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German Pages 203 [204] Year 1975
Übungen im Bürgerlichen Recht Eine Anleitung zur Lösung von Rechtsfällen an Hand von praktischen Beispielen von
Hans Berg
Zwölfte, neubearbeitete Auflage
w DE
G 1976
Walter de Gruyter • Berlin • New York
SAMMLUNG G Ö S C H E N 2852 Prof. Dr. Hans Berg Oberlandesgerichtsrat a. D. Langjähriges Mitglied des Justizprüfungsamtes Köln
CIP-Kurztitelaufnähme
der Deutschen
Bibliothek
Berg, Hans Übungen im bürgerlichen Recht: eine Anleitung z. Lösung von Rechtsfällen an Hand von prakt. Beisp. (Sammlung Göschen; Bd. 2852) ISBN 3-11-006560
© Copyright 1975 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1 Berlin 30 - Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden - Printed in Germany - Satz und Druck: Saladruck, 1 Berlin 36 - Bindearbeiten: Berliner Buchbinderei Wübben 8c Co., 1 Berlin 42
Vorbemerkung D e r Student der Rechtswissenschaft braucht nicht nur gute theoretische Lehrbücher, sondern auch gute Anleitungsbücher für die Fallbearbeitung. D a s theoretische Wissen ist wertlos, wenn es nicht in die Praxis umgesetzt werden kann. M i t der T e i l n a h m e an den Übungen an der Universität allein ist dem Studenten nicht geholfen. E r braucht ein Buch, bei dem er das dort Gelehrte an H a n d von Musterbearbeitungen in R u h e nacharbeiten kann. Das Buch will dem jungen Rechtsstudenten (und dem Studenten der Wirtschaftswissenschaften) somit den Ubergang von der Vorlesung zur praktischen Rechtsanwendung erleichtern. Es setzt in seinem 1. Teil (Übungen für Anfänger) nur geringe Grundkenntnisse voraus. Es eignet sich daher schon für das 2. Semester und dient, da im 2. Teil Fälle für Vorgerückte erörtert werden, der weiteren und intensiveren Ausbildung bis zum Abschluß des Studiums. Der in früheren Auflagen eingeführte 3. Teil über Examensklausuren wurde hingegen gestrichen, da dieser Abschnitt jetzt besonders eingehend in dem von mir verfaßten Sonderheft Nr. 10 der Juristischen Arbeitsblätter „Typische BGB-Klausuren im ReferendarE x a m e n " , 2. Auflage 1 9 7 5 , erörtert wurde. Das Buch unterscheidet sich von den meisten Fallsammlungen dadurch, daß es nicht möglichst viele Fälle zu den überaus zahlreichen Problemen des Zivilrechts bringt, sondern die M e t h o d e aufzeigt, wie solche Fälle anzufassen sind. N u r so erhält der junge Jurist hinreichende Sicherheit, um den gestellten Anforderungen zur Lösung praktischer Fälle gerecht zu werden. Im Vordergrund stehen deshalb Aufbaufragen und Anspruchsgrundlagen. Ferner wird durch Vor- und Zwischenbemerkungen, die zur eigentlichen Lösung nicht gehören, der Fall jeweils vertieft und zum Ausgangspunkt grundsätzlicher Erörterungen gemacht, so wie der Dozent bei der Besprechung der Fälle in den Übungen vorzugehen pflegt.
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Vorbemerkung
Diese induktive Methode, bei der vom Fall ausgehend die wichtigsten Aufbaufragen aufgezeigt werden, erübrigt eine einleitende Darstellung über die Methodik der Fallbearbeitung. Jedoch wird der Leser nunmehr in der Lage sein, einschlägige systematische Anleitungen mit Gewinn durchzuarbeiten, namentlich die Anleitungen von Diederichsen, Fikentscher (Schuldrechtspraktikum), Fabricius und Medicus, auf die in diesem Buch wiederholt hingewiesen wird. Zudem faßt ein Merkblatt am Schluß des Bandes die Richtlinien zur Fallbearbeitung nochmals zusammen. Der Zweck des Buches, die Methodik der zivilrechtlichen Fallbearbeitung intensiv zu lehren, rechtfertigt es auch, die Hinweise auf Literatur und Rechtsprechung zu den einzelnen materiellrechtlichen Fragen auf das Notwendigste zu beschränken. Euskirchen, Burg Schweinheim O k t o b e r 1975 Hans
Berg
Inhalt Erster Teil: Übungen für Anfänger 1. Fall: 1. Besprechungsfall Vorbemerkung: A u f b a u . Die Frage als Ausgangspunkt Gutachten: A. Aufforderung und Angebot beim Vertrag. Wirksamwerden der empfangsbedürftigen Willenserklärung (Zugang), Rechtzeitigkeit der A n n a h m e bei Anwesenden und Abwesenden (§ 147), Bote u n d Stellvertreter, die Bedeutung der verspäteten A n n a h m e (§ 150 Abs. 1). B. Kündigung und R ü c k n a h m e einer Kündigung. 2. Fall: 1. H a u s a r b e i t Vorbemerkung: I. A u f b a u f r a g e n . II. Richtlinien f ü r die Ausarbeitung: Keine Wiederholung des Tatbestands, keine Vorwegn a h m e des Ergebnisses, Gutachtenstil, Zitate, Sprache und äußere Form. Gutachten: A. H a f t u n g f ü r Vermögensschaden, Bestimmtheit der O f ferte, A n n a h m e nach § 151, gemischte Verträge, § 541 als Sonderbestimmung des Mietrechts, Schadenersatz wegen Nichterfüllung u n d Vertrauensschaden, Differenzund Austauschtheorie, die Voraussetzungen des § 701 u n d sein Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen. B. Die Voraussetzungen des § 826 (Verleitung zum Vertragsbruch). C. Z u r Lehre von der culpa in c o n t r a h e n d o . 3. Fall: 2. Besprechungsfall Vorbemerkung: A u f b a u Historische und konstruktive M e t h o d e ; Einteilung nach Parteien, Anspruchsbegehren und Anspruchsgrundlagen. Anspruchsgrundlagen bei Schadensersatz. Gutachten: A. Vertragsverletzung und unerlaubte H a n d l u n g , Beschränk u n g des H a f t u n g s m a ß s t a b s , defensiver und aggressiver Notstand.
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Inhalt B. Aktivlegitimation bei Sozialversicherung, Tierhalterhaftung nach § 833, Verkehrshaftung aus § 823 Abs. 1 neben § 833, Schaden als Aufwendungsersatz, Haftung des Tierhüters. C. Verhältnis der Mängelhaltung nach dem Mietrecht zu den allgemeinen Bestimmungen der §§ 320 ff. 4. Fall: 1. Klausurarbeit Vorbemerkung: I. Aufbaufragen. II. Richtlinien für die Klausurarbeit: Keine Zitate, Durchskizzieren in Stichworten, sofortige Reinschrift. Gutachten: A. Vertretung ohne Vertretungsmacht durch einen Minderjährigen, Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag, Interesse und Wille des Geschäftsherrn, Begriff der Aufwendungen, Voraussetzungen und Umfang desAnspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, Anspruch nach § 951 bei Verbindung, Haftung des vollmachtlosen Vertreters (§ 179), Betrug und vorsätzlich sittenwidrige Schädigung durch einen Minderjährigen, Haftung des Aufsichtspflichtigen (§ 832). B. Deliktische Haftung bei Eigentumsbeschädigung und Verletzung der Aufsichtspflicht, Inhalt der Schadensersatzpflicht. 5. Fall: 3. Besprechungsfall Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Wirksamkeit des Verkaufs fremder Sache. Unmöglichkeit der Leistung durch Zeitablauf und durch Weiterveräußerung der verkauften Sache. Konkretisierung einer Gattungsschuld. Annahmeverzug des Gläubigers. B. RückZahlungsansprüche des Käufers bei Unmöglichkeit der Lieferung. Pflichten des Verkäufers bei Annahmeverzug des Käufers. Haftung für Erfüllungsgehilfen. Haftungsmaßstab bei Annahmeverzug.
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6. Fall: 2. Hausarbeit Vorbemerkung: I. Aufbau. II. Weitere Richtlinien für die Fallbearbeitung: Kein Suchen nach dem „ähnlichen Fall", Verbot der „Tatbestandsquetsche", Bedeutung der Rechtsansichten
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Inhalt der Parteien, Billigkeit des Ergebnisses und Korrektur durch Berufung auf Treu und Glauben. Gutachten: A. Der Tauschvertrag, Bedeutung der Formvorschrift beim Grundstückskauf, Heilung des Formmangels beim Tauschvertrag, Berufung auf den Formmangel als Verstoß wider Treu und Glauben. B. Unabhängigkeit (Abstraktheit) des Erfüllungsgeschäfts vom Verpflichtungs-(Kausal-)geschäft, der Kondiktionsanspruch als Ausgleich, Bedeutung der §§ 814, 818 Abs. 2, Verbot von Unterstellungen. 7. Fall: 2. Klausurarbeit Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Ansprüche auf den Erlös (Surrogatansprüche): §§ 323, 325 in Verbindung mit § 281, das stellvertretende commodum in § 281, die Verfügung des Nichtberechtigten in § 816 Abs. 1 S. 1, Anrechnung der Gegenleistung (Saldotheorie), unechte Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2. Haftung für Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen und eigenes Verschulden bei Vertrag und unerlaubter Handlung ( S S 278, 276, 831, 823 Abs. 1). B. Haftung für Rechts- und Sachmängel beim Kauf, Wandlung trotz Unmöglichkeit der Rückgabe? Ausschluß der Anfechtung aus S 119 Abs. 2 durch die §§ 459 ff. 8. Fall: 3. Hausarbeit Vorbemerkung: I. Aufbaufragen. II. Materielle Fragen. Die Lösung des Falles seiner Eigenart gemäß. Die Tatbestände des Lebens, nicht die Rechtsbegriffe als das Primäre. Gutachten: II. Auslegung eines Wiedergutmachungsversprechens: Vergleich? abstraktes Schuldanerkenntnis? bloßes Beweismittel? deklaratorisches Schuldanerkenntnis? - Annahme als Erfüllung und Beweislast, der geheime Vorbehalt (116). B. Die Bedeutung des mitwirkenden Verschuldens ( S 254) „entsprechende" Anwendung des S 278 in S 254, Abwägung des beiderseitigen Verschuldens.
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Inhalt
9. Ftill: 3. Klausurarbeit
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Vorbemerkung: Aufbaufragen: Dingliche und schuldrechtliche Ansprüche auf H e r a u s g a b e ( S S 8 6 1 , 9 8 5 , 1 0 0 7 , 8 1 2 , 8 2 3 ) , R e i h e n f o l g e d e r Prüfung, Verb o t der V o r a n s t e l l u n g a l l g e m e i n e r R e c h t s b e g r i f f e , Anspruchs-, D e f i n i t i o n s - und G e g e n n o r m e n , Parallele zum A u f b a u eines Strafrechtsfalls. Gutachten: A. D e r possessorische Anspruch aus § 8 6 1 : Begriff des fehlerhaften Besitzes und der v e r b o t e n e n E i g e n m a c h t , die rei v i n d i c a t i o und die K l a g e des früheren Besitzers, K o n k u r r e n z d e r schuldrechtlichen A n s p r ü c h e a u f H e r a u s g a b e , S e l b s t h i l f e auf G r u n d der §§ 8 5 9 und 2 2 9 , B e d e u t u n g des § 8 6 1 A b s . 2 . B . E i n w e n d u n g e n aus einem R e c h t zum Besitz nach §§ 9 8 6 u n d 1 0 0 7 : b e i m P f a n d l e i h e r , V e r m i e t e r und B e s c h e n k ten, U n m i t t e l b a r k e i t d e r V e r m ö g e n s v e r s c h i e b u n g in § 8 1 2 und S 816.
Zweiter Teil: Übungen für Vorgerückte Richtlinien für die folgenden Fälle: N i c h t durchlesen, s o n d e r n erst selbst lösen und d a n n gleichen.
ver-
10. Fall: 1. Besprechungsfall V o r b e m e r k u n g zum A u f b a u . S c h w i e r i g k e i t e n beim
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chen d e r A n s p r u c h s g r u n d l a g e . Gutachten: A. R e c h t s s t e l l u n g des G l ä u b i g e r s bei dem Erfüllungsversprechen eines D r i t t e n , H e r a u s g a b e a n s p r ü c h e . B . E n t s c h ä d i g u n g s a n s p r ü c h e bei B e s i t z v o r e n t h a l t u n g .
11. Fall: 1. Hausarbeit Vorbemerkung: Allgemeines, Aufbau. Gutachten: A. D i e dingliche R e c h t s l a g e : E i g e n t u m bei E i n l a g e r u n g , G u t g l ä u b i g e r E r w e r b vom L a g e r h a l t e r , U b e r g a b e auf G e h e i ß des V e r ä u ß e r e r s . B. Die Ansprüche der Beteiligten: D e r Herausgabeanspruch, E r f ü l l u n g s - u n d S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e bei G a t t u n g s - u n d Speciesschuld, bei ursprünglichem und n a c h t r ä g l i c h e m U n v e r m ö g e n , A n s p r u c h s k o n k u r r e n z der
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Inhalt
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S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e a u s V e r t r a g , D e l i k t u n d Eigentümer- u n d Besitzerverhältnis. 12. Fall: 1. K l a u s u r a r b e i t 129 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Rechtliche B e d e u t u n g e i n e r A u s w a h l s e n d u n g , H a f t u n g f ü r c u l p a in c o n t r a h e n d o . B. A b n a h m e u n d G e f a h r t r a g u n g b e i m W e r k v e r t r a g , G e fahr der „Leistung" und der „Gegenleistung", Verhältnis d e r §S 323 ff. zu d e n S§ 275 ff. 13. Fall: 2. B e s p r e c h u n g s f a l l 137 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Rei v i n d i c a t i o , A b h a n d e n k o m m e n bei W e g g a b e d u r c h Angestellten? c o n d i c t i o gegen d e n B e s c h e n k t e n (§ 816 A b s . 1 S. 2). B. E i g e n t u m s e r w e r b bei d e r V e r s t e i g e r u n g g e p f ä n d e t e r Sachen, „ p r i v a t r e c h t l i c h e " u n d „ h o h e i t s r e c h t l i c h e " T h e o rie, c o n d i c t i o gegen d e n E r s t e h e r ? C . E r s a t z a n s p r ü c h e nach d e m E r w e r b auf G r u n d einer ö f f e n t l i c h e n V e r s t e i g e r u n g . A n w e n d b a r k e i t d e r §§ 989 ff. u n d i h r V e r h ä l t n i s zu d e n a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g e n , A n w e n d b a r k e i t d e r §§ 812, 816. 14. Fall: 2. B e s p r e c h u n g s f a l l 149 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Petitorische und possessorische Unterlassungsans p r ü c h e , Selbsthilfe. B. F a k t i s c h e r V e r t r a g ? , A b g r e n z u n g v o n S c h a d e n s e r s a t z u n d Bereicherung, Gewinnherausgabe. 15. Fall: 2. K l a u s u r a r b e i t 158 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. V e r h ä l t n i s der A m t s h a f t u n g z u m a l l g e m e i n e n D e l i k t s recht. B. H a f t u n g d e s Schädigers bei S c h a d l o s h a l t u n g d u r c h d e n Unterhaltspflichtigen. Schädigung des nasciturus. Vertrag mit Schutzwirkung f ü r Dritte. 16. Fall: 3. B e s p r e c h u n g s f a l l Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten:
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Inhalt
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A. Vertragsschluß bei Verkauf einer fremden Sache, Handeln „unter fremden Namen", subjektiv und objektiv unmögliche Leistung, Eigentumerwerb nach § 892, Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 185, Zwangskonvaleszenz nach § 185 Abs. 2. B. Form der Bürgschaft beim Grundstückskauf, Bedeutung der selbstschuldnerischen Bürgschaft. C. Gesamtschuld und Bürgschaft, Bürgschaft und Schuldmitübernahme, Klagantrag bei Klage gegen Hauptschuldner und Bürgen. 17. Fall: 3. Hausarbeit 173 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Rechtslage vor der Anfechtung: Bedeutung eines Vereinbarungsdarlehns, Entstehung und Rang einer Buchhypothek. B. Rechtslage nach der Anfechtung: Voraussetzungen und Folgen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, Eigentümergrundschuld oder nichtige Hypothek? C. Rechtslage auf Grund der „Bestätigung": Neuvornahme im Sinne des § 141, Wiedererstehung und Rang der Hypothek. 18. Fall: 3. Klausurarbeit 187 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Entstehung einer Briefhypothek, ratio des § 1117, Rechtsnatur des Anlagedarlehns, Bedeutung des § 370 und des Rechtsscheines, Handlungen in „Erfüllung" und bei „Gelegenheit" einer Verbindlichkeit. B. Berichtigungsanspruch, Widerspruch und Anspruch auf Herausagbe des Hypothekenbriefes nach §§ 985, 952 Abs. 2 und § 896. Merkblatt: Zusammenstellung der Richtlinien für die Fallbearbeitung 195 10 Gebote
zum juristischen
Stil
Übersicht über die wichtigen der besprochenen grundlagen und Gesetzesbestimmungen
198 Anspruchs-
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Abkürzungen der hauptsächlich benutzten Literatur Baur Diederichsen Esser Esser/Schmidt Fabricius Fikentscher Fikentscher, Praktikum Larenz A T
Lehrbuch des Sachenrechts, 8. Aufl. 1975 Die BGB-Klausur, 3. Aufl. 1975 Schuldrecht, 4. Aufl. 1970/71 Schuldrecht Band I: Allgemeiner Teil, Teilband 1, 5. Aufl. 1975 Der Rechtsfall im Privatrecht, 2. Aufl. 1972 Schuldrecht, 5. Aufl. 1975 Schuldrechtspraktikum, 1972
Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 3. Aufl. 1975 Larenz SchR Lehrbuch des Schuldrechts, 10. Aufl. 1970/72 Medicus Bürgerliches Recht, 6. Aufl. 1973 Palandt BGB-Kommentar, 34. Aufl. 1975 Soergel BGB-Kommentar, 10. Aufl. Staudinger BGB-Kommentar, 11. Aufl. Thomas-Putzo Zivilprozeßordnung, 8. Aufl. 1975 Westermann Lehrbuch des Sachenrechts, 5. Aufl. 1966 Hinweise auf weitere Anleitungsbücher des Verfassers Gutachten Gutachten und Urteil, Schaeffers-Rechtsfälle Bd. 12, 40.-45. Tsd. 1974 Handelsrecht Handelsrecht einschl. Gesellschafts- und Wertpapierrecht, Schaeffers-Rechtsfälle Bd. 5, 20.-23. Tsd. 1974 Hausarbeit Die Hausarbeit im Referendarexamen, Schaeffers-Rechtsfälle Bd. 10, 4.-6. Tsd. 1965 Referendarklausur Die Klausurarbeit im Referendarexamen, Schaeffers-Rechtsfälle Bd. 11, 8.-10. Tsd. 1964 Typische Typische BGB-Klausuren im Referendar-Examen, BGB-Klausuren Sonderheft 10 der Juristischen Arbeitsblätter, 2. Aufl. 1975 AcP BGH
Sonstige Abkürzungen Archiv für civilistische Praxis. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen.
12 JR JuS JW JZ Lind-Möhr. MDR NJW RG RGSt.
Juristische Rundschau. Juristische Schulung. Juristische Wochenschrift. Juristenzeitung. Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier u. Möhring. Monatsschrift für Deutsches Recht. Neue Juristische Wochenschrift. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen.
Erster Teil Übungen für Anfänger 1. Fall 1. Besprechungsfall Der 22jährige stud. phil. Fetiton bewohnte bei Frau Flut ein möbliertes Zimmer. Frau Flut zeigte sich stets zuvorkommend und hilfsbereit, so daß zwischen der Vermieterin und dem Mieter ein gutes Einvernehmen bestand. Eines Tages erhielt Frau Flut unerwartet einen Brief ihres auswärts wohnenden Sohnes, in dem dieser ihr mitteilte, er sei plötzlich erkrankt und werde in acht Tagen für längere Zeit nach Hause kommen. Um Platz für ihren Sohn zu schaffen, sah sich Frau Flut gezwungen, ihrem Zimmermieter Fenton am 15. des Monats zum Ende des Monats zu kündigen. Noch am gleichen Abend hörte dieser zufällig von einem seiner Bekannten, daß in der Nähe, bei einer Frau Reich, ein schönes Zimmer frei sei. Frau Reich habe ihm - dem Bekannten des Fenton - gesagt, sie wolle das Zimmer für 120 DM vermieten. Fenton hielt das Angebot für günstig und schickte, da er selbst eben im Begriff war, zu einem Konzert zu gehen, sogleich das Töchterchen seiner Wirtin mit einem Brief zu Frau Reich. Darin schrieb er, daß er das fragliche Zimmer vom nächsten Ersten an für 120 DM mieten wolle. Frau Reich las den Brief durch, gab dem Mädchen aber keinen Bescheid mit zurück. Sie stand noch mit einem andern Mieter in Unterhandlungen, der ihr evtl. mehr bot. Am übernächsten Tage zerschlugen sich die Verhandlungen aber, und Frau Reich ging darauf noch spät abends zur Wohnung des Fenton, um ihm mitzuteilen, daß sie ihn, wie er geschrieben habe, am 1. erwarte. Da Fenton nicht zu Hause war, wandte sie sich an Frau Flut, diese möge ihm die Nachricht übermitteln. Inzwischen hatte sich aber folgendes zugetragen: Frau Flut hatte telegraphisch Nachricht bekommen, daß ihr Sohn im Krankenhaus sei und nicht nach Hause kommen könne. Auf
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
diese Nachricht hatte sie Fenton erklärt, daß sie die Kündigung zurücknähme. Fenton hatte sich sofort damit einverstanden erklärt, da ihm der lästige Umzug erspart wurde und er sowieso lieber bei Frau Flut wohnen blieb. Das erzählte Frau Flut denn auch Frau Reich, die sich daraufhin mit einigen unfreundlichen Worten und der Bemerkung, das alles gehe sie nichts an, entfernte. Dem Fenton erzählte Frau Flut von dem ganzen Vorfall nichts. Plötzlich, am 2. des nächsten Monats, erhielt Fenton einen eingeschriebenen Brief, in dem Frau Reich ihn daran erinnerte, daß er ja bei ihr das Zimmer gemietet habe und daß sie, Frau Reich, wenn er nicht zahle, gegen ihn wegen Mietzinsforderung gerichtlich vorgehen werde. Fenton, dem es beim Lesen dieser Zeilen etwas ungemütlich wurde, fragte seinen Freund, einen jungen Juristen, ob er unter den gegebenen Umständen die doppelte Miete zahlen müsse. Vorbemerkung Aufbau Anders als in den Vorlesungen zum BGB kann man beim praktischen Fall nicht entsprechend dem Aufbau des Gesetzes Allgemeinen vorgehen. Man darf also nicht erst Fragen des Teils erörtern, die irgendwie für den Fall bedeutsam sein könnten (etwa die Rechts- oder Geschäftsfähigkeit der beteiligten Personen - §§ 1 ff., 104 ff. - , sodann die Voraussetzungen eines Vertragsschlusses-§§ 145 f f . - ) , anschließend zum Schuldrecht übergehen und hier wieder erst prüfen, ob es sich um einen gegenseitigen Vertrag handelt (§§ 320 ff.), um schließlich erst festzustellen, welcher besondere Vertragstyp vorliegt (etwa ein Kauf- oder ein Mietvertrag). Ausgangspunkt eines praktischen Falls ist vielmehr stets die Frage. Ist sie nicht direkt gestellt (z. B. Kann Frau Reich von Fenton Miete verlangen?), so ergibt doch meist ein Hineindenken in die Interessenlage des Falles, welche Frage gestellt ist. Im obigen Falle „fragt Fenton einen Juristen, ob er doppelt Miete zahlen müsse". Er fragt also, ob sowohl.Frau Reich als auch Frau Flut von ihm Miete verlangen können. Es ist daher
1. Fall: 1. Besprechungsfall
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nacheinander zu untersuchen, ob Ansprüche beider Personen gegen ihn begründet sind. Zweckmäßig beginnt man mit der Prüfung des Anspruchs von Frau Reich, da dieser Anspruch im Vordergrund des Interesses steht und evtl. den Anspruch der Frau Flut beeinträchtigt. Nachdem so klargestellt ist, welche Fragen zu beantworten sind, setzt nunmehr die eigentliche juristische Denktätigkeit ein. Es ist eine gesetzliche Bestimmung zu finden, die das Begehren - hier die Mietforderungen - rechtfertigen könnte. Man spricht von der Anspruchsnorm. Es ist also im konkreten Falle zu prüfen, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung Frau Reich bzw. Frau Flut einen Mietanspruch gegen Fenton haben kann. Das ist wahrscheinlich eine Bestimmung im Mietrecht, also eine Bestimmung im besonderen Teil des Schuldrechts. Wir finden sie im ersten Paragraphen des Mietrechts: Nach § 535 S. 2 wird der Mieter durch den Mietvertrag verpflichtet, dem Vermieter den vereinbarten Mietzins zu zahlen. Wenn also zwischen Fenton und Frau Reich (bzw. Frau Flut) ein Mietvertrag zustandegekommen ist, so muß Fenton die Miete solange zahlen, bis er fristgerecht kündigt. Die nach Klärung der Fragestellung gefundene Anspruchsnorm führt somit erst jetzt zum allgemeinen Teil des BGB, und zwar hier zu den Regeln über das Zustandekommen eines Vertrags. Nunmehr ist in historischer Reihenfolge zu prüfen, ob ein ordnungsmäßiger Antrag vorliegt, und wenn ja, ob er wirksam angenommen wurde. Das Ergebnis der Prüfung ist die Antwort auf die eingangs bezeichnete Frage. Damit schließt sich der Ring: In einem übersichtlichen, durch die Frage und die Logik bestimmten Aufbau wird zum Schluß das Ergebnis aufgezeigt. Das Gutachten enthält keinen Satz, der nicht durch die Frage und die sich anschließenden Ausführungen bedingt wäre. Gutachten A. Der Mietanspruch der Frau Reich gegen Fenton Der Mietanspruch der Frau Reich gegen Fenton ist gemäß § 535 S. 2 in Verbindung mit § 580 begründet, wenn zwischen diesen Personen ein Mietvertrag zustande gekommen ist. Zum
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
Zustandekommen eines Vertrags bedarf es eines ordnungsmäßigen Antrags und einer Annahme dieses Antrags. I. Sieht man in der Mitteilung Frau Reichs an einen Bekannten Fentons, sie habe ein schönes Zimmer für 120 D M zu vermieten, bereits ein hinreichend bestimmtes Angebot, so hätte Fenton dieses Angebot angenommen, als er das Töchterchen der Frau Flut zur Frau Reich schickte und dieser brieflich mitteilte, daß er das Zimmer zum nächsten Ersten mieten wolle. Der Vertrag wäre dann bereits durch diesen Brief zustande gekommen. Das spätere Verhalten der Frau Reich, insbesondere ihre Mitteilung am Abend des übernächsten Tages, wäre rechtlich bedeutungslos. Die Bekanntmachung der Frau Reich, sie habe ein schönes Zimmer f ü r 120 D M zu vermieten, enthält jedoch kein Angebot an eine bestimmte Person, sondern lediglich eine Aufforderung an einen unbestimmten Personenkreis zur Abgabe von Angeboten, ähnlich einer Anzeige in der Zeitung. Frau Reich wollte keineswegs mit jedem Interessenten, der das „Angebot" „annahm", abschließen, sondern sich den Interessenten zunächst ansehen und sich den Abschluß des Vertrags vorbehalten. Das zeigt auch ihr Verhalten nach Erhalt des Briefes, den sie wortlos zur Kenntnis nahm. Sie verhandelte noch mit einem anderen Mieter, der ihr evtl. mehr bot. Grundsätzlich ist bei Angeboten an unbestimmte Personen, bei denen es auf die Vertrauens- und Kreditwürdigkeit ankommt, nur eine Aufforderung zu Vertragsangeboten anzunehmen. Anders z. B. bei Aufstellung eines Verkaufsautomaten. Hier macht der Unternehmer an jeden, der das verlangte Geldstück einwirft, eine Vertragsofferte, die durch den Einwurf angenommen wird und alsbald zur Erfüllung des Vertrags führt. Vgl. Larenz AT § 27 I. II. Ein Vertragsangebot kann daher erst in dem Brief Fentons an Frau Reich gesehen werden, in dem er mitteilt, daß er das fragliche Zimmer f ü r 120 D M zum nächsten Ersten mieten wolle. Dieses Angebot war bestimmt genug, um durch ein einfaches „Ja" angenommen zu werden. Ist dieses Vertragsangebot rechtswirksam dadurch angenommen worden, daß Frau Reich am übernächsten Abend der Frau Flut mitteilte, sie erwarte Fenton zum 1. des nächsten Monats?
1. Fall: 1. Besprechungsfall
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1. D a es sich bei der V e r t r a g s a n n a h m e nicht um eine einseitige, sondern um eine empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, ist für die Wirksamkeit zunächst bedeutsam, daß sie dem andern Teil zugeht, § 1 3 0 Abs. 1. Streng einseitige Willenserklärungen, die bereits mit der Abgabe wirksam werden, sind z. B. die Testamentserrichtung, die Eigentumsaufgabe (sog. Dereliktion) nach § 959, die Auslobung nach § 657. Empfangsbedürftig sind alle Willenserklärungen, die die Rechtslage einer bestimmten anderen Person beeinflussen sollen, wie z. B. Vertragsangebot und -annahme, Kündigung und sonstige Gestaltungsrechte. Der anderen Person muß hier die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft werden. Vgl. Larenz A T § 21 II. Z u g e g a n g e n ist eine W i l l e n s e r k l ä r u n g erst, w e n n sie so in den M a c h t b e r e i c h des E m p f ä n g e r s gelangt, d a ß unter g e w ö h n lichen V e r h ä l t n i s s e n m i t seiner K e n n t n i s n a h m e zu rechnen ist. Vgl. Larenz A T § 21 II b. Das B G B hat sich in § 130 für die „Zugangs-" oder „Empfangstheorie" entschieden und damit zum Ausdruck gebracht, daß es nicht genügt, wenn der Erklärende die Erklärung abgesandt, z. B. in den Postbriefkasten gesteckt hat (wie die sog. Entäußerungs- oder Absendungstheorie verlangt), daß es aber auch nicht erforderlich ist, daß die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis des Empfängers gelangt (wie die sog. Vernehmungstheorie für nötig hält). Umstritten ist innerhalb der Zugangstheorie, ob Briefe bereits zugegangen sind, sobald sie in den Briefkasten oder das Postschließfach gelangt sind, oder erst in dem Augenblick, in dem mit der Leerung des Briefkastens oder des Postschließfachs üblicherweise gerechnet werden kann. Letztere Ansicht ist herrschend. Vgl. Larenz § 21 II b, aber auch Soergel-Hefermehl Rn 12 zu § 130. § 130 spricht streng genommen nur von der Willenserklärung, die einem „Abwesenden" gegenüber abgegeben wird, ein Fall, der hier vorliegt (vgl. unten 2). Der Grundgedanke des § 130 gilt jedoch allgemein auch bei Willenserklärungen unter Anwesenden, jedenfalls wenn es sich um verkörperte Willenserklärungen (Übergabe einer Schrift) handelt. Vgl. den lehrreichen Fall in R G 61/415: Dort wollte sich eine Ehefrau durch Übergabe einer schriftlichen Bürgschaftserklärung dem anwesenden Gläubiger gegenüber verpflichten. Die Übergabe der bereits unterschriebenen Urkunde unterblieb aber, als sich der Hauptschuldner - ihr Ehemann - im Nebenzimmer erschoß. Das Reichsgericht verneinte den „Zugang" der Willenserklärung. Vgl. auch Larenz A T § 21 II c. 2
Berg, Übungen i. Bürgerl. Recht
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E r s t e r Teil: Übungen für Anfänger
Bei schriftlicher (sog. verkörperter) Willenserklärung genügt es in der Regel, daß das Schriftstück in die Wohnung des - anwesenden oder abwesenden - Empfängers gelangt, z. B. in den Hausbriefkasten geworfen oder einem Familienangehörigen oder Hausangestellten abgegeben wird. Bei einer mündlichen Erklärung an eine Mittelsperson müssen aber besondere Anforderungen an den Zugang gestellt werden, da in höherem Maße die Gefahr unrichtiger oder verabsäumter Bestellung besteht. Die herrschende Meinung, insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung, verlangt daher, daß die Mittelperson geeignet und fähig sein muß, die Erklärung pünktlich und richtig weiterzugeben (vgl. RG 60/334, 102/296, Palandt-Heinrichs, 2 a bb) zu § 130, Soergel-Hefermehl Rn 15, 16 zu § 130).) Noch weitergehend verlangen Staudinger-Coing (Rn 13 zu § 130), daß die Mittelperson zur Empfangnahme bevollmächtigter (passiver) Vertreter bzw. Empfangsbote sein müsse, andernfalls die Erklärung erst wirksam werde, wenn sie an den Empfänger weitergegeben werde. Einer bestimmten Stellungnahme zu dieser Frage bedarf es hier nicht. Denn es k o m m t d a r a u f nicht an, wie im folgenden ausgeführt wird. E s ist falsch, Streitfragen zu entscheiden, wenn sie letzten Endes durch die besondere L a g e des Falles o h n e praktische Bedeutung für den gegebenen Sachverhalt sind. Auch das Reichsgericht und der Bundesgerichtshof nehmen grundsätzlich nur Stellung zu einer Frage, wenn sie für die Entscheidung ausschlaggebend ist.
Eine Hauswirtin ist zwar nicht, wie die im Hause lebenden erwachsenen Familienangehörigen und Hausangestellten schlechthin als bevollmächtigt zur Entgegennahme von Erklärungen anzusehen. Hier liegen die Verhältnisse jedoch so, daß ein „gutes Einvernehmen" zwischen Vermieterin und Mieter bestand, und daß Frau Flut sich stets „hilfsbereit und zuvorkommend" gezeigt hatte. Bezeichnend für das Freundschaftsverhältnis ist auch, daß Fenton das Töchterchen als Boten benutzte und sich sofort bereit erklärte, weiter in der Wohnung zu bleiben, als das Hindernis weggefallen war. Frau Flut kann daher als Empfangsbote für Fenton angesehen werden, so daß nach beiden Theorien die Annahmeerklärung zugegangen ist.
1. Fall: 1. Besprechungsfall
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Selbst wenn man aber Frau Flut nicht als Empfangsboten, sondern nur als zum Empfang geeignete und fähige Mittelsperson ansehen würde, wäre der Unterschied der beiden Theorien vorliegend nicht bedeutend. Man kommt zwar nach der engeren Auffassung Staudingers dann ohne weiteres zur Ablehnung des Vertragsschlusses, da die Annahmeerklärung dem Fenton mangels Mitteilung an ihn nicht „zugegangen" ist. Die Auffassung der herrschenden Lehre führt aber zum gleichen Ergebnis, und zwar aus folgendem Grunde: Der Zugang der Annahmeerklärung ist allein nicht entscheidend; es muß 2. die Annahmeerklärung auch rechtzeitig zugegangen sein. Nach § 147 kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort, der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Ob ein Antrag an einen Anwesenden oder Abwesenden gemacht wird, richtet sich danach, ob die Vertragsparteien einander persönlich gegenüber treten oder nicht. Telefonische Übermittlung an den Vertragspartner schließt die Anwesenheit nicht aus, § 147 Abs. 1 S. 2. Desgleichen nicht die Übermittlung durch oder an einen Vertreter (vgl. § 164 Abs. 1 und 3). Dagegen ist die Erklärung eines Boten oder an einen Empfangsboten nicht unter „Anwesenden" abgegeben. Denn es fehlt die Möglichkeit unmittelbarer Kenntnisnahme, die für eine Erklärung unter Anwesenden wesentlich ist. Vgl. Staudinger-Coing Rn 3 zu § 147 und Palandt-Heinrichs, 4 zu §§ 147, 148. Hier machte Fenton sein Angebot nicht persönlich oder - was dem gleichgestanden hätte, s. § 164 Abs. 1 - durch einen Vertreter. Das von ihm zu Frau Reich geschickte Töchterchen war nur Bote, da es lediglich einen Brief abgeben sollte. Er hatte das Töchterchen auch nicht ausdrücklich beauftragt, sofort die Antwort der Frau Reich entgegenzunehmen. Er mußte billigerweise Frau Reich eine gewisse Bedenkzeit zubilligen, um sich über die Person des neuen Mieters zu vergewissern. Mit einer sofortigen Annahme war daher nicht zu rechnen. Vielmehr war i'
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
die Antwort „unter regelmäßigen Umständen" (§ 147 Abs. 2) nicht vor dem folgenden Tag zu erwarten. Die Frist zur Antwort bei einer Erklärung unter Abwesenden umfaßt üblicherweise einen Zeitraum, der die normale Laufzeit des Antrags bis zum Eintreffen beim Empfänger, eine angemessene Überlegungsfrist für diesen und die normale Laufzeit der Antwort enthält. Das Angebot Fentons war gegen 8 Uhr abends bei Frau Reich eingegangen. Frau Reich konnte sich im Laufe des Vormittags schlüssig werden und bis spätestens im Laufe des Nachmittags Bescheid geben. Ihre Antwort erst am Abend des nächsten Tages ist nicht mehr rechtzeitig, um so weniger als die Annahme gemäß § 130 Abs. 1 erst in dem Zeitpunkt als zugegangen anzusehen ist, in dem mit der Kenntnisnahme Fentons normalerweise zu rechnen war. Das war aber nicht vor dem Vormittag des folgenden Tages, da Frau Flut ihren Mieter wegen der vorgerückten Abendstunde und wegen seiner Abwesenheit am selben Abend nicht mehr sprechen konnte. Es kommt hinzu, daß Frau Reich „in der Nähe" wohnte und üblicherweise der Mieter bei der Zimmersuche für einen nahen Termin ein starkes Interesse daran hat, nicht zu lange im unklaren gelassen zu werden. Auf § 149 kann sich Frau Reich
nicht berufen, da diese Bestimmung
voraussetzt, daß die Annahmecrklärung und die Verzögerung in der Beförderung
rechtzeitig
abgesandt
(z. B. bei der Post) liegt.
ist
III. Die verspätete Annahme eines Antrags gilt nach § 150 Abs. 1 als neuer Antrag. Auf diesen Antrag hat aber Fenton nicht geantwortet und konnte nicht antworten, weil er ihn nicht von Frau Flut mitgeteilt bekam. Sein Schweigen kann nur dann als stillschweigende Annahme angesehen werden, wenn Frau Reich nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte voraussetzen durfte, daß er trotz der Verspätung die Annahmeerklärung noch gutheißen würde. Hiervon kann aber keine Rede sein, da Frau Flut die Frau Reich bereits über die inzwischen eingetretene Veränderung der Sachlage unterrichtet hatte und Frau Reich daher nicht mehr mit einer Annahme ihres Antrags rechnen konnte.
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2. Fall: 1. Hausarbeit
B. Der Mietanspruch der Frau Flut gegen Fenton
Der alte Mietvertrag ist durch die fristgerecht erfolgte Kündigung (vgl. § 5 6 5 Abs. 3 N r . 3) aufgehoben worden. Eine Rücknahme der Kündigung ist formal gesehen nicht möglich, da sie als einseitiges Gestaltungsrecht mit dem Zugang an den Mieter unmittelbare Wirkung entfaltete. Es bedürfte deshalb zur Wiederherstellung der früheren Rechtslage eines neuen Mietvertrags mit der Folge, daß eine etwaige Form ( z . B . Schriftform bei mehr als einjähriger Miete, s. § 5 6 6 ) wiederholt werden müßte. Eine solch begriffsjuristische Auffassung widerspricht jedoch der Vertragsfreiheit (§ 305), wenn - wie hier in beiderseitigem Einverständnis lediglich die Kündigungswirkung aufgehoben werden soll. Der Vertrag ist demnach als nicht gekündigt anzusehen. So auch BGH J R 74,375 mit Anm. Haase. Hier wird deshalb auch eine erneute Genehmigung einer von der Landeszentralbank genehmigten Wertsicherungsklausel für nicht erforderlich erachtet, jedenfalls dann nicht, wenn die Parteien keine sonstigen Änderungen wollen.
Fenton ist daher verpflichtet, die Miete an Frau Flut zu zahlen, aber nur an diese.
1. Hausarbeit
2 . Fall
Assessor Meyer aus Berlin will im Februar zum Schifahren ins Gebirge reisen und telegrafiert an den ihm von seinen Freunden empfohlenen Wirt des Hotels „Zur Post" in GarmischPartenkirchen, Andreas Huber, man möge ihm ein Zimmer reservieren. In Garmisch angekommen, übergibt er das Gepäck dem dort auf Gäste wartenden Portier des Hotels „ Z u r Post" und geht zu Fuß zum Hotel. Dort erklärt ihm Herr Huber, kein Zimmer mehr frei zu haben. Wie Meyer später in Erfahrung brachte, hatte Herr Huber zwar ursprünglich für ihn ein Zimmer bereitgestellt, als aber am Abend vor der Ankunft des Meyer sich ein ganzer Schiklub im Hotel einquartierte, das Zimmer einem Mitglied des Klubs, dem Schiführer und Bergsteiger Toni Schmidt aus München, der sonst keinen Platz mehr bekommen hätte, überlassen. Meyer läuft sofort zum
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
nächsten Hotel „Zum Bären" und mietet dort ein Zimmer. Er muß aber hier 20 D M mehr für das Zimmer bezahlen, als das Zimmer im Hotel „Zur Post" gekostet hätte. Als er sein Gepäck sucht, muß er zu seinem Schrecken entdecken, daß dieses nicht mehr aufzutreiben ist. Der Portier des Hotels „Zur Post" behauptet zwar, es im Hotel abgeliefert zu haben, es muß dann aber dort abhanden gekommen sein. Meyer verlangt jetzt von Huber Schadenersatz a) wegen des höheren Zimmerpreises, b) wegen des abhanden gekommenen Gepäcks. Dringt er mit seinen Ansprüchen durch? Kann er sich evtl. auch an das Mitglied des Schiklubs, Toni Schmidt, halten, der das Zimmer genommen hatte, obwohl er wußte, daß es für Meyer reserviert war? Macht es einen Unterschied, wenn das Zimmer noch nicht für Meyer reserviert war, Huber vielmehr wegen Überfüllung seines Hotels auf das Telegramm nichts veranlaßt hatte? Vorbemerkung I. Aufbaufragen Die schriftlichen Arbeiten sollen zeigen, daß das bisher Gelehrte verstanden ist. Der Aufbau muß sich daher nach den aufgezeigten Richtlinien vollziehen. 1. An die Spitze gehören wieder die Fragen. Jede Frage ist einzeln zu stellen und zu beantworten. Insbesondere ist die Alternativfrage: „Macht es einen Unterschied, wenn . . .", nicht mit der 1. Frage zu vermengen. Die Lösung würde sonst unübersichtlich, da jeweils der Sachverhalt variiert werden müßte. Der äußere Aufbau gestaltet sich demnach wie folgt: A. Ansprüche Meyers gegen Huber auf Schadensersatz 1. wegen des höheren Zimmerpreises, II. wegen des abhanden gekommenen Gepäcks. B. Ansprüche Meyers gegen Schmidt auf Schadensersatz. C. Die Alternativfrage mit Untereinteilungen entsprechend den Fragen zu A und B. 2. Da Schadensersatz verlangt wird - und nicht wie im 1. Fall Erfüllung eines Vertrags - ist zu beachten, daß es hierfür typi-
2. Fall: 1. Hausarbeit
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sehe Anspruchsgrundlagen gibt, insbesondere: a) Verletzung eines Vertrags durch Unmöglichkeit, Verzug oder Schlechterfüllung, b) Verletzung eines vertragsähnlichen Verhältnisses (z. B. culpa in contrahendo oder Geschäftsführung ohne Auftrag), c) Unerlaubte Handlung, d) Deliktsähnliche Haftung (z. B. die Garantiehaftung des Gastwirts nach § 701, die Gefährdungshaftung des Kraftfahrzeughalters nach § 7 StVG). Im Vordergrund steht hier die Frage einer Vertragsverletzung. Das erfordert wieder Untersuchungen darüber, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, und insbesondere welcher Vertrag vorliegt. Letzeres ist wichtig, da Spezialbestimmungen gegeben sein können, die die allgemeinen Bestimmungen über Vertragsverletzungen verdrängen. Das Vorgehen bei der Untersuchung, ob ein Vertrag zustande gekommen ist, wurde bereits beim 1. Fall gezeigt: Es ist nacheinander zu prüfen, ob ein wirksames Angebot und eine wirksame Annahme vorliegen. Diese Überlegungen bestimmen den Aufbau im einzelnen. II. Richtlinien für die Ausarbeitung 1. Es ist ein Rechtsgutachten zu erstatten, d. h. es ist nur eine rechtliche Würdigung des Falles zu geben. Der Fall als solcher steht fest und ist dem Bearbeiter und Beurteiler bekannt. Es ist daher falsch, in der schriftlichen Ausarbeitung den Fall ganz oder teilweise zu wiederholen. Es heißt also nicht: „M telegrafiert an H. Darin kann ein Angebot liegen", sondern: „Das Telegramm M's an H kann ein Vertragsangebot sein". Bei umfangreichen Arbeiten ist gegebenenfalls durch kurze Uberschriften auf den jeweils untersuchten Teil des Tatbestands hinzuweisen, z. B. „Die Bedeutung des Telegramms des M an H " . 2. Das Rechtsgutachten soll den Weg zeigen, auf dem eine Lösung gefunden wird. Es stellt daher nicht das Ergebnis an den Anfang, sondern die Frage. Erst die Frage gibt - wie beim 1. Fall gezeigt wurde - der folgenden Untersuchung Ziel und Richtung und ist der Wegweiser für den Leser. Aus der Hauptfrage ergeben sich Unterfragen, die die anschließenden
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
Teiluntersuchungen umreißen. N u r so weiß der Leser in jedem Augenblick, wozu die Rechtsausführungen dienen und inwiefern sie nötig sind, um die gestellte Frage zu beantworten. Die Frage kann in mannigfachster Form gestellt werden, z. B.: „Es fragt sich, ob . . . " , „Zunächst ist zu prüfen, o b . . . " , „Der Anspruch kann auf Vertragsverletzung gestützt werden", „Voraussetzung ist, daß ein Vertrag zustande gekommen ist". Die Frage kann aber auch direkt gestellt werden: „Kann M von Sch Schadenersatz verlangen?" Ausdrückliche Erörterungen über den Aufbau sind tunlichst zu vermeiden. Der Aufbau muß in sich selbst verständlich sein. Es erübrigt sich in der Regel, der Arbeit eine besondere Disposition vorauszuschicken. Auch ist eine zu sehr in Einzelheiten gehende Unterteilung zu vermeiden. Durch einige Unterteilungszeichen und durch Absätze erreicht man genügende Ubersichtlichkeit. Bei einer häuslichen Examensarbeit ist allerdings die Aufstellung einer besonderen Disposition vorgeschrieben. Im einzelnen s. Diederichsen S. 83 f. 3. D e r Bearbeiter soll bei einer Hausarbeit zeigen, daß er die einschlägige Literatur berücksichtigt hat. Zitate sind aber nur angebracht, wo die Begründung einer Stütze bedarf. Sie sind überflüssig, w o sich das Ergebnis schon aus dem Gesetz ergibt. Sie sollen auch nicht die eigene Meinung ersetzen, sondern nur stützen. Es ist also stets erst eine Begründung mit eigenen Worten zu geben. Das Zitat folgt dann mit den Worten: „So . . . " , „ V g l . . . . " u. ä. Das Zitat muß eine Nachprüfung ermöglichen. R G - und BGH-Entscheidungen sind daher nach Band und Seite, Kommentare nach Auflage, Paragraph und Anmerkung, Schriften und Aufsätze nach dem Verfasser, Titel und Seite des Buchs oder der Zeitschrift zu zitieren. Wörtliche Zitate sind durch „ . . o d e r sonstwie kenntlich zu machen. Es ist nicht angebracht, möglichst viel zu zitieren. Das erweckt den Verdacht, daß man die Stellen nicht gelesen, sondern nur abgeschrieben hat. Vielmehr sind lediglich die wichtigsten Stellen anzuführen. Bei einer ständigen Rechtsprechung genügt es,
2. Fall: 1. Hausarbeit die
erste
grundlegende
25 Entscheidung
anzuführen
sowie
die
letzte, aus der sich ergibt, d a ß diese Auffassung noch vertreten wird. Bei den folgenden Ausarbeitungen der Hausarbeiten wird das Zitat jeweils in Klammer hinter den zugehörigen T e x t gesetzt. Um Raum zu sparen, wird aber ein Lehrbuch nur nach Verfasser genannt. Der genaue Titel des Lehrbuchs sowie seine Auflage findet sich im Abkürzungsverzeichnis. 4 . Die Sprache des Gutachtens m u ß eines Juristen würdig sein. Ein Jurist, der klar denkt, schreibt klar und verständlich. „Den Stil verbessern, heißt den Gedanken verbessern", sagt Nietzsche. Im einzelnen s. hierzu unten S. 1 9 8 „ 1 0 Gebote zum juristischen Stil". Auseinandersetzungen mit abweichenden Ansichten erfolgen in sachlicher F o r m . M a n spricht z. B. nicht von der „unsinnigen Ansicht des Bundesgerichtshofs", sondern schreibt „ D e r v o m B G H in B a n d . . . S . . . vertretenen Ansicht dürfte nicht zuzustimmen sein". 5 . Die Arbeit m u ß sauber und leserlich sein. Eine äußerlich unordentliche Arbeit wird selten gut beurteilt. Es ist auch genügend R a u m für die B e m e r k u n g e n des Prüfers zu lassen. Links o b e n g e h ö r t V o r - und Z u n a m e in deutlicher Schrift hin. Die Arbeit zu unterschreiben ist nur bei Prüfungsarbeiten erforderlich.
Gutachten A. Meyer (= M) verlangt von Huber (= H) Schadenersatz
I. W e g e n des höheren Z i m m e r p r e i s e s v o n 2 0 D M . D e r Anspruch k a n n n u r auf V e r l e t z u n g eines möglicherweise z u s t a n d e g e k o m m e n e n M i e t v e r t r a g s gestützt w e r d e n . Eine unerlaubte Handlung scheidet aus, da keinerlei Anzeichen für eine solche vorliegen. Wird - wie hier - lediglich ein Vermögensschaden geltend gemacht, so kommt als deliktische Anspruchs,grundlage nur § 823 Abs. 2 (Verletzung eines Schutzgesetzes, etwa durch Betrug gemäß § 263 StGB) oder § 826 (vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung) in Betracht. Dagegen gewährt § 823 Abs. 1 einen Schadensersatzanspruch nur bei Verletzung der dort aufgeführten absolut geschützten Rechtsgüter und Rechte, zu denen das Vermögen als solches nicht gehört. Die deliktische Haftung ist daher im folgenden ganz auszuscheiden. Es wäre falsch, im einzelnen dar-
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E r s t e r Teil: Übungen für Anfänger
zulegen, w a r u m sie nicht in Betracht k o m m t . Der Fall enthält so viel näherliegende E r ö r t e r u n g e n , d a ß es ein g r o b e r Fehler ist, etwas an den H a a r e n herbeizuziehen, nur um zu zeigen, d a ß es nicht zutrifft.
1. Voraussetzung für einen Anspruch aus Vertragsverletzung ist, daß ein Vertrag zustandegekommen ist. Ein Vertragsangebot von M liegt in seinem Telegramm an H, man möge ihm ein Zimmer reservieren. Das Angebot ist genügend bestimmt, so daß es durch ein einfaches „Einverstanden" angenommen werden kann. Zwar geht daraus nicht ohne weiteres hervor, wie teuer das Zimmer sein und wie lange es gemietet werden soll. Gemäß §§ 133, 157 entscheidet aber für den Preis der nach § 243 für Gattungssachen geltende Grundsatz. Danach kann ein Zimmer mittlerer Art und Güte, also mittlerer Preislage verlangt werden. Zeitlich beabsichtigt M wahrscheinlich einige Zeit in Garmisch bleiben zu wollen, da er zum Schisport fährt. Diese Absicht ist aber aus seinem Telegramm nicht eindeutig zu erkennen. Zudem gibt es genug Schifahrer, die Garmisch nur als Durchgangsstation benutzen, um sich alsbald einen höher gelegenen Ort, etwa das Kreuzeck oder die Hochalm als Standquartier auszusuchen. Bei Berücksichtigung der Interessen beider Parteien (keine zu starke Bindung weder des M noch des H) ist daher die Offerte dahin auszulegen, daß das Zimmer jedenfalls für einen Tag und eine Nacht gewünscht werde. Eine Annahme des Angebots ist von H nicht erklärt worden. Jedoch bedarf es nach § 151 der Erklärung gegenüber dem Antragenden nicht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Die Verkehrssitte erwartet bei der Bestellung eines Hotelzimmers für einen kürzeren Aufenthalt keine Erklärung der Annahme (so Larenz AT § 28 I)). Falls, was hei einem Telegramm naheliegt, das Angebot kurz vor der Abreise gemacht wurde, ist zudem ein stillschweigend erklärter Verzicht des M auf Annahmeerklärung anzunehmen, da ihn .eine Antwort vermutlich nicht mehr in Berlin erreicht hätte.
2 . Fall: 1. H a u s a r b e i t
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Nach § 151 bedarf es aber zum Zustandekommen des Vertrages jedenfalls einer Annahme des Angebots. Diese Annahme ist mangels Erklärung keine Willenserklärung, sondern eine Willensbetätigung. Sie ist in einem tatsächlichen Verhalten zu sehen. In einem bloßen Stillschweigen des H würde keine Annahme liegen. Stillschweigen gilt grundsätzlich als Ablehnung des Antrags. Eine Ausnahme gilt kraft Gesetzes in dem besonders gelagerten Fall des § 362 HGB. (Geschäftsbesorgung durch Kaufleute) sowie nach Treu und Glauben bei längeren Geschäftsbeziehungen und unter Kaufleuten bei Entgegennahme von Bestätigungsschreiben u. dgl. Da diese Ausnahmen nicht gegeben sind, bedarf es also einer besonderen Annahme durch Willensbetätigung. Eine solche Willensbetätigung liegt vor, da H ursprünglich für M ein Zimmer „bereitgestellt" hatte. Anweisung an sein Personal oder Eintragung in ein Buch genügt. Vgl. Larenz AT § 28 I. Durch das Reservieren des Zimmers ist demnach ein Vertrag zumindest auf einen Tag zwischen M und H zustande gekommen. Die B e d e u t u n g des § 151 liegt hauptsächlich in der Bereitstellung eines G a s t h a u s z i m m e r s , in der A n n a h m e und dem Verbrauch unbestellter W a r e n und in der A n n a h m e eines K a u f a n g e b o t s durch sofortige Erfüllung, z. B. bei drahtlicher Bestellung durch sofortige Absendung der W a r e .
2. Es handelt sich um einen Beherbergungsvertrag, der als gemischter Vertrag Bestandteile des Miet-, Dienst- und evtl. Kaufvertrags (Frühstück) enthält. Hier interessieren in erster Linie die Vorschriften der Miete. Miete eines Hotelzimmers oder eines möblierten Z i m m e r s mit Bedienung enthält als Grundtypus den Mietvertrag, dessen Regeln für Vertragsverletzung, Beendigung usw. grundsätzlich m a ß g e b e n d sind. Anders der Vertrag auf G e w ä h r u n g von voller Pension. H i e r sind auf Seiten des Pensionsinhabers zwei oder noch mehr Vertragstypen miteinander verschmolzen, w ä h r e n d der G a s t nur eine Leistung, die Z a h l u n g , zu erbringen hat. Für die K o s t g e w ä h r u n g ist der Kauf, für die W o h n u n g s g e w ä h r u n g die Miete maßgebend. M i n d e r u n g wegen unzureichender Kost trifft nur einen d e m W e r t v e r hältnis entsprechenden Teil der Gegenleistung. Aufhebungsgründe gelten nur für den entsprechenden Vertragsteil, es sei denn, d a ß
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
dadurch das einheitliche Ganze gestört wird (§ 139). Noch anders der sog. Hausmeistervertrag (freie W o h n u n g gegen Dienste). Dieser Vertrag ist auf der einen Seite Miete, auf der anderen Seite Dienstvertrag. W o die Rechte der beiden Vertragstypen einander widersprechen, ist die Interessenlage zu berücksichtigen. So ist das Recht jederzeitiger Kündigung nach § 623 ausgeschlossen, nicht aber die Kündigung wegen eines wichtigen Grundes nach § 626. Im einzelnen s. Fikentscher § 65 II, der die Miete eines möblierten Zimmers (mit Reinigung) als typischen Vertrag mit untergeordneter andersartiger Leistung, den Hotel- und Pensionsvertrag als Kombinations- oder Typenverbindungsvertrag, den Hausmeistervertrag als doppeltypischen oder Zwittervertrag bezeichnet und noch weitere Vertragsverbindungen aufzeigt. Vgl. auch Larenz SchR § 62 II sowie Esser § 15. Bei der Bearbeitung des Falles diese Grundsätze herauszuarbeiten und im einzelnen zu erörtern, wäre ein grober Fehler, da hier nichts davon abhängt. Die Erkenntnis, daß die Mietvorschriften in erster Linie anwendbar sind, liegt so nahe, daß der oben wiedergegebene Satz genügt. Z u e r w ä g e n ist d a h e r , o b M seinen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h auf eine b e s o n d e r e V o r s c h r i f t des M i e t r e c h t s s t ü t z e n k a n n . Bevor man sich den allgemeinen Vorschriften, die für einen Schadensersatzanspruch in Betracht kommen, zuwendet, sind erst etwaige Sondervorschriften zu prüfen, da diese die allgemeinen Vorschriften ausschließen oder doch modifizieren können. Vgl. Diederichsen S. 87. Bedeutsam ist hier § 5 4 1 . Danach kann der Mieter v o m Vermieter Schadensersatz w e g e n Nichterfüllung verlangen, w e n n ihm der vertragsgemäße Gebrauch der gemieteten Sache durch das Recht eines Dritten entzogen wird, und zwar „entsprechend § 538". Durch die Bezugnahme des § 5 3 8 wird der an sich hier vorliegende Rechtsmangel (Verletzung der g e m ä ß § 5 3 5 S. 1 bestehenden Pflicht zur Gebrauchsgewährung) einem Sachmangel gleichgestellt, s. Soergel-Metzger Rn. 1 zu § 541. Hierfür haftet der Vermieter unterschiedlich, je nachdem der Mangel bereits bei Vertragsschluß oder später entsteht. N a c h § 5 3 8 Abs. 1 haftet er nämlich im 1. Fall schlechthin, im 2. Fall nur bei Verschulden. § 541 i. Vbdg. mit § 538 bedeutet somit im 1. Fall eine wesentliche Besserstellung des Mieters gegenüber den allgemeinen Vorschriften der § 325, 3 2 6 und der positiven
2. Fall: 1. Hausarbeit
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V e r t r a g s v e r l e t z u n g , w o grundsätzlich Verschulden erforderlich ist. Sie ist d a h e r eine S p e z i a l b e s t i m m u n g . V g l . B G H N J W 1 9 6 1 , 9 1 7 s o w i e J u r . A r b e i t s b l ä t t e r 1 9 7 5 Z R . S. 3 0 4 . D e r G e b r a u c h des Z i m m e r s w u r d e hier z w a r nicht d e m M durch das M i e t r e c h t Schmidts „ e n t z o g e n " , da M noch nicht den tatsächlichen Besitz h a t t e . § 5 4 1 ist a b e r entsprechend seinem Sinn und Z w e c k schlechthin a n z u w e n d e n , wenn dem M i e t e r w e g e n des entgegenstehenden R e c h t s eines D r i t t e n der v e r t r a g s m ä ß i g e G e b r a u c h nicht g e w ä h r t wird. Entscheidend ist letztlich, d a ß der V e r m i e t e r seiner Hauptpflicht zur G e b r a u c h s g e w ä h r u n g nicht n a c h k o m m t , s o auch Staudinger-Kiefersauer, R n . 3 zu § 5 4 1 . M a ß g e b l i c h e A n s p r u c h s n o r m ist som i t § 5 4 1 . Allerdings w i r k t sich die o b e n aufgezeigte Besserstellung des M i e t e r s hier nicht aus, da die G e b r a u c h s ü b e r l a s sung an Schmidt, durch die M der G e b r a u c h entzogen w u r d e , erst nach A b s c h l u ß seines M i e t v e r t r a g s m i t H erfolgte. Es k o m m t s o m i t die 2 . Alternative des § 5 3 8 Abs. 1 in F r a g e , w o n a c h H nur haftet, w e n n er den M a n g e l zu vertreten hat. Sein Verschulden ist a b e r nach dem S a c h v e r h a l t gegeben, da H das für M reservierte Z i m m e r Schmidt überließ, o b w o h l er w u ß t e o d e r doch hätte wissen müssen (§ 2 7 6 A b s . 1), d a ß er es an M bereits vermietet hatte. 3 . D e r Schaden des M besteht in dem h ö h e r e n Z i m m e r p r e i s v o n 2 0 D M . I n s o w e i t k a n n M „ S c h a d e n e r s a t z wegen Nichte r f ü l l u n g " verlangen. D e n n h ä t t e H dem M das Z i m m e r überlassen, so h ä t t e er diesen h ö h e r e n Preis nicht zu b e z a h l e n brauchen (§ 2 4 9 ) . Dieses sog. positive Interesse, das H dem M ersetzen muß, ist von dem negativen Interesse oder dem sog. Vertrauensschaden zu unterscheiden. Hätte M bei NichtZustandekommen des Vertrages einen Schadenersatzanspruch wegen culpa in contrahendo (vgl. darüber unten C zu A I 2), so könnte er nur den Vertrauensschaden geltend machen. Der Schadensersatz wegen Nichterfüllung errechnet sich bei gleichartigen, noch nicht erbrachten Leistungen infolge des bei gegenseitigen Verträgen bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach der sog. Differenztheorie. Der zum Schadenersatz Berechtigte kann danach den Mehrwert verlangen, den die ihm geschuldete Leistung gegenüber seiner eigenen für ihn hat. Ist die
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Efster Teil: Übungen für Anfänger
Gegenleistung schon erbracht oder stehen sich andersartige Leistungen gegenüber, so muß dem zum Schadensersatz Berechtigten aber auch das Recht eingeräumt werden, auf Austausch der Leistungen zu bestehen (sog. Austauschtheorie, z. B. beim Tausch, wenn die eine Sache durch Verschulden des Verpflichteten untergegangen ist). Im Zweifel wird man dem Berechtigten entsprechend seinem Interesse ein Wahlrecht geben. Vgl. Fikentscher § 44 III 3 a, Esser § 5 1 1 2 sowie Larenz SchR § 22 II b.
Ist M, ohne sich zu vergewissern, ob nicht noch in der Nähe andere preiswerte Zimmer zu haben waren, gleich in das teuerste Hotel gegangen, so kann ihm auch der Einwand des mitwirkenden Verschuldens nach § 254 Abs. 2 2. Alternative entgegengehalten werden. Denn M darf den Schaden nicht unnötig vergrößern. II. M verlangt von H weiterhin Schadenersatz wegen des abhanden gekommenen Gepäcks. 1. Die nächstliegende und für M günstigste Anspruchsgrundlage ist § 701, da nach dieser Bestimmung ein Gastwirt, der gewerbsmäßig Fremde zur Beherbergung aufnimmt, für Schäden an den vom Gast eingebrachten Sachen grundsätzlich ohne Verschulden haftet. H ist als Inhaber des H o t e l s ein G a s t w i r t i. S. des § 7 0 1 . Krankenanstalten fallen nicht unter § 701, weil die Unterbringung hier nur als die dem Hauptvertrag (Dienstvertrag) untergeordnete Leistung erscheint. Ob Schlafwagengesellschaften hierher gehören, ist bestritten. Vgl. Soergel-Mühl Rn. 3 zu § 701, Larenz II § 59,1.
Die Aufnahme als Gast erfordert nicht den Abschluß eines Beherbergungsvertrags. Sie kann mit diesem zeitlich zusammenfallen; so wenn der Gast bei seiner Ankunft im Hotel den Vertrag mit dem Wirt abschließt. Sie kann aber auch später erfolgen, so wenn, wie hier, der Vertrag bereits vorher abgeschlossen wurde. Letztlich entscheidet allein die Aufnahme, die an die bloße Einbringung der Sachen anknüpft, also den Abschluß eines Beherbergungsvertrags nicht voraussetzt. S. BGH 63/333 (336). Die Sachen sind schon eingebracht, wenn sie außerhalb der Gastwirtschaft von dem Gastwirt oder dessen Leuten in Obhut genommen sind. Für Letzeres genügt, daß diese zur Über-
2. Fall: 1. Hausarbeit
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n ä h m e der O b h u t bestellt o d e r doch den U m s t ä n d e n nach als dazu bestellt anzusehen sind. § 701 Abs. 2. M w u r d e d a h e r zur Beherbergung a u f g e n o m m e n , als der von H bestellte Portier des H o t e l s am Bahnhof sein Gepäck entg e g e n n a h m . In dieser E n t g e g e n n a h m e liegt die stillschweigende E r k l ä r u n g , ihn als zur Beherbergung a u f g e n o m m e n anzusehen, u n a b h ä n g i g d a v o n o b es später tatsächlich zu einer Beherbergung k o m m t . Vgl. Esser § 85 I; Larenz SchR § 59, 2. Die H a f t u n g nach § 701 endet nicht d a d u r c h , d a ß M zu einem a n d e r e n Hotel läuft, um d o r t ein Z i m m e r zu suchen. Es ist d a m i t weder die durch die E i n b r i n g u n g des Gepäcks erfolgte A u f n a h m e beendet noch die zur W e g s c h a f f u n g angemessene Frist verstrichen. Vgl. § 701 Abs. 2 N r . 2 sowie Larenz a. a. O . unter 3 b. Ein H a f t u n g s a u s s c h l u ß , der schriftlich u n d gesondert h ä t t e vere i n b a r t werden müssen (§ 702 a), liegt nicht vor. Nicht genügt hätte eine Ausschlußklausel in einem vom Gast unterschriebenen A n m e l d e f o r m u l a r oder in den zur Unterschrift vorgelegten allgemeinen Beherbergungsbedingungen. S. Larenz a. a. O.
Sonstige U m s t ä n d e , u n t e r denen a u s n a h m s w e i s e keine H a f t u n g eintritt, wie eigenes Verschulden o d e r h ö h e r e G e w a l t (s. § 7 0 1 Abs. 3), sind nicht ersichtlich. U m g e k e h r t ergibt der Sachverhalt aber auch kein Verschulden des G a s t w i r t s o d e r seiner Leute i. S. des § 702 Abs. 2, so d a ß M Schadensersatz n u r in H ö h e der in § 702 Abs. 1 bestimmten Grenzen verlangen k a n n . 2. Durch die gesetzliche H a f t u n g aus § 701 wird eine vertragliche H a f t u n g (wegen schuldhafter Verletzung einer N e b e n pflicht zur A u f b e w a h r u n g aus d e m Beherbergungsvertrag) o d e r wegen fahrlässiger Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 nicht ausgeschlossen. E b e n s o w e n i g w i r d die in § 823 Abs. 1 n o r m i e r t e allgemeine Rechtspflicht, n i e m a n d e n körperlich zu verletzen u n d keine f r e m d e n Sachen zu beschädigen, d a d u r c h beseitigt, d a ß ein Vertrag die E i n w i r k u n g ermöglicht. „ D e r V e r t r a g verstärkt die allgemeine Rechtspflicht, nicht a b e r beseitigt er sie", R G 88/433; ebenso B G H 4 6 / 1 4 0 (ständige Rechtsprechung).
32
Erster Teil: Übungen für Anfänger
(besser von AnspruchsMan spricht hier von Anspruchskonkurrenz begründungskonkurrenz, vgl. Berg, Anm. N J W 67/1320 mit weiteren Hinweisen). Bestehen Bedenken, ob Anspruchskonkurrenz besteht, oder ob eine Anspruchsnorm durch eine andere ganz oder teilweise ausgeschlossen wird, - strafrechtlich gesprochen, ob Idealkonkurrenz oder Gesetzes-(Schein-) Konkurrenz besteht - so sind diese Bedenken gleich zu Anfang zu erörtern. Es wäre unökonomisch und unlogisch, erst ausführlich die gesamten Voraussetzungen einer Norm an Hand des Tatbestandes zu überprüfen, um zum Schluß darzulegen, daß es gar nicht darauf ankommt. Diese Anspruchsgrundlagen führen hier aber voraussichtlich nicht zum Ziel, weil Verschulden vorliegen müßte, für das der T a t b e s t a n d keinen Anhaltspunkt gibt. Wie bedeutsam ein vertraglicher Schadensersatzanspruch sein kann, zeigt der in BGH 63/333 entschiedene Fall: Dort hatte ein Hotelgast seinen PKW auf Weisung des Gastwirts auf dem Hotelparkplatz abgestellt. Er wurde in der Nacht durch einen in der Nacht umgestürzten Baum, der innen völlig morsch war, schwer beschädigt. Hier entfiel zwar ein Anspruch aus §§ 701 ff., da sich die Gastwirtshaftung nicht auf Fahrzeuge erstreckt, § 701 Abs. 4. Es bestand aber ein Anspruch aufgrund des Mietvertrags. Anspruchsnorm war - anders als in dem oben behandelten Fall, s. zu 1 2 - § 538 ohne dem Umweg über § 541, und zwar diesmal die 1. Alt. des § 538 Abs. 1, da der zugewiesene (also mitgemietete) Parkplatz bereits bei Abschluß des Mietvertrags mangelhaft war. Der Gastwirt haftet also schlechthin, ohne daß es darauf ankam, ob er hätte erkennen müssen, daß der Baum eine Gefahr für den Parkplatz war. B. Kann M von dem Mieter Schmidt (= Sch) Schadenersatz wegen der höheren Zimmermiete verlangen? Schadenersatz wegen des Gepäcks zu erörtern wäre völlig abwegig und bleibt daher bei der Untersuchung außer Betracht. Haftungsgrundlagen kann nur unerlaubte Handlung sein, da M zu Sch nicht in vertraglichen Beziehungen steht. In Betracht k o m m t allein § 8 2 6 (vorsätzliche sittenwidrige Vermögensschädigung). Z w e i Voraussetzungen sind dafür nötig: a) vorsätzliche, b) sittenwidrige Schädigung. a) Sch hat dem M vorsätzlich Schaden zugefügt, da ihn H vermutlich darüber aufgeklärt hat, d a ß das Z i m m e r reserviert
2. Fall: 1. Hausarbeit
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war, und er gleichwohl auf Überlassung des Zimmers bestanden haben wird. Zumindest liegt dolus eventualis bei Sch vor, der bei § 826 ausreicht. b) In der Miete einer bereits vermieteten Sache ist aber nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen die guten Sitten zu sehen. Sch müßte unter unlauteren Mitteln oder in unlauterer Absicht den H zum Vertragsbruch verleitet haben. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Vgl. Fikentscher § 105 III 2, Esser § 107 III 2 a, Medicus § 24 II 4 c. C. Macht es einen Unterschied, wenn H das Zimmer noch nicht reserviert hat? Zu A I (Schadenersatz wegen der höheren Zimmermiete). 1. Die vertragliche Grundlage entfällt, da es mangels der nach § 151 erforderlichen Annahme nicht zu einem Vertrag gekommen ist. 2. Aus dem Eintritt in Vertragsverhandlungen kann sich aber nach den von der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Grundsätzen ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entwickeln, das zum Ersatz des Vertrauensschadens (des sog. negativen Schadens) in entsprechender Anwendung der für Vertragsverletzungen bestehenden Bestimmungen (namentlich des §278!) verpflichtet (vgl. §§ 122, 179 Abs. 2, 307). Vgl. Fikentscher § 20, Esser § 52 II, Larenz SchR § 9 I. Die bloße Zuleitung eines Antrags begründet aber noch kein solches Vertrauensverhältnis. Ein Hotelwirt ist nicht verpflichtet, jedem Fremden auf eine Zimmerbestellung zu antworten. Das wäre eine zu starke Belastung seines geschäftlichen Verkehrs wegen des zeitlichen Aufwandes (Korrespondenz) und der damit verbundenen Auslagen (Porto). Ein Telegramm müßte u. U. sogar durch ein Antworttelegramm beantwortet werden! Auch aus § 663, der nur diejenigen zur Antwort verpflichtet, die sich zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich angeboten haben (z. B. Rechtsanwälte, Wirtschaftsberater, Treuhänder, Agenten, Makler), folgt als Umkehrschluß (argumentum e contrario), daß Hotelwirte grundsätzlich nicht zur Antwort verpflichtet sind. Vgl. aber die Sonderregelung in § 362 HGB; hier tritt sogar eine Fiktion der Annahme ein; es ist dann Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu gewähren. 3
Berg, Übungen i. Bürgerl. Redit
Erster T e i l : Übungen für Anfänger
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Der Umfang des Schadens berechnet sich bei der Haftung aus culpa in contrahendo nach der für jeden Schaden grundlegenden Vorschrift des § 249. Es ist auch hier der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Während aber die Vorschrift des § 249 beim Schadenersatz wegen Nichterfüllung dazu führt, den Geschädigten so zu stellen, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre (sog. positives Interesse), führt die Erstattung des Vertrauensschadens zu einer Entschädigung für das enttäuschte Vertrauen (sog. negatives Interesse). Der Enttäuschte ist so zu stellen, als o b er mit dem Gegner nichts zu tun gehabt hätte. Wäre z. B. H dafür verantwortlich zu machen, daß er keine Absage geschickt hätte, so wäre wahrscheinlich dem M gar kein Schaden entstanden, weil er trotzdem nach Garmisch gefahren wäre. Sollte er aber nachweisen können, daß er dann überhaupt nicht gefahren wäre, so wären evtl. die unnütz verauslagten Fahrtkosten sein Vertrauensschaden. Somit ist die Kausalreihe der Schadensberechnung bei positivem und negativem Schaden verschieden. Nur ausnahmsweise ist der negative Schaden gleich dem Erfüllungsinteresse, nämlich dann, wenn der Vertrag bei richtigem Verhalten ordnungsgemäß geschlossen wäre. Sonst ist er meist (aber nicht notwendig) der Höhe nach geringer als der Erfüllungsschaden. Die §§ 122, 179 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 1 beschränken ihn in gewissen Fällen ausdrücklich auf die H ö h e des Erfüllungsinteresses. Z u A II ( S c h a d e n e r s a t z w e g e n des a b h a n d e n g e k o m m e n e n G e päcks). D e r a u f die t a t s ä c h l i c h e r f o l g t e A u f n a h m e u n d die E i n b r i n g u n g des G e p ä c k s g e s t ü t z t e A n s p r u c h aus § 7 0 1 w i r d v o n d e m N i c h t z u s t a n d e k o m m e n des V e r t r a g s nicht b e r ü h r t . Zu B
(Schadensersatzanspruch
g e g e n Sch w e g e n d e r
höheren
Zimmermiete). Die
oben
erörterte
Anspruchsgrundlage
des
§ 826
s c h o n d e s h a l b e n t f a l l e n , weil Sch m a n g e l s V e r t r a g s
muß
hier
zwischen
M u n d H den H nicht z u m V e r t r a g s b r u c h verleiten u n d d a m i t den M g a r nicht s c h ä d i g e n k o n n t e .
3. Fall
2.
Besprechungsfall
R e f e r e n d a r Flott,
d e r als S t u d e n t e i n p a a r m a l
auf dem
seines O n k e l s zu P f e r d gesessen h a t , m ö c h t e sich i m
Gut
Reiten
3. Fall: 2. Besprechungsfall
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vervollkommnen. Er geht zum Tattersallbesitzer Mosheim, schildert ihm den Sachverhalt und erbittet ein zuverlässiges Pferd. Mosheim verspricht ihm das und gibt ihm beim ersten Ausreiten noch einen Reitknecht mit. Den Mietzins zahlt Flott im voraus. Als Flott bei seinem ersten Ausritt an einer Kolonne Arbeiter vorbeikommt, die mit großem Geräusch Straßenbahnschienen abladen, scheut sein Pferd, wirft ihn ab und rast in die Arbeitergruppe hinein. Der Vorarbeiter Schnell ergreift eine Eisenstange, um das Pferd abzuwehren. In diese verfängt sich das Pferd so unglücklich, daß es stürzt, ein Bein bricht und getötet werden muß. Schnell wird bei seinem Abwehrversuch schwer am Kopf verletzt. Der Reitknecht konnte trotz aller Aufmerksamkeit das Unglück nicht verhindern. Wie ist die Rechtslage?
Aufbau
Vorbemerkung
Die Frage ist wie stets Ausgangspunkt eines Falles. Es wird aber diesmal nicht wie in den bisher erörterten Fällen eine fest umrissene Frage gestellt; es ist z. B. nicht ausdrücklich gefragt, ob Flott von Mosheim den Mietzins zurückverlangen kann, sondern es wird allgemein nach der Rechtslage gefragt. Man könnte deshalb versucht sein, die einzelnen tatsächlichen Vorgänge in der Reihenfolge ihrer Schilderung auf ihre rechtliche Bedeutung zu untersuchen. Es wäre dann zunächst zu prüfen, welchen Vertrag Flott mit Mosheim geschlossen hat, sodann ob der Vorarbeiter Schnell zu seinem Vorgehen berechtigt war, schließlich welche Ansprüche Schnell und evtl. Mosheim und Flott haben. Ein solcher Aufbau nach der sog. historischen Methode könnte angesichts der allgemein gehaltenen Fragestellung nicht unbedingt als falsch bezeichnet werden. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der praktische Jurist es stets mit Ansprüchen bestimmter Personen gegen andere zu tun hat. So hat der Richter über eine Klage des A gegen B zu entscheiden, der Rechtsanwalt die Aussichten eines von A gegen B beabsichtigten Rechtsstreits zu begutachten. Man hält sich daher zweckmäßig, auch wenn allgemein nach der Rechts3*
Erster Teil: Übungen für Anfänger
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läge gefragt wird, eine etwa mögliche Prozeßstellung der Beteiligten vor Augen und geht demnach von bestimmten Ansprüchen einzelner Personen gegen andere aus. Die Frage nach der Rechtslage ist daher dahin zu verstehen, daß die einzelnen Ansprüche zwischen den Beteiligten geprüft werden sollen. D e r Aufbau vollzieht sich somit nicht historisch, sondern nach den Parteien, die sich jeweils gegenübertreten können, und den zwischen ihnen denkbaren Ansprüchen. Vgl. auch Medicus
§ 1 II 5, Diederichsen
S. 25 f. sowie Fikentscher
Praktikum
§ 2 0 f. Welche Parteien in Betracht k o m m e n , ergibt ein Hineindenken in ihre Interessenlage. Im vorliegenden Falle werden die G e schädigten von den Schädigern Schadenersatz verlangen, evtl. nehmen die Ersatzpflichtigen ihrerseits Rückgriff. Geschädigt sind Mosheim durch den T o d des Pferdes, Schnell durch G e sundheitsschaden, Flott durch Wegfall des Mietgegenstandes. Nach diesen Personen ist das Gutachten demnach zunächst aufzubauen. Die Untereinteilung erfolgt nach den in Betracht kommenden Ersatzpflichtigen. Den Schluß macht evtl. eine Erörterung über den Ausgleich der Ersatzpflichtigen untereinander. D a m i t steht der äußere R a h m e n des Aufbaus fest. D a s eigentliche Rechtsgutachten besteht nun darin, festzustellen, „ w a s " die Beteiligten voneinander wollen und in welchen Rechtsbestimmungen dieses „ w a s " eine rechtliche Grundlage finden kann, oder kürzer ausgedrückt „ w o r a u s " dieses „ w a s " verlangt werden kann. D a s „ w a s " des Begehrens macht hier keine Schwierigkeiten. Mosheim und Schnell verlangen Ersatz des ihnen entstandenen Schadens, Flott evtl. die Rückzahlung des Mietzinses. Bei den im Vordergrund stehenden Schadenersatzansprüchen Mosheims und Schnells kann für die Frage, „ w o r a u s " der Schadenersatzanspruch hergeleitet werden kann, wieder auf das oben zu Fall 2 S. 2 2 f. wiedergegebene Schema (Vertrag, vertragsähnliche Beziehungen, Delikt, deliktsähnliche Beziehun-
gen) zurückgegriffen werden. Vertragliche Ansprüche
grundsätzlich zuerst
zu prüfen,
sind aber
da sie angesichts der Vertrags-
3. Fall: 2. Besprechungsfall
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freiheit außervertragliche Ansprüche weitgehend abändern und sogar ausschließen können. Vgl. auch Medicus § 1 II 2. Damit steht auch der Aufbau im übrigen fest. Gleichzeitig sind damit die grundsätzlichen Punkte des Aufbaus jeder Arbeit gegeben. Es ist - gedächtnismäßig leicht einprägsam - zu fragen: „Wer" will „von wem", „Was" „Woraus"? Oder: 1. Welche Personen stehen sich als Parteien gegenüber? Das entspricht der Frage nach den Prozeßparteien. 2. Was wollen sie voneinander? - Das entspricht im Prozeß
dem Klagantrag.
3. Woraus leiten sie ihre Forderung her? - Das bedeutet die Untersuchung der Rechtssätze, die den Klagantrag begründen können, also die Untersuchung der Anspruchsgrundlagen. Den hier vorgeschlagenen Aufbau nennt man die konstruktive Methode. Sie ist für den Anfänger schwieriger als die historische Methode, da das Gefühl noch nicht geschult ist, sofort die in Frage kommenden Rechtsbeziehungen zu überblicken. Sie hat aber den unschätzbaren Vorteil, daß nichts Uberflüssiges erörtert wird und daß der junge Jurist unmittelbar für die Praxis geschult wird. S. im einzelnen s. Fabricius S. 17 ff. sowie Fikentscher Praktikum S. 16 ff., aber auch S. 62 ff. Gutachten
A. Die Ansprüche des Tattersallbesitzers
Mosheim
Mosheim hat einen Schaden erlitten, der darin besteht, daß er sein Pferd verloren hat. I. Er wird in erster Linie versuchen, einen Schadenersatzanspruch gegen den Referendar Flott geltend zu machen, dem er das Pferd vermietet hat. 1. Eine Sonderbestimmung, die für diesen Fall dem Vermieter nach den Regeln des Mietrechts einen Schadensersatzanspruch gewährt, findet sich in den §§ 535 ff. nicht. Insbesondere kommt § 5 5 6 nicht in Betracht. Er bestimmt lediglich eine Rückgabepflicht des Mieters „nach Beendigung des Mietverhältnisses". Durch eine vom Mieter verschuldete Unmöglichkeit
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Erster Teil: Übungen für Anfänger
der Rückgabe der gemieteten Sache wird aber das Mietverhältnis nicht beendet; es verwandelt sich vielmehr nur der Rückgewährsanspruch des Vermieters in einen Schadensersatzanspruch. Bei einer unverschuldeten Unmöglichkeit wird zwar das Mietverhältnis tatsächlich beendet (vgl. R G 98/206); es k a n n d a n n aber kein Rückgabeanspruch g e m ä ß § 556 mehr entstehen. 2. Eine Anspruchsgrundlage m u ß daher aus allgemeinen, an die Bestimmungen des allgemeinen Teils des Schuldrechts über H a f t u n g bei verschuldeter Unmöglichkeit a n k n ü p f e n d e Ged a n k e n entwickelt werden. Da Flott die ihm obliegende Hauptpflicht (Zahlung des Mietzinses, § 535 S. 2) erfüllt hat, k a n n er nur aus d e m Gesichtsp u n k t der positiven Vertragsverletzung (Schlechterfüllung) schadensersatzpflichtig sein. Als Mieter hatte er eine nebenvertragliche Obhutspflicht über die Sache. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht ist er in rechtsanaloger A n w e n d u n g der §§ 280, 286 u n d aus einem Umkehrschluß zu § 548 (wonach er übliche Abnutzungen nicht zu vertreten hat) z u m Schadensersatz verpflichtet. O b eine gegenüber Mosheim zu vertretende Fahrlässigkeit vorliegt, erscheint indes zweifelhaft, weil Flott darauf vertrauen durfte, d a ß das Pferd „zuverlässig" war. Z u m i n d e s t ist beim Abschluß des Mietvertrags der G r a d der zu vertretenden Fahrlässigkeit zugunsten Flotts erheblich gemindert w o r d e n , da Flott Mosheim zu erkennen gab, d a ß er sich erst im Reiten vervollkommnen wolle u n d deshalb sogar einen Reitknecht zugeteilt erhielt. Ihm kann d a h e r aus dem Scheuen des Pferdes kein Vorwurf gemacht werden. Die hier in Betracht kommende Anspruchsgrundlage der sog. positiven Vertragsverletzung ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, sondern erst von der Rechtslehre (namentlich Staub) und von der Rechtsprechung entwickelt worden. Die Rechtslehre hat die Begründung in einer rechtsanalogen Anwendung der §§ 280, 286 bzw. 325, 326 gesehen, das Reichsgericht dagegen unmittelbar in der Bestimmung des § 276 (vgl. namentlich RG 106/25 ff.). Der Bundesgerichtshof (vgl. BGH 11/80) hat die Ansicht des Reichsgerichts mit Recht aufgegeben, da § 276 keinen Haftungsgr«nd, sondern nur den Hahungsmaßstab angibt. Es kann daher heute als ausgetragen gelten, daß schuldhafte Schlechterfüllung in Rechtsanalogie zu
3. Fall: 2. Besprechungsfall
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§§ 280/286 bzw. 325/326 schadensersatzpflichtig macht, vgl. im einzelnen Fikentscher $ 47. Es genügt deshalb zur Begründung der im Text angeführte kurze Hinweis. Zu ausgetragenen Streitfragen ist nur dann Stellung zu nehmen, wenn man von ihnen abweichen will.
3. Als gesetzliche Anspruchsgrundlage für den dem Mosheim an seinem Eigentum entstandenen Schaden könnte auch § 823 Abs. 1 BGB in Frage kommen, vgl. oben S. 31 zu 2. Da aber durch die vertragliche Abmachung der Grad der zu vertretenden Fahrlässigkeit eingeschränkt ist, liegt eine schuldhafte Eigentumsverletzung nicht vor. II. Ansprüche Mosheims gegen den Vorarbeiter Schnell. 1. Mangels Vertrags ist zunächst an § 823 Abs. 1 als Anspruchsgrundlage zu denken. Der Tod des Pferdes ist infolge der Verletzung durch Schnell eingetreten. Die Widerrechtlichkeit seines Handelns kann aber gemäß § 228 ausgeschlossen sein. Das von diesem angewandte Mittel (Abwehr mit einer Eisenstange) war zur Abwendung der Gefahr erforderlich, da ihm in der Eile kein anderes Mittel zur Verfügung stand. Sein eigenes Leben und das seiner Kameraden stand auch höher als das Leben des Tieres. Da Schnell somit nicht widerrechtlich handelte, entfällt ein Schadenersatzanspruch aus § 823. Der z/V