Übungen im Bürgerlichen Recht: Eine Anleitung zur Lösung von Rechtsfällen an Hand von praktischen Beispielen [2., neubearb. Aufl., Reprint 2020] 9783112318720, 9783112307458


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German Pages 153 [160] Year 1951

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VORWORT ZUR 2. AUFLAGE
Inhaltsübersicht
Literatur und Abkürzungsverzeichnis
Erster Teil. Übungen für Anfänger
Zweiter Teil. Übungen für Vorgerückte
Merkblatt
Übersicht
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Übungen im Bürgerlichen Recht: Eine Anleitung zur Lösung von Rechtsfällen an Hand von praktischen Beispielen [2., neubearb. Aufl., Reprint 2020]
 9783112318720, 9783112307458

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Übungen im Bürgerlichen Recht Eine Anleitung zur Lösung von Rechtsfällen an Hand von praktischen Beispielen

Von

Dr. Hans B e r g Landgerichtsrat Referendargemeinschaftsleiter Wissenschaftlicher Assistent an der U n i v e r s i t ä t K ö l n

Zweite, vollständig neubearbeitete Auflage

Berlin 1951 Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung buchhandlung

- Georg Reimer

- J . Guttentag, Verlags-

- Karl J . T r ü b n e r

- Veit & Comp.

Archiv-Nr. 23 25 51 Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Druck: ,,Buchkunst" Berlin W 35

Herrn Professor Dr. Heinrich Lehmann anläßlich der Vollendung seines 75. Lebensjahres (20. Juli 1951) in dankbarer Verehrung

V O R W O R T Z U R 2. A U F L A G E Die 1. Auflage dieses Buches hat eine überaus wohlwollende Aufnahme gefunden und war verhältnismäßig schnell vergriffen. Leider kam ich infolge Inanspruchnahme durch andere Arbeiten erst jetzt zu der seit langem geplanten neuen Bearbeitung. Anders als bisher ist die jetzige Auflage auch für den jüngeren Rechtsstudenten gedacht und soll, ihm den Übergang von der Vorlesung zum praktischen Fall erleichtern. Das Buch besteht nunmehr aus zwei Teilen: „Übungen für Anfänger" und „Übungen für Vorgerückte". Ferner sind die Beispiele nach „Besprechungsfällen", „Häuslichen Arbeiten" und „Klausurarbeiten" geschieden. Auf diese Weise wird dem Studenten wirkliches Anschauungsmaterial für die an ihn gestellten Anforderungen gegeben. Im übrigen ist die bewährte Methode beibehalten worden, die Aufbaufragen und die Anspruchsgrundlagen in den Vordergrund zu stellen. Ferner wird durch Vor- und Zwischenbemerkungen, die zur eigentlichen Lösung nicht gehören, der Fall jeweils vertieft und zum Ausgangspunkt grundsätzlicher Erörterungen gemacht, so wie es der Dozent bei der Besprechung in den Übungen zu machen pflegt. Ein Merkblatt am Schluß des Bandes faßt die Richtlinien zur Fallbearbeitung nochmals zusammen. Die Bedenken, die von wissenschaftlicher Seite gegen Fallsammlungen mit Lösungen erhoben werden, sind bei dieser Art der Fallbehandl'ung unbegründet. Der Student braucht nicht nur gute theoretische Lehrbücher, sondern auch gute Anleitungsbücher für die Fallbearbeitung. Das theoretische Wissen ist wertlos, wenn es nicht in die Praxis umgesetzt werden kann. Mit der Teilnahme an den Übungen an der Universität allein ist dem Studenten nicht geholfen. Er braucht ein Buch, bei dem er das dort Gelehrte an Hand von Musterbearbeitungen in Ruhe nacharbeiten kann. Besonderen Dank schulde ich Herrn Professor Dr. Heinrich Lehmann, dessen Assistent an der Universität Köln ich lange Jahre war und der mir durch seine hervorragende und lebendige Lehrweise die Anregung zu dem vorliegenden Buche gegeben hat. R o d e n k i r c h e n bei Köln, im März 1951 Dr. H a n s B e r g

V

Inhaltsübersicht Seite

Erster Teil: Übungen für Anfänger l . F a l l : Besprechungstall

1 1

Vorbemerkung: Der Aufbau eines Falles. Die Frage als Ausgangspunkt; historische und konstruktive Methode; Einteilung nach Parteien, Anspruchsbegehren und Anspruchsgrundlagen. Anspruchsgrundlagen bei Schadensersatz. Gutachten: A. Vertragsverletzung und unerlaubte Handlung, Beschränkung des Haftungsmaßstabs, defensiver und aggressiver Notstand. B. Aktivlegitimation bei Sozialversicherung, Tierhalterhaftung nach § 833, Verkehrshaftung aus § 823 Abs. 1 neben § 833, Schaden als Aufwendungsersatz, Haftung des Tierhüters. C. Verhältnis der Mängelhaftung nach dem Mietrecht zu den allgemeinen Bestimmungen der §§ 320ff. 2. F a l l : Besprechungsfall Vorbemerkung: Aufbau. Untersuchungen in zeitlicher Reihenfolge im Rahmen der konstruktiven Methode.

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Gutachten: A. Aufforderung und Angebot beim Vertrag. Wirksamwerden der empfangsbedürftigen Willenserklärung (Zugang), Rechtzeitigkeit der Annahme bei Anwesenden und Abwesenden (§147), Bote und Stellvertreter, die Bedeutung der verspäteten' Annahme (§ 150 Abs. 1). B. Kündigung und Neuabschluß eines Vertrags. 3. F a l l : 1. Hausarbeit Vorbemerkung: I. Aufbaufragen. II. Richtlinien für die Ausarbeitung: Keine Wiederholung des Tatbestands, keine Vorwegnahme des Ergebnisses, Gutachtenstil, Zitate, Sprache und äußere Form.

18

VII

Gutachten: A. Haftung für Vermögensschaden, Bestimmtheit der Offerte, Annahme nach §151, gemischte Verträge, Verzug und Unmöglichkeit, Schadenersatz wegen Nichterfüllung und Vertrauensschaden, Differenz- und Austauschtheorie, die Voraussetzungen des § 701 und sein Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen. B. Die Voraussetzungen des § 826 (Verleitung zum Vertragsbruch). C. Zur Lehre von der culpa in contrahendo. 4. F a l l : 1. Klausurarbeit Vorbemerkung: I. Aufbaufragen. II. Richtlinien für die Klausurarbeit: Keine Zitate, Durchskizzieren in Stichworten, sofortige Reinschrift. Gutachten: A. Vertretung ohne Vertretungsmacht durch einen Minderjährigen, Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag, Interesse und Wille des Geschäftsherrn, Begriff der Aufwendungen, Voraussetzungen und Umfang des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung, Anspruch nach § 951 bei Verbindung, Haftung des vollmachtlosen Vertreters (§179), Betrug und vorsätzlich sittenwidrige Schädigung durch einen Minderjährigen, Haftung des Aufsichtspflichtigen (§ 832). B. Deliktische Haftung bei Eigentumsbeschädigung und Verletzung der Aufsichtspflicht, Inhalt der Schadensersatzpflicht.

Seite

29

5. F a l l : 2. Hausarbeit . 37 Vorbemerkung: I. Aufbau. II. Weitere Richtlinien für die Fallbearbeitung: Kein Suchen nach dem „ähnlichen Fall", Verbot der „Tatbestandquetsche", Bedeutung der Rechtsansichten der Parteien, Billigkeit des Ergebnisses und Korrektur durch Berufung auf Treu und Glauben. Gutachten: A. Der Tauschvertrag, Bedeutung der Formvorschrift beim Grundstückskauf, Heilung des Formmangels beim Tauschvertrag, Berufung auf den Formmangel als Verstoß wider Treu und Glauben. B. Zulässigkeit eines Eventualantrags, Verbot von Unterstellungen, Unabhängigkeit (Abstraktheit) des Erfüllungsgeschäfts vom Verpflichtungs-(Kausal-)geschäft, der Kondiktionsanspruch als Ausgleich, Bedeutung der §§ 814, 818 Abs. 2. C. Zulassung einer Klagänderung (§ 264 ZPO), Bedeutung der §§ 819 Abs. 1, 816 Abs. 1 S. 1 und 818 Abs. 1. VIII

Soite

6. F a l l : 2. Klausurarbeit

47

Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Ansprüche auf den Erlös (Surrogatansprüche): §§ 323, 325 in Verbindung mit §281, das stellvertretende commodum in §281, die Verfügung des Nichtberechtigten in §816 Abs. 1 S. 1, Anrechnung der Gegenleistung (Saldotheorie), unechte Geschäftsführung nach § 687 Abs. 2. Haftung für Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen und eigenes Verschulden bei Vertrag und unerlaubter Handlung (§§ 278, 276, 831, 823 Abs. 1). B. Haftung für Rechts- und Sachmängel beim Kauf, Wandlung trotz Unmöglichkeit der Rückgabe?, Ausschluß der Anfechtung aus § 119 Abs. 2 durch die §§ 459 ff. 7. F a l l : 3. Hausarbeit

55

Vorbemerkung: I. Aufbaufragen. I I . Materielle Fragen. Die Lösung des Falles seiner Eigenart gemäß. Die Tatbestände des Lebens, nicht die Rechtsbegriffe als das Primäre. Gutachten: A.Auslegung eines Wiedergutmachungsversprechens: Vergleich?, abstraktes Schuldanerkenntnis?, bloßes Beweismittel?, deklaratorisches Schuldanerkenntnis? — Annahme als Erfüllung und Beweislast, der geheime Vorbehalt (§116). B. Die Bedeutung des mitwirkenden Verschuldens (§ 254), „entsprechende" Anwendung des § 278 in §254, Abwägung des beiderseitigen Verschuldens. 8. F a l l : 3. Klausurarbeit

64

Vorbemerkung: Aufbaufragen: Dingliche und schuldrechtliche Ansprüche auf Herausgabe (§§861, 985, 1007, 812, 823), Reihenfolge der Prüfung, Verbot der Voranstellung allgemeiner Rechtsbegriffe, Anspruchs-, Definitions- und Gegennormen, Parallele zum Aufbau eines Strafrechtsfalls. Gutachten: A. Der possessorische Anspruch aus § 861: Begriff des fehlerhaften Besitzes und der verbotenen Eigenmacht, die rei vindicatio und die Klage des früheren Besitzers, Konkurrenz der schuldrechtlichen Ansprüche auf Herausgabe, Selbsthilfe auf Grund der §§ 859 und 229, Bedeutung des § 861 Abs. 2.

IX

Seite

B. Einwendungen aus einem Recht zum Besitz nach §§ 986 und 1007: beim Pfandleiher, Vermieter und Beschenkten, Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung in §812 und §816. Zweiter T e i l : Übungen für V o r g e r ü c k t e R i c h t l i n i e n f ü r die f o l g e n d e n F ä l l e : Nicht durchlesen, sondern erst selbst lösen und dann vergleichen.

79

9. F a l l : Besprechungsfall Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Vertragsschluß bei Verkauf einer fremden Sache, Handeln „unter fremdem Namen", subjektiv und objektiv unmögliche Leistung, Formmangel beim Grundstückskauf, Heilung durch Auffassung und Eintragung, Eigentumserwerb nach § 892 im Vertrauen auf das Grundbuch, Verfügung eines Nichtberechtigten nach § 185, Zwangskonvaleszens nach § 185 Abs. 2, 2. u. 3. Alt. B. Form der Bürgschaft beim Grundstückskauf, Wirksamkeit der Bürgschaft bei einer noch nicht entstandenen Hauptschuld, Begriff der selbstschuldnerischen Bürgschaft. C. Gesamtschuld und Bürgschaft, Bürgschaft und Schuldmitübernahme, Klagantrag bei Klage gegen Hauptschuldner und Bürgen, Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Ehemann.

79

10. F a l l : 1. Hausarbeit Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: Voraussetzungen des Anspruchs auf Finderlohn und des Anspruchs aus einer Auslobung, Auslegung einer Dankeserklärung: Erlaß, negatives Schuldanerkenntnis oder Annahme als Erfüllung.

89

11. F a l l : 1. Klausurarbeit Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Vertrag zugunsten Dritter, Auslegung eines Alimentenversprechens: Schenkung, Leibrente, Schuld versprechen, Vergleich, Versorgungsvertrag; Verstoß gegen Gesetz und gute Sitten, B. Anspruch aus § 1708 bei in der Ehe geborenen unehelichen Kindern, Anfechtungsrecht des Staatsanwalts.

97

12. F a l l : 2. Hausarbeit 103 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Leihvertrag mit Ehefrau, Unmöglichkeit der Rückgabe und deren Folgen, Besitzergreifung durch Ehemann.

X

Seite

B. Bedeutung des § 604 Abs. 4, Voraussetzungen und Umfang der Schlüsselgewalt, stillschweigende Ermächtigung, gutgläubiger Eigentumserwerb von einer Ehefrau, Besitzverhältnisse unter Ehegatten. C. Zulässigkeit einer Klagänderung. 13. F a l l : 2. Klausurarbeit 112 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Rechtliche Bedeutung einer Auswahlsendung, culpa in contrahendo, Haftung für culpa in concreto. B. Abnahme und Gefahrtragung beim Werkvertrag, Gefahr der „Leistung" und der „Gegenleistung", Verhältnis der §§ 323 ff. zu den §§ 275 ff. 14. F a l l : 3. Hausarbeit 119 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A. Rei vindicatio, Abhandenkommen bei Weggabe durch Angestellten?, condictio gegen den Beschenkten (§816 Abs. 1 S. 2). B. Eigentumserwerb .bei der Versteigerung gepfändeter Sachen, „privatrechtliche" und „hoheitsrechtliche" Theorie, condictio gegen den Ersteher? C. Ersatzansprüche nach dem Erwerb auf Grund einer öffentlichen Versteigerung, Anwendbarkeit der §§ 989 ff. und ihr Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen, Anwendbarkeit der §§ 812, 816. 15. F a l l : 3. Klausurarbeit 130 Vorbemerkung: Aufbau. Gutachten: A . E n t s t e h u n g einer Briefhypothek, ratio des §1117, Rechtsnatur des Anlagedarlehns, Bedeutung des § 370 und des Rechtsscheines, Handlungen in „Erfüllung" und bei „Gelegenheit" einer Verbindlichkeit. B. Berichtigungsanspruch, Widerspruch und Anspruch auf Herausgabe des Hypothekenbriefes nach §§ 985, 952 Abs. 2 und § 896. M e r k b l a t t : Zusammenstellung der Richtlinien für die Fallbearbeitung

. 136

Ü b e r s i c h t über die wichtigsten der besprochenen A n s p r u c h s g r u n d l a g e n und G e s e t z e s b e s t i m m u n g e n 139

XI

Literatur und Abkürzungsverzeichnis Baumbach Berg, Gutachten Berg, Handelsrecht

Berg, Referendarklausur DRZ Enneccerus-Lehmann Enneccerus-Nipperdey JR JW Lehmann, Allg. Teil Leonhard N JW OLG Palandt RG RGSt. RGRKomm. Seuff.Arcli. Staüdinger Wolff

Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aull, von Lauterbach, 1951. Gutachten und Urteil, Schäffers-Rechtsfälle Band 12, 4 . - 6 . Tsd., 1951. Handelsrecht einschl. Gesellschafts- und Wertpapierrecht, 70 Fälle mit Lösungen, SchäffersRechtsfälle, Band 5, 1950. Die Referendarklausur, Schäffers-Rechtsfälle Band 11, 1950. Deutsche Rechtszeitschrift. Recht der Schuld Verhältnisse, 13. Bearb., 1949/50. Allgemeiner Teil, 13. Bearb., 1931. Juristische Rundschau. Juristische Wochenschrift. Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl., 1949. Anleitung für die juristischen Übungs- und Prüfungsarbeiten, 9. Aufl., 1949. Neue Juristische Wochenschrift. Sammlung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. Kommentar zum BGB, 9. Aufl., 1951. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. Kommentar der Reichsgerichtsräte, 9. Aufl., 1939/40. Seufferts Archiv für Entscheidungen oberster Gerichte. Kommentar zum BGB, 10. Aufl. Sachenrecht, 9. Bearb., 1932.

XIII

Erster

Teil

Ü b u n g e n für A n f ä n g e r

1. Fall Besprechungsfall Referendar Flott, der als Student ein paarmal auf dem Gut seines verstorbenen Onkels zu Pferd gesessen hat, möchte sich im Reiten vervollkommnen. Er geht zum Tattersallbesitzer Mosheim, schildert ihm den Sachverhalt und erbittet ein zuverlässiges Pferd. Mosheim verspricht ihm das und gibt ihm beim ersten Ausreiten noch einen Reitknecht mit. Den Mietzins zahlt Flott im voraus. Als Flott bei seinem ersten Ausritt an einer Kolonne Arbeiter vorbeikommt, die mit großem Geräusch Straßenbahnschienen abladen, scheut sein Pferd, wirft ihn ab und rast in die Arbeitergruppe hinein. Der Vorarbeiter Schnell ergreift eine Eisenstange, um das Pferd abzuwehren. In diese verfängt sich das Pferd so unglücklich, daß es stürzt, ein Bein bricht und getötet werden muß. Schnell wird bei seinem Abwehrversuch schwer am Kopf verletzt. Wie ist die Rechtslage ? Vorbemerkung Der A u f b a u eines Falles Die F r a g e ist stets A u s g a n g s p u n k t eines Falles. Es kommt nicht darauf an, irgendwelche Rechtsprobleme, an die man sich aus der Vorlesung erinnert und die der Fall zu enthalten scheint, herauszugreifen und isoliert zu behandeln, sondern es ist lediglich die Frage zu beäntworten. Alles was nicht der Beantwortung der Frage dient, ist rücksichtslos wegzulassen, auch wenn man noch so sehr bedauert, wohl erworbenes Wissen nicht anbringen zu können. Es ist daher zunächst zu erfassen, was die Frage soll. Im vorliegenden Falle ist keine fest umrissene Frage gestellt, es ist z. B. nicht ausdrücklich gefragt, ob Flott von Mosheim den Mietzins zurückverlangen kann, sondern es ist allgemein nach der Rechtslage gefragt. Man könnte deshalb 1 Berg, Bürgerl. Recht.

1

versucht sein, die einzelnen tatsächlichen Vorgänge in der Reihenfolge ihrer Schilderung auf ihre rechtliche Bedeutung zu untersuchen. Es wäre dann zunächst zu prüfen, welchen Vertrag Flott mit Mosheim geschlossen hat, sodann ob der Vorarbeiter Schnell zu seinem Vorgehen berechtigt war, schließlich welche Ansprüche Schnell und evtl. Mosheim und Flott haben. Ein solcher Aufbau nach der sog. historischen Methode könnte angesichts der allgemeinen Frage nicht unbedingt als falsch bezeichnet werden. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der praktische Jurist es stets mit Ansprüchen bestimmter Personen gegen andere zu tun hat. So hat der Richter über die Klage des A gegen B zu entscheiden, der Rechtsanwalt die Aussichten eines von A gegen B beabsichtigten Rechtsstreits zu begutachten. Man hält sich daher zweckmäßig auch bei einer allgemein gehaltenen Frage nach der Rechtslage die mögliche Prozeßstellung der Beteiligten vor Augen und geht demnach von bestimmten Ansprüchen einzelner Personen gegen andere aus. Die Frage nach der Rechtslage ist daher dahin zu verstehen, daß die einzelnen Ansprüche zwischen den Beteiligten geprüft werden sollen. Der Aufbau vollzieht sich somit nicht historisch, sondern nach den R a r t e i e n , die sich jeweils gegenübertreten können,- und den zwischen ihnen denkbaren Ansprüchen. Welche Parteien in Betracht kommen, ergibt ein Hineindenken in ihre Interessenlage. Im vorliegenden Falle werden die Geschädigten von den Schädigern Schadenersatz verlangen, evtl. nehmen die Ersatzpflichtigen auch wieder Rückgriff. Geschädigt sind Mosheim durch den Tod des Pferdes, Schnell durch Gesundheitsschaden, Flott durch Wegfall des Mietgegenstandes. Nach diesen Personen wird sich das Gutachten demnach zunächst aufbauen. Die Untereinteilung erfolgt nach den in Betracht kommenden Ersatzpflichtigen. Den Schluß macht evtl. eine Erörterung über den Ausgleich der Ersatzpflichtigen untereinander. Damit steht der äußere Rahmen des Aufbaus fest. Das eigentliche Rechtsgutachten besteht nun darin, festzustellen, „was" die Beteiligten voneinander wollen und in welchen Rechtsbestimmungen dieses „was" eine rechtliche Grundlage finden kann, oder kürzer ausgedrückt „woraus" dieses „was" verlangt werden kann. Das „was" des Begehrens macht hier keine Schwierigkeiten. Mosheim und Schnell verlangen Ersatz des ihnen entstandenen Schadens, Flott evtl. die Rückzahlung des Mietzinses. Bei den im Vordergrund stehenden S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e n Mosheims und Schnells gibt es für die Frage, „woraus" der Schadenersatzanspruch hergeleitet werden kann, ein bestimmtes Schema, das auf das gemeine Recht zurückgeht. Danach können Schadenersatzansprüche hauptsächlich hergeleitet werden: aus Vertrag, aus vertrags2

ähnlichen Verhaltnissen (z. B. culpa in contrahendo, G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g — § 678 B G B —), Delikt und deliktsähnlichen Verhältnissen ( z . B . §701). V e r t r a g l i c h e A n s p r ü c h e s i n d s t e t s z u e r s t zu p r ü f e n , da sie angesichts der Vertragsfreiheit außervertraglich« Ansprüche weitgehend a b ä n d e r n .und evtl. ausschließen können. D a m i t steht auch der A u f b a u im übrigen fest. Gleichzeitig sind d a m i t die grundsätzlichen P u n k t e des A u f b a u s jeder Arbeit gegeben. Es ist — gedächtnismäßig leicht einprägsam — zu f r a g e n : „ W e r " will ,,von w e m " „ W a s " „W'oraus" ? Oder: 1. Welche Personen stehen sich als Parteien gegenüber ? Das entspricht der Frage nach den P r o z e ß p a r t e i e n . 2. W a s wollen sie voneinander ? — Das entspricht im Prozeß dem Klagantrag. 3. W o r a u s leiten sie ihre Forderung her ? — Das bedeutet die Untersuchung der Rechtssätze, die den Ivlagantrag begründen können, also die Untersuchung der A n s p r u c h s g r u n d l a g e n . Den hier vorgeschlagenen A u f b a u n e n n t m a n die k o n s t r u k t i v e Methode. Sie ist für den Anfänger schwieriger als die historische Methode, da das Gefühl noch nicht geschult ist, sofort die in Frage k o m m e n d e n Rechtsbeziehungen zu überblicken. Sie h a t aber den unschätzbaren Vorteil, daß nichts Überflüssiges erörtert wird und daß der junge J u r i s t u n m i t t e l b a r f ü r die Praxis geschult wird. Gutachten A. Die A n s p r ü c h e des T a t t e r s a l l b e s i t z e r s

Mosheim

Mosheim h a t einen Schaden erlitten, der darin besteht, daß er sein Pferd verloren h a t . I. E r wird in erster Linie versuchen, einen Schadenersatzanspruch gegen den R e f e r e n d a r F l o t t geltend zu machen, dem er das Pferd vermietet hat. 1. Als Anspruchsgrundlage k o m m t zunächst eine Verletzung des zwischen ihm und F l o t t abgeschlossenen M i e t v e r t r a g s in Betracht. F l o t t h a t t e als Mieter eine nebenvertragliche Obhutspflicht über die Sache. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht ist er aus dem Gesichtsp u n k t der positiven Vertragsverletzung (Schlechterfüllung) schadenersatzpflichtig (vgl. §§ 548, 276 BGB). Nach § 276 B G B h a t F l o t t grundsätzlich nur Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Ob eine gegenüber Mosheim zu vertretende Fahrlässigkeit vorliegt, erscheint zweifelhaft, i

3

weil F l o t t darauf v e r t r a u e n d u r f t e , daß das Pferd „zuverlässig" war. Zumindest ist beim Abschluß des Mietvertrags der Grad der zu vertretenden Fahrlässigkeit zugunsten F l o t t s erheblich gemindert worden, da F l o t t Mosheim zu erkennen gab, daß er si«h erst im Reiten vervollkommnen wolle und deshalb sogar einen Reitknecht zugeteilt erhielt. Dem F l o t t k a n n daher aus dem Scheuen des Pferdes kein Vorwurf gemacht werden. Es genügt als Anspruchsgrundlage bei der hier denkbaren positiven Vertragsverletzung den § 276 BGB anzuführen. Streng genommen gibt zwar § 276 nur einen H a f t u n g s m a ß s t a b und. keine Anspruchs g r u n d lage. Es ist aber heute allgemein anerkannt, daß schuldhafte.positive Vertragsverletzung zum Schadenersatz verpflichtet, sei es nach § 276 BGB direkt (so RG in ständiger Rechtsprechung, vgl. namentlich RG 106/25 ff.) sei es in Rechtsanalogie zu den §§ 280, 286 (so die Rechtslehre, vgl. namentlich Enneccerus-Lehmann §55 II). Zu a u s g e t r a g e n e n S t r e i t f r a g e n i s t n u r d a n n S t e l l u n g zu n e h m e n , w e n n m a n v o n i h n e n a b w e i c h e n will. Man hätte erwägen können, die Sondervorschrift des Mietrechts über die Rückgabepflicht (§ 556) als Anspruchsgrundlage anzuführen. S o n d e r v o r s c h r i f t e n sind g r u n d s ä t z l i c h vor den allgemeinen Regeln zu u n t e r s u c h e n , da sie die allgemeinen Regeln ausschließen oder.doch abändern können. § 556 kann aber hier ernsthaft nicht in Betracht kommen. Er bestimmt die Rückgabepflicht „nach B e e n d i g u n g des Mietverhältnisses". Durch eine vom Mieter verschuldete Unmöglichkeit der Rückgabe der gemieteten Sache wird das Mietverhältnis nicht beendigt; es verwandelt sich vielmehr nur der Rückgabeanspruch des Vermieters in einen Schadenersatzanspruch. Bei einer unverschuldeten Unmöglichkeit wird zwar das Mietverhältnis tatsächlich beendigt (vgl. RG 89/206), es kann dann aber kein Rückgabeanspruch gemäß § 556 mehr entstehen. 2. Als g e s e t z l i c h e A n s p r u c h s g r u n d l a g e für den dem Mosheim an seinem Eigentum entstandenen Schaden könnte § 823 Abs. 1 B G B in Frage kommen. Da aber durch die vertragliche A b m a c h u n g der Grad der zu vertretenden Fahrlässigkeit eingeschränkt ist, liegt eine schuldh a f t e Eigentumsverletzung nicht vor. Der Anspruch aus Delikt entfällt nicht schon deshalb, weil ein Vertrag vorliegt. Die allgemeine Rechtspflicht, niemanden körperlich zu verletzen und keine fremden Sachen zu beschädigen, kann nicht dadurch beseitigt werden, daß ein Vertrag die Einwirkung ermöglicht. „Der Vertrag verstärkt die allgemeine Rechtspflicht, nicht aber beseitigt er sie", RG 88/433, vgl. auch Enneccerus-Lehmann § 232 zu 1. Die Schadenersatzansprüche aus Verträgsverletzung und Delikt stehen in sog. Anspruchskonkurrenz. Strafrechtlich gesehen besteht Idealkonkurrenz, nicht Gesetzes-(Schein-) Konkurrenz. Wohl kann die vertragliche Haftungseinschränkung auch eine Einschränkung der deliktischen Haftung bewirken. 4

I I . Ansprüche Mosheims gegen den V o r a r b e i t e r S c h n e l l . 1. Mangels V e r t r a g s ist zunächst an § 8 2 3 A b s . 1 als Anspruchsgrundlage zu denken. D e r T o d des Pferdes ist infolge der V e r l e t z u n g durch Schnell eing e t r e t e n . Schnell h a t diesen T o d zumindest fahrlässig v e r u r s a c h t . E r m u ß t e d a m i t rechnen, daß das P f e r d durch seine A b w e h r m a ß n a h m e n v e r l e t z t wurde. Den T o d des Tieres als weitere F o l g e seines H a n d e l n s b r a u c h t e er n i c h t vorauszusehen (vgl. E n n e c c e r u s - L e h m a n n § 15 I I I 5). E s fragt sich aber, ob Schnell widerrechtlich gehandelt h a t . Schnell b e f a n d sich durch das scheu gewordene P f e r d , das in die A r b e i t e r g r u p p e raste, in einem N o t s t a n d . Nach § 2 2 8 durfte er zum S c h u t z seines L e b e n s und des L e b e n s seiner K a m e r a d e n das P f e r d abwehren. W e n n er zur A b w e h r der G e f a h r eine E i s e n s t a n g e ergriff, so k a n n ihm daraus kein Vorwurf g e m a c h t werden. In der Eile h a t t e er wahrscheinlich kein anderes A b w e h r m i t t e l zur Hand. D a ein Anspruch aus § 8 2 3 W i d e r r e c h t l i c h k e i t v o r a u s s e t z t , k a n n Mosheim aus dieser B e s t i m m u n g also keinen S c h a d e n e r s a t z a n s p r u c h herleiten. 2. I s t das V e r h a l t e n infolge N o t s t a n d s n i c h t widerrechtlich, so k a n n gleichwohl eine S c h a d e n e r s a t z v e r p f l i c h t u n g b e s t e h e n , wenn der in N o t s t a n d Handelnde die G e f a h r v e r s c h u l d e t h a t , § 2 2 8 S. 2. S c h n e l l h a t durch seine und seiner K a m e r a d e n A r b e i t zwar die G e f a h r veru r s a c h t , a b e r n i c h t verschuldet. Schnell b r a u c h t e n i c h t m i t dem S c h e u e n eines v o r ü b e r k o m m e n d e n Pferdes zu rechnen. § 228, der den sog. defensiven Notstand behandelt, d. h. die Beschädigung der g e f a h r b r i n g e n d e n Sache, ist nicht zu verwechseln mit dem sog. aggressiven Notstand in § 904, d. h. der Einwirkung auf eine n i c h t g e f a h r b r i n g e n d e Sache zur Abwehr gegen eine v o n a n d e r e r S e i t e drohende Gefahr. I I I . E i n A n s p r u c h gegen den A r b e i t g e b e r S c h n e l l s (wahrscheinlich die S t a d t ) aus § 8 3 1 entfällt, da Schnell bei Ausführung seiner Verr i c h t u n g n i c h t widerrechtlich gehandelt h a t . § 831 erfordert nur ein widerrechtliches Verhalten des zu einer Verrichtung Bestellten. Das V e r s c h u l d e n des H a n d e l n d e n interessiert nicht, da nicht der Handelnde, sondern der Besteller für eine unerlaubte Handlung in Anspruch genommen werden soll. Das hierzu grundsätzlich nötige Verschulden des B e s t e l l e r s wird vermutet. E s braucht also vom Geschädigten nicht dargelegt zu werden. Es ist Sache des Bestellers, sich gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 zu exkulpieren. I V . E i n Anspruch Mosheims gegen den R e i t k n e c h t k ö n n t e sich — wie bei F l o t t — entweder auf V e r t r a g oder auf u n e r l a u b t e H a n d l u n g gründen. D e r R e i t k n e c h t w a r aus seinem D i e n s t v e r t r a g und aus dem 5

Umstand_ heraus, daß er die Aufsicht über das Pferd tatsächlich übernommen hatte, zur erhöhten Aufmerksamkeit verpflichtet. Der Tatbestand gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, ob er nicht alles getan hat, was in seinen Kräften stand, um das Durchgehen des Pferdes zu verhindern. Mangels näherer Angaben muß die Frage, ob der Reitknecht schuldhaft seine Dienstpflicht verletzt hat (§ 276) oder durch sein Unterlassen schuldhaft das Eigentum Mosheims beschädigt hat (§ 823), offen gelassen werden. B. Die A n s p r ü c h e des V o r a r b e i t e r s S c h n e l l Schnell hat einen körperlichen Schaden erlitten. Er kann deswegen aber Ersatzansprüche nur geltend machen, soweit er keinen Erstattungsanspruch gegen den Träger der Unfall- oder Krankenversicherung auf Grund der Reichsversicherungsordnung hat. Andernfalls sind nur dieTräger der Sozialversicherung zur Geltendmachung befugt, da seine Ansprüche kraft Gesetzes auf sie übergegangen sind (§ 1542 RVO). Da aber auch diese Stellen nur Ansprüche gegen die Ersatzpflichtigen geltend machen können, soweit sie in der Person des Geschädigten entstanden sind, soll im folgenden von den Ansprüchen des Schnell gesprochen werden, ohne im einzelnen zu untersuchen, ob Schnell oder die Träger der Sozialversicherung zur Geltendmachung „aktiv legitimiert" sind. I. Es seien zunächst die Ansprüche gegen M o s h e i m untersucht, der wahrscheinlich der kapitalkräftigste Anspruchsgegner ist. Als Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht: 1. T i e r h a l t e r h a f t u n g nach §833. Mosheim ist Tierhalter, da er das Tier „für seinen Gewerbebetrieb verwendete" (RG 62/79). Das Vermieten des Tieres beendigte die Tierlialtereigenschaft nicht: sie bedeutete vielmehr gerade die wirtschaftliche Ausnutzung des Tieres für seinen Betrieb. Vgl. Palandt zu § 833 Anm. 4. Für die Tierhaltereigenschaft sind die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend, nicht das Eigentum am Tier. Entsprechendes gilt für die Eigenschaft als Halter eines Kraftfahrzeuges nach § 7 Kraftfahrzeuggesetz.

Der Schaden muß „durch" das Tier entstanden sein. Das Scheuen, Durchgehen und Ausschlagen ist eine typische Tiergefahr bei Pferden, die sich „aus der Natur dieser Tiere als lebender, aus eigenem Antrieb handelnder Wesen ergibt" (Enneccerus-Lehmann § 253 IV 2b). Anders ist es, wenn der Körper des Tieres durch eine äußere physische Kraft bewegt oder lediglich durch den Willen einer Person geleitet wird. Vgl. Enneccerus-Lehmann a. a. O.

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Der Tierhalter haftet grundsätzlich für den durch das Tier entstandenen Schaden schlechthin, also ohne Rücksicht auf Verschulden (Gefährdungshaftung). Etwas anderes gilt aber, wenn der Schaden wie hier durch ein Haustier verursacht wurde, das der Erwerbstätigkeit Mosheims als Tattersallbesitzers diente. Mosheim kann gemäß § 833 S. 2 den Nachweis führen, daß er bei Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Mosheim wird dieser Nachweis gelingen, wenn er dem Flott wirklich ein zuverlässiges Pferd gegeben hat, das nur infolge der außergewöhnlichen Umstände scheute und durchging. Da er aber die Beaufsichtigung des Pferdes einem Dritten, dem Reitknecht überließ, muß er außerdem entsprechend § 831 Abs. 1 S. 2 nachweisen, daß er bei Auswahl und Überwachung dieser Person die erforderliche Sorgfalt angewandt hat (vgl. EnneccerusLehmann § 253 IV 4b). 2. V e r k e h r s h a f t u n g nach § 823 Abs. 1. Neben § 833 kann Schnell sich auch auf die allgemeine Haftung nach § 823 Abs. 1 berufen. Dadurch daß Mosheim das Pferd in den Verkehr ließ, setzte er eine Gefahrenquelle und übernahm infolgedessen die Verpflichtung, etwaige Gefahren möglichst zu verhindern. Bei schuldhafter Verletzung dieser Verpflichtung haftet er jedem geschädigten Dritten auf Ersatz. Solche Verkehrspflichten hat jeder, der einen Verkehr eröffnet und damit eine Gefahrenquelle setzt. Sie entspringen „aus dem vorangegangenem Tun". So hat z. B. der Vermieter für die Beleuchtung des Miethauses, der Gastwirt für den ungefährdeten Aufenthalt in seiner Gastwirtschaft, die Gemeinde für den verkehrssicheren Zustand der Straßen zu sorgen. Die allgemeine Verkehrspflicht wird ergänzt durch eine allgemeine Aufsichtspflicht, wenn man die Erfüllung der Verkehrspflicht und die zur Sicherung der Erfüllung erforderlichen Maßnahmen einem Dritten überläßt. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 234 II 2 mit vielen weiteren Beispielen.

Eine Haftung aus § 823 Abs. 1 entfällt aber wahrscheinlich ebenso wie die zu 1. behandelte Haftung aus § 833, weil Mosheim ein zuverlässiges Pferd und einen zuverlässigen Reitknecht gestellt haben wird. Auch zwischen den Ansprüchen aus Gefährdungshaftung nach § 833 und Schuldhaftung aus § 823 besteht Anspruchskonkurrenz, vgl. oben zu A I 2. Man wird aber stets zuerst § 833 erörtern, da der Geschädigte hier nur darzulegen braucht, daß er durch ein Tier des Tierhalters geschädigt ist, während er in § 823 außerdem ein Verschulden des Tierhalters dartun muß (soweit nicht die Umstände ohne weiteres für ein Verschulden des Tierhalters sprechen — sog. prima facie-Beweis). Die

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Anspruchsgrundlage aus § 823 h a t hauptsächlich Bedeutung, wann u n k l a r ist, ob eine besondere Tiergefahr den Schaden verursacht h a t . Vgl. Bnneccerus-Lehmann § 253 IV 4 b.

3. Ansprüche aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g . Da voraussichtlich die Ansprüche aus §§ 833, 823 an der Exkulpation bzw. dem mangelnden Verschulden Mosheims scheitern, ist noch zu erwägen, ob Schnell nicht seinen Schaden unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes gemäß § 683 von Mosheim ersetzt verlangen kann. Körperliche Schäden sind dann als Aufwendungen, d. h. als freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten zu betrachten, wenn sie mit der Geschäftsführung notwendig verbunden sind und materielle Nachteile mit sich bringen, wie z. B. Kosten für Arztbehandlung, für Medikamente oder eine notwendige Erholungskur (vgl. Enneccerus-Lehmann § 162 zu 4). Der Anspruch setzt aber voraus, daß Schnell bei seinem Handeln ein Geschäft für Mosheim führen wollte und die Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn Mosheim entsprach (§§677, 683). Schon an der ersten Voraussetzung fehlt es. Schnell hatte bei der Abwehr des Pferdes nicht den Willen, für Mosheim ein Geschäft zu besorgen; er wollte nicht etwa das durchgehende Pferd anhalten, um es für Mosheim zu sichern, sondern er wollte lediglich sich und allenfalls seine Kameraden schützen und wenn nötig den Mosheim durch Verletzung des Pferdes sogar schädigen. Schnell kann daher keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gegen Mosheim geltend machen, sondern allenfalls anteilig gegen die Kameraden, in deren (objektivem) Interesse er zum Schutz ihres Lebens gleichzeitig gehandelt hat. Die Ansprüche gegen die Mitarbeiter aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g werden hier nur beiläufig erwähnt, da der T a t b e s t a n d zu wenig A n h a l t s p u n k t e f ü r eine eingehendere Untersuchung bietet.

II. Ansprüche gegen den Referendar F l o t t . 1. Schnell kann den Flott nicht aus § 833 in Anspruch nehmen, da Flott durch die vorübergehende Benutzung des Pferdes nicht zum T i e r h a l t e r geworden ist. Tierhalter ist vielmehr Mosheim geblieben. Auch §834, der für den T i e r h ü t e r die Haftung aus §833 vorsieht, entfällt, weil Flott durch die bloße Benutzung des Tiers noch nicht zum Tierhüter wird. Tierhüter ist derjenige, der gerade die Übernahme der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt. Die A u f s i c h t f ü h r u n g b r a u c h t allerdings nicht ausdrücklich bedungen zu sein. Sie liegt z. B. in der Ü b e r n a h m e des Tiers zur V e r w a h r u n g , zur J a g d a b r i c h t u n g oder zum Zureiten. Vgl. R G R K o m m . zu § 834 Anm. 3.

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2. F l o t t kann aber nach § 8 2 3 A b s . 1 h a f t b a r geworden sein, da ihn durch die Benutzung des Reitpferdes gleichfalls eine Verpflichtung traf, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beobachten. Voraussetzung hierfür ist ein schuldhaftes Verhalten. Anders als dem Mosheim gegenüber kann er sich bei Schnell nicht darauf berufen, daß der Grad der zu vertretenden Fahrlässigkeit gemindert sei. Denn zu Schnell steht er in keinerlei vertraglichen Beziehungen, durch die die Sorgfaltspflicht herabgesetzt ist. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist nach objektiven Maßstäben, nicht — wie das Verschulden im Strafrecht — subjektiv zu bestimmen. F l o t t hat aber der von ihm zu beobachtenden verkehrsmäßigen Sorgfaltspflicht dadurch genügt, daß er einen Reitknecht zur Beaufsichtigung mitnahm und ein zuverlässiges Pferd verlangte. Mehr konnte von ihm nicht erwartet werden. Mangels Verschulden ist daher ein Anspruch aus § 823 abzulehnen. I I I . Ansprüche gegen den

Reitknecht.

1. § 8 3 4 käme in B e t r a c h t , wenn der K n e c h t T i e r h ü t e r ist. Der K n e c h t handelte aber nur auf Anweisung seines Arbeitgebers im Rahmen seines allgemeinen Dienstvertrags. Ihm fehlt die für die Aufsichtsführung im Sinne des § 834 notwendige selbständige allgemeine Gewalt und Aufsicht (vgl. R G R K o m m . zu § 834 Anm. 2 und Enneccerus-Lehmann § 254 zu 1). 2. Ob der K n e c h t die für ihn durch die Übernahme des Pferdes entstandene Verkehrspflicht zur Vermeidung von Gefahren schuldhaft verletzt hat, hängt davon ab, ob er rechtzeitig h ä t t e einspringen und das Durchgehen verhindern können. Diese Tatfrage läßt sich mangels näherer Angaben im Sachverhalt nicht entscheiden. Trifft den K n e c h t ein Verschulden, so haftet er aus § 823 Abs. 1. C. A n s p r ü c h e des

Flott

Da F l o t t nach dem Sachverhalt keinerlei Sach- oder körperlichen Schaden erlitten hat, bleibt nur zu untersuchen, ob er wegen des vorzeitig abgebrochenen Spazierritts von Mosheim einen Teil des gezahlten Mietzinses zurückfordern kann. 1. Zu prüfen ist zunächst, ob die S o n d e r b e s t i m m u n g e n des Mietrechts, die den allgemeinen Bestimmungen des Schuldrechts vorgehen, einen Rückforderungsanspruch gewähren. Nach § 537 ist der Mieter automatisch von der Zahlung des Mietzinses befreit, wenn die Gebrauchsgewährung infolge eines Fehlers der

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vermieteten Sache nicht möglich ist. Ist der Mietzins bereits bezahlt, so besteht ein Rückforderungsanspruch gemäß § 812. Anders als bei Mängeln einer gekauften Sache erhält der Mieter also nicht nur einen Wandlungs- oder Minderungsanspruch, sondern wird von s e l b s t befreit. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 128 III 1 b. Die Voraussetzungen des § 537 sind aber nicht gegeben. Das Scheuen des Pferdes ist nicht auf den Mangel der zugesicherten Eigenschaft zurückzuführen. Auch ein anderes Pferd h ä t t e sehr wahrscheinlich unter den gegebenen Umständen — plötzlicher ungewöhnlicher Lärm und ein schlechter Reiter — gescheut. 2. Die §§ 537—541 geben Speziairegeln nur bei Sach- und Rechtsmängeln der gemieteten Sache. Soweit die Nichterfüllung nicht auf solche Mängel zurückzuführen ist, bewendet es bei den a l l g e m e i n e n V o r s c h r i f t e n über gegenseitige Verträge (§§323—327). Mosheim ist die ihm nach dem Mietvertrag obliegende Hauptverpflichtung zur Gewährung des weiteren Gebrauchs der vermieteten Sache unmöglich geworden. Da die Unmöglichkeit weder von Flott noch von Mosheim zu vertreten ist, ist § 323 anzuwenden. Gemäß § 323 Abs. 1 Halbsatz 2 mindert sich bei der hier vorliegenden nur teilweisen Unmöglichkeit der Mietzins gemäß §§ 472, 473. Flott kann demnach'die Herausgabe des Mietzinses für die Zeit fordern, in der er das Pferd nicht mehr reiten konnte, und zwar gemäß § 323 Abs. 3 nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Die allgemeinen Bestimmungen über gegenseitige Verträge werden übrigens auch abgesehen von den §§ 537—541 zum Teil durch die Sonderbestimmungen des Mietrechts verdrängt. So ist das Rücktrittsrecht der §§ 325, 326 durch ein Recht zur fristlosen Kündigung nach § 542 ersetzt, das nicht auf die Fälle schuldhafter Nicht- oder Schlechterfüllung beschränkt ist. Jedoch ist das Rücktrittsrecht „nur insoweit ausgeschlossen, als die Kündigungsgründe des § 542 oder umgekehrt beim Vermieter der §§ 553, 554 zutreffen. Erfüllt z . B . der Mieter wesentliche andere, im Mietvertrag festgelegte Verpflichtungen, wie die Leistung einer Bürgschaft, nicht, so bleibt dem Vermieter das Rücktrittsrecht nach § 326", Enneccerus-Lehmann § 1 2 8 112. Die allgemeinen Vorschriften werden eben nur soweit verdrängt als die Speziairegeln reichen.

D. Ergebnis Mosheim hat wegen des Verlusts des Pferdes allenfalls einen Anspruch gegen den Reitknecht, falls dieser seine Aufsichtspflicht verletzt hat. Das gleiche gilt für Schnell wegen des ihm entstandenen Körperschadens. 10

Flott kann für die Zeit des Nichtgebrauchs den Mietzins zurückfordern. Falls der Reitknecht haftet, kann Mosheim auch den durch den Mietausfall entstandenen Schaden auf diesen abwälzen (§ 249). Ausgleichsansprüche zwischen den Beteiligten kommen nicht in Betracht. 2.

Fall

Besprechungsfall Der 22 jährige stud. phil. Fenton bewohnte bei Frau Flut ein möbliertes Zimmer. Frau Flut zeigte sich stets zuvorkommend und hilfsbereit, so daß zwischen der Vermieterin und dem Mieter ein gutes Einvernehmen bestand. Eines Tages erhielt Frau Flut unerwartet einen Brief ihres auswärts wohnenden Sohnes, in dem dieser ihr mitteilte, er sei plötzlich erkrankt und werde in acht Tagen für längere Zeit nach Hause kommen. Um Platz für ihren Sohn zu schaffen, sah sich Frau Flut gezwungen, ihrem Zimmermieter Fenton zu kündigen. Noch am gleichen Abend hörte dieser zufällig von einem seiner Bekannten, daß in der Nähe, bei einer Frau Reich, ein schönes Zimmer frei sei. Frau Reich habe ihm — dem Bekannten des Fenton — gesagt, sie wolle das Zimmer für 30 DM vermieten. Fenton hielt das Angebot für günstig und schickte, da er selbst eben im Begriff war, zu einem Konzert zu gehen, sogleich das Töchterchen seiner Wirtin mit einem Brief zu Frau Reich. Darin schrieb er, daß er das fragliche Zimmer vom nächsten Ersten an für 30 DM mieten wollte. Frau Reich las den Brief durch, gab dem Mädchen aber keinen Bescheid mit zurück. Sie stand noch mit einem andern Mieter in Unterhandlungen, der ihr evtl. mehr bot. Am folgenden Tage zerschlugen sich die Verhandlungen aber, und Frau Reich ging darauf noch spät abends zur Wohnung des Fenton, um ihm mitzuteilen, daß sie ihn, wie er geschrieben habe, am 1. erwarte. Da Fenton selbst nicht zu Hause war, wandte sie sich an Frau Flut, diese möge ihm die Nachricht übermitteln. Inzwischen hatte sich aber folgendes zugetragen: Frau Flut hatte telegraphisch Nachricht bekommen, daß ihr Sohn im Krankenhaus sei und nicht nach Hause kommen könne, Auf diese Nachricht hatte sie dem Fenton erklärt, daß sie die Kündigung zurücknähme. Fenton hatte sich sofort damit einverstanden erklärt, da ihm der lästige Umzug erspart wurde und er sowieso lieber bei Frau Flut wohnen blieb. Das erzählte Frau Flut denn auch Frau Reich, die sich daraufhin mit einigen unfreundlichen Worten und der Bemerkung, das alles gehe sie gar nichts an, entfernte. Dem Fenton erzählte Frau Flut von dem ganzen Vorfall nichts. Plötzlich, am 2. des nächsten Monats, erhielt Fenton einen eingeschrie11

benen Brief, in dem F r a u Reich ihn daran erinnerte, daß er j a bei ihr das Zimmer gemietet habe und daß sie, Frau Reich, wenn er nicht zahle, gegen ihn wegen Mietzinsforderung gerichtlich vorgehen werde. Fenton, dem es beim Lesen dieser Zeilen etwas ungemütlich wurde, fragte seinen Freund, einen jungen Juristen, ob er unter den gegebenen Umstünden die doppelte Miete zahlen müsse. A'orbemerkung Aufbau Fenton fragt, ob er die doppelte Miete zahlen müsse. E s ist daher nacheinander zu untersuchen, ob Ansprüche beider Personen gegen ihn begründet sind. Zweckmäßig beginnt man mit der Prüfung des Anspruchs von F r a u Reich, da dieser Anspruch im Vordergrund des Interesses steht und evtl. den Anspruch der F r a u Flut beeinträchtigt. Damit ist der Aufbau in seinem äußeren Rahmen festgelegt. F ü r den Anfänger liegt es in diesem Falle besonders nahe, losgelöst von der F r a g e die einzelnen Vorgänge zunächst historisch auf ihre rechtliche Bedeutung zu untersuchen. Richtig ist, daß die im Mittelpunkt stehende F r a g e des Vertragsschlusses mit F r a u Reich nur beantwortet werden kann, wenn m a n in zeitlicher Reihenfolge erst die Wirksamkeit der Offerte und sodann die Wirksamkeit der Annahme prüft. Diese Art der Prüfung ist durch die besondere Sachlage bedingt. Eine gleiche Sachlage besteht z. B., wenn die F r a g e des Eigentums zu prüfen ist. Die Prüfung erstreckt sich dann gewöhnlich nacheinander auf die Fragen, ob das Eigentum u r s p r ü n g l i c h rechtmäßig erworben wurde und nicht s p ä t e r wieder verloren gegangen ist. Dieses notwendige historische Vorgehen ergibt sich aber zwanglos, auch wenn m a n nach der konstruktiven Methode die in Betracht kommende Anspruchsgrundlage an die Spitze stellt. Das Einordnen des historischen Vorgehens in die zu erörternde Anspruchsgrundlage hat den großen Vorteil, daß m a n sofort einsieht, daß diese Untersuchungen zur Beantwortung der F r a g e notwendig sind. Gutachten A. Der M i e t a n s p r u c h der F r a u Reich gegen

Fenton

Der Mietanspruch der F r a u Reich gegen Fenton ist aus § 535 S. 2 begründet, wenn zwischen diesen Personen ein Mietvertrag zustandegekommen ist. Zum Zustandekommen eines Vertrags bedarf es eines ordnungsmäßigen A n t r a g s und einer Annahme dieses Antrags. 12

I. Sieht man in der Mitteilung Frau Reichs an einen Bekannten Fentons, sie habe ein schönes Zimmer für 30 DM zu vermieten, bereits ein hinreichend bestimmtes Angebot, so hätte Fenton dieses Angebot angenommen, als er das Töchterchen der Frau Flut zur Frau Reich schickte ujid dieser brieflich mitteilte, daß er das Zimmer zum nächsten Ersten mieten wolle. Der Vertrag wäre dann bereits durch diesen Brief zustandegekommen. Das spätere Verhalten der Frau Reich, insbesondere ihre Mitteilung am späten Abend des folgenden Tages, wäre rechtlich bedeutungslos. Die Bekanntmachung der Frau Reich, sie habe ein schönes Zimmer für 30 DM zu vermieten, enthält jedoch kein Angebot an eine bestimmte Person, sondern lediglich eine A u f f o r d e r u n g an einen unbestimmten Personenkreis zur Abgabe von Angeboten, ähnlich wie die Anzeige in einer Zeitung. Frau Reich wollte keineswegs mit jedem Interessenten, der das „Angebot" „ a n n a h m " , abschließen, sondern sich den Interessenten zunächst ansehen und sich den Abschluß des Vertrags vorbehalten. Das zeigt auch ihr Verhalten nach Erhalt des Briefes. Sie verhandelte noch mit einem anderen Mieter, der ihr evtl. mehr bot. Grundsätzlich ist bei Angeboten an u n b e s t i m m t e Personen, bei denen es auf die Vertrauens- und Kreditwürdigkeit a n k o m m t , nur eine Aufforderung zu Vertragsangeboten anzunehmen. Anders z. B. bei Aufstellung eines V e r k a u f s a u t o m a t e n . Hier m a c h t der U n t e r n e h m e r an jeden, der das verlangte Geldstück einwirft, eine Vertragsofferte,. die d u r c h den Einwurf angenommen wird und alsbald zur E r f ü l l u n g des Vertrags f ü h r t . Vgl. Lehmann, Allg. Teil § 33 I I 1 a und b.

II. Ein Vertragsangebot kann daher erst in dem Brief Fentons an Frau Reich gesehen werden, in dem er dieser mitteilt, daß er das fragliche Zimmer für 30 DM zum nächsten Ersten mieten wolle. Dieses Angebot war bestimmt genug, um durch ein einfaches „ J a " angenommen zu werden. .Ist dieses Vertragsangebot rechtswirksam dadurch angenommen worden, daß Frau Reich am Abend des folgenden Tages der Frau Flut mitteilte, sie erwarte Fenton zum 1. des nächsten Monats? 1. Da es sich bei der Vertragsannahme nicht um eine einseitige, sondern um eine e m p f a n g s b e d ü r f t i g e Willenserklärung handelt, ist für die W i r k s a m k e i t zunächst bedeutsam, daß sie dem andern Teil zugeht, § 130 Abs. 1. Streng einseitige Willeoserklärungen, die bereits mit der A b g a b e wirksam werden, sind z. B. die Testamentserrichtung, die Eigentumsaufgabe (sog. Dereliktion) nach §959, die Auslobung nach §657. E m p fangsbedürftig sind alle Willenserklärungen, die die Rechtslage einer

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bestimmten anderen Person beeinflussen sollen, wie z. B. Vertragsangebot und -annahme, Kündigung und sonstige Gestaltungsrechte. Der anderen Person muß hier die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft werden. Vgl. Lehmann, Allg. Teil § 25 I I . Zugegangen ist eine Willenserklärung erst, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt, daß unter gewöhnlichen Verhältnissen mit seiner Kenntnisnahme zu rechnen ist. Vgl. RG 50/194. Das BGB hat sich in §130 für die „Zugangs-" oder „Empfangstheorie" entschieden und damit zum Ausdruck gebracht, daß es nicht genügt, wenn der Erklärende die Erklärung a b g e s a n d t , z. B. in den Postbriefkasten gesteckt hat (wie die sog. Entäußerungs- oder Absendungstheorie verlangt), daß es aber auch nicht erforderlich ist, daß die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis des Empfängers gelangt (wie die sog. Vernehmungstheorie für nötig hält). Vgl. Lehmann a. a. O. §32 II. §130 spricht streng genommen nur von der Willenserklärung, die einem „Abwesenden" gegenüber abgegeben wird, ein Fall, der hier vorliegt (vgl. unten 2). Der Grundgedanke des § 130 gilt jedoch allgemein auch bei Willenserklärungen unter Anwesenden, jedenfalls soweit es sich um verkörperte Willenserklärungen (Übergabe einer Schrift) handelt." Vgl. den lehrreichen Fall in RG 61/415: Dort wollte sich eine Ehefrau durch Übergabe einer schriftlichen Bürgschaftserklärung dem anwesenden Gläubiger gegenüber verpflichten. Die Übergabe der bereits unterschriebenen Urkunde unterblieb aber, als sich der Hauptschuldner — ihr Ehemann — im Nebenzimmer erschoß. Das Reichsgericht verneinte den „Zugang" der Willenserklärung. Vgl. auch Pälandt zu § 130 Anm. 1 b und Lehmann, Allg. Teil § 32 C III. Bei s c h r i f t l i c h e r (sog. verkörperter) Willenserklärung genügt es in der Regel, daß das Schriftstück in die Wohnung des — anwesenden oder abwesenden — Empfängers gelangt, z. B. in den Hausbriefkasten geworfen oder einem Familienangehörigen oder Hausangestellten abgegeben wird. Bei einer m ü n d l i c h e n Erklärung an eine M i t t e l s p e r s o n müssen aber besondere Anforderungen an den Zugang gestellt werden, da in höherem Maße die Gefahr unrichtiger oder verabsäumter Bestellung besteht. Die herrschende Meinung, insbesondere die Rechtsprechung des Reichsgerichts, verlangt daher, daß die Mittelsperson geeignet und fähig sein muß, die Erklärung pünktlich und richtig weiterzugeben (vgl. RG 60/334, 102/296, RGRKomm. zu § 130 Anm. 1, Enneccerus-Nipperdey § 149 Anm. 15b, Palandt zu § 130 Anm. 2). Noch weitergehend verlangen Lehmann (Allg. Teil § 32 C II 3) und Staudinger-Riezler (BGBKomm, zu § 130 Anm. 13), daß die Mittelsperson zur Empfangnahme sogar b e v o l l m ä c h t i g t e r (passiver) Vertreter bzw. Empfangsbote sein müsse, andernfalls die Erklärung erst wirksam werde, wenn sie an den Empfänger weitergegeben werde. 14

Das bedeutet indes in gewissem Sinne die Anwendung der „Vernehmungstheorie" bei nicht verkörperten Erklärungen. Denn der bevollmächtigte Vertreter steht an Stelle des eigentlichen Erklärungsempfängers.

Einer bestimmten Stellungnahme zu dieser Frage bedarf es hier nicht. Denn es kommt darauf nicht an, wie im folgenden ausgeführt wird. Es ist falsch, Streitfragen zu entscheiden, wenn sie letzten Endes durch die besondere Lage des Falles ohne praktische Bedeutung für den gegebenen Sachverhalt sind. Auch das Reichsgericht nimmt grundsätzlich nur Stellung zu einer Frage, wenn sie für die Entscheidung ausschlaggebend ist.

Eine Hauswirtin ist zwar nicht, wie die im Hause lebenden erwachsenen Familienangehörigen und Hausangestellten schlechthin als bevollmächtigt zur Entgegennahme von Erklärungen anzusehen. Hier Hegen die Verhältnisse jedoch so, daß ein „gutes Einvernehmen" zwischen Vermieterin und Mieter bestand und daß Frau Flut sich stets „hilfsbereit und zuvorkommend" gezeigt hatte. Bezeichnend für das Freundschaftsverhältnis ist auch, daß Fenton das Töchterchen als Boten benutzte und sich sofort bereit erklärte, weiter in der Wohnung zubleiben, als der Hindernisgrund weggefallen war. Frau Flut kann daher als E m p f a n g s b o t e für Fenton angesehen werden, so daß nach beiden Theorien die Annahmeerklärung zugegangen ist. Selbst wenn man aber Frau Flut nicht als Empfangsboten, sondern nur als zum Empfang geeignete und fähige Mittelsperson ansehen würde, wäre der Unterschied der beiden Theorien vorliegend nicht bedeutend. Man kommt zwar nach der engeren Auffassung Lehmanns u. a. dann o h n e w e i t e r e s zur Ablehnung des Vertragsschlusses, da die Annahmeerklärung dem Fenton mangels Kenntnis nicht „zugegangen" ist. Die Auffassung der herrschenden Lehre führt aber zum gleichen Ergebnis, und zwar aus folgendem Grunde: Der Zugang der Annahmeerklärung ist allein nicht entscheidend; es muß 2. die Annahmeerklärung auch r e c h t z e i t i g zugegangen sein. Nach § 147 kann der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort, der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Ob ein Antrag an einen Anwesenden oder Abwesenden gemacht wird, richtet sich danach, ob die Vertragsparteien einander persönlich gegenüber treten oder nicht. Telefonische Übermittlung an den Vertragspartner schließt die Anwesenheit nicht aus, § 147 Abs. 1 S. 2. Desgleichen nicht die Übermittlung durch oder an einen Vertreter (vgl. § 164 Abs. 1 und 3). Dagegen ist die Erklärung eines Boten oder an einen Empfangsboten nicht 15

unter „Anwesenden" abgegeben. Denn es fehlt hier die Möglichkeit u n m i t t e l b a r e r Kenntnisnahme, die für eine Erklärung unter Anwesenden wesentlich ist. Vgl. Staudinger-Riezler a. a. O. zu § 147 Anm. 3 und Palandt zu §§ 147, 148 Anm. 4. Weitergehend hält Lehmann, Allg. Teil §33 II 3 die Überbringung eines Antrags durch einen Boten, der zur Entgegennahme der Annahmeerklärung b e v o l l m ä c h t i g t ist, für eine Erklärung unter Anwesenden (ebenso Ennecc.-Nipperdey §152 II 2a). M. E. zu Unrecht: Der Bote ist als Empfangsbote nicht passiver Stellvertreter, sondern nur Überbringer der Botschaft. Er steht nicht wie der Vertreter an Stelle des Erklärungsempfängers. Er vertritt ihn daher auch nicht in der „Anwesenheit" bei Entgegennahme der Willenserklärung. Die Frage kann nur lauten, ob mit Rücksicht auf die Ermächtigung des Boten zur Entgegennahme der Antwort die Annahmeerklärung unter diesen Umständen vom Antragenden sofort erwartet werden darf, vgl. § 147 Abs. 2. Das Töchterchen der Frau Flut ist nur Bote, da es lediglich einen Brief überbringen soll. Es fehlt ihm die für einen Vertreter notwendige Entschlußfreiheit in der Abgabe der Erklärung. „Wo nur ausgerichtet werden soll, was aufgetragen ist, wird jemand als Bote verwandt; Vertreter ist er da, wo ihm ein Spielraum für die Entschließung gelassen wird, sei es hinsichtlich des Geschäftsinhalts oder der Auswahl des Vertragsgegners oder der zu kaufenden Gegenstände usw." Lehmann, Allg. Teil § 36 I 1 a. Der Unterschied zwischen passivem Stellvertreter (§ 164 Abs. 3) und Empfangsboten liegt im folgenden: Der Empfangsbote wirkt nur rein tatsächlich mit beim Zugang der Willenserklärung, z. B. durch Entgegennahme des Antwortschreibens. „Bei der Annahme einer m ü n d l i c h e n Erklärung kommt es darauf an, ob der Annehmende die Worte rein äußerlich an den Empfänger weitergeben soll, ohne Rücksicht auf ihr Verständnis (Bote) oder ob er ihren Sinn verstehen und die verstandene Erklärung weitergeben soll (Vertreter)", Lehmann a. a. O. § 36 I 2. Fenton hat das Töchterchen auch nicht ausdrücklich beauftragt, s o f o r t die Antwort der Frau Reich entgegenzunehmen. Er mußte billigerweise Frau Reich eine gewisse Bedenkzeit zubilligen, um sich über die Person des neuen Mieters zu vergewissern. Mit einer sofortigen Annahme war daher nicht zu rechnen. Vielmehr war die Antwort „unter regelmäßigen Umständen" (§ 147 Abs. 2) nicht vor dem folgenden Tag zu erwarten. Die Frist zur Antwort bei einer Erklärung unter Abwesenden umfaßt üblicherweise einen Zeitraum, der die normale Laufzeit des A n t r a g s bis zum Eintreffen beim Empfänger, eine angemessene Ü b e r l e g u n g s f r i s t für diesen und die normale Laufzeit der A n t w o r t enthält. 16

Das Allgebot Fentons war gegen 8 Uhr abends bei Frau Reich eingegangen. Frau Reich konnte sich im Laufe des Vormittags schlüssig werden und bis spätestens im Laufe des Nachmittags Bescheid geben. Ihre Antwort spät abends ist nicht mehr rechtzeitig, um so weniger als die Annahme gemäß § 130 Abs. 1 erst in dem Zeitpunkt als zugegangen anzusehen ist, in dem mit der Kenntnisnahme Fentons normalerweise zu rechnen war. Das war aber nicht vor dem Vormittag des nächsten Tages, da Frau Flut ihren Mieter wegen der vorgerückten Abendstunde und wegen seiner Abwesenheit am selben Abend nicht mehr sprechen konnte. Es kommt hinzu, daß Frau Reich ,,in der Nähe" wohnte und üblicherweise der Mieter bei der Zimmersuche für einen nahen Termin ein starkes Interesse daran hat, nicht zu lange im unklaren gelassen zu werden. Auf § 149 kann sich Frau Reich nicht berufen, da diese Bestimmung voraussetzt, daß die Annahmeerklärung r e c h t z e i t i g a b g e s a n d t ist und die Verzögerung in der B e f ö r d e r u n g (z. B. bei der Post) liegt. I I I . Die verspätete Annahme eines Antrags gilt nach § 150 Abs. 1 als neuer Antrag. Auf diesen Antrag hat aber Fenton nicht geantwortet und konnte nicht antworten, weil er ihn nicht von Frau Flut mitgeteilt bekam. Sein Schweigen kann nur dann als stillschweigende Annahme angesehen werden, wenn Frau Reich nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte voraussetzen durfte, daß er trotz der Verspätung die Annahmeerklärung noch gutheißen würde. Hiervon kann aber keine Rede sein, da Frau Flut die Frau Reich bereits über die inzwischen eingetretene Veränderung der Sachlage unterrichtet hatte und Frau Reich daher nicht mehr mit einer Annahme ihres Antrags rechnen konnte. B. Der M i e t a n s p r u c h der F r a u F l u t gegen

Fenton,

I. Der alte Mietvertrag ist durch die Kündigung der Frau Flut beendigt. Eine Rücknahme der Kündigung mit der Wirkung, daß das alte Mietverhältnis wieder auflebt, gibt es nicht, selbst nicht bei beiderseitigem Einverständnis; denn die Rechtswirkung der Kündigung — die Beendigung des Mietvertrags — ist bereits mit der Ausübung dieses Gestaltungsrechts eingetreten. Es bleibt nur der Abschluß eines neuen Mietvertrags übrig. Nach Kündigung eines formbedürftigen Vertrags bedarf es daher zur „Rückgängigmachung der Kündigung" sogar einer Wiederholung der Form. — Dieselbe Rechtslage besteht bei andern Gestaltungsrechten, z. B . der Anfechtung, durch deren Erklärung das Rechtsgeschäft rückwirkend nichtig wird und die „ B e s t ä t i g u n g " daher als erneute Vornahme zu beurteilen ist ( § 1 4 1 ) . 2

B e r g , Bürgerl. Kocht.

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II. In der dem Fenton gegenüber erklärten Rücknahme der Kündigung ist im Wege der Auslegung (§ 133) ein Antrag der Frau Flut auf A b s c h l u ß e i n e s n e u e n M i e t v e r t r a g s zum nächsten Ersten zu erblicken. Fenton hat durch die Erklärung seines Einverständnisses diesen Antrag angenommen und dadurch einen neuen Mietvertrag abgeschlossen. Fenton ist daher verpflichtet, die Miete an Frau Flut zu zahlen, aber auch nur an diese. Der Anspruch der Frau Reich ist abzulehnen.

3. Fall 1. Hausarbeit Assessor Meyer aus Berlin will im Februar zum Schifahren ins Gebirge reisen und telegrafiert an den ihm von seinen Freunden empfohlenen Wirt des Hotels „Zur Post" in Garmisch-Partenkirchen, Andreas Huber, man möge ihm ein Zimmer reservieren. In Garmisch angekommen, übergibt er das Gepäck dem dort auf Gäste wartenden Portier des Hotels „Zur Post" und geht zu Fuß zum Hotel. Dort erklärt ihm Herr Huber, kein Zimmer mehr frei zu haben. Wie Meyer später in Erfahrung brachte, hatte Herr Huber zwar ursprünglich für ihn ein Zimmer bereitgestellt, als aber am Abend vor der Ankunft des- Meyer sich ein ganzer Schiklub im Hotel einquartierte, das Zimmer einem Mitglied des Klubs, dem Schiführer und Bergsteiger Toni Schmidt aus München, der sonst keinen Platz mehr bekommen hätte, überlassen. Meyer läuft sofort zum nächsten Hotel „Zum Bären" und mietet dort ein Zimmer. Er muß aber hier 2,50 DM mehr für das Zimmer bezahlen, als das Zimmer im Hotel „Zur Post" gekostet hätte. Als er sein Gepäck sucht, muß er zu seinem Schrecken entdecken, daß dieses nicht mehr aufzutreiben ist. Der Portier des Hotels „Zur Post" behauptet zwar, es im Hotel abgeliefert zu haben, es muß dann aber dort abhanden gekommen sein. Meyer verlangt jetzt von Huber Schadenersatz a) wegen des höheren Zimmerpreises, b) wegen des abhanden gekommenen Gepäcks. Dringt er mit seinen Ansprüchen durch ? Kann er sich evtl. auch an das Mitglied des Schiklubs, Toni Schmidt halten, der das Zimmer genommen hatte, obwohl er wußte, daß es für Meyer reserviert war ? Macht es einen Unterschied, wenn das Zimmer noch nicht für Meyer reserviert war, Huber vielmehr wegen Überfüllung seines Hotels auf das Telegramm nichts veranlaßt hatte ? 18

Vorbemerkung

I. A u f b a u f r a g e n Die schriftlichen Arbeiten sollen zeigen, daß das bisher Gelehrte verstanden ist. Der Aufbau muß sich daher nach den bisherigen Richtlinien vollziehen. An die Spitze gehören die Fragen. Jede Frage ist einzeln zu stellen und zu beantworten. Insbesondere ist die Alternativfrage: „Macht es einen Unterschied, wenn . . .", nicht mit der 1. Frage zu vermengen. Die Lösung würde sonst unübersichtlich, da jeweils der Sachverhalt variiert werden müßte. Der äußere Aufbau gestaltet sich demnach unter Berücksichtigung des Schemas, „Wer" verlangt „vom Wem" „Was" ?, wie folgt: A. Ansprüche des Meyer gegen H u b e r auf Schadenersatz I. wegen des höheren Zimmerpreises, II. wegen des abhandengekommenen Gepäcks. B. Ansprüche des Meyer gegen S c h m i d t auf Schadenersatz. C. Die Alternativfrage mit den Untereinteilungen nach den Fragen zu A und B. Historisch vorzugehen ist — wie im 2. Fall — nur im Rahmen der gestellten Fragen erlaubt. Die Frage „Woraus" Schadenersatz verlangt werden kann, d. h. welche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen, wurde bereits im 1. Fall eingehend erörtert. Hier interessieren sowohl Ansprüche aus Vertrag als auch aus vertragsähnlichen Verhältnissen (falls kein Vertrag zustandegekommen ist), ferner aus Delikt und deliktsähnlichen Verhältnissen (z. B. Gastwirtshaftung). Im Vordergrund steht die Frage der Vertragsverletzung. Das erfordert Untersuchungen darüber, ob ein Vertrag zustandegekommen ist, und wenn ja, welcher Vertrag vorliegt. Letzteres ist wichtig, da Spezialbestimmungen gegeben sein können, die die allgemeinen Bestimmungen über Vertragsverletzungen verdrängen (vgl. oben S. 9f.). Das Vorgehen bei der Untersuchung, ob ein Vertrag zustandegekommen ist, wurde bereits im 2. Besprechungsfall gezeigt: Es ist nacheinander zu prüfen, ob ein wirksames Angebot und eine wirksame Annahme vorliegen. Diese Überlegungen bestimmen den Aufbau im einzelnen. II. R i c h t l i n i e n f ü r die A u s a r b e i t u n g 1. Es ist ein R e c h t s g u t a c h t e n zu erstatten, d. h. es ist nur eine rechtliche Würdigung des Falles zu geben. Der Fall als solcher steht fest und ist dem Bearbeiter und Beurteiler bekannt. Es ist daher falsch, 2•

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in der schriftlichen Ausarbeitung den Fall ganz oder teilweise zu wiederholen. Es heißt also nicht: „M. telegrafiert an H. Darin kann ein Angebot liegen", sondern : „Das Telegramm M's an H kann ein Vertragsangebot sein". Bei umfangreichen Arbeiten ist gegebenenfalls durch kurze Überschriften auf den jeweils untersuchten Teil des Tatbestands hinzuweisen, z. B. „Die Bedeutung des Telegramms des M an H". 2. Das Rechtsgutachten soll den W e g zeigen, auf dem eine Lösung gefunden wird. Es stellt daher nicht das Ergebnis an den Anfang, sondern die Frage. Die Frage gibt der folgenden Untersuchung Ziel und Richtung und ist der Wegweiser für den Leser. Aus der Hauptfrage ergeben sich Unterfragen, die die anschließenden Teiluntersuchungen umreißen. Nur so weiß der Leser in jedem Augenblick, wozu die Rechtsausführungen dienen und inwiefern sie nötig sind, um die gestellte Frage zu beantworten. Die Frage kann in mannigfachster Form gestellt werden, z. B.: „Es fragt sich, ob . . .", „zunächst ist zu prüfen, ob . . .", „Der Anspruch k a n n auf Vertragsverletzung gestützt werden", „ V o r a u s s e t z u n g ist, daß ein Vertrag zustandegekommen ist". Die Frage kann aber auch direkt gestellt werden: „Kann M von Sch Schadenersatz verlangen?". Ausdrückliche Erörterungen über den Aufbau sind tunlichst zu vermeiden. Der Aufbau muß in sich selbst verständlich sein. Er erübrigt sich auch, der Arbeit eine besondere Disposition' vorauszuschicken oder die Arbeit äußerlich zu sehr unterzuteilen. Durch einige Unterteilungszeichen und durch Absätze erreicht man genügende Übersichtlichkeit. 3. Der Bearbeiter soll bei einer Häusarbeit zeigen, daß er die einschlägige L i t e r a t u r berücksichtigt hat. Zitate sind aber nur angebracht, wo die Begründung einer Stütze bedarf. Sie sind überflüssig, wo sich das Ergebnis schon aus dem Gesetz ergibt. Sie sollen auch nicht , die eigene Meinung ersetzen, sondern nur stützen. Es ist also stets erst eine Begründung mit eigenen Worten zu geben. Das Zitat folgt dann mit den Worten: „So . . .", „Vgl. . . ." u. ä. Das Zitat muß eine Nachprüfung ermöglichen. RG-Entscheidungen sind daher nach Band und Seite, Kommentare nach Auflage, Paragraph und Anmerkung, Schriftsteller nach Name, Titel und Seite zu zitieren. Wörtliche Zitate sind durch ,,. . ." oder sonstwie kenntlich zu machen. Es ist nicht angebracht, möglichst viel zu zitieren. Das erweckt den Eindruck, daß man die Stellen nicht gelesen, sondern nur abgeschrieben hat. Vielmehr sind lediglich die wichtigsten Stellen anzuführen. Bei einer ständigen Rechtsprechung genügt es, die erste grundlegende Entscheidung anzuführen sowie die letzte, aus der sich ergibt, daß diese Auffassung noch vertreten wird. 20

4. Die S p r a c h e des Gutachtens muß eines Juristen würdig sein. Es sind klare und knappe Sätze zu bilden, gekünstelte Substantive, wie „Tätigung", „Vergesellschaftung" zu vermeiden. Worte wie „offenbar", „selbstverständlich" verschleiern nur die eigene Unsicherheit und sind daher das Gegenteil einer überzeugenden Begründung. Auseinandersetzungen mit abweichenden Ansichten erfolgen in sachlicher Form. Man spricht z. B. nicht von der „unsinnigen Ansicht des Reichsgerichts", sondern schreibt „Der vom RG in Band . . . S. . . . vertretenen Ansicht dürfte nicht zuzustimmen sein". 5. Die Arbeit muß s a u b e r und l e s e r l i c h sein. Eine äußerlich unordentliche Arbeit wird selten gut beurteilt. Es ist auch genügend Raum für die Bemerkungen des Prüfers zu lassen. Links oben gehört Vor- und Zunamen in deutlicher Schrift hin. Die Arbeit zu unterschreiben ist nur bei Prüfungsarbeiten erforderlich. Gutachten A. M e y e r ( = M) v e r l a n g t v o n H ( = H) S c h a d e n e r s a t z I. Wegen des höheren Zimmerpreises von 2,50 DM. Der Anspruch kann nur auf V e r t r a g s v e r l e t z u n g gestützt werden. Die zweite bei einer Schadenersatzforderung stets naheliegende Anspruchsgrundlage aus unerlaubter Handlung scheidet aus, da keinerlei Anzeichen für eine solche vorliegen. Für den hier vorliegenden V e r m ö g e n s s c h a d e n kommt als deliktische Anspruchsgrundlage nur § 823 Abs. 2 (Verletzung eines Schutzgesetzes, etwa durch Betrug gemäß § 263 StGB) oder § 826 (vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung) in.Betracht. Dagegen gewährt § 823 Abs. 1 einen Schädenersatzanspruch nur bei Verletzung der dort aufgeführten absolut geschützten Rechtsgüter und Rechte, zu denen das Vermögen als solches nicht gehört. Die deliktische Haftung ist daher im folgenden ganz auszuscheiden. Es wäre falsch, im einzelnen darzulegen, warum sie nicht in Betracht kommt. Der Fall enthält so viel näherliegende Erörterungen, daß es ein grober Fehler wäre, etwas an den Haaren herbeizuziehen, nur um zu zeigen, daß es nicht zutrifft.

1. Voraussetzung für einen Anspruch aus Vertragsverletzung ist, daß ein V e r t r a g z u s t a n d e g e k o m m e n ist. Ein V e r t r a g s a n g e b o t von M liegt in seinem Telegramm an H, man möge ihm ein Zimmer reservieren. Das Angebot ist genügend bestimmt, so daß es durch ein einfaches „Einverstanden" angenommen werden kann. Zwar geht daraus nicht ohne weiteres hervor, wie teuer das Zimmer sein und wie lange es gemietet werden soll. Gemäß §§ 133, 21

157 entscheidet aber für die Preislage der in § 243 zum Ausdruck gekommene allgemeine Grundsatz, wonach ein Zimmer mittlerer Art und Güte, also mittlerer Preislage verlangt werden kann. Zeitlich beabsichtigt M wahrscheinlich einige Zeit in Garmisch bleiben zu wollen, da er zum Schisport fährt. Diese innere Absicht ist aber aus seinem Telegramm nicht eindeutig zu erkennen. Zudem gibt es genug Schifahrer, die Garmisch nur als Durchgangsstation benutzen, um sich alsbald einen höher gelegenen Ort, etwa das Kreuzeck oder die Hochalm als Standquartier auszusuchen. Bei Berücksichtigung der Interessen beider Parteien (keine zu starke Bindung weder des M noch des H) ist daher die Offerte dahin auszulegen, daß jedenfalls für einen Tag und eine Nacht das Zimmer gewünscht werde. Eine A n n a h m e des Angebots ist von H n i c h t e r k l ä r t worden. Jedoch bedarf es nach § 151 der Erklärung gegenüber dem Antragenden nicht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Die Verkehrssitte erwartet bei der Bestellung eines Hotelzimmers für einen k ü r z e r e n Aufenthalt keine Erklärung der Annahme (So Lehmann, Allg. Teil § 33 III 3, Enneccerus-Nipperdey § 153 I 2). Falls, was bei einem Telegramm naheliegt, das Angebot kurz vor der Abreise gemacht wurde, ist zudem ein Verzicht des M auf Annahmeerklärung anzunehmen, da eine Antwort ihn vermutlich nicht mehr in Berlin erreicht hätte. Nach § 151 bedarf es aber zum Zustandekommen des Vertrages jedenfalls einer A n n a h m e des Angebots. Diese Annahme ist mangels Erklärung keine Willenserklärung, sondern eine Willensbetätigung. Sie ist in einem tatsächlichen Verhalten zu sehen. In einem bloßen Stillschweigen des H würde keine Annahme liegen. Stillschweigen gilt grundsätzlich als Ablehnung des Antrags. Eine Ausnahme gilt kraft Gesetzes in dem besonders gelagerten Fall des § 362 HGB. (Geschäftsbesorgung durch Kaufleute) sowie nach Treu und Glauben bei längeren Geschäftsbeziehungen und unter Kaufleuten bei Entgegennahme von Bestätigungsschreiben u. dgl. Da diese Ausnahmen hier nicht gegeben sind, bedarf es also einer besonderen Annahme durch Willensbetätigung. Eine solche Willensbetätigung liegt hier vor, da H ursprünglich für M ein Zimmer „bereitgestellt" hatte. Anweisung an sein Personal oder Eintragung in ein Buch genügt. Vgl. Enneccerus-Nipperdey a. a. 0 . Anm. 6. Durch das Reservieren des Zimmers ist demnach ein Vertrag zumindest auf einen Tag zwischen M und H zustandegekommen. Die Bedeutung des § 151 liegt hauptsächlich in der Bereitstellung eines Gasthauszimmers, in der Annahme und dem Verbrauch unbestellter

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Waren und in der Annahme eines Kaufangebots durch sofortige Erfüllung, z. B. bei drahtlicher Bestellung durch sofortige Absendung der Ware, vgl. Lehmann Allg. Teil §33 III 3. 2. Es handelt sich um einen B e h e r b e r g u n g s v e r t r a g , der als gemischter Vertrag Bestandteile des Miet-, Dienst- und evtl. Kaufvertrags (Frühstück) enthält. Hier interessieren in erster Line die Vorschriften der Miete. M i e t e e i n e s H o t e l z i m m e r s oder eines möblierten Zimmers mit Bedienung enthält als G r u n d t y p u s den M i e t v e r t r a g , dessen Regeln für Vertragsverletzung, Beendigung usw. grundsätzlich maßgebend sind, RG 169, 87 f. A n d e r s der Vertrag auf Gewährung von v o l l e r P e n s i o n . Hier sind auf Seiten des Pensionsinhabers zwei oder noch mehr Vertragstypen miteinander verschmolzen, während der Pensionär nur e i n e Leistung, die Zahlung, zu erbringen hat. Für die Kostgewährung ist der Kauf, für die Wohnungsgewährung die Miete maßgebend. Minderung wegen mangelhafter Kost trifft nur einen dem Wertverhältnis entsprechenden Teil der Gegenleistung. Aufhebungsgründe heben zunächst nur den entsprechenden Vertragsteil auf, wenn nicht dadurch das einheitliche Ganze gestört wird (§139). N o c h a n d e r s der sog. P f ö r t n e r v e r t r a g (freie Wohnung gegen Dienste). Dieser Vertrag ist auf der einen Seite Miete, auf der andern Seite Dienstvertrag. Wo die Rechte der beiden Vertragstypen einander widersprechen, muß man die Interessenlage berücksichtigen. So ist das Recht jederzeitiger Kündigung nach § 623 ausgeschlossen, die Kündigung wegen eines wichtigen Grundes nach § 626 dagegen anwendbar. So Enneccerus-Lehmann §100B, der den H o t e l v e r t r a g als Vertrag mit untergeordneten andersartigen Leistungen, den P e n s i o n s v e r t r a g als Kombinations- oder Zwillingsvertrag, den P f ö r t n e r v e r t r a g als doppeltypischen oder Zwittervertrag bezeichnet und diesen Vertragstypen im w e i t e r e n Sinne die gemischten Verträge im e n g e r e n Sinne, wie die gemischte Schenkung gegenüberstellt. Bei der Bearbeitung des Falles diese "Grundsätze herauszuarbeiten und im einzelnen zu erörtern, wäre ein grober Fehler, da vorliegend nichts davon abhängt. Die Erkenntnis, daß die Mietvorschriften in erster Linie anwendbar sind, ist so naheliegend, daß der oben wiedergebene Satz genügt, a) Zu erwägen ist daher, ob M seinen Schadenersatzanspruch auf eine b e s o n d e r e V o r s c h r i f t d e r M i e t v o r s c h r i f t e n stützen kann. Nach § 541 kann der Mieter, wenn ihm durch das Recht eines Dritten der vertragsmäßige Gebrauch der gemieteten Sache ganz oder zum Teil entzogen wird, vom Vermieter gemäß § 538 Schadenersatz verlangen. § 541 trifft jedoch nicht zu, einmal, weil dem M der Gebrauch nicht e n t z o g e n wird (er hatte das Zimmer noch nicht in Besitz), sodann aber — und das ist der Hauptgrund — weil das bloße M i e t r e c h t des Schmidt ihm den Gebrauch nicht entziehen könnte. Schmidt hat nur einen Vertragsanspruch auf Gebrauchsgewährung gegen H, nicht aber 23

auf Durchsetzung seines Rechts gegen M. Dem M wird das Recht auf B e n u t z u n g des Zimmers nicht durch Schmidt genommen, sondern durch H, indem dieser dem Schmidt das vermietete Zimmer überläßt. Vgl. den ähnlichen Tatbestand des § 434 beim Kauf. Ein Fall des § 541 ist gegeben, wenn der. Ersteher in der Zwangsversteigerung dem Mieter auf Grund des §57a ZVG kündigt, so Enneccerus-Lehmann § 134 zu Anm. 4. b) Es bewendet also für den Schadenersatzanspruch des M bei den a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g e n d e r §§ 320ff. H h a t dadurch, daß er das an M vermietete Zimmer dem S c h m i d t überließ, die ihm nach § 535 obliegende Verpflichtung zur G e b r a u c h s g e w ä h r u n g u n m ö g l i c h gemacht. E r h a t d a m i t eine H a u p t v e r p f l i c h t u n g des Mietvertrags verletzt, und zwar, wie sich aus dem Sachverhalt ohne weiteres ergibt, s c h u l d h a f t . E r ist daher dem M aus § 325 Abs. 1 S. 1 schadenersatzpflichtig. Hier von V e r z u g zu sprechen, der den M zur Setzung einer Nachfrist gemäß § 326 zwänge, wäre abwegig. Die Leistung ist dem H zwar wahrscheinlich schon am nächsten Tage wieder möglich, wenn Schmidt auszieht. Jedoch kommt es dem M gerade darauf an, sofort bei seiner Ankunft ein Zimmer zu haben. In solchen Fällen, wo die Zeit eine bestimmte, entscheidende Rolle spielt, ist die Nichtleistung zur festgelegten Zeit als Unmöglichkeit anzusehen. Ein noch krasseres Beispiel ist folgendes: Die vom Händler zu Weihnachten bestellten Weihnachtsbäume werden erst nach den Feiertagen geliefert. Vgl. Enneccerus-Lehmann §46 IV b) und §24 I 3. LInbeachtlich ist vorliegend, ob es sich um s u b j e k t i v e s , d.h. nur bei H vorliegendes U n v e r m ö g e n oder um o b j e k t i v e , d . h . für jedermann vorhandene U n m ö g l i c h k e i t handelt. Dieser Unterschied ist nur beachtlich bei der u r s p r ü n g l i c h e n , d. h. zur Zeit des Vertragsabschlusses bereits vorliegenden Unmöglichkeit der Leistung. Dann ist nämlich nach § 306 der auf eine o b j e k t i v unmögliche Leistung gerichtete Vertrag nichtig (beachte aber § 307), während die auf bloßem U n v e r m ö g e n beruhende (subjektive) Unmöglichkeit schlechthin, also ohne Rücksicht auf Verschulden, zu vertreten ist und einen Anspruch auf Schadenersatz wegen Vertragsverletzung gibt. So die heute noch herrschende Lehre, vgl. Enneccerus-Lehmann § 29, insbesondere II, 2. 3. Der S c h a d e n des M besteht in dem höheren Zimmerpreis von 2,50 DM. Insoweit k a n n M „Schadenersatz wegen Nichterfüllung" verlangen. Denn h ä t t e H dem M das Zimmer überlassen, so h ä t t e er diesen höheren Preis nicht zu bezahlen brauchen (§ 249). Dieses sog. p o s i t i v e Interesse, das H dem M ersetzen muß, ist von dem n e g a t i v e n Interesse oder dem sog. Vertrauensschaden zu unterscheiden. Hätte M bei Nichtzustandekommen des Vertrags einen Schaden24

ersatzanspruch wegen culpa in contrahendo (vgl. darüber unten G zu A I 2), so könnte er nur den Vertrauensschaden geltend machen. M kann den Schaden nur für einen T a g ersetzt verlangen, da der W i r t nach dem dahin auszulegenden V e r t r a g täglich h ä t t e kündigen können (vgl. oben I I ) . Andererseits braucht er seine auf Grund des Vertrags geschuldete Leistung, nämlich die Bezahlung des von ihm gemieteten Zimmers nicht mehr zu erbringen. Bei gleichartigen noch nicht erbrachten Leistungen (hier Zahlung des Mietgeldes von M, Zahlung des Schadenersatzes von H) besteht der Schadenersatz wegen Nichterfüllung — infolge des Abhängigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung beim gegenseitigen Vertrag — lediglich in der Differenz von Leistung und Gegenleistung. Sog. D i f f e r e n z t h e o r i e . Der zum Schadenersatz Berechtigte kann danach also unter Wegfall seiner Verpflichtung zur Gegenleistung den Mehrwert verlangen, den die ihm geschuldete Leistung gegenüber seiner eigenen für ihn hat, d. h. das „Vertragsinteresse" oder die „Wertdifferenz". Ist die Gegenleistung schon erbracht oder stehen sich andersartige Leistungen gegenüber, so muß dem zum Schadenersatz Berechtigten aber auch das Recht eingeräumt werden, auf A u s t a u s c h der Leistungen zu bestehen (sog. A u s t a u s c h t h e o r i e , z. B. beim Tausch, wenn die eine Sache durch Verschulden des Verpflichteten untergegangen ist). Im Zweifel wird man dem Berechtigten entsprechend seinem Interesse ein W a h l r e c h t geben. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 54 IV und R G 149, 136; 152, 112. Ist M, ohne sich zu vergewissern, ob nicht noch in der Nähe andere preiswerte Zimmer zu haben waren, gleich in das teuerste Hotel gegangen, so kann ihm auch der E i n w a n d d e s m i t w i r k e n d e n V e r s c h u l d e n s nach § 254 Abs. 2 2. Alternative entgegengehalten werden. Denn M darf den Schaden nicht unnötig vergrößern. I I . .M v e r l a n g t v o n H w e i t e r h i n S c h a d e n e r s a t z w e g e n d e s abhandengekommenen Gepäcks. 1. Haftungsgrundlage ist hier zunächst-die S o n d e r b e s t i m m u n g d e s § 7 0 1 . Erforderlich ist d a n a c h : H muß ein G a s t w i r t sein, der gewerbsmäßig Fremde zur B e herbergung aufnimmt. Diese Voraussetzung ist gegeben. Nicht unter § 701 fallen Schlafwagen- und Passagierschiffahrtunternehmen sowie Heilanstalten, weil die Beherbergung nur als die dem Hauptvertrag untergeordnete Leistung erscheint. Für die Haftung sind hier die Vorschriften über den Dienstvertrag maßgebend; so EnneccerusLehmann §173 I 1, vgl. auch R G 112, 58. Wohl fallen unter §701 die Inhaber von Familienpensionen oder eines Hotel garni (RG 103, 10). Der Gast muß ,,im B e t r i e b dieses Gewerbes a u f g e n o m m e n " sein. Die Aufnahme ist nicht identisch mit dem Abschluß des Beherbergungs-

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Vertrags. Sie kann mit diesem rein zeitlich zusammenfallen; so wenn der Gast mündlich mit dem Wirt im Hotel den Vertrag abschließt. Dieser Zusammenhang ist aber nicht gewahrt, wenn, wie hier, der Vertrag vor der tatsächlichen Aufnahme geschlossen wird. Die Aufnahme ist ein tatsächlicher Vorgang. Zur Begründung der strengen Haftung aus § 701 ist daher nach der herrschenden Auffassung der Abschluß eines Vertrages weder erforderlich noch genügend. Auch ein Geschäftsunfähiger kann i. S. des § 701 aufgenommen sein; vgl. Enneccerus-Lehmann § 172 II, 173 I 2. M ist dadurch in den Betrieb des H aufgenommen, daß der an die Bahn geschickte Portier des H sein Gepäck übernommen hat. In der Annahme des Gepäcks liegt die stillschweigende Erklärung, es einstweilen wie die Sachen eines aufgenommenen Gastes zu behandeln. Ob es später zu einem Beherbergungsvertrag kommt, ist demgegenüber unbeachtlich. (So RG 1 83 und Enneccerus-Lehmann §173 I 2.) Die dritte Voraussetzung des § 701, daß die Sachen „ e i n g e b r a c h t " sein müssen, fällt hier mit der „Aufnahme des Gastes", die in der Entgegennahme der übernommenen und damit „eingebrachten" Sachen zu sehen ist, zusammen. §701 stellt somit eine g e s e t z l i c h e Haftungsgrundlage dar, die sich unmittelbar an die Tatsache der mit Zustimmung des Wirts oder seiner Leute erfolgten Einbringung knüpft. So Enneccerus-Lehmann §172 II.

Die Haftung des § 701 endet nicht dadurch, daß M zu einem anderen Hotel läuft, um dort ein Zimmer zu suchen. Es ist damit weder die durch die Einbringung des Gepäcks erfolgte Aufnahme beendet, noch die zur Wegschaffung der Sachen erforderliche Zeit verstrichen. Vgl. RG 103,10. Ein H a f t u n g s a u s s c h l u ß , wie er häufig bei Aufnahme des Gastes vereinbart wird, liegt nach dem Sachverhalt nicht vor. Er wäre auch mangels eines Hinweises des Wirtes bei Abschluß des Vertrages nicht ohne weiteres zum Inhalt des Vertrages geworden. Ein einseitiger Anschlag im Hotel ist nach § 701 Abs. 3 ohne Wirkung. Vgl. EnneccerusLehmann § 173 II. 2. Die neben § 701 bestehenden Haftungsgrundlagen aus dem Vertrag (Nebenverpflichtung zur Aufbewahrung aus dem Beherbergungsvertrag) sowie wegen fahrlässiger Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 führen voraussichtlich nicht zum Ziele, weil hierfür ein Verschulden nachgewiesen werden muß, für das der Tatbestand keine Anhaltspunkte gibt. Nach § 701 dagegen haftet H ohne Verschulden auch für Zufall (ausschließlich höherer Gewalt), und zwar schlechthin auch für seine Leute. (Vgl. § 701 Abs. 2.) Durch die gesetzliche Haftung des § 701 wird weder die vertragliche Haftung noch die gesetzliche Haftung aus unerlaubter Handlung aus-

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geschlossen. Es besteht auch hier wieder A n s p r u c h s k o n k u r r e n z , vgl. oben S. 4. Bei einer Inanspruchnahme aus Vertrag muß M aber ein Verschulden der Erfüllungsgehilfen des H nachweisen (§ 278), bei Delikt könnte H sich gemäß §831 exculpieren.

B. K a n n M von dem Mieter S c h m i d t ( = S c h ^ S c h a d e n e r s a t z wegen der höheren Z i m m e r m i e t e v e r l a n g e n ? Schadenersatz wegen des Gepäcks wäre völlig abwegig zu erörtern und bleibt daher bei der Untersuchung außer Betracht. Haftungsgrundlage kann nur u n e r l a u b t e H a n d l u n g sein, da M zu Sch nicht in vertraglichen Beziehungen steht. In Betracht kommt allein § 826 (vorsätzliche sittenwidrige Vermögensschädigung). Zwei Voraussetzungen sind dafür nötig: a) vorsätzliche, b) sittenwidrige Schädigung. a) Sch hat dem M v o r s ä t z l i c h Schaden zugefügt, da ihn H vermutlich darüber aufgeklärt hat, daß das Zimmer reserviert war, und er gleichwohl auf Überlassung des Zimmers bestanden haben wird. Zumindest liegt dolus eventualis bei Sch vor, der bei §826 ausreicht. b) In der Miete einer bereits vermieteten Sache ist aber nicht ohne weiteres ein V e r s t o ß g e g e n d i e g u t e n S i t t e n zu sehen. Sch müßte unter unlauteren Mitteln oder in unlauterer Absicht den H zum Vertragsbruch verleitet haben. Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 236 III l d mit weiteren Nachweisen.

C. M a c h t es e i n e n U n t e r s c h i e d , w e n n H d a s Z i m m e r n o c h n i c h t reserviert hat ? Zu A I (Schadenersatz wegen der höheren Zimmermiete). 1. Die vertragliche Grundlage entfällt, da es mangels der nach § 151 erforderlichen Annahme nicht zu einem Vertrag gekommen ist. 2. Aus dem E i n t r i t t i n V e r t r a g s v e r h a n d l u n g e n kann sich aber nach den von der Rechtsprechung und Literatur herausgearbeiteten Grundsätzen ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis entwickeln, das zum Ersatz des Vertrauensschadens (des sog. negativen Schadens) in e n t s p r e c h e n d e r Anwendung der für Vertragsverletzungen bestehenden Bestimmungen (u.a. auch des § 278!) verpflichtet (vgl. §§ 122, 179 Abs.2, 307). Die bloße Zuleitung eines Antrags begründet aber noch kein solches Vertrauensverhältnis. Man kann einen Hotelwirt nicht für verpflichtet halten, jedem Fremden auf seine Zimmerbestellung zu antworten. Das 27

wäre eine starke Belastung seines geschäftlichen Verkehrs, und zwar wegen des zeitlichen Aufwandes (Korrespondenz) und der damit ver-, bundenen Auslagen (Porto). Ein Telegramm müßte u. U. sogar durch ein Antworttelegramm beantwortet werden! Auch aus § 663, der nur diejenigen zur Antwort verpflichtet, die sich zur Besorgung gewisser Geschäfte öffentlich angeboten haben (z. B. Bechtsanwälte, Wirtschaftsberater, Treuhänder, Agenten, Makler) folgt als Umkehrschluß (argumentum e contrario), daß Hotelwirte grundsätzlich nicht zur Antwort verpflichtet sind. Vgl. auch die Regelung in § 362 HGB; hier tritt sogar eine F i k t i o n der A n n a h m e ein; es ist daher Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu gewähren. Vgl. zur culpa in contrahendo Lehmann, Allg. Teil §33 II 2b und Enneccerus-Lehmann §43 III. Der Umfang des Schadens berechnet sich bei der Haftung aus culpa in contrahendo nach der für jeden Schaden grundlegenden Vorschrift des § 249. Es ist auch hier der Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Während aber die Vorschrift des § 249 beim Schadenersatz wegen Nichterfüllung dazu führt, den Geschädigten so zu stellen, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre (sog. positives Interesse), führt die Erstattung des Vertrauensschadens zu einer Entschädigung für das enttäuschte Vertrauen (sog. negatives Interesse). •— Der Enttäuschte ist so zu stellen, als ob er mit dem Gegner nichts zu tun gehabt hätte. Wäre z. B. H dafür verantwortlich zu machen, daß er keine Absage geschickt hätte, so wäre wahrscheinlich dem M gar kein Schaden entstanden, weil er trotzdem nach Garmisch gefahren wäre. Sollte er aber nachweisen können, daß er dann überhaupt nicht gefahren wäre, so wären evtl. die unnütz verauslagten Fahrtkosten sein Vertrauensschaden. Somit ist die Kausalreihe der Schadensberechnung bei positivem und negativem Schaden verschieden, Nur ausnahmsweise ist der negative Schaden gleich dem Erfüllungsinteresse, nämlich dann, wenn der Vertrag bei richtigem Verhalten ordnungsmäßig geschlossen worden wäre. Sonst ist er meist (aber nicht notwendig) der Höhe nach geringer als der Erfüllungsschaden. Die §§ 122, 179 Abs. 2, 307 Abs. 1 S. 1 beschränken ihn in gewissen Fällen ausdrücklich auf die Höhe des Erfüllungsinteresses. Vgl. Palandt, vor § 249, 3b und c, RG 151, 356. Zu A II (Schadenersatz wegen des abhanden gekommenen Gepäcks). Der auf die tatsächlich erfolgte Aufnahme und die Einbringung des Gepäcks gestützte Anspruch aus § 701 wird von dem Nichtzustandekommen des Vertrags nicht berührt. Zu B (Schadensersatzanspruch gegen Sch wegen der höheren Zimmermiete). 28

Die oben erörterte Anspruchsgrundlage des § 826 muß hier schon deshalb entfallen, weil Sch mangels Vertrags zwischen M und H den H nicht zum Vertragsbruch verleiten und damit den M gar nicht schädigen konnte. 4.

Fall

1. Klausurarbeit Der 11jährige A zertrümmert durch einen Steinwurf eine Fensterscheibe im Hause des B. B geht sofort auf die Straße und erwischt den Täter. A läuft nicht weg, sondern erklärt dem B : „Entschuldigen Sie vielmals. Ich werde sofort zu meinem Vater laufen. Der ist Glasermeister und wird Ihnen eine neue Scheibe einsetzen." Darauf verschwindet er. Nach einiger Zeit erscheint bei B der Glasermeister C und setzt die Scheibe ein. Nach Beendigung der Arbeit fordert er 15 DM. Auf die erstaunte Bemerkung des B : „Wieso? Ich denke, Sie sind der Vater des A, der die Scheibe zertrümmert h a t ! " , erklärt er: „So ein Bengel! Mir hat er gesagt, S i e seien sein V a t e r ! " . Wie sind die Beteiligten zueinander in rechtliche Beziehungen getreten ? Vorbemerkung I. A u f b a u f r a g e n Rechtsbeziehungen können bestehen: einerseits zwischen dem Hauseigentümer B und dem Jungen A bzw. dessen Vater oder dem sonst Aufsichtspflichtigen, anderseits zwischen dem Glasermeister C und dem Hauseigentümer B bzw. dem Jungen A oder dem Aufsichtspflichtigeh. Zweckmäßig untersucht man zuerst die Ansprüche des Glasers, da der Umfang der Haftung des Hauseigentümers B dessen Ersatzansprüche gegen den Jungen A und den Aufsichtspflichtigen beeinflussen kann. Der äußere Aufbau: „Wer vom wem etwas verlangt", steht damit fest. „ W a s " im einzelnen verlangt werden kann, richtet sich nach den Anspruchsgrundlagen zwischen den Beteiligten. Zwischen C und B ist in erster Linie zu untersuchen, ob ein Vertrag zustandegekommen ist. Wird ein Vertrag verneint, so kommen nacheinander Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherung und aus Verbindung (§ 951) in Betracht. Zwischen C und A ist zunächst ein fingierter Vertragsschluß (§ 179) zu erörtern. Im übrigen sind Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Bereicherung und unerlaubter Handlung nacheinander zu erörtern. Der Aufbau liegt damit auch hinsichtlich der Anspruchsgrundlagen zwingend fest. 29

II. R i c h t l i n i e n f ü r d i e

Klausurarbeit

1. Anders als bei den Hausaufgaben sind lediglich die Gesetzestexte zu benutzen. Zitate sind daher nicht möglich. 2. Die beschränkte Zeit erfordert eine besonders konzentrierte Arbeitsweise. Es ist sinnlos, sofort nach Erhalt der Aufgabe wahllos im Gesetz herumzublättern. Man lasse sich zunächst Zeit, den Sachverhalt und den Sinn der Fragestellung zu erfassen. Sodann entwirft man den äußeren Aufbau nach den in Betracht kommenden Personen. In diesen Aufbau trägt man die möglichen Anspruchsgrundlagen ein. Alles das geschieht in Stichworten mit Paragraphenhinweisen. Das Gesetz schlage man erst auf, wenn man sich überlegt hat, welche Bestimmungen in Betracht kommen. Der skizzierte Aufbau sieht etwa folgendermaßen aus: A. Ansprüche des G I. gegen B. 1. Vertrag? A als vollmachtloser Vertreter bei Vertragsschluß (§§ 165, 177). Genehmigung ist nicht erteilt.. 2. Geschäftsführung ohne Auftrag? Voraussetzungen (§ 677) sind gegeben. „Aufwendungsersatz" aber nur, wenn § 683 vorliegt. Abzulehnen, da Geschäftsführung nicht dem „objektiven" Interesse des B entspricht, zumindest nicht seinem Willen. 3. Kondiktio? (§§ 684, 812). Voraussetzungen sind gegeben, aber nur Ersatz der Bereicherung, nicht des Verdienstausfalls. 4. §§812,951? Führt nicht weiter als Anspruch aus 3. II. gegen A. 1. § 179 auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung? Abzulehnen, da §179 Abs. 3 S. 2. 2. Geschäftsführung ohne Auftrag für A? Nein, da C nicht für A handeln wollte. 3. Kondiktio? Nein, da A mangels Schuldtilgungswillen des C nicht von seiner Haftung gegenüber B befreit wurde (§ 267). 4. Unerlaubte Handlung wegen des durch B nicht zu deckenden Schadens ? a) § 823 Abs. 2 erfordert Betrug, den der 11jährige A nicht begehen kann (§2 Abs. 2 S. 1 JGG). b) § 826 ? Deliktsfähigkeit genügt und kann angenommen werden (§ 828). Vorsatz und Sittenwidrigkeit liegen vor. Daher zu bejahen. III. gegen den Aufsichtspflichtigen. § 832, jedoch Exkulpationsmöglichkeit. B. Ansprüche des B wegen des ihm durch A zugefügten Schadens, der sich durch das Einsetzen der Scheibe auf den Wert der Scheibe verringert. I. gegen A: § 823 Abs. 1. II. gegen den Aufsichtspflichtigen: § 832 wie oben zu A III. 30

3. Das Durchdenken und Durchskizzieren des Falles muß im ersten Drittel der zur Verfügung stehenden Zeit beendet sein. Nunmehr beginnt sofort die Reinschrift. Zu vorherigem Ausarbeiten „ins Unreine" fehlt die Zeit. Zweckmäßig schreibt man auf lose Blätter, die man evtl. auswechseln kann. Die Blätter sind später zusammenzuheften und zu numerieren. 4. Im übrigen gelten die Richtlinien oben S. 19ff. zu 1, 2, 4 und 5. Gutachten A. R e c h t s b e z i e h u n g e n des C zu B, zu A u n d d e s s e n A u f s i c h t s pflichtigem C will Ersatz für die von ihm eingesetzte Scheibe. I. Er wird in erster Linie versuchen, sich an den Hauseigentümer B zu halten. 1. Es fragt sich zunächst, ob er auf Grund eines W e r k v e r t r a g s die übliche Vergütung verlangen kann (§§631, 632). C wurde von dem 11jährigen A im Namen des B zum Einsetzen der Scheibe bestellt. A ist demnach als Vertreter des B (§ 164 Abs. 1) aufgetreten. Die beschränkte Geschäftsfähigkeit des A steht der Vertretereigenschaft nicht entgegen (§ 165). A war aber von B nicht bevollmächtigt worden, einen Glasermeister gegen Bezahlung durch B zu bestellen. Er schloß somit als Vertreter ohne Vertretungsmacht einen Vertrag. Eine Genehmigung durch B ist nicht erfolgt, sie kann auch nicht darin gesehen werden, daß B das Einsetzen der Scheibe durch C duldet. Denn eine Genehmigung setzt Kenntnis der schwebenden Unwirksamkeit voraus. B duldete das Einsetzen nur, weil er annahm, daß C den durch seinen „Sohn" verursachten Schaden unentgeltlich wieder gutmachte. Mangels Genehmigung entfällt daher ein Erfüllungsanspruch auf den üblichen Werklohn (§ 177). 2. Mangels Vertrags kann ein Anspruch aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g in Frage kommen. Gemäß § 677 muß C ein Geschäft für einen anderen besorgt haben, ohne von ihm beauftragt zu sein. Gegenstand einer Geschäftsbesorgung kann alles sein, was als Inhalt eines Auftrags, Dienst- oder Werkvertrags möglich ist; das Einsetzen der Scheibe fällt demnach darunter. Einschränkend ist der Begriff der Geschäftsbesorgung in § 675 zulegen. Denn § 675 unterscheidet zwischen gewöhnlichen DienstWerkverträgen und solchen Verträgen, die „eine Geschäftsbesorgung Gegenstand haben". Unter § 675 fallen demnach nicht Geschäfte

ausbzw. zum rein

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tatsächlicher Art, sondern nur solche, die eine selbständige Vermögensverwaltung zum Gegenstand haben, wie die Tätigkeit eines Anwalts; eines Treuhänders, einer Bank.

C hat die Geschäftsbesorgung auch ohne „Auftrag" des B vorgenommen. Es fragt sich aber, ob er als Geschäftsführer im Sinne des § 677 „für" B tätig geworden ist. Er glaubte, zu seiner Leistung auf Grund eines mit B geschlossenen Vertrags verpflichtet zu sein. Diese rechtsirrige Ansicht schließt aber den Willen nicht aus, gegebenenfalls auch als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig zu sein. Die Geschäftsführung bietet gerade für den Fall eines nicht zustandegekommenen Vertrags die Möglichkeit, das Handeln des Geschäftsführers als nicht rechtswidrig erscheinen zu lassen und ihm einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen zu geben. So mit Recht Enneccerus-Lehmann § 1 6 5 II 3. Anderer Ansicht RGRKomm. zu § 686 Anm. 3 und Palandt zu § 677 Anm. 3. Vgl. auch BGH in N J W 51/269.

Nach § 683 kann C als Geschäftsführer Ersatz seiner Aufwendungen nur verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn B entsprach. Das Interesse des Geschäftsherrn ist nach objektiven Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der konkreten Sachlage festzustellen. Eine irrige, wenn auch schuldlos irrige Meinung des Geschäftsführers über die Zweckmäßigkeit des Geschäfts genügt nicht. Die Geschäftsführung ohne Auftrag als ein Akt der Gemeinschaftshilfe ist in ihren V o r a u s s e t z u n g e n (§ 677) e r l e i c h t e r t , um dem Handeln die Rechtswidrigkeit zu nehmen, aber soweit daraus Forderungen erhoben werden (§ 683), e r s c h w e r t , um den Geschäftsherrn vor schädigenden, wenn auch wohlgemeinten Eingriffen nach Möglichkeit zu schützen. So Enneccerus-Lehmann § 165 Vorbem. Ob die Geschäftsführung des C objektiv dem Interesse des B entsprach, läßt sich nur feststellen, wenn man sich die Folgen einer gemäß § 683 berechtigten Geschäftsführung klarmacht. C könnte dann wie ein Beauftragter Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 670). Unter diese Aufwendungen fallen zunächst nur bare Auslagen. Die eigene Arbeitskraft oder ein Verdienst wird an sich nur bezahlt, wenn der Geschäftsführer nachweist, daß er um der Geschäftsführung willen anderen Erwerb aufgeopfert hat. Man wird jedoch diese enge Auslegung des Begriffs der Aufwendungen nur beim Auftrag selbst anwenden können, der seinem Wesen nach unentgeltlich ist. Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag ist die Unentgeltlichkeit nicht wesensgemäß. Wäre im vorliegenden Falle ein „Auftrag" erteilt worden, so hätte ein entgeltlicher Werkvertrag vor32

gelegen. Man wird deshalb in erweiternder Auslegung des Begriffs der Aufwendungen einen Anspruch auf die übliche Vergütung dann geben, wenn das Geschäft in den Kreis der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Geschäftsführers fällt. In diesem Sinne versteht das Gesetz den Begriff der Aufwendungen auch bei der Führung der Vormundschaft in § 1835 Abs. 2. So auch Enneccerus-Lehmann § 167,1 und Palandt zu § 683 Anm. 4. — Über die Frage, ob Schäden, die bei der Geschäftsführung erlitten wurden, als Aufwendungen angesehen werden können, vgl. oben S. 8. B könnte demnach verpflichtet sein, dem C den üblichen Werklohn aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu zahlen. Das entspricht aber nicht seinem objektiven Interesse, da er gegen A bzw. dessen Aufsichtspflichtigen einen Anspruch auf unentgeltliche Wiedergutmachung des Schadens haben kann. Selbst wenn man aber das Einsetzen der Scheibe als objektiv in seinem Interesse liegend ansieht, so entsprach es weder seinem wirklichen noch seinem mutmaßlichen Willen, deswegen dem C verpflichtet zu sein. 3. Liegen die Voraussetzungen des § 683 nicht vor, so ist der Geschäftsherr verpflichtet, dem Geschäftsführer alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt hat, nach dem Vorschriften über die Herausgabe einer u n g e r e c h t f e r t i g t e n B e r e i c h e r u n g herauszugeben, § 684. Es ist also zu untersuchen, ob C nach den §§ 812 ff. insbesondere nach § 812 Abs. 1 S. 1 einen Anspruch auf Herausgabe der Bereicherung hat. Die Verweisung auf die Bereicherungsvorschriften in § 684 besagt nicht, daß der Geschäftsherr schlechthin nach diesen Vorschriften haftet. Vielmehr müssen auch die allgemeinen Voraussetzungen der' ungerechtfertigten Bereicherung vorliegen. M. a. W. : § 684 bezieht die §§ 812ff. nicht nur nach ihrem U m f a n g {§§ 818ff.), sondern auch nach ihren V o r a u s s e t z u n g e n (§§812—817).

Eine bloße Bezugnahme auf die Folgen der ungerechtfertigten Bereicherung liegt vor bei §§ 323 Abs. 3, 327 S. 2. Vgl. RG 139/22, 130/312. Das Einsetzen der Scheibe hat den B gemäß § 946 zum Eigentümer hieran gemacht, da die Scheibe zur Herstellung des ihm gehörenden Hauses eingefügt und damit zum wesentlichen Bestandteil des Hauses wurde (§ 94 Abs. 2). B hat somit „etwas"' erlangt, und zwar „auf Kosten" des C, da ein- und derselbe Umstand, der dem B das Eigentum verschaffte, den C das Eigentum kostete. Diese Bereicherung des B ist durch eine gewollte Vermögenszuwendung des C, also durch eine Leistung erfolgt. Die „Leistung" in §812 steht im Gegensatz zu der Bereicherung „auf sonstige Weise". Diese ist eine Bereicherung, die ohne den Zuwendungswillen des Entreicherten eintritt, insbesondere durch eine Handlung des 3 B e r g , Bürgerl. Recht.

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Bereicherten selbst oder durch eine zufällige Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung. Hier geschah die Verbindung in Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht.

Die Leistung geschah auch ohne rechtlichen Grund, da C mangels Vertrags hierzu nicht verpflichtet war. Die Voraussetzungen der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 sind demnach gegeben. B ist zur Herausgabe des „Erlangten" verpflichtet. C kann aber nicht die Scheibe zurückverlangen, da bei einem infolge § 946 eingetretenem Rechtsverlust nach der Sonderbestimmung des § 951 Abs. 1 S. 2 die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht verlangt werden darf. Die Herausgabe ist daher wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich. C ist gemäß § 818 Abs. 2 auf einen Wertersatzanspruch angewiesen. E s ist lediglich der gemeine Verkehrswert zu ersetzen, den die Scheibe hat. Dieser Wert kann hinter dem Werklohn zurückbleiben, da ein besonderer Verdienst nicht erstattet wird. Vgl. Palandt zu § 8 1 8 Anm. 5 b und R G 147/398. — In dieser Beschränkung auf die beim „ G e s c h ä f t s h e r r n " vorhandene bzw. n o c h vorhandene Bereicherung (vgl. § 818 Abs. 3) liegt der wirtschaftlich bedeutsame Unterschied zum Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, der es auf die Aufwendungen des G e s c h ä f t s f ü h r e r s abstellt, und insbesondere zum Schadenersatzanspruch aus §§ 823ff., der den Ges c h ä d i g t e n entschädigen soll (§ 249). Der Bereicherungsempfänger haftet nur ausnahmsweise auf Schadenersatz, vgl. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, in Verbindung mit §§ 292, 989.

4. Neben dem Anspruch, den § 812 zum Ausgleich der nicht zustandegekommenen schuldrechtlichen Beziehungen dem C gibt, besteht noch ein im Sachenrecht geregelter Anspruch zum Ausgleich des eingetretenen Eigentumsverlustes. Da C sein Eigentum an der eingesetzten Scheibe gemäß § 946 verloren hat, kann er nach § 951 Vergütung in Geld verlangen. Da aber §951 Abs. 1 ausdrücklich auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung verweist, kommt nur ein Anspruch aus §812 Abs. 1 S. 1 in Betracht. Damit ergibt sich das gleiche Ergebnis wie zu 3. Auch § 951 gibt keinen selbständigen Bereicherungsanspruch, sondern nur einen Ausgleich unter den Voraussetzungen der § 812 ff. Vgl. oben S. 33. I I . C k a n n v e r s u c h e n , sich wegen des durch B n i c h t zu deckenden Ausfalls an den m i n d e r j ä h r i g e n A zu h a l t e n .

1. A ist als v o l l m a c h t l o s e r V e r t r e t e r aufgetreten. Der vollmachtlose Vertreter ist grundsätzlich dem anderen Teil nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadenersatz verpflichtet, § 179 Abs. 1. E r haftet aber nicht als solcher, wenn er minderjährig ist und — was hier wahrscheinlich zutrifft — ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat, § 179 Abs. 3. 34

2. C hat gegen A auch keinen Anspruch aus G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g auf Aufwendungsersatz (§§677, 683). C wollte durch das Einsetzen der Scheibe kein Geschäft „für A" besorgen, insbesondere diesen nicht von einer etwaigen dem B gegenüber bestehenden Schadenersatzpflicht befreien, sondern er wollte ausschließlich eine vermeintliche Vertragspflicht gegenüber B erfüllen, also als Geschäftsführer für B tätig sein. Deshalb trifft auch § 686 nicht zu, wonach bei Irrtum über die Person des Geschäftsherrn der wirkliche Geschäftsherr verpflichtet wird. Denn ein Irrtum des C über die Person des Geschäftsherrn liegt nicht vor. Man kann allerdings gleichzeitig die Geschäfte zweier Personen führen. Z. B.: Jemand beteiligt sich freiwillig beim Löschen eines Brandes, rettet dadurch dem Eigentümer seine Habe und erspart gleichzeitig der Versicherungsgesellschaft, bei der der Eigentümer versichert ist, eine beträchtliche Summe. So Enneccerus-Lehmann §165 II 2 a mit weiteren Beispielen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich aber dadurch, daß C von vornherein nur für eine bestimmte Person, den B, tätig sein will und nicht für alle, die es angeht. Vgl. auch den lehrreichen Fall 4 bei Berg, Referendarkläusur.

3. Ein Anspruch aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g setzt voraus, daß A auf Kosten des C durch dessen Leistung etwas erlangt hat. Eine solche Bereicherung könnte darin liegen, daß C den Schaden wiedergutgemacht hat, den A dem B verursacht hat und für den er wahrscheinlich haftbar ist (vgl. unten zu B). C hätte dann den A von einer Verbindlichkeit befreit und dadurch um „etwas" bereichert. Eine solche Schuldbefreiung kann bei unpersönlichen Leistungen jeder Dritte vornehmen (§ 267), sie setzt aber voraus, daß der Dritte (C) den Schuldner gerade von seiner Schuld befreien wollte. Da C, wie bereits bei der Geschäftsführung ohne Auftrag dargelegt wurde, lediglich seine eigene Verbindlichkeit dem B gegenüber erfüllen wollte, ist somit eine Schuldbefreiung des A nicht eingetreten. Der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung entfällt daher schon deshalb, weil A nichts durch die Handlung des C erlangt hat. Vgl. den anders liegenden Fall 5 bei Berg, Referendarklausur.

4. A kann aber aus u n e r l a u b t e r H a n d l u n g schadenersatzpflichtig geworden sein. In Betracht kommen §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 und 826. a) § 823 Abs. 1 entfällt, weil A nicht das E i g e n t u m des C verletzt hat, sondern nur veranlaßt hat, daß C durch sein eigenes Handeln sein Eigentum an der Scheibe durch das Einsetzen der Scheibe verlor, also selbst eine ihn schädigende Vermögensverfügung traf. Es kann deshalb ein B e t r u g seitens des A vorliegen und damit ein Verstoß gegen § 263 StGB als Schutzgesetz im Sinne des §823 Abs. 2. Der 11jährige A 3*

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konnte aber keinen strafrechtlichen Betrug begehen, weil er nach § 3 Abs. 2 S. 1 Jugendgerichtsgesetz strafrechtlich nicht verantwortlich ist. b) Es bleibt somit lediglich ein V e r s t o ß g e g e n §826. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit spielt hier keine Rolle. Es kommt lediglich auf die deliktische Verantwortlichkeit gemäß §§ 827, 828 an. Nach § 828 Abs. 2 ist ein Elfjähriger für zugefügten Schaden verantwortlich, wenn er bei der Tat die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte. Das kann bei dem skrupellosen Verhalten und sicheren Auftreten des A angenommen werden. § 826 erfordert eine vorsätzliche, sittenwidrige Schadenszufügung A hat den Eintritt des Schadens vorausgesehen, zumindest ihn in Kauf genommen. Dolus eventualis reicht für vorsätzliches Verhalten in § 826 aus. Sittenwidrig ist das Verhalten, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden verstößt. Ein strafbares Verhalten ist grundsätzlich in diesem Sinne als sittenwidrig anzusehen. Das Vorgehen des A stellt — abgesehen von seiner Strafunmündigkeit — einen strafrechtlichen Betrug dar. Denn A veranlaßte durch seine Täuschung den C zur Aufgabe seines Eigentums, ohne ihm einen gleichwertigen Ersatzanspruch zu verschaffen, und er handelte, um sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, nämlich um sich der Haftbarmachung durch B zu entziehen. Ein solches Verhalten muß als sittenwidrig bezeichnet werden. Die Voraussetzungen des § 826 sind demnach erfüllt. C kann verlangen, so gestellt zu werden, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre (§ 249). Dann hätte er wahrscheinlich die Scheibe anderswo mit entsprechendem Gewinn eingesetzt (§ 252 S. 2). Er kann also von A den durch B nicht zu deckenden Schaden ersetzt verlangen. III. Da A vielleicht vermögenslos ist, wird C auch Interesse haben, gemäß §832 denjenigen haftbar zu machen, der zur F ü h r u n g d e r A u f s i c h t über A gesetzlich verpflichtet ist. Das ist in erster Linie der Vater (§§ 1627, 1631). Voraussetzung für die Haftbarmachung des Aufsichtspflichtigen ist eine widerrechtliche Schadenszufügung durch das Kind. Grundsätzlich genügt objektive Widerrechtlichkeit. Ein Verschulden des Kindes ist nicht erforderlich, da nicht das Kind, sondern der Aufsichtspflichtige aus dieser Bestimmung verantwortlich gemacht wird. Vgl. dieselbe Frage bei §831, oben S. 5.

Bei § 826 muß jedoch Vorsatz vorliegen, um die Handlung überhaupt zu einer „widerrechtlichen" zu machen. Objektive Widerrechtlichkeit ist hier nicht denkbar. Vgl. Palandt zu § 832 Anm. 5. Dasselbe gilt für § 831. 36

Da der Tatbestand des § 826 sowohl hinsichtlich des Vorsatzes als auch hinsichtlich der Sittenwidrigkeit erfüllt ist, liegt ein widerrechtliches Verhalten des Kindes vor, für das der Aufsichtspflichtige auf Schadenersatz haftet. Der Inanspruchgenommene kann sich durch den Nachweis entlasten, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt hat oder daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Ob dieser Nachweis dem Vater gelingt, ist Tatfrage und kann mangels näherer Anhaltspunkte im Tatbestand nicht entschieden werden. Zu II und III. Sind für den dem C entstandenen Schaden sowohl A aus § 826 als auch der Aufsichtspflichtige aus § 832 verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander muß das Kind den Aufsichtspflichtigen schadlos halten, § 840 Abs. 1 und 2. B. R e c h t s b e z i e h u n g e n des B zu A u n d d e s s e n Aufsichtspflichtigem Es kommen nur Ansprüche aus u n e r l a u b t e r H a n d l u n g in Frage. I. A, der, wie sein späteres Verhalten zeigt, deliktsfähig im Sinne des § 828 Abs. 2 ist (vgl. oben zu A II 4b), hat vorsätzlich oder fahrlässig durch Einwurf der Fensterscheibe das Eigentum des B widerrechtlich verletzt und ist deshalb gemäß § 823 Abs. 1 dem B zum Schadenersatz verpflichtet. Er hat für kostenlose Erneuerung der Scheibe zu sorgen (§ 249). Die Wiederbeschaffung einer neuen Scheibe auf Kosten des B ist daher keine genügende Naturalrestitution. Er muß B noch von dem gegen diesen entstandenen Bereicherungsanspruch (oben zu A I 3) freistellen, d. h. er muß für B an C den gemeinen Verkehrswert der Scheibe zahlen. Die Möglichkeit, als Dritter für B diese Leistung zu erbringen, bietet § 267. Hat B bereits selbst an C gezahlt, so muß er ihm den gezahlten Betrag ersetzen. II. Den gleichen Anspruch hat B gegen den Aufsichtspflichtigen aus § 832. Jedoch kann dieser sich wieder gemäß § 832 S. 2 entlasten. Wegen der gesamtschuldnerischen Haftung A's und seines Aufsichtspflichtigen sowie der Ausgleichung untereinander gilt gleiches wie oben zu A am Ende.

5. Fall 2. Hausarbeit Musikdirektor a. D. Müller schloß mit dem Kaufmann Wagner einen privatschriftlichen Vertrag, wonach er sein Mietgrundstück gegen die 37

Villa Wagners tauschte. Müller ließ sein Haus am 1. April an Wagner auf und übergab es ihm am gleichen Tage. Am 2. April erfolgte die Eintragung Wagners im Grundbuch. Am gleichen Tage bezog Müller die bisherige Wohnung Wagners. Bereits am 15. April verkaufte Wagner das Mietgrundstück weiter an Schulze. Am gleichen Tage ließ er es an ihn auf und übergab es ihm. Die Eintragung erfolgte am 25. April. Die Auflassung des Villengrundstücks Wagners an Müller zog sich wegen steuerlicher Schwierigkeiten hin. Schließlich kam es zu einem Streit zwischen Wagner und Müller, infolgedessen Wagner die Auflassung verweigerte und sich zur Begründung auf die Formungültigkeit des Vertrages berief. Müller klagt nunmehr gegen Wagner auf Auflassung des Villengrundstücks, hilfsweise auf Rückgabe und Rückübereignung des Mietgrundstücks. Hat die Klage Aussicht auf Erfolg ? Vorbemerkung I. A u f b a u Der Aufbau bietet keine Schwierigkeiten. Die Parteien stehen fest, ebenso das „ W a s " ihrer Forderungen. Die Haupteinteilung ergibt sich aus den gestellten Fragen nach dem Anspruch auf Auflassung (A) und dem Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung (B). F ü r den Fall, daß keiner dieser Ansprüche Aussicht auf Erfolg hat, kann noch erörtert werden, welche Ansprüche in Wahrheit in B e t r a c h t kommen (C). Der Erfüllungsanspruch (A) läßt sich nur aus einem Vertrag herleiten. E s ist nacheinander zu untersuchen: I. W a r der Vertrag w i r k s a m g e s c h l o s s e n worden? I I . Wenn n i c h t : Ist er s p ä t e r wirksam geworden? I I I . Wenn n i c h t : Muß Wagner sich auf Grund seines Verhaltens so b e h a n d e l n lassen, a l s o b ein w i r k s a m e r Vertrag zustandegekommen wäre ? Diese Reihenfolge ist zwingend. Sie kommt in ähnlicher F o r m oft vor. Vgl. die Fälle 9 und 12 sowie Fall 2 bei Berg, Referendarklausur. Wenn sich die Untersuchung dem zweiten, hilfsweise geltend gemachten Anspruch ( B ) zuwendet, bedarf es einer kurzen Erörterung über die Zulässigkeit eines solchen Eventualantrags. Vgl. Berg, Gutachten S. 4 8 zu I I I 1. 38

II. W e i t e r e R i c h t l i n i e n f ü r die F a l l b e a r b e i t u n g 1. Wenn bei einer Hausarbeit auch die Literatur berücksichtigt werden muß, so ist es doch unerläßlich, zunächst den Fall lediglich an Hand des Gesetzestextes zu durchdenken und durchzuskizzieren, den Fall also zunächst als Klausuraufgabe zu betrachten. Allenfalls kann man einen Grundriß zu Rate ziehen, falls man sich über unbekanntere Rechtsgebiete unterrichten muß. Es muß nachdrücklich davor gewarnt werden, in dem Fall sofort ein bestimmtes Problem zu vermuten und nun die Kommentare und Entscheidungssammlungen nach dem „ähnlichen Fall" zu durchsuchen. Das folgerichtige Vorgehen auf Grund eigenen Nachdenkens zeigt meist, daß das wirkliche Problem ein ganz anderes ist und daß der vermeintlich ähnliche Fall doch anders liegt. Stürzt man sich sofort auf die Kommentare und Entscheidungssammlungen, so verliert man das Unterscheidungsvermögen und biegt in dem Bestreben, das Gelesene verwenden zu können, den Sachverhalt einfach so um, daß er auf den ähnlichen Fall paßt. Das ist der schlimmste Fehler bei der Fallösung: die „Tatbestandsquetsche". Eine Lösung kann naturgemäß nicht richtig sein, wenn der Tatbestand verbogen wird. 2. Im vorliegenden Falle weist Wagner ausdrücklich auf die Formungültigkeit des Vertrags hin. Er macht damit eine Rechtsansicht geltend. Es ist an sich nicht Aufgabe der Parteien, Rechtsansichten zu äußern. Sie haben lediglich Tatsachen vorzutragen; die rechtliche Beurteilung ist Sache des Gerichts bzw. des Gutachtens („Da mihi facta, dabo tibe jus!"). Immerhin können Rechtsansichten wertvolle Hinweise sein; sie können aber auch in die Irre führen und werden in den Übungsfällen oft nur gebracht, um den Kandidaten in Versuchung zu führen. Man lasse sich daher durch Rechtsansichten nicht daran hindern, den Sachverhalt zunächst so zu prüfen, als ob die Rechtsansichten nicht geäußert wären. 3. Das gefundene Ergebnis muß das Rechtsgefühl befriedigen. Formell richtige, aber dem Billigkeitsempfinden widersprechende Entscheidungen können eventuell durch den Hinweis auf Arglist und einen Verstoß gegen Treu und Glauben vermieden werden. Jedoch darf nicht einfach unter Berufung auf Treu und Glauben jedes scheinbar unbillige Ergebnis kurzerhand berichtigt werden. Zunächst sind jedenfalls alle rechtlichen Gesichtspunkte, die eine positive gesetzliche Handhabe zur Lösung bieten können, erschöpfend zu behandeln. Manche Entscheidungen gehen zudem mathematisch auf und lassen für das Rechtsempfinden keinen Raum; so oft im Sachenrecht. Treu und Glauben spielen hauptsächlich eine Rolle bei der Auslegung von Parteivereinbarungen und bei Würdigung des Verhaltens einer Partei. Die folgende Lösung gibt ein 39

Beispiel, wie weit Treu und Glauben zu berücksichtigen sind. Sie zeigt auch die Möglichkeit, durch Ausüben des richterlichen Fragerechts (§ 139 ZPO) und Zulassen einer Klagänderung (§ 264 ZPO) zu einem befriedigenderen Ergebnis zu kommen. Gutachten A. Die K l a g e M ü l l e r s auf A u f l a s s u n g des V i l l e n g r u n d s t ü c k s Mit der Klage begehrt Müller Erfüllung eines Tauschvertrags. Auf den Tauschvertrag finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung, da der Unterschied zum Kaufvertrag (Sache gegen Sache statt Sache gegen Geld) nicht von wesentlicher Bedeutung ist (§ 515). Gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 hat somit Wagner, wenn ein gültiger Tauschvertrag zustande gekommen ist, an Müller das Grundstück zu übergeben und das Eigentum daran zu verschaffen. Die Übergabe ist erfolgt. Die Übereignung geschieht durch Auflassung ( = dingliche Einigung über den Eigentumsübergang, vgl. § 925) und Eintragung. Die Eintragung kann Müller selbst beantragen, § 13 GBO. Er bedarf daher nur einer Auflassungserklärung und — grundbuchmäßig gesehen — einer Eintragungsbewilligung Wagners (§ 19 GBO). Ein rechtskräftiges Urteil, das Wagner zur Auflassung verurteilt, ersetzt beides (vgl. § 894 ZPO). Es fragt sich, ob Wagner zur Abgabe einer solchen Auflassungserklärung verpflichtet ist, obwohl der Grundstückstauschvertrag nur privatschriftlich abgeschlossen ist. I. Nach § 313 S. 1 bedarf ein Vertrag, durch den sich jemand zur Grundstücksübertragung verpflichtet, der gerichtlichen oder notarischen Beurkundung. Ein Tauschvertrag über Grundstücke ist ein Vertrag, durch den sich j e d e r der Vertragspartner zu einer Grundstücksübertragung verpflichtet. Der Vertrag war demnach bei seinem Abschluß nichtig, § 125. Zu beachten ist, daß lediglich ein Vertrag, durch den sich jemand zur E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g v e r p f l i c h t e t , der Form bedarf. Der Grundgedanke des § 313 geht dahin, den Grundstückseigentümer bei Veräußerung des wertvollsten Sachgutes, des Grundbesitzes, zu schützen. § 313 S. 1 liegt demnach nicht vor, wenn sich jemand lediglich zum E r w e r b von Grund und Boden verpflichtet, mag sich auch aus dem Erwerb eine g e s e t z l i c h e Pflicht zur Veräußerung (z. B. infolge eines Auftrags) ergeben. Jedoch ist die u n w i d e r r u f l i c h e Vollmacht zur Veräußerung eines Grundstücks formbedürftig, weil hier bereits eine Gebundenheit des Veräußerers eintritt, die § 313 verhindern will. Form-

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bedürftig ist auch die Bestellung eines (dinglichen oder obligatorischen) Vorkaufsrechts, da hierin die — wenn auch bedingte — Verpflichtung zur Übertragung liegt. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 28 II 3.

II. Der Vertrag hätte gemäß §313 S. 2 n a c h t r ä g l i c h durch E r f ü l l u n g seitens des Müller wirksam werden können. Die Auflassung und Eintragung bezüglich des Mietgrundstücks genügt jedoch allein nicht. Wenn, wie hier, b e i d e Teile ein Grundstück aufzulassen und die Eintragung zu bewirken haben, so tritt Heilung der mangelnden Form erst ein, wenn beide den Vertrag erfüllt haben. Andernfalls würde der dem § 313 S. 1 zugrundeliegende Gedanke, den Veräußerer eines Grundstücks vor Übereilung zu schützen, für den Vertragspartner vereitelt, da dieser nach Erfüllung durch den einen Teil aus einem nunmehr gültig gewordenen Vertrage verpflichtet würde, auch seinerseits zu erfüllen, obwohl bei ihm das Schutzbedürfnis des § 313 S. 1 nach wie vor besteht. Erst derjenige, der die gerichtlich oder notarisch vorzunehmende Auflassung (§ 925) und Eintragung (§ 873) bewirkt, zeigt, daß er nicht mehr schutzbedürftig ist. Ebenso RG 56/386, vgl. auch RG137/351 sowie Enneccerus-Lehmann § 28 II 3, RGRKomm. zu § 313 Anm. 6, Palandt zu § 313 Anm. 13 b. III. Eine andere, nach allgemeinen Gesichtspunkten zu beantwortende Frage ist es, ob Wagner sich wegen seines Verhaltens bei bzw. nach Erwerb des Grundstücks so behandeln lassen muß, wie wenn ein formgültiger Vertrag vorliegt. M. a. W.: Es fragt sich, ob die Berufung auf die Formungültigkeit des Vertrags gegen Treu und Glauben verstößt. Durch Abschluß eines Vertrags und schon durch Eintritt in Vertragsverhandlungen treten die Vertragsparteien in ein von dem Gedanken der Treue — gegenüber dem andern — und des Glaubens — auf die Treue des andern — beherrschtes Vertrauensverhältnis zur Regelung ihrer Angelegenheiten. § 242 ist der allgemeine gesetzliche Niederschlag dieser deutschrechtlichen Vertragsauffassung. Auf ihr beruht die Lehre von der culpa in •contrahendo, vgl. oben Fall 3 zu C. Die römisch-rechtliche Auffassung kannte nur einen Kampf von 2 Gegnern mit formalen Waffen.

Grundsätzlich verstößt die Berufung auf die mangelnde Form nicht gegen Treu und Glauben. Die gesetzlich vorgeschriebene Form ist vom Richter sogar von Amts wegen, also ohne daß eine Partei den Formmangel rügt, zu beachten. Zeigt der durch die Formvorschrift zu schützende Teil aber durch sein Verhalten, daß er des Schutzes nicht bedürftig, ja nicht würdig ist, so würde das Festhalten an der Form zum leeren Formalismus, der des inneren Grundes entbehrt und den andern Teil für sein vertragswidriges Verhalten geradezu belohnen würde. 41

Jedoch müssen ganz besondere Umstände vorliegen, die eine Verwirkung des durch § 313 gegebenen Schutzes herbeiführen: 1. So wenn ein Teil den andern beim Vertragsschluß bewußt hintergangen hat, indem er ihn von einem formgerechten Vertragsschluß abhielt, um womöglich später die Nichtigkeit geltend zu machen. 2. Oder wenn er ihn — auch ohne böse Absicht — immerhin schuldhaft durch sein Verhalten in den Irrtum versetzt hat, der Vertrag sei formlos gültig. 3. Oder noch allgemeiner und unabhängig von Verschulden, wenn die Berufung auf den Formmangel mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten, insbesondere auch im Hinblick auf die erlangten Vorteile oder die dem andern Teil entstandenen Schäden mit dem allgemeinen Rechtsempfinden unvereinbar ist. Vgl. RG 153/60, 157/209, 170/203, OGH Köln in N J W 49/62 und 103 sowie Lehmann, Allg. Teil § 31 VII 4. Die zu 2 und 3 genannten Fälle sind Beispiele eines gegensätzlichen Verhaltens, d. h. eines Verhaltens, das im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht (sog. venire contra factum proprium). Man spricht hier auch von der exceptio doli generalis oder präsentis im Gegensatz zu dem Fall 1, der als exceptio doli specialis oder präteriti bezeichnet wird. Der Ausdruck exceptio ist aber irreführend, da eine Einrede im eigentlichen Sinne nicht vorliegt. Eine Einrede im eigentlichen Sinne ist nur zu beachten, wenn sie vom Gegner vorgebracht wird (z. B. die Einrede der Verjährung, des Zurückbehaltungsrechts, der Stundung). Ein treuloses Verhalten ist aber von Amts wegen zu berücksichtigen. Besser spricht man von einer durch § 242 gezogenen „Beschränkung des Anspruchsinhalts" oder von „unzulässiger Rechtsausübung". Hierher gehört auch der Fall der Verwirkung. Eine solche tritt ein, wenn die jetzige Geltendmachung eines Anspruchs oder einer Einrede im Widerspruch zu einem früheren Verhalten steht. Vgl. im einzelnen Palandt zu § 242 Anm. 1, 2 a und 9 sowie Lehmann, Allg. Teil § 1 5 I.

Eine schuldhafte Irreführung Müllers durch Wagner über die Notwendigkeit der Form bei A b s c h l u ß des Vertrags ist nach dem Tatbestand nicht anzunehmen. Erst recht ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß Wagner den Müller a r g l i s t i g veranlaßt hat, sein Grundstück zu übereignen, um es dann schleunigst weiter zu übereignen, ohne selbst die Absicht der Erfüllung gehabt zu haben. Die Fälle zu 1 und 2 scheiden demnach aus. Wohl aber liegt ein gewisser — objektiver — Widerspruch Wagners mit seinem früheren Verhalten darin, daß er sich jetzt auf den Formmangel beruft, obwohl er a) die Auflassung von Seiten Müllers entgegengenommen hat und sich als Eigentümer im Grundbuch eintragen ließ, 42

b) darüber hinaus sogar über das Grundstück durch Weiterveräußerung verfügt hat. Ein Verstoß wider Treu und Glauben gemäß Fall 3 kann in diesem Fall aber nicht erblickt werden. Zu a): Wollte man in der bloßen Tatsache der Entgegennahme der Auflassung und jetzigen Berufung auf den Formmangel einen' solchen Verstoß erblicken, so würde man die bei einem Grundstückstauschvertrag durch E r f ü l l u n g von nur e i n e r Seite nicht mögliche Heilung nach §313 S. 2 (vgl. oben zu II) t r o t z g l e i c h l i e g e n d e r S a c h l a g e unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt erreichen. Zu b): Auch die von Wagner vorgenommene V e r ä u ß e r u n g des Grundstücks kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Wagner war durch die Auflassung und Eintragung verfügungsberechtigter Eigentümer des Grundstücks geworden. Müller mußte daher mit einer Weiterveräußerung des Grundstücks durch Wagner rechnen. Wenn Wagner von seiner Verfügungsberechtigung Gebrauch macht, so liegt darin also kein eigentlicher Vertrauensmißbrauch gegenüber Müller. Denn außer in der Erwartung, daß Wagner auch seinerseits erfüllen würde, ist Müller nicht getäuscht worden. Insbesondere hat er keine weiteren ihn schädigenden Schritte im Vertrauen auf das Verhalten Wagners unternommen. Den Vorteil, den Wagner durch die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung erlangt hat, gleicht das Gesetz in den §§812ff. aus, auch im Falle der Weiterveräußerung durch den Bereicherten (vgl. unten zu B und C). Es kann also nicht angenommen werden, daß Wagner durch sein Verhalten unter Schädigung des Müller einen Vorteil erlangt hat, dessen Zubilligung dem gesunden Rechtsempfinden gröblich widersprechen würde. Da diese Ausgleichsansprüche bei Unwirksamkeit vorgesehen sind, müssen schon ganz besondere Umstände vorliegen, durch die gerade die Weigerung des E r f ü l l u n g s z u s t a n d e s durch den Vertragsgegner mit Treu und Glauben unvereinbar erscheint. Vgl. OGH Köln, N J W 1949/63. So hatte in RG J W 1938/1023 der Geschädigte im Vertrauen auf eine wirksame Bürgschaftsverpflichtung seinen bisherigen Darlehnsschuldner aus der Haft entlassen und auf Teilnahme am Konkurs des neuen Darlehnsschuldners verzichtet. In der bedeutsamen Entscheidung RG 153/60, in der der Grundsatz zu 3 in einer ähnlichen Fassung aufgestellt wird, hatte jemand ein Bäckereigrundstück auf Grund einer Pacht 5 Jahre lang genutzt; als er nach Beendigung des Pachtvertrags auf das vertraglich ausgemachte Wettbewerbsverbot in Anspruch genommen wurde, berief er sich auf die Ungültigkeit des — in der Hauptsache erledigten — Vertrags, weil ein im Vertrag vorgesehenes Vorkaufsrecht am Grundstück — das praktisch keine Bedeutung gewonnen hatte — nicht beurkundet gewesen sei. Mit Recht wurde dieser Einwand von allen drei Instanzen als unsittlich angesehen.

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B. Die K l a g e M ü l l e r s auf R ü c k g a b e u n d R ü c k ü b e r e i g n u n g des M i e t g r u n d s t ü c k s Da die in erster Linie erhobene Klage auf Auflassung des Villengrundstücks abzuweisen ist, fragt sich, ob wenigstens dem Hilfsantrag auf Rückgabe des Mietgrundstücks stattgegeben werden kann. Die Stellung eines solchen Hilfsantrags ist zulässig, wenn die Tatsachen, die die beiden Anträge begründen, in einem inneren Zusammenhang stehen, insbesondere wenn, wie hier, der eventuell geltend gemachte Anspruch nur bei Abweisung des Hauptantrags zugesprochen werden kann. Vgl. Baumbach zu § 260 Anm. 2 C. Da kein Vertrag zustandegekommen ist, Wagner sich auch nicht nach Treu und Glauben so behandeln lassen muß, wie wenn ein Vertrag zustandegekommen wäre, ist Müller auf gesetzliche Ausgleichsansprüche angewiesen, um die an Wagner vorgenommene Vermögensverschiebung rückgängig zu machen. I. Ein Schadenersatzanspruch aus u n e r l a u b t e r H a n d l u n g scheidet von vornherein aus. In der Weiterveräußerung des dem Wagner zu Eigentum übertragenen Grundstücks liegt keine Eigentumsverletzung gegenüber Müller. Der Tatbestand der betrügerischen Erlangung des Eigentums (§ 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 StGB) oder der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 ist — mangels jeglicher Anhaltspunkte im Tatbestand — nicht zu unterstellen. Man hüte sich vor U n t e r s t e l l u n g e n . Es ist davon auszugehen, daß der Tatbestand alles für die Fallösung Notwendige enthält, zumindest aber, daß sich eine weitere Klärung nicht hat erzielen lassen. Zum Teil beruhen Unterstellungen auf der Sucht nach dem „ähnlichen Fall" oder doch nach einem dem Bearbeiter passenden Paragraphen. Sie führen dann zur „Tatbestandsquetsche", vgl. oben Vorbemerkung zu II 1. Aber auch abgesehen hiervon ist es grundsätzlich unzulässig, eine Geschäftsunfähigkeit, Unzurechnungsfähigkeit, Bösgläubigkeit oder Formungültigkeit eines Rechtsgeschäfts mangels irgendwelcher Anhaltspunkte einfach zu unterstellen. Im Zweifel ist hier alles in Ordnung. Sollte der Fall wirklich einmal zu Zweifeln Anlaß geben, z. B. wenn von einem Studenten die Rede ist, der volljährig oder minderjährig sein kann, so ist, w e n n d a d u r c h die E n t s c h e i d u n g v e r s c h i e d e n a u s f ä l l t , in einer Hauptlösung von der näherliegenden Annahme, wahrscheinlich von der Volljährigkeit, auszugehen, und in einem Hilfsgutachten die andere Möglichkeit zu erörtern.

II. Es bleibt nur der Anspruch aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r r e i c h e r u n g (§ 812). 44

Be-

Wagner hat durch die Leistung Müllers (Auflassung) in Verbindung mit der Eintragung auf Kosten Müllers etwas, nämlich das Eigentum an dessen Grundstück, und zwar ohne rechtlichen Grund erlangt § 812 Abs. 1 S. 1 ist demnach gegeben. Das u n g ü l t i g e V e r p f l i c h t u n g s g e s c h ä f t hat die Wirksamkeit.des E i g e n t u m s ü b e r g a n g s nicht beeinträchtigt. Denn der sachenrechtliche Erfüllungsvorgang, die Eigentumsübertragung, ist gegenüber dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft abstrakt, d. h. unberührt von dessen Gültigkeit oder Ungültigkeit. A b s t r a k t sind alle sachenrechtlichen Vorgänge, wie die Übereignung, Hypotheken, Pfand- und Nießbrauchsbestellung, aber auch gewisse im Schuldrecht geregelte Verträge, wie die Zession, Schuldübernahme, das abstrakte Schuldversprechen, die Eingehung einer Wechselverbindlichkeit. K a u s a l sind die meisten im Schuldrecht geregelten besonderen Schuldverhältnisse; es handelt sich hier um Rechtsgeschäfte, denen eine causa ihr besonderes Gepräge gibt, wie die causa credendi beim Darlehn, die causa aquirendi bei Kauf, Miete, Dienst- und Werkvertrag, die causa donandi bei der Schenkung, die caüsa solvendi bei der Erfüllung nach § 362. Die Trennung in abstrakte und kausale Rechtsgeschäfte hat den Vorteil, daß nach außen hin zum Schutz des Verkehrs klare Verhältnisse geschaffen werden. Ein Dritter, der die Sache vom Ersterwerber erhält, braucht sich nicht an die zwischen diesem und dessen Verkäufer bestehenden schuldrechtlichen Beziehungen zu stören. Sie hat den Nachteil, daß der Erwerber eine viel stärkere Rechtsstellung erhält, als ihm nach den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen gebührt. Der auf Grund der §§812 ff. vom Gesetz gegebene Ausgleich ist vielfach ungenügend, so insbesondere im Falle des § 817 bei einem unsittlichen Rechtsgeschäft, vgl. Lehmann, Allg. Teil § 25 III 2. Nach österreichischem allgemeinem B G B ist zur Eigentumsübertragung ein gültiges Kausalgeschäft erforderlich. Vielfach hüft man im deutschen Recht dadurch, daß man nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien das Erfüllungsgeschäft b e d i n g t g ü l t i g sein läßt von der Gültigkeit des Kausalgeschäfts oder indem man bei der wirtschaftlichen Einheit des ganzen Geschäfts auf § 139 hinweist. Vgl. Lehmann a. a. O. § 27 III 2, Palandt zu § 139 Anm. 4. Bei der Auflassung ist aber eine solche Abhängigkeit vom Kausalgeschäft durch § 925 Abs. 2 untersagt. § 814, wonach das zum Zweck einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewußt hat, daß er zur Leistung nicht verpflichtet ist, steht dem Herausgabeanspruch nicht entgegen. E s ist im Tatbestand kein Anhaltspunkt dafür vorhanden, daß Müller trotz positiver Kenntnis der Rechtslage die Auflassung vorgenommen hat. Ein „Kennen-müssen" der Unwirksamkeit der Verpflichtung genügt nicht.

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Auch grobe Fahrlässigkeit schadet nicht. Sogar bei positiver Kenntnis des nichtigen Kausalgeschäfts steht § 814 einer Rückforderung nicht entgegen, wenn Müller in der Erwartung geleistet hat, die Angelegenheit käme dadurch in Ordnung. Er kondiziert dann nicht auf Grund des § 812 Abs. 1 S. 1 (Leistung einer Nichtschuld), sondern nach § 812 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 (wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolgs). Auf §812 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 ist aber §814 nicht anwendbar. So RG 95/239.

Dagegen steht dem Anspruch die Tatsache entgegen, daß Wagner das Grundstück inzwischen rechtswirksam an Schulze weiterveräußert hat und nunmehr weder Besitzer noch Eigentümer ist. Er ist daher zur Herausgabe außerstande und hat nach § 818 Abs. 2 den Wert zu ersetzen. Eine Verpflichtung, das Grundstück von Schulze zurückzuerwerben, besteht für ihn nicht. Wahrscheinlich ist er dazu auch nicht imstande, da Schulze zur Rückgabe rechtlich nicht verpflichtet ist (vgl. RG 56/383). C. K l a g ä n d e r u n g auf E r s a t z l e i s t u n g ? Der Eventualantrag Müllers auf Rückgabe und Rückübereignung des Grundstücks müßte ebenso wie der zu I behandelte H a u p t a n t r a g abgewiesen werden. Jedoch kann es angebracht sein, im Wege des richterlichen Fragerechts (§ 139 ZPO) Müller darauf hinzuweisen, daß er statt auf Rückgabe usw. auf Ersatz klagen kann. Ändert daraufhin Müller seinen Klagantrag, so liegt zwar eine Klagänderung vor, der Wagner an sich widersprechen kann (§ 264 ZPO), da einer der Ausnahmefälle des § 268 ZPO nicht gegeben ist. Das Gericht wird aber die Klagänderung aus prozeßökonomischen Gründen als sachdienlich zulassen (§ 264 ZPO), da dadurch die sachliche Erledigung'des Streitfalls gefördert und ein neuer Prozeß vermieden wird (vgl. RG J W 35/2897 und Baumbach zu .§ 264 ZPO Anm. 4 B). I. Als Ersatzansprüche kommen in Betracht: 1. Nach §818 Abs. 2 kann Müller den g e m e i n e n V e r k e h r s w e r t für sein Grundstück ersetzt verlangen. Vgl. RG 147/398. 2. Kannte Wagner den Mangel des rechtlichen Grundes zur Zeit der Weiterveräußerung, so kann Müller darüber hinaus S c h a d e n e r s a t z gemäß § 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 292, 989 verlangen, falls er einen durch den gemeinen Verkehrswert nicht gedeckten Schaden erlitten hat. II. Dagegen kann Müller nicht Herausgabe des von Wagner bei der Weiterveräußerung erzielten E r l ö s e s verlangen. 1. § 816 Abs. 1 S. 1 t r i f f t nicht zu, da es sich dort um die Verfügung 46

eines (dinglich) Nichtberechtigten handelt. Wagner war aber als Eigentümer des Grundstücks zur Verfügung dinglich berechtigt. 2. Auch auf § 818 Abs. 1 (Herausgabe des „auf Grund eines erlangten Rechtes" Erworbenen) läßt sich ein Surrogatsanspruch nicht stützen. Wie der Wortlaut des § 818 Abs. 1, namentlich im Vergleich zu dem weitergehenden § 1370 ergibt, umfaßt die Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 1 nur das sog. commodum ex re (z. B. die Einnahme aus einer grundlos erlangten Forderung oder Schadenersatzansprüche für eine Sache), nicht dagegen das sog. commodum ex negociatione, d. h. den rechtsgeschäftlichen Erwerb. Dieser beruht in erster Linie auf dem Vertrage, nicht auf dem erlangten Gut selbst. Der den gemeinen Wert übersteigende Gewinn einer Weiterveräußerung verbleibt also dem Empfänger. (Vgl. Enneccerus-Lehmann § 227 I 3 und Palandt zu § 818 Anm. 5b.) Enneccerus-Lehmann a. a. O. will der darin liegenden Ungerechtigkeit durch eine e n t s p r e c h e n d e Anwendung des §281 zumindest bei B ö s g l ä u b i g k e i t des Bereicherungsschuldners abhelfen. Über die Bedeutung des § 281 im einzelnen vgl. den nächsten Fall.

6.

Fall

2. Klausurarbeit A gibt für die Zeit seiner Sommerreise seinen Silberkasten im Wert von 1000 DM dem Goldschmied B gegen eine angemessene Vergütung in Verwahrung. Während einer Geschäftsreise des B verkauft dessen Prokurist P den Silberkasten für 1200 DM an C. Diesem wird er aus seiner Wohnung gestohlen. Alle Nachforschungen sind vergebens. A verlangt, nachdem er von der Reise zurückgekehrt ist und den Sachverhalt erfahren hat, von B Herausgabe des von G gezahlten Kaufpreises, mindestens aber Wertersatz in Höhe von 1000 DM. G verlangt gleichfalls von B Rückzahlung des Kaufpreises, da der Silberkasten dem A gehört habe und da A das Silber bereits wiederholt benutzt habe. B bittet um ein Gutachten über die Rechtslage. Vorbemerkung Aufbau Der Aufbau richtet sich nach den Ansprüchen A's und C's gegen B. Bei den Ansprüchen A's ist weiter zu unterscheiden: Ansprüche auf Herausgabe des Kauferlöses und auf Wertersatz. Damit ist der Aufbau nach den Fragen: „Wer will vom wem was?" festgelegt. 47

Als Anspruchsgrundlagen für das Begehren A's auf Wertersatz kommen wieder Vertragsverletzung und Delikt in Betracht. Als Anspruchsgrundlagen auf Herausgabe eines Surrogats (eines Ersatzgegenstandes oder des Erlöses) sind die §§ 281, 816 und 687 Abs. 2 in Verbindung mit § 681 S. 1 typisch. An diese Bestimmungen ist stets bei Surrogatsansprüchen zu denken. Gutachten A. A n s p r ü c h e des A gegen B I. Ansprüche auf H e r a u s g a b e des von C gezahlten K a u f p r e i s e s in Höhe von 1200 DM. 1. In erster Linie ist eine v e r t r a g l i c h e Anspruchsgrundlage zu prüfen. Zwischen A und B besteht ein entgeltlicher Verwahrungsvertrag (§§ 688ff.), also ein gegenseitiger Vertrag gemäß §§ 320ff. Die ordnungsmäßige Aufbewahrung und Rückgabe der aufzubewahrenden Sache ist eine Hauptpflicht des Verwahrers (vgl. § 688). Infolge Verkaufs des Silberkastens durch den Prokuristen ist dem B die weitere Verwahrung und die Rückgabe unmöglich geworden. Die Rechte des A bestimmen sich demnach — mangels besonderer Bestimmungen in den §§ 688ff. — nach den §§ 323 oder 325. Der § 323 setzt nicht zu vertretende Unmöglichkeit voraus. Ob das eine oder andere vorliegt, kann aber für den Herausgabeanspruch auf den Erlös dahingestellt bleiben. Denn nach beiden Vorschriften ist es dem A möglich, gemäß § 281 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes zu verlangen (vgl. § 323 Abs. 2 und 325 Abs. 1 S. 3, wo auf § 323 verwiesen wird). Verlangt A Herausgabe, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet, muß also die für die Verwahrung vereinbarte angemessene Vergütung bezahlen, § 323 Abs. 2. Es wäre falsch, im vorliegenden Falle sofort § 281 anzuwenden und die §§ 323, 325, die erst auf § 281 verweisen, zu übergehen. Denn bei im Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit stehenden sog. gegenseitigen (synallagmatischen) Verträgen, wie Kauf, Miete, Dienst-, Werkvertrag und entgeltlicher Verwahrung, geben die §§ 323 ff. Sonderbestimmungen, die gerade die Einwirkung der Unmöglichkeit auf die Verpflichtung des andern Teils regeln. Es geht daher nicht an, bei einem gegenseitigen Vertrag nur die den einen Teil begünstigenden Bestimmungen der §§ 280, 281, 284 zu zitieren, ohne die in den §§ 323ff. geregelte Einwirkung auf die eigene Verpflichtung zu erwähnen. § 281 wäre unmittelbar nur anwendbar, wenn ein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag, also ein einseitig verpflichtender Vertrag vorgelegen hätte.

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Bedenken könnte man noch haben, ob der Kaufpreis ein Ersatz im Sinne des § 281 ist. Der Ersatz muß „infolge des Umstandes, der die Leistung unmöglich macht, erlangt sein". Streng genommen wurde die Leistung erst durch die Ü b e r e i g n u n g des Silberkastens an C unmöglich, während der Kaufpreis schon auf Grund des von P mit C geschlossenen o b l i g a t o r i s c h e n K a u f v e r t r a g s geschuldet und gezahlt wurde. Das Merkmal in § 281 „infolge des Umstandes", also der Zusammenhang zwischen Ersatz und Unmöglichkeit ist aber im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen. Wirtschaftlich gesehen sind Verkauf und Veräußerung in Erfüllung des Verkaufs eine Einheit. Der durch Verkauf der Sache erzielte Gegenwert, das sog. commodum ex negociatione, fällt also unter §281. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 46 II und RG 105/89. Nach RG 120/351 geht der Grundgedanke des § 281 dahin, daß Vermögenswerte, die gewissen Personen zugeflossen sind, denen sie nach den unterliegenden Wirtschaftsbeziehungen nicht gebühren, auf die in Wahrheit berechtigten Personen übertragen werden sollen.

A kann also grundsätzlich den von P erzielten Kaufpreis herausverlangen,' bleibt aber an seine eigene Leistungspflicht zur Zahlung der vereinbarten Vergütung gebunden. 2. Als weitere Anspruchsgrundlage auf den erlangten Erlös kommt § 816 Abs. 1 S. 1 in Betracht. Diese Bestimmung will einen Ausgleich für einen Eigentumsverlust schaffen und steht daher gleichberechtigt neben § 281, der einen Ausgleich für die unmöglich gewordene Vertragsleistung darstellt. Es besteht Anspruchskonkurrenz. Die §§281,816 setzen gewissermaßen die Ansprüche fort, die vor der Veräußerung des Silberkastens durch P gegen B bestanden. Bei NichtVeräußerung hätte A sowohl den vertraglichen Anspruch auf Rückgabe als auch den dinglichen Anspruch aus § 985 gegen B gehabt.

Voraussetzung für den Surrogatsanspruch aus §816 ist, daß ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung getroffen hat, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. P, der den Silberkasten für B an C veräußerte, war nicht berechtigt, da dieser Kasten dem B nur zur Verwahrung überlassen war. Die Verfügung war wirksam, wenn der Erwerber gutgläubig war entweder bezüglich des Eigentums des durch P vertretenen B (§ 932) oder — da es sich bei B um einen Kaufmann handelt — bezüglich seiner Verfügungsbefugnis (§366 Abs. 1 HGB). Die Ausnahme des § 935, daß die Sache dem A abhandengekommen war, liegt nicht vor. Abhandengekommen ist eine Sache, wenn sie dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen wegkommt. A hatte durch die Übergabe der Sache an B auf Grund eines Verwahrungsvertrags diesem 4

B e r g , Bürgerl. Recht.

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freiwillig den unmittelbaren Besitz übertragen (§ 868). Während der Abwesenheit des B übte P als Prokurist den unmittelbaren Besitz aus. Der Prokurist ist als „zweiter Prinzipal" nicht bloßer Besitzdiener im Sinne des § 855. Da der gute Glaube des B zu vermuten ist, ist B somit durch Erwerb des Silberkastens von P Eigentümer geworden. Die Verfügung des P ist dem A gegenüber wirksam. A hat den Anspruch auf Herausgabe des Erlöses. A muß sich aber auch hier die mit B vereinbarte Vergütung in Abzug bringen lassen. Denn der nach § 816 Abs. 1 S. 1 herauszugebende Erlös ist nur ein Ersatz für das Eigentum des A, wie es auf Grund des mit B geschlossenen Vertrags bestand. Hätte B bzw. P die Sache nicht verkauft, so hätte B sie erst herausgeben müssen, wenn A die Vergütung bezahlt hätte. Insoweit hatte B ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273). E s geht nun nicht an, das Surrogat für die Sache herauszuverlangen, ohne die Gegenleistung für die (durch das Surrogat ersetzte) Sache zu erbringen. Dem widerspricht auch der in § 818 Abs. 2 ausgedrückte Grundgedanke des Bereicherungsrechts, daß die Herausgabepflicht — abgesehen von §§ 818 Abs. 4, 819, 820 — nicht zu einer Verminderung des Vermögens des Bereicherten über den Betrag der Bereicherung hinaus führen darf. Da sowohl das Surrogat als auch die zu zahlende Vergütung in Geld bestehen, kann A nur die Differenz zwischen beiden als Bereicherung gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 heraus verlangen. Sog. Saldotheorie, nach der die Gegenleistung als ein Rechnungsfaktor, als Abzugsposten aufzufassen ist, Es entsteht von vornherein nur ein in sich beschränkter Bereicherungsanspruch. Vgl. RG 137/336, 163/360 und Enneccerus-Lehmann § 227 III 2 und 3. Im Gegensatz hierzu will die sog. Zweikondiktionentheorie einen Ausgleich nur nach den Regeln der Aufrechnung oder Zurückbehaltung herbeiführen. 3. Schließlich ist noch § 687 Abs. 2 als Anspruchsgrundlage zu erwägen. § 687 Abs. 2 verweist auf § 6 8 1 S. 2 in Verbindung mit § 6 6 7 . Danach ist alles, was aus einer Geschäftsbesorgung erlangt ist, an den Geschäftsherrn herauszugeben. § 687 Abs. 2 setzt aber voraus, daß der „Geschäftsführer" ein fremdes Geschäft führt, obwohl er weiß, daß er nicht dazu berechtigt ist. Ein (objektiv) fremdes Geschäft wird von P geführt, da er eine fremde Sache veräußert. Es fehlt ihm aber das Bewußtsein, daß er zur Veräußerung nicht berechtigt ist. Als Prokurist konnte P sich zur Veräußerung befugt halten (§ 49 HGB). § 687 Abs. 2 scheidet demnach als Anspruchsgrundlage aus. Das o b j e k t i v fremde Geschäft, das in § 687 Abs. 2 erfordert wird, steht im Gegensatz zu einem seiner Natur nach n e u t r a l e n Geschäft, wie es z. B. der A n k a u f einer Sache ist. Ein neutrales Geschäft kann e r s t d u r c h d e n W i l l e n d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s zu einer Geschäfts-

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besorgung f ü r einen anderen werden. Es ist daher bei der unechten Geschäftsführung (§ 687 Abs.) nicht denkbar, da hier begrifflich der Wille, für einen anderen zu handeln, fehlen muß. Der Übersicht halber sei bemerkt: Eine Besorgung fremder Angelegenheiten ohne Auftrag kann in dreifach verschiedener Weise erfolgen: a) Als e c h t e Geschäftsführung, wenn der Geschäftsführer ein — gleichgültig, ob neutrales oder objektiv fremdes — Geschäft f ü r e i n e n a n d e r e n , d. h. im Interesse eines anderen führt. Hierauf sind die §§ 677ff. anzuwenden. Vgl. oben Fall 4 S. 31 ff. b) Als u n e c h t e Geschäftsführung, wenn der Geschäftsführer ein o b j e k t i v fremdes Geschäft w i d e r b e s s e r e s W i s s e n für sich selbst besorgt. Hier ist § 687 Abs. 2 anzuwenden. Dieser Fall läge vor, wenn P trotz Kenntnis seiner Nichtberechtigung die Sache des A verkauft hätte. c) Als Führung eines o b j e k t i v fremden Geschäfts im G l a u b e n , e s h a n d l e s i c h u m d a s e i g e n e . Die §§ 677ff. finden hier keine Anwendung (§ 687 Abs. 1). Dieser Fall liegt hier vor. E s bewendet bei den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (oben zu 2) bzw. auf Schadenersatz (vgl. unten zu II).

II. Die Ansprüche auf den Erlös können bei einem Verkauf, der den Wert der Sache übersteigt, günstiger sein als die weiterhin geltend gemachten Ansprüche auf Wertersatz. Denn sie ermöglichen es, einen Gewinn einzustecken, den man selbst nicht gemacht hätte, der also auch unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes nicht zu verlangen wäre. Gleichwohl erscheint es im vorliegenden Falle fraglich, ob A mit dem Anspruch auf Herausgabe des Erlöses durchdringt. Denn G verlangt von' B den gezahlten Kaufpreis zurück. Ist B hierzu ganz oder teilweise verpflichtet — was unten zu B untersucht wird — so kann der Herausgabeanspruch wertlos sein. Es sei deshalb geprüft, ob A mindestens W e r t e r s a t z in Höhe von 1000 DM verlangen kann. 1. In erster Linie kommt wieder ein v e r t r a g l i c h e r A n s p r u c h in Frage. B ist nach § 325 bei der hier vorliegenden Unmöglichkeit der Leistung zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Da nicht B selbst, sondern P den Kasten veräußert, fragt sich zunächst, ob er für das Verhalten des P einstehen muß. P ist hinsichtlich der geschäftlichen Angelegenheiten, wozu auch die Aufbewahrung des Kastens gehört, sein Erfüllungsgehilfe. Nach § 278 hat B für seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen, wenn dieser die Vertragsverletzung, verschuldet hat (§ 276). Ein Verschulden des P setzt voraus, daß dieser wußte oder wissen mußte, das der Silberkasten nur zur Verwahrung im Geschäft war und nicht zum Verkauf. Da der Tatbestand für eine solche positive Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis keinen Anhaltspunkt bietet, entfällt die Möglichkeit, den B für das Verhalten des P haftbar zu machen. 51

E s bleibt aber die Möglichkeit, daß B selbst durch sein Verhalten die Unmöglichkeit schuldhaft herbeigeführt hat und daher unmittelbar aus § 325 in Verbindung mit § 276 haftet. E i n Verschulden kann darin gesehen werden, daß er bei seiner Abreise den P nicht darauf hingewiesen hat, daß der Kasten nur zur Verwahrung gegeben wurde. Zu einem solchen Hinweis war. er dem A aus dem Verwahrungsvertrag heraus verpflichtet. Da ein Verschulden des P im Zweifel abzulehnen ist, bleibt somit nur die Annahme eines eigenen Verschuldens des B . Der geschädigte A kann demnach zumindest den W e r t des Silberkastens verlangen. E r muß sich jedoch auch hier die dem B zu zahlende Vergütung in Anrechnung bringen lassen. Denn beim Schadenersatz wegen Nichterfüllung bleibt man — anders als beim R ü c k t r i t t infolge Unmöglichkeit oder Verzugs, §§ 325, 326 — beim Vertrag stehen, muß also die eigene Leistung erbringen und erhält die Gegenleistung in Form eines Ersatzes. Sog. Differenztheorie, vgl. oben S. 25, das Gegenstück der Saldotheorie bei der Bereicherung, oben I 2. 2. In der Veräußerung der Sache, die zur Übereignung an C geführt hat, liegt gleichzeitig eine Eigentumsverletzung, die den B aus Delikt schadenersatzpflichtig machen kann. Nach § 831 muß B für das Verhalten des P als Verrichtungsgehilfen einstehen, da eine objektiv widerrechtliche Schadenszufügung genügt und Verschulden des P nicht erforderlich ist. B kann sich aber gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 für P exkulpieren. Eine eigene schuldhaft widerrechtliche Eigentumsverletzung des B , die ihn gemäß § 823 Abs. 1 haftbar macht, kann darin gesehen werden, daß er keine Vorsorge getroffen hat, die Sache gegen eine Veräußerung während seiner Abwesenheit zu schützen. Eine Pflicht hierzu bestand auf Grund des Vertrags und — abgesehen hiervon — auf Grund des Umstandes, daß B die Verwahrung tatsächlich übernommen hatte (Rechtspflicht aus vorangegangenem Tun). So haften Spediteure, Lagerhalter und Frachtführer für die in ihrer Qbhut befindlichen Sachen aus § 823 Abs. 1, auch wenn sie mit dem Eigentümer keinen Vertrag abgeschlossen haben. Vgl. RG 102/42,105/304, 120/121 und Berg, Handelsrecht, Fälle 38, 39, 41. B haftet somit jedenfalls aus § 823 Abs. 1. Der Umfang des Schadens (§ 249) ist der gleiche wie bei der Haftung wegen Vertragsverletzung,

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B. A n s p r ü c h e des C g e g e n B I. Soweit C die Rückzahlung des Kaufpreises mit der Begründung verlangt, daß der Kasten dem A gehört habe, kommt ein Anspruch wegen eines R e c h t s m a n g e l s in Betracht. Nach § 433 Abs. 1 ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Erfüllt' er diese Verpflichtung nicht, so kann der Käufer gemäß § 440 in Verbindung mit §§ 325, 326 vom Vertrag zurücktreten und Rückgewähr seiner Leistung verlangen. Die in §440 bezogenen §§ 323ff. setzen an sich n a c h f o l g e n d e Unmöglichkeit voraus. Jedoch ist ihre Anwendbarkeit auf die hier meist vorliegende u r s p r ü n g l i c h e Unmöglichkeit allgemein anerkannt. Nur ist zu beachten, daß der Verkäufer bei ursprünglicher subjektiver Unmöglichkeit (sog. Unvermögen) nicht entsprechend § 323 befreit wird, sondern — aus einem Umkehrschluß zu § 306 — auch ohne Verschulden haftet. Vgl. Enneccerus-Lehmann §107 I.

Der Anspruch entfällt jedoch schon aus dem Grunde, weil G infolge seines guten Glaubens tatsächlich das Eigentum an dem Kasten erhalten hat. Dieser Erfolg ist entscheidend für die Frage, ob der Verkäufer seiner Pflicht aus § 433. Abs. 1 nachgekommen ist. Die Ansprüche wegen NichtVerschaffung des Eigentums nach § 440 haben keine große praktische Bedeutung, da der Käufer entweder das Eigentum auf Grund seines guten Glaubens erwirbt oder den Mangel positiv kennt und deshalb keine Ansprüche geltend machen kann (§ 439). Es bleiben nur die Fälle der grobfahrlässigen Unkenntnis und des gutgläubigen Erwerbs von gestohlenen, verlorenen und abhandengekommenen Sachen, an denen, gemäß § 935 ein gutgläubiger Eigentumserwerb ausgeschlossen ist.

II. Soweit C den Anspruch der Rückzahlung des Kaufpreises mit der Begründung verlangt, daß A das Silber bereits wiederholt benutzt habe, kommt ein Anspruch wegen eines S a c h m a n g e l s in Betracht. Gemäß § 462 kann der Käufer wegen eines nach den §§ 459, 460 beachtlichen Sachmangels Rückgängigmachung (Wandlung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen. Ein Mangel ist beachtlich, wenn dadurch der Wert zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufgehoben oder gemindert wird. Eine unerhebliche Minderung kommt nicht in Betracht (§ 459 Abs. 1 S. 1 u. 2). Die Wiederholte Benutzung des Silbers kann als erheblicher Mangel bezeichnet werden. Gebrauchtes Silber ist im Wert herabgesetzt. Häufig finden sich auch Spuren des Gebrauchs. 53

1. Ob C trotz Verlusts des Kastens noch wandeln kann, richtet sich gemäß § 467 nach den §§ 350—354, die die Voraussetzungen des Rücktritts näher regeln. Die in § 467 gleichfalls bezogenen §§ 346—348 regeln dagegen F o l g e n eines an sich zulässigen Rücktritts.

die

Nach §§ 350 u. 351 wird der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Empfänger die Unmöglichkeit der Rückgabe verschuldet hat. Ob der Diebstahl des Silberkastens durch B verschuldet ist, insbesondere ob er infolge ungenügender Beaufsichtigung durch B oder seine Leute (§§ 278, 351 S. 2) ermöglicht wurde, geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Eine leichte Fahrlässigkeit (§ 276) würde ausreichen. Zwar gehörte die Sache dem B und er war sich selbst gegenüber für eine Nachlässigkeit nicht verantwortlich.. Wenn er aber trotz des Verlustes ein Recht auf Wandlung geltend macht, muß er sich jedes Verschulden anrechnen lassen. E s handelt sich um einen Fall des gegensätzlichen Verhaltens (venire contra factum proprium). Vgl. EnneccerusLehmann § 3 9 II l e ) und die gleiche Rechtslage bei § 254 im nächsten Fall zu B (S. 61).

2. Hat C schuldhaft den Diebstahl ermöglicht, so bleibt ihm die Möglichkeit der Minderung. E r kann somit auf jeden Fall verlangen, daß der Kaufpreis in dem Verhältnis herabgesetzt werde, in welchem zur Zeit des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde, § 472 Abs. 1. Was er danach zuviel gezahlt hat, kann er aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ( § 8 1 2 Abs. 1 S. 1) zurückverlangen. I I I . Man könnte noch erwägen, ob G nicht wegen des Sachmangels gemäß § 119 Abs. 2 den Kaufvertrag anfechten und dann Rückforderung des Kaufpreises aus § 812 verlangen könne. Der Mangel des Kastens (sein wiederholter Gebrauch) betrifft gleichzeitig eine wesentliche Eigenschaft der Sache im Sinne des § 119 Abs. 2. Gegen die Zulässigkeit der Anfechtung spricht aber, daß auf diese Weise der Zweck des Gesetzes, hinsichtlich der Mängel beim Kauf durch die §§ 459ff. (insbesondere durch die kurze Verjährung nach § 477) alsbald klare Verhältnisse zu schaffen, vereitelt würde. Ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums ist daher ausgeschlossen, soweit wegen des Mangels die Spezialbestimmungen der §§ 459 ff. in Betracht kommen. So die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, vgl. insbesondere R G 97/351, 135/339 und 1 3 8 / 3 5 4 und Enneccerus-Lehmann § 1 1 2 III. E s sei nochmals darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, erst Spezialvorschriften zu prüfen, ehe man sich den allgemeinen Vorschriften zuwendet. So gibt erst § 440 den Weg frei zu den §§ 320ff., wobei die Einschränkung in § 440 Abs. 2 zu beachten ist. Ebenso bietet erst § 467 die

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Möglichkeit, die allgemeinen Vorschriften der §§ 346ff. anzuwenden. — Sogar allgemeine Vorschriften aus dem Schuldrecht (wie die §§ 320ff., die für gegenseitige Verträge gelten) können noch allgemeinere Bestimmungen (wie die §§ 275ff., die für alle Schüldverhältnisse gelten) teils erst beziehen, teils modifizieren. Man ersieht daraus, daß beim praktischen Fall grundsätzlich anders vorzugehen ist als der Gesetzgeber und der Dozent in der Vorlesung es machen. Es werden nicht allgemeine, für möglichst viele Rechtsverhältnisse geltende Begriffe vorangestellt, sondern es wird die speziellste Bestimmung aufgesucht, die für den Fall in Betracht kommt. Erst wenn diese auf die allgemeinen Bestimmungen verweist oder für den praktischen Fall versagt, geht man zu den allgemeineren Bestimmungen vor.

7. F a l l 2. Hausarbeit Frl. Marlene, erste Damenkraft bei Friseur Schulze, war im Besitz eines zahmen Zeisigs. Sie mußte umziehen und gab den Vogel ihrem Dienstherrn für einige Tage in Verwahrung. Das Tierchen war an Freiheit gewöhnt und flog frei in dem hinter dem Laden befindlichen Wohnzimmer umher. Da nahte das Schicksal in der Gestalt des Hundes Karo des Herrn Müller, eines Rasierkunden. Während Müller eingeseift wurde, ging Karo auf Entdeckungsreisen aus, fand die Tür zum Wohnzimmer nur angelehnt, tappte in das Zimmer hinein und sah sich dem Zeisig gegenüber, der offenbar den Neuankömmling als eine Art von Spielgefährten betrachtete und immer näher hüpfte, bis Karo, der anscheinend anderer Ansicht war, gedankenlos zuschnappte und — um den Zeisig wars geschehen. Zwischen Marlene und Müller fand ein lebhafter Wortwechsel statt. Marlene hielt Müller als Tierhalter für schadenersatzpflichtig, während Müller Marlene entgegenhielt, sie habe selbst für die genügende Unterbringung des Zeisigs aufzukommen, Vögel gehörten in ein Bauer und dürften nicht frei im Zimmer herumfliegen. Außerdem habe die Tür zwischen Laden und Wohnung verschlossen zu sein. Immerhin wurde Müller weich und versprach der bitterlich weinenden Marlene einen Ersatzzeisig. Damit erklärte sich diese zufrieden. Der Ersatzzeisig kam und wurde mit Dank in den Käfig gesetzt. Sehr bald stellte sich aber heraus, daß der neue Ankömmling sich in düsteres Schweigen hüllte und überhaupt nicht den Schnabel auftat, während der Verstorbene von morgens bis abends eigene Kompositionen geschmettert hatte. 55

Marlene ging zur benachbarten Vogelhändlerin, und diese sachkundige Dame stellte fest, daß es sich bei dem Ersatzzeisig um eine Angehörige des schönen Geschlechts handelte, das zwar für die Fortpflanzung unentbehrlich sei, dem aber Apoll des „Gesanges Gabe, der Lieder süßen Mund" versagt habe. Daraufhin stellte Marlene Herrn Müller das Fräulein Zeisig zur Verfügung, und als er die Rücknahme und Lieferung eines männlichen Ersatzzeisigs verweigerte, verklagte sie ihn auf Lieferung eines solchen. Müller beantragte Abweisung der Klage. Es liege konkurrierendes Verschulden vor. Er habe mit Lieferung eines, allerdings nicht vollwertigen Zeisigweibchens seiner halben Ersatzpflicht reichlich genügt. Wie ist zu entscheiden ? Trifft Marlene ein mitwirkendes Verschulden ? Vorbemerkung I. A u f b a u f r a g e n Der Fall ist dazu angetan, zu einem historischen Vorgehen zu verführen, d. h. die einzelnen Vorgänge in ihrer geschichtlichen Reihenfolge zu prüfen. Ein solches Vorgehen würde aber bei Beantwortung der Hauptfrage („Kann Marlene von Müller einen Ersatzzeisig verlangen ?") besonders deutlich machen, daß völlig Überflüssiges geprüft worden wäre. Wie unser Gutachten zeigen wird, interessiert bei dieser Frage weder das Verhältnis Marlenens zu Schulze noch die Tierhalterhaftung Müllers noch ein etwaiges mitwirkendes Verschulden. Im Vordergrund steht vielmehr das Versprechen, das Müller der Marlene gab und das dahin ging, ihr einen Ersatzzeisig zu liefern. Durch dieses Versprechen können die Beziehungen der Prozeßparteien Marlene/Müller auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden sein, durch die die früheren Vorgänge rechtlich bedeutungslos wurden. Die früheren Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten bedürfen dann erst bei der 2. Frage einer näheren Untersuchung, hier aber nur deshalb, weil nach dem mitwirkenden Verschulden ausdrücklich gefragt ist und diese Frage sich nur beantworten läßt, wenn man die sonstigen rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten klärt. Auszugehen ist demnach beim Aufbau wie stets von der Anspruchsgrundlage, und zwar von d e r Anspruchsgrundlage, die alle übrigen Anspruchsgrundlagen ausschließen könnte. Das ist hier das Versprechen Müllers an Marlene. Man beginnt also gewissermaßen mit dem letzten Akt des Dramas. Das t u t auch der Richter im Prozeß. Er legt seiner Entscheidung nur den Sachverhalt zugrunde, der in der letzten münd56

liehen Verhandlung vorgetragen wird und berücksichtigt hierbei alle Umstände, die zu einer rechtlichen bedeutsamen Umgestaltung geführt haben, z. B. einen Vergleich in Vermögensstreitigkeiten oder eine Verzeihung in einem Scheidungsprozeß. Vgl. Berg, Gutachten S. 98ff. II. M a t e r i e l l e

Fragen

Anders als in den bisherigen Fällen wird der Schadenersatzanspruch in erster Linie nicht auf Vertragsverletzung oder Delikt gestützt, sondern auf ein besonderes, auf Erstattung des Schadens gerichtetes Versprechen, also auf eine vertragliche Pflicht zum Schadenersatz. Daß man sich vertraglich verpflichten kann, den durch einen Dritten verursachten Schaden zu ersetzen, zeigt das Versicherungsrecht. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß zu untersuchen ist, welche Bedeutung eine Verpflichtung zur Erstattung des s e l b s t verursachten Schadens hat. Eine solche Verpflichtung macht Schwierigkeiten in der rechtlichen Erfassung, da sie im B G B nicht geregelt ist. Sie muß aber rechtlich zulässig sein, da unser bürgerliches Recht von der Vertragsfreiheit beherrscht wird und jede Leistung zum Gegenstand einer vertraglichen Verpflichtung gemacht werden kann, vgl. §§ 241, 305. Es kommt nun darauf an, die vorliegende Verpflichtung zunächst von ähnlichen, im Gesetz geregelten Rechtsverhältnissen abzugrenzen und sodann aus der besonderen Interessenlage heraus eigenschöpferisch zu entwickeln. Solche Fälle, bei denen die Anspruchsgrundlage nicht ohne weiteres rechtlich zu erfassen ist, sind schwierig, aber auch besonders reizvoll. Man ersieht daran, daß das Leben viel zu mannigfaltig und neuschöpferisch ist als daß das Gesetz es völlig erfassen und regeln kann. Man hüte sich daher, das Gesetz und seine Begriffe zu überschätzen und krampfhaft alle Lebensvorgänge in Rechtsbegriffe zu pressen. Nicht die Rechtsbegriffe sind das Primäre, sondern die Tatbestände des Lebens. Die Begriffe sind nur Abstraktionen, gewonnen aus der Anschauung vieler gleichgelagerter Fälle. Sie passen bei weitem nicht auf jeden Fall. Stets ist daher auf die Interessenlage des konkreten Falles Rücksicht zu nehmen und aus dieser Interessenlage heraus die Entscheidung zu treffen. Die 2. Frage („Trifft Marlene ein mitwirkendes Verschulden ?") führt zu den bereits .bekannten Anspruchsgrundlagen aus unerlaubter Handlung und Tierhalterhaftung. Eine Ergänzung dieser Anspruchsgrundlagen bringen die Untersuchungen über mitwirkendes Verschulden. Die Art, in der diese. Untersuchungen geführt werden, bietet gleichzeitig ein Beispiel, wie man sich mit einer bestrittenen Rechtsfrage auseinandersetzt. 57

Gutachten A. Die K l a g e M a r l e n e n s g e g e n M ü l l e r auf eines Ersatzzeisigs

Leistung

I. Für den Klaganspruch ist in erster Linie entscheidend, wie das Versprechen Müllers auf Lieferung eines Ersatzzeisigs auszulegen ist. Handelt es sich um ein vertragliches Versprechen, so kann Müller schon aus dem Gesichtspunkt des Vertrags zum Schadenersatz verpflichtet sein. 1. Zu denken ist zunächst an eine v e r g l e i c h s w e i s e Erledigung des Streitfalles. Ein Vergleich setzt ein gegenseitiges Nachgeben voraus (§ 779). Nachgegeben hat hier nur Müller. Marlene hätte im Wege der Naturalrestitution (§ 249) nichts anderes als einen Ersatzzeisig verlangen können. Ein besonderer Liebhaberwert (ein Affektionsinteresse) ist nicht zu ersetzen. Der Tatbestand spricht auch nicht dafür, daß Marlene ein solches Liebhaberinteresse geltend gemacht und dann „vergleichsweise" hierauf verzichtet hätte. Ein Vergleich liegt demnach bei dem Versprechen Müllers nicht vor. 2. Es könnte weiterhin ein a b s t r a k t e s S c h u l d a n e r k e n n t n i s im Sinne von § 781 vorliegen. Da dieses Schuldanerkenntnis aber nicht vergleichsweise abgegeben 1 worden wäre und deshalb der Schriftform bedurfte (§§ 781, 782), wäre es schon wegen Formmangels ungültig (§ 125). Es erscheint auch fraglich, ob die Parteien ein abstraktes Schuldanerkenntnis haben begründen wollen. Ein solches setzt voraus, daß sie eine n e u e s e l b s t ä n d i g e Verpflichtung schaffen wollten, die den Anspruch unabhängig von dem bestehenden Rechtsgrund begründet. Ein dahingehender Wille ist nicht anzunehmen. Müller will durch sein Versprechen lediglich den Inhalt seiner Schadenersatzverpflichtung festlegen, nicht aber einen abstrakt selbständigen Verpflichtungsgrund schaffen. Der Vorteil eines abstrakten Schuldanerkenntnisses oder — was sachlich dasselbe ist — eines abstrakten Schuld Versprechens gemäß § 780 liegt in der Umkehr der Beweislast. Der Versprechensempfänger braucht nicht das zugrundeliegende Schuld Verhältnis darzulegen, sondern nur die Verpflichtungsurkunde vorzulegen. Es ist Sache des Anerkennenden, ein ohne rechtlichen Grund gegebenes Versprechen durch eine — von ihm zu begründende und zu beweisende — Kondiktion rückgängig zu machen, § 812 Abs. 2.

3. Das Versprechen könnte lediglich die Bedeutung eines B e w e i s m i t t e l s als eines Zeugnisses gegen sich selbst haben und damit ohne unmittelbar verpflichtende Wirkung sein. Es wäre dann nur im Rahmen einer anderen Anspruchsgrundlage zu würdigen, insbesondere was die 58

Frage eines Verschuldens oder überwiegenden Mitverschuldens betrifft. Der Richter könnte im Wege der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) daraus auf ein Verschulden Müllers schließen, da dieser sich durch diese Erklärung selbst als schuldig angesehen habe. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 1 9 8 II 1. Solche einseitigen Erklärungen kommen bei Schadensfällen, insbesondere Autounfällen, häufig "vor, wenn der Schädiger dem Verletzten erklärt, er komme für alles auf.

Das Versprechen Müllers ist aber mehr als eine bloß e i n s e i t i g e Erklärung. Frl. Marlene hat es als verpflichtende Erklärung angenommen und sich mit der Lieferung eines Ersatzzeisigs ausdrücklich einverstanden erklärt. 4. Es muß daher eine v e r t r a g l i c h e Anerkennung der Ersatzpflicht seitens Müllers angenommen werden. Im Gegensatz zu dem sog. konstitutiven Anerkenntnis des § 781 handelt es sich um ein sog. deklaratorisches Anerkenntnis. Bei dem konstitutiven Schuldanerkenntnis wird eine neue Verpflichtung unabhängig (abstrakt) von der bisherigen Verpflichtung begründet. (Der Beklagte verspricht schlechthin, 100 DM zu zahlen.) Beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis wird eine bestehende Verpflichtung zum Inhalt (zur causa) einer anderen Verpflichtung. Eine aus einem Unfall sich ergebende g e s e t z l i c h e Schadenersatzpflicht wird dadurch zum Inhalt einer v e r t r a g l i c h e n Verpflichtung. Der Unterschied zwischen einem abstrakten und einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis zeigt sich in den Folgen. Ein abstraktes Schuldanerkenntnis muß wegen seiner Abstraktheit kondiziert werden, wenn es zu Unrecht gegeben wurde. Es gilt gewissermaßen als Erfüllung, sei es nun, daß es an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber gegeben wurde (vgl. § 364 Abs. 1 und 2). Das deklaratorische Schuldanerkenntnis dagegen enthält nur eine vertragliche Festlegung des Inhalts und Urafangs der Schadenersatzpflicht. E s wird weder an Erfüllungs S t a t t noch erfüllungshalber gegeben, sondern setzt nur an Stelle einer gesetzlichen eine vertragliche Verpflichtung. Die Parteien wollen lediglich das bereits vorhandene Schuldverhältnis ihrem Streit entrücken und damit die Anrufung des Gerichts vermeiden (RG, J W 16/960, vgl. auch Palandt zu § 781 Anm. 2 a, der das prozessuale Anerkenntnis nach § 307 ZPO hierher rechnet). Ein solches Anerkenntnis bedarf daher nicht der Kondiktion. Es ist wie ein Vergleich ohne weiteres unwirksam, wenn beide Parteien von falschen Voraussetzungen ausgingen, wenn sich z. B. später herausstellt, daß nicht der Hund des Müller, sondern der des Meier den Zeisig getötet hat, vgl. R G 108/108f. Wie ein Vergleich hat es aber auch die Wirkungen, daß Einwendungen, die dem Versprechenden bekannt waren,

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nicht mehr erhoben werden können. Wie ein Vergleich ist es als kausaler Vertrag formlos gültig. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis ist zwar kein Vergleich, aber es kann wie ein Vergleich behandelt werden. Denn es ist sachlich kein Unterschied, ob bei einem zum Schadenersatz verpflichtenden Unfall beide Parteien nachgeben oder nur eine Partei. In beiden Fällen wollen die Parteien den Inhalt der Leistung vertraglich festlegen. Es handelt sich beidemal um kausale zur Leistung verpflichtende Verträge. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 201 II 4, der von Feststellungsvertrag spricht, sowie Schröder, Recht 1920/66, R GR Komm, zu § 781 Anm. 3, RG 75/4. Müller hat sich demnach durch sein Versprechen, einen Ersatzzeisig zu liefern, vertraglich verpflichtet, seiner gesetzlich bestehenden Schadenersatzpflicht nachzukommen. Wie die Verhandlungen, die zu dem Versprechen führten, ergeben, hat er gleichzeitig den ursprünglich erhobenen Einwand des mitwirkenden Verschuldens fallen gelassen und damit für die Zukunft auf diesen Einwand verzichtet. Marlene kann daher Müller aus seinem Versprechen in Anspruch nehmen. Sie braucht nur dieses Versprechen als Klagbegründung vorzutragen, wobei sie den Anlaß und die Art seines Zustandekommens schildern muß, um den Umfang und die kausale — namentlich auch entgeltliche (sonst evtl. Schenkung ?) — Art des Versprechens darzutun. Sie braucht aber nicht die Voraussetzungen der Tierhalterhaftung (§ 833) oder der unerlaubten Handlung wegen schuldhafter rechtswidriger Sachbeschädigung des Müller (§ 823) im einzelnen darzulegen. Da dieses Versprechen, die Art seines Zustandekommens und der Gang der Verhandlungen von Müller nicht bestritten werden, braucht sie keinerlei Einwendungen mehr zu fürchten. Insbesondere kann Müller sich nicht mehr auf mitwirkendes Verschulden berufen. II. Zu untersuchen ist nur noch, ob Müller sein Versprechen erfüllt hat, als Frl. Marlene den Ersatzzeisig annahm. Die Annahme als Erfüllung erfordert nicht, daß Marlene die Leistung als tadellose angenommen hat; es genügt, daß sie sie als im wesentlichen schuldgemäße Erfüllung entgegengenommen hat. (So RG in ständiger Rechtsprechung, vgl. RG 109/295.) Das liegt hier vor. Jedoch hat Marlene damit ihre Rechte nicht verloren. Sie braucht nicht einmal nach § 119 anzufechten — die Erfüllung als solche ist zudem kein anfechtbares Rechtsgeschäft, sondern ein tatsächlicher Vorgang —, sondern es bedarf nur des Nachweises, daß der gelieferte Ersatzzeisig nicht als Erfüllung angesehen werden kann. Diesen Nachweis muß allerdings Marlene erbringen. Zwar ist die Erfüllung als rechtsvernichtender Einwand grundsätzlich vom Schuldner (Müller) zu beweisen. Durch die Annahme der Leistung als 60

Erfüllung hat sich aber die Beweislast umgedreht und trifft Marlene, wenn sie die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei, § 363. Dieser Nachweis macht hier keine Schwierigkeiten. Er ergibt sich aus dem unbestrittenen Sachverhalt von selbst. Ein weiblicher, nicht singender Zeisig ist kein Ersatz für ein singendes Zeisigmännchen. Wenn Müller mit seinem Versprechen einen weiblichen Zeisig gemeint hat, so ist das unbeachtlich. Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der andere Teil, für den sie bestimmt sind; nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen muß. Es ist selbstverständlich, daß Marlene unter dem versprochenen Ersatzzeisig nur einen Singvogel verstehen konnte. Der im Prozeß von Müller vorgebrachte Einwand, er habe mit einem Zeisigweibchen seiner nur halben Ersatzpflicht vollauf genügt, ist deshalb unbeachtlich, weil Müller mit seinem Versprechen auf den Einwand des mitwirkenden Verschuldens verzichtet hat. Wollte er gleichwohl nur „Kalb" erfüllen, so ist dieser nach außen nicht erklärte Wille als geheimer Vorbehalt unwirksam (§ H6). Marlene wird daher mit ihrer Klage auf Lieferung eines Ersatzzeisigs Erfolg haben. Weigert sich Müller nach Erlaß des Urteils, das Urteil zu erfüllen, so geschieht die Vollstreckung nach § 887 ZPO. Marlene kann danach vom Prozeßgericht ermächtigt werden, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen. Dann wird sie selbst einen Zeisig kaufen und die Kosten hierfür von Müller im Wege der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen beitreiben.

B. T r i f f t M a r l e n e ein m i t w i r k e n d e s V e r s c h u l d e n ? Diese Frage muß gesondert erörtert werden, weil sie für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht geprüft zu werden brauchte. I. Das in § 254 geregelte „mitwirkende Verschulden" begründet keine Schadenersatzpflicht gegen andere, sondern bedeutet lediglich den Verlust oder die Minderung eines gegen einen anderen bestehenden Anspruchs. Der Geschädigte darf im Interesse des Schädigers nicht gegen die Gebote des eigenen wohl verstandenen Interesses verstoßen. Man spricht von einem „Verschulden gegen sich selbst". § 254 ist demnach eine besondere Gestaltung des Gedankens von Treu und Glauben und des Verbots des „venire contra factum proprium". Es handelt sich um einen allgemeinen Rechtsgedanken, der für alle Schadensfälle Geltung hat, gleichgültig ob sie aus Vertragsverletzung, schuldhafter unerlaubter Handlung oder Gefährdungshaftung herrühren. 61

§ 254 gilt darüber hinaus nicht nur im Schadenersatzrecht, sondern überall, wo ein beiderseitiges „Verschulden" gegeneinander abzuwägen ist, z. B. bei Zulässigkeit des Rücktritts wegen bei beiderseits verschuldeter Unmöglichkeit, bei einem Anspruch aus Eigentumsstörung, bei Ausgleich unter Gesamtschuldnern. Vgl. RG 56/267, 71/191, 94/141, 138/329. Prozessual gesehen, liegt eine Einwendung vor, nicht eine Einrede, d. h.: das mitwirkende Verschulden ist von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn es sich aus der Sachlage ergibt. Das folgt notwendig aus der Erkenntnis, daß es sich um eine durch Treu und Glauben gezogene „Beschränkung des Anspruchsinhalts" handelt. Vgl. Fall 5 zu A III oben S. 42 sowie Enneccerus-Lehmann § 16 V, Palandt zu § 254 Anm. 7.

Ist es somit für die Zulässigkeit des Einwands aus § 254 an sich gleichgültig, ob die Schadenersatzpflicht des Müller aus Verschulden oder Gefährdungshaftung herrührt, so ist doch die Frage, ob Verschulden oder bloße Gefährdungshaftung vorliegt, von Bedeutung für die A b w ä g u n g des „Verschuldens" Marlenens. Einer bloßen G e f ä h r d u n g s haftung gegenüber wird ein V e r s c h u l d e n M a r l e n e n s schwerer in die Waagschale fallen als einem V e r s c h u l d e n M ü l l e r s gegenüber. Es ist deshalb zu prüfen, auf welche gesetzliche Anspruchsgrundlage sich Marlene berufen kann. 1. In Betracht kommt zunächst die T i e r h a l t e r h a f t u n g gemäß §833. Danach haftet Müller ohne Verschulden. Die bei Haustieren gemäß § 833 S. 2 mögliche Exkulpation ist wohl nicht gegeben. Der Hund ist zwar ein Haustier. Der Tatbestand enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, daß der Hund dem Beruf (etwa als Jagd- oder Polizeihund) oder der Erwerbstätigkeit (etwa als Blindenhund eines Erwerbstätigen, evtl. auch als Wachhund bei einem Landwirt) oder dem Unterhalt des Müller dient. 2. In Betracht kommt weiter eine Haftung aus § 823 Abs. 1 wegen s c h u l d h a f t e r Eigentumsverletzung. §823 ist neben §833 anwendbar, da § 833 keine Sonderregelung darstellt, sondern eine Erweiterung der Haftpflicht bedeutet, Enneccerus-Lehmann §253 IV 4b. Vgl. oben Fall 1 S. 7.

Ein Verschulden Müllers liegt in der m a n g e l h a f t e n B e a u f s i c h t i g u n g des Hundes. Die Pflicht zur Beaufsichtigung ergibt sich aus dem Mitnehmen des Hundes. Dadurch setzte Müller eine Gefahrenquelle, die ihn zu einer besonderen Aufsicht verpflichtete. Müller durfte den Hund nicht frei im Zimmer herumschnüffeln lassen; er mußte zumindest darauf achten, daß der Hund sich nicht aus seinem Gesichtskreis entfernte. II. Das mitwirkende Verschulden Marlenens kann in ihrem eigenen Verhalten, aber auch in einem Einstehenmüssen für fremdes schuldhaftes Verhalten liegen. 62

1. Ein e i g e n e s Verschulden Marlenens könnte nur darin gesehen werden, daß sie bei Schulze nicht darauf drängte, daß das Tier ständig im Bauer eingeschlossen blieb. Ein Verschulden ist aber zu verneinen, da dem Tier im Wohnzimmer an sich keine Gefahr drohte und das Tier an ein freies Umherfliegen gewöhnt war. 2. Ein V e r s c h u l d e n d e s F r i s e u r s ist dagegen zu bejahen, da dieser die Wohnzimmertür offen ließ und dadurch das Eindringen des Hundes ermöglichte. Jedenfalls durfte der Friseur die Tür nicht offen lassen, solange der Hund im Laden herumtappte. Marlene muß für dieses Verschulden des Friseurs einstehen, wenn § 278 entsprechend anwendbar ist. a) § 278 ist nur im 2. Absatz des § 254 für entsprechend anwendbar erklärt, also namentlich bei der Pflicht zur S c h a d e n s m i n d e r u n g . Es ist aber kein Grund ersichtlich, ihn nicht entsprechend auch bei der S c h a d e n s e n t s t e h u n g ( S c h a d e n s v e r u r s a c h u n g ) anzuwenden. § 278 wird daher allgemein für § 254 Abs. 1 und 2 für anwendbar erklärt. Er ist gesetzestechnisch als Abs. 3 von § 254 zu denken. (EnneccerusLehmann §16 II 1, Palandt zu § 254 Anm. 4.) Sehr bestritten ist aber, ob die „entsprechende" Anwendung des § 254 ein bereits bestehendes, insbesondere ein vertragliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erfordert, weil § 278 seinem Wortlaut nach ein solches Schuldverhältnis voraussetzt, oder ob § 278 schlechthin anwendbar ist. Die engere Auffassung wird in ständiger Rechtsprechung vom Reichsgericht vertreten (vgl. 140/7, 156/205, 159/292). Für die weitere Auffassung setzt sich überwiegend das Schrifttum ein (insbesondere Enneccerus-Lehmann § 16 II). Die Frage hat hier praktische Bedeutung, weil vor dem Schadenseintritt schuldrechtliche Beziehungen zwischen Marlene und Müller nicht bestanden haben. Die Ansicht des Reichsgerichts „verschärft unerträglich die Haftung des Schädigers, wenn auf der Seite des Geschädigten eine Hilfsperson schuldhaft mitgewirkt h a t " (Enneccerus-Lehmann § 16 II 2). Das Reichsgericht will zwar helfen, indem es bei außervertraglichen Beziehungen den §831 „entsprechend" anwendet (vgl. R G 77/211, 164/269). Das ist aber meist nur ein theoretischer Ausweg, weil die Möglichkeit der Exkulpation gemäß § 831 S. 2 besteht. Marlene dürfte leicht den Nachweis erbringen, daß sie bei der Auswahl des Schulze als Verwahrer sorgfältig verfahren ist. Die Nichtanwendung des § 278 führt also praktisch dazu, daß bei unerlaubten Handlungen „der Schädiger das Verschulden der Gehilfen des Beschädigten mitzuvertreten h a t " (Enneccerus-Lehmann a. a. 0.).- Die Ansicht des Reichsgerichts ist daher wegen ihres unbilligen Ergebnisses abzulehnen. 63

b) Wendet man § 278 auf den Fall an, so muß Marlene für das Verschulden des Friseurs einstehen. Es fragt sich aber, ob sie auch für eine nur leichte Fahrlässigkeit des Schulze haftet. Zwischen ihr und Schulze besteht ein unentgeltlicher Verwahrungsvertrag, so daß Schulze ihr gegenüber nur für Verschulden in eigenen Angelegenheiten (culpa in concreto) haftet (§ 690, vgl. auch § 277). Das Verhältnis Marlene/Schulze ist aber nicht maßgebend für das Verhältnis Marlene/Müller. Marlene hat Müller gegenüber für Schulze nicht einzustehen wie Schulze ihr gegenüber, sondern wie für ihr e i g e n e s Verschulden gegenüber Müller. Müller gegenüber hat sie aber nach § 254 jedes Verschulden zu vertreten. Sie haftet daher auch für eine nur leichte Fahrlässigkeit des Schulze, die jedenfalls vorliegt. III. Wägt man das V e r s c h u l d e n Müllers — nicht seine bloße Gefährdungshaftung — und das Verschulden Schulzes miteinander ab, so ergibt sich, daß das Verschulden Müllers bei weitem überwiegt. Müller hätte nicht dulden dürfen, daß sein Hund in ein anders Zimmer eindrang. Das Verschulden Müllers kann man mit etwa 3 / 4 , dasjenige Schulzes mit 1 / 4 bewerten. Müller müßte daher jedenfalls in Höhe von 3 / 4 des Wertes des Zeisigs Ersatz leisten. Er wäre demnach zwar nicht verpflichtet, einen Ersatzzeisig zu liefern, wohl aber Geldersatz in Höhe von 3 / 4 des Wertes eines männlichen Zeisigs. Die Zwangsvollstreckung richtet sich in diesem Fall nach den §§ 803ff. ZPO, d. h. dem 2. Abschnitt des 8. Buchs der ZPO: Zwangsvollstreckung wegen G e l d f o r d e r u n g e n , nicht wie im Fall A nach den §§ 883ff., insbesondere § 887, d. h. dem 3. Abschnitt des 8. Buchs der ZPO: Zwangsvollstreckung zwecks H e r a u s g a b e von Sachen und Erwirkung von H a n d l u n g e n und Unterlassungen.

8. F a l l 3. Klausuraufgabe Der Referendar A mußte sich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in ein Sanatorium begeben. Während seiner Abwesenheit begab sich sein „Freund" B in seine, des A, Wohnung und holte, indem er der Hauswirtin das Einverständnis des A vorschwindelte, eine Reihe von wertvollen Büchern des A aus dessen Wohnung. Von diesen Büchern verpfändete er eins (Buch I) bei einem Pfandleiher für ein Darlehn von 5 DM, ein anderes (Buch II) überließ er für die Dauer von 5 Monaten einem Büchervermieter gegen eine Vergütung von 0,50 DM monatlich; ein weiteres Buch (Buch III) verschenkte er seinem Freunde F. Die Empfänger der Bücher I —III hielten B für den Eigentümer. 64

Welche Ansprüche hat A auf Herausgabe der Bücher: 1. gegen B ? — Er möchte am liebsten in die Wohnung des B eindringen und sich seine dort noch befindlichen Bücher wiederholen. Darf er das ? 2. gegen den Pfandleiher? 3. gegen den Büchervermieter? 4. gegen F ? Vorbemerkung Aufbaufragen Der Aufbau ergibt sich aus den Fragen. Jedoch zeigt das völlige Durchdenken des Falles, daß die Anspruchsgrundlagen gegen die Besitzer der Bücher I — III im wesentlichen dieselben sind und nur die Einwendungen sich unterscheiden. Es bestehen daher bei der Ausarbeitung keine Bedenken, die Ansprüche gegen diese Personen zusammen zu behandeln, um die Darstellung zu vereinfachen. Damit wird am grundsätzlichen Aufbau nichts geändert. Nach wie vor geht die Beantwortung der Fragen von den Anspruchsgrundlagen aus. Erstmals sind im vorliegenden Fall Ansprüche auf H e r a u s g a b e einer Sache zu erörtern. Mangels vertraglicher Rechtsbeziehungen ist in erster Linie an die dinglichen Ansprüche aus §§ 861,1007, 985 zu denken, die gegen j e d e n B e s i t z e r gerichtet sind, in zweiter Linie an die §§ 812 (condictio possessionis) und 823 (Naturalrestitution), die nur einen s c h u l d r e c h t l i c h e n Ausgleich für Handlungen e i n z e l n e r Personen geben. M.a.W.: Ansprüche in rem sind vor Ansprüchen in personam zu untersuchen. Bei den dinglichen Ansprüchen ist möglichst zuerst § 861 zu prüfen, da dieser sog. possessorische Anspruch die geringsten Anforderungen an die Behauptungs- und Beweislast des Klägers stellt und die größte Durchschlagskraft hat. Anschließend kann man § 985 oder § 1007 erörtern. Die Erörterung des § 1007 ist vorzuziehen, wenn bezüglich des Eigentums des Klägers Streit besteht. Denn § 1007 stellt es lediglich auf den Besitz des Klägers ab. Damit ist der Aufbau zwingend festgelegt. Man könnte es allerdings für zweckmäßig halten, die Frage der verbotenen Eigenmacht bzw. des Abhandenkommens, die bei fast allen Anspruchsgrundlagen eine Rolle spielt, vorweg zu erörtern, um auch insoweit Wiederholungen zu vermeiden. Durch das Voranstellen genereller Erörterungen würde sich aber der Aufbau grundlegend ändern. Es kann nicht genug vor einem solchen Verfahren gewarnt werden: Abgesehen davon, daß der Gutachter nur konkrete Rechtsbeziehungen zwischen bestimmten Parteien zu prüfen hat und nicht wie der Gesetz5

B e r g , Bürgerl. Recht.

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geber gewissermaßen in einem allgemeinen Teil allgemein interessierende Rechtsbegriffe erläutert (vgl. oben S. 55), besteht bei einem solchen Vorgehen immer die Gefahr, daß willkürlich eine Frage herausgegriffen wird, die das Problem des Falles zu sein scheint und daß man dadurch von einem logischen Vorgehen abgehalten wird. Es läßt sich zudem zu Beginn nie feststellen, ob es auf den vorweg untersuchten Begriff wirklich ankommt. Folgendes Beispiel möge dies näher erläutern: War der Kläger bei einem Kauf, aus dem er jetzt den Kaufpreis verlangt, geschäftsunfähig, so wäre es sinnlos, Erörterungen über die Bedeutung der Geschäftsunfähigkeit, also über die §§ 104/5 voranzustellen, da diese Bestimmungen nur bei R e c h t s g e s c h ä f t e n Anwendung finden. Es muß also zunächst festgestellt werden, ob rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen den Parteien in Betracht kommen, d. h. es muß von der Anspruchsgrundlage, dem Kauf, ausgegangen werden. Die Untersuchung gestaltet sich demnach wie folgt: „ A n s p r u c h s g r u n d l a g e für den K a u f p r e i s a n s p r u c h des Klägers ist § 433 Abs. 2 BGB. Voraussetzung hierfür ist der Abschluß eines wirksamen Kaufvertrags. Als Geschäftsunfähiger konnte der Kläger einen Kaufvertrag nicht rechtswirksam abschließen (§ 105 Abs. 1 BGB). Dem Kläger steht daher ein Kaufpreisanspruch nicht zu." Der Begriff der verbotenen Eigenmacht und des Abhandenkommens ist also erst dort zu untersuchen, wo die Anspruchsgrundlage, etwa § 861 oder § 1007 dies erfordert. Wird dieser Begriff noch bei einer anderen Anspruchsgrundlage benötigt, so kann hierauf Bezug genommen werden. Keinesfalls ist der Begriff losgelöst von einer Anspruchsgrundlage voranzustellen. Zur vertieften Erfassung der Lehre vom Aufbau sei auf folgendes hingewiesen: Anspruchsgrundlagen sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, in denen ihr Begehren eine Stütze finden kann. Meist findet sich im Gesetz eine positive Norm, die das Begehren unmittelbar rechtfertigt. So bestimmen die hier in Betracht kommenden §§ 861, 10Ö7, 985, 812, 823 ausdrücklich, daß, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, der Gegner z u r R ü c k g a b e v e r p f l i c h t e t ist. Eine solche Bestimmung (die sog. Anspruchsnorm) ist tunlichst als Ausgangspunkt voranzustellen. Die anschließende Untersuchung erstreckt sich nun darauf, festzustellen, ob die einzelnen Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge, d.h. die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, nach dem Sachverhalt gegeben sind. Die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale können durch andere Gesetzesbestimmungen erläutert werden. So werden die in der Anspruchsnorm § 861 erwähnten Begriffe der „verbotenen Eigenmacht" und des „Besitzers" in den §§ 858 bzw. 854—857 erläutert. Die 66

§§ 854—858 sind demnach bloße Zusatznormen, mit denen ein Fall nicht beginnen darf. Die meisten Bestimmungen des Allgemeinen Teil« des BGB sind solche Zusatzbestimmungen. Sie enthalten teils bloße Definitionen (so der 2. Abschnitt des Allgemeinen Teils „Sachen"), teils Gegenbestimmungen, die einen Anspruch hindern, vernichten oder hemmen. A n s p r u c h h i n d e r n d sind z . B . die §§ 104ff., 116—118, 134, 138, a n s p r u c h v e r n i c h t e n d die §§362, 378, 389, 397, anspruchh e m m e n d die §§ 222, 273, 320. Auf solche Gegennormen wird sich im Rechtsstreit gewöhnlich erst der Gegner berufen. A n s p r u c h s n o r m e n finden sich im Allgemeinen Teil des BGB nur ausnahmsweise, so die §§ 12, 229 S. 2, 231. Zur Verdeutlichung sei auch auf die Behandlung eines Strafrechtsfalls hingewiesen, wo der Aufbau ähnlich vor sich geht. Zwar wird hier der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht zunächst tunlichst in einzelne Szenen in geschichtlicher Reihenfolge aufgeteilt. Die rechtliche Würdigung der einzelnen Szenen geht aber von „Strafrechtsnormen" aus. Strafrechtsnormen entsprechen den Anspruchsnormen des Bürgerlichen Rechts. Es sind das die Bestimmungen, die unmittelbar eine bestimmte Strafandrohung enthalten, wie z. B. die §§ 242, 263, 370 Ziff. 5 StGB. Die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des StGB (z. B. die §§ 51, 53, 54, 59 StGB) oder nur ergänzende Bestimmungen des Besonderen Teils des StGB (z. B. § 226a StGB), sind erst dann zu prüfen, wenn die Untersuchung des einzelnen Delikts dies erforderlich macht. Vgl. im einzelnen Berg, Referendarklausur S. 78ff. Der folgende Teil bietet ein anschauliches Beispiel dafür, wie man beim bürgerlichrechtlichen Fall von Anspruchsnormen als Anspruchsgrundlagen ausgeht und andere Normen als Ergänzung oder als Gegennormen nach und nach in die Untersuchung einbezieht. Gutachten A. A n s p r ü c h e des A g e g e n B auf H e r a u s g a b e d e r n o c h im B e s i t z des B b e f i n d l i c h e n B ü c h e r I. In erster Linie sind d i n g l i c h e Ansprüche zu untersuchen, die gegen B als derzeitigen B e s i t z e r der Bücher bestehen können. In Betracht kommen Ansprüche aus §§ 861, 985, 1007. 1. Zunächst sei der p o s s e s s o r i s c h e Anspruch aus § 861 Abs. 1 geprüft, der die größte Durchschlagskraft hat, da ihm Einreden aus einem Recht zum Besitz grundsätzlich nicht entgegengesetzt werden können (vgl. § 863), 5'

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Possessorisch heißen die Klagen aus §§ 861/2 deshalb, weil sie sich nur auf die T a t s a c h e des Besitzes, nicht wie die sog. petitorischen Klagen aus §§ 9 8 5 , 1 0 0 7 auf ein R e c h t zum Besitz stützen. Durch die §§ 861/2 soll lediglich der Rechtsfriede geschützt und die verbotene Eigenmacht bestraft werden. Diese Klage hat daher sogar der D i e b gegenüber dem B e s t o h l e n e n , es sei denn, daß dieser dem Dieb die Sache innerhalb Jahresfrist wieder abnimmt (§ 861 Abs. 2). Vgl. unten zu III 3.

Nach § 861 Abs. 1 kann A von B Herausgabe der in seinem Besitz befindlichen Bücher verlangen, wenn dieser ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Fehlerhaft ist der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz (§ 858 Abs. 2). Verbotene Eigenmacht liegt vor, "wenn B dem A den Besitz ohne dessen Willen entzogen hat (§ 858 Abs. 1). Voraussetzung ist also, daß A zur Zeit der Besitzerlangung durch B noch (unmittelbarer) Besitzer war. War die Hauswirtin unmittelbare Besitzerin, so kommt verbotene Eigenmacht nicht in Frage, da sie freiwillig, wenn auch infolge einer Täuschung die Bücher dem B herausgegeben hat. Vgl. R G 101/225. Die Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit der Weggabe ist nach tatsächlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Die Weggabe durch eine im natürlichen Sinne willensfähige, wenn auch beschränkt geschäftsfähige Person, z. B. ein Kind, kann als freiwillig angesehen werden. Anders die Weggabe durch einen sinnlos Betrunkenen. Vgl. R G R K o m m . zu § 935 Anm. 4.

A war, solange er bei der Hauswirtin tatsächlich wohnte, nicht nur Eigentümer, sondern auch alleiniger Besitzer der Bücher. Denn der Mieter, der sogar an den gemieteten Räumen unmittelbaren Besitz hat, hat erst recht Besitz an den von ihm in diese Räume eingebrachten eigenen Sachen. Der Vermieter hat an diesen Sachen keinerlei Besitz, sondern nur ein besitzloses Pfandrecht wegen seiner Mietforderungen (§ 559). Es fragt sich, ob sich diese Rechtslage durch den Aufenthalt des A im Sanatorium geändert hat. Nach § 856 Abs. 2 wird der Besitz durch eine nur vorübergehende Verhinderung in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt nicht beendet. Ob eine solche nur vorübergehende Verhinderung vorliegt, entscheidet die Verkehrsanschauung. Nach ihr ist ein Aufenthalt in einem Sanatorium, der nicht zu lange währt, nur eine vorübergehende Verhinderung. Für eine nur vorübergehende Verhinderung spricht auch der Umstand, daß A weiterhin Mieter der Räume geblieben ist. E r wollte anscheinend alles beim alten Zustand belassen. Wenigstens gibt der Tatbestand keinen Anhaltspunkt dafür, daß er der Haufewirtin seine Sachen zur besonderen Verwahrung überlassen hat und sie dadurch auf Grund eines selbständigen Verwahrungsvertrags zur unmittelbaren Besitzerin (§ 868) gemacht hat. Die Hauswirtin hatte zwar während seiner Abwesenheit eine, gewisse Obhutspflicht über die

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in ihrer Wohnung befindlichen fremden Sachen des Mieters. Eine solche Pflicht besteht meist bei einer vorübergehenden Abwesenheit des Mieters, wenigstens wenn es sich um einen möblierten Mieterhandelt. Sie ergibt sich als Nebenverpflichtung aus dem Mietvertrag (§ 242). Sie bedeutet aber keine grundsätzliche Änderung der Besitzverhältnisse. A war also zur Zeit der Weggabe der Bücher durch die Hauswirtin noch Besitzer, Die Wegnahme der Bücher ohne seinenWillen war somit eine verboteneEigenmacht. Diese verbotene Eigenmacht hat B begangen, indem er sich der Wirtin als eines gutgläubigen Werkzeugs bediente. A kann demnach von B die Rückgabe der Bücher gemäß § 861 Abs. 1 verlangen. 2. Als E i g e n t ü m e r der Bücher hat A ferner den Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 gegen B als den derzeitigen Besitzer. Ein Recht zum Besitz kann B ihm nicht entgegensetzen. 3. Als f r ü h e r e r B e s i t z e r kann A schließlich noch gemäß § 1007 von B als dem derzeitigen Besitzer Herausgabe verlangen. In Betracht kommt sowohl § 1007 Abs. 1 als auch Abs. 2, weil B beim Erwerb des Besitzes nicht im guten Glauben war (§ 1007 Abs. 1) und weil die Bücher dem A gestohlen oder jedenfalls abhandengekommen waren (§ 1007 Abs. 2). Diebstahl läge vor, wenn B durch die Hauswirtin als gutgläubiges Werkzeug den Gewahrsam des A in Zueignungsabsicht gebrochen hätte. Gewahrsam ist nicht identisch mit Besitz. So hat z. B. der Besitzdiener (§ 855) Gewahrsam, aber keinen Besitz. Umgekehrt hat der Erbe nach § 857 zwar Besitz, braucht aber keinen Gewahrsam zu haben

Ob A trotz seiner Abwesenheit noch Gewahrsam, d. h. ein tatsächliches Herrschafts Verhältnis zu seinen Sachen hatte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es kommt aber auf die Entscheidung dieser Frage nicht an. Jedenfalls sind die Bücher dem A abhandengekommen, da er als unmittelbarer Besitzer den Besitz ohne seinen Willen oder sein Zutun verloren hat. Das Abhandenkommen in §§,935 Abs. 1, 1007 Abs. 2 ist der Oberbegriff unter den „gestohlene'' und „verlorene" Sachen fallen. Verloren ist — zum Unterschied von gestohlen — eine besitzlose Sache. Abhandenkommen ist weiter als gestohlen, weil es einen strafbaren Diebstahl nicht voraussetzt.

II. Neben den dem A zustehenden dinglichen Ansprüchen aus §§ 861, 985, 1007 Abs. 1 und 2 sind noch s c h u l d r e c h t l i c h e Ansprüche auf Herausgabe der Bücher möglich, sofern besondere schuldrechtliche Beziehungen zwischen A und B begründet wurden. In Betracht kommen Ansprüche aus Kondiktion und Delikt. Eine 69

Subsidiarität dieser Ansprüche gegenüber den dinglichen Ansprüchen besteht nicht. Es besteht Anspruchskonkurrenz. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn v e r t r a g l i c h e Beziehungen zwischen A und B bestanden hätten, wenn z. B. A dem B die Bücher geliehen hätte und sie nach Kündigung des Mietverhältnisses zurückforderte. Hier kämen als gleichberechtigte Ansprüche in Betracht: der vertragliche Anspruch aus § 556, der dingliche Anspruch aus § 985 und, falls B die Bücher rechtswidrig für sich behalten wollte, eventuell der deliktische Anspruch aus § 823 Abs. 2 (in Verbindung mit § 246 StGB — Unterschlagung — als Schutzgesetz). Auch die Spezialbestimmungen der §§ 987 ff. besagen nichts gegen eine Anspruchskonkurrenz. Sie betreffen lediglich die Herausgabe von N u t z u n g e n und S c h a d e n e r s a t z wegen verschuldeter U n m ö g l i c h k e i t der Herausgabe bzw. wegen Verschlechterung der Sache. Hier handelt es sich aber um die Herausgabe der S a c h e s e l b s t .

1. Als Anspruch aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g kommt § 812 Abs. 1 S. 1 in Betracht (condictio possessionis). B hat durch sein eigenmächtiges Vorgehen dem A den Besitz genommen und sich verschafft. Er hat demnach „in sonstiger Weise" „etwas" „auf Kosten des A" „ohne rechtlichen Grund" erlangt und ist zur Rückgabe des erlangten Besitzes verpflichtet. 2. Da B die Bücher des A nicht nur objektiv rechtswidrig weggenommen, sondern auch schuldhaft gehandelt hat, liegt ferner eine u n e r l a u b t e E i g e n t u m s - und B e s i t z v e r l e t z u n g nach § 823 Abs. 1 vor. Die verbotene Eigenmacht stellt gleichzeitig einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 858) im Sinne des § 823 Abs. 2 dar. DasVerhalten des B ist auch eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826. B ist somit aus unerlaubter Handlung zur Wiedergutmachung des durch ihn verursachten Schadens verpflichtet. Die Wiedergutmachung hat in erster Linie durch Naturalrestitution (§ 249), d. h. durch Rückgabe der Bücher zu erfolgen. III. Die Frage, ob A seine gemäß I und II bestehenden Ansprüche auf Rückgabe der Bücher durchsetzen darf, indem er die Bücher s e l b s t aus der Wohnung des B h o l t , ist wie folgt zu beantworten: 1. Nach der Sonderbestimmung des § 859 Abs. 2 darf A eine Sache, die ihm als Besitzer durch verbotene Eigenmacht entzogen wird, „dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wiederabnehmen". Die eigenmächtige Rücknahme der Sache ist also nur im unmittelbaren Anschluß an die Wegnahme zulässig. A hat somit dieses Recht der Nacheile nicht mehr. 2. Nach der allgemeinen Bestimmung des § 229 darf der Geschädigte nur zur Selbsthilfe greifen, wenn „obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig 70

zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird". Diese Voraussetzungen liegen gleichfalls nicht vor, da A den B kennt und kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß B darauf ausgeht, die Rückerlangung der Bücher unmöglich zu machen. Wenn aber der Rückgewähranspruch gefährdet wäre, hätte A wahrscheinlich die Möglichkeit, durch eine einstweilige Verfügung des Gerichts die Bücher sicherstellen zu lassen (§ 940 ZPO). 3. Eine Selbsthilfe ist daher nicht gestattet. Würde A allerdings innerhalb eines Jahres nach der Besitzentziehung gleichwohl eigenmächtig die Bücher bei. B herausholen, so könnte B sie nicht von ihm aus § 861 Abs. 1 wegen verbotener Eigenmacht des A zurückfordern (§861 Abs. 2). A läuft aber Gefahr, daß B sich beim Herausholen der Bücher gegen das rechtswidrige Vorgehen des A in Notwehr (§ 227) verteidigt und ihn zudem wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) zur Anzeige bringt. B. A n s p r ü c h e des A g e g e n die B e s i t z e r d e r B ü c h e r I —III I. An d i n g l i c h e n Ansprüchen sind wieder §§861, 985, 1007 zu erörtern. 1. § 861 Abs. 1 scheidet aber schon deshalb aus, weil die Besitzer der Bücher I —III nicht selbst verbotene Eigenmacht begangen haben und auch die Fehlerhaftigkeit ihres Vorgängers im Besitz nicht kannten. 2. § 985 erfordert, daß A Eigentümer und die Gegner Besitzer sind. Während der Besitz der Gegner eindeutig feststeht, könnte das Eigentum bei Buch III (Schenkung an den Freund F) fraglich sein. Außerdem könnten alle drei Gegner daran denken, sich auf ein Recht zum Besitz zu berufen (§ 986). a) Beim Buch I (Pfandleiher) ist zu erwägen, ob der Pfandleiher ein Recht zum Besitz geltend machen kann. Das Pfandrecht kann als dingliches Recht an sich jedem Dritten und insbesondere dem Eigentümer gegenüber geltend gemacht werden (vgl. § 1227). Voraussetzung ist aber, daß es wirksam entstanden ist. Nach § 1207 finden, da das Buch dem Verpfänder B nicht gehörte, die Vorschriften der §§ 932, 934, 935 entsprechende Anwendung. An gestohlenen bzw. abhandengekommenen Sachen ist demnach ein wirksames Pfandrecht nicht möglich. Handelt es sich allerdings bei dem Pfandleiher um eine öffentliche Pfandleihanstalt, so können Sondervorschriften eingreifen. Nach Art. 94 Abs. 2 EG BGB kann landesgesetzlich bestimmt sein, daß einer solchen das Recht zusteht, die ihr verpfändeten Sachen dem Berechtigten (A) nur gegen Bezahlung des auf die Sache gewährten Darlehns herauszugeben. 71

Dieser Lösungsanspruch gibt somit ein Zurückbehaltungsrecht, das gerade in den Fällen praktische Bedeutung hat, in denen ein Pfandrecht gemäß § 935 nicht entstanden ist. Eine öffentliche Pfandleihanstält kann also evtl. die Herausgabe des Buchs solange verweigern, bis A das von ihr dem B gegebene Darlehn von 5 DM einlöst. Ein sonstiger Pfandleiher hat aber kein Zurückbehaltungsrecht. Er kann sich insbesondere nicht auf § 1000 berufen. Denn ein auf die Sache gewährtes Darlehn ist keine notwendige Verwendung auf die Sache im Sinne der §§ 994/5. b) Beim Buch II ist das Mietrecht des Büchervermieters lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch, der die Beziehungen des Büchervermieters zu B regelt. Ein solches Recht kann der Büchervermieter dem A nicht gemäß § 986 entgegensetzen, weil es dem Eigentümer gegenüber kein Besitzrecht gibt und weil auch der mittelbare Besitzer B, von dem er sein Recht zum Besitz ableitet, dem Eigentümer gegenüber nicht zum Besitz berechtigt ist. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen der bereits wöchentlich gezahlten 0,50 DM gibt ebensowenig ein Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 wie das vom Pfandleiher gewährte Darlehn. c) Bei Buch III könnte der beschenkte Freund F daran denken, sich infolge Realisierung der Schenkung durch Einigung und Übergabe des Buchs auf Eigentum zu berufen und damit das Eigentum des A in Abrede zu stellen. Dem steht aber entgegen, daß ein gutgläubiger Eigentumserwerb an abhandengekommenen Sachen nicht möglich ist (§ 935 Abs. 1). F kann sich auch nicht auf ein Recht zum Besitz gemäß § 986 berufen, weil die Schenkung dem Eigentümer A gegenüber kein Recht zum Besitz gibt und auch sein Rechtsvorgänger B dem A gegenüber nicht zu einer Schenkung berechtigt war. Der Anwendung des § 986 stände an sich nicht entgegen, daß B das Buch dem F geschenkt hat. Zwar ist der Schenker, ebensowenig wie ein Verkäufer, ein m i t t e l b a r e r Besitzer seines Vertragspartners. Der Sinn des § 986 erfordert aber eine erweiterte Auslegung auch auf dieses Verhältnis. So die grundlegende Entscheidung des RG 105/21 für den Fall eines Verkaufs durch einen zum Verkauf berechtigten Besitzer. 3. Zu erwägen sind schließlich noch Ansprüche aus § 1007 wegen früheren Besitzes des A. Infolge Gutgläubigkeit der 3 Besitzer entfällt aber § 1007 Abs. 1 ohne weiteres. Dagegen kommt § 1007 Abs. 2 in Betracht, da die Bücher dem A abhandengekommen sind. Es fragt sich, ob gegen diesen Anspruch durchschlagende Einwendungen erhoben werden können. Diese Frage ist bei den 3 Besitzern ebenso zu beantworten wie bei § 985. Denn nach § 1007 Abs. 3 S. 2 finden die Vorschriften der §§ 986—1003 entsprechende Anwendung. Danach hat keiner der Besitzer ein Recht zum Besitz. Nur der Pfandleiher kann nach landesgesetzlichen Sonderbestimmungen ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Dar72

lehns geltend machen, wenn es sich um eine öffentliche Pfandleihanstalt handelt. II. Neben den dinglichen Ansprüchen sind auch hier s c h u l d r e c h t l i c h e Ansprüche zu erwägen. 1. Bei § 812 Abs. 1 S. 1 (condictio possessionis) erhebt sich aber schon das Bedenken, ob der Besitz an den 3 Büchern „auf Kosten" des A erlangt wurde. „Auf Kosten" bedeutet, daß zwischen A und den jetzigen Besitzern eine unmittelbare Vermögensverschiebung vorliegt, d. h. daß ein und derselbe Umstand, der bei A den Verlust ausgelöst hat, den 3 Besitzern den Gewinn gebracht hat. Davon kann hier keine Rede sein, da die Bücher zunächst an B kamen und erst durch ein neues, mit der bisherigen Besitzverschiebung in keinem Zusammenhang stehendes Rechtsgeschäft an die drei jetzigen Besitzer weitergegeben wurden. §812 entfällt damit. Das Handeln eines Dritten unterbricht nur dann nicht die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung, wenn es in Vertretung oder auf Grund einer Anweisung des Entreicherten erfolgt. Vgl. EnneccerusLehmann § 221 III und den lehrreichen Fall 5 bei Berg, Referendarklausur. Die Kondiktion würde dagegen nicht schon daran scheitern, daß die 3 Besitzer „mit rechtlichem Grunde" erworben hätten. Denn die zwischen ihnen und B bestehenden rechtlichen Beziehungen (der Pfandvertrag, die Miete, die Schenkung) interessieren nicht im Verhältnis zu dem Entreicherten A. Dem A gegenüber besitzen sie somit „ohne rechtlichen Grund".

Bei F könnte man noch an § 816 Abs. 1 S. 2 denken. Diese Bestimmung ist eine Ausnahme von der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Sie soll es dem Eigentümer ermöglichen, seine Sache auch von einem Dritten, der sie durch ein weiteres, aber unentgeltliches Rechtsgeschäft erlangt hat, herauszuholen, da dem Geschädigten das bei entgeltlicher Veräußerung greifbare Surrogat (§ 816 Abs. 1 S. 1) entgeht. § 816 Abs. 1 S. 2 ist aber ebenso wie § 816 Abs. 1 S. l.nur ein Ausgleich für das verlorene Eigentum, setzt somit den Eigentumsverlust voraus. Da F kein Eigentum erworben hat, entfällt damit die Voraussetzung. Ebensowenig ist § 822 anwendbar. Diese Bestimmung erstreckt bei unentgeltlicher Zuwendung den gegen den ursprünglichen Bereicherungsschuldner B gegebenen Anspruch aus der condictio possessionis (vgl. oben zu A II 1) auf den Beschenkten. Diese Erstreckung erfolgt aber nur, wenn infolge der Weggäbe an den Beschenkten die Verpflichtung des ursprünglichen Bereicherungsschuldners in Wegfall kommt (§ 818 Abs. 3). Hiervon kann infolge der Bösgläubigkeit des B keine Rede sein (§819 Abs. 1). 73

§ 822 ist im Gegensatz zu § 816 Abs. 1 kein Ausgleich für das verlorene Eigentum, sondern ein Ausgleich für den Wegfall der Haftung des ursprünglichen Bereicherungsschuldners. Er steht daher — gesetzestechnisch richtig — nicht bei den Vorschriften, die die V o r a u s s e t z u n g e n der ungerechtfertigten Bereicherung regeln (§§ 812—817), sondern bei den Vorschriften, die den U m f a n g der Bereicherung festlegen '(§§ 818 bis 822). § 822 dehnt nur den Umfang der an sich bestehenden Kondiktionsschuld zum Nachteil Dritter aus („wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erlangt hätte"). Das Gegenstück findet sich in §§ 844/5. Dort wird z u g u n s t e n Dritter ein an sich bestehender Schadenersatzanspruch auf andere Personen ausgedehnt. Auch die §§ 844/5 stehen daher gesetzestechnisch richtig im Abschnitt über den Umfang der Schadenersatzverpflichtung, nicht bei ihren Voraussetzungen (§§ 823—839). 2. Aus unerlaubter Handlung würden die 3 Besitzer nur haften, wenn sie an der unerlaubten Handlung des B als Mittäter bzw. Gehilfen (§ 830) oder als Begünstiger oder Hehler (§ 823 Abs. 2) beteiligt wären. Davon kann nach dem Sachverhalt keine Rede sein. Es verbleibt somit bei den dinglichen Ansprüchen zu I. Nach den Ansprüchen der 3 Besitzer gegen B ist nicht gefragt. Ebensowenig ist nach sonstigen Ansprüchen des A gegen B gefragt, etwa nach Ansprüchen auf Herausgabe der von B gezogenen Nutzungen aus dem Mietvertrag oder nach Schadenersatzansprüchen wegen Wertminderung der Bücher. Es wäre falsch, diese Fragen gleichwohl zu stellen und zu beantworten. Man erschwert sich unnütz die Aufgabe und läuft zudem Gefahr, daß man schwere Fehler bei diesen zum Teil nicht leichten Fragen macht. Zumindest läuft man Gefahr, daß der Prüfer die ganzen Ausführungen durchstreicht mit dem Vermerk: „Überflüssig, da nicht danach gefragt." Man soll daher nie mehr beantworten als gefragt ist. Zusatz Nimmt man an, die H a u s w i r t i n sei infolge längerer Abwesenheit des A auf Grund eines Verwahrungsvertrags unmittelbare Besitzerin geworden, so ändert sich die Lösung in wesentlichen Punkten: A. A n s p r ü c h e d e s A g e g e n B: I. D i n g l i c h e Ansprüche auf Herausgabe: 1. § 861 Abs. 1 entfällt, da B gegenüber dem unmittelbaren Besitzer, der Hauswirtin, keine verbotene Eigenmacht, sondern nur einen Betrug begangen hat. Die Hauswirtin hat infolgedessen freiwillig den Besitz aufgegeben (vgl. oben S . 6 8 ) . Deshalb gibt auch § 8 6 9 dem A keinen Anspruch aus verbotener Eigenmacht. 74

2. § 985 bleibt. 3. § 1007 Abs. 1 bleibt; § 1007 Abs. 2 kommt nicht in Betracht. II. S c h u l d r e c h t l i c h e Herausgabeansprüche: 1. §812 Abs. 1 S. 1 (condictio possessionis) bleibt. 2. § 823 Abs. 1 entfällt, da nur eine Vermögensverletzung gegeben ist. Dagegen bleibt § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 StGB: B hat durch Täuschung der Hauswirtin den A in betrügerischer Absicht geschädigt. Ebenso bleibt §826. III. Selbsthilfe ist nicht zulässig. A würde verbotene Eigenmacht gegen B begehen, ohne sich auf §861 Abs. 2 berufen zu können. B. A n s p r ü c h e des A gegen die B e s i t z e r der B ü c h e r I —III. I. D i n g l i c h e Ansprüche auf Herausgabe: 1. § 861 Abs. 1 entfällt schon deshalb, weil B keine verbotene Eigenmacht beging. 2. Bei § 985 ist zu unterscheiden: a) Da die Bücher der Hauswirtin nicht abhandengekommen sind, hat der P f a n d l e i h e r gutgläubig ein Pfandrecht an Buch I erworben. Auf dieses Pfandrecht kann er sich, da es ein dingliches Recht ist, jedermann gegenüber als auf ein Recht zum Besitz berufen. A muß das Pfandrecht also gemäß § 986 Abs. 1 gegen sich gelten lassen. b) Da der B u c h v e r m i e t e r nur ein obligatorisches Recht hat, nützt ihm sein guter Glaube nichts. Der Mieter hat lediglich einen obligatorischen Anspruch gegen seinen Vermieter. Dieser (B) war aber dem A gegenüber nicht zur Vermietung berechtigt. A kann also von dem Büchervermieter Herausgabe des Buchs II an den B oder an sich selbst verlangen (§ 986 Abs. 1 S. 1 und 2). c) Der mit Buch III b e s c h e n k t e F r e u n d F hat gutgläubig Eigentum erworben (§ 932). § 985 entfällt damit. 3. Bei § 1007 ergibt sich das gleiche Ergebnis wie zu 2 (vgl. § 1007 Abs. 3 S. 2). II. S c h u l d r e c h t l i c h e

Herausgabeansprüche:

1. §812 Abs. 1 S. 1 entfällt mangels Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung gegen alle. Dagegen ist F nach § 816 Abs. 1 S. 2 zur Herausgabe des Buchs III verpflichtet. §822 kommt auch hier nicht zum Zuge. 75

2 . Deliktsansprüche kommen nicht in B e t r a c h t . Der Bearbeiter eines Falles darf nicht glauben, seine Arbeit sei „verbaut", wenn er nicht die „richtige" Lösung gefunden habe. Eine Lösung ist richtig, wenn sie vertretbar und folgerichtig ist. Im vorliegenden Falle läßt sich die entscheidende Frage, ob A oder die Hauswirtin unmittelbaren Besitz gehabt hat, sowohl in dem einen Sinne als auch in dem anderen Sinne beantworten. Wichtig ist nur, daß man dieses Problem klar erkennt und konsequent die Folgerungen zieht.

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Zweiter

Teil

Ü b u n g e n für Vorgerückte

Vorbemerkung R i c h t l i n i e n f ü r die f o l g e n d e n F ä l l e Die grundlegenden Aufbaufragen und die wichtigsten Anspruchsgrundlagen sind im 1. Teil an Hand praktischer Fälle aufgezeigt worden. In einem Merkblatt zum Schluß des Bandes findet sich hierüber eine übersichtliche Zusammenstellung. Im folgenden gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse an schwierigeren Fällen zu erproben und zu vertiefen. Mit einem bloßen Durchlesen der Musterlösungen ist das nicht getan. Es bedarf der eigenen, intensiven Mitarbeit. Man muß jeden Fall erst selbst gelöst haben, bevor man die Musterlösung zum Vergleich heranzieht. Zumindest muß man ihn restlos durchskizziert und bei Hausaufgaben auch die auftauchenden Probleme nachgeprüft haben. Erst der Vergleich der eigenen Lösung mit der Musterlösung zeigt, ob man den Aufbau und die materiellen Fragen erfaßt hat. Nur so erhält man die nötige Sicherheit zur Bearbeitung von praktischen Fällen.

9. Fall Besprechungsfall Als Eigentümer des Grundstücks Seestraße 1 ist mit Recht Erich Berger eingetragen. Sein Sohn, der ebenfalls Erich Berger heißt, gibt sich als Eigentümer des Grundstücks aus, verkauft es am 1; April privatschriftlich an Konradi für 20000 DM und läßt es dem Konradi vor dem Grundbuchamt auf. Durch die Namensgleichheit lassen sich Konradi und der Grundbuchrichter täuschen; Konradi wird als Eigentümer eingetragen. Den Kaufpreis zahlt Konradi dem Verkäufer sogleich zur Hälfte bar, für die andere Hälfte, die ein halbes Jahr nach Kaufabschluß gezahlt werden soll, übernimmt Konradis vermögende Ehefrau im Einverständnis mit ihrem Ehemann die selbstschuldnerische Bürgschaft in schriftlicher Form. 79

Am 5. Juli desselben Jahres stirbt Erich Bergers Vater, von seinem Sohn allein beerbt. Dieser klagt am 1. Oktober gegen die Eheleute Konradi, die die Zahlung weigern, mit dem Antrag, sie als Gesamtschuldner zur Zahlung von 10000 DM zu verurteilen. Wie ist zu entscheiden ? Aufbau Die Klagen gegen die Eheleute Konradi sind gesondert zu behandeln, und zwar zuerst die Klage gegen den Ehemann, weil die Bürgschaftsschuld der Frau akzessorisch zur Hauptschuld des Mannes ist. Die Frage der gesamtschuldnerischen Haftung ist erst zum Schluß zu erörtern, nachdem man festgestellt hat, daß jeder der Eheleute haftet. Als Anspruchsgrundlage gegen den Ehemann kommt nur ein Vertrag in Betracht. Mangels Vertrags könnte nicht der Restkaufpreis verlangt werden, sondern allenfalls Rückgabe des Grundstücks aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Imi Mittelpunkt der Untersuchung steht daher die Frage nach der Wirksamkeit des Vertrags. Die Untersuchung der Wirksamkeit des Vertrags zerfällt hier aufbaumäßig in zwei Teile: 1. War der Vertrag ursprünglich wirksam zustandegekommen? 2. Wenn nicht: Ist er später wirksam geworden? Steht die Wirksamkeit des Vertrags fest, so bedarf es evtl. noch der Untersuchung, ob die Forderung schon fällig ist. Damit steht der Aufbau im wesentlichen zwingend fest. Den Aufbau im einzelnen zeigt die Ausarbeitung. Gutachten A. D i e K l a g e B e r g e r s g e g e n d e n E h e m a n n K o n r a d i auf Z a h l u n g v o n 10000 DM Berger kann Konradi nur dann auf Zahlung von 10000 DM in Anspruch nehmen, wenn zwischen ihm und Konradi ein rechtswirksamer Kaufvertrag zustandegekommen ist und die Forderung fällig ist. I. Ist der Kaufvertrag bereits bei seinem A b s c h l u ß rechtswirksam zwischen den Parteien zustandegekommen ? Gegen einen wirksamen Abschluß ergeben sich mehrfache Bedenken. 1. Es erscheint schon zweifelhaft, ob Berger und Konradi überhaupt Vertragsparteien werden konnten. Man könnte daran denken, daß der Vertrag zwischen Konradi und Berger sen. Zustandekommen sollte, weil Berger jun. sich als Eigentümer des auf den Namen seines Vaters 80

eingetragenen Grundstücks ausgab und, wie sein späteres Verhalten vor dem Grundbuchamt zeigt, auch als der eingetragene Berger, also als Berger sen. aufgetreten ist. Sieht man hierin ein Handeln „unter fremden Najmen", so hat Berger nicht sich selbst, sondern seinen Vater verpflichten wollen. Er hat zwar nicht ausdrücklich als Vertreter „in fremdem Namen" gehandelt; die Vorschriften der Stellvertretung sind aber entsprechend anzuwenden. Vgl. RG 145/91, Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil §170 Anm. 1, Lehmann, Allg. Teil § 3 6 I V 2d. Berger sen. wird danach allerdings nur verpflichtet, wenn das Auftreten Berger jun. mit seiner Einwilligung erfolgte oder nachträglich von ihm genehmigt wird (§§ 177'ff.). Mangels seiner Zustimmung haftet Berger jun., aber nur aus dem Gesichtspunkt des § 179 als falsus procurator. Es liegt bei Konradi, ob er Berger jun. deswegen auf Vertragserfüllung oder Schadenersatz in Anspruch nehmen will. Jedenfalls wäre Konradi nicht schon auf Grund des Vertragsschlusses dem falsus procurator verpflichtet. Selbst wenn Konradi den Berger jun. in entsprechender A n w e n d u n g des § 1 7 9 auf Vertragserfüllung in Anspruch nähme, würde keine gleiche Rechtslage herbeigeführt, wie wenn ein Vertrag zwischen diesen beiden zustandegekommen wäre. Denn die Inanspruchnahme des ohne Vertretungsmacht aufgetretenen Vertreters ist keine vertragliche Haftung, sondern nur eine Schadloshaltung. Der falsus procurator erlangt dadurch also seinerseits nicht einen vertraglichen Anspruch auf Erfüllung, sondern hat — beim gegenseitigen Vertrag — höchstens die Einrederechte aus §§ 320ff., insbesondere das Recht, seine Leistung bis zur Bewirkung dei Gegenleistung zu verweigern. So R G R K o m m . zu § 1 7 9 A n m . 1, R G 120/126.

Die Auffassung, Berger jun. habe „unter fremden Namen" gehandelt, muß jedoch abgelehnt werden. Berger wollte durch sein Auftreten ledig lich bekunden, daß ihm das Grundstück gehöre, nicht daß er mit seinem Vater identisch sei. Auch für seinen Vertragspartner Konradi war die Persönlichkeit Bergers nicht von ausschlaggebender Bedeutung, sondern die Beziehung Bergers zu dem verkauften Grundstück, d. h. Konradi kam es nicht darauf an, ob Berger jun. mit Berger sen. identisch war, sondern ob Berger jun. Eigentümer des Grundstücks war. Da Berger das bejahte, indem er „sich als Eigentümer des Grundstücks ausgab", wollte Konradi mit ihm einen Kaufvertrag abschließen. Vertragspartner sind also Berger jun. und Konradi. Es handelt sich, wie L e t z g u s in einer Einzelabhandlung über „Die Pseudopartei im rechtsgeschäftlichen Verkehr" im Archiv für die zivilistische Praxis 1926 § 3 S. 32 ff. schreibt, um eine „unwesentliche Fremderklärung". Das Verpflichtungsgeschäft trägt hier „sozusagen seinen wirtschaftlichen Eigenwert in sich", so daß es „auf die Person des Ver6 B e r g , Bürgerl. Recht.

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pflichteten (und zugleich Berechtigten) nicht ankommt". Der Fall liegt ähnlich wie der Verkauf einer fremden beweglichen Sache. Auch dort kommt es lediglich auf die Behauptung des Verkäufers an, er sei Eigentümer der Sache, nicht auf die — darin gleichzeitig liegende — Erklärung, er sei mit dem (wahren) Eigentümer identisch. Wollte man auf die Identität des Verkäufers mit dem wahren Eigentümer ausschlaggebendes Gewicht legen, so fielen alle Fälle des Verkaufs einer fremden Sache im eigenen Namen unter das Problem des Handelns unter fremdem Namen, Nebenbei sei bemerkt, daß auch die Fälle des sog. Pseudonyms auszuscheiden haben, da der unter einem Pseudonym Handelnde nur seinen Namen verdecken, nicht aber auf einen andern Namensträger hinweisen will. Etwas anderes gilt natürlich, wenn der Name eines andern zu Täuschungszwecken mißbraucht werden soll (Hochstapler). Dann liegt ein echtes Handeln „unter fremdem Namen" vor.

2. Ein weiteres Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit des Vertrags ergibt sich daraus, daß Berger eine ihm n i c h t g e h ö r i g e Sache verkauft hat. Der Vertrag ist also auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Berger kann nicht erfüllen, selbst nicht dadurch, daß er dem gutgläubigen Konradi das Grundstück aufläßt. Denn in diesem Falle wird der gute Glaube des Konradi nicht geschützt, weil sich die Unrichtigkeit aus dem Grundbuch ergibt (vgl. unten zu II 1). Die Unmöglichkeit ist aber nur eine subjektive, da sie nicht für jedermann, sondern nur für Berger jun; besteht. Berger sen. könnte den Vertrag erfüllen. § 306, wonach der auf eine — objektiv — unmögliche Leistung gerichtete Vertrag nichtig ist, trifft also nicht zu. Vgl. oben Fall 3 zu A I 2b a. E. und Enneccerus-Lehmann § 29. Subjektive Unmöglichkeit ist in § 306 nicht gemeint, weil das Gesetz diesen Fall nicht mit Unmöglichkeit, sondern mit Unvermögen bezeichnet, s. § 275 Abs. 2.

3. Ein drittes, durchschlagendes Bedenken besteht aber in der F o rm W i d r i g k e i t des Vertrags. Da Berger sich verpflichtete, dem Konradi das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen, bedurfte der Vertrag gemäß § 313 S. 1 der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung. Die Schriftform genügte nicht. Der Vertrag ist also aus diesem Grunde nicht rechtswirksam abgeschlossen worden (§ 125). II. Der ursprünglich unwirksame Vertrag kann durch s p ä t e r e Ereignisse w i r k s a m geworden sein. 1. D«r Mangel der Form kann nach § 313 S. 2 durch A u f l a s s u n g u n d E i n t r a g u n g g e h e i l t sein. Voraussetzung für eine solche Heilung ist zunächst eine o r d n u n g s m ä ß i g vorgenommene Auflassung und Eintragung. Die Auflassung muß nach § 925 Abs. 1 bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor dem 82

Grundbuchamt erklärt werden. Wesentlich für die Auflassung als eine dingliche Einigung (§ 873 ist dabei, daß die Parteien übereinstimmend erklären, daß das Eigentum an dem von ihnen bezeichneten Grundstück von dem einen auf den andern Vertragspartner übergehen soll. Hierauf — also auf die Einigung der Parteien — erstreckt sich vor allem die Prüfungspflicht des mitwirkenden Grundbuchrichters. Ob der Veräußernde der wirkliche Eigentümer ist, ist nicht zu prüfen. Zu beachten sind zwar noch eine Reihe weiterer Bestimmungen, wie z. B. die ordnungsmäßige Protokollierung der Auflassung (FGG §§ 168ff.), die dabei vorgeschriebene Identitätsfeststellung der Parteien (FGG § 176 Abs. 3), die Voreintragung des Betroffenen (GBO § 39) und die Vorlage bzw. Aufnahme eines ordnungsmäßigen Kaufvertrags (Ges. v. 11. 5. 1934 — RGBl. I S. 378 — § 2). Insoweit handelt es sich aber um bloße Formvorschriften, die zum Teil vom Gesetz ausdrücklich als Sollvorschriften bezeichnet werden. Wesentlich sind sie nicht für eine wirksame Auflassung. So zutreffend RG 99/65 für den Fall einer nicht beurkundeten Auflassung. Der für die Frage der Identitätsprüfung der Parteien abweichenden Entscheidung RG 106/199 kann aus den angeführten Gründen nicht zugestimmt werden, um so weniger als dort der unter falschem Namen Handelnde sogar im Einverständnis mit dem wahren Namensträger auftrat und auf diese Weise lediglich die Formvorschrift der §§ 30, 29 GBO bezüglich der Vollmacht umging. Die Entscheidung steht auch in einem gewissen Widerspruch zu der oben angeführten Entscheidung RG 145/91, in der das Handeln unter fremden Namen nicht für unwirksam, sondern für genehmigungsfähig erklärt wird, sowie im Widerspruch mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts über die Zulässigkeit der Unterzeichnung einer Erklärung mit dem Namen des Vertretenen, ohne das Vertretungsverhältnis kenntlich zu machen. Vgl. die Plenarentscheidung RG 74/69. Gegen RG 106/199 auch Letzgus a. a. O. S. 72 ff. Die ordnungsmäßige Vornahme von Auflassung und Eintragung kann jedoch dann keine Heilung des Kaufvertrags herbeiführen, wenn die Veräußerung nicht den b e a b s i c h t i g t e n R e c h t s e r f o l g h e r b e i f ü h r t , d. h. wenn Konradi nicht rechtswirksamer Eigentümer geworden ist. Denn der Grundgedanke des § 313 S. 2 geht dahin, daß ein Schutz vor Übereilungen dann nicht mehr angebracht ist, wenn der Veräußerer sein Eigentum am Grundstück endgültig aufgegeben hat.

Da Berger Nichteigentümer des Grundstücks war, konnte Konradi Eigentum nur erwerben, wenn die Voraussetzung des § 892 Abs. 1 S. 1 vorlag, d. h. wenn Konradi auf die Richtigkeit' des Grundbuchs vertrauen durfte. Konradi kann sich aber auf die Richtigkeit des Grundbuchs nur verlassen, wenn sein Veräußerer als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war. Das trifft nicht zu. Im Grundbuch stand 6'

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Berger sen. als Eigentümer eingetragen, und zwar mit Recht. Das Grundbuch war demnach materiell richtig. Das Vertrauen auf die Richtigkeit konnte also nicht enttäuscht werden. Konradi wurde nur in seinem Vertrauen an die I d e n t i t ä t des vor ihm stehenden Berger mit dem im Grundbuch eingetragenen Berger getäuscht. Der gute Glaube an die Identität des Veräußerers wird nicht geschützt. Ebensowenig wie der gute Glaube an die Verfügungsberechtigung. (Ausnahme in HGB § 366.) Wie oben Staudinger-Kober (10. Aufl. 1938) zu § 8 9 2 Anm. 53, Palandt zu § 892 Anm. 4, RG Bd .128 S. 284 und Bd. 8 S. 161. Bei Erwerb von F a h r n i s ist die Gefahr eines Identitätsirrtums kaum vorhanden, da der Veräußerer meist im Besitz der Sache ist und sich dadurch für einen gutgläubigen Erwerber genügend ausweist.

Mangels rechtswirksamen Eigentumserwerbs kann daher eine Heilung nach § 313 S. 2 nicht eintreten. 2. Die Rechtslage kann sich aber dadurch geändert haben, daß Berger s e n . g e s t o r b e n ist und Berger j u n . ihn b e e r b t hat. Nach § 185 Abs. 2, 2. Alt. wird die Verfügung eines Nichtberechtigten wirksam, wenn der V e r f ü g e n d e den Gegenstand e r w i r b t . Berger hat durch die von ihm vorgenommene bzw. veranlaßte Auflassung und Eintragung eine V e r f ü g u n g über das Grundstück vorgenommen. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die auf die u n m i t t e l b a r e Änderung der Rechtslage eines Gegenstandes abzielen, also Übereignung von Grundbesitz und Fahrnis, Abtretung einer Forderung, Erlaßvertrag, Bestellung, Aufhebung oder Änderung von Hypotheken- und Pfandrechten u. dgl. mehr, ferner die einseitigen unmittelbar wirkenden Rechtsgeschäfte, die sog. Gestaltungsrechte, wie Anfechtung, Rücktritt, Aufrechnung und Kündigung. Verfügungen stehen im Gegensatz zu den Verpflichtüngsgeschäften, die nur einen Anspruch auf eine Rechtsänderung geben, diese Rechtsänderung aber nicht unmittelbar herbeiführen. Mangels Einwilligung des Berechtigten handelte es sich um die Verfügung eines Nichtberechtigten. Durch die Alleinerbschaft des Berger jun. ist aber eine Universalsukzession in die gesamten Rechte und Pflichten des bisherigen Berechtigten, Berger sen., eingetreten. Berger jun. h a t damit nachträglich auch das Grundstück, über das er unberechtigterweise verfügt hat, erworben. Die Verfügung ist somit gemäß § 185 Abs. 2 2. Alt. wirksam geworden. Ob der Erwerb„durch Singular- oder Universalsukzession erfolgt, ist für diese Alternative gleichgültig. Wichtig ist aber, daß A l l e i n e i g e n t u m des Verfügenden begründet wird, daß also bei einer Erbschaft nicht eine bloße Erbengemeinschaft entsteht, der das Grundstück nur zur gesamten Hand gehört.

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Die hier vorliegende 2. Alt. des § 185 Abs. 2 ist nicht mit der 3. Alt. zu verwechseln, wo — gerade umgekehrt — der Verfügende von dem Berechtigten beerbt wird. Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, daß bei Annahme eines Handelns ,,unter fremdem Namen" §185 nicht anwendbar ist. Hier sind die §§164ff., insbesondere §179, entsprechend anzuwenden. Diese Bestimmungen regeln nicht nur Verpflichtüngsgeschäfte, sondern auch Verfügungen, die für einen anderen vorgenommen werden bzw. unter dem Namen eines anderen vorgenommen werden. § 185 trifft also nur Verfügungen, die im eigenen Namen vorgenommen werden. Unerheblich ist allerdings, ob der im eigenen Namen Handelnde für eigene Rechnung oder — etwa als Kommissionär — für fremde Rechnung haiidelt. Vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil § 191 I l c , Palandt zu 185 Anra. 2, RG, Höchstrichterliche Rechtspr. 1934/1276.

Liegt nunmehr die Berechtigung Berger jun. zur Auflassung des Grundstücks vor, so kann die formell wirksame Auflassung und Eintragung die Heilung des ursprünglich formell unwirksamen Kaufvertrags gemäß § 313 S. 2 bewirkt haben. Es besteht nur noch insofern ein Bedenken, als die gemäß § 185 Abs. 2, 2. Alt. eingetretene Zwangskonvaleszenz nicht auf den Zeitpunkt der Auflassung und Eintragung zurückwirkt, da das Gesetz hier — anders als bei der in der 1. Alternative des § 185 Abs. 2 behandelten G e n e h m i g u n g — eine Rückwirkung nicht vorsieht. Berger jun. ist also erst mit dem 5. Juli verfügungsberechtigt über das Grundstück gewesen. Aus § 313 S. 2 ergibt sich aber nicht, daß Auflassung und Eintragung sofort den Eigentumsübergang bewirken müssen. Es muß nach dem dem § 313 zugrundeliegenden Grundgedanken genügen, wenn Konradi überhaupt durch Auflassung und Eintragung Eigentümer wird. Hätte eine wirkliche Genehmigung nach § 185 Abs. 2, 1. Alt. vorgelegen, so bestände wohl kein Zweifel an der Anwendbarkeit des § 313 S. 2. Die dort eintretende Rückwirkung (§ 184 Abs. 1) kann nicht wesentlich sein, da sie nicht anders als die hier vorliegende (nicht rückwirkende) Zwangskonvaleszenz zwischenzeitlich getroffene Verfügungen unberührt läßt (§ 184 Abs. 2). Wesentlich ist, daß nunmehr alle Bedingungen, an die das Gesetz den Eintritt der Heilung knüpft (Auflassung, Eintragung und Verfügungsberechtigung des Auflassenden) erfüllt sind. Man kann nicht einwenden, die Auflassung sei bei dieser Auffassung bedingt abgegeben, was der Bestimmung des § 925 Abs. 2 widerspreche. § 925 Abs. 2 trifft nur r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Bedingungen, nicht die hier vorliegende R e c h t s b e d i n g u n g , d. h. eine g e s e t z l i c h e Voraussetzung des wirksamen Eigentumsübergangs, vgl. RGRKomm. zu § 925 Anm. 14 Mitte.

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Ist Konradi aber nachträglich Eigentümer geworden, so ist damit auch die heilende Wirkung, die § 313 S. 2 für den Kaufvertrag vorsieht, eingetreten. Der Kaufvertrag ist somit später rechtswirksam zwischen Berger und Konradi zustandegekommen. Es sei bei dieser Gelegenheit auf die große Bedeutung des § 185 hingewiesen, der in vielen Fällen, wo der Eigentumsübergang nicht möglich ist, zum Ziel führt. Mittels einer Genehmigung kann sogar der Bestohlene den Erlös, den der Dieb aus der Sache durch Verkauf erzielt hat, herausverlangen (§§ 816 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit §185 Abs. 1,1. Alt.). Vgl. die grundlegenden Entscheidungen RG 106/44 und 115/34. I I I . Berger erhebt daher mit Recht eine Klage gegen Konradi auf Zahlung von 10000 DM. Es fragt sich aber, ob er das Geld s c h o n j e t z t verlangen kann oder ob die Schuld n o c h n i c h t f ä l l i g ist.

Vereinbarungsgemäß sollte der Restkaufpreis von 10000 DM ein halbes Jahr n a c h K a u f a b s c h l u ß gezahlt werden, zeitlich gesehen also am 1. Oktober. Ein g ü l t i g e r Kaufabschluß lag jedoch erst am 5. Juli, dem Tage des Eintritts der maßgeblichen letzten Heilungstatsache, vor. Eine Rückwirkung auf den Tag des unwirksamen Vertragsschlusses, den, 1. April, hat die Heilung des § 313 S. 2 ebensowenig-wie die des § 185 Abs. 2, 2. und 3. Alternative. Erst mit der endgültigen Heilung beginnt daher z. B. die Verjährungsfrist nach §477 zu laufen, RG 134/87. Berger hätte hier auch nicht die Möglichkeit gehabt, durch eine freiwillige Genehmigung gemäß § 185 Abs. 2 1. Alt. in Verbindung mit § 184 Abs. 1 den Vertrag rückwirkend wirksam zu machen. Eine solche Genehmigung kann zwar in seiner Klagerhebung gesehen werden (vgl. RG 106/45). Sie hat hier aber keine Wirkung mehr, da durch den Erbfall bereits zwangsläufig der Vertrag rechtswirksam geworden ist, somit für eine freiwillige Genehmigung kein Raum mehr ist.

Versteht man die Vereinbarung über die Fälligkeit des Restbetrags dahin, daß diese ein halbes Jahr nach Abschluß eines g ü l t i g e n Kaufvertrags eintreten sollte, so wäre die Klage zur Zeit verfrüht und mangels Fälligkeit abzuweisen. Die Klagabweisung würde allerdings schon vermieden, wenn zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung die Fälligkeit eingetreten ist. Eine solche Auslegung widerspricht aber dem Willen der Parteien. Indem die Parteien bereits am 1. April durch Auflassung und Eintragungsantrag beim Grundbuchamt sowie durch Zahlung des halben Kaufpreises alles taten, was in ihren Kräften stand, um den Kaufvertrag zu erfüllen, gaben sie zu erkennen, daß sie den Vertrag als in diesem Zeitpunkt für gültig betrachteten. Es ist daher § 141 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. Danach sind die Parteien bei einer späteren rechtswirk 86

samen Bestätigung eines ursprünglich unwirksamen Rechtsgeschäfts im Zweifel verpflichtet, einander das zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag von Anfang an gültig gewesen wäre. Direkt ist § 141 Abs. 2 nicht anwendbar, weil die Heilung eines formnichtigen Kaufvertrags nach § 313 S. 2 keine Bestätigung eines nichtigen Vertrags gemäß § 141 darstellt. Eine solche Bestätigung erfordert eine „erneute Vornahme"; als solche kann die Auflassung nicht angesehen werden. Vgl. RG 115/12.

Konradi ist daher verpflichtet, den Restkaufpreis von 10000 DM am 1. Oktober an Berger zu zahlen. B. Die K l a g e B e r g e r s g e g e n die E h e f r a u K o n r a d i auf Z a h l u n g v o n 10000 DM a u s d e r B ü r g s c h a f t Berger kann Frau Konradi aus der Bürgschaftserklärung in Anspruch nehmen, wenn die B ü r g s c h a f t o r d n u n g s m ä ß i g abgegeben wurde u n d die H a u p t s c h u l d b e s t a n d . I. Nach § 766 ist zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags eine s c h r i f t l i c h e Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Daß die Bürgschaft hier für eine Verbindlichkeit aus einem Grundstückskauf gegeben wurde, bedingt nicht etwa die Form des § 313 S. 1, jedenfalls dann nicht, wenn dadurch nicht die Grundstücksveräußerung, sondern lediglich die Kaufpreisschuld des Käufers gesichert werden soll. Denn die dem § 313 S. 1 zugrunde liegende Absicht des Gesetzes, den Grundstückseigentümer vor einer Übereilung zu schützen, trifft insoweit nicht zu. So RG 134/245. Vgl. auch RG 140/219 und 336 (340) sowie RGRKomm. zu § 313 Anm. 1 Abs. 5 und Anm. 3a, ferner Palandt zu § 313 Anm. 4b. Die Bürgschaft ist daher formell in Ordnung.

II. Die Bürgschaft dient lediglich der Sicherung einer Hauptschuld, § 765. Sie ist daher abhängig vom Bestehen der Hauptschuld (sog. Akzessorietät der Bürgschaft). Mit d e m W i r k s a m w e r d e n d e r H a u p t s c h u l d hat demnach a u c h die B ü r g s c h a f t i h r e n zu s i c h e r n d e n I n h a l t b e k o m m e n . Daß die zu sichernde Forderung nicht schon im Augenblick der Abgabe der Bürgschaftserklärung bestand, steht ihrer Wirksamkeit nicht entgegen. Nach § 765 Abs. 2 kann eine Bürgschaft auch für eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit übernommen werden. Ob die Parteien sich bei Abschluß ihrer Verträge über die Bedingtheit der Hauptschuld bewußt waren, ist nach dem in vernünftiger Weise auszulegenden Parteiwillen bedeutungslos. Frau Konradi wollte die Kaufpreisschuld ihres Mannes sichern. Für sie wie für Berger war also aus87

schlaggebend, d a ß , nicht w a n n eine solche Schuld bestand. (So zutreffend auch RG 134, 245/6.) Der Anspruch gegen Frau Konradi ist daher gleichfalls begründet. Da Frau Konradi sich s e l b s t s c h u l d n e r i s c h verbürgt hat, kann sie auch nicht die Einrede der Vorausklage erheben, d. h. die Befriedigung Bergers solange verweigern, als nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (§§ 771, 773 Abs. 1 Ziff. 1). C. E h e l e u t e K o n r a d i als G e s a m t s c h u l d n e r verklagen ? Eine Gesamtschuld im eigentlichen Sinne liegt nicht vor. Eine solche setzt die S e l b s t ä n d i g k e i t der Verpflichtungen der einzelnen Schuldner voraus, auf deren Bestand wegen der vorhandenen Zweckgemeinschaft zwar einzelne Ereignisse, insbesondere die Erfüllung seitens eines Schuldners einwirken (vgl. §§ 422—424), die aber im übrigen unabhängig voneinander bestehen (vgl. § 425). Gleichheit des Inhalts oder des Entstehungsgrundes ist dagegen für die Gesamtschuld nicht erforderlich. So haften z. B. bei Vertragsverletzung der V e r t r a g s p a r t n e r aus § 278 für seinen Erfüllungsgehilfen u n d der E r f ü l l u n g s g e h i l f e selbst u. U. aus unerlaubter Handlung als Gesamtschuldner. Dagegen besteht m a n g e l s e i n e r Z w e c k g e m e i n s c h a f t keine Gesamtschuld bei einem Brandstifter und der Versicherungsgesellschaft. Hier findet also insbesondere ein Ausgleich nach § 426 nicht statt. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 90 II 3. Über den problematischen Wert der ganzen Unterscheidung vgl. Palandt zu § 421 Anm. 2. Die Bürgschaft als solche ist zwar selbständig, was z. B. Erfüllungsort und Verjährung betrifft. Sie ist aber in ihrem I n h a l t v ö l l i g a b h ä n g i g von der Hauptschuld. Kündigung, Verzug, verschuldete Unmöglichkeit beim Hauptschuldner wirken z. B. — entgegen der Regelung in §425 bei der Gesamtschuld — auf die Bürgschaft infolge ihrer Akzessorietät ein. Vgl. namentlich RG 134/128 sowie RG 137/11. Keine Bürgschaft, sondern eine echte Gesamtschuld liegt bei einer Schuld m i t Übernahme vor. Der B ü r g e haftet für eine f r e m d e Schuld; er erwartet, daß er womöglich nicht in Anspruch genommen wird; er handelt vielfach aus Gefälligkeit. Daher auch die Formvorschrift, die vor einer Übereilung schützen soll. Anders der S c h u l d m i t ü b e r n e h m e r . Er hat ein e i g e n e s , u n m i t t e l b a r e s , w i r t s c h a f t l i c h e s I n t e r e s s e an der Erfüllung der Schuld. Er übernimmt daher eine e i g e n e Schuld n e b e n der des bisherigen Schuldners. Eine Form erscheint bei diesem — ohnehin nicht gesetzlich geregelten — Verhältnis unnötig. Eine SchuldKann

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Berger

die

mitübernähme liegt z. B. vor bei der Zahlungszusage eines Hypothekengläubigers an die Bauhandwerker, die wegen Zahlungsunfähigkeit des Bauherrn Bedenken haben, weiter zu arbeiten. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 8 4 IV 2c und RG 135/107/8 und 143/156.

Der Antrag auf Verurteilung der Eheleute Konradi als Gesamtschuldner ist daher unrichtig. Es muß heißen: Der Ehemann Konradi soll zur Zahlung von 10000 DM an Berger verurteilt werden, die Ehefrau Konradi soll verurteilt werden, für diese Schuld den Kläger aus ihrem Vermögen zu befriedigen. Die bei der Hypothekenklage übliche Fassung: Die Zwangsvollstreckung (sc. in ein Grundstück) wegen der Forderung zu d u l d e n , ist hier nicht verwertbar, da der Kläger nicht nur ein R e c h t a u f V o l l s t r e c k u n g hat, sondern die beklagte Ehefrau dem Kläger gegenüber z u r Z a h l u n g v e r p f l i c h t e t ist. Darin zeigt sich wieder der Unterschied zwischen personeller und dinglicher Haftung oder zwischen Forderungs- und dinglichem Recht.

Der Unterschied der im Text wiedergegebenen Formulierung zu der begehrten Verurteilung „als Gesamtschuldner" erscheint zunächst nicht bedeutsam. Jedoch kommt darin zum Ausdruck, daß keine Gesamtschuld im eigentlichen Sinne vorliegt, daß also namentlich nicht die §§ 425/6 anwendbar sind (an deren Stelle gelten vielmehr die §§ 767, 774). Die unrichtige Formulierung des Antrags führt nicht zur Abweisung der Klage. Es handelt sich um eine bloße Richtigstellung des Klagantrags, die das Gericht von sich aus im Urteilsspruch vornehmen kann. Zumindest hat das Gericht gemäß § 139 ZPO die Pflicht, dem Kläger Gelegenheit zu geben, den Klagantrag anders zu formulieren. Da mangels abweichender Angaben im Tatbestand anzunehmen ist, daß die Eheleute Konradi im gesetzlichen Güterstand leben, empfiehlt es sich noch für den Kläger, den weiteren Antrag zu stellen: „Den beklagten Ehemann zur D u l d u n g d e r Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g in das Vermögen seiner Ehefrau wegen deren Verbindlichkeit zu verurteilen", da andernfalls der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung in das mitgebrachte Gut der Ehefrau nicht vornehmen darf (ZPO § 739). Dem Antrag ist stattzugeben, da der Ehemann Konradi seine Zustimmung zu der Bürgschaftsverpflichtung seiner Frau gegeben hat (§§ 1411, 1412 Abs. 1).

10. Fall 1. H a u s a r b e i t Eine berühmte Sängerin verlor im Berliner Opernhaus während einer Gastvorstellung von Figaros Hochzeit, worin sie die Rolle der Gräfin gab, eine Perlenkette im Werte von 20000 DM. 89

Da sie den Verlust gleich nach der Heimkehr in ihr Hotel bemerkte, veröffentlichte sie schon anderen Tages in den Ortszeitungen eine Beschreibung der Kette, die deren Wert erkennen ließ, bat den ehrlichen Finder um Ablieferung und versprach ihm eine reichliche Belohnung. Ein Theaterangestellter hatte die Kette nach der Vorstellung beim Wegräumen der Versatzstücke gefunden und zunächst behalten. Nachdem er anderen Tages die Veröffentlichung gelesen hatte, hielt er es für ratsam, als ehrlicher Finder aufzutreten und brachte die Kette zur Sängerin. Diese gab ihm als Belohnung 50 DM und er nahm das Geld mit den Worten an: „Ich danke auch vielmals". Als der Angestellte demnächst den Vorfall unter Hervorhebung seiner Redlichkeit überall erzählte, entstand Entrüstung über den Geiz der Sängerin; man riet dem Angestellten, sie auf Zahlung von noch 200 DM zu verklagen. Hätte eine solche Klage Aussicht auf Erfolg ? Vorbemerkung Aufbau Für den Anspruch des Angestellten gegen die Sängerin kommen Fund und Auslobung in Frage. Welche dieser Anspruchsgrundlagen zuerst zu behandeln ist, erscheint zweifelhaft. Man könnte daran denken, die Auslobung einer v e r t r a g l i c h e n Anspruchsgrundlage gleichzusetzen und als erste zu erörtern, weil Verträge a u ß e r vertragliche Ansprüche beeinflussen können (vgl. oben S. 3). Die folgende Darstellung wird aber zeigen, daß die Auslobung im vorliegenden Fall den Fundanspruch unberührt läßt und den Finder nur besser stellen soll. .Es zeigt sich weiter, daß der gesetzliche Anspruch unbegründet ist. Unter diesen Umständen ist es unbedenklich, den abzulehnenden Anspruch zunächst zu erörtern, zumal man bei der Auslobung an manche der dort erörterten Begriffe anknüpfen kann. Vgl. auch Leonhard S. 19. Man kann diesen Aufbau allerdings erst vornehmen, wenn man den Fall restlos durchdacht bzw. durchskizziert hat. Im einzelnen kommt es bei den Anspruchsgrundlagen darauf an, zunächst darzulegen, daß die Ansprüche entstanden sind, und sodann, daß sie nicht durch spätere Ereignisse erloschen sind. Beim Fund ist überdies zu beachten, daß § 978 eine Sondervorschrift enthält, die die allgemeinen Fundvorschriften nicht zur Anwendung kommen läßt. Diese Bestimmung ist daher als erste zu erörtern. Im übrigen ergibt sich der Aufbau eindeutig aus der folgenden Darstellung. 90

Gutachten Gefragt ist, ob eine Klage des Angestellten auf Zahlung weiterer 200 DM Aussicht auf Erfolg hat. I. Ein solcher Anspruch kann sich aus dem F u n d r e c h t ergeben. 1. Bevor geklärt wird, ob die Voraussetzungen für einen Finderlohn vorliegen, insbesondere ob es sich um eine verlorene und von dem Angestellten gefundene Sache handelt, bedarf es zunächst der Feststellung, ob die Kette „in den Geschäftsräumen einer öffentlichen Behörde oder einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsanstalt" gefunden wurde. In diesem Falle finden nämlich nach der Sonderbestimmung des § 978 die Vorschriften der §§ 965—977 keine Anwendung. An deren Stelle treten die §§ 978—983. Danach ist ein Anspruch auf Finderlohn nicht gegeben. Es bedarf nicht einmal der Untersuchung, ob die Kette „verloren" war. Es kommt lediglich darauf an, daß die Kette in den genannten Räumen vorgefunden wurde (vgl. RGRKomm. zu § 978 Anm. 1). Die Kette wurde auf der Bühne eines städtischen Theaters gefunden. Es erscheint fraglich, ein städtisches Theater als „Geschäftsraum einer öffentlichen Behörde" zu betrachten. Die Verkehrsanschauung spricht hier nicht von einem Geschäftsraum. Eher könnte man an eine „Verkehrsanstalt" denken, wenn man hierunter eine Einrichtung versteht, in der ein erheblicher Publikums-„Verkehr" stattfindet. Jedoch auch diese Annahme erscheint gekünstelt. Eine Verkehrsanstalt im eigentlichen Sinne ist eine Transportanstalt. Eine Erweiterung dieses Begriffs erscheint angesichts des Ausnahmecharakters bedenklich. Sie ließe sich nur rechtfertigen, wenn überwiegende Zweckmäßigkeitsgründe dies erforderten. Das Gegenteil ist der Fall. Bei Erweiterung des Begriffs würde sich eine sichere Grenzlinie zu dem sonstigen Fundrecht nicht mehr ziehen lassen; auch der Fund in einem Hotel, einer Bank, einem Warenhaus, einem Kino fiele unter § 978. Das müßte den Interessen des Verlierers selbst nachteilig werden, da die Versagung des Anspruchs auf Finderlohn die Neigung zur Ablieferung der gefundenen Sachen erheblich abschwächt. Eine Erweiterung des § 978 wird daher auch von der Rechtsprechung und Literatur abgelehnt. Vgl. RG 108/259 und Palandt zu § 978 Anm. 1. Selbst bei einer erweiternden Auslegung würde man aber nur bei den dem Verkehr des Publikums freigegebenen Räumlichkeiten des Theaters von einer „dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsanstalt" oder „dem Geschäftsraum einer öffentlichen Behörde" sprechen können, keinesfalls aber bei einer Bühne, zu der jedem Unbefugten der Zutritt streng verboten ist. 91

Die allgemeinen Fundregeln werden somit durch die Sonderregelung der §§ 978—983 nicht verdrängt. 2. Nach § 971 kann ein „Finder" als Finderlohn 5% des Wertes der Sache bis zu 300 DM und 1% des Mehrwertes verlangen. Als gesetzlicher Finderlohn käme demnach ein Betrag von 15 DM ( = 3% von 300 DM) + 197 DM ( = 3% von 19700 DM), insgesamt von 212 DM abzüglich der bereits gezahlten 50 DM, also von noch 162 DM in Betracht. a) Voraussetzung für einen Anspruch in dieser Höhe ist, daß der Angestellte Finder im Sinne des § 965 Abs. 1 ist. Nach dieser Bestimmung ist Finder, „wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt". Es bedarf daher der Untersuchung, ob die Kette verloren war und ob der Angestellte sie gefunden und an sich genommen hat. Verloren ist eine Sache, „deren Besitz zufällig und nicht bloß vorübergehend abhandengekommen ist. Sie darf dadurch aber nicht herrenlos geworden und nicht in den Besitz Dritter gelangt sein. Die Sache ist nicht verloren, solange der Ort des Verlustes bekannt und die Wiedererlangung möglich ist". Palandt zu § 965 Anm. 1. Die ersteren Voraussetzungen sind erfüllt. Die Perlenkette, die der Sängerin gehörte, ist während der Vorstellung zufällig abhandengekommen, ohne daß ein Dritter durch den Verlust Besitz erlangte. Fraglich könnte nur sein, ob nicht der Ort des Verlusts bekannt und dadurch die Wiedererlangung möglich ist, weil die Bühnenräume nach Art einer abgeschlossenen Wohnung als Fundstätte nicht in Betracht kämen. Der Satz: „Das Haus verliert nichts", kann aber nur in gewissen Grenzen als richtig anerkannt werden. Sachen, die jemand innerhalb seiner e i g e n e n abgeschlossenen Wohnung „verliert", können allerdings zunächst nicht als „verloren" im Rechtssinne gelten, weil sie im Machtbereich des Verlierers bleiben. Der Dienstbote, der sie findet, hat keinen Anspruch auf Finderlohn. Doch ist selbst hier durchaus denkbar, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeit ein Besitzverlust eintritt und die Sache dadurch zu einer im Rechtssinne verlorenen wird.

Dagegen wird man eine Sache, die jemand in der Wohnung oder in den Geschäftsräumen eines a n d e r e n „verliert", grundsätzlich als im Rechtssinne verloren anzusehen haben. Der Besitz an einer in fremden Räumen liegen gelassenen Sache geht nicht etwa ohne weiteres auf den Besitzer der Räumlichkeit über, da ein entsprechender Besitzwille des Inhabers der Räume nicht zu unterstellen ist; Besitz ohne Besitzwille ist undenkbar, vgl. Palandt zu § 854 Anm. 2. Erst recht ist bei Verlusten von Sachen im Hotel oder, wie hier auf der Bühne, ein Besitz92

Verlust im technischen Sinne anzunehmen, wenn nicht eine unverzüglich eingeleitete Nachforschung nach der Sache zu ihrer Wiederauffindung führt. Die Perlenkette war demnach verloren. Der Angestellte ist Finder, wenn er diese verlorene Sache „findet", d. h. entdeckt, und „an sich n i m m t " . In letzterer Hinsicht könnten Bedenken entstehen, weil der Angestellte als Angestellter des Theaters wahrscheinlich auf Grund einer Hausordnung, zumindest aber auf Grund seiner Treupflicht zur Ablieferung des Fundstücks an die .Leitung des Theaters verpflichtet war. E s ließe sich die Ansicht vertreten, daß er deshalb den Fund nur im Rahmen dieser seiner Verpflichtung machen konnte. Finder wäre dann der Leiter des Theaters geworden, der Angestellte wäre bloßes Werkzeug, ein Besitzdiener im Sinne des § 855. Vgl. die Rechtslage bei der Herstellung einer neuen Sache durch Verarbeitung (§ 950). Der Fabrikarbeiter, der im Auftrag seines Arbeitgebers eine neue Sache herstellt, erwirbt nicht selbst auf Grund des § 950 das Eigentum hieran, sondern vermittelt nur den Eigentumserwerb für den Arbeitgeber. Nur der selbständige Unternehmer ist Hersteller im Sinne dieser Bestimmung. Vgl. Palandt zu § 950 Anm. 3a. Eine nur allgemeine Anweisung zur Ablieferung von Fundsachen an die Theaterleitung ist aber nicht geeignet, die Finderstellung eines Angestellten auszuschließen. Sie bezweckt lediglich, die Ablieferung der Fundsache an den Verlierer sicherzustellen, da sich der Verlierer in erster Linie an die Theaterleitung wegen seines Verlustes wenden wird. Sie will aber nicht dem Angestellten die Berechtigung nehmen, als Finder zu gelten und womöglich sich selbst an den Verlierer zu wenden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn etwa der Bühneninspektor auf die Meldung des Verlustes durch die Sängerin den betreffenden Angestellten mit Nachforschungen ausdrücklich beauftragt hat. Hier würde der Angestellte den Besitz lediglich für seinen Auftraggeber erlangen. Ein anderes Beispiel: Die Hausangestellte, die den von der Hausfrau auf der Straße verlorenen Ring suchen soll und findet, vgl. Staudinger, zu § 965 I 3a. So liegt der Fall aber nicht. Im Zweifel findet, wer die Sache ergreift, für sich selbst (vgl. Wolff, Sachenrecht, § 82 I I Anm. 7). Auch die Rechtsprechung hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß bei einem gelegentlichen Funde in Lagerräumen durch Angestellte regelmäßig der auffindende Angestellte als Finder zu gelten habe (vgl. O L G 41/158). Schon praktische Erwägungen sprechen für diese Auffassung, da nur so genügend Anreiz für den Angestellten besteht, die Sache ordnungsmäßig abzuliefern. Die Tatsache, daß der Angestellte bei Gelegenheit 93

seines Arbeitsverhältnisses die Kette gefunden hat, hindert daher nicht, ihn als Finder im Sinne des § 965 anzusehen. Damit sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Finderlohn an sich gegeben. b) Der Anspruch kann aber dadurch wieder verloren gegangen sein, daß der Angestellte die Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Fundes verletzt hat, § 971 Abs. 2. Der Angestellte hat die Kette „zunächst behalten". Erst nach Erscheinen der Anzeige hat er sich entschlossen, als Finder aufzutreten. Das war nicht „unverzüglich". Er hätte den Fund schon am Abend, spätestens am anderen Morgen, mitteilen müssen, entweder der Sängerin oder der dafür bestimmten Fundstelle im Theater oder der Polizeibehörde (vgl. § 965). Da die Verlustanzeige frühestens in den Mittag- oder Abendblättern erschienen ist, hat er zu lange gezögert und seinen Anspruch auf Finderlohn verloren. Aus der gesetzlichen Regelung des Fundrechts kann daher der Angestellte keinen Anspruch herleiten. II. Der Anspruch könnte sich weiter aus einer A u s l o b u n g ergeben, § 657. Theoretische Erörterungen über die Rechtsnatur der Auslobung als eines einseitig verpflichtenden Versprechens (vgl. Enneccerus-Lehmann § 159 I und I I I ) erübrigen sich, da sie den Fall der Lösung in keiner Weise näher bringen.

1. Durch ihre Zeitungsanzeige hat die Sängerin dem „ehrlichen Finder" für die Vornahme einer Handlung, nämlich für die „Ablieferung der Kette" eine Belohnung zugesagt. Es fragt sich, ob die Voraussetzungen dieser Auslobung durch den Angestellten erfüllt wurden und in welcher Höhe er dadurch einen Anspruch erworben hat. Der Angestellte hat die Kette abgeliefert. Ist er aber auch als „ehrlicher Finder" im Sinne der Auslobung anzusehen ? Ein ehrlicher Finder im Sinne des Fundrechts ist er nicht, da er die Meldung bzw. Ablieferung nicht unverzüglich vorgenommen hat. Man wird jedoch den Begriff des „ehrlichen Finders" nicht im Sinne des Fundrechts auslegen dürfen. Durch das Inaussichtstellen einer reichlichen Belohnung im Wege einer Auslobung will der Verlierer erfahrungsgemäß der Ehrlichkeit des Finders und seinem Entschluß, die Sache zurückzugeben, nachhelfen. Für ihn ist jeder Finder ehrlich, der ihm die Sache freiwillig zurückgibt, mag er sie auch ohne die Auslobung behalten haben wollen. Auf die „Unverzüglichkeit" der Rückgabe kommt es ihm nicht entscheidend an. Die Voraussetzungen, unter denen der Auslobungsanspruch entstehen sollte, sind somit bei dem Angestellten gegeben. Geht man davon aus, daß der Auslobende dem Finder einen besonderen Anreiz zur Ablieferung der Fundsache geben wollte, so muß auch 94

die zugesagte „reichliche Belohnung" größer als der gesetzliche Finderlohn sein. Die nähere Bestimmung der Höhe der Belohnung behält sich allerdings der Auslobende — im Gegensatz zu § 316 — selbst vor. Er hat sie jedoch gemäß § 315 nach billigem, gegebenenfalls richterlich nachprüfbarem Ermessen zu treffen. Ein Anspruch von 250 DM — das wären 38 DM mehr als der gesetzliche Finderlohn von 212 DM — dürfte zumindest der Billigkeit entsprechen. Der Anspruch des Angestellten auf die noch nicht erhaltenen 200 DM ist somit an sich berechtigt. 2. Es fragt sich, welchen Einfluß die Dankesäußerung des Angestellten bei Entgegennahme der 50 DM auf diesen Anspruch hat. Stellt diese Äußerung lediglich eine H ö f l i c h k e i t s f o r m e l dar und fehlte dem Erklärenden damit das Bewußtsein einer „rechtsgeschäftlichen Willenserklärung", so ist sie ohne rechtliche Bedeutung. Die Annahme einer bloßen Höflichkeitsformel dürfte aber der Sachlage nicht gerecht werden. Dem Angestellten war durch die Auslobung bekannt, daß die Kette ein besonderes Wertstück darstellte; er hatte sich gerade durch die Aussicht auf die zugesagte reichliche Belohnung bestimmen lassen, das Fundstück doch noch abzuliefern und seinen Anspruch auf den Lohn geltend zu machen. Leute mit geringem Einkommen legen erfahrungsgemäß kräftig Verwahrung ein, wenn sie sich in einem solchen Anspruch verkürzt fühlen. Daß ein Anspruch auf Finderlohn besteht, ist zudem fest in das Volksbewußtsein eingegangen. Der Regel des Lebens und den besonderen Umständen widerspricht es daher, anzunehmen, daß dem Angestellten das Bewußtsein einer a u c h r e c h t l i c h e n Bedeutung seines Verhaltens ganz gefehlt habe. Das genügt. Eine klare Vorstellung der Rechtsfolgen seines Verhaltens braucht der Erklärende nicht zu haben; die nähere Deutung des objektiven Sinnes der Erklärung und die Ausgestaltung der Rechtsfolgen ist Sache des Gerichts (vgl. Lehmann, Allg. Teil § 24 IV 1). Als rechtlich bedeutsame Erklärung könnte die Dankeserklärung, die der Angestellte auf die Übergabe der 50 DM als der „geschuldeten Leistung" abgab, den Abschluß eines Erlaßvertrags über eine Mehrforderung bedeuten (§ 397 Abs. 1) oder den Abschluß eines Vertrags über ein „Anerkenntnis, daß das Schuldverhältnis nicht bestehe" (§ 397 Abs. 2), also über ein sog. negatives Schuldanerkenntnis. Ein E r l a ß v e r t r a g setzt voraus, daß der Angestellte als Gläubiger sich seiner Mehrforderung bewußt war und gleichwohl im Einverständnis mit dem Schuldner auf die Mehrforderung „verzichtet". Ein einseitiger Verzicht ist bei Forderungen nicht möglich, es bedarf vielmehr stets eines Erlaß-,,Vertrags". Vgl. RG 110/418, EnneccerusLehmann § 74 I, Palandt zu § 397 Anm. 1 a.

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Ein solches Bewußtsein fehlte dem Angestellten. Er glaubte zunächst, eine reichliche Belohnung erhalten zu haben und wurde erst später durch Dritte über seine höheren Forderungen belehrt. Die Annahme eines Erlaßvertrags entfällt damit. Ein n e g a t i v e s S c h u l d a n e r k e n n t n i s im Sinne des § 397 Abs. 2 würde nicht schon an der mangelnden Schriftform scheitern. Schriftform ist nur zu einem positiven Schuldanerkenntnis erforderlich (§ 781). Es fragt sich aber, ob ein negatives Schuldanerkenntnis gewollt war. Ein solches muß gewissermaßen als das Spiegelbild des positiven Schuldanerkenntnisses angesehen werden, da § 812 Abs. 2 es zusammen mit diesem nennt und beide als kondizierbar bezeichnet. Es erfordert daher wie dieses den Willen der Parteien, das Schuldverhältnis, losgelöst von den bisherigen Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen. Die Parteien müssen also klar zum Ausdruck bringen, daß das Schuldverhältnis nunmehr sein Ende gefunden hat und daß keine Forderungen mehr bestehen. Ein solches negatives Schuldanerkenntnis findet sich vielfach bei Vergleichen, in denen zum Schluß erklärt wird, daß „keine weiteren Forderungen mehr bestehen". Auch die „Entlastung" eines Vorstandes bei einem Verein u. dgl. kann ein negatives Schuldanerkenntnis sein. Ist das Anerkenntnis zu Unrecht gegeben, so kann es — wie im Text gesagt wurde — gemäß § 812 Abs. 2 kondiziert werden. Der Schuldner ist dann zur Rückgewähr durch Wiederherstellung der Schuld verpflichtet. Einer besonderen Anfechtung wegen Irrtums bedarf es neben der Kondiktio nicht. Vgl. RG 108/107. Erfolgt das Anerkenntnis im Wege eines Vergleichs, so ist jedoch zu beachten, daß, soweit etwaige Streitpunkte hierdurch ausgeräumt werden sollten, weder eine Kondiktio noch Anfechtung möglich ist. Enthält das Anerkenntnis gleichzeitig einen Verzicht auf Mehrforderungen, so liegt ein Erlaßvertrag gemäß § 397 Abs. 1 vor, der eventuell der Anfechtung bedarf. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 74 II, Palandt zu § 397 Anm. 6.

Die bloße Entgegennahme des Geldes, verbunden mit einer Dankesäußerung kann als eine solch eindeutige Erklärung, daß das Schuldverhältnis nicht mehr bestehe, nicht angesehen werden. Näher liegt die Auffassung, daß es sich lediglich um die Annahme der angebotenen Leistung als Erfüllung im Sinne des § 363 gehandelt hat. Bei einer Annahme als Erfüllung behält der Annehmende seinen Erfüllungsanspruch auf die Leistung, soweit sie in Wahrheit noch nicht erbracht ist. Nur die Beweislast, die grundsätzlich der Schuldner hinsichtlich der Erfüllung hat, dreht sich zu seinem Nachteil um. Er muß nunmehr beweisen, daß die Leistung trotz der Entgegennahme noch nicht er96

bracht ist. Dieser Beweis ergibt sich aber hier ohne weiteres aus dem unbestrittenen Sachverhalt. Vgl. die gleiche Lage oben S. 61 bei Fall 7. — Der Unterschied der Annahme als Erfüllung zum negativen Schuldänerkenntnis zeigt sich am besten bei Sicherheiten, die für die Forderung bestellt sind. Solche Sicherheiten (Bürgen, Pfänder) haften bei einer Annahme als Erfüllung (im Sinne des § 363) weiter, bei einem negativen Schuldanerkenntnis werden sie frei und müssen auf eine Kondiktio hin neu bestellt werden. Eine Klage auf Zahlung von weiteren 200 DM aus dem Gesichtspunkt der Auslobung hat somit Aussicht auf Erfolg. 11. F a l l 1. Klausurarbeit Adam hatte mit Fräulein Margot außerehelich verkehrt und sie geschwängert. Fräulein Margot heiratete darauf Herrn Schön. Adam versprach Fräulein Margot und Herrn Schön vor der Hochzeit mündlich, für das zu erwartende Kind, wenn seine Ehelichkeit durch Schön nicht angefochten werden sollte, bis zur Volljährigkeit 800 DM jährlich Alimente zu zahlen. Nach der Geburt des Kindes und dem ungenutzten Ablauf der Anfechtungsfrist verweigerte er die Zahlung, weil er nicht Vater sei, sein Versprechen außerdem gegen die guten Sitten verstoße und der Form entbehre. Wie ist die Rechtslage ? Vorbemerkung Aufbau Die Frage nach der Rechtslage bedeutet in erster Linie, ob A aus seinem Zahlungsversprechen in Anspruch genommen werden kann. Erst in zweiter Linie interessieren gesetzliche Anspruchsgrundlagen. Zunächst ist daher das Zahlungsversprechen auf seine rechtliche Bedeutung und Wirksamkeit zu untersuchen. Das Vorbringen des A über Unsittlichkeit und Formmangel ist dabei sofort mit zu erörtern; es handelt sich lediglich um Rechtsansichten, also nur um Hinweise auf Bestimmungen, die das Gericht bei der unstreitigen Sachlage sowieso von amtswegen beachten müßte (vgl. Berg, Gutachten S. 50 zu B I). Bei Prüfung des Zahlungsversprechens interessiert zunächst, w e r Rechte hieraus erwerben sollte, wer also in einem Rechtsstreit als Kläger gegen A auftreten könnte oder — prozeßtechnisch gesprochen — wer zur Klage aktiv legitimiert ist, (vgl. Berg a. a. O., S. 47 zu II). Diese Überlegungen bestimmen den Aufbau. 7 B e r g , Bürgerl. .Recht.

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Gutachten A D i e R e c h t s l a g e auf G r u n d d e s Z a h l u n g s v e r s p r e c h e n s des A d a m Schön und Margot haben das Zahlungsversprechen Adams angenommen, wie daraus hervorgeht, daß sie bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist nichts gegen ihn unternommen haben. Adam hat sich also durch V e r t r a g verpflichtet, bis zur Volljährigkeit des Kindes 800 DM jährlich zu zahlen. I. Es fragt sich zunächst, w e r aus diesem Vertrag Ansprüche gegen Adam erheben kann, wer also zu einer Klage aktiv legitimiert ist. 1. Die Versprechensempfänger Margot und Schön könnten als V e r t r e t e r des zu erwartenden Kindes gehandelt haben. Dann wäre lediglich das Kind zur Geltendmachung von Ansprüchen berechtigt. Dieser Annahme steht aber entgegen, daß es zur Vertretung einer Leibesfrucht der Bestellung eines besonderen Pflegers bedarf. Eine Ausnahme gilt nur, wenn das Kind, falls es bereits geboren wäre, unter elterlicher Gewalt stehen würde, § 1912. Hier wäre das Kind zur Zeit des Zahlungsversprechens unehelich gewesen. Margot und Schön können daher nicht als Vertreter gehandelt haben. 2. In Betracht kommt weiter die Annahme eines Vertrags zugunsten des Kindes im Sinne des § 328. Das Kind würde dann unmittelbar das Recht erworben haben die Leistung zu fordern. Die Versprechensempfänger — Margot und Schön — könnten daneben im eigenen Namen Leistung fordern, allerdings nur Leistung an das Kind, nicht an sich selbst § 334. Die Nichtgeburt des Dritten steht der Annahme eines solchen Vertrags nicht entgegen; es genügt, daß der Dritte hinreichend bestimmbar ist. Der Dritte braucht nicht einmal erzeugt zu sein. 106/226 und Palandt zu § 328 Anm. 1.

Vgl. RG 65/283,

Jedoch ist nicht jeder Vertrag, durch den ein Dritter begünstigt wird, ein echter Vertrag zugunsten Dritter. In Ermangelung einer besonderen Bestimmung über das Recht des Dritten ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zweck des Vertrags zu entnehmen, ob der Dritte ein eigenes Recht erwerben soll § 328 Abs. 2. Der Zweck des Vertrags ging dahin, dem Kind den Makel der Unehelichkeit zu nehmen, Frau Schön nicht als uneheliche Mutter und Adam nicht als außerehelichen Erzeuger in Erscheinung treten zu lassen. Zu diesem Zweck belastete Herr Schön sich mit den Pflichten eines ehelichen Vaters, namentlich mit den Unterhaltspflichten .aus 98

§§ 1601 ff., Adam übernahm als Ausgleich die Verpflichtung, Herrn Schön von dieser Belastung im wesentlichen freizustellen. So erklärt sich zwanglos, daß Adam nicht nur bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres, wozu er als unehelicher Vater verpflichtet gewesen wäre (§ 1708 Abs. 1), sondern bis zur Volljährigkeit den Unterhalt zahlen wollte und zwar in einer Höhe, die in etwa den erforderlichen Aufwendungen eines ehelichen Vaters entsprach. Der Vertrag stellt somit lediglich eine Entlastung des Herrn Schön für die von diesem übernommene Belastung dar. Damit entfällt die Annahme eines echten Vertrags zugunsten des Kindes. Würde man anders entscheiden, so ergäbe sich das eigenartige Ergebnis, daß das Kind nunmehr zwei Verpflichtete hat, nämlich Schön auf Grund des § 1601 und Adam auf Grund des Vertrags, während Schön keinerlei Ausgleich erhält. Gegen einen Vertrag zugunsten des Kindes spricht ferner die Erwägung, daß das Kind von Adam als seinem Erzeuger nichts erfahren soll. 3 . ' S o m i t ist nicht das Kind, sondern Schön zur Geltendmachung des Anspruchs befugt, und zwar zur Geltendmachung an sich, nicht an das Kind. Ob daneben auch Margot, die jetzige Frau Schön, einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen Schön erhalten soll, erscheint zweifelhaft. Sie ist sowohl als uneheliche Mutter als auch als eheliche Mutter gemäß § 1601 zum Unterhalt verpflichtet. Durch die Stellung einer ehelichen Mutter wird sie nur besser gestellt, da der „ V a t e r " Schön nunmehr vor ihr haftet (§ 1606 Abs. 2 S. 2). Es besteht also kein Bedürfnis, ihr einen Ausgleichsanspruch gegen Adam zu geben. Sie ist nicht eigentliche Vertragspartei, sondern lediglich als Zeuge der Abmachung zu betrachten. Die Frage, wer aus dem Vertrag Ansprüche gegen Adam geltend machen kann, ist also dahin zu beantworten, daß hierzu Schön allein befugt ist. I I . Der Anspruch auf Zahlung von jährlich 800 DM bis zur Volljährigkeit des Kindes ist berechtigt, wenn der Vertrag rechtswirksam ist. Gegen die Rechtswirksamkeit ergeben sich 2 Bedenken, auf die Adam besonders hinweist. Der Vertrag kann wegen Formmangels ungültig sein und er kann gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßen. 1. Für die F o r m b e d ü r f t i g k e i t ist entscheidend, um welchen Vertrag es sich handelt. a) Da kein Vertrag zwischen dem — unehelichen — Kinde und dem Erzeuger Adam geschlossen wurde, liegt eine Unterhaltsvereinbarung gemäß § 1714, die der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte, nicht vor.

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b) Ein — formbedürftiges — S c h e n k u n g s v e r s p r e c h e n (§ 518) scheidet aus, da objektiv weder eine Bereicherung des Schön gegeben ist (er belastet sich ja mit der Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff.) noch subjektiv eine Einigung über die Unentgeltlichkeit vorliegt: Beide Parteien sind sich bewußt, daß Adam auf Grund des § 1708 auch ohne besonderen Vertrag zahlen muß. Auch soweit Adam über die Alimentenverpflichtung aus § 1708 zahlen will, liegt keine Einigung über Unentgeltlichkeit vor. Denn Adam will von dem Makel der unehelichen Vaterschaft loskommen, Schön übernimmt die Unterhaltspflicht eines Vaters. c) Zur — schriftbedürftigen — L e i b r e n t e (§ 759ff.) fehlt die Begründung eines geschlossenen Grundrechts, aus dem sich die Ansprüche auf die einzelnen Bezüge als Erträge herleiten. Die vertraglich zugesagten Alimente sollen im wesentlichen den Schön von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht freistellen. Vgl. RG 106/95 und Enneccerus-Lehmann § 187 zu I 5. — Gegen eine Leibrente spricht nicht schon, daß die Leistungen nicht auf die L e b e n s d a u e r des K i n d e s abgestellt sind, es genügt, daß sie an d a s L e b e n d e s K i n d e s g e k n ü p f t sind, mögen sie auch zeitlich (Volljährigkeit) begrenzt sein, Enneccerus-Lehmann §187 I 1.

d) Ein — schriftbedürftiges — a b s t r a k t e s S c h u l d v e r s p r e c h e n bzw. Schuldanerkenntnis (§§ 780/1) wollten die Parteien nicht begründen, wie schon das Wort „Alimente" andeutet, das auf den Schuldgrund ausdrücklich hinweist. Abzulehnen ist auch ein (im BGB nicht geregeltes, formlos gültiges), sog. d e k l a r a t o r i s c h e s Schuldversprechen. Durch ein solches soll eine an sich bestehende gesetzliche Pflicht zu einer vertraglichen erhoben werden. Hier ist aber Adam dem Schön nicht schon kraft Gesetzes verpflichtet, vielmehr soll durch den Vertrag eine eigene Verpflichtung diesem gegenüber erst übernommen werden. Vgl. den anders liegenden Fall 7 oben S. 59.

e) Nahe liegt ein — formlos gültiger — V e r g l e i c h . Fraglich erscheint jedoch, ob hier ein „Streit oder die Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis" im Wege „beiderseitigen Nachgebens" beseitigt wird (§ 779). Die Parteien sind sich über die Rechtslage und ihre Pflichten klar. Keiner der Parteien gibt auch im eigentlichen Sinne nach, vielmehr nimmt Schön das Zahlungsversprechen des Adam lediglich entgegen. Er verpflichtet sich nicht einmal zur Nichtanfechtung der Ehelichkeit. Die Nichtanfechtung ist lediglich eine Potestativbedingung, von der die Zahlungsverpflichtung des Adam abhängen soll. Immerhin ist bei wirtschaftlicher Betrachtung die Annahme eines Vergleichs nicht von der Hand zu weisen: Adam verpflichtet sich zu mehr als er gesetzlich 100

verpflichtet ist, Schön übernimmt — aufschiebend durch sein Verhalten bedingt — die Last des gesetzlichen Unterhalts. Hierdurch soll der Makel beseitigt und evtl. auch ein Prozeß vermieden werden. f) Lehnt man einen Vergleich ab, so liegt ein im BGB nicht geregelter (atypischer) Vertrag vor, ein sog. U n t e r h a l t s - oder V e r s o r g u n g s v e r t r a g . Angesichts der Vertragsfreiheit (§ 305) ist er möglich. Formvorschriften sind — als Ausnahmebestimmungen — nicht entsprechend anwendbar. Ebenso OLG Königsberg, Höchstricherliche Rechtspr. 1937 Nr. 81, vgl. auch Warn. 1918 Nr. 172, JW 1924/2623.

Also ist der Vertrag nicht wegen Formmangels unwirksam. 2. Verstößt der Vertrag seinem Inhalt nach gegen das Gesetz (§ 134) oder gegen die guten Sitten (§ 138) und ist deshalb unwirksam ? a) Der Vertrag könnte gegen das gesetzliche Verbot des § 169 StGB verstoßen. Danach ist die vorsätzliche „Veränderung oder Unterdrückung des Personenstandes eines andern" strafbar. Auch die uneheliche Vaterschaft begründet einen Personenstand. Durch die Nichtgeltendmachung des Anfechtungsrechts wird dieser Personenstand unterdrückt. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß das BGB in den §§ 1591 ff., selbst diese Möglichkeit zuläßt, da Kinder, die in der Ehe geboren werden als ehelich gelten, sofern keine Anfechtung erfolgt.' Das BGB stellt es also dem Ehemann frei, von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen und läßt es damit zu, daß uneheliche Kinder zu ehelichen werden. Die im Vertrag vorgesehene Unterlassung der Anfechtung ist daher nicht gesetz- bzw. rechtswidrig. Sie kann den Vertrag nicht wegen Verstoßes gegen § 169 unwirksam machen. Anders dagegen die Anerkennung eines u n e h e l i c h geborenen Kindes gemäß § 1720. Sie kann, wenn sie falsch ist, nach §169 StGB strafbar sein. Vgl. RGSt. 70/237 und zur Frage des Personenstandes unehelicher Kinder RGSt. 41/302.

b) Als Unterhaltsvertrag ist der Vertrag auch nicht unsittlich. Die Verschleierung der natürlichen Abstammung, die er zur Folge hat, wird vom BGB selbst gestattet, wie soeben dargelegt wurde. Sie nimmt zudem dem Kinde den Makel der Unehelichkeit und stellt es einem ehelichen gleich (vgl. Bonner GG Art. 6 Abs. 5). Es müssen schon besondere Umstände vorliegen, die den Vertrag gleichwohl als unsittlich erscheinen lassen. Solche Umstände könnten darin gesehen werden, daß die Nichtanfechtung von einer Geldleistung abhängig ist, obwohl die Anfechtungsmöglichkeit als höchst persönliches Recht nur auf Grund freien Entschlusses erfolgen soll. 101

Vgl. Lehmann, Allg. Teil § 29 IV 3 a und die daselbst gegebenen Beispiele: Zusage der Ehelosigkeit, des Religionswechsels gegen Entgelt.

Dem ist aber entgegenzuhalten, daß Schön sich nicht zur Nichtanfechtung verpflichtet. Es handelt sich um eine in sein freies Belieben gestellte Bedingung (Postestativbedingung). Ferner spricht gegen die Unsittlichkeit, daß Schön keine Zahlung zu seinem persönlichen Vorteil erhält, sondern nur einen Ausgleich dafür, daß er mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht belastet wird. Durch den Vertrag wird also lediglich eine Besserstellung des Kindes ohne persönliche Vorteile der Vertragsschließenden erreicht. Ein solcher Vertrag ist nicht unsittlich. So auch R G W a r n . 1930 Nr. 76, vgl. auch R G 123/262, 150/186, OLG 30/344.

I I I . Schön kann somit nach ungenutztem Ablauf der Anfechtungsfrist Adam auf Zahlung der versprochenen Alimente in Anspruch nehmen. Das Vorbringen Adams bezüglich des Formmangels und der Unsittlichkeit des Versprechens ist unbeachtlich. Der weitere Einwand Adams, er sei nicht Vater, kann — da die natürliche Vaterschaft nach dem Tatbestand feststeht — nur bedeuten, daß Adam sich nicht zur Zahlung für verpflichtet hält, da das Kind infolge der Nichtanfechtung ehelich ist und damit der Anspruch des unehelichen Kindes aus § 1708 gegen ihn entfällt. Dieser Einwand ist aber der vertraglichen Inanspruchnahme gegenüber schon deshalb unbeachtlich, weil hierzu die Vaterschaft bzw. Erzeugerschaft nicht Inhalt der Verpflichtung, sondern nur ihr Anlaß war. Der Einwand führt aber zur Untersuchung der Frage, ob noch andere gesetzliche Ansprüche gegen Adam bestehen. B Weitere,

kraft

Gesetzes bestehende gegen Adam

Anspruchsgrundlagen

I. Ein Anspruch des Kindes aus § 1708 entfällt, da das Kind, das nach der Eingehung der Ehe geboren wurde, ehelich ist (§ 1591). Solange die Ehelichkeit nicht angefochten ist, ist auch eine Klage auf Feststellung der Unehelichkeit ausgeschlossen. Vgl. Palandt zu § 1593 Anm. 1, 1596 Anm. 3.

I I . Ein Anspruch des Schön aus unerlaubter Handlung könnte in Betracht kommen, falls Adam von vornherein durch Abgabe des Versprechens die Nichtanfechtung durch Schön erreichen wollte (§ 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 S t G B ) oder falls Adam sittenwidrigerweise jetzt die Zahlung verweigert, nachdem er durch sein Verhalten den Wegfall des Anspruchs aus § 1708 herbeigeführt hat (§ 826). Solche 102

Schadenersatzansprüche entfallen aber schon deshalb, weil Schön keinen Schaden erlitten hat. Er wollte gegen Schön einen vertraglichen Anspruch erwerben und hat einen rechtswirksamen Anspruch, wie zu A dargelegt wurde. III. Noch fraglicher erscheint ein Anspruch des Adam gegen Schön aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §812 Abs. 1 S. 1. Die Bereicherung des Adam könnte darin gesehen werden, daß er von seiner Unterhaltspflicht aus § 1708 befreit wurde. Diese Bereicherung ist aber, selbst wenn sie „auf Kosten" des Schön eingetreten sein sollte, nicht „ohne rechtlichen Grund" erfolgt, vielmehr die Folge des mit Schön abgeschlossenen Vertrags. Dadurch hat Schön zum Ausgleich einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung der jährlichen Rente von 800 DM gegen Adam erhalten. IV. Sonstige Ansprüche sind nicht denkbar. Schön könnte allenfalls versuchen, den Staatsanwalt zur Anfechtung der Ehelichkeit gemäß § 1595 a zu bewegen. Dadurch würde aber nur erreicht, daß das Kind nunmehr den Anspruch aus § 1708 erhält. Ob es sich dadurch besser steht als bei seiner ehelichen Stellung, erscheint fraglich. Im Zweifel wird die Staatsanwaltschaft die Anfechtungsklage nicht erheben, da dies „weder im öffentlichen Interesse noch im Interesse des Kindes oder seiner Nachkommenschaft geboten erscheint". 12.

Fall

2. Hausarbeit Die Ehefrau Meyer, deren Mann seit 1944 in russischer Gefangenschaft war, verkaufte Ende 1948 ein aus der ausgebombten ehelichen Wohnung gerettetes Klavier ihres Mannes an den Althändler Trödel, da sie den Unterhalt für sich und ihre 3 Kinder aus der kleinen ihr gewährten Rente allein nicht mehr bestreiten konnte. Trödel, der Frau Meyer kannte und sie für die Eigentümerin hielt, zahlte ihr den verlangten Preis von 250 DM und ließ das Klavier auf sein Lager bringen. Da jedoch das Instrument vorerst nicht verkäuflich war, vereinbarte er später mit ihr, daß sie das Klavier zur Ausbildung ihrer Kinder solange unentgeltlich benutzen dürfe, bis sich ein Kaufinteressent melde. Frau Meyer ließ daraufhin das Klavier wieder in ihre Wohnung bringen. Als "der Ehemann Meyer Mitte 1950 aus d«r Gefangenschaft zurückkehrte und den Sachverhalt erfuhr, schrieb er an Trödel einen eingeschriebenen Brief, in dem er den Standpunkt vertrat, daß das Geschäft seiner Frau für ihn unverbindlich sei und daß er sich nach wie vor als Eigentümer des Klaviers betrachte. 103

Trödel klagte darauf gegen Frau Meyer auf Rückgabe des Klaviers und gegen den Ehemann Meyer auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut. E r trug vor, daß er das Klavier auf Grund des Leihvertrags zurückverlangen könne, da sich inzwischen ein Kaufinteressent gefunden habe. Die Eheleute beantragten Klagabweisung mit der Begründung, daß das Klavier im Besitz und Eigentum des beklagten Ehemanns stehe. Wie wird das Gericht entscheiden ? Könnte Trödel evtl. durch eine andere Klage (welche ?) sein Ziel, die Rückerlangung des Klaviers erreichen ? Vorbemerkung Aufbau Der Aufbau zerfällt entsprechend den Fragen in 2 Hauptteile: die Beantwortung der Hauptfrage (A) und der Eventualfrage (B). Wie stets ist von den Anspruchsgrundlagen auszugehen, dies um so mehr, als über eine Klage zu entscheiden ist, in derein ganz bestimmter Anspruch geltend gemacht wird. Allenfalls mag sich der weniger Geübte bei Vorbereitung des Gutachtens durch ein historisches Vorgehen „rückversichern", daß er nichts übersehen h a t ; er prüft dann hintereinander die Bedeutung der Veräußerung des Klaviers durch die Ehefrau, des Leihvertrags mit der Ehefrau, des Verhaltens des Ehemanns nach seiner Rückkehr und kommt dann erst auf die Klage und ihre Begründung. Der endgültige Aufbau darf aber nur von dem Klaganspruch und den Anspruchsgrundlagen ausgehen. Ein historischer Aufbau wäre hier völlig fehl am Platz. Gutachten A D i e K l a g e T r ö d e l s g e g e n F r a u M e y e r a u f R ü c k g a b e des K l a v i e r s und gegen H e r r n M e y e r auf D u l d u n g der Z w a n g s vollstreckung I. Als Anspruchsgrundlage gegen F r a u M e y e r kommt in erster Linie ein L e i h v e r t r a g in Betracht, nach dessen Beendigung Trödel gemäß § 604 Abs. 1 die Rückgabe des Klaviers verlangen kann. 1. Ist zwischen Trödel und Frau Meyer ein Leih vertrag zustandegekommen ? Der Umstand, daß Trödel bei Abschluß des Leihvertrags möglicherweise nicht Eigentümer des Klaviers war, bildet kein Hindernis für das Zustandekommen eines solchen Vertrags. Der Verleiher braucht

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ebensowenig wie der Vermieter Eigentümer der Sache zu sein, da Verträge dieser Art nur auf Gebrauchsüberlassung abzielen. Zweifelhaft könnte sein, ob Frau Meyer den Leihvertrag im eigenen Namen geschlossen und sich dadurch selbst verpflichtet hat oder ob sie als Vertreterin ihres Mannes anzusehen war und daher unter Umständen diesen verpflichtet hat. Ausdrücklich ist sie bei Abschluß dieses Vertrags nicht als Vertreterin aufgetreten. Sie könnte aber im Rahmen der Schlüsselgewalt gehandelt haben (§ 1357). Jedoch erscheint es an sich schon zweifelhaft, ob die Leihe eines Klaviers noch iii den Rahmen des häuslichen Wirkungskreises fällt, innerhalb dessen die Frau den Mann vertreten kann. Jedenfalls gelten Rechtsgeschäfte nur dann als im Namen des Mannes vorgenommen, wenn sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt (§ 1357 Abs. 1 S. 2). Hier ergeben die Umstände ein anderes. Trödel war die langjährige Abwesenheit des Mannes bekannt. Er hatte daher nur ein Interesse daran, das Klavier — einen wertvollen Gegenstand — dem zu verleihen, der es in seine Herrschaftsgewalt bekam. Das war die Ehefrau, die sich selbständig verpflichten konnte (§ 1399). Der Leihvertrag ist daher zwischen Trödel und Frau Meyer zustandegekommen. 2. Trifft es zu, daß sich inzwischen ein Kaufinteressent gefunden hat, so ist an sich das Leihverhältnis beendet und Frau Meyer zur Rückgabe des Klaviers verpflichtet (§ 604 Abs. 1). Bedenken bestehen aber, ob sie nach Rückkehr ihres Mannes zur Rückgabe noch in der Lage ist. Bei Unmöglichkeit der Rückgabe wird sie eventuell frei oder nur schadenersatzpflichtig (§§ 275, 280). a) Zur Annahme einer Unmöglichkeit genügt bei der hier in Betracht kommenden nachträglichen Unmöglichkeit schon subjektives Unvermögen, d. h. es braucht die Rückgabe nicht jedermann, sondern nur der Frau Meyer unmöglich zu sein (§ 275 Abs. 2). Für die Frage, ob ein solches Unvermögen vorliegt, ist entscheidend, wie sich die Besitzverhältnisse am Klavier nach Rückkehr des Ehemanns gestaltet haben. Die beklagten Eheleute berufen sich übereinstimmend auf „Besitz und Eigentum des Ehemanns", um die Abweisung der Klage gegen die Ehefrau zu erreichen. Die Berufung auf „Besitz des Ehemanns" ist mehrdeutig. Nach § 1373 ist der Ehemann berechtigt, das eingebrachte Gut seiner Frau in Besitz zu nehmen. Zum eingebrachten Gut gehört alles, was nicht Vorbehaltsgut ist (§ 1363), also auch eine Sache, die der Frau nicht gehört, sondern sich bloß in ihrem Besitz befindet (vgl. RG 65/370, 83/241, Palandt zu § 1363 Anm. 3). Hat der Ehemann den B e s i t z 105

der Frau am Klavier als eingebrachtes Gut gemäß § 1373 in seinen Besitz genommen, so stände das der Rückgabeverpflichtung der Frau nicht entgegen, da sie zumindest mittelbare Besitzerin geblieben wäre. Das Besitzrecht des Mannes wäre durch den Duldungstitel gegen ihn auszuräumen. Die Berufung auf „Besitz des Ehemanns" bedeutet aber mehr. Im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Berufung auf das „Eigentum des Ehemanns" besagt sie, daß Herr Meyer das Klavier nicht gemäß § 1373 als Verwalter des eingebrachten Gutes in seinen Besitz genommen hat, sondern in seiner Eigenschaft als früherer Eigentümer. Er wollte den Zustand wiederherstellen,- der zur Zeit seines früheren Zusammenlebens mit seiner Frau am Klavier bestanden hat. Das ergibt sich auch daraus, daß er alsbald nach seiner Rückkehr Trödel durch eingeschriebenen Brief mitteilte, daß das Geschäft seiner Frau für ihn unverbindlich sei und daß er sich nach wie vor als Eigentümer betrachte. Rechtlich bedeutet dies, daß Herr Meyer gemäß § 872 „Eigenbesitz" am Klavier ergriffen und den Besitz seiner Frau ausgeschaltet hat. Er hat dadurch seiner Frau die Rückgabe unmöglich gemacht. Eine endgültige Unmöglichkeit, die die Folgen des § 275 auslöst, liegt allerdings erst dann vor, wenn Frau Meyer nicht mehr in der Lage ist, sich den Besitz zurückzuverschaffen. Eine rechtliche Möglichkeit hierzu besteht für Frau Meyer nicht: Sie liat ihrem Manne den Eigenbesitz freiwillig eingeräumt, wie sich daraus ergibt, daß sie mit ihm zusammen und aus den gleichen Gründen, nämlich unter Berufung auf den Besitz und das Eigentum des Mannes, Abweisung der Klage beantragt. Sie kann den Besitz also weder aus dem Gesichtspunkt der verbotenen Eigenmacht (§861) noch des früheren Besitzes (§ 1007) noch eines zwischen ihr und ihrem Manne begründeten Schuldverhältnisses zurückverlangen. Es bliebe ihr nur die Möglichkeit, sich evtl. bei Abwesenheit des Mannes gegen dessen Willen in den Besitz des Klaviers zu setzen und es dann zu Trödel zu schaffen. Sie würde damit aber verbotene Eigenmacht begehen (§ 858). Was verboten ist, kann von ihr nicht verlangt werden. Es bestände allenfalls noch die Hoffnung, daß ihr Mann sich eines besseren belehren ließe und ihr den Besitz freiwillig zurückgäbe. Diese Aussicht ist aber angesichts des Verhaltens der Eheleute im Prozeß so gering, daß sie ernsthaft nicht in Betracht kommt. Die Rückgabe des Klaviers ist daher Frau Meyer unmöglich geworden. b) Welche Rechtsfolgen ergeben sich hieraus für den Rückgabeanspruch des Trödel gegen Frau Meyer ? 106

Nach § 275 wird der Schuldner von der Leistung frei, „soweit diese infolge eines. . . Umstandes, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich wird". Unklar ist bei dieser Fassung, ob der Schuldner auch frei wird, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Diese Frage wird hier praktisch, da Frau Meyer die Unmöglichkeit deshalb zu vertreten hat, weil sie angesichts der unklaren Rechtslage am Eigentum das Klavier, für das sie auf Grund der Leihe verantwortlich war, nicht einfach ihrem Manne zu Eigenbesitz überlassen durfte (§ 276). Wegen der Fassung des § 275 wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß die Verpflichtung des Schuldners bei zu vertretender Unmöglichkeit auf den ursprünglichen Leistungsgegenstand gerichtet bleibt und daß es dem Gläubiger zu überlassen sei, ob er statt dessen gemäß § 280 Schadenersatz verlange; ein solches auf die unmögliche Leistung verurteilendes Urteil sei auch nicht wertlos, wie § 283 zeige (vgl. Rabel, Unmöglichkeit der Leistung, Festgabe für Bekker, 1907, S. 177/8). Demgegenüber ist zu sagen: Die Beweisführung, daß § 283 ein solches Urteil gestatte, geht fehl. § 283 besagt nur, daß der Gläubiger, w e n n er ein rechtskräftiges Leistungsurteil hat, von dem Schuldner nach Fristsetzung und entsprechender Androhung Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. Diese Regelung hat einen guten Sinn in den Fällen, in denen die Unmöglichkeit erst n a c h dem Urteil eintritt oder im Prozeß n i c h t g e l t e n d gemacht wurde. § 283 besagt aber nicht, daß auch bei einer Unmöglichkeit, die im Prozeß bereits endgültig feststeht, noch auf Leistung verurteilt werden darf. E r zeigt im Gegenteil, daß ein auf eine unmögliche Leistung gerichtetes Urteil nur auf Schadenersatz vollstreckbar ist, also als Leistungsurteil wertlos ist. Da der Zweck eines Leistungsurteils die Vollstreckbarkeit ist, erscheint es sinnwidrig, ein Urteil auf eine Leistung zu erlassen, die festgestelltermaßen nicht vollstreckbar ist; ein solches Urteil würde nur eine 2. Klage erforderlich machen. Das Gericht würde unnötig in Anspruch genommen. Der Wortlaut des § 275 steht dieser Auffassung nicht entgegen. § 275 darf nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden, sondern ist zusammen mit § 280 zu verstehen. In diesem Zusammenhang besagt er, daß der Schuldner bei nicht zu vertretender Unmöglichkeit sowohl von der Leistung als auch von einer Schadenersatzpflicht befreit wird, daß er aber bei zu vertretender Unmöglichkeit an S t e l l e der Leistung schadenersatzpflichtig wird. Diese Auffassung wird auch vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten, vgl. R G 54/28, 107/17,160/263, J W 37/3226). Daraus folgt, daß Trödel von Frau Meyer aus dem Gesichtspunkt des Leihvertrags nicht mehr die Herausgabe des Klaviers verlangen kann. 107

II. Neben dem Anspruch aus Leihe könnte Trödel sich auf den Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 berufen, sofern er Eigentümer des Klaviers geworden ist. Dieser Anspruch setzt aber gleichfalls voraus, daß Frau Meyer noch im Besitz der Sache ist. Er entfällt somit aus dem gleichen Grunde wie der Anspruch auf Rückgabe der geliehenen Sache. III. Da somit eine Verurteilung der Frau Frau Meyer zur Herausgabe nicht erfolgen kann, erfolgt auch keine Verurteilung des Ehemanns Meyer zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut. Denn ein solches Urteil soll lediglich die Schwierigkeiten beseitigen, die sich bei einer Vollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau aus dem Verwaltungsrecht des Mannes ergeben können (vgl. § 739 ZPO). Bei Abweisung der Klage gegen die Ehefrau ist eine solche Ver^ urteilung gegenstandslos. B K a n n T r ö d e l d u r c h e i n e a n d e r e K l a g e sein Z i e l , die R ü c k e r l a n g u n g des K l a v i e r s , e r r e i c h e n ? Da sich der Ehemann Meyer im alleinigen Besitz des Klaviers befindet, müßte Trödel gegen ihn einen Anspruch auf Herausgabe geltend machen. I. Es könnte ein Anspruch aus dem L e i h e v e r h ä l t n i s gemäß § 604 Abs. 4 in Betracht kommen. Nach dieser Bestimmung kann der Verleiher die Sache auch von einem Dritten, dem sie der Entleiher zum Gebrauch überlassen hat, nach Beendigung der Leihe zurückverlangen. Gegen die Anwendung des § 604 Abs. 4 spricht aber der Wortlaut und der Zweck dieser Bestimmung. Sie ist gegen den UnterEntleiher gerichtet und soll die sonst erforderliche Abtretung eines Herausgabeanspruchs des Entleihers gegen den Dritten an den Verleiher überflüssig machen. Sie entfällt somit, wenn zwischen Entleiher und Dritten kein Unterleihverhältnis besteht, insbesondere wenn der Entleiher gegen den Dritten keinerlei Ansprüche auf Rückgabe der Sache hat (vgl. RG 156/150). II. Da der Ehemann Meyer gegenüber dem unmittelbaren Besitzer, seiner Frau, keine verbotene Eigenmacht verübt hat, entfallen auch Ansprüche aus §§ 861, 869 oder § 1007 gegen Herrn Meyer. III. Es bleibt die Möglichkeit, daß Trödel mit der r e i v i n d i c a t i o das Klavier von Herrn Meyer herausverlangt. § 985 erfordert, daß Trödel Eigentümer, Meyer Besitzer ist. Da Meyers Besitz bereits feststeht, bedarf es nur noch der Untersuchung, ob Trödel Eigentümer des Klaviers ist. 108

Trödel ist Eigentümer, wenn er das Klavier vom Berechtigten erworben hat oder auf Grund guten Glaubens Eigentümer werden konnte. 1. Frau Meyer, die Trödel das Klavier ihres Mannes veräußerte, wäre hierzu berechtigt gewesen, wenn sie kraft Gesetzes oder infolge Zustimmung ihres Mannes hierzu ermächtigt gewesen wäre. a) Eine Ehefrau ist kraft Gesetzes zur Vertretung ihres Mannes berechtigt, wenn sie im Rahmen der Schlüsselgewalt handelt (§ 1357). Grundvoraussetzung der Schlüsselgewalt ist eine häusliche Gemeinschaft der Eheleute; andernfalls ist der nach § 1357 erforderliche „häusliche Wirkungskreis" nicht gegeben (Palandt zu § 1357 Anm. 2 a). Die Tatsache, daß der Ehemann unfreiwilligerweise infolge Kriegsgefangenschaft von seiner Frau getrennt lebte, bedeutet aber keine Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft. In einem solchen Falle ist vielmehr die Schlüsselgewalt in verstärktem Maße nötig, da die Frau besonders bestrebt ist, trotz Abwesenheit des Mannes den Haushalt im gemeinsamen Interesse aufrechtzuerhalten (vgl..RG 60/15). Im einzelnen erfordert § 1357, daß die Frau „innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn besorgt". Es handelt sich hierbei um Geschäfte, „die den ehelichen Aufwand betreffen und nach der bestehenden Sitte und den Anschauungen des Lebenskreises, dem die Eheleute angehören, durch die Frau erledigt zu werden pflegen", Palandt zu § 1357 Anm. 2b. Die Besorgung des Unterhalts für die Familie durch Anschaffung von Lebensmitteln, Kleidung u. dgl. fällt hierunter. Ob die Frau aber auch Möbelstücke, insbesondere solche von unmittelbarem Nutzen oder von größerem Wert, zur Beschaffung des Unterhalts veräußern darf, erscheint zweifelhaft. Sie führt auf diese Weise nicht eigentlich den Haushalt, sondern beginnt, ihn aufzulösen. Unter normalen Verhältnissen ist daher der Frau nicht die Befugnis zuzusprechen, Möbelstücke auf Grund der Schlüsselgewalt zu veräußern (vgl. OLG 43/351). Soweit wertvolle Möbelstücke des Mannes in Betracht kommen, wird man aber selbst bei Berücksichtigung der besonderen Nachkriegsverhältnisse eine Ausdehnung des häuslichen Wirkungskreises der Schlüsselgewalt ablehnen müssen. Andernfalls gewährt man der Frau eine Vertretungsmacht, die weit über die Absichten des Gesetzgebers hinausgeht, und man gefährdet das Mannesvermögen in unerträglicher Weise. Besteht wirklich ein Bedürfnis zur Veräußerung von Sachen des Mannes, um den Unterhalt für die Familie zu bestreiten, so kann gemäß § 1911 ein Abwesenheitspfleger bestellt werden. Dieser kann objektiv feststellen, wieweit die Vermögensangelegenheiten des Mannes — und dazu gehören auch seine Unterhaltspflichten — der Fürsorge durch Verkauf von Möbeln be109

dürfen. Seine Entscheidungen unterliegen zudem der Beaufsichtigung durch das Vormundschaftsgericht. Vgl. RGRKomm. zu § 1911 Anm. 1, 2. Die Annahme einer gesetzlichen Vertretungsmacht der Frau zum Verkauf eines wertvollen Möbelstücks des Mannes ist daher abzulehnen. Ebenso OGH Köln in DRZ 50/65, OLG Kiel in N J W 49/150, Beitzke in DRZ 49/104. Vgl. auch BGH in N J W 51/309. b) Da die Ehefrau anscheinend im eigenen Namen aufgetreten ist — Trödel hielt sie für die Eigentümerin — hätte es einer Zustimmung des Mannes gemäß § 185 bedurft, um ihre Verfügung kraft Ermächtigung wirksam zu machen. Eine ausdrückliche Zustimmung wurde nicht erteilt. Um eine stillschweigende Zustimmung anzunehmen, genügt nicht schon die Feststellung, daß die Maßnahme im Interesse des Mannes lag. Vielmehr ist zumindest Voraussetzung, daß der Mann aus den ihm bekannten Verhältnissen mit entsprechenden Maßnahmen seiner Frau rechnen konnte oder rechnen mußte und sie in Kauf nahm (vgl. Bull in N J W 50/507). Das spätere Verhalten des Ehemanns deutet auf das Gegenteil hin. Im Zweifel ist eine stillschweigende Zustimmung nicht anzunehmen. 2. Trödel hat daher das Klavier von einem Nichtberechtigten übergeben und übereignet erhalten. Unter diesen Umständen ist er nur Eigentümer geworden, wenn er hinsichtlich des Eigentums der Frau Meyer gutgläubig war und wenn die Sache nicht abhandengekommen ist (§§ 932, 935). a) Der Sachverhalt besagt, daß Trödel die Frau Meyer kannte und der Auffassung war, daß sie als Eigentümerin handelte. Für eine grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich dieses Glaubens liegt kein Anhalt vor, da es durchaus möglich und wahrscheinlich ist, daß Frau Meyer das Klavier mit in die Ehe gebracht hat und daß es ihr gehörte. b) Das Klavier wäre abhanden gekommen, wenn der unmittelbare Besitzer ohne oder gegen seinen Willen den Besitz verloren hätte. Da das Klavier ohne Willen des Herrn Meyer, jedoch mit Willen der Frau Meyer dem Trödel übergeben wurde, ist entscheidend, ob Herr oder Frau Meyer zur Zeit der Übergabe unmittelbarer Besitzer war. Bis zu seiner Einberufung hatte der Ehemann Meyer an dem ihm gehörenden Klavier unmittelbaren Alleinbesitz. Die Ehefrau ist bezüglich der Sachen des Mannes grundsätzlich nur Besitzdierierin (RG 108/124, 71/248). Eine bloß vorübergehende Abwesenheit des Mannes ändert an diesen Besitzverhältnissen nichts, sofern er von anderer Stelle aus brieflich oder telefonisch die Möglichkeit hat, auf die Sache einzuwirken. Hier liegt aber mehr vor, als eine solche vorübergehende Abwesenheit. Es erscheint schon zweifelhaft, ob zwischen den Eheleuten während der Dauer der Gefangenschaft irgendeine Verbindung bestanden hat; der 110

Sachverhalt läßt das Gegenteil vermuten, da Herr Meyer die Veräußerung erst nach seiner Rückkehr erfuhr. Sodann beweisen die tatsächlichen Verhältnisse, daß Herr Meyer jede Einwirkungsmöglichkeit auf das Klavier verloren hatte. Dieses hat in der ausgebombten Wohnung gestanden, bevor die Frau es aus eigener Initiative rettete. Frau Meyer übte also die wirkliche Sachherrschaft aus. Damit haben sich die Besitzverhältnisse zwischen den Ehegatten zugunsten der Frau verschoben. Diese Besitzverschiebung selbst stellt nicht etwa ein vorhergehendes Abhandenkommen für den Mann dar, da die Rettung und Pflege des Klaviers durch seine Frau nur seinem Willen entsprach. Man kann sogar noch allgemeiner die Auffassung vertreten, daß es durchaus dem Willen des Mannes entspricht, daß die Ehefrau alleinige Besitzerin an den Sachen des Mannes wird, wenn er durch Einbeziehung zur Wehrmacht für unbestimmte Zeit abwesend ist (vgl. JR 49/383, Eickens JW 14/1116. War somit Frau Meyer zur Zeit der Übergabe des Klaviers alleinige Besitzerin, so liegt ein Abhandenkommen nicht vor. c) Trödel konnte demnach gutgläubig Eigentümer werden. Jedoch ergibt sich im Hinblick darauf, daß er von einer Ehefrau erwarb, noch folgendes Bedenken: Unterstellt man einmal, sein Glaube an das Eigentum der Frau hätte den Tatsachen entsprochen, so hätte er mangels Zustimmung des Ehemanns zur Verfügung der Frau über ihr eingebrachtes Gut nicht Eigentum hieran erwerben können (§§ 1395, 1404). Er steht sich also besser, wenn er von einer Ehefrau erwirbt, die über Sachen des M a n n e s verfügt, als von einer Ehefrau, die über ihre e i g e n e n Sachen verfügt. Diese Folgerungen sind bedenklich. Das Problem war früher nicht bedeutsam, da Sachen des Mannes, die die Frau veräußerte, diesem meist abhandengekommen waren und damit ein Gutglaubenschutz zum Nachteil des Mannes entfiel. Der vorliegende Fall zeigt aber, daß die Frage unter den Kriegs- und Nachkriegsverhältnissen praktische Bedeutung gewinnt. Es könnte billig erscheinen, daß der Erwerber sich in solchem Fall entsprechend seinem eigenen Glauben behandeln lassen muß, d. h. daß er gemäß § 1404 kein Eigentum erwerben kann. Dagegen spricht aber, daß dadurch § 932 in seiner Bedeutung eingeschränkt und § 1404 auf einen Tatbestand angewandt wird, der nicht in Wirklichkeit, sondern nur in der Vorstellung des Erwerbers besteht. Zudem steht die Frau dem Vermögen des Mannes im gesetzlichen Güterstand ebenso wie dem eines jeden Dritten fremd gegenüber; § 1404 bezweckt nur den Schutz des Ehemanns als Verwalters und 111

Nutznießers des eingebrachten Guts (vgl. OLG München, Seuff.Arch. 62/162). Selbst wenn man sich aber auf einen dem Erwerber ungünstigen Standpunkt stellt, würde dies im vorliegenden Falle an dem Eigentumserwerb des Trödel nichts ändern. Nach § 1401 wäre hier die Zustimmung des Ehemannes zur Verfügung über eingebrachtes Gut der Frau nicht erforderlich gewesen, da er an der Abgabe einer Erklärung verhindert war und mit dem Aufschub Gefahr verbunden war. Eine Gefahr kann schon darin liegen, daß sich die Frau infolge der Abwesenheit des Mannes in einer finanziellen Notlage befand (RG 103/126). 3. Als Ergebnis ist somit festzustellen, daß Trödel infolge seines guten Glaubens Eigentümer an dem Klavier geworden ist und gemäß § 985 die Herausgabe von dem Ehemann Meyer verlangen kann. G W i e i s t auf d i e K l a g e zu e n t s c h e i d e n ? Wie zu A festgestellt wurde, muß die Klage gegen die Frau auf Rückgabe des Klaviers abgelehnt werden, ebenso eine Klage gegen den Mann auf Duldung der Zwangsvollstreckung. Wie zu B festgestellt wurde, ist dagegen ein Anspruch gegen den Mann auf Herausgabe des Klaviers begründet. Unter diesen Umständen erscheint es angebracht, wenn Trödel, um einer gänzlichen Abweisung zu entgehen, die Klage gegen den Ehemann dahin ändert, daß er statt Duldung der Zwangsvollstreckung nunmehr Herausgabe verlangt. Es würde sich dabei zwar um eine echte Klagänderung handeln, der der Ehemann widersprechen kann. Das Gericht wird sie aber als sachdienlich zulassen, damit der Rechtsstreit der Parteien endgültig aus der Welt geschafft wird und ein neuer, mit weiteren Kosten verbundener Rechtsstreit vermieden wird (vgl. Baumbach zu § 264 ZPO Anm. 4B). Ändert Trödel seine Klage entsprechend, so ergeht das Urteil dahin, daß die Klage gegen die Ehefrau abgewiesen, daß aber einer Klage gegen den Ehemann auf Herausgabe stattgegeben wird.

13. F a l l 2. Klausurarbeit Während sich der Kaufmann K auf einer Geschäftsreise befindet, wird bei dem Juwelier J angerufen, er möchte eine Auswahlsendung Schmucksachen in die Wohnung Ks bringen. J fragt, ob er auch den 112

Schmuck, den K zur Ausbesserung geschickt habe und der fertig sei, mitschicken solle. Der Anrufer bejaht das. Das Paket wird durch einen Angestellten des J an die Hausangestellte des K. abgegeben. Eine Stunde später erscheint jemand, der sich gleichfalls als Angestellter des J vorstellt, überreicht ein anderes Paket und bittet um Rückgabe des ersten, da es sich um eine Verwechslung gehandelt habe. Die Hausangestellte gibt daraufhin das 1. Paket zurück. Nach Rückkehr von seiner Reise stellt K fest, daß die Hausangestellte einem Schwindler zum Opfer gefallen ist. Der Schwindler und der wertvolle Inhalt des ersten Pakets sind unauffindbar. Wie ist die Rechtslage. Vorbemerkung Aufbau Die Rechtslage bezüglich der Auswahlsendung und des reparierten Schmucks ist getrennt zu behandeln. Im übrigen bedeutet die Frage nach der Rechtslage wieder: „Wer" will „vom wem" „was" „woraus" ? Im einzelnen ergibt sich der Aufbau aus der Musterlösung. Der Fall ist besonders lehrreich wegen der Fragen über Gefahrtragung, die oft in den Übungen und im Examen eine Rolle spielen. Gutachten A Die R e c h t s l a g e b e z ü g l i c h der A u s w a h l s e n d u n g J hat. Interesse an Bezahlung oder Ersatz der Auswahlsendung. In Betracht kommen Ansprüche gegen K und die Angestellte. I. Gegen K. können vertragliche und außervertragliche Ansprüche entstanden sein. 1. Wäre durch Zusendung ein Kaufvertrag zwischen J und K zustandegekommen, so hätte J einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2. Durch die Zusendung einer Auswahl wird aber, selbst wenn die Auswahl bestellt ist, kein Kaufvertrag begründet, da noch keine Einigung über den Kaüfgegenstand vorliegt. Es entfällt daher auch die Annahme eines Kaufs auf Probe im Sinne des § 495, bei dem immerhin ein bestimmter Gegenstand vorliegt. Die Zusendung einer Auswahl stellt vielmehr lediglich ein Verkaufsangebot über eine Reihe von Gegenständen dar. Der Kaufvertrag kommt erst zustande, wenn der Empfänger eine bestimmte Wahl trifft. Da K hier keine Wahl getroffen hat, entfällt somit ein vertraglicher Anspruch auf den Preis des übersandten Schmucks. 8

B e r g , Bürgerl. Recht.

113

"Vgl. Enneccerus-Lehmann § 115 III 3. — Die Wahl könnte konkludent durch Ingebrauchnahme eines bestimmten Gegenstandes erfolgen. Eine E r k l ä r u n g der Annahme gegenüber dem Absender kann sich gemäß § 151 erübrigen. Vgl. oben Fall 3 S. 22.

2. Das in der Zusendung der Auswahl liegende Verkaufsangebot bedeutet aber bereits einen Eintritt in Vertragsverhandlungen, da die Hausangestellte nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt gilt, eingehende Sendungen entgegenzunehmen. Hierdurch wird, wie sich in Rechtsanalogie zu den §§ 122, 149, 179, 307 u. a. ergibt, ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis begründet, das den Beteiligten gewisse Mitteilungs- und Erhaltungspflichten auferlegt. Die Verletzung dieser Pflichten gewährt dem Berechtigten zwar keinen Erfüllungsanspruch, wohl aber einen Anspruch auf das neg. Interesse, d. h. er ist so zu stellen, als ob er zu dem Gegner in keine Beziehungen getreten wäre. Als Haftungsmaßstab kommt grundsätzlich § 276 in Frage, wonach die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden ist. Für das Verschulden eines Gehilfen ist gemäß § 278 einzustehen. Die Angestellte, die das Paket mit der Auswahlsendung ohne weitere Prüfung dem Unbekannten wieder aushändigte, könnte danach fahrlässigerweise eine Erhaltungspflicht verletzt haben und den K haftbar gemacht haben. Es ist aber zu berücksichtigen, daß K in keiner Weise zum Eintritt in Vertragsverhandlungen über den Ankauf einer Auswahlsendung mitgewirkt hat. Er hat mit der Abgabe eines Pakets nicht rechnen können. Das Verhalten des Unbekannten, der als Vertreter ohne Vertretungsmacht aufgetreten ist, kann ihm nicht angerechnet werden, da er nichts dazu beigetragen hat, um für diesen den Anschein einer Berechtigung zu schaffen. Er steht daher der Auswahlsendung als Empfänger unbestellter Ware gegenüber. In solchem Falle muß der Haftungsmaßstab erheblich herabgesetzt werden, wie sich daraus ergibt, daß sogar derjenige der eine Verwahrung v e r t r a g l i c h , aber u n e n t g e l t l i c h übernommen hat, nur für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten bzw. für grobe Fahrlässigkeit haftet (§§ 690, 277). Entsprechend mindert sich der Haftungsmaßstab für den „Erfüllungsgehilfen" (§278 S. 2). Bei dieser Sachlage kann es der Angestellten nicht als Verschulden angerechnet werden, daß sie ein Paket, mit dessen Ankunft nicht zu rechnen war und dessen Inhalt ihr unbekannt war, an einen angeblichen Angestellten herausgab, zumal dieser Angestellte durch Sachkenntnis und durch das zweite Paket legitimiert schien und eine ausreichende Erklärung für sein Verhalten gab. Damit entfällt auch die Möglichkeit, K aus dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo haftbar zu machen. 114

Über culpa in contrahendo vgl. auch oben Fall 3 S. 27 f, über die Haftung bei unbestellter Auswahlsendung Enneccerus-Lehmann § 115 III 3.

3. In Betracht kommt noch ein Anspruch auf Schadenersatz wegen rechtswidriger schuldhafter Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 bzw. 831. Da die Hausangestellte im Zweifel zur Entgegennahme einer unbestellten Sendung ermächtigt war, hatte K durch sie als Besitzdienerin (§ 855) Besitz erlangt. Er hatte somit die Pflicht, die Sache aufzubewahren. Die Weggabe des Pakets an einen Schwindler durch die Angestellte war eine objektiv rechtswidrige Eigentumsverletzung, für die er an sich gemäß § 831 einstehen muß. Er kann sich aber gemäß § 831 S. 2 entlasten, wenn er die Angestellte sorgfältig ausgewählt hat, zumindest kann er vorbringen, daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Schadenersatzansprüche aus dem Verhältnis des Eigentümers zum Besitzer (§§ 989ff.) sind nicht zu prüfen, da es schon an der o b j e k t i v e n Voraussetzung zur Anwendung dieser Bestimmungen, dem r e c h t s w i d r i g e n B e s i t z e r w e r b , fehlt. Die Frage der Spezialität dieser Bestimmungen taucht daher nicht auf. So wendet auch das "Reichsgericht den § 823 Abs. 1 unmittelbar an, ohne sich mit den §§ 989ff. auseinanderzusetzen, wenn es sich z. B. um die Haftung der Spediteure usw. für die in ihre Obhut gelangten Sachen handelt, auch wenn mit diesen kein Vertrag zustandegekommen ist. Vgl. RG 102/42, 105/304, 120/121 sowie unten Fall 14 zu C V 2.

II. Gegen die A n g e s t e l l t e kann nur ein deliktischer Anspruch aus § 823 Ab. 1 in Frage kommen. Da die Angestellte das Paket in Gewahrsam genommen hatte, mußte sie es auch hüten. Der Grad der Fahrlässigkeit wird jedoch auch bei Delikt durch Vertrag oder vertragsähnliche Beziehungen beeinflußt. Die mildere Haftung des K muß sich für sie als Angestellte zu ihren Gunsten auswirken. Eine grobe Fahrlässigkeit (§ 277) kann ihr aber nicht vorgeworfen werden. III. J kann daher den Verlust der Auswahlsendung weder auf K noch die Angestellte abwälzen. Etwaige Ansprüche gegen den Schwindler brauchen nicht untersucht zu werden, da sie praktisch wertlos sind. B Die

Rechtslage

bezüglich

des r e p a r i e r t e n

Schmucks

J hat Interesse an der Zahlung des Reparaturlohns, K an einem Ersatz für seinen Schmuck. I. Für die R e p a r a t u r f o r d e r u n g des J kommt nur ein Anspruch aus W e r k v e r t r a g g e g e n K in Betracht. 8*

115

Als deliktische Haftung für den Ausfall einer Forderung käme nur § 823 Abs. 2 (namentlich bei Betrug) und § 826 in Frage. Hierfür fehlt bei K und der Angestellten jeder Anhaltspunkt.

1. J hätte einen Anspruch auf den Werklohn, wenn der reparierte Schmuck durch K abgenommen worden wäre, §§ 641, 644. Abnahme im Sinne des § 641 ist nicht, wie beim Kauf, die bloße körperliche Entgegennahme, sondern erfordert außerdem die Anerkennung, daß das Werk als in der Hauptsache „vertragsgemäße Leistung" gelten soll, wie sich aus § 640 ergibt. Zu einer solchen Abnahme war die Angestellte weder in der Lage noch berechtigt. 2. Trotz der Nichtabnahme kann J einen Vergütungsanspruch haben, wenn die „Gefahr" bereits auf K übergegangen war. Nach § 644 ist das in zwei Fällen möglich: wenn der Besteller in Annahmeverzug gekommen ist (§ 644 Abs. 1 S. 2) oder wenn das Werk „auf Verlangen des Bestellers" „an einen anderen Ort als den Erfüllungsort" versandt wurde (§ 644 Abs. 2 in Verbindung mit § 447). Annahmeverzug liegt nicht vor, da K die Annahme nicht verweigert hat. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, ob ein „Versendungs"-Werkvertrag vorlag. Ein solcher würde nicht daran scheitern, daß J das Werk innerhalb d e r s e l b e n Ortschaft durch seinen e i g e n e n Angestellten versendet. Es ist im Zweifel auch anzunehmen, daß das Geschäftslokal des J und nicht die Wohnung des K Erfüllungsort war, da Gegenteiliges weder vereinbart wurde noch sich „aus der Natur des Schuldverhältnisses" ergibt (§ 269 Abs. 1 und 2). Es fehlt aber an der Voraussetzung, daß der Ünternehmer das Werk „auf Verlangen des Bestellers" versandt hat. Die Bestellung des Schwindlers, die dieser dem J auf dessen Anfrage gemacht hat, ist für K nicht maßgebend. K selbst hat nicht gewünscht, daß ihm der reparierte Schmuck gebracht werden solle, wie sich aus der an den Schwindler gerichteten Frage des J ergibt. Es bleibt somit bei der Regel des § 644 Abs. 1 S. 1, daß der Unternehmer J bis zur Abnahme die „Gefahr", d. h. die Gefahr seines Lohnanspruchs trägt. §§ 644 Abs. 1 S. 1 und S. 2 wiederholen im wesentlichen die Regelung, die die §§ 323, 324 Abs. 2 allgemein für die Gegenleistung bei gegenseitigen Verträgen geben. Eine Ausnahme zu § 323 ist dagegen § 644 Abs. 2. Entsprechende Ausnahipen finden sich beim Kauf in §§ 446/7 und bei der Pacht in § 588 Abs. 1.

3. § 644 regelt nur die Gefahr eines zufälligen Untergangs (wie sich aus § 644 Abs. 1 S. 3 und aus der Fassung in § 446 ergibt). Ob ein zufälliger, d. h. von keinem Vertragsteil zu vertretender Untergang vorlag, brauchte bisher nicht untersucht zu werden, da § 644 schon aus anderen Gründen nicht zutraf. Trifft K aber ein Verschulden bei der 116

Abnahme, so hat er eine Hauptpflicht des Werkvertrags verletzt (§ 640 Abs. 1) und kann, da die Sonderbestimmung des § 645 nicht zutrifft, nach der allgemeinen Bestimmung des § 325 wegen verschuldeter Nichterfüllung schadenersatzpflichtig sein. Vgl. Palandt zu § 644 Anm. 1, Enneccerus-Lehmann §153 I. Man könnte statt an § 325 an § 324 Abs. 1 denken. Nach dieser Bestimmung behält der Unternehmer J den Anspruch auf die Gegenleistung (den Wefklohn), wenn die ihm obliegende Leistung durch einen vom Gegner (K) zu vertretenden Umstand unmöglich geworden ist. Die ihm obliegende (Haupt-) Leistung, die Reparatur des Schmucks, ist aber dem Unternehmer J durch das Verhalten des K nicht unmöglich geworden. Unmöglich wurde nur die von K geschuldete Abnahme des Werks. Daher rechtfertigt sich die Heranziehung des § 325.

K mußte alles tun, um eine ordnungsmäßige Abnahme des Werks sicherzustellen. Der Haftungsmaßstab ist hier nicht herabgesetzt, da es sieh um eine Verpflichtung aus einem entgeltlichen Vertrag handelt. Für Verschulden seiner Angestellten muß er in gleicher Weise wie für eigenes Verschulden einstehen (§ 278). Es ist aber auch hier zu berücksichtigen, daß er mit der Zusendung des reparierten Schmucks nicht rechnen konnte, da hierüber nichts vereinbart war, und daß er für das Verhalten des Schwindlers nicht verantwortlich gemacht werden kann. Auch gegen die Annahme einer Fahrlässigkeit auf Seiten seiner Hausangestellten bestehen Bedenken. Die gleichen Gründe, die oben (A I 2) zur Ablehnung einer groben Fahrlässigkeit angeführt wurden, sprechen auch gegen Annahme einer leichten Fahrlässigkeit. Die Angestellte konnte mit einer wertvollen Sendung nicht rechnen, da der Angestellte des J sie hierauf nicht aufmerksam gemacht hatte. Sie durfte deshalb auch den Angaben des Schwindlers Glauben schenken, zumal dieser durch seine Sachkenntnis, sein Vorbringen und die Überreichung eines anderen Pakets glaubhaft erschien. Zumindest muß sich J entgegenhalten lassen, daß er durch sein eigenes leichtfertiges Verhalten (vgl. unten ?u II 1 a) den Schaden überwiegend selbst verursacht hat (§ 254 Abs. 1). Es entfällt somit auch ein Schadenersatzanspruch des J. Der Juwelier bekommt seine Arbeit nicht bezahlt. II. Für den V e r l u s t des S c h m u c k s , also für den Sachschaden, den K erlitten hat, kommen Ansprüche des K gegen J und seine Angestellte in Frage. 1. J kann eine Vertragsverletzung und eine unerlaubte Handlung begangen haben. a) Als Anspruchsgrundlage interessiert zunächst der Werkvertrag. J ist nur für einen z u f ä l l i g e n Untergang des vom Besteller gelieferten „Stoffes" nicht verantwortlich (§ 644 Abs. 1 S. 3). 117

§ 644 Abs. 1 S. 3 spricht den selbstverständlichen Gedanken aus: casum sentit dominus. Zusammenfassend sei zum Problem der G e f a h r t r a g u n g bemerkt: Das Problem der Gefahrtragung taucht nur auf, wenn keine der Parteien die Leistungsstörung (Unmöglichkeit, Verzug) zu vertreten hat, also namentlich bei zufälligem Untergang der geschuldeten Sache oder bei zufälliger Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung. Gefahrtragung kann in diesen Fällen aber in einem dreifachen Sinne verstanden werden: 1. Als Sachgefahr: Wer verliert die untergegangene Sache? Das Gesetz spricht beim Werkvertrag überflüssigerweise den selbstverständlichen Satz aus: casum sentit dominus. 2. Als L e i s t u n g s g e f a h r : Wird der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei? Die Frage ist für alle Schuld Verhältnisse, also auch für e i n s e i t i g verpflichtende Verträge, durch § 275 in bejahendem Sinne beantwortet. Beim Werkvertrag lautet die Frage konkreter: Bleibt der Unternehmer trotz nicht zu vertretender Unmöglichkeit seiner bisherigen Leistung zur Leistung, insbesondere zur Neuherstellung verpflichtet? Diese Frage ist grundsätzlich zuungunsten des Unternehmers zu bejahen, da es beim Werkvertrag nicht auf die Tätigkeit, sondern auf den Erfolg ankommt und der Unternehmer vor der Abnahme noch nicht erfüllt hat. Vgl. Enneccerus-Lehmann §153 II 1 b. 3. Als V e r g ü t u n g s g e f a h r : Behält der eine Teil trotz eigener Befreiung von seiner Leistungspflicht den Anspruch auf die Gegenleistung ? Diese Frage kann nur beim g e g e n s e i t i g e n Vertrag auftauchen. Die gesetzliche Regelung findet sich allgemein in §§ 323,324, für den Kauf in §§ 446, 447, für den Werkvertrag in §§ 644 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 2, 645. Die obigen Ausführungen der Lösung zu I befaßten sich mit dieser Frage, vgl. namentlich oben S. 116 zu 2. Der vorstehende Abschnitt zu II dagegen befaßt sich mit Ansprüchen wegen des Verlustes des Eigentums des K. Es handelt sich also bei zu nicht-zu-vertretendem Untergang um die „Sachgefahr" (1), bei zu vertretendem Untergang um die im Folgenden untersuchten Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung des Eigentums. Hat J die Unmöglichkeit der zur Reparatur übernommenen Sache zu vertreten, so hat er eine vertragliche Nebenverpflichtung verletzt und haftet nach der allgemeinen Bestimmung des § 280 auf Schadenersatz. Die §§ 323ff. regeln nur die Verletzung von Hauptleistungen, die die Äquivalenz des synallagmatischen Vertrags erschüttern und namentlich das Schicksal der Gegenleistung beeinflussen. Im vorliegenden Falle handelt es sich nicht darum, sondern lediglich um die in den §§ 275ff. ganz allgemein geregelte Frage, ob J wegen Unmöglichkeit einer geschuldeten Leistung zum Schadenersatz verpflichtet ist. Ob J dadurch, daß er auf den telefonischen Anruf sich zur Überbringung des Schmucks erbot und diesen der Angestellten des K aushändigen ließ, fahrlässig (§ 276) gehandelt hat, ist ohne Kenntnis der näheren Umstände nicht leicht zu entscheiden. Allgemein ist zu sagen,

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daß ein Juwelier besonders vorsichtig sein muß, zumal bei einem telefonischem Anruf. Im Zweifel muß ei sich durch einen eigenen Anruf bei dem Besteller vergewissern, daß die Bestellung ihre Richtigkeit hat. Zumindest mußte er seinen Angestellten unterrichten, daß er das Paket nur dem K persönlich aushändigte, oder doch, daß er die Hausangestellte auf den Wert aufmerksam machte. Daß J durch Übersendung der Auswahlsendung sich gleichzeitig selbst schädigte, entschuldigt ihn nicht für ein fahrlässiges Verhalten gegenüber den Sachen des K. Fahrlässigkeit entfiele nur dann, wenn ein Anruf Ks, insbesondere eine Übersendung einer Auswahlsendung auf telefonischen Anruf nicht ungewöhnlich gewesen wäre, die Stimme am Telefon bekannt geklungen hätte und dem J die Abwesenheit des K nicht bekannt gewesen wäre. Da der Tatbestand in dieser Hinsicht nichts näheres enthält, liegt ein fahrlässiges Verhalten des J am nächsten. Bejaht man Fahrlässigkeit, so ist J zum Ersatz des von K hingegebenen Schmucks, also ohne Berücksichtigung der Wertsteigerung durch die Reparatur, gemäß §§ 249, 280 verpflichtet. b) Daneben haftet J wegen fahrlässiger Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1. Eine Rechtspflicht zur sorgfältigen Behandlung des Eigentums des K ergab sich aus dem Vertrag sowie aus der Tatsache, daß er den Schmuck zur Reparatur übernommen hatte. 2. Ansprüche gegen die Angestellte wegen schuldhafter Verletzung ihrer Pflicht aus dem Dienstvertrag oder wegen Eigentumsverletzung (§ 823 Abs. 1) entfallen, da ein fahrlässiges Verhalten der Angestellten zu verneinen ist. Vgl. oben I 3 am Ende.

14. F a l l 3. Hausarbeit Der Geschäftsreisende Erich Wohlgemut bringt einen von seinem Großvater ererbten, mit „E. W . " gezeichneten Ring mit echten Brillanten zum Juwelier Fahrig, um ihn etwas enger machen zu lassen., Durch die Unaufmerksamkeit eines Angestellten des Fahrig wird der Ring der Filmschauspielerin Editha Wonnig ausgehändigt, die einen ähnlichen Ring mit unechten Brillanten zum Eingravieren ihrer Initialien gebracht hatte. Die Wonnig, die von Brillanten nichts verstand, bemerkte die Verwechslung nicht und schenkte den Ring ihrem Bräutigam Max Feste. Hat Wohlgemut Aussicht, seinen Ring wiederzubekommen? Wie ist die Rechtslage, wenn der Ring, bevor die Wonnig ihn verschenken konnte, von einem ihrer zahlreichen Gläubiger namens Gierig 119

durch den Gerichtsvollzieher gepfändet und in öffentlicher Versteigerung von X erworben wurde ? Welche Ansprüche hat in diesem Falle Wohlgemut gegen sämtliche Beteiligten ? Vorbemerkung Aufbau Der.Fall enthält die Fragen: Kann Wohlgemut seinen Ring wiederbekommen: A vor der Versteigerung von Feste?, B im Falle der Versteigerung vom Erwerber ? C Welche (sonstigen) Ansprüche hat W im Falle der Versteigerung gegen sämtliche Beteiligten ? Bei den Fragen A und B sind lediglich Herausgabeansprüche zu erörtern (vgl. Fall 8). Bei der Frage C kommen Ersatzansprüche in Betracht. Im einzelnen ergibt sich der Aufbau aus der Musterbearbeitung. Gutachten A H a t W o h l g e m u t A u s s i c h t , seinen Ring w i e d e r z u b e k o m m e n ? Ansprüche auf Rückgabe des Ringes kann Wohlgemut nur gegen F e s t e als den d e r z e i t i g e n B e s i t z e r des Ringes richten. I. In erster Linie kommt der E i g e n t u m s h e r a u s g a b e a n s p r u c h aus § 985 in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, daß Wohlgemut noch Eigentümer des Ringes ist. Zu prüfen ist daher, ob er sein Eigentum nicht inzwischen verloren hat. Daß W. Eigentümer war, braucht als selbstverständlich nicht weiter ausgeführt zu werden. 1. In der durch Fahrig im Rahmen des abgeschlossenen Werkvertrags vorgenommenen B e a r b e i t u n g des Ringes („Enger machen") lag keine Verarbeitung im Sinne des § 950, auf Grund deren Fahrig originär das Eigentum an dem Ringe hätte erwerben können. Denn durch das bloße „Enger machen" des Ringes wurde keine „neue Sache" hergestellt. Außerdem war der Wert der „Verarbeitung" erheblich geringer als der Wert des Stoffes. 2. Das Eigentum ist auch nicht untergegangen durch W e i t e r g a b e des Ringes an die Wonnig. Die Herausgabe an die Wonnig stellt keine Ü b e r e i g n u n g dar, da der Angestellte kein Eigentum übertragen, die Wonnig kein Eigentum erwerben wollte. Es handelte sich lediglich um die t a t s ä c h l i c h e Rückgabe eines vermeintlich.mit Initialien versehenen Ringes. 3. Dagegen konnte Feste auf Grund einer R e a l s c h e n k u n g von Wonnig Eigentum an dem Ringe erhalten. Wonnig war zwar nicht 120

Eigentümerin, wohl aber Besitzerin des Ringes. Feste erwarb also bei seiner zu unterstellenden Gutgläubigkeit auf Grund des § 932 Eigentum, sofern der Ring nicht abhanden gekommen war (§ 935). Abhandengekommen ist eine Sache dann, wenn der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen oder ohne sein Zutun den Besitz verloren hat. Vgl. RG 101/225. Der Besitzverlust des mittelbaren Besitzers (Wohlgemut) ist nicht entscheidend, da „Abhandengekommen" als tatsächlicher Begriff eine tatsächliche Herrschaft voraussetzt. Der mittelbare Besitz beruht lediglich auf einem Rechtsverhältnis.. Vgl. auch oben S. 68 f.

Unmittelbarer Besitzer ist Fahrig, nicht etwa der Angestellte. Denn dieser übt die tatsächliche Gewalt nur für Fahrig in dessen Erwerbsgeschäft aus, und zwar auf Grund eines Verhältnisses, durch das ,,er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat". Der Angestellte ist demnach nur Besitzdiener (§ 855), d. h. er hat nur — unselbständigen — Gewahrsam, keine wirkliche Sachherrschaft, wie sie der Besitz voraussetzt. Die Fortgabe des Ringes durch den Angestellten gegen den Willen Fahrigs würde daher an sich genügen, um die Sache als abhandengekommen anzusehen. Vgl. RG 71/253, 106/6. Das kann aber nur dort gelten, wo der Angestellte den allgemeinen Rahmen seines Angestelltenverhältnisses überschreitet. Irrt er sich lediglich innerhalb des ihm zugewiesenen Aufgabenkreises, indem er, wie hier, die Sache versehentlich dem falschen Kunden aushändigt, so ist das so anzusehen, wie wenn der Geschäftsherr selbst die Sache irrtümlich weggegeben hätte. Das ergibt sich sowohl nach den Regeln der Stellvertretung (HGB §§ 54, 56, BGB § 166), wie nach der-für einen unselbständigen Gehilfen geltenden Bestimmung des § 120. Wollte man anderer Ansicht sein, so wäre jede irrtümlich von einem Angestellten herausgegebene Sache als eine abhandengekommene anzusehen, was den im Interesse des redlichen Verkehrs gegebenen Gutglaubenschutz der §§ 932 ff. stark beeinträchtigen würde. Eine A n f e c h t u n g der B e s i t z a u f g a b e durch den Geschäftsherrn, durch die die Sache zu einer abhandengekommenen gemacht werden soll, ist unzulässig, da die Besitzaufgabe keine Willenserklärung, sondern eine — unanfechtbare — Tathandlung ist. Vgl. Lehmann Allg. Teil § 27 II 2 d. Der Geschäftsherr hat nur eine condictio possessionis gegen Wonnig.

Der Ring ist somit dem Fahrig nicht abhandengekommen. Der Eigentumsherausgabeanspruch aus § 985 scheitert daher an dem mangelnden Eigentum des Wohlgemut. 121

II. Ein Anspruch aus f r ü h e r e m B e s i t z aus § 1007 ist schon deshalb ausgeschlossen, weil Feste den Ring gutgläubig erwarb (§ 1007 Ab. 1) und der Ring nicht abhandengekommen war (§ 1007 Abs. 2). Der Anspruch aus verbotener Eigenmacht (§ 861) liegt so entfernt, daß er nicht zu erörtern ist.

III. Es bleibt daher nur der s c h u l d r e c h t l i c h e Anspruch aus B e r e i c h e r u n g , mit dem Wohlgemut die ungerechtfertigte Vermögensverschiebung ausgleichen kann. In Betracht kommt § 816 Abs. 1 S. 2: Durch die Verfügung der Wonnig hat Wohlgemut sein Eigentum an dem Ring verloren. Die Wonnig wäre ihm daher an sich auf Grund des § 816 Abs. 1 S. 1 zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Da Wonnig aber nichts erlangt, den Ring vielmehr verschenkt hat, gibt das Gesetz aus Billigkeitsgründen den gegen den Verfügenden gerichteten Herausgabeanspruch auch gegen den unentgeltlichen Erwerber, der auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat. Das ist der Beschenkte, Feste, der aus diesem Grunde den Ring an Wohlgemut zurückgeben muß. Hätte Feste den Ring seinerseits weiterverschenkt, so wäre seine Herausgabepflicht nach § 818 Abs. 3 weggefallen, dafür aber eine Herausgabepflicht des weiter Beschenkten nach § 822 begründet.

B Ä n d e r t s i c h die R e c h t s l a g e , w e n n d e r R i n g , v o n X in d e r öffentlichen Versteigerung erworben worden ist? Der Herausgabeanspruch richtet sich hier gegen den E r w e r b e r X als den Besitzer der Sache. I. Der Herausgabeanspruch aus § 985 setzt das Eigentum Wohlgemuts am Ring im Augenblick seiner Geltendmachung voraus. Durch die Pfändung, die der Gläubiger Gierig vornehmen ließe, verlor Wohlgemut sein Eigentum noch nicht. Dagegen kann der Erwerber X auf Grund der öffentlichen Versteigerung Eigentum erworben haben. 1. Früher wandte man bei der öffentlichen Versteigerung gepfändeter Sachen die Vorschriften des BGB über den Pfandverkauf an, die für v e r p f ä n d e t e Sachen gelten oder für Sachen, an denen kraft Gesetzes ein Pfandrecht entstanden ist (§§ 1235ff., vgl. auch § 1257). So RG 104/302; 126/26. Nach diesen Bestimmungen ist es bedeutungslos für den Eigentumserwerb des Erstehers, ob die versteigerte Sache abhandengekommen war; dagegen kommt es bei Sachen, an denen kein Pfandrecht entstanden ist, entscheidend auf den guten Glauben des Erstehers hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Versteigerung an. Das ergibt sich aus § 1244, wonach nicht § 935, wohl aber die §§ 932—934 122

und 936 für entsprechend anwendbar erklärt werden. Nach dieser Auffassung bedarf es also der Untersuchung, ob durch die Pfändung ein materiell wirksames Pfandrecht entstanden ist, und, falls diese Frage zu verneinen ist, ob der Ersteher gutgläubig in bezüg auf das Pfandrecht war. Ob durch die Pf ä n d u n g an Sachen, die dem Schuldner nicht gehören, ein Pfandrecht entsteht, ist sehr bestritten. Gegen ein Pfandrecht spricht, daß die Vorschriften über den gutgläubigen Pfandrechtserwerb (§§ 1207/8) nur bei einem vertraglich eingeräumten Pfandrecht gelten. Eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen ist nicht einmal bei g e s e t z l i c h e n Pfandrechten (z. B. beim Vermieterpfandrecht) möglich. § 1257, der die Vorschriften über das rechtsgeschäftliche Pfandrecht für entsprechend anwendbar erklärt, setzt ein bereits „entstandenes" Pfandrecht voraus. Nur HGB § 366 Abs. 3 kennt einen gutgläubigen gesetzlichen Pfandrechtserwerb. Deshalb läßt RG 90/198 bei P f ä n d u n g von Sachen, die dem Schuldner nicht gehören, nur eine staatliche Verstrickung, dagegen kein Pfandrecht entstehen. Dagegen hält Baumbach (zu § 804 ZPO Anm. 1 und 2) die Vorschriften des BGB beim Pfändungspfandrecht für unanwendbar. Er stützt sich auf den Wortlaut des § 804 Abs. 1, wonach der Gläubiger schlechthin, also auch an schuldnerfremden Sachen, ein „Pfandrecht" an dem gepfändeten Gegenstande erwerbe. 2. Die frühere „privatrechtliche" Auffassung ist jetzt von der „hoheitsrechtlichen" Auffassung verdrängt. Diese Auffassung betont, daß bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen die Verwertung nicht in Ausübung eines privatrechtlichen Pfandrechts und nicht auf Grund eines „eigenbestimmten Willens der Parteien" geschieht, wie der Pfandverkauf des BGB, sondern auf Grund des Rechts und der Pflicht der Rechtsordnung, dem Gläubiger das Geld, das er von dem Schuldner verlangen kann „durch Verwertung der durch die P f ä n d u n g der Vollstreckung zugeführten Sache zu verschaffen. Nicht das Pfandrecht, sondern die P f ä n d u n g ist die Grundlage der Verwertung. . . Die Zwangsvollstreckung greift zwar in privatrechtliche Verhältnisse ein, sie liegt aber nicht selbst auf dem Gebiet des Privatrechts. Danach ist anzunehmen, daß der Gerichtsvollzieher durch die Ablieferung einer versteigerten Sache an den Ersteher diesem auch dann sein Eigentum verschafft, wenn ein anderer als der Schuldner Eigentümer war, ebenso wie der Richter in der Zwangsversteigerung von Grundstücken durch den Zuschlag dem Ersteher das Eigentum verschafft (§ 90 ZVG), gleichviel wem das Eigentum vorher zustand und ohne Rücksicht auf den guten oder bösen Glauben des Erstehers". Diesem Standpunkt, den das RG 156/397f. unter Aufgabe seiner bisherigen Auffassung vertritt, ist zuzustimmen- Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen nach dem 8. Buch der Zivilprozeßordnung dient der Durchsetzung des staatlichen Urteilsspruchs. In ihr 123

findet die Hoheitsgewalt des Staates ihren sichtbaren Ausdruck. Die Anwendung privatrechtlicher Rechtssätze auf diese Tätigkeit ist daher grundsätzlich nicht angängig. Es entspricht insbesondere nicht der hoheitsrechtlichen Auffassung von der Tätigkeit des Staates, die Wirksamkeit von Amtshandlungen von privatrechtlichen Gesichtspunkten, wie dem guten Glauben der beteiligten Personen abhängig zu machen. Ebenso Baumbach zu § 817 ZPO Anm. 3. X hat daher unabhängig von seinem guten oder bösen Glauben Eigentum am Ring bei der Versteigerung erworben. II. Ansprüche Wohlgemuts a u s f r ü h e r e m B e s i t z scheitern, selbst wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1007 Abs. 1 (Bösgläubiger Erwerb) oder Abs. 2 (Abhandenkommen) gegeben sein sollten, daran, daß X Eigentümer geworden ist und dadurch dem früheren Besitzer gegenüber ein Recht zum Besitz erworben hat (vgl. § 1007 Abs. 2 und 3). III. Auch eine Klage auf Rückgabe des Besitzes und Rückübereignung aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g erscheint fraglich. 1. § 816 Abs. 1 S. 1 trifft schon deshalb nicht zu, weil der E r w e r b e r einer Sache nicht als der V e r f ü g e n d e angesehen werden kann; nur der Veräußernde verfügt. 2. Aber auch § 812 Abs. 1 S. 1 scheidet aus. X hat zwar durch die Handlung des Gerichtsvollziehers auf Kosten Wohlgemuts etwas erlangt. Denn ein und derselbe Umstand (die Versteigerung) brachte dem X unmittelbar einen Gewinn (den Eigentumserwerb), dem Wohlgemut unmittelbar einen Verlust (Aufgabe des Eigentums). Es fehlt aber an' dem Mangel des rechtlichen Grundes. Zweck und Bedeutung der öffentlichen Versteigerung für den allgemeinen Verkehr lassen darauf schließen, daß nicht nur eine f o r m a l e Rechtsverschiebung (der Eigentumsübergang), sondern eine e n d g ü l t i g e Vermögensverschiebung herbeigeführt werden soll, d. h. daß der Ersteher den Besitz behalten soll und daß der Ausgleich dort vorzunehmen ist, wo die Rechtsverschiebung veranlaßt wurde (s. unten zu C II 3). Vgl. Enneccerus-Lehmann § 222 III zu ähnlichen Fragen bei der Ersitzung, dem Fruchterwerb und der Verbindung, Verarbeitung u. dgl.

C. E r s a t z a n s p r ü c h e W o h l g e m u t s nach der V e r s t e i g e r u n g Da Wohlgemut sein Eigentum an dem Ring verloren hat, hat er Interesse an einem Ersatz hierfür. I. Ersatzansprüche gegen den E r w e r b e r X. 1. S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e a u s §989/990 setzen voraus, daß zwischen Wohlgemut und dem Erwerber X ursprünglich das Verhältnis 124

von Eigentümer zu Besitzer bestanden hat, auf Grund dessen Wohlgemut von X gemäß § 985 die Herausgabe der Sache hätte verlangen können. X ist aber bei seinem Besitzerwerb auf Grund der Versteigerung sofort Eigentümer geworden. Eine rei vindicatio war somit nie gegen ihn möglich. Schadenersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzverhältnis sind somit nicht denkbar. 2. Ansprüche aus D e l i k t sind gleichfalls nicht gegeben. § 823 Abs. 1 (Eigentumsverletzung) scheidet aus, weil der Erwerb in der Versteigerung nicht rechtswidrig ist. Für § 826 (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Erwerb in der Versteigerung) fehlen tatsächliche Anhaltspunkte. 3. Desgleichen ist ein Anspruch auf W e r t e r s a t z aus u n g e r e c h t f e r t i g t e r B e r e i c h e r u n g nicht gegeben. Ist schon der Besitz nicht herauszugeben, weil der Erwerb mit Rechtsgrund erfolgte (vgl. oben zu B I I I 2), so ist erst recht keine Verpflichtung zum Wertersatz aus § 818 Abs. 2 entstanden. Denn diese setzt rechtlosen Erwerb voraus und gibt den Wertersatzanspruch nur als Ersatz für die nicht mehr mögliche Herausgabe des rechtlos Erlangten. Gegen den Erwerber X hat Wohlgemut somit keinen Ersatzanspruch. I I . Ansprüche gegen den G l ä u b i g e r

Gierig.

1. Ob das für S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e a u s § § 9 8 9 / 9 9 0 benötigte Eigentümer-Besitzer-Verhältnis jemals bestanden hat, erscheint fraglich. An sich erlangt der Pfändungsgläubiger an der gepfändeten Sache einen durch den Gerichtsvollzieher vermittelten „mittelbaren Besitz" (vgl. R G 126/25). Nach Baumbach {zu § 804 ZPO Anm. 3 A) soll dies auch gelten, wenn die gepfändete Sache dem .Schuldner nicht gehört. Selbst wenn man aber dieser Ansicht folgt, so hätte doch der Eigentümer gegen den Pfändungsgläubiger nicht auf Herausgabe gemäß § 985 bzw. auf „Freigabe der gepfändeten Sache" auf Grund des § 985 klagen können, sondern nur mit der Interventionsklage aus § 771 ZPO verlangen können, daß die Zwangsvollstreckung in den gepfändeten Gegenstand „für unzulässig erklärt werde". § 771 ZPO ist eine prozessuale Gestaltungsklage, gerichtet gegen den Vollstreckungsakt, dagegen kein aus dem Eigentum fließender privatrechtlicher Anspruch (Baumbach, Einf. zu §§ 771 — 774 Anm. 1 A). Die Voraussetzungen des § 985 lagen somit gegen den Gläubiger Gierig nicht vor. Schadenersatzansprüche wegen Unmöglichkeit der Besitzherausgabe nach Durchführung der Zwangsversteigerung sind deshalb nicht möglich. 2. D e l i k t s a n s p r ü c h e aus §§823 Abs. 1 und § 826 wegen schuldhaft veranlaßter Vollstreckung in eine fremde Sache (Eigentums125

Verletzung bzw. vorsätzlich-sittenwidrige Schädigung) scheiden aus, weil der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt für ein Verschulden des Gläubigers gibt (vgl. RG 156/400). 3. In Betracht kommt aber ein B e r e i c h e r u n g s a n s p r u c h . a) § 816 Abs. 1 S. 1 trifft allerdings nicht zu. Nicht der G l ä u b i g e r Gierig trifft eine V e r f ü g u n g als Nichtberechtigter, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, sondern der G e r i c h t s v o l l z i e h e r . Der Gerichtsvollzieher kann nicht etwa als Vertreter des Gläubigers angesehen werden. Denn er handelt als Beamter kraft staatlichen Hoheitsrechts (RG 82/85). Der Auftrag des Gläubigers ist kein privatrechtlicher Auftrag verbunden mit Vollmachterteilung, sondern nur der Antrag auf Vornahme einer Amtshandlung. In § 816 sind daher mit Recht die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgenden Verfügungen den rechtsgeschäftlichen Verfügungen nicht gleichgestellt, im Gegensatz z. B. zu den §§ 135,161,184. So RG 156, 399. Abweichend Palandt zu §816 Anm. 2d. Vgl. auch Enneccerus-Lehmann § 225 I 1. b) Dagegen trifft § 812 zu. Gierig hat auf Kosten Wohlgemuts in sonstiger Weise etwas ohne rechtlichen Grund erlangt. Denn Gierig hat infolge der Versteigerung von dem Gerichtsvollzieher den Erlös für die versteigerte Sache erhalten, obwohl ihm dieser nicht gebührte, da das Nichteigentum Wonnigs bzw. das Eigentum Wohlgemuts für ihn kein Zugriffsobjekt war (vgl. § 1247). Der Erwerb ist „in sonstiger Weise", also nicht durch „Leistung" erfolgt, weil der Gerichtsvollzieher keine privatrechtliche.Leistung, sondern einen staatlichen Hoheitsakt vornahm. Der Erwerb erfolgte auf Kosten Wohlgemuts, weil ein und derselbe Umstand (im wirtschaftlichen Sinne genommen) den Wohlgemut um sein Eigentum brachte, dem Gierig aber den Erlös verschaffte. Ebenso RG 156, 399, Baumbach, Einf. zu §§ 7 7 1 - 7 7 4 ZPO Anm. 2 B. Gierig muß daher an Wohlgemut die Bereicherung herausgeben. Da er zur Herausgabe des Ringes nicht mehr imstande ist, muß er den Wert ersetzen (§818 Abs. 2). Er muß den gemeinen Verkehrswert ersetzen (vgl, oben Fall 5 zu C I 1 ) , nicht den bei der Versteigerung erzielten Erlös, insbesondere nicht einen etwaigen Gewinn herausgeben. Darin besteht der Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 1. Es ist unrichtig, wenn immer wieder gesagt wird, auch § 816 Abs. 1 S. 1 sei eine Ausnahme von der in § 812 geforderten Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Daß das nicht zutrifft, zeigen die obigen Ausführungen. § 816 Abs. 1 S. 1 ist nur eine Ausnahme zu § 812 hinsichtlich des O b j e k t s der Bereicherung. Wohl ist der Satz 2 des § 816 Abs. 1 eine Ausnahme von der Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung (vgl. oben zu A III und S. 73). So zutreffend Enneccerus-Lehmann § 221 Anm. 15.

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III. Ansprüche aus einem s c h u l d h a f t e n V e r h a l t e n , des Ger i c h t s v o l l z i e h e r s (§ 839), die gemäß Art. 34 Bonner GG gegen den Staat zu richten wären, entfallen, da ein Verschulden des Gerichtsvollziehers nach dem Tatbestand nicht vorliegt. Im übrigen ist wegen der Möglichkeit, vom Staat Ersatz zu bekommen, auch § 839 Abs. 1 S. 2 zii beachten. Kondiktionsansprüche u. dgl. sind gegen einen Beamten wegen seiner amtlichen Tätigkeit nicht möglich, da insoweit der Rechtsweg unzulässig wäre, siehe GVG § 13. Gegen eine unzulässige Zwangsvollstreckung sind zudem die Rechtsbehelfe der ZPO (insbesondere §§ 766, 771) gegeben.

IV. Ansprüche gegen W o n n i g . 1. Gegen Wonnig bestand ursprünglich das Verhältnis von Eigentümer zu Besitzer. Wohlgemut hätte seinen Ring von ihr auf Grund des § 985 herausverlangen können. Der Besitz der Wonnig war auch objektiv rechtswidrig. Gleichwohl entfallen S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e a u s §§ 990 bzw. 989, weil Wonnig beim Erwerb des Ringes nicht bösgläubig war. 2. Der ,,Nur-Besitzer", d. h. derjenige, der zum Eigentümer in keinen anderen Beziehungen steht als dem eines Besitzers, der die Sache dem Eigentümer gemäß § 985 herausgeben muß, haftet bei Unmöglichkeit der Herausgabe, Verschlechterung der Sache und hinsichtlich der gezogenen Früchte nur nach den §§987 ff. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so ist er weder zum Schadenersatz noch zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet (§ 993 Abs. 1 Halbsatz 2). Da Wonnig beim Besitzerwerb gutgläubig war, haftet sie demnach n i c h t a u s § 823 Abs. 1 w e g e n f a h r l ä s s i g e r E i g e n t u m s v e r l e t z u n g , etwa weil sie die Versteigerung nicht verhindert hat. Sie ist so zu behandeln, als ob sie ihre eigene Sache vernachlässigt hätte. Die §§ 987 ff. sind insoweit Spezialbestimmungen. Sie wollen die §§ 932ff. ergänzen, wenn der gutgläubige Erwerber einer — objektiv rechtswidrig erworbenen — fremden Sache kein Eigentum erlangen kann, weil die Sache abhandengekommen ist oder weil es — wie hier — an einer Einigung über den Eigentumsübergang gefehlt hat. Der gutgläubige Erwerber, der E i g e n t u m e r h ä l t , gewinnt dadurch einen vollwertigen Schutz gegenüber dem bisherigen Eigentümer. Er kann weder auf Herausgabe des Eigentums noch auf Schadenersatz belangt werden, da er bei Verschlechterung der Sache lediglich s e i n e e i g e n e S a c h e v e r n a c h l ä s s i g t hat. Der gutgläubige Erwerber, der aus den genannten Gründen k e i n E i g e n t u m e r w o r b e n hat, muß zwar die Sache selbst herausgeben, soll aber wenigstens gegen Schadenersatz- und Nutzungsansprüche geschützt werden („quasi" rem s u a m n e g l e x i t ) . Vgl. auch den lehrreichen Fall 7 bei Berg, Referendarklausur.

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3. Ein W e r t e r s a t z a n s p r u c h aus §818 Abs. 2 setzt voraus, daß gegen Wonnig ursprünglich ein Anspruch des Wohlgemut aus ungerechtfertigter Bereicherung bestanden hat. §§818ff. regeln lediglich die F o l g e n der ungerechtfertigten Bereicherung. Es müssen somit zuerst die V o r a u s s e t z u n g e n einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812—817) festgestellt sein. Vgl. oben C I 3.

Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Herausgabe des unrechtmäßig erlangten Besitzes (condictio possessioni, § 812 Abs. 1 S. 1) scheitert daran, daß der Besitzerwerb Wonnigs an dem Ring nicht „auf Kosten" Wohlgemuts, sondern auf Kosten des Fahrig erfolgte. Wohlgemut hatte den Besitz dem Fahrig überlassen, Fahrig übertrug ihn durch seinen Angestellten auf Grund eines neuen, eigenbestimmten Entschlusses an Wonnig. Die Besitzüberlassung Wohlgemuts an Fahrig bewirkte also nicht als solche den Besitzwert der Wonnig. Es fehlt an der unmittelbaren Vermögensverschiebung. Eine condictio possessionis hätte nur Fahrig gegen Wonnig. Wohlgemut bat somit gegen Wonnig keinen Schaden- oder Wertersatzanspruch. V. Ansprüche gegen F a h r i g . 1. In erster Linie kommt ein Schadenersatzanspruch aus V e r t r a g s v e r l e t z u n g in Betracht. Fahrig war aus dem mit Wohlgemut abgeschlossenen Werkvertrag zur besonderen Obhut über die entgegengenommene Sache verpflichtet. Für das Verschulden seines Angestellten hat er einzustehen (§ 278). Er haftet somit, weil er die Unmöglichkeit der Rückgabe verschuldet hat, auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung (§§280,276). Die §§ 320ff. interessieren hier nicht, weil es sich nicht um die Frage der Erfüllung der H a u p t pflichten aius dem Werkvertrag (Reparatur gegen Werklohn, vgl. § 631) handelt, sondern um die Nichterfüllung einer vertraglichen N e b e n Verpflichtung, nämlich der aus der Entgegennahme der zu reparierenden Sache sich ergebenden Obhutspflicht. Es bewendet daher bei den allgemeinen Bestimmungen der §§ 275ff. Vgl. oben S. 118.

2. Gleichzeitig liegt in dem Verhalten des Angestellten des Fahrig, der den Ring Wohlgemuts an Wonnig herausgibt, eine rechtswidrige Eigentumsverletzung, für die Fahrig gemäß § 831 einstehen muß. Er kann sich jedoch gemäß § 831 S. 2 für seinen Angestellten exkulpieren. Es erübrigt sich, auf die §§ 989/990 einzugehen, da der Besitzerwerb Fahrigs nicht rechtswidrig war, sondern auf Grund der Übergabe durch Wohlgemut erfolgte. Fahrig war von vornherein nur Fremdbesitzer. Bei einem solchen taucht die Frage eines bösgläubigen Besitzerwerbs grundsätzlich nicht auf. Vgl. oben S. 115.

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3. Fahrig hat somit dem Wohlgemut aus dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung und evtl. der unerlaubten Handlung den Wert des Ringes zu ersetzen (§ 249). Er ist hierzu aber nur gegen Abtretung des dem Wohlgemut gegen Gierig aus § 812 zustehenden Anspruchs verpflichtet (§ 255). Andernfalls würde der Geschädigte eine den Ersatz des Schadens übersteigende Bereicherung erhalten. § 255 gibt dem Verpflichteten eine Einrede. VI. Ansprüche gegen den A n g e s t e l l t e n des F a h r i g . 1. Da zwischen Wohlgemut und dem Angestellten des Fahrig kein Vertragsverhältnis bestand, könnte man zunächst an Schadenersatzansprüche aus §§ 990/989 denken. Dem steht aber entgegen, daß zwischen Wohlgemut und dem Angestellten nie das Verhältnis von Eigentümer zum Besitzer bestanden hat. Der Angestellte hatte keinen selbständigen Besitz, sondern lediglich Gewahrsam im Rahmen seiner Besitzdienerschaft (§ 855). 2. Dagegen besteht ein unmittelbarer S c h a d e n e r s a t z a n s p r u c h a u s § 823 Abs. 1. Durch die irrtümlich, infolge Unaufmerksamkeit erfolgte Herausgabe des Rings an Wonnig hat der Angestellte rechtswidrig und schuldhaft das Eigentum Wohlgemuts verletzt. Kausalzusammenhang zwischen der versehentlichen Weggabe des Ringes und dem späteren Eigentumsverlust des Wohlgemut ist gegeben, da mit einem Eigentumserwerb eines Nachmannes zu rechnen war. Der Angestellte muß somit gleichfalls den Wert des Ringes ersetzen (§ 249). Er haftet mit Fahrig als Gesamtschuldner (§840). Zusatz: Bei der vorstehenden Fallösung haben sich für die Anwendbarkeit der §§ 987ff. folgende Grundsätze gezeigt: 1. Die §§ 987ff. kommen nur in Betracht, wenn ursprünglich eine rei vindicatio (§ 985) möglich gewesen wäre u n d wenn der Besitzerwerb zumindest o b j e k t i v r e c h t s w i d r i g war. In diesen Fällen sind die §§ 987ff. S p e z i a l b e s t i m m u n g e n , die eine Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen und Herausgabe von Nutzungen nur gestatten, soweit sie ausdrücklich hierauf verweisen (vgl. § 993 Abs. 1, Halbs. 2). 2. Die §§ 98"ff. kommen n i c h t in Betracht, wenn ursprünglich § 985 nicht gegeben war (etwa weil der Besitzer sofort Eigentum erwarb oder nur Besitzdiener war oder nur einen durch den Gerichtsvollzieher vermittelten Pfandbesitz hatte) und wenn der Besitzerwerb nicht objektiv rechtswidrig war (wie der Besitz eines Fremdbesitzers, z. B. des Mieters, Verwahrers, Geschäftsführers ohne Auftrag). Soweit hier eine Eigentumsverletzung und unberechtigte Nutzziehung vorliegt, bewendet es bei den allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 823 Abs. 1 und § 687 Abs. 2. 9

B e r g , Bürgert. Hecht.

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15. F a l l 3. Klausurarbeit Der Kaufmann Peter Platz, dem von dem Rentner Hohn ein Darlehn von 10000 DM für den Wiederaufbau seines Hauses zugesagt worden war, hatte dafür abredegemäß eine Hypothek auf sein Grundstück eintragen lassen. Er beauftragte und bevollmächtigte seinen Angestellten Vohwinkel, den Hypothekenbrief auf dem Grundbuchamt abzuholen. Dieser — statt den Brief seinem Auftraggeber abzuliefern — erhob gegen Übergabe des Briefs an Hohn, demgegenüber er sich als dazu ermächtigt ausgab, das versprochene Darlehn und verschwand. Fragen: 1. Ist der Darlehnsgeber gesichert? Welche Rechte stehen ihm zu? 2. Was kann Platz tun, um sich zu sichern ? Vorbemerkung Aufbau Der Aufbau ergibt sich aus den Fragen und der folgenden Musterbearbeitung. Gutachten A. Ist der D a r l e h n s g e b e r H o h n g e s i c h e r t ? Welche Rechte stehen ihm zu? I. Hohn wäre gesichert, wenn für ihn entweder eine H y p o t h e k entstanden ist oder doch wenigstens ein A n s p r u c h gegen Platz a u f E i n r ä u m u n g einer Hypothek. 1. Eine Briefhypothek bedarf zu ihrer Entstehung der Einigung, Eintragung und Übergabe des Briefs durch den Eigentümer (§§ 873,1117). Die dingliche E i n i g u n g über die Begründung einer Hypothek zwischen dem Eigentümer Platz und dem Rentner Hohn sowie die Eintragung der Hypothek zugunsten Hohns (§ 873 Abs. 1) sind erfolgt, da Platz „abredegemäß" die Hypothek auf seinem Grundstück hatte „eintragen" lassen. Dagegen ist der Brief nicht, wie es § 1117 Abs. 1 erfordert, von dem „Eigentümer des Grundstücks", sondern von einem Angestellten des Eigentümers dem „Gläubiger" übergeben worden. Eine solche Übergabe wäre ausreichend, wenn der Angestellte Vohwinkel zur Übergabe berechtigt gewesen wäre. Vohwinkel war jedoch lediglich zur Abholung des Briefs vom Grundbuchamt und zur Überbringung an den 130

Eigentümer berechtigt. Es fragt sich, ob der gute Glaube des Hohn an die Berechtigung Vohwinkels zu schützen ist. Dem steht entgegen, daß grundsätzlich der gute Glaube an die Vertretungsmacht nicht geschützt wird. Hier kommt hinzu, daß der Schutz eines solchen Glaubens auch der ratio des § 1117 widerspricht. § 1117 will den Eigentümer bei einer Briefhypothek dagegen schützen, daß der Hypothekengläubiger ihn schon auf Grund der Einigung und Eintragung als Hypothekengläubiger in Anspruch nimmt, bevor die Valuta gegeben wurde. Eine entsprechende Schutzbestimmung findet sich bei der Buchhypothek in § 1139, wo die auf der Eintragung beruhende Position des Gläubigers durch Eintragung eines Widerspruchs, den der Eigentümer innerhalb eines Monats ohne weitere Erfordernisse beantragen kann, erschüttert wird. Dieser Schutz wäre bei der Briefhypothek illusorisch, wenn der Hypothekenbrief ohne Einwilligung des Eigentümers dem Gläubiger rechtswirksam ausgehändigt werden könnte. Die Übergabe als solche bewirkte somit noch nicht die Entstehung der Hypothek für den Rentner Hohn. Ist der Gläubiger im Besitz des Briefs, so besteht nur eine Vermutung dafür, daß die Übergabe ordnungsmäßig erfolgt ist (§ 1117 Abs. 3). Diese Vermutung wird aber hier auf Grund des unstreitigen Sachverhalts widerlegt. Ebenso Palandt zu §1117 Arim. 2.

2. Ist somit Hohn nicht durch eine Hypothek gesichert, so könnte doch ein A n s p r u c h auf E i n r ä u m u n g d e r H y p o t h e k gegen Platz entstanden sein. Voraussetzung hierfür ist, daß durch die Hingabe des Geldes an Vohwinkel rechtswirksam ein Darlehnsanspruch- gegen Platz begründet wurde. Hohn hätte dann auf Grund des zugrundeliegenden obligatorischen Vertrags einen Anspruch auf Sicherung durch die Hypothek. Da Einigung und Eintragung vorliegen und Hohn auch bereits im Besitz des Hypothekenbriefs ist, bedürfte es lediglich noch der Zustimmung des Platz zur Belassung des Briefs im Besitz des Hohn. Diese Zustimmung kann gemäß § 1117 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit §929 S. 2 ohne weiteres gegeben werden (brevi manu traditio). Ein rechtskräftiges Urteil auf Erteilung der Zustimmung würde sie notfalls ersetzen (§ 894 ZPO). Wäre also ein Darlehnsanspruch gegen Platz entstanden, so käme Hohn zu einer dinglichen Sicherung. Gemäß § 607 Abs. 1 begründet erst die Entgegennahme des Geldes durch den Darlehnsempfänger den Darlehnsanspruch. Das Darlehn ist danach ein sog. Realvertrag. Von einem solchen einseitig verpflichtenden und erst durch die Hingabe des Geldes entstehenden Vertrag kann aber keine Rede sein, wenn wie hier der Geldgeber, ein Rentner, anscheinend selbst an einer langfristigen Anlage des Geldes interessiert ist. Ein solches Anlagedarlehn ist ein gegenseitig verpflichtender Konsensualvertrag, wie 9'

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es bei einer Gebrauchsgewährurig die Miete ist. Der Kreditgeber verpflichtet sich zum Geben des Darlehns, der Kreditnehmer verpflichtet sich schon bei Abschluß des Vertrags zur Rückzahlung, allerdings aufschiebend bedingt durch den Empfang des Geldes. Ein solches Konsensualdarlehn ist auch von dem Vorvertrag auf Abschluß eines Handdarlehns (Realvertrag) — pactum de mutuo dando, vgl. § 610 — zu unterscheiden. Beim Vorvertrag kann der Kreditgeber bei Nichthergabe der Valuta nur auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung verklagt werden, bei einem Konsensualvertrag auf Erfüllung. Auf der anderen Seite ist der Anspruch des Kreditnehmers aus einem Vorvertrag, der erst auf Abschluß eines Vertrags geht, unpfändbar, der Anspruch aus einem Konsensualvertrag, der auf Geldzahlung geht, dagegen pfändbar. Vgl. Enneccerus-Lehmann § 142 I.

Die Hingabe des Geldes durch Hohn war somit die Erfüllung der von diesem eingegangenen Verpflichtung. Wäre die Erfüllung ordnungsmäßig gewesen, so hätte sie gleichzeitig die Bedingung ausgelöst, unter der die Rückgabeverpflichtung des Platz endgültig entstanden wäre. Es erscheint aber fraglich, ob die Leistung an den Angestellten Vohwinkel eine ordnungsmäßige Erfüllung darstellte. a) Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht zur Entgegennahme des Geldes hatte Vohwinkel nicht. Es ist unrichtig, zum Beweis dafür, daß Vohwinkel als kaufmännischer Angestellter einer Vollmacht bedurfte, auf § 54 Abs. 2 HGB zu verweisen. Diese Bestimmung sagt nur, daß ein „Handlungsbevollmächtigter" nicht „zur Aufnahme von Darlehn" gesetzlich befugt ist. Es steht hier weder fest, daß Vohwinkel Handlungsbevollmächtigter war noch handelt es sich um die A u f n a h m e eines Darlehns, sondern lediglich um die Entgegennahme der Valuta als Erfüllung des bereits a b g e s c h l o s s e n e n Darlehnsvertrags.

Man könnte erwägen, ob Vohwinkel nicht kraft Gesetzes als ermächtigt galt, die Leistung zu empfangen. Nach § 370 träfe das zu, %venn der Hypothekenbrief als eine Quittung anzusehen wäre. Dagegen spricht aber, daß der Hypothekenbrief nicht wie eine Quittung eine Erklärung des Schuldners über eine Leistung enthält, sondern eine öffentliche Urkunde über eine Eintragung im Grundbuch därstellt. Die Hingabe des Geldes soll dadurch also nicht bewiesen werden. Vielmehr ist es üblich, daß der Schuldner neben der Übergabe des Hypothekenbriefs eine förmliche Quittung über den Empfang der Valuta gibt. b) Ist somit mangels rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht bzw. mangels gesetzlicher Ermächtigung die Hingabe der Valuta an Vohwinkel keine Erfüllung des Darlehnsversprechens, so könnte doch die Möglichkeit bestehen, daß Platz sich nach Treu und Glauben so be132

handeln lassen muß, als ob eine Vollmacht vorgelegen hätte. Dies träfe zu, wenn er durch das Auftreten seines Angestellten den Rechtsschein einer Vollmacht erweckt hätte. Verschulden ist hierzu nicht erforderlich. In der bloßen Tatsache, daß Platz seinen Angestellten mit der Abholung des Hypothekenbriefs beim Grundbuchamt beauftragt hatte, liegt aber allein noch nicht die Verursachung eines Rechtsscheins. Platz brauchte normalerweise mit einer mißbräuchlichen Ausnutzung durch seinen Angestellten nicht zu rechnen; er brauchte besonders aber nicht damit zu rechnen, daß Hohn ohne förmliche Quittung oder eine Rückfrage bei ihm dem Angestellten einen so hohen Betrag auszahlen würde. Anhaltspunkte dafür, daß Vohwinkel schon mehrfach für Platz selbständig Aufträge erledigt hätte und daß deshalb Hohn ihm vertrauen konnte, liegen nicht vor. Es entfällt somit auch die Annahme, daß Platz sich auf Grund •des Rechtsscheins so behandeln lassen müßte, als ob er Vohwinkel zur Entgegennahme des Darlehns bevollmächtigt hätte. Vgl. zum Rechtsschein-Problem auch die interessanten Fälle Nr. 20 bei Berg, Handelsrecht, und Nr. 2 bei Berg, Referendarklausur.

II. Hohn ist daher weder hypothekarisch gesichert noch hat er einen Anspruch auf hypothekarische Sicherung. Es fragt sich, .welche Rechte ihm sonst noch zustehen. 1. Gegenüber P l a t z wäre zu erwägen, ob dieser nicht gemäß § 278 oder § 831 für das schadenverursachende Verhalten seines Angestellten Vohwinkel einstehen muß. Hohn hätte dann zwar keinen Anspruch auf hypothekarische Sicherung, wohl aber auf Rückgabe des dem Angestellten gegebenen Geldes (§ 249). a) Eine Haftung des Platz aus § 278 käme in Betracht, wenn er sich des Angestellten zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber Hohn bedient hätte. Davon kann aber keine Rede sein, wenn er den Vohwinkel zum Grundbuchamt schickt, um für sich selbst den Brief abholen zu lassen. Wenn Vohwinkel diese Gelegenheit zur mißbräuchlichen Verwendung des Briefs ausnutzt, so handelt es sich nur um eine bei Gel e g e n h e i t seines Auftrags verübte Tat, nicht aber um eine E r f ü l l u n g e i n e r V e r b i n d l i c h k e i t dem Hohn gegenüber. Platz hatte zwar auf Grund des mit Hohn abgeschlossenen Konsensualvertrags die Nebenverpflichtung, nach Möglichkeit alle Schäden von seinem Vertragsgegner fernzuhalten. Diese Pflicht kann er verletzt haben, wenn er einem Angestellten eine Gelegenheit zu einer Schädigung seines Vertragsgegners gab. Es läge dann aber nicht eine Haftung aus § 278 vor, sondern eine Haftung aus eigener positiver Vertragsverletzung (§276). Sie setzt e i g e n e s Verschulden des Platz voraus. Ein solches läge vor, wenn ihm eine Neigung seines Angestellten zu unredlichen 133

Machenschaften bekannt gewesen wäre. Der Tatbestand gibt hierfür aber keinen Anhaltspunkt. b) Auch eine Haftung aus § 831 entfällt. Vohwinkel hat zwar den Hohn rechtswidrig durch Betrug geschädigt. Er war aber nicht zur Ausführung einer Verrichtung dem Hohn gegenüber bestellt. Er hat nur gelegentlich, einer anderen Verrichtung die widerrechtliche Handlung vorgenommen. 2. Es bleiben dem Hohn somit lediglich Ansprüche gegen den A n g e s t e l l t e n . Da sie infolge der Flucht z. Zt. wertlos sind, sollen sie nur kurz gestreift werden. a) Hohn kann das Geld aus § 985 zurückverlangen, da es zu einer Einigung über den Eigentumsübergang infolge des vollmachtlosen Auftretens des Angestellten nicht gekommen ist. Nach Vermischung besteht ein Anspruch aus §951. Außerdem besteht ein selbständiger Bereicherungsanspruch aus § 812 wegen der Besitzübertragung (condictio possessionis). b) Auf Grund des Betrugs und der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung hat er Schadenersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2 (Betrug als Schutzgesetz) und 826. Dagegen kommt § 823 Abs. 1 nicht in Betracht. Vohwinkel hat lediglich das Vermögen Hohns geschädigt. Das Eigentum am Gelde oder der Besitz am Gelde wurde nicht verletzt, da Hohn das Geld freiwillig aus der Hand gab. Vgl. oben Fall 4 S. 35 zu II 4 a. Auch ein Anspruch aus § 687 Abs. 2 kommt nicht in Betracht. Vohwinkel führte kein Geschäft des H o h n wider besseres Wissen, sondern ein Geschäft des P l a t z . Aus § 687 Abs. 2 könnte somit lediglich Platz Rechte gegen Vohwinkel herleiten.

B. W a s k a n n H o h n t u n , u m s i c h zu s i c h e r n ? Gemeint ist nicht eine Sicherung gegenüber dem verschwundenen Angestellten, sondern gegenüber Hohn, der die auf Grund der Eintragung im Grundbuch und des Besitzes des Hypothekenbriefs bestehende günstige Rechtslage zum Schaden des Platz ausnutzen könnte. I. Bezüglich der Eintragung des Hohn als Hypothekengläubiger kann Platz B e r i c h t i g u n g des Grundbuchs dahin verlangen, daß die Hypothek ihm als Eigentümer zustehe (§ 894). Es liegt eine Eigentümerhypothek (richtiger: Eigentümergrundschuld, § 1177 Abs. 1 S. 1) vor, sowohl weil der Brief noch nicht vom Eigentümer übergeben wurde (§ 1163 Abs. 2) als auch weil die Forderung, für die die Hypothek be134

stellt wurde, noch nicht vollwirksam entstanden ist (§ 1163 Abs. 1 S. 1). Vgl. oben zu A I 1 und 2. Diese Gründe hindern also nur die Entstehung einer Fremdhypothek, nicht einer Hypothek in der Form einer Eigentümerhypothek bzw. Eigentümergrundschuld. Eine dingliche Belastung des Grundstücks liegt damit vor. Nachstehende Posten rücken nicht auf! Dagegen wäre ein dingliches Recht überhaupt nicht entstanden, wenn keine dingliche Einigung gemäß § 873 vorgelegen hätte. Hier Würden nachstehende Posten ohne weiteres aufrücken. Die Eintragung als Hypothek wäre zu löschen.

Zur Sicherung seines Berichtigungsanspruchs kann Platz gemäß § 899 einen. W i d e r s p r u c h gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen lassen. II. Bezüglich des Besitzes des Hohn am Hypothekenbrief kann Platz gemäß § 985 H e r a u s g a b e des B r i e f s an sich verlangen. Da er Inhaber der Eigentümergrundschuld ist, steht ihm gemäß § 952 Abs. 2 auch das Eigentum am Hypothekenbrief zu. Beachte: Man spricht vom E i g e n t u m an einer Sache und Urkunde, dagegen von I n h a b e r s c h a f t bei Rechten, insbesondere von Hypothekenrechten.

Außerdem kann er gemäß § 896 zum Zweck der Durchführung seines Berichtigungsanspruchs (oben I) Vorlage des Hypothekenbriefs an das Grundbuchamt verlangen. Die Durchführung dieser Ansprüche kann er notfalls durch eine einstweilige Verfügung gemäß §§935 ff. ZPO sichern. Ob außerdem ein Aufgebotsverfahren gemäß § 1162 in Betracht kommt, erscheint fraglich. Selbst wenn der Angestellte den Brief zunächst nur als Besitzdiener für Platz entgegengenommen hat und diesem infolgedessen der Brief „abhandengekommen ist", so besteht doch kein Bedürfnis für ein Aufgebotsverfahren, wenn der Besitzer des Briefs feststeht und die Herausgabe von ihm gemäß § 985 erzwungen und der Herausgabeanspruch durch einstweilige Verfügung gesichert werden kann. Die Zulässigkeit eines Aufgebotverfahrens ist daher abzulehnen. Zudem läßt schon die lange Aufgebotsfrist von 6 Monaten (vgl. § 1015 ZPO) ein solches Verfahren untunlich erscheinen. Vgl. auch Palandt zu § 1162 und RG 155/74.

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Merkblatt Z u s a m m e n s t e l l u n g der R i c h t l i n i e n für die F a l l b e a r b e i t u n g A. Der Tatbestand I. G r u n d v o r a u s s e t z u n g der Fallösung ist das E r f a s s e n des T a t b e s t a n d s und der F r a g e s t e l l u n g (vgl. S. 1 und 30 zu II 2). Fehler, die hier gemacht werden, machen die ganze Lösung wertlos. II. T y p i s c h e F e h l e r : 1. Die Erinnerung an einen „ähnlichen Fall" führt zur „ T a t b e s t a n d s q u e t s c h e " (vgl. S. 39 zu II 1). 2. W i l l k ü r l i c h e U n t e r s t e l l u n g e n vereinfachen den Fall unerlaubterweise oder erschweren ihn unnötigerweise (vgl. S. 44). 3. R e c h t s a n s i c h t e n der P a r t e i e n , die der Tatbestand wiedergibt, werden in ihrer Bedeutung ü b e r s c h ä t z t (vgl. S. 39f. zu II 2). B. Das Gutachten 1. Das r e c h t l i c h e D u r c h s k i z z i e r e n I. A u s g a n g s p u n k t ist die am Schluß des Falles gestellte F r a g e . Zur Beantwortung der Frage ist regelmäßig zunächst festzustellen, „ W e r " „ v o m w e p i " „was" v e r l a n g t . Sodann ist zu prüfen, „ w o r a u s " die sich gegenüberstehenden Parteien ihr Begehren herleiten können, d. h. welche Anspruchsgrundlagen in Betracht kommen. Historisch vorzugehen ist nur im Rahmen dieser „konstruktiven Methode" gestattet (vgl. S. 2f., 12f., 38, 56 u. a.). Allenfalls kann eine Überprüfung der tatsächlichen Vorgänge in historischer Reihenfolge („historische Methode") der „Rückversicherung" dienen, daß nichts Wesentliches übersehen wurde (vgl. S. 104). II. Insbesondere: Die A n s p r u c h s g r u n d l a g e n . 1. Anspruchsgrundlagen sind die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, in denen ihr Begehren eine Stütze finden kann (vgl. S. 66 f). Solche Rechtsbeziehungen können durch Rechtsgeschäft (insbesondere 136

durch Vertrag) oder auf sonstige Weise (negotiorum gestio, Delikt, Kondiktion, Verwandtschaft u. dgl.) entstanden sein. Mitunter ist die Anspruchsgrundlage eigenschöpferisch unter Berücksichtigung der Interessenlage oder der Analogie zu entwickeln (vgl. S. 57, 99f.). In den meisten Fällen gibt es aber je nach dem Begehren gewisse t y p i s c h e Anspruchsgrundlagen: a) S c h a d e n e r s a t z a n s p r ü c h e ergeben sich in der Regel aus Vertrag (Vertragsverletzung), vertragsähnlichen Beziehungen, Delikt und deliktsähnlichen Beziehungen (vgl. S. 2 f, 19 u. a.). Auch aus dem Verhältnis von Eigentümer zu Besitzer können Schadenersatzansprüche erwachsen (vgl. S. 124ff., 129). b) S u r r o g a t a n s p r ü c h e (Ansprüche auf Herausgabe eines Ersatzgegenstandes oder des Erlöses) können sich ergeben: bei Vertrag aus § 281 (bei Auftrag aus § 667), im übrigen aus § 687 Abs. 2 (i. Vbdg. mit § 667) und §816 (vgl. S. 48 ff.). c) H e r a u s g a b e a n s p r ü c h e auf bestimmte Sachen können dinglicher Art sein (§§ 861, 985,1007) und schuldrechtlicher Art (§§ 812, 823). Vgl. S. 65 ff. d) E r f ü l l u n g s - und G e w ä h r l e i s t u n g s a n s p r ü c h e erfordern grundsätzlich einen Vertrag (vgl. S. 38). 2. Bei der Fallbearbeitung sind alle Anspruchsgrundlagen zu untersuchen, die ernsthaft in Betracht kommen können. Jedoch ist eine gewisse R e i h e n f o l g e einzuhalten: a) Anspruchsbestimmungen, die als S p e z i a l b e s t i m m u n g e n andere Bestimmungen ausschließen und damit weitere Untersuchungen erübrigen können, sind z u e r s t zu prüfen (vgl. S. 4, 9 zu C, 54f, 129). V e r t r a g l i c h e Anspruchsgrundlagen sind daher regelmäßig v o r a u ß e r v e r t r a g l i c h e n Anspruchsgrundlagen zu erörtern (vgl. S. 3, 48). Sie erfordern meist auch eine Feststellung des Vertragstyps, da die Vertragsbestimmungen der einzelnen Vertragstypen weitgehend die allgemeinen Normen abändern (vgl. S. 19, 48, 115 II). b) Im übrigen ist möglichst die Anspruchsgrundlage voranzustellen, die die g r ö ß t e D u r c h s c h l a g s k r a f t hat und die geringsten Anforderungen an die Behauptungs- und Beweislast stellte (vgl. S. 7 f, 65). Bei echter Anspruchskonkurrenz (über den Begriff s. S. 4) kann es ausnahmsweise zweckmäßig sein, eine abzulehnende Anspruchsgrundlage vorweg zu erörtern (vgl. S. 90). 3. Bei Untersuchung der e i n z e l n e n Anspruchsgrundlage ist möglichst die „ A n s p r u c h s n o r m " v o r a n z u s t e l l e n , d. h. die Bestimmung, die unmittelbar die begehrte Rechtsfolge ausspricht (vgl. S. 66ff.). Es ist dann darzulegen, wieweit die einzelnen Voraussetzungen dieser An137

spruchsnorm durch die tatsächlichen Angaben der Fallerzählung ausgefüllt oder ausgeschlossen werden (vgl. S. 67ff., 92ff. u. a.). Auf diese Weise wird s t e t s F ü h l u n g m i t d e m T a t b e s t a n d gehalten. Nie dürfen Rechtsausführungen losgelöst von der Frage und dem Tatbestand gemacht werden. Deshalb sind auch nicht allgemeine Begriffe als „Vorfragen" zu erörtern (vgl. S. 65 f). III. K o m m e n t a r e u n d E n t s c h e i d u n g e n sind erst heranzuziehen, wenn die Durcharbeit an Hand des Gesetzestextes nicht weiter führt. Sie dienen aber n u r z u r N a c h p r ü f u n g e i n z e l n e r b e s t i m m t e r F r a g e n oder zum Belegen für eine einzelne bestimmte Ansicht (vgl. S. 39 zu II 1). IV. Das Ergebnis muß der B i l l i g k e i t entsprechen, darf aber nicht dem Gesetz widersprechen (vgl. S. 39 zu II 3). V. Über die F o r m des rechtlichen Durchskizzierens vgl. S. 30. 2. Die A u s a r b e i t u n g I. Es ist ein R e c h t s g u t a c h t e n zu erstatten, das den Weg zeigen soll, auf dem die Lösung gefunden wird. Daraus folgt: 1. Der T a t b e s t a n d ist n i c h t mehr zu w i e d e r h o l e n (vgl. S. 19f. zu II 1). 2. An die Spitze des Gutachtens gehört die Frage, an die Spitze eines jeden Teilabschnitts des Gutachtens die Unterfrage ( G u t a c h t e n s t i l , vgl. S. 20 zu II 2). 3. Im einzelnen entspricht der Aufbau den zu B 1 gegebenen Richtlinien. II. J e d e r S a t z des Gutachtens m u ß d e n F a l l d e r L ö s u n g n ä h e r b r i n g e n . Ausführungen, die diesen Zweck nicht erfüllen, sind unnachsichtlich zu streichen (vgl. S. 1, 21, 94). Insbesondere sind Fragen, die nicht gestellt sind, nicht aufzuwerfen und zu erörtern (vgl. S. 74). Zu Streitfragen ist nur soweit Stellung zu nehmen, als es für die Lösung erforderlich ist (vgl. S. 15). Ausgetragene Streitfragen sind nicht breit zu erörtern (vgl. S. 4). III. Die Begründung hat mit e i g e n e n W o r t e n zu erfolgen. Zitate dienen lediglich zum Belegen der eigenen Ansicht (vgl. S. 20 zu II 3); in Klausurarbeiten gibt es sowieso keine Zitate (vgl. S. 30). Auseinandersetzungen mit abweichenden Ansichten haben sachlich zu geschehen (vgl. S. 21 zu II 4f. und die Beispiele S. 63, 107). IV. Eine D i s p o s i t i o n e r ü b r i g t sich (vgl. S. 20 zu II 2). Im übrigen vgl. über Z i t i e r w e i s e , S p r a c h e u n d ä u ß e r e F o r m S. 21 zu II 4.

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Übersicht über die w i c h t i g s t e n und §§ 94 116 119 125 130 133 134, 138 141 147 149, 150 151 164 165 179 184 185 228 229 242 243 249 252 254 255 267 275 276 277 278 280 281 283 305 306 313 323 324 325 326 328, 334

der

besprochenen

Anspruchsgrundlagen

Gesetzbestimmungen

Seite 33 61 54, 60 40, 58, 82 13 ff., 17 18, 21 f. 101 17, 8 6 f . 15 f. 17 22 16, 31 31 34, 81, 85 85 f. 84 f., 110 5 70 f. 41 f. 22 24, 28, 36, 70 36 61 ff. 129 35, 37 1 0 5 f f . , 118 4 f . , 2 7 f . , 51 f., 114, 133 114 51, 63, 114, 117, 133 105 ff., 118, 128 47, 4 8 f . 107 57 24, 82 4 0 f f . , 8 2 f f . , 87 10, 48, 53, 116, 118, 128 117 10, 24, 48, 51 f., 53, 117 10, 24, 51, 53 98

§§ 350, 351 363 364 370 397 422 ff. 433 440 446, 447 459,462,467 472, 477 495 515 518 535 537 ff. 541 556 604 607, 610 640, 641 644, 645 657 670 675 677 683 684 686 687 688 690 701 759 765, 766 771, 773 779 780, 7 8 1 , 7 8 2 812

Seite 54 61, 9 6 f . 59 132 95 f. 88 40, 53, 113 53 f. 116, 118 53f. 53 113 40 100 12, 24 9 f. 23 4, 70 1 0 4 f . , 108 131 f. 116ff. 116 ff. 94 32 31 8, 31 f., 35, 51 8, 32 f. 33 35 50 f., 134 48 64, 114 2 5 f . , 28 100 87 88 58, 100 58 f., 100 3 3 f . , 4 4 f . , 73, 96, 124, 126, 128, 134

139

§§

Seite

814 816 817 818 819 822 823 I 823 826 827, 830 831 832 833 834 839 840 855 856, 859 861, 868 869 872 873 892 894 896 899

140

II 828

858 862

4 5 f. 46, 4 9 f . , 7 3 f . , 8 6 , 1 2 2 , 124, 126 45 4 6 f . , 50, 1 2 6 , 1 2 8 4 6 , 73 73f., 122 4 f „ 7, 9, 2 1 , 35, 5 2 , 6 2 , 70, 75, 1 2 9 , 134 21, 35, 70, 75, 134 2 7 , 3 5 f . , 70 35 74 5, 52, 63, 1 1 5 , 1 2 8 , 1 3 4 36 f. 6 f f . , 62 8 f. 127 37, 1 2 9 50, 93, 1 1 5 , 1 2 1 68 70 67ff., 75f. 50 74 106 130 83 134 135 135

§§ 904 925 929 932, 935 946 950 951 952 965, 971 978 985

Seite

5 85 131 4 9 , 6 9 , 71, 1 1 0 , 1 2 1 33 f . 93, 12034, 1 3 4 135 92 ff. 91 71, 75, 1 0 8 f . , 1 2 0 f f . 134 f. 986 71 f., 75 987 ff. 70, 1 1 5 , 1 2 4 f f . , 128 f f . 1007 69, 72, 7 5 , 1 2 2 1117 1 3 0 ff., 1 3 4 1139 131 1162, 1163 134 f. 1207, 1227 71, 1 2 3 1235ff. 122 1257 123 1357 105, 109f. 1363, 1373 1 0 5 f. 1395, 1404 111 1401 112 1411, 1412 89 1591, 1 5 9 5 a 102, 103 1601, 1609 99 1708 102 1714 99 1912 98

Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz

Textausgabe mit ausführlichem Sachregister 21. Auflage. Oktav. 890 Seiten. Nachdruck 1949. Geb. DM 6,50 (Guttentagäche S a m m l u n g von T e x t a u e g a b e n o h n e A n m e r k u n g e n m i t S a c h r e g i s t e r )

ACHILLES-GREIFF

Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, Jugendwohlfahrtsgesetg, Schiffsrechtgesetz, Ehegesetz, Testamentsgesetz

Mit Anmerkungen und Sachregister und mit Erläuterungen der Verordnung über das Erbbaurecht, des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung sowie von Teilen des Familienrechtsänderungsgesetzes, der Familienrechtsangleichungsverordnung und des Verschollenheitsgesetzes Herausgegeben von Professor Dr. Günther Beitzke, Rechtsanwalt Reinhard Freiherr v. Godin, Senatspräsident Dr. Joachim Greift, Senatspräsident a. D. Friedrich Oegg 19. Auflage. Oktav. XVI, 1360 Seiten. 1949. Ganzleinen DM 36,— ( G u t t e n t a g s c h e S a m m l u n g D e u t s c h e r G e s e t z e Nr« 38/39)

„. . . Der Gesetzesstoff, so unübersichtlich er In den letzten J a h r e n sein mag, w u r d e wohl vollkommen gemeistert. Und ebenso wird man zuverlässig durch die Reditsprechung geführt. . Prof. Dr.. Arthur Wegner, Münster

Handelsgesetzbuch nebst Einführungsgesetz vom 10. Mai 1897

Textausgabe mit Sachregister 16. Auflage. Oktav. 156 Seiten. 1949. DM 2,80 ( G u t t e n t a g s c h e S a m m l u n g von T e x t a u s g a b e n o h n e A n m e r k u n g e n m i t Sachregister)

HEYMANN-KOTTER

Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht) mit Erläuterungen

20. Gesamtauflage, herausgeg. von Amtsgerichtsrat Hans-Wilhelm Kötter Oktav. 576 Seiten. 1950. Ganzleinen DM 18,— ( G u t t e n t a g s c h e S a m m l u n g D e u t s c h e r Gesetze N r . 4)

.Die bewährte kommentierte Handausgabe des HGB, aus der Feder Ernst Heymanns, jenes großen Kenners und Lehrers des Handelsrechts, w u r d e nach seinem Tode v o n Amtsgericfatsrat H. W . Kötter weiter bearbeitet und liegt nunmehr, auf den neuesten Stand gebracht, vor. Dieser Handkommentar bringt im Anhang die Nebengesetze zum HGB im Wortlaut. Er bedarf keiner weiteren Empfehlung, wenn man darauf hinweist, daß es sich nunmehr um die 20. Auflage dieses W e r k e s handelt." Rundschau für G.m.b.H.

WALTER DE GRUYTER & CO. / B E R L I N W 35

COING,

Grundzüge der Rechtsphilosophie

DIN A 5 . XI, 3 0 2 Seiten. 1 9 5 0 . Halbleinen DM 1 7 , — (Lehrbücher und Grundrisse der Rechtswissenschaft, B a n d 19)

LEHMANN

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches 6., vermehrte und verbesserte Auflage. DIN A 5. XVI, 3 8 4 Seiten. 1 9 4 9 . Halbleinen DM 2 0 , — ( L e h r b ü c h e r und G r u n d r i s s e d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 1)

HEDEMANN

Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches 3., umgearbeitete Auflage.

DIN A 5.

XXX,

422

Seiten.

1949.

Halbleinen DM

18,—

( L e h r b ü c h e r und G r u n d r i s s e d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 2)

HEDEMANN

Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches 2., umgearbeitete Auflage. DIN A 5. XXVIII, 4 5 5

Seiten.

1 9 5 0 . Halbleinen DM

22,—

( L e h r b ü c h e r und G r u n d r i s s e d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 3)

LEHMANN,

Deutsches Familienrecht

2., vermehrte und verbesserte Auflage. DIN A 5. XIV, 3 1 1 Seiten. DM

15,—

( L e h r b ü c h e r u n d G r u n d r i s s e d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 4)

FEHR,

Deutsche Rechtsgeschichte

4., verbesserte Auflage. DIN A 5. XI, 2 8 0 Seiten. 1 9 4 8 . Pappband DM 1 5 , — ( L e h r b ü c h e r und Grundrisse der Rechtswissenschaft, B a n d

10)

v. T U R E G G , Lehrbuch des Verwaltungsrechts DIN A 5. X X , 5 3 6 Seiten. 1 9 5 1 . Halbleinen DM 2 8 , 5 0 ( L e h r b ü c h e r und G r u n d r i s s e der R e c h t s w i s s e n s c h a f t , B a n d 2 0 )

v.

GIERKE,

Handelsrecht und Schiffahrtsrecht

6., umgearbeitete Auflage. DIN A 5. XIII, 5 6 7 Seiten. 1 9 4 9 . Halbleinen DM 2 4 , —

WEGNER,

Einführung in die Rechtswissenschaft

2., erweiterte und verbesserte Auflage. DIN A 5. XII, 3 2 9 Seiten. 1 9 4 8 . Halbleinen DM 1 8 , —

W E L Z EL,

Das deutsche Straf recht

in seinen Grundzügen. Eine systematische Darstellung. 2. Auflage. Oktav. VIII, 2 9 6 Seiten. 1 9 4 9 . Halbleinen DM 1 4 —

WALTER DE G R U Y T E R & CO. / B E R L I N W 35

Juristische Rundschau Mit Beiblatt: Mitteilungen aus der Berliner Justiz und Rechtsanwaltschaft Herausgegeben von Reinhard Freiherr von Godin, Rechtsanwalt in München; Professor Dr. E. Reimer, Präsident des Deutschen Patentamtes in München; Dr. W a l t e r Schmidt, Rechtsanwalt in Düsseldorf; Dr. Karl Schneidewin, vorm. Generalstaatsanwalt am Obersten Gerichtshof für die Britische Zone in Köln; Dr. Kurt Wergin, Präsident der Rechtsanwaltskämmer Berlin; Professor Dr. Ernst Wolff, vorm. Präsident des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Köln

Zweimal monatlich. Umfang je Heft 32 Seiten. Preis -vierteljährl. DM 9,— Vorzugspreis für Studierende und Referendare vierteljährlich DM 7,— Die Sonderstellung, die Berlin seit dem J a h r e 1945 einnimmt, sowie die Aufgeschlossenheit seiner Bewohner für alle Probleme der Gegenwart, machen es zu einem vorzüglichen Beobachtungspunkt für die Lebensvorgänge des deutschen V o l k e s in allen seinen Teilen. Abbild dieser Vorgänge ist das seit J a h r e n im Flusse befindliche deutsche Recht. Aufgabe einer juristischen Zeitschrift ist es, über das Recht, die Wandlung, die dioses im Laufe der Zeit erfährt und die Gründe, die dazu führen, zu berichten. Die „Juristische Rundschau" dient diesem Zwedc.

Leitfaden der Rechtswissenschaft Allgemeiner Teil BGB. Erstes Budi Von RA. E. Kummerow. DIN A 5. 76 Seiten. 1949. DM 3 , —

Das Recht der Schuld Verhältnisse BGB. Zweites Budi 1. Hälfte: Allgemeiner Teil. Von Dr. R. Lehmann. DIN A 5. 110 Seiten. 1947. DM 4 , — 2. Hälfte: Besonderer Teil. Von Dr. R. Lebmann. DIN A 5. 204 Seiten. 1948. DM 6 , —

Sachenrecht BGB. Drittes Budi Von RA. E. Kummerow. DIN A 5. 138 Seiten. 1948. DM 4,50

Familienrecht BGB. Viertes Budi V o n RA. E. Kummerow. DIN A 5. 122 Seiten. 1947. DM

4,—

Erbrecht BGB. Fünftes Budi Von RA. E. Kummerow. DIN A 5. 93 Seiten. 1947. DM

4,—

Zivilprozeß Erkenntnisveriahren Von Dr. Hanswerner Müller. DIN A 5. X I I , 260 Seiten, 3 Anlagen. 1951. DM 9,80

Verwaltungsrecht Von Kurt Egon von Turegg. DIN A 5. VIII, 141 Seiten.

1949. DM 7 , —

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KOHLRAUSCH-LANGE

Strafgesetzbuch mit Erläuterungen und Nebengesetzen 39. und 40. Auflage von Professor R. Lange DIN A 5. XI, 560 Seiten. 1950. In Ganzleinen DM 22,— G a t t e n t a g e c h e S a m m l u n g D e u t s c h e r G e s e t z e N r . 2.

Walter de Gruyter & Co.

„Die Bedeutung dieses W e r k e s auch für die Behörden der Staats- und Kommunalverwal tungen liegt auf der Hand. Gibt es doch kaum eine Behörde oder Dienststelle, die sidi nicht mehr oder , weniger oft mit strafrechtlichen Fragen zu befassen hätte. Mir scheint, daß dieser vorwiegend auf die praktischen Bedürfnisse abgestellte Kommentar auch eine vorzügliche Grundlage für den Unterricht an Verwaltungs- und Polizeischulen und ähnlichen Lehrgängen sein könnte." Schwartzsche Vakanzenzeitung

Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit, auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. Sept. 1950 (BGBl. S. 455) Textausgabe mit Einleitung und ausführlichem Sachregister besorgt von Professor Dr. Richard Lange DIN A 5. XI, 215 Seiten. 1950. DM 5,— G u t t e n t a g s c h e S a m m l u n g von T e x t a u a g a b e n .

Walter d e G r u y t e r & C o .

Praktische Strafprozeßfälle mit Lösungen von Dr. Walter Petters, Landgerichtsrat a. D. 6., erw. u. verb. Auflage. DIN A 5. XVI, 256 Seiten. 1951. Ganzl. DM 12,80 (Band II des Werkes von Petters, Strafrecht und Strafprozeß)

Praktische Strafrechtsfälle mit Lösungen 9., vollkommen umgearbeitete und vermehrte Auflage. DIN A 5. XIX, 523 Seiten. 1949. Ganzleinen DM 20,— (Band I des Werkes von Petters, Strafrecht und Strafprozeß)

J. S C H W E I T Z E R

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