Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften [1 ed.] 9783428468713, 9783428068715


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German Pages 96 Year 1990

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Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften [1 ed.]
 9783428468713, 9783428068715

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RUDOLF STREINZ

Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von Siegfried Magiera und Detlef Merten

Band 3

Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozen im Rat der Europäischen Gemeinschaften

Von

Prof. Dr. Rudolf Streinz

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Streinz, Rudolf:

Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften I von Rudolf Streinz. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Schriften zum Europäischen Recht; Bd. 3) ISBN 3-428-06871-8 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-06871-8

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . .. .. .. .. . . . . . . . .. . .. . . .. .. .. . . . .

8

A. Problemstellung .. . . . . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . .. . . . . .. . . . . . 11 I. Problematische Aspekte der Integrationsdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Probleme für das institutionelle Gefüge des Grundgesetzes, insbesondere die bundesstaatliche Ordnung........ .. .. .. ............ . .. .... ..... 12 1. Einwirkungsmöglichkeiten derLänderauf die deutschen Vertreter im Rat der EG .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. . 13 2. Verfassungsgerichtliche Kontrolle des Abstimmungsverhaltens der deutschen Vertreter im Rat im Hinblick auf die institutionellen Forderungen des Grundgesetzes .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 15 III. Probleme für den Individualrechtsschutz des Grundgesetzes- Grundrechtsschutz in Gemeinschaftsrechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Intensivierung des Grundrechtsproblems durch Intensivierung der Gemeinschaftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechtsschutz gegen Gemeinschaftsrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . 3. Individualrechtsschutz durch verfassungsgerichtliche Kontrolle des Abstimmungsverhaltens der deutschen Vertreter im Rat . . . . . 4. Gang der Untersuchung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

17 17 18 20 20

B. Die Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat als Voraussetzung für die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 22 I. Die Grundgesetzbindung dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Kriterien der Grundgesetzbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Anwendung auf die deutsche Mitwirkung an Beschlüssen des Rates der EG . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . 23 II. Der richtige Prüfungsmaßstab .. .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . 1. Berechtigung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Binnenwirkungen des Art. 24 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im organisationsrechtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im materiellrechtlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relativierung der Grundgesetzbindung für die deutschen Vertr eter im Rat .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . . . . .. .. .. . bb) Relativierungen der Grundgesetzbindung nur beim Vollzug bestehenden Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Relativierungsmöglichkeiten der Grundgesetzbindung in Gemeinschaftsrechtsfällen in der deutschen Rechtsprechung . . ..... . . ... . .. ........ . ..... .. .. ...... ... . . . ... . .. . . .. .. . dd) Der richtige Prüfungsmaßstab für die Kontrolle der deutschen Vertreter im Rat .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . . .. .. .. .

25 25 25 25 26 26 27 28 30

III. Gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat und ihrer bundesverfassungsgerichtliehen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . .. . . .. . . . .. . . . .. .. . . . . . . . .. . .. . . 33

Inhaltsverzeichnis

6

C. Allgemeine Probleme der verfassungsgerichtlichen Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der EG . . . . . . . . . . . 35 I.

r~~~~~~:rt~~~!~fs~h~~~~~~a-~~-~~ -~~~~-~~-f-~-~~ ~~~-t~~~-~~ -~~~~~~~

35

1. Antragsbegehren in den bisherigen Verfahren............. . .. . . . . . . 35

2. Rechtserheblichkeit der einzelnen Abschnitte deutscher Mitwirkung an der Ratsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 a) Vorbereitung der Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 b) Abstimmung im Rat selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IL Das pflichtgemäße Verhalten des Antragsgegners Bundesregierung als Gegenstand des richtigen Antragsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Verhaltenspflichten gegenüber anderen Verfassungsorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wahrung des materiellen Grundgesetzstandards und der besonderen Verhaltenspflichten im Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) In den Fällen mit vertraglich vorgesehener Einstimmigkeit . . b) In den Fällen mit vertraglich vorgesehener Mehrstimmigkeit . . aa) Die Mehrstimmigkeit nach dem Recht der Verträge . . . . . bb) Die Überlagerung des Mehrstimmigkeitsprinzips durch die Luxemburger Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Inhalt und rechtliche Bedeutung der Luxemburger Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Die Luxemburger Vereinbarung nach Inkrafttreten der EEA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Die Luxemburger Vereinbarung nach der Änderung der Geschäftsordnung des Rates . . . . . . . . . . . . . ddd) Die Disziplinierung der Berufung auf "sehr wichtige Interessen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Pflicht des deutschen Vertreters im Rat, sich zur Verhinderung materiell verfassungswidrigen Gemeinschaftsrechts auf die Luxemburger Vereinbarung zu berufen . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Problem des Beratungsgeheimnisses im Rat . . . . . . . . .

39 39 39 39 40 42 42 43 43 45 45 48

48 49

D. Spezifische Probleme bei den einzelnen geeigneten Verfahrensarten . . . . . 52 I. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts im "Tabakbeschluß" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Differenzierte Würdigung der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbarkeit der für rein nationale Fälle entwickelten Kriterien des Unmittelbarkeitserfordernisses auf die Kontrolle über deutsche Staatsvertreter in Rechtsetzungsorganen einer internationalen Organisation . . . . aaa) Sinn, Zweck und Anwendungsbereich des Unmittelbarkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Besonderheiten des Prüfungsgegenstands "deutsches Abstimmungsverhalten im Rat" . . . . . . . . . . . . . bb) Adäquate Anwendung des Unmittelbarkeitserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 52 53

54 54 55 56

Inhaltsverzeichnis

7

2. Rechtswegerschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Beschwerdegrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 II. Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragsberechtigung .. .. .. . . .. .. . .. . . . .. . .. . . . .. .. . . . .. .. . .. . .. .. . .. .. . 2. Antragsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Kontrolle über das Abstimmungsverhalten im Rat . . . . . a) Rechte des Bundestags .. .. . .. .. .. .. .. .. . . . .. . .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. . b) Rechte des Bundesrats .. .. .. . .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .

63 63 64 65 65 66

III. Bund-Länder-Streit . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung des anhängigen Verfahrens .. .. . . .. . .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. . 2. Das Problem des Beschwerdegrundes . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. . a) Erforderlichkeit einer Verfassungsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verletzung des Bundesstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 67 67 67

c) ~~~\eJz~~1 ~~-~ -~~~-~~~~~~~~~~~~-~. ~-~~. ?~n~~~~-~~~e~. (~: d) Schwachstellen dieser Angriffspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompetenzordnung .. .. .. .. . .. .. .. .. .... .. .. .. .. . ... .. . .. .. .. e) Verletzung von Rechten aus Art. 2 EEA-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . .

68 68 69 69 69 70

IV. Andere öffentlich-rechtliche Streitigkeit (Art. 93 Abs.l Nr. 4 GG) 71

E. Das Erfordernis vorläufigen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Die beschränkte Reichweite von Grundgesetzbindung und bundes-

verfassungsgerichtlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

II. Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 BVerfGG .... . .......... .. .. . ................... . ...................... . .. . . . 1. Gefährdung des gemeinen Wohls .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. . . .. .. .. .. 2. Abwägungskriterien bei der einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung auf die Kontrolle über die deutsche Mitwirkung an der Entscheidung im Rat .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. . . .. .. .. .. 4. Zulässiger Inhalt einer einstweiligen Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 73 74 75 78

F. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 G. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Abkürzungsverzeichnis a. A.

anderer Ansicht

a. a. 0.

am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz alte Fassung Agrarrecht (Zeitschrift) Archiv des öffentlichen Rechts

ABI. Abs. a. F. AgrarR AöR Art. Aufl. Az. BayVBl. Bd. Bde. Beil. BGBl. BR-Drucks. BullEG BullEWG BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG bzw. CMLRev ders. Diss. DöV Dok. DVBl. EA EAG EAGV ebd. EEA EEA-Gesetz

Artikel Auflage Aktenzeichen Bayerische Verwaltungsblätter Band Bände Beilage Bundesgesetzblatt Bundesratsdrucksache Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Bulletin der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise Common Market Law Review derselbe Dissertation Die öffentliche Verwaltung Dokument Deutsches Verwaltungsblatt Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft eben da Einheitliche Europäische Akte Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte

Abkürzungsverzeichnis EG EGKS EGKSV EP EuGH EuGRZ EuR EWG EWGV FAZ FG Fn. FusV gern. GewArch GG GVBl. GMBl. h. M. Hrsg. i. d. F. (d. Bek.) JA JIR JuS JZ lit. MGVO m.w.Nw.

NJW

Nr. NVwZ OVG Plenarprot. Rn. Rs. Rspr. Sten. Prot. UAbs. verb. Rs. VerhEP

Europäische Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäisches Parlament Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Finanzgericht Fußnote Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Fusionsvertrag) gemäß Gewerbearchiv Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gemeinsames Ministerialblatt herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung (der Bekanntmachung) Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für Internationales Recht Juristische Schulung Juristenzeitung Iitera Milchgarantiemengen-Verordnung mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberverwaltungsgericht Plenarprotokoll Randnummer Rechtssache Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften Stenographische Protokolle Unterabsatz verbundene Rechtssachen Verhandlungen des Europäischen Parlaments

10

VG VGH vgl.

VwGO ZaöRV zit. ZUM

Abkürzungsverzeichnis Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verwaltungsgerichtsordnung Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zitiert Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

A. Problemstellung I. Problematische Aspekte der Integrationsdynamik Die am 1. Juli 1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1 hat die weitreichenden Auswirkungen des europäischen Gemeinschaftsrechts auf die deutsche Rechtsordnung bewußt gemacht. Der Kompetenzzuwachs, den die Änderung der Verträge durch die EEA den Gemeinschaften brachte 2 , ist zwar keineswegs so einschneidend, zumal diese Materien von den Gemeinschaftsorganen bereits zuvor weitgehend unter Berufung auf Art. 235 EWGV in Anspruch genommen worden waren3. Allerdings wurden neue Verfahrensregeln geschaffen, um das in Art. 8 a EWGV vorgegebene Ziel, bis zum 31. Dezember 1992 den Binnenmarkt schrittweise zu verwirklichen 4 , leichter erreichen zu können 5 . Bedeutsamer ist aber der Integrationsschub, der von der faszinierenden (man möchte fast sagen "public relations"-) Formel Binnenmarkt 1992 ausgeht: Im Juni 1985legte die Kommission unter Berufung auf mehrere Entschließungen des Europäischen Rates ein Weißbuch über die Vollendung des Binnenmarktes vor, das 300 Vorschläge für zu erlassende Rechtsakte und einen Zeitplan für ihre Realisierung enthielt 6 . In ihrem 1988 erstatteten Bericht gemäß Art. 8 b EWGV über den Stand der Arbeiten im Hinblick auf die Verwirklichung des Binnenmarktes konnte die Kommission feststellen, daß die 300 Vorschläge auf 279 gekürzt werden und das Ziel, 90% der Vorschläge bis zum Ende des Jahres 1988 vorzulegen, erreicht werden würde 7, was allerdings nicht ganz zutraf 8 • BisABl. 1987 Nr. L 169; BGBl. 1986 II, S. 1104; BullEG Beil. 2/86. Zu nennen sind insbesondere die Strukturpolitik (Art. 130 c-e EWGV), Forschung und Technologie (Art. 130 f-q EWGV) und die Umweltpolitik (Art. 130 r-t EWGV). 3 Vgl. die Aufzählung bei Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 235, Rn. 10. 4 Art. 8 a EWGV wurde durch Art. 13 EEA (Fn. 1) eingefügt. Die Festsetzung des Termins "31. Dezember 1992" bringt keine automatische rechtliche Wirkung mit sich, vgl. die Erklärung der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 28. Februar 1986 (Schlußakte zur EEA), BullEG Beil. 2/86, S. 24. s Vgl. insbesondere Art. 100 a EWGV und dazu Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 8 a, Rn. 4. 6 Dok. KOM (85) 310 endg., Anhang. 7 Vollendung des Binnenmarktes: Ein Raum ohne Binnengrenzen. Bericht über den Stand der Arbeiten gemäß Artikel 8b des EWG-Vertrages, Luxemburg 1988, S . 3, Ziffer 8. a Vgl. zum Stand vom 31. Mai 1989 den Vierten Bericht von der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Durchführung des Weißbuchs der Kommission zur Vollendung des Binnenmarkts, Dok. KOM (89) 311 endg. I 2, S . 6 1

2

12

A. Problemstellung

her hat der Rat 130 dieser Vorschläge verabschiedet. Zusammen mit den Vorschlägen, zu denen im Verfahren der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament ein gemeinsamer Standpunkt erzielt wurde, und den erreichten Teilentscheidungen sind 50% des Programms verwirklicht 9 . Nicht alle dieser Initiativen der Kommission stießen auf einhellige Begeisterung. Dies kann bei Gesetzesentwürfen auf europäischer Ebene aber ebensowenig erwartet werden wie auf nationaler Ebene. Neben der üblichen, vom jeweiligen Interesse der durch eine Regelung der Fachmaterie betroffenen Kreise her verständlichen Kritik traten aber in der Bundesrepublik Deutschland zwei spezifische, grundsätzliche Punkte zutage, die, obgleich mit solcher Interessenwahrung verwoben, darüber hinausgehen und an Grundfragen des Gemeinschaftsrechts und seines Verhältnisses zum nationalen Recht rühren: Die Grenze der Gemeinschaftskompetenzen und ihrer sachgerechten Wahrnehmung und die grundrechtliehen Schranken gemeinschaftlicher Rechtsetzungsmacht.

II. Probleme für das institutionelle Gefüge des Grundgesetzes, insbesondere die bundesstaatliche Ordnung Die extensive Interpretation und entsprechende Wahrnehmung der Verbandskompetenzen der EG durch die Kommission ist insbesondere auf die Kritik der deutschen Bundesländer und des Bundesrats gestoßen. Nach ihrer Auffassung hat die Kommission in einer Vielzahl von Fällen die Kompetenzen überschritten 10 • Diese Kritik richtet sich auch gegen den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), soweit er diese Kompetenzausweitungen mittrug u oder selbst vornahm 12. und Anhang I. Gemäß der Mitteilung der Kommision über die Instrumente zur Verwirklichung des Binnenmarktes, Dok. KOM (89) 422 endg. vom 7. September 1989 stehen noch 43 Vorschläge aus, von denen 28 die Bereiche Veterinärmedizin und Pflanzenschutz betreffen. 9 Vgl. Dok. KOM (89) 422 endg. (Fn. 8), S . 1. Große Probleme bereitet aber der innerstaatliche Vollzug der Richtlinien, vgl. ebd., Anhänge I-IV. 10 Vgl. die Rede des damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß vor dem Bayerischen Landtag am 3. Februar 1988, Plenarprot. Nr. 11148, S. 3146; Antwort der Bayerischen Staatsregierung vom 3. Februar 1988 auf eine Interpellation aus dem Bayerischen Landtag, Plenarprot. Nr. 11 I 48, Anlage 2, S. 17; Beschluß des Bundesrats vom 16. Mai 1986, BR-Drucks. 150 I 86, S. 10 f.; Sten.Prot. der Sitzung des Bundesrats vom 21. Februar 1986, S. 107. l l Der EuGH hat erst in einem einzigen Fall einen Rechtsakt der Kommission (staatengerichtete Entscheidung) wegen Überschreitens der Verbandskompetenz der EG für (teilweise) nichtig erklärt, Urteil vom 9. Juli 1987, verb. Rs. 281,283-285 und 287185 - Bundesrepublik Deutschland u . a. I Kommission -, Rspr. 1987, S. 3203 (3252 f ., 3255, Entscheidungsgründe 22-24, 34- 36).

II. Probleme für das institutionelle Gefüge des Grundgesetzes

13

1. Einwirkungsmöglichkeiten der Länder auf die deutschen Vertreter im Rat der EG

Da die Länder aber erkannten, daß ihre Einflußmöglichkeiten auf die EG und die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen ergangenes Gemeinschaftsrecht - trotzeiner eigenen Klagebefugnis vor dem EuGH 13 - gering sind 14 , haben sie versucht, über die nationale Ebene effektive Einwirkungsmöglichkeiten auf den EG-Rechtsetzungsprozeß zu gewinnen. Unter Ausnutzung des frühzeitig zugestandenen 15 Zustimmungserfordernisses seitens des Bundesrats zum Vertragsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte 16 ist es ihnen gelungen, dem Bund das neue Bundesratsverfahren abzutrotzen. Neben einer umfassenden Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat über alle Vorhaben im Rahmen der EG, die für die Länder von Interesse sein könnten 17 , wurde darin eine Einwirkungsmöglichkeit der Länder auf die deutsche Beteiligung an der Rechtsetzung im Rat institutionalisiert. Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung bei Beschlüssen der EG, die ganz oder in einzelnen Bestimmungen ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren, dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme, die sie bei den Verhandlungen im Rat berücksichtigt. Die vom Bundesrat vorgetragenen Länderbelange hat die Bundesregierung in ihre Abwägung einzubeziehen. Soweit eine Stellungnahme jedoch ausschließliche Gesetzgebungsmaterien der Länder betrifft, darf die Bundesregierung hiervon nur aus unabweisbaren außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen und hat die dafür maßgeblichen Gründe dem Bundesrat mitzuteilen. In allen anderen Fällen erfolgt diese Mitteilung auf Verlangen des Bundesrats. Ist dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, werden auf Verlangen Vertreter der Länder zu den Verhandlungen in den Beratungsgremien der Kommission 12 Vgl. Stoiber, EA 42 (1987), S . 545. Zur Kritik am Urteil vom 13. Februar 1985, Rs. 293/83- Gravier I Stadt Lüttich -, Rspr. 1985, S . 593, vgl. Rudolf Streinz, Die Auswirkungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf die Kompetenzen der deutschen Bundesländer, in: Heckmann I Messerschmidt (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Öffentlichen Rechts, Berlin 1988, S . 15-51 (41 f.). 13 Vgl. das Urteil des EuGH vom 8. März 1988, verb. Rs. 62 und 72187- Executif Regional Walion und S . A. Glaverbel I Kommission - , Rspr. 1988, S. 1573 (1592, Entscheidungsgrund 8). 14 Vgl. dazu Michael Schweitzer, Föderalismus und europäische Integration- Was erwartet die Österreichischen Bundesländer in der EG?, in: Schwind (Hrsg.), Österreichs Stellung heute in Europarecht, IPR und Rechtsvergleichung, Wien 1989, S. 2946 (39); Rudolf Streinz, Die Landesparlamente im Spannungsfeld zwischen europäischer Integration und europäischem Regionalismus, Manuskript 1989, S . 18 ff. 15 Vgl. Staatssekretär Lutz Stavenhagen, 560. Sitzung des Bundesrats vom 31. Januar 1986, Sten.Prot., S . 37 und S . 64. 16 EEA-Gesetz, BGBL 1986 II, S. 1102. 17 Art. 2 Abs. 1 EEA-Gesetz.

14

A. Problemstellung

und des Rates hinzugezogen, soweit dies der Bundesregierung möglich istls. All dies wurde gemäß Art. 2 Abs. 6 EEA-Gesetz durch die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vom 17. Dezember 1987 19 im einzelnen präzisiert. Damit wurde den Ländern über den Bundesrat eine relativ weitgehende Einwirkungsmöglichkeit auf die deutsche Vertretung im Rat eingeräumt. Dies begegnete unter verschiedenen Gesichtspunkten verfassungsrechtlichen Bedenken, die zwar naheliegen, aber im Ergebnis nicht durchgreifen 20 . Wenn die Bundesregierung das neue Bundesratsverfahren als Beruhigungsmittel für die Länder mit dem davon erhofften Zweck betrachtet haben sollte, so dürfte sie sich verschätzt haben. So verlangte z. B. die Freie und Hansestadt Harnburg in einem Entschließungsantrag an den Bundesrat 21 von der Bundesregierung Rechenschaft über ihr von der Stellungnahme des Bundesrats abweichendes Abstimmungsverhalten im Rat beim Beschluß über Umweltschutz-Richtlinien 22 . Dies zeigt, daß der Bundesrat und die Länder die im Vertragsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte begründeten Pflichten der Bundesregierung als Rechtspflichten ernst nehmen und ihre daraus fließenden Rechte durchaus geltend zu machen gewillt sind.

Art. 2 Abs. 2 - 5 EEA-Gesetz. Abgedruckt in: Sekretariat des Bundesrates (Hrsg.), Bundesrat und Europäische Gemeinschaften, Dokumente, Bonn 1988, Dok. Nr. 51 a . Vgl. ferner die Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates, BGBl. 1988 I, S . 857. 20 Gerügt wurde insbesondere die Wahrung von Rechten der Länder durch das Bundesorgan Bundesrat, das mit Mehrheit entscheiden könne. Vgl. dazu z. B. Rudolf Morawitz, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Wahrnehmung von EG-Aufgaben. Erfahrungen und Reformbestrebungen, in: Magiera I Merten (Hrsg.), Bundesländer und Europäische Gemeinschaft, Berlin 1988, S. 45-60 (54 ff.). Herbert Bethge, Die Rolle der Länder im deutschen Bundesstaat und die rechtlichen Einflußmöglichkeiten auf die nationale Gemeinschaftspolitik, in: Kremer (Hrsg.), Die Bundesrepublik Deutschland und das Königreich Spanien 1992- Die Rolle der Länder und der Comunidades Aut6nomas im Europäischen Integrationsprozeß, München 1989, S . 22-50 (47); Winfried Kössinger, Die Durchführung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bundesstaat. Bund I Länder-Verhältnis und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Berlin 1989, S. 116; vgl. auch Hans-Jochen Vogel, Zu einigen aktuellen verfassungspolitischen Problemen im Bund-Länder-Verhältnis, in: Fürst I Herzog I Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, Bd. 2, Berlin 1 New York 1987, S. 1059-1075 (1070 ff.). Zu weiteren verfassungsrechtlichen Einwänden vgl. Bethge, a . a. 0 ., S. 43 ff. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des neuen Bundesratsverfahrens gemäß dem EEA-Gesetz siehe unten Fn. 68. 21 Vom 13. April1989, BR-Drucks. 194189. 22 Der Bundesrat hat dazu noch nicht Beschluß gefaßt. Nach Beratungen im Umwelt- und Europaausschuß ist die Angelegenheit seit 19. Mai 1989 vertagt. 18

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II. Probleme für das institutionelle Gefüge des Grundgesetzes

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2. Verfassungsgerichtliche Kontrolle des Abstimmungsverhaltens der deutschen Vertreter im Rat im Hinblick auf die institutionellen Forderungen des Grundgesetzes Die Geltendmachung von Rechten wirft sogleich die Frage nach ihrer Justitiabilität auf. Denn der praktische Wert eines materiellen Rechts zeigt sich erst in der Antwort auf die Frage seiner Durchsetzbarkeit und d. h . im Streitfall seiner gerichtlichen Durchsetzbarkeit. Wollen die Länder oder der Bundesrat von der Bundesregierung ein bestimmtes Verhalten erzwingen, so handelt es sich um einen Streit zwischen Verfassungsorganen, für den sich die verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelfe des Organstreits gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG bzw. des Bund-Länder-Streits gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG anbieten. Beide Verfahrensarten fordern aber die Geltendmachung einer möglichen Verletzung von im Grundgesetz verankerten Rechten 23 . Damit scheidet die alleinige Berufung auf das EEA-Gesetz als einfaches Gesetzesrecht aus. Der Antragsteller müßte geltend machen, daß die als verletzt bezeichnete Bestimmung des EEA-Gesetzes lediglich eine Konkretisierung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten sei 24 . Diese Frage liegt jetzt dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Klage der Bayerischen Staatsregierung gegen die Bundesregierung wegen eines Beschlusses des Bundeskabinetts hinsichtlich der Abstimmung des deutschen Vertreters im Rat über die EG-Rundfunkrichtlinie 25 vor 26 • Dieses Verfahren, das die prak§ 64 Abs. 1 BVerfGG; § 69 i.V. m. § 64 Abs. 1 BVerfGG. Im übrigen wäre zu prüfen, ob die Rechte aus dem EEA-Gesetz in einem anderen gerichtlichen Verfahren justitiabei sind. Siehe dazu unten S. 71. 25 Vgl. den Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Rundfunktätigkeit vom 29. April 1986, Dok. KOM (86) 146 endg. in der geänderten Fassung vom 31. März 1988, Dok. KOM (88) 154 endg. Die EG-Kommission hat durch ihr - auch in anderen Fällen feststellbares - gelinde gesagt ungeschicktes Auftreten den Widerstand der Länder geradezu provoziert. So sollte die Rundfunkrichtlinie nicht isoliert, sondern als ein wichtiger Aspekt einer umfassenden Medienpolitik gesehen werden, vgl. Dok. KOM (86) 146 endg., S. 7 (Nr. 14). Vgl. auch Ripa di Meana (Mitglied der EG-Kommission), EG-Magazin Heft 9- 1987, S. 16 f. Dieangesichts der nicht auf den EG- Raum beschränkbaren Rundfunkwellen durchaus sachgerechten Bemühungen um eine Regelung im Rahmen des Europarats (vgl. dazu Wenger, EA 44 (1989), S. 545 ff. m. w. Nw.) kommentierte d1e EG-Kommission so: "Zu bedauern ist allerdings, daß sich der Rat nicht auf den Vorschlag der Kommission zur Liberalisierung der audio-visuellen Dienstleistungen einigen konnte. Einige Mitgliedstaaten zogen es vor, kostbare Zeit und Mühe auf eine Einigung über eine Konvention des Europarates zu verschwenden, die in keiner Weise eine Gemeinschaftsrichtlinie ersetzen kann" (Bericht der Kommission (Fn. 7), S. 5, Ziffer 12 b). Die Richtlinie wurde am 3. Oktober 1989 in- rechtlich zweifelhafter- entschärfter Form und auf die Fernsehtätigkeit beschränkt vom Rat gegen die Stimmen Belgiens und Dänemarks verabschiedet (vgl. ABI. Nr. L 298, S. 23; berichtigt in ABI. Nr. L 331 , S. 51). Vgl. dazu unten S . 81. 26 Vgl. den Schriftsatz der Bayerischen Staatsregierung, im Prozeß vertreten durch Prof. Dr. Peter Lerche, vom 6. April 1989, S. 45 ff., 48 ff. (Hilfserwägung). 23

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A. Problemstellung

tischeAktualitätdes hier erörterten Problems beweist, kann darüber hinaus Aufschluß über die Position des Bundesverfassungsgerichts zu einer Reihe weiterer grundsätzlicher Probleme geben, namentlich zu den Schranken der Integrationsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 GG im institutionellen Bereich 27 und zur Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts in Gemeinschaftsrechtssachen, insbesondere hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Überprüfung von Überschreitungen der Verbandskompetenz der EG 28 • Die Zurückweisung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch Urteil vom 11. April 1989 29 hat das Hauptsacheverfahren in diesen Punkten nicht präjudiziert. Das vorübergehende Scheitern der EG-Rundfunkrichtlinie im Rat 30 und die zunächst antragskonforme Abstimmung des deutschen Vertreters 31 haben das Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung der Grundsatzfrage ebensowenig entfallen lassen 32 wie die mittlerweile mit Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Verabschiedung der Richtlinie 33 • Vgl. ebd., S. 10 a f., 16 ff. Vgl. ebd., S . 35 ff. 29 2 BvG 1/89 (abgedruckt in ZUM 1989, S. 235 f. und EuGRZ 1989, S. 337 ff.). 30 Vgl. Werle, EG-Magazin Heft 7/8-1989, S. 32: Da neben der Bundesrepublik Deutschland, Belgien und Dänemark am 14. Juni 1989 auch die Niederlande Ablehnung signalisierten, unterblieb eine Abstimmung im Rat. 31 Die Festlegung des gemeinsamen Standpunkts des Rates erfolgte am 13. April 1989 gegen die Stimmen der Bundesrepublik Deutschland, Dänemarks und Belgiens, vgl. Europaforum Nr. 5/89, S. 1. Der Beschluß mit qualifizierter Mehrheit genügte gern. Art. 149 Abs. 2 lit. a EWGV, da die Kommission ihren Richtlinienvorschlagmit zweifelhafter Begründung - auf Art. 57 Abs. 2 Satz 3 i. V. m . Art. 66 EWGV stützte. 32 Vgl. dazu BVerfGE 10, 4 (11) und Ulsamer, in: Maunz u.a., BVerfGG, § 64, Rn. 24 f. BVerfGE 3, 12 (18) steht dem nicht entgegen, da das Feststellungsbegehren sich auf den entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers gefaßten Kabinettsbeschluß vom 8. März 1989 bezog. Zweck des Organstreitverfahrens und damit auch des BundLänder-Streits (vgl. § 69 BVerfGG) ist trotz der kontradiktorischen Ausgestaltung weniger die Durchsetzung subjektiver Rechte und Pflichten als die Wahrung und Klärung des objektiven Verfassungsrechts. Zum bestehenden Feststellungsinteresse aus der Sicht des Antragstellers vgl. den Schriftsatz von Prof. Dr. Peter Lerche vom 29. Mai 1989, S. 7 ff. 33 Der Rat hat die Richtlinie am 3. Oktober 1989 gegen die Stimmen Belgiens und Dänemarks beschlossen. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Oktober 1989, S . 18. Die Bundesregierung erklärte ihre vom Verhalten bei der Festlegung des gemeinsamen Standpunkts (vgl. oben Fn. 31) abweichende Zustimmung damit, daß die Bedenken der Bundesländer durch Änderungen des ursprünglichen Richtlinienvorschlags weitgehend ausgeräumt werden konnten, vgl. FAZ, a. a . 0. Dies trifft zwar in einigen Bereichen zu (vgl. die in Fn. 25 genannten Richtlinienvorschläge mit der im ABI. 1989 Nr. L 298, S. 23, berichtigt in ABI. 1989 Nr. L 331, S. 51 veröffentlichten Richtlinie), entkräftet aber nicht vollständig den Haupteinwand der fehlenden Verbandskompetenz der EG, zumal die besonders strittige Quotenregelung erhalten bleibt. Insoweit offenbart der Beschluß des Rates eine bedenkliche Verwilderung der EG-Rechtsetzung, wenn in Art. 4 der Richtlinie die Quotenregelung hinsichtlich der Herkunft der ausgestrahlten Produktionen beschlossen, zugleich aber in einem gesonderten Beschluß erklärt wird , daß dies nicht rechtsverbindlich sein solle, vgl. FAZ, a. a. 0. 27

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III. Probleme für den Individualrechtsschutz des Grundgesetzes

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ßl. Probleme für den Individualrechtsschutz des Grundgesetzes - Grundrechtsschutz in Gemeinschaftsrechtssache n 1. Intensivierung des Grundrechtsproblems durch Intensivierung

der Gemeinschaftstätigkeit

Die mögliche Beeinträchtigung von Grundrechten durch die Tätigkeit der EG-Organe ist heute allgemein anerkannt3 4 • In der Erkenntnis, daß bei Fehlen eines Grundrechtsschutzes auf Gemeinschaftsebene dieser auch gegenüber Akten der Gemeinschaftsorgane im nationalen Recht gesucht werden 35 und dadurch die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts gefährdet würde, hat der EuGH einen originär gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutz entwickelt, dessen Basis aber von den Verfassungen der Mitgliedstaaten als Rechtserkenntnisquellen gespeist wird 36 . Die eingangs beschriebene Intensivierung der Gemeinschaftstätigkeit bringt zwangsläufig eine quantitative und qualitative Intensivierung des Grundrechtsproblems mit sich. Dabei ist die vornehmlich wirtschaftslenkende Gemeinschaftstätigkeit von Hause aus besonders grundrechtsintensiv 37 . Mögen auch die Beschränkungsmöglichkeiten im Bereich des Wirtschaftsrechts weit reichen, die betroffenen Unternehmen haben jedenfalls einen Anspruch darauf, daß Beschränkungsmaßnahmen rechtlich einwandfrei, d . h. insbesondere unter Beachtung und Wahrung der Schrankenschranken von Grundrechten, namentlich des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, erfolgen 38. Durch Maßnahmen der EG-Organe können durchaus auch andere Grundrechte als die "klassischen" Wirtschaftsgrundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit, der Berufsfreiheit und des Eigentums betroffen sein. Als Beispiel sei die Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen genannt, die zum Aufdruck bestimmter Warnhinweise auf die Verpackungen von Tabakerzeugnissen verpflichtet3 9 • Die betroffenen Unter34 Vgl. dazu und zur Entwicklung dieser Erkenntnis Rudolf Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht. Die Überprüfung grundrechtsbeschränkender deutscher Begründungs- und Vollzugsakte von Europäischem Gemeinschaftsrecht durch das Bundesverfassungsgericht, BadenBaden 1989, S. 34 f., 47 f. m. w . Nw. 35 Hervorragend verdeutlicht im Vorlagebeschluß des VG Stuttgart vom 18. Juni 1969, zitiert in EuR 5 (1970), S. 39 (46 ff.). 36 Vgl. dazu Pernice, in: Grabitz, EWGV, Art. 164, Rn. 42 ff.; Streinz (Fn. 34), s. 47 ff., 53 ff., 399 ff. 37 Vgl. ebd., S . 456 ff. 38 Bedenklich daher Pierre Pescatore, Der gerichtliche Schutz der Grundrechte. Bericht über die Rechtslage in der Gemeinschaft beim VII. Internationalen Kongreß über Europäisches Recht, Luxemburg 1975, S. 38 f. Vgl. zu möglichen (insoweit verständlichen) Motiven Pescatores aber Streinz (Fn. 34), S. 433 f.

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A. Problemstellung

nehmen fühlten sich dadurch nicht nur in ihren Grundrechten aus Art. 2 und Art. 14 GG, sondern auch aus Art. 5 Abs. 1 GG ("negative Meinungsäußerungsfreiheit") verletzt 40 . 2. Grundrechtsschutz gegen Gemeinschaftsrechtsakte

Die Möglichkeit von Grundrechtsverletzungen durch oder aufgrund von Rechtsakten der EG-Organe wirft die Frage auf, bei welchem Gericht dagegen Rechtsschutz erlangt werden kann. Dies richtet sich nach dem angegriffenen Gegenstand: Handelt es sich um einen Akt deutscher Staatsgewalt, so ist Rechtsschutz vor den deutschen Gerichten, gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht zu suchen. Wird dagegen ein Akt der Gemeinschaftsorgane angegriffen, ist zu dessen rechtlicher Beurteilung ausschließlich der EuGH zuständig. Für die deutschen Gerichte besteht insoweit auch keine subsidiäre Zuständigkeit 41 . Obwohl es das Bundesverfassungsgericht im Solange II-Beschluß 42 versäumt hat, diese Differenzierung nach den Prüfungsgegenständen klarzustellen 43 , dürfte sie- bei Verdeutlichung der Problematik - in der Sache gesichert sein. Aus alledem folgt: Vor deutschen Gerichten anfechtbar sind alle deutschen Begründungs- und Vollzugsakte von Europäischem Gemeinschaftsrecht, also die Zustimmungsgesetze zu den Gründungsverträgen einschließlich deren Änderungen, deutsche Umsetzungsgesetze zu EG-Richtlinien bzw. ergänzende Gesetze zu EG-Verordnungen, Verwaltungsakte deutscher Behörden im Vollzug von Gemeinschaftsrecht und deutschem Ausführungsrecht 44 . Kein geeigneter Prüfungsgegenstand für deutsche Gerichte sind dagegen primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht als solches 45 . Insoweit stehen nur die Klagemöglichkeiten zum EuGH offen46 . 39 Vgl. Art. 4 des Richtlinienentwurfs, ABI. 1988 Nr. C 48, S. 8 (9) und Art. 4 i.V. m . Anhang zu Art. 4 Abs. 2 der am 13. November 1989 verabschiedeten Richtlinie 89/ 622/EWG, ABL. Nr. L 359, S. 1. 40 Vgl. den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Mai 1989, 2 BvQ 3/ 89, S. 5 (abgedruckt in EuGRZ 1989, S. 339 f.). 41 Vgl. -in anderem Zusammenhang- BVerfGE 58, 1 (Leitsätze 1b und 1c). 42 BVerfGE 73, 339. 43 Vgl. die Kritik bei Hilf, EuGRZ 1987, S. 6; Streinz (Fn. 34), S. 293 f. 44 Vgl. ebd., S. 154 ff. m. w. Nw. 45 Vgl. ebd., S. 141 ff. m . w . Nw. 46 Vgl. dazu z. B. kritisch zu bestehenden Lücken von Winterfeld, NJW 1988, S. 1409 ff. Vgl. auch Müller-Huschke, EuGRZ 1989, S. 213 ff. zur Verbesserung des Individualrechtsschutzes durch das Europäische Gericht Erster Instanz. Dieses Gericht führt aber lediglich zu einer Entlastung des EuGH und damit zu einer Beschleunigung der Verfahren, erhöhter Konzentration auf die Fortentwicklung des Rechts und anderen Vorteilen, die mittelbar dem Individualrechtsschutz zugute kommen, nicht aber zu einer Ausweitung des Klagesystems.

III. Probleme für den Individualrechtsschutz des Grundgesetzes

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Sind somit die jeweils zulässigen Prüfungsgegenstände an sich geklärt, so ergeben sich wegen der Verzahnung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht Probleme hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs bei der Kontrolle gemeinschaftsrechtlich determinierter deutscher Vollzugsakte der Legislative oder Exekutive. Denn die unbeschränkte inzidente oder besser mittelbare Kontrolle der gemeinschaftsrechtlic hen Vorgaben durch nationale Gerichte gefährdet die Einheitlichkeit des Gemeinschaftsrechts ebenso wie die- auf die Anwendbarkeit im Einzelfall beschränkte- Überprüfung von sekundärem Gemeinschaftsrecht als solchem, die das Bundesverfassungsge richt im Solange-Beschluß gefordert 47 und im Solange li-Beschluß nur suspendiert hat4 8 • Soll nicht die Übertragung von Hoheitsrechten an eine zwischenstaatliche Einrichtung mit eigenen Legislativ- und Exekutivbefugnissen durch innerstaatliche Vollzugshemmnisse zunichte gemacht werden, muß der Prüfungsmaßstab für die Vollzugsakte, soweit sie gemeinschaftsrechtlic h determiniert sind, derselbe sein wie für die Begründungsakte 49 . Die notwendige Differenzierung nach der gemeinschaftsrechtlic hen Vorgabe bei der Prüfung deutscher Vollzugsakte hat der Beschluß der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsge richts vom 12. Mai 1989 zutreffend herausgestellt: Der nationale Gesetzgeber sei bei der Umsetzung von EG-Richtlinien an die Vorgaben des Grundgesetzes gebunden. Die Frage, ob er bei der Umsetzung im Rahmen des ihm von der Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum s Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt, unterliege in vollem Umfang verfassungsgerichtlic her Überprüfung. Im übrigen, d. h . soweit die gemeinschaftsrechtlic he Vorgabe reicht, differiere der Rechtsschutz: Soweit die Richtlinie den Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts verletzen sollte, gewähre der EuGH Rechtsschutz. Wenn auf diesem Wege der vom Grundgesetz als unabdingbar gebotene Grundrechtsstandard nicht verwirklicht werden sollte, könne das Bundesverfassungsge richt angerufen werden 50 • Damit deutet das Bundesverfassungsge richt an, daß in jedem Einzelfall bei gegebenem Anlaß der Solange li-Vorbehalt aktiviert werden kann 51 .

BVerfGE 37, 271 (Leitsatz). BVerfGE 73, 339 (Leitsatz 2). 49 Vgl. Streinz (Fn. 34), S. 271. so 2 BvQ 3189 (Fn. 40), S. 7. 51 Ebenso wohl Kirchhof, JZ 1989, S. 454. Vgl. zum Problem der Einzelfallprüfung einerseits Hilf, EuGRZ 1987, S. 6 und Helmut Steinberger, Aspekte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgeric hts zum Verhältnis zwischen Europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Recht, in: Hailbronner I Ress I Stein (Hrsg.), Festschrift für Karl Doehring, Berlin u. a. 1989, S. 951-968 (962), andererseits Streinz (Fn. 34), S. 299 ff. und Rupert Scholz, Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatlicher Verfassungsrechtsschutz , in: Friauf IScholz, Europarecht und Grundgesetz, Berlin 1990, S . 53- 111 (83 ff., 104 f.). Anders als hier bewertet diese "sibyllinische" Äußerung des Bundesverfassungsgeric hts Herdegen, EuGRZ 1989, S. 311, 312 . Siehe dazu auch unten S. 58. 47

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A. Problemstellung

3. Individualrechtsschutz durch verfassungsgerichtliche Kontrolle des Abstimmungsverhaltens der deutschen Vertreter im Rat Die aufgezeigte Problematik einer inzidenten bzw. mittelbaren Überprüfung erlassenen Gemeinschaftsrechts legt es nahe, bereits die Entstehung von verfassungswidrigem Gemeinschaftsrecht möglichst zu verhindern. Hierzu bietet sich die (präventive) verfassungsgerichtliche Kontrolle über die grundgesetzgebundenen (Art. 1 Abs. 3 GG) deutschen Vertreter im Rat an. Zur Wahrung individueller Rechte wurde dies erstmals mit dem Antrag mehrerer Zigarettenhersteller vom 12. Mai 1989 auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen die Bundesregierung versucht, mit der dieser aufgegebenen werden sollte, im Rat gegen den Vorschlag einer EG-Richtlinie über die Etikettierung von Tabakerzeugnissen zu stimmen und sich auch gegenüber den anderen Mitgliedstaaten für die Ablehnung dieser Richtlinie einzusetzen 52 • Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, daß die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde mangels unmittelbarer Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen unzulässig wäre 53 . Damit hat das Bundesverfassungsgericht, den problematischen Punkt zutreffend erkennend 54, die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen das Abstimmungsverhalten der deutschen Vertreter im Rat generell verneint, während es die Zulässigkeit entsprechender Anträge im Bund-Länder-Streit inzident grundsätzlich bejaht hatss. Es fragt sich aber, ob die Argumente der Kammer diese unterschiedliche Behandlung tatsächlich rechtfertigen. 4. Gang der Untersuchung Die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts setzt als Prüfungsgegenstand das Verhalten eines grundgesetzgebundenen Organs voraus. Denn das Grundgesetz ist Prüfungsmaßstab. Folglich ist zunächst zu fragen, ob die Abstimmung des deutschen Vertreters im Rat den Bindungen des Grundgesetzes unterliegt. Ist dies dem Grunde nach festgestellt, bleibt zu erwägen, ob der Gemeinschaftsbezug bestimmte Relativierungen dieser Grundgesetzbindung und damit des Prüfungsmaßstabs zuläßt. Weiters ist zu fragen, ob das Abstimmungsverhalten auch die übrigen Anforderungen an verfassungsprozessuale Prüfungsgegenstände erfüllt, welches Verhalten das Grundgesetz im einzelnen fordert und ob auch andere Akte im Rahmen der Willensbildung des deutschen Beitrags zur Ratsentscheidung als Prü2 BvQ 3/89 (Fn. 40), S. 2. Ebd., S . 6. 54 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 19 Abs. IV, Rn. 50; Streinz (Fn. 34), S . 208. 55 Vgl. Urteil vom 11. April 1989 (Fn. 29), S . 10: Entscheidung in der Hauptsache bleibt vorbehalten. 52

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111. Probleme für den Individualrechtsschutz des Grundgesetzes

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fungsgegenstände in Frage kommen. Sodann ist zu ermitteln, welche Verfahrensarten für die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutschen Vertreter im Rat in Frage kommen. Da die Entstehung verfassungswidrigen Gemeinschaftsrechts tunliehst verhindert werden soll, kommt der Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes besondere Bedeutung zu. Schließlich soll den praktischen Realisierungschancen einer Kontrolle über das deutsche Abstimmungsverhalten im Rat über das Bundesverfassungsgericht nachgegangen werden.

B. Die Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat als Voraussetzung für die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts I. Die Grundgesetzbindung dem Grunde nach 1. Kriterien der Grundgesetzbindung

Die Bindung der Staatsgewalt an das Grundgesetz normiert Art. 20 Abs. 3 GG: Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung sind an Gesetz und Recht, damit aber auch an die Verfassung gebunden. Diese Unterwerfung der gesamten Staatsgewalt unter das Recht ist für eine besonders bedeutsame Materie, die Grundrechte, in Art. 1 Abs. 3 GG präzisiert: Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht. Die in diesen Bindungsklauseln aufgeführten Grundgesetz- bzw. Grundrechtsverpflichteten ss bedürfen unter mehreren Gesichtspunkten weiterer Präzisierung 57. Bei Fragestellungen mit internationalem Bezug - wie hier der Mitwirkung des deutschen Vertreters im Rechtsetzungsorgan der Europäischen Gemeinschaften als internationalen Organisationen 58 - ist insoweit die Beschränkung der Grundgesetzbindung auf die vom Grundgesetz verfaßte und ihm unterworfene Staatsgewalt59 erheblich. Diese Beschränkung ist selbstverständlich, weil die Bindungskrafteiner Verfassung nur so weit reichen kann wie ihr Geltungsbereich. Grundgesetzgebunden sind somit die Staatsorgane und die Staatsfunktionen, die vom Grundgesetz konstituiert und legitimiert sind 60 . Damit korrespondiert die Beschränkung der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts auf Akte deutscher öffentlicher Gewalt 61 .

56 Vgl. zu diesem Begriff Klaus Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, München 1988, S. 1202. 57 Vgl. ebd., S. 1203 ff. 58 Vgl. zu dieser Typisierung Werner Meng, Das Recht der Internationalen Organisationen - eine Entwicklungsstufe des Völkerrechts. Zugleich eine Untersuchung zur Rechtsna tur des Rechtes der Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden, 1979. 59 Vgl. BVerfGE 57 , 9 (23); 22, 293 (297 ff.); 58,1 (26); Stern (Fn. 56), S. 1228 f. m.w.Nw. so Ebd., S . 1229. 61 Vgl. Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz u. a ., BVerfGG § 90, Rn. 70 ff. m . w. Nw.

I. Die Grundgesetzbindung dem Grunde nach

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2. Anwendung auf die deutsche Mitwirkung an Beschlüssen des Rates der EG

Entscheidend ist somit, ob die Abstimmung des deutschen Vertreters im Rat als Akt eines Staatsorgans und Ausübung einer Staatsfunktion bezeichnet werden kann, die vom Grundgesetz konstituiert und legitimiert sind. Dies beurteilt sich nach Zusammensetzung (Konstitution) und Wirkungsweise (Funktion) des Rates62. Der Rat ist gemäß Art. 4 Abs. 1 EWGV63 ein Organ der Europäischen Gemeinschaften. Als solches ist er nur dem Gemeinschaftsrecht, nicht aber nationalem Recht verpflichtet 54 . Aus diesem Grunde unterliegen Beschlüsse des Rates nicht der Grundgesetzbindung und damit auch nicht der Jurisdiktion des Bundesverfassungsgerichts. Der Rat setzt sich aber - im Gegensatz zur Kommission 65 - nicht aus OrganwaUern der Gemeinschaften, sondern aus ("echten") Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Jede Regierung entsendet eines ihrer Mitglieder66. Als Vertreter des jeweiligen Mitgliedstaates handeln die Vertreter im Rat entsprechend internem Verfassungsrecht im Interesse und nach Weisung der zuständigen staatlichen Organe 67 . Sowohl die Entscheidung der verfassungsrechtlich 68 wie gemeinschaftsrechtlich 69 zuständigen Bundesregierung 62 Vgl. zum folgendem eingehend Karl Heinrich Friauf, Die Bindung deutscher Verfassungsorgane an das Grundgesetz bei Mitwirkung an europäischen Organakten, in: Friauf /Scholz, Europarecht und Grundgesetz, Berlin 1990, S. 11 -52 (36 ff.). 63 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorn 25. März 1957, BGBl. II, S. 766. Parallele Regelungen enthalten Art. 3 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAGV) vorn 25. März 1957, BGBI. II, S. 1014 und Art. 7 Abs. 1 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gerneinschaft für Kohle und Stahl (EGKSV) vorn 18. April1951, BGBl. 1952 II, S. 447. Die Organe dieser drei rechtlich fortbestehenden Gemeinschaften wurden durch den Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kornmission der Europäischen Gemeinschaften vorn 8. April 1965 (Fusionsvertrag, FusV), BGBI. II, S. 1454 fusioniert, vgl. Art. 1 FusV. 64 Vgl. Leontin-Jean Constantinesco, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften I. Das institutionelle Recht, Baden-Baden 1977, S. 407. Nationales Recht haben die Gemeinschaftsorgane nur insoweit zu beachten, als ihnen das Gemeinschaftsrecht dies vorschreibt. Vgl. zu diesbezüglichen Beispielsfällen Albert Bleckmann, Europarecht, 4. Aufl., Köln/Berlin/Bonn/München 1985, S. 178 f.; Grabitz, in: Grabitz, EWGV, Art. 5, Rn. 17; Streinz (Fn. 34), S . 331 ff. 65 Vgl. Art. 10 Abs. 2 FusV. 66 Art. 2 Abs. 1 FusV. 67 Vgl. Harnier, in: von der Groeben u. a., EWGV, Art. 146, Rn. 1; Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 146, Rn. 2. 68 Vgl. Art. 32 Abs. 1 GG und Füßlein, in: Seifert I Hörnig, GG, Art. 32, Rn. 1. Zur Abgrenzung der Organkompetenz der Bundesregierung vgl. BVerfGE 68, 1 (Leitsätze 1a und 4). Zur Abgrenzung der Verbandskompetenz des Bundes gegenüber den Ländern und den damit verbundenen Problernen des EEA-Gesetzes (vgl. oben Fn. 16) vgl. Füßlein, a. a. 0. Zum Problern der Anhindung der Regierungsentscheidung an Vorgaben anderer Organe aus verfassungsrechtlicher Sicht vgl. Jochen Frowein, Bun-

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B. Die Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat

über die Entsendung eines bestimmten Ministers zu einer Ratssitzung als auch ihre Entscheidung über die ihm zu erteilenden Weisungen im Hinblick auf sein Abstimmungsverhalten sind Akte deutscher Staatsgewalt 70 . Gleiches gilt für die Abstimmung des deutschen Vertreters im Rat selbst. Dem steht nicht entgegen, daß diese im Rahmen eines Gemeinschaftsorgans 71 und örtlich meist 72 außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erfolgt. Denn die Grundgesetzbindung gilt für die gesamte deutsche Staatsgewalt überall dort, wo sie tätig wird 73. Nach alledem steht fest, daß sowohl die Bundesregierung bei ihrer Beschlußfassung über die Abstimmung im Rat als auch der deutsche Vertreter im Rat bei der Abstimmung selbst an das Grundgesetz gebunden sind74.

desrat, Länder und Europäische Einigung, in: Bundesrat (Hrsg.), Vierzig Jahre Bundesrat. Tagungsband zum wissenschaftlichen Symposium an der Evangelischen Akademie Tutzing vorn 11. bis 14. April 19.89, Baden-Baden 1989, S. 285-302 (292 f.) rn. w. Nw. zum Streitstand. Das aus praktischen Gründen eingeführte neue Bundesratsverfahren läßt sich auch verfassungsrechtlich rechtfertigen. Als zutreffende Kornpetenzgrundlage erscheint Art. 24 Abs. 1 GG, der, wie das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat, nicht nur zur Übertragung von Hoheitsrechten, sondern auch zu den damit zwangsläufig verbundenen binnengerichteten Folgen ermächtigt (BVerfGE 31 , 145 (174)). Vgl. dazu Streinz (Fn. 14), S. 24 f. Im Ansatz ebenso Eberhard Grabitz, Die deutschen Länder in der EG-Politik: Verfassungsrechtliche Grundlagen, in: Hrbek I Thaysen (Hrsg.), Die Deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1986, S. 169-180 (179). Vgl. auch Vogel (Fn. 20), S. 1072. Zur verfassungsrechtlichen Gebotenheit einer solchen Regelung unter dem Gesichtspunkt der Korrektur von integrationsbedingten Systemverschiebungen im Organgefüge des Grundgesetzes siehe unten S. 25 f., 64 f. Zur Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesregierung vgl. unten bei Fn. 134 a. 69 Vgl. Art. 2 Abs. 1 FusV. Wer Regierungsmitglied ist, bestimmt sich zwar nach den nationalen Verfassungen. Es muß sich aber nach der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe um ein Regierungsmitglied handeln, vgl. Schweitzer, in: Grabitz, EWGV Art. 146, Rn. 4. Zum Problern der Anhindung der Regierungsentscheidung an Vorgaben anderer Organe aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht vgl. unten S. 33 f. 70 Vgl. Friauf (Fn. 62), S. 42. 71 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz 1 Dürig, GG, Art. 19, Rn. 50. 72 Zu den Tagungsorten des Rates vgl. Schweitzer, in: Grabitz, EWGV, Art. 146, Rn. 7. Wenn Deutschland den Vorsitz im Rat innehat, tagt der Europäische Rat auch in der Bundesrepublik. 73 Vgl. Stern (Fn. 56), S. 1230. 74 Allgerneine Meinung, vgl. bereits Karl Heinrich Friauf, Die Staatenvertretung in supranationalen Gemeinschaften. Ein Beitrag zur Rechtsstellung des Ministerrats in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgerneinschaft, Marburg 1960, S. 128 f.; ders. (Fn. 62), S. 52; Bleckmann (Fn. 64), S. 20 f. ; Herdegen, EuGRZ 1989, S. 313; Meier, NJW 1971, S. 965; Schmidt-Aßmann, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 19, Rn. 50; Scholz (Fn. 51), S. 88 f.; Streinz (Fn. 34), S. 206; Wohlfarth, JIR 195911960, S. 30. A. A. jetzt aber wohl Nicolaysen, EuR 1989, S. 218 f.

II. Der richtige Prüfungsmaßstab

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II. Der richtige Prüfungsmaßstab 1. Berechtigung der Fragestellung Die Frage nach dem richtigen Prüfungsmaßstab mag auf den ersten Blick verwundern. Denn Prüfungsmaßstab für grundgesetzgebundene Akte ist selbstverständlich das Grundgesetz und nur das Grundgesetz. Die Frage ist aber deshalb berechtigt, weil die Abstimmung im Rat im Rahmen einer Rechtsetzung durch eine zwischenstaatliche Einrichtung erfolgt, auf die gemäß Art. 24 Abs. 1 GG "Hoheitsrechte übertragen" 75 wurden und übertragen werden durften. Das Bundesverfassungsgericht hat zutreffend entschieden, daß Art. 24 Abs. 1 GG "bei sachgerechter Auslegung" nicht nur besage, daß die Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche Einrichtungen überhaupt zulässig ist, sondern auch, daß die Hoheitsakte ihrer Organe vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind7 6 • Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß eine Integrationsgemeinschaft wie die EG nur durch die Verzahnung von Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht im organisatorischen und materiellen Bereich sinnvoll funktionieren kann. Fraglich ist, ob diese Öffnung der nationalen Rechtsordnung für das Gemeinschaftsrecht 77 sich über den Vollzug des Gemeinschaftsrechts im nationalen Bereich hinaus auch auf die nationalen Vorgaben für die verfassungskonforme Entstehung von Gemeinschaftsrecht auswirken kann. 2. Binnenwirkungen des Art. 24 Abs. 1 GG a) Im organisationsrechtlichen Bereich

Solche "Binnenwirkungen" des Art. 24 Abs. 1 GG können für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von organisationsrechtlichen Kompensationen für integrationsbedingte Systemverschiebungen fruchtbar gemacht werden. Denn dadurch wird lediglich die grundgesetzlich vorgegebene Balance zwischen den Verfassungsorganen oder zwischen Bund und Ländern aufrechterhalten. Aus diesem Grunde greifen z. B. die naheliegenden Bedenken 75 Schon BVerfGE 37, 271 (279) stellte fest, daß die Formel "Übertragung von Hoheitsrechten" in Art. 24 Abs. 1 GG nicht wörtlich genommen werden dürfe. Zur Deutung des Übertragungsakts vgl. Streinz (Fn. 34), S . 108 ff. m. w . Nw. 76 BVerfGE 31, 145 (174). 77 Zu dieser Öffnung vgl. neben BVerfGE 31, 145 (174) z. B. BVerfGE 37, 271 (280), 58, 1 (27 f.), 73, 339 (375). Zur "offenen Staatlichkeit" vgl. allgemein Klaus Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit. Ein Diskussionsbeitrag zu einer Frage der Staatstheorie sowie des geltenden deutschen Staatsrechts, Tübingen 1964, S . 10 ff. m. w . Nw.; Rojahn, in: von Münch, GG, Art. 24, Rn. 2 f.

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B. Die Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat

gegen die Beteiligung der Länder über den Bundesrat an der an sich der Bundesregierung obliegenden deutschen Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rat der EG im Ergebnis nicht durch 78 .

b) Im materiellrechtlichen Bereich

Fraglich ist, ob Art. 24 Abs. 1 GG ähnliche Binnenwirkungen a u cl l aul den nationalen Standard der durch Art. 20 Abs. 3, 1 Abs. 3 GG angeordneten Grundrechtsbindungen für die deutsche Abstimmung im Rat entfaltet, mit anderen Worten, ob Art. 24 Abs. 1 GG auch insoweit "Relativierungen" der Grundgesetzbindung bei Fällen mit Integrations-, hier Gemeinschaftsbezug zuläßt. aa) Relativierung der Grundgesetzbindung für die deutschen Vertreter im Rat Eine solche Relativierung nimmt von Meibom an. Er geht zwar von der Grundgesetzbindung des deutschen Vertreters im Rat aus und folgert daraus, daß dieser bei der Stimmabgabe grundsätzlich die Normen des Grundgesetzes zu beachten habe. Dieser Grundsatz gelte aber nicht ohne Ausnahme. Aus Art. 24 GG ergebe sich, daß der Verfassungsgesetzgeber das Grundgesetz gegenüber internationalen Organisationen öffnen wollte, um bestimmte, über den nationalen Rahmen hinausgehende Ziele zu verwirklichen. Es liege in der Natur der vom Verfassungsgeber ins Auge gefaßten internationalen Einrichtungen, daß bei ihrer Willensbildung auch nationale Vertreter mitwirken, wenn auch das Ausmaß ihrer Beteiligung verschieden gestaltet sein könne. Man hätte deshalb davon ausgehen können, daß der Vertreter eines Mitgliedstaates im Rat von den Bestimmungen seiner Verfassung dann abweichen darf, wenn die Ziele, die mit der internationalen Organisation verfolgt werden, nicht auf verfassungskonformen Wege erreicht werden können 79 . Von Meibom hält dies bei zwei Fallkonstellationen für denkbar: Einer Zustimmung in vollem Bewußtsein der Verfassungswidrigkeit, um übergeordnete Vertragsziele zu verwirklichen, oder einer Zustimmung in Unkenntnis des Verfassungsverstoßes. In beiden Fällen sei die Bundesrepublik aus Art. 5 EWGV verpflichtet, "die Verfassung den Erfordernissen der Gemeinschaft anzupassen" 80 . Dies gelte nur dann nicht, wenn der Wesensgehalt eines Grundrechts angetastet sei. Denn die vom nationalen Verfassungsgesetzgeber unüberwindbaren Schranken dürften auch von den Gemeinschaftsorganen nicht außer Acht gelassen werden. Den Wesensgehalt von 78 79 80

VgL dazu oben Fn. 68. von Meibom, DVBL 1969, S. 441 (IV, 2). Vgl. auch ebd., S . 442 (V 3a , bb). Ebd., S. 441 (IV 3). Vgl. auch ebd., S. 442 (V 3 a , cc).

II. Der richtige Prüfungsmaßstab

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Grundrechten 81 antastendes sekundäres Gemeinschaftsrecht sei gemeinschaftsrechtswidrig und gemäß Art. 173 EWGV anfechtbar 82 . Eine generelle Auswechslung des Prüfungsmaßstabs in Fällen mit Gemeinschaftsbezug nimmt offenbar Bandilla an, wenn er die verfassungsrechtlich begründete Kontrollpflicht der Bundesregierung 53 inhaltlich auf die Beachtung rechtsstaatlicher Gesichtspunkte des Gemeinschaftsrechts beschränkt 84 • bb) Relativierungen der Grundgesetzbindung nur beim Vollzug bestehenden Gemeinschaftsrechts Im Gegensatz dazu differenziert Stern zwischen Begründungs- und Vollzugsaktenvon Gemeinschaftsrecht und räumt nur bei letzteren einen Relativierungsspielraum für die grundgesetzgebundenen deutschen Vollzugsorgane ein. Die Übertragung deutscher Staatsgewalt nach Art. 24 GG unterliege als Maßnahme konstituierter Staatsgewalt in vollem Umfange dem Verfassungsrecht des Grundgesetzes. Sie sei damit nur unter Wahrung der Grundrechte zulässig, deren Sicherung eben dadurch gewährleistet werde 85 . Die rigide und umfassende Bindungsklausel des Art. 1 Abs. 3 GG untersage zwar jegliche Mitwirkung an der Beeinträchtigung von Grundrechten und fordere deren Verhinderung. Dies dürfe aber nicht durch Bruch der eingegangenen völkerrechtlichen Pflichten gegenüber der zwischenstaatlichen Einrichtung geschehen, indem die von dieser gesetzten Maßnahmen nicht durchgeführt oder gar aufgehoben würden. Aus der Grundrechtsgebundenheit erwachse kein Recht zu solcher Verweigerung, da dies mit dem ebenfalls verfassungsrechtlich gesicherten Sinn und Zweck des erlaubten Verzichts nach Art. 24 GG kollidieren würde. In Frage komme nur eine Einwirkung auf die Gemeinschaftsorgane zur Korrektur ihres Hoheitsaktes, um eine Harmonisierung der jeweiligen Rechtspflichten der deutschen Staatsgewalt (Grundrechtsbindung, Vertragstreue gegenüber der Integrationsgemeinschaft) zu finden 86 . Obgleich Stern die Mitwirkung des deutschen Vertreters im Rat nicht ausdrücklich erwähnt, ist sie der ersten Kategorie zuzurechnen. Denn auch hier geht es um die Begründung von Gemeinschaftsrecht. Wie das Zustimmungsgesetz zu einem Integrationsvertrag Begründungsakt für primäres Gemeinschaftsrecht ist, stellt die Zustimmung 87 zu einem Ratsbe81 von Meibom meint offenbar die Grundrechte der Verfassung eines Mitgliedstaates, vgl. ebd., S . 441 (V 2 b). 82 Ebd. 83 Rüdiger Bandilla, Das Klagerecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften gegen Durchgriffsakte, Harnburg 1965, S. 127 f. 84 Ebd., S. 128 f. 85 Stern (Fn. 56), S. 1236 f. (Hervorhebung vom Verfasser). 86 Ebd., S. 1237 (Hervorhebung vom Verfasser). 87 Gleiches gilt für die unterlassene Verhinderung, vgl. Art. 148 Abs. 3 EWGV.

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