigt; vgl. oben 3 a. b) Diesen Erfolg hat A sogar bewußt herbeigeführt. Das ist jedoch nicht relevant. Maßgeblich ist hier, ob es für A vorhersehbar war, daß er nicht in einer Notwehrsituation handelte und daß er das Fehlen der Notwehrsituation rechtspflichtwidrig verkannte. Dieser Vorwurf aber kann gegen A nicht erhoben werden. Aufgrund der Angaben im Sachverhalt zur Tatsituation - B hatte sich bereits längere Zeit am Kfz. des A zu schaffen gemacht, B führte eine Tasche mit sich, Lichtverhältnisse - kann nicht davon ausgegangen werden, daß A durch eine noch situationsgemäß sorgfältige Einschätzung der Lage seinen Irrtum hätte erkennen können. - A hat sich daher keiner fahrlässigen Körperverletzung, § 230, schuldig gemacht. 2. Teilergebnis A hat sich nicht strafbar gemacht. 2. Teil: Die Verlesung des Gutachtens 1. Die Verlesung des Blutalkoholgutachtens könnte gegen das Unmittelbarkeitsprinzip verstoßen, § 250 StPO, falls nicht die Ausnahmevorschrift des § 256 StPO eingreift, die eine Verlesung gestattet. Es handelt sich um ein Gutachten über den Blutalkoholgehalt gemäß § 256 Abs. 1 S. 2 StPO. Das Gutachten müßte von einer öffentlichen Behörde erstellt worden sein. Öffentliche Behörde i.S. des § 256 StPO ist jede nach öffentlichem Recht errichtete, mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beauftragte Stelle eines Trägers öffentlicher Verwaltung, die in ihrem Bestand von den sie vertre-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

tenden Personen unabhängig ist. Nicht erforderlich sind obrigkeitliche Befugnisse. Vielmehr reicht auch die Tätigkeit im Bereich der Daseinsvorsorge aus, so daß öffentliche Kliniken unter § 256 StPO fallen. O hat in Vertretung der Klinik sein Gutachten abgegeben und diese Betätigung fällt auch in die Zuständigkeit der Klinik. Die Verlesung des Gutachtens verstößt damit nicht gegen § 250 StPO. 2. Die Verlesung könnte unzulässig sein, wenn die Blutentnahme, auf der das Gutachten basiert, rechtswidrig gewesen wäre. Die Blutentnahme könnte gegen § 81 a StPO verstoßen haben. § 81 a StPO ist eine Befugnisnorm für Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit eines Beschuldigten zu strafprozessualen Zwecken. Hier erfolgte der Eingriff aber aufgrund einer privatrechtlichen Behandlung. Damit ist der Aufgabenbereich des § 81 a StPO nicht berührt. 3. Die Blutentnahme aufgrund einer privatrechtlichen Behandlung ist dann rechtmäßig, wenn der Eingriff durch § 34 gerechtfertigt ist. Das ist dann der Fall, wenn zum einen eine nicht anders abwendbare Gefahr für Leben oder Leib des Opfers bestand. Eine Gefahr ist ein Zustand, der den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten läßt. B wurde wegen einer Schußverletzung behandelt. Ohne eine Blutentnahme besteht bei einer Behandlung immer das Risiko einer Medikamentenunverträglichkeit oder sonstiger für die Gesundheit des Patienten gefährlicher Fehlbehandlungen. Da B aufgrund der Schußverletzung einer Behandlung bedurfte, bestand eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für seine Gesundheit. Das Interesse, den B vor den Schäden einer Fehlbehandlung zu schützen, müßte das Interesse des B, nicht durch eine Blutentnahme in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden, wesentlich überwiegen. Die Risiken einer Fehlbehandlung sind für B unabsehbar groß, während es sich bei der Blutentnahme um einen minimalen Eingriff handelt. Das geschützte Interesse überwiegt das beeinträchtigte also wesentlich. Der Arzt handelte auch zur Wahrnehmung dieses Interesses. Die Blutentnahme war damit gemäß § 34 gerechtfertigt. Ist aber die Blutentnahme und -Untersuchung als solche aus diagnostischen Gesichtspunkten rechtmäßig, so kann aus den Umständen ihrer Entnahme kein Hindernis für die Verwertung im Prozeß hergeleitet werden. 4. Dem O ist der Blutalkoholgehalt des B als Arzt bekanntgeworden. Diese Tatsache ist ein Geheimnis im Sinne des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB, durch dessen Offenbarung sich O nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar machen könnte, da Rechtfertigungsgründe

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nicht ersichtlich sind, insbes. keine rechtmäßige Beschlagnahme der Blutprobe vorlag. Ob in der Übersendung des Gutachtens eine Straftat des O lag, kann jedoch dahinstehen, denn auch in diesem Fall darf das Gericht das Gutachten verwenden, wenn O ausdrücklich auf die Risiken des Falles hingewiesen worden ist. - Soweit dieser Hinweis nicht erfolgt ist, wäre er vor Verlesung des Gutachtens nachzuholen, andernfalls wäre das Gutachten nicht verwertbar.

D. Anmerkungen 1. Die meisten Fehler wurden bei der Erörterung der §§ 243, 244 gemacht. Die Verfasser verkannten die Problematik des "Versuchs eines Regelbeispiels". Bei der Darstellung des § 244 blieben die Ausführungen durchweg zu oberflächlich, da nicht zwischen Vollendung und Beendigung des Diebstahls unterschieden wurde. Einige Verfasser hatten erhebliche Probleme mit dem Aufbau des Fahrlässigkeitsdelikts. 2. Vertretbar war es, § 244 Abs. 1 Nr. 2 zu bejahen. 3. Vertretbar war es auch - noch -, eine Rechtfertigung des gezielten Schusses gemäß § 127 Abs. 1 StPO zu bejahen. Mit der Rechtfertigung war dieser Teil der gutachterlichen Prüfung dann beendet.

E. Zur Vertiefung 1. Zum "Versuch der Regelbeispiele" des § 243 vgl. einerseits OTTO Grundkurs Strafrecht B.T., 2. Aufl. 1984, § 41 I 3 b cc; WESSELS Strafrecht B.T.-2, 11. Aufl. 1988, S. 49 ff; - andererseits BGHSt. 33 S. 370 ff; M A U R A C H / SCHROEDER/MAIWALD Strafrecht B.T. 1, 7. Aufl. 1988, § 34 Rdn. 105 ff. 2. Zum Zeitpunkt des Bei-Sich-Führens der Waffe bei § 244 Abs. 1 Nr.2 vgl. OTTO JZ 1985 S. 25; ESER, in: Schönke/Schröder, StGB, 23. Aufl. 1988, § 244 Rdn. 20; - a A BGHSt. 22 S. 230 ff. 3. Zum Mordmerkmal "um eine andere Straftat zu verdecken" vgl. BGHSt. 35 S. 116 ff; BGH MDR 1979 S. 785 f. 4. Zum Schußwaffengebrauch im Rahmen des § 127 Abs. 1 StPO vgl. einerseits BGH bei Holtz, MDR 1979 S. 986; BOUJONG in: Karlsruher Kommentar, 2. Aufl. 1987, § 127 Rdn. 28; andererseits PETERS Strafprozeß, 4. Aufl. 1985, § 47 BI1. 5. Zum Irrtum über die tatbestandlichen Voraussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes vgl. OTTO Grundkurs Strafrecht, 3. Aufl. 1988, § 15 II. 6. Zur Verlesung des Gutachtens vgl. OLG Celle JZ 1989 S. 906 ff mit Anm. MAYER S. 908 ff. Eingehend zu den Behördengutachten im Strafprozeß und zur Art ihrer Verwertung: SEYLER GA 1989 S. 546 ff.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

7. Zur Frage der Verwertbarkeit von Aussagen, die unter Verletzung einer Schweigepflicht erfolgen vgl. einerseits BGHSt. 9 S. 59 ff; 15 S. 200 ff; andererseits FEZER J u S

1978 S. 472;

LENCKNER

NJW

1965 S . 3 2 1 f f ;

RÖHN

Strafver-

fahrensrecht, 21. Aufl. 1989, § 26 B II 2 b. 8. Vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall des LG München JZ 1988 S. 565 ff m i t A n m . SCHROEDER S. 5 6 7 ff; vgl. d a z u a u c h MITSCH J A 1 9 8 9 S . 7 2 ff; PUPPE J Z 1989 S. 728 ff.

Examensklausur Nr. 2: Wahlfeststellungsklausur

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Examensklausur Nr. 2: Wahlfeststellungsklausur A. Sachverhalt Der Kaufmann K kaufte beim Autohaus H am 17. 10. einen Mercedes-Sportwagen. K vereinbarte mit H, daß er den Wagen nach Einbau einiger Extras am Abend abholen, seinen sehr gut erhaltenen BMW zu einem bereits festgelegten Preis in Zahlung geben und den Restbetrag mit einem Barscheck bezahlen werde. K fuhr gegen 17 Uhr zu H. Ein Scheckformular hatte K bereits zu Hause unterschrieben und das Datum eingesetzt. Den Namen des Empfängers und den Betrag hatte K offen gelassen. Da der Einbau der Extras sich wider Erwarten verzögert hatte, konnte K den neuen Wagen noch nicht mitnehmen. Er verabredete mit H, daß er den alten Wagen bereits zurücklassen und am nächsten Tage zur endgültigen Abwicklung des Geschäfts wieder erscheinen werde. H gab seinem Angestellten A den Auftrag, den Wagen in die Garage zu fahren. - Bei dieser Fahrt entdeckte A den Scheck, den K im Wagen liegen gelassen hatte. A, dem von H zum 31. 10. gekündigt worden war, beschloß die günstige Gelegenheit zu nutzen. Er ging zunächst nach Hause, kehrte aber um 20 Uhr zurück und erklärte dem Garagenwärter W, er müsse den BMW einem Kunden vorführen. Da dies kein ungewöhnlicher Vorgang in der Firma war, gab W dem A die Wagenschlüssel und öffnete das Garagentor zur Ausfahrt. A fuhr am nächsten Morgen zur Bank des K und löste den Scheck des K, in den er einen Betrag von DM 25 000,- und als Empfänger "Friedrich Prelle" eingesetzt hatte, ein. Den Empfang des Geldes quittierte er auf der Rückseite des Schecks ebenfalls mit "Friedrich Prelle". Sodann feierte A in einer nahegelegenen Kneipe seinen bisherigen Erfolg mit Alkohol und machte sich auf die von ihm geplante Reise in den sonnigen Süden. Dort wollte er von dem Geld leben und notfalls auch das Auto verkaufen, wenn er nicht zurückkehrte. A kam jedoch nur bis zur Stadtgrenze. Dort übersah er aufgrund des genossenen Alkohols das Rotlicht einer Ampel und überfuhr den Fußgänger F, der noch an der Unfallstelle starb. A entfernte sich sofort vom Unfallort. Erst nach drei Tagen wurde er gestellt. Trotz Ausschöpfung aller Beweismittel kann das Gericht in der Hauptverhandlung nicht klären, ob A unzurechnungsfähig, vermindert zurechnungsfähig oder voll zurechnungsfähig war, als er den F überfuhr. A behauptet aufgrund des Genusses von 20 Glas Whisky unzurechnungsfähig gewesen zu sein. Zum Beweis für die Richtigkeit

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

seiner Behauptung beantragt er einen Test mit dem Lügendetektor. Dies lehnt das Gericht mit Beschluß ab. 1. Hat A sich strafbar gemacht? 2. Ist der Beschluß des Gerichts, mit dem der Antrag des A abgelehnt wurde, rechtlich fehlerhaft? 3. Auf Ordnungswidrigkeiten des Straßenverkehrsrechts ist nicht einzugehen.

B. Lösungsskizze 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil I. Herausgabe des BMW durch den Garagen wärter W 1. Diebstahl, § 242: -, kein Gewahrsamsbruch. 2. Betrug zum Nachteil des H, § 263: +. II. Das Ansichbringen des Schecks 1. Betrug zum Nachteil des K, § 263: -, kein Verfügungsbewußtsein. 2. Diebstahl zum Nachteil des K, § 242: +. III. Das Ausfüllen des Schecks Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1,1. Alt.: +. IV. Das Einlösen des Schecks 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1,3. Alt.: +. 2. Betrug zum Nachteil des K, § 263: +. V. Quittieren auf der Rückseite des Schecks mit dem Namen "Friedrich Prelle" 1. Urkundenfälschung, § 267 Abs. 1. Alt.: +. 2. Gebrauchmachen, § 267 Abs. 1, 3. Alt.: +. VI. Das Überfahren des Fußgängers 1. Fahrlässige Tötung, § 222: -, Schuldfähigkeit nicht nachgewiesen. 2. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. Abs. 3 Nr. 2: -, vgl. 1. 3. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 Abs. 1 Nr. 1: -, vgl. 1.

Examensklausur Nr. 2: Wahlfeststellungsklausur

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4. Vollrausch, § 323 a: +. a) § 323 a nach h.M.: da kein Rausch i.S. des § 323 a nachweisbar ist. b) Wahlfeststellung zwischen § 323 a und §§ 222, 315 c Abs. 1 Nr. la, Abs. 3 Nr. 2,142 Abs. 1 Nr. 1: -, da unzulässig. c) Mindermeinung: § 323a ist als Ergänzung der Schuldzurechnungsvorschriften zu interpretieren: +. VII. Ergebnis: A: §§ 242, 263, 52; 267, 263, 52; 323a; 53. 2. Teil: Prozessualer Teil Der Beschluß des Gerichts ist rechtlich einwandfrei, da der Lügendetektor kein zulässiges Beweismittel darstellt, § 136 a StPO.

C. Gutachten 1. Teil: Materiellrechtlicher Teil I. Herausgabe des BMW durch den Garagen wärter W 1. Diebstahl, § 242 Indem A den Wagen aus der Garage fuhr, könnte er sich eines Diebstahls schuldig gemacht haben. Bei dem BMW handelt es sich um einen beweglichen körperlichen Gegenstand, der im Eigentum des H stand und damit für A fremd war. Fraglich ist, ob A das Auto weggenommen hat. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene, tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache unter Berücksichtigung der sozialen Zuordnung. Im vorliegenden Fall hatte K das tatsächliche Sachherrschaftsverhältnis an dem BMW auf H übertragen. Der Garagenwärter W hatte demgegenüber keinen eigenen Gewahrsam an dem Auto, sondern schützte nur die Herrschaftsposition des Autohändlers H, d.h. er war dessen Gewahrsamshüter. Als solcher war er nicht zu selbständigen Verfügungen befugt. Er durfte aber die in der Garage stehenden Autos an den Angestellten A herausgeben, damit dieser seine von H erhaltenen Aufträge erfüllen konnte. A spiegelte dem Garagenwärter vor, er müsse den BMW einem Kunden des H vorführen. Als W daraufhin den Pkw herausgab,

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

verfügte er über den Gewahrsam. Da er sich subjektiv in dem von H eingeräumten Handlungsspielraum bewegte, muß sich der Gewahrsamsinhaber H die Verfügung des W als eigene zurechnen lassen. Somit liegt eine Gewahrsamsübertragung und kein Gewahrsamsbruch vor. Diebstahl kommt daher nicht in Betracht. 2. Betrug zum Nachteil des H, § 263 Ein Betrug des A zu Lasten des H läge vor, wenn A durch Täuschung des Garagenwärters bei diesem einen Irrtum hervorgerufen hätte, aufgrund dessen dieser eine Vermögensverfügung vorgenommen hätte, die unmittelbar vermögensmindernd für H wirkte, und A dies in der Absicht getan hätte, sich rechtswidrig zu bereichern. A spiegelte dem W vor, im Auftrag des H zu handeln, er täuschte ihn damit über Tatsachen und erregte bei W einen entsprechenden Irrtum. Aufgrund dieses Irrtums öffnete W das Garagentor, so daß A hinausfahren konnte. Das Hinausfahrenlassen stellt eine Gewahrsamsverfügung dar. Fraglich ist, ob der Garagenwärter durch seine Handlung über das Vermögen des H verfügte. Gleichgültig, ob man Vermögen kennzeichnet als die Summe aller geldwerten Güter einer Person unter Abzug der Verbindlichkeiten oder als die Summe der wirtschaftlichen Güter einer Person, über die diese unter Billigung der Rechtsordnung Verfügungsmacht hat oder als wirtschaftliche Potenz eines Rechtssubjekts, die auf der Herrschaftsgewalt über Objekte beruht, die die Rechtsgesellschaft als selbständige Objekte des Wirtschaftsverkehrs ansieht, stellt das Eigentum an dem Pkw Vermögen im Sinne des § 263 dar. Laut Sachverhalt sollte K den BMW "in Zahlung geben und den Restbetrag mit einem Barscheck" abdecken. Es ist daher davon auszugehen, daß er sein bisheriges Fahrzeug dem Händler übereignen wollte und die Eigentumsübertragung mit Zurücklassen des Pkw auch bereits erfolgt war. Dieses Vermögen des H minderte der Garagenwärter dadurch, daß er es dem A ermöglichte, den Besitz an dem BMW dem Herrschaftsbereich des H zu entziehen. Verfügender und Geschädigter brauchen nicht identisch zu sein. Es reicht, wenn der Getäuschte der Vermögenssphäre des Geschädigten zuzurechnen ist. Daran bestehen hier - vgl. oben 11 - keine Zweifel. Subjektiv handelte A in der Absicht, das Fahrzeug selbst wirtschaftlich zu nutzen. Dieser Vorteil stellt die Kehrseite des Schadens des H, der Besitz und Verfügungsmöglichkeit an dem BMW verloren hatte, dar.

Examensklausur Nr. 2: Wahlfeststellungsklausur

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Da A keinerlei matericllrechtlichen Anspruch auf den Vermögensvorteil hatte, handelte er auch in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Er hat sich daher eines Betruges zum Nachteil des H schuldig gemacht. II. Das Ansichbringen des Schecks 1. Betrug zum Nachteil des K, § 263 Dadurch, daß A den im Auto liegenden Scheck zusammen mit dem Wagen an sich brachte, könnte er einen Betrug zum Nachteil des K begangen haben. Durch die Erklärung gegenüber dem Garagenwärter, den BMW einem Kunden vorführen zu müssen, brachte A konkludent zum Ausdruck, nicht nur mit dem Auto, sondern auch mit dessen möglichem Inhalt nach Weisung seines Dienstherrn H zu verfahren. Dadurch erregte A bei W einen entsprechenden Irrtum. Wird Vermögensverfügung definiert als Handeln, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar eine Vermögensminderung herbeiführt, so stellt sich hier nur noch die Frage nach einem Vermögensschaden. Verlangt man demgegenüber, daß der Getäuschte den Verfügungscharakter seines Verhaltens kennen muß, fehlt es bereits an diesem Merkmal der Vermögensverfügung, da der Garagenwärter gar nicht weiß, daß sich das Scheckheft des K in dem BMW befindet. Berücksichtigt man, daß es sich beim Betrug nach einhelliger Meinung um ein Selbstschädigungsdelikt handelt, setzt dies begriffsnotwendig voraus, daß der Getäuschte, dessen Verfügung dem Opfer als eigene zugerechnet wird, sich der Tatsache der Verfügung bewußt ist. Dies erkennt beim Sachbetrug selbst die abweichende h.M. an, indem sie für die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl entscheidend auf die Willensrichtung des Verfügenden abstellt. Ein Betrug scheitert daher im vorliegenden Fall am fehlenden Verfügungsbewußtsein des Garagenwärters. 2. Diebstahl zum Nachteil des K § 242 Bei dem Scheck handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache, die sich - wie der BMW - im Gewahrsam des H befand. Dadurch, daß A den Wagen, in dem sich der Scheck befand, aus der Garage fuhr, hat er den Gewahrsam des H an dem Scheck, der nicht zur Ausstattung des BMW gehörte, gebrochen und eigenen begründet. Dies geschah in der Absicht, den Scheck - unter Ausschluß des Berechtigten - eigenmächtig wirtschaftlich zu nutzen, also ihn sich zuzueignen.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Da A keinen Anspruch auf den Scheck hatte, erfolgte die Wegnahme in der Absicht rechtswidriger Zueignung. III. Das Ausfüllen des Schecks Urkundenfälschung, § 267Abs. 1, 1. Alt. Dadurch, daß S in den von K unterschriebenen und mit Datum versehenen Scheck einen Betrag von DM 25 000,- und als Empfänger "Friedrich Prelle" einsetzte, könnte er sich einer Urkundenfälschung schuldig gemacht haben. Urkunde ist nach einer Mindermeinung ein Schriftstück, das eine rechtserhebliche Erklärung eines bestimmten Ausstellers verkörpert. Somit handelt es sich bei einem vollständig ausgefüllten Scheck um eine Urkunde. Legt man den weiten Urkundenbegriff zugrunde, wonach es sich nicht um Schriftstücke handeln muß, sondern jede verkörperte Gedankenerklärung ausreicht, stellt der Scheck erst recht eine Urkunde dar. Eine unechte Urkunde stellt her, wer den Anschein erweckt, daß der Aussteller der Urkunde eine andere Person ist als diejenige, von der sie herrührt. Hier erweckte A den Anschein, daß der Kaufmann K die Bank zu einer Zahlung an Friedrich Prelle in Höhe von DM 25 000,- angewiesen habe, während die Summe und der Auszahlungsempfänger in Wahrheit von A eingesetzt worden waren. Damit hat A eine unechte Urkunde hergestellt. Er tat dies zur Täuschung der Bank und damit des Rechtsverkehrs. IV. Das Einlösen des Schecks 1. Urkundenfälschung § 267Abs. 1, 3. Alt. Indem A den Scheck bei der Bank einlöste, gebrauchte er die von ihm hergestellte unechte Urkunde. 2. Betrug zum Nachteil des K § 263 In dem Einlösen des von K unterschriebenen Schecks könnte ein Betrug liegen. Die Täuschung liegt darin, daß A dem Bankangestellten vorspiegelt, der Kontoinhaber K habe eine wirksame Anweisung in Höhe von DM 25 000,- zugunsten des Friedrich Prelle vorgenommen. Dadurch erregte er bei dem Mitarbeiter der Bank eben Irrtum, der zu der Auszahlung des Geldes und damit zu einer Vermögensverfügung des getäuschten Bankangestellten führte. Der unmittelbar darauf beruhende Vermögensschaden des K liegt in der Bela-

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stung seines Kontos mit DM 25 000,-. Dieser Schaden geht über den in dem Verlust des blanko unterschriebenen Scheckformulars liegenden hinaus (vgl. oben II 2). Zur Identität zwischen Getäuschtem und Verfügendem vgl. ebenfalls oben 12. A hatte die Absicht, sich einen Vermögensvorteil in Höhe dieses Betrages zu verschaffen. Da er keinen Anspruch auf dieses Geld hatte, handelte er in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. V. Quittieren auf der Rückseite des Schecks mit dem Namen "Friedrich Prelle" 1. Urkundenfälschung, § 267Abs. 1, 1. Alt. Fraglich ist, ob A durch das Quittieren mit dem Namen "Friedrich Prelle" eine unechte Urkunde hergestellt hat. Dazu müßte er über die Identität des Urkundenausstellers getäuscht haben. Die überwiegende Ansicht unterscheidet zwischen offener und verdeckter Anonymität. Im Falle offener Anonymität, d.h. wenn der Name einer offensichtlich nicht existierenden Person gebraucht wird, z.B. Johann Wolfgang von Goethe, soll keine Identitätstäuschung vorliegen, wohl aber, wenn es sich um einen "Allerweltsnamen" handelt. Friedrich Prelle ist kein Name der für jeden erkennbar gerade eine Identifizierung des Ausstellers verhindern soll. A täuscht daher mit dem Quittieren über den wirklichen Urheber der Quittung. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft. 2. Gebrauchmachen, § 267Abs. 1, 3. Alt. Mit dem Übergeben der Quittung hat A von einer unechten Urkunde Gebrauch gemacht, § 267 Abs. 1, 3. Alt., da er sie der Bank zugänglich machte. VI. Das Überfahren des Fußgängers 1. Fahrlässige Tötung § 222 Die Rechtsgutsverletzung, der Tod eines Menschen, ist eingetreten. In dem Tod des F realisierte sich die Gefahr, die A durch das Uberfahren der Ampel bei Rotlicht begründet hatte. A hätte bei seinen Fähigkeiten die Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt zu erkennen. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Fraglich ist jedoch, ob A den Tod des F persönlich zu verantworten hat: Laut Sachverhalt konnte das Gericht nicht klären, ob A unzurechnungsfähig, vermindert zurechnungsfähig oder sogar

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

voll zurechnungsfähig war. Das bedeutet, daß dem A die Schuld nicht nachgewiesen werden konnte. Eine Bestrafung aus § 222 entfällt daher aufgrund des Grundsatzes in dubio pro reo. 2. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c Abs. 1 Nr. 1 a i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 a) A hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt. Wie sein alkoholbedingter Fahrfehler, das Überfahren der Ampel bei Rotlicht, zeigt, war er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage, das Fahrzeug sicher zu führen. Er hat das Leben des F gefährdet, § 315c Abs. 1. - Für ein vorsätzliches Verhalten des A gibt der Sachverhalt aber keine Anhaltspunkte. b) Da A aber grob sorgfaltspflichtwidrig handelte, als er trotz des Alkoholgenusses das Fahrzeug führte, und auch Gefährdungen anderer in seinem Zustand vorhersehbar waren, handelte A fahrlässig und gefährdete auch den F fahrlässig, § 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2. c) A handelte auch rechtswidrig, doch ist nicht nachweisbar, daß A sich schuldhaft verhielt (vgl. oben 1). 3. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 Abs. 1 Nr. 1 A war Unfallbeteiligter, denn er hatte den Unfall verursacht. Er hat sich vom Unfallort sofort entfernt, ohne irgendwelche Angaben über seine Identität und die Art seiner Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Er handelte vorsätzlich und rechtswidrig, doch ist auch hier die Schuld nicht nachweisbar (vgl. oben 1). 4. Vollrausch, § 323a a) Voraussetzung für eine Strafbarkeit des A gem. § 323a ist, daß er sich zumindest fahrlässig durch alkoholische Getränke in einen Rausch versetzt und in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begangen hat, wegen der er nicht bestraft werden kann, weil er "infolge des Rausches schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen" ist. Wie unter 1.-3. dargelegt, hat A mehrere rechtswidrige Taten begangen. Erwiesen ist auch, daß A sich durch den Genuß alkoholischer Getränke in einen Zustand alkoholbedingter Intoxikation versetzt hat. Fraglich ist aber, ob A damit in einem Rauschzustand i.S. des § 323a war. Die h.M. bestimmt den Rausch in Abhängigkeit von der Rauschtat. Rausch i.S. des § 323a ist nur der Rauschzustand, der zur Unzurechnungsfähigkeit oder über den sicheren Bereich der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Täters hinaus geführt hat. Gerade dies ist im vorliegenden Fall aber nicht erwiesen. Konse-

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quenterweise kommt diese Meinung zum Freispruch des Täters, falls nicht eine Wahlfeststellung zwischen dem Vollrausch und den unter Alkoholeinfluß begangenen rechtswidrigen Taten möglich ist. b) Unterstellt, A war unzurechnungsfähig oder doch mit Sicherheit vermindert zurechnungsfähig infolge des Alkoholgenusses, so läge ein Rausch i.S. des § 323a vor. In diesen Rausch hätte A sich zumindest fahrlässig versetzt. Im Rauschzustand hätte er drei rechtswidrige Taten - vgl. oben 1.-3. - begangen. In diesem Fall wäre nicht auszuschließen, daß A infolge des Rausches schuldunfähig war. Danach wäre A nach § 323a zu bestrafen. Unterstellt hingegen, A war höchstens vermindert zurechnungsfähig oder voll zurechnungsfähig, so wäre er gem. §§ 222, 315c Abs. 1 Nr. la i.V.m. Abs. 3 Nr. 2, 52; 142 Abs. 1 Nr. 1; 53 zu bestrafen. Je nachdem, welche Unterstellung erfolgt, hat A sich strafbar gemacht. Die dann gegebene Möglichkeit der Strafbarkeit schließt aber die jeweils andere aus. Fraglich ist daher, ob eine Wahlfeststellung zwischen dem Vollrausch und den anderen Taten möglich ist. Diese Frage ist allerdings von vorneherein zu verneinen, wenn § 323a als gemeingefährliches Delikt angesehen wird. Gleichgültig ist dann, ob man die Zulässigkeit der Wahlfeststellung davon abhängig macht, daß die einzelnen Delikte rechtsethisch und rechtspsychologisch vergleichbar sind, oder ob man auf die Identität des Unrechtskerns abstellt. Das aufgrund des Rauschzustandes gemeingefährliche Delikt des Vollrausches ist mit den anderen Taten weder im Unrechtskern identisch noch rechtsethisch und rechtspsychologisch vergleichbar. c) Eine Mindermeinung vertritt jedoch die Ansicht, daß § 323a sachlich als Ergänzung der Vorschriften über die Zurechnungsfähigkeit anzusehen ist. Der Rauschzustand des § 323a wird unabhängig von der Rauschtat und der Schwere des Rausches als alkoholbedingte Intoxikation interpretiert. Zutreffend wird § 323a als Ergänzung der Schuldzurechnung für die Fälle aufgefaßt, in denen sich der Täter der allgemeinen Gefährlichkeit seines Verhaltens aufgrund des Alkoholgenusses bewußt ist, aber die konkrete Rechtsgutsverletzung (noch) nicht vorhersehen kann. Er haftet sodann nach § 323a - streng dem Wortlaut des Gesetzes folgend - in den Fällen, in denen er unzurechnungsfähig ist oder die Unzurechnungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann. Diese Interpretation des § 323a führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß A aus § 323a haftet. Daß jemand in betrunkenem Zustand Rechtsgutsverletzungen begehen kann, ist erwachsenen Menschen, und damit auch dem A, bewußt. A hat sich we-

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

gen eines Vollrausches, § 323a i.V.m. §§ 222, 315c Abs. 1 Nr. la 1.V.m. Abs. 3 Nr. 2,142 Abs. 1 Nr. 1, strafbar gemacht. VII. Ergebnis

Der Betrug, mit dessen Hilfe A den BMW an sich brachte, und der Diebstahl am Scheckheft stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, § 52. Zwischen dem Ausfüllen des Schecks und dessen Einlösung, also zwischen Herstellen und Gebrauchmachen der falschen Urkunde, § 267 Abs. 1, 1. Alt. und 3. Alt., besteht eine natürliche Handlungseinheit. Gleiches gilt für das Herstellen und den Gebrauch der falschen Urkunde beim Quittieren. Die beiden Verwirklichungen des § 267 stehen zueinander in Idealkonkurrenz, denn das Vorlegen des Schecks und das Quittieren stellen wiederum eine Handlungseinheit dar. Zwischen der Urkundenfälschung und dem Betrug, der in der Einlösung des Schecks liegt, besteht Idealkonkurrenz. Bei den verschiedenen rechtswidrigen Taten, die A im Vollrausch beging, handelt es sich um objektive Bedingungen der Strafbarkeit, so daß nur eine Tat des Vollrausches, § 323a vorliegt. Die drei Tatkomplexe stehen in Realkonkurrenz zueinander, §53. A: §§ 242, 263,52; 267, 267, 263, 52; 323a; 53. 2. Teil: Prozessualer Teil Ist der Beschluß des Gerichts, mit dem der Antrag des A abgelehnt wurde, einen Test mit dem Lügendetektor zum Beweis der Richtigkeit seiner Behauptung durchzuführen, rechtlich fehlerhaft? Unbestritten gilt für die Schuld- und Straffrage das Strengbeweisverfahren. Das bedeutet, daß Beweise nur auf die im Gesetz bestimmte Art und Weise und mit den dort vorgesehenen Beweismitteln erhoben werden dürfen. Hier geht es um die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten und damit um eine für die Schuld entscheidende Frage. Der Lügendetektor müßte daher einem der im Gesetz benannten Beweismittel zuzuordnen sein. In Betracht kommt der Beweis durch Augenschein oder durch Sachverständigen. Beim Augenscheinsbeweis nehmen die Prozeßsubjekte einen Gegenstand, eine Gegebenheit oder einen Vorgang sinnlich war, um ein Beweisergebnis zu erlangen. Der Polygraph liefert Aufzeichnungen über Blutdruck, Pulszahl und Atmungslänge der angeschlossenen Person. Dadurch soll Aufschluß darüber gewonnen werden, ob die Testperson die ihr gestellten Fragen zutreffend be-

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antwortet. Beim Einsatz eines Lügendetektors handelt es sich also um ein kompliziertes Verfahren. Die gewonnenen Aufzeichnungen können vom Gericht nicht unmittelbar verwertet werden, wie z.B. das Diagramm im Fahrtenschreiber, sondern nur das Ergebnis der Messungen im Zusammenhang mit den gestellten Fragen hat überhaupt für das Gericht einen möglichen Aussagewert. Das bedeutet, daß der Lügendetektor nicht dem Beweis durch Augenschein, sondern durch Sachverständigen zuzuordnen ist. Der Polygraph ist ein Hilfsmittel des Sachverständigen. Damit stellt sich die Frage, ob es sich beim Lügendetektor um eine zulässige Untersuchungsmethode handelt. Gemäß § 81a StPO darf eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zwar ist die Glaubwürdigkeit des Angeklagten für das Verfahren bedeutsam. Der BGH sieht aber von § 81a StPO nur solche Tatsachen erfaßt, die die körperliche Beschaffenheit des Angeklagten betreffen und schließt deshalb die Anwendung des § 81 a StPO auf den Polygraphentest aus. Entscheidend ist jedoch, daß auch für körperliche Untersuchungen das Verbot der verbotenen Vernehmungsmethoden des § 136a StPO eingreift. § 136a StPO garantiert die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Angeklagten. Diese Freiheit darf u.a. nicht durch körperliche Eingriffe beschränkt werden. Bei körperlichen Eingriffen handelt es sich um Maßnahmen, die auf eine Veränderung der körperlichen Konstitution gerichtet sind, bzw. in die Substanz des Körpers eingreifen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Polygraph nicht in die körperliche Integrität eingreift, sondern nur beobachtet, ist zu berücksichtigen, daß die in § 136a StPO verbotenen Vernehmungsmittel nicht abschließend, sondern nur beispielhaft aufgezählt sind. Unter § 136a StPO fallen daher alle Mittel, die sich in Beeinträchtigungen der Willensentschließungs- und -betätigungsfreiheit auswirken. Zu der Entschließungsfreiheit des Angeklagten gehört nicht nur, ob er sich zur Anklage äußert, sondern wenn er aussagt, auch wie er den Sachverhalt darstellt und Fragen beantwortet. Bei der Befragung unter Anschluß an einen Polygraphen ist dem Angeklagten jedoch die Kontrolle über das Wie der Beantwortung entzogen, da der Lügendetektor gerade auf Aufdeckung unbewußter Reaktionen gerichtet ist. Der Aussage selbst kommt kein eigener Wert mehr zu und der Untersuchte wird "zu einem bloßen Anhängsel des Apparates". Damit wird das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Angeklagten verletzt, dessen Schutz durch § 136a StPO gewährleistet wird. Eine andere Beurteilung könnte sich nur ergeben, wenn in

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

die Abwägung des Für und Wider der Zulässigkeit des Polygraphentestes der Umstand mit einbezogen werden müßte, daß es sich um ein 100 % sicheres Verfahren zur Aufdeckung der Wahrheit handelt. Gerade dies ist aber nicht der Fall. Das Argument, daß Zeugenaussagen häufig noch einen geringeren Aufklärungswert haben als der Polygraphentest, verfängt deshalb nicht, weil es sich bei der Treffsicherheit hier nur um ein Argument handelt, daß u. U. geeignet sein könnte, den gravierenden Eingriff in die Willensentschließungsfreiheit des Angeklagten ausnahmsweise - mit dessen Einwilligung - als zulässig anzusehen. Die Wirksamkeit der Einwilligung des Angeklagten in den Polygraphentest verneint das BVerfG unter Hinweis darauf, daß dem Angeklagten, der von einer empfindlichen Freiheitsstrafe bedroht sei, tatsächlich keine Wahlmöglichkeit, die Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung ist, verbleibe. Zu berücksichtigen ist jedoch vor allem, daß § 136a Abs. 3 StPO die Einwilligung des Angeklagten für unbeachtlich erklärt. Deshalb ist mit der Rechtsprechung und entgegen einem Teil der Literatur der Polygraphentest als unzulässig anzusehen. Der Ablehnungsbeschluß des Gerichts war daher rechtsfehlerfrei.

D. Hinweise zur Vertiefung 1. Zum Vollrauschtatbestand vgl.: DREHER/TRÖNDLE StGB, 44. Aufl. 1988, § 323a Rdn. 5; FORSTER/RENGIER NJW 1986 S. 2869 ff; HEISS NStZ 1983 S. 67 ff; OTTO Jura 1986 S. 478 ff; PUPPE Jura 1982 S. 281 ff; RANFT Jura 1988 S. 133 ff. 2. Zur Problematik der Abhängigkeit der "Rauschdefinition" von der Zurechnungsfahigkeit vgl. BGHSt. 32 S. 48 ff; DENCKNER J Z 1984 S. 453 ff. 3. Zur Zulässigkeit des Polygraphentests vgl.: BGHSt. 5 S. 332 ff; BVerfG N J W 1 9 8 2 S. 3 7 5 m i t a b l . A n m . SCHWABE N J W 1 9 8 2 S . 3 6 7 f u n d A M E L U N G N S t Z

1982 S. 38 ff; OLG Frankfurt NStZ 1988 S. 425; ACHENBACH NStZ 1984 S. 350 ff; WALDER ZStW 95 (1983) S. 888 ff.

Referendarhausarbeit

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Referendarhausarbeit Bearbeitungszeit: 6 Wochen

A. Sachverhalt Begründet in Ereignissen aus dem 30jährigen Krieg lebte in dem Heidedorf X der Aberglaube weiter, daß ein Kirchenbrand ein besonderes Zeichen bedeutet: Gehe bei einem Kirchenbrand eine alte Frau mit der Bibel dreimal um die Kirche, so erlösche dieser. Brenne es jedoch weiter, so dürfte der Brand nicht beeinflußt werden, da sonst dem Dorf großes Unheil drohe. Eines Tages brennt die Kirche in X. Frau F, eine "Zugereiste", die mit den Dorfbewohnern in Zwietracht lebt und diese - nicht zuletzt wegen des ihr bekannten Aberglaubens - für Hinterwäldler hält, beschließt, diesen zu schaden. Als die Freiwillige Feuerwehr gerade anrückt, beginnt sie mit wichtigtuerischen Gebärden den Rundgang. Ihr Plan hat Erfolg. K, der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, gibt nicht das Kommando: "Wasser marsch", da er meint, Unheil heraufzubeschwören, wenn er gegen die alte Überlieferung handelt. Seine Männer denken genauso. Als das Kommando ausbleibt, fahren sie mit dem Löschfahrzeug weg. Wenig später erscheint die Freiwillige Feuerwehr aus Y. Sie schließt die Schläuche an und rollt diese aus. Zum Löschen kommt sie allerdings nicht, weil S, ein Bewohner von X, die Schläuche in der Zwischenzeit zerschnitten hat, "damit kein Unglück geschehe". Die Kirche brennt bis auf die Grundmauern nieder. Hätte die Feuerwehr aus Y löschen können, wären wesentliche Teile des Gebäudes gerettet worden. - F ist voller Freude über das Gelingen ihres Planes, K und S sind überzeugt, Schlimmeres vom Dorf abgewendet zu haben. Haben sich F, K und S strafbar gemacht? Erforderliche Strafanträge sind gestellt.

B. Gliederung 1. Teil: Der Kirchenbrand in X bis zur Ankunft der Feuerwehr aus Y I. Die Strafbarkeit des K wegen Unterlassens des Löschbefehls 1. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1,13 2. Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308,1. Alt., 13.... 3. Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303,13

158 158 158 171 171

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

4. Gemeinschädliche Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304,13 5. Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§305,13

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II. Zwischenergebnis

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III. Strafbarkeit der F aufgrund ihres "Rundganges"

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1. Nötigung, § 240 2. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 3. Schwere Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1,1. Alt 4. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1,13, 25 Abs. 1,1. Alt 5. Schwere Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft, §§306 Nr. 1,25 Abs. 1,2. Alt 6. Anstiftung zur schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1,13, 26 7. Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308,1. Alt., 13,26 8. Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303,13,26 9. Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304,13, 26 10. Anstiftung zu einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305,13, 26 11. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 IV. Zwischenergebnis

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2. Teil: Die Einäscherung der Kirche infolge der verhinderten Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y I. Die Strafbarkeit des S wegen des Zerschneidens der Schläuche 1. Nötigung, § 240 2. Schwere Brandstiftung, § 306 Nr. 1 3. Besonders schwere Brandstiftung, § 307 Nr. 3 4. Brandstiftung, § 308,1. Alt 5. Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 303 6. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 304 1. Sachbeschädigung bzgl. des Kircheninventars, § 303...

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Referendarhausarbeit 8. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Kirche, § 304 9. Zerstören von Bauwerken, § 305

153 1% 196

II. Zwischenergebnis

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III. Die Strafbarkeit der F (Fortsetzung)

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1. Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3,26 2. Fahrlässige Brandstiftung, § 309 3. Teil: Gesamtergebnis

197 198 199

C. Literaturverzeichnis BÄRWINKEL Zur Struktur der Garantieverhältnisse bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1968. BAUMANN/WEBER Strafrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl. 1985 BAUMANN Demonstrationsziel als Bewertungsposten bei der Entscheidung nach § 240 II StGB, NJW 1987 S. 37 ff. BAUMGARTEN Bemerkungen zu Bindings Normen, ZStW 37 (1916) S. 517 ff. BERGMANN Das Unrecht der Nötigung, 1983. BINDING Das Subjekt des Verbrechens und die Satzungen des Vorentwurfs zu einem Deutschen Strafgesetzbuch über die "Teilnahme", GS 76 (1910) S. 87 ff. DERS. Die Formen des verbrecherischen Subjekts, GS 78 (1911) S. 1 ff. BLEI Garantenpflichtbegründung beim unechten Unterlassen, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 119 ff. BOCKELMANN/VOLK Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1987. BÖHM Die Rechtspflicht zum Handeln bei den unechten Unterlassungsdelikten, 1957. DERS. Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 S. 177 ff. BOPP Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, 1974. BRAMMSEN Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, 1986. BREHM Die ungefährliche Brandstiftung - BGH, NJW 1975, 1369, in: JuS 1976 S. 22 ff. BRENDLE Lärm als körperliche Einwirkung - Gewaltbegriff und Einheit der Rechtsordnung, NJW 1983 S. 727 ff. BROHM Demonstrationsfreiheit und Sitzblockaden, J Z 1985 S. 501 ff. BRUNS Anmerkung zu LG Mühlhausen D R 1943 S. 902, in: D R 1943 S. 903.

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3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

CALLIES Der Begriff der Gewalt im Systemzusammenhang der Straftatbestände, 1974. DAUM Täterschaft und Teilnahme im Amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches, 1927. DEUBNER Anmerkung zu BVerfG NJW 1972 S. 327, in: NJW 1972 S. 814. DINGELDEY Anmerkung zu B G H NStZ 1982 S. 158, in: NStZ 1982 S. 160 f. DREHER Der Paragraph mit dem Januskopf, in: Festschrift für Wilhelm Gallas, 1973, S. 307 ff. DREHER/TRÖNDLE Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 44. Aufl. 1988. EILSBERGER Die Kölner Straßenbahnblockade - BGH, NJW 1969, 1772, in: JuS 1970 S. 164 ff. ENGISCH Einführung in das juristische Denken, 8. Aufl. 1983. FRANK Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. 1931. FUCHS Kritische Erörterung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen, GA 1881 S. 169 ff. FURTNER Rechtliche Vollendung und tatsächliche Beendigung bei einer Straftat, J R 1966 S. 169 ff. GALLAS Pflichtenkollision als Schuldausschließungsgrund, in: Festschrift für Edmund Mezger, 1954, S. 311 ff. GEILEN Neue Entwicklung beim strafrechtlichen Gewaltbegriff, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 445 ff. GEPPERT Die schwere Brandstiftung (§ 306 StGB), Jura 1989 S. 417 ff. GREFFENIUS Täter aus Überzeugung, Täter aus Gewissensnot, 1969. GRIMM JACOB UND WILHELM, Deutsches Wörterbuch, 1. Band, 1854. GRÜNWALD Die Beteiligung durch Unterlassen, GA 1959 S. 110 ff. DERS. Zur gesetzlichen Regelung der unechten Unterlassungsdelikte, ZStW 70 (1958) S. 411 ff. HAFFKE Gewaltbegriff und Verwerflichkeitsklausel, ZStW 84 (1972) S. 37 ff. HARDWIG Zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe, GA 1954 S. 353 ff. DERS. Zur Systematik der Tötungsdelikte, GA 1954 S. 257 ff. HAU Die Beendigung der Straftat und ihre rechtlichen Wirkungen, 1974. HERZBERG Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, 1972. DERS. Grundfälle zur Lehre von Täterschaft und Teilnahme, JuS 1974 S. 237 ff, S. 3 7 4 ff, S. 5 7 4 ff, JuS 1 9 7 6 S. 4 0 ff. ISENBECK Beendigung der Tat bei Raub und Diebstahl, NJW 1965 S. 2326 ff. JAKOBS Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1983. DERS. Nötigung durch Gewalt, in: Gedächtnisschrift für Hilde Kaufmann, 1986, S. 791 ff. JESCHECK Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988.

Referendarhausarbeit

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DERS. Wesen und rechtliche Bedeutung der Beendigung der Straftat, in: Festschrift für Hans Welzel, 1974, S. 683 ff. KAUFMANN, ARMIN D i e D o g m a t i k d e r U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , 19S9.

DERS. Methodische Probleme der Gleichstellung des Unterlassens mit der Begehung, JuS 1961 S. 173 ff. KAUFMANN, ARTHUR D e r B G H u n d d i e S i t z b l o c k a d e , N J W 1 9 8 8 S . 2 5 8 1 f f . KAUFMANN, A R T H U R / H A S S E M E R WINFRIED D e r Ü b e r f a l l e n e S p a z i e r g ä n g e r ,

JuS

1964 S. 151 ff. KELLER Strafrechtlicher Gewaltbegriff und Staatsgewalt, 1982. KLUSSMANN Über das Verhältnis von fahrlässiger Brandstiftung (§ 309 StGB) und nachfolgender vorsätzlicher Brandstiftung (§ 308 StGB) durch Unterlassen, M D R 1 9 7 4 S. 1 8 7 ff. KOHLRAUSCH/LANGE Strafgesetzbuch, 43. Aufl. 1961. KREY Strafrecht, Besonderer Teil, Band 2, 7. Aufl. 1988. DERS. Probleme der Nötigung mit Gewalt - dargelegt am Beispiel des Fluglotsenstreiks, JuS 1974 S. 418 ff. KÜHL Die Beendigung des vorsätzlichen Begehungsdelikts, 1974. DERS. Sitzblockaden vor dem Bundesverfassungsgericht, StV 1987 S. 122 ff. LACKNER Strafgesetzbuch mit Erläuterungen, 18. Aufl. 1989. LAMPE Die Problematik der Gleichstellung von Handeln und Unterlassen im Strafrecht, ZStW 79 (1967) S. 476 ff. LEIPZIGER KOMMENTAR Strafgesetzbuch, 9. Aufl., hrsgeg. von Baldus und Willms, 1973 ff. (zit.: Bearbeiter, LK, 9Aufl.). LEIPZIGER KOMMENTAR, Strafgesetzbuch, 10. Aufl., hrsgeg. von Jescheck, Ruß und Willms, 1978 ff. (zit. Bearbeiter, LK) LOEWENHEIM Anstiftung durch Unterlassen, 1962. LUHMANN Rechtssoziologie, Band 1, 3. Aufl. 1987. MARTIN Zur strafrechtlichen Beurteilung "passiver Gewalt" bei Demonstrationen, in: Festschrift "25 Jahre Bundesgerichtshof", 1975, S. 211 ff. MAURACH/ZIPF Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 7. Aufl. 1987. MAURACH/GÖSSEL/ZIPF Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 2, 7J\ufl. 1989. MAURACH/SCHROEDER Strafrecht, Besonderer Teil, Teilband 2, 6. Aufl. 1981. MAYER HELLMUTH Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967. MEURER/BERGMANN Gewaltbegriff und Verwerflichkeitsklausel, J R 1989 S. 49 ff. MEYER, DIETER Das Erfordernis der Kollusion bei der Anstiftung, 1973. DERS. Der mißverständliche Bestechungsversuch, JuS 1970 S. 529 ff. DERS. Anstiftung durch Unterlassen?, M D R 1975 S. 981 ff. MEYER-BAHLBURG Beitrag zur Erörterung der Unterlassungsdelikte - U m echte und unechte Unterlassungsdelikte, 1962.

156

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

MÜHLMANN/BOMMEL Das Strafgesetzbuch an Hand der Rechtsprechung für die Praxis, 1949.

höchstrichterlichen

MÜLLER-DIETZ Gewissensfreiheit und Strafrecht, in: Festschrift f ü r Karl Peters, 1974, S. 91 ff. DERS. Zur Entwicklung des strafrechtlichen Gewaltbegriffs, GA 1974 S. 33 ff. VON O LS HAUSEN Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Band, 11. Aufl. 1927. OTT Anmerkung zu B G H NJW 1969 S. 1770 ff, in: NJW 1969 S. 2023 f. OTTO Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre (A.T.), 3. Aufl. 1988. DERS. Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte (B.T.), 2. Aufl. 1984. DERS. Personales Unrecht, Schuld und Strafe, ZStW 87 (1975) S. 539 ff. DERS. Sitzdemonstrationen und strafbare Nötigung in strafrechtlicher Sicht, NStZ 1987 S. 212 f. DERS. Vorangegangenes Tun als Grundlage strafrechtlicher Haftung, NJW 1974 S. 529 ff. PALANDT Bürgerliches Gesetzbuch, bearbeitet von Bassenge, Diederichsen, Edenhofer, Heinrichs, Heldrich, Keidel, Putzo, Thomas, 49. Aufl. 1990 (zitiert: Palandt /Bearbeiter). PETERS Überzeugungs- und Gewissenstäter, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 257 ff. PLATZGUMMER Die Bewußtseinsform des Vorsatzes , 1964. PREISENDANZ Strafgesetzbuch, Lehrkommentar, 30. Aufl. 1978. RANFT Hilfspflicht und Glaubensfreiheit in strafrechtlicher Sicht, in: Festschrift für Erich Schwinge, 1973, S. 111 ff. ROGALL Die verschiedenen Formen des Veranlassen fremder Straftaten, GA 1979 S. 11 ff. ROMMEL Zur einfachen Sachbeschädigung aus § 303 des Reichsstrafgesetzbuches, 1914, Nachdruck 1977. ROXIN Unterlassung, Vorsatz und Fahrlässigkeit, Versuch und Teilnahme im neuen Strafgesetzbuch, JuS 1973 S. 329 ff. DERS. Die Gewissenstat als Strafbefreiungsgrund, in: Festschrift für Werner Maihofer, 1989, S. 389 ff. DERS. Täterschaft und Tatherrschaft, 5. Aufl. 1990. RUDOLPHI Die Bedeutung des Gewissensentscheids für das Strafrecht, in: Festschrift für Hans Welzel, 1974, S. 605 ff. DERS. Fälle zum Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1983. SANGENSTEDT Garantenstellung und Garantenpflicht von Amtsträgern, 1989. SAX Dogmatische Streifzüge durch den Entwurf des Allgemeinen Teils eines Strafgesetzbuches nach den Beschlüssen der Großen Strafrechtskommission, ZStW 69 (1957) S. 412 ff. SCHAFFSTEIN Der Maßstab für das Gefahrurteil beim rechtfertigenden Notstand, in: Festschrift für Hans-Jürgen Bruns, 1978, S. 89 ff.

Referendarhausarbeit

157

SCHEUFELE Formelle Vollendung und tatsächliche Beendigung von Straftaten, 1970. SCHEWE Bewußtsein und Vorsatz, 1967. SCHMIDHÄUSER Strafrecht, Allgemeiner Teil, Studienbuch, 2. Auflage 1984. DERS. Über Aktualität und Potentialität des Unrechtsbewußtseins, in: Festschrift für Hellmuth Mayer, 1965, S. 317 ff. SCHÖNE Unterlassene Erfolgsabwendung im Strafrecht, 1974. SCHÖNKE/SCHRÖDER Strafgesetzbuch, Kommentar, bearbeitet von Cramer, Eser, Lenckner, Stree, 23. Aufl. 1988 (zitiert: Schönke/Schröder/Bearbeiter). SCHROEDER FRIEDRICH-CHRISTIAN Der Täter hinter dem Täter, 1965. DERS. Schreien als Gewalt und Schuldspruchberichtigung durch Beschluß - BGH, NJW 1982,189, in: JuS 1982 S. 491 ff. SCHÜNEMANN Grund und Grenzen der unechten Unterlassungsdelikte, 1971. SONNEN Hausfriedensbruch und Nötigung durch Störung von Universitätsveranstaltungen, JA 1982 S. 217 ff. STARCK Anmerkung zum BVerfG J Z 1987, S. 138, in: J Z 1987 S. 145 ff. STRATENWERTH Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 1981. DERS. Anmerkung zu OLG Hamm J Z 1961 S. 94 f, in: J Z 1961 S. 95 ff. STREE Teilnahme am Unterlassungsdelikt, GA 1963 S. 1 ff. DERS. Beschädigung eines Polizeistreifenwagens - BGHSt. 31, 185, in: JuS 1983 S. 8 3 7 ff. SYSTEMATISCHER KOMMENTAR zum Strafgesetzbuch, bearbeitet von Rudolphi, Horn, Samson, Schreiber, Band 1 Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Stand Juni 1989, Band 2, Besonderer Teil, 4. Aufl., Stand Okt. Sept. 1989 (zitiert: Bearbeiter, SK).

TRÖNDLE Einheit und Vielfalt des Strafrechts, J R 1 9 7 4 S. 221 ff. ULMER Die deliktische Haftung aus der Übernahme von Handlungspflichten, J Z 1969 S. 163 ff. VOGT Das Pflichtenproblem der kommissiven Unterlassung, ZStW 63 (1951) S. 3 8 1 ff. WELZEL Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969. WESSELS Strafrecht, Allgemeiner Teil, 19. Aufl. 1989. DERS. Strafrecht, Besonderer Teil 1,13. Aufl. 1989. DERS. Strafrecht, Besonderer Teil 2,12. Aufl. 1989. WIDMAIER Der mißverständliche Bestechungsversuch, JuS 1970 S. 241 ff. WINKLER Vollendung und Beendigung des vorsätzlichen Verbrechens, 1965. WOLTER Gewaltanwendung und Gewalttätigkeit, NStZ 1985 S. 193 ff.

158

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

D. Gutachten 1. Teil: Der Kirchenbrand in X bis zur Ankunft der Feuerwehr aus Y I. Die Straßarkeit des K wegen Unterlassens des Löschbefehls 1. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, J31 Dadurch, daß K es unterließ, den Einsatzbefehl: "Wasser marsch", zu geben, kann er sich wegen einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen strafbar gemacht haben, §§ 306 Nr. 1, 13. Dies ist dann der Fall, wenn er ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude in Brand gesetzt hat. a) Eine Kirche ist ein zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmtes Gebäude. Die Kirche hat auch gebrannt. Problematisch ist es aber, ob K die Kirche in Brand gesetzt hat. In Brand gesetzt ist eine Sache, wenn sie vom Feuer derart erfaßt ist, daß ein selbständiges Weiterbrennen der Sache nach Erlöschen des Zündstoffes möglich ist . Da K das Feuer nicht selbst gelegt hat, könnte er sich aber nur dann einer schweren Brandstiftung schuldig gemacht haben, wenn das "In Brand setzen" auch durch das pflichtwidrige Unterlassen von Löscharbeiten eines schon brennenden Gebäudes verwirklicht werden kann. aa) Wird der Begriff "in Brand setzen" streng nach seinem natürlichen Wortsinn ausgelegt, so scheint die Möglichkeit einer Inbrandsetzung eines schon brennenden Gebäudes durch bloßes Nichtstun ausgeschlossen zu sein. Nach dieser Betrachtungsweise kann bei einem brennenden Objekt zwar der Brand intensiviert werden, das Objekt selbst aber nicht mehr "In Brand gesetzt werden" . - Fraglich ist aber, ob der "natürliche Wortsinn" hier verbindlich ist, denn so eindeutig ist er nicht, daß er jede andere Auslegung notwendig ausschließt.

1

Nicht näher bezeichnete §§ sind solche des StGB.

2

RGSt. 71 S. 194; BGHSt. 18 S. 363; DREHER/TRÖNDLE § 306 Rdn. 6; OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 I 1; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 306 R d n . 9; WELZEL Lb., § 6 7 I 1 b; WOLFF LK, § 3 0 6 R d n . 2.

3

Ein Inbrandsetzen wird daher in dieser Situation nur bei Schaffung eines neuen Brandherdes bejaht v o m BayObLG NJW 1959 S. 1885; O L G H a m m J Z 1961 S. 94; GEPPERT Jura 1989 S. 422; MAURACH/SCHROEDER B . T . I I , § 5 2

14.

Referendarhausarbeit

159

bb) Den Gesetzesmaterialien und der Gesetzessystematik ist keine Begrenzung des "In Brand Setzens" streng auf die Verursachung des Brandes zu entnehmen. Maßgeblich ist dann aber nach der weithin anerkannten teleologischen Auslegungsmethode , welche noch mit der Wortbedeutung in Einklang stehende Auslegung den wirksamsten, vom Gesetzgeber gewollten Rechtsgüterschutz gewährleistet. Nach allgemeiner Ansicht ist § 306 ein sog. abstraktes Gefährdungsdelikt. Es dient dem Schutz der Mitglieder der Rechtsgesellschaft vor Verhaltensweisen, denen eine generelle Brandgefährdung eigen ist6. Aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens - nach Ansicht des Gesetzgebers - sind Brandgefahren besonders geeignet, schwere Beeinträchtigungen von Vermögensgütern und Verletzungen von Menschen herbeizuführen. Deshalb knüpft die Strafbarkeit schon an die gefährliche Verhaltensweise an, wiabhängig von einer tatsächlichen Realisierung der Gefährdung . Unter dem Aspekt dieser Gefährdung ist es bedeutungslos, ob eine Gefahr begründet oder eine vorhandene Gefahr intensiviert wird. Die besondere Gefährdung ist auch zu besorgen, wenn ein schon bestehender Brandherd durch Intensivieren vergrößert wird, gleichgültig, ob durch aktives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen der Erfolgsabwendung. Auch die Intensivierung eines schon bestehenden Brandes kann danach ein "In Brand setzen" sein, selbst wenn der Täter keinen neuen Brandherd begründet . Für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales "In Brand setzen" genügt daher auch ein Unterlassen der Erfolgsabwendung, wenn dieses zu einer Intensivierung der Brandgefahr führt, b) Nach dem Sachverhalt hätte sogar der erst später mögliche 4 5

Vgl. dazu ENGISCH S. 83. B G H b e i H o l t z , M D R 1982 S. 684; DREHER/TRÖNDLE § 3 0 6 R d n . 1; LACK-

NER StGB, § 306 Anm. 1; OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 III; WOLFF LK, § 306 Rdn. 3; enger SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER Vorbem. §§ 306 ff. Rdn. 3 a m.w.N. 6 7

D a z u : BREHM JUS 1976 S. 24; DREHER/TRÖNDLE § 3 0 6 R d n . 1; HAU S. 94. DREHER/TRÖNDLE V o r § 306 R d n . 1; KÜHL S. 105; OTTO G r u n d k u r s S t r a f -

recht, A.T., § 4 IV 2 b; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER Vorbem. §§ 306 ff. Rdn. 3 a f. 8

GEPPERT Jura 1988 S. 422 f; OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 I 2; RuDOLPHI J e s c h e c k - F e s t s c h r i f t I, SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § S. 97; WOLFF L K , § 306 R d n . 2. 1 S. 319; KLUSSMANN M D R 1974 H A U S . 195; KÜHLS. 105.

S. 5 2 3 ff; SCHMIDHÄUSER B . T . , 1 5 / 7 ; 306 R d n . 12 f; STRATENWERTH J Z 1961 F ü r § 308: R G J W 1928 S. 2464; O G H S t . S. 189. F ü r § 309: BRUNS D R 1 9 4 3 S. 903;

160

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Einsatz der Feuerwehr aus Y wesentliche Teile der Kirche gerettet. Das Unterlassen des Einsatzbefehls hat die Brandgefahr demnach intensiviert. - Die im Tatbestand des § 306 Nr. 1 beschriebene Rechtsgutsverletzung ist somit eingetreten. c) K hatte auch die faktische Möglichkeit, diesen Erfolg zu vermeiden. d) Der Erfolg könnte aber dem K nur dann zugerechnet werden, wenn er eine Garantenpflicht gegenüber dem beeinträchtigten Rechtsgut hatte und es pflichtwidrig unterlassen hat, die Gefahr für das Rechtsgut zu vermindern bzw. abzuwenden, § 13. Ob ein Feuerwehrmann gegenüber einem brennenden Objekt eine derartige Garantenpflicht hat, erscheint fraglich. Die Rechtsprechung hat - soweit ersichtlich - nur einmal eine Garantenpflicht eines Feuerwehrmannes angenommen, allerdings ohne jegliche Begründung . aa) Eine Mindermeinung verlangt für die Bestrafung wegen eines unechten Unterlassungsdeliktes einen eigenen "Garantengebotstatbestand". Da die Tatbestände des Strafgesetzbuches sich nur auf Begehungsdelikte erstrecken, müßte der Gesetzgeber die Unterlassung ausdrücklich unter Strafe gestellt haben, wenn den Erfordernissen des Art. 103 Abs. 2 GG genügt werden soll . Diese Bedenken sind aber durch die Einführung der Gleichstellungsklausel in § 13 weitgehend behoben 11 , zumal eine genaue gesetzgeberische Umschreibung aller möglichen Garantenstellungen unmöglich ist . Als bestimmbare normative Merkmale eines jeden Tatbestandes sind die Garantenstellungen zwar nicht ausformuliert, aber doch in den einzelnen Tatbestandsmerkmalen enthalten. Berücksichtigt man bei der Anwendung der Vorschrift die von der Rechtsprechung ausgearbeiteten allgemein anerkannten Grundsätze und wendet im Zweifel den Grundsatz "in dubio pro reo" an, so wird dadurch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches und eine Verletzung des Bestimmtheitsgebotes verhindert1 . Besonderer "Garantengebotstatbestände" bedarf es nicht. 9

OGHSt. 1 S. 317.

10

So: GRÜNWALD Z S t W 70 ( 1 9 5 8 ) S. 4 1 " , 425; ARMIN KAUFMANN U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e , S. 282; DERS. J u S 1961 S. 175 f.; H . MAYER A . T . , § 16 III 4 a;

SCHÖNES. 280,341. 11

MAURACH/GÖSSEL/ZIPF A . T . II, § 4 6 R d n . 38 ff; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ STREE § 13 R d n . 5 .

12

SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE § 13 Rdn. 6 m.w.N.

13

JAKOBS A.T., 29. Abschn. Rdn. 3 ff., 6; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 1 5 ; RUDOLPHI SK, § 13 R d n . 3 ff.

Referendarhausarbeit

161

bb) Nach der heute üblichen Einteilung der Garantenpflichten in Pflichten aus Schutzfunktionen für Rechtsgüter und Überwachungspflichten für Gefahrenquellen 14 kommt allein eine Garantenpflicht aus der erstgenannten Gruppe in Betracht, da K es übernommen haben könnte, für den Schutz bestimmter Rechtsgüter zu sorgen . Unter Betonung, daß sozialethische oder soziologische Aspekte bei der Würdigung zu beachten sind, wird die Grundlage der Begründung einer Garantenpflicht kraft Übernahme von Schutzfunktionen heute wesentlich in dem sog. "Vertrauensprinzip" gesehen. Eine die Garantenposition begründende Pflicht liegt nur dann vor, wenn der Garant für die Zukunft eine bestimmte Schutzfunktion übernehmen will, weshalb sich der darauf "Vertrauende" um keinen anderweitigen Schutz mehr bemüht . Darüber hinaus werden teilweise noch weitere Kriterien gefordert: z.B. der Gegenstand der Verpflichtung müsse objektiv eine Schutzvorrichtung dieser Art erforderlich machen oder die Übernahme die Gefahr für das Rechtsgut vergrößert haben , was von anderen zu Recht abgelehnt wird, da sonst aus der Schulpflicht kraft Übernahme eine solche aus Ingerenz werden würde . Den genannten Meinungen ist zuzugeben, daß das "Vertrauensprinzip" "ein" Kriterium für die Begründung einer Garantenstellung sein kann. Sie erklären aber nicht hinreichend, wie ein solches "Vertrauensverhältnis" zustande kommen und warum es eine sol-

14

BRAMMSEN S. 134 ff; OTTO G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 9 II, III; RUDOLPHI

SK, § 13 Rdn. 24; im Ergebnis gleich, nur mit anderer Bezeichnung: JAKOBS A.T., 29. Abschn. Rdn. 26 ff. 15

OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 II 3; RUDOLPHI SK, § 13 Rdn. 58; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE § 13 R d n . 26 ff.

16

BÄRWINKEL S. 95 ff.; BLEI H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 138; BÖHM JUS 1961 S. 179; HERZBERG U n t e r l a s s u n g , S. 336, 559; JESCHECK A . T . , § 5 9 I V ; LAMPE Z S t W 79 (1967) S. 505; MAURACH/GÖSSEL/ZIPF A . T . II, § 4 6 R d n . 82 ff;

OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 I 4 b, aa - cc; STREE H. Mayer-Festschrift, S. 158; VOGT ZStW 63 (1951) S. 399 f; zivilrechtlich betrachtet: ULMER J Z 1969 S. 171.

17

Grundlegend BÖHM S. 75, 95; siehe weiter. BLEI H. Mayer-Festschrift, S. 138,142; RUDOLPHI SK, § 13 Rdn. 58.

18

BLEI H. Mayer-Festschrift, S. 141.

19

BOCKELMANN/VOLK A . T . , § 17 B I 6 b ; RUDOLPHI SK, § 13 R d n . 58; SCHMIDHÄUSER A . T . , 1 6 / 2 5 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE § 13 R d n . 27; ULMER J Z 1969 S. 171; WESSELS A . T . , § 16 II 5 c.

20

BAUMANN/WEBER A . T . , § 18 II 4 b; HERZBERG U n t e r l a s s u n g , S. 352; MEYER-BAHLBURG S. 70 f; STRATENWERTH A . T . , R d n . 998 ff.

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

162

che Wirkung für den Ubernehmer einer Schutzpflicht haben soll . cc) Eine andere Meinung verlangt, daß der Garant die Ursache für den Erfolg aktuell beherrscht, sie überträgt die "faktische Herrschaftsbeziehung", die die Erfolgszurechnune beim aktiven Tun begründen soll, auf die Unterlassungsdelikte 2 . Diese Übertragung ist aber unrichtig, denn die Erfolgszurechnung beim Begehungsdelikt beruht darauf, "daß sich für das individuelle Pflichtgefühl und die soziale Wertung mit der Herrschaft über den eigenen Körper eine erhöhte Verantwortlichkeit für die aus eigenen Körperbewegungen resultierenden Folgen verbindet . dd) Eine weitere Meinung will die Garantenposition - nach soziologischen Gesichtspunkten - dann bejahen, wenn, ausgehend von einem obersten Rechtswert, der Endzweck allen Rechts sei (das sog. Gemeinwohl, welches für ein gedeihliches Zusammenleben von allen Menschen von besonderer Dringlichkeit sei) , eine aus einer sozialen Rollenfunktion begründete Pflicht zum Rechtsgüterschutz vorliegt . Diese soziale Rolle ergibt sich aus der jeweiligen Stellung des Einzelnen in der Realität. Als vorgeformtes Verhaltensmuster soll sie normative Qualität haben 26 , ihre "Notwendigkeit" muß durch "objektive Bewertungskriterien" nachgewiesen werden . Gegen diese Theorie spricht, daß der Begriff "Gemeinwohl" zu inhaltsleer ist, um als Kriterium zu gelten. Er ist nur dann inhaltlich faßbar, wenn er durch grundlegende Wertentscheidungen der Sozietät ausgefüllt wird . Nur die Summe aller Wertentscheidungen läßt sich als Gemeinwohl bezeichnen. Da alle diese Entscheidungen dem Wandel der jeweiligen Anschauungen unterliegen oder erst getroffen werden müssen, läßt sich mit ihnen keine konkrete Wertentscheidung verbinden . ee) Aus diesen Gründen ist dieses Wertungssystem - im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 G G - für eine Begründung einer Garantenposition zu ungenau. Weder ein allgemeines "Vertrauensprinzip" noch irgendwelche sozialen Rollen 21

Eingehender dazu BRAMMSEN S. 84 ff.

22

SCHÜNEMANN S . 2 3 6 , 2 4 1 .

23

Eingehend zur Kritik: BRAMMSEN S. 69 ff; im übrigen vgl. HERZBERG Unterlassung, S. 195; OTTO NJW 1974 S. 528 ff, insbes. S. 531.

24

BÄRWINKEL S . 9 5 .

25

BÄRWINKELS. 108.

26

BÄRWINKEL S . 1 0 9 .

27

BÄRWINKELS. 118, 129.

28

S o SCHÜNEMANN S . 1 2 8 .

29

S o SCHÜNEMANN S . 1 2 9 .

Referendarhausarbeit

163

sind als Grundlage einer strafrechtlich relevanten Garantenpflicht geeignet, es muß vielmehr auf das konkrete Vertrauen im konkreten Einzelfall abgestellt werden, auf die einzelne konkrete Erwartung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis . Nur ein gegenseitiges Erwarten von Erwartungen kann ein Vertrauensverhältnis begründen, da nur so der Einzelne in der Lage ist, fremde Erwartungen zu erwarten, um sie dann erfüllen zu können 1 . Haben die Erwartungen eine derartige Stärke, daß sie allgemein in bestimmten Positionen erwartet werden, d.h. sind sie in der Realität des täglichen Lebens nachweisbar und haben sich die einzelnen Mitglieder der Sozietät daran in ihrem Verhalten gegenüber anderen orientiert, dann wird durch die Verletzung dieser Erwartungserwartung das soziale Miteinander ebenso verletzt wie es durch die aktive Verletzung einzelner Rechtsgüter beeinträchtigt wird . Erst durch ein so begründetes Vertrauen in die gemeinsame Verbundenheit mit den anderen Mitgliedern der Sozietät wird ein soziales Miteinander ermöglicht . ff) Geht man nun von den eben aufgestellten Kriterien aus, dann läßt sich stringent aufzeigen, daß Feuerwehrleute als Garanten kraft tatsächlicher Übernahme besonderer Schutzpflichten anzusehen sind, wobei keine Unterschiede zwischen einer freiwilligen und einer Berufsfeuerwehr bestehen. Ein konkreter Übernahmeakt ist hier nicht zu verlangen; er liegt schon in dem Beitritt zu der Organisation der Feuerwehr. In diesem Zeitpunkt wird der konkrete Vertrauenstatbestand der Sozietät begründet, daß derjenige, der - wenn auch freiwillig - in eine solche "Schutzorganisation" eintritt, den sich daraus ergebenden Schutzpflichten auch jederzeit nachkommen wird. Der Einzelne erwartet von den Feuerwehrleuten, daß sie Brände verhindern oder löschen, um ihm so ein gefahrloses Leben zu ermöglichen. Um einen wirksamen Brandschutz zu haben, hat sich die Rechtsgemeinschaft eine Organisation geschaffen, sie mit bestimmten Werkzeugen und Materialien ausgestattet, ihr die Möglichkeit gegeben, in Gefahrensituationen in fremde Rechte anderer einzugreifen, damit die Angehörigen dieser Organisation ihrer Aufgabe - dem Schutz vor Brandgefahren - nachkommen können. Andererseits weiß auch der einzelne Feuerwehrmann, daß die anderen Bürger von ihm die Abwehr von Gefahren erwarten; er weiß, daß sie seine gefahrenab-

30

So OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 I 5.

31

S o BRAMMSEN S. 116 ff; OTTO G r u n d k u r s Strafrecht, A . T . , § 9 I 5; DERS. N J W 1974 S. 534; LUHMANN S. 38.

32

So BRAMMSEN S. 124 ff; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 15.

33

OTTO ZStW 87 (1975) S. 561.

164

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

wendende Tätigkeit in ihr gesamtes Verhalten einplanen, daß sie auf seine Hilfe und Unterstützung vertrauen. Nur deshalb können sie anderen Tätigkeiten nachgehen, ohne sich jederzeit um einen "wirksamen Brandschutz" bemühen zu müssen, da in der Gefahrensituation die Feuerwehrleute helfend eingreifen werden, um Schäden für Leib, Leben und Eigentum für die jeweils Betroffenen so gering wie nur möglich zu halten. Die Feuerwehr ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Einheit der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft. Unterläßt es nun ein Einsatzleiter, der Feuerwehr die Anordnung zum Löschen eines Brandes zu geben, so schädigt er damit das Vertrauen der Rechtsgesellschaft in seine Schutzfunktion . gg) Als Einsatzleiter der Feuerwehr hatte K demnach eine Garantenstellung für die Abwehr von Gefahren für Leib, Leben und auch Eigentum der Mitglieder der Sozietät. e) Da der Brand weiter um sich griff, nachdem K den Befehl zum Löschen nicht gegeben hatte, hat sich die Gefahr realisiert, die K abzuwenden verpflichtet war. Aufgrund seiner Garantenposition war er als Einsatzleiter verpflichtet, die entsprechenden Anordnungen zu geben, damit ein weitergehender Brandschaden verhindert würde. f) Da K wußte, daß durch sein Verhalten die Kirche schutzlos dem Feuer überlassen wurde, handelte er auch insoweit vorsätzlich. g) Das Verhalten des K könnte aber gerechtfertigt sein. aa) Notwehr, § 32, kommt nicht in Betracht, da keine Anhaltspunkte für einen Angriff i.S. des § 32 vorliegen, denn ein Angriff setzt hier zumindest die drohende Rechtsgutsverletzung durch einen Menschen voraus . bb) Der zivilrechtliche Notstand gem. § 228 BGB kann das Verhalten des K nicht rechtfertigen, da dieser nur die Einwirkung auf Sachen - also Sachbeschädigungen - umfaßt . Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie § 306 widerspricht ejiie Anwendung des § 228 BGB dem Schutzzweck dieser Norm 37 . Das Verhalten des K kann also nicht gemäß § 228 BGB gerechtfertigt werden. 34

35

Eingehend zur Garantenstellung der Feuerwehrleute: BRAMMSEN S. 198 ff, sowie SANGENSTEDT S. 597 ff. - Die Schutzpflicht selbst ergibt sich aus den Feuerwehrgesetzen der einzelnen Länder, die eine Löschpflicht der Gemeinden statuieren. OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 8 II 1 a, bb; SAMSON SK, § 32 Rdn. 5; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER § 3 2 R d n . 3.

36

H . M . v g l . PALANDT/HEINRICHS § 2 2 8 A n m . 1; SAMSON S K , § 3 2 R d n . 5 .

37

P A I A N D T / H E I N R I C H S § 2 2 8 A n m . 2.

165

Referendarhausarbeit

cc) Ebenso entfällt eine gem. § 904 BGB mögliche Rechtfertigung des K, da auch § 904 BGB nur Sachbeschädigungen rechtfertigen kann, nicht aber abstrakte Gefährdungen i.S. von § 306 . dd) Eine Rechtfertigung könnte somit nur noch gem. § 34 möglich sein. Es müßte dann eine Gefahr für K oder andere Personen vorgelegen haben, die nicht anders abwendbar gewesen wäre, als durch das "In Brand setzen" der Kirche durch Unterlassen der Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten. Nach allgemeiner Ansicht liegt eine Gefahr dann vor, wenn tatsächlich festgestellte Umstände auf die Möglichkeit eines schädigenden Ereignisses hinweisen . Für das dem Dorf X drohende Unheil kann aber nicht von einem solchen Umstand ausgegangen werden. Es lagen keine Anhaltspunkte vor, wie, wann, wo und wem eine Gefahr drohen würde, denn der Aberglaube war in seiner Andeutung des Unheils viel zu unbestimmt, um eine konkrete Feststellung tatsächlich möglicher schadensbringender Umstände zu gestatten. Auch läßt er sich nicht auf eine im Kernbereich wirklich gegebene Gefahr zurückführen. Das Verhalten des K kann nicht gem. § 34 gerechtfertigt werden, ee) Da andere Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, kann das Verhalten des K nicht als gerechtfertigt angesehen werden. h) K könnte aber von der Annahme ausgegangen sein, sein Verhalten werde von der Rechtsordnung als erlaubt angesehen. Dieser Irrtum über die Erlaubtheit, Kirchen zur Abwendung größeren Unheils brennen zu lassen, könnte ein vorsätzliches Verhalten des K ausgeschlossen haben. In Betracht kommen könnten hier zwei verschiedene Irrtümer. Aufgrund seiner Vorstellung, auch ein drohendes Unheil berechtige ihn zu der Brandstiftung durch Unterlassen, könnte sich K in einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes befunden haben, da er geglaubt haben könnte, es würde eine Gefahrenlage im Sinne von § 34 bestehen; zum anderen könnte sich K in einem Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes befunden haben, indem er annahm, auch die Abwehr einer nur drohenden Gefahr berechtige ihn zu seinem Verhalten. aa) Ein Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes setzt voraus, daß K sich hier über das 38

PALANDT/BASSENGE § 9 0 4 A n m . 2 b ; SAMSON S K , V o r SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER V o r § 3 2 R d n . 6 8 .

39

BGHSt. 18 S. 272; LACKNER StGB, § 34 Anm. 2 a; MAURACH/ZIPF A.T. I, § 27 Rdn. 15; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 8 VI 2 a; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER,

Bruns-Festschrift, S. 89 ff.

§ 34

§ 32 R d n .

R d n . 12; u m f a s s e n d :

33;

SCHAFFSTEIN

166

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Vorliegen der Merkmale des Tatbestandes des § 34 geirrt hat. Dann müßte K sich eine gegenwärtige Gefahrenlage vorgestellt haben, die nur durch sein tatbestandmäßiges Verhalten abgewendet werden könne. Zwar glaubte K an die Richtigkeit des Aberglaubens und deshalb auch an das Unheil. Er konnte sich aber allein aufgrund dieser allgemeinen Warnung keine konkreten Vorstellungen über die Art des Unheils, den Zeitpunkt seines Eintretens und die möglicherweise gefährdeten Rechtsgüter machen. Es bestanden überhaupt keine Anhaltspunkte, die es dem K ermöglichen konnten, sich über das Unheil irgendwelche konkreten Vorstellungen zu machen. K konnte sich also keine tatsächlichen feststellbaren Umstände vorstellen, die die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses auch nur andeutungsweise erkennen ließen. Um einen Irrtum des K annehmen zu können, genügt nicht die Vorstellung über eine rein gedanklich mögliche Gefährdung - denn die besteht immer für alles mögliche -, sondern K hätte eine konkrete Gefahrensituation annehmen müssen, damit von einem Irrtum im hier interessierenden Sinne gesprochen werden könnte. Da K aber genau wußte, daß diese konkret feststellbaren Umstände nicht vorlagen, konnte er sich auch nicht irrtümlich konkrete Vorstellungen machen, sondern nur abstrakte und generell mögliche Gefährdungen annehmen. Diese Vorstellungen sind aber nicht geeignet, einen Irrtum über die "tatsächlichen" Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstandes hervorzurufen. bb) Möglich wäre aber noch ein Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes , indem K geglaubt haben könnte, daß auch bei rein gedanklich-abstrakten Gefahren die Rechtsordnung ihm eine Beeinträchtigung des Rechtsgutes des § 306 Nr. 1 gestatten würde, wenn die andere Gefahr einen wesentlich größeren Schaden herbeiführen könnte. Gegen die Annahme eines solchen Irrtums über die Grenzen des § 34 bestehen aber folgende Bedenken: Wenn K zur Zeit seines tatbestandsmäßigen Verhaltens gewußt hat, daß die Rechtsordnung sein Verhalten nicht als "erlaubt" betrachtet, dann ist weder das formelle, noch das materielle Unrechtsbewußtsein ausgeschlossen, so daß ein Irrtum des K nicht vorliegen kann. Die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens braucht dem Täter auch nicht andauernd derart bewußt zu sein, daß er "im Zeitpunkt der Tat 40

Dieser Irrtum wird auch als Irrtum über die Existenz eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes bezeichnet, da jede Ausdehnung des Anwendungsbereiches eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes gleichzeitig die Annahme der Existenz eines nicht anerkannten Rechtfertigungsgrundes ist. Die Unterscheidung ist nur begrifflicher Art; inhaltlich und praktisch bestehen keine Unterschiede.

Referendarhausarbeit

167

daran gedacht hat . Ein aktuelles Bewußtsein von Tatumständen hat auch derjenige Täter, der sie jederzeit "mitweiß", sie also ohne eine Gedächtnisleistung reproduzieren kann . Unrechtsbewußtsein liegt schon dann vor, wenn der Täter die Kenntnis der Sozialschädlichkeit bestimmter bekannter Verhaltensweisen hat. wenn er also das sog. "sachgedankliche" Unrechtsbewußtsein hat . Da der Kernbereich der im Strafgesetzbuch pönalisierten Rechtsgutsverletzungen jedem Mitglied der Rechtsgesellschaft im Laufe seiner persönlichen Entwicldungszeit bewußt geworden ist , weiß auch er, daß die Rechtsordnung bestimmte Verhaltensweisen für sozialschädlich erachtet. Ebenso ist ihm bekannt, daß eine Nichtbefolgung der Löschpflicht nur dann als "erlaubt" betrachtet wird, wenn es das einzige Mittel ist, um einer noch größeren Gefahr wirksam zu begegnen. Da K aber auch seinerseits nicht vom Bestehen einer solch konkreten Gefahr ausging, ist ihm zumindest "mitbewußt" gewesen, daß er hier den ihm von der Rechtsordnung zugestandenen Handlungsspielraum überschreitet. Er glaubte, die Situation besser beurteilen zu können als andere. Deshalb hat er bewußt die Grenzen des sozialangemessenen Verhaltens erweitert, da er der Überzeugung war, er könne in dieser Situation sachgerechter entscheiden als die starren Normen des Rechts, denn diese konnten ihm nicht die "Befugnis" geben, den Kirchenbrand ohne konkreten Anlaß nicht löschen zu lassen. Von einem eventuellen Irrtum des K kann hier deshalb nicht ausgegangen werden, vielmehr ist K als Überzeugungstäter anzusehen. Allgemein anerkannt ist, daß ein solcher Täter sich nicht in einem Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes befindet, sondern, daß er sich vielmehr bewußt über das Pflichtansinnen der konkreten Norm hinwegsetzt . Diese Ansicht ist deshalb richtig, weil derjenige, der sich aufgrund einer abweichenden Wertung gegen ein Rechtsgut entscheiden zu müssen 41

S o auch: OTTO Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 7 II 3; RUDOLPHI SK, § 17

42

B a y O b L G N J W 1977 S. 1974 f; O L G Köln N J W 1978 S. 652 f; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 7 II 3; PLATZGUMMER S. 84 ff; RUDOLPHI SK, § 16

Rdn. 14.

Rdn. 24 f, § 17 Rdn. 14. 43

OTTO G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , A . T . , § 7 II 3; PLATZGUMMER S. 88; SCHEWE

S. 193; SCHMIDHÄUSER H.Mayer-Festschrift, S. 331.

44 45

OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 15 II 2 d, bei der Erläuterung von Fall 4. H . M . vgl. n u r B G H S t . 2 S. 197; 4 S. 3; B G H M D R 1973 S. 901; BAUMANN/ WEBER A . T . , S. 376; GALLAS M e z g e r - F e s t s c h r i f t , S. 3 1 9 F n . 3; LACKNER

StGB, § 17 Anm. 2 a; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 15 II 2 b; RUDOLPHI S K , § 17 R d n . 22; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 1 7 R d n . 7.

168

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

glaubt, auch bereit sein muß, seine abweichende Entscheidung zu überprüfen , denn eine Überzeugung kann jederzeit neu überdacht und umgebildet werden . Zwar kann die Rechtsordnung einen verallgemeinerungsfähigen Konflikt berücksichtigen , was aber deshalb nicht bedeutet, daß der Inhalt dieser Entscheidung als richtig akzeptiert wird . Auch gegenüber abweichenden Wertungen des Einzelnen muß die Rechtsordnung an ihren Verhaltensnormen und den sie tragenden Werturteilen festhalten , wäll sie nicht als unverbindliche Empfehlung betrachtet werden . Diese Verpflichtungskraft wird erst recht bedeutsam, wenn es um wichtige Lebensgüter des Individuums oder der Gemeinschaft geht . Da die Rechtsordnung es für unerläßlich hält, das Unterlassen des Löschens eines Brandes - wegen der damit verbundenen immensen Gefährdungsmöglichkeiten - nur dann ausnahmsweise zu gestatten, wenn es um die Abwendung noch größerer Gefahren geht, verlangt sie auch zu Recht, daß für das Vorliegen dieser letzteren Gefahr tatsächlich festgestellte Umstände sprechen. Diese müssen dann schon so beschaffen sein, daß sie auch ein nicht von der Richtigkeit des jeweiligen Aberglaubens überzeugter - Dritter erkennen kann. Aus diesen Gründen hat der Aberglaube des K keinen Einfluß auf sein Unrechtsbewußtsein, denn K wußte sehr wohl, daß die Rechtsordnung ihm in dieser konkreten Situation nicht die Einstellung der Löscharbeiten erlaubt. cc) K befand sich nicht in einem Irrtum über die Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes, er setzte vielmehr seine Wertung an die Stelle der Wertung der Rechtsordnung. Der Frage, ob ein Irrtum über die Grenzen eines Rechtfertigungsgrundes den Vorsatz ausschließen kann, braucht daher nicht weiter nachgegangen zu werden. i) Es könnten aber Bedenken gegen die Schuld des K bestehen, da er glaubte, mit seinem Verhalten das Dorf X vor großem Schaden zu bewahren. aa) Ein entschuldigender Notstand gem. § 35 entfällt allerdings schon mangels einer gegenwärtigen Gefahr, da das Vorliegen einer 46

PETERS H. Mayer-Festschrift, S. 267; RANFT Schwinge-Festschrift, S. 125.

47

So PETERS H. Mayer-Festschrift, S. 279.

48

S o SCHMIDHÄUSER A . T . , 7 / 7 7 .

49

RUDOLPHI Fälle, S. 48; SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER V o r b e m . §§ 32 ff

Rdn. 118. 50

Vgl. die Autoren in Fn. 49.

51

S o JESCHECK A . T . , § 3 7 II 3.

52

Vgl. dazu RANFT Schwinge-Festschrift, S. 121.

Referendarhausarbeit

169

Gefahr hier nach denselben Kriterien zu beurteilen ist wie beim rechtfertigenden Notstand g e m . § 34 . Eine nur angenommene Gefahr reicht auch hier nicht aus . bb) Auch ein Irrtum über das Vorliegen einer Gefahr kann nicht in Betracht kommen, da K genau gewußt hat, daß keine konkrete Gefahrenlage bestand . cc) K hatte das sog. formelle Unrechtsbewußtsein , da er auch wußte, daß er gegen eine Norm des Strafgesetzbuches verstößt, wenn er es unterläßt, den Brand zu löschen. Ein Verbotsirrtum im Sinne von § 17 liegt aus diesem Grunde nicht vor . dd) Obwohl K das Unrecht seines Verhaltens durch Befolgung der Erfolgsabwendungspflicht vermeiden konnte, könnte es nach einer vom BVerfG vertretenen Ansicht verboten sein, dem K seine unter Umständen bestehende Schuld vorzuwerfen, wenn er sich in einem Gewissenskonflikt zwischen einer Rechtsnorm und der eigenen Ansicht befindet 8 . Gegen eine solche Schuldminderung bzw. Entschuldigung könnten aber bei der Verwirklichung eines Straftatbestandes aufgrund Aberglaubens Bedenken bestehen. Berücksichtigt man das Bekenntnis des Grundgesetzes zu Gott und der Menschenwürde und zu den Grundsätzen einer christlichabendländischen Ethik , so erscheint die Begünstigung eines Aberglaubens - als eine vom Glauben abweichende Form, die über den wahren Glauben hinaus oder daran vorbei geht - zumindest zweifelhaft. Die nach Art. 4 Abs. 1 GG garantierte Glaubensfreiheit gibt dem Einzelnen das Recht, sein gesamtes Leben nach seinem Glauben zu gestalten und sich dementsprechend zu verhalten. Dennoch muß bei dem Schutz der Gewissens- oder Glaubensfrei53

Vgl. z.B. SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER § 35 R d n . 11 m.w.N.

54

LACKNER StGB, § 35 Anm. 2 a.

55

Vgl. dazu oben 11 h.

56

Vgl. zu der Unterscheidung von formellem und materiellem Unrechtsbewußtsein: OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 13 IV.

57

A.A. DEUBNER NJW 1972 S. 814. Er hält den abergläubischen Täter für so wirklichkeitsfremd, daß dieser rationalen Argumenten nicht mehr folgen könne und sich deshalb in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befinde. Hier wäre jedoch, wenn der Täter so wirklichkeitsfremd ist, wie DEUBNER behauptet, ein Ausschluß der Schuld nach den in den §§ 20, 21 genannten Voraussetzungen gegeben.

58

BVerfGE 32 S. 98 ff, insbes. S. 106 ff; Bopp S. 228; OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 14 II 3; RUDOLPHI SK, Vor § 19 Rdn. 7; DERS. Fälle, S. 48;

59

Vgl. nur BVerfGE 32 S. 108; PETERS H.Mayer-Festschrift, S. 268.

60

Grimms Wörterbuch, Bd. 1, Sp. 32.

SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER Vorbem. §§ 32 ff Rdn. 120.

170

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

heit als verfassungsimmanente Schranke auch die für den Staat wesentliche Existenz von Gemeinschafitswerten berücksichtigt werden . Zwar schützt Art. 4 Abs. 1 GG alle subjektiv als absolut zwingend erfahrenen grundsätzlichen Wertentscheidungen ohne Rücksicht auf ihre jeweilige sittliche oder religiöse Herkunft , aber er ist nicht dazu da, bloße Meinungen und Uberzeugungen zu Gewissensfragen hochzustilisieren . Deshalb muß zwischen Überzeugungs- und Gewissenstätern unterschieden werden . Nur bei letzterem handelt es sich um einen Konflikt, der sich an den Kategorien Gut und Böse orientiert und den Täter so verpflichtet, daß er gegen sein Gewissen nur unter Selbstaufgabe semer Person als verantwortlich lebender Mensch entscheiden kann , während der Überzeugungstäter nur über Richtigkeit und Zweckmäßigkeit seines Verhaltens entscheidet . Aus der Beschränkung des Anwendungsbereiches des vom BVerfG "geschaffenen" Entschuldigungsgrundes auf reine Gewissenstäter folgt auch keine Einschränkung der Glaubensfreiheit des Einzelnen; solange er nicht Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit verletzt, hat er die unbeschränkbare Möglichkeit, seinen Glauben auszuüben. Darüber hinausgehend kann er sich aber nicht auf den Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG berufen, da auch hier berücksichtigt wird, daß diejenigen, die diesem Glauben nicht folgen, auf die Einhaltung des Strafrechts als überindividueller Ordnung vertrauen. Der Überzeugungstäter kann sich deshalb nur dann auf diesen "Entschuldigungsgrund" berufen, wenn er eine Gewissensentscheidung, die dem des Gewissenstäters vergleichbar ist, getroffen hat. Eine solche Entscheidung mußte K aber nicht treffen. Wäre er seiner Handlungspflicht nachgekommen, so hätte das keine nachteiligen Wirkungen auf seine Persönlichkeit gehabt. Der Aberglaube hatte nicht den umfassenden Einfluß auf das Leben des K, daß die Nichtbefolgung des Verhaltensvorschlages des Aberglaubens einer Selbstaufgabe der eigenen Person als verantwortlich lebender Mensch gleichkommen würde. K kann deshalb nicht als Gewissenstäter im Sinne des vom BVerfG "geschaffenen" Entschuldigungsgrundes angesehen werden. 61

MÜLLER-DIEFZ P e t e r s - F e s t s c h r i f t , S. 9 6 .

62

V g l . DÜLLER-DIETZ P e t e r s - F e s t s c h r i f t , S . 9 5 m . w . N . i n F n . 15.

63

S o a u c h RUDOLPHI W e l z e l - F e s t s c h r i f t , S . 6 2 9 f; TRÖNDLE J R 1 9 7 4 S . 2 2 5 .

64

S o GREFFENIUS S. 6 4 , 6 8 ; PETERS H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 2 6 3 .

65

Vgl. B V e r f G E 12 S. 55; PETERS H. Mayer-Festschrift, S. 269 f. zierend ROXIN Maihofer-Festschrift, S. 407 ff.

66

S o PETERS H . M a y e r - F e s t s c h r i f t , S. 2 7 2 .

Differen-

Referendarhausarbeit

171

j) Das Verhalten des K kann daher nicht als entschuldigt angesehen werden. K ist als Unterlassungstäter einer schweren Brandstiftung gemäß den §§ 306 Nr. 1,13 schuldig. 2. Brandstiftung durch Unterlassen, §§308, l.AU., 13 a) Da die Kirche, als ein in fremdem Eigentum stehende» Gebäude - ein mit Grund und Boden verbundenes Bauwerk - infolge des Verhaltens des K weiter brannte, hat K vorsätzlich den tatbestandlich beschriebenen Erfolg durch Nichtbefolgen seiner Erfolgsabwendungspflicht (Garantenpflicht) herbeigeführt. b) Die Erörterung einer Rechtfertigung gem. § 228 BGB oder § 904 BGB erübrigt sich, da - wie oben nachgewiesen wurde keine Gefahr für eine Sache bestand. Das aber ist gerade Voraussetzung für eine Rechtfertigung einer Sachbeschädigung, denn § 308,1. Alt. ist nach einhelliger Mernung ein - wenn auch qualifiziertes - Sachbeschädigungsdelikt6 . Weitere Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich . c) Da auch keine Schuldausschließungsgründe vorliegen , hat sich K einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, schuldig gemacht. 3. Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13 Durch das pflichtwidrige Unterlassen der Erfolgsabwendungspflicht brannte die Kirche weiter aus, weshalb sich K einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303,13, schuldig gemacht haben könnte. a) Dann müßte K fremde Sachen beschädigt haben. Sachen im Sinne von § 303 sind nur körperliche Gegenstände (vgl. auch § 90 BGB) , gleichgültig, ob beweglich oder unbeweglich , während Sachgesamtheiten dann in den Schutzbereich des

67

O G H S t . 1 S. 53; FRANK § 243 A n m . III 1 a; LACKNER S t G B , § 243 A n m . 4 a, aa; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R § 2 4 3 R d n . 7; W O L F F L K , § 3 0 5 R d n . 3 .

68

Vgl. dazu oben 1 g, bb, cc.

69

Vgl. dazu DREHER/TRÖNDLE § 308 Rdn. 2; OTTO Grundkurs Strafrecht,

70

Vgl. dazu oben 1 g, dd.

71

Vgl. dazu oben 1 i.

72

S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / E S E R § 2 4 2 R d n . 3 f; W O L F F L K , § 3 0 3 R d n . 2.

B . T . , § 4 7 II 2; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R § 3 0 8 R d n . 1.

73

Vgl. dazu DREHER/TRÖNDLE § 303 Rdn. 1 c; Orro Grundkurs Strafrecht, B . T . , § 4 7 1 2 a; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / S T R E E § 3 0 3 R d n . 5 .

172

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

§ 303 fallen, wenn sie eine funktionelle Einheit bilden 74 , nicht aber, wenn sie nur eine wirtschaftliche Einheit bilden . Deshalb kann eine Kirche, die sich aus einer Vielzahl selbständiger Sachen zusammensetzt, nicht unter den Schutzbereich des §303 fallen. Es sind aber die einzelnen Einrichtungsgegenstände der Kirche z.B. Altar, Kanzel, Sitzbänke usw. - beschädigt worden, denn es muß davon ausgegangen werden, daß das Feuer sich nicht nur auf das Gebäude selbst beschränkte, sondern auch das Inventar erfaßt und dadurch in seiner Brauchbarkeit beeinträchtigt hat. b) Da die Sachbeschädigung als reines Erfolgsdelikt nur die Herbeiführung des Unrechtserfolges bestraft, ohne besondere Tatmodalitäten zu beschreiben, ist sie auch durch Unterlassen "begehbar" , wobei außer einer Garantenstellung keine weiteren Anforderungen gestellt werden, da das Unterlassen hier dem Sinngehalt des positiven Tuns entspricht. K hatte auch - wie oben dargelegt - die faktische Möglichkeit, die weitere Beschädigung der einzelnen Einrichtungsgegenstände zu vermeiden. c l Eine Garantenpflicht zur Abwendung dieses Erfolges liegt vor . d) Infolge der Nichtbefolgung dieser Erfolgsabwendungspflicht hat sich auch die Gefahr realisiert, die K vermindern sollte. e) Da K wußte, daß die Einrichtungsgegenstände in der brennenden Kirche mit Fortschreiten des Brandes beschädigt würden, hatte er auch die nötige Kenntnis der Tatumstände. Eine Rechtfertigung oder Entschuldigung dieser Beschädigungen kommt auch hier nicht in Betracht. f) K hat den Tatbestand der Sachbeschädigung durch Unterlassen verwirklicht, §§ 303,13. 4. Gemeinschädliche Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13 Da die Kirche durch den Brand nicht nur unerheblich in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt worden ist, hat K vorsätzlich, pflichtwidrig und schuldhaft eine Sache, die dem Gottesdienst gewidmet

74

So richtigerweise die h.M.: siehe SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE § 303 Rdn. 6.

75

FRANK § 3 0 3 A n m . I I 1; ROMMEL S . 2 4 f; W O L F F L K , § 3 0 3 R d n . 2; a j \ . VON OLSHAUSEN § 3 0 3 A n m . 1.

76

S o D R E H E R / T R Ö N D L E § 3 0 3 R d n . 4 ; VON OLSHAUSEN § 3 0 3 A n m . 6.

77

Vgl. dazu oben 1 d, ff.

Referendarhausarbeit

173

ist 78 , durch das Unterlassen der Befehlsabgabe zum Löschen beschädigt, §§ 304,13. 5. Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13 Durch die Nichtabgabe des Einsatzbefehles könnte sich K wegen einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen gem. §§ 305, 13 strafbar gemacht haben, da die Kirche weiter brannte und dies eine teilweise Zerstörung der Kirche zur Folge gehabt haben könnte. a) Eine teilweise Zerstörung eines Gebäudes ist dann gegeben, wenn eine über eine bloße Beeinträchtigung hinausgehende Beschädigung vorliegt, die die Brauchbarkeit für einzelne ihrer Zweckbestimmungen unmöglich macht . b) Da selbst beim Erscheinen der Feuerwehr aus Y-Dorf noch wesentliche Teile der Kirche zu retten waren, ist die Kirche teilweise nach Unterlassen des Löschens durch K zerstört worden. Den Eintritt dieses Erfolges hätte K durch die Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten vermeiden können. c) Eine Garantenstellung des K liegt vor . d) Es hat sich auch in der teilweisen Zerstörung der Kirche die Gefahr realisiert, die K zu vermindern verpflichtet war. e) K hatte auch die Kenntnis der Tatumstände. f) Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben . g) K hat sich einer teilweisen Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305,13, schuldig gemacht. II. Zwischenergebnis K hat sich einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303,13, einer gemeinschaftlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305,13, einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13, und einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, schuldig gemacht. Die Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. steht als qualifiziertes

78

Nach ganz h.M. ist eine Kirche als solche Sache anzusehen, vgl. dazu: RG G A Bd. 57 S. 227; O G H S t . 1 S. 54; KOHLRAUSCH/LANGE § 304 A n m . 11; MÜHLMANN/BOMMEL § 3 0 4 A n m . 3 b; WOLFF L K , § 3 0 4 R d n . 5 m . w . N .

79

Einhellige Meinung, z.B. OGHSt. 1 S. 53; LACKNER StGB, § 305 Anm. 3; PREISENDANZ § 3 0 5 A n m . 2; WESSELS B . T . - 2 , § 1 II 3; WOLFF L K , § 3 0 5 Rdn. 2.

80

Vgl. dazu oben 1 d, ff.

81

Vgl. dazu oben 1 d, gg-1 g, ee.

174

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Sachbeschädigungsdelikt wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsgüter zu der schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, in Idealkonkurrenz, § 52 . Mit der schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, konkurriert die Sachbeschädigung, § 303, idealiter, § 52 . Die Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. geht als lex specialis der Zerstörung von Bauwerken, § 305, vor . Mit der Sachbeschädigung, § 303, und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung, § 304, steht die Brandstiftung, § 308, 1. Alt., in Idealkonkurrenz, § 52, wenn wie hier - sowohl das Gebäude als auch die Sachen im Inneren des Gebäudes beschädigt werden . K hat sich demnach gem. §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 52 strafbar gemacht. III. Straßarkeit der F aufgrund ihres "Rundganges" 1. Nötigung, § 240 Durch ihren "Rundgang" könnte die F den K durch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel zu der Unterlassung der Befehlsabgabe genötigt haben. a) Als Drohung ist die Ankündigung eines Übels anzusehen, auf dessen Eintritt der Drohende angeblich Einfluß ausüben kann . Zwar hat die F durch ihr Verhalten in dem K die Vorstellung hervorgerufen, daß, wenn mit dem Löschen begonnen werde, großes Unheil über das Dorf X käme. Sie konnte dem K aber keine Einflußmöglichkeiten auf den Eintritt des Unheils vortäuschen, da dieser glaubte, daß das Unheil nur dann über das Dorf kommen würde, wenn die Feuerwehr löschen würde. Dieser Glaube des K beruht aber auf seinem Aberglauben, nicht auf einer wie auch immer gearteten Einflußmöglichkeit der F; diese nutzt nur geschickt den Aberglauben des K aus, indem sie ihm die Situation vorspiegelt, die ihn zu der Unterlassung veranlaßt.

82

MAURACH/SCHROEDER B . T . II, § 5 2 I I I 4; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 3 0 8 R d n . 19; W O L F F L K , § 3 0 8 R d n . 25 a; a A : § 3 0 6 g e h t a l s s p e z i e l l e s D e l i k t vor, z . B . WELZEL L b . , § 6 7 1 2 e .

83

DREHER/TRÖNDLE § 3 0 6 R d n . 8; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 3 0 6 R d n . 19; WOLFF L K , § 3 0 6 R d n . 17; a_A. für K o n s u m t i o n WELZEL L b . , § 6 7 I 2 e .

84

B G H S t . 6 S. 107; DREHER/TRÖNDLE § 3 0 8 R d n . 12 M.w.N.

85

PREISENDANZ § 3 0 5 A n m . I V ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 3 0 8 R d n . 19.

86

B G H S t . 7 S. 198; 16 S. 3 8 7 ; HORN S K , § 2 4 0 R d n . 17; K R E Y J U S 1 9 7 4 S . 4 1 8 ; LACKNER S t G B , § 2 4 0 A n m . 4; O r r o G r u n d k u r s S t r a f r e c h t , B . T . , § 2 7 I 3 a; SCHÄFER L K , § 2 4 0 R d n . 5 1 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER V o r b e m . § § 2 3 4 ff R d n . 3 0 ff; WESSELS B . T . -1, § 8 I I I 3.

Referendarhausarbeit

175

b) Mangels einer vorgetäuschten Einflußmöglichkeit der F kann deshalb in dem Verhalten der F keine Drohung gesehen werden. 2. Versuchte Nötigung, §§ 240, 23 Das Verhalten der F könnte sich aber als versuchte Nötigung darstellen. a\ Eine vollendete Nötigung liegt mangels einer Drohung nicht vor87. b) Der Versuch der Nötigung ist gem. § 240 Abs. 3 strafbar. c) F muß den Entschluß gefaßt haben, den K durch ihr Verhalten zu dem Unterlassen der Anordnung zur Aufnahme der Löscharbeiten an der brennenden Kirche zu nötigen. Sie muß sich vorgestellt haben, daß K glaubt, daß sie auf den Eintritt des angedrohten Übels eine Einflußmöglichkeit hat. Wie sich aber hinterher herausstellte, hatte die F den Aberglauben durchschaut; sie wußte also, daß auch bei einem Beginn der Löscharbeiten trotz ihres "Rundganges" kein Unheil über das Dorf X kommen konnte. Weiterhin hatte sie vorausgesehen, daß K von der Richtigkeit des Aberglaubens überzeugt war; deshalb wußte sie auch, daß K ihr keine Einflußmöglichkeit auf den Eintritt des drohenden Unheils zuschreiben konnte, da nach dem Aberglauben die den "Rundgang" vollziehende alte Frau nicht das Übel herbeiführt, sondern der Eintritt von dem darauffolgenden Verhalten der Feuerwehr abhängt. d) Deshalb liegt kein Tatentschluß vor, den K zu nötigen; eine Strafbarkeit wegen versuchter Nötigung, §§ 240, 23, scheidet aus. 3. Schwere Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1,1. Alt. Durch ihren "Rundgang" könnte sich die F einer schweren Brandstiftung in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 2, 25 Abs. 1, 1. Alt., schuldig gemacht haben. a) Zwar ist der in § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg eingetreten, den die F dadurch vermeiden konnte, daß sie den "Rundgang" nicht vorgenommen oder die Feuerwehr über die Unsinnigkeit des Aberglaubens informiert hätte. Jedoch hat F durch ihren "Rundgang" keine Gefahr für die Kirche oder für Leib und Leben anderer Personen begründet oder erhöht, sondern sie hat nur eine Situation vorgespiegelt, die den K zu seiner Unterlassung veranlaßt hat. Sie hat nur die Voraussetzungen geschaffen, die der K zum Anlaß genommen hat, aus ei-

87

Vgl. dazu oben III 1.

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

176

genem Entschluß die Gefahr von der brennenden Kirche nicht abzuwenden. b) Eine unmittelbare Täterschaft der F aufgrund ihres "Rundganges" entfällt daher. 4. Schwere Brandstiftung durch Unterlassen in Nebentäterschaft, §§ 306 Nr. 1, 13, 25 Abs. 1, 1. Alt. Eine Unterlassungsnebentäterschaft der F entfällt hier schon mangels einer Garantenstellung der F. Für eine derartige Garantenstellung sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. 5. Schwere Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt. Aufgrund ihres Verhaltens könnte sich die F einer schweren Brandstiftung in mittelbarer Täterschaft, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1, 2. Alt., schuldig gemacht haben. Das Verhalten des K erfüllte den objektiven Tatbestand der schweren Brandstiftung gem. §§ 306 Nr. 1,13 . Die Verwirklichung dieses Tatbestandes durch K müßte sich die F als eigene Tat zurechnen lassen, wenn Sie den K als Werkzeug zur "Inbrandsetzung" der Kirche benutzt hätte, d.h. die Tatherrschaft über das Geschehen innegehabt hätte. Zu beachten ist jedoch, daß K - wie oben dargelegt - voll verantwortlich den Tatbestand der schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 13, verwirklicht hat . F könnte daher nur dann den K als Werkzeug benutzt haben, wenn sie die Tatherrschaft bei einem voll verantwortlich unterlassenden Täter innehaben könnte, wenn sie also sog. "Täterin hinter dem Täter" gewesen wäre. Die Möglichkeit einer solchen Form der Tatherrschaft ist Streiks-

90

a) Die in der Literatur kaum noch vertretene , aber von der Rechtsprechung ausdrücklich betonte sog. subjektive Theorie stellt bei der Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft von der Teilnahme vor allem auf die Willensrichtung der Beteiligten ab. Ausgehend von einem extensiven Täterbegriff - jeder ist Täter, der eine Ursache für den Erfolg gesetzt hat - kommt sie auf der Grundlage der Äquivalenztheorie zu dem Ergebnis, daß die Ab88

Vgl. 11.

89

Vgl. I X.

90

Ausdrücklich nur BAUMANN/WEBER A.T., § 36 I 4 d.

91

BGHSt. 18 S. 87; mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung: SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER Vorbem. §§ 25 ff Rdn. 57; zur Darstellung, wenn auch ablehnend, vgl. MAURACH/GÖSSEL/ZIPF A.T. II, § 47 Rdn. 48 ff.

Referendarhausarbeit

177

grenzung von Täterschaft und Teilnahme nur nach subjektiven Kriterien möglich sei, da sich die verschiedenen Ursachen eines Erfolges objektiv nicht nach ihrer Bedeutung für den Erfolg unterscheiden lassen. Danach soll derjenige Täter sein, der die Tat als eigene will (also den sog. "Täterwillen", den animus auctoris hat), während ein Teilnehnier die Tat immer nur als fremde will (er hat den sog. animus socii) . Abgrenzungskriterien sind weiterhin der Grad des Interesses am Erfolg, auch der Wille zur Tatherrschaft . Diese Theorie bejaht die Möglichkeit einer Täterschaft hinter einem Täter . Indem das objektive Geschehen auf den Aspekt der Setzung einer Bedingung reduziert und entscheidend auf die subjektive Seite abgestellt wird, kann ein voll verantwortlich behandelnder Täter zum Gehilfen "degradiert" werden, wenn er nur den Willen zur Teilnahme hat. Diese "Konstruktion" erlaubt dann die Anerkennung einer Täterschaft des Hintermannes . Da F den "Rundgang" in der Absicht vollzog, die Feuerwehrleute vom Löschen abzuhalten, hat sie den sog. "animus auctoris" gehabt, wäre also als Täterin einer schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, zu bestrafen. Dagegen könnten aber durchgreifende Bedenken bestehen. Da die subjektive Theorie den "eigenhändig" frei verantwortlich unterlassenden Täter als Gehilfen betrachten will, verlangt sie für eine Täterschaft außer der Tatbestandsverwirklichung noch ein weiteres zusätzliches Kriterium, nämlich den Täterwillen. Damit mißachtet sie den in § 25 Abs. 1, 1. Alt. zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und "degradiert" gleichzeitig die Teilnahmevorschriften zu "übergesetzlichen" Einschränkungsgründen der gesetzlichen Straftatbestände . Außerdem werden so "überge92

So schon grundlegend RGSt. 3 S. 183 f; weitere Nachweise bei BGHSt. 18 S. 90.

93

BGH GA 1977 S. 306.

94

Ausdrücklich BAUMANN/WEBER A.T., § 3 6 1 4 a.

95

So ausdrücklich geschehen im sog. "Staschynskij-Fall" BGHSt. 18 S. 90; BAUMANN/WEBER A . T . , § 36 I 4 a . I m A n s c h l u ß a n ROXIN JUS 1 9 7 3 S. 335,

wird in der Lehre die Ansicht vertreten, die subjektive Täterlehre sei mit § 25 Abs. 1, 1. Alt. insoweit nicht mehr in Einklang zu bringen, als sie auch denjenigen als bloßen Teilnehmer ansehen kann, der eigenhändig den Tatbestand verwirklicht hat. Zwingend ist diese Argumentation jedoch nicht, denn es ist gerade das Anliegen der subjektiven Theorie, darzutun, daß die Frage, ob jemand die Tat "selbst" begangen hat oder nicht, allein nach subjektiven Kriterien bestimmt werden kann, dazu OTTO Grundkurs Strafrecht, A T . , § 21 II 2; SCHROEDER Täter, S. 38 ff. 96

SCHROEDER Täter, S. 191.

178

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

setzliche Strafminderungsgründe" geschaffen, die der Gesetzgeber sonst nur in strengen formalen Grenzen statuiert hat . Weiterhin spricht gegen die subjektive Theorie, daß sich die von der Äquivalenztheorie behauptete Gleichheit aller Bedingungen nur auf die Erfolgszurechnung bezieht, nicht auch auf die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme . Da die subjektive Theorie auch bei altruistischen Delikten, wie z.B. § 216, außer dem Interesse an der Tat (was der Täter der Tötung auf Verlangen gerade nicht hat) auch noch den Willen zur Tatherrschaft heranzieht , gibt sie damit ihre These von der prinzipiellen UnUnterscheidbarkeit der Beteiligungsformen nach objektiven Kriterien auf. Sie ist deshalb als inkonsequent abzulehnen . Mit ihrer Hilfe läßt sich eine mittelbare Täterschaft der F nicht überzeugend begründen. b) In gleicher Weise untauglich zur Begründung der mittelbaren Täterschaft sind die verschiedenen Formen der sog. materiell-objektiven Theorie, da sich die Unterscheidungskriterien zur Bestimmung der mittelbaren Täterschaft - z.B. nach der Notwendigkeit des Tatbeitrages \ der Mitwirkung während der Tat , nach der Überordnung des Täters 1 und schließlich nach der physisch oder psychisch vermittelten Kausalität1 - als zu ungenau erwiesen haben . Mit ihnen läßt sich eine mittelbare Täterschaft der F nicht hinreichend begründen. c) Nach der heute in der Literatur herrschenden Tatherrschaftslehre wird die Begründung der mittelbaren Täterschaft durch objektive und subjektive Kriterien vorgenommen. Da das Kriterium der Tatherrschaft die planvolle Steuerung des Geschehens ist, ist bei der Beteiligung mehrerer derjenige der Täter, der den Ge97

S o ROXIN Täterschaft, S. 218; SCHROEDER Täter, S. 192.

98

S o SAMSON SK, § 2 5 R d n . 17.

99

V g l . B G H G A 1 9 7 7 S. 3 0 6 ; BAUMANN/WEBER A . T . , § 3 6 1 4 b .

100

V g l . d a z u D R E H E R / T R Ö N D L E § 2 5 R d n . 2; HERZBERG J U S 1 9 7 4 S . 2 3 9 ; OTTO

Grundkurs Strafrecht, A.T., § 21 II 2, wenn auch einschränkend; ROXIN LK, § 2 5 R d n . 39; DERS. T ä t e r s c h a f t , S. 130; SAMSON S K , § 2 5 R d n . 17; STRATENWERTH A . T . , R d n . 7 4 7 ff.

101

BAUMGARTEN ZStW 37 (1916) S. 529.

102

FUCHS G A 1929 S. 177.

103

D A U M S. 4 2 f.

104

S o FRANK V o r § 4 7 A n m . II.

105

S o a u c h JESCHECK A . T . , S. 4 9 4 ; ROXIN T ä t e r s c h a f t , S. 3 8 - 5 1 ; SAMSON S K , § 2 5 R d n . 8; STRATENWERTH A . T . , R d n . 7 4 0 f.

Referendarhausarbeit

179

schehensverlauf steuert. Eine hier relevante Steuerungsmöglichkeit kann in der planvollen Ausnutzung eines Irrtums eines anderen begründet sein. Streitig ist aber, ob sich ein volldeliktisch handelnder Täter überhaupt in einem Irrtum befinden kann, der dem Hintermann die Tatherrschaft über das Geschehen zukommen läßt. aa) Ein Teil der Vertreter der Tatherrschaftslehre lehnt dies ab, da der Hintermann ein voll verantwortlich handelndes Werkzeug nicht mehr steuern könne 1 . Es wäre widersprüchlich, den "Tatmittler" dann trotzdem als Werkzeug fremder Tatbestandsverwirklichung anzusehen; deshalb soll der Hintermann entweder unmittelbarer Nebentäter 0 oder Mittäter 1 oder Anstifter 1 sein. Da F - wie schon oben dargelegt - weder unmittelbare Nebentäterin ist, noch eine Mittäterschaft in Betracht kommt, läßt sich mit diesen Autoren keine Täterschaft der F begründen. bb) Andere Vertreter der Tatherrschaftslehre bejahen hingegen die Möglichkeit einer Täterschaft des Hintermannes trotz voll deliktisch handelndem Täter . Jedoch beschränkt sich diese Zustimmung hauptsächlich auf die Fälle des sog. "error in persona" des Tatmittlers und des Irrtums über Qualifikationsvoraussetzungen. Die Möglichkeit einer mittelbaren Täterschaft in dem Fall, in dem der Hintermann den Tatmittler dadurch steuert, daß allein er den konkreten Sachverhalt überschaut, wird nur von wenigen Autoren anerkannt. Mitunter wird Tatherrschaft des Hintermannes dann angenommen, wenn er dem Tatmittler die relevanten konkreten Hand112 lungsvoraussetzungen vorgetäuscht hat , während andere beim sog. "Irrtum im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" des Tatmittlers dem Hintermann die Tatherrschaft zurechnen 11 . 106

BOCKELMANN/VOLK A . T . , § 2 2 I 3; HERZBERG JUS 1974 S. 375; JESCHECK A . T . , § 6 2 I 2; H . MAYER A . T . , § 3 9 V 2; STRATENWERTH A . T . , R d n . 785 ff; WELZEL Lb., § 15 II.

107

STRATENWERTH A . T . , R d n . 766 ff; WELZEL L b . , § 15 II.

108

So BUSCH LK, 9. Aufl., § 47 Rdn. 44 ff.

109

BOCKELMANN/VOLK A . T . , § 22 I 3; JESCHECK A . T . , § 6 2 I 2; H . MAYER A . T . , § 39 I V 2.

110

So oben III 4.

111

So grundlegend: BINDING GS 76 S. 91; GS 78 S. 14; vgl. weiter DREHER/TRÖNDLE

§

25

Rdn.

3;

HARDWIG

GA

1954

S.

260

f;

KOHL-

RAUSCH/LANGE V o r § 47 Anm. 15 B 2 f m.w.N.; ROXIN Täterschaft, S. 212 f; SAX ZStW 69 (1957) S. 434; SCHROEDER Täter, S. 120 ff.

112

So grundlegend ROXIN Täterschaft, S. 217 f.

113

So grundlegend SCHROEDER Täter, S. 120 ff.

180

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Als "Irrtum im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" werden die Fälle bezeichnet, in denen der Täter nur deshalb nicht entschuldigt ist, weil die gesetzlichen Merkmale der Entschuldigungsgründe formell nicht vorliegen, seine Situation aber materiell der eines Entschuldigungsgrundes entspricht Ein "Handeln im Grenzbereich des Notstandes" soll z.B. dann vorliegen, wenn die Beeinträchtigung der Selbstbestimmung zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 35 fällt, aber die Vernichtung der sachlichen Existenzgrundlage droht, da der Betroffene dann in eiper in § 35 ähnlichen Weise psychologisch zur Tat genötigt wird115. Auch wenn man hier eine solche Situation annehmen würde, wäre K nicht als Werkzeug anzusehen; er wurde zwar von der F psychologisch beeinflußt, aber in keiner seine Existenzgrundlage bedrohenden Form, so daß ihm nur noch eine "Handlungsalternative" geblieben wäre. Wenn er sich trotzdem zu einer Straftat entschlossen hat, so kann dieser frei gefaßte Entschluß nicht gleichzeitig eine Herrschaft der F begründet haben. Ebenso liegt kein "Irrtum im Grenzbereich der Schuldunfähigkeit" vor, da dieser Fälle von Bewußtseinsstörungen infolge emotionaler Gründe, wie z.B. Zorn, Haß, Verzweiflung, anormale Eifersucht, erfassen soll116, während ein Aberglaube generell nicht geeignet ist, die Fähigkeit der Einsicht in das Unrecht eines Verhaltens zu beeinflussen. Auch kann F nicht mittelbare Täterin dadurch geworden ein, daß sich K in einem, dem vermeidbaren Verbotsirrtum ähnlichen Zustand befand . Wie bereits oben dargelegt, ist K als Überzeugungstäter anzusehen ; ein solcher Täter glaubt, angemessener entscheiden zu können als die anderen Mitglieder der Rechtsgesellschaft, er befindet sich in keiner Irrtumssituation, sondern setzt sich mit aktuellem Unrechtsbewußtsein über die Normen der Rechtsordnung hinweg. Aus diesen Gründen ist eine Begründung der mittelbaren Täterschaft der F mit Hilfe der Theorie eines "Irrtums im Grenzbereich der Entschuldigungsgründe" nicht möglich. Nach anderer Ansicht soll das konkrete Wissen des Hinterman-

114

S o SCHROEDER Täter, S. 120.

115

S o SCHROEDER Täter, S. 124.

116

S o SCHROEDER Täter, S. 121.

117

Die Figur des "Irrtums im Grenzbereich eines vermeidbaren Verbotsirrtums" ist von SCHROEDER Täter, S. 126 ff, entwickelt worden.

118

Siehe dazu 11 h, bb.

Referendarhausarbeit

181

nes ihm eine höherstufige Tatherrschaft verschaffen, wenn er in dem Tatmittler einen "Irrtum über den konkreten Handlungssinn" dadurch erregt, daß er den Tatmittler über die soziale Bedeutung seines Verhaltens täuscht . An einer derartigen Täuschung fehlt es aber im vorliegenden Fall. Zwar bewirkte F durch ihr Verhalten, daß dem K ein Löschen der Kirche unheilvoll erschien. Maßgeblich für diese Beurteilung ist aber nicht eine Täuschung der F, sondern der Aberglaube des K. Das Verhalten der F motiviert ihn lediglich, seinem Aberglauben gemäß zu handeln. Dieser Aberglaube läßt ihn die Situation so sehen, wie er sie sieht, nicht aber eine Täuschung der F, die lediglich den Aberglauben des K ausnutzt, um ihn zu motivieren, seinem Aberglauben gemäß zu handeln. Somit ist auch ein "Irrtum über den konkreten Handlungssinn" hier nicht geeignet, eine einwandfreie Begründung für eine mittelbare Täterschaft der F zu geben. d) Das Verhalten der F war also nicht geeignet, ihr die Tatherrschaft über das Geschehen zukommen zu lassen. Sie kann deshalb nicht als mittelbare Täterin einer schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 25 Abs. 1,2. Alt., angesehen werden. 6. Anstiftung zur schweren Brandstiftung durch Unterlassen, Nr. 1, 13, 26

§§306

Da K zweifellos erst durch das Verhalten der F veranlaßt wurde, die Löscharbeiten nicht durchführen zu lassen, könnte sich die F durch ihren "Rundgang" einer Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen schuldig gemacht haben, §§ 306 Nr. 1,13,26. . . . . 1 2 0 Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor F müßte den K zu dieser Straftat bestimmt haben, indem sie in K den Tatentschluß zu der schweren Brandstiftung durch Unterlassen hervorgerufen hat. a) Eine in der Literatur vertretene Mindermeinung verneint grundsätzlich die Möglichkeit einer Anstiftung zu einer Unterlassungstat und will stattdessen den sog. "Abstifter" als ummittelbaren Begehungstäter ansehen, da nach dieser Ansicht ein Unterlassungstäter nicht "bestimmt" werden kann 121 . Dieses Ergebnis beruht auf der Prämisse, daß Vorsatz gleich Finalität ist, also Steuerung des "Kausalverlaufs". Da ein Unterlassungstäter niemals "kau119

So grundlegend ROXIN Täterschaft, S. 217.

120

Die schwere Brandstiftung durch Unterlassen des K gem. §§ 306 Nr. 1, 13; siehe dazu oben 11.

121

S o GRÜNWALD G A

1 9 5 9 S. 122; ARMIN KAUFMANN

S. 2 0 1 , 203; W E L Z E L Lb., § 2 8 V 2.

Unterlassungsdelikte,

182

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

sal" für einen Erfolg sein kann 122 , kann er auch keinen Kausalverlauf steuern, also nicht final handeln, weshalb wegen der Gleichstellung von Vorsatz und Finalität auch kein Unterlassungsvorsatz existieren kann. Weil der Tatentschluß aber Vorsatz verlangt, den der Unterlassende gerade nicht haben kann, kann er danach auch keinen Tatentschluß fassen. Deshalb ist eine Anstiftung - die nichts anderes als Erregung eines Tatentschlusses ist - hier unmöglich Konsequenz dieser Auffassung müßte daher die Ablehnung der Möglichkeit der Täterschaft eines vorsätzlichen Unterlassungsdelikts sein. Diese Konsequenz aber ziehen die Vertreter dieser Ansicht keineswegs . Gegen eine unmittelbare Begehungstäterschaft des "Abstifters" spricht weiterhin, daß eine "Abstiftung" dem Täter noch nicht die Tatherrschaft über das Geschehen zukommen läßt, denn der Eintritt des Erfolges hängt immer noch vom Verhalten des Beeinflußten ab. Ob er nun die Handlung unterläßt oder nicht, ist seine Entscheidung! Es liegt gar kein rechtlich selbständiger Erfolgsanteil vor. der für den "Abstifter" eine Tatherrschaft begründen könnte . Verlangt man für eine Täterschaft generell Tatherrschaft , dann kann hier aber mangels Tatherrschaft keine Begehungstäterschaft vorliegen; läßt man eine "psychisch vermittelte Kausalität" hier genügen, so ist das ein nicht akzeptierbarer Widerspruch1 . Der Umdeutung einer Anstiftung zum Unterlassen in eine unmittelbare Begehungstäterschaft des "Abstifters" kann deshalb nicht gefolgt werden. b) Eine andere Meinung will hingegen unmittelbare Unterlassungstäterschaft annehmen , da von der "Abstiftung" keine Ursachenkette über das Unterlassen zum tatbestandlichen Erfolg führt, der "Abstiftende" also überhaupt nicht "kausal" geworden ist. Die "Abstiftung" durch Täuschung eines Rettungspflichtigen vermittelt dann "Tatherrschaft" für den "Abstiftenden" . Diese Meinung kann aber nur dann eine Täterschaft annehmen, wenn der "Abstifter" eine Garantenpflicht gegenüber dem geschützten Rechtsgut 122

Vgl. nur OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 9 V 3.

123

Vgl. dazu ausführlich ARMIN KAUFMANN Unterlassungsdelikte, S. 191 ff.

124

Dazu ROXIN Täterschaft, S. 511.

125

Vgl. dazu STREE G A 1963 S. 13.

126

So auch ARMIN KAUFMANN Unterlassungsdelikte, S. 199.

127

So ROXIN Täterschaft, S. 520.

128

ARTHUR KAUFMANN J U S 1 9 6 4 S . 156.

129

S o ARTHUR KAUFMANN J U S 1 9 6 4 S. 156.

Referendarhausarbeit

183

innehat. Hat der "Abstifter" aber keine Garantenpflicht - wie hier die F so ist die Annahme einer Unterlassungstäterschaft unmöglich. c) Da auch das Gesetz selbst in § 26 nur die Bestimmung zu einer vorsätzlich rechtswidrig begangenen Haupttat verlangt und nicht zwischen Begehungs- und Unterlassungsdelikt unterscheidet, kann die AnstifUing auch zu einem pflichtwidrigen Unterlassungsdelikt erfolgen1 . Einer Garantenpflicht des Anstifters bedarf es hierzu nicht, da die Anstiftung durch positives Tun erfolgt 1 . d) F könnte den K also zu dessen Unterlassungsdelikt angestiftet haben, wenn ihr "Rundgang" als Bestimmen im Sinne des § 26 angesehen werden kann. aa) "Bestimmen" im Sinne des § 26 definiert die h.M. als "Hervorrufen des Tatentschlusses". Dennoch ist die Weite des Begriffes streitig. Die einen begnügen sich mit der bloßen Verursachung des Tatentschlusses: "Bei der Anstiftung reicht jedes Mittel der intellektuellen Beeinflussung für die Tatbestandserfüllung aus, auch wenn es als solches von dem Zubeeinflussenden nicht erkannt wird" . bb) Andere fordern zumindest einen geistigen Kontakt zwischen dem Anstifter und dem Anzustiftenden mit dem Ziel der Verursachung des Tatentschlusses beim Haupttäter, so daß die Schaffung einer zur Tat anreizenden Situation noch kein geeignetes Anstiftungsmittel ist . cc) Schließlich wird gefordert, daß das Bestimmen nicht nur psychischen Kontakt voraussetzt, sondern auch dort, wo diese Kommunikation gegeben ist, auf eine erkennbare Beeinflussung, Aufforderung, Anregung zur Tat gerichtet sein muß. "Eine bloße Angabe rein theoretischer Möglichkeit und Belehrung, ohne daß darin zumindestens versteckt der Rat, die Aufforderung und Bestimmung in dieser Weise zu verfahren, gelegen wäre, genügt noch nicht"134. 130

ROXIN L K , § 2 6 R d n . 31; SAMSON S K , V o r § 1 3 R d n . 4 4 .

131

SAMSON S K , V o r § 13 R d n . 4 4 .

132

Vgl. BGH 1 StR 197/78, S. 5. - Sachlich übereinstimmend DREHER/ TRÖNDLE § 2 6 R d n . 4; HERZBERG J U S 1 9 7 6 S. 41; LACKNER S t G B , § 2 6 A n m . 2; SAMSON S K , § 2 6 R d n . 5; WIDMAIER J U S 1 9 7 0 S. 2 4 2 .

133

134

V g l . JESCHECK A . T . , § 6 4 I I I 1; ROXIN L K , § 2 6 R d n . 12; SCHMIDHÄUSER A . T . , 1 0 / 1 1 3 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 2 6 R d n . 7; STRATENWERTH A . T . , R d n . 881; WELZEL Lb., § 1 6 I I 1.

Vgl. BUSCH LK, 9. Aufl., § 48 Rdn. 14 - sachlich in gleicher Richtung D. MEYER JUS 1970 S. 529; DERS. M D R 1975 S. 983; OTTO Grundkurs Straf-

recht, A.T., § 22 II 2 b; auch in den Ausführungen von JAKOBS A.T.,

184

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Zwischen den gegen die h.M. gerichteten Ansichten braucht hier nicht weiter differenziert zu werden, weil das Verhalten der F weiter geht als darauf, dem K eine Deliktsmöglichkeit zu zeigen. Durch Ausnutzung des Aberglaubens des K will F den K zu der Tat beeinflussen. Problematisch ist aber, ob überhaupt ein Kontakt im geforderten Sinne zwischen F und K vorliegt, da das Verhalten der F - wenn überhaupt - nur als Anstiftung durch konkludentes Tun angesehen werden kann. Die Möglichkeit eines Bestimmens durch konkludentes Verhalten ist jedoch durchaus anzuerkennen . Wie allerdings dadurch eine "geistige Beeinflussung" erfolgen soll, wird nur dann klar, wenn die Grundsätze eines Betruges durch Vorspiegelung falscher Tatsachen durch konkludentes Tun auch auf die Anstiftung durch konkludentes Tun angewendet werden, da es sich bei den beiden um eine psychische Beeinflussung handelt, die in dem Beeinflußten einen Irrtum hervorruft, der seinerseits für die Haupttat des Beeinflußten "kausal" wird - bei § 263 für die Vermögensverfügung, bei § 26 für die auszuführende Haupttat . Beim Betrug genügt nach überwiegender Ansicht für die Annahme konkludenten Verhaltens, daß das Gesamtverhalten eine eindeutige Willensäußerung ergibt . Deshalb kann bei der Anstiftung durch konkludentes Tun auch nichts anderes gelten. Das Verhalten muß in seinem Sinn so eindeutig sein, daß es eine ganz bestimmte Schlußfolgerung zuläßt, wobei Verkehrssitte und Herkunft der Beteiligten berücksichtigt werden müssen . Unter Beachtung der eben aufgestellten Kriterien folgt daraus für das Verhalten der F, daß der K nur den Schluß ziehen konnte, er müsse nach "erfolglosem Rundgang" die Löscharbeiten an der Kirche unterbinden, um noch größeres Unheil zu vermeiden. Der im Dorf X "herrschende" Aberglaube ließ keinen anderen Rückschluß zu; K konnte aufgrund des "geistigen Kontaktes" mit der F ihr Verhalten nur als Aufforderung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1,13, verstehen. Es bestand ein so starker "geistiger Kontakt", der die Willensbildung des K nach-

22. A b s c h n . R d n . 2 2 f f ; JESCHECK A . T . , § 6 4 I I I 1 u n d SCHMIDHÄUSER A . T . ,

10/112 wird das Element der "Beeinflussung" besonders hervorgehoben. 135

Vgl. so auch D. MEYER Kollusion, S. 157; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 26 Rdn. 7.

136

Vgl. dazu LOEWENHEIM S. 12.

137

BGHSt. 8 S. 291; KREY B.T., Rdn. 344 f; LACKNER StGB, § 263 Anm. III 2 a, b b ; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R § 2 6 3 R d n . 14; W E L Z E L L b . , § 5 4 1 1 b .

138

RGSt. 28 S. 192; LOEWENHEIM S. 13; D. MEYER Kollusion, S. 157 f, S. 163.

Referendarhausarbeit

185

haltig beeinflußt hat, daß das Verhalten der F nur als "Bestimmen" im Sinne von § 26 angesehen werden kann. Nach allen Ansichten liegt also ein Bestimmen zum Tatentschluß des K vor, eine weitergehende Erörterung der verschiedenen Standpunkte erübrigt sich deshalb. e) Das Verhalten der F war auch an einen individuell bestimmbaren Personenkreis - nämlich die Feuerwehr des Dorfes X mit ihrem Einsatzleiter - gerichtet, so daß dem Konkretisierungsgebot hinsichtlich der "möglichen Haupttäter" genüge getan war . F kannte die Unrichtigkeit des Aberglaubens und die Überzeugung des K. Sie wußte, daß sie ihn mit ihrem Verhalten zu der Nichtabgabe des Einsatzbefehls veranlassen würde; damit hatte sie auch die Kenntnis von den Tatumständen hinsichtlich der von K verwirklichten Haupttat. Gründe, die die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der F ausschließen könnten, sind hier nicht ersichtlich; insbesondere handelte die F mit dem Bewußtsein der Sozialschädlichkeit ihres Verhaltens. Auch hinsichtlich der persönlichen Verantwortlichkeit der F bestehen keine Anhaltspunkte für einen eventuellen Ausschluß der Schuld durch Entschuldigungsgründe oder Vorwerfbarkeitsverbote. F ist einer Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen schuldig, §§ 306 Nr. 1,13, 26. 7. Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 308, 1. Alt., 13, 26 Durch ihren "Rundgang" hat die F den K zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat, nämlich einer Brandstiftung durch Unterlassen §§ 308, 1. Alt., 13 , vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft bestimmt, da sie wußte, daß die Kirche für den K ein in fremdem Eigentum befindliches Gebäude ist. 8. Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§303, 13, 26 a) K hat sich einer Sachbeschädigung durch Unterlassen schuldig gemacht, §§ 303, 13 4 ; eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor. b) Zu dieser Straftat hat die F den K auch bestimmt, da K aus ihrem Verhalten zu dem Entschluß gedrängt wurde, die Kirche- und

139

H . M . v g l . ROXIN L K , § 2 6 R d n .

Rdn. 14 m.w.N. 140

Vgl. dazu oben I 2.

141

Vgl. dazu oben I 3.

10; S C H Ö N K E / S C H R Ö D E R / C R A M E R §

26

186

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

damit auch die in der Kirche sich befindenden Einrichtungsgegenstände - dem Feuer zu überlassen. c) F hatte auch die Kenntnis von den Tatumständen, da sie wußte, daß infolge ihres Verhaltens der K die Einrichtungsgegenstände in der Kirche nicht mehr retten würde, sie also durch sein pflichtwidriges Verhalten beschädigt werden würden. d) Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. e) F hat sich einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303,13, 26, schuldig gemacht. 9. Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26 K hat sich durch den nicht gegebenen Einsatzbefehl einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, schuldig gemacht ; eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor. Durch ihr Verhalten hat die F den K zu der Beschädigung der Kirche bestimmt, da dieser dadurch zu dem Entschluß bestimmt wurde, den Löschbefehl nicht zu geben. F ging davon aus, daß infolge ihres Verhaltens der K die Löscharbeiten unterlassen und dadurch eine schwere Brandstiftung durch Unterlassen , §§ 306 Nr. 1, 13, verwirklichen würde. Da sie auch wußte, daß als notwendige Folge das Verhalten des K die Kirche beschädigen würde, handelte sie vorsätzlich. Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. F ist daher der Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304,13, 26, schuldig. 10. Anstiftung zu einer Zerstörung von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, 26 Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor 143 . Zu dieser Haupttat hat die F den K auch durch ihr Verhalten bestimmt, wie oben dargelegt wurde . F hatte die Kenntnis der Tatumstände, denn sie wußte, daß als notwendige Folge der unterlassenen Löscharbeiten die Kirche durch das Feuer zerstört werden würde. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Damit hat sich F einer Anstiftung zu der Zerstörung eines Gebäudes durch Unterlassen, §§ 305,13, 26, schuldig gemacht.

142

Vgl. dazu oben 14.

143

Vgl. dazu oben 15.

144

Vgl. dazu oben III 6.

Referendarhausarbeit

187

11. Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § III

Durch ihren "Rundgang" könnte die F die Feuerwehr aus dem Dorf X zusammen mit ihrem Einsatzleiter K öffentlich zu der rechtswidrigen Verwirklichung eines Straftatbestandes - nämlich einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13 aufgefordert haben. a) Das Verhalten der F müßte sich als öffentliche Aufforderung darstellen. Als Aufforderung wird die - auch durch konkludentes positives Tun vornehmbare - Kundgabe des Willens des Auffordernden angesehen, von den Aufgeforderten ein bezeichnetes strafbares Tun oder Unterlassen zu verlangen, indem die Aufgeforderten von der Richtigkeit oder der Zweckmäßigkeit des aufgeforderten Verhaltens überzeugt werden 45 . Im Gegensatz dazu steht das bloße Anreizen, welches nur mittelbar auf die Willensbildung anderer Personen einwirkt . Der "Anreizende" vermittelt nur ein Motiv, er beeinflußt die Denkarten, Stimmungen oder Leidenschaften anderer, überläßt es aber der jeweiligen Situation, ob sich die so Beeinflußten scheinbar spontan kraft eigener Entscheidung zum Handeln oder Unterlassen entschließen Während der Auffordernde direkt erkennen läßt, daß er von den Angesprochenen die Verwirklichung eines bestimmten Straftatbestandes fordert, also aktiv zur Nichtbeachtung der Rechtsordnung aufruft, gibt der Anreizende nicht zu erkennen, was er von dem Betroffenen erwartet. Ob diese aus seinem Verhalten ein bestimmtes angesonnenes Verhalten "herauslesen", ist - völlig unabhängig von einem Einfluß - den jeweiligen Interpretationsfähigkeiten der Angesprochenen überlassen. b) In dem Verhalten der F kann deshalb keine Aufforderung zu einer Straftat gesehen werden, da sie den Feuerwehrleuten und K nur eine Situation vorspiegelt, die dann aufgrund des Aberglaubens bei ihnen zu der eigenverantwortlich getroffenen Entscheidung geführt hat, das Löschen des Kirchenbrandes zu unterlassen. c) F hat also nur Voraussetzungen geschaffen, die K zu seiner Entscheidung, seiner Garantenpflicht nicht nachzukommen, moti145

RGSt. 47 S. 413; 63 S. 173; BGHSt. 32 S. 310; DREHER/TRÖNDLE § 111 R d n . 2; LACKNER S t G B , § 111 A n m . 3; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 111

Rdn. 3; ausführlich zu diesem Problemkreis ROGALL GA 1979 S. 11 ff. 146

O L G K ö l n M D R 1983 S. 338; VON BUBNOFF LK, § 111 R d n . 8; ROGALL G A 1979 S. 16; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 111 R d n . 3.

147

Grundlegend RGSt. 47 S. 413; siehe auch SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 111 Rdn. 3.

188

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

vieren konnten; eine Aufforderung im Sinne von § 111 liegt nicht vor. IV. Zwischenergebnis F hat sich einer Anstiftung zu einer Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 303, 13, 26, einer Anstiftung zu einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung durch Unterlassen, §§ 304, 13, 26, einer Anstiftung zu einer Zerstörimg von Bauwerken durch Unterlassen, §§ 305, 13, 26, einer Anstiftung zu einer schweren Brandstiftung durch Unterlassen, §§ 306 Nr. 1, 13, 26, und einer Anstiftung zu einer Brandstiftung durch Unterlassen, § 308,1. Alt., 13, 26, schuldig gemacht. Hinsichtlich der Konkurrenzen kann auf das zu K Gesagte verwiesen werden , so daß sich F gemäß §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304,303,13,26,52 strafbar gemacht hat. 2. Teil: Die Einäscherung der Kirche infolge der verhinderten Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y I. Die Straßarkeit des S wegen Zerschneiden der Schläuche 1. Nötigung, § 240 Durch das Zerschneiden der Schläuche könnte S die Feuerwehr des Dorfes Y mit Gewalt zum Unterlassen der Löscharbeiten an der Kirche des Dorfes X genötigt haben, § 240. a) Dann müßte sich das Zerschneiden der Schläuche als Gewalt im Sinne von § 240 darstellen, wobei als Adressat der Nötigung auch eine Mehrzahl bestimmter Personen nebeneinander in Betracht kommen 1 . Eine solche Mehrzahl sind die Feuerwehrleute aus dem Dorfe Y. b) Nach der Rechtsprechung ist Gewalt "der - nicht notwendig erhebliche - Einsatz körperlicher Kraftentfaltung , der von der Person, gegen die sie sich richtet, als ein nicht nur seelischer, sondern auch körperlicher Zwang empfunden wird". - Körperlich wird ein psychischer Zwang empfunden, wenn das Opfer ihm nicht oder nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann . Dieser Gewaltbegriff ist in der Lehre weitge148

Vgl. dazu oben II.

149

R G J W 1 9 3 1 S. 9 4 2 ; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 2 4 0 R d n . 2

150

Dazu: BGHSt. 23 S. 46 ff mit Anm. EILSBERGER JUS 1970 S. 164 ff, MARTIN BGH-Festschrift, S. 211, O r r NJW 1969 S. 2023 f; BGHSt. 23 S. 127; B G H

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189

hend auf Kritik gestoßen. Es wird insbesondere geltend gemacht, daß der Gewaltbegriff jegliche Konturen verloren hat, nachdem die bloße Zwangswirkung für das Opfer an die Stelle der unmittelbaren Einwirkung auf den Körper des Opfers getreten ist, daß Sachbeschädigungen im Rahmen eines so verstandenen Gewaltbegriffs in Nötigungen umgedeutet werden können und daß die Grenze zwischen Gewaltanwendung und Drohung mit Gewalt vollkommen aufgehoben worden ist Diese Kritik an der Rechtsprechung ist nur insoweit berechtigt, als in der Rechtsprechung die Grenze zwischen der Gewaltanwendung und der Drohung mit einem empfindlichen Übel in der Tat verwischt wird. Im übrigen aber sind alle Versuche, die Gewaltanwendung auf einen körperlichen Eingriff zu beschränken, von vornherein dogmatischen Zweifeln ausgesetzt, denn sie identifizieren Gewalt schlicht mit der Gewalt gegen den Körper einer Person, während die Gewalt gegen Sachen gar nicht erst als Gewalt i.S. des § 240 anerkannt wird. Das aber ist vom Wortlaut des § 240 keineswegs gedeckt und kriminalpolitisch auch nicht zu begrüßen, denn diese Differenzierung begünstigt Zufallsergebnisse, so daß der Gewinn an Gesetzesbestimmtheit mit der Zufälligkeit der Gesetzesanwendung bezahlt wird1 . Gewalt ist daher der über eine Drohung mit einem empfindlichen Übel hinausgehende - nicht notwendig erhebliche - Einsatz körperlicher Kraftentfaltung, der von der Person, gegen die sie sich richtet, als nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden wird. - Körperlich wird ein psychischer Zwang empfunden, wenn das Opfer ihm gar nicht, nur mit erheblicher Kraftentfaltung oder in unzumutbarer Weise begegnen kann. Die nötigende Gewalt kann sich demnach gegen die Person, die zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden soll, unmittelbar körperlich richten, sie kann ihre Zwangswirkung aber auch durch Einwirkung auf Sachen entfalten. Das Verhalten des S stellt sich deshalb als Gewalt i.S. von § 240 dar, da es objektiv geeignet war, die Feuerwehrleute aus dem NStZ 1981 S. 218; BGH NJW 1982 S. 189 f mit Anm. DINGELDEY NStZ 1982 S. 161, KÖHLER NJW 1983 S. 10, BRENDLE NJW 1983 S. 727 ff; siehe auch SCHROEDER J u S 1982 S. 4 9 1 ff; SONNEN J A 1982 S. 217 ff. - D a s B V e r f G h a t

in dieser Interpretation des Gewaltbegriffs keinen Verstoß gegen die Verfassung gesehen; vgl. BVerfGE 73 S. 242 f. 151

Z u r Kritik: BERGMANN S. 75 ff, 8 7 ff; CALLIES S. 1 ff; GEILEN H . M a y e r -

Festschrift, S. 445; JAKOBS H. Kaufmann-Gedächtnisschrift, S. 796 ff; HAFFKE Z S t W 84 (1972) S. 3 7 ff; KELLER S. 115 ff; KREY JUS 1974 S. 4 1 8 ff; MÜLLER-DIETZ G A 1974 S. 44 ff; WOLTER N S t Z 1985 S. 1 9 3 - 1 9 8 , 2 4 5 - 2 5 2 .

152

Siehe OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 27 I 2 d, cc; DERS. NStZ 1987 S. 212 f.

190

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

Dorfe Y in eine Zwangssituation zu versetzen, in der es ihnen unmöglich gemachte wurde, die Löscharbeiten durchzuführen. S hatte auch die Kenntnis der Tatumstände, denn er wußte, daß durch sein Verhalten die noch mögliche Löschung des Kirchenbrandes endgültig vereitelt wurde. c) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Es könnte aber fraglich sein, ob das Verhalten des S als "verwerflich" i.S. des § 240 Abs. 2 anzusehen ist. Um dieses festzustellen, ist eine sog. Mittel-Zweck-Relation notwendig, dergestalt, daß das Nötigungsmittel zum Nötigungszweck in Beziehung gesetzt wird . Die Nötigung ist dann verwerflich, wenn die Relation als sittlich mißbilligenswert, als sozial unerträglich anzusehen ist1 . Das bedeutet für das Zerschneiden der Schläuche, daß es dann als verwerflich anzusehen ist, wenn der damit verfolgte Zweck als sozialschädlich anzusehen ist. Dabei ist auch das vom Täter erstrebte Ziel, gleichgültig ob es sich um ein sog. Nah- oder Fernziel handelt, mit zu berücksichtigen1 . Eine Begrenzung auf die Nahziele ist unangemessen, da es sich um eine Beurteilung der Rechtswidrigkeit im weiteren Sinne handelt, die eine umfassende Würdigung des Verhaltens des Täters erfordert. Betrachtet man den von S angestrebten Zweck - Verhinderung der Löscharbeiten - so kann dieser nur dann als sozial angemessen erachtet werden, wenn auch gleichzeitig das damit verfolgte Ziel Abwehr von drohendem Unheil - berücksichtigt wird. Hierbei ist aber zu beachten, daß sich dieses Ziel nur deshalb als sozial angemessen darstellt, weil es auf abergläubischen Vorstellungen des S beruht. Es bestanden keine konkreten Anhaltspunkte für den Eintritt des drohenden Unheils; infolge seines Aberglaubens hielt sich S aber für befugt, die Feuerwehrleute aus dem Dorfe Y zu nötigen. Die Nötigung von Rettungspflichtigen zur Abwehr von rein gedanklich abstrakten Gefahren kann aber nicht geeignet sein, die Sozialschädlichkeit dieses Verhaltens zu verneinen. Deshalb muß die Nötigung der Feuerwehr des Dorfes Y als verwerflich i.S. von § 240 Abs. 2 angesehen werden. 153

DREHER/TRÖNDLE § 240 Rdn. 22; OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 27 III 2 a; SCHÄFER LK, 9. A u f l . , § 240 R d n . 70 ff; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER § 240 Rdn. 17 ff.

154

DREHER/TRÖNDLE § 240 R d n . 2 3 ff; HORN S K , § 240 R d n . 36 ff.

155

V g l . BERGMANN S. 184; ARTHUR KAUFMANN N J W 1988 S. 2583; MEURER/

BERGMANN J R 1988 S. 52 f; OTTO Grundkurs Strafrecht, B.T., § 27 III 2 a. A . A . z.B. B G H S t . 35 S. 270; BAUMANN N J W 1987 S. 37; BROHM J Z 1985 S. 501, 511; DREHER/TRÖNDLE § 240 R d n . 27; KÜHL S t V 1987 S. 122 ff; LACKNER S t G B , § 240 A n m . 6 a; SCHÄFER LK, § 240 R d n . 27, 61; STARCK J Z 1987 S. 1 4 5 , 1 4 8 .

191

Referendarhausarbeit

d) Hinsichtlich des Bewußtseins der Sozialschädlichkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit des S gilt das zu K gesagte sinngemäß 156 . e) Auch S kann nicht als "Gewissenstäter" entschuldigt werden, vielmehr ist S wegen einer Nötigung der Feuerwehr des Dorfes Y, § 240, strafbar. 2. Schwere Brandstiftung, § 306 Nr. 1

Das Zerschneiden der Schläuche der zum Löschen bereiten Feuerwehr aus dem Dorfe Y könnte für S eine Strafbarkeit wegen einer schweren Brandstiftung, § 306 Nr. 1, begründen. Es könnte aber fraglich sein, ob S überhaupt noch eine schwere Brandstiftung begehen konnte, da - wie oben dargelegt - schon der K eine vollendete schwere Brandstiftung an der Kirche des Dorfes X "begangen" hatte. a) Nach allgemeiner Meinung ist eine Straftat dann formell vollendet wenn alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes erfüllt sind158. Nun gibt es aber Straftatbestände, in denen der Gesetzgeber den Zeitpunkt der Vollendung vorverlegt hat, um die betreffenden Rechtsgüter schon vor abstrakten Gefährdungen zu bewahren. Mit der Erfüllung des tatsächlichen Verhaltens ist aber noch nicht der volle Unrechtsgehalt gegeben; die Rechtsgutsverletzung kann bei diesen Delikten noch weitergeführt oder sogar gesteigert werden . Es ist eine weitere Rechtsgutsverletzung möglich, deren Abschluß einen weiteren Deliktsabschluß nach der schon eingetretenen formellen Vollendung kennzeichnet; erst zu diesem Zeitpunkt ist das Ende der Rechtsgutsverletzung gegeben, so lange ist die Verwirklichung strafrechtlichen Unrechts noch möglich. Dieser Zeitpunkt wird allgemein als materielle Vollendung oder tatsächliche Beendigung bezeichnet . Fällt nun - wie auch bei der schweren Brandstiftung - der Zeitpunkt der formellen Vollendung nicht mit dem der materiellen Vollendung zusammen, so kann trotz frühzeitiger formeller Vollendung des Deliktes in der zeitlichen Zwischenphase bis zur 156

Siehe oben 1. Teil 11.

157

Siehe dazu 1. Teil 11.

158

RUDOLPHISK, V o r § 22 R d n . 6; SCHMIDHÄUSER A . T . , 11/11.

159

Siehe dazu

JESCHECK

Welzel-Festschrift, S.

6 8 6 ; RUDOLPHI S K ,

Vor §

22

R d n . 7; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER V o r b e m . § 22 R d n . 2; WINKLER S. 14. 160

Siehe D R E H E R / T R Ö N D L E § 2 2 Rdn. 6 ; FURTNER JR 1 9 6 6 S. 1 6 9 ; JESCHECK A . T . , § 4 9 I I I 3; OTTO Grundkurs Strafrecht, A . T . , § 1 8 I 5 ; RUDOLPHI SK, V o r § 2 2 R d n . 7; SCHMIDHÄUSER A . T . , 5 / 1 4 0 ; STRATENWERTH J Z 1 9 6 1 S . 9 5 f.

192

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

tatsächlichen Beendigung eine weitere Rechtsgutsverletzung vorgenommen werden, da die schwere Brandstiftung, § 306, mit dem "In Brand setzen" des Gebäudes vollendet ist, jedoch die Beendigung erst bei völligerZerstörung des Gebäudes oder bei Erlöschen des Brandes eintritt Gegen diese Ausdehnung der Strafbarkeit auf nach Vollendung eines Deliktstatbestandes vorgenommene Handlungen könnten sich aber wegen des in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Bestimmtheitsgebotes Bedenken ergeben, da sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, ob überhaupt ein Beendigungszeitpunkt relevant ist1 . Diese Bedenken lassen sich aber durch eine teleologische Auslegung zerstreuen . Das geschützte Rechtsgut ist das wesentliche Kriterium zur Bestimmung der gesetzlich umschriebenen Verhaltensweise , denn der Begriff der Beendigung erfährt seine Ausrichtung und Festlegung am Rechtsgutsgedanken, ist also gewissermaßen ein teleologischer Begriff . Die nach formeller Vollendung vorgenommene Rechtsgutsverletzung ist nicht aus dem formalen Wortlaut des jeweiligen Straftatbestandes, sondern aus den Grenzen der Angriffsart zu bestimmen, wobei objektive und subjektive Kriterien dergestalt in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, daß der Verletzungswille auf die Rechtsgutsverletzune zielen muß, die sich im Rahmen des Täterplanes vollziehen muß 66 . Um das materielle Unrecht zu bestimmen, müssen die einzelnen Tatbestandsmerkmale zum Unrecht in Beziehung gesetzt werden, um der Funktion des Tatbestandes gerecht zu werden , wobei 161 162

O L G H a m m J Z 1961 S. 95; FURTNER J R 1966 S. 170; HAU S. 95; JESCHECK W e l z e l - F e s t s c h r i f t , S. 694; K Ü H L S . 91; SCHEUFELES. 18. FURTNER J R 1966 S. 170; ISENBECK N J W 1965 S. 28; KÜHL S . 4 3 m . w . N . ;

O r r o Grundkurs Strafrecht, A.T., § 18 I 5; RUDOLPHI SK, Vor § 22 Rdn. 9 m.w.N. 163

KÜHL S. 4 1 ff; WINKLER S. 3 3 ff.

164

WINKLERS. 33.

165

WINKLERS. 36.

166

So WINKLER S. 27; ähnlich auch JESCHECK Welzel-Festschrift, S. 691, nach dem die Phase der Beendigung gar nicht formal im Tatbestand beschrieben ist, da sich dieser nur auf die Vollendung beziehen soll, aber vom Verbotssinn materiell erfaßt wird; ähnlich auch STRATENWERTH JZ 1961 S. 97; ähnlich auch KÜHL S. 41; er stellt nicht auf die äußere Tatbestandsumschreibung ab, sondern läßt die eindeutige inhaltliche Bestimmtheit des Wertverletzungstypus - die vertypte unmittelbare oder mittelbare Verletzung der in der Gesellschaft anerkannten Werte - genügen.

167

KÜHLS. 44.

Referendarhausarbeit

193

der "rechtsgutsbezogene" Erfolgsunwert und auch der "handlungsbezogene" Aktunwert mitbestimmend sind . Strafrechtliches Unrecht ist an die Tatbestandstypen gebunden, es ist nicht bloße Sozialschädlichkeit; nur wenn man weiß, gegen welche Angriffe von welchen Personen das Rechtsgut geschützt werden soll, kann man den typischen Unrechtsgehalt eines Deliktes bestimmen 169 . Es stellen nur die Verhaltensweisen strafrechtliches Unrecht dar, die dem Unrechtstypus eines bestimmten Deliktes entsprechen. Wird die Handlungsmodalität eines bestimmten Deliktes auch noch nach Vollendung konsequent berücksichtigt, so wird immer ein bestimmtes Delikt verwirklicht und nicht Unrecht "schlechthin" Dieser weitere Erfolg kann dann bei der Unrechtsbetrachtung einbezogen werden \ Unter Beachtung des eben Gesagten kann das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht als verletzt angesehen werden. Deshalb muß bei einem "In Brand setzen" auch die Zeit bis zat völligen Einäscherung des Gebäudes mitberücksichtigt werden , denn solange liegt die - vom Gesetzgeber pönalisierte - abstrakte Gefahr vor . Wie oben dargelegt1 , kann eine Brandgefahr auch durch Intensivierung eines schon bestehenden Brandes vorgenommen werden1 . Da die Intensivierung eines Brandes nicht denknotwendie durch aktives Zuführen neuen Brandmaterials erfolgen muß , konnte der S durch aktive Verhinderung der Löscharbeiten - das Zerschneiden der zum Löschen notwendigen Schläuche - dem Kirchenbrand eine ungehinderte Vergrößerung und Ausbreitung ermöglichen . Der im Tatbestand des § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg ist eingetreten. b) Diesen Erfolg konnte der S durch Unterlassung der aktiven Verhinderung der Rettungsmöglichkeit vermeiden. c) S hat durch das Zerschneiden der Schläuche der zum Löschen 168

KÜHL S. 57.

169

KÜHL S. 58.

170

KÜHL S. 59.

171

KÜHL S. 60.

172

KÜHL S. 105.

173

S o SCHEUFELE S. 17.

174

Siehe dazu o b e n 1. Teil 11.

175

S o auch KLUSSMANN M D R 1974 S. 189 (für § 308); KÜHL S. 106; SCHEUFELE S. 18; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 306 Rdn. 13.

176

S o aber FURTNER J R 1966 S. 170 f.

177

Was dann auch laut Sachverhalt zur völligen Einäscherung der Kirche geführt hat.

194

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

bereiten Feuerwehr des Dorfes Y die schon bestehende Gefahr für eine mögliche Verletzung von Leib, Leben und Eigentum anderer Personen erhöht, denn infolge seines Verhaltens konnten die Löscharbeiten an der Kirche des Dorfes X nicht aufgenommen werden, die Kirche brannte völlig nieder. Diese Gefahrerhöhimg ist auch konkret feststellbar gewesen, denn laut Sachverhalt hätte die Feuerwehr des Dorfes Y noch einen beachtlichen Teil der Kirche retten können; S hat die Lage des Rechtsgutes des § 306 nachgewiesenermaßen tatsächlich verschlechtert. d) Die von S erhöhte Gefahr hat sich auch realisiert, denn aufgrund seines - ihm steuerbaren - Verhaltens war die Kirche bis zu ihrer völligen Einäscherung noch eine Gefahrenquelle für mögliche Verletzungen von Leib, Leben und Eigentum anderer Menschen. e) S war sich der Tatsache bewußt, daß infolge seines Verhaltens die Löscharbeiten der Feuerwehr des Dorfes X verhindert wurden, er handelte also insoweit in Kenntnis der Tatumstände. f) Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. Auch hinsichtlich des Bewußtseins der Sozialschädlichkeit liegen keine Anhaltspunkte vor, die an dem aktuellen Unrechtsbewußtsein des S Zweifel aufkommen ließen. Ebenso wie K wußte auch S, daß keine Gefahr dem Dorf drohte. Er ist deshalb - aus den oben dargelegten Gründen - als Überzeugungstäter anzusehen. S hat sich demnach nach § 306 Nr. 1 einer schweren Brandstiftung schuldig gemacht. 3. Besonders schwere Brandstiftung, § 307 Nr. 3

Da die Brandstiftung durch das aktive Verhindern der Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus dem Dorfe Y erfolgt ist, könnte sich S einer besonders schweren Brandstiftung gem. § 307 Nr. 2 Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften, um das Löschen des Feuers zu verhindern - schuldig gemacht haben. a) Das Zerschneiden der Schläuche stellt sich zweifellos als ein Unbrauchbarmachen von Löschgerätschaften dar. b) Nach herrschender Meinung kann eine Unbrauchbarmachung vor oder nach dem "In Brand setzen" des Gebäudes erfolgen , z.T. wird auch die Möglichkeit einer Unbrauchbarmachung bei oder während des Inbrandsetzens anerkannt 1 . c) Es ist aber fraglich, ob der Qualifikationstatbestand gleichzei178

Siehe dazu oben 11.

179

DREHER/TRÖNDLE § 3 0 7 R d n . 5; WELZEL Lb., § 6 7 I 1 e; WESSELS B.T.-L, § 21 II 4; WOLFF L K , § 3 0 7 R d n . 6.

180

DREHER/TRÖNDLE § 3 0 7 R d n . 5; PREISENDANZ § 3 0 7 A n m . 3.

Referendarhausarbeit

195

tig mit dem Grundtatbestand dergestalt verwirklicht werden kann, daß die schwere Brandstiftung gem. § 306 Nr. 1 und die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 durch eine Handlung begangen werden, oder ob die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 mindestens zwei voneinander verschiedene Handlungen erfordert, nämlich eine Inbrandsetzung und die dann zur Sicherung des Branderfolges vorgenommene Sicherungshandlung. aa) Gegen eine solche Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 307 Nr. 3 bestehen aber durchgreifende Bedenken. Wenn es schon für die Sicherung des Erfolges irrelevant ist, ob die Sicherungshandlung vor oder nach der erfolgsherbeiführenden Verhaltensweise vorgenommen wird, dann muß gleiches für eine Handlung gelten, die von vornherein eine Erfolgsabwendung unmöglich macht. Eine andere Entscheidung würde den Täter begünstigen, der aufgrund zufälliger Umstände nicht erst eine schwere Brandstiftung gem. § 306 begehen muß, die er dann durch weitere Verletzungshandlungen sichern muß. Es ist kein Grund ersichtlich, der eine solche unterschiedliche Wertung rechtfertigen kann; denn der Unrechtsgehalt ist immer der gleiche, unabhängig vom Zeitpunkt der Vornahme der erfolgsichernden Tätigkeit. bb) Deshalb muß die aktive Verhinderung von Löscharbeiten durch Unbrauchbarmachen der Löschgerätschaften auch durch eine Handlung vorgenommen werden können . Durch das Zerschneiden der Schläuche hat S den Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, verwirklicht. c) S hatte auch Kenntnis von den Tatumständen, er handelte rechtswidrig und schuldhaft. d) Er ist deshalb als Täter einer besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, zu betrachten, da hinsichtlich der persönlichen Vorwerfbarkeit des S auch keine Anhaltspunkte für etwaige Entschuldigungsgründe oder Vorwerfbarkeitsverbote bestehen 4. Brandstiftung, § 308, 1. Alt. Da sich die Kirche - wie S auch wußte - in fremdem Eigentum befand, hat S durch die aktive Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft eine Brandstiftung, § 308, 1. Alt., begangen, denn die Kirche war noch nicht so ausgebrannt, daß sie nicht mehr als Gebäude im Sinne von § 308,1. Alt. angesehen werden konnte . 181

SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 3 0 7 R d n . 10; a A HORN S K , § 3 0 7 R d n . 15.

182

Vgl. oben I 1.

183

Zur Möglichkeit des "In Brand Setzens" eines noch nicht völlig abgebrann-

196

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

5. Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 303 Durch das Zerschneiden hat S eine für ihn fremde Sache - die Schläuche der Feuerwehr des Dorfes Y - vorsätzlich und rechtswidrig so beschädigt, daß sie für ihre Zwecke nicht mehr brauchbar waren. Er hat sich damit einer Sachbeschädigung gem. § 303 schuldig gemacht. 6. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Feuerwehrschläuche, § 304 Zwar dienen die Feuerwehrschläuche dem öffentlichen Nutzen, indem sie Mittel der Brandbekämpfung sind. Derartige Gegenstände, deren Gebrauch dem öffentlichen Nutzen dient, sind aber nicht durch § 304 geschützt, sondern nur solche Objekte, die unmittelbar durch ihre Existenz dem öffentlichen Nutzen dienen 7. Sachbeschädigung bzgl. des Kircheninventars, § 303 Infolge der von S verhinderten Rettungstätigkeit wurde die Kirche völlig eingeäschert; damit sind mit Sicherheit die in der Kirche vorhandenen Einrichtungsgegenstände weiter beschädigt bzw. völlig zerstört worden. S kannte auch die Tatumstände; Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. Damit hat sich S einer Sachbeschädigung hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände der Kirche, § 303, schuldig gemacht. 8. Gemeinschädliche Sachbeschädigung bzgl. der Kirche, § 304 Aufgrund des Verhaltens des S brannte die Kirche völlig nieder. Damit hat S eine Sache, die dem Gottesdienst gewidmet ist , vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft zerstört, da laut Sachverhalt noch ein beträchtlicher Teil der Kirche hätte gerettet werden können. 9. Zerstören von Bauwerken, § 305 Da auch ein schon teilweise zerstörtes Gebäude noch weiter zerstört werden kann , hat sich S einer vorsätzlichen und rechtswidrig begangenen Zerstörung von Bauwerken gem. § 305 dadurch schuldig gemacht, daß er die Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus t e n G e b ä u d e s vgl.: KLUSSMANN M D R 1 9 7 4 S. 189; SCHÖNICE/SCHRÖDER/ CRAMER § 3 0 6 R d n . 13.

184

Dazu BGHSt. 31 S. 185 (Streifenwagen der Polizei); sowie STREE JUS 1983 S. 837 m.w.N.

185

Vgl. oben dazu 1. Teil 14.

186

S o richtig SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER § 305 Rdn. 5.

Refertndarhausarbeit

197

dem Dorfe Y verhinderte, was zur völligen Einäscherung der Kirche geführt hat. II. Zwischenergebnis S hat sich einer Nötigung, § 240, einer Sachbeschädigung, § 303, hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände der Kirche, einer gem. § 303 strafbaren Sachbeschädigung der Schläuche der Feuerwehr des Dorfes Y, einer gemeinschädlichen Sachbeschädigung, § 304, einer Zerstörung von Bauwerken, § 305, einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, und einer Brandstiftung gem. § 308,1. Alt. schuldig gemacht. Die besonders schwere Brandstiftung gem. § 307 Nr. 3 ist gegenüber der schweren Brandstiftung gem. § 306 Nr. 1 ein qualifizierter Fall187. Die Brandstiftung gem. § 308, 1. Alt. steht zu der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, in Idealkonkurrenz, § 52 Die beiden Sachbeschädigungen, § 303, konkurrieren - da gegen verschiedene Angriffsobjekte gerichtet - idealiter, § 52. Wegen der Verschiedenartigkeit der Rechtsgüter steht die Nötigung, § 240, zu der besonders schweren Brandstiftung, § 307 Nr. 3, in Idealkonkurrenz, § 52. Hinsichtlich der anderen Konkurrenzen kann auf das zu K Gesagte verwiesen werden . S ist gem. §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 308, 1. Alt., 304, 303, 240, 52 strafbar. III. Die Strafbarkeit der F 1. Anstiftung zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 26 Durch ihren "Rundgang" könnte F den S zu dem Zerschneiden der Schläuche der Feuerwehr aus dem Dorfe Y und damit zu einer besonders schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, angestiftet haben. 100 a) Eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat liegt vor . b) Zu dieser Straftat müßte F den S bestimmt haben. Läßt ma.i die Schaffung "provozierender Umstände" als Bestim-

187

Vgl. nur Orro Grundkurs Strafrecht, B.T., § 79 IV 2.

188

Vgl. dazu das oben für K Gesagte, mit Angaben in Fn. 82.

189

Siehe dazu oben 1. Teil II.

190

Siehe dazu oben 11.

198

3. Teil: Einübung in die Fallbearbeitung

men im Sinne von § 26 genügen191, so muß hier ein Hervorrufen des Tatentschlusses des S durch das Verhalten der F bejaht werden, denn infolge des von F vorgenommenen "Rundganges" war eine Situation geschaffen worden, die den von der Richtigkeit des Aberglaubens überzeugten S zur Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr des Dorfes Y "bestimmte". Fordert man hingegen zum "Bestimmen" einen geistigen Kontakt zwischen Anstiftendem und Haupttäter , so entfällt hier ein "Bestimmen", denn F hatte keinerlei bewußten Kontakt zu S aufgenommen, sei es auch nur durch konkludentes Verhalten. Doch auch wenn man die bloße Setzung einer Ursache als "Bestimmen" genügen läßt, liegt hier keine Anstiftung vor, da F sich zu keiner Zeit der Tatsache bewußt war, sie könnte den S zu der von diesem begangenen Tat bestimmen. Mangels Kenntnis der von S begangenen Haupttat entfällt deshalb eine Anstiftung der F zu der von S begangenen schweren Brandstiftung, §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3. 2. Fahrlässige Brandstiftung, § 309

F hätte sich einer fahrlässigen Brandstiftung, § 309, schuldig gemacht, wenn sie durch ihr Verhalten einen Brand, der m den §§ 306 und 308 beschriebenen Art, fahrlässig verursacht hat 1 . Zwar ist der in § 306 Nr. 1 beschriebene Erfolg eingetreten, den die F auch durch Nichtvornahme ihres "Rundganges" vermeiden konnte; sie hat aber durch ihr Verhalten keine Gefahr für das in § 306 geschützte Rechtsgut begründet oder erhöht, sondern nur eine Situation vorgespiegelt, die den S zu seiner aktiven Verhinderung der Rettungstätigkeit der Feuerwehr aus dem Dorfe Y veranlaßt hat. Aufgrund der von ihr geschaffenen Voraussetzungen entschloß sich der S, in Kenntnis des Risikos, die Schläuche zu zerschneiden und dadurch die Gefahr für das beeinträchtigte Rechtsgut zu erhöhen. Die Verursachung dieses Erfolges ist allein auf die von S frei verantwortlich vorgenommene Gefahrenerhöhung zurückzuführen, nicht aber auf die von F geschaffenen Voraussetzungen. In der Rechtsgutsverletzung realisierte sich die von S begründete Gefahr, zu deren Begründung die F lediglich Voraussetzungen geschaffen hatte. Damit entfällt eine Strafbarkeit der F wegen fahrlässiger Brandstiftung, § 309. 191

Siehe weitere Nachweise in Fn. 132.

192

Siehe dazu die Angaben in Fn. 134.

193

Zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs vgl. OTTO Grundkurs Strafrecht, A.T., § 6 I 3 b.

Referendarhausarbeit

199

3. Teil: Gesamtergebnis I. K hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 308,1. Alt., 304, 303,13, 52 strafbar gemacht. II. F hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 308, 1. Alt., 304, 303, 13, 26,52 strafbar gemacht. III. S hat sich gemäß den §§ 306 Nr. 1, 307 Nr. 3, 308,1. Alt., 304, 303, 240, 52 strafbar gemacht.

E. Anmerkung Trotz stilistischer Vorbehalte und abweichender Problemlösungen im einzelnen wurde die Arbeit von den vier Prüfern einheitlich als "sehr gut" beurteilt. Grundlage dieses Urteils waren die Art und Weise der Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung sowie die selbständige Argumentation des Verf. der Arbeit.

Sachregister Aberratio ictus 78 Absicht Prüfungsschema 25 Abstifter

Auslegung - des Sachverhaltes 11 teleologische - 192 f Aussetzung 102 f

s. Anstiftung zum Unterlassen Actio libera in causa Prüfungsschema 35 f Praktische Prüfung 117 f Akzessorietät der Teilnahme Konsequenzen für den Fallaufbau 7

Bedingter Vorsatz 43,55,128 f Bedrohung 109 Begehungsdelikt Prüfungsschema

Alternativentscheidung 11

fahrlässiges - 28

Altematiwerhalten

vorsätzliches - 20,22 ff

s. Rechtmäßiges Alternativverhalten Animus auctoris 177 Animus socii 177 Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung - beim Einzeltäter z.B. 55,125 f - beim mittelbaren Täter 64 f

Beihilfe Prüfungsschema 38 Besondere Folge der Tat s. Erfolgsqualifiziertes Delikt Besondere persönliche Merkmale 69 Bestimmen zur Tat s. Anstiftung

- bei Mittäterschaft 67, 68

Beteiligung an einer Schlägerei 87

Anstiftung

Betrug 109 f, 142 f, 143, 144 f

Prüfungsschema 38 Praktische Prüfung z.B. 76 f, 80 f, 120,183 ff

Beweisantrag im Strafverfahren 148 f Bewußtsein der Rechtswidrigkeit 25

- zum Unterlassen 181 ff, 185 f doppelter Vorsatz bei der - 77,120 error in persona beim Haupttäter 77

Blutentnahme Zulässigkeit einer - 136 Brandstiftung

Äquivalenztheorie 86

besonders schwere - 194 f, 197 f

Aufbauschema, einheitliches 31 f

fahrlässige - 198

Ausführungshandlung

schwere - 158 ff, 175 f, 176 ff,

s. Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung

181 ff, 191 ff vorsätzliche - 171,185,195

202

Diebstahl 21,115 f, 116, 125 f, 141 f, 143

Sachregister

Freiwilligkeit des Rücktritts s. Rücktritt

- in einem besonders schweren Fall 126 - m i t Waffen 127 Dolus eventualis s. Bedingter Vorsatz

Garantenpflicht s. Garantenstellung Garantenstellung - aus der Innehabung eines rechtlich geschützten Herrschafts-

Echtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 20 Praktische Prüfung z.B. 49

bereiches 50,52 - aus freiwilliger Übernahme 161 f

Einwilligung 97

- aus Gefahrengemeinschaft 50

Erfolg

- aus Ingerenz 50,161

- und objektive Zurechnung 24, 26 Erfolgsqualifiziertes Delikt Prüfungsschema 34 f Praktische Prüfung 86 f, 194 f, 197 f Erpressung 97 f Erpresserischer Menschenraub 110 Error in persona 75

- aus natürlicher Verbundenheit 48 - aus Zechgemeinschaft 50 Gefahrengemeinschaft s. Garantenstellung Gehilfe s. Beihilfe Gerährdung des Straßenverkehrs 90, 146 Gefährliche Körperverletzung s. Körperverletzung

Fahrlässige Körperverletzung s. Körperverletzung Fahrlässige Tötung s. Tötung

Gewaltbegriff 58, 188 ff Gewissenstäter 170 Grausam (Mordmerkmal) 66 Gutachtenstil 10 f

Fahrlässiges Begehungsdelikt Prüfungsschema 28 f Praktische Prüfung z.B. 99 f, 131 f, 145, 198 Fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 30 f Falsche Verdächtigung 110 Festnahmerecht 132 ff

Handlungsbegriff, Bedeutung im Verbrechensaufbau 24 Habgier (Mordmerkmal) 100 f Haupttat s. Anstiftung s. Beihilfe

Sachregister

Hausarbeit Methodische Hinweise zur Anfertigung der - 15 ff

203

Lex generalis 8 Lex specialis 8 Lügendetektor 148 ff

Heimtücke (Mordmerkmal) 56, 65 f, 69, 70,101 f, 130 Mehrdeutiger Sachverhalt 11 Mittäterschaft Ingerenz s. Garantenstellung

Prüfungsschema 31 f, 38 Praktische Prüfung 66 f, 68 ff, 128 ff

Irrtum - über einen rechtfertigenden Sachverhalt 134 f, 165 ff - über Entschuldigungsgründe

Mittelbare Täterschaft Prüfungsschema 6 f, 38 Praktische Prüfung 65 f, 119 f, 176 ff

180 f rauschbedingter- 116

Mord s. Tötung Mordmerkmale

Kausalität 21

s. einzelne Mordmerkmale

Klausur Methodische Hinweise zur Anfertigung der - 14 f Körperverletzung fahrlässige - 42 f, 77 f, 79, 99 f, 135 gefährliche - 76, 79, 85 f, 88 - mit Todesfolge 86 f vorsätzliche - 41, 75 f, 78 f, 85, 88,132 ff Konkurrenzen

Nebentäterschaft Prüfungsschema 38 Praktische Prüfung 175 f Niedrige Beweggründe (Mordmerkmal) 56,65,101 Nötigung 57 f, 132,174 f, 188 ff Notstand aggressiver - 44,165

Prüfungsschema 13 f

defensiver - 43,164

Praktische Prüfung z.B. 148,

entschuldigender - 168 f, 180 f

173 f Konsumtion Prüfungsschema 8 Praktische Prüfung z.B. 49, 71

rechtfertigender - 42, 75 f, 136,165 Nothilfe s. Notwehr

204

Notwehr 42,75,79,131 f, 134,164 Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen der - 134

Sachregister

s. Notstand, rechtfertigender s. Notwehr Rechtmäßiges Alternativverhalten 90 Rechtswidrigkeitszusammenhang s. Rechtmäßiges Alternatiwerhalten

Öffentliche Aufforderung zu Straftaten 186 f

Regelbeispiele Prüfungsschema 8 - und Versuch 126 Risikozusammenhang

Persönliche Merkmale s. Besondere persönliche Merk-

s. Zurechnungszusammenhang Rücktritt 57,70

male Privilegierung Prüfungsschema 8

Sachbeschädigung gemeinschädliche - 172 f, 186, 196

Qualifizierung Prüfungsschema 8 Praktische Prüfung z.B. 65 f, 85 f, 108 f

vorsätzliche - 42 f, 43 f, 117, 119 f, 128,171 f, 185 f, 196 Schuld Prüfungsschema 31 f Praktische Prüfung z.B. 117 Schuldausschließungsgründe 117 Verbot, u.U. bestehende - vorzu-

Räuberischer Diebstahl 128 Räuberische Erpressung 108 Raub 128 Rechtfertigungsgründe

werfen 169 ff Schuldtheorie - eingeschränkte 134 - strenge 134

Grundrechte als - 97 f

Sonderpflichtmerkmale 69

Verhältnis zur "Verwerflichkeit"

Sorgfaltspflicht bei der Fahrlässigkeit

58,190 s. Einwilligung s. Festnahmerecht s. Notstand, aggressiver s. Notstand, defensiver

Prüfungsschema 28 ff Strafantragserfordernis Praktische Prüfung z.B. 99 f, 119 Strafaufhebungsgründe, persönliche s. Rücktritt

Sachregister

Strafvereitelung 111 Subjektive Rechtfertigungsmerkmale 25,131f Subsidiarität Prüfungsschema 8 Subsumtion 8 f

Täterschaft s. Mittäterschaft s. Mittelbare Taterschaft s. Nebentäterschaft Tatherrschaftslehren 176 ff, 182 f Teilnahme s. Anstiftung s. Beihilfe Theorienstreit Darstellung eines - 9 ff Praktische Prüfung 55 f, 65 f, 96,134 f Tötung fahrlässige - 51,89,131 f Mord 65 f, 68,69,100 ff Totschlag 48 f, 49, 63 ff, 66 f, 68 f, 69 f, 95 ff, 100 Totschlag s. Tötung Trunkenheit im Verkehr fahrlässige - 118 vorsätzliche - 117 f Tun/Unterlassen s. Unterlassungsdelikt

Überzeugungstäter 167 ff, 170 Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeuges 117

205

Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort 146 UnrechtsausschlieBungsgründe s. Rechtfertigungsgründe Unrechtsbewußtsein 165 formelles - 169 materielles - 165 ff - im Priifungsschema 25 Unterbrechung des Kausalzusammenhangs s. Zurechnungszusammenhang Unterlassen/Tun s. Unterlassungsdelikt Unterlassene Hilfeleistung 49,50 Unterlassungsdelikt Abgrenzung zum Begehungsdelikt s. Fahrlässiges unechtes s. Vorsätzliches echtes s. Vorsätzliches unechtes Urkundenfälschung 106 ff, 144,145 Urteilsstil 10

Verabredung eines Verbrechens 70 f, 77 Verdeckung einer Straftat (Mordmerkmal) 130 Vergiftung 51, 66 Verlesung eines Blutalkoholgutachtens 135 f Verletzung von Privatgeheimnissen 136 f Vemehmungsmethoden 149 f Versuch Prüfungsschema 32 ff Praktische Prüfung z.B. 55 f, 63 ff, 65 f, 79,108 f, 125 ff

Sachregister

206

Versuch der Beteiligung 70 f

Vorsatztheorie, modifizierte 134 f

Versuchte Anstiftung 77

Vortäuschen einer Straftat 111

Verwerflichkeit der Nötigung Fernziele 190 Mittel-Zweck-Relation 190 Nahziele 190 Vollendung einer Straftat 191 ff

»Vahlfeststellung Prüfungsschema 37 Praktische Prüfung 146 f

Vollrausch Prüfungsschema 36 Praktische Prüfung 118 f, 146 f, 149 Teilnahme am - 119 Voraussehbarkeit des Erfolges Prüfungsschema 28 Praktische Prüfung z.B. 41 f, 88 Vorläufige Festnahme s. Festnahmerecht Vorsätzliches Begehungsdelikt Prüfungsschema 22 ff Praktische Prüfung 63 ff, 75 ff, 95 ff, 106 ff Vorsätzliches echtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 20 Praktische Prüfung 49, 50 Vorsätzliches unechtes Unterlassungsdelikt Prüfungsschema 25 ff Praktische Prüfung 48 ff, 49 f, 158 ff, 171 ff Vorsatz 75 Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination Erfolgsqualifiziertes Delikt als 34 f

Zerstörung von Bauwerken 173, 186,196 f Zechgemeinschaft s. Garantenstellung Zurechnungszusammenhang Unterbrechung des - 98 s. Rechtmäßiges Alternativverhalten