Bürgerbeteiligung richtig machen: Was die Ethik-Richtlinie 'Bürgerbeteiligung und Kommunikation' für die Praxis bedeutet 3658428015, 9783658428013, 9783658428020

Dieses essential bietet komprimiertes Wissen zur Kommunikationsethik informeller Bürgerbeteiligung. Erklärt wird, was Bü

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German Pages 47 Year 2023

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Table of contents :
Was Sie in diesem essential finden können
Geleitwort und Einführung
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
1 Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft
1.1 Beteiligung als gesellschaftliche Erwartungshaltung
1.2 Formen von Beteiligung
1.3 Bürgerbeteiligung als Kommunikationsinstrument
1.4 Erwartungen an Beteiligungsverfahren
1.5 Mängel bei Beteiligungsverfahren
1.6 Kommunikationsethische Probleme bei Beteiligungsverfahren
Literatur
2 PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld
2.1 Positionen in der PR-Ethik
2.2 Selbstkontrolle im PR-Berufsfeld
Literatur
3 Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘
3.1 Entstehung der Richtlinie
3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis
3.2.1 Präambel
3.2.2 Abschnitt I. ‚Transparenz und Verbindlichkeit‘
3.2.3 Abschnitt II. ‚Zugänglichkeit und Repräsentativität‘
Literatur
4 Tipps für die Implementierung
4.1 Strategie
4.2 Strukturen
4.3 Prozesse
4.4 Ressourcen
4.5 Kompetenzen
4.6 Kultur
Literatur
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Bürgerbeteiligung richtig machen: Was die Ethik-Richtlinie 'Bürgerbeteiligung und Kommunikation' für die Praxis bedeutet
 3658428015, 9783658428013, 9783658428020

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Felix Krebber

Bürgerbeteiligung richtig machen Was die Ethik-Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ für die Praxis bedeutet

essentials

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Felix Krebber

Bürgerbeteiligung richtig machen Was die Ethik-Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ für die Praxis bedeutet

Felix Krebber Hochschule Pforzheim Fakultät für Wirtschaft und Recht Pforzheim, Deutschland

ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-658-42801-3 ISBN 978-3-658-42802-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Rolf-Guenther Hobbeling Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.

Was Sie in diesem essential finden können

• Hintergründe zu von Bürgerbeteiligung in modernen Gesellschaften • Typen und Formate von Bürgerbeteiligung – insbesondere informelle, freiwillige Beteiligung • Kommunikationsethische Probleme bei informeller Bürgerbeteiligung • PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld • Bestimmungen der PR-Ethik-Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ • Tipps zur Anwendung in der Praxis

V

Geleitwort und Einführung

Zu Beteiligung ist schon viel geschrieben worden. Auch zu guter Beteiligung. Warum also noch ein Buch zu (Bürger-) Beteiligung? Anlass, dieses schlanke Büchlein zu schreiben, war die Veröffentlichung einer Richtlinie zu freiwilligen Beteiligungsverfahren, die Ende 2022 vom Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) unter dem Titel ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ verabschiedet wurde. An der Entstehung der Richtlinie war der Autor als externer Sachverständiger maßgeblich beteiligt. Mit der Richtlinie liegt nun erstmals ein kommunikationsethisches Regelwerk für freiwillige, informelle Beteiligungsmaßnahmen vor, die außerhalb formaler bzw. gesetzlicher Verfahren stattfinden. Zu den unter die Richtlinie fallenden Initiatoren (im Richtlinientext Organisationen genannt) zählen insbesondere Unternehmen, aber auch Verbände, Vereine und Behörden sowie beauftragte Agenturen (hier synonym für alle, die für Auftraggeber Beteiligungsverfahren umsetzen). Die folgenden Ausführungen sind in keinem Fall als offizielle Position des DRPR zu verstehen, auch wenn der Autor seit 2023 dem DRPR angehört. Vielmehr sind sie praxisbezogene Überlegungen aus wissenschaftlich fundierter Perspektive des Autors, die auf mehr als zehn Jahren Beschäftigung mit dem Thema Partizipation beruhen. Diese Perspektive ist kommunikationswissenschaftlich geprägt. Der vorliegende Band soll inhaltlichen Kontext zur vorliegenden Richtlinie liefern, sie näher erläutern, sie auslegen und praxisnah erklären. Damit soll der Text Orientierung für eine gute Praxis im Feld der Beteiligung bieten. Die wissenschaftlich fundierte Perspektive soll sich in diesem Buch in den Inhalten niederschlagen, weniger in der Form. Daher wurde versucht, komplexe Sachverhalte möglichst verständlich zu formulieren. Auf eine detaillierte Belegführung der einzelnen angesprochenen Zusammenhänge wird zugunsten von besserer Lesbarkeit verzichtet. Stattdessen finden sich am Ende eines jeden

VII

VIII

Geleitwort und Einführung

Kapitels Leseempfehlungen, in denen die geschilderten Zusammenhänge vertieft werden können – und wo sich detaillierte Studienübersichten und Ausführungen zur wissenschaftlichen Literatur finden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit werden wesentliche Zusammenhänge visuell durch Schaubilder und Tabellen illustriert. Der Text gliedert sich in vier inhaltliche Kapitel. Zunächst wird auf das gestiegene gesellschaftliche Beteiligungsbedürfnis eingegangen. Konkrete inhaltliche und prozessbezogene Erwartungen an Beteiligungsverfahren werden dargelegt und die Anbieter solcher Beteiligungsverfahren näher geschildert. Daraufhin werden Mängel bei und Kritik an Beteiligungsverfahren nachgezeichnet, der Regelungsbedarf wird verdeutlicht. Bevor auf die Richtlinie selber eingegangen wird, werden PR-ethische Perspektiven aus dem wissenschaftlichen Diskurs verständlich gemacht. Daraufhin wird die freiwillige Selbstkontrolle des PRBerufsfeldes beschrieben: der DRPR und seine wesentlichen Dokumente auf Basis derer er über die Einhaltung einer guten Praxis im Kommunikationsberufsfeld wacht. Damit ist der Grund gelegt, die Richtline selber zu beschreiben und praxisnahe Hinweise zur Einhaltung der Bestimmungen zu geben. Abschließend wird aufgezeigt, wie die Richtlinie eingebettet werden kann in ein gesamthaftes Ethik-Management des Unternehmens, der Agentur oder der Organisation. Die Richtlinie war notwendig geworden, weil kommunikationsethische Verstöße – insbesondere gegen das Gebot der Wahrhaftigkeit – ermittelt worden waren (vgl. Abschn. 2.5). Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass einzelne ‚schwarze Schafe‘ das Instrument der Beteiligung missbrauchten, etwa indem sie mehr Einflussmöglichkeiten suggerierten als dann tatsächlich eingeräumt wurden. Als Laien müssen Bürger*innen vor solchen Praktiken geschützt werden. Wovon sich unseriöse Akteure kurzfristig einen taktischen Vorteil erhoffen, schadet dem Vertrauen in Institutionen und Organisationen, der Diskurskultur und letztlich der Demokratie. Auch dem Kommunikationsberufsfeld schadet es. Erstens ist die Täuschung von Kommunikationspartner*innen grundsätzlich aus einer normativen Perspektive heraus abzulehnen. Zweitens schadet sie als klares Fehlverhalten auch dem Ansehen des Berufsstandes. Drittens leiden auch Formate der Beteiligung darunter, wenn Bürger*innen davon ausgehen müssten, dass man ihnen gegenüber nicht wahrhaftig wäre. Würde sich der Eindruck durchsetzen, bei Beteiligungsverfahren würde getäuscht, würden Bürger*innen an solchen Formaten nicht mehr teilnehmen. Sie nehmen ja gerade teil, um verlässliche Informationen zu erhalten oder – wenn möglich – auch mitzugestalten. Würden Beteiligungsverfahren an Glaubwürdigkeit verlieren, wären sie als Kommunikationsinstrument wirkungslos. Daher hat das Kommunikationsberufsfeld ein hohes Interesse daran, Fehlverhalten benennen und ahnden zu können, was mit der vorliegenden Richtlinie ermöglicht wird.

Geleitwort und Einführung

IX

Mein Dank gilt den Studierenden im Master Corporate Communication Management an der Business School der Hochschule Pforzheim, mit denen ich zahlreiche empirische Studien zu Bürgerbeteiligung und PR-Ethik umsetzen konnte. Die hier geschilderten Befunde und weite Teile der Richtlinie gründen auf dieser Forschung. Ein herzliches Dankeschön auch allen, die sich für die Richtlinie engagiert haben – insbesondere den Kolleg*innen im Arbeitskreis Akzeptanzkommunikation der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), aus dessen Kreis sich die durch den DRPR beauftragte Arbeitsgruppe zur Erstellung der Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ im Wesentlichen zusammensetzte. Dem Verlag danke ich für die professionelle Betreuung und die fruchtbare Zusammenarbeit. Ich danke abschließend auch Ihnen, liebe Leser*innen, für ihr Interesse und wünsche neue Einsichten und hilfreiche Anregungen für eine gute Praxis. Frankfurt am Main/Pforzheim im Juli 2023

Prof. Dr. Felix Krebber

Inhaltsverzeichnis

1 Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Beteiligung als gesellschaftliche Erwartungshaltung . . . . . . . . . . . . 1.2 Formen von Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Bürgerbeteiligung als Kommunikationsinstrument . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Erwartungen an Beteiligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Mängel bei Beteiligungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Kommunikationsethische Probleme bei Beteiligungsverfahren . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2 PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld . . . . . . 2.1 Positionen in der PR-Ethik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Selbstkontrolle im PR-Berufsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3 Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Entstehung der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Abschnitt I. ‚Transparenz und Verbindlichkeit‘ . . . . . . . . . . 3.2.3 Abschnitt II. ‚Zugänglichkeit und Repräsentativität‘ . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 19 20 23 27 29

4 Tipps für die Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 33 33

XI

XII

Inhaltsverzeichnis

4.4 Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Über den Autor

Prof. Dr. Felix Krebber ist Professor für Unternehmenskommunikation an der Fakultät für Wirtschaft und Recht der Hochschule Pforzheim. Forschungsschwerpunkte sind gesellschaftsorientierte Kommunikation, Ethik strategischer Kommunikation sowie Unternehmensgeschichte als Thema der Unternehmenskommunikation. Felix Krebber studierte Kommunikations- und Staatswissenschaften und promovierte zu Akzeptanz und Kommunikation bei Infrastrukturprojekten. Nach der Dissertation wechselte er in die Kommunikations- und Beratungspraxis, wo er internationale Großunternehmen beriet. Er ist Gründungsmitglied des Arbeitskreises Akzeptanzkommunikation in der Deutschen Public Relations Gesellschaft e. V. (DPRG). Als externer Sachverständiger gehörte er einer Arbeitsgruppe des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) an, die die Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ erstellte. Seit 2023 ist Felix Krebber durch die DPRG gewähltes Mitglied im DRPR. (Foto: Tobias Tanzyna)

XIII

1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Ein Unternehmen möchte eine Energietrasse bauen und bezieht Bürger*innen in die Suche nach einem geeigneten Trassenkorridor ein; eine Kommune will Ideen für die Entwicklung eines Stadtquartiers sammeln und beauftragt eine Beteiligungsagentur mit der Umsetzung eines Beteiligungsverfahrens; ein Projektentwickler plant Windkraftanlagen zu errichten und möchte die betroffenen Bürger*innen informieren. Formen von Beteiligung sind im Alltag vieler Bürger*innen allgegenwärtig. Das Kapitel thematisiert zunächst grundlegend Bedeutung, Bedarf, Formen und aktuelle Probleme von Bürgerbeteiligung. Folgende Fragen werden in diesem Kapitel geklärt: Warum hat Bürgerbeteiligung eine so hohe Bedeutung erlangt? Welche gesellschaftlichen Veränderungsprozesse liegen dem zugrunde? (Abschn. 1.1); Welche Formen von Beteiligung lassen sich unterscheiden? (Abschn. 1.2); Welche Besonderheiten ergeben sich, wenn Bürgerbeteiligung als Kommunikationsinstrument – etwa von Unternehmen – eingesetzt wird? Warum überhaupt setzen auch Unternehmen Bürgerbeteiligung ein? (Abschn. 1.3); Welche Erwartungen stellen Bürger*innen an Beteiligungsverfahren? (Abschn. 1.4); Werden diese Erwartungen erfüllt oder welche Mängel treten auf? (Abschn. 1.5); Welche kommunikationsethischen Probleme ergeben sich bei Beteiligungsverfahren? (Abschn. 1.6).

1.1

Beteiligung als gesellschaftliche Erwartungshaltung

Beteiligung ist zu einer der großen Erwartungen in der Gegenwartsgesellschaft geworden (vgl. Bentele et al., 2015; Krebber, 2016). Wenn Projekte geplant werden, die in die Lebensumwelt von Bürger*innen eingreifen, regt sich nicht selten © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Krebber, Bürgerbeteiligung richtig machen, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0_1

1

2

1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Widerspruch. Dort wo Menschen betroffen sind oder sich betroffen fühlen, wollen sie mitbestimmen. Betroffenheit kann finanziell sein, etwa wenn durch ein Bauprojekt das eigene Grundstück oder Haus an Wert verliert. Sie kann auch emotional sein, wenn Einstellungen, die Menschen wichtig sind, angetastet werden. Ein Beispiel ist der Einsatz für den Klimaschutz, für den Menschen auch weit ab ihres Wohnortes demonstrieren – weil der Wert der Ökologie betroffen ist. Zu erklären ist dieses Mehr an Engagement mit einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren, die nur überblicksartig und auch nicht vollständig benannt werden können: • Gesellschaftliche Modernisierung: Im ihrem Kontext ist ein Wertewandel in der Gesellschaft festzustellen. Selbstbestimmung wird zu einem zentralen Kriterium. Die Bereitschaft, sich traditionellen Autoritäten und Hierarchien unterzuordnen, sinkt. Insofern werden auch Entscheidungen gerne infrage gestellt und nicht alleine deshalb akzeptiert, weil sie ‚von oben‘ kommen. • Bildungsexpansion: Die gesunkene Bereitschaft, Entscheidungen ‚von oben‘ hinzunehmen, ist neben dem Wertewandel auch zurückzuführen auf eine insgesamt besser gebildete Bevölkerung. Durch das gestiegene Bildungsniveau ist es Menschen erst möglich, Sachverhalte umfassend zu hinterfragen. • Glokalisierung: In einer immer komplexer werdenden, globalisierten Welt, gewinnt der lokale Nahraum an Bedeutung. Das Überschaubare im eigenen Umfeld wird zur ‚letzten Bastion‘, die es zu verteidigen gilt. Wenn dann ein Infrastrukturprojekt in diesen Nahraum eindringt, wird Widerstand provoziert, denn die Betroffenheit ist hoch. • Medienwandel: Durch die Digitalisierung hat sich die mediale Umgebung fundamental verändert. Mit den sogenannten ‚sozialen Netzwerken‘ im Internet wuchs die Möglichkeit, sich zu organisieren und gegen Projekte zu demonstrieren. In einem massiven Aufmerksamkeitswettbewerb kämpfen digitale Kanäle und journalistische Medien um Reichweite, was hier wie dort zu Übertreibung, Skandalisierungstendenzen und Lautstärke führt – und einer sachlichen Debatte oft im Wege steht. Aus Betroffenheit erwächst also der Wunsch, mitzubestimmen, sich zu beteiligen. Welche Formen Beteiligung dabei hat und welche Rahmen ihr gegeben werden, wird im folgenden Kapitel geschildert.

1.2 Formen von Beteiligung

1.2

3

Formen von Beteiligung

Partizipation hat verschiedene Gesichter. Sie tritt als politische Beteiligung aus der Bürger*innen-Rolle in Form von Wahlen und Abstimmungen über ehrenamtliches Engagement bis hin zu politischem Protest in Erscheinung. Wir konzentrieren uns nun auf Formen der Bürgerbeteiligung. Bei solcher Beteiligung kann unterschieden werden zwischen verschiedenen Typen: • Formelle Beteiligung: Hierbei handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Einbindung der Öffentlichkeit. Sie wird etwa im Kontext von Infrastrukturprojekten durch die zuständigen Genehmigungsbehörden eingesetzt. • Informelle Beteiligung: Mit informeller Beteiligung sind freiwillige Verfahren der Beteiligung gemeint. Im Kontext von Infrastrukturprojekten sind diese vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren angesiedelt. Diese informelle Beteiligung ist Gegenstand der in diesem Band thematisierten Richtlinie. Solche informelle Beteiligung wird im Auftrag verschiedenster Akteure organisiert und umgesetzt. Informelle Beteiligung kann anhand des gegebenen Einflusses in Typen unterteilt werden. Eine gängige Unterscheidung von Beteiligungsformen ist diejenige nach Information, Konsultation und Kooperation. • Information: Wird als Einflussgrad die Information gewählt, werden Einzelheiten zu einem Projekt bekannt gemacht, Daten und Fakten veröffentlicht. Es wird keine Einflussmöglichkeit auf die Ausgestaltung eines Projektes gegeben. • Konsultation: Werden Betroffene konsultiert, werden ihre Hinweise zur Projektgestaltung erhoben und in unterschiedlich hohem Maße in die Projektgestaltung implementiert. Es wird ein geringes bis mittleres Maß an Einfluss auf das Projekt zugestanden. • Kooperation: Hierbei werden Betroffene umfassend in die Gestaltung einbezogen und können mitentscheiden. Ihnen wird ein hohes Maß an Einfluss auf die Gestaltung eines Projektes ermöglicht. Die Grenzen zwischen den Typen können jedoch fließend sein.

4

1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Kooperation

Konsultation

Information

hoher Einfluss

geringer bis mittlerer Einfluss

kein Einfluss

Abb. 1.1 Typen von Beteiligung – gestaffelt nach dem Einfluss, der Beteiligten ermöglicht wird. (Eigene Darstellung)

Die begleitende Kommunikation unterscheidet sich nach der gewählten Einfluss-Tiefe (vgl. Abb. 1.1). Das Spektrum der Kommunikationsinstrumente, die begleitend in der Projektkommunikation eingesetzt werden oder selber Bestandteil des Beteiligungsprozesses sind, ist vielfältig. Es reicht von Formen der Einweg-Kommunikation bis hin zu dialogischen Formaten – von Websites, Broschüren, Newsletters und Pressearbeit bis hin zu lokalen oder digitalen Dialogveranstaltungen, Bürgersprechstunden, Planungsgruppen und ‚Runden Tischen‘. Wertvolle weiterführende konzeptionelle und theoretische Hinweise finden sich beispielsweise bei Brettschneider (2016), Heddenhausen und Erkens (2020) sowie Nanz und Fritsche (2012) und online beim Berlin Institut für Partizipation (o. J.) sowie auf Partizipendum.de (o. J.).

1.3

Bürgerbeteiligung als Kommunikationsinstrument

Formate informeller Beteiligung werden im Auftrag verschiedenster Akteure als Kommunikationsinstrument eingesetzt. Hier sei etwa an die Stadtplanung gedacht, bei der Kommunen Bürger*innen beteiligen oder auch Unternehmen, die zu einem Projekt noch vor dem formalen Genehmigungsverfahren beteiligen. Dies geschieht operativ oft durch beauftragte Dritte, die solche Verfahren dann

1.3 Bürgerbeteiligung als Kommunikationsinstrument

5

praktisch umsetzen. Sie werden hier Agenturen genannt, auch wenn sie unter verschiedenen Bezeichnungen firmieren (vgl. zu Anbietern von Bürgerbeteiligung auch Abschn. 1.5). Ein Augenmerk soll in den folgenden Ausführungen auf Beteiligung im Auftrag von Unternehmen gelegt werden. Sie hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Durch die starke Orientierung an strategischen Unternehmensinteressen stellen sich kommunikationsethische Fragen hier in besonderer Weise. Kerngedanke, der den folgenden Ausführungen zugrunde liegt ist, dass Unternehmen eingebettet sind in ein gesellschaftliches Umfeld. Deshalb können Unternehmen nicht alleine in Richtung des Marktes kommunizieren (Marketingkommunikation), sondern müssen sämtliche, für den Erfolg des Unternehmens relevante Bezugsgruppen adressieren. Dazu gehören neben den Mitarbeitenden auch die (lokale) Öffentlichkeit, Nichtregierungsorganisationen/Verbände (NGOs), Politik und Verwaltung. Hierbei spricht man von Integrierter Unternehmenskommunikation (Zerfaß, 2022). Grundannahme ist, dass Unternehmen sich in Markt und Gesellschaft integrieren müssen. Unternehmenskommunikation hat dabei die Aufgabe, durch kommunikative Maßnahmen das Unternehmen zu unterstützen, seine Ziele zu erreichen. Das tut sie auch, indem sie die gesellschaftliche Integration unterstützt. Die Argumentation steht im Einklang mit modernen Ansätzen der Organisationssoziologie. Leitidee dort ist, dass oberstes Ziel von Unternehmen Legitimation ist – noch vor der Gewinnerzielung. Legitimation meint die gesellschaftliche Anerkennung bzw. Akzeptanz, dass das Handeln mit den gesellschaftlichen Werten und Normen in Einklang steht (Krebber & Sandhu, 2022). Zu diesen Normen, über die in der Gesellschaft Konsens herrscht, gehört heute neben Erwartungen an den verantwortungsvollen Umgang mit Mitarbeitenden (denken wir etwa an zu verurteilende Kinderarbeit) sowie natürlichen Ressourcen (hier ist an alle Fragen von Umwelt- insbesondere Klimaschutz gedacht) auch der verantwortungsvolle Umgang mit Betroffenen von Unternehmenshandeln – auch durch ihre Einbeziehung in Form von Beteiligungsmaßnahmen. Gerade im Kontext von Infrastrukturprojekten ist diese Betroffenheit oftmals besonders hoch. Beispiele sind Werkserweiterungen, die Flächen beanspruchen und das Landschaftsbild beeinträchtigen, genauso wie die zahlreichen Verkehrs- oder Energie-Infrastrukturprojekte (Krebber 2015). Beteiligungsformate haben inzwischen bei zahlreichen Unternehmen Einzug gehalten in die Unternehmenskommunikation. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die Infrastrukturprojekte planen und umsetzen. Diese Unternehmen haben vielfach Kommunikator*innen bereits in die Projektteams integriert. Dies ist vorteilhaft, da die kommunikative Dimension eines Projektes stets mitbedacht wird und in den planerischen Überlegungen von Beginn an eine Rolle

6

1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

spielen kann. Es zeigt sich darin auch eine veränderte Rolle der Kommunikation. Kommunikator*innen werden dort nicht am Ende einbezogen, wenn bereits Tatsachen geschaffen worden sind, sondern können Projekte mitgestalten entlang der relevanten Erwartungen der Stakeholder. Kommunikation macht nicht am Ende eine ‚schöne Schleife um ein fertiges Paket‘, sondern berät bereits in der Entstehungsphase zu den ‚Inhalten des Pakets‘. Sie wird dabei offenkundig als erfolgskritisch angesehen, sonst wäre ihr fester Stellenwert nicht in dieser Form in vielen Unternehmen verankert. Die Formen von Beteiligung variieren und umfassen das eingangs geschilderte Spektrum – von Information bis hin zu Kooperation. In einer empirischen Untersuchung von Beteiligungsmaßnahmen durch Unternehmen (Krebber, 2016) zeigte sich, dass insbesondere dort, wo die Unternehmen auf die lokale Akzeptanz angewiesen waren, sie umfangreiche Formen der Beteiligung wählten und viel Einfluss auf die Ausgestaltung von Projekten zugestanden. Beteiligungsmaßnahmen sind potenziell ein wirkungsvolles Kommunikationsinstrument, das auf Maßnahmenebene Teil inputorientierter Organisationskommunikation ist. Diese nimmt Erwartungen der relevanten Bezugsgruppen auf, trägt sie beratend in die Organisation hinein und an das (Top-) Management heran und kann Hinweise geben zur akzeptablen Ausgestaltung von Projekten. In der Kommunikation der Projekte kann dann wiederum darauf Bezug genommen werden, inwiefern die Ausgestaltung des Projekts den Erwartungen der Stakeholder entspricht – es damit auf diese Weise legitimieren.

1.4

Erwartungen an Beteiligungsverfahren

Insbesondere nach dem Protest um das Bahn-Projekt ‚Stuttgart 21‘ hat die öffentliche wie auch die wissenschaftliche Debatte rund um Beteiligung starken Aufwind erhalten. Dabei sind in der wissenschaftlichen Literatur zahlreiche Erwartungen der Bevölkerung an Beteiligungsverfahren ermittelt worden sowie aus normativer Perspektive Kriterien benannt worden, wie gute Beteiligung auszusehen habe. Einteilen lassen sich diese Erwartungen einerseits in ethischnormative Kriterien, die wertebasiert Qualitätskriterien beschreiben, andererseits in prozessbezogene Kriterien. Eine weitere Kategorie sind Kriterien, die auf die begleitende Kommunikation bezogen sind. Zur Übersicht werden die Kriterien in der folgenden Tabelle (Tab. 1.1) dargestellt. Viele geschilderte Kriterien finden sich in der Richtlinie wieder, in deren Kontext sie näher ausgeführt werden (Abschn. 4.2).

1.4 Erwartungen an Beteiligungsverfahren

7

Tab. 1.1 Erwartungen an Partizipationsprozesse auf Basis einer umfassenden Literaturübersicht (Krebber und Hitschfeld, 2021) Ethisch-normative Erwartungen • Wahrhaftigkeit: ernsthaftes Prüfen/Eingehen auf Vorschläge, Verlässlichkeit/Einhalten von Zusagen, Verantwortungsübernahme bei Fehlern, Wertschätzung der Kommunikationspartner/ respektvoller Umgang, Verfahrensgerechtigkeit, Kompromissbereitschaft/einvernehmliche Lösung/ Einigungswille, Freiwilligkeit der Kommunikation Prozessbezogene Erwartungen

• Prozessgestaltung: Transparenz, Öffentlichkeit von Veranstaltungen, Nachvollziehbarkeit der Prozessschritte, klare Definition des Diskussionsgegenstandes, Klarheit über Mitgestaltungsmöglichkeit, Dokumentation der Diskussionsergebnisse, Dokumentation über den Implementierungsgrad der Beteiligungsergebnisse in Projektgestaltung • Einfluss: Ergebnisoffenheit, tatsächlicher Entscheidungsspielraum/Entscheidungsmöglichkeit zwischen Alternativen, Implementierung von Stakeholdervorschlägen in Projektgestaltung • Organisation: gut zugängliche Räumlichkeiten, angemessene Bewirtung, technische Erreichbarkeit digitaler Plattformen. FORMAT: geeignetes Veranstaltungsformat/Methode/digitale Plattform, Gesprächsmöglichkeiten mit Fachexperten, unabhängige Moderation. TEILNEHMERKREIS: Repräsentativität der Teilnehmer, Möglichst große Teilnehmerzahl, einflussreiche Repräsentanten des Vorhabenträgers; klare, nachvollziehbare Rollenverteilung der Vertreter des Vorhabenträgers. ZEITPUNKT: Frühzeitigkeit, Proaktivität (Initiative geht von Vorhabenträger aus), Kontinuität im Prozess, Verzahnung formeller und informeller Verfahren • Kompetenz der Prozessbeteiligten (Befähigung der Beteiligten durch gemeinsame Informationsbasis, Schaffung einer gemeinsamen Problemdefinition, Methodenkompetenz des Moderators/der Moderatorin) • Regelmäßige Evaluation des Prozesses und Optimierung der Maßnahmen (Fortsetzung)

8

1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Tab. 1.1 (Fortsetzung) Begleitende Kommunikation

1.5

• Angemessener Kommunikationsstil (Verständlichkeit, Deutlichkeit/keine Umschweife, Sachlichkeit im Argumentationsstil) • Angemessene begleitende interpersonale Kommunikation (Erreichbarkeit des Vorhabenträgers über verschiedene Kommunikationskanäle, Erreichbarkeit von Fachexperten über verschiedene Kommunikationskanäle, Erreichbarkeit von Fachexperten im persönlichen Gespräch, Möglichkeit vertraulicher Gespräche) • Angemessene begleitende medienvermittelte Kommunikation (Aktualität der Information, geeignete Medienwahl/Vielfalt der Kanäle, angemessener Umfang der Information, Ausgewogenheit der Argumentation)

Mängel bei Beteiligungsverfahren

Vielfach werden Beteiligungsverfahren kritisiert. Oft wird bemängelt, dass einzelne oder mehrere der im vorigen Abschnitt genannten Qualitäts- und EthikKriterien nicht eingehalten wurden. In einer umfassenden Medieninhaltsanalyse der Berichterstattung zu Beteiligungsverfahren in der Tages- und Wochenpresse wurde 2019 erhoben, inwiefern Erwartungen an Beteiligungsverfahren hinsichtlich der Qualitäts- und Ethik-Standards erfüllt werden (‚Akzeptanzatlas‘, Krebber, 2019; Krebber, 2020a; Krebber, 2020b). Hierzu wurden 130 Tagesund Wochenzeitungen deutschlandweit untersucht und geäußerte Erwartungen an Beteiligungsverfahren erhoben. Die 459 in der Presse thematisierten Projekte stammten aus den Bereichen Bau- und Stadtentwicklung, Transport und Verkehr sowie Energieversorgung. Analysiert wurde jeweils, ob die Erwartung der zu Wort kommenden Stakeholder (Betroffene/Bürger*innen, Vorhabenträger, Politiker*innen, etc.) bzw. der Journalist*innen als erfüllt oder nicht erfüllt beschrieben wurde. Auch auf die Zukunft bezogene Versprechen (meist seitens der Vorhabenträger) oder Erwartungen (meist seitens der Bürger*innen und der Politik) wurden gezählt (Tab. 1.2). Zu den zehn am häufigsten geäußerten Erwartungen gehörten Abgabe von Hinweisen zur Projektgestaltung, Ergebnisoffenheit, Frühzeitigkeit, Repräsentativität der Teilnehmer*innen, Transparenz, Implementierung von Vorschlägen, Öffentlichkeit der Veranstaltung, ernsthaftes Eingehen auf Vorschläge, Wahrhaftigkeit, sowie angemessener Umfang der Information. Sehr oft gegeben

1.5 Mängel bei Beteiligungsverfahren

9

Tab. 1.2 Die zehn am häufigsten in der Presseberichteten genannten Erwartungen an Beteiligungsprozesse und ihre Bewertung (N = 1369), eigene Darstellung in Anlehnung an Krebber, 2019, S. 14 Erwartung

Erfüllt Nicht erfüllt Auf die Zukunft Nicht zuzuordnen Summe gerichtet

Abgabe von Hinweisen zur Projektgestaltung

84

20

37

11

152

Ergebnisoffenheit 14

29

48

6

97

Frühzeitigkeit

23

30

35

4

92

Repräsentativität der Teilnehmenden

36

24

25

6

91

Transparenz

20

27

34

5

86

Implementierung von Vorschlägen

25

14

26

5

70

Öffentlichkeit der 26 Veranstaltung

14

16

0

56

Ernsthaftes Eingehen auf Vorschläge

17

16

15

0

48

Wahrhaftigkeit

1

29

7

2

39

Angemessener Umfang der Informationen

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war demnach, ein Mindestmaß an Konsultation, nämlich Hinweise abgeben zu können. Viel seltener wurde berichtet, dass auch tatsächlich Hinweise in die Projekte implementiert wurden. Aus einer kommunikationsethischen Perspektive als problematisch anzusehen ist, dass in 29 Äußerungen fehlende Wahrhaftigkeit bemängelt wurde – ein Verstoß gegen ein Kernkriterium der PR-ethischer Regelwerke, auf die in Kap. 4 näher eingegangen wird. In der gleichen Studie waren auch die Anbieter von Beteiligungsmaßnahmen erhoben worden. Gesucht wurde im Internet nach Anbietern von Bürgerbeteiligung. 484 Anbieter wurden identifiziert. Ein großer Teil davon waren Unternehmen, die im Kern nicht der Kommunikationsbranche zuzurechnen sind und dennoch diese Kommunikationsleistung anboten. Hiervon waren 39 Prozent technische Planungsbüros und zehn Prozent Architekturbüros. Spezifische

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1

Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Abb. 1.2 Organisationstypen und Branchen der Anbieter von Bürgerbeteiligung – Befunde aus dem Deutschen Akzeptanzatlas (Krebber, 2019, S. 31)

Beteiligungsagenturen machen ebenfalls zehn Prozent der Unternehmen aus, Kommunikationsagenturen waren zu neun Prozent vertreten. Mediator*innen machten ebenfalls neun Prozent der Anbietenden aus. Die Teamseiten wurden daraufhin analysiert, ob sich explizit auch Kommunikationsexpert*innen (mit Kommunikationsstudium oder Kommunikationsaus- bzw. Weiterbildung) angestellt waren. Dies war zu 58 Prozent nicht der Fall. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass Qualitätsmängel in der Beteiligung und der begleitenden Kommunikation auch mit der fehlenden fachlichen Expertise seitens der Anbieter zusammenhängen könnten (Abb. 1.2).

1.6

Kommunikationsethische Probleme bei Beteiligungsverfahren

Die meisten Beteiligungsverfahren finden nicht ‚im luftleeren Raum‘ statt. Vielmehr werden sie oft im Vorfeld eines erwarteten oder im Kontext eines bereits bestehenden Konflikts eingesetzt. Dabei versuchen Organisatoren eines Verfahrens ein bestimmtes Ziel bzw. ihre Interessen durchzusetzen, wenn es bei dem Verfahren nicht um eine vollkommen ergebnisoffene Erhebung verschiedenster

Literatur

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Positionen geht. Auch Beteiligte sind als Betroffene zumeist mit eigenen Interessen engagiert. In einer solchen Konstellation können sich einige PR-ethische Probleme ergeben. • Machtunterschiede: Initiatoren und Beteiligte sind oft unterschiedlich mit Ressourcen (Zeit, Geld) ausgestattet. Die Bürgerinitiative verfügt oft über weniger Mittel als ein Vorhabenträger. Während der Vorhabenträger eigenes Personal hauptberuflich anstellt oder beauftragt, engagieren sich Bürger*innen in ihrer Freizeit. • Informationsgefälle: Daraus folgt potenziell ein Informationsgefälle. Während der Vorhabenträger Expertise einkaufen kann, müssen Bürger*innen selber Informationen beschaffen und verarbeiten, wenn diese nicht durch den Vorhabenträger aufbereitet werden. • Täuschung über Einfluss: Das beschriebene Machtgefälle kann verantwortungslose und unseriöse Akteure dazu verleiten, die Situation taktisch auszunutzen Dies kann geschehen, indem der Eindruck erweckt wird, ein höheres Maß an Einfluss sei möglich als dann tatsächlich zugestanden wird, um (kurzfristig) einen Konflikt zu versuchen zu befrieden. Intransparenz über das Verfahren wird geschaffen. Dies ist aus PR-ethischer Sicht höchst problematisch, weil es sich um eine Täuschung handelt. Es ist zudem auch taktisch unklug, weil ein solches Fehlverhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit ans Licht kommen wird und dann mit Vertrauensverlusten einhergeht. Zu einem tieferen Verständnis der PR-ethischen Probleme soll der folgende Abschnitt beitragen.

Literatur Bentele, G., Bohse, R., Hitschfeld, U., & Krebber, F. (2015). Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft – Gedanken, Analysen, Thesen. In G. Bentele, R. Bohse, U. Hitschfeld, & F. Krebber (Hrsg.), Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft. Zur Debatte um Legitimation, öffentliches Vertrauen, Transparenz und Partizipation (S. 1–22). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06167-8_1. Berlin Institut für Partizipation. (o. J.). Nachrichten und Analysen zu Partizipation, Bürgerbeteiligung, Demokratie. https://www.bipar.de/. Brettschneider, F. (2016). Erfolgsbedingungen für Kommunikation und Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. In M. Glaab (Hrsg.), Politik mit Bürgern - Politik für Bürger. Bürgergesellschaft und Demokratie. Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-129842_13.

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Partizipation in der Gegenwartsgesellschaft

Heddenhausen, C., & Erkens, A. (2020). Leitfaden Bürgerdialog für kommunale Unternehmen. Die Menschen vor Ort informieren und beteiligen. VKU Verlag. Krebber, F. (2015). Lokale Akzeptanzdiskurse. In G. Bentele, R. Bohse, U. Hitschfeld, & F. Krebber (Hrsg.), Akzeptanz in der Medien- und Protestgesellschaft: Zur Debatte um Legitimation, öffentliches Vertrauen, Transparenz und Partizipation (S. 113–126). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06167-8_7. Krebber, F. (2016). Akzeptanz durch inputorientierte Organisationskommunikation: Infrastrukturprojekte und der Wandel der Unternehmenskommunikation. Springer VS. https:// doi.org/10.1007/978-3-658-12969-9. Krebber, F. (2019). Deutscher Akzeptanzatlas: Status quo von Bürgerbeteiligung und Projektkommunikation sowie ihren Anbietern. Hochschule Pforzheim. https://d-nb.info/119 7265783/34. Krebber, F. (2020a). Kommunikation ohne Kommunikatoren. Zu Qualität und Anbietern von Bürgerbeteiligung. PR Magazin, 51(5), 64–71. Krebber, F. (2020b). Partizipation und reflexive Vermittlung in der gesellschaftsorientierten Kommunikation von Unternehmen. In A. Lorenz, C. P. Hoffmann, & U. Hitschfeld (Hrsg.), Partizipation für alle und alles? Fallstricke, Grenzen und Möglichkeiten (S. 363–382). Springer VS. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27898-4_20. Krebber, F., & Hitschfeld, U. (2021). Akzeptanz und Legitimation von Unternehmen in modernen Gesellschaften: Kommunikative Herausforderung für Unternehmen und Interessengruppen. In U. Röttger, P. Donges, & A. Zerfaß (Hrsg.), Handbuch Public Affairs: Politische Kommunikation für Unternehmen und Organisationen (S. 233–257). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22931-3_12. Krebber, F., & Sandhu, S. (2022). Schlüsselbegriffe der Public Relations: Legitimität und Akzeptanz. In P. Szyszka, R. Fröhlich, & U. Röttger (Hrsg.), Handbuch der Public Relations: Wissenschaftliche Grundlagen des beruflichen Handelns (S. 1–19 (online first)). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28149-6_22-1. Nanz, P., & Fritsche, M. (2012). Handbuch Bürgerbeteiligung. Verfahren und Akteure, Chancen und Grenzen. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/system/ files/dokument_pdf/Handbuch_Buergerbeteiligung.pdf. Partizipendium.de. (o. J.). – Der Bürgerbeteiligungs-Blog. https://partizipendium.de/. Zerfaß, A. (2022). Unternehmenskommunikation und Kommunikationsmanagement: Grundlagen, Handlungsfelder und Wertschöpfung. In A. Zerfaß, M. Piwinger, & U. Röttger (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation (S. 29–87). Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03894-6_2-1.

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PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld

In diesem Kapitel wird auf PR-Ethik sowie die freiwillige Selbstkontrolle im Kommunikations-Berufsfeld eingegangen. Es werden folgende Fragen geklärt: Wie sieht ein ethisch richtiges Kommunikationshandeln von Organisationen aus und welche verschiedenen Positionen gibt es? (Abschn. 2.1); Welche Maßnahmen trifft das Kommunikationsberufsfeld, um sich für eine gute Praxis der beruflichen Kommunikator*innen einzusetzen? (Abschn. 2.2).

2.1

Positionen in der PR-Ethik

Kommunikation von Organisationen wie Verbänden, Behörden und Unternehmen lässt sich ein hoher Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zuschreiben. Mit diesem Einfluss geht auch eine besondere Verantwortung einher. Über diese theoretisch zu reflektieren, ist Aufgabe der PR-Ethik. Sie soll klären, wie ein moralisch richtiges Handeln aussehen kann; also ein Handeln, das mit gesellschaftlichen Normen und Werten im Einklang steht. Ausgangspunkt, sich überhaupt mit ethischen Fragen befassen zu müssen ist, dass Kommunikator*innen in ihrer Praxis oft partikulare Interessen vertreten und dabei dann mit widerstreitenden Interessen konfrontiert sind. Wenn sie ihren Auftraggebenden helfen, Ziele zu erreichen, geraten sie dabei nicht selten in Konflikt mit anderen Akteuren. Diese Konflikte werden auch kommunikativ ausgetragen. Kommunikator*innen, insbesondere wenn sie in Agenturen arbeiten, sehen sich in solchen Auseinandersetzungen vielfach in einer Situation ‚zwischen den Stühlen‘. Einerseits sind sie mit konkreten Aufgaben der Auftraggeber/Vorgesetzten beauftragt,

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Krebber, Bürgerbeteiligung richtig machen, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0_2

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PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld

andererseits stehen sie im Austausch mit Journalist*innen und weiteren Stakeholdern, zu denen sie professionelle, kommunikative Beziehungen pflegen. Daraus entstehende Dilemmata versucht die PR-Ethik zu reflektieren und Anhaltspunkte zu liefern, wie ein richtiges Handeln aussehen kann. (vgl. umfassender hierzu Bentele (2016) und Rademacher (2022) sowie grundlegend zu Wirtschaftsethik Noll (2013)) Überblicksartig werden im Folgenden drei PR-ethische Kernpositionen wiedergegeben (Abb. 2.1). Zwei, die sich konträr gegenüberstehen und eine dritte, die gewissermaßen als ‚Mittelposition‘ verstanden werden kann (vgl. Krebber & Rademacher, 2023). • Öffentlichkeitsverpflichtung: Die Position, PR sei der Öffentlichkeit verpflichtet, ist bislang stark in berufsständischen Kodizes und Selbstverpflichtungen vertreten worden. Sie hebt auf die Verantwortung von Kommunikator*innen gegenüber den Rezipient*innen ab. Sie wird im Fachdiskurs als normativ überhöht kritisiert. • Advocacy: Eine Ethik der Advocacy stellt die Eigeninteressen der Auftraggebenden, also der Organisationen/Unternehmen an die erste Stelle – ganz ähnlich zu einer Vertretung wie sie Anwält*innen für ihre Klient*innen ausführen. • Responsible Advocacy: Die Position der Responsible Advocacy vertritt die Auffassung, PR-Akteure sollten Eigeninteressen der Organisation mit legitimen Gesellschaftsinteressen abgleichen, diese Stakeholder-Interessen in Entscheidungsprozesse der Organisation hineintragen und Entscheidungsträger auf gesellschaftlich akzeptable Entscheidungen hin beraten. Kennzeichnend ist in der Kommunikation der Organisation sowie ihrem Handeln insgesamt eine konsensorientierte Haltung des sich aufeinander Zubewegens – ohne aber berechtigte Eigeninteressen der Organisation unberücksichtigt zu lassen.

2.2 Selbstkontrolle im PR-Berufsfeld

Öffentlichkeitsverpflichtung

Responsible Advocacy

der Öffentlichkeit verpflichtet

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Advocacy

den Auftraggebenden verpflichtet

Abb. 2.1 PR-ethische Positionen: von Öffentlichkeitsverpflichtung bis hin zu Advocacy. (Eigene Darstellung)

2.2

Selbstkontrolle im PR-Berufsfeld

Kommunikationsberufsfeld und Kommunikationsbranche verfügen über ein Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle, den Deutschen Rat für Public Relations (DRPR). Getragen wird der Rat von den großen Branchen- und Berufsverbänden BdKom (Bundesverband der Kommunikatoren), DPRG (Deutsche Public Relations Gesellschaft) und GPRA (Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen Agenturen in Deutschland). Ähnlich zum Deutschen Presserat und dem Deutschen Werberat setzt sich das Berufsfeldgremium für die Einhaltung der Regeln einer guten Praxis ein und kann Fehlverhalten ahnden. Sanktionen bestehen aus Missbilligungen, Mahnungen oder Rügen, die der Rat öffentlich aussprechen kann und damit auf die sogenannte ‚Prangerwirkung‘ setzt. Es soll für Berufsfeldangehörige und Agenturen peinlich sein, wenn ihr Fehlverhalten öffentlich sichtbar beklagt – also angeprangert – wird. Ratssprüche sind dabei nicht mit gerichtlichen Urteilen zu verwechseln, sondern Meinungsäußerungen des Gremiums. Sie basieren auf PR-Kodizes. Zuvorderst zu nennen ist hier der Deutsche Kommunikationskodex. Er umfasst Bestimmungen zu PR-ethischen Kerndimensionen wie Transparenz, Integrität, Fairness, Wahrhaftigkeit, Loyalität und Professionalität. Darüber hinaus sind auch internationale PR-Kodizes

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2

PR-Ethik und Selbstkontrolle im Kommunikationsberufsfeld

wie der Code d’Athenes und der Code de Lisbonne zu beachten. Für einzelne Handlungsfelder – etwa Pressearbeit oder die Kontaktpflege im politischen Raum – existieren Richtlinien des DRPR. Sie konkretisieren die Kodizes für spezifische Felder der Kommunikationspraxis. Umfassende Informationen zum DRPR sowie Kodizes und Richtlinientexte finden sich auf der Website des DRPR (o. J.) unter www.drpr-online.de. Auf die Ratsrichtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ wird im Folgenden eingegangen.

Literatur Bentele, G. (2016). Ethik der Public Relations. In J. Heesen (Hrsg.), Handbuch Medien- und Informationsethik (S. 313–319). J.B. Metzler. https://doi.org/10.1007/978-3-476-053947_42. Deutscher Rat für Public Relations (DRPR) (o. J.). Informationen zum Selbstkontrollorgan, Deutscher Kommunikationskodex und DRPR-Richtlinien. www.drpr-online.de. Krebber, F., & Rademacher, L. (2023). Beteiligungsverfahren als Instrument strategischer Kommunikation Ein Entwurf zur normativen Grenzsetzung auf Basis einer inhaltsanalytischen Untersuchung von Ethik- und Beteiligungsrichtlinien. In T. Koch, J. Beckert, B. Viererbl, & N. Denner (Hrsg.), Grenzen, Entgrenzung und Grenzüberschreitungen der Public Relations und Organisationskommunikation (S. 265–290). Springer VS. https:// doi.org/10.1007/978-3-658-40810-7_13. Noll, B. (2013). Wirtschafts- und Unternehmensethik in der Marktwirtschaft (2. akt. und überarb). Kohlhammer. Rademacher, L. (2022). Ethische Aspekte der Unternehmenskommunikation: Problemfelder und Selbstregulierung. In A. Zerfaß, M. Piwinger, & U. Röttger (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskommunikation: Strategie – Management – Wertschöpfung (S. 253–272). Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22933-7_14.

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Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

In diesem Kapitel wird die Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ vorgestellt. Es werden folgende Fragen geklärt: Wie ist die Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ entstanden und wie wurde sie theoretisch hergeleitet? (Abschn. 3.1); Welche Bestimmungen umfasst die Richtlinie und wie kann man sie auslegen? (Abschn. 3.2).

3.1

Entstehung der Richtlinie

In Abschn. 2.4 waren Mängel bei Beteiligungsverfahren beschrieben worden. Diese entdeckten Mängel waren Anlass für den Arbeitskreis Akzeptanzkommunikation der Deutschen Public Relations Gesellschaft auf den Deutschen Rat für Public Relations zuzugehen und anzuregen, dieses Feld kommunikationsethisch zu Regeln. Zu dem Zeitpunkt fanden sich weder in den Richtlinien noch im Kommunikationskodex Bestimmungen, die spezifische kommunikationsethische Fragen von Beteiligungsverfahren im Kontext der Organisations-/ Unternehmenskommunikation geregelt hätten. Daraufhin entstand eine breit angelegte inhaltsanalytische Untersuchung von Leitfäden und Richtlinien zu Bürgerbeteiligung, auf Basis derer mögliche Regelungskriterien ermittelt wurden. Die Analyse umfasste 59 Leitlinien von Städten und Landkreisen, sechs zivilgesellschaftlichen Akteuren und berufsständischen Vereinigungen (darunter Allianz Vielfältige Demokratie und VDI), Leitlinien kommerzieller Anbietern von Beteiligungsverfahren sowie von Unternehmen, die sich eigene Leitlinien gegeben haben. Diese Kriterien wurden dann jeweils aus den drei bereits eingeführten kommunikationsethischen Perspektiven (vgl. Abschn. 3.1) diskutiert, um zu klären, welche Anforderungen legitimer Weise an Beteiligungsverfahren © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Krebber, Bürgerbeteiligung richtig machen, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0_3

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Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

im Kontext der Organisations-/Unternehmenskommunikation zu stellen sind (vgl. Krebber & Rademacher 2023). Eine verdichtete Übersicht der bisherigen Regelungskriterien sowie der bestehenden, auf Beteiligungsverfahren anwendbaren Kriterien in PR-Kodizes und Richtlinien sortiert nach ethisch-normativen, prozeduralen und kommunikativen Kriterien, ist in Tab. 3.1 dargestellt. Ausführlichere Informationen zur Genese der Richtlinie finden bei Krebber (2023). Tab. 3.1 Vorschlag für Regelungskriterien aus Responsible-Advocacy-Perspektive auf Basis eines Abgleichs bestehender Kriterien (Krebber und Rademacher 2021) Bisherige Leitlinien (Kommunen, Unternehmen, Agenturen, zivilgesellschaftliche und berufsständische Organisationen)

Bisherige PR-Kodizes und Richtlinien

Vorschlag neue Richtlinie

Ethisch-normativ Integrität, demokratische Grundrechte, Wertschätzung, Toleranz, Wahrhaftigkeit, Fairness, Dialogbereitschaft, Empathie, Transparenz, Verbindlichkeit, Sorgfalt

Integrität, demokratische Grundrechte, Wahrhaftigkeit, Fairness, Dialogbereitschaft, Transparenz, Verbindlichkeit, Sorgfalt

Absender- und Finanzierungstransparenz, Transparenz über Einfluss im Verfahren und berücksichtigte Beteiligungsergebnisse, Verbindlichkeit getroffener Aussagen

Prozedural

Zugänglichkeit, Repräsentativität Beteiligter, Einfluss, Ergebnisoffenheit, Frühzeitigkeit, Begleitung/Befähigung, Organisationsverpflichtung, Vertraulichkeit, Interne Organisation, Evaluation, Dokumentation, Veröffentlichung der Ergebnisintegration

Organisationsverpflichtung, Vertraulichkeit, Begleitung/Befähigung

Zugänglichkeit, Repräsentativität, Frühzeitigkeit, Begleitung/Befähigung, Berücksichtigung in Entscheidungsprozessen, Evaluation/ -Dokumentation

Kommunikativ

Öffentlichkeitsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit Vollständigkeit, Aktualität, Kontinuität, Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit, Wertfreiheit, aktive Bewerbung des Prozesses, Zielgruppengerechte Ansprache, konstruktiver Umgang mit Konflikten

Öffentlichkeitsarbeit, Vollständigkeit, Aktualität, Kontinuität, Nachvollziehbarkeit, Verständlichkeit, aktive Bewerbung des Prozesses, Zielgruppengerechte Ansprache, konstruktiver Umgang mit Konflikten

3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis

3.2

19

Richtlinie und Hinweise für die Praxis

Im Folgenden wird die Ratsrichtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ in ihrer Fassung vom 23.09.2022 näher vorgestellt (Abb. 3.1). Diese Ausführungen sind als Kommentierungen und Auslegungen aus wissenschaftlicher Sicht zu verstehen und stellen keine offizielle Aussage des DRPR dar. Vielmehr sollen sie Einblicke in die Gedanken der Richtlinienautor*innen geben, zu denen der Autor dieses Bandes gehörte. Die Auslegung der Richtlinie durch den DRPR und seine Spruchpraxis sind hiervon getrennt zu betrachten Zur Systematik: Es werden die einzelnen Abschnitte und Absätze der Richtlinie einzeln dargestellt (Kästen) und dann einordnend kommentiert.

Abb. 3.1 Die Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR, 2022)

20

3

3.2.1

Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

Präambel

Präambel

Partizipation ist eine gesellschaftliche Erwartungshaltung, die längst nicht mehr allein gegenüber dem politischen System artikuliert, sondern auch zunehmend an Organisationen – insbesondere Unternehmen – herangetragen wird. Dabei vertreten mehr oder weniger organisierte Akteure häufig öffentlich ihre Interessen. In einer pluralistischen, demokratischen Gesellschaft handelt es sich hierbei um eine legitime, notwendige und begrüßenswerte Bereicherung des öffentlichen Diskurses. Organisationen und Unternehmen reagieren in einigen Fällen auf diese Erwartung, indem sie freiwillig Beteiligungsmaßnahmen anstoßen, die in der BerufsfeldDiskussion als eines der Instrumente von „Akzeptanzkommunikation“ beschrieben werden. Diese freiwilligen, informellen Beteiligungsmaßnahmen sind Anwendungsbereich der vorliegenden Richtlinie. Ihnen ist eigen, dass in ihnen auch Interessen des Initiators vertreten werden können. In einer solchen Akteurskonstellation sind Interessenkonflikte zwischen Beteiligten und Auftraggebenden eines Beteiligungsverfahrens oftmals unumgänglich. Daher müssen für solche Maßnahmen hohe ethische Maßgaben gelten. Zu Beginn wird der Richtlinie eine Präambel vorangestellt. Sie ordnet die Regelungen ein und zeigt die Relevanz des zu regelnden Gegenstandes auf. In kompakter Form nimmt die Präambel auf mehrere Aspekte Bezug: • Gesellschaftliche Debatte um Partizipation: Mit der Richtlinie reagiert der Rat auf das Phänomen, dass Beteiligungsprozesse auch außerhalb gesetzlich regulierter Verfahren umgesetzt werden – oft im Auftrag von bzw. durch Unternehmen. Die in dieser oft interessengeleiteten Kommunikation angelegten Interessenkonflikte und die daraus folgenden kommunikationsethischen Probleme werden thematisiert. • Berufsfelddebatte um ‚Akzeptanzkommunikation‘1 : Die Formulierung standesethische Regularien ist ein wichtiger Teil der Professionalisierung 1

Der Arbeitskreis ’Akzeptanzkommunikation’ der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) definiert das Handlungsfeld wie folgt: „Akzeptanzkommunikation ist ein Handlungsfeld strategischer Kommunikation, das der Legitimation von Organisationen (Unternehmen, Verbände, Vereine) und ihrem Handeln dient. Ziel ist es, technologische, gesellschaftliche, sowie Industrie- und Infrastrukturprojekte in Einklang mit

3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis

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von Berufsfeldern, so auch im Kommunikationsberufsfeld. Insofern ist der Richtlinienerlass konsequenter nächster Schritt der Professionalisierungsbemühungen im Feld der ‚Akzeptanzkommunikation‘. • Regelungsbereich: Es werden grundsätzlich alle „freiwillige, informelle Beteiligungsverfahren“ geregelt. Hierzu gehören Verfahren, die im Rahmen der strategischen Kommunikation von Organisation bzw. Unternehmen umgesetzt werden. Mit Organisationen sind etwa Verbände, Vereine oder auch kirchliche Einrichtungen gemeint, die als Akteure mit Eigeninteressen auftreten und im Rahmen ihrer strategischen Kommunikation Beteiligungsverfahren einsetzen. Öffentliche Einrichtungen, Körperschaften und Institutionen sind dann gemeint, wenn sie freiwillige Beteiligungsverfahren umsetzen. Explizit nicht gemeint sind formale Prozesse der politischen Willensbildung. Realisiert eine Agentur (hier synonym für alle Anbieter, die Beteiligungsprozesse für Auftraggeber umsetzen) ein Beteiligungsverfahren und verstößt gegen die Bestimmungen durch ihr zuzurechnendes Fehlverhalten, ist auch sie hier gemeint. Unternehmen und deren Agenturen sind im Blick, wenn sie im Rahmen der Verfolgung ihrer Interessen zu öffentlichen Beteiligungsverfahren einladen. Unternehmensinterne, freiwillige Beteiligungsverfahren waren bei der Konzeption der Richtlinie nicht im Blick, die Regelungen lassen sich aber vom Geist her übertragen und sind ethische Orientierung für sämtliche Beteiligungsprozesse – so etwa auch bei der Beteiligung von Mitarbeitenden.

Grundlegend ist, dass diese Kommunikationsprozesse von einem Geist der gegenseitigen Wertschätzung und einem fairen Umgang miteinander geprägt sind. Dazu gehört im Besonderen das Geltenlassen anderer Überzeugungen, Ideen, Perspektiven sowie der Respekt gegenüber allen

gesellschaftlichen Erwartungen zu realisieren. Besondere Relevanz bekommt Akzeptanzkommunikation immer dann, wenn Organisationsziele potenziell oder faktisch im Konflikt zu Wertvorstellungen in der Gesellschaft stehen. Akzeptanzkommunikation verwendet sämtliche Kommunikationsinstrumente, insbesondere Dialog- und Beteiligungsformate. Zentrale Aufgaben sind die frühzeitige Identifikation und Analyse von internen und externen Stakeholdern sowie ihrer Erwartungen, die Konzeption, Realisation und Evaluation geeigneter Kommunikationsmaßnahmen, Interessenvertretung im öffentlichen Raum sowie die Beratung des (Top-)Managements hinsichtlich der Akzeptabilität von Projekten von Anfang an. Akzeptanzkommunikation ist nicht zwingend eine eigene Funktion, sondern Querschnittsaufgabe professioneller Kommunikation. Im Handlungsfeld sind Kommunikator/innen in Agenturen und Beratungen sowie Unternehmen, Verbänden und Vereinen tätig.“ (zitiert nach Krebber & Hitschfeld, 2021, S. 245)

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Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

Beteiligten und ihrer fachlichen und persönlichen Hintergründe. Wo möglich sind substanzielle Entscheidungsspielräume zu eröffnen, um dem berechtigten Partizipationsinteresse der Zivilgesellschaft nachzukommen. In dieser Passage der Präambel wird die ethische Grundposition geklärt, die – wie auch im vorangegangenen Abschnitt – an die freiheitlich-demokratische Grundordnung anschließt und gegenseitigen Respekt als Grundhaltung und Basis des Austausches benennt. Dieser Respekt schließt insbesondere verschiedene Haltungen und Positionen sowie persönliche diverse Hintergründe ein und wird von allen Kommunikationspartner*innen erwartet. Eingeschlossen in die Grundhaltung ist die Befürwortung von Beteiligung, die – wo möglich – auch Mitbestimmung zulassen soll. Es wird also nahegelegt, wenn keine gewichtigen Argumente dagegen sprechen, in der Beteiligung nicht alleine auf Information zu setzen, sondern Konsultation bis hin zur Kooperation zu ermöglichen. .

Bei der Gestaltung von Beteiligungsprozessen handelt es sich um eine anspruchsvolle Kommunikationsaufgabe, die als wichtige Basis eine fachlich-kommunikationsspezifische Qualifikation erfordert. Um eine gute Praxis in diesem spezifischen Handlungsfeld zu sichern, sind über diese Grundsätze hinaus weitere, bisher nicht in den Kodizes des Berufsfeldes benannte Bestimmungen zu beachten, die im Folgenden geregelt werden. Ziel dieser Richtlinie ist es, an freiwilligen Beteiligungsprozessen Beteiligten eine konkrete Beschwerdemöglichkeit zu bieten, die der DRPR nach Beratung entsprechend ahnden kann. In dieser Passage der Präambel wird auf die Notwendigkeit einer fachlichkommunikationsspezifischen Ausbildung verwiesen. Hintergrund war die in Abschn. 2.4 beschriebene Erkenntnis, dass in der Szene der Anbieter von Beteiligung zahlreiche fachfremde Akteure ohne spezifische Kommunikationsausbildung zu finden waren. Dieser Hinweis fügt sich in die Bemühungen zur Professionalisierung des Handlungsfeldes ein. Der daran anschließende Satz ordnet die neue Richtlinie in das Gesamtgefüge bestehender Kodizes und Richtlinien ein und weist darauf hin, dass es sich um ergänzende Bestimmungen handelt und die Richtlinie insbesondere auch an den Deutschen Kommunikationskodex anschließt.

3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis

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Es folgt ein Hinweis zur Zielsetzung der Richtlinie: nämlich insbesondere Beteiligten an freiwilligen Beteiligungsprozessen eine Beschwerdemöglichkeit bei kommunikationsethischen Verstößen zu geben.

3.2.2

Abschnitt I. ‚Transparenz und Verbindlichkeit‘

1. Beteiligungsprozesse sind frühzeitig zu initiieren, damit – wenn dies als Ziel des Verfahrens benannt wird – tatsächlich Einfluss genommen werden kann, bevor Entscheidungen über zu verhandelnde Sachverhalte getroffen werden. Beteiligungsprozesse, die pro forma umgesetzt werden, stellen eine Täuschung dar und sind zu unterlassen. 2. Es ist transparent zu machen, in welchem Maße durch die am Verfahren konkret Betroffenen Einfluss auf den verhandelten Gegenstand genommen werden kann. Verfahren, die reinen Informationscharakter haben, sind als solche zu kennzeichnen. Die ersten beiden Absätze verbinden zwei Kernkriterien – Frühzeitigkeit und Einflusstransparenz – sodass sie gemeinsam beschrieben werden. • Frühzeitigkeit: Frühzeitigkeit ist eine sehr häufig genannte Erwartung an Beteiligungsverfahren – zu Recht, denn nur frühzeitig eingebrachte Vorschläge können ohne größere Probleme in der Ausgestaltung eines Projekts implementiert werden. Dabei stößt Frühzeitigkeit an mehrere Grenzen: Erstens die Aufmerksamkeit der potentiell Betroffenen. Sehr weit vor Beginn der Umsetzung eines Projekts ist das Interesse an einem Projekt sehr gering. Alles ist noch so weit weg und die Auswirkungen sind noch sehr abstrakt. Zu diesem Zeitpunkt ist der Gestaltungsspielraum jedoch noch sehr groß. Er wird immer kleiner, je weiter die Planung voranschreitet und (etwa bei Infrastrukturprojekten) behördliche Genehmigungsverfahren heranrücken. Je konkreter die Pläne allerdings werden, umso stärker ist auch das öffentliche Interesse – aber desto geringer ist der Gestaltungsspielraum. Das wird Beteiligungsparadoxon genannt. Eine zweite Grenze steckt im Charakter von Projekten. Oft will der Vorhabenträger nähere Details bereits erarbeitet haben, um etwas in der Hand zu haben, das man der Öffentlichkeit präsentieren kann. Zu weit vorangeschrittene Planungen schränken die Mitbestimmungsmöglichkeiten jedoch potenziell wieder ein. Eine verantwortungsvolle

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3

Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

Kommunikationspraxis bedenkt dies und plant Beteiligung frühzeitig mit ein und legt einen Beteiligungsprozess so an, dass er Ergebnisse bringt, bevor folgenreiche Entscheidungen in einem Projekt getroffen werden. • Einflusstransparenz: Das vielleicht wichtigsten Regelungskriterium dieser Richtlinie ist die Einflusstransparenz. Also Transparenz darüber ob, inwiefern und in welchem Ausmaß das Beteiligungsverfahren dazu dienen soll, Beteiligten Einfluss auf den thematisierten Gegenstand einzuräumen. Praxiserfahrungen hatten gezeigt, dass immer wieder unseriöse Akteure mehr Einfluss zugesagt hatten, als dann im Verfahren tatsächlich eingehalten wurde. Mit dieser offenkundigen Täuschung wird gegen ein Kernkriterium der Berufsethik – das Wahrhaftigkeitsgebot – verstoßen. Zwar ist das Wahrhaftigkeitsgebot bereits im Kommunikationskodex benannt, aber nicht ausreichend für Beteiligungsverfahren konkretisiert gewesen. Daher wird es in der vorliegenden Richtlinien so stark hervorgehoben und findet sich im Querverweis schon im ersten Absatz wieder: Hier wird darauf hingewiesen, dass ein Beteiligungsverfahren frühzeitig zu initiieren ist, damit auch tatsächlich Einfluss eingeräumt werden kann. Im zweiten Absatz wird dann die Einflusstransparenz explizit geregelt. Beteiligungsprozesse, die lediglich zum Schein umgesetzt werden (‚pro forma‘), bei denen also über den Einfluss getäuscht wird, werden als einer guten Praxis nicht zugehörig beschrieben („sind zu unterlassen“). Damit ist nicht gemeint, dass es unethisch sei, keinen Einfluss zuzugestehen. Es gibt vielerlei Projekte, über die legitimer Weise lediglich informiert werden kann. Dies ist aber kenntlich zu machen, dass eine solche Veranstaltung den Charakter der Information hat und nicht etwa Konsultation oder Kooperation gegeben sind. Es darf also nicht mit dem mitunter schwammig verwendeten Beteiligungsbegriff der Eindruck erweckt werden, tiefgehende, einflussreiche Partizipation sei gegeben – etwa um kurzfristig einen Konflikt zu befrieden – wenn dies nicht der Fall ist. Dies wäre zum einen unethisch (Täuschung) und zum anderen würde auch das Kommunikationsinstrument der Beteiligung darunter leiden, das zur Konfliktbearbeitung eingesetzt werden soll. Würde Beteiligungsverfahren grundsätzlich misstraut, wäre das Instrument nicht mehr tauglich, in Konflikten befriedende Wirkung zu entfalten.

3. Neben der Absendertransparenz, die in jedem Fall gegeben sein muss, ist in Beteiligungsprozessen offenzulegen, wer den Prozess finanziert.

3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis

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Beteiligungsprozesse sind aufwendig und kosten Geld. Außerhalb formeller Verfahren ist nicht gesetzlich geregelt, wer für ein solches Verfahren aufkommt. Meist bezahlt es der Vorhabenträger. Damit sind diejenigen, die ein solches Verfahren moderieren Auftragnehmer des Vorhabenträgers, werden von ihm bezahlt – und können als nicht unabhängig wahrgenommen werden. Um etwaige Motive hinter getätigten Aussagen nachvollziehen zu können oder Verfahrensfragen kritisch betrachten zu können, muss klar sein, wer Auftraggeber des Verfahrens ist. Mit dieser Bestimmung wird eine Analogie zur im Kommunikationskodex verankerten Absendertransparenz hergestellt.

4. Im Beteiligungsprozess gegebene Zusagen des Auftraggebenden eines Beteiligungsprozesses (insbesondere mit Blick auf den zugesicherten Einfluss) müssen eingehalten werden, insofern sie im eigenen Wirkungskreis liegen. Müssen gegebene Zusagen aus zwingenden Gründen revidiert werden, sind die Beteiligten darüber transparent zu informieren. In diesem Absatz wird das im Kommunikationskodex geregelte Kriterium der Integrität näher für Beteiligungsprozesse gefasst und definiert. Insbesondere wird zu Verbindlichkeit der Beschreibungen zum Einfluss angehalten. Hier wird also an Absatz I.2 angeschlossen. Auch wird eine fortlaufende Berichterstattung darüber angemahnt, wie es mit Beteiligungsergebnissen weitergegangen ist (dazu später mehr).

5. Ergebnisse von Beteiligungsprozessen sind angemessen in den Entscheidungen der Initiator:innen zu berücksichtigen.

Dieser Absatz schließt an die theoretischen Überlegungen zu inputorientierter Organisationskommunikation an. Kernidee dabei ist, dass durch ein Beteiligungsverfahren ermittelt wird, wie eine akzeptable Ausgestaltung der verhandelten Sache aussehen kann. Die Beteiligungsergebnisse werden dann in die Organisation hineingetragen und es wird durch das (Top-) Management entschieden. Würden Beteiligungsergebnisse von auf Konsultation oder Kooperation angelegten Verfahren nicht in Entscheidungsprozessen berücksichtigt, würde es sich um Pro-forma-Beteiligung handeln und Einfluss lediglich vorgegeben.

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Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

In diesem Fall würde es sich um eine aus kommunikationsethischer Perspektive verwerfliche Täuschung handeln.

6. Inhalte und Prozesse der Beteiligung sind transparent zu machen und zu dokumentieren. Teilnehmende an Beteiligungsprozessen haben ein Recht darauf zu erfahren, inwiefern Beteiligungsergebnisse in Entscheidungen eingeflossen sind und inwiefern Beschlüsse aus Beteiligungsprozessen auch umgesetzt werden. Dieser Absatz regelt die Dokumentation von Beteiligungsprozessen, -ergebnissen sowie der Implementierung von Beteiligungsergebnissen. Er sieht eine Berichterstattung über Beteiligung (‚Participation Reporting‘; Krebber 2016; Hilse & Krebber, 2017) während des Verfahrens sowie nach dessen Abschluss vor. So wird einerseits den Beteiligten ermöglicht, zu erkennen, ob auf Vorschläge auch tatsächlich eingegangen wurde. Dies bedeutet nicht, dass alle Vorschläge auch zwingend immer implementiert werden müssen. Vielmehr haben Beteiligte aus kommunikationsethischer Perspektive aber einen Anspruch darauf, dass ernsthaft mit den Vorschlägen umgegangen wird. Wäre dies nicht der Fall, würde es sich auch hierbei um Scheinbeteiligung handeln, eine Täuschung wäre gegeben.

7. Vertraulich kommunizierte Informationen sind von allen Beteiligten vertraulich zu behandeln. Dieser Absatz schließt an die Loyalitäts- und Integritätsbestimmungen des Kommunikationskodex an und bezieht Vertraulichkeit auch auf Beteiligungsprozesse und Kontexte, in denen im Rahmen dieser Prozesse Vertraulichkeit vereinbart wird.

8. Zur professionellen und transparenten Umsetzung von Beteiligungsprozessen gehört auch eine zu veröffentlichende Evaluation des Prozesses, insbesondere mit einem Augenmerk darauf, ob berechtigte Interessen angemessen berücksichtigt sind.

3.2 Richtlinie und Hinweise für die Praxis

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Dieser Absatz konkretisiert Absatz I.6 und erweitert ihn um die Beschreibung der Notwendigkeit einer Prozessevaluation sowie einer inhaltlichen Berichterstattung über die Implementierung der Beteiligungsergebnisse.

3.2.3

Abschnitt II. ‚Zugänglichkeit und Repräsentativität‘

Der Abschnitt ‚Zugänglichkeit und Repräsentativität‘ liest sich zunächst eher technisch, will aber zwei Formen der Manipulation entgegenwirken. Zum einen soll verhindert werden, dass berechtigte Interessen(gruppen) aus einem Verfahren ausgeschlossen werden, indem sie gar nicht eingeladen werden. Zum anderen soll verhindert werden, dass mittels eines zu abstrakten technischen oder sprachlichen Niveaus zu beteiligende Personen/Gruppen ausgeschlossen werden, weil sie schlicht den Unterlagen inhaltlich nicht folgen können.

1. In Partizipationsprozessen ist der Kreis der Beteiligten so zu gestalten, dass materiell wie ideell Betroffene angemessen repräsentiert sind. Im Sinne eines breiten Stakeholderbegriffs wird hier als Maßgabe festgelegt, dass sowohl materiell wie auch ideell Betroffene beteiligt sein sollen. Dies soll gewährleisten, dass alle legitimen Interessen gehört werden. Angemessenheit ist hier eine Auslegungssache. Hier ist im Einzelfall zu bestimmen, was angemessene Repräsentation bedeutet. Zu diskutieren ist die Relevanzschwelle, ab wann ein Interesse so berechtigt wie auch bedeutsam ist, dass es bei einem Beteiligungsverfahren ‚mit an den Tisch‘ gehört. Auch wäre zu diskutieren, wie viele Personen ein spezifisches Interesse dort vertreten sollen. Klar ist aus kommunikationsethischer Sicht jedenfalls, dass eine bewusste Einseitigkeit hinsichtlich der Beteiligten zu unterlassen ist.

2. Es ist transparent zu machen, wie die am Verfahren konkret Beteiligten ausgewählt wurden und inwiefern sie repräsentativ für alle Betroffenen/ Anspruchsgruppen sind. Die Regelung dient der Dokumentation und damit der Nachvollziehbarkeit, wie der Teilnehmendenkreis zustande gekommen ist. Hierbei wird den Teilnehmenden

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3

Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘

aufgezeigt, inwiefern etwa bei einem ‚Runden Tisch‘ die Teilnehmenden für berechtigte Interessengruppen sprechen. Es dient zudem einer internen wie externen Prüfung, ob relevante Interessengruppen vergessen wurden. Mit der Transparentmachung wird den Teilnehmenden ermöglicht, etwaige Lücken bei Beteiligtengruppen zu entdecken. Den Organisatoren wird die Möglichkeit gegeben, diese Lücken zu schließen.

3. Durch umfassende Informationen müssen Betroffene in die Lage versetzt werden, partizipieren zu können. Dieser Absatz greift die potenzielle Informationsasymmetrie von Vorhabenträgern und Beteiligten auf. Grundgedanke ist, dass nur wer umfassend informiert ist, sich auch beteiligen kann. Hierzu sind die Dokumente, die oft technischen Sachverstand erfordern, für ein Laienpublikum verständlich aufzubereiten. Durch begleitende kommunikative Angebote, wie etwa Gespräche mit Expert*innen oder Informationsmaterial, kann eine Information der Beteiligten sichergestellt werden, die zur Partizipation befähigt.

4. Beteiligungsprozesse sind organisatorisch so anzulegen, dass Barrieren hinsichtlich des Zugangs vermieden werden. Dies betrifft besonders eine in Formulierung und Sprache verständliche Aufbereitung der notwendigen Informationen und Dokumente sowie die Wahl eines geeigneten Ortes bzw. einer geeigneten (digitalen) technologischen Plattform, die allen Menschen gleichberechtigt Zugang ermöglicht. Hier wird der vorangegangene Absatz konkretisiert und eine verständliche Sprache angemahnt. Umfassender gemeint ist allerdings die Maßgabe, dass Beteiligungsprozesse inklusiv anzulegen sind und niemand beispielsweise wegen besonderer Bedürfnisse nicht an einem Veranstaltungsort teilnehmen kann (fehlende Barrierefreiheit des Gebäudes, fehlende Barrierefreiheit/fehlendes Angebot von barrierefreien Dokumenten/digitalen Angeboten).

Literatur

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Literatur Deutscher Rat für Public Relations (DRPR) (2022). DRPR-Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘.https://drpr-online.de/kodizes/drpr-richtlinien/drpr-richtliniebuergerbeteiligung-und-kommunikation/. Hilse, M., & Krebber, F. (2017). Stakeholder Engagement Monitoring. Messen und berichten der Kommunikation bei Infrastrukturprojekten. In G. Bentele, M. Piwinger, & G Schönborn (Hrsg.), Kommunikationsmanagement (Loseblattsammlung, Ergänzungslieferung 7.56, Januar 2017). Luchterhand Fachverlag. Krebber, F. (2016). Durch ‚Participation Reporting‘ zu mehr Akzeptanz. The Reporting Times (8), 8. https://reporting-times.com/app/themes/TheReportingTimes/images/aus gaben/TheReportingTimes08.pdf. Krebber, F. (2023). Beteiligung vor Missbrauch schützen: Konzeptionelle Grundlage und Konsequenzen für die Praxis der neuen PR-Ethik-Richtlinie ,Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘. In J. Sommer (Hrsg.), Kursbuch Bürgerbeteiligung #5 (S. 88–105). Republik Verlag. Krebber, F. & Rademacher, L. (2021). Beteiligungsverfahren als Instrument strategischer Kommunikation – ein Entwurf zur normativen Grenzsetzung. Vortrag bei der 27. Jahrestagung der Fachgruppe PR/Organisationskommunikation der DGPuK, Mainz, 5. November 2021. Krebber, F. & Rademacher, L. (2023). Beteiligungsverfahren als Instrument strategischer Kommunikation: Ein Entwurf zur normativen Grenzsetzung auf Basis einer inhaltsanalytischen Untersuchung von Ethik- und Beteiligungsrichtlinien. In T. Koch, J. Beckert, B. Viererbl & N. Denner (Hrsg.), Grenzen, Entgrenzung und Grenz¨uberschreitungen der Public Relations und Organisationskommunikation (S. 265–288). Springer VS.

4

Tipps für die Implementierung

Anhand typischer Management-Dimensionen werden im Folgenden praktische Hinweise zur Implementierung von ethisch korrekter Partizipation in der Kommunikation von Organisationen gegeben. Konkrete Maßnahmenvorschläge für das Ethik-Management werden unterbreitet und folgende Fragen geklärt: Inwiefern muss Beteiligung in der Organisationsstrategie berücksichtigt sein? (Abschn. 4.1) Welche (personellen) Strukturen in der Organisation braucht es, um Beteiligung gemäß der Richtlinie umsetzen zu können? (Abschn. 4.2); Welche Prozesse sind erforderlich? (Abschn. 4.3) Welche Ressourcenausstattung wird benötigt? (Abschn. 4.4) Über welche Kompetenzen müssen die Mitarbeitenden verfügen? (Abschn. 4.5) Wie muss die Kultur beschaffen oder verändert werden, um beteiligungsfreundlich zu werden? (Abschn. 4.6 und Abb. 4.1). Umfassende Informationen und empirische Befunde zu Ethik-Management – insbesondere in PR-Agenturen – finden sich bei Krebber und Neidhart (2021), Krebber (2021) sowie Krebber und Neidhart (2023).

4.1

Strategie

Die Richtlinie ist formuliert auf dem Boden einer Partizipation grundsätzlich bejahenden Haltung. Will eine Organisation (etwa ein Unternehmen) Beteiligungsmaßnahmen getreu der Richtlinie umsetzen, ist es wichtig, dass Kommunikator*innen dabei Unterstützung von der Organisationsleitung erhalten. Sie kann Partizipation als Wert in Strategie, Vision und Mission verankern und damit zum Nutzen der Organisation beitragen, weil die Erfahrung zeigt, dass viele Projekte durch die Beteiligung Betroffener besser wurden. Dies trägt auch zur © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Krebber, Bürgerbeteiligung richtig machen, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0_4

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4 Tipps für die Implementierung

Strategie

Kultur

Strukturen

Kompetenzen

Prozesse

Ressourcen

Abb. 4.1 Steuerungsdimensionen für die Implementierung der Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ in Organisationen. (Eigene Darstellung)

internen Akzeptanz von Beteiligungsergebnissen bei. Denn nur wenn Beteiligung intern akzeptiert ist, werden ihre Ergebnisse in der Organisation Gehör finden und in den Entscheidungsfindungsprozessen auch einbezogen werden. Für Agenturen als Umsetzende von Beteiligungsprozessen ist das klare Bekenntnis zur berufsständischen Ethik ebenfalls eine strategische Entscheidung: Es zahlt auf das Qualitätsversprechen der eigenen Leistungen ein und hat Auswirkungen etwa darauf, welches Personal die Agentur einstellt (hierzu nachfolgend mehr) oder mit welchen Auftraggebenden die Agentur zusammenarbeitet. Die strategische Auswahl von Kunden bzw. aus Unternehmens- oder Behördensicht die strategische Auswahl von Agenturen ist ein konkretes Tool im Ethik-Management. Zentrale Frage ist hierbei, ob das Ethik-Verständnis von Agentur und Unternehmen bzw. Behörde zusammenpassen. Durch das gezielte Signalisieren der eigenen Werte kann die Agentur ihr Wertegerüst sichtbar machen und potenzielle Auftraggebende können sich daran orientieren. Eine Weiterentwicklung wäre,

4.3 Prozesse

33

dass die Einhaltung der Kodizes/der Richtlinie zum Ausschreibungskriterium gemacht wird. Auftraggeber und Auftragnehmer können (schriftlich) festhalten, die Regeln der Richtlinie als verbindlich anzuerkennen.

4.2

Strukturen

Damit Ergebnisse von Beteiligungsprozessen angemessen in Entscheidungen der Organisationen berücksichtigt werden können (Richtlinien-Absatz I.5, im Folgenden ’RL’ abgekürzt), ist eine angemessene strukturelle Integration von Kommunikationsverantwortlichen von Vorteil. Dies war im Kontext der Infrastrukturprojekte bereits beschrieben worden, bei denen Kommunikationsverantwortliche mit ‚am Tisch‘ des Projektmanagements sitzen. Eine solche feste Integration dürfte (bei starker Ausgestaltung der Rolle und dem Ausfüllen dieser Rolle in der Praxis) für ein Höchstmaß an Integration von Beteiligungsergebnissen sorgen. Aufseiten von Organisationen ist es wichtig, personelle Strukturen zu schaffen, bei denen Beteiligungsprozesse sowie die begleitende Kommunikation angesiedelt sind und von wo aus ggf. Agenturen gesteuert werden können.

4.3

Prozesse

Auf Prozessebene ergeben sich zahlreiche Notwendigkeiten bei der Implementierung richtlinienkonformen Handelns. So ist, bereits wenn sich beteiligungsrelevante Sachverhalte oder Projekte ergeben, von Beginn an das Beteiligungsverfahren mit zu planen, damit die Frühzeitigkeit (RL I.1) gegeben ist. Für Stakeholderanalyse und repräsentative Auswahl der Beteiligten (RL II.1) ist ein geordneter Prozess festzulegen und zu dokumentieren (RL II.2; RL I.6). Während des Verfahrens ist durch die Organisation bzw. den Dienstleister die saubere Dokumentation der Beteiligungsergebnisse und insbesondere die Dokumentation der gemachten Zusagen sicherzustellen, damit keine Ergebnisse verloren gehen (RL I.6). In Organisationen ist ein geeignetes internes Reporting der Beteiligungsergebnisse bei Verfahren mit Konsultations- oder Kooperationscharakter sicherzustellen. Auf den Beteiligungsergebnissen beruhende Entscheidungsvorlagen müssen erstellt werden (RL I.5). Das Kommunikationsmanagement hat die Aufgabe, die Begleitkommunikation zu dem Beteiligungsverfahren umzusetzen (RL I.6, I.8). Auf Prozessebene ist auch die Umsetzung der Evaluation des Beteiligungsverfahrens zu beachten (RL I.8).

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4 Tipps für die Implementierung

Auf Prozess-Ebene des Ethik-Managements können regelmäßige Feedbackprozesse (Mitarbeitende gegenseitig, Auftraggebende/Auftragnehmende) helfen, sich gegenseitig bei der Umsetzung der Richtlinie zu unterstützen. Auch das Thematisieren von Ethik-Konflikten in der Beziehung von Auftraggebenden/ Auftragnehmenden verhindert Verstöße und stärkt regelkonformes Verhalten aller Beteiligten aufseiten der Initiatoren.

4.4

Ressourcen

Eine regelkonforme Ausgestaltung von Beteiligungsverfahren erfordert eine ausreichende Ressourcenausstattung. Etwa für die Beauftragung von auf Beteiligung spezialisierten Agenturen oder die Anstellung von Personal für Beteiligung und begleitende Kommunikation braucht es Budgets. Diese sind in der Organisation sicherzustellen.

4.5

Kompetenzen

Im Bereich der Kompetenzen lassen sich in zwei Bereichen Maßnahmen benennen. Erstens im Bereich der Aus- und Weiterbildung zweitens im Bereich der Personalauswahl. Im Rahmen der Aus- und Weiterbildung trägt zur Implementierung der Richtlinienkriterien die Aufnahme von Kommunikationskodex und Richtlinie in die Curricula bei. Auch eigene Fortbildungen zur Anwendung der Richtlinie sind ein wichtiges Instrument, um Bekanntheit und Anwendungsweise der Richtlinie zu vermitteln. Zur Verfügung gestellt werden sollte der Richtlinientext sowie Hinweise zur Umsetzung in internen Handbüchern und im Intranet. Bei der Personalauswahl sollte auf Mitarbeitende mit einem ausgeprägten Ethik-Bewusstsein geachtet werden, das Grundlage dafür ist, dass Kodizes und Richtlinien Beachtung finden. Hier kann das Ethik-Verständnis im Bewerbungsgespräch erfragt, die Kenntnis von Kodizes geprüft oder auch bisherige Erfahrungen mit moralischen Konflikten erörtert werden. Auch Fallbeispiele lassen sich im Bewerbungsgespräch diskutieren, um einen Einblick in die Denkweisen von Bewerber*innen zu erhalten. Kandidat*innen sollte in jedem Fall das Ethik-Verständnis der Organisation vermittelt werden, damit beide Seiten die Passung prüfen können.

Literatur

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Bei der Personalführung spielt das Vorbildverhalten von Führungskräften eine wichtige Rolle für die Einhaltung von kommunikationsethischen Regeln. Die Thematisierung in Mitarbeitendengesprächen hält Ethik-Themen präsent.

4.6

Kultur

Generell gilt es, in Organisationen eine Kultur zu etablieren, in der die Bedeutung berufsständischer Ethik-Regeln einen hohen Stellenwert hat. Gleichzeitig ist auch eine Fehlerkultur wichtig, die hilft, Missstände nicht zu vertuschen, sondern konstruktiv Fehler zu benennen und zu beseitigen. Da die Richtlinie, wie bereits ausgeführt, auf einer Partizipation bejahenden Haltung beruht, ist es förderlich, eine solche Haltung auch in der Organisation zu prägen und zu stärken.

Literatur Krebber, F. (2021). Ethik-Management in PR-Agenturen. Konzeptionelle Grundlagen und praktische Umsetzungsmöglichkeiten. In G. Bentele, M. Piwinger, & G. Schönborn (Hrsg.), Kommunikationsmanagement (S. 1–30). Luchterhand Fachverlag. Krebber, F., & Neidhart, L. (2021). Ethik-Management in PR-Agenturen. Maßnahmen und Einflussfaktoren auf Organisationsebene. Communicatio Socialis, 54(2), 240–251. https://doi.org/10.5771/0010-3497-2021-2. Krebber, F. & Neidhart, L. V. (2023). Organizing Ethics. In Koch, T., Beckert, J., Viererbl, B., Denner, N. (Hrsg.), Grenzen, Entgrenzung und Grenzüberschreitungen der Public Relations und Organisationskommunikation (S. 199–218). Springer VS.

Was Sie aus diesem essential mitnehmen können

• Bürgerbeteiligung wird von demokratischen Gesellschaften erwartet. • Auch Unternehmen, Behörden, Verbände und Vereine werden von Bürger*innen aufgefordert, sie zu beteiligen. • Beteiligungsprozesse unterliegen hohen (kommunikations-) ethischen Anforderungen. • Über die Einhaltung kommunikationsethischer Maßgaben in der Organisations-/Unternehmenskommunikation wacht der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR). • Er hat die Richtlinie ‚Bürgerbeteiligung und Kommunikation‘ verabschiedet. • Aus kommunikationsethischer Sicht ist insbesondere Transparenz über den Einfluss eines Verfahrens sicherzustellen. • Wie die Richtlinie anzuwenden ist und welche praktischen Konsequenzen für die Beteiligungspraxis ergeben, ist in diesem Buch nachzulesen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Krebber, Bürgerbeteiligung richtig machen, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-42802-0

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