Breslau: Geschichte einer europäischen Metropole 9783412502652, 9783412501372


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Breslau: Geschichte einer europäischen Metropole
 9783412502652, 9783412501372

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EDUARD MÜHLE

BRESLAU GESCHICHTE EINER EUROPÄISCHEN METROPOLE

2015 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: vorn: Wroclaw/Breslau, Rathaus (akg-images/Bildarchiv Monheim/Schütze/ Rodemann) hinten: Ausschnitt aus dem Stadtplan von Bartholomäus Weyhner von 1562. Innenklappe vorn: Das mittelalterliche Breslau im 14. Jahrhundert Innenklappe hinten: Das heutige Breslau

© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Christine Schatz, Vielank Satz: synpannier. Gestaltung & Wissenschaftskommunikation, Bielefeld Reproduktionen: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Druck und Bindung: Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50137-2

Meinem Vater zum 90. Geburtstag gewidmet

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Inhalt

Vorwort  ................................................................................................  11 I. Frühmittelalterliche Burgstadt (950er–1230er Jahre)  .............................  15 Der romanische Dom  ...............................................................................  15 Die Anfänge der Burg auf der Oderinsel  ......................................................  16 Außenposten piastischer Expansion  . . ...........................................................  18 Herzogliche Pfalz und Burgbezirkszentrum  ..................................................  21

Ein Breslauer Großer – der Pfalzgraf Petrus  ..................................................  24 Polyzentrische Frühstadt  ...........................................................................  29

II. Herzogliche Lokationsstadt (1230er–1330er Jahre)  . . .............................  37 Der Ring  ...............................................................................................  37 Fürstenherrschaft und Stadtlokation  ............................................................  42 Die topographisch-räumliche Organisation der Lokationsstadt  .........................  47

Ein Breslauer Herzog – Heinrich IV. der Rechtschaffene  .................................  52 Grundlagen der städtischen Wirtschaft  ........................................................  57 Die Durchsetzung der kommunalen Selbständigkeit  .......................................  60

III. Patrizische Handelsmetropole (1330er–1520er Jahre)  ..........................  73 Das Rathaus  ...........................................................................................  73 Kaufleute und Handwerker  . . ......................................................................  78

Ein Breslauer Patrizier – Kaspar Popplau  . . ....................................................  87 Die böhmische Landeshauptmannschaft und die Hussiten  ...............................  92 Städtische Identität, Bildung und Wissenschaft  .............................................  98 Kirchliches Leben, Frömmigkeit und Judenverfolgung  .. ................................... 105

IV. Hochburg des Luthertums (1520er–1630er Jahre)  ................................ 109 Die Stadtbefestigung  . . .............................................................................. 109 Die lutherische Ratsreformation  ................................................................. 113

Ein Breslauer Humanist – Johannes Crato von Crafftheim  . . ............................. 122 Städtische Politik im Zeitalter der Konfessionalisierung  . . ................................. 128

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Inhalt

V. Zielpunkt der Gegenreformation (1630er–1740er Jahre)  ........................ 135 Jesuiten-Kolleg und alte Universität  .. ........................................................... 135 Begrenzte Rekatholisierung  ....................................................................... 142 Alltagsleben und städtische Wirtschaft  ........................................................ 149

Eine Breslauer Handwerksfrau – Anna Ursula Becker  ..................................... 153

VI. Preußische Residenzstadt (1740er–1870er Jahre)  . . .............................. 159 Hofkirche und Königsschloss  ..................................................................... 159 Friderizianische Prussifizierung  .................................................................. 162 Gewerbefreiheit und industrielle Modernisierung  . . ......................................... 170

Ein Breslauer Wirtschaftspionier – Gustav Heinrich Ruffer  ............................. 176 Urbanisierung und City-Bildung  ................................................................ 183 Sozialer Wandel und politische Bewegungen  ................................................. 190

VII. Regionales Zentrum der Moderne (1870er–1930er Jahre)  .................... 199 Die Jahrhunderthalle  ................................................................................ 199 Weltkrieg und revolutionärer Umbruch  ........................................................ 203 Kommunalpolitik und Stadtentwicklung  ...................................................... 217

Ein Breslauer Stadtverordneter – Adolf Heilberg  ........................................... 225 Kommerz und Krise  ................................................................................. 231 Kultur und Wissenschaft  . . ......................................................................... 235

VIII. Bollwerk des Deutschen Ostens (1933 – 1945)  .................................... 243 Das neue Regierungspräsidium  . . ................................................................. 243 Nationalsozialistische Herrschaft  ................................................................ 245

Ein Breslauer Universitätsprofessor – Hermann Aubin  .................................... 252 Krieg und Untergang  .. .............................................................................. 257

IX. Hauptstadt der Wiedergewonnenen Gebiete  ........................................ 261 Das Kościuszko-Wohnviertel (KDM)  .......................................................... 261 Städtischer Neubeginn und polnische Aneignung  . . ......................................... 265 Sozialistischer Alltag  ................................................................................ 274

Ein Breslauer Künstler – Henryk Tomaszewski  .............................................. 284 Opposition und Solidarität  ........................................................................ 289 Das Ende der Volksrepublik  .. ..................................................................... 299

Inhalt

X. Postsozialistische Großstadt  ............................................................... 303 Politische und wirtschaftliche Transformation  ............................................... 303 Die Entdeckung der Vergangenheit  ............................................................. 309 Stadterneuerung und Sky Tower  ................................................................. 312

Farbtafeln  .............................................................................................  65 Farbtafeln  ............................................................................................. 209 Abkürzungsverzeichnis  . . ........................................................................ 317 Anmerkungen  ....................................................................................... 319 Abbildungsnachweis  ............................................................................. 369 Register  . . .............................................................................................. 371

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Vorwort

„Es ist eine große Vermessenheit, Städte beschreiben zu wollen. Städte haben viele Gesichter, viele Launen, tausend Richtungen, bunte Ziele, düstere Geheimnisse, heitere Geheimnisse. Städte verbergen viel und offenbaren viel, jede ist eine Einheit, jede eine Vielheit, jede hat mehr Zeit, als ein Berichterstatter, als ein Mensch, als eine Gruppe, als eine Na­tion. Die Städte überleben Völker, denen sie ihre Existenz verdanken und Sprachen, in denen ihre Baumeister sich verständigt haben.“1

Was der österreichische Schriftsteller Joseph Roth 1924 mit Blick auf das galizische Lemberg formulierte, mag auch der nachfolgenden Darstellung als Mahnung zu angemessener Bescheidenheit und gehöriger Reflexion gereichen. Eine Erzählung, die die Geschichte der Stadt Breslau von ihren archäolo­gisch fassbaren Anfängen im frühen 10. Jahrhundert bis in die Gegen­wart des beginnenden 21. Jahrhunderts auf nur 350 Seiten vermitteln will, zwingt zu Auslassungen und bewussten Schwerpunktsetzungen. Dass dabei manche Laune, manches Geheimnis dieser Stadt unerzählt bleibt, ist ebenso in Kauf zu nehmen wie die Unmög­lichkeit, in zehn knappen Kapiteln der ganzen Vielfalt ihrer über tausendjährigen Geschichte gerecht werden zu können. Vor d ­ iesem Hintergrund wurde der Versuch unternommen, die Darstellung auf die strukturellen Grundzüge und wichtigsten Entwicklungen der Stadtgeschichte zu konzentrieren, sie am Beispiel epochensignifikanter Bauwerke und Persön­lichkeiten aber zugleich auch exemplarisch zu verdichten. So nähert sich jedes Kapitel der frag­lichen Epoche zunächst über ein Architekturdenkmal, ehe es in mitunter großzügigem Überblick und nicht immer in strenger chronolo­gischer Abfolge ihre wesent­lichen Merkmale, Strukturen und Ereignisse beschreibt und anhand einer ausgewählten historischen Gestalt paradigmatisch vertieft. Nur das zehnte, letzte Kapitel weicht von d ­ iesem Muster insofern ab, als es das emblematische Architekturdenkmal ans Ende stellt und von einer biografphischen Skizze deshalb absieht, um nicht einen Lebenden porträtieren zu müssen. Es bleibt zu hoffen, dass eine derart angelegte Narra­tion ein ebenso lebendiges wie konzises Bild von der historischen Entwicklung der Stadt Breslau zu vermitteln vermag.

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Vorwort

Die Stadt, von der hier erzählt, über die hier nachgedacht wird, hieß und heißt im Deutschen Breslau. Diesen Namen, der vom 13. bis 18. Jahrhundert in verschiedenen Lautungen (Brezlauwe, Bretzlau, Bresslab, Breczlaw, Preszlaw, Bresslow, Preßlawe) begegnet, haben deutschsprachige Siedler, die sich seit dem 13. Jahrhundert in Breslau niederließen, aus dem von ihnen vorgefundenen (zunächst nur in lateinischer Form überlieferten) slawischen Namen – Wortizlava, Vratislavia, Wratzlau – abgeleitet. Der slawische Ortsname wiederum dürfte spätestens im 10. Jahrhundert vom Namen eines böhmischen oder schle­sisch-­slawischen Fürsten – Vratislav, Wortislaw/Wartislaw – hergeleitet worden sein. Die heutige polnische Variante des Stadtnamens – Wrocław – knüpft an die mittelalter­liche slawische Ortsnamensform an und ist in dieser Form bereits seit Jahrhunderten in Gebrauch. Sie hat also keinesweg erst 1945 den deutschsprachigen, so seit 1770 feststehenden Namen Breslau abgelöst.2 Die Namen Wrocław und Breslau sind mithin identisch und bezeichnen tatsäch­lich die eine Stadt. Dass diese Stadt 1945 materiell weitgehend zerstört und ihre Einwohnerschaft 1945 – 1948 nahezu komplett ausgetauscht worden ist, bedeutet keineswegs, dass diese stadtgeschicht­liche Identität grundsätz­lich in Zweifel gezogen werden muss 3 – so sehr das persön­liche Migra­tionsschicksal deutscher Alt-­Breslauer und pol­nischer Neu-­Breslauer dies in den Jahren von 1945 bis 1990 (und mitunter darüber hinaus) subjektiv auch nahegelegt haben mochte. Breslau hat auch vor 1945 tiefgreifende Zäsuren – Zerstörungen, topographische Neuanlagen, Bevölkerungsmigra­tionen, Herrscherwechsel, wirtschaft­liche und ­soziale Transforma­tionen – erlebt, die sein Erscheinungsbild grundlegend verändert haben. Und dennoch hat die Stadt nicht nur ihren Ort, sondern auch ihre Identität bewahrt – wie auch immer man diese im Einzelnen definiert. Auch andere Städte, auch s­ olche die ein weniger dramatisches Schickal als Breslau am Ausgang des Zweiten Weltkriegs erlitten haben, sind sich über die Jahrhunderte nicht gleich geblieben, haben sich grundlegend verändert – und dennoch werden sie über die Jahrhunderte hinweg als die eine identische Stadt betrachtet. Überall haben Städte immer wieder die über sie Herrschenden und die in ihnen Lebenden überlebt. In ­diesem – im Zitat Joseph Roths angedeuteten – Sinn geht auch die nachfolgende Darstellung davon aus, dass wir von Breslau ungeachtet aller Brüche als

Vorwort

von einem historischen Phänomen sprechen können, dessen Geschicke sich auch unter einem Namen – im vorliegenden deutschsprachigen Fall: Breslau – darstellen lassen. An dieser Stelle sei einer Reihe von Personen und Einrichtungen Dank gesagt: Else, Siegrid und Siegfried Treske sowie meiner M ­ utter dafür, dass sie den Autor schon als Kind auf Stadt und Region neugierig gemacht haben; Johannes van Ooyen vom Böhlau Verlag für den Vorschlag, ­dieses Buch zu schreiben sowie für die hervorragende verlegerische Betreuung; Annegret Remy für eine erstes Korrekturlesen und die Vorbereitung der Register; Kornelia Hubrich-­Mühle für ihre bewährt kritische Lektüre; dem Bildarchiv des Herder-­Instituts Marburg, der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, der Universitätsbibliothek Wrocław, dem Via Nova Verlag Wrocław und Karol Modzelewski für die Bereitstellung von Bildmaterial sowie die entsprechenden Publika­tionsgenehmigungen; schließ­lich der Stiftung für die polnische Wissenschaft (Fundacja na rzecz Nauki ­Polskiej) in Warschau, deren Alexander von Humboldt-­Ehrenstipendium mediävistische Forschungen vor Ort und die Abfassung der Kapitel zum mittelalter­lichen Breslau ermög­licht hat.

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I. Frühmittelalterliche Burgstadt (950er–1230er Jahre)

Der romanische Dom Das Zentrum des frühmittelalter­lichen Breslau lag auf einer Insel. Diese war durch mäandernde Oderarme natür­lich geschützt und ein guter Ort für eine Burg. Ihr späterer Name – Dominsel – zeigt, dass sich zum welt­ lichen Herrschersitz ein kirch­licher Mittelpunkt hinzugesellte. Heute prägen allein kirch­liche Einrichtungen diesen Teil der Stadt, in dessen Mitte sich die g­ otische St. Johannes-­Kathedrale erhebt. Die einstige Insellage ist noch schwach erkennbar, von der ältesten Burgbefestigung, einer Graben-­ Wall-­Anlage, gleichwohl nichts mehr zu erahnen. Ihre Relikte liegen in tausendjährigem Kulturschutt begraben und sind nur Archäologen zugäng­lich. Das gilt auch für die Überreste der ersten Domkirche, die hier nach dem Jahr 1000 über einem noch älteren Kirchenbau errichtet wurde. Dennoch ist, wer den Gang durch die Geschichte Breslaus mit einem Blick auf die ältesten in situ zugäng­lichen bau­lichen Zeugnisse der Stadt beginnen will, am Johannes-­Dom am richtigen Platz. Denn in seinem Untergrund, unter dem Westjoch des heutigen Chores haben sich Mauerfragmente einer romanischen Kathedrale erhalten, die aus den 1150er–1160er Jahren stammt (Farbtafel 1).4 Sie stellt nach Ansicht ihres langjährigen Ausgräbers den dritten Kathedral- bzw. vierten Kirchenbau an ­diesem Platz dar. Initiiert hat ihn der von 1148/49 bis 1169 amtierende Breslauer Bischof Walter von Malonne, ein aus dem Bistum Lüttich stammender Wallone, der schon längere Zeit im Umfeld seines Bruders Alexander in Polen gelebt hatte, ehe er nach Breslau kam. Alexander war seit 1129 Bischof im masowischen Płock und hatte dort eine mächtige dreischiffige Kathedrale erbauen lassen, die 1144 geweiht wurde.5 Vier Jahre ­später selbst zum Bischof erhoben, eiferte Walter seinem älteren Bruder nach und veranlasste in Breslau einen ähn­lichen Kirchenneubau. Die Archäologen und Architekturhistoriker haben die Kathedrale des Walter von Malonne als eine etwa 48,5 m lange, 18 m breite Basilika rekonstruiert, die ein 24,5 m langes Querschiff, einen abgetrennten Altarraum

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Frühmittelalterliche Burgstadt (950er–1230er Jahre)

mit Apsis und eine von zwei Säulenreihen gestützte Krypta besaß. Ein Siegel, das um 1189 einer Urkunde des Breslauer Bischofs Żyrosław angehängt wurde, zeigt einen Bischof mit einer zweitürmigen Basilika in der rechten Hand. Daraus darf geschlossen werden, dass der Bau von Walters Amtsnachfolger vollendet worden ist und im Westen zwei Türme aufwies.6 Neben den von den Archäologen aufgedeckten Mauerfragmenten sind von der dritten Kathedrale nur einige wenige Steinmetzarbeiten erhalten geblieben, darunter Säulenfragmente im heutigen Westportal und eine um 1160 entstandene, 146 cm große Skulptur des Kirchenpatrons, Johannes des Täufers, die das Hauptportal geziert haben dürfte und heute im Breslauer Erzdiözesan-­Museum aufbewahrt wird. Sie schmückte ­später auch das Portal des bis heute bestehenden, im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigten gotischen Nachfolgebaus, dessen Errichtung Bischof Thomas I. nach der Mitte des 13. Jahrhunderts initiiert hatte, die aber erst unter einem seiner Nachfolger, Przecław von Pogarell, über ein Jahrhundert s­ päter zu einem vorläufgen Abschluss gebracht wurde.7 Deut­lich weniger – und daher Anlass zu kontroversen Deutungen bietende – Spuren sind von den drei Vorgängerbauten der Kathedrale des Walter von Malonne erhalten geblieben. Die zu Beginn der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts von Bischof Hieronymus errichtete zweite Kathedrale war, so weit erkennbar, etwas kleiner als ihr Nachfolger. Sie war erbaut worden, nachdem der erste Kathedralbau offenbar im Jahr 1038 bei einem Überfall des böhmischen Herzogs Břetislav I. zerstört worden war. Diesem ersten, um das Jahr 1000 errichteten Kathedralbau dürfte eine noch kleinere, in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts erbaute ­Kirche vorangegangen sein, die als herrscher­liche Hofkapelle gedient haben wird.

Die Anfänge der Burg auf der Oderinsel Die Forschung ist sich nicht einig, ob der Stifter der ältesten Breslauer Steinkirche ein böhmischer, schle­sischer oder polnischer Herrscher war. Schlesien gelangte nicht vor dem ausgehenden 10. Jahrhundert unter polnisch-­piastische Herrschaft. Noch das berühmte Dagome Iudex-­Regest, das die von Herzog Mieszko I. um 990 vollzogene symbo­lische Übertragung seiner Gnesener Herrschaft (civitas Schinesghe) an den Heiligen Stuhl

Die Anfänge der Burg auf der Oderinsel

überliefert, zieht deren süd­liche Grenze im Bereich des mittleren Schlesien entlang der Oder. Jenseits der Oder nennt das Regest ein ­Gebiet namens Alemure (Mähren?), das wie das Krakauer Land (Craccoa) im ­Osten und das Milzenerland (Milze) im Westen außerhalb des piastischen Herrschaftsbereichs (regnum) lag.8 Die Oder war also noch um 990 von Mieszko I. nicht überschritten worden und noch 995 wurde das links­ufrige Schlesien von Kaiser Otto III. dem Bistum Meißen bzw. Markgraf Ekkehard zuge­ sprochen.9 Ob das in der Mitte des Odergrenzabschnitts, wie ihn das Dagome Iudex-­Regest bezeugt, gelegene Breslau in dieser historischen Situa­tion bereits ein piastischer Grenzvorposten oder noch ein böhmisch-­ mährischer Verteidigungspunkt war oder vielleicht noch der Sitz eines ­zwischen beiden Mächten lavierenden lokal-­regionalen Kleinfürsten, ist kaum noch feststellbar. Folgt man dem Entdecker des ältesten steinernen Kirchenbaus, so wies dieser auffällige Ähn­lichkeiten mit einer ­Kirche auf, die im böhmischen Libice, dem 50 km öst­lich von Prag gelegenen Sitz der Slavnikiden, ausgegraben worden ist.10 Das könnte in der Tat für eine böhmische Zugehörigkeit des damaligen Breslau sprechen. Es könnte aber auch die Folge einer besonderen Verbindung eines in B ­ reslau residierenden schle­sischen Kleinfürsten zu den Slavnikiden gewesen sein, der sich bei seinem Kirchenbau an der Hofkapelle ­dieses regionalen böhmischen Herrschergeschlechts orientiert und dazu auf dessen Bauleute zurück­ gegriffen haben mag. Dass es im 9.‒10. Jahrhundert an der Oder von Kleinfürsten geführte regional-­lokale Herrschaftsgebilde gegeben hat, darunter die Sleenzane oder Silensi, die ihr Heiligtum auf dem 35 km südwest­lich von Breslau gelegenen Zobtenberg unterhielten, wird von verschiedenen Schriftquellen bezeugt und hat sich auch in archäolo­gischen Befunden niedergeschlagen.11 Auf der Breslauer Dominsel reichen die ältesten Relikte eines Holzerdewalles, der zunächst nur ein sehr kleines Burgareal von etwa 60 m Breite sicherte, mög­licherweise bis in die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts zurück; da die dendrochronolo­gisch in die 920er bis 930er Jahre datierten Holzfunde aus den beiden untersuchten Wallfragmenten aber auch sekundär verwendet worden sein können, belegen sie nicht zweifelsfrei, dass dieser Wall tatsäch­lich bereits vor der Mitte des 10. Jahrhunderts bestanden hat.12

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Deut­lichere archäolo­gische Siedlungsspuren begegnen auf der Dominsel erst seit der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert. Daher wird die ältere, auf den Ortsnamen gestützte Annahme, Breslau sei bereits vor 921 von dem böhmischen Herzog Vratislav I. (um 888 – 921) ‚gegründet‘ worden, inzwischen kaum noch vertreten. Zwar geht das seit dem 13. Jahrhundert von deutschen Zuwanderern geprägte Breslau, wie die um 1017/18 von dem Merseburger Bischof Thietmar aufgezeichneten ältesten Namensformen – Wortislava, Wrotizlau (Wrotizlaensem) – belegen 13, tatsäch­lich auf den Perso­ nennamen Wartislaw/Vratislav zurück; doch war dieser bei den Slawen allgemein verbreitet. Breslau kann seinen Namen daher gut auch einem lokalen schle­sischen Kleinfürsten verdanken, der sein Machtzentrum auf der Oderinsel eingerichtet hatte.

Außenposten piastischer Expansion Spätestens zu Beginn des 11. Jahrhunderts befand sich diese Insel im Besitz Bolesławs I. des Tapferen. Im Frühjahr des Jahres 1000 war der Piastenherzog in Gnesen mit Otto III. zusammengetroffen und hatte dort nicht nur den Abschluss eines prestigeträchtigen Freundschaftsbündnisses mit dem Kaiser, sondern auch die Errichtung einer eigenen polnischen Kirchenprovinz erwirken können.14 Eines der drei dem neuen Erzbistum unterstellten Bistümer wurde unter der Leitung eines Bischofs namens Johannes in Breslau errichtet. Die beiden anderen entstanden in Kolberg und Krakau, während das ursprüng­liche Missionsbistum Posen zunächst selbständig blieb. Alle drei neuen Bistümer entstanden in Gebieten, die weit jenseits des piastischen Kerngebietes um Gnesen und Posen lagen und der piastischen Herrschaft zunächst erst noch tatsäch­lich hinzugewonnen werden mussten. Dass diese Expansion auch scheitern konnte, zeigte sich rasch im Fall des pomoranischen Kolberg, wo das piastisch-­polnische Bistum bereits wenige Jahre nach seiner Gründung wieder einging. In Breslau dagegen konnte die piastische Herrschaft – wie in Krakau – mit größerem Erfolg Fuß fassen. So entstand auf der Dominsel nicht nur ein erster Kathedralbau, sondern auch eine neue, größere Befestigungs­ anlage. Diese scheint von Anfang an zweigeteilt gewesen zu sein, wobei der kleinere, nordwest­liche Teil einen herzog­lichen Hofkomplex, der größere

Außenposten piastischer Expansion

südöst­liche Teil – wie einschlägige Kleinfunde (Waffen, Sporen, Pfeilspitzen) belegen – die Behausungen der militärischen Gefolgschaft und ihrer Familien, aber auch der geist­lichen Amtsträger beherbergte. Der an mehreren Stellen archäolo­gisch untersuchte Befestigungswall bestand aus einer Sand-­Lehm-­Aufschüttung, die im Innern durch Palisadenkammern beziehungsweise ineinander verkeilte Roste aus Eichenholz stabilisiert wurde. Er schützte das sich nur 4 – 5 m über das Oderniveau erhebende Inselgelände nicht zuletzt vor Hochwasser, war aber vor allem ein wichtiger militärischer Rückhalt der piastischen Expansion. Diese zielte bald nicht mehr allein auf Schlesien, sondern mit den Marken Lausitz und Meißen, mit Böhmen und Mähren auch auf südwest­lich angrenzende Reichsgebiete. Seit 1002 stand Bolesław der Tapfere folgerichtig in einem langjährigen Krieg mit Kaiser Heinrich II. ­Als dieser 1017 die schle­sischen Burgen Glogau und Nimptsch belagerte, wartete Bolesław, wie Thietmar von Merseburg berichtet, „voller Sorge in der Burg Breslau (in Wortizlava civitate)“ den Ausgang ­dieses Angriffs ab. Sobald der Kaiser unverrichteter Dinge aus Schlesien abgerückt war, zog der Piastenherzog von Breslau aus mit über 600 Fußsoldaten sogleich gegen Böhmen.15 Ein Teil dieser pedites wird zweifellos in der Breslauer Burg sta­tioniert gewesen sein. Allerdings wies deren innere Bebauung, folgt man den archäolo­gischen Funden und Befunden, in den älteren, ins erste Drittel des 11. Jahrhunderts datierten Kulturschichten noch eine ziem­lich unregelmäßige, lockere Form auf. Die Breslauer Burg dürfte daher zu ­diesem Zeitpunkt ungeachtet ihrer Funk­ tion als militärischer und kirch­licher Stützpunkt wohl noch nicht allzu intensiv bewohnt und genutzt worden sein. Sie blieb zunächst nicht mehr als ein Außenposten piastischer Herrschaft. War der politische Anspruch der Piasten in Gestalt des Kathedralbaus und der neuen Befestigungsanlage auf der Oderinsel auch nachdrück­lich zum Ausdruck gebracht worden, so blieb er doch nicht unangefochten. Als in den 1030er Jahren ein innerer Aufruhr und ein verheerender Überfall des Böhmenherzogs Břetislav die 1025 zum Königtum erhöhte Piastenherrschaft allgemein in ihren Grundfesten erschütterte, brach sie auch in Breslau vorübergehend zusammen. Das bezeugen sowohl schrift­liche als auch archäolo­gische Quellen. So beginnt die lokale, in Breslauer Bischofskatalogen festgehaltene Kirchentradi­tion die Reihe der Breslauer Bischöfe

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erst in der Mitte des 11. Jahrhunderts mit dem vermeint­lich ersten Bischof namens Hieronymus (primus episcopus … Ieronimus).16 Zudem weiß sie von zwei älteren Bischofssitzen in Schmograu und Ritschen zu berichten. Zwar kann von diesen allenfalls Ritschen anhand einer päpst­lichen Bulle aus dem Jahr 1155, in deren Besitzauflistung für das Bistum dieser Burgort – wie für Bischofssitze üb­lich – an erster Stelle genannt wird, als provisorischer Bischofssitz plausibel gemacht werden.17 Doch sprechen die angeführten Indizien dafür, dass das im Jahr 1000 begründete Bistum vor Einsetzen dieser Tradi­tion augenschein­lich untergegangen war. Dieser Untergang spiegelt sich auch in einem bemerkenswerten archäolo­ gischen Befund, der zwar schon in den 1960er Jahren ermittelt, aber erst kürz­lich durch eine detaillierte Sekundäranalyse vollständig zum Sprechen gebracht worden ist.18 Er belegt, dass im nordwest­lichen Teil der Burg, nahe der späteren Martinskirche (Farbtafel 2), der Holzerdewall stellenweise eingeebnet und auf der planierten Fläche ein rechteckiges, 9 × 4,5 m großes Gebäude errichtet worden ist. Nach der dendrochronolo­gischen Datierung des in ihm verbauten Eichenholzes kann dies frühestens nach dem Frühjahr 1033 geschehen sein. Der Baubefund (insbesondere die mit idolförmigen Enden versehenen Palisadenhölzer) und das Fundmaterial (u. a. Reste von Seiden-, Leinen- und Wollstoffen sowie ein unter dem Fundament abgelegter Pferdeschädel) weisen auffällige Ähn­lichkeiten zu elb- und ostseeslawischen bzw. lutizischen Tempelbauten auf, wie sie in Wolin und im mecklenbur­gischen Groß Raden aufgedeckt worden sind. Es spricht daher einiges dafür, auch den Breslauer, in die 1030er Jahren zu datierenden Befund als einen paganen Kultbau zu deuten. Die Errichtung ­dieses fanum idolatriae – so nannte der Autor der Prüfeninger Vita Ottos von Bamberg die pomoranischen „Tempel des heidnischen Götzendienstes“19 – muss während jenes Aufruhrs erfolgt sein, den die Forschung als „heidnische Reak­tion“ bezeichnet und der nach böhmischen, rus’ischen und polnischen Chroniknachrichten ebenfalls in die 1030er Jahre datiert werden kann. Die älteste polnische Chronik, das Werk des sogenannten Gallus Anonymus, hat ihn „nicht ohne tränenerstickte Stimme“ als einen Abfall „vom katho­lischen Glauben“ beschrieben, bei dem sich „Knechte […] in die Herrschergewalt erhoben“ und „Bischöfe und Priester […] töteten.“ Doch wurde Polen damals, wie der Chronist weiter vermerkte, nicht nur

Herzogliche Pfalz und Burgbezirkszentrum

„von seinen eigenen Bewohnern gequält“, sondern auch von Fremden „in einen solchen Zustand der Verwüstung [gebracht], dass es seines Reichtums und seiner Menschen fast völlig entblößt wurde.“20 Vor allem die Böhmen plünderten 1038/39 das Land und schlossen bei dieser Gelegenheit auch Breslau wieder ihrer Herrschaft an. Dabei werden sie zweifellos den paga­ nen Kultbau und die mit ihm verbundene Herrschaft der Rebellen, zu denen mög­licherweise auch elbslawische bzw. lutizische, von den Piasten in Breslau und Umgebung angesiedelte Kriegsgefangene gehört haben, wieder beseitigt haben. Noch im Oktober 1041 hat Kaiser Heinrich III. dem Böhmenherzog Břetislav die schle­sische Eroberung bestätigt.21

Herzogliche Pfalz und Burgbezirkszentrum Die Wiederherstellung der piastischen Monarchie war das Werk ­Kasimirs I., des „Erneueres“, der die Zeiten des Aufruhrs im ungarischen und deutschen Exil verbracht hatte. Mit kaiser­licher Unterstützung gewann er in den 1040er Jahren eine polnische Region nach der anderen zurück. Schlesien konnte er der böhmischen Herrschaft allerdings erst nach dem Jahr 1050 entwinden. Sollte die Vermutung zutreffen, dass der Sitz des um 1051 wieder belebten Breslauer Bistums zunächst provisorisch in der Burg von Ritschen errichtet wurde 22, dann scheint den Piasten Breslau noch nicht sogleich wieder zugäng­lich gewesen zu sein. Es musste von ihnen erst in weiteren Anläufen dauerhaft zurückerobert werden. Wann genau dies geschah, lässt sich nicht sagen. Der zerstörte Holzerdewall könnte, wie dendrochronolo­gisch belegte Fälldaten des verbauten Holzes (1057) belegen, vielleicht schon in den ausgehenden 1050er Jahre erneuert worden sein. Mit der Rückeroberung dürfte ein weiterer Elitenaustausch einhergegangen sein. Spätestens zu ­diesem Zeitpunkt werden die letzten, aus vorpiastischer Zeit übrig gebliebenen sozialen bzw. ‚stammespolitischen‘ Strukturen und politischen Einflüsse beseitigt gewesen sein. Die archäolo­gischen Funde und Befunde weisen für die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts eine merk­liche Belebung der Siedlung auf der Oderinsel aus. Diese wurde von einem neuen, noch einmal vergrößerten Holzerdewall umgeben, der nunmehr das gesamte 5 – 6 ha große Inselareal schützte, dessen Bebauung an Dichte und Regelmäßigkeit zunahm. An sorgfältig

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konstruierten Wegen aus hölzernen Bohlen richteten sich die von Zäunen, Steinreihen oder Gräben begrenzten Gehöfte aus. Auf ihnen standen in Gerüst- oder Blockbauweise errichtete ein- bis zweikammrige Wohnhäuser, Badestuben oder Speicher. Die circa 20 m² großen, zumeist rechteckigen, manchmal auch quadratischen Wohngebäude besaßen mit Holz oder Stein ausgelegte Fußböden, Feuerstellen, die entweder durch einen Holzrahmen oder eine Steinsetzung begrenzt waren, oder einen Kuppelofen sowie mit Holz verschalte Kellergruben. Die Gebäude wurden in der Regel nach Abnutzung an gleicher Stelle neu errichtet, wobei die unterste Balkenlage des alten Gebäudes dem neuen als Fundament diente. Auch diese stabile Bauabfolge verweist auf feste Grundstücksgrößen, denen offenbar ein im Rahmen des herzog­lichen Rechts geregelter Grundbesitz zugrunde lag. Dass in den entsprechenden Kulturschichten nach wie vor keine Belege für eine am Ort betriebene handwerk­liche Produk­tion begegnen, allenfalls Spuren eines sehr bescheidenen Hausgewerbes und einer begrenzten Viehhaltung, deutet darauf hin, dass das unter piastischer Herrschaft wiederbelebte und verdichtete Burgzentrum aus dem Umland versorgt wurde. Das belegt auch die vergleichsweise differenzierte Keramik, in der ein Teil der Produkte in die Burg geliefert bzw. die für den Bedarf der Burgbewohner im Umland hergestellt wurde. Einige wenige Funde von Klappwaagen, Gewichten und Hacksilber 23 sowie Importgegenstände zeigen, dass auf der Oderinsel inzwischen wohl auch etwas (Fern-)Handel stattfand, doch blieb die Funk­tion der Burg im Wesent­lichen auf die politische und kirch­liche Verwaltung eines in ihrem Umfeld organisierten Burgbezirks beschränkt. In ­diesem Bezirk, der einen Radius von etwa 15 – 20 km erreichte, übten die auf der Oderinsel sta­tionierten welt­lichen Amtsträger für den permanent durch sein Reich umherziehenden Monarchen die herzog­liche (1076 – 1079 kurzfristig auch noch einmal könig­liche) Herrschaft aus. Dazu sprachen sie in seinem Namen Recht, organisierten die lokal-­regionale Heeresabteilung und schöpften über ein System von Abgaben und Dienstleistungen die für den Herrscherhof bestimmten sowie zu ihrer eigenen und der Burgsiedlung Unterhaltung erforder­lichen Ressourcen ab. Gleichzeitig verfolgten kirch­ liche Amtsträger ihr Missionswerk, das nach der „heidnischen Reak­tion“ der 1030er Jahre zunächst wieder ganz von vorn beginnen musste. Bedenkt

Herzogliche Pfalz und Burgbezirkszentrum

man, dass das Gnesener Erzbistum nicht vor Mitte der 1070er Jahre erneuert werden konnte, erscheint es nicht unwahrschein­lich, dass auch das Breslauer Bistum erst um 1075 im Kontext der von Papst Gregor VII. unterstützten kirch­lichen Reformbemühungen Bolesławs II. des Kühnen seinen Sitz wieder in Breslau selbst erhielt und erst zu ­diesem Zeitpunkt auch eine Erneuerung der in den 1030er Jahren zerstörten ersten Domkirche, das heißt der zweite Kathedralbau in Angriff genommen worden ist. Vielleicht wurden jene Münzen, die den Kopf Johannes des Täufers, des Patrons der Breslauer Kathedrale, und die Namen Johannes und Bolesław tragen, von Bolesław II. gerade aus ­diesem Anlass geprägt.24 Mit der Erneuerung des Bistumssitzes in Breslau gewann die Oderburg eine über den engeren Burgbezirk hinausgehende zentralört­liche Funk­ tion. Diese schlug sich bis zum Ende des 11. Jahrhunderts auch in einer weiter gefassten territorial-­politischen Organisa­tion nieder. Der für die 1090er Jahre belegte Breslauer Graf (comes Wrotislaviensis) Magnus hat im Namen des Herzogs augenschein­lich bereits mehr als nur den Burgbezirk beaufsichtigt. Gallus Anonymus spricht ihm jedenfalls ein ‚Herzogtum‘ (ducatus) zu, während ihn der Chronist Vincentius von Krakau (Kadłubek) gegen Ende des 12. Jahrhunderts als ‚Provinzvorsteher‘ (praeses provinciae) bezeichnete und damit offenbar richtig deutete, dass Magnus seinerzeit bereits als herzog­licher Statthalter in ganz Schlesien agierte.25 Damit war am Ende des 11. Jahrhunderts die Breslauer Burg, die urbs Wratislavia, zu einem der führenden Zentren des piastischen Reiches aufgestiegen. Gallus Anonymus zählte sie zu Beginn des 12. Jahrhunderts neben Krakau und Sandomir zu den „Hauptsitzen des Reiches“ (sedes regni principalis). Auch das große Gewicht, das der g­ leiche Chronist den Breslauer Burgleuten im Kontext jenes Konfliktes zuschrieb, der in den 1090er Jahren ­zwischen Herzog Władysław Herman bzw. seinem Pfalzgrafen Sieciech und den Herzogssöhnen Zbigniew und Bolesław III. ausbrach, bestätigt Breslaus damalige herausgehobene Bedeutung. Denn als die mit Sieciech unzufriedene Partei gegen diesen und damit Herzog Władysław opponierte und sich zu d ­ iesem Zweck zunächst des älteren Herzogssohnes Zbigniew, ­später auch Bolesławs III. bediente, waren es die Breslauer Großen (maiores et seniores civitates) und Graf Magnus, die Zbigniew in Breslau aufnahmen und „auf den Schild der Abwehr“ gegen den verhassten Sieciech hoben.26

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Damit und durch ihre anschließende Unterstützung für beide Brüder im Kampf gegen ihren Vater trugen die Breslauer (Wratislavienses) tatsäch­ lich nicht wenig dazu bei, dass der Pfalzgraf nach einigem Hin und Her letzt­lich gestürzt wurde.

Ein Breslauer Großer – der Pfalzgraf Petrus Wer waren die von Gallus Anonymus erwähnten Breslauer Großen und Vornehmen, die maiores et seniores civitates, die neben dem Grafen Magnus in der Burgstadt und der Provinz das Sagen hatten? Die Frage rührt an ein altes Problem der polnischen Mediävistik, näm­lich den Ursprung des polnischen Adels. War die Schicht der politisch und wirtschaft­lich Bevorrechtigten ein uraltes, in vorpiastische Stammeszeiten zurückreichendes Phänomen oder eine jüngere sozialgeschicht­liche Erscheinung, die sich erst mit der Ausgestaltung der monarchischen Herrschaft herausgebildet hat? Diese Frage wird nach wie vor kontrovers diskutiert und ist angesichts der Quellenlage nur schwer definitiv zu beantworten. Der Breslauer Graf Magnus war einer der ersten nament­lich bekannten Vertreter dieser Schicht und der Bericht des Gallus Anonymus über die mit ihm am Ende des 11. Jahrhunderts gemeinsam agierenden Breslauer Großen eines der frühestens Zeugnisse für die Posi­tion und Rolle, die diese Personengruppe eingenommen hat. Ausführ­licher berichten die Quellen erst für das 12. Jahrhundert und auch für diese Zeit ist es zunächst ein Breslauer Großer, über den wir die vergleichsweise größte Kenntnis gewinnen. Diesen Großen nennen die zeitgenös­sischen Quellen Petrus. Der heutigen polnischen Forschung ist er als Piotr Włostowic, der deutschen als Peter Wlast bekannt.27 Sein Titel (comes) weist ihn – wie zuvor den Magnus – als einen herzog­lichen Amtsträger aus. Tatsäch­lich dürfte Petrus früh zu den engsten Beratern Herzog Bolesławs III. gehört haben. Die 1159 verfasste Vita Ottos von Bamberg aus der Feder des Mönches Herbord lobt ihn als „Heerführer, einen Mann von scharfem Verstand und tapfer in seiner Kraft, bei dem es zweifelhaft ist, ob er bedeutender bei den Waffen oder im Rat war.“28 Auch Magister Vincentius porträtierte Petrus gut vier Jahrzehnte nach dessen Tod – er starb um 1153 – als einen überaus weisen und tapferen Mann, der im Rat des Herzogs eine führende Rolle spielte.29 Wie sich diese

Ein Breslauer Großer – der Pfalzgraf Petrus

Nähe und Treue in konkreten Handlungen ausdrückte, zeigt die Erzählung von der Entführung des Fürsten Volodar Rostislavič. Folgen wir den zeitnahen Quellen des 12. Jahrhunderts, so beriet sich Herzog Bolesław III., als sich im zweiten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts ein erneuter Konflikt mit dem Fürsten von Przemyśl anbahnte, mit seinen Amtsträgern und Großen darüber, wie ­diesem Konflikt mit dem rus’ischen Teilfürsten am besten begegnet werden könnte. Dabei habe Petrus als einer der einfluss­ reichsten Ratgeber des Herzogs vor einem Mehrfrontenkampf gewarnt, da er fürchtete, dass Volodar nicht nur die Polovcer, sondern auch die Pomoranen und Pruzzen gegen die Polen ins Feld führen könnte. „Deshalb habe ich in meinem Kopf – so die Worte, die Herbord Petrus bei dieser Gelegenheit in den Mund legte – einen Plan entwickelt, die Rus’ besser durch eine List zu überwinden.“30 Der Herzog und die übrigen Großen akzeptierten diesen Plan, woraufhin Petrus mit dreißig Getreuen zu Volodar zog, sich dort als politischer Flüchtling ausgab, sein Vertrauen gewann und ihn anschließend – das gewonnene Vertrauen missbrauchend – nach Polen entführte, um für die Freilassung des Entführten einen Friedensschluss und enorme Beute zu erpressen. Aus der Rus’ bzw. Przemyśl habe Petrus, wie die Zwiefalter Chronik berichtet, auch seine Ehefrau Maria, eine mit dem byzantinischen Kaisergeschlecht der Komnenen verwandte Rurikidin, mit nach Polen gebracht.31 Nach dem Tod Bolesławs III. wendete sich das Schicksal des kühnen Mannes zunächst. Władysław II., der als ältester Sohn des Bolesław 1138 die Oberherrschaft erhalten hatte, das Reich aber mit seinen Brüdern teilen musste, gab sich mit dem Seniorat nicht zufrieden, strebte vielmehr bald nach der Alleinherrschaft. Dabei fürchtete er offenbar, dass sich Petrus, den er im Amt des Pfalzgrafen belassen hatte und der auf dieser Basis unterdessen seine Stellung in Breslau weiter ausbaute, auf die Seite der jüngeren Brüder stellen könnte. Noch zu Weihnachten 1144 trat Petrus in Vertretung Władysławs in Magdeburg vor König Konrad III. als princeps Poloniae auf.32 Wenig ­später aber ließ ihn der Herzog – wie eine Kiever Chronik berichtet – blenden und vertreiben.33 Doch wurde der Senior schon 1146 selber von den jüngeren Brüdern und den vom Schicksal des Petrus wohl aufgeschreckten Großen des Reiches vertrieben und sein nächst jüngerer Bruder, Bolesław IV. ­Kraushaar, zum Senior erhoben. Dieser muss

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Petrus rasch rehabilitiert haben, wird er in einer Urkunde von 1149/50 doch erneut als Inhaber des Pfalzgrafenamtes, das heißt als der nach dem Herzog zweitmächtigste Mann des Reiches ausgewiesen.34 Auch hier findet die Charakterisierung des Vincentius eine Bestätigung, dass Petrus dem Herzog von allen Großen des Reiches zeitweise am nächsten gestanden habe. Vincentius hob auch die hohe Verwandtschaft des Petrus hervor. Ob er damit die elter­liche Herkunft – manche Historiker sehen in Petrus einen Nachkommen jenes sleenzanischen Kleinfürsten, der im 10. Jahrhundert seinen Sitz auf der Oderinsel gehabt haben soll – oder die Eheschließung des Petrus mit der Tochter eines rus’ischen Fürsten bzw. die Verheiratung seiner eigenen Tochter Agapia/Agatha mit einem Fürsten namens Jaxa (von Köpenick?), gemeint hat, bleibt offen. Einen Elternteil spricht Vincentius insofern an, als er dem Namen Petrus das Patronymikon Vlostides anhängt, womit er wohl auf den Vater – einen Mann namens Vlost/Vlast – verwies. Dieser könnte mit jenem comes Wlaz identisch gewesen sein, der dem Breslauer Bischof im ausgehenden 11. Jahrhundert drei Dörfer schenkte.35 Eine Urkunde von 1139/1149 nennt eine comitissa Vlostonissa; sie dürfte die Ehefrau des Vlost und M ­ utter des Petrus gewesen sein.36 Als Angehörige der Sippe der Vlostiden sind schließ­lich auch ein cognatus Ceseborius und ein frater Boguslaus belegt.37 Sie alle traten als kirch­liche Wohltäter auf. Doch reichten ihre frommen Werke bei Weitem nicht an die K ­ irchen- und Klosterstiftungen des Petrus selbst heran. Schon die mittelalter­lichen Quellen haben ihm eine geradezu gewaltige Stiftungstätigkeit zugeschrieben. Über 70 bzw. 77 ­Kirchen und Klöstern soll er – vermeint­lich zur Buße für seine Verbrechen (darunter die Entführung des Volodar) und auf Geheiß des Papstes oder der polnischen Bischöfe – errichtet und reich ausgestattet haben. Die Großpolnische Chronik aus dem ausgehenden 13. bzw. 14. Jahrhundert nennt sieben Klosterstiftungen auch nament­lich: das Marienkloster der Regularkanoniker auf der Breslauer Sandinsel, das Vinzenzkloster auf dem Breslauer Elbing, je eine Abtei in Czerwińsk und Sulejów, ein Kloster in Strzelno, eine Laurentius-­Präpositur bei Ka­lisch und eine weitere in Mstów.38 Jan Długosz schrieb dem Petrus im 15. Jahrhundert schließ­lich insgesamt 45 Kloster- und Kirchenstiftungen nament­lich zu.39 Was all diesen – zweifellos vom Topos der heiligen Zahl beziehungsweise oder

Ein Breslauer Großer – der Pfalzgraf Petrus

Abb. 1  Stiftungstympanon der Marienkirche auf der Breslauer Sandinsel. Das in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandene, noch heute im rechten Seitenschiff des im 14. Jahrhunderts errichteten Nachfolgebaus vorhandene Tympanon stellt die Ehefrau von Petrus Vlostides Maria (links) und ihren Sohn Świętosław (rechts) als Stifter dar

von späteren Ausschmückungen geprägten – Angaben gemeinsam ist, ist die Erinnerung an eine offenbar ganz außergewöhn­liche Stiftertätigkeit des Breslauer Großen. Die Urkunden des 12. Jahrhunderts bezeichnen Petrus nur für zwei kirch­liche Einrichtungen explizit als fundator, näm­lich zum einen für eine Kapelle auf dem Breslauer Elbing und zum anderen für das der Jungfrau Maria geweihte Benediktinerkloster ebenda, das spätere Vinzenzstift, dessen Anfänge von der Forschung in die zweite Hälfte der 1120er Jahre datiert werden und für das auch die Zwiefalter Chronik den Pfalzgrafen Petrus als Stifter ausweist.40 Umstritten ist dagegen, ob auch die Gründung eines zweiten Breslauer Marienklosters, jenes der Augustinerchorherren auf der Sandinsel, unmittelbar auf Petrus zurückgeht. Unsichere urkund­liche Hinweise und die Tradi­tion des Klosters selbst deuten daraufhin, dass es ursprüng­lich – mög­licherweise auf Initiative von Petrus’ Vater Vlost, vielleicht aber auch von ­diesem selbst – zunächst auf dem Zobtenberg angesiedelt und erst s­ päter auf die Breslauer Sandinsel verlegt worden ist. Die bereits zitierte Urkunde von 1149/1150 berichtet davon, dass der Breslauer Bischof Walter auf Bitten des Petrus zwei Marienkirchen, einer auf der Breslauer Sandinsel und einer auf dem Zobtenberg, den Zehnten von neun

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Dörfern übertrug. Schließ­lich benennt die Inschrift eines aus der ältesten, nicht erhaltenen steinernen Klosterkirche des Sandstifts überlieferten Tympanons (Abb. 1) die Ehefrau und den Sohn des Petrus, Maria und Świętosław, als Stifter ­dieses Kirchenbaus. Daher ist nicht auszuschließen, dass auch der Ehemann und Vater selbst bereits an der Gründung und Erstausstattung d ­ ieses Klosters auf der Breslauer Sandinsel und mög­ licherweise auch seines Vorgängers auf dem Zobtenberg beteiligt war. Die Stiftungen des Petrus, deren Umfang und Qualität augenschein­ lich all das beträcht­lich übertrafen, was andere Große damals als Stifter zu realisieren vermochten, sollten ihm und seiner Familie in erster ­Linie geist­lichen Schutz, Gnade und ein geist­liches Andenken (memoria) gewäh­ren und damit das Seelenheil im Jenseits sichern. Angesichts der herausgehobenen Stellung, die Petrus einnahm, mag er mit seinen Stiftungen jedoch auch den Gedanken verfolgt haben, sein Breslauer ­Ak­tions­zentrum aufzuwerten, symbo­lisch zu erhöhen und auf diese Weise zu festigen. Hierzu passt sehr gut die Nachricht, dass er mit Fürsprache König ­Konrads III. beim Magdeburger Erzbischof die Reliquien des hl. Vincentius ­erwarb, die er am 6. Juni 1145 im Beisein der schle­sischen Großen (terre illius primates) feier­lich in sein Hauskloster auf dem Breslauer Elbing überführen ließ. Dieser symbo­lische Akt war zweifellos auch eine eindrucksvolle Demonstra­tion seiner welt­lichen Stellung. Im Übrigen blieb sein kirch­liches Engagement nicht auf die Errichtung und Ausstattung einzelner ­Kirchen und Klöster beschränkt. Vielmehr trat ­Petrus – so die Magdeburger Annalen – ganz allgemein als „ehrfürchtigster Anhänger der christ­lichen Religion“ hervor, der den hl. ­V incentius wohl nicht nur aus politischem Kalkül, sondern auch, wie es in den Magdeburger Annalen weiter heißt, zur Verbreitung des katho­lischen Glaubens innerhalb seines Machtbereichs nach Breslau hat überführen lassen.41 Als eifriger Verfechter der römisch-­katho­lischen Religion trat er schließ­lich auch in einem Brief auf, den er gemeinsam mit dem Krakauer Bischof Matthäus 1143 – 1145 an Bernhard von Clairvaux richtete, in dem über Mög­lichkeiten einer Bekehrung der orthodoxen Rus’ informiert und der berühmte Abt der Zisterzienser und Propagandist der Kreuzzüge zu einem Besuch Polens eingeladen wurde.42

Polyzentrische Frühstadt

Polyzentrische Frühstadt Große wie Petrus haben die Breslauer Burgstadt bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts hinein geprägt. Die Piasten waren zunächst wenig präsent, sodass der herzog­liche Burgsitz, in dem noch vor Mitte des 12. Jahrhunderts eine Martinskirche entstand, die 1149 dem Vinzenzkloster übergeben wurde, bescheiden blieb. Der weitere Ausbau der Siedlung einschließ­lich ihrer kirch­lichen und ökonomischen Infrastruktur lag daher vor allem in den Händen der geist­lichen und welt­lichen Großen. Letztere verfügten über einen erheb­lichen Teil des Breslauer Siedlungsgebietes zu beiden Seiten der Oder und etablierten ihre Gehöfte (curiae) und die von ihnen gestifteten ­Kirchen und Klöster an handelsstrate­gisch wichtigen Punkten, und zwar: 1. auf dem linken Oderufer im Bereich der Kreuzung des aus dem Reich über Kleinpolen in die Rus’ führenden West-­Ost-­Handelsweges mit der aus Böhmen kommenden Süd-­Nord-­Verbindung; 2. auf der Sandinsel, die eine entscheidende Stütze für die Oderüberquerung und daher ein idealer Kontroll- und Zollpunkt war; schließ­lich 3. auf dem Elbing, auf dem sich die Süd-­Nord-­Route in einen nach Großpolen und einen nach Kujawien und Masowien weiterführenden Weg gabelte. Der nörd­lich der Dominsel gelegene Elbing war ein Werder, der von Seitenarmen der Oder umspült wurde und eine west-­öst­liche Ausdehnung von etwa 3,5 km besaß. Er war, wie vereinzelte Relikte von Grubenhäusern zeigen, schon im 8. Jahrhundert sporadisch bewohnt, dauerhaft aber erst seit dem 11. Jahrhundert besiedelt.43 In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts befand er sich größtenteils im Besitz des comes Petrus, der in seinem öst­lichen Teil einen „ziem­lich gut befestigten Hof“ (curiam satis bene munitam) unterhielt.44 In dessen Nähe muss im frühen 12., vielleicht noch im 11. Jahrhundert eine Michaelskapelle errichtet worden sein, die als Pfarrkirche einer Bevölkerung diente, deren agrarisch geprägte, aus 7 – 16 m² großen ebenerdigen oder eingetieften Wohn- und Wirtschaftsbauten bestehende Siedlung archäolo­gisch bezeugt ist. Sie erstreckte sich auf einer leichten, überschwemmungsfreien Anhöhe, auf der in den 1120er–1130er Jahren das Kloster der hl. Jungfrau Maria errichtet wurde (das nach der Reliquien-­Ü berführung von 1145 auch das Patrozinium des hl. Vinzenz trug). Für das Kloster wurden die ältere Siedlung eingeebnet und deren Bewohner offenbar umgesiedelt, was ein weiterer Beleg dafür sein dürfte,

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dass das Gelände dem Klosterstifter, dem comes Petrus, gehörte und die auf ihm lebende Bevölkerung von ihm abhängig war. Das Kloster, in das Benediktiner aus Tyniec bei Krakau einzogen, erhielt von Anfang an eine steinerne Abteikirche, während die übrigen Klosterbauten zunächst aus Holz errichtet wurden.45 Der dreischiffige, querhauslose romanische Bau ist 1529 zusammen mit den übrigen Klostergebäuden im Rahmen von Verteidigungsmaßnahmen abgerissen worden. Aus seiner ältesten Bauphase sind ledig­lich einzelne sekundär verbaute Säulenkapitelle aus Granit und zwei Sandsteinreliefs mit Heiligen- beziehungsweise Bischofsporträts überliefert, die sich heute im Breslauer Na­tionalmuseum befinden. Dagegen stammt jenes prächtige Portal, das einst wohl in den Kreuzgang führte und das der Stadtrat beim Abriss retten ließ, weshalb es noch heute in der Südfassade der Maria-­Magdalena-­Kirche zu bewundern ist, erst aus einer späteren Ausbauphase beziehungsweise dem ausgehenden 12. Jahrhundert.46 In situ haben Archäologen erst in den 1980er Jahren weitere Überreste der Abtei untersuchen können.47 Dabei haben sie in Gestalt eines Negativabdrucks im Boden einen Teil der Südwand der Klosterkirche, Spuren der romanischen Baustelle und Relikte einer Buntmetallgießerei sowie zwei in den Boden eingetiefte Pfosten-­F lechtwerkbauten aufgedeckt. Letztere werden als Überreste einer Wohnbebauung gedeutet, die bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts von den am Klosterbau beschäftigten Arbeitern genutzt und anschließend von einem Friedhof überlagert wurden, auf dem neben den Laienangehörigen des Klosters (Konversen) auch Mitglieder der vom Kloster betreuten Elbinger Pfarre bestattet wurden. Die Baustelle selbst begegnete als eine Fläche, auf der – wie eine große Zahl von Steinsplittern und Bruchstücken zeigen – mit Preller und Spitzeisen Steine bearbeitet wurden. Da größere Steinbrocken fehlten, nehmen die Archäologen an, dass die Erstbearbeitung des Granit- und Sandsteinmaterials bereits in den Steinbrüchen erfolgte. Steinanalysen deuten darauf hin, dass der Granit vom Südhang des Zobtenberges, der Sandstein aus der Gegend um Goldberg und Bunzlau herbeigeschafft wurde. Neben der Steinbearbeitungsfläche wurden die Überreste dreier Kalkbrennöfen ermittelt, in denen hauptsäch­lich Triaskalkstein aus der Gegend von Oppeln verwendet wurde. Die in zwei der drei Öfen verwendeten Ziegel

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wiesen ähn­liche Formate wie byzantinisch-­altrus­sische Ziegel auf. Diese Analogie und gewisse Konstruk­tionsähn­lichkeiten zu Brennöfen, die in Kiew ausgegraben worden sind, lassen die Archäologen vermuten, dass ein Teil der am Abteibau beschäftigten Bauleute mög­licherweise aus der Rus’ herbeigeholt worden sein könnte – eine Vermutung, die angesichts der rus’ischen Ehefrau des Petrus nicht gänz­lich abwegig erscheinen mag. In der ermittelten Gießerwerkstatt scheinen, wohl von den Mönchen selber, diverse metallene Ausstattungs- und Gebrauchsgegenstände für den ­Kirchen- und Klosterbedarf hergestellt worden zu sein. Im west­lichen Teil des Werders lag das Gehöft eines Großen namens Mikora, das dieser in den 1170er Jahren dem Zisterzienserkloster ­Leubus schenkte.48 Zu seinen Besitzungen auf dem Elbing gehörten auch Fleischbänke und Fischteiche, aus denen er hohe Einkünfte erzielte (auch wenn die Deutung, dass allein seine Fleischbänke jähr­lich 54 Mark, also fast das zweifache dessen, was mitunter für ein ganzes Dorf samt ­Kirche gezahlt wurde, abgeworfen haben sollen, weniger überzeugt 49). Auch das Vinzenzkloster verfügte über verschiedene Handelseinrichtungen. Für die Mitte des 12. Jahrhunderts ist bei ihm ein Jahrmarkt urkund­lich belegt, der nach einer Urkunde Heinrichs I. von 1232 an der Klosterkirche (ante atrium ecclesie) jeweils acht Tage lang anläss­lich des Namenstages des Klosterpatrons abgehalten wurde.50 Daneben scheint es in der Nähe des Klosters Fischteiche, Fleischbänke sowie eine Taverne gegeben zu haben. Zwar konnten auf dem Elbing – im Unterschied zur Dominsel – bislang keine Kaufmannswaagen und Gewichte gefunden werden, doch besteht angesichts der übrigen Zeugnisse kein Zweifel daran, dass hier einer der Handelsplätze des frühstädtischen Breslau lag. Er verlor erst seit dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts seine Bedeutung, insbesondere nachdem das Vinzenzkloster 1232 in einem Tauschgeschäft mit dem Herzog auf sein Marktprivileg verzichtet hatte. Süd­lich an den Werder schloss sich die Sandinsel an, deren Funk­tion in erster Linie in der Sicherung und Kontrolle des Oderübergangs bestand. Der Übergang dürfte hier zum Teil über eine Holzbrücke geführt haben und mit einer Zollstelle versehen gewesen sein. Hier lag zweifellos ein neural­gischer Punkt der frühstädtischen Siedlung, sodass nicht verwundert, dass die Familie des Grafen Petrus ausgerechnet hier um die Mitte

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des 12. Jahrhunderts das zweite große Breslauer Kloster errichten ließ.51 Dieses mit Augustinerchorherren besetzte Marienstift betrieb ebenfalls eine Taverne, die jedoch bereits auf dem linken Oderufer am Rande der dort entstehenden Siedlung unmittelbar neben dem Oderübergang lag und an die ein Heilig-­Geist-­Hospital anknüpfte, das 1214 vom Abt des Stiftes Witosław unter Beteiligung Heinrichs I. gegründet und von den Chorherren betreut wurde.52 Die sich hier andeutende Verlagerung der Handelsaktivitäten vom rechtsufrigen Elbing auf das linke Oderufer war nicht das Werk der Breslauer Großen. Diese verloren vielmehr in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zunehmend an Einfluss und wurden auch besitz­lich mehr und mehr zurückgedrängt. Es waren die Herzöge Bolesław der Lange und sein Sohn Heinrich I. der Bärtige, die seit dem letzten Drittel des 12. Jahrhundert das Heft in die Hand nahmen und der Breslauer Siedlung entscheidende neue Entwicklungsimpulse verliehen.53 Bolesław der Lange war nach langen Jahren des Exils, in denen er auch jenseits des Reiches einiges von der damaligen Welt gesehen hatte, 1163 nach Schlesien zurückgekehrt. Kaiser Friedrich Barbarossa hatte den piastischen Senior Bolesław IV. ­Kraushaar letzt­lich gezwungen, dem Sohn seines vertriebenen, 1159 im Altenburger Exil gestorbenen Bruders Władysław II. das schle­sische Teilfürstentum zu überlassen. Als Bolesław der Lange um 1166 dem Onkel schließ­lich auch Breslau entrissen hatte, müssen die drei steinernen, allesamt nichtherzog­lichen Monumentalbauten – die Kathedrale des Walter von Malonne, das Vinzenkloster und das Sandstift des Pfalzgrafen Petrus, prächtig ausgestattete Bauten, deren Errichtung mit jeweils z­ wischen 50.000 und 100.000 Mark riesige Summen verschlungen haben 54 und die sich imponierend über die bescheidene Holzbebauung der herzog­lichen Burg erhoben – eine gewaltige Herausforderung für seinen Ehrgeiz dargestellt haben. Dieser Ehrgeiz zielte zwar noch eine Weile auch auf die mit Krakau verknüpfte piastische Oberherrschaft, ließ sie aber bald aus dem Auge und konzentrierte sich seit Mitte der 1170er Jahre ganz und gar auf Schlesien. Hier brachte Bolesław seinen Herrschaftsanspruch zunächst mit der Stiftung des Klosters Leubus symbo­lisch zum Ausdruck, schritt aber offenbar sehr bald auch an den Ausbau seiner Residenz auf der Breslauer Dominsel.

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Zwar ist sich die Forschung über Deutung und Datierung des entsprechenden, mehrfach untersuchten archäolo­gischen Befundes nicht völlig einig. Doch scheint die Umgestaltung der Burg zu einem steinernen Bauensemble bereits von Bolesław dem Langen initiiert worden zu sein. Bis ins erste Viertel des 13. Jahrhunderts hinein wurde das Burgareal durch Einebnung eines Teils der Burgwälle erweitert und mit einem rechteckigen, etwa 14 x 15 m großen Palatium, einem Donjon von 21 m Innendurchmesser, einer Burgkapelle, einem Badehaus, einer Küche und einer Ofenanlage ausgestattet. Das hölzerne Deckengebälk des Donjon wurde von einem 2 m dicken Mittelpfeiler gestützt, dessen Ziegel in Form und Ausführung jenen ähnelten, die beim Leubuser Klosterbau verwendet wurden (Farbtafel 3). Das kann als ein weiteres Indiz dafür angesehen werden, dass dem steinernen Burgensemble, das während des 13. Jahrhunderts noch weiter ausgebaut und modernisiert wurde, tatsäch­lich auf die Initiative des Leubuser Klosterstifters, Bolesławs des Langen, zurückgegangen sein dürfte.55 So gewann der Herzog gegenüber den Großen allmäh­lich die Oberhand und bestimmte mehr und mehr den weiteren Siedlungsausbau. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts besaß er Zugriff auf die großen Klöster und damit auch auf die von ihnen betriebenen Handelseinrichtungen. Im Vinzenzkloster tauschte er die Benediktiner gegen Angehörige des neuen Ordens der Prämonstratenser aus und leitete auch sonst Veränderungen, nicht zuletzt in den Besitzverhältnissen, ein, an die sein Nachfolger, Heinrich I. der Bärtige, in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts anknüpfen konnte. Diese Veränderungen schlugen sich insbesondere auf dem linken Oderufer nieder. Die sich etwas höher als die Oderinseln über das Flussniveau erhebende sandige Terrasse links der Oder ist stellenweise bereits im 11. Jahrhundert genutzt worden.56 Neben einzelnen Höfen von Großen entwickelten sich hier an mehreren Punkten entlang der Fernhandelswege offene Händlerund Handwerkersiedlungen, die in den archäolo­gischen und schrift­lichen Quellen allerdings erst für das 12. Jahrhundert deut­licher erkennbar werden. Die erste Siedlung erstreckte sich vom Oderübergang süd­lich der Sand­ insel etwa 300 m nach Westen und 400 m nach Süden. In ihr war – wohl nahe der Oder – ein Markt etabliert, der zum Jahr 1208 erstmals als forum Vratizlaviensis bezeugt ist.57

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14 13 5 11

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1 19 17

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Nabitin Tschepine

insel

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Falkenhorst Siedlungszone nach archäol. Untersuchungen Siedlungszone nach Schriftquellen ungefährerer Verlauf der Flüsse Burgwall Hauptstraßen Kirche, Lage sicher Kirche, Lage unsicher Friedhöfe Schänken nach Schriftquellen 0 Herrenhöfe nach Schriftquellen

Sand-

20

12

6

Dominsel 2

3

22

15 7 pons Sancti Mauritii 9

8 18 500 m

Abb. 2  Breslau im 12. Jahrhundert 1 – Burg mit Burgkapelle, 2 – Kathedrale St. Johannes, 3 – Augustinerabtei mit K ­ irche Unsere Liebe Frau, 4 – Norbertinerabtei mit St. Vinzenz, 5 – St. Michaelis, 6 St. Petri, 7 – St. Adalbert, 8 – St. Maria von Ägypten, 9 – St. Mauritius, 10 – St. Nikolai, 11 – Elbinger Jahrmarkt vor der St. Vinzenz-­Kirche, 12 – Markt in der Siedlung am linken Oderufer, 13 – Hof der Familie Włostowic, 14 – Hof des Mikora, 15 – Hof des Gerung, 16 – Siedlung ad sanctum Adalbertum, 17 – jüdische Siedlung, 18 – wallonische Siedlung, 19 – Nabitin-­Taverne, 20 – Birvechnik-­Taverne, 21 – Taverne ad finem pontis, 22 – Taverne des Augustinerklosters

Die Bebauung der Siedlung bestand aus eingetieften und ebenerdigen Wohn- und Werkstätten in Pfosten- und Blockbaukonstruk­tion, in d ­ enen Spuren von Buntmetall-, Eisen-, Knochen- und Geweih-, aber auch von Glas- und Lederverarbeitung nachgewiesen wurden. Süd­lich schloss sich ein schwach belegtes Gräberfeld an, dessen älteste Bestattungen ins 11. Jahrhundert datieren und das bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts benutzt wurde. Am südöst­lichen Rand der Siedlung lag die zum Jahr 1148 erstmals urkund­lich erwähnte St.  Adalbert-­Kirche; sie wurde kurz darauf vom Bruder des Pfalzgrafen Petrus, Bogusław, dem Kloster auf der Sandinsel geschenkt.58 Die Adalbert-­Kirche blieb zunächst die einzige Pfarrkirche der linksufrigen Siedlung, die noch zu Beginn des 13. Jahrhunderts als Siedlung ad sanctum Adalbertum in Wratzlau bezeichnet wurde.59 Mit ihrer

Polyzentrische Frühstadt

Belebung kamen weitere K ­ irchen hinzu. In ihrer südwest­lichen Erweiterung, die bald das ältere Gräberfeld überlagerte, entstand um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert – vielleicht noch auf Initiative Bolesław des Langen – die Maria-­Magdalena-­Kirche. Sie könnte einer ersten, noch sehr kleinen Gemeinschaft deutschsprachiger Zuwanderer (hospites) gedient haben, doch ist über ihre frühe Geschichte nichts weiter bekannt. Im Untergrund der heutigen gotischen ­Kirche aufgedeckte Überreste eines romanischen Vorgängerbaus werden in das erste Viertel des 13. Jahrhunderts datiert.60 Sehr wahrschein­lich wurden ihr 1226 die Pfarrrechte der Adalbert-­Kirche übertragen, die ihrerseits den im gleichen Jahr aus Krakau nach Breslau gekommenen Dominikanern übergeben wurde.61 Die recht frühe Niederlassung d ­ ieses erst wenige Jahre zuvor entstandenen Bettelordens kann zweifellos als ein weiteres Indiz für eine beschleunigte Entwicklung des linksufrigen Siedlungsteils gedeutet werden. Nordwest­lich, nahe der Oder und am nach Westen führenden Handelsweg schloss sich an den alten Siedlungskern, wie spätere schrift­liche Quellen und gewisse archäolo­gische Hinweise nahelegen, eine Niederlassung jüdischer Kaufleute an. Dass es sich auch hier bereits um eine kleine Gemeinschaft gehandelt hat, bezeugen Grabsteine eines im 14. Jahrhundert zerstörten jüdischen Friedhofs, deren ältester ins Jahr 1203 datiert und den Tod eines David beklagt, der eine „angenehme Stimme“ (kol naim) gehabt habe, also mög­licherweise als Kantor fungierte.62 Ein dritter Siedlungsteil auf dem linken Oderufer entstand etwa 300 bis 400 m öst­lich der Adalbert-­Kirche entlang des nach Osten führenden Handelswegs. Hier ließen sich wallonische Händler und Wollweber nieder, die sicher nicht direkt – wie einst Colmar Grünhagen meinte – von der Mosel, sondern aus Sachsen oder der Lausitz an die Oder gekommen waren. Sie wurden vom Herzog mit entsprechenden Gast-­Rechten und herzog­lichem Boden ausgestattet und gründeten einen vicus beati Mauricii, der in späteren Quellen auch als platea Gallica beziehungsweise Romanorum bezeichnet wurde.63 Ihr Zentrum war die Mauritius-­Kirche, die indirekt erstmals zum Jahr 1226, unmittelbar dann zum Jahr 1234 bezeugt ist.64 Auch die ältesten archäolo­gischen Siedlungsbelege stammen aus dem beginnenden 13. Jahrhundert, sodass die ältere Annahme, die Ansiedlung der Wallonen sei bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts auf Veranlassung des selbst aus

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Frühmittelalterliche Burgstadt (950er–1230er Jahre)

der Diözese Lüttich stammenden Bischofs Walter von Malonne erfolgt, fallen gelassen werden muss.65 Ein weiterer zunächst separater Siedlungsteil lag rund 250 m süd­lich der Adalbert-­Kirche. Er ist ledig­lich archäolo­gisch nachgewiesen; seinen Mittelpunkt dürfte die – allerdings erst für die 1260er Jahre in den Schriftquellen belegte 66 – ­Kirche der hl. Maria von Ägypten gebildet haben. Das im piastischen Polen ungebräuch­liche Patrozinium scheint darauf hinzudeuten, dass sich auch um diese ­Kirche herum eine Gruppe fremder hospites angesiedelt haben dürfte. In einiger Entfernung, knapp 2 km west­lich der Adalbert-­Kirche lag schließ­lich eine Nikolai-­Kirche, die bereits für 1175 als Eigentum des Klosters Leubus bezeugt ist, im 13. Jahrhundert aber in die Hände des Breslauer Bischofs gelangte.67 In ihrer Nähe, Nabitin bzw. „auf dem Feld“, bestand eine Taverne. Beide außerhalb der eigent­lichen Siedlung gelegenen Einrichtungen dürften als Stützpunkte für durchreisende Fernhändler fungiert haben; weitere Siedlungsspuren liegen hier für das beginnende 13. Jahrhundert bislang nicht vor. Bis in die ersten Jahrzehnte des 13. Jahrhunderts hatte sich Breslaus Erscheinungsbild mithin erheb­lich gewandelt. War die urbs Wratislaviensis um die Mitte des 12. Jahrhunderts noch allein von der herzog­lichen Burg und dem Bischofssitz auf der Dominsel, von den Höfen der Großen sowie den beiden mächtigen Klosteranlagen auf dem Elbing und der Sand­ insel geprägt, so herrschte Heinrich I. der Bärtige, der 1201 seinem Vater nachfolgte, bereits in einer mehrgliedrigen, räum­lich erheb­lich erweiterten Agglomera­tion. Deren neue Siedlungsteile auf dem linken Oderufer ­waren weitaus stärker als die älteren Siedlungsteile von (Fern-)Handel und Handwerk geprägt und zugleich in neuer Weise, wie ein entsprechender Wandel in der archäolo­gisch fassbaren Sachkultur belegt, multiethnisch strukturiert. Zusammen mit den älteren Siedlungsteilen verliehen sie Breslau im ausgehenden 12., beginnenden 13. Jahrhundert einen typisch frühstädtischen Charakter.

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II. Herzogliche Lokationsstadt (1230er–1330er Jahre)

Der Ring Das urbanistische Herz Breslaus ist der sogenannte Ring (Rynek). Seine Großzügigkeit und Klarheit beeindrucken seit dem Mittelalter. Dem heutigen Besucher präsentiert sich der etwa 207 x 172 m große Platz als ein einzigartiges topographisch-­städtebau­liches Dokument, das unmittelbar in die Zeit der Umwandlung Breslaus in eine herzog­liche Gründungs- bzw. kommunale Rechtsstadt zurückführt. Zwar ist die Seiten- und Innenbebauung des nach Krakau zweitgrößten Stadtplatzes des öst­lichen Mitteleuropa jüngeren Datums und nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs größtenteils nicht im Original erhalten. Doch ist der Platz in seiner räum­ lichen Anlage seit der Mitte des 13. Jahrhunderts unverändert geblieben (Farbtafel 4). Wann genau er angelegt wurde, konnte bislang nicht eindeutig bestimmt werden.68 Die ältesten, sicher datierten archäolo­gischen Befunde gehen bis in die 1220er–1240er Jahre zurück. Seine Vermessung und die Anlage der von ihm ausgehenden Straßen erfolgten in einer bewussten, planmäßigen Ak­tion, die man sich gleichwohl nicht als einen einmaligen punktuellen Akt, sondern als einen längeren, mehrere Etappen umfassenden Vorgang vorstellen muss. Für diese Ak­tion wurde knapp 100 m west­lich der älteren, von der Maria-­Magdalena-­Kirche begrenzten Siedlung ein relativ flaches, gleichwohl hochwassergeschütztes, bis dahin weitgehend ungenutztes Gelände abgesteckt, dessen trockener Sandboden ledig­lich in seiner nordwest­lichen Ecke geringfügig planiert werden musste. Die von West nach Ost verlaufende Mittelachse des neuen Platzes wurde exakt auf die Längsachse der Maria-­Magdalena-­Kirche ausgerichtet und seine Nordsüdachse genau parallel zu deren Westfront angelegt. Von jeder Platzecke aus wurden im rechten Winkel zwei Straßen abgeführt, wobei sich in der Südostecke die von West nach Ost, aus dem Reich nach Krakau, und von Nord nach Süd, aus Großpolen nach Böhmen führenden Fernhandelswege kreuzten (Karte Innenklappe vorne). In der Mitte der nörd­lichen und

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Herzogliche Lokationsstadt (1230er–1330er Jahre)

öst­lichen Platzseite gingen zusätz­lich zwei weitere Straßen ab, sodass um den neu geschaffenen Platz herum ­zwischen den abgehenden Straßen zehn rechteckige Baublöcke entstanden. Hinter diesen schlossen sich weitere parallel geführte Straßen an, die ihrerseits eine zweite Reihe rechteckiger Baublöcke begrenzten. Am west­lichen und nörd­lichen Rand des dergestalt vermessenen Terrains entstand – in einer späteren Etappe – jeweils noch eine dritte, teilweise schmalere Reihe von Baublöcken. Insgesamt wurden auf diese Weise um den Ring herum 32 rechteckige Baublöcke angelegt. Gegenüber der älteren, etwa 12 ha großen Siedlung, die sich vom linken Oderufer ­zwischen Adalbert- und Maria-­Magdalena-­Kirche nach Süden erstreckte, ergab sich damit (ohne den knapp 3,6 ha großen Ringplatz selbst) eine Ausbaufläche von rund 32 ha. Es handelte sich also um ein weitsichtiges Unternehmen, das der städtischen Expansion für längere Zeit genügend Entfaltungsraum bot. Zwei der zehn unmittelbar am Ring gelegenen Baublöcke blieben unge­ teilt: der jenseits der Südwestecke gelegene Block wurde als zusätz­liche Marktfläche (Salzmarkt), der sich an die Nordwestecke anschließende Block für den Bau einer zweiten Pfarrkirche, der St. Elisabeth-­Kirche, genutzt. Die übrigen Baublöcke wurde in mög­lichst gleichgroße, in der Regel 60 × 120 Fuß (= 18,78 × 37,56 m) messende Parzellen eingeteilt.69 Dadurch entstanden potenziell rund 270 Ur-­Grundstücke, von denen 35 mit ihren schmalen Vorderfronten direkt auf den Ringplatz stießen (während die übrigen jeweils an eine Straße grenzten). Die Parzellen wurden in der Folge weiter unterteilt, sodass den Ring schon seit der Mitte des 14. Jahrhunderts dauerhaft 58 bis 61 Grundstücke säumten.70 Es waren die besonders prominent gelegenen Ringparzellen, die als erste bebaut wurden, wenngleich auch in einigen rückwärtigen Straßen archäolo­gische und bauhistorische Spuren begegnen, die bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückreichen. Doch ging der Ausbau langsam vonstatten; bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts waren erst 35 der damals 61 Ringplatzgrundstücke bebaut, während viele Parzellen der äußeren Baublöcke noch unberührt lagen. Die ersten Häuser waren hölzerne, mit Lehm verkleidete Ständer- oder Pfostenbauten, wie sie im Westen verbreitet waren; die für die frühstädtische Siedlung typischen Block- und Flechtwerkhäuser traten allenfalls noch als Hinterhäuser auf.71 Die an der Parzellenfront errichteten

Der Ring

Haupthäuser erreichten eine Grundfläche von 30 – 40 m², besaßen zumeist nur ein Erdgeschoss und erhielten allenfalls in der Ständerbauweise eine zweite Etage. In diesen Fällen diente das Erdgeschoss als Werkstatt und Lager, das über eine Außentreppe erreichbare, ofenbeheizte Obergeschoß als Wohnbereich. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden die Holzhäuser zum Teil bereits durch gemauerte Ziegelsteinhäuser ersetzt. Relikte dieser ältesten Steinbebauung konnten bislang auf 19 Ringparzellen (jeweils 6 in der West- und Nordzeile, 5 in der Südzeile und 2 in der Ostzeile) ermittelt werden. Es handelt sich um Überreste ehemaliger Erdgeschosswände, ­Gewölbedecken und einzelne Architekturdetails, wie etwa die beiden roma­nischen Granitsäulen im Gebäude Ring 17, die einst die Gewölbedecke des Erdgeschosses stützten. Durch die Ziegelbauweise wurde nicht nur die Brandsicherheit und Wehrhaftigkeit der Wohnhäuser erhöht, sondern auch ihre Nutzfläche vergrößert. So erreichten die ältesten gemauerten Häuser ein Grundmaß von 56 (Ring 59) bis über 200 m² (Ring 7). Zudem konnten sie höher gebaut werden und wiesen in der Regel zwei Geschosse auf, wobei die Dächer offenbar zunächst flach gehalten waren. Für ein Haus (Ring 48/49) konnte ein Abschluss in Gestalt eines Zinnenkranzes, für ein anderes (Ring 33) die Form eines Wohnturmes ermittelt werden. Die Obergeschosse wurden durch Kamine, Kachelöfen oder hypokaustische Anlagen beheizt, wie sie von Fürsten- und Klosterhöfen bekannt waren. Auch die Küchen lagen wie bei letzteren außerhalb des Hauptgebäudes auf dem Hinterhof. Die ersten Breslauer steinernen Wohnhäuser scheinen sich also an herzog­lichen und klöster­lichen Ziegelgebäuden orientiert zu haben, so wie sie gleichzeitig von den Erfahrungen der ört­lichen Kirchenbauhütten profitiert haben dürften.72 Wie die Kirchenbauten ragten sie aus dem Grau der Holz-­ Lehmbebauung der Nachbarhäuser mit ihren roten Ziegelwänden hervor, die auch im Innern so belassen wurden, wobei man die Fugen offenbar mit weißer Kalkfarbe betonte und neben Fensteröffnungen auch Wandnischen für die abend­liche Kerzenbeleuchtung anbrachte. Die zunächst nur ein- bis zweikammrigen Häuser grenzten giebel- oder traufständig unmittelbar an den Ringplatz, nahmen aber anfangs nicht die gesamte Grundstücksbreite ein. Erst allmäh­lich wurden die Gebäude größer und durchgängig zwei- bis dreigeschossig. Eine besonders intensive

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Abb. 3  Rekonstruk­tion der ältesten Wohnbebauung (13. Jahrhundert) in der west­ lichen Häuserzeile am Ring

Bauphase fiel in das letzte Drittel des 14. Jahrhunderts, nachdem der Stadtrat 1363 in Reak­tion auf wiederholte Stadtbrände beschlossen hatte, dass neue Häuser nur noch in Stein und Ziegel errichtet werden sollten.73 Die neuen ‚gotischen Häuser‘ erhielten steile, ihrerseits meist in zwei Dachböden unterteilte Giebeldächer, mehrere Trakte und eine dekorative Fassadengestaltung (Farbtafel 5). Sie nahmen bald die gesamte Grundstücksfront ein und füllten mit ihren rückwärtigen Nebenflügeln mehr und mehr auch den hinteren Grundstücksbereich aus. Dennoch scheint es noch bis ins 15. Jahrhundert hinein gedauert zu haben, bis alle vier Seiten des Ringplatzes von einer lückenlosen Zeilenbebauung umschlossen waren. Auf dem geräumigen Platz selbst entstanden seit der Mitte des 13. Jahrhunderts neue, zentrale Handelseinrichtungen.74 Im Zentrum, wenn auch nicht ganz mittig, vielmehr leicht ins südöst­liche Platzviertel verschoben und gegenüber der Platzachse etwas abgeschrägt wurde eine Kaufhalle errichtet. Sie bestand aus zwei Reihen von je 21 ziegelgemauerten Verkaufsräumen.75

Der Ring

Nörd­lich vorgelagert wurden ihr die sogenannten Reichkrame, zwei Reihen mit je 24 hölzernen, ­später ebenfalls gemauerten Verkaufsständen. Zusätz­ liche hölzerne Verkaufsbuden wurden parallel zur öst­lichen, west­lichen und nörd­lichen Ringzeile etwa 6 m vor deren Baufluchten aufgestellt. Die Wege entlang der Verkaufsstände wurden mit Steinen gepflastert und der Platz nach und nach mit Sand, Ziegelschutt oder Holzbohlen befestigt. Sein Niveau stieg durch beständige Dung- und Müllablagerungen und das regelmäßige Auftragen sauberer Sandschichten rasch (insgesamt um rund 3 m) an, ehe es sich im 15. Jahrhundert mit dem Abschluss der Seiten- und Innenbebauung dauerhaft stabilisierte. West­lich der Kaufhalle schloss sich die (seit 1273 schrift­lich belegte) Stadtwaage und südöst­lich der älteste Teil des späteren Rathauses an. Dieser bestand aus einer rechteckigen, zweischiffigen Halle, die mit einer waagerechten Holzbalkendecke abgeschlossen wurde und deren Grundgestalt noch in der sogenannten Bürgerhalle im Erdgeschoss des heutigen Rathausgebäudes erkennbar ist. An der Nordwestseite des 26 m langen, knapp 14 m breiten Ziegelsteinbaus wurde gleichzeitig ein quadratischer, fast 8 m breiter Turm aufgeführt. Halle und Turm zusammen bildeten das sogenannte consistorium, für dessen Errichtung nach Ausweis des ältesten Breslauer Rechnungsbuches 1299 zwei Bauleute, die Meister Martin und Alberich, einen erheb­lichen Geldbetrag erhielten.76 Das consistorium diente noch nicht als Rathaus im eigent­lichen Sinn, sondern war die Versammlungsstätte für das Gericht des Erbvogts und das sogenannte Burding, die allgemeine Bürgerversammlung, die vom Rat durch das Geläut der im Turm aufgehängten Glocke einberufen wurde. Der Rat selbst hielt seine Sitzungen damals noch in einem Privathaus am Ring ab, jedenfalls wurde das Wohnhaus Ring 30 zu Beginn des 14. Jahrhunderts als „das alte Rathaus“ bezeichnet. Bevor die Gerichte des Erbvogts und der Bürgerversammlung mit dem consistorium also ihre wetterfeste Versammlungsstätte erhielten, fanden Rechtsprechung und Burding offenbar unter freiem Himmel statt. Tatsäch­lich haben die Archäologen unmittelbar südöst­lich des consistoriums einen besonders eingefriedeten Bereich ermittelt, der den archäolo­gischen Funden und Befunden zufolge als Gerichtsplatz angesprochen werden kann; s­ päter wurde hier in Gestalt einer Staubsäule der öffent­liche Pranger aufgestellt; die 1492 errichtete Sandsteinsäule steht bis heute an ihrem Platz. Daher ist

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vermutet worden, dass der Begriff „Ring“ (circulus) ursprüng­lich vielleicht auf eben diese Teilfunk­tion des Platzes als Gerichts- bzw. Ding-(= Ring) stätte zurückgegangen ist.77

Fürstenherrschaft und Stadtlokation Die planmäßige Anlage des Ringplatzes, der in den Quellen 1299 zunächst als forum, 1327 als aldin markt, 1349 als forum communi, aber erst 1350 als Ring (circulus) begegnet,78 war Teil eines komplexen Vorgangs, der sich nicht in der topographisch-­bau­lichen Neugestaltung des Stadtraumes erschöpfte. Die urbanistische Veränderung war vielmehr Teil einer grundlegenden politischen, wirtschaft­lichen, sozialen und recht­lichen Umgestaltung des städtischen Lebens, die auch als „Loka­tion“ bezeichnet wird.79 Der Begriff geht auf den zeitgenös­sischen, vom lateinischen Verb locare abgeleiteten Quellenterminus locatio zurück. Seine Bedeutung war bereits im Mittelalter vielschichtig.80 Das Wort konnte sowohl die Ansetzung von Siedlern, die Anlegung einer neuen dörf­lichen oder städtischen Siedlung, die Vermessung von Fluren und Parzellen, die Errichtung von Gebäuden, aber auch die Umorganisa­tion einer bereits bestehenden Siedlung oder die Einführung neuer recht­licher Normen und Verfahrensweisen, schließ­lich die Einrichtung einer kommunalen Selbstverwaltung bezeichnen. Schon diese Varia­tionsbreite zeigt an, dass der Begriff keinen einmaligen Akt, keine punktuelle „Gründung“ bezeichnet, sondern einen langgestreckten Prozess, der sich in Breslau etwa vom zweiten Jahrzehnt bis ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts hinzog.81 Als ein mehrstufiger Vorgang war die „Loka­tion“ ihrerseits Teil ­eines landesweiten Transforma­tionsprozesses, der auch als „Kolonisa­tion“, „Landesausbau“ (melioratio terrae) oder „Modernisierung“ bezeichnet wird und ein gesamteuropäisches Phänomen darstellte. Polen erreichte diese Modernisierung seit dem beginnenden 13. Jahrhundert von Westen und Süden her, sodass sie hier zuerst in Schlesien in Erscheinung trat.82 Ihre entscheidende Triebkraft waren die einheimischen Herzöge, die sie als Werkzeug der Sicherung und Intensivierung ihrer Herrschaft entdeckten. Ihre maßgeb­lichen Voraussetzungen lagen in einem hohen mitteleuro­ päischen Bevölkerungswachstum, einem persön­lichen Freiheitsdrang, der

Fürstenherrschaft und Stadtlokation

die nach neuen Existenzgrundlagen strebenden Siedler in Bewegung setzte, sowie in agrarwirtschaft­lichen Innova­tionen, die ihnen die nötigen Mittel für einen erfolgreichen Neuanfang am fremden Ort in die Hand gaben. Der erste piastische Herzog, der den Landesausbau als Instrument seiner Herrschaft nutzte und in großem Stil flämische, wallonische, vor allem aber deutsche Siedler anwarb, war Heinrich I., der Bärtige.83 Sein primäres Anliegen war die Steigerung der herzog­lichen Einnahmen. Dazu sollte die wirtschaft­liche Struktur des Landes verbessert, seine Produktivität gesteigert und das hergebrachte System der noch in hohem Maße naturalwirtschaft­lichen Ressourcenabschöpfung in ein effizienteres, geldbasiertes Abgabensystem überführt werden. Die dazu eingesetzten Mittel waren ebenso einfach wie durchschlagend: Die Siedler erhielten 1. persön­ liche Freiheit und Freizügigkeit, 2. einen Anteil an dem durch Rodung und Siedlungsausbau erschlossenen Land zu erb­lichem Besitz, 3. die Gewähr, für beides nur verbind­lich geregelte Pflichten übernehmen zu müssen (näm­lich eine festgelegte, kalkulierbare Zinszahlung nach Ablauf einer kleineren oder größeren Zahl von Freijahren; begrenzte Kriegsleistungen im Verteidigungsfall) und 4. das Recht, sich selbst zu verwalten sowie nach eigenen Rechtsgewohnheiten zu leben. Im Ergebnis solcher Privilegierung entstanden in der slawisch-­polnischen Umgebung neue, planmäßige Siedlungstypen mit effizienteren Flurformen, ein innovatives Rechtssystem und eine neue Sozialstruktur, die von einer prinzipiellen Gleichrangigkeit der Siedler ausging, denen in den Siedelak­tionen in der Regel gleichwertige Flur- und Grundstücke zugeteilt wurden. Vor allem aber ermög­lichte die Ansiedlung von Kolonisten die systematische Rodung und Urbarmachung zuvor ungenutzten Bodens. Dank einer verbesserten Agrartechnologie (Dreifelderwirtschaft, Räderpflug, langstielige Sense, Wasser- und Windmühlen), größerer Anbauflächen und einer Spezialisierung im Fruchtanbau („Vergetreidung“) wurde das neu gewonnene Kulturland zudem intensiver genutzt. Die dadurch ermög­lichten Ertragssteigerungen füllten nicht nur die herzog­liche Schatulle, sondern brachten auch den bäuer­lichen Siedlern neue Einnahmen. Diese kurbelten wiederum die Geldwirtschaft und einen kommerzialisierten Handel an, der die neuen Dörfer und Städte wirtschaft­lich aufeinander bezog und in ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis brachte. Tatsäch­lich bestand ein wesent­liches Merkmal

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des Landesausbaus in der engen funk­tionalen Verknüpfung von länd­licher und städtischer Siedlung. Folg­lich sahen Heinrich I. und seine Nachfolger auch die von ihnen neu- oder umgegründeten Städte in erster Linie als Einnahmequellen und Instrumente ihrer Herrschaft. In ihnen konnten sie nicht zuletzt den Geldumlauf kontrollieren und ihren wachsenden Bedarf an Bargeldeinkünften befriedigen. Diese Zusammenhänge lassen sich auch am Beispiel Breslaus klar vor Augen führen. Auch hier war es Heinrich I., der in den Jahren z­ wischen 1210 und 1230 die ersten Schritte unternahm, die polyzentrische Frühstadt in ein einheit­liches städtisches Gebilde neuen Typs umzuwandeln. Die Forschung ist sich bislang allerdings nicht einig, ob dies noch auf dem Terrain der älteren Siedlung z­ wischen Oderufer und Adalbert-­Kirche im Bereich des späteren Neumarkts oder schon auf dem Ring geschah. In letzterem Fall wäre der Herzog kaum durch bestehende Eigentumsverhältnisse behindert worden, während er im ersteren Fall, für den gewisse Indizien sprechen, zunächst in diversen Tauschgeschäften – in erster Linie mit kirch­lichen Einrichtungen – einen geschlossenen Komplex herzog­licher Besitzungen schaffen musste, auf dem er dann seine „Loka­tion“ ungestört durchführen konnte. Ob diese nur die Gewährung von Rechtsautonomie für die vorhandene Kolonie fremder Kaufleute oder auch bereits einen planmäßigen topographischen Umbau der bestehenden Siedlung umfasste, lässt sich ebenfalls nicht mit Gewissheit sagen. Dafür dass zumindest eine recht­lich selbständige Gemeinschaft ausgesondert wurde, spricht die Existenz eines sogenannten Schulzen, der für 1214 (Godinus soltetus) und 1229 (Alexsander scultetus de Wratisl[avia]) belegt ist.84 Bei ihm handelte es sich um einen vom Herzog eingesetzten Amtsträger, der gleichwohl zur Gruppe der fremden Siedler gehörte, sich mit deren Recht auskannte und die Gruppe gegenüber dem Herzog vertrat. Auch der in Urkunden der 1220er Jahre begegnende Begriff civitas, der sich nicht mehr auf die Burgsiedlung auf der Dominsel, sondern auf die Siedlung links der Oder bezog, könnte bereits eine recht­lich selbständige Gemeinde bezeichnet haben.85 Dass die herzog­liche Loka­tionsmaßnahme in erster Linie fiska­lische Interessen verfolgte, lässt ein Brief Magdeburger Schöffen erkennen, der sich zwar im Archiv von Goldberg erhalten hat, ursprüng­lich aber wohl Breslau betraf und im zweiten oder dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts

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an Heinrich I. adressiert war.86 Er belegt, dass der Herzog bei der Privilegierung der „zum Bau seiner Stadt zusammengekommenen Kolonisten“ (qui ad civitatem vestram edificandam confluxerunt) zwar auf die seit dem letzten Viertel des 12. Jahrhunderts in Magdeburg entwickelten Rechtsnormen zurückgriff, diese aber, wie die Magdeburger Schöffen rügten, zu seinem Vorteil und zum Schaden der kaufmännischen Siedler abänderte. Er verbot ihnen näm­lich jeden Handel in ihren Privathäusern und zwang sie, ihre Transak­tionen ausschließ­lich in besonderen Verkaufseinrichtungen, auf dem Markt, den Fleischbänken, in Schenken oder im zentralen Kaufhaus abzuwickeln. Diese Einrichtungen aber hatte der Herzog entweder zuvor durch Kauf und Tausch systematisch in seinen Besitz gebracht oder selbst neu errichtet. Auf diese Weise konnte er den am Ort abgewickelten Handel nicht nur vollständig kontrollieren, sondern auch konsequent besteuern. Allein das Kaufhaus (domus mercatorum), das zu ­diesem Zeitpunkt noch nahe dem Oderübergang in der Nachbarschaft des späteren Franziskanerklosters lag, warf jähr­liche Einnahmen in Höhe von 200 Mark ab.87 Ein weiteres Mittel, die aus der Stadt fließenden herzog­lichen Einkünfte zu erhöhen, war die Standardisierung der den Bürgern ausgeteilten Grundstücke. Indem der Stadtraum in einheit­lich große Parzellen untergliedert wurde, verschaffte sich der Herrscher eine verläss­liche und transparente Besteuerungsgröße, die seinen fiska­lischen Interessen besonders entgegen kam. Die einzelne Parzelle (area, curia, hof), an deren Besitz zugleich das Bürgerrecht geknüpft war, wurde nicht zu vollständigem Eigentum, sondern ledig­lich in Erbpacht ausgegeben. Ihr Besitzer konnte sie vererben und auch in Teilen oder ganz verkaufen, hatte aber an den Stadtherrn, das heißt einstweilen den Herzog, eine Abgabe zu zahlen.88 Die planmäßige, schachbrettförmige Breslauer Stadtanlage griff – wie andere ostmitteleuropäische Loka­tionsstädte – mithin nicht nur die urbanistische Ra­tionalität von Vorbildern auf, die zuvor im Westen, insbesondere z­ wischen Elbe, Saale und Oder entwickelt worden waren, sondern lag auch im Bestreben des herzog­lichen Stadtherrn begründet, die mög­lichst vollständige Kontrolle über den neuen Stadtorganismus zu bewahren. Es bleibt, wie gesagt, einstweilen unklar, ob schon Heinrich I. auch auf ­dieses Instrument der topographischen Vereinheit­lichung zurückgegriffen hat. Sollte dies – wie der oben zitierte Hinweis der Magdeburger Schöffen

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(ad civitatem … edificandam) andeuten könnte – tatsäch­lich der Fall gewe­ sen sein, so wurden die entsprechenden Bemühungen doch schon bald abrupt unterbrochen. Denn als im April 1241 ein mongo­lisches Reiterheer zunächst Krakau verheerte und anschließend nach Schlesien weiterzog, flohen – schenken wir einem späteren Bericht des Jan Długosz Glauben – die Breslauer überstürzt aus der Stadt, während die Leute des Herzogs die noch unbefestigten linksodrigen Siedlungsteile niederbrannten, „damit sich die Tataren nicht seiner Häuser bemächtigen, nicht ihrer Einäscherung rühmen oder dort eine Zuflucht einrichten konnten.“89 Wie stark die Zerstörung, von der um 1243/44 auch der damals in Ungarn lebende Italiener Rogerius von Torre Maggiore berichtet,90 tatsäch­lich ausfiel, ist kaum zu sagen. Dass die Siedlung auf dem linken Oderufer nach dem Abzug der Mongolen aber recht schnell wieder zum Leben erwachte und spätestens jetzt mit der planmäßigen Anlage des um den Ring herum organisierten Straßen- und Parzellensystem begonnen wurde, belegen nicht nur archäolo­gische Funde und Befunde. Auch eine am 10. März 1242 ausgestellte Urkunde Bolesławs II., des 1242 – 1248 im noch ungeteilten Herzogtum Breslau-­Schlesien herrschenden Enkels Heinrichs I., spricht ausdrück­ lich von einer erneuten „Loka­tion“ (locatio civitatis Wratizlauvie).91 Es ist bezeichnend, dass der Herzog den Erfolg dieser Loka­tion vom Aufkauf der bis dahin dem Kloster Trebnitz gehörenden Breslauer Schenken und Fleischbänke abhängig machte, den er sich dann auch 21 Mark kosten ließ. Augenschein­lich knüpfte auch Bolesław II. an seine Loka­tion die Erwartung, den städtischen Handel der ausschließ­lichen herzog­lichen Kontrolle zu unterwerfen. So verblieben auch die seit Mitte des 13. Jahrhunderts auf dem Ringplatz errichteten neuen Handelseinrichtungen zunächst in herzog­lichem Besitz; die Kaufleute, die sie nutzten, mussten dem Herzog dafür eine Pacht zahlen. Um ihre Politik den kaufmännischen Kolonisten dennoch schmackhaft zu machen, verknüpften sowohl Bolesław II. als auch dessen jüngerer Bruder Heinrich III., der seit 1248 im Breslauer Anteil des nunmehr geteilten Herzogtums Schlesien herrschte, die von ihnen 1241/42 bzw. 1261 vorgenommenen räum­lichen Loka­tionen explizit mit dem Privileg der Rechtsautonomie, indem sie die Stadt ausdrück­lich zu deutschem Recht aussetzten (iure Teuthonico locavimus) bzw. ihr die – wenn auch in Details abweichende – Anwendung des Magdeburger Rechts

Die topographisch-räumliche Organisation der Lokationsstadt

(ius civitatis Maydeburgensis) gestatteten.92 Damit war im langgestreckten Loka­tionsprozess eine zweite Etappe erreicht: die Zusammenfassung der recht­lich autonomen Bürgergemeinde innerhalb eines ra­tional gegliederten, vereinheit­lichten Stadtraums. Diese Veränderung bedeutete frei­lich nicht, dass die Stadtgemeinde auch bereits zu politischer Selbständigkeit berechtigt war. Der Herzog behielt das Heft zunächst weiter in der Hand. Zwar scheinen die Bürger die relative Schwäche der herzog­lichen Macht während der innerdynas­ tischen Konflikte der Jahre 1240er Jahre ausgenutzt und sich widerrecht­lich herzog­liche Fleischbänke und Gärten angeeignet zu haben. Doch blieben sie politisch einstweilen unorganisiert und einflusslos. Ihr Vertreter, der Schulze bzw. Vogt, war vor allem ein herzog­licher Amtsträger, der die Interessen des Herzogs zu wahren hatte und keineswegs in erster Linie als eine Instanz kommunaler Selbstverwaltung agierte. Erst im Dezember 1261 wurde den Breslauer Bürgern die in Magdeburg seit 1244 belegte, in Posen 1253 und in Krakau 1257 nach Magdeburger Vorbild eingeführte Ratsverfassung zugestanden.93 Die tatsäch­liche Durchsetzung der politisch-­ kommunalen Selbständigkeit gegenüber dem Herzog und seinem Vogt zog sich dann gleichwohl noch eine Weile hin. Denn dank der ihm tradi­ tionell zur Verfügung stehenden Regalien wahrte der Herzog gegenüber der entstehenden Stadtgemeinde zunächst weiterhin seine relativ starke Posi­tion. Dazu gehörte nicht nur, dass er sich gegenüber der Stadt nach wie vor die Münze, die Abgaben an seine Steuerkammern, die Zölle und die oberste Zuständigkeit über die Gerichtsbarkeit vorbehielt,94 sondern auch mit einem eigenen Hof innerhalb des Stadtgebiets selbst präsent blieb und mit seiner Burg auch symbo­lisch unterstrich, dass Breslau einstweilen eine herzog­liche Loka­tionsstadt war.

Die topographisch-räumliche Organisation der Lokationsstadt Wann genau die neue herzog­liche Burg am nörd­lichen Rand der Loka­ tionsstadt ­zwischen dem alten, über die Sandinsel führenden und einem neuen, weiter west­lich angelegten Oderübergang errichtet wurde, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Jüngste archäolo­gische Untersuchungen haben jedoch erwiesen, dass ihre ältesten Teile – ein quadratischer

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Ziegelsteinturm und ein repräsentatives Palatium – bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen.95 Da die Burg offenbar von Anfang an in die seit 1261 errichtete älteste Befestigungsanlage integriert war, dürfte ihr Bau in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Loka­tionsprozess gestanden haben. Dass sich der Herzog z­ wischen Oderufer und Loka­tionsstadt einen breiten Geländestreifen zur eigenen Verwendung vorbehielt, wird auch durch den Komplex kirch­licher Stiftungen belegt, der etwa zeitgleich die öst­liche Hälfte ­dieses Geländes auszufüllen begann. Er ging vor allem auf die Initiative der Herzogin Anna zurück, die sich dabei am Vorbild ihrer Prager Heimatstadt orientierte und von den analogen Stiftungen leiten ließ, die dort kurz zuvor von ihrer Schwester Agnes vorgenommen worden waren.96 Gemeinsam mit ihrem Mann Heinrich II. siedelte sie in ihrer Nähe 1240 zunächst die bereits vor 1238 nach Breslau gekommenen Franziskaner an, in deren St. Jakobs-­Kirche ihr ein Jahr s­ päter im Kampf mit den Mongolen gefallener Mann beigesetzt wurde. Um 1242 gründete sie das St.  Elisabeth-­Spital, das vor 1248 den ebenfalls aus Prag herbeigerufenen Kreuzherrn mit dem roten Stern übergeben wurde und seit 1257 auch das Patrozinium des Hl. Matthias trug.97 Zwischen diesen beiden Komplexen stiftete die Herzogin schließ­lich 1253 – 1257 ein Klarissenkloster, deren erste Äbtissin und Schwestern gleichfalls aus Prag kamen.98 Den herzog­lichen Stiftungen lag ein durchdachtes Konzept zugrunde, das augenschein­lich einen integralen Bestandteil des Loka­tionsprozesses bildete: Die Loka­tion sollte eine geist­liche Flankierung erhalten und die topographische und recht­liche Transforma­tion des Stadtraumes mit einem sakralen Fundament versehen werden.99 Dazu gehörten aber nicht nur die herzog­lichen Kloster- und Spitalstiftungen. Von ebenso großer Bedeutung war die Einteilung der neuen Stadtgemeinde in Pfarrbezirke. Als Pfarrkirche für den öst­lichen, älteren Stadtteil diente die ins ausgehende 12. Jahrhundert zurückgehende, gleichwohl erst 1267 (anläss­lich der Gründung der ersten städtischen Schule) erstmals urkund­lich erwähnte Maria-­ Magdalena-­Kirche.100 Für die jüngere west­liche Stadthälfte wurde – wohl in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vermessung des Ringgeländes – mit der St. Elisabeth-­Kirche eine zweite Pfarrkirche erbaut. Sie wird in den Schriftquellen erstmals 1253 erwähnt, doch haben die Archäologen und Bauforscher ihre ältesten Relikte in die 1230er Jahre datiert.101 Ihr

Die topographisch-räumliche Organisation der Lokationsstadt

Patrozinium legt mit der Seligsprechung der 1231 gestorbenen Elisabeth von Thüringen einen terminus post quem von 1235 nahe. Die ­Kirche nahm bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts zunächst die Form eines zweijochigen, mit einem Gewölbe versehenen rechteckigen Presbyteriums an, ehe sie anschließend zu einer dreischiffigen, 47 m langen Basilika ausgebaut wurde, die in der Mitte des 14. Jahrhunderts durch den noch heute erhaltenen gotischen Bau ersetzt wurde. Spätestens in den 1240er–1260er Jahren erfassten die räum­lichen Veränderungen – soweit sie nicht schon in den Jahren z­ wischen 1220 und 1230 unter Heinrich I. eingesetzt hatten – auch die ältere Siedlung ad sanctum Adalbertum. Diese wurde als s­ olche aufgelöst und ihre ganze Umgebung in ähn­licher Weise wie das Gelände um den Ring herum neu parzelliert. Dadurch entstanden etwa 12 Baublöcke, die gegenüber jenen des jüngeren Stadtteils weniger gleichmäßig ausfielen und in ungefähr neunzig – in ihren Ausmaßen nicht exakt zu fassende – Urparzellen unterteilt wurden.102 In der nordöst­lichen Hälfte des dergestalt transformierten Stadtteils wurde ein weiterer, 85 x 120 m großer Platz, der Neumarkt (forum novum), angelegt. An dessen südöst­liche Ecke schloss sich der Bereich des Dominikanerklosters mit der Adalbert-­Kirche an, das 1294 um ein Frauenhaus mit einer vor 1309 errichteten Katharinenkirche erweitert wurde.103 Die nunmehr durchgängig in planmäßiger Schachbrettform gestaltete Loka­tionsstadt war auf ihrer Ostseite von der Ohle, im Norden von der Oder flankiert. Gegen Süden und Westen wurde sie zunächst ledig­lich durch einen 46 m breiten, 4,5 m tiefen Graben geschützt, der mit Grundwasser gefüllt war, seit den 1290er Jahren über einen Durchstich aber von der Ohle gespeist wurde. Die Ufer des erst 1891 verfüllten, bis dahin auf eine Breite von 14 – 15 m geschrumpften Grabens waren anfäng­lich mit Holz befestigt, ­später durch eine Ziegelsteinmauer. An seinem Rand waren zunächst offenbar nur Palisaden und Holzplanken angebracht. Mit dem Bau einer steinernen Mauer wurde erst nach den weiteren Loka­tionsregelungen des Jahres 1261 begonnen. Er zog sich einige Jahre hin,104 brachte aber bis zum Ende des 13. Jahrhunderts eine der damals mächtigsten Stadtbefestigungen des öst­lichen Mitteleuropa hervor.105 Die etwa 2,3 km lange Ziegelsteinmauer umschloss das gesamte Areal der – zusammen mit der herzog­lichen Burg und den beiden Kloster- und

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Spitalkomplexen – ungefähr 60 ha großen Loka­tionsstadt. Sie war über 1 m breit und 6 m hoch, mit einem 0,5 m breiten Wehrgang ausgestattet, der durch Brustwehr und Schutzzinnen gesichert war. Etwa alle 30 m wurden in die Mauer schalenförmige Türme eingefügt, die etwa 3,5 m vor die Mauerflucht hinausragten und so eine Verteidigung der Flanken mit Armbrüsten ermög­lichten; s­ päter wurden sie auch auf ihrer Innenseite zur Stadt hin geschlossen und überdacht. Ein kleines, 1953 freigelegtes und in den aufgehenden Teilen rekonstruiertes Teilstück der mittelalter­ lichen Stadtmauer, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf eine Breite von 2,2 m verstärkt wurde, ist noch heute hinter der Markthalle in der ul. Kraińskiego zu besichtigen (Farbtafel 6). Fünf Stadttore führten die innerstädtischen Hauptachsen durch die Mauer auf die nach allen vier Himmelsrichtungen abgehenden Überlandwege. Mit den Regelungen von 1261 war der städtischen Jurisdik­tion süd­lich und west­lich der Stadtmauer ein breiter Geländestreifen zugeschlagen worden, mit dem die Loka­tionsstadt auf rund 100 ha erweitert wurde. Allerdings wurde das in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit einer zweiten, äußeren Stadtmauer befestigte Gebiet nur langsam erschlossen. Es war – vielleicht angesichts eines punktuellen Bau- und Ansiedlungsbooms – erheb­lich großräumiger angelegt worden, als im Verlauf des gesamten Mittelalters erforder­lich wurde. Seine Bebauung blieb dünn und inselartig, sein Straßennetz schwach ausgebildet und seine Nutzung vorwiegend auf Gewerbeanlagen (Mälzereien, Teerbrennereien, Textilbetriebe) und Gärten abgestellt. Die Breslauer Bürger nahmen es denn auch bis in die Neuzeit hinein als eine „Vorstadt“ wahr.106 Klas­sische, offene Vorstädte bildeten sich im Verhältnis zum kompakten, befestigten Zentrum letzt­lich kaum aus. Zwar entwickelten sich aus älteren Siedlungen im Süden die Schweidnitzer, im Westen die Nikolai-, im Osten die Ohlauer und nörd­lich der Oder die Oder-­Vorstadt. Doch dominierten in ihnen Gärten, Felder und Weiden mit entsprechenden Wirtschaftsgebäuden, um die herum sich nur verstreute Häuser von Gärtnern und Fischern fanden. Die wirtschaft­liche Rolle dieser vor den Stadtmauern liegenden Ansiedlungen blieb bescheiden. Größeres Gewicht behielten dagegen die ebenfalls außerhalb der Mauern verbliebenen älteren Teile der polyzentrischen Frühstadt – die Sand- und die Dominsel sowie der Elbing.

Die topographisch-räumliche Organisation der Lokationsstadt

Ein Teil der Sandinsel war 1261 allerdings ebenfalls in die Jurisdik­tion der Rechtsstadt überführt worden. Versuche des Sandstifts, bei dem vor 1299 mit einer Kanonissen-­Gemeinschaft ein drittes Breslauer Frauenkloster entstanden war, die Kontrolle über die gesamte Insel zurückzuerlangen, blieben erfolglos, sodass sich hier eine konfliktträchtige Doppelherrschaft ausbildete. Die Dominsel, auf der in den 1220er Jahren mit der St.  Ägidius-­Kirche das heute älteste erhaltene Bauwerk Breslaus entstand, geriet seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zunehmend unter kirch­liche Kontrolle. Zwar investierten Heinrich III., Władysław und Heinrich IV. in den 1240er–1280er Jahren noch in den Ausbau der alten Herzogsburg, zogen sich aber gleichzeitig besitz­lich mehr und mehr von der ­Dominsel ­zurück.107 Die Söhne Heinrichs V. überließen schließ­lich auch das zur Burg gehörende Areal kirch­lichen Einrichtungen und verlegten im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts ihre Residenz endgültig in die Herzogsburg auf der linken Oderseite. Damit teilten sich die Jurisdik­tion über die Dominsel fortan der Bischof, das Domkapitel und das Kapitel des 1288 begründeten Heiligkreuz-­Kollegiatstifts (Farbtafel 2). Die Bebauung wandelte sich und wurde bald von repräsentativen Kurien der Kanoniker geprägt. Zwar scheint sich das Domkapitel um eine gewisse städtische Ausgestaltung der Dominsel, vielleicht auch um eine Loka­tion bemüht zu haben, doch wussten die Breslauer Bürger die potenzielle Konkurrenz erfolgreich zu verhindern. Der Elbing hatte zu Beginn des 13. Jahrhunderts seine Marktfunk­tion eingebüßt, sodass hier fortan das reiche, von der Stadt wirtschaft­lich unabhängige Vinzenzkloster dominierte. Es wurde bau­lich intensiv ausgestaltet, mit einer eigenen Wehrmauer umgeben und umfasste, ehe es 1529 abgerissen wurde, drei statt­liche ­Kirchen und zahlreiche steinerne Nebengebäude. Vor seinen Toren bestand eine von einer hölzernen Bebauung geprägte, mit der Oder-­Vorstadt verschmelzende Vorstadt sowie an der K ­ irche der Elftausend Jungfrauen ein um 1400 erstmals erwähntes Hospital. Den letzten im Mittelalter entstandenen Stadtteil bildete die 1263 gegrün­ dete Neustadt (Karte Innenklappe vorne). Sie lag öst­lich der Altstadt auf einer von zwei Ohle-­Mündungsarmen und der Oder umflossenen Insel, an deren Nordwestspitze 1214 bereits das Heiliggeist-­Spital errichtet worden war. Dessen ­Kirche übernahm für die neue Siedlung die Pfarrfunk­tion.

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Mit der Loka­tion der rechteckigen Plananlage, die nach dem Vorbild der Breslauer Altstadt Magdeburger Recht erhielt, beauftragte Heinrich III. seinen „geschätzten und treuen Diener“ Gerhard von Glogau.108 Dieser erhielt dafür eine Drittel der künftigen Gerichtseinkünfte sowie das erb­liche Recht, auf der Insel ein Bad, Marktbänke und eine Mühle zu unterhalten. Den von ihm angesiedelten Neubürgern gewährte er fünf Abgabenfreijahre. Die Verkaufseinrichtungen wurden offenbar auf einer breiten Hauptstraße (platea magna) aufgestellt, die über eine Ohlebrücke und durch ein sechstes Stadttor in die Altstadt führte. Einen Marktplatz erhielt die aus neun rechtwinkligen bzw. quadratischen, 42 potenzielle Urparzellen ergebenden Baublöcken bestehende Anlage nicht. Ungeachtet ihrer herzog­lichen Privilegierung stand die von Tuchmachern dominierte Neugründung von Anfang an im Schatten der mächtigeren Altstadt. Diese drängte solange darauf, die Neustädtische Konkurrenz einzudämmen, bis Herzog Bolesław III. 1306 zunächst ihre Privilegien einschränkte und 1327 ihre Selbständigkeit gänz­lich aufhob.109 Eingegliedert in die ältere und größere Loka­tionsstadt sank die im Mittelalter im Übrigen unbefestigt gebliebene Neustadt ­anschließend zu einer weniger bedeutenden Vorstadt herab. Damit war der mehrphasige, lang gestreckte Loka­tionsprozess in räum­ licher Hinsicht abgeschlossen. Breslau hatte seine abschließende topographische Organisa­tion und urbanistische Gestalt erhalten. Diese hatte bis in die Neuzeit Bestand und wurde erst mit der ‚Entfestigung‘ zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgebrochen. In ihrem innerstädtischen Kern ist sie – ungeachtet aller Zerstörungen und bau­lichen Veränderungen durch den nach dem Zweiten Weltkrieg erforder­lich gewordenen Wiederaufbau – letzt­lich bis heute erhalten geblieben.

Ein Breslauer Herzog – Heinrich IV. der Rechtschaffene Als Hauptstadt des Herzogtums Schlesien war Breslau im 13., frühen 14. Jahrhundert ein wichtiges Zentrum piastischer Regional- und Landespolitik. Diese Politik war frei­lich von innerdynastischen Fehden, von einem dauernden Kampf um die landesweite Vorherrschaft im regnum Poloniae geprägt. Der letzte Breslauer Herzog, dem es gelang, unter diesen Bedingungen nicht nur das Herzogtum Schlesien zusammenzuhalten, sondern

Ein Breslauer Herzog – Heinrich IV. der Rechtschaffene

darüber hinaus auch das Oppeln-­Ratiborer Gebiet, halb Großpolen sowie ganz Kleinpolen seiner Herrschaft zu unterwerfen, war Heinrich I.110 Sein ihm seit 1222/23 als Mitregent zur Seite stehender Sohn, Heinrich II., fiel nach nur dreijähriger selbständiger Herrschaft 1241 im Kampf gegen die Mongolen. Bereits sein Nachfolger, Bolesław II. der Kahle, vermochte das Erbe nicht zu bewahren. Er verlor nicht nur rasch die außerschle­sischen Gebiete, sondern 1248/49 auch den größeren Teil des schle­sischen Herzogtums, das ­zwischen ihm und seinen jüngeren Brüdern, Konrad I. und Heinrich III., in einen Liegnitzer, Glogauer und Breslauer Teil aufgesplittert wurde. Zwar war das Breslauer das größte der drei neuen Teilgebiete, doch bedeutete die Teilung eine deut­liche Minderung der politischen Mög­lichkeiten des Breslauer Herzogs. Immerhin konnten Heinrich III. und sein Sohn Heinrich IV. den territorialen Bestand ihres Herzogtums wahren, während das Liegnitzer und Glogauer Teilgebiet rasch weiteren Teilungen unterlag. Heinrich IV., der 1257/58 geborene Urenkel Heinrichs I., war nach ­seinem Urgroßvater zweifellos der bedeutendste schle­sische Herzog des 13., frühen 14. Jahrhunderts.111 Als sein Vater 1266 starb, wurde er der Vormundschaft seines Onkels Władysław übergeben, der sich als Kanzler des böh­mischen Königs Přemysl Ottokar II. und Erzbischof von Salzburg bereits zu Lebzeiten seines Bruders an der Verwaltung des Breslauer Herzogtums beteiligt hatte. Als er selber im April 1270 starb, empfahl er den jugend­lichen Heinrich der Obhut des böhmischen Königs. Přemysl Ottokar II. war als Neffe Annas, der Ehefrau Heinrichs II., ein Onkel Heinrichs IV. und nahm den Erben des Breslauer Herzogtums gern an seinem Prager Hof auf. Der Aufenthalt an einem der damals glanzvollsten Zentren höfischer Kultur muss den jungen Herzog tief geprägt haben. Als Herzog veranstaltete er s­ päter eigene Turniere, an denen er selber teilnahm. Auch versuchte er sich als Minnesänger in der Dichtkunst; jedenfalls spricht viel dafür, dass sich hinter dem herzoge Heinrich von Pressela, von dem die berühmte Manessesche Bilderhandschrift zwei lyrische Texte überliefert, Heinrich IV. verbarg.112 Im Herbst 1271 kehrte er nach Breslau zurück, verblieb aber zunächst unter der Vormundschaft des Prager Onkels, da die schle­sischen Adligen seine Volljährigkeit nicht sogleich anerkannten. Přemysl Ottokar musste

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Heinrich zudem gegen seinen Liegnitzer Onkel Bolesław II. unterstützen, der Anspruch auf Teile des Erbes seines Bruders Władysław erhob. Auch König Rudolf I. von Habsburg brachte Heinrich in Bedrängnis, da er ihn für seinen Kampf gegen Přemysl Ottokar zu gewinnen suchte. Als dieser 1278 in der Schlacht von Dürnkrut Rudolf unterlag und den Tod fand, ließ sich Heinrich IV. nicht erschüttern, beanspruchte vielmehr sogleich die Vormundschaft für Přemysl Ottokars unmündigen Sohn Wenzel II. ­Dieser Vorstoß wurde von Rudolf frei­lich unterbunden, der ihm aber immerhin das böhmische Glatz überließ. Wenig s­ päter versöhnte sich Heinrich mit dem deutschen König, leistete ihm den Lehnseid und schloss zudem ein Bündnis mit dem Oppelner Herzog Władysław, um ein neues Ziel in Angriff zu nehmen: die Erlangung der polnischen Königskrone.113 Die Idee der Wiedervereinigung der polnischen Länder innerhalb eines erneuerten Königreichs hatte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts neue Nahrung erhalten, unter anderem durch die in den 1250er Jahren verfassten Viten des Hl. Stanisław, deren Lektüre offenbar auch Heinrich IV. inspirierte. Dessen in der ersten Hälfte der 1280er Jahre unternommenen Bemühungen, sowohl den Papst als auch seine piastischen Verwandten für den Krönungsplan zu gewinnen, blieben allerdings erfolglos. Zwar stimmten einige weniger mächtige schle­sische Piasten – Heinrich von Glogau, Przemko von Steinau und Bolko I. von Oppeln – einer Unterordnung zu, doch widersetzten sich die übrigen Heinrich hartnäckig. So blieb es bei geringfügigen Terri­ torialgewinnen, insbesondere gegenüber dem großpolnischen Herzog Przemysł II. ­Erst als im Herbst 1288 Leszek der Schwarze erbenlos starb, eröffnete sich dem Breslauer Herzog erneut die Gelegenheit, nach der Vorherrschaft zu greifen. Er besetzte Krakau, stieß dort aber auf erheb­ lichen Widerstand. Denn während die Krakauer Bürger, die wirtschaft­lich eng mit Breslau verbunden waren, Heinrich entgegenkamen, zogen der kleinpolnische Adel und Klerus Thronanwärter aus Masowien (Bolesław II.) bzw. Kujawien (Władysław Ellenlang) vor. Die Folge waren erbitterte Kämpfe um Krakau und Kleinpolen, die durch das Eingreifen Wenzels II., der vielleicht schon zu ­diesem Zeitpunkt eigene Ambi­tionen auf die polnische Krone verfolgte, noch verschärft wurden. Dessen ungeachtet vermochte sich Heinrich in Krakau zu halten und führte stolz den Titel dux Slesie, Cracouie et Sandomirie. Das Ziel der Königskrönung hoffte er

Ein Breslauer Herzog – Heinrich IV. der Rechtschaffene

schließ­lich mit Hilfe König Rudolf I. und des Papstes zu erreichen. Doch konnten die an beide Höfe delegierten Gesandtschaften in dieser Hinsicht nichts ausrichten, ja der zum Papst entsandte Mann soll das ihm für die erforder­liche Bestechung der Kardinäle anvertraute Geld veruntreut und aus Angst vor Entdeckung seinen Bruder, den Hofarzt des Herzogs, überredet haben, diesen zu vergiften. Ob Heinrich IV. wirk­lich vergiftet wurde, ist nicht erwiesen, doch starb er unerwartet im Juni 1290 im Alter von nur 33 Jahren. Sein prachtvolles, ursprüng­lich in der Heiligkreuz-­Kirche (Farbtafel 2) aufgestelltes, um 1320 entstandenes Grabmal zählt zu den bedeutendsten Werken der mitteleuropäischen gotischen Bildhauerei und kann noch heute im Breslauer Na­tionalmuseum bewundert werden (Farbtafel 7). Neben seinen überregionalen Plänen verfolgte Heinrich IV. eine konsequente innerschle­sische Politik, durch die er die in den zurückliegenden Jahrzehnten von verschiedener Seite, insbesondere der ­Kirche zurück­ gedrängten herzog­lichen Prärogativen wieder zu stärken versuchte. Damit geriet er 1274 – 1276 und 1281 – 1288 in einen heftigen Konflikt mit dem Breslauer Bischof Thomas II.114 Dieser war ein kämpferischer Verfechter der libertas ecclesiae, erhob Anspruch auf den allgemeinen Kirchenzehnten und pochte auf die vollständige Befreiung der K ­ irche von allen Leistungen und Abgaben gegenüber dem Herzog sowie von dessen Gerichtsbarkeit. Demgegenüber bestand der Herzog darauf, seine Prärogativen auch gegenüber kirch­lichen Untertanen zu behaupten und auch von der K ­ irche Dienstleistungen und Abgaben zu fordern. Die Standpunkte stießen unversöhn­lich aufeinander und eskalierten in gewaltsamen Auseinandersetzungen, sodass der Bischof am Ende aus Breslau fliehen musste und der Herzog mit Kirchenbann und Exkommunika­tion belegt wurde. Ende 1287 scheinen die Kontrahenten dann angesichts einer für beide Seiten ausweglosen Lage einen modus vivendi gefunden zu haben, mit dem die Auseinandersetzung, die einen ähn­lich grundsätz­lichen Charakter angenommen hatte wie seinerzeit der Streit z­ wischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV., beigelegt werden konnte. Ob es schon zu ­diesem Zeitpunkt auch zu einer Aussöhnung kam, ist unklar. Die aufwändige Stiftung des Kolle­ giatsstifts zum Heiligen Kreuz durch Heinrich IV. wird für gewöhn­lich als das wirkmächtige Symbol einer solchen Versöhnung gedeutet; tatsäch­lich wurde die herzog­liche Stiftungsurkunde am 11. Januar 1288 in Gegenwart

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des Bischofs ausgestellt.115 Zu einer endgültigen Versöhnung kam es frei­lich erst auf Heinrichs Sterbebett, als der Herzog die ­Kirche von allen Lasten des deutschen und herzog­lichen Rechts sowie von allen Dienstleistungen befreite und dem Bischof für das geschlossene Bistumsland im Neisse-­ Ottmachauer Gebiet faktisch die Landeshoheit übertrug.116 Die Breslauer Bürger haben Heinrich IV. sowohl in seiner Auseinandersetzung mit dem Bischof als auch im Kampf um die piastische Vorherrschaft weitgehend unterstützt. 1289 sollen sie ihm für seinen zweiten Feldzug gegen Krakau 3500 Mann, 1200 Transportwagen und 100 Fuhren mit Belagerungswerkzeugen gestellt haben.117 Die an engen Kontakten mit Krakau interessierten Kaufleute hatten auch sonst allen Grund, Heinrich tatkräftig zur Seite zu stehen. Wie kein anderer Breslauer Herzog hatte sich dieser in den 1270er Jahren um eine Förderung der städtischen Wirtschaft bzw. Privilegierung der Breslauer Kaufleute bemüht.118 So genehmigte er der Stadt 1271 die Errichtung von 16 Brotbänken, deren Erträge der Anlage und Unterhaltung von Straßen dienen sollten; 1272 gewährte er der Stadt das sogenannte Meilenrecht und regte durch entsprechende Abgabenvergünstigungen den Bau steinerner Häuser an; 1273 genehmigte er die Aufstellung von 23 weiteren Brotbänken sowie von Schuhbänken, gewährte der Stadt überdies mit dem Schrotamt das Recht, Bier in ganzen Fässern zu verkaufen, das Privileg der Bleiniederlage sowie das Innungsrecht; 1274 räumte er Breslau das Niederlagerecht ein und zog alle Grundbesitzer gleichermaßen zu Abgaben für den Bau der Stadtmauer heran; 1275/76 entzog er auf eine Klage der Bürger hin dem Erbvogt einen Teil seiner Kompetenzen und erneuerte die der Stadt von seinen Vorgängern auf beiden Seiten der Oder eingeräumten Weiderechte; 1277 übertrug er dem Stadtrat die Aufsicht über den Verkauf von Wein und Lebensmitteln und bestätigte 1283 noch einmal die städtischen Privilegien bzw. die Anwendung Magdeburger Rechts einschließ­lich einiger zwischenzeit­lich von der Stadt eigenmächtig hinzugefügter Regelungen. Dieses städtepolitische Engagement trat in den 1280er Jahren im Kontext der kirchen- und außenpolitischen Konflikte des Herzogs zwar deut­lich zurück, hatte aber dennoch einen enormen Aufschwung des Breslauer Handels und Handwerks zur Folge.

Grundlagen der städtischen Wirtschaft

Grundlagen der städtischen Wirtschaft Von besonderer Bedeutung für die Breslauer Wirtschaft waren jene Privi­ legien, die eine Monopolstellung der Odermetropole im Bereich des (Fern-) Handels begründeten. Dazu gehörten das Meilenrecht, das Recht der Bleiwaage sowie das allgemeine Stapel- und Niederlagerecht. Mit dem Meilenrecht wurden alle Produk­tions-, Dienstleistungs- und Verkaufseinrichtungen auf das 1261 ausgewiesene Territorium der Loka­tionsstadt beschränkt und jenseits d ­ ieses Bezirks im Umkreis von einer Meile vollständig untersagt. Damit wurde die Nahkonkurrenz ausgeschaltet und der nicht in die Rechtsstadt integrierte Teil des frühstädtischen Siedlungskomplexes endgültig auf die Landwirtschaft, Gärtnerei und Fischerei verwiesen. Das Niederlagerecht verschaffte der Stadt dagegen auch auf der regionalen Ebene einen enormen Handelsvorteil. Zunächst wurden mit der Einrichtung der Bleiwaage (bei gleichzeitiger Schließung der älteren Bleiwaage im grenznahen Przyłęk) die über Schlesien gehenden oberschle­sischen, kleinpolnischen und ungarischen Bleiexporte auf Breslau umgelenkt. Für ­dieses Metall bestand infolge der Intensivierung der Münzproduk­tion und Optimierung der Edelmetallschmelze eine wachsende Nachfrage, sodass die Bleiniederlage für die Breslauer zu einem einträg­lichen Geschäft wurde. Das galt kurz darauf auch für alle anderen Waren, die nach dem allgemeinen, 1290 noch einmal ausdrück­lich bekräftigten Niederlagerecht innerhalb des Herzogtums ebenfalls ausschließ­lich über Breslau transportiert und hier zunächst drei Tage lang zum Kauf angeboten werden mussten, ehe sie weiter befördert werden durften. Dadurch rückte Breslau in die Funk­tion einer wichtigen Zwischensta­tion im Fernhandel.119 Der Fernhandel hatte sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts europaweit erheb­lich intensiviert und zugleich neue Routen erschlossen. Es bildete sich ein transkontinentales Wirtschaftssystem heraus, das sich von Flandern bis China erstreckte und Ostmittel- und Osteuropa einbezog. Eine seiner wichtigsten Verkehrsachsen war die sogenannte Hohe Straße. Sie knüpfte an einen alten, von Regensburg nach Kiew führenden Weg an, der seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch Schlesien führte und im Westen zunächst bis Köln, bald bis Deventer, im Osten über Krakau nach Lemberg führte, von wo es weiter in den Osten ging. Dass auch Breslau sogleich in das weitgespannte Handelssystem integriert wurde,

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belegt eine Notiz des Breslauer Franziskaners Benedikt, der 1245 – 1247 als Dolmetscher Giovanni di Piano Carpinis zum mongo­lischen Großchan nach Karakorum reiste und von Breslauer Kaufleuten (mercatores Wratislawiae) bis Kiew begleitet wurde.120 Wenig ­später sind auch in Köln (1259) und Brügge polnische Kaufleute bezeugt, unter denen sich gewiss auch Breslauer befunden haben werden.121 Mehr noch als in der Ferne profitierten die Breslauer aber zu Hause von der Einbeziehung ihrer Stadt in die transkontinentalen Handelsströme. Dank des Niederlagerechts gelangten sie in die Posi­tion unverzichtbarer Mittler z­ wischen Ost- und Westeuropa. Zugleich war ihre Stadt auch für eine bedeutende nordsüd­liche Fernhandelsroute, den Weg von der Ostsee nach Prag, eine wichtige Transitsta­tion. Die allmäh­liche wirtschaft­liche Integra­tion des Kontinents brachte eine Aufgabenteilung ­zwischen einzelnen Regionen mit sich, die Breslau in erster Linie auf enge Beziehungen mit Kleinpolen, Böhmen, Mähren und Ungarn sowie Ruthenien ausgerichtet hat. Für diese Zone waren insbesondere Bodenschätze – Gold, Silber, Kupfer, Blei, Eisen und Salz – aber auch die im Westen begehrten Waldprodukte – Felle, Pelze, Wachs – von Bedeutung. Breslau war zweifellos maßgeb­lich an deren Weitervermittlung nach Mittel- und Westeuropa beteiligt – sei es als Transitsta­tion für fremde Kaufleute, sei es mit seinen eigenen Kaufleuten. In umgekehrter Richtung gelangten – wie sich aus einem Breslauer Maut- und Zolltarif von 1327 ergibt – vor allem Tuchwaren, Wolle und Garn, gegerbtes Leder, Kleidung, Gewürze, Heringe, Salz, exotische Früchte, Öl, Metallprodukte (Messer, Schwerter, Sensen), Hopfen und Wein nach Breslau.122 Breslaus Beteiligung am Fernhandel war sicher­lich die entscheidende Grundlage für den Aufstieg einer wohlhabenden Kaufmannsschicht und eine rasche Entwicklung der städtischen Wirtschaft. Doch wäre deren Blüte ohne einen intensiven Einzel- und Nahhandel sowie die Ausbildung eines differenzierten Handwerks kaum mög­lich gewesen. Das im Landes­ ausbau geschaffene dichte Netz dörf­licher Siedlungen sorgte ebenso für eine steigende Nachfrage nach Produkten der Stadtwirtschaft wie die durch anhaltende Zuwanderung wachsende städtische Bevölkerung. So expandierten die Fleisch-, Brot- und Schuhbänke, die Kramläden des Alltagsbedarfs schon während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts

Grundlagen der städtischen Wirtschaft

kräftig. Sie lagen mit Ausnahme der Fleischbänke ausschließ­lich auf dem Ring und dem Neumarkt, ­später allein auf dem Ring. Auch das städtische Handwerk änderte seinen Charakter.123 Im frühstädtischen Breslau war die handwerk­liche Produk­tion noch kaum von einer für den Eigenbedarf arbeitenden Hausproduk­tion geschieden. Sie war auch spartenmäßig wenig differenziert, sodass in einer Werkstatt zumeist mehrere Gewerbe vereint waren, der ‚Handwerker‘ überdies auch nicht-­ handwerk­lichen Tätigkeiten nachging. Im Verlauf des Loka­tionsprozesses trat hier ein nachhaltiger Wandel ein. Handwerk­liche Produkte wurden fortan nicht mehr für den Eigenbedarf oder als Dienstleistung für den Herzog erstellt, sondern von vornherein für den Verkauf bestimmt. Durch die wachsende Nachfrage kam es zu einer Intensivierung der Produk­tion, die zusammen mit technischen Fortschritten rasch zu einer Spezialisierung führte. So bildeten sich einzelne Gewerbe heraus, die sich in der entstehenden Loka­tionsstadt auch topographisch zu Nachbarschaften zusammenfanden und schon bald in Zünften beziehungsweise Innungen (inonghe) organisierten. Deren Existenz wird in den Quellen erstmals zum Jahr 1273 bestätigt, als ihnen Heinrich IV. gestattete, ein Eintrittsgeld zu erheben.124 Die ältesten erhaltenen Zunft-­Statuten und Gewerbeverzeichnisse stammen aus dem ausgehenden 13., beginnenden 14. Jahrhundert.125 Zu d ­ iesem Zeitpunkt waren bereits 23 spezialisierte Handwerksberufe zünftig organisiert: Fleischer, Bäcker, Mälzer, Weber, Kürschner, Schuster, Mäntler, Rotgerber, Goldschmiede, Schmiede, Hutmacher, Wollspinner, Schneider, Messerschmiede, Schwertfeger, Sattler, Ziechner, Täschner, Nadler, Weißgerber, Handschuhmacher, Riemer und Gürtler. Daneben existierten eine Reihe von Handwerkszweigen, die damals noch nicht oder dauerhaft nicht organisiert waren: Zimmerleute, Maurer, Ziegelbrenner, Wagner, Töpfer, Stellmacher, Glaser, Korbmacher, Müller. Eine Breslauer Besonderheit und ein Beleg für die große Bedeutung der Tuchmacher für die Stadtwirtschaft war die parallele Existenz dreier Tuchmacherzünfte, die die Weber der Altstadt, der Neustadt und die wallonischen Weber getrennt erfassten. Der hohe Stellenwert des Tuchhandels kam schließ­ lich auch in der Benennung des zentralen Kaufhauses auf dem Ring zum Ausdruck, das bald nur noch Tuchhalle hieß. Auch die Kaufleute, Krämer, Salz- und Hopfenhändler sowie die Schankwirte waren gegen Ende des

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13. Jahrhunderts in eigenen Zünften zusammengeschlossen. Bis zu d ­ iesem Zeitpunkt hatten im Übrigen einzelne Bürger oder der Stadtrat von den Herzögen, die bei ihren politischen Auseinandersetzungen immer häufiger auf die finanzielle Hilfe der Breslauer angewiesen waren, nach und nach die herzog­lichen Handelseinrichtungen aufgekauft, sodass deren Einnahmen bald in die Taschen der Kaufleute bzw. Stadt flossen.

Die Durchsetzung der kommunalen Selbständigkeit Die Selbstorganisa­tion der Handwerker in Zünften und der sukzessive städtische Aufkauf herzog­licher Handelseinrichtungen war Teil der letzten Etappe im Loka­tionsprozess. Diese zog sich noch bis ins dritte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts hin. An ihrem Ende hatte sich die Rechtsstadt (kommunal)politisch von ihrem Landesherrn vollständig emanzipiert und eine funk­tionstüchtige Selbstverwaltung etabliert. Eine entscheidende formal-­ recht­liche Voraussetzung hierfür war 1261 mit der Magdeburger Rechtsweisung und der mit ihr verbundenen Ratsverfassung geschaffen worden.126 Bis dahin bestand die gewählte Vertretung der Breslauer Stadtgemeinde – der communio civium oder des Burdings – ledig­lich aus den 1254 erstmals urkund­lich genannten elf Schöffen.127 Diese übten unter dem Vorsitz des herzog­lichen Erbvogts die – im Grunde noch herzog­liche – Stadtgerichtsbarkeit aus. Nach 1261 wurde den Schöffen ein Gremium zur Seite gestellt, das zunächst aus sechs, s­ päter acht Ratsmännern bestand und im Juni 1266 erstmals urkund­lich belegt ist.128 Die Ratsmänner bildeten fortan zusammen mit den Schöffen den Rat. Anders als in Magdeburg konstituierten die Breslauer Schöffen kein gesondertes Kollegium; andererseits zählten sie, obwohl sie im Rat eine eigene Stimme hatten, nicht zu den Ratsherren, nannten diese vielmehr ihre „Herren“ und verpflichteten sich ihnen auch mit einem besonderen Gehorsamseid. Die Breslauer Schöffen entwickelten sich, auch wenn sie ein eigenes Siegel führten, mithin zu Helfern der Ratsherren, die sich selbst, aber nicht die Schöffen, als „Ratsfreunde“ anredeten. Ratsmänner und Schöffen wurden jähr­lich an Aschermittwoch neu oder wiedergewählt und in fortlaufende Rats- und Schöffenlisten eingetragen, die sich seit 1287 bis zur Aufhebung der Ratsverfassung im Jahr 1741 beinahe lückenlos erhalten haben.129

Die Durchsetzung der kommunalen Selbständigkeit

Dass der Rat die städtische Verwaltung und Rechtsprechung nicht sogleich vollkommen unabhängig übernommen hat, zeigt der Umstand, dass die neu- bzw. wiedergewählten Ratsmänner bis 1327 ihren Eid vor dem herzog­lichen Landesherrn ablegen mussten. Das größte Hindernis auf dem Weg zu ihrer vollständigen administrativen und recht­lichen Verselbständigung war der herzog­liche Erbvogt, der in den Quellen als scultetus oder advocatus begegnet.130 Er war in den 1230er–1250er Jahren maßgeb­lich an der topographisch-­urbanistischen Neugestaltung der Stadt beteiligt. Als „Lokator“ bzw. Siedlungsunternehmer warb er im Auftrag des Herzogs Neusiedler an, organisierte die Vermessung und Austeilung des neuen angelegten Stadtraums und organisierte das gemeind­liche ­Leben. Dafür wurde er vom Herzog mit abgabenfreiem Grundbesitz (u. a. einer Mühle, einem großen Hof ) sowie dem erb­lichen Vogtamt belohnt. Letzteres umfasste insbesondere den Vorsitz über das Schöffengericht und war dadurch mit zusätz­lichen Einkünften in Höhe von einem Drittel der Gerichtsgebühren oder Strafgelder verbunden. Seit Schöffen und Ratsmänner ein neues Gremium städtischer Selbstverwaltung bildeten, kam es zunehmend zu Konflikten ­zwischen Rat und Erbvogt. Einen ersten Teilerfolg gegenüber der Erbvogtei erzielte der Rat 1275, als Heinrich IV. den amtierenden Erbvogt auf Wunsch der Bürger zur Aufgabe des Amtes zwang.131 Allerdings gab der Herzog das Amt an sich damit noch nicht preis. Er begrenzte zwar ein wenig dessen Kompetenzen, übertrug – oder verkaufte – es aber einem anderen Vertrauten. Der neue Erbvogt, Heinrich von Banz, verkaufte das Amt als lukrative Einnahme­ quelle bald an Werner Schertelzahn, der es an seinen Sohn Dietrich vererbte, von dem es wiederum zu drei Vierteln auf seine Onkel, die Brüder Werners, überging. Zwei der drei Brüder verkauften ihre Anteile an den jüngeren Bruder, Jakob Schertelzahn, der seinen Anteil 1326 schließ­lich der Stadt verkaufte. Damit waren zwar erst drei Viertel des Amtes in den Besitz der Stadt gelangt, doch räumte der Herzog mit der Bestätigung des Besitzwechsels dem Rat bereits den Vorsitz im Vogt- beziehungsweise Schöffengericht ein. Das letzte Viertel der Erbvogtei war von Dietrich Schertelzahn zunächst seinem Enkel Johann von Mollendorf vererbt worden, der es 1329 ebenfalls dem Rat verkaufte. Im gleichen Jahr gelang es dem Rat, auch die Erbvogtei der 1327 integrierten Breslauer Neustadt aufzukaufen.

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Herzogliche Lokationsstadt (1230er–1330er Jahre)

Auch wenn diese Transak­tionen formal erst 1345 bzw. 1351 vom inzwischen böhmischen Landesherrn bestätigt wurden, hatte der Rat damit de facto bereits 1329 die gesamte Gerichtsbarkeit der Breslauer Rechtsstadt unter seine Hoheit gebracht und jeg­lichem Einfluss des Herzogs entzogen. Gleichzeitig erlangte die Stadt die Befreiung vom sogenannten Zaudengericht, das heißt dem Gericht zu polnischem Recht.132 Den Vorsitz im nunmehr städtisch-­autonomen Schöffengericht übernahm in Vertretung des Ratsältesten ein vom Rat ernannter Stadtvogt. Allerdings wurde die Zuständigkeit der Schöffen gleichzeitig auf kleinere Strafsachen begrenzt, während schwerwiegende Fälle, die ursprüng­lich öffent­lich unter dem Vorsitz des Erbvogtes vor der gesamten Bürgerschaft (Burding) verhandelt worden waren, in die Zuständigkeit des Rates übergingen, der in der Ratsstube vor geladenen Zeugen, aber nicht mehr in der Öffent­lichkeit Gericht hielt.133 Mit dem Erwerb der Erbvogtei waren sämt­liche die Rechtsstadt betreffenden administrativen Befugnisse auf die Stadt übergegangen, war der Rat zum Inhaber der öffent­lichen Gewalt geworden. Fortan oblag ihm die Aufsicht über die gesamte innerstäd­ tische Wirtschaft, den Handel und das Handwerk, das Brauwesen und den Bier- und Weinausschank, war er zuständig für das Steuerwesen und die Verwaltung des städtischen Vermögens, hatte er für Feuerschutz, polizei­ liche Sicherheit, die Unterhaltung der Straßen, Brücken, Stadtmauern und öffent­lichen Gebäude, die Sauberkeit der Stadt, das Gesundheitswesen, ja selbst für die Ordnung der Gottesdienste Sorge zu tragen. In all diese Bereiche griff er regelmäßig mit Verordnungen und Erlassen, sogenannten Willküren, ein und suchte – wie es im ältesten Ratmanneneid hieß – „der stat recht vnde ir ere vnde iren vromen zů bewarende, so sie allerbest můgen vnde kunnen, mit der wisesten liute rate.“134 Die Emanzipa­tion des Rates war maßgeb­lich durch die zunehmende Schwäche der herzog­lichen Macht begünstigt worden, die immer häufiger auf den (finanziellen) Rückhalt der aufstrebenden Stadtkommune zurückgriff. Schon Heinrich der IV. war bei seiner langjährigen Ausein­ andersetzung mit Bischof Thomas II. und seinen ehrgeizigen gesamtpolnischen Plänen stark auf die Unterstützung der Breslauer Bürger angewiesen gewesen und der Stadt entsprechend weit entgegen gekommen. Nach seinem Tod zerfiel das territorial ohnehin schon geschmälerte

Die Durchsetzung der kommunalen Selbständigkeit

Breslauer Herzogtum noch weiter, was die herzog­liche Posi­tion zusätz­lich schwächte.135 ­Heinrich IV. hatte das Herzogtum testamentarisch dem Glogauer Herzog Heinrich III. vermacht, den die Breslauer Bürger und der Landesadel jedoch ablehnten. Darauf hin übernahm der Liegnitzer Herzog Heinrich V. mit Unterstützung des böhmischen Königs Wenzel II., die Herrschaft in Breslau. Die Folge war ein langjähriger Konflikt mit Heinrich von Glogau, in dessen Verlauf Heinrich V. 1291 und 1294 fast den gesamten Teil des Breslauer Herzogtums rechts der Oder an den Glogauer abtreten musste. Zuvor hatte er bereits den süd­lichen Teil des Herzogtums (das Gebiet um Schweidnitz und Münsterberg) an seinen Bruder Bolko I. von Jauer abgegeben, den er damit als Verbündeten gegen Heinrich von Glogau zu gewinnen hoffte. Dass die Söhne Heinrichs V. – Bolesław III. und Heinrich VI. – beim Tod des Vaters 1296 erst fünf bzw. zwei Jahre alt waren und der dritte, Władysław, gerade erst geboren war, hat die Stabilität der herzog­lichen Macht nicht befördert. Die Zeit der bis etwa 1310 nacheinander von Bolko I., König Wenzel II. und dem Breslauer Bischof Heinrich von Würben übernommenen Vormundschaft eröffnete dem Breslauer Rat weiteren Entfaltungsspielraum. Als Heinrich VI. schließ­lich (nicht zuletzt mit Unterstützung der Breslauer Bürger) 1310/11 die Herrschaft in Breslau übernahm, war das Herzogtum erneut unter die Brüder aufgeteilt worden. Auf das Territorium eines kaum 1600 km² großen Zwergfürstentums reduziert umfasste es nur noch das weitere Umland Breslaus sowie das Gebiet von Neumarkt. Der Herzog musste dadurch gegenüber der Stadt zwangsläufig weiter an politischem Gewicht verlieren. Zudem wurde er fast umgehend in langjährige militärische Auseinandersetzungen mit den Herzögen von Glogau verwickelt und hatte sich bald auch der Vorstöße seines älteren Bruders Bolesław III. zu erwehren, der ein Auge auf Breslau warf und Heinrich einen unvorteilhaften Tausch ihrer Herzogtümer vorschlug. Heinrichs Versuche, in dieser Lage mit dem römisch-­deutschen König, dem Deutschen Orden oder Władysław Ellenlang, der 1320 zum polnischen König gekrönt worden war, potenzielle Verbündete zu gewinnen, waren wenig erfolgreich. Sie scheinen auch den Breslauer Rat eher beunruhigt zu haben. Dessen Präferenzen waren andere und zielten auf das benachbarte Böhmen, das in Schlesien immer größeren Einfluss gewann und das der Breslauer Kaufmannschaft

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offenbar auch die wirtschaft­lich attraktivere Perspektive zu eröffnen schien. Früher als der Herzog selber und unabhängig von ihm ergriff der Rat ­daher die Initiative und nahm 1325 Verhandlungen mit den seit 1310 in Prag herrschenden Luxemburgern über eine mög­liche Huldigung Heinrichs VI. auf. Tatsäch­lich ließ sich der Herzog, der ohne männ­liche Erben blieb, von den Breslauer Bürgern dazu bewegen, einen Vertrag zu schließen, in dem er Johann von Luxemburg gegen die Gewähr seines Schutzes zu seinem Erbe und Nachfolger einsetzte. Zur Unterzeichnung der Abmachung kam das böhmische Königspaar am 6. April 1327 nach Breslau, wo ihm die Stadt einen glänzenden Aufenthalt bereitete, den sie sich nicht weniger als 286 Mark, das heißt fast die Hälfte des Heinrich VI. jähr­lich überlassenen städtischen Steueraufkommens kosten ließ.136 Bis 1335, dem Jahr in dem Heinrich VI. starb, blieb der Herzog zwar formal der Souverän, doch agierte der Breslauer Rat schon in dieser Übergangszeit de facto selbständig. Nicht zuletzt im Verhältnis zum künftigen Landesherrn trat er mit diplomatischem Geschick und selbstbewusst in Erscheinung. Den Ratsherren war klar, dass nach dem Ableben ihres Herzogs der neue Herrscher im entfernten Prag sitzen und daher an der Oder auf einen starken Verbündeten angewiesen sein würde, um die noch nicht besonders gefestigte böhmische Herrschaft in Schlesien zu konsolidieren und weiter auszubauen. Unterdessen festigte auch der Breslauer Rat seine neu gewonnene Machtstellung – unter anderem in einer repräsentativen Symbolpolitik, zu der nicht nur ein eigenes Siegel, sondern beispielsweise auch die Stiftung eines städtischen Spitals gehörte. Die Stiftung, mit dessen Betreuung der Rat 1337 die Johanniter betraute, entwickelte sich rasch zur größten und reichsten karitativen Einrichtung der Stadt. Sie war zweifellos ein eindrucksvolles Mittel, die autonome Ratsherrschaft und städtische Selbständigkeit nach außen sichtbar unter Beweis und zugleich unter den Schutz des Sakralen zu stellen.137 Ein weiteres Instrument ratsherr­licher Symbolpolitik und Repräsenta­tion war das Rathaus.

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Farbtafel 1  Überreste des romanischen Doms der 1150er–1160er Jahre (2001) Farbtafel 2  Heiligkreuzkirche (links) und Martinskirche (2012)

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Farbtafel 3  Basis des Zentralpfeilers des von Bolesław dem Langen im dritten Drittel des 12. Jahrhunderts auf der Dominsel errichteten Palastgebäudes (2014) Farbtafel 4  Luftaufnahme des Ringplatzes (2001)

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Farbtafel 5  Fassadenschmuck des Wohnhauses „Unter der Goldenen Maria“ (2. Hälfte 14. Jahrhundert), Ecke Hühnermarkt/Schuhbrücke (2014)

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Farbtafel 6  Rekonstruierte Fragmente der mittelalterlichen Stadtmauer (2015) Farbtafel 7  Sarkophag Heinrichs IV. (2014)

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Farbtafel 8  Tympanon über dem Ostportal des Rathauses (2014) Farbtafel 9  Restaurierte Relikte der 1585/86 errichteten Ziegelbastion (2014)

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Farbtafel 10  Darstellung des Breslauer Stadtwappens, Anfang des 17. Jahrhunderts, heute in der Ratsherrenstube des Rathauses (2015) Farbtafel 11  Das 1728–1741 errichtete Hauptgebäude der Universität, links Herz-­ Jesu-Kirche (2012)

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Farbtafel 12  Titelblatt der Leichenpredigt auf Anna Ursula Becker

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Farbtafel 13  Ausschnitt aus dem 1562 von Barthel Weyhner angefertigten 186 × 187 cm großen, axiometrischen Plan von Breslau Farbtafel 14  Die Evangelisch-reformierte Hofkirche zur Göttlichen Vorsehung; in der Straßenfront unten links das „Königliche Haus“, Grafik um 1751/52

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III. Patrizische Handelsmetropole (1330er–1520er Jahre)

Das Rathaus Der gotische, mit Elementen der Renaissance und Neogotik versetzte backsteinerne Rathausbau ist bis heute das herausragende Wahrzeichen der Stadt und eine der bekanntesten Ikonen altostdeutscher Erinnerungskultur (Umschlagbild).138 Das seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mehrfach restaurierte, im Zweiten Weltkrieg nur leicht beschädigte, 1996 – 2002 grundlegend renovierte Gebäude entstand in mehreren Phasen während des 14. bis 16. Jahrhunderts. Sein ältester Teil wurde bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts erbaut, als von einem Rathaus im Sinn eines Sitzes der städtischen Selbstverwaltung noch nicht wirk­lich die Rede sein konnte. Zu einem eigent­lichen Rathaus wurde das Gebäude erst seit Ende der 1320er Jahre ausgestaltet, nachdem die Stadtgemeinde nach Aufkauf der Erbvogtei die volle Gerichtsbarkeit und weitgehende Selbständigkeit erlangt hatte. Es lag nahe, dass der Rat seiner neuen Machtfülle in einem repräsentativen Bau äußer­lichen Ausdruck verleihen, zugleich aber auch aus praktischen Gründen den ‚privaten‘ Versammlungsort im „alten Rathaus“ am Ring 30 aufgeben wollte. Tatsäch­lich verzeichnen die Stadtrechnungen seit 1328 für einige Jahre Ausgaben für die Errichtung eines praetorium bzw. „neuen Hauses“ (nova domus), das allgemein mit dem neuen Amtssitz des Rates identifiziert wird.139 Der Neubau bestand aus einer Rats- und Schöffenstube, die als rechteckiger, etwa 11 x 7 m großer Raum an die Nordostecke des ältesten Kerns des Rathausgebäudes, das zweischiffige consistorium, angebaut wurde und den ursprüng­lichen Zwischenraum ­zwischen Kaufhaus und consistorium ausfüllte. An dessen öst­liche Stirnseite bzw. an die Südseite der – vielleicht von Anfang an zweigeschossigen – Ratsstube wurde z­ wischen 1343 und 1357 ein weiterer Anbau angeschlossen. Er beherbergte im Erdgeschoss eine Gerichtshalle, die durch ein noch heute erhaltenes Spitzbogenportal von Osten her direkt zugäng­lich war. Sein Tympanon zeigt einen behelmten

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Patrizische Handelsmetropole (1330er–1520er Jahre)

böhmischen Löwen mit einer Fahnenlanze, der die Insignien des Herzogtums und der Stadt Breslau, den schle­sischen Adler und das Bildnis Johannes des Täufers, in Empfang nimmt – mithin eindrück­lich den gerade vollzogenen Übergang Breslaus an Böhmen heraldisch versinnbild­lichte (Farbtafel 8).140 Das Obergeschoss des Anbaus nahm eine Kapelle auf, in der sich die Ratsherren und Schöffen vor ihren Sitzungen im Angesicht eines Meister­werks der Goldschmiedekunst, einem Büstenreliquiar der Heiligen Dorothea, zur Messe versammelten. Die Kapelle war über eine Wendel­ treppe im Mauerwerk direkt mit der Ratsstube verbunden. Da sie seit der Reforma­tion nicht mehr genutzt, in ihr aber seit 1600 die schle­sischen Fürstentage stattfanden, wurde der Raum ­später Fürstensaal genannt. Mit dem zweigeschossigen Anbau erhielt auch das zunächst einstöckige consistorium ein Obergeschoss. In ihm wurde ein Gemeinschaftsraum untergebracht, der in späteren Quellen als weite Halle oder Großer Saal begegnet und seit dem 19. Jahrhundert Remter genannt wurde. In dem fast 27 m langen, 21 m breiten Raum fanden die jähr­lichen Huldigungen der Bürgerschaft für den neugewählten Rat, Fürstenempfänge und Feste führender Breslauer Familien statt, wurden Schauspiele aufgeführt und gelehrte Disputa­tionen abgehalten. Da er die ursprüng­liche Funk­tion des älteren unteren Geschosses übernahm, wurde ­dieses größtenteils in Verkaufsstätten umgewandelt, die während der Jahrmärkte auch an auswärtige Händler vermietet wurden. Mit dem Ausbau der 1350er Jahre wurde auch der Stadt- bzw. Rathausturm aufgestockt. Die älteste Breslauer Stadtansicht, ein Holzschnitt von Wilhelm Pleydenwurf und Michael Wohlgemuth, zeigt ihn in der Schedel’schen Weltchronik 1493 – ehe er 1558 – 59 seine heutige Gestalt erhielt – mit einer Galerie am oberen Ende des quadratischen Schaftes und einem mehrseitigen, fahnenbestückten Zeltdach. Alle Gebäudeteile waren unterkellert und erhielten Kreuzgrat- und Tonnengewölbe. Schon der älteste Gebäudeteil besaß ein Untergeschoss, für das die Stadtrechnungen zum Jahr 1303 erste Einnahmen ausweisen.141 Es dürfte von Anfang an einen Stadtkeller mit Wein- und Bierausschank beherbergt haben, der ­später als Schweidnitzer Keller bezeichnet wurde und noch heute als Gaststätte dient.

Das Rathaus

Ein weiterer Ausbau des Rathauses erfolgte im 15. Jahrhundert. Um 1428 erhielt zunächst die Ratsstube eine west­liche Erweiterung, in der die Ratskanzlei untergebracht wurde. Um 1470 folgten Anbauten auf der süd­ lichen Gebäudeseite. Zunächst verlängerte eine lokale Werkstatt unter der Leitung der Meister Hans Berthold, Peter Franczke und Jodocus Tauchen die Südostseite des Gerichtssaales bzw. der Ratskapelle mit einem knapp 6 m schmalen, gut 9 m langen Raum, in dessen Erdgeschoss die Stadtvogtei und in dessen Obergeschoss die Kämmerei einzog. Nach dem Tod des Meisters Berthold (um 1480) vollendeten Briccius Gauske und Paul Preusse, Bauleute aus Sachsen und der Oberlausitz, die süd­lichen Anbauten als durchgehendes zweigeschossiges Südschiff. In dessen Mitte sowie öst­lich an die Stadtvogtei setzten sie Erkertürme an und füllten die Lücke in der Westfassade ­zwischen dem vorspringenden Stadtturm und dem Südschiff mit einem zweikammrigen Anbau. Schließ­lich vereinheit­lichten sie in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts die Dächer über den alten und neuen Obergeschossen, indem sie den Großen Saal und die Ratskapelle, die bis dahin getrennte Dächer besaßen, unter ein gemeinsames hohes Satteldach brachten und das Nord- und Südschiff mit kleineren Satteldächern abschlos­sen. Die gerade abgestuften Giebel der Westseite blieben unverziert, während auf der Ostseite insbesondere der große Mittelgiebel mit einer Frieskante, einem Maßwerk aus Terrakotta sowie spätgotischen Fialen reich ausgeschmückt wurde. Die Sonnenuhr mit dem quadratischen Zifferblatt schmückte allerdings erst ab 1580 die Ostfassade. Auch die übrigen Fassadenflächen wurden nach Abschluss des Ausbaus mit künstlerischen Steinmetzarbeiten verziert und erhielten eine farbige Bemalung. Zusammen mit seinen grün- und rotglasierten Dachziegeln muss der Bau einen ausgesprochen farbenprächtigen Eindruck vermittelt haben. Auch im Innern wurde das Rathaus gegen Ende des 15. Jahrhunderts reicher ausgestattet.142 Die noch vorhandenen hölzernen Balkendecken ersetzte man durch aufwändige Kreuzrippen-, Stern- oder Netzgewölbe mit figür­lichen Konsolen, Krag- und Schlusssteinen. Durchgänge erhielten reich verzierte Einfassungen und eindrucksvolle Tympana. Das auffälligste Schmuckelement aber waren Wappenkomposi­tionen. In ihnen traten neben den heraldischen Symbolen des böhmischen Landesherren und des Breslauer Herzogtums, an prominenter Stelle vor allem die Wappenelemente der

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Stadt – die Häupter der Stadtpatrone Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten, sowie die Initiale W für Wratislavia – hervor. Daneben wurden Wappen und Hauszeichen verschiedener Ratsherren angebracht. Auch das bildhauerische Dekor des Rathausbaus sollte die Stadt als eine eigenständige politische Größe, ihren Rat als eine selbstbewusste Macht in Erscheinung treten lassen.143 Zur reichhaltigen Innenausstattung gehörte s­ päter auch ein Wandgemälde an der öst­lichen Schildwand der Ratsältestenstube. Das 1667 – 1668 von Georg Scholtz d. J. gefertigte, noch heute an ­diesem Platz zu sehende Ölgemälde zeigt Ratsmänner und Schöffen in der Ratsstube bei einer ihrer Sitzungen – so wie diese seit eh und je in dem um die Mitte des 14. Jahrhunderts erbauten Raum stattfanden.144 Stammen die einheit­liche Ratskleidung (ein schwarzer Talar mit kleinem weißem Kragen) und die Haar- und Barttracht der Männer sowie das Kreuzgewölbe und die Wandtäfelung des Raumes auch aus jüngerer Zeit, so dürfte das Gemälde doch einen Eindruck auch von einer Ratssitzung des ausgehenden 13.–14. Jahrhunderts vermitteln. Das Bild zeigt 23 Männer in einer bestimmten Sitzordnung. Dass alle sitzen, ist nicht nur als Ausdruck der Würde ihres Amtes zu verstehen, sondern auch als Ausdruck dafür, dass alle gleichermaßen dem Rat angehören. Dennoch sitzen acht von ihnen in der nordöst­lichen Raumecke um einen quadratischen Tisch herum, während elf auf Bänken ohne Tisch sitzen und den Tisch gewissermaßen einrahmen. Der Tisch ist der Ratstisch, an dessen vier Seiten je zwei Ratsmänner Platz nehmen, während die Bänke die „lange“ und die „kurze“ Schöffenbank bilden, auf denen insgesamt elf Schöffen sitzen. Ratsmänner und Schöffen sind also gleichermaßen vereint wie separiert; auf diese Weise macht die Sitzordnung klar, dass die Schöffen zwar Mitglieder des Rates sind, aber keine Ratsherren. In der dem Ratstisch gegenüber liegenden Ecke ist ein zweiter Tisch mit Lesepult zu sehen, an dem vier weitere Herren sitzen. Dies sind die beiden Stadtschreiber und (seit etwa 1500) die beiden Syndici der Stadt. Die Stadtschreiber waren den Ratsherren nicht gleichgestellt. Dennoch waren sie wie kaum ein anderer mit der Politik und den Geschäften des Rates vertraut. Sie führten nicht nur die Sitzungsprotokolle und stellten diverse öffent­liche Dokumente aus, sondern waren auch für die Ratskorrespondenz mit fremden geist­lichen und welt­lichen Mächten zuständig; nicht selten begaben sie sich auch mit

Das Rathaus

Abb. 4  Die Ratsherren und Schöffen in der Ratsherrenkammer; Vorstudie aus dem Jahr 1659 zum späteren Ölgemälde von 1667 – 68 von Georg Scholtz d. J.

diplomatischen Aufträgen auf Reisen. Ihnen unterstand ein wachsender Kanzleiapparat, der um 1500 in Breslau bereits etwa 20 Personen in spezia­ lisierten Abteilungen umfasst haben soll.145 Erscheinen die Stadtschreiber auf dem Bild auf ihrer Bank niedriger platziert als die übrigen Männer, so sitzen zwei der Ratsherren an der Fensterseite des Ratstisches deut­lich höher als alle übrigen. Bei ihnen handelt es sich um den Ratsältesten und seinen Vertreter. Seit den 1330er Jahren gab es neben dem Ältesten, der den Vorsitz führte, auch das Amt eines Bürgermeisters. Dieser erledigte die laufenden, kurzfristig anstehenden Geschäfte, was naheliegender Weise mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden war. Daher wechselte das Amt alle sechs bis sieben Wochen, sodass jeder der ehrenamt­lich tätigen Ratsmänner im Verlauf des Wahljahres einmal als Bürgermeister amtierte und damit den Platz zur Linken des Ratsältesten einnahm. Dass der Stellvertreter des Ältesten zu dessen Rechten saß, zeigt, dass ihm das Amt des Bürgermeisters hierarchisch

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nachgeordnet war. Auch in anderer Hinsicht bildete sich innerhalb des Rates im Laufe der Zeit eine gewisse Rangordnung aus. So nahmen neu in den Rat gewählte Ratsmitglieder zunächst einen Platz unter den sieben unteren Schöffen auf der „langen“ Schöffenbank ein. Bei ihrer Wiederwahl rückten sie im nächsten Jahr auf einen höheren Schöffenplatz vor. Die „kurze“ Schöffenbank war dem Ratstisch dem Rang nach gleichwertig, sodass das weitere Vorrücken ­zwischen „kurzer“ Schöffenbank und Ratstisch alternierte. Man rückte also von der 6. Ratsstelle auf die 4. Schöffenstelle, von der 4. Schöffenstelle auf die 5. Ratsstelle, von der 5. Ratsstelle auf die 3. Schöffenstelle und von der 3. Schöffenstelle auf die 4. Ratsstelle bis man am Ende von der 2. Ratsstelle auf die 1. Schöffenstelle und von dieser auf die 1. Ratsstelle rückte. Allerdings war ­dieses Verfahren kein Automatismus, das jeweilige Vorrücken vielmehr durchaus von individuellen Fähigkeiten abhängig; es gelang dem einen schneller, dem anderen langsamer, manchem auch gar nicht. Insbesondere die herausgehobenen Ämter des Ältesten und des Kämmerers konnten von fähigen Personen über mehrere Jahre, mitunter auch Jahrzehnte lang bekleidet werden.

Kaufleute und Handwerker Gemäß dem Magdeburger Recht, das 1261 der Ratsbildung zugrunde lag, waren ledig­lich die Mitglieder des Gründungsrates von den Bürgern gewählt worden. Einmal etabliert ergänzte sich das Gremium alljähr­lich selbst ohne Beteiligung der Bürger. Das musste über kurz oder lang zu personellen Verfestigungen, ja zu oligarchischen Strukturen führen. Tatsäch­lich wurde der Rat von einer kleinen Gruppe ‚ratsfähiger‘ Familien dominiert – dem sogenannten Patriziat.146 Ihm gehörten fast ausschließ­lich Kaufleute an, die sich durch großen Reichtum auszeichneten, sich ein Engagement im Rat ökonomisch leisten konnten und dafür abkömm­lich waren. Als besonders erfolgreiche Kaufleute brachten sie zumeist eine entsprechende Lebenserfahrung und Geschäftstüchtigkeit mit, die sie für das politische Amt zusätz­lich qualifizierten. Die Ratsfamilien stellten aber nicht nur die ökonomische Elite der Stadt, sondern versuchten sich auch sozial – unter anderem durch vielfache Verschwägerungen untereinander – gegenüber dem übrigen Bürger­ tum abzuschließen. So engte sich der Kreis der ratsfähigen Familien bald

Kaufleute und Handwerker

ebenso ein, wie sich die Zeiten der Ratszugehörigkeit der einmal gewählten Ratsmänner und Schöffen (durch gegenseitige Wiederwahl) verlängerten. Dennoch ist es nie zu einer völligen Erstarrung des Breslauer Patriziats, zu einer Beschränkung der Ratsfähigkeit auf einen definitiv abgeschlossenen Kreis immer gleicher Familien gekommen. Vielmehr blieb ein Aufstieg in das Patriziat grundsätz­lich ebenso mög­lich wie ein Abstieg. Und so kamen und gingen die ratsfähigen Familien – ­zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert insgesamt weit über 300, wobei die kürzeste Zeit der Ratssässigkeit im Jahr 1520 beispielsweise zwei, die längste 165 Jahre betrug.147 Entscheidend für die Fluktua­tion war der individuelle wirtschaft­liche Erfolg. Zwar gab es immer wieder auch ökonomisch erfolgreiche Individuen und Familien, die nie im Rat saßen, doch waren alle im Rat vertretenen Fami­lien – sofern ihre Vertreter nicht auf außerordent­liche Weise durch einen landesherr­lichen Eingriff in diese Posi­tion gelangten – stets in erster Linie aufgrund ihres Wirtschaftserfolges und nicht bloß dank eines altererb­ ten familiären Ansehens im Rat. Familien, die ihre wirtschaft­liche und damit ­soziale Stellung einbüßten, verloren am Ende auch ihre Ratsfähigkeit, während wirtschaft­lich besonders erfolgreiche Aufsteiger auch in den Rat gelangen konnten. Wie die Geschichte der Familien Dompnig, Hartlieb, Merboth, Salomon und Schonhals zeigt, konnten selbst Handwerker mit der Zeit beträcht­liche Vermögen akkumulieren, in der zweiten oder dritten Genera­tion in den Kaufmannsstand aufsteigen und anschließend die Ratswürde erlangen. Andererseits vermochten manche Söhne erfolgreicher Aufsteiger den vom Vater erworbenen Ratssitz nicht zu bewahren. Auch Migra­tionen förderten die prinzipielle Offenheit des Breslauer Patriziats. Manche ratsfähige Familie siedelte in eine andere Stadt über oder zog sich auf das Land zurück, um dort als Grundbesitzer ein adlig-­ agrarisches Leben zu führen. Gleichzeitig kamen Zuwanderer – aus kleineren schle­sischen, kleinpolnischen oder brandenbur­gischen Städten, im 15. Jahrhundert oft auch aus Süddeutschland – nach Breslau. Manche von ihnen waren wirtschaft­lich so erfolgreich, dass sie rasch mit eingesessenen Familien gleichzogen und ratsfähig wurden. Dass neue Familien alte immer wieder verdrängten, zeigen die Zahlen deut­lich: nur 14 der um die Mitte des 14. Jahrhunderts florierenden Ratsfamilien hielten sich bis 1420 im Rat und nur sechs von ihnen schafften dies bis Mitte des 15. Jahrhunderts.

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Die personellen Umschichtungen innerhalb des Rates und des Patrizia­ tes schlugen sich, wie neueste Untersuchungen zeigen, auch im Immo­ bilienverkehr nieder.148 Ratsfamilien besaßen ihre Häuser zumeist am Ringplatz, also in nächster Nähe zum Rathaus. Gleichwohl wechselten hier ­zwischen 1345 und 1420 die Hauseigentümer im Durchschnitt etwa alle 15 Jahre. Es bestand offenbar ein Zusammenhang ­zwischen dem politischen Aufstieg bzw. Eintritt in den Rat und dem Erwerb einer repräsentativen Immobilie am Ring; jedenfalls lassen sich für den untersuchten Zeitraum nicht weniger als 65 Fälle nachweisen, in denen Ratsherren oder Schöffen eine Immobilie am Ringplatz erwarben. Allerdings drängten auch nicht-­ ratsfähige Familien, erfolgreiche Handwerker und arrivierte Krämer, an den wichtigsten Platz der Stadt. Die hohe Frequenz des Eigentümerwechsels am Ring lässt insgesamt eine beacht­liche wirtschaft­liche und s­ oziale Mobilität erkennen, die auch Vertreter niedrigerer Schichten erfasste. Diese strebten nicht nur nach prominenten Immobilien, mit denen sie ihrem wirtschaft­ lichen Aufstieg auch symbo­lisch Ausdruck verleihen konnten, sondern forderten auch politische Partizipa­tion. Vor allem die in den Zünften gut organisierten Handwerker taten sich in dieser Hinsicht hervor, sodass auch Breslau – wie viele andere mittelalter­liche Städte – im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert eine Zeit sogenannter Zunftkämpfe erlebte. Die vom Rat vertretene Bürgergemeinde war anfangs eine ausschließ­ lich aus Grundbesitzern bestehende kaufmännische Genossenschaft. Für diese stellte ein von Kaufleuten dominierter Rat eine durchaus adäquate Vertretungskörperschaft dar. Das änderte sich, als im Verlauf des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts das Bürgerrecht vom Erfordernis des Grundbesitzes abgelöst und allen unbescholtenen Bewohnern gewährt wurde, die 1. eine Wohnung in der Stadt hatten, 2. ihren Anteil an der städtischen Steuer entrichteten und sich 3. am städtischen Wachdienst beteiligten. Damit waren die reichen Krämer, Kleinkrämer und Handwerker den patrizischen Kaufleuten recht­lich gleichgestellt. Sie hatten fortan die städtischen Lasten und Pflichten mitzutragen und solidarisch mit der Bürgergemeinde zu haften. Doch politisch bevorrechtigt blieb weiterhin allein das kaufmännische Patriziat. Damit aber wollten sich die Handwerker nicht abfinden. In mehreren Anläufen, bei denen politische und wirtschaft­liche Motive zusammenwirkten, versuchten sie dem Patriziat

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wiederholt eine eigene Ratsbeteiligung und größeren Einfluss auf die städtische Politik abzuzwingen. Zu einem ersten regelrechten Aufstand gegen die Ratsherren kam es 1333.149 Die von den Tuchmachern der eingegliederten Neustadt getragene Erhebung – ein zeitgenös­sischer Bericht spricht von 900 gut bewaffneten Aufrührern 150 – wurde frei­lich rasch niedergeschlagen. Sie zielte vielleicht auch gar nicht auf eine Ratsbeteiligung, sondern richtete sich primär gegen die wirtschaft­liche Benachteiligung der Weber bzw. der Neustadt gegenüber der Altstadt. Wie fest das Patriziat das Heft in der Hand behielt, zeigt der wenig s­ päter unternommene Verstoß, die Ratszugehörigkeit auf Lebenszeit auszudehnen. Tatsäch­lich gestattete Johann von Luxemburg 1342 dem Rat in d ­ iesem Sinn, auf einmal 32 Ratsmänner zu wählen, von denen jeweils acht im jähr­lichen Turnus den aktiven Rat bilden sollten. Das schürte naturgemäß neue Unruhe, die etwas abklang, als Karl IV. 1349 die alte Ratsverfassung wieder herstellte. Eine Weile konnte das Patriziat die Handwerker wohl auch dadurch beschwichtigen, dass es ihnen wenigstens einen regelmäßigen Ratssitz zugestand. Doch auf Dauer war dies zu wenig. Hinzukam eine ungenierte Interessenpolitik des Patriziats, das seine eigenen Vorteile häufig zulasten der gesamten Bürgerschaft verfolgte. Das zeigte sich nicht zuletzt in der städtischen Steuer- und Abgabenpolitik, die die reichen Bürger deut­lich bevorteilte. Seit der Rat die Besteuerung der Bürger ganz in seiner Hand hatte, war das städtische Budget durch Immobilien- und Vermögensteuern (Erb- und Eidgeschoß), Zoll-, Pacht- und Renteneinnahmen sowie Strafgebühren sukzessive ausgedehnt worden. Dennoch überstiegen die städtischen Ausgaben – für Verwaltung, Repräsenta­tion, Baumaßnahmen, Verteidigung u. ä. – die Einnahmen bald deut­lich.151 Bereits in den 1340er Jahren lief ein Defizit auf, das durch Kreditaufnahmen ausgeg­lichen werden musste, womit ein weiterer dauerhafter Ausgabenposten entstand. Dieser belief sich 1346 noch auf ledig­lich 610 Mark – immerhin 50 Mark mehr als die Summe, die jähr­lich an den Landesherrn abzuführen war. Nur vierzig Jahre ­später lag das Defizit aber schon bei 15.000 Mark; das war fast viermal so viel wie das gesamte städtische Jahresbudget von 4033 Mark. Für die entsprechende Kreditbedienung mussten 1313 Mark bzw. 32,5 % des Jahres­haushaltes aufgebracht werden. Angesichts dieser Situa­tion konnten

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zusätz­liche, durch Sonderforderungen des Landesherrn oder militärische Konflikte verursachte Unkosten nur durch weitere Schulden und periodische Sonderbesteuerungen der Bürger aufgefangen werden. Dessen ungeachtet spitzte sich die Finanzlage im ausgehenden 14., beginnenden 15. Jahrhundert dramatisch zu; 1418 erreichte das Defizit rund 70.000 Mark. Das entsprach dem Zehnfachen des damaligen Jahresbudgets und verschlang 6000 Mark bzw. 86 % des städtischen Jahreshaushaltes an Zinszahlungen; die Bürger zahlten mit erheb­lichen Sondersteuern. Auch diese Entwicklung, trieb die Handwerker zu erneutem Widerstand. Ende der 1380er Jahren schlossen sich die Zünfte in einer Konfödera­tion enger zusammen, gaben sich mit Zustimmung König Wenzel IV., aber ohne Beteiligung des Rates neue Statuten und optimierten ihre militärische Organisa­tion. Selbstverständ­lich erklärten sie dem Rat (am 27. September 1389) öffent­lich ihre Treue, doch konnte ihre Absicht, solidarisch zusammenzustehen, sollten „rathmanne, purger ader kaufleute iemanden aus der gemeine, arm oder reich, gewalt vnd vnrecht thuen wolden“, durchaus als Kampfansage verstanden werden.152 Schließ­lich eskalierte der Konflikt zunächst im September 1406, dann vor allem im Juli 1418 in gewaltsamen Auseinandersetzungen, bei denen – wie es in einer Chronik des 16. Jahrhunderts über den Aufruhr von 1418 hieß – „die gemeine mit gewalt wieder den rath zu Breßlaw aufgestanden und ein auflauf erweckhet worden, in dem sy das rathhaus aufgelaufen und et­liche herrn erschlagen und umbracht.“153 Dass die aufrührerischen Tuchmacher und Fleischer 1418 ledig­lich das Rathaus plünderten, die Privathäuser der Patrizier aber verschonten, könnte auf Hintermänner verweisen, die die Ereignisse im Zaum hielten; s­ päter beschuldigte man die Patrizier Dompnig und Neisser, die Massen entsprechend manipuliert zu haben. Da die Ratsverfassung durch den Aufstand nicht grundsätz­lich in Frage gestellt wurde, ließ König Wenzel anstelle des gestürzten Rates neue Ratsherren und Schöffen ernennen. Mit ihnen gelangten neue Leute in den Rat. Frei­lich gehörten auch sie überwiegend dem Patriziat an, sodass dessen dominierende Rolle nicht wirk­lich in Frage gestellt wurde. Vollständig und endgültig restituiert wurde das patrizische Regiment allerdings erst Anfang 1420 von König Sigismund, Wenzels Nachfolger. Er verhängte über 64 der Aufrührer von 1418 das Todesurteil und ließ 23 von ihnen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, hinrichten. Die

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wenigen nach dem Aufstand in den Rat gelangten Handwerker entfernte er wieder aus der Ratsstube und schränkte in neuen Zunft- und Handwerksordnungen die Rechte der Zünfte massiv ein. Die Handwerker durften fortan weder ihre Zunftältesten bzw. Geschworenen selber wählen (diese wurden nun vom Rat bestimmt), noch ihr Gewerbe eigenständig ordnen, geschweige denn eine selbstbestimmte Politik entfalten. Auch wenn diese Maßnahmen das interne bruderschaft­lich-­gesellige Leben der Zünfte wenig berührten, unterwarfen sie sie in ihrer äußeren Stellung doch dauerhaft der Macht des Rates. Ein ernsthafter Widerstand der Zünfte gegen die Politik des Rates ist denn in der Folge auch ausgeblieben. Immerhin gingen die Zünfte aus der langjährigen Auseinandersetzung am Ende nicht ganz mit leeren Händen hervor. Seit 1439/40 erhielten sie – sei es auf Drängen des Königs, sei es durch Einsicht des Patri­ziats – dauerhaft zwei Sitze am Ratstisch und zwei auf der Schöffenbank. Aller­ dings wurden ihre Vertreter dabei jeweils auf die beiden letzten Plätze verwiesen und nur aus vier bevorzugten Zünften gewählt, näm­lich jenen der Reichkrämer, Kretschmer, Fleischer und Tuchmacher. Sieht man von den Metallhandwerkern ab, so waren damit die vier bedeu­ tendsten städtischen Gewerbe wenigstens symbo­lisch im Rat vertreten: der lokale Kleinhandel, die Schankwirtschaft sowie das Nahrungsmittelund Bekleidungsgewerbe. Insgesamt zählte Breslau vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis 1420 konstant 26 bis 29 Zünfte; 1470 waren es, nachdem technische Entwicklungen und ein erhöhter Lebensstandard zu weiteren handwerk­lichen Ausdifferenzierungen geführt hatten, bereits 42.154 Schon diese Zahlen weisen das mittelalter­liche Breslau als eine herausragendes Gewerbezentrum aus. Zum Vergleich: in den größten übrigen schle­sischen Städten gab es im 14. Jahrhundert 6 bis 16 Zünfte, in Krakau im 15. Jahrhundert 25. Die Einteilung der gewerbetreibenden Bevölkerung in Zünfte spiegelt allerdings nicht unbedingt die tatsäch­liche Berufsgliederung wieder. Einen besseren Einblick in die Breslauer Gewerbestruktur bietet eine Steuerliste aus dem Jahr 1403.155 Sie führt unter 2272 Steuerzahlern 1197 Gewerbetreibende mit Angabe ihres Gewerbes sowie 416 Personen an, die in Kleinhandel und Gastwirtschaft tätig waren. Über 70 % der steuerzahlenden Stadtbevölkerung waren mithin Gewerbe- und Kleinhandeltreibende. Von ihnen waren 18,8 % in der Schankwirtschaft, 16,6% im Bekleidungs- und

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Reinigungsgewerbe, 15,6 % im Textilgewerbe, 14,6 % im Nahrungsmittelgewerbe, 12,8 % im Metallhandwerk und 6,2 % in der Lederverarbeitung tätig; 5,9 % produzierten Holz-, Schnitz-, Heiz- und Leuchtstoffe, 5,7 % betrieben Kleinhandel, während 2,5 % im Baugewerbe und 1,3 % im Transportgewerbe arbeiteten. Innerhalb dieser Gewerbegruppen wies das Metallhandwerk mit 23 Berufsarten die größte Binnendifferenzierung bzw. Arbeitsteilung auf, gefolgt vom Textilgewerbe (17), der Holzverarbeitung (14), dem Nahrungsmittelgewerbe (12), der Lederverarbeitung (19) sowie dem Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe (10). Mit dieser Struktur war die Breslauer gewerb­liche Wirtschaft in hohem Maße auf den lokalen Konsum, den Absatz im unmittelbaren Umland sowie die Befriedigung der Bedürfnisse fremder Handelsgäste am Ort ausgerichtet. Ein für den Fernexport produzierendes Gewerbe hat sich dagegen kaum entwickelt. Allenfalls in begrenztem Umfang wurden Breslauer Textil-, Metall- und Bekleidungswaren in weitere Gegenden verhandelt.156 Ohne ein intensives, exportorientiertes eigenes Gewerbe blieb der Breslauer Fern- und Großhandel zum einen auf die Weiterverteilung hochwertiger Westwaren (Lebensmittel, Textilien, Metallprodukte und Luxusgegenstände) in den weiteren Osten, zum anderen auf die Zusammenführung öst­licher Naturprodukte (Vieh, Fisch, Pelze, Felle, Honig, Rohstoffe) angewiesen. Dabei waren die Breslauer Kaufleute vor allem im Ostgeschäft der aktive Teil, sodass ihre Geschäftsbeziehungen zum größeren Teil in Polen, Masowien, Preußen, Litauen und Russland lagen.157 Angesichts dessen mussten sich die fortgesetzten politischen Verwicklungen mit Polen stets unmittelbar auf Breslaus Wirtschaft auswirken. In den 1340er-1360er Jahren behinderte zunächst ein von Kasimir III. und seiner Residenzstadt Krakau geführter Zollkrieg den Breslauer Osthandel. Die Schikanen und Blockaden, die die Breslauer Kaufleute am Handel mit Kleinpolen, Ruthenien und dem weiteren Osten hindern sollten, wurden 1372 durch das Krakau gewährte Stapelrecht weiter verschärft. Auch vor d ­ iesem Hintergrund suchte Breslau Anschluss an andere Märkte. In den 1380er Jahren trat die Stadt der Hanse bei, um in der Folge Geschäftsbeziehungen zu etwa zwanzig Hansestädten (u. a. Halle, Magde­ burg, Braunschweig, Erfurt, Soest, Dortmund, Köln) zu unterhalten. Vor allem intensivierte sie ihre Kontakte zum Ostseeraum, für den (neben

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Kontakten mit Lübeck, Stralsund und Königsberg) insbesondere Thorn und Danzig die wichtigsten Handelspartner wurden. Über die Hanse traten die Niederlande in das engere Blickfeld der Breslauer Kaufleute, die mit Flandern auch Seehandel zu betreiben begannen. Gleichzeitig knüpften sie regelmäßige Handelsbeziehungen in den süddeutschen Raum und nach Oberitalien, insbesondere Venedig an, über die unter anderem mediterrane und orienta­lische Luxuswaren (Seide, Baumwollstoffe, Früchte, Gewürze) an die Oder kamen. Auf die fortgesetzten polnischen Handelshemmnisse reagierten die Breslauer zudem mit engeren Kontakten zu Böhmen und Ungarn, von wo sie Silber, Buntmetalle und Schlachtvieh bezogen. Hier wirkte sich die Einbeziehung in die Krone Böhmen positiv aus, profitierten doch auch die Breslauer Kaufleute von der aktiven Handelspolitik Karls IV. Der Import und Weiterverkauf ausländischer Waren blieb für die Breslauer Kaufleute ein einträg­liches Geschäft. Die dabei erzielten Gewinne wurden zumeist umgehend reinvestiert. Dabei setzte man bald nicht mehr allein auf die Groß- und Kleinhandelsgeschäfte des Fern- und Lokalhandels, sondern investierte immer öfter in Immobilien, Renten- und Kreditgeschäfte. Schon früh erwarben Breslauer Kaufleute und Patrizier in der näheren oder ferneren Umgebung ganze Dörfer, im 15. Jahrhundert auch Adelssitze und Schlösser. Diese dienten nicht nur dem bürger­lich-­ patrizischen Streben, die adlige Lebensweise zu imitieren, sondern wurden oft auch als reine Spekula­tionsobjekte gekauft und verkauft. Mitunter wurden sie unter Ausnutzung der dienstpflichtigen bäuer­lichen Untertanen beziehungsweise eines aufkommenden Wanderarbeiterpotenzials auch bereits frühkapitalistisch bewirtschaftet (vornehm­lich mit Schaf- und Fischzucht). Auf diese Weise sollte das Risiko der Fernhandelsgeschäfte, das beträcht­lich blieb, nach Mög­lichkeit minimiert werden. Tatsäch­lich geriet der Breslauer Handel nach der Mitte des 15. Jahrhunderts in eine Krise, fand die anhaltende Prosperität ein vorläufiges Ende. Breslaus erfolgloser Kampf gegen Georg von Podiebrad führte die Breslauer Kaufleute auch handelspolitisch in die Isola­tion. Das was an Handel aufrechterhalten wurde, beeinträchtigten die durch die Hussitenkriege zerrütteten Landesverhältnisse, eine wachsende Kriminalität und Wegelagerei. Mit der Privilegierung neuer Jahrmärkte in Posen, Ka­lisch und Wieluń sowie dem erneuerten Stapelzwang für schle­sische Kaufleute

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in Krakau (1473, 1485) wurde zudem die polnische Konkurrenz nachhaltig gestärkt. Gleichzeitig traten mit dem 1497 zur Reichsmessestadt erhobenen Leipzig und den süddeutschen Handelsgesellschaften auch im Westen mächtige Konkurrenten auf. Die Fugger taten sich 1495 mit den in Krakau ansässigen Thurzo zu einer Handelsgesellschaft zusammen und etablierten, um im Osthandel weiter Fuß zu fassen, unter anderem in Breslau eine Niederlassung.158 Breslaus tradi­tionelle Vermittlerrolle im Ost-­West-­Handel geriet mithin von Osten und Westen unter Druck und musste verteidigt werden. Doch die Breslauer Gegenwehr, der gemeinsam mit Frankfurt/Oder seit 1490 unternommene Versuch, die eigenen Stapelrechte zu erneuern und so auszugestalten, dass der ostwest­liche Warenfluss ausschließ­lich durch Frankfurt und Breslau lief, dort die polnischen Händler an der Weiterreise nach Westen, die süddeutschen an der Weiterreise nach Osten gehindert würden, blieb erfolglos. Er provozierte nur eine weitere Auseinandersetzung mit Polen, das eine vollkommene Handelssperre gegen Breslau verhängte.159 Erst als die Oderstadt 1515 ihr Niederlagerecht ein für alle Mal aufgab, hob der polnische König die Blockade auf. Wie sehr diese Entwicklung auf die Stimmung der Breslauer drückte, lässt die 1512/13 verfasste „Descriptio Vratislavie“ des Breslauer Johanniters Bartholomäus Stein erkennen. Sie schildert die Stadt aus einem Gefühl der Bedrohung heraus als einen „ehemals“ blühenden Handelsplatz, der „durch die Missgunst der benachbarten Reiche, Fürsten und Städte, denen sein Wachstum ein Dorn im Auge ist, allmäh­lich sich zu neigen und auf eine niedrigere Stufe herabzusinken beginnt“, als eine Macht, der die Nachbarn „durch Entziehung des Weltverkehrs […] mit so vollem Erfolg entgegenwirken, dass inzwischen jedes Nest, jede Bande von Schnapphähnen die Mächtige, vor der sie einst bebten, in ihrer schweren, allseitigen Bedrängnis zu bekämpfen und straflos zu reizen wagt, dasselbe Breslau, das vormals ­solche Macht entfaltete, dass es allein das ganze Land nach seinem Willen drängte und lenkte, Königreiche und kriegerische Herrscher gegeneinander ausspielte und sich daran weidete, wenn diese sich unter seinen Augen um seinetwillen bekriegten.“ Da befürchtet werden müsse, dass die Stadt „dem allgemeinen Ansturm ihrer Gegner erliegen und von ihrer Höhe herabgestürzt“ werden könnte, sollte wenigstens Steins Stadtbeschreibung „von ihrer einstigen Beschaffenheit und Größe der Nachwelt Kunde geben.“160

Ein Breslauer Patrizier – Kaspar Popplau

Ein Breslauer Patrizier – Kaspar Popplau Im gleichen Jahr, in dem Bartholomäus Stein sein düsteres Bild vom aktu­ ellen Verfall der einst glänzenden Metropole zeichnete, sah sich auch eine der führenden Breslauer Handelsgesellschaften mit dem Niedergang konfrontiert. Das Unternehmen, dessen Absatzgebiet überwiegend im Königreich Polen lag, musste im Frühjahr 1512 einen gewaltigen Umsatz­ rückgang hinnehmen; sein Polengeschäft war auf ein Zwanzigstel des Vorjahresumsatzes gefallen. Die Gesellschafter fassten daraufhin die Auflösung des Unternehmens ins Auge. Dessen früherer Erfolg war seit 1458 vor allem das Werk Kaspar Popplaus gewesen – eines Mannes, der in vieler Hinsicht als ein typischer Vertreter des Breslauer Patriziats angesehen werden kann.161 Die Popplau stammten aus Liegnitz, wo die Familie schon am Ende des 14. Jahrhunderts im Rat vertreten war und ein bedeutendes Vermögen besaß. Durch Verschwägerungen mit den Breslauer Patrizierfamilien Banke und Ungeraten waren jüngere Familienmitglieder in den 1420er–1430er Jahren nach Breslau übergesiedelt. Kaspars Vater, Hans Popplau, hatte 1434 eine Tochter des Ratsherren Kaspar Ungeraten geheiratet, 1437 ein Haus am Ring, aber erst 1445/46 die Breslauer Bürgerschaft erworben (und in d ­ iesem Zusammenhang für 600 Mark, zwei Tonnen Hering und ein Brüsseler Tuch ein weiteres Haus am Ring gekauft). Er wurde umgehend in den Rat gewählt, dem er bis zu seinem Tod 1455 ununterbrochen angehörte und in dem er 1450 und 1453 das – vorzugsweise Vertretern der reichsten Familien anvertraute – Amt des Kämmerers ausübte. Für seine Handelsgeschäfte gründete er mit seinem Vetter Andreas Popplau und den angeheirateten Breslauer Verwandten eine überaus erfolgreiche Handelsgesellschaft – die „Kompanie Popplau-­Schulz-­Ungeraten.“ Kaspar war wohl der ältere der beiden Söhne von Hans Popplau. Der jüngere, Nikolaus, wurde um 1440 geboren und war 1456 an der Universität Leipzig eingeschrieben, während Kaspar 1454 bereits die Krakauer Universität besuchte, also wohl in den späten 1430er Jahren zur Welt gekom­men sein dürfte. Nach dem frühen Tod des Vaters brach er offenbar das Studium ab und kehrte nach Breslau zurück. Zusammen mit seinem Bruder Nikolaus und dem Vetter Peter Krebil übernahm er die Leitung der väter­lichen Handelsgesellschaft. Deren Geschäfte wurden damals durch Erbstreitigkeiten

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und spürbare Handelseinbrüche erheb­lich beeinträchtigt. Doch gelang es den jungen Gesellschaftern, den Betrieb rasch wieder flott zu machen und insbesondere den Handel mit dem Königreich Polen wieder zu beleben. In den frühen 1470er Jahren müssen die Geschäfte bereits wieder so gut gelaufen sein, dass sich Nikolaus den vollständigen Rückzug leisten und eine glänzende Karriere als ungebundener Abenteurer anschließen konnte.162 Diese führte ihn an den Hof Friedrichs III., wo er zum Ritter geschlagen und mit dem Pfalzgrafentitel geehrt wurde. Von Wien zog er 1483 in einer „Mischung aus Pilgerfahrt, Grand tour und Gesandtschaft“ 163 nach Burgund, Paris, England, Portugal und Spanien, fand sich auf dem Rückweg 1485 – 86 an diversen deutschen Herrscherhöfen ein und reiste über Prag nach Breslau. Von dort brach er an den Moskauer Zarenhof auf, von wo er 1488 an den Hof des Kaisers zurückkehrte, der ihn umgehend mit diplomatischem Auftrag erneut über Polen nach Moskau entsandte. Aus Rußland reiste er über Schweden und Dänemark nach Nürnberg zurück, wo sich im Sommer 1490 seine Spur verliert. Kaspar Popplau führte unterdessen die Geschäfte der Breslauer Handelsgesellschaft mit wachsendem Erfolg – und offenbar weitgehend allein – zu neuer Blüte. Sein zweiter aktiver Mitgesellschafter Peter Krebil (es gab daneben auch einige stille Teilhaber aus dem weiteren Familienkreis) war 1462 in den Rat gewählt worden, dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1486 ununterbrochen angehörte. Im Rat saßen auch andere Verwandte. Kaspars älteste Schwester Anna war in erster Ehe mit dem Ratsherrn Hans Hesse verheiratet und nach dessen Tod mit dem Ratsältesten Lucas Eisenreich (die beiden anderen Schwestern, Magdalena und Agnes, hatte die Familie dem Kloster Liebenthal anvertraut). Auch Kaspar selbst musste früher oder ­später in den Rat gelangen. Schon 1472 wurde er ein erstes Mal zum Schöffen gewählt. Doch scheinen ihm die Geschäfte noch wenig Spielraum für ein intensiveres Ratsengagement gelassen zu haben. Erst 1483 waren diese augenschein­lich so weit gefestigt, dass er sich ein zweites Mal zum Schöffen wählen lassen konnte – und dem Rat fortan bis zu seinem Tod am 28. März 1499 angehörte. Allerdings hat er sich mit einem Schöffensitz begnügt und nur für ein Jahr (1491) zum Ratsherren wählen lassen. Daneben war er 1484 – 1490 und 1496 – 1498 als Beisitzer im Breslauer (könig­lichen) Hof- und Mannengericht tätig. Dieses mit je vier Breslauer Bürgern und

Ein Breslauer Patrizier – Kaspar Popplau

Adligen des Breslauer Fürstentums besetzte Landgericht war für Angelegenheiten der Lehen und ritter­lichen Güter zuständig. Popplaus Zurückhaltung im Rat mag der Wunsch zugrunde gelegen haben, sich in politisch heiklen Zeiten nicht unnötig zu exponieren. Sie spricht aber auch dafür, dass Kaspar Popplau vor allem sein Geschäft, seine Handelsgesellschaft am Herzen lag. Er scheint sich jedenfalls – anders als andere Ratsangehörige – lange nicht aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen zu haben. Noch in den 1470er Jahren begleitete er seine Waren selbst oft bis an ihre Zielorte oder nahm sie an der Einkaufsquelle persön­lich in Empfang. Dass dies nicht ungefähr­lich war, zeigen Überfälle, deren Opfer er 1473 und 1478 wurde. Dabei wurde er im ersten Fall zusammen mit sieben weiteren Breslauer Kaufleuten auf ein Schloss nahe Lübeck verschleppt und dort längere Zeit gefangen gehalten, während ihn der zweite Überfall Tuche im Wert von 500 Mark kostete. Die in erster Linie in den Niederlanden bezogenen und vor allem im Königreich Polen abgesetzten Tuche stellten offenbar die Hauptware der Gesellschaft dar. Daneben handelte sie aber auch mit Heringen, Wein, Öl, Gewürzen, Pelzen, Wachs, Leder, Bernstein und Goldschmiedearbeiten. Dazu unterhielt die Gesellschaft regelmäßige Geschäftsverbindungen nach Krakau, Frankfurt/Oder, Stettin, Stralsund, Thorn und Danzig, aber auch nach Mähren, Böhmen, Österreich und Bayern. Die erzielten Gewinne legte Kaspar Popplau nicht zuletzt in Immobilien und Renten an; 1470 erwarb er ein Haus in der Albrechtsgasse, 1473 zusammen mit Peter Krebil eine Kaufkammer, 1493 zusätz­lich eine eigene und ein weiteres Haus in der Weidengasse; seit 1480 erwarb er überdies länd­lichen Besitz, zunächst die Güter Zobgarten und Pollogwitz sowie das halbe Klettendorf und Schliesa, 1492/93 dann das Gut Stabelwitz und 1493 – 1495 das Gut Marschwitz. Hinzu kamen vielfältige Zins- und Renteneinnahmen in- und außerhalb der Stadt. Das akkumulierte Vermögen war schließ­lich so groß, dass es Kaspar Popplau keinerlei Probleme bereitete, jede seiner fünf Töchter mit einer Aussteuer in Höhe von 600 Mark auszustatten, gleichzeitig jeden seiner fünf Söhne mit dem gleichen Betrag zu entschädigen und dem ältesten Sohn überdies ein Universitätsstudium in Krakau zu finanzieren. Vier seiner Töchter heirateten übrigens Ratsherren oder Söhne von Ratsherren, während die fünfte ins Breslauer Katharinenkloster eintrat.

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Tüchtigkeit und Lebenserfahrung des erfolgreichen Kaufmanns und angesehenen Patriziers trugen auch auf anderem Gebiet Früchte. Kaspar Popplau war ein pflichtbewusster Stadtgerichtsschöffe und Landgerichtsbeisitzer, dessen praktischer Geschäftssinn sich auch in dieser Aufgabe bewährte. Zwar hatte er studiert und besaß vielleicht eine gewisse Kenntnis des gelehrten (römischen und kanonischen) Rechts, doch das volkssprachige Breslauer Gewohnheitsrecht, mit dem er es als Schöffe zu tun hatte, musste er der alltäg­lichen Spruchpraxis entnehmen. Dieses Recht hatte sich seit der Rechtsstadtgründung sukzessive aus- und weitergebildet und lag 1483, als Kaspar Popplau zum zweiten Mal Schöffe wurde, nur in unübersicht­licher Form vor.164 Die erste umfassende Rechtsmitteilung zur Stadt- und Gerichtsverfassung hatte Breslau 1261 erhalten. Sie schöpfte aus Magdeburger Rechtssätzen und dem Sachsenspiegel, der ­zwischen 1272 und 1292 in Breslau erstmals ins Lateinische übersetzt wurde. 1295 erhielten die Breslauer aus Magdeburg eine weitere, letzte umfassende Rechtsauskunft. Anschließend erfolgte ihre juristische Kommunika­tion mit Magdeburg und anderen Städten nur noch über den Austausch einzelner Schöffensprüche. Diese Urteile wurden selbstverständ­lich gesammelt, aber erst um die Mitte des 14. Jahrhunderts zunächst in unsystema­ tischer Weise, um 1370 dann in systematischer Weise zusammengestellt. Die so entstandenen Spruchsammlungen – die Forschung bezeichnet sie als das „Magdeburg-­Breslauer Unsystematische Schöffenrecht“ und das „Magdeburg-­Breslauer Systematische Schöffenrecht“ – wurden seit 1429 zwar durch ein „Buch der Magdeburger Urteile“ ergänzt.165 Doch fielen daneben weiterhin unzählige Urteile an, die einzeln gesammelt wurden. Hinzukamen die von den Landesherrn gewährten Privilegien und vom Rat erlassenen Verordnungen (Willküren). Zudem war Breslauer Recht seit dem 13. Jahrhundert an zahlreiche andere schle­sische, polnische und mährische Städte weitergegeben worden, womit Breslau seinerseits Rechtsauskunfts- und Appella­tionsinstanz war, sodass auch in d ­ iesem 166 Zusammenhang zahlreiche Rechtstexte produziert wurden. All dies ließ das Corpus des faktisch geltenden städtischen Rechts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts gewaltig anschwellen und unübersicht­lich werden. Der Schöffe Kaspar Popplau erblickte hier eine lohnende Aufgabe. Er beschloss „seyne erfarunge und clugheit andern getreu­lich auß angeborner gnade und

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natur mite[zu]teylen“ und stellte in den Jahren von 1484 bis 1490 in einem Buch, „das man nennet den rechten weg, mit großer muhe, arbeit und vleis auß magdebur­gischen und andern leuftigen ursprung­lichen rechten […] Gote czu lobe, czu gutem gemeinen nucze dem menschen, czu rechtfaren und regirunge gebrocht“ sämt­liche ihm zugäng­lichen, für die Tätigkeit als Schöffe und Landgerichtsbeisitzer benötigten Rechtsquellen zusammen.167 Um d ­ ieses Kompendium, das sein Material nur unsystematisch in schematischer Abfolge seiner Quellen bot, zum alltäg­lichen Gebrauch zu erschließen, verfasste er von 1490 bis 1493 ein sogenanntes „Remissorium.“ Es erschließt die Rechtssammlung über alphabetisch geordnete Stichworte von abt bis wusteerbe, geht aber inhalt­lich weit über ein bloßes Register zum „Rechten Weg“ hinaus, indem es mit Verweisen auch den Sachsenspiegel mit seinen Glossen, das Magdeburger Weichbildrecht und das Breslauer Landrecht von 1356 erschließt. Beide Werke sind jeweils nur aus einer (noch heute im Breslauer Staatsarchiv erhaltenen) Handschrift bekannt 168, doch werden sie zweifellos nicht allein von ihrem Verfasser (der sich übrigens an keiner Stelle als solcher zu erkennen gibt 169) genutzt worden sein. Vielmehr dürften auch seine Kollegen in der täg­lichen Rechtspraxis gern auf ­dieses herausragende Hilfsmittel zurückgegriffen haben. Auch nach Kaspars Tod blieb es in der Ratsstube benutzbar. Die Leitung der Popplau’schen Handelsgesellschaft übernahmen nach 1499 zunächst der Vetter des Verstorbenen Markus Popplau und sein Schwager Hans Rotichen; nach deren Tod (1505/1506) Kaspars Sohn Hans. Dieser mühte sich noch eine Weile um das Überleben der Gesellschaft, gab zu ­diesem Zweck – obwohl noch 1508 Mitglied des Breslauer Rates – 1509 sogar sein Breslauer Bürgerrecht auf, um im Polenhandel nicht als Breslauer benachteiligt zu werden. Doch konnte er den Niedergang nicht aufhalten. Seit 1511 zogen sich nach und nach alle Gesellschafter aus der Kompanie zurück. Hans Popplau blieb nur noch deren Abwicklung und in den 1520er Jahren der Rückzug auf seine Landgüter.

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Die böhmische Landeshauptmannschaft und die Hussiten Während so die Breslauer Geschichte der Popplau endete, erlebte auch die Stadt mit ihrem politischen Übergang an die Habsburger und dem kirch­lich-­religiösen Umbruch der Reforma­tion eine tiefe Zäsur, die ihre Entwicklung in eine neue Richtung lenken sollte. Die vorangegangene Zäsur, der knapp zwei Jahrhunderte zuvor erfolgte Übergang an das luxembur­gische Böhmen hatte der Stadt für das 14. Jahrhundert eine Phase politischer Stabilität und wirtschaft­licher Prosperität beschert. Das Breslauer Herzogtum bestand damals nur noch aus einem etwa 45 km langen, 35 km breiten, in drei Bezirke (die Weichbilder Breslau, Neumarkt und Auras; zeitweise und mit Sonderstatus auch Namslau) gegliederten Rumpfterritorium mit rund 350 Dorfsiedlungen und ein paar kleineren Städten. Für die damals schon über 10.000 Einwohner zählende mittelalter­ liche Großstadt und ihre weit gespannten Geschäftsinteressen war dies ein ziem­lich enges Korsett. Breslaus Integra­tion in die weiter ausgreifende Politik der Luxemburger konnte daher nur von Vorteil sein. Dies umso mehr als gleichzeitig auch alle übrigen schle­sischen Teilfürstentümer unter böhmische Lehnshoheit gelangten und ganz Schlesien zum Nebenland der Krone erhoben wurde. Damit fand sich Breslau nicht nur als der zentrale Ort eines vereinheit­lichten schle­sischen Raumes, sondern auch als die (nach Prag) zweitgrößte Stadt des mächtigsten Territoriums des Heiligen Römischen Reiches wieder. Das ließ die Stadt zwangsläufig in den Focus einer könig­lichen Politik geraten, die nur allzu gern auf die Ressourcen der potenten Metropole zurückgriff. Um von ihr als nachhaltiger Steuer­ quelle und politischem Verbündeten profitieren zu können, förderten die Luxemburger nicht zuletzt die wirtschaft­liche Stellung der Stadt. Für die entsprechenden Privilegien – die Befreiung von Straßenzöllen, vom Wasserzoll auf der Oder, die Einrichtung dreier weiterer städtischer Jahrmärkte mit Zollbefreiung für auswärtige Kaufleute, die Gewährung freier Warendurchfuhr in Brandenburg und Böhmen, das Salzmonopol und Münzrecht – bedankten sich die Breslauer mit anhaltender Treue. Sowohl Johann I., der sich 1339 mit dem Breslauer Bischof Nanker a­ nlegte, als auch Karl IV., der mit König Kasimir III. noch eine Weile um Schlesien rang, konnten stets auf den Rückhalt der Breslauer zählen. Diese verfolgten in der Stärkung ihres Landesherrn naheliegenderweise ihren eigenen Vorteil

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und tatsäch­lich erhöhte dessen Politik nicht nur den Straßenschutz und Landfrieden, sondern brachte der Stadt „einen wirtschaft­lichen Aufschwung ohnegleichen.“170 Vor allem Karl IV. entwickelte, anders als die meisten seiner Nachfolger, ein größeres Interesse für die Odermetropole. Er besuchte sie ungewöhn­lich häufig (insgesamt 19 Mal), bezeichnete sie als seine „schönste Stadt“ und bemühte sich, seiner Herrschaft auch in symbo­lischen Repräsenta­tionen (z. B. der Verbreitung des Wenzels- und Sigismund-­Kultes, der Anbringung heraldischer Zeichen ­­ an öffent­lichen Bauten) Ausdruck zu verleihen.171 Zudem nahm er 1351 in Gestalt der Dorotheenkirche in Breslau eine eigene Kirchenstiftung vor und führte mit den Augustiner-­Eremiten aus Prag einen neuen Orden in die Stadt. Damit zielte er auch auf eine Einbeziehung des Breslauer Bistums in die Prager Kirchenorganisa­tion, die aber letzt­lich am Widerstand des Gnesener Erzbischofs und polnischen Königs scheiterte. Karls Nachfolger, Wenzel IV., schenkte den Breslauern deut­lich weniger Aufmerksamkeit. Er überließ sie in ihren internen Verfassungskämpfen und Konflikten mit dem ört­lichen Domkapitel weitgehend sich selbst. Dabei wurde seine schwankende Haltung gegenüber Patriziern, aufbegehrenden Zünften, Domgeist­lichen und länd­lichem Adel vor allem von seinen finanziellen Bedürfnissen und der Bereitschaft der Parteien bestimmt, diesen entgegen zu kommen. Seine schwache und unentschiedene Haltung hatte umso schwerwiegendere Folgen, als seine Herrschaft – neben erheb­lichen politischen Problemen im Reich – nicht nur mit städtischen Verfassungskämpfen, sondern am Ende auch mit der hussitischen Reformbewegung konfrontiert war. Mit beiden Erscheinungen nahm es sein Bruder Sigismund, der 1419 die böhmische Krone erbte, umso entschiedener auf. Dabei wich er, da Prag an die Hussiten verloren war, in den ersten Monaten des Jahres 1420 nach Breslau aus. Hier nutzte er unter anderem das Strafgericht über die Breslauer Aufrührer von 1418 als ein abschreckendes Exempel an die ­Adresse der Prager Hussiten – auch wenn die Breslauer Erhebung von 1418 programmatisch mit der hussitischen Bewegung wenig gemein hatte.172 Um den Ketzern eine weitere Lek­tion zu erteilen, ließ er im März 1420 überdies den Prager Hussiten Jan Krása durch die Breslauer Straßen zu Tode schleifen und anschließend verbrennen. Unterdessen verkündete dort

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der päpst­liche Nuntius Fernando von Luga feier­lich den Kreuzzug gegen alle wyclifitischen und hussitischen Ketzer, wobei er allen Teilnehmern und Förderern versprach, dass ihnen der volle Ablass ihrer Sünden (plenam veniam peccatorum) zuteil werde. Gleichzeitig erhob der von Sigismund nach Breslau einberufene Reichstag den antihussitischen Kampf zur offiziellen Reichspolitik.173 Die bis 1434 folgenden Feldzüge und hussitischen Gegenoffensiven stürzten Böhmen ins Chaos und verheerten auch weite Teile Schlesiens. Wiederholt belagerten hussitische Heere Breslau, dessen starke Befestigungen sich allerdings als unüberwindbar erwiesen. Dennoch zogen der Krieg und seine Begleiterscheinungen (private Fehden, Raubüberfälle, allgemeine Unsicherheit) auch die Breslauer schwer in Mitleidenschaft. Die Ausschaltung der Handelskonkurrenz des mit dem Interdikt belegten Prag mochte einen gewissen Ausgleich für die Einbußen geboten haben, doch litten Etat und Handel erheb­lich. Die Erleichterung war daher groß, als der unentschiedene Konflikt Mitte der 1430er Jahre für eine Weile beigelegt wurde. Immerhin hatte Sigismunds turbulente Herrschaftszeit aus Sicht der Breslauer Stadtelite auch gewisse Vorteile gebracht. Denn außer dass der König ihr patrizisches Regiment wieder vollständig restaurierte und die Macht der Zünfte nachhaltig beschnitt, überließ er dem Rat 1424 – wohl auch als Dank für die verläss­lich gewährte Unterstützung – die sogenannte Landeshauptmannschaft. Dieses Amt war bereits 1336/37 eingerichtet worden und stellte die regionale Vertretung des in absentia herrschenden Landesherrn dar.174 Der Landeshauptmann (capitaneus) nahm anstelle des Königs die Lehnshuldigungen und Treueide ab und fungierte als Vermittler z­ wischen Herrscher und Untertanen. Er zog die könig­lichen Steuern und Sonderkontribu­tionen ein und sorgte für deren fristgerechte Abführung an den König. Er hatte die oberste Polizeigewalt inne und war für den militärischen Schutz des Herzogtums verantwort­lich, beaufsichtigte die könig­lichen Burgen und konnte im Notfall auch selbständig militärisch agieren. Als Vorsitzender des Hofgerichts oblag ihm die oberste Gerichtsbarkeit, womit er auch für die Bestätigung von Landtransak­tionen, Besitzverhältnissen und dörf­lichen Grenzmarkierungen zuständig war. In außerordent­lichen Fällen, etwa in militärischen Notsitua­tionen konnte seine Zuständigkeit ad hoc auch über die Grenzen des Herzogtums Breslau hinausreichen.

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Bei der Vergabe des Amtes hielten sich Johann I. und zunächst auch Karl IV. an ihr Versprechen, es nur an einheimische Adlige zu vergeben. Allerdings beschwerten sich schon damals die Breslauer Patrizier, dass Amts­ inhaber ihre Befugnisse zum Nachteil der Stadt missbrauchten. Darauf­hin übertrug Karl die Landeshauptmannschaft 1358 – 59 und 1361 – 1369 ein erstes Mal dem Rat, entzog sie ihm aber wieder im Zusammenhang mit dem Konflikt der Stadt mit dem Breslauer Domkapitel. Anschließend nutzten er und seine Nachfolger das Amt, um treue adlige Gefolgsleute aus ihrem Umfeld zu belohnen. So waren 13 der 14 Amtsinhaber der Jahre 1369 – 1424 nicht wirk­lich einheimische Vertreter aus dem Herzogtum Breslau. Zur einzigen Ausnahme kam es 1403/1404, als der Rat während der zweiten Gefangenschaft König Wenzels kurzzeitig ein drittes Mal die Landeshauptmannschaft verwaltete. Da bei Abwesenheit der ‚luxembur­gischen‘ Landeshauptmänner, die sich oft in der Nähe des Königs aufhielten, der Rat als Vertretung fungierte, hatte er das Amt auch zuvor in gewissem Maße in seinem Sinn n ­ utzen können. Mit der endgültigen Übertragung durch Sigismund konnte dieser Einfluss nun, auch wenn die mit dem Amt verbundenen Einnahmen vom König anderweitig verpfändet ­waren, dauer­ haft (bis 1636 mit nur drei kurzzeitigen Unterbrechungen) und gezielt für die städtischen Interessen eingesetzt werden. Mit der Landeshauptmannschaft besaß der Rat das recht­liche, administrative und polizei­liche Instru­ mentarium, um die ohnehin schon starke Posi­tion der Breslauer Bürger gegenüber den benachbarten schle­sischen Fürsten, dem länd­lichen Adel und freien Bauerntum noch weiter auszubauen und zu festigen. Tatsäch­lich war die Stadt, deren Bürger inzwischen über gut ein Drittel des länd­lichen Grundbesitzes innerhalb des Herzogtums verfügten, auf dem besten Weg, einen Stadtstaat italienischen Musters zu errichten.175 Die Ferne des Landesherrn hat diese Entwicklung ebenso befördert wie dessen permanente eigene Nöte. Diese rissen nach Sigismunds Tod nicht ab, als sich die Habsburger und Jagiellonen um die ungarische und böhmische Thronfolge stritten. Mit Sigismunds vom böhmischen Adel nicht anerkannten habsbur­gischen Schwiegersohn Albrecht II. hatten die Breslauer keine Probleme. Er kam 1438 für mehrere Monate in die Stadt, beriet sich dort mit benachbarten Mächten und schien die Odermetropole für einen Moment zur Reichsresidenz aufzuwerten.176 Auch dessen

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nachgeborenen Sohn Ladislaus akzeptierten die Breslauer, weigerten sich aber, ihm im hussitischen Prag zu huldigen. Ende August 1454 beschlossen die „ratmann zu Breslaw, scheppen, eldisten der kawfmann, gesworen allir hantwerke und die gancze gemeyne arm und reich, jung und alt […] von der holdunge wegen, die wir die unserm gnedigsten erbherrn kunig Laslowen zutun schuldig seyn, das wir die seynen konig­lichen gnaden ­nyrnde andirswo tun wellen denne zu Breslow nach alder gewonheit, seynen gnaden selbis person­lich und nymandis andirs.“177 Ganz abgelehnt haben sie anschließend dessen Nachfolger, den böh­ mischen Adligen und gemäßigten Hussitenführer Georg von Podiebrad. Dieser hatte bis zu Ladislaus’ Volljährigkeit einem Regentschaftsrat vorgestanden und war nach dem plötz­lichen Tod des jungen Königs (1457) im Frühjahr 1458 vom böhmischen Adel zu dessen Nachfolger gewählt worden. Gegen den vermeint­lichen ‚Ketzerkönig‘ rührte sich sogleich vielfacher Protest und Widerstand. Auch die Breslauer verweigerten ihm Huldigung und Gehorsam. Selbst als sich alle anderen schle­sischen Teilgebiete Podiebrad unterworfen hatten, hielten sie an ihrer Ablehnung fest, ja stürzten sich – von Ordenspredigern weiter aufgehetzt – in einen geradezu fanatischen Krieg gegen ihren utraquistischen Landesherrn.178 In d ­ iesem sich bis 1469 hinziehenden Kampf stand Breslau zunächst ziem­lich alleine da. Erst 1462 gelang es der Stadt, den Papst auf ihre Seite zu ziehen. Dieser hatte Breslau bereits 1459 vor Schlimmerem bewahrt, als er einen Kompromiss mit dem vor den Toren der Stadt stehenden Podiebrad vermittelte. Anschließend suchte die Stadt, das Kirchenoberhaupt auch zum offenen Bruch mit dem ‚Ketzer­könig‘ zu bewegen und entsandte zu ­diesem Zweck 1461 eigens einen eigenen Prokurator an die Römische Kurie.179 Aber auch das offene Frontmachen des Papstes gegen Podiebrad brachte noch lange keine Wende und Breslau zahlte für seine zweifelhafte Rolle als Zentrum des katho­lischen Widerstands weiterhin einen hohen Preis; die Verheerungen und ökonomischen Schäden waren beträcht­lich, auch wenn die Stadt selbst auch ­dieses Mal unerobert blieb. Podiebrad aber ließ sich nicht besiegen, auch nicht als sich der 1465 gegründete böhmische Herrenbund dem Kampf gegen ihn anschloss und sich zwei Jahre s­ päter eine Katho­lische Liga gegen ihn formierte. Breslaus Lage wurde immer verzweifelter, die Stimmung drohte umzuschlagen. Da gelang es der Kurie, sich mit dem 1464 zum ungarischen König gekrönten

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Magnaten Matthias Corvinus zu verständigen, den gleichzeitig auch Kaiser Friedrich III. zur Verteidigung Österreichs gegen Böhmen zur Hilfe rief. Corvinus eroberte daraufhin 1467/68 Mähren, Schlesien und die Lausitzen und ließ sich im Mai 1469 in Olmütz zum böhmischen Gegenkönig wählen. Breslau hatte sich Corvinus bereits im Vorjahr angeschlossen und huldigte ihm nun als Befreier. Mit Matthias Corvinus erhielt Breslau einen Landesherrn, der der Stadt zwar Ruhe und Stabilität brachte, sich aber in anderer Hinsicht bald als unbequem erwies. Er zog die Zügel der könig­lichen Herrschaft wieder deut­ lich stärker an und griff dabei auch in die Privilegien der Ratsherren ein. So modifizierte er 1475 die Ratsverfassung dahingehend, dass Ratsherren und Schöffen künftig nicht mehr allein von den Ratsmitgliedern selbst, sondern zusätz­lich und in geheimer Wahl von einem aus je 24 Kaufleuten und 24 Zunftvertretern bestehenden Bürgerkomitee gewählt werden sollten, die zuvor ihrerseits zu wählen waren. Die Ernennung des Ratsältesten behielt er sich dabei persön­lich vor, wobei er ledig­lich zugestand, dass der Ernannte der Breslauer Bürgerschaft entstammen müsse. Gleichzeitig schränkte er die Befugnisse der vom Rat ausgeübten Landeshauptmannschaft dadurch ein, dass er für ganz Schlesien einen Oberlandeshauptmann bestellte, diesen mit weitreichenden Machtbefugnissen ausstattete und ihm den Landeshauptmann unterstellte. Mit dem Amt betraute Corvinus den schwäbischen Ritter Georg von Stein, der sich eifrig der Aufgabe annahm, die stolzen Breslauer Patrizier in ihre Schranken zu weisen. Wie Peter Eschenloer berichtet, drohte er den Bürgern offen, ihnen auszutreiben, „mit königen zu crigen, königen nicht gehorsam zu sein, konige keczer zu heissen, [denn] dem bo[b]st gebürt keczer zu erkennen vnd nicht euch pawern von Breslow.“180 Verhasst machte sich unter diesen Umständen auch der vom König ernannte und mit von Stein kooperierende Ratsälteste Heinz Dompnig. Er löste 1487 den bei Corvinus in Ungnade gefallenen Lucas Eisenreich, einen Schwager Kaspar Popplaus, ab, der 1468 und von 1470 bis 1472 Ratsältester und 1474 von Corvinus erneut in d ­ ieses Amt berufen worden war. Dompnig war 1474 nach zehnjähriger Ratsherren- und Schöffentätigkeit aus dem Rat ausgeschieden, 1480 wieder gewählt worden und seit 1483 Schöffenältester. Nachdem ihn Corvinus zum Ratsältesten ernannt hatte, missbrauchte er – in den Augen seiner Gegner, deren Zeugnisse allein auf uns gekommen

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sind – seine Stellung, um sich widerrecht­lich Grundbesitz anzueignen und sich zu bereichern. Ja, mit dem Rückhalt des Oberlandeshauptmanns soll er sich zum Diktator über Stadt und Herzogtum aufgeschwungen haben. Die Rache der bedrückten Mitbürger blieb nicht aus. Als sein Protektor Matthias Corvinus im April 1490 unerwartet starb, wurde Dompnig der Prozess gemacht und hingerichtet, während Georg von Stein rechtzeitig die Flucht ins Reich gelang.181 Die vom Rat umgehend reaktivierte alte Wahlordnung wurde von dem ­Jagiellonen Władysław, der seit 1471 neben Corvinus als Nachfolger Georgs von Podiebrad die böhmische Krone für das böhmische Kernland trug und sie 1490 auch für die böhmischen Nebenländer (und Ungarn) erwarb, bestätigt. Er restituierte auch die umfassende Kompetenz des Rates in der Landeshauptmannschaft. Zudem überließ er Breslau für die nächsten Jahrzehnte alle im Herzogtum an die Krone fallenden ­Lehen. Damit gab er der Stadt – ungeachtet ihrer großen handelspolitischen Probleme – unerwarteten Rückhalt auf ihrem zuvor eingeschlagenen Weg hin zu einem eigenständigen Stadtstaat. Auch während der zehnjährigen Herrschaft des jungen und glücklosen Ludwig II. (1516 – 1526) suchte der Rat, diesen Weg weiter zu verfolgen. Selbst von Ferdinand I. erhielt er dabei zunächst noch Unterstützung – ehe sich der Habsburger seit den 1530er Jahren dann auf eine andere Politik besann und versuchte, mit der Einrichtung einer effektiven Landesverwaltung die Vorherrschaft des Rates im Herzogtum allmäh­lich zurückzudrängen.

Städtische Identität, Bildung und Wissenschaft Die Konflikte des stürmischen 15. Jahrhunderts haben die städtische Identität der Breslauer in besonderer Weise gefestigt. Der Kampf gegen den ‚Ketzerkönig‘ , die Behauptung gegenüber der böhmischen und polnischen Krone und die Versuche, sich der wirtschaft­lichen Konkurrenz zu erwehren, haben ihren Niederschlag auch in einer selbstbewussten städtischen Symbolpolitik und Erinnerungskultur gefunden. Nicht nur das nach 1460 als Breslauer Wappenelement hervortretende W für Wratislavia ist als eine Manifesta­tion dieser Politik anzusehen.182 Auch die städtische Geschichtsschreibung gewann in ­diesem Kontext besondere Bedeutung. Ihre Anfänge

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reichen bis ins beginnende 14. Jahrhundert zurück. Sie begegnen in Gestalt vereinzelter annalistischer Notizen, die in die ältesten Stadtbücher eingetragen wurden.183 Allerdings verloren sich diese Annales Wratislavienses antiqui noch ganz in der Dynastiegeschichte der schle­sischen Piasten und in allgemeinen politischen Ereignissen. Zur Breslauer Geschichte selbst wussten sie fast nichts zu berichten, sodass sie kaum zur Ausformung einer spezifisch städtischen Identität beigetragen haben. Bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts stellten sie frei­lich die einzige überlieferte Form städtischer Geschichtsschreibung dar. Weitere annalistische Aufzeichnungen folgten erst um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Neben Annalen, deren heute unbekannte Urfassung von einem anonymen Breslauer Dominikaner abgeschrieben wurde, handelte es sich um die Annales magistratus Wratislaviensis, die 1514 im Auftrag des Stadtrates zusammengestellt wurden, damit – wie es im Prolog hieß – „die Stadtobrigkeit sich dank Kenntnis der vormaligen Geschichte und wechselhafter Schicksale fruchtbarer mit Angelegenheiten des Gemeinwesens und privater Personen beschäftigen könne.“184 Seit den 1490er Jahren sammelte überdies ein Zeitgenosse diverse Nachrichten, die als Annalen eines Breslauer Bürgers bekannt wurden und am Ende Aufzeichnungen aus den Jahren 1423 bis 1532 versammelten. Das entscheidende Werk einer aus den Konflikten des 15. Jahrhunderts geborenen neuen städtischen Geschichtsschreibung aber war die Historia Wratislaviensis des Peter Eschenloer.185 Der frühhumanistisch gebildete Autor war nach einem Studium der Artes in Leipzig und Erfurt und einer Tätigkeit an der Görlitzer Stadtschule im Mai 1455 in das Amt des Breslauer Stadtschreibers berufen worden, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1481 ausübte. Als der professionelle Arm der städtischen Verwaltung führte er nicht nur Protokoll in den Ratssitzungen, entwarf nicht nur Verträge, Testamente und andere offizielle Dokumente, sondern besorgte auch die auswärtige Korrespondenz des Rates und übersetzte den mehrheit­lich nicht des Latein mächtigen Ratsherren päpst­liche, könig­liche und andere Briefe. Gelegent­lich begab er sich für den Rat auch auf Reisen, unter anderem an den Prager Hof, wo er 1457 Zeuge des plötz­lichen Todes von König L ­ adislaus wurde. Der Orientierung des Rates über die böhmischen Verhältnisse diente auch der ihm 1464 erteilte Auftrag, die Historia Bohemica des Aenea Silvio Piccolomini ins Deutsche zu übersetzen. Dieses Werk des späteren

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Papstes Pius II., das vor allem die Geschichte der hussitischen Bewegung sowie das Leben König Ladislaus’ behandelte, diente Eschenloer für die Zeit bis 1457 dann auch als die wichtigste Quelle für seine Darstellung der Geschichte Breslaus. Für die späten 1450er bis 1470er Jahre stützte sich der Stadtschreiber auf das umfangreiche Aktenmaterial und die Korrespondenzen des Rates sowie eigene Beobachtungen und Aufzeichnungen. So entstand bis 1472 die lateinische Fassung einer ausgesprochen umfangreichen Chronik, die sich als eine Mischung aus vom Autor formulierten Erzählteilen und zahlreichen eingeschobenen Urkunden- und Briefabschriften präsentierte. Das vom Autor selbst um die Mitte der 1470er Jahre auch in einer veränderten deutschsprachigen Version vorgelegte Werk schildert ab dem Jahr 1438/39 sehr lebhaft und detailliert das Leben der Stadt, samt ihrer Verwicklungen in die schle­sischen Landesverhältnisse und die große Politik. Beides hat Eschenloer, wie Richard Koebner formulierte, mit einer „empfind­lichen und etwas schwermütigen Besorgnis um die Ehre und das Wohl der Stadt“ sowie mit einem „feinfühligen Abscheu gegen alle Demagogie und plebeische Wildheit“ beobachtet. Dabei war er in hohem Maße um die Autorität des Rates besorgt, ja trat geradezu „als der vergeistigte Repräsentant der Ratsgesinnung“ in Erscheinung,186 auch wenn er sich nicht scheute, die Ratsherren gelegent­lich wegen ihres allzu häufigen Nachgebens gegenüber der Geist­lichkeit und der von dieser aufgehetzten einfachen Stadtbevölkerung zu kritisieren. Dem Rat war Eschenloers Chronik so wichtig, dass er von ihr eine aufwändige Pergament-­Abschrift fertigen und diese im Rathaus ‚für ewige Zeiten‘ aufbewahren ließ. Tatsäch­lich war die „Historia Wratislaviensis“ ein herausragendes Mittel der Selbstvergewisserung und zugleich ein mächtiges Instrument städtischer Repräsenta­tions- und Legitima­tionspolitik. Neben den jüngeren, im Verlauf des 16. Jahrhunderts verfassten Landes- bzw. Stadtbeschreibungen und den als „Stadtlob“ bezeichneten panegyrischen Lobgedichten, die für Breslau in relativ großer Zahl vorliegen, trug sie maßgeb­lich dazu bei, dass sich die städtische Rechtsgemeinschaft auch als eine Erinnerungsgemeinschaft verstand, deren kollektive Identität nicht zuletzt im Rückgriff auf eine gemeinsame städtische Geschichte geformt wurde.187 Zumindest bei der städtischen Elite wird Eschenloers außergewöhn­liches Geschichtswerk seine identitätsstiftende Wirkung

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nicht verfehlt haben. Diese Elite war pragmatisch-­kaufmännisch eingestellt, pflegte aber zugleich ein reges Interesse für Bildung und Wissenschaft, das nicht nur von Nütz­lichkeitserwägungen bestimmt wurde. In einem Schreiben an den Papst zeigte sich der Rat 1466 denn auch sehr verwundert darüber, dass das bedeutende mährische Olmütz ledig­lich über eine einzige Schule verfügte. „Wenn in unserer Stadt – so die selbstbewussten Breslauer – nur eine einzige Schule wäre, so würde das für unsere Söhne nicht genügen; wir haben deren acht besondere Schulen und auch diese genügen kaum für die heimische und die fremde Jugend.“188 Schon im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts hatte der Stadtrat dem Breslauer Bischof die Einrichtung zweier Stadtschulen abgerungen. Die an der Maria-­Magdalena-­Kirche und der Elisabeth-­Kirche etablierten Lehranstalten traten neben die Domschule und die ersten Klosterschulen.189 Sie unterstanden, wie die s­ päter hinzukommenden weiteren Pfarr- und Klosterschulen, bischöf­licher Aufsicht. Ihre Rektoren wurden von einem Mitglied des Domkapitels, dem Domscholaster, berufen. Allerdings war das Breslauer anders als die meisten Domkapitel nicht ausschließ­lich dem Adel vorbehalten. Vielmehr entstammte ein erheb­licher Teil seiner Mitglieder städtischen – wenn auch keineswegs ausschließ­lich Breslauer – Familien (von den 215 Domherren des 15. Jahrhunderts, deren Herkunft bestimmt werden kann, waren 89 bürger­licher und 80 adliger Herkunft).190 Das führte zu einer interessanten Überschneidung von kirch­lichen und städtischen Erfahrungshorizonten innerhalb des bischöf­lichen Beratungsorgans. Dies wiederum hat die Kommunika­tion und Koopera­tion, auf die Stadt und ­Kirche im Schulwesen sowie bei der Förderung von Kultur und Wissenschaft ohnehin angewiesen waren, zusätz­lich befördert. Und so war das intellektuelle Klima der Stadt – ungeachtet aller ­zwischen Domkapitel und Patriziat nahezu fortwährend über recht­liche Zuständigkeiten und Immunitäten ausgetragenen Konflikte – von einer besonderen, durchaus produktiven Verflechtung der städtischen und kirch­lichen Sphären gekennzeichnet. Das gewichtigste Zentrum des Breslauer intellektuellen Lebens, das sich im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts zunehmend humanistischen Ideen öffnete, war das Domkapitel. Dessen Statuten schrieben seit 1411 allen Domherren – von denen frei­lich nur ein gutes Drittel ständig in Breslau lebte – eine mindestens dreijährige universitäre Ausbildung vor;

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tatsäch­lich verfügten im 15. Jahrhundert weit über die Hälfte von ihnen auch über einen akademischen Abschluss; 58 führten den Doktor- und 47 den Magistertitel, während 33 ein Lizenziat oder Baccalaureus-­Titel besaßen.191 Auch die Bischöfe selbst waren zumeist hoch gebildete Männer, die sich seit Johannes Roth (1482 – 1506) gleichfalls für den Humanismus begeisterten.192 Vor allem Roths Nachfolger Johannes Thurzó (1506 – 1520) verfügte über ein weitgespanntes Netz gelehrter Kommunika­tion, korrespondierte mit Luther, Melanchton und Erasmus von Rotterdam und gestaltete Breslau als Sammler und Mäzen zu einem führenden Zentrum des Humanismus aus.193 Er hatte in Krakau studiert und gelehrt, in Italien den Doktortitel für kanonisches Recht erworben und war 1492 Domherr in Breslau geworden; von 1492 bis 1500 war er zugleich auch Scholastiker der Domschule in Gnesen und 1498 Rektor der Universität Krakau. Zu ­diesem Zeitpunkt war das Breslauer Domkapitel bereits ein überwiegend humanistisch gebildeter Kreis, der mit seiner Schulpolitik dazu beitrug, dass auch in Breslaus Schulen erste humanistisch ausgerichtete Lehrer tätig wurden. Der bedeutendste von ihnen war Laurentius Corvinus (Lorenz Rabe), der seit 1497 die Stadtschule an der Elisabeth-­Kirche leitete.194 Er hatte von 1484 bis 1494 in Krakau unter anderem bei Conrad Celtis studiert und als Magister Vorlesungen auch über Aristoteles, Boethius und Vergil gehalten sowie ein geographisches Handbuch („Cosmographia Dans Manuduc­tionem in Tabulas Ptholomei“) verfasst. Das 1496 in Basel gedruckte Werk enthielt auch eine in 43 Hexametern verfasste Beschreibung Schlesiens und Breslaus (Silesiae descriptio compendiosa). Als Schulrektor und Stadtschreiber in Schweidnitz schrieb er anschließend eine theoretische Abhandlung über die Dichtkunst („Carminum structura“), die er auch selbst praktizierte. Neben drei Sammlungen seiner Gedichte publizierte er in Breslau eine lateinische Grammatik („Hortutulus elegantiarum“) für fortgeschrittene und ein Lateinbuch („Latinum ydeoma“) für jüngere Schüler – Werke, die bis 1520 bzw. 1523 jeweils über zwei Dutzend Auflagen erlebten. Er war einer der ersten Lehrer im deutschsprachigen Raum, der mit seinen Schülern antike Theaterstücke (Komödien von Terenz und Plautus) aufführte – und das an prominentem Ort, näm­lich im Remter des Rathauses. Dies und der Umstand, dass der wohl bedeutendste schle­sische Frühhumanist 1503

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aus dem kirch­lich beaufsichtigten Schulamt in das Amt des – neben dem Frühhumanisten Gregor Morenberg zweiten – Breslauer Stadtschreibers wechselte, führt noch einmal die spezifische Breslauer Verflechtung der kirch­lichen und städtischen intellektuellen Sphären vor Augen. Diese Verflechtung lässt sich auch an anderen, von Bischof und Domkapitel geförderten Protagonisten des Breslauer Frühhumanismus, etwa den späteren Reformatoren Johannes Hess und Ambrosius Moibanus, beobachten. In diese Verflechtung waren aber auch die verschiedenen Ordensgemeinschaften der Stadt eingebunden. Insbesondere das 70-köpfige Dominikanerkloster und die Augustiner Chorherren, aber auch der kleine Johanniterkonvent stellten beacht­liche Gelehrtenpotenziale dar. Sie wiesen einen hohen Anteil studierter, zum Teil promovierter Brüder auf, verfügten über reiche Büchersammlungen und waren unter anderem Zentren einer vielgestaltigen schle­sischen Geschichtsschreibung und theolo­ gischen Literatur. Wie das Domkapitel und die beiden anderen Breslauer Kanonikergemeinschaften, die Kollegiatstifte von St. Ägidius und Heilig Kreuz, boten sie manchem Bürgersohn die Perspektive einer geist­lichen Karriere. Deren Voraussetzung war auch für Bürgersöhne immer öfter das Studium an einer Universität. Schon für das ausgehende 14., beginnende 15. Jahrhundert sind knapp 30 Breslauer Studenten in Prag bezeugt; von 1409 bis 1419 studierten 33 Breslauer in Wien und einige auch in Leipzig. Die überwiegende Mehrheit ging frei­lich nach Krakau, wo nach derzeitigem Kenntnisstand im Verlauf des 15. Jahrhunderts insgesamt 491 Breslauer eingeschrieben waren. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war das bürger­liche Interesse an universitärer Bildung in Breslau dann bereits so groß, dass die Stadt den Plan fasste, eine eigene Universität zu gründen.195 Treibende Kraft des Vorhabens waren der Ratsälteste Johannes H ­ aunold und der erste Stadtschreiber Gregor Morenberg. Das Vorhaben wurde zunächst auch von Bischof Johannes Roth und seinem Domkapitel unter­stützt. Im Juli 1505 gedieh es so weit, dass Morenberg an den Hof des jagiellonischen Landesherrn, König Vladislav II., nach Ofen reisen konnte, um die könig­liche Zustimmung einzuholen. Dazu hatte er den (vielleicht von seinem Amtskollegen Laurentius Corvinus stammenden) Entwurf einer Stiftungsurkunde im Gepäck, die in meister­licher Rhetorik „die wunderbare und glück­liche Beschaffenheit“ der Odermetropole, „die

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Treff­lichkeit ihrer herausragenden Ordnungen und die Kultur und Bildung ihrer Bürger“ pries, die „sämt­liche Städte Deutschlands mit Leichtigkeit übertrifft.“196 Das dem König dargelegte Konzept eines Studiums generale sah vier Fakultäten und 23 Lehrstühle vor und erläuterte auch, wie sich die Stadt deren Finanzierung vorstellte. Diese sollte aus den Prälaturen und Kanonikaten des Kollegiatsstiftes Heilig Kreuz erfolgen, wobei der Rat die Vergütungen des Lehrpersonals leistungsbezogen vornehmen wollte. Dafür erbat er sich das dauerhafte Verfügungsrecht über die frag­lichen Pfründen. König Vladislav II. kam dem Ersuchen nach und unterzeichnete die Stiftungsurkunde am 20. Juli 1505, ohne den Breslauer Entwurf entscheidend abzuändern. Überdies sandte er am gleichen Tag Briefe an den Bischof von Lebus, die Äbte von Leubus und Kamenz sowie den Oppelner Herzog mit der Bitte, ihre oft über lange Zeit ungenutzten Breslauer Stadthöfe der geplanten Universität als Wohnungen und Hörsäle zur Verfügung zu stellen. Was noch fehlte, war die Zustimmung des Papstes. Allerdings bat die Stadt den Papst nicht allein um Bestätigung des könig­lichen Privi­legs, sondern auch um eine zusätz­liche kirch­liche Unterstützung der Universität. Zu d ­ iesem Zweck sollten die Domkirche und die städtischen Pfarrkirchen weitere Pfründen an den Rat abtreten. Schon die könig­liche Übertragung der Pfründen des Kreuzstiftes an die Stadt musste der K ­ irche als ein unerhörter Eingriff in ihre Rechte erscheinen. Die weitergehenden Ansprüche der Stadt auch auf Prälaturen und Kanonikate des Domkapitels sowie Einkünfte aus den Pfarrkirchen, vor allem aber die Vorstellung der Ratsherren, das unbeschränkte städtische Universitätspatronat übernehmen zu können, konnten nur weiteren Widerstand der ­Kirche wecken. Domkapitel und Bischof zogen denn auch ihre anfäng­liche Unterstützung zurück, während die Kurie auf die Schreiben des Rates – von Protesten aus Krakau, dessen Universität offenbar eine Breslauer Konkurrenz fürchtete, zusätz­lich beeinflusst – einfach nicht reagierte. Ohne päpst­liche Bestätigung aber musste die Stadt, die auf dem Elisabeth-­Kirchhof bereits mit der Errichtung eines provisorischen Unterrichtsgebäudes begonnen hatte, ihren Universitätsplan aufgeben.

Kirchliches Leben, Frömmigkeit und Judenverfolgung

Kirchliches Leben, Frömmigkeit und Judenverfolgung Einfluss und Macht der ­Kirche waren im spätmittelalter­lichen Breslau auch sonst allgegenwärtig. Seit dem 14. Jahrhundert hatten Bischof, Domkapitel und die beiden Kollegiatstifte St. Ägidius und Heilig Kreuz, die sich oft genug auch untereinander stritten, in zähen Konflikten gegenüber der Stadtgemeinde ihre Immunitäten auf der Dominsel verteidigt. Überdies hatten sie ihre Jurisdik­tion auch auf einen großen Teil der neu entstandenen Vorstädte ausgedehnt. Doch nicht allein die kirch­lichen Jurisdik­tionen waren durch eine starke Präsenz des Klerus geprägt, sondern die ganze Stadt. In ihren Klöstern und an ihren Pfarrkirchen lebten hunderte von Mönchen, Nonnen, Pfarrern, Vikaren, Altaristen, sodass der prozentuale Anteil der Geist­lichkeit an der Stadtbevölkerung beacht­lich war.197 Auch in bau­lich-­architektonischer Hinsicht waren Präsenz und Macht der ­Kirche unübersehbar. Mit dem gotischen Aus- bzw. Neubau der wichtigsten Sakralbauten seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hatte die Stadt ein beeindruckendes Ensemble von mächtigen Kirchenbauten erhalten, in dem ört­liche Baumeister auch kunsthistorisch manchen eige­ nen Akzent setzten.198 Dabei trafen sich – in erster Linie in den beiden Stadtpfarrkirchen St. Elisabeth und Maria Magdalena – wiederum in charakteristischer Weise die in anderen Zusammenhängen so oft widerstreitenden kirch­lichen und städtischen Interessen. Denn es waren vor allem bürger­liche Stiftungen, die für eine reiche Ausstattung der Kirchenbauten sorgten. Diese Stiftungen – die Finanzierung von Vikarien, Altardiensten, Altären, Kapellen, Epitaphen, litur­gischen Gegenständen und wertvollen Kunstwerken – waren noch immer von der Sorge um die memoria, das Seelenheil der Verstorbenen geleitet. Sie sollten fortwährende Fürbitte und Totengedenken pro remedio peccatorum gewährleisten, dienten aber auch einer spezifischen Form der symbo­lischen Repräsenta­tion. Vor allem der Stadtrat bzw. die Ratsfamilien pflegten diese memoria als Ausdruck eines besonderen Selbstbewusstseins und Führungsanspruchs.199 Neben reichen Patriziern bedachten aber auch einfache Kaufleute und Handwerker die ­Kirche mit Schenkungen und Vermächtnissen – sei es, dass sie kollektiv eine gemeinsame Zunftkapelle oder einen Alter unterhielten (allein an der Maria Magdalena-­Kirche sollen an 47 Altären 122

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Altaristen laufend Seelenmessen gelesen haben), sei es, dass sie individuell bescheidenere Kult- und Kunstgegenstände stifteten. Die seit Mitte des 15. Jahrhunderts allgemein intensivierte Laienfrömmigkeit fand ihren Ausdruck zudem in Bruderschaften, aufwändigen Fronleichnamsprozessionen oder in Reisen zu nahen oder fernen Pilgerstätten, die nicht nur wohlhabende Breslauer mitunter bis nach Santiago de Compostela, Rom oder Jerusalem führten.200 Ihre Frömmigkeitspraktiken erhielten durch den Konflikt mit den Hussiten eine zusätz­liche Stimulanz, die nicht zuletzt von den städtischen Predigerorden weiter geschürt wurde. Die Prediger riefen die Bevölkerung immer wieder zu einer unnachgiebigen Haltung gegenüber den Ketzern auf und trugen damit maßgeb­lich zu jener starrsinnigen Verbohrtheit bei, die Breslaus Kampf gegen Georg von Podiebrad bestimmte. Besondere Aufmerksamkeit erregte in d ­ iesem Zusammenhang der italienische Wanderprediger Giovanni di Capistrano, der im Februar und März 1453 mit einem Zyklus täg­licher Bußpredigten tausende von Breslauern in seinen Bann zog. Der charismatische Franziskanermönch wetterte in erster Linie gegen Eitelkeiten, bürger­lichen Luxus und kirch­lichen Pomp, rief zu individueller Umkehr und zu einer Reform des kirch­lichen Lebens auf, hetzte aber auch gegen die hussitischen Ketzer und die Juden. Damit bestärkte er die katho­lischen Breslauer nicht nur in ihrem militanten Antihussitismus, sondern schürte einmal mehr auch ihren Antijudaismus. Judenfeind­liche Äußerungen und deren – oft töd­liche – Folgen waren frei­lich auch für die Breslauer Judenschaft eine leidvoll-­gewohnte Erfahrung. Schon seit dem frühen 14. Jahrhundert hatten die Breslauer Juden immer wieder Verfolgungen und Vertreibungen zu erdulden. Dabei hatte sich die Gemeinde, deren Angehörige in verschiedenen Straßen, also nicht in einem Ghetto lebten, seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert zunächst gut entwickeln können. Vorwiegend im Kredit- und Pfandgeschäft tätig verkehrten sie mit Fürsten, Stadträten und Dorfvorstehern, mit Adligen, Kaufleuten, Kleinhändlern und Handwerkern. Als unmittelbar dem Landesherrn unterstellte ‚Schutzjuden‘ genossen sie den herzog­lichen bzw. könig­lichen Schutz ihres Lebens und Eigentums, Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit, durften ihre Religion frei ausüben und ihre inner­ jüdischen Rechtsstreitigkeiten autonom regeln. Vor allem waren sie von

Kirchliches Leben, Frömmigkeit und Judenverfolgung

städtischer Jurisdik­tion und Steuerveranlagung ausgenommen. So blühte zu Beginn des 14. Jahrhunderts das jüdische Leben, mussten der Gemeindefriedhof erweitert und eine zweite Synagoge errichtet werden. Doch schon 1319 löste eine schwere Hungersnot eine erste Vertreibung aus. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts verschärfte sich die Lage weiter. Auch an der Oder kursierten Gerüchte, die Juden würden die Brunnen vergiften und die Pest verbreiten. Zwar blieb Breslau von der Pest verschont, doch wurde die Stadt in den 1340er Jahren von schweren Bränden heimgesucht. Mög­licherweise in Reak­tion auf den Stadtbrand von 1342 entzog Karl IV. im September 1345 der Gemeinde ihren Friedhof und erlaubte der Stadt, sämt­liche Grabsteine zur Ausbesserung der Stadtmauern zu verwenden; ein Teil der Grabsteine wurde auch in Kellern und Fundamenten öffent­licher Gebäude wie der Kathedrale, der Elisabeth-­Kirche und dem Rathaus verbaut. Zwei Jahre ­später, 1347 verpfändete Karl IV. sein landesherr­liches Judenregal dauerhaft an die Stadt. Damit gerieten die Breslauer Juden unter die Hoheit des Rates, der sie fortan nicht nur nach Belieben besteu­erte, sondern ihnen auch nur noch befristete Schutzbriefe ausstellte. Dabei suchte er sich die kapitalkräftigsten ‚Bewer­ber‘ aus, mit denen die Aufenthaltsbedingungen, in erster Linie die Höhe der Abgaben, nach Ablauf der – oft relativ kurzen – Gültigkeit der Schutzbriefe jedes Mal neu verhandelt wurden. Im Mai 1349 löste ein weiterer Stadtbrand ein erneutes Pogrom aus, bei dem der größte Teil der jüdischen Gemeinde ermordet, die Überlebenden vertrieben wurden. Auch wenn der Rat einige der Mörder 1351 auf Geheiß des Königs mit der Acht bestrafte, verschmähten Rat und Landesherr die Beute nicht; die Stadt beschlagnahmte im Oktober 1349 die Grundstücke, Wohnhäuser und mobilen Wertgegenstände der Ermordeten sowie die beiden Synagogen und teilte sich mit dem König den Verkaufserlös sowie die erbeuteten Bargeldsummen. Dass dem Pogrom von 1349 nicht zuletzt wirtschaft­ liche Motive zugrunde lagen, zeigt der Umstand, dass die Stadt bereits im Dezember 1350 erneut Schutzbriefe ausstellte; offenbar wollte und konnte sie nicht auf die entsprechenden Einkünfte sowie die Kredite der jüdischen Geldhändler verzichten. So bildete sich rasch eine neue Gemeinde, die im Juli 1360 aber erneut das Schicksal der Vertreibung traf. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, bis zum Auftritt Capistranos auf

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dem Breslauer Salzmarkt änderte sich an dieser Praxis nichts, wurden Juden immer wieder einmal verfolgt und wieder aufgenommen. Noch 1450 hatte der Rat den Breslauer Juden einen neuen, auf vier Jahre befristeten Schutzbrief ausgestellt.201 Dieser half ihnen wenig, als sie Anfang Mai 1453 vom Rat des Hostien­ frevels beschuldigt, inhaftiert und unter Folter zu entsprechenden Geständnissen gezwungen wurden. Ihr Besitz und Vermögen wurde eingezogen und ein förm­licher Hostienschändungsprozess eingeleitet. Dieser endete Anfang Juli mit der Verurteilung von 41 Juden und ihrer anschließenden Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Die Überlebenden Gemeindemitglieder (es sollen 318 gewesen sein) wurden vertrieben, während das gesamte jüdische Eigentum an die könig­liche Kammer fiel. Weder der Breslauer Bischof noch Capistrano, der vom 30. April bis 13. Mai in Neiße weilte, waren in die Ausschreitungen und den Prozess involviert; noch Anfang Juni beklagte sich der Bischof beim Rat, dass er über die Ereignisse nicht informiert wurde; zwei Wochen ­später bat er Capistrano, dass er sich gemeinsam mit Mitgliedern des Domkapitels des schon fast beendeten Prozesses annehmen möge, der eigent­lich in die kirch­liche Jurisdik­tion fiel. Ob und wie der Wanderprediger dann noch in den vom Rat geführten Prozess eingegriffen hat, ist schwer zu sagen. Auch die Frage, w ­ elchen Einfluss seine Predigten auf die Ereignisse hatten, ist nicht eindeutig zu beantworten. Seine Aufrufe vom Februar und März werden sicher nicht ohne Wirkung geblieben sein, doch nahmen antijüdische Ausfälle in seinen Breslauer Predigten, wie die erhalten gebliebenen Mitschriften seiner Dolmetscher zeigen, eher wenig Raum ein. Es ist daher wohl zurecht die Ansicht vertreten worden, dass auch hinter dem Judenmord von 1453, der im übrigen auch andere schle­sische Judengemeinden erfasste, in erster Linie profane wirtschaft­liche Motive gestanden haben. Er diente dem Rat der hoch verschuldeten Stadt schlicht dazu, sich seiner Gläubiger zu entledigen und eine radikale Entschuldung vorzunehmen.202 Die Juden blieben Breslau anschließend von sich aus lange Zeit fern, während die Stadt ihrerseits am 30. Januar 1455 von König Ladislaus Postumus das Privilegium de non tolerandis Judaeos erwarb und bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts hinein jede dauerhafte jüdische Ansiedlung in der Stadt untersagte.203

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IV. Hochburg des Luthertums (1520er–1630er Jahre)

Die Stadtbefestigung Breslaus Eintritt in die Neuzeit hatte im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts keine grundlegende Veränderung der Stadtgestalt zur Folge. Zwar stieg die Einwohnerzahl von rund 19.000 zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf über 36.000 im Jahr 1619 und 41.000 zu Beginn des 18. Jahrhunderts.204 Doch wirkte sich die demographische Entwicklung nicht auf die bis zum Spätmittelalter ausgebildete topographische Struktur aus – Umfang und Anlage des Stadtraums blieben unverändert. Vorkommende Baumaßnahmen beschränkten sich auf architektonische Modifizierungen und Verdichtungen. Straßen und Plätze wurden ausgebessert, städtische Bauwerke, ­Kirchen und Klöster den sich verändernden ­Architekturstilen angepasst und bestehende Wohnhäuser renoviert oder ausgebaut, mitunter an ihrer Stelle unter Beibehaltung der Grundflächen auch Neubauten mit höheren Stockwerken errichtet; die Zahl der Wohnhäuser innerhalb der Mauern blieb weitgehend konstant; der in den Quellen für die Zeit von 1403 bis 1619 belegte Zuwachs von 2272 auf 3400 Häuser ergab sich in erster Linie durch einen entsprechenden Ausbau der Vorstädte; jedenfalls differenzieren jüngere Angaben für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts eine konstante Häuserzahl innerhalb der Mauern in Höhe von rund 2100 und eine in den Vorstädten in Höhe von 1300 Häusern.205 Als ein neues Element belebten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erstmals öffent­liche Gärten das Stadtbild. Hierzu ­gehörte der 1587/88 angelegte botanische Garten des Arztes Laurentius Scholtz, der als Erholungs- und Vergnügungsort für Breslauer Intellektuelle rasch weithin gerühmt wurde, aber nur bis 1599 bestand.206 Die eigent­liche und einzige größere Veränderung im Erscheinungsbild der Stadt bestand in ihrer neuen mächtigen Abgrenzung nach außen hin. Vom letzten Drittel des 16. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts erhielt Breslau eine moderne Fortifika­tionsanlage.

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Bau und Unterhaltung einer wehrhaften Stadtbefestigung waren eine dauerhafte, komplizierte und kostspielige Aufgabe. Rat und Bürgerschaft nahmen sie bereitwillig auf sich, weil sie das Privileg, innerhalb ihrer Mauern keine fremden Heere dulden zu müssen und sich selbst verteidigen zu dürfen (ius praesidii), zu ihren bedeutendsten Vorrechten zählten. Ihre Stadtbefestigung lag der Bürgerschaft nicht nur als fortifikatorisches Schutzwerk, sondern auch als ein Symbol am Herzen, das ihre privilegierte städtische Welt sichtbar von der andersrecht­lichen Außenwelt abgrenzte. Dafür zahlte jeder Bürger nicht nur mit seinen Steuern, sondern auch als Mitglied einer Bürgerwehr einen beacht­lichen Preis. Denn die Stadtmauern mussten täg­ lich bewacht und im Ernstfall auch verteidigt werden. Für die zu ­diesem Zweck organisierte Bürgermiliz standen zu Beginn des 17. Jahrhunderts rund 3500 wehrpflichtige Bürger zur Verfügung.207 Jedes der vier Viertel, in die die Stadt seit dem 13. Jahrhundert zu Steuererhebungszwecken eingeteilt war, stellte damals drei Einheiten. Von den insgesamt zwölf Einheiten versahen acht die täg­liche Wache, wobei sich sieben Einheiten auf die verschiedenen Befestigungsabschnitte verteilten, die achte auf dem Salzmarkt in Reserve verblieb. Befreit vom Wachdienst waren nur die Ratsherren, die Inhaber städtischer Ämter, die K ­ irchen- und Schuldiener. Die wehrpflichtigen Bürger mussten selbst für ihre Bewaffnung und Ausrüstung sorgen, konnten sich allerdings durch einen Söldner vertreten lassen. Das war jedoch eine kostspielige Sache, die sich nur wenige dauerhaft leisten konnten. Da sich der Rat im Ernstfall zumeist nicht auf die Bürgerwehr allein verlassen wollte, warb er in Krisenzeiten auch größere Söldnerkontingente an; allein in den Jahren 1631 bis 1636 soll die Stadt dafür fast eine halbe Million Taler ausgegeben haben.208 Enorme Summen verschlang auch die Modernisierung der Befestigungswerke selbst. Schon in den Hussitenkriegen hatte sich gezeigt, dass die alten Mauern kaum noch Schutz gegen die neuen Feuerwaffen boten. Um sie insbesondere gegen die sich rasch entwickelnde Artillerie zu verstärken, waren ihnen noch im 15. Jahrhundert teilweise Erdwälle vorgelagert worden, die zum wassergefüllten Graben hin mit Ziegelmauern gesichert wurden. Zudem hatte man die Stadttore um- bzw. zu Basteien ausgebaut: 1479 – 1503 das Nikolaitor, um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert das Ohlauer Tor, 1503 das Sandtor, 1528 – 35 das Ziegeltor, 1531 – 36 das Taschentor und

Die Stadtbefestigung

1526 – 32 das Schweidnitzer Tor. Neben den Tor-­Basteien waren an mehreren Stellen weitere Basteien in die Wall-­Linie eingefügt worden: in den 1480er Jahren zunächst die Bernhardsbastei hinter dem Bernhardinerkloster, 1530 süd­lich des Ohlauer Tores sowie west­lich des Schweidnitzer Tores und 1531 nörd­lich des Taschentores.209 Ausgebaut worden war auch das 1459 – 63 im nordwest­lichen Teil der Befestigungsanlage errichtete dreistöckige älteste Zeughaus, das mit seinen bis 1658 hinzugekommenen Erweiterungsbauten bis heute erhalten und als Militär- und Archäolo­gisches Museum zugäng­ lich ist.210 Nahe dem Sandtor wurde 1511 ein weiteres Zeughaus errichtet und ab 1534 diente auch das aufgelassene Kloster der Augustiner-­Eremiten als städtisches Arsenal. Die Weiterentwicklung der Feuerwaffen und Belagerungstechnik sowie die im Verlauf des 16. Jahrhunderts wachsende, mitunter panische Züge annehmende Angst vor den Türken machten bald neue Anstrengungen erforder­lich. So wurden die vorhandenen Wälle erhöht und, da wo sie noch fehlten, neue aufgeschüttet. Zu Beginn der 1580er Jahre war die gesamte Stadt, einschließ­lich der Neustadt, schließ­lich umwallt. Da die halbrunden Formen der gerade erst erbauten Basteien vor ihren Stirnseiten tote Schussfelder boten, wurden sie sukzessive durch neue polygonale Eck- und Mittelbas­tionen ersetzt. Die erste, die Scherenbas­tion, entstand 1544 – 51 vor dem Zeughaus an der Einmündung des Stadtgrabens in die Oder. Seit den 1570er Jahren folgte dann der Neubau weiterer Bas­tionen sowie der Um- beziehungsweise Ausbau der Stadttore: 1576/77 ersetzte der italienische Architekt und Festungsbauer Bernardo Nurion die Barbakane am Ohlauer Tor durch eine massive, flach gehaltene Bas­tion, durch die ein Tunneltor in die Stadt führte; den Torturm baute er dabei zu einem halbzylindrischen Artillerieturm um. Überreste der Bas­tion und Relikte der älteren Torteile wurden 1975 – 77 bei Bauarbeiten aufgedeckt und sind heute in einer beschei­ denen Teilrekonstruk­tion in der Unterführung der Altstadtpromende (promenada Staromiejska) unter der Ohlauer Straße (ul. Oławska) sichtbar (wobei ein Metallmodell im Maßstab 1:25 den Zustand des Mauerabschnitts und der Torbefestigung gegen Ende des 16. Jahrhunderts veranschau­licht).211 1581 erhielt auch das Mühlentor einen Artillerieturm, 1582 wurde das an der Kaiserburg gelegene Kaisertor, 1582/83 das Odertor, 1586 das Ziegeltor und 1595 das Sandtor neu errichtet bzw. ausgebaut.

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Als zweite neuartige Bas­tionsanlage ersetzte 1574 – 81 die Bernhards­ bas­tion die Bastei hinter dem Bernhardinerkloster; 1582/83 folgte die Burgbas­tion, 1585/86 die Ziegelbas­tion, 1590 – 97 die Sandbas­tion und 1591 – 98 die Taschenbas­tion; z­ wischen 1588 und 1596 schließ­lich die St.  Hiobsbas­tion, von der sich bei der Galeria Dominikańska noch heute restaurierte bzw. rekonstruierte Fragmente besichtigen lassen. Einige wenige Überreste der unter Leitung des Breslauer Stadtarchitekten Hans Schneider von Lindau im italienischen Stil (d. h. mit ziegelverkleideten Erdaufschüttungen) ausgeführten Taschenbas­tion sind auf dem Partisanenberg (Wzgórze Partyzantów), der ehemaligen Liebichshöhe zu sehen, während sich auf der Polnischen Anhöhe (Wzgórze Polskie), der ehemaligen Holteihöhe, ein größerer, restaurierter Teil der Ziegelbas­tion erhalten hat (Farbtafel 9). Nach den intensiven Um- und Ausbauarbeiten des ausgehenden 16. Jahrhunderts vergingen nur wenige Jahre, bis die Gefahren des Dreißigjährigen Krieges neue Schwachpunkte in der Breslauer Stadtbefestigung offenbarten. Sie sollten in den 1630er–1640er Jahren durch die Errichtung weiterer Bas­tionen, neuer Außenwerke, Schanzen und Ravelins behoben werden. So entstanden im nunmehr zeitgemäßen holländischen Festungsbaustil 1643 – 45 beim Schweidnitzer Tor die Graupenbas­tion, 1634 – 37 beim Nikolai­ tor das Kronenwerk, wurden 1631 – 1642 auf den umliegenden Werdern und der Dominsel mehrere Schanzen und 1638 – 42 vor dem Ohlauer Tor ein Ravelin errichtet. Gleichzeitig ‚säuberte‘ man das Schussfeld, indem die alten Vorstädte größtenteils abgetragen und sämt­liche Wohn- und Wirtschaftsbauten vor den Maueranlagen entfernt wurden. Zwar war das Fortifika­tionswerk damit noch längst nicht vollendet, hielten die Ausbauarbeiten auch während der gesamten zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts weiter an, doch hatten die neuen Bas­tionen, die verstärkten Stadttore, die Schanzen und Außenwerke Breslau noch vor der Mitte des 17. Jahrhunderts in eine moderne Festungsstadt verwandelt.212 Als s­ olche stellte sie im 16.–17. Jahrhundert nicht nur eine militärische Trutzburg bürger­licher Autonomie dar, sondern im wahrsten Sinne des Wortes auch eine feste Burg des Luthertums.

Die lutherische Ratsreformation

Die lutherische Ratsreformation Seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert hatte der Humanismus refor­ matorischen Ideen in Breslau den Weg bereitet. Gleichzeitig setzte sich im städtischen Bewusstsein die Überzeugung fest, dass städtische Finanzund Wirtschaftsangelegenheiten allein Sache der Bürgerschaft ­seien und keinesfalls der kirch­lichen Jurisdik­tion unterlägen; was die Stadt finanzierte, sollte auch ihrem Einfluss unterstehen, einschließ­lich der in ihrem Dienst wirkenden Geist­lichen, die sich bei Straffälligkeit auch vor städtischen Gerichten verantworten sollten. Diese selbstbewusst-­fordernde Haltung der Stadt stieß sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts hart mit kirch­lichen Posi­tionen. Die zähen und verbissenen Konflikte, die daraus insbesondere ­zwischen Rat und Domkapitel erwuchsen, ließen sich nur mit Mühe (u. a. im sogenannten Kolowratschen Vertrag vom Februar 1504) im Zaum halten. Rat und Bürgertum verstanden sich immer mehr als die eigent­liche religiöse Gemeinschaft. Dies umso mehr als die Amtskirche als zunehmend verrottet empfunden wurde. Der Prunk und die Welt­lichkeit des höheren Klerus, der Ämterkauf und die Pfründenhäufung durch Landfremde, die fortgesetzte Verhängung kirch­licher Strafen bei säumiger Zahlung kirch­ licher Abgaben (Schuldbann) – all dies erregte bei der Bevölkerung immer größeren Unmut. So erhofften sich die Bürger Abhilfe auch dadurch, dass sie Stadtgemeinde und kirch­liche Gemeinde als Einheit sahen und ihre Führer, die Ratsherren, für berechtigt, mit dem Wohl der Bürgergemeinde auch über das kirch­liche Leben zu wachen und Entscheidungen über das städtische Kirchenwesen zu treffen.213 In dieser Haltung wurden Rat und Bürgerschaft seit Ende Oktober 1517 durch die Thesen des Wittenberger Augustinermönchs und Theologieprofessors Martin Luther bestärkt. Nachrichten vom Wittenberger ‚Thesenanschlag‘ gelangten – über Breslauer Studenten, Kaufleute und Korrespondenzen – offenbar ziem­lich rasch an die Oder. Schon im Frühjahr 1518 sah sich das Breslauer Domkapitel zu einer Reak­tion veranlasst und beantragte die Einstellung des Ablassverkaufs. Seit 1519 trug dann der um die Jahreswende 1518/19 nach Breslau übergesiedelte Drucker Adam Dyon zur Verbreitung lutherischer Ansichten bei. Mit ihm wurde der Buchdruck in Breslau auf Dauer heimisch. Die ältesten Breslauer Drucke, eine „Historia de transfigura­tione Domini“ und die „Statuta Synodalia Episcoporum Wratislaviensium“, waren 1475 im Auftrag des

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Heilig Kreuz-­Stiftes beziehungsweise Breslauer Bischofs von dem Kleriker Kaspar Elyan hergestellt worden. Er hatte in Leipzig, Krakau und Erfurt studiert und in Köln 1469/70 das Druckerhandwerk erlernt. Seine noch sehr vorläufigen Druckversuche, die in den „Statuta“ mit der Übersetzung dreier Gebetstexte die ältesten gedruckten Sätze der polnischen Sprache produzierten, wurden von den Zeitgenossen offenbar kaum wahrgenommen. Nach einigen weiteren, für den schle­sischen Klerus bestimmten kleinformatigen Drucken theolo­gischen und pastoralen Inhalts stellte Elyan sie denn 1582 auch wieder ein.214 Einige Zeit s­ päter, 1503 – 1506, unternahm Conrad B ­ aumgarten einen zweiten Versuch der Etablierung einer Breslauer Druckerei, in der er unter anderem einige Werke Breslauer Humanisten (Sigismundus Fagilucus, Laurentius Corvinus) sowie eine illuminierte deutschsprachige Version der Hedwigs-­Legende zum Druck brachte. Baumgarten war zuvor in Danzig und Olmütz tätig gewesen und offenbar von den Breslauer Universitätsplänen angelockt worden. Als sich diese zerschlugen, verlegte er seine Tätigkeit nach Frankfurt/Oder und Leipzig.215 Adam Dyon, der zuvor in Nürnberg deutschsprachige Lieder und volkstüm­liche Schriften, auch im Auftrag Breslauer Bürger, gedruckt hatte, publizierte in Breslau 1519 zunächst in rascher Folge sechs lateinische Nachdrucke, die sich sämt­lich auf Luthers Leipziger Disputa­tion vom Juli 1519 bezogen. Daneben brachte er im gleichen Jahr zwei deutschsprachige Lutherschriften heraus: die schon 1518 erschienene Predigt „Eyn Sermon von dem Ablas vnd gnade“ sowie die im Januar 1519 gehaltene Predigt „Ein Sermon von dem e­lichen standt“. In den Jahren 1521 bis 1530 folgten 18 weitere Nachdrucke deutschsprachiger, meist kurzer Lutherschriften sowie Drucke einiger Schriften anderer Reformatoren.216 Dass Dyon 1520 keine Lutherschrift druckte, könnte auf die Interven­tion des Domkapitels zurück­ zuführen sein, dessen Sitzungsprotokoll im Dezember 1520 für Breslau erstmals die Existenz einer lutherischen Partei (factio Lutherana) beklagte, das aber schon ein Jahr zuvor den Bischof gebeten hatte, er möge den Rat veranlassen, dass er Dyon untersage, „nach seinem Belieben Leichtfertigkeiten jeder Art zu drucken und in die Öffent­lichkeit hinauszugeben.“217 Viel auszurichten vermochte diese Bitte letzt­lich nicht, blieb doch selbst ein Ende 1521 erlassenes könig­liches Verbot des Verkaufs und Besitzes von Lutherschriften in Breslau wirkungslos. Neben Dyon druckte von 1522/23

Die lutherische Ratsreformation

bis 1524 auch der Breslauer Bürger und Verwalter der Breslauer Stadtwaage Kaspar Libisch mindestens 14 deutschsprachige Luthertexte, zumeist Predigten, sowie 16 weitere Schriften anderer Reformatoren wie Huldrych Zwingli, Valentin Krautwald, Ludwig Hätzer und Caspar Schwenckfeld. Im Rat vertraten vor allem der Stadtschreiber Laurentius Corvinus sowie die Ratsältesten Achatius Haunold und Hieronymus Hornig refor­ matorische Posi­tionen. Letztere lösten sich z­ wischen 1518 und 1526 wieder­ holt im Amt des Landeshauptmanns ab und konnten daher in den kritischen Umbruchsjahren auch über die Stadt hinaus entscheidenden Einfluss ausüben. In Breslau förderten sie reformatorische Ideen zunächst durch die Besetzung der Rektorenstellen an den beiden Stadtpfarrschulen, die ihnen der Domscholastiker Jakob von Salza de facto überlassen hatte und auch als Bischof (ab 1521) nicht zurücknehmen konnte. Die in Wittenberg ausgebildeten Rektoren, Ambrosius Moibanus und Johannes Troger, trugen seit 1520/1521 zweifellos maßgeb­lich zur Ausbreitung der lutherischen Lehren bei.218 Im geist­lichen Milieu griffen die Franziskaner-­Konventualen von St. ­Jakob und die Augustiner-­Eremiten von St. Dorothea die reformatorischen Impulse auf; schon 1521 wurde in der Jakobskirche im lutherischen Sinn gepredigt. Als daraufhin der Prediger auf Geheiß des Bischofs vom Guardian der Franziskaner-­Konventualen aus dem Amt entfernt wurde, vertrieb der Konvent den Guardian, der daraufhin bei den Franziskaner-­ Observanten von St. Bernhard Zuflucht fand. In dieser Situa­tion griff der Rat in den schon länger schwelenden Konflikt ­zwischen den beiden Franziskaner-­Gruppen ein und bewirkte im Juni 1522 die Auflösung des konservativ-­katho­lischen Franziskanerkonvents von St. Bernhard. Auch andere entschiedene Luthergegner vermochte der Rat aus Amt und Stadt zu drängen; so wurde im Februar 1523 und 1525 der Generalvikar der Domi­nikaner von St. Adalbert gleich zweimal der Stadt verwiesen.219 Das Domkapitel protestierte vergeb­lich, während sich der auf Vermittlung ­bedachte – vielleicht auch mit den Reformideen sympathisierende – Bischof bedeckt hielt. Immerhin gab er Anordnung, jenen Priester ins Gefängnis werfen zu lassen, der im Juni 1523 öffent­lich die Eheschließung eines Laienbruders der Augustiner-­Eremiten mit einer Begine vollzogen hatte. Davon unberührt breitete sich das „Gift der lutherischen Häresie“, wie

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Papst Hadrian VI. im Juli 1523 in einer Ermahnung an den Breslauer Rat beklagte, weiter aus. Die päpst­liche Aufforderung, die lutherische Ketzerei gänz­lich wieder abzuschaffen und völlig auszurotten, machte auf den Rat ebenso wenig Eindruck wie die im September 1523 folgende Ermahnung des polnischen Königs Sigismund, „sich von aller Hinneigung zum Luthertum doch gänz­lich frei zu machen.“220 Noch im Oktober 1523 machte der Rat deut­lich, dass er keineswegs gewillt war, von seinem Kurs abzuweichen: Er setzte eigenmächtig den Lutheranhänger Johannes Hess als Pfarrer an der Maria Magdalena-­Kirche ein, wozu ihm eine Bürgerversammlung bereits im Juni das Mandat erteilt hatte. Das neben der Elisabethkirche wichtigste städtische Pfarramt war 1517 vakant geworden und seither im Gerangel ­zwischen römischer Kurie und Breslauer Domkapitel um die Pfründen nicht wieder befriedigend besetzt beziehungsweise nur provisorisch verwaltet worden. Nach sechsjähriger faktischer Vakanz sah sich der Rat zum Handeln veranlasst und ließ im Mai 1523 bei Hess anfragen, ob er bereit sei, als Prediger nach Breslau zu kommen. Der im September 1490 in Nürnberg geborene Kaufmannssohn war in Breslau kein Unbekannter.221 Er war nach einem Studium in Leipzig und Wittenberg, wo er im Februar 1511 den Magistertitel erwarb, seit 1513 als Sekretär und Notar des mit Hess’ Familie befreundeten Breslauer Bischofs Johannes Thurzó tätig gewesen. Bereits in ­diesem Amt sympathisierte er mit den Wittenberger Reformideen, weshalb ihn der Bischof 1515 offenbar aus seiner Kanzlei weglobte und dem Herzog von Münsterberg-­Oels als Erzieher seiner Kinder empfahl. Dass er Thurzós Gunst nicht verlor, zeigt der Umstand, dass ihn der Bischof gleichzeitig mit der Pfründe eines Neisser Kanonikus, bald auch mit Kanonikaten am Hedwigsstift in Brieg und Heilig Kreuz-­Stift in Breslau ausstattete. Als herzog­licher Hauslehrer widmete sich Hess neben theolo­gischen Studien unter anderem der schle­ sischen Geschichte und schrieb ein (heute verschollenes) Werk mit dem Titel „Silesia Magna“. Ende 1517 reiste er nach Italien, studierte in Bologna, Ferrara und Rom, erwarb den Doktortitel in Theologie und erhielt im März 1519 in Rom die niederen Weihen eines Diakons. Anschließend kehrte er in seine Heimatstadt Nürnberg zurück, hielt sich Ende 1519/Anfang 1520 in Wittenberg auf, wo er neben Luther nun auch Philipp Melanchthon kennenlernte, mit dem ihn seither ein regelmäßiger Briefwechsel verband.

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Nach Schlesien zurückgekehrt wurde er Anfang Juli 1520 in Breslau zum Priester geweiht und im August zum Domprediger bestellt. Seine reforma­ tionsfreund­liche Haltung scheint er zunächst nur vorsichtig vertreten zu haben. Dennoch geriet er offenbar bald in Konflikt mit dem Domkapitel und Jakob von Salza, dem Nachfolger seines am 2. August 1520 verstorbenen bischöf­lichen Gönners Johann Thurzó, sodass er sich zunächst als Prediger an den Hof des Herzogs von Münsterberg-­Oels zurückzog und 1522 nach Nürnberg ging, wo er sich auf Einladung seiner Vaterstadt neben dem schle­sischen Humanisten Dominikus Schleupner für das Predigeramt an der St. Sebaldus-­Kirche bewarb. In Nürnberg erreichte den umfassend gebildeten, erfahrenen Mann der Ruf des Breslauer Rates. Da das Nürnberger Predigeramt an Schleupner ging, nahm Hess das Breslauer Angebot an. Seine Bedenken wurden von Bischof Jakob von Salza höchstpersön­lich zerstreut, der wohl auf Hess’ gemäßigte Haltung setzte und ihn am 21. August 1523 offiziell in das Predigeramt berief. Bis hierhin bewegten sich alle Beteiligten in kirchenrecht­lich völlig korrekten Bahnen. Erst der weitere Schritt des Rates, Hess ohne ausdrück­liche kirch­liche Zustimmung auch die Pfarrstelle zu übertragen, bedeutete den Bruch mit der bisherigen Ordnung. Der Rat rechtfertigte diesen Bruch offensiv und öffent­lich in einer noch im November 1523 von Kaspar Libisch gedruckten „Apologia inclyti senatus populique Vratislaviensis pro novi pastoris nova elec­tione“. Offensiv verteidigt wurden die vom Rat intendierten reformatorischen Maßnahmen auch auf dem Fürstentag von Grottkau, auf dem sich die versammelten schle­sischen Stände im Januar 1524 darauf verständigten, „dass man dass heylige evangelium frey, ungehindert predigen lasse nach deittunge der heyligen schrifft und demselben frey nachlebe unangesehen aller Menschen.“222 Die Vertreter der Stadt Breslau erklärten dabei selbstbewusst, dass sie künftig, da sie „die Pfarrkirchen und Schulen selbst bauen, […] auch Pfarrer und Schulmeister, die uns und den Unsern das Wort Gottes treu­lich und klar verkündigen, nicht anders denn unserer Seelen Trost suchen und unsere Kinder fleißig nicht, wie zuvor geschehen, mit Spreu, sondern mit heilsamer Lehre unterweisen, selbst kiesen“, das heißt wählen und einsetzen werden.223 Schließ­lich wurden die umstrittenen reformato­ rischen Lehren im April 1524 auch in einem von Hess nach akademischem

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Brauch organisierten Religionsgespräch öffent­lich zur Diskussion gestellt. In dem von Laurentius Corvinus moderierten dreitägigen Streitgespräch rechtfertigte Hess seine zuvor auch im Druck bekannt gemachten Thesen („Axiomata disputa­tionis Vratislaviensis“) gegenüber seinen Opponenten, den Breslauer Dominikanern Martin Sporn, Martin Schreiter und ­Leonhard Czipser. Um nicht nur die Gelehrten, sondern auch die versammelte Breslauer Bürgerschaft zu erreichen, argumentierte Hess nicht nur auf Latein, sondern auch auf Deutsch. Gestritten wurde über die für den reformatorischen Umbau der Breslauer ­Kirche entscheidenden Fragen: das Priestertum, die Priesterehe und das Schriftprinzip. Vor allem letzteres lag Hess am Herzen, galt doch auch ihm das in der Bibel niedergelegte Wort Gottes als die entscheidende Richtschnur des Glaubens. Daher waren mit dem Rektor der Stadtpfarrschule St. Maria Magdalena, Antonius Niger, und dem Goldberger Schulrektor, Valentin Trotzendorf, auch zwei Sachverständige für den griechischen beziehungsweise hebräischen Bibeltext zu der Disputa­tion hinzugezogen worden. Unterstützt von den Franziskanern Johannes Wunschalt und Joachim Schnabel gelang es Hess am Ende, die Breslauer Öffent­lichkeit von der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit seiner Ansichten zu überzeugen. Damit brach er letzte Widerstände innerhalb der Bürgerschaft, entschied den Disput zu seinen Gunsten und gab dem Rat die theolo­gische und recht­liche Legitima­tion an die Hand, seine Kirchen­reform nun Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen.224 Dabei ist er durchaus vorsichtig und konservativ zu Werke gegangen und stets auf ein Zusammenwirken mit der Bürgerschaft bedacht geblieben. Schon 1523 hatte sich der Rat der in großer Zahl vor den ­Kirchen herumlungernden Armen angenommen und mit der Einführung einer „Gotteskastenordnung“ die Armenfürsorge als städtische Angelegenheit neu organisiert. Damit wurde zugleich die Grundlage für eine städtische Finanzierung des gesamten reformierten Kirchenwesens geschaffen. Es entstand ein zentraler Fonds, das gemeine almosen, aus dem fortan unter Aufsicht des Rates die Gehälter der Geist­lichen, Kirchendiener und Lehrer gezahlt, die Kosten für die Unterhaltung der Kirchenbauten aufgebracht und eben auch die Kranken- und Armenfürsorge finanziert wurden.225 Im Jahr darauf wurden deutschsprachige Taufe und deutschsprachiger Kirchengesang eingeführt und nach Ostern 1525 die Bilderverehrung eingeschränkt, die eucharistischen

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Prozessionen, Vigilien, Seelenmessen, Reliquien und einige andere katho­ lische Riten abgeschafft. Den Priestern wurde die Ehe gestattet, woraufhin Johannes Hess im September 1525 Anna Jopner, die älteste Tochter des Ratsherrn Stephan Jopner, heiratete. Unterdessen war dem Breslauer Reformator auch beruf­lich eine nachhaltige Unterstützung zur Seite getreten, hatte der Rat im Sommer 1525 doch auch die zweite Stadtpfarrei, St. Elisabeth, mit einem profilierten Reformator besetzt. Ihr Patronat hatte der Rat im Jahr zuvor dem Matthiasstift bzw. den Kreuzherren mit dem roten Stern abgekauft und den amtierenden alten Pfarrer Gregor Quicker zum Rücktritt bewogen. Die auf diese Weise in städtische Obhut gelangte Pfarrstelle sollte eigent­lich Dominikus Schleupner übertragen werden, doch wollte dieser seine Nürnberger Predigerstelle nicht aufgeben, woraufhin Hess Ambrosius Moibanus ins Gespräch brachte. Moibanus war der jüngste Sohn eines alteingesessenen, wohlhabenden Breslauer Schuhmachermeisters.226 Er besuchte die Pfarrschule an St. Maria-­Magdalena, wechselte als Zehnjähriger an die Stadtschule in Neisse und studierte ab 1510 in Krakau und Wien, wo er 1517 den Magistertitel erwarb. In Wien publizierte er ein erstes humanistisches Werk mit Hymnen Picco della Mirandolas sowie eigenen lateinischen Versen über den Ursprung der verschiedenen Religionen und die Geheimnisse der hl. Dreifaltigkeit. Seine Rückkehr nach Breslau führte ihn über Süddeutschland, wo er in Stuttgart wahrschein­lich Bekanntschaft mit Johannes Reuchlin machte. In Breslau übertrug ihm Bischof Johannes Thurzó die Leitung der Domschule. Die hier weiter keimenden schu­lischen Reformideen scheint er 1520 in Wittenberg mit Melanchthon besprochen zu haben. Nach Thurzós Tod wechselte Moibanus in die Leitung der Stadtschule an St. Maria-­Magdalena, an der er seine Reformpläne in die Tat umzusetzen versuchte. Er führte – erstmals in Schlesien und Polen – Griechisch als Unterrichtsfach ein und verfasste für den Lateinunterricht neue Leitfäden. Wenig ­später hielt er sich erneut in Wittenberg auf und nutzte ab 1522 seinen Anteil am Erbe des verstorbenen Vaters, um dort in engem Umgang mit Luther und Melanchthon ein Theologiestudium abzulegen. Ehe er dem Ruf aus Breslau folgte, erwarb er Ende Juni 1525 dort noch den Doktortitel. Dann begab er sich zu Bischof Jakob von Salza, der ihn in Grottkau – in erstaun­licher Koopera­tionsbereitschaft – in die Pfarrstelle investierte, ihn aber nicht zum Priester weihte.

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Abb. 5  Abendmahlbild des Breslauer Meisters Hans Hillebrandt (?), 1537. Das im Jahr 1900 im Breslauer Rathaus wieder aufgefundene Ölgemälde gelangte 1909 ins Schle­sische Museum für Kunstgewerbe und Altertümer und ist seit 1945 verschol­len. Es stellt eine einzigartige ikonographische Repräsenta­tion des reformatorischen Selbstverständnisses der Breslauer Ratsherren dar – die Apostel nehmen die Gesichtszüge der Ratsherrn an, während Johannes Hess als Jesus begegnet.227

Hess und Moibanus wirkten über zwei Jahrzehnte produktiv zusammen. Gemeinsam mit den Ratsherren gestalteten sie die Breslauer Ratsreforma­ tion maßvoll und behutsam weiter aus. Sie erarbeiteten eine – wenn auch offiziell erst Mitte des 16. Jahrhunderts publizierte – Kirchenordnung, formulierten einen deutschsprachigen Katechismus (1535) und förderten das Schulwesen, unter anderem mit einer Schulordnung (1528) sowie der Einrichtung eines besonderen städtischen Schulamtes (1542). 228 Dabei vermieden sie jede Zuspitzung ihrer Lehren, ja hielten noch längere Zeit selbst an manchen katho­lischen Gottesdienstformen fest. Sie bewahrten die Breslauer Bürgerschaft vor jeder schwärmerischen oder sozial-­revolu­ tionären Ausuferung, wie sie im benachbarten Liegnitz der theolo­gische Autodidakt und urkirch­liche Utopist Caspar Schwenckfeld oder in Glogau, Jauer und Glatz die Wiedertäufer bewirkten. Der Rat stand ihnen dabei fest zur Seite und sah seinerseits keine Veranlassung, seiner Kirchenpolitik mit schärferen Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. Bezeichnenderweise hat es in Breslau auch keinen „Bildersturm“ gegeben, blieben die ­Kirchen

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und ihre Kunstwerke – sieht man einmal vom Abriss des Vinzenzklosters auf dem Elbing ab, der 1529 wohl nicht allein aus fortifikatorischen Erwägungen erfolgte – unversehrt. Die Breslauer Ratsreforma­tion konnte sich auch deshalb ohne Störung entfalten, weil die könig­lichen Landesherrn, zunächst der Jagiellone ­Ludwig  II., dann der Habsburger Ferdinand I., politisch jeweils andere Sorgen hatten und kaum Willens oder in der Lage waren, für die katho­lische Seite aktiv in die schle­sischen Verhältnisse einzugreifen. Auch seitens der Breslauer Bischöfe blieb jeder ernsthafte Widerstand aus, ja hatten diese selbst mit ihren humanistischen Neigungen und ihrer Förderung junger engagierter Männer wie Hess und Moibanus nicht unwesent­lich zum Erfolg der Breslauer Reforma­tion beigetragen. Diesem Erfolg lag auch eine gezielte Förderung begabter Schüler zugrunde, für die ­Moibanus im Zusammenwirken mit dem Ratsherrn Johannes Metzler aus dem „Gottes­kasten“ Stipendien organisierte. Mit ihnen konnten junge Breslauer auswärts studieren, zumeist in Wittenberg, wo z­ wischen 1518 und 1560 nicht weniger als 160 Breslauer eingeschrieben waren. Überwiegend in Wittenberg erfolgte auch die Ordina­tion der Breslauer bzw. schle­sischen protestantischen Geist­lichen (bis 1560 insgesamt 195).229 Dabei lag die formale geist­liche Aufsicht bis 1609 weiterhin beim Breslauer Bischof. Das mag mit dazu beigetragen haben, dass man in Breslau wie in den übrigen schle­sischen Territorien bis weit in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein an der Vorstellung von einer fortbestehenden kirch­lichen Einheit festgehalten hat. Tatsäch­lich wollte niemand die de facto längst erfolgte Kirchenspaltung offiziell bestätigen. Die katho­lische Seite weigerte sich, den inner­lich erfolgten Abfall der Protestanten anzuerkennen, während diese sich scheuten, den vollständigen Bruch mit der katho­lischen ­Kirche zu vollziehen.230 Erst das Konzil von Trient (1545 – 63) gab dann von katho­ lischer Seite jene dogmatischen Festschreibungen aus, die den Bruch auch formal unabänder­lich werden ließen. Das Nebeneinander von formaler bischöf­licher Zuständigkeit und tatsäch­licher ständisch-­territorialer Kirchenhoheit führte zusammen mit der territorialen Zersplitterung Schlesiens dazu, dass sich hier keine einheit­ liche evange­lische Landeskirche formierte. Die Stadt Breslau bildete daher wie die anderen schle­sischen Fürstentümer eine eigene selbständige ­Kirche.

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Deren faktische Leitung lag bei Johannes Hess. Bei dessen Tod ging sie 1547 an Ambrosius Moibanus über, der am Ende selbst geist­liche Ordina­tionen nach Wittenberger Vorbild vornahm. Damit übte er faktisch bereits das Amt eines Superintendenten aus. Nach seinem Ableben im Januar 1554 verblieb die Funk­tion beim jeweiligen Pfarrer der Elisabethkirche, auch wenn das Amt formal erst 1615 geschaffen wurde, als auf der Grundlage des böhmischen Majestätsbriefes von 1609 die bischöf­liche Aufsicht über die städtischen Geist­lichen auf ein städtisches Konsistorium überging.231

Ein Breslauer Humanist – Johannes Crato von Crafftheim In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts traten auch unter den Breslauer Protestanten manche Eiferer auf, kam es zu dogmatischen Auseinandersetzungen ­zwischen strengen Lutheranern und Calvinisten. Nicht zuletzt entzündete sich auch an der Oder der sogenannte Abendmahlstreit, der die reformatorische Bewegung von Anfang an gespalten hatte und andernorts schon längere Zeit die Gemüter erhitzte. Dabei ging es um die Frage, ob der Sohn Gottes in der konsekrierten Hostie tatsäch­lich, vere et substantialiter, anwesend sei oder nicht. Als die Breslauer sich über diese Frage immer tiefer zerstritten, wandte sich der Rat im Sommer 1559 an Melanchthon und bat die nach Luthers Tod (1546) maßgeb­liche reformatorische Instanz um ein offizielles Gutachten. Wenige Monate zuvor hatte sich auch einer seiner Breslauer Schüler an den Wittenberger Theologen gewandt und zu einer eindeutigen Stellungnahme in der Abendmahlfrage gedrängt. Der Briefschreiber war der damals vierzigjährige Breslauer Stadtarzt Johannes Krafft – einer der herausragendsten Vertreter des Breslauer Humanismus im 16. Jahrhundert, der bald als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Mediziner seiner Zeit galt und 1567 als Neuadliger den Namen Crato von Crafftheim annahm. Die Medizin hatte in Breslau seit Langem einen guten Stand. Ärzte sind in der Stadt schon für das 12. Jahrhundert belegt. Das im 13. Jahrhundert entstandene „Breslauer Arzneibuch“ stellt eines der ältesten medizinischen Werke deutscher Sprache dar,232 während die um die Mitte des 14. Jahrhunderts von dem seit 1336 in Breslau wirkenden Priester-­Arzt Thomas von Sarepta verfassten Breslauer Medizinalstatuten neben dem Baseler

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Apothekereid und dem Nürnberger Arzt- und Apothekereid zu den ältesten deutschsprachigen Apothekernormen zählen.233 Seit dem 14. Jahrhundert beschäftigte der Rat mehr oder weniger regelmäßig einen städtischen Physikus; 1533 richtete er dauerhaft ein entsprechendes Amt mit mehreren Ärzten ein. In ­diesem Amt wurde Johannes Krafft 1550 vom Rat zunächst als zweiter Stadtarzt angestellt und vier Jahre s­ päter sein Gehalt mit der Maßgabe auf 100 Taler erhöht, dass er im städtischen Hospital kostenlos arme Stadtbedienstete und Schüler behandelte. Krafft entstammte einer alteingesessenen, wenn auch unbegüterten Breslauer Bürgerfamilie. Sein Vater war als Handwerker und Bote der Kaufmannschaft tätig, was für eine höhere Ausbildung des Sohnes kaum genügend Mittel abwarf. Dessen Begabung fiel in der Stadtschule jedoch rasch auf, sodass er Förderer fand. Unter anderen nahmen sich Johannes Hess und Ambrosius Moibanus seiner an, verschafften ihm beim Rat ein Stipendium und ermög­lichten dem 15-Jährigen damit die Aufnahme eines Studiums in Wittenberg, wo bereits ein Onkel von ihm Philosophie und Medizin studiert hatte. In Wittenberg fand er Aufnahme bei niemand geringerem als Martin Luther, in dessen Haus er fast sechs Jahre lang engsten Umgang mit dem Reformator hatte. Kraffts Aufzeichnungen der Gespräche und Unterhaltungen, deren Zeuge er an Luthers Tisch wurde, dienten seinem Wittenberger Kommilitonen, dem ebenfalls aus Breslau stammenden Johannes Aurifaber ­später als eine der Quellen, aus denen er 1566 Luthers Tischreden publizierte. In Wittenberg erfuhr Krafft eine solide Schulung in den klas­sischen Sprachen, erwarb den Magister der Philosophie und begann Vorlesungen über Dialektik zu halten. Doch scheinen seine Studienerfolge in der Theologie weniger überzeugend ausgefallen zu sein. Luther jedenfalls riet dem jungen Mann von der Theologenlaufbahn ab und empfahl ihm, Medi­zin zu studieren. Zu d ­ iesem Zweck wechselte Krafft mit einem zweiten Stipendium des Breslauer Rates nach Leipzig, wo er auf Empfehlung Melanchthons, seines zweiten Wittenberger Lehrers, unter anderem engen Kontakt zu dem bedeutenden Theologen und Linguisten Joachim C ­ amerarius aufnahm, dessen gleichnamiger Sohn bald ebenfalls ein berühmter Arzt werden sollte, dem Krafft freundschaft­lich verbunden blieb. In Leipzig schloss Krafft auch Freundschaft mit den beiden reichen Augsburger Patri­ ziersöhnen Johann Baptist und Paul Haintzel, die ihre Studien in Italien

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fortsetzen wollten und ihn baten, sie zu begleiten. So gelangte Krafft 1546 nach Padua, wo er sein Medizinstudium bei einem der damals gesuchtesten italienischen Ärzte, Giovanni Battista da Monte (Montanus), fortsetzen und mit der Promo­tion abschließen konnte. Nachdem er eine kurze Weile in Verona praktiziert, auch einige andere italienische Städte besucht hatte, kehrte er Ende 1549/Anfang 1550 mit den beiden Augsburger Freunden zunächst in deren Heimatstadt zurück. Hier war sein medizinischer Rat rasch bei verschiedenen Patrizierfamilien gefragt; auch mit Angehörigen des Hofes Kaiser Karls V., der sich damals vorübergehend in Augsburg aufhielt, kam Krafft auf diese Weise in Berüh­ rung. Allerdings konnte er sich nicht in Augsburg niederlassen, da ihm die Breslauer Stipendien seinerzeit mit der Auflage gewährt worden waren, nach Studienabschluss in seine Vaterstadt zurückzukehren und für diese tätig zu werden. So fand er sich im November 1550 wieder in Breslau ein, trat die Stelle des zweiten Stadtphysikus an und ehe­lichte einen Monat ­später die Tochter der Stadtschreibers Johannes Scharf von Werd. Damit war Johannes Krafft in der Breslauer Gesellschaft angekommen, in der er rasch eine erfolgreiche und angesehene medizinische Praxis entfaltete. Bald verkehrte er mit den reichsten Familien, unter denen er auch freundschaft­liche Verbindungen schloss. So trat er in engen Kontakt mit den Rehdigers, einer der im 16. Jahrhundert bedeutendsten Breslauer Patrizierfamilien. Die Rehdigers hatten 1541 das Adelsprädikat erworben, unterhielten weit gespannte interna­tionale Handelskontakte, begeisterten sich aber auch für Kunst und humanistische Bildung.234 Einer ihrer Söhne, Thomas von Rehdiger, genoss neben dem Besuch der städtischen Elisabethschule in den 1550er Jahren eine private Zusatzerziehung bei Johannes Krafft. Von 1558 bis 1563 studierte er in Wittenberg, Paris, ­Orleans, Löwen und Bourges, um anschließend in Frankreich, Italien und England das Leben eines reichen Kavaliers zu führen. Schließ­lich ließ er sich dauerhaft in Köln nieder. Seine große Leidenschaft war das Sammeln von Handschriften und Büchern, für die ihm sein großzügiger Erbanteil alle Mög­lichkeiten bot. Als er 1576 kaum 36-jährig starb, umfasste seine wertvolle Sammlung bereits über 300 Handschriften und 6000 Druckwerke. Er hinterließ sie testamentarisch seinen beiden Brüdern mit der Auflage, sie nach Breslau zu überführen und dort in einem geeigneten Gebäude öffent­lich zugäng­lich zu

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machen. Das war der Anfang der Breslauer Stadtbibliothek. Die 1581 nach Breslau gebrachte Sammlung wurde über der Sakristei der Elisabethkirche aufgestellt, war dort aber nur eingeschränkt zugäng­lich. Mitte des 17. Jahrhunderts schenkte die Familie die Bestände dann der Stadt, die ihr bei dieser Gelegenheit gegebenes Versprechen, sie unter dem Namen ­Rehdi­geriana an einem geeigneteren Ort aufzustellen, von einem Bibliothekar betreuen zu lassen und mit einer Plakette an den ursprüng­lichen Sammler zu erinnern, frei­lich erst 1865 erfüllen konnte, als im neuen Stadthaus am Ring auch eine Stadtbibliothek eingerichtet wurde.235 In den 1580er Jahre waren die wertvollen – heute einen Teil der Breslauer Universitätsbibliothek bildenden – Handschriften und Bücher nur den Ratsherren und Gelehrten wie Johannes Krafft zugäng­lich. Letzterer verfolgte neben seiner praktischen Tätigkeit in der Tat auch vielfältige wissenschaft­lich-­didaktische Studien. 1554 und 1555 publizierte er zwei kurze Lehrbücher für junge Mediziner („Idea doctrinae Hippocraticae“ und „Methodus therapeutica ex Galeni et Montani sententia“); 1558 gab er zusammen mit Joachim Camerarius d. J. einen Teil der ärzt­lichen Ratschläge seines italienischen Meisters Montanus, die „Consilia“, heraus; 1560 veröffent­lichte er eine eigene Einführung in die ärzt­liche Kunst („Isagoge medicinae“) und ein Werk mit dem Titel „Mikrotechne“, 1563 schließ­lich die Arbeit „Demonstratio quomodo ex generali methodo […] singulorum morborum duratio petenda sit“ und 1564 eine zweite Auflage der „Consilia“ des Montanus. Als Theoretiker betonte Krafft stets die Grenzen der ärzt­ lichen Mög­lichkeiten, empfahl die Förderung der natür­lichen Heilvorgänge und propagierte eine ra­tionelle Lebensweise als die sicherste Heilmethode. Besonders bekannt machte ihn eine kleine Schrift über die Pest. Pest­ epidemien waren seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zu einer regelmäßigen Bedrohung, insbesondere der dicht besiedelten Städte geworden. Breslau hatte seit Beginn des 16. Jahrhunderts durch die Seuche allein 1516, 1523, 1542/43 einen erheb­lichen Teil seiner Bevölkerung verloren. Drei Jahre nach Kraffts Dienstantritt, 1553, schlug sie erneut zu. Ihre Ursachen zu untersuchen und Maßnahmen zur Eindämmung und Präven­tion zu entwickeln, gehörte zu den wichtigsten Aufgaben der Stadtärzte. Auch Johannes Krafft nahm sich dieser Aufgabe an und publizierte 1555 eine „Ordnung oder Präven­tion zur Zeit der Pest“, die er 1585, als eine erneute Pestwelle fast ein

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Drittel der Breslauer Bevölkerung dahinraffte, auch in einer überarbeiteten lateinischen Ausgabe herausgab. Die Aufklärungsschrift suchte das Chaos der seinerzeitigen Pestliteratur zu lichten, betonte erstmals in deutscher Sprache nachdrück­lich den unbedingt ansteckenden Charakter der Seuche und entwickelte ra­tionelle Präven­tions- und Bekämpfungsmaßnahmen. Dennoch griff der Rat Kraffts durchaus zweckmäßige Vorschläge nicht auf, sondern gab der gleichzeitig verfassten Pestordnung seines Amtskollegen, des Stadtphysikus Spremberg, den Vorzug. Das hatte offenbar weniger mit medizinischen Erwägungen als mit Kraffts theolo­gischen Posi­tionen zu tun. Denn sowohl im Abendmahlstreit als auch in der Frage der Prädestina­tion neigte der stets auch theolo­gisch engagierte Arzt den Ansichten Calvins zu. Offene oder versteckte Calvinisten aber waren in Breslau, wie das Beispiel des Zacharias Ursinus zeigte, nicht geduldet. Der 1534 geborene Sohn eines Breslauer Almosenpflegers und Predigers hatte mit einem von Johannes Krafft vermittelten Ratsstipendium in Wittenberg studiert und war seit 1558 Lehrer an der Elisabethschule. Als seine calvinistische Haltung im Frühjahr 1560 Anstoß erregte, kehrte er – wie manche seiner Gesinnungsgenossen – Breslau den Rücken, ging zunächst nach Zürich, dann nach Heidelberg, wo er Leiter einer reformierten theolo­gischen Ausbildungsstätte wurde und im Auftrag des Kurfürsten ein berühmtes Lehrbuch, den Heidelberger Katechismus, zusammenstellte.236 Auch Johannes Krafft brachte das zunehmend angespannter werdende Verhältnis z­ wischen konservativen Lutheranern und (Krypto-)Calvinisten mehr und mehr in Bedrängnis; im September 1561 enthob der Rat den Anhänger Melanchthons und mancher Lehren Zwinglis und Calvins schließ­lich unter nichtigem Vorwand seiner Stellung als Stadtphysikus. Der medizinische Ruf des materiell längst unabhängigen Arztes war zu ­diesem Zeitpunkt frei­lich schon weit über die Odermetropole hinausgelangt. Seit seiner Augsburger Bekanntschaft mit dem Kaiserhof war sein Rat immer wieder auch am Hofe Ferdinands I. nachgefragt worden. Schließ­lich ernannte ihn der Kaiser im Spätsommer 1560 zu seinem Leibarzt, sodass sich Krafft zunächst öfters für längere Zeit nach Wien begab und 1563 schließ­lich ganz dorthin übersiedelte. Zwar kehrte er nach Ferdinands Tod im Juli 1564 nach Breslau zurück, doch berief ihn auch Maximilian II. zu seinem Leibarzt, sodass er weiterhin viel unterwegs war. Er pendelte

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nicht nur regelmäßig nach Wien, sondern begleitete den Kaiser auch auf dessen zahlreichen Reisen, wiederholt nach Prag, zu den Reichstagen nach Augsburg, Speyer und Regensburg oder 1566/67 auf einen Feldzug gegen die Türken. Für s­ olche Dienste erhob ihn Maximilian 1567 in den Adelsstand und verlieh ihm 1568 die Pfalzgrafenwürde. Als Crato von Crafftheim – wie er sich seither nannte – von anderen Ärzten öffent­lich einer falschen Behandlung des im Oktober 1576 verstorbenen Kaisers beschuldigt wurde, zog er sich auf das Gut Rückers bei Glatz zurück, das er einige Zeit zuvor erworben hatte und auf dem er eine der ersten reformierten Kirchengemeinden Schlesiens begründete. Allerdings rief ihn auch Rudolf II. an seinen Hof, sodass er sich ab 1577/78 regelmäßig in Prag aufhielt. Da die ständigen Reisen zunehmend seine ohnehin schwache Gesundheit beeinträchtigten, ihm wohl auch die spezifische Atmosphäre des Prager Hofes missfiel, an der die von Crato abgelehnte Astrologie und manch anderer Aberglaube immer größeren Einfluss gewannen, bemühte er sich bald um seine Entlassung. Als er diese 1581 erreichte, richtete er sich zunächst auf seinem Gut Rückers ein, siedelte aber 1583 wieder dauerhaft nach Breslau über. Sein prachtvolles, ganz im Stil der Zeit ausgestattetes Haus wurde für kurze Zeit zum Mittelpunkt des geistigen Breslauer Lebens. Zwar warfen ihm und seinem Freundeskreis manche Gegner, wie der Breslauer Bischof Martin Gerstmann, weiterhin calvinistische Neigungen vor, doch sah der Rat darüber nun hinweg.237 Schließ­lich galt der 64-Jährige längst als ein heraus­ ragender Sohn der Stadt, der seine Mitbürger nicht nur als kaiser­licher Leibarzt, nicht nur mit seinen fortgesetzten medizinischen Studien und seiner ausgedehnten Korrespondenz mit führenden europäischen Ärzten und Theologen beeindruckte. Auch seine große Büchersammlung, seine zahlreichen Kunstschätze, seine schöngeistig-­religiösen Dichtungen und historiographischen Versuche etwa in Gestalt (einer nur handschrift­lich erhaltenen) „Historiae urbis Vratislaviae synopsi“ riefen bei den Breslauern Bewunderung hervor, auch wenn die wenigsten von ihnen selber über ähn­lich ausgeprägte humanistische Interessen und Kenntnisse verfügten. Als Crato von Crafftheim am 19. Oktober 1585 drei Monate nach seiner Ehefrau mitten in den Wirren einer erneuten Pestepidemie starb, verlor die Stadt ihren bedeutendsten frühneuzeit­lichen Mediziner und Denker.

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Städtische Politik im Zeitalter der Konfessionalisierung Breslau war im Verlauf des 16. Jahrhunderts nicht nur lutherisch geworden, sondern auch geblieben. Mit dem Augsburger Religionsfrieden vom 25. September 1555 war sein Recht auf freie Konfessionswahl, auch wenn der habsbur­gische Landesherr die Gültigkeit des Augsburger Reichsgesetzes für Schlesien bestritt, tatsäch­lich stillschweigend anerkannt worden. Gleichwohl blieb die Stadt von einem spezifischen Nebeneinander katho­lischer und lutherischer Sphären geprägt. Denn die außerhalb der städtischen Jurisdik­ tion gelegenen kirch­lichen Bereiche, die Dominsel, Teile der Sandinsel sowie die am Rande der Rechtsstadt gelegenen Klosterbezirke blieben recht­lich selbständig und Refugien des Katholizismus, auch wenn letztere – die Prämonstratenser von St. Vinzenz, die Kreuzherrn mit dem roten Stern von St. Matthias, die Klarissen von St. Klara und die Dominikaner/innen von St. Adalbert und St. Katharina – in dauernder Furcht vor Enteignung und Vertreibung bzw. am Rande des wirtschaft­lichen Ruins lebten.238 Neben der katho­lisch-­bischöf­lichen und der städtisch-­lutherischen Herrschaftssphäre trafen im frühneuzeit­lichen Breslau zwei weitere Herrschaftsebenen aufeinander: jene des immediaten Herzogtums Breslau und jene der gesamtschle­sischen Stände. Für das Herzogtum hielt der Rat als Inhaber der Landeshauptmannschaft nach wie vor alle landesherr­lichen Befugnisse in der Hand, die sich der König nicht selbst vorbehielt. Die Stände trafen sich seit 1474 auf einem Generallandtag bzw. Fürstentag, in der Regel in Breslau. Die in drei Kurien (Fürsten, Herren, Städte – wobei Breslau als einzige Stadt in der zweiten Kurie vertreten war) tagende Versammlung wurde unter den Habsburgern vom König einberufen und von einem Oberlandeshauptmann als dessen Vertreter geleitet; seit 1498 zunächst einem der schle­sischen Fürsten vorbehalten, wurde d ­ ieses Amt 1536 – 1608 ausschließ­lich von den Breslauer Bischöfen wahrgenommen. Während das Breslauer Bistum aufgrund seiner Zugehörigkeit zur pol­ nischen Erzdiözese Gnesen Einflüssen aus dem katho­lischen Polen ausgesetzt blieb, standen die drei welt­lichen Herrschaftssphären – Stadt, Herzogtum Breslau, Gesamtschlesien – unter dem Einfluss des böh­mischen Königs bzw. habsbur­gischen Landesherrn. Dabei wirkten sowohl die städtischen Herrschaftsträger als auch die geist­lich-­bischöf­lichen als dessen Vertreter zugleich jeweils auch auf der regionalen bzw. welt­lichen Landesebene. In

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­ iesem komplexen Beziehungsgeflecht welt­licher und geist­licher Loyalid täten hat es der Breslauer Rat verstanden, eine weitgehend eigenständige Politik zu vertreten. Deren Anliegen war es in erster Linie, die relativ unabhängige politische Stellung der Stadt zu bewahren und zugleich die Bedingungen und Perspektiven der städtischen Wirtschaft, insbesondere des Handels zu sichern und zu verbessern. Tatsäch­lich gewann die Stadt mit ihrer Inkorpora­tion in das Habsburger Reich – wie schon einmal unter den Luxemburgern Johann und Karl – den mächtigen Rückhalt eines Landesherrn, dem der wirtschaft­liche Erfolg der Stadt mit Blick auf seine eigenen finanziellen Bedürfnisse mehr als am Herzen lag. So hat denn auch bereits Ferdinand I. anläss­lich seiner Huldigung durch die schle­sischen Stände, zu der er im Mai 1527 drei Wochen in Breslau weilte, der Stadt alle ihre Privilegien bestätigt. Karl V. hat sie drei Jahre ­später reichsseitig noch einmal ausdrück­lich bekräftigt, der Stadt überdies für das Herzogtum Breslau das Landgüterprivileg und ein neues (mit Ausnahme der Jahre 1939 – 1989 bis heute geführtes) Wappen verliehen (Farbtafel 10). Damit sah sich die Stadt in ihrer politischen Geltung in die Nähe der großen Reichsstädte gerückt.239 Auch in wirtschaft­licher Hinsicht erlebte Breslau seit dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts eine merk­liche Erholung und stand – entgegen der seinerzeitigen pessimistischen Prognosen Barthel Steins oder der Resigna­tion der Popplaus – bald wieder in Blüte. Ihre Finanzkraft wurde zu einem unentbehr­lichen Faktor habsbur­gischer Politik. Diese verschlang im ­­Zeichen der sogenannten Türkengefahr und weitgespannter politischer Ambi­tionen enorme Steuersummen, Kredite und Bürgschaften. Die entsprechenden Gelder waren aus dem schle­sischen Landesteil praktisch nur mit Hilfe der Breslauer Großkaufleute beziehungsweise des von ihnen dominierten Rates aufzutreiben. Tatsäch­lich gewährte die Stadt der könig­lichen beziehungsweise kaiser­lichen Kasse immer wieder enorme Vorschüsse auf die schle­sischen Steuererhebungen und übernahm gewaltige Bürgschaften für landesherr­liche Kredite. Allein in den Jahren 1553 – 56 beliefen sich die gewährten Kredite auf 300.000 Gulden. In den 1560 – 90er Jahren kamen weitere fünf- und sechsstellige Beträge hinzu, sodass Rudolf II. 1594 bei den Breslauern ungeachtet zwischenzeit­licher Tilgungen mit 294.000 Gulden in der Kreide stand. Darüber hinaus trug

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die Stadt (neben ihren eigenen Steuerleistungen) auch mit materiellen Hilfen (Söldnern, Waffen, Ausrüstung) fortlaufend zu Türken- und ande­ ren Feldzügen bei. Vor d ­ iesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Habsburger bis weit ins 17. Jahrhundert hinein dem Breslauer Rat nicht nur in der konfessionellen Frage, sondern auch in politischen und wirtschaft­lichen Angelegenheiten immer wieder entgegen kamen. Ihre von Anfang an verfolgten Bemühungen, die schle­sischen Territorien einer stärker zentralistischen Herrschaft zu unterwerfen, prallten an Breslau bzw. seinen vollen Stadtkassen zumeist ab. So lenkte Ferdinand I. letzt­lich auch 1549 ein, als er den seltenen Versuch unternahm, der Stadt einmal die Grenzen ihres Selbständigkeitsdranges aufzuzeigen. Der Rat hatte 1541 zusammen mit den protestantischen schle­sischen Ständen Verbindung mit dem gegen Karl V. und Ferdinand I. agierenden Schmalkaldischen Bund aufgenommen. Wenig ­später leistete er auch hartnäckigen Widerstand gegen Ferdinands Pläne, in Schlesien eine eigene Münze einzuführen; das 1546 in der Breslauer Kaiserburg installierte könig­liche Münzamt lehnten die Ratsherren als einen eklatanten Eingriff in ihre städtische Jurisdik­tion ab. Ferdinand reagierte mit einem „Pönfall“, das heißt er erhob eine aus zehn Anklagepunkten bestehende Klage gegen die Stadt, ließ die Strafe dann aber überraschend milde ausfallen. Er begnügte sich mit einer grundsätz­lichen Warnung an die Ratsherren in Gestalt einer erheb­lichen Geldstrafe, verzichtete aber auf die Durchsetzung seines Münzregals.240 Auch wenn die Stadt nicht hatte verhindern können, dass ihr 1547/48 im Zusammenhang mit der kaiser­lichen Ächtung Magdeburgs der tradi­ tionelle Rechtszug an das dortige Schöffengericht dauerhaft verwehrt und sie stattdessen an eine neugeschaffene Prager Appella­tionskammer verwiesen wurde, sah sie sich doch schon bald nach dem „Pönfall“ von 1549 wieder in der Gunst des Königs, der schließ­lich auf ihre finanzielle Leistungsfähigkeit angewiesen blieb. Auf Dauer konnten die Breslauer allerdings nicht verhindern, dass in ihre Mauern neue könig­liche Instanzen einzogen. Noch unter Ferdinand I. wurde 1554/58 in der Breslauer Kaiserburg die „König­lich-­Breslauer Kammer“ eingerichtet. Als eine gesamtschle­sische Zentralbehörde sollte sie über sämt­liche könig­lichen Einkünfte und Rechte wachen und zugleich als

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Gegengewicht zu den schle­sischen Ständen fungieren. Diese hatten ihrerseits kurz zuvor (1552), ebenfalls in Breslau, ein eigenes zentrales Finanzorgan, das Generalsteueramt, etabliert. Beide Ämter waren den Breslauern nicht unbedingt willkommen, brachten aber gut ausgebildete Beamte, Sekretäre und Kanzleidiener in die Stadt, was sich auf die wirtschaft­liche, vor allem aber kulturelle und intellektuelle Entwicklung der Stadt durchaus positiv auswirkte. Der Rat mochte über die ungeliebten Finanzorgane bald umso leichter hinweggesehen haben, als Ferdinands I. ­Nachfolger viel zu sehr mit anderen Problemen beschäftigt waren, um konsequent dessen Zentra­ lisierungsmaßnahmen fortzuführen. Von Maximilian II. bis Ferdinand II. ließen sie sich in Breslau allesamt auch nur ein einziges Mal, näm­lich anläss­lich ihrer Huldigung, sehen und beschränkten ihr Interesse an der Odermetropole ansonsten auf deren Finanzbeiträge. Dies gewährte Rat und Stadt noch für eine gute Weile erheb­lichen politischen Handlungsspielraum, der im September 1611 schließ­lich auch in einem markanten Akt städtischer symbo­lischer Repräsenta­tion gipfelte. Damals konnten es die Ratsherren anläss­lich eines Fürstentages, der nach 34 Jahren wieder einen Landesherrn nach Breslau führte, erstmals durchsetzen, dass sie ­diesem nicht mehr gesondert beziehungsweise zusammen mit den Bürgern auf dem Ring, sondern gemeinsam mit den übrigen schle­sischen Fürsten und Ständen in der Kaiserburg huldigten. Damit verschafften sie ihrem Anspruch auf Ebenbürtigkeit mit den übrigen schle­sischen Ständen eine weithin sichtbare öffent­liche Anerkennung.241 Um das Verhältnis ­zwischen Ständen und Landesherrn stand es zu ­diesem Zeitpunkt nicht zum Besten. Seit der Jahrhundertwende hatte Rudolf II. den „Kompromisskatholizismus“ 242 seiner Vorgänger durch erste ernsthaftere Rekatholisierungsversuche abgelöst und damit bei den böhmischen und schle­sischen Ständen heftigen Widerstand provoziert. Schließ­lich verweigerte der schle­sische Fürstentag 1609 die Steuerzahlung, sodass sich Rudolf gezwungen sah, einzulenken und jenen Majestätsbrief zu erlassen, der die lutherische (nicht aber die reformierte/calvinistische) Konfession in Schlesien offiziell anerkannte. Auch Matthias und ­Ferdinand II. mussten 1611 bzw. 1617 in Breslau zunächst die Privilegien des Majestätsbriefes bestätigen, ehe ihnen gehuldigt wurde. Dabei sahen die protestantischen Stände insbesondere der Kaiser- bzw. Königsherrschaft

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des steiermärkischen Erzherzogs Ferdinand mit größten Befürchtungen entgegen. Diese entluden sich im Mai 1618 denn auch in jenem „Prager Fenstersturz“, der den Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg darstellte. Schlesien war zwar kein Hauptschauplatz ­dieses Krieges, doch bedrohten „das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun“ – wie Andreas Gryphius 1636 in seinem Sonett „Tränen des Vaterlandes“ formulierte – von Zeit zu Zeit auch Breslau. Die Ratsherren haben die Stadt jedoch mit ­einer vorsichtig lavierenden, hinhaltend flexiblen, mög­lichst um Neutralität bemüh­ten Politik vergleichsweise unversehrt durch diesen Krieg gebracht. Erst als der offene Konflikt mit dem habsbur­gischen Landesherrn unvermeidbar geworden war, schlossen sie sich 1619 den protestantischen Ständen an, verweigerten dem Kaiser die Huldigung und erkannten den zum neuen böhmischen König erhobenen calvinistisch gesinnten Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz an. Im Februar 1620 empfingen sie ihn zur Huldigung in ihren Mauern. Als seine Herrschaft in der Schlacht am Weißen Berg noch im November des gleichen Jahres zusammenbrach, kehrten sie zusammen mit den übrigen schle­sischen Ständen unter habsbur­gische Botmäßigkeit zurück. Gemeinsam erkauften sie sich mit einer Geldbuße von 300.000 Gulden die kaiser­liche Verzeihung und erwirkten zugleich die Anerkennung der ihnen im Majestätsbrief von 1609 gewährten Rechte (Dresdener Akkord vom 28. Februar 1621). Als 1626 der protestantische Heerführer Ernst von Mansfeld mit seinen Truppen durch Schlesien zog und die Breslauer zu einem erneuten Frontwechsel aufforderte, wahrten diese dem Kaiser die Treue. Sie öffneten ihre Tore wenig ­später aber auch den kaiser­lichen Truppen nicht, die nach Vertreibung der Mansfelder in Schlesien eine brutale Rekatholisierung in Gang setzten. Drangsal und Not des Krieges hielten sich für Breslau bis dahin in Grenzen, ja seine Kaufleute profitierten nicht wenig vom Kriegsgeschehen, von den durchziehenden Truppen und deren Ausrüstungs-, Versorgungsund sonstigen Bedürfnissen. Es waren andere Katastrophen, die die Stadt in wachsende Schwierigkeiten brachten: eine verheerende Pestepidemie, der 1625 über 2000 und 1633 über 12.000 Menschen zum Opfer fielen; ein Stadtbrand, der im Juni 1628 die halbe Neustadt in Schutt und Asche legte; Ernteausfälle, die erheb­liche Versorgungsprobleme verursachten; hohe Kontribu­tionsforderungen, die eine rasante Infla­tion zur Folge hatten.243

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Schließ­lich rückte auch der Krieg selbst noch einmal ganz nahe heran. Im September 1632 besetzten Truppen des schwedischen Königs und der mit ihm verbündeten Sachsen und Brandenburger die unbefestigte Dom- und Sandinsel, zwangen die Stadt zur Versorgung der Besatzer und stürzten den Rat erneut in Loyalitätskonflikte. Vergeb­lich versuchten die Ratsherren ihre neutrale Haltung zu wahren. Im August 1633 sahen sie sich gezwungen, gemeinsam mit den protestantischen Fürstentümern Liegnitz, Brieg und Oels eine sogenannte „Konjunk­tion“ mit den Besatzern einzugehen, womit sie praktisch einen erneuten Abfall von ihrem katho­lisch-­kaiser­lichen Landesherrn vollzogen.244 Der ließ Schlesien von Wallenstein bis Oktober 1633 weitgehend zurückerobern, sodass erneut kaiser­liche Truppen vor der Stadt erschienen, denen der Rat zwar den Einlass verwehren, nicht aber die Versorgung vor den Stadttoren verweigern konnte. Als anschließend die protestantische Seite wieder die Oberhand gewann, rächte sie sich dafür bei den Breslauern mit einer Blockade der Handelswege, woraufhin diese erneut die Seite wechselten. Im Mai 1634, als säch­sische Truppen vor der Stadt lagen, gab der Rat seine Scheinloyalität gegenüber dem Kaiser endgültig auf und setzte ganz auf die protestantische Karte bzw. den säch­sischen Kurfürsten Johann Georg I. ­Dieser verließ allerdings wenig ­später das Bündnis mit Schweden, verständigte sich mit dem Kaiser und überließ Schlesien im „Prager Frieden“ Ende Mai 1635 wieder dem Habsburger. Damit war auch Breslaus Kriegsschicksal besiegelt, musste sich doch ganz Schlesien Ferdinand II. bedingungslos unterwerfen. Zwar forderte ein Teil der Stadtbevölkerung eine Fortsetzung des Kampfes, doch nahmen die – von ihren diplomatisch versierten Syndici Johann von Pein und Reinhard Rose von Rosenigk gut beratenen – Ratsherren lieber die politische Demütigung einer Kapitula­tion in Kauf, als in einem aussichtslosen Widerstand die Existenz der Stadt aufs Spiel zu setzen.245 So lenkten sie ein, unterwarfen sich und schlugen im Frühjahr 1636 auch den offenen antikaiser­lichen Aufruhr städtischer Soldaten und Einwohner nieder.246 Der Landesherr hat ihnen ihr Einlenken auch nicht allzu schwer gemacht, ließ er sie doch insgesamt glimpflich davonkommen. „Auß höchstangebohrner Österreichischen mülde und sanftmuth und umb deß geliebten friedens willen“ wollte er die „statt Preßlaw […] zu ksl. und kgl. Gnade auff- und angenommen haben, sie undt ihre posteritet deßiehnigen,

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so dieße zeit hero ungleich passirt, an ehre, würden, landt, leuthen, haab und güettern oder sonst andere wege keinergestalt entgelden lassen, bei ihrenn vor dieser kriegsunruhe gehabten privilegiis ­schützen, auch bei dem exercitio der ungeänderten Augspur­gischen confession allerdings bleiben lassen.“247 Nur in einem – durchaus empfind­lichen – Punkt musste sie ihre Untreue teuer bezahlen, entzog ihr Ferdinand II. doch entschädigungslos die Landeshauptmannschaft, die fortan einem kaisertreuen Adligen anver­ traut wurde. Dieser Schritt kam allerdings nicht überraschend, hatte der Wiener Hof doch schon des Öfteren entsprechende Vorstöße unternommen. Zuletzt war es dem Rat 1625 gelungen, die Landeshauptmannschaft noch einmal für sich zu verteidigen. Doch musste den Ratsherren schon die 1628 vorgenommene Umwandlung der schle­sischen Oberhauptmannschaft in eine Wien direkt unterstehende Zentralbehörde (Oberamt), die neben der könig­lichen Kammer ebenfalls in Breslau angesiedelt wurde, signalisieren, dass ihre politischen Freiheiten und Wirkungsmög­lichkeiten künftig zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt sein würden. Immerhin gelang es dem Rat, die Exem­tion der Stadt aus der Zuständigkeit des neuen Landeshauptmannes – der zu allem Überfluss auch noch ein in den kaiser­lichen Dienst übergelaufener ehemaliger Ratsältester war – und ihre Anerkennung als eigenständiger, unmittelbar dem Oberlandeshauptmann unterstehender Landstand zu erlangen.

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Jesuiten-Kolleg und alte Universität Die habsbur­gische Landesherrschaft währte in Breslau schon über hundert Jahre als sie nach dem Dreißigjährigen Krieg in eine neue Phase trat und sich den Bürgern zunehmend stärker fühlbar machte. Denn obwohl ihnen der Westfä­lische Friede 1648 noch einmal ausdrück­lich ihre Religionsfreiheit bestätigt hatte, sahen sich die lutherischen Breslauer nun in wachsendem Maße mit gegenreformatorischen Maßnahmen konfrontiert. Diese schlugen sich in dem knappen Jahrhundert der noch verbleibenden habsbur­gischen Herrschaft nicht zuletzt in einer Barockisierung des Stadtbildes nieder. Noch heute präsentiert sich die Breslauer Altstadt in weiten Zügen als ein Ensemble prachtvoller barocker Sakral-, Behörden-, Residenz- und Bürgerbauten – was seine Ursache frei­lich auch darin hat, dass beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg dem habsbur­ gisch-­böhmischen bzw. katho­lischen Barock (neben der als polnisch aufgefassten spätmittelalter­lichen Gotik) gegenüber der protestantisch-­ preußischen beziehungsweise deutschen Architektur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts aus nachvollziehbaren politischen Motiven der Vorzug gegeben wurde.248 Zum monumentalsten Denkmal des barocken Breslau und zugleich zu einer bau­lichen Apotheose der habsbur­gischen Rekatholisierungsbestrebungen wurde der Komplex des Jesuitenkollegs beziehungsweise der 1702 gegründeten Breslauer Universität (Farbtafel 11). Der nach erheb­lichen Kriegsschäden in den Jahren 1949 bis 1958 wiederhergestellte, 1997 bis 2003 grundlegend sanierte Komplex entstand in den Jahren 1689 bis 1755. Er umfasst die Universitäts-­Kirche zum Allerheiligsten Namen Jesu, die nach 1819 lange als Pfarrkirche der St. Matthias-­Gemeinde fungierte, den langgestreckten Hauptflügel des Universitätsgebäudes, dessen kurzen Südflügel, der den Hauptflügel mit der Universitätskirche verbindet, sowie den gegenüberliegenden, separat stehenden St. Joseph-­Konvikt, der heute das

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Abb. 6  Gebäudekomplex des ehemaligen Jesuitenkollegs bzw. der alten Universität 1 – Jesu-­Kirche; 2 – Hauptgebäude (mit Oratorium Marianum und Aula Leopoldina); 3 – Tordurchfahrt; 4 – Ostflügel; 5 – Südflügel (mit Apotheke); 6 – St. Joseph-­Konvikt

Institut für Anthropologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften mit dem Museum des Menschen und das Dekanat der Naturwissenschaft­ lichen Fakultät beherbergt. Das vierteilige Ensemble fügte sich harmonisch in die räum­liche Struktur der Loka­tionsstadt ein und schloss diese an der Spitze ihrer Nord-­Süd-­ Achse zur Oder hin ab. Es entstand zum größten Teil auf dem Gelände der ehemaligen Piastenburg, die Karl IV. um die Mitte des 14. Jahrhunderts zur Kaiserburg hatte ausbauen lassen. Die mächtige, fünfseitige, mit drei Wehrtürmen ausgestattete Anlage war im 15. Jahrhundert zu einem spätgotischen Schloss umgestaltet, im 16. Jahrhundert teilweise im Renaissancestil erneuert und als Versammlungsort der schle­sischen Stände sowie als Huldigungsort genutzt worden. Seit 1558 beherbergte sie die Schle­sische Kammer und stellte den einzigen unstrittig könig­lichen Besitz innerhalb des Stadtgebietes dar. Als solcher war der Gebäudekomplex, auch wenn seine Nordflügel einen Teilabschnitt der Stadtmauer bildeten, dem Einfluss

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des Rates entzogen. Dieser konnte daher auch nicht verhindern, dass er 1659 von Kaiser Leopold I. zunächst vorübergehend, 1671 dann dauerhaft den Jesuiten überlassen wurde. Die Jesuiten waren zu d ­ iesem Zeitpunkt in Breslau bereits seit Längerem 249 aktiv. Schon 1562 hatte ein Vertreter der 1537 – 40 von Ignatius von Loyola begründeten Societas Jesu erstmals, wenn auch noch gänz­lich erfolg­ los, die Aussichten für die Gründung eines Kollegs in Breslau erkundet. Knapp zwei Jahrzehnte ­später entsandte der Orden auf Bitten des Breslauer ­Bischofs Martin Gerstmann zwei weitere Patres an die Oder. Die zuvor in Prag, Olmütz und Wien tätigen Domprediger und Professoren Stephan Corvinus und Matthäus Krabler etablierten 1581 nicht nur eine Mission, sondern strebten offenbar auch bereits die Einrichtung eines Kollegs an. Im Gelehrtenkreis um Crato von Crafftheim beobachtete man 1582 jedenfalls mit einer gewissen Bewunderung, dass die beiden Jesuiten dank ihrer umfassenden Bildung, Beredsamkeit, vorbild­lichen Lebensführung und Bescheidenheit auch mit unentgelt­lichem Unterricht in der Stadt Erfolge erzielten. Die meisten Bürger verfolgten dies allerdings mit großer Sorge, ja fürchteten, die Jesuiten würden ihnen ihre Kinder entführen. So beklagte der Rat im Juni 1591 gegenüber dem Bischof und Oberlandeshauptmann, dass die Patres „uns und unseren Bürgern die Kinder wider der Eltern Willen durch ihre heim­licherweise hierzu bestellten emissarios wollten abrauben, dieselben bei sich verhehlen und nachmals in fremde Orte oder Lande verschicken und eine andere Religion anzunehmen zwingen“ würden.250 Nicht nur ­solche Gerüchte machten den Jesuiten bald das Leben schwer, lösten bei den lutherischen Bürgern Widerstand aus und schürten die Opposi­tion des Rates. Auch Streitigkeiten mit Teilen des katho­lischen Domklerus trugen zu ihrem Scheitern bei. So kamen ihre Missions- und Lehranstrengungen zunächst über Ansätze nicht hinaus und wurden 1595 ganz abgebrochen. Ein erneuter Anlauf zu einem jesuitischen Kolleg erfolgte dann erst unter den gewandelten Bedingungen der seit dem Prager Frieden verstärkt einsetzenden habsbur­gischen Gegenreforma­tion. Im Februar 1638 brachten der Präsident der Schle­sischen Kammer, Christoph von Schellendorf, und der Prälat der Kreuzherren mit dem roten Stern, Heinrich Hartmann, heim­ lich die beiden Jesuiten Johann Wazin und Heinrich Pfeilschmidt in die

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Stadt. Diese predigten zunächst im Kloster der Kreuzherren, wo sie sogleich auch den Schulunterricht aufnahmen. Da dieser rasch Zulauf fand – die Schülerzahl stieg von März bis Dezember 1638 von zwölf auf hundert – und größere Räum­lichkeiten erforderte, überließ ihnen Ferdinand III. im September 1638 das Gebäude der König­lichen Münze, das sogenannte Schönaichsche Haus. Zugleich trug er für die personelle Verstärkung der Niederlassung Sorge. Die dazu benötigen Finanzmittel wurden aus einer Schenkung aufgebracht, die der kaiser­liche Obersthofmeister und Prior der Johanniter in Ungarn Christoph Simon Graf von Thun 1635 testamentarisch für den Fall hinterlassen hatte, dass in Breslau ein Kolleg gegründet würde. So konnte die zunächst auf sechs Patres verstärkte Niederlassung dauerhaft ans Werk gehen; 1640 erreichte sie das Niveau eines Gymnasiums, fünf Jahre ­später wurde sie zum Kolleg erhoben, dessen Lehre de facto bereits einen inoffiziellen Hochschulunterricht darstellte. Die Stadt begegnete den jesuitischen Aktivitäten allerdings nach wie vor mit massivem Widerstand. Allerdings fanden die Ratsherren nun mit ihren Protesten beim Landesherrn beziehungsweise bei den kaiser­lichen Behörden kaum noch Gehör. Das galt vor allem für ihre Versuche, die weitere räum­lich-­bau­liche Expansion des Ordens innerhalb der Stadt zu verhindern. Zwar konnte der Rat noch in den 1640er und frühen 1650er Jahren verschiedene Pläne vereiteln, den Jesuiten in prominenten Bau­ objekten, etwa dem Dorotheenkloster der Franziskaner, ein neues, größeres Domizil zu verschaffen; vorübergehend gelang es ihm auch, die Aussicht zu erwirken, dass der ungeliebte Orden vor die Tore der Stadt, entweder auf die Dom- oder die Sandinsel verlegt würde. Doch schon im Mai 1653 sicherte der Sohn des Kaisers, Ferdinand IV., als König von Böhmen den Jesuiten zu, ihnen die kaiser­liche Burg übergeben zu wollen, sollte sich ihre Aussicht auf das Dorotheenkloster zerschlagen. Die Burg schien den Jesuiten für ihre Pläne bald auch weitaus geeigneter als das baufällige Kloster. Mit diversen Gutachten suchten sie daher deren aktuellen Nutzer, die Schle­sische Kammer, davon zu überzeugen, dass eben dieser Komplex der beste Ort für ihr Kolleg und ihre expandierende Hochschule sei. Gleichwohl vergingen noch einige Jahre, ehe Kaiser Leopold I., der sich als ehemaliger Jesuitenschüler dem Orden besonders gewogen zeigte, seine Breslauer Kammer im September 1659 anwies, ihr Domizil mit jenem der Jesuiten

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zu tauschen. Dieser Tausch, der Umzug der Kammer in das Schönaichsche Haus und der Jesuiten in die Burg, war zunächst als Provisorium gedacht, wurde aber im April 1671 verstetigt, als der Kaiser die Burg den Jesuiten dauerhaft als Eigentum übertrug. Damit war die Frage nach dem Standort des inzwischen 33 bis 35 Mitglieder, darunter 15 Priester, zählenden Kollegs geklärt. Nun konnte seine programmatische und bau­liche Ausgestaltung in Angriff genommen werden. Schon 1677 klagte der Rat über ihm bekannt gewordene Pläne, das Kolleg zu einer regelrechten Universität auszubauen. Diese Pläne wurden damals – sei es aufgrund des städtischen Protestes, sei es aus anderen Gründen – nicht weiter verfolgt. Erst 1695 tauchten sie wieder auf. Sie zielten nicht allein auf eine förm­liche Anerkennung des bestehenden Hochschulunterrichtes als Universität, sondern fassten – für eine jesuitische Initiative durchaus ungewöhn­lich – eine Volluniversität mit Philosophischer, Theolo­gischer, Medizinischer und Juristischer Fakultät ins Auge. Die dem Kaiser vom Rektor des Kollegs, Friedrich Wolff von Lüdinghausen, präsentierten Pläne wurden von den Breslauer Ratsherren sogleich erneut ener­gisch abgelehnt. Ihre Bemühungen, direkt am Wiener Hof eine Umsetzung der Universitätsidee zu vereiteln, blieben letzt­lich zwar erfolglos, erreichten aber immerhin, dass Leopold einen Kompromiss suchte und im Oktober 1702 ledig­lich eine „unvollendete Universitätsstiftung“251 mit einer Theolo­ gischen und Philosophischen Fakultät vornahm. Die feier­liche Einweihung der Universität fand am 15. November 1702 in der ­Kirche zum Allerheiligsten Namen Jesu statt. Die ­Kirche war erst kurz zuvor im Groben fertig gestellt worden. Sie stellte das erste Gebäude des neuen barocken Universitätskomplexes dar.252 Die Jesuiten hatten, gleich nachdem ihnen die Burg dauerhaft überlassen worden war, konkrete Pläne zu deren bau­licher Umgestaltung entwickelt. Ein eigener Kirchenbau gehörte dabei naheliegenderweise zu den Prioritäten. Allerdings mussten sie feststellen, dass weder Bausubstanz noch Grundfläche der erworbenen Anlage eine ausreichende Basis für ihre ambi­tionierten Baupläne boten; die Burg musste abgerissen und das Baugelände erheb­ lich erweitert werden. Die dazu notwendige Verständigung mit dem Rat, insbesondere über einige der Burg benachbarte Ställe und Bürgerhäuser entlang der Stadtmauer sowie das Kaisertor zog sich angesichts des

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anhaltenden städtischen Widerstands gegen die Jesuiten längere Zeit hin. Erst 1728 konnte eine Einigung erzielt werden, wenngleich es auch danach noch zu gelegent­lichen Grundstücksstreitigkeiten ­zwischen den Parteien gekommen ist. Der seit Juli 1689 im südöst­lichen Drittel des Burgterrains aufgeführte Kirchenbau beanspruchte zunächst nur ein sehr kleines Stück städtischen Bodens, das der Rat den Jesuiten, „um alle guthe Nachbarschaft zu erhalten“, denn auch abtrat.253 So konnte bis Juli 1698 eine rechteckige, fünfjochige Wandpfeilerkirche errichtet werden, die sich am römischen Vorbild der jesuitischen Mutterkirche Il Gesù orientierte. Ihr von Kapellen und Emporen flankierter, mit einem Tonnengewölbe gedeckter Innenraum erhielt ledig­lich über die Kapellenund Emporenfenster Tages­licht. Auf diese Weise entstand „eine diffuse, die malerische und skulpturale Ausstattung betonende Lichtinszenierung“254, die den Blick des Besuchers auf den zweijochigen Chor und den imposanten Hochaltar lenkte. Die vollständige Ausgestaltung des Innenraumes nahm einige Jahre in Anspruch und konnte nur in Etappen realisiert werden. Zwischen 1704 und 1706 führte der kaiser­liche Hofmaler Johann Michael Rottmayr die Decken- und Wandmalereien aus, während der aus Tirol stammende Architekt und Künstler Christoph Tausch 1722 – 1724 den Hochalter schuf und 1725 – 1734 weitere Künstler die Seitenaltäre errichteten und ausschmückten.255 Zu d ­ iesem Zeitpunkt war auch bereits der Bau des langgestreckten drei-, bei gleicher Höhe teilweise auch vierstöckigen Hauptgebäudes in vollem Gange. Die Universität hatte rasch Zulauf gefunden und zählte 1724 bereits 1300 Studierende. Ein Aus- beziehungsweise Neubau war mithin dring­lich geworden. Die Pläne für ihn hat Christoph Tausch (wohl unter Verwendung eines Entwurfs des italienischen Baumeisters Domenico Martinelli) entworfen, während der aus Kärnten stammende Hofarchitekt des Breslauer Bischofs, Johannes Blasius Peintner, die Bauleitung übernahm; nach seinem Tod trat 1732 sein Meistergehilfe Joseph Frisch an seine Stelle. Vorgesehen war ein vollkommen symmetrisches, insgesamt 220 m langes Gebäude, dessen Horizontale nicht nur durch die vertikalen Fensterreihen, Pilaster und Risalite, sondern auch durch drei Türme aufgelockert werden sollte. Der höchste von ihnen sollte als schlanker Glockenturm über dem ehemaligen Kaisertor errichtet werden

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und die Mitte des Gesamtgebäudes markieren. Hier entstand tatsäch­ lich ein Durchgang, der die einstige Torfunk­tion beibehielt. Von d ­ iesem Mittelpunkt aus sollten jeweils zwei Gebäudeflügel in gleicher Länge nach Westen und Osten geführt werden und in ihrer Mitte jeweils einen gleich hohen quadratischen, mit einem Belvedere versehenen Turm – einen Mathematik- und einen Astronomie-­Turm – erhalten. Am 6. Dezember 1728 erfolgte die Grundsteinlegung und der Bau nahm rasch Gestalt an. Zunächst wurde der west­liche Gebäudeflügel aufgeführt, wobei ein hoher Grundwasserspiegel und Oderhochwasser die Arbeiten nicht wenig erschwerten; im April 1729 und im August 1731 stürzten Teile des Rohbaus wieder ein. Dessen ungeachtet konnte der Flügel mit seinem kuppelbekrönten Mathematischen Turm bis November 1732 im Wesent­ lichen fertiggestellt werden. Die Innenausstattung, die reiche malerische und bildhauerische Ausgestaltung der Lehrsäle (Oratorium Marianum, heute Musiksaal im Erdgeschoß sowie Aula Leopoldina im ersten Obergeschoss – das oberste Geschoss erhielt einen Dramatischen Saal für Theateraufführungen) und des Treppenhauses erfolgte durch zahlreiche auswärtige und lokale Künstler und Handwerker in den Jahren 1731 – 1735. Seit 1733 wurde am Torgebäude gearbeitet, dessen Turm bis 1737 zwar bis zur Höhe des Gebäudedaches aufgeführt, aber nie vollendet werden konnte. Auch der Ostflügel, in dem Wohnungen für die Universitätslehrer untergebracht wurden und an dem bis 1741 gebaut wurde, blieb ein Torso und erreichte seine ursprüng­lich geplante Länge nicht; ein Turmbau wurde hier gar nicht erst begonnen. Um das mit 171 m dennoch zu einem der längsten Barockgebäude Mitteleuropas geratene Hauptgebäude mit der ­Kirche zu verbinden, wurde 1736 – 1739 ein schräg vom Ostflügel abzweigender Südflügel errichtet, in dem eine Bibliothek und eine Apotheke untergebracht wurden. Über ein Doppeltreppenhaus und ein einstöckiges Portalgebäude wurde dieser Querflügel 1740 – 1742 an die ­Kirche angebunden. Seit 1735 wurde schließ­lich gegenüber der ­Kirche das annähernd quadratische, dreistöckige St.  Joseph-­Konvikt erbaut. Seine vier um einen Innenhof gelegenen Flügel wurden – obwohl die preußische Eroberung seit 1741 den Gesamtbau zum Erliegen brachte – nacheinander noch bis 1753 fertiggestellt und beherbergten unter anderem Schlafräume für 80 Studenten, eine Bibliothek und die 1755 vollendete St. Josephs-­Kapelle.

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Der mithin innerhalb mehrerer Jahrzehnte gewachsene barocke Gesamtkomplex bot den Jesuiten nicht nur die räum­lich-­materiellen Voraussetzungen für einen weiter expandierenden Lehrbetrieb. Er war auch Ausdruck ihres geistigen und kirchenpolitischen Anspruchs. Seine Architektur und Ikonographie wurden zu Instrumenten einer Kunstpolitik, deren Anliegen die Rückführung der Breslauer Lutheraner und schle­sischen Protestanten zum wahren Glauben war. Dazu setzten die Jesuiten eine alle Sinne beanspruchende Inszenierung ein, die in besonderem Maße auf das Transitorische und Performative setzte. Die Deckenfreskos, Wandmalereien und Altäre waren so gestaltet, dass sie erst in der Bewegung vollständig lesbar waren. Erst in ihrer transitorischen Erfassung, das heißt beim Durchschreiten des jeweiligen Raumes bzw. der Räume erschlossen sich die Kunstwerke dem Betrachter, konnten ihre jesuitischen Botschaften richtig gedeutet werden. Die Werke sollten den Blick des Betrachters einfangen, ihn auf weitere illusionistische Räume hinlenken, ihn selbst subjektiv-­emo­tional ergreifen und ihm so den Aufstieg seiner Seele zu Gott und zugleich die Einheit der katho­lischen Gemeinschaft erfahrbar machen. Im Bestreben, jeden einzelnen Betrachter zum wahren Glauben (zurück)zuführen, haben die Jesuiten die visuellen Effekte ihrer transitorischen Bildkunst zudem geschickt mit den Wirkungen anderer Inszenierungsformen verknüpft. So bauten sie in ihre Schul- und Missionsarbeit in besonderem Maße musika­lische, tänzerische und dramatische Darbietungen ein, die in gewisser Weise auch ihre Liturgie beeinflussten. Damit entwickelten sie geradezu eine „multimediale Praxis des Performativen.“256

Begrenzte Rekatholisierung Das ikonographische Programm der Universitätsbauten vermittelte nicht nur theolo­gische Inhalte, würdigte nicht nur die schle­sischen Fürstentümer als das heimische Rückgrat der Landesuniversität, sondern glorifizierte selbstverständ­lich auch die Herrschaft des kaiser­lichen Oberherrn. Es verband die jesuitische Bildpolitik mit der habsbur­gischen Repräsenta­ tionspolitik und gestaltete den Universitätskomplex zu einem mächtigen Symbol der gemeinsamen jesuitisch-­habsbur­gischen Rekatholisierungspolitik.257 Die Habsburger hatten spätestens seit der Schlacht am Weißen Berg

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vom November 1620 den monokonfessionellen Staat beziehungsweise die Alleinherrschaft des Katholizismus zur Staatsdoktrin erhoben. Allerdings ließ sich diese Doktrin in Schlesien aufgrund seines 1635 und 1648 erneut festgeschriebenen konfessionellen Mischcharakters nicht ohne weiteres umsetzen. Vielmehr musste hier, vor allem in seiner selbstbewussten, nach wie vor finanzstarken und damit politisch einflussreichen Metropole vorsichtiger und indirekter zu Werke gegangen werden. Den plumpen Weg, der 1653/54 im übrigen Schlesien mit der Rückführung von 656 protestantischen ­Kirchen in katho­lische Hände beschritten wurde, hatte Breslau für seine beiden vorstädtischen K ­ irchen, die St. Salvator-­Kirche und die K ­ irche der 11.000 Jungfrauen, erfolgreich zurückweisen können. Gegenüber der Stadt waren mithin subtilere gegenreformatorische Maßnahmen anzuwenden. Die Schul- und Kulturpolitik der Jesuiten stellte in ­diesem Sinn nur einen der gangbaren Wege dar. Andere umfassten die Förderung der Ansiedlung weiterer katho­lischer Orden, die allmäh­liche Einschränkung der Kompetenzen des Rates in Verbindung mit dem Ausbau der kaiser­ lichen Behörden innerhalb der Stadt, schließ­lich eine mit diesen Behörden verknüpfte kaiser­liche Personalpolitik, die katho­lische Beamte bevorzugte und einen entsprechenden Austausch der städtischen Elite anstrebte. Hatten sich die Jesuiten in Breslau bereits 1638 dauerhaft etablieren können, kamen weitere katho­lische Orden erst seit den späten 1660er Jahren wieder oder neu in die Stadt. Seit der Reforma­tion hatte das städtische Klosterleben einen steten Niedergang erlebt. Nun erfuhr es einen neuen Aufschwung: 1669 siedelten sich die Kapuziner an; 1679 gelang den Franziskaner-­Observanten die Rückkehr, gegen die sich der Rat zehn Jahre lang hartnäckig gesträubt hatte; 1686 kamen die Ursulinen und 1692 die Johanniter. Eine Niederlassung der Karmeliter konnte der Rat erfolgreich verhindern. Weniger Vorbehalte hegten die Bürger gegenüber den Spitalorden der Barmherzigen Brüder und Elisabethinnen, die sich 1711 und 1736 in der Ohlauer Vorstadt bzw. der Neustadt ansiedelten und mit ihrer Krankenfürsorge gegen ratsherr­liche Widerstände das Wohlwollen der Gemeinde fanden. Mit den neuen Ordensniederlassungen und der Belebung des Kloster­ lebens der alteingesessenen Kreuzherrn mit dem roten Stern, der Prämonstratenser und Augustiner ging eine rege Bautätigkeit, ja geradezu

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eine gegen­­reformatorische Sakralbau-­Offensive einher.258 Die Kapuziner erbauten 1671 – 1675 auf einem ihnen von einem Adligen überlassenen Grundstück ihre heute nicht mehr bestehende St. Hedwigs-­Kirche; die Franziskaner, denen der Rat die Rückgabe des St. Bernhards-­Kloster verwehrte, errichteten in den Jahren 1680 – 1694 ein neues Klostergebäude und die St.  Antonius-­Kirche, die Barmherzigen Brüder 1714 – 1736 die Dreifaltigkeitskirche mit Kloster und Spitalbauten, während die Johanniter die ihnen zurückgegebene Corpus-­Christi-­Kirche bis 1700 im barocken Stil erneuerten. Auch die übrigen bereits bestehenden K ­ irchen- und Klosterbauten erfuhren in der zweiten Hälfte des 17. und im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts eine grundlegende Barockisierung. Besonders aufwändig wurden die Sakralbauten der katho­lischen Dom- und Sandinsel barockisiert. Hier statteten die Italiener Giacomo Scianzi, Domenico Guidi und Ercole Ferrata 1680 – 1686 die St. Johannes-­Kathedrale mit der prächtigen St. Elisabeth-­Kapelle aus; ihr gegenüber wurde 1716 – 1724 nach einem Entwurf des Wiener Barockkünstlers Johann Bernhard Fischer von Erlach die Kurfürstenkapelle erbaut. In der Altstadt barockisierten die Kreuzherren mit dem roten Stern schon 1655 – 1668 ihren Gebäudekomplex, unter anderem mit einem von dem Jesuiten Theodor Morietti entworfenen barocken Turmhelm, der auch die Muttergotteskirche auf der Sandinsel mit einem Barockhelm ausstattete. Von 1662 – 1678 gestalteten die Prämonstratenser ihre Vinzenz-­Kirche um, für deren barocke Innengestaltung sie auch den berühmten Barockmaler Michael Leopold Willmann gewannen; 1682 – 1695 ließen sie nörd­lich der ­Kirche einen vollständig neuen barocken Klosterkomplex errichten. Der barocke Baustil, der rasch auch die Gebäude der kaiser­lichen Behörden und die Residenzen ihrer Amtsträger erfasste, musste den Breslauern einmal mehr als Ausdruck der habsbur­gischen Rekatholisierung erscheinen. An ­diesem Eindruck änderte auch der Umstand wenig, dass die Stadt mit dem 1668 – 1680 errichteten, heute nicht mehr bestehenden Armen- und Arbeitshaus, dem ersten Zuchthaus der Habsburger Monarchie, am Ufer der Schwarzen Ohle selbst das erste welt­liche Breslauer Gebäude im Stil des frühen italienischen Barocks erbauen ließ.259 Den Raum für ­solche Großbauten, denen sich bald auch private Residenz- und Palastbauten einzelner Breslauer Adliger und in den Adel strebender Patrizier (beispielsweise das

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1714 – 1722 erbaute Palais Hatzfeld) hinzugesellten, hatte der im Dreißigjährigen Krieg eingetretene Bevölkerungsrückgang eröffnet. Er hatte zu einer Entspannung der prekären innerstädtischen Wohnraumsitua­tion geführt und damit den Abriss leerstehender Gebäude und die Schaffung entsprechend großer Grundstücke ermög­licht. Mit den neuen Ordensniederlassungen erhöhte sich die Zahl der in Breslau lebenden Katholiken. Nicht dass die Patres und Mönche lutherische Breslauer in großen Scharen in die Arme des Katholizismus zurückgeführt hätten. Zwar kam es auch zu Konversionen – einer der bekanntesten Konvertiten war der 1624 in Breslau geborene, 1653 nach Studien in Straßburg, Leyden und Padua in seine Vaterstadt zurückgekehrte Johannes Scheffler, der unter dem Pseudonym Angelus Silesius einer der bedeutendsten deutschen Barockdichter wurde und 1677 zurückgezogen im Kloster der Kreuzherren mit dem roten Stern starb.260 Doch war es in erster Linie die von den Aktivitäten der Klöster veranlasste Zuwanderung katho­lischer Menschen vom Lande in die Stadt, die sich in dieser Hinsicht auswirkte. Während die Jesuiten-­Universität über die Zeit Dutzende katho­lischer Lehrer und Tausende schle­sischer katho­lischer Schüler und Studenten in die Stadt zog, beschäftigten die anderen Orden eine wachsende Zahl katho­lischer Laien. Damit bildete sich allmäh­lich ein Reservoir für eine katho­lische Gemeindebildung, das durch den Zuzug katho­lischer Tagelöhner und Dienstleute im unteren, durch eine steigende Zahl katho­lisch-­habsbur­gischer Beamter im oberen sozialen Segment fortlaufend verstärkt wurde. Waren vor dem Dreißigjährigen Krieg die landesherr­lichen Behörden noch durchgehend mit Protestanten besetzt gewesen, so hatten protestantische Adlige und Patriziersöhne nun praktisch keine Chancen mehr, in eines der kaiser­lichen Ämter berufen zu werden. So begann sich Breslau im Verlauf der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in eine von katho­lischen Beamten geprägte Behördenstadt zu verwandeln. Zu der personell expandierenden Schle­sischen Kammer, dem kaiser­lichen Oberamt und dem Generalsteueramt kam 1716 ein staat­liches Handelskollegium hinzu. Gleichzeitig musste der Rat weitere Einbußen seiner politisch-­administrativen Kompetenzen hinnehmen; 1664 wurde die städtische Münze endgültig in die Schle­sische Kammer integriert; 1690 dem Rat die Funk­tion als kriminalgericht­liche Appella­tionsinstanz

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für andere schle­sische Städte entzogen und an das könig­liche Gericht in Prag überwiesen, während das Oberamt dem Rat auch die gericht­ liche Zuständigkeit für die in der Stadt lebenden kaiser­lichen Beamten absprach. Die wachsende Breslauer Beamtenschaft war somit nicht nur direkt Wien unterstellt, sondern auch der Aufsicht der Stadtbehörde entzogen. Gleichzeitig wurde der Rat gezwungen, förm­lich die Gleichberechtigung der in der Stadt lebenden Katholiken zu akzeptieren. Schon 1654 musste er der öffent­lichen Durchführung katho­lischer Zeremonien, von Begräbnissen und Prozessionen zustimmen. Daraufhin kam es bei entsprechenden Gelegenheiten – wie den seit 1662 wieder durchgeführten Fronleichnams- oder den seit 1665 unter jesuitischer Ägide abgehaltenen Karfreitagsprozessionen – immer wieder zu Zwischenfällen, bei denen Katholiken mit Schmähungen, Steinwürfen und anderen Belästigungen bedrängt wurden.261 Die kaiser­lichen Behörden schritten ein und untersagten das Absingen antipäpst­licher Lieder, durchsuchten Bibliotheken nach antikatho­lischen Schriften und ließen letztere 1672 öffent­lich verbrennen. Dem Versuch des Rates, zuziehenden Katholiken das Bürgerrecht zu verwehren, und der Weigerung der Zünfte, Nicht-­Lutheraner in ihre Reihen aufzunehmen, begegnete der Kaiser 1678 mit einem Edikt, das den Katholiken ausdrück­lich das Breslauer Bürger- und Zunftrecht zusicherte. Die aus der antikatho­lischen Abneigung der Breslauer Lutheraner und ihrer Abwehr der habsbur­gischen Rekatholisierungsmaßnahmen resultierenden Spannungen und Reibereien hielten gleichwohl weiter an. Erst als die Konven­tion von Altranstädt der habsbur­gischen Gegenreforma­ tion in Schlesien insgesamt den Wind aus den Segeln nahm, flauten sie ab. Die Umsetzung der Kaiser Josef I. vom schwedischen König Karl XII. aufgezwungenen Konven­tion wurde ­zwischen Januar 1708 und Februar 1709 auf mehreren, in Breslau durchgeführten Religionskonferenzen ausgehandelt.262 Sie garantierte der Stadt (und einigen zentralen schle­ sischen Fürstentümern) noch einmal ausdrück­lich die im Westfä­lischen Frieden zugesicherte Religionsfreiheit. Damit befreite sie die Stadt vom bisherigen gegenreformatorischen Druck und beließ ihr für den Rest der habsbur­gischen Zeit wieder größere Freiheiten. Allerdings waren die habsbur­gischen Rekatholisierungsbemühungen nicht folgenlos geblieben. Sie hatten nicht nur zu einem neuen, barocken Äußeren der Stadt geführt,

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sondern auch die Binnenstruktur in konfessionell-­sozialer Hinsicht erheb­ lich verändert. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts hat der Engländer Edmond Halley in einer bahnbrechenden demographischen Untersuchung, die sich auf die von dem Breslauer Kircheninspektor Caspar Neumann für die Jahre 1687 – 1692 zusammengestellten Breslauer Geburts- und Sterbedaten stützte, eine protestantische Einwohnerzahl von 34.000 ermittelt.263 Danach belief sich die Zahl der Katholiken angesichts einer für 1710 errechneten Gesamteinwohnerschaft von etwa 41.000 um 1700 auf etwa 6000. An der Fronleichnamsprozession des Jahres 1732 nahmen 5684 Personen teil und in einzelnen katho­lischen Bruderschaften waren in den frühen 1740er Jahren 3000 bis 4000 Mitglieder organisiert.264 Auch wenn nicht alle von ihnen in der Rechtsstadt lebten, war die Zahl der Katholiken auch im Innenstadt­ bereich wieder so groß, dass für sie vier Pfarrgemeinden (Kuratien) gebildet wurden. Sie hatten ihren organisatorischen Rückhalt in den Klöstern der Prämonstratenser, Kreuzherren, Dominikaner und Franziskaner. Eine besondere Quelle des Zuwachses der katho­lischen Stadtbevölkerung war der anhaltende Zuzug katho­lischer Polen.265 Bereits die alteingesessenen, meist der Unterschicht der armen Handwerker und Besitzlosen angehörenden polnischsprachigen Breslauer waren zum Teil dem Katholizismus treu geblieben. Sie lebten überwiegend in der Neustadt und im Umfeld der Christophorus-­Kirche. Zwar unterhielten auch die Lutheraner an beiden Stadtpfarrkirchen polnische Diakone, die für polnischsprachige Protestanten polnische Messen lasen und auch in der Christophorus-­Kirche wurde polnisch gepredigt. Doch besuchte die polnische Bevölkerung der Innenstadt und der Vorstädte überwiegend die in einigen Klosterkirchen sowie auf der Dominsel (bis 1571 in der Kathedrale, dann in der Martinskirche) abgehaltenen katho­lisch-­polnischen Gottesdienste. Der im Verlauf des 17. Jahrhunderts steigende Bedarf an Tagelöhnern, Hausbediensteten und anderen Hilfskräften sorgte für eine kontinuier­liche Zuwanderung polnischsprachiger Katholiken aus dem schle­sischen Umland, aber auch aus den polnischen Nachbargebieten. Schon seit dem 16. Jahrhundert z­ ogen regelmäßig auch polnische Saisonarbeiter durch die Stadt. Sie wurden im Umland als Erntehelfer eingesetzt und werden in manchen Fällen anschließend ein neues Auskommen in der Stadt gesucht haben. Neben dem stetigen unterschicht­lichen Zuzug polnischer Saison- und Hilfskräfte

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gab es gelegent­lich auch eine, frei­lich sehr kleine oberschicht­liche polnisch-­ katho­lische Zuwanderung. Sie speiste sich aus politisch aktiven Adligen, die im ersten Nordischen Krieg vor den Schweden Zuflucht suchten oder sich – wie in den 1660er Jahren der Anführer einer antikönig­lichen Rebellion (rokosz), der Kongressmarschall Jerzy Sebastian Lubomirski, – in eine Art politisches Exil nach Breslau begaben. Lernten sich Lutheraner und Katholiken schon angesichts des zahlenmäßigen Vordringens letzterer notgedrungen zu arrangieren, behielten andere Konfessionen und Bekenntnisse einen schweren Stand. Weder die Reformierte K ­ irche noch der Pietismus, der seit dem frühen 18. Jahrhundert in Schlesien vor allem im Kleinbürgertum und Handwerk Anklang fand, wurden von lutherischer und katho­lischer Seite geduldet. Ihre Anhänger bildeten in der Stadt vor 1742 denn auch nur kleine, unbedeutende Zirkel.266 Gemeinsam war den Breslauer Lutheranern und Katholiken auch die Feindschaft gegenüber den Juden. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die Stadt auf ihr privilegium de non tolerandis judaeis gepocht und eine strikte Abschließungspolitik verfolgt. Gleichwohl hatte sie aus fiska­ lisch-­wirtschaft­lichen Motiven sogenannten Messe-­Juden immer wieder befristete Aufenthalte für die Jahrmarkt- bzw. Messezeiten eingeräumt.267 Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelang es einigen dieser Messe-­Juden, sich mit Rückhalt des habsbur­gischen Landesherrn über die Marktzeiten hinaus in der Stadt zu halten und dauerhaft niederzulassen. Gleichzeitig siedelten sich in den Breslauer Vorstädten polnische Juden an, die vor den kosakischen Judenverfolgungen der Jahre 1648/1649 geflohen waren. Die große Bedeutung der jüdischen Faktoren, Händler und Geldleiher für den habsbur­gischen wie auch für den Breslauer Handel und Geldverkehr sicherte ihnen ein fragiles Bleiberecht und zwang den Rat schließ­lich, eine städtische Judenordnung zu erlassen. Diese gewährte 1702 einer kleinen Gruppe von jüdischen Münzmeistern, Ärzten, Goldschmieden und Steinschleifern sowie zwei Schamessim, bei denen es sich um offizielle Handelsvertreter auswärtiger Judenschaften handelte, insgesamt 13 Familien, das uneingeschränkte Niederlassungsrecht. Alle übrigen Juden waren weiterhin nur für die Zeit der Märkte und Messen geduldet. Dessen ungeachtet stieg die Zahl der jüdischen Einwohner Breslaus rasch an. Schon 1707 registrierte eine in Reak­tion auf die wachsenden Beschwerden der

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Breslauer Kaufleute vom Rat eingesetzte Kommission 83 Judenhaushalte mit insgesamt 232 Angehörigen; bis 1726 erhöhte sich die Zahl der in der Stadt lebenden Juden schon auf 755. Da ihnen die Bildung einer regelrechten Synagogengemeinde untersagt war, blieb ihr Gemeindeleben in die privaten Betstuben verbannt. Ihre seit 1704 bezeugten Rabbiner mussten sich in einer der kirch­lichen Vorstädte außerhalb der Jurisdik­tion des Rates niederlassen, wo 1726 weitere 502 Juden dauerhaft lebten. Auch ein eigener Friedhof blieb ihnen verwehrt, sodass sie ihre Toten in das 36 km nordwest­lich von Breslau gelegene Dyhernfurth oder gar bis in das 100 km entfernte oberschle­sische Zülz bringen mussten. Die permanenten Proteste der Bürgerschaft führten dann 1737 zu einer erneuten Vertreibung eines Teils der nicht-­privilegierten Juden. Dennoch lebten am Ende der Habsburger Zeit in der Rechtsstadt und in den Vorstädten zusammen rund 900 jüdische Menschen; sie sollten sich bald zu der nach Berlin wichtigsten jüdischen Gemeinde des Königreiches Preußen formieren.

Alltagsleben und städtische Wirtschaft Die fortwährende Judenfeindschaft, die beständigen Reibereien ­zwischen den Konfessionen, aber auch immer wieder aufbrechende sozial-­öko­no­ mische Konflikte verlangten der städtischen Obrigkeit ein hohes Maß an Ordnungswillen und Durchsetzungsvermögen ab. Tatsäch­lich war das Zeitalter der Konfessionalisierung auch in Breslau eine Epoche obrigkeit­ licher Disziplinierung, derer sich die Stadtregierung intensiv annahm. Die Stadtherrschaft lag nach wie vor in den Händen eines 23-köpfigen Rates, der ungeachtet wachsender landesherr­licher Eingriffe in innerstädtische Belange weiterhin über weitgehende Autonomie verfügte. Seit der Reforma­ tion hatte er eine umfassende Kontrolle über beinahe alle Bereiche des städtischen Lebens entfaltet und zu ­diesem Zweck die innerstädtischen Verwaltungsstrukturen erheb­lich ausgebaut. So bestanden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhundert neben der hoch professionalisierten Kanzlei mit inzwischen mehreren Schreibern und Notaren sowie dem evange­lischen Konsistorium nicht weniger als 19, zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits 26 spezialisierte städtische Ämter. Diese verfügten jeweils über eigenes Amtspersonal, Schreiber, Boten und Knechte und unterstanden in der

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Regel einem Ratsmitglied. Ihre Sachbereiche bezogen sich auf das Bau-, Ziegel-, Kalk-, Stein-, Zoll- und Renten-, Hopfen-, Holz-, Fleisch-, Schrot-, Hafer-, Mühlenwesen, das Almosen-, Waisen-, Schul-, Judenwesen, auf die Stadtwaage, den Stadt- beziehungsweise Schweidnitzer Keller, das Feuer-, Polizei- bzw. Strafwesen und – in drei Ämtern – die Verwaltung des länd­lichen Stadtbesitzes. So wie die Aufgaben dieser Ämter und ihrer Angestellten jeweils in besonderen Ordnungen festgelegt wurden, regelten unzählige Polizeiordnungen alle mög­lichen weiteren Bereiche des städtischen Lebens und Alltags. Allein 1640/1641 erließ der Rat sechs neue Ordnungen – für das Hochzeits-, Gesinde-, Gerichts- und Gewichtswesen, eine Gassenmeisterordnung sowie eine Ordnung betreffend das Mieten und Vermieten. Insgesamt sind für die Zeit von der Reforma­tion bis zur preußischen Eroberung 396 Ordnungen überliefert, mit denen der Rat die unterschied­lichsten Lebensbereiche seiner „guten Policey“ zu unterwerfen suchte.268 Dabei sorgte er mit entsprechendem Personal zugleich dafür, dass die Bestimmungen nicht nur auf dem Papier blieben. So wachten Viertelmeister mit ihnen jeweils unterstehenden Rottmeistern für Ordnung in den Stadtvierteln, sorgten Gassenmeister für Rein­lichkeit und Sicherheit auf Straßen und Plätzen, fungierten Schwertdiener als Stadtpolizisten und gewährleisteten die sogenannten Mägdeschickerinnen die Einhaltung der Gesindeordnung und die vorschriftsmäßige Verdingung der Mägde. Die vom Rat erlassenen Ordnungen nahmen letzt­lich die gesamte Lebens­führung der Stadtbewohner in den Blick. Sie suchten – so insbesondere die Hochzeits-, Tauf-, Begräbnis- und Kleiderordnungen – deren Beziehungen sowohl z­ wischen den unterschied­lichen Sozialgruppen als auch ­zwischen den Geschlechtern zu definieren und entsprechend zu regeln. Sie entwickelten, etwa in Schul-, Fürsorge-, Armen-, und Hygieneordnungen oder in Ordnungen über Löhne und Preise einen erheb­lichen Fürsorgeanspruch. Dabei suchten sie mit ihren detaillierten Bestimmungen (z. B. über die Kinder­erziehung, das Tanzen oder die Art der Kontaktaufnahme z­ wischen Unverheirateten) stets auch das individuelle Verhalten des Einzelnen zu steuern. Mochten die Ordnungen auch vor allzu intimen Eingriffen in die Privatsphäre Halt gemacht ­haben, so stellten sie doch ein wirksames Instru­ment der „obrigkeit­lichen Sozial- und Verhaltensdisziplinierung“ dar.269 Allerdings besaßen die

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Breslauer Polizei­ordnungen nicht nur obrigkeit­lichen Charakter. Sie waren schließ­lich aus dem mittelalter­lichen Willkürrecht der autonomen Stadtgemeinde erwachsen und wurden nicht selten unter Betei­ligung der Bürgergemeinde verfasst. Damit waren sie zugleich „Ausdruck eines bürgerschaft­lichen Grundkonsenses.“270 Diesem lag nicht nur die Gewähr­ leistung von Sicher­heit und Ruhe, Ordnung und Sittsamkeit, sondern auch Handel und Marktwesen, Gewerbe und Lebensmittelversorgung am Herzen. Kein Wunder also, dass die Polizeiordnungen nicht zuletzt auch das städtische Wirtschaftsleben reglementierten. Die Breslauer Wirtschaft hat sich in den 1650er‒1660er Jahren relativ rasch von den Schäden und Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges erholt, geriet aber zunehmend in strukturelle Probleme.271 Sie war nach wie vor in hohem Maße vom ost-­west­lichen Transithandel geprägt, von dem gleichwohl nur eine kleine Gruppe reicher Groß- und Fernkaufleute besonders profitierte. Mit der Verlagerung der Handelsrouten seit dem 16. Jahrhundert infolge der Erschließung der überseeischen Welt, des damit verbundenen Aufstiegs neuer Handelszentren an Nordsee und Atlantik sowie der osmanischen Eroberungen im Südosten war die Bedeutung der „hohen Straße“, der alten durch Breslau führenden west-­öst­lichen Landverbindung, deut­lich zurückgetreten. Damit geriet Breslaus tradi­ tionelle Vermittlerrolle ­zwischen Ost und West zunehmend unter Druck. Hinzukamen die Auswirkungen der säch­sisch-­polnischen Union und des zweiten Nordischen Krieges mit der Westöffnung Russlands durch Peter I., die weitere dauerhafte Verschiebungen der Handelsströme zur Folge hatten. Die Breslauer Kaufleute haben auf diese Herausforderungen durchaus reagiert und auch entsprechende merkantil-­politische Hilfsmaßnahmen ihres Landesherrn (nach Überwindung eines anfäng­lich nicht geringen Misstrauens) angenommen. Schon seit 1669 profitierten sie von der mit dem Oder-­Spree-­Kanal eröffneten Flussverbindung nach Hamburg. Die neue Oder-­Schifffahrt, für die auf dem Bürgerwerder ein Flusshafen angelegt wurde, erleichterte den Import von hochwertigen Lebensmitteln, Luxus­ waren und frühindustriellen Produkten aus dem nordwest­lichen Europa sowie den Export von Produkten der heimischen Land- und Gewerbewirtschaft. Auch das 1716 in Breslau eingerichtete staat­liche Handelskollegium erschloss Breslau im Verein mit einer habsbur­gischen Verkehrs- und

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Zollpolitik, die von Triest aus die Handelsachse Adria-­Ostsee zu beleben suchte, neue Absatzmärkte. Mit ihnen konnten die andernorts eingetretenen Verluste zum Teil kompensiert werden. Das Handelskollegium bemühte sich aber auch um eine Förderung des gewerb­lichen Bereichs. Das städtische Gewerbe hatte seit dem 16. Jahrhundert rein quantitativ einen erheb­lichen Aufschwung genommen und die Zahl der Gewerbetreibenden bis zum 18. Jahrhundert mindestens eine Verdoppelung erfahren. Allerdings blieben neun Zehntel aller Gewerbe­ treibenden in den Zünften organisiert und damit an deren starre Vorschriften gebunden. Deren Anliegen war es, allen Zunftmitgliedern ein auskömm­ liches Einkommen zu sichern. Zu d ­ iesem Zweck wurde auf die Einhaltung strenger Produk­tions- und Preisregulierungen geachtet. Diese sollten allzu starken Wettbewerb und übergroße Konkurrenz verhindern und den jeweiligen Markt unter den Produzenten einigermaßen gleichmäßig aufteilen. Das hatte erheb­liche Erstarrungen und ein wenig innova­tionsfreund­liches Klima zur Folge. Neue Betriebsformen, wie sie vom zeitgenös­sischen Merkantilismus entwickelt wurden, bedurften daher der Anstöße von außen. In ­diesem Sinne versuchte das Breslauer Handelskollegium die wenigen Manufakturen zu fördern, die sich im frühen 18. Jahrhundert in der Stadt zu etablieren versuchten. Dazu vermittelte es interessierten Unternehmern Rechtshilfen, Steuererleichterungen und konfessionelle Privilegien. Seit dem 17. Jahrhundert hatte sich insbesondere das schle­sische Leinengewerbe stark entwickelt und Ansätze für modernere Produk­tionsformen geboten. Allerdings taten sich die Breslauer durchaus schwer, frühkapitalistische Verlagsformen zu ­nutzen oder profitable Textilmanufakturen zu orga­ nisieren; sie begnügten sich weiterhin mit den tradi­tionellen zünf­tischen Produk­tions- und Absatzformen. Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden in Breslau erste Manufakturen. Sie stellten zumeist Luxuswaren oder ­solche Produkte her, für die neue Technologien zum Einsatz kamen und die von daher dem zünftischen Handwerk keine Konkurrenz bereiteten. Nur einige wenige dieser Textil-, Seiden-, Leder-, Zinnwaren-, Messer-, Nadel- und Tabakmanufakturen beschäftigten eine größere Zahl von Arbeitern; zu den größten von ihnen zählte die 1707 gegründete Textil­ manufaktur Kriegelstein, die mit Silber- und Goldfäden durchwirkte Stoffe produzierte und in ihren besten Zeiten bis zu 500 Beschäftigte zählte.

Eine Breslauer Handwerksfrau – Anna Ursula Becker

Dieses frühe Breslauer Manufakturwesen blieb allerdings eine ephemere, fragile Erscheinung. Die meisten Unternehmen waren wenig erfolgreich und gingen nach kurzer Zeit wieder ein. Auch jene, die sich halten konnten, hatten mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, nicht zuletzt mit dem Problem, geeignete Arbeitskräfte zu finden. Immerhin zeigten sie für die Zukunft neue Perspektiven der gewerb­lichen Produk­tion auf, die früher oder ­später das verkrustete Zunfthandwerk ablösen sollten.

Eine Breslauer Handwerksfrau – Anna Ursula Becker Zu den Betriebsstätten, die sich in den expandierenden Vorstädten, vor allem entlang der Oder ansiedelten, gehörten auch Schleifereien, Färbereien, Drahtwerkstätten und Zuckerraffinerien, Walk-, Loh-, und Papiermühlen. Sie machten sich für ihre Produk­tionsprozesse verstärkt die Wasserkraft zu eigen und bildeten bald insbesondere auf dem sogenannten Bürgerwerder ein regelrechtes Gewerbegebiet. Einer der hier tätigen frühen Fabrikanten war der Reichkrämer und Pächter der städtischen Papiermühle Johann Becker. Als er 1714 starb, hinterließ er die Geschäftsleitung der Papiermühle seiner damals 40-jährigen Witwe Anna Ursula. Über ihr Leben sind wir dank einer besonderen Quellengattung vergleichsweise gut informiert. Gemeint sind die sogenannten barocken Funeraldrucke bzw. Leichenpredigten, die sich auch im frühneuzeit­lichen Breslau großer Beliebtheit erfreuten (Farbtafel 12).272 Sie wurden in der Regel von den Angehörigen des Verstorbenen (mitunter aber auch vom Sterbenden selbst) in Auftrag gegeben, waren anfäng­lich oft in lateinischer oder (seltener) griechischer, seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dann überwiegend in deutscher Sprache abgefasst und in ihrer Ausarbeitung und Veröffent­lichung nicht billig. Sie stellten daher in erster Linie eine Ausdrucksform der Oberschicht dar, wurden aber auch von Angehörigen der Mittelschicht aufgegriffen. Tatsäch­lich liegen aus Breslau neben Leichenpredigten auf Geist­liche, Ratsherren, Kaufleute und deren Angehörige auch einige Drucke zu Handwerkern, darunter eine sehr kleine Zahl von Leichenpredigten und Trauerreden auf Handwerkerfrauen vor.273 Die gedruckten Texte stellten vor allem ein literarisches Medium dar, das dem Gedenken an die verstorbene Person, der Memoria, und zugleich

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der öffent­lichen Sichtbarmachung der sozialen Posi­tion ihrer Familie, der Repräsenta­tion, diente. Von daher folgten sie bestimmten literarischen und rhetorischen Mustern und schilderten insbesondere die Tugenden der Verstorbenen zumeist nach einem feststehenden Schema, dem im protestantischen Breslau natür­lich der lutherische Tugendkatalog zugrunde lag. Dieser vertrat ein Frauenbild, das einerseits eine Ehe-­Gefährtenschaft von Mann und Frau unterstellte, andererseits von einer klaren Hierarchie ­zwischen den Geschlechtern ausging; einerseits die Rolle der Frau durch Betonung ihrer erzieherischen, eigene Bildung voraussetzenden Aufgabe als vernünftige Gehilfin des Mannes bzw. treue Vorsteherin der Familie erhöhte, sie andererseits aber im Bereich von ­Kirche, Küche, Kinder einschloss. Auch wenn die Leichenpredigten das Leben der Verstorbenen vor allem an ­diesem Frauenbild maßen, literarischen Konven­tionen verhaftet waren und s­ oziale Repräsenta­tionsbedürfnisse bedienten, enthalten sie doch auch eine Fülle biographischer Daten, die einzigartige Einblicke in die Lebenswelt und ­soziale Stellung der Verstorbenen eröffnen. Anna Ursula Becker stammte aus Jauer, wo sie am 22. Oktober 1674 als eines von fünf Kindern des Bürgers und Kürschners Caspar Dittrich und dessen Ehefrau Anna Ursula zur Welt kam. Drei Jahre ­später siedelte die Familie nach Schweidnitz über, wo der Vater „seine Nahrung mit allem Segen“ fortführte.274 Er starb 1683 nach langer Krankheit. Die ­Mutter ging daraufhin 1686 mit dem Schweidnitzer Bürger Anton Laubner eine zweite Ehe ein und starb erst 1722. Sie war die Tochter eines protestantischen Geist­lichen und stammte auch mütter­licherseits aus einem Pastorenhaus – ihr Urgroßvater war 1532 zum ersten evange­ lischen Prediger im Fürstentum Schweidnitz berufen worden und hatte sein Pfarramt an seinen Sohn Esaia Curtzius weitergegeben. Anna Ursula Becker wuchs mithin in einem frommen Umfeld auf, in dem sie „zu einer wahren Furcht Gottes erzogen“ wurde.275 Die ­Mutter sicherte sich und ihren Kindern durch ihre Wiederverheiratung den gewohnten sozialen Status, betrieb aber auch für ihre Kinder selbst eine gezielte, auf standes- und professionsgemäße Verehe­lichung achtende Heiratspolitik. Im Mai 1690 gelang es ihr, ihre älteste Tochter Anna Ursula „bey gar jungen Jahren“ erfolgreich mit dem Breslauer Bürger und Papiermühlenpächter Johann Becker zu verheiraten.

Eine Breslauer Handwerksfrau – Anna Ursula Becker

Die 1497 erstmals erwähnte, ­später wiederholt umgebaute Breslauer Papier­mühle lag an der öst­lichen Spitze des Bürgerwerders (Farbtafel 13).276 Sie stand unter der Aufsicht des Rates bzw. dessen Mühlenamt und war für die Stadt eine bedeutende Einnahmequelle. Als s­ olche wurde sie verpachtet und ging zumeist vom Pächter-­Vater auf den Pächter-­Sohn über. Ob auch Johann Becker die Pacht der 1673 von Grund auf neu errichteten Mühle von seinem Vater übernommen hat, ist unklar. Er erkrankte 1701 dauerhaft an Wassersucht, an der er im April 1714 auch starb. Angesichts der „dreizehenjährige[n] Kranckheit eines fast stets darnieder liegenden Ehegattens“277 musste sich seine Ehefrau neben der Kindererziehung früh um das Familiengeschäft kümmern. Dieses hatte der Ehemann kurz vor seinem Tod noch erweitert, als er in den Kreis der Breslauer Reichkrämer eintrat. Nach seinem Tod nahm Anna Ursula, wie der Leichenprediger hervorhob, die Geschäfte „gantz allein über sich.“278 Nach den einschlägigen, 1577 erlassenen Breslauer Statuten „Von der eheleutte Gutt und Zustand“ war der in der Ehe erwirtschaftete Zugewinn Gut des Mannes.279 Anna Ursula erbte daher Vermögen und Geschäft – „ein wohlgebautes Hauß, eine wohl eingerichtete und gesegnete Handlung, und ausser unserer Stadt, in einem benachbahrten Fürstenthume […] eine wohl angelegte Wirthschafft, rings herum umgeben mit einem Felde“280 – nicht allein, sondern anteilig mit ihren Kindern. Sie scheint sich denn auch für den weiteren Erfolg des Geschäfts in erster Linie als Sachwalterin ihrer noch minderjährigen Kinder eingesetzt zu haben. Deren Ausbildung lag ihr nicht weniger am Herzen als die berufs- und standesgemäße Verheiratung. So schickte sie ihre Söhne auf das Elisabeth-­Gymnasium und sorgte auch dafür, dass sie Polnisch lernten. Das war im damaligen Breslau keineswegs ungewöhn­lich.281 Angesichts der starken Ostausrichtung ihrer Geschäftsbeziehungen legten die Breslauer Kaufleute stets Wert darauf, ihren polnischen Geschäftspartnern sprach­lich entgegenzukommen und auch über eine gewisse kulturelle Kenntnis des polnischen Nachbarn zu verfügen. So waren, wie es in einer Beschreibung des Nürnberger Kameralisten Paul Jakob Marperger von 1714 hieß, „in Breslau […] auf vornehmen Contoiren und Waaren-­Handlungen gemeing­lich schon einer oder mehr zu finden […], die mit ihnen [den polnischen Kunden] Polnisch reden können, welches schon ein grosser Ingress zur Handlung ist, dahero auch

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Zielpunkt der Gegenreformation (1630er–1740er Jahre)

die Schlesier vielfältig ihre Kinder die Polnische Sprache erlernen zu lassen beflissen seyn.“282 Entsprechende Lehrbücher und Wegweiser, wie der 1616 erstmals gedruckte „Schlüssel zur Polnischen und Deutschen Sprache […] / Klucz do Polskiego y Niemieckiego Jezyka […]“ des Breslauer Lehrers Jeremias Roter, gehörten früh zu den Lektüren Breslauer Kaufmannssöhne.283 Doch wurden diese nicht nur in Breslau selbst entsprechend unterwiesen, sondern auch in grenznahe Orte bzw. nach Polen geschickt. So schrieb der schle­sische Chronist Friedrich Lucae 1689: „Weil auch der Schlesier Handlung am meisten mit Polen getrieben wird/ daher lassen auch die Eltern ihre Kinder in selbiger Sprache informiren/ und s­ chicken dieselbigen in die Polnische Gränzschulen nach Pitschen/ Creuzberg/ und der Orten. Ein Fremder sollte meynen/ es müste durchgehends in Schlesien Polnisch geredet werden.“284 Auch Anna Ursula Becker schickte einen ihrer Söhne, den 1708 geborenen Johann Heinrich, zum Erlernen der polnischen Sprache zu einem Geist­lichen nach Pitschen. Dort verstarb der Zehnjährige unverhofft am 7. Januar 1718 unter ungeklärten Umständen. Sieben Jahre zuvor hatte die Witwe bereits ihren am 8. Februar 1692 geborenen ältesten Sohn Johann Caspar verloren, als dieser im März 1711 nahe der elter­lichen Papiermühle beim Angeln in die Hochwasser führende Oder fiel und ertrank. Der aus dem Elternhaus bereits entlassene vielversprechende junge Mann hatte in der M ­ utter die „Hoffnung eines gesegneten Studirens“285 und auch bei seinen Lehrern die Erwartung geweckt, „er würde Gott dermaleins in seiner ­Kirchen zu dienen […] genugsam fähig sein.“286 Der älteste Sohn der Pastorenenkelin sollte offenbar eine geist­liche Laufbahn einschlagen. Auch der Rektor des Elisabeth-­Gymnasiums Gottlob Krantz lobte an dem Verstorbenen „seine Lehr-­Begierde, seine Frömmigkeit und Fleiß“, während seine Mitschüler den Verlust eines „Hertzens-­Freunds“ beklagten.287 Ihr zweitältester, 1694 geborener Sohn, Gottlieb Wilhelm, heiratete 1721 eine Tochter des „wohlangesehenen Papiermachers in Schlopau“ Gottfried Bayer. Hier wurde die schon von der M ­ utter praktizierte Heiratsstrategie von der Tochter fortgesetzt, wurde die Familienpolitik mit den Geschäftsinteressen der Papierfabrikantin zusammengeführt. Anna Ursula „bedachte die Verheyrathung Ihres Herrn Sohnes an eine recht getreue Gehülffin“ gewiss auch mit Blick auf die einschlägigen Erfahrungen und Verbindungen des Schwiegervaters.288 Gottlieb Wilhelm hat seiner ­Mutter „in

Eine Breslauer Handwerksfrau – Anna Ursula Becker

ihrer Handlung“, dem Breslauer Papiermühlengeschäft, denn auch „treuen Beystand“ geleistet.289 Auch ihre zweite, 1700 zur Welt gekommene Tochter Barbara Rosina (ihre erste, 1698 geborene Tochter Anna Rosina war mit 15 Monaten gestorben) konnte Anna Ursula standesgemäß „an einen in seiner Handlung renommirten Boas [d]er Stadt“, näm­lich den „vornehmen [Breslauer] Bürger und Handelsmann“ Michael Hubert verheiraten.290 So war die Handwerker- bzw. Reichkrämer-­W itwe in ihrer 18-jährigen Witwenschaft nicht nur ein resoluter, auf den sozialen Status ihrer Familie bedachter Haushaltsvorstand, sondern – wie ihr Leichenprediger rühmt – auch „eine Handels-­Frau, die sich in ihren Handels-­Geschäften recht wohl zu berechnen wuste.“291 Im September 1731 warf sie eine „Maladie“ (Lepra oder Krebs) aufs Krankenbett, von dem sie sich nicht mehr erhob. Sie starb am 1. August 1732.

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VI. Preußische Residenzstadt (1740er–1870er Jahre)

Hofkirche und Königsschloss Am 10. August 1741 huldigten die Breslauer Bürger Friedrich II. ­Der preußische König hatte seit Dezember 1740 Schlesien erobert und am 8. August 1741 handstreichartig auch die Odermetropole besetzen lassen. Die Versuche Maria Theresias, die Provinz 1741/1742 im ersten, 1744/1745 im zweiten Schle­sischen Krieg und 1756 – 1763 im dritten Schle­sischen oder Siebenjährigen Krieg für Österreich zurückzuerobern, blieben erfolg­los. Schlesien und Breslau fielen dauerhaft an Preußen.292 Das war 1741 so durchaus nicht absehbar. Dennoch begann der preußische König sogleich, in Breslau neue Strukturen zu schaffen und eine Prussifizierung der Stadt einzuleiten. Ein in ­diesem Zusammenhang symbo­lischer Akt war die umgehende Anerkennung der bis dahin von den lutherischen Breslauern unterdrückten Gemeinde der Reformierten (Calvinisten), denen sich der Preußenkönig selber zugehörig fühlte. Bereits am Tag nach der Huldigung fand ein erster öffent­licher reformierter Gottesdienst statt.293 Auch wenn Friedrich II. selbst den lutherischen Huldigungsgottesdienst in der Elisabeth-­Kirche besuchte, gerieten die Lutheraner in Sorge, dass ihnen die Reformierten künftig vorgezogen werden könnten. Diese Sorge war zwar schon aufgrund des zahlenmäßigen Verhältnisses unbegründet, doch nahm die reformierte Gemeinde in der Folge einen erkennbaren Aufschwung. Seit August 1742 stand ihr ein ordent­licher Prediger vor, dem mit seiner landesherr­lichen Bestätigung – die fortan für alle Breslauer ­Kirchen- und Schulämter erforder­lich war – zugleich die Würde eines König­lichen Hofpredigers verliehen wurde. Ihren Gottesdienst hielt die Gemeinde im Haus des aufgelösten habsbur­gischen Generalsteueramtes ab, das ihr im Herbst 1742 überlassen wurde. Da sie durch den Zuzug preußischer Militärs und Beamter, aber auch durch die Ansiedlung einer Gruppe franzö­sischer Uhrmacher, Kattun- und Battistfabrikanten, Perückenmacher und Schneider rasch

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Preußische Residenzstadt (1740er–1870er Jahre)

Zulauf erhielt, beantragte die Gemeinde schon 1743/44 die könig­liche Erlaubnis zu einem Kirchenneubau. Dieser sollte an gleicher Stelle nach Teilabriss des ehemaligen Generalsteueramtes errichtet werden. Die Geneh­migung wurde am 30. März 1744 erteilt, woraufhin die Gemeinde in ganz Preußen, Deutschland und Europa zu Spenden aufrief, durch die tatsäch­lich über 25.000 Taler zusammenkamen; allein in England und Schottland wurden über 10.000 Taler gespendet. Daraufhin konnte am 23. Mai 1747 der Grundstein des auf rund 17.000 Taler kalkulierten Neubaus gelegt und dieser bis September 1750 fertiggestellt werden. Der Rest der Spendengelder wurde für die Einrichtung eines Fonds zur Finanzierung des Küsters verwendet. Der 1830 von Friedrich Wilhelm III. in Hofkirche umbenannte, im 19. und 20. Jahrhundert mehrfach renovierte, im Zweiten Weltkrieg nur gering­ fügig beschädigte Bau präsentiert sich als eine spätbarock-­klassizistische rechteckige Saalkirche mit einem in den Baukörper eingezogenen quadratischen Turm mit flachem Zeltdach an der schmalen, auf die ul. Kazimierza Wielkiego (ehemals Karlstraße) stoßenden Frontseite (Farbtafel 14). Er wird von einem hohen Mansardendach abgeschlossen und durch große Fenster erhellt. Sein Inneres ist mit umlaufenden zweigeschossigen elliptischen, über Ecktreppenhäuser erreichbaren Emporen, einem Orgelprospekt und einem Kanzelaltar im Rokoko-­Stil sowie einer ovalen hölzernen Gewölbedecke mit Stukkatur-­Schmuckfeld ausgestattet. Die ganz in weiß gehaltene, ledig­lich an den Emporen, der Kanzel und Orgel mit Gold abgesetzte Innenausstattung schuf einen ebenso hellen wie schlichten Predigtraum, der ganz der calvinistischen und preußischen Nüchternheit entsprach und offenbar niederländischen Mustern folgte. Über den Architekten und Bauleiter ist sich die Forschung zwar nicht völlig einig. Doch spricht manches dafür, dass dem Bau ein Entwurf des Niederländers Johann Boumann d. Ä. zugrunde lag. Der selbst der reformierten ­Kirche angehörende Baumeister war 1732 von König Friedrich I. aus Amsterdam an die Spree gerufen worden und entfaltete in Potsdam und Berlin eine rege Bautätigkeit; unter anderem errichtete er das Holländische Viertel in Potsdam und 1747 – 1750, also zeitgleich zum Breslauer Hofkirchenbau, den neuen Berliner Dom. Nicht auszuschließen ist, dass ähn­lich wie im Fall des Berliner Doms, auch bei der Breslauer Hofkirche der König selbst in die Planung eingegriffen hat.

Hofkirche und Königsschloss

Zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung erwarb Friedrich II. das in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Spätgen-­Palais.294 Der vor 1705 errichtete dreigeschossige Barockbau mit Mansardenwalmdach war 1717 an den Rat im Breslauer Oberamt Heinrich Gottfried von Spätgen gelangt und nach dessen Tod von seiner Tochter für 12.000 Taler dem König verkauft worden. Nun sollte er zur Breslauer Residenz des Königs ausgebaut werden. Dazu ließ Johann Boumann d. Ä. an den west­lichen Teil der Südfassade einen langgestreckten zweistöckigen, heute nicht mehr erhaltenen Querflügel anbauen. Der äußer­lich schlichte, im Rokokostil ausgestattete Anbau nahm im Obergeschoss die Gemächer des Königs auf, zu denen ein Marschall-, Empfangs- bzw. Speisesaal, ein Audienz- und ein Musiksaal, ein Schlaf- und ein Arbeitszimmer sowie eine Bibliothek gehörten. Im Erdgeschoss wurde die könig­liche Kanzlei eingerichtet, während die älteren Palais-­Räume zu Wohnungen für Hofbeamte und zu Gästeräumen umgestaltet wurden. Erst 1795/1796 ließ König Friedrich Wilhelm II. von Carl Gotthard Langhals zwei Nordflügel und einen Ehrenhof errichten und das Palais insgesamt im klassizistischen Stil erneuern. Der um die Mitte des 19. Jahrhunderts weiter umgestaltete und ausgebaute Komplex – die heutigen Nordflügel entstanden 1858 – ging nach dem ­Ersten Weltkrieg in städtischen Besitz über, beherbergte seit 1926 das Schlossmuseum, brannte aber im Frühjahr 1945 vollständig aus. Der in den 1960er Jahren wieder aufgebaute Komplex wurde 2000 – 2008 vollständig saniert und beherbergt heute das Städtische Museum Breslau mit der sehenswerten stadtgeschicht­lichen Dauerausstellung „1000 Jahre Breslau“. Friedrich II. hat von seinem „Breslauer Haus“, wie er den vergleichsweise wenig aufwändigen Schlossbau selber nannte, regelmäßig Gebrauch gemacht. Seit 1756 bezog er in ihm jedes Jahr wenigstens für einige Tage Quartier, um sich unmittelbar vor Ort zu zeigen, die Breslauer für sich und seinen Staat zu gewinnen und sowohl die städtischen Belange als auch die Geschicke der Region in die gewünschte Richtung zu lenken.295 Gelegent­ lich beging der König auch seinen Geburtstag an der Oder. Das höfische Fest wurde dann geschickt genutzt, um den Preußenkönig zum legitimen Eroberer Schlesiens und zu einem der Stadt wohlgesinnten Herrscher zu stilisieren. Tatsäch­lich haben die Breslauer ihrerseits den Geburtstag des Königs bald alljähr­lich mit großer Selbstverständ­lichkeit gefeiert. Dabei

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umrankten sie die höfische Feier mit ihren eigenen Schützenfesten, Tanzveranstaltungen und Theateraufführungen und gestalteten den Anlaß auf diese Weise mehr und mehr zu einem Bürger- bzw. Volksfest aus.296 Der preußische König war in den Reihen der Breslauer Bürger angekommen. Dass der machiavellistische Eroberer in der Breslauer Öffent­lichkeit erstaun­lich rasch gefeiert und verehrt wurde, seine zentralistische und harsche Politik bald publizistische Anerkennung fand, war auch einem kleinen Kreis Breslauer Intellektueller zu danken. Männer wie der Philosoph Christian Garve, der Lehrer und Schriftsteller Johann Gottlieb Schummel oder der Verleger Wilhelm Gottlieb Korn griffen seit den 1760er Jahren an der Oder die Ideen der Aufklärung auf. In Schulen und Lehrerseminaren, mit Hilfe von Zeitungen und Zeitschriften – vor allem der von Korn seit 1742 verlegten „Schle­sischen Zeitung“ sowie den seit 1785 monat­lich erscheinenden „Schle­sischen Provinzialblättern“ – mühten sie sich um eine Verbreitung der neuen Reformgedanken. In aufgeklärten Freundeskreisen, Gesellschaften und Zirkeln führten sie eingesessene Bürger mit zugezogenen preußischen Beamten und Militärs zusammen, diskutierten die Perspektiven einer aufgeklärten Gesellschaft und förderten in lokalen Politikbereichen wie dem Bildungs-, Medizinal-, Armen- und Judenwesen – wenn auch nicht mit allzu großem Erfolg – die praktische Umsetzung aufgeklärten Gedankenguts. Dabei ließ sie ihre pragmatische Reform-­Orientiertheit eher zu Verfechtern eines starken preußischen Staates werden als zu glühenden Verteidigern der althergebrachten lokalen Freiheiten, deren Partikularismen sie nur als Hemmnisse einer effektiven aufgeklärten Herrschaft empfanden.297 Als sich Friedrich II. ­Ende August 1785 ein letztes Mal in seinem „Breslauer Haus“ aufhielt, hatte diese Herrschaft Breslau bereits in erheb­ lichem Maße in eine preußische Stadt verwandelt.

Friderizianische Prussifizierung Die Prussifizierung Breslaus folgte den Prioritäten der preußischen Staatsräson. Diese zielte auf eine Stärkung der Landesverteidigung, Zentralisierung der Staatsverwaltung, Effektivierung der Steuererhebung und Modernisierung von Industrie und Landwirtschaft. Von daher berührte der Wandel, der zu Lebzeiten Friedrichs II. zwar weit fortgeschritten, aber

Friderizianische Prussifizierung

noch keineswegs abgeschlossen war, sowohl das äußere Erscheinungsbild als auch die innere Verfassung und die Wirtschaft der Stadt. Die zunächst noch überschaubaren Veränderungen im äußeren Stadtbild ergaben sich weniger durch unmittelbare Kriegsfolgen (etwa die mehrtägigen Bombardements im Dezember 1757 und August 1760) als durch den systematischen Ausbau Breslaus zur preußischen Festungs- und Garnisonsstadt.298 Friedrich II. hatte der Stadt gleich im August 1741 ihr hergebrachtes ius praesidii entzogen, sie zur Festung erklärt und mit Truppen besetzt. Da zunächst keine Kasernen bestanden, erfolgte die Einquartierung der regelmäßig 4000 bis 6000 sta­tionierten Soldaten in den privaten Haushalten, die überdies eine spezifische Abgabe zur Unterhaltung des Militärs (den Servis) abzuführen hatten. Beides bedeutete für die Breslauer Bürger eine erheb­ liche Belastung. Erst nach und nach entstand die für eine Garnisonsstadt erforder­liche Infrastruktur, die zugleich in staat­lichen Besitz überging und einem preußischen Festungskommandanten unterstellt wurde. Seit den 1760er Jahren wurde die Stadtbefestigung verstärkt und weiter ausgebaut, wurden neue Torhäuser, Wachen, Pulvermagazine und Einrichtungen der Lebensmittelversorgung errichtet. Bis 1782 war die Stadt, einschließ­lich der Dominsel und des rechten Oderufers vollständig mit einem neuen, noch mächtigeren Festungsgürtel umschlossen (Farbtafel 15). Erst in den 1770er–1780er Jahren folgten Wohnkasematten und größere Kasernen, durch die die Einquartierungslast der Bürger gemindert wurde. Carl Gotthard Langhans, dessen Aufstieg zum bedeutendsten frühpreußischen Architekten in den 1760er Jahren mit dem Neubau des Palais Hatzfeld begann, erbaute 1787/1788 auf dem Bürgerwerder einen gewaltigen Kasernenkomplex mit fünf mehrstöckigen Wohnblocks, Lazarett und Pferdeställen. Gleichzeitig entwarf er den Plan für die Neue Hauptwache, die 1788/1789 neben dem Rathaus erbaut, 1861 aber wieder abgerissen wurde.299 Die Innenstadt blieb ansonsten von neuen militärischen Zweckbauten weitgehend frei, erlebte aber durch anhaltenden Zuzug eine weitere Verdichtung, der man durch die 1776/1777 erfolgte Aufhebung der innerstäd­ tischen Friedhöfe und die Aufstockung der Bebauung kaum Herr zu werden vermochte. Da auch die Unterhaltung der Straßen und Plätze aufgrund der durch den Festungsbau unter anderem Belastungen angespannten städtischen Finanzlage zusehends vernachlässigt wurde, präsentierte sich die

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Abb. 7  Aufriss des von Carl Gotthard Langhans auf der Grundlage eines Entwurfes des franzö­sischen Architekten Isidore Canevale in den Jahren 1766 – 1775 anstelle der alten barocken, im August 1760 durch österreichisches Bombardement zerstör­ten Residenz neuerbaute Palais Hatzfeld; von dem im Stil des franzö­sischen Neo­klassizismus ausgeführten, 1945 zerstörten Gebäude ist heute in der ul. Wita Stwosza 31/32 nur noch das Eingangsportal erhalten.

Stadt, die 1795 (ohne Garnison) rund 55.000 Einwohner zählte, auswärtigen Besuchern gegen Ende des 18. Jahrhunderts als ein wenig einladender, weil ebenso überfüllter wie schmutziger Ort. 1781 entsetzte sich ein Reisender beispielsweise darüber, „dass man selbst auf der Straße, die der Minister bewohnet, sich nicht scheuet, jeden Unflat, sogar verreckte Tiere und menschlichen Abgang hinauszuwerfen, und daß dergleichen Unrat wenn er Montags herausgeworfen wird bis Sonnabends liegen bleibt und in der Sonne brät.“300 Auch John Quincey Adams, 1797 – 1801 Botschafter am preußischen Hof in Berlin und 1825 – 1829 sechster Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, erlebte Breslau im Jahr 1800 als „nothing more than a large, old and very dirty city.“301 Obwohl stark befestigt und von rund 6000 Mann verteidigt, musste Breslau Anfang Januar 1807 nach vierwöchiger Belagerung und intensivem Artilleriebeschuss vor den Truppen Napoleons kapitulieren. Jérôme Bonaparte hielt die Stadt für seinen Bruder und die mit ihm verbündeten Rheinbundstaaten bis November 1808 besetzt und ordnete umgehend die

Friderizianische Prussifizierung

Schleifung der Befestigungsanlagen an. Noch im Januar 1807 begannen rund 3000 aus den umliegenden Dörfern rekrutierte Bauern damit, die Wälle abzutragen und die Gräben zu verfüllen. Mit den abgetragenen Ziegelsteinen wurden die durch die Bombardements zerstörten oder beschädigten Gebäude repariert. Das Ende 1808 in die Stadt zurückgekehrte preußische Militär stoppte den Abriss zunächst, doch drängte die Stadt nun darauf, die Festungswerke vollständig abzutragen und ihr das dadurch gewonnene Terrain zur Nutzung zu übertragen bzw. zu restituieren. Es dauerte dann frei­lich noch bis 1813, ehe mit der endgültigen Niederlegung der Mauern, Einebnung der Wälle und Verfüllung der Gräben begonnen wurde und noch einmal ein gutes Jahrzehnt, bis die Entfestigung abgeschlossen war.302 Der für das Breslauer Bürgertum, insbesondere seine patrizische Elite einschneidendste Eingriff der friderizianischen Prussifizierung war verfassungspolitischer Art. Friedrich II. hatte der Stadt ihre „wohlerworbenen und hergebrachten Privilegia, Statuta, Freiheiten, Rechte und Gerichte“ am 29. Dezember 1741 nur mit dem Vorbehalt bestätigt, dass sie „denen gegenwärtigen Zeiten und Umbständen applicable und Unserer […] landesherr­ lichen Hoheit […] wie auch überhaupt der allgemeinen Landeswohlfahrt ohnnachtheilig sind.“303 In ­diesem Sinn hatte er bereits im Sommer 1741 eine Neubesetzung des Rates verfügt, sich die Bestätigung der Ratsmitglieder vorbehalten und dem Rat mit dem Küstriner Kriegsrat Johann ­Chrysostomus Blochmann einen Auswärtigen als Direktor vorgesetzt, ohne dessen ausdrück­liche Zustimmung fortan nichts mehr „expediert“ werden durfte. Vielleicht auch um die Stadt über die damit de facto bereits vollzogene Aufhebung ihrer Autonomie hinwegzutrösten, erhob der König Breslau im Januar 1742 zur – nach Berlin und Königsberg – dritten Hauptund Residenzstadt Preußens.304 Eine neue Umschrift des städtischen Siegels brachte die Veränderung symbo­lisch auf den Punkt: Anstelle von „Sigillum Senatus Populusque Wratislavienis“ lautete sie fortan „Ratssiegel der Hauptund Residenzstadt Breslau.“ Förm­lich aufgehoben wurde die bisherige Ratsverfassung dann durch ein am 27. Januar 1748 erlassenes „Rathäus­liches Reglement für die Stadt Breslau“.305 Es sah einen 20-köpfigen besoldeten Magistrat vor, dem neben dem Rats-­Direktor und dem Vizedirektor ein Bürgermeister, dreizehn Ratsherren (davon vier als Zunftvertreter), zwei

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Syndici und zwei Sekretäre angehören sollten. Während die Direktoren und der Bürgermeister vom König bestellt beziehungsweise bestätigt werden mussten, erfolgte die Ernennung der übrigen Magistratsmitglieder durch die Breslauer Kriegs- und Domänenkammer, der das Kollegium insgesamt unterstellt wurde. Mit den Ende 1741 in Breslau und Glogau eingerichteten Kriegs- und Domänenkammern war das annektierte Schlesien auf Provinzial-­Ebene in die altpreußischen Verwaltungsstrukturen eingepasst worden. Unterhalb dieser Ebene unterstanden die Städte und Landgemeinden preußischen Steuer- beziehungsweise Landräten – allein Breslau war unmittelbar der Kriegs- und Domänenkammer zugeordnet. Die beiden Kriegs- und Domänenkammern waren wiederum einem in Breslau amtierenden schle­sischen Provinzialminister unterstellt, der bis 1806 direkt dem König verantwort­lich war. Innerhalb dieser Strukturen, mit deren Hilfe das ständisch geordnete Land in eine absolutistisch regierte Provinz umgestaltet wurde, kam dem Breslauer Rat beziehungsweise Magistrat nur noch die Funk­tion einer Verwaltungseinrichtung zu.306 Seine Mitglieder waren bezeichnenderweise bald überwiegend auswärtige, zumeist aus Brandenburg kommende ehemalige könig­liche Beamte und Offiziere. Als ein Organ der preußischen Königsherrschaft hatte der Rat seine einstige unabhängige Regierungsfähigkeit verloren. Dessen ungeachtet blieben ihm gewisse Kompetenzen, insbesondere Gerichts- und Polizeifunk­tionen sowie die Konsistorialrechte.307 Sie wurden in gesonderten Departements für Justiz, Polizei, Ökonomie, Bau, Rechnungswesen sowie Servis- und Militärangelegenheiten zusammengefasst, ­später (1787) auf die Departements Polizeimagistrat (mit dem gesamten Kämmereiwesen), Justizmagistrat, Waisenamt und Stadtkonsistorium konzentriert. Die in fast allen Einzelfragen jeweils erforder­liche Abstimmung ­zwischen den Magistrats-­Departements und der vorgesetzten Kriegs- und Domänenkammer und dem militärischen Stadtkommandanten im Fall des Servis- und Militärdepartements, hatte ein permanentes Kompetenzgerangel zur Folge, führte aber auch zu einer zunehmenden Professionalisierung der städtischen Verwaltung. Unter den Eindrücken der franzö­sischen Revolu­tion wurden die Magistratskompetenzen 1790 allerdings weiter eingeschränkt, indem ein mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteter zweiter Polizeidirektor eingeführt und ­dieses

Friderizianische Prussifizierung

Amt mit einem persön­lichen Freund des Königs besetzt wurde. Die staat­ lichen Durchgriffsmög­lichkeiten auf die kommunale Ebene mussten sich damit zwangsläufig weiter erhöhen. Zu ihrem Abschluss gelangte die Prussifizierung der Breslauer Stadtverfassung schließ­lich mit der Stein-­Hardenbergschen Städteordnung vom November 1808. Diese sah zwar eine neuartige kommunale Selbstverwaltung unter aktiver Teilnahme der Bürgergemeinde vor, verstand städtische Selbstverwaltung aber primär als ein Instrument, mit dessen Hilfe die einzelne Stadt in den Gesamtstaat eingefügt und der einzelne Stadtbürger zum Staatsbürger umgeformt werden sollten. So verlor Breslau mit der Städteordnung die letzten Reste seiner einstigen hoheit­lichen Kompetenzen – die Rechtspflege und das Polizeiwesen. Die Befugnisse der Stadt wurden auf rein kommunale Bereiche beschränkt, während die als staat­lich angesehenen Ordnungsfunk­tionen den übergeordneten Instan­ zen übertragen wurden – dem Schle­sischen Oberpräsidenten und dem Breslauer Regierungspräsidenten, die mit der Neuordnung der preußischen Provinzialverwaltung nach 1808 bzw. 1815 an die Stelle des schle­sischen Provinzialministers beziehungsweise der Kriegs- und Domänenkammer traten. Damit war der Prozess der sukzessiven Aufhebung der aus dem Mittelalter überkommenen städtischen Autonomierechte zum Abschluss gekommen, gleichzeitig aber auch der Weg zu einer neuen, zeitgemäßen Form städtischer Selbstverwaltung eröffnet worden.308 Der dritte Bereich, in dem die friderizianische Prussifizierung für die Breslauer besonders fühlbar wurde, war ihr Wirtschaftsleben. Neben der militärischen Sicherung und administrativen Integra­tion war der preußische Staat vor allem an der wirtschaft­lichen Nutzung seiner schle­sischen Eroberung interessiert. Es war zweifellos nicht zuletzt Breslaus hohe Finanzkraft, die Friedrich II. vor Augen stand, als er die Stadt die „Perle der Krone Preußens“ nannte. Denn wie alle übrigen schle­sischen beziehungsweise preußischen Städte wurde auch die Odermetropole finanz- und steuertechnisch als eine Domäne, als staat­liches Eigentum betrachtet. Dem Rat war daher neben seiner Militärhoheit zu allererst die Kontrolle über das städtische Steuer- und Finanzwesen entzogen worden. In der Praxis bedeu­ tete dies, dass alle städtischen Steuern und Abgaben prinzipiell direkt der Staatskasse zuflossen und ledig­lich um die unvermeidbaren städtischen

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Ausgaben gekürzt werden durften. Die Aufstellung des städtischen Haushaltes wurde daher einer strengen Aufsicht unterworfen, wobei der an die könig­liche Kasse abzuführende „Überschuss“ bald als ein etwa 15 % des jeweiligen Haushaltes betragendes Fixum festgesetzt wurde. Dieses war auch dann abzuführen, wenn ein „Überschuss“ gar nicht erzielt wurde. Das brachte die städtischen Finanzen bald in arge Bedrängnis, zumal der Bau der Festungsanlagen und die Unterhaltung der Garnison ebenfalls weitgehend aus der Stadtkasse finanziert werden mussten. Die Folge war eine hohe städtische Verschuldung, die sich 1785 auf 648.000 Taler belief, und mitunter die Stadt mit Zahlungsunfähigkeit bedrohte. Da es der König ablehnte, der Stadt mit „Gnadengeschenken“ zur Hilfe zu kommen, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich mit den neuen finanzpolitischen Bedingungen und den merkantilistischen Ordnungsversuchen des Staates abzufinden. Beide Zugänge agierten allerdings widersprüch­lich und hemmten dadurch ihre positiven Wirkungen. Einerseits bemühte sich die friderizianische Merkantilpolitik um eine Förderung des Breslauer Handels und Gewerbes, etwa indem sie die Ansiedlung fremder Handwerker und Fabrikanten sowie den Ausbau des Manufakturwesens anregte. Gleichzeitig sorgte sie aber mit entsprechenden Maßnahmen dafür, dass die Breslauer Aktivitäten einschlägigen Unternehmungen in Berlin und Brandenburg nicht in die Quere kamen. Die seit 1749 geplante (1771/1772 von Carl Gotthard Langhans auf dem Bürgerwerder erbaute, zum Teil bis heute erhaltene) neue Breslauer Zuckerraffinerie erhielt beispielsweise ihre Konzession erst 1770, nachdem erkennbar geworden war, dass sie dank eines wachsenden Marktes der Berliner Zuckerfabrik keine Konkurrenz bereiten würde. Die Entwicklung der Breslauer Wirtschaft wurde aber nicht nur durch die strenge staat­liche Kontrolle und Steuerung des Manufakturwesens beeinträchtigt, sondern auch durch eine restriktive Zoll- und Steuerpolitik.309 Mit der 1742 erfolgten Einführung der preußischen Akzise, einer an den Stadttoren erhobenen Verbrauchssteuer, wurden die Erzeugnisse der städtischen Wirtschaft mit einer hohen prozentualen Abgabe auf den jeweiligen Warenwert belegt, der bei einigen Produkten in den 1780er Jahren bis zu 60 % betragen konnte. Dieser Binnenzoll brachte nicht nur eine erheb­liche Teuerung mit sich, sondern konterkarierte auch Maßnahmen

Friderizianische Prussifizierung

der Handelsförderung, wie sie Friedrich II. beispielsweise 1742 mit der Einrichtung einer halbjähr­lichen Breslauer Messe verfolgte. Die im März und September abgehaltenen neuen Märkte sollten den Absatz einheimischer Produkte steigern, ein Gegengewicht zur Leipziger Messe bilden und auf diese Weise die staat­lichen Einnahmen erhöhen. Nicht nur die infolge der militärischen Einquartierung in Breslau fehlenden Unterkünfte für auswärtige Kaufleute, sondern auch die hohen Zoll- und Steuerabgaben ließen diesen Versuch am Ende scheitern. Schon 1749 wurde die Messe aufgegeben und an ihrer Stelle wieder ein gewöhn­licher Jahrmarkt abgehalten.310 Die negative Wirkung hoher Außenzölle war an der Oder umso spürbarer, als Breslau weiterhin eine auf Transit- und Auslandshandel ausgerichtete Handelsstadt blieb, in der Fabriken einstweilen keine größere Rolle spielten. Wie der schle­sische Provinzialminister Ernst Wilhelm von Schlabrendorff 1763 berichtete, betrieben die Breslauer Kaufleute damals zwar weiterhin einen regen, ins Ausland führenden Leinwand-, Tuch- und Wollwarenhandel, traten als Entrepreneurs größerer Gewerbebetriebe aber kaum in Erscheinung.311 Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts liefen in Breslau nicht mehr als 550 – 600 Webstühle, davon die Hälfte in der Leinenweberei; zur gleichen Zeit wurden in Magdeburg bereits 1500 Webstühle gezählt. In der Breslauer Seidenweberei waren 1805 in drei Fabriken ledig­lich 43 Webstühle in Betrieb, während in Berlin gleichzeitig 4557 Seiden-­Webstühle arbeiteten. Eine gewisse Bedeutung besaß der Perkal-­Druck, mit dem 1806 in 19 Betrieben rund 1200 Arbeiter beschäftigt waren.312 Um die g­ leiche Zeit gab es in Breslau neben den Textil-­Betrieben gerade einmal ein Dutzend Tabak-, Zucker- unter anderem Fabriken, die zusammen etwa 1000 Mitarbeiter beschäftigten. Angesichts einer solchen Schwäche des Breslauer Großgewerbes, mussten die dem Breslauer Handel bereiteten Hemmnisse umso stärker auf die städtische Wirtschaft durchschlagen. Die Hemmnisse waren dabei nicht nur preußisch-­hausgemacht, sondern gingen auch auf eine verschärfte österreichische und rus­sische Schutzzollpolitik zurück, deren Ziel die Sicherung ihrer mit der ersten Teilung Polens (1772) erweiterten ostmitteleuropäischen Binnenmärkte war. Damit trat nach und nach ein erheb­licher Rückgang des Breslauer Ausfuhrhandels nach Rußland und Österreich ein, der durch einen Anstieg des Ausfuhrhandels in andere preußische Landesteile, darunter das von Preußen

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annektierte polnische Teilungsgebiet nur zum Teil kompensiert werden konnte. Auch die nach dem Tod Friedrich II. unter seinem Nachfolger und Neffen Friedrich Wilhelm II. eintretende Lockerung der Ausbeutung der Breslauer Stadtwirtschaft konnte deren Lage nicht grundlegend ändern. Die Stadt war zwar weiterhin das dominierende Wirtschaftszentrum des Landes, wovon ihre Einwohner nicht wenig profitierten, doch ihre wirtschaft­liche Situa­tion blieb angespannt. Erst unter den Bedingungen eines durch Befreiungskriege und Reformwerk erneuerten Preußen sollte sich das Blatt wenden, sollte sich die Metropole eines vormodernen Waren­tausches in ein modernes Handels-, Dienstleistungs- und Industrie­ zentrum weiter entwickeln.

Gewerbefreiheit und industrielle Modernisierung Das Stein-­Hardenberg’sche Reformwerk eröffnete mit der Städteordnung nicht nur den Weg zu einer modernen städtischen Selbstverwaltung, sondern revolu­tionierte mit dem Gewerbesteueredikt vom 2. November 1810 und dem Gewerbepolizeigesetz vom 7. September 1811 auch das städtische Wirtschaftsleben. Der Zunftzwang, das Meilenrecht und andere mittelalter­ liche Privilegien (wie die Brau-, Mühlen-, Apothekenrechte) wurden aufgehoben. An die Stelle der hergebrachten ordnungspolitischen Zwänge und Regulierungen trat eine vollständige Gewerbefreiheit. Neue Zollgesetze ergänzten 1818 und 1821 die Reformmaßnahmen, indem sie Preußen zu einem einheit­lichen Zollgebiet mit mäßigen Zolltarifen machten. Damit waren entscheidende Voraussetzungen für eine liberale Gewerbewirtschaft geschaffen, die 1834 mit der Gründung des Deutschen Zollvereins weiter verbessert wurden. Die Breslauer Handwerker und Kaufleute standen den neuen Bedingungen zunächst allerdings eher ablehnend gegenüber. Schon die durch die Städteordnung ermög­lichte Vereinigung der alten Rechtsstadt mit den Vorstädten erregte heftigen Widerstand und zog sich in der administrativ-­juristischen Realität bis in die 1820er Jahre hin.313 Die Zunfthandwerker fürchteten die Konkurrenz der in den Vorstädten tätigen unzünftigen „Pfuscher“ und wehrten sich gegen deren Eingliederung. Auch gegen die neuen Gewerbegesetze erhoben die Breslauer sogleich Protest. In einer Eingabe an den König erklärten sie im Dezember 1810, „dass die im

Gewerbefreiheit und industrielle Modernisierung

Werke seyende unbegränzte Gewerbefreiheit auf den Wohlstand unserer Bürger nach unsern Ortsverhältnissen nicht anders als höchst nachtheilig einwirken könne und baten ihren gütige[n] Monarch[en darum], dass keinem, der ein solches Gewerbe, für welches hierorts eine Zunft existiert, betreiben will, der diesfällige Gewerbeschein eher erteilt werde, als bis er auf dem bisher bestandnen gesetz­lichen Wege in die Zunft, die für sein Gewerbe vorhanden ist, eingeworben.“314 Diese und weitere Eingaben verhallten ungehört. Am Ende blieb den Breslauern nichts anderes übrig, als sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen und ihre Geschäfte entsprechend neu auszurichten. Dies ist seit den 1820er Jahren dann auch in wachsendem Maße geschehen. Dabei wurde die Neuausrichtung von einem personellen Austausch innerhalb des kaufmännischen Milieus begleitet und gefördert. Denn manche alteingesessene Kaufmannsfamilie hat die Umbrüche der friderizianischen Prussifizierung, die Wirren der napoleonischen Zeit und den Neuaufbruch nach den Befreiungskriegen nicht überstanden. Dafür nutzten andere, zuziehende oder aufsteigende Kräfte die sich bietenden Gelegenheiten und etablierten erfolgreich neue Geschäfte. War die Zahl der christ­lichen Kaufleute ­zwischen 1790 (366) und 1818 (359) fast konstant geblieben, so verringerte sie sich bis 1840 auf 271; gleichzeitig stieg die Zahl der in Breslau tätigen jüdischen Kaufleute und Bankiers z­ wischen 1818 und 1840 von 97 auf 482.315 Hinter diesen personellen Verschiebungen standen nicht nur die mentalen Herausforderungen der Umorientierung auf eine liberalisierte Marktwirtschaft, sondern auch strukturell-­inhalt­liche Veränderungen im Breslauer Handel.316 Vor allem der einst blühende Tuch- und Leinenhandel erlebte nach 1800 durch diverse Blockierungen seiner nicht-­preußischen Absatzmärkte die Fortsetzung seines Niedergangs. Die schle­sische Leinen- und Tuchproduk­tion war gegenüber interna­tionalen Wettbewerbern, insbesondere der bereits in hohem Maße mechanisierten eng­lischen Textilproduk­tion kaum noch konkurrenzfähig. Auf die ausbleibende Nachfrage reagierten die Breslauer mit der Erschließung neuer Sparten und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Sie investierten beispielsweise in die schle­sische Schafzucht, die dank Veredelung bald hochfeine Wollen anzubieten hatte. Diese stießen rasch auf eine große interna­tionale Nachfrage, sodass Breslau seit den 1820er Jahren für ein halbes Jahrhundert als

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Mittelpunkt eines florierenden Wollhandels hervortrat. Dieser rückte die Stadt – unter anderem auf den zweimal jähr­lich abgehaltenen zweiwöchigen Wollmärkten – erneut ins Zentrum interna­tionaler Handelstransak­ tionen, eröffnete aber zugleich lukrative Perspektiven für im Wollhandel engagierte Breslauer Bankhäuser und belebte den lokalen Einzelhandel und Dienstleistungssektor. Weitere Kompensa­tionen für weggebrochene ältere Handelsgeschäfte ergaben sich durch die Intensivierung des Vertriebs einheimischer Farbstoffe (Krapp, Röte) und anderer landwirtschaft­licher Produkte (Flachs, Spiritus, Ölfrüchte, Holz) sowie von Rohstoffen und Produkten der entstehenden oberschle­sischen Industrie (Zink, Eisen, Zement, Kohle). Für gut drei Jahrzehnte boten auch die Verbindungen mit Krakau eine wichtige Absatzperspektive, fungierte der dort von 1815 bis 1846 bestehende Freistaat doch als Freihandelszone, über die den Breslauern der ansonsten verschlossene Osten zugäng­lich war. Die neben dem Wollmarkt größten Entwicklungsperspektiven wurden der Breslauer Wirtschaft allerdings durch zwei die Welt insgesamt revolu­tionierende Neuerungen eröffnet: durch die fabrikmäßige Mechanisierung der Produk­tion und den Bau von Eisenbahnen. Die in Breslau seit den 1830er Jahren einsetzende Industrialisierung erfasste zunächst die Textilherstellung. Durch die Umstellung auf die Maschinenspinnerei sollte die Qualität der Stoffe und Garne erhöht und damit die Wettbewerbsfähigkeit der schle­sischen Produkte gesteigert werden. In den 1830er Jahre baute Carl August Milde die 1829 von seinem Vater übernommene Kattundruckerei mit importierten Maschinen zu einer modernen Baumwollweberei und -spinnerei aus. Er war zuvor am Berliner Gewerbeinstitut ausgebildet worden, hatte in Paris Chemie studiert und einige Zeit in einer eng­lischen Kattundruckerei und Spinnerei gearbeitet; im Revolu­tionssommer 1848 war er kurze Zeit preußischer Handelsminister und s­ päter lange Abgeordneter im Preußischen Landtag. Sein Breslauer Unternehmen entwickelte sich rasch zum ersten Großbetrieb der schle­ sischen Textilindustrie und zu einem landesweiten Branchenführer, der auch interna­tional erfolgreich wurde.317 Auf Initiative des Breslauer Bankiers und Kaufmanns Gustav H ­ einrich Ruffer und der „König­lichen Seehandlungs-­Societät“, eines sich zur preußischen Staatsbank entwickelnden Geld- und Handelsinstituts, das unter

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Leitung des gebürtigen Schlesiers Christian Rother in Schlesien eine intensive staat­liche Industrieförderung betrieb, wurde 1841 die Breslauer Kammergarnspinnerei gegründet.318 Der Zulieferbetrieb für die Wollweberei, an dem sich auch die Breslauer Kaufleute Johann Friedrich Loesch, Louis Theodor Moriz-­Eichborn und Heinrich am Ende (mit je einem Neuntel) beteiligten, sollte die schle­sische Textilindustrie von Importen, insbesondere von den eng­lischen Garnen unabhängig machen. Das Werk wurde ein Jahr ­später unter der Leitung eines zu d ­ iesem Zweck in England ausgebildeten Technikers in Betrieb genommen und produzierte zunächst mit 2000, 1847 2800 und 1848 mit 3396 dampfbetriebenen Spindeln. Die Zahl der Beschäftigten stieg von rund 200 (1847) auf 514 (1848). Trotz Expansion blieb das Unternehmen zunächst unrentabel; das Geschäftsjahr 1847/48 schloss mit einem Defizit von 112.000 Talern. Zwei Jahre ­später wurde es an den ­Dürener Fabrikanten Heinrich Leopold Schoeller verkauft, der in ihm Garne für sein Teppichkontor produzieren ließ. Das von seinen Söhnen Rudolf (bis 1867) und Leopold, ­später von seinem gleichnamigen Enkel geführte Werk schrieb bald schwarze Zahlen und produzierte in Breslau bis 1925. Schon zu Beginn der 1830er Jahre hatten die um die schle­sische Industrieförderung bemühten Akteure erörtert, wie die schle­sischen Betriebe auch von ausländischen Maschinenimporten unabhängiger gemacht werden könnten.319 Ihre Überlegungen materialisierten sich 1833 in der Gründung einer Breslauer Maschinenbauanstalt, deren Ziel es sein sollte, „Maschinen aller Art für Gewerbe oder Kunst, nament­lich für die Fabrika­tion von Leinen, Baumwolle, Wolle, Kamm- und Strickgarnen, so wie für die Flachs-­Spinnerei nach den neuestens und besten Construc­tionen zu bauen und auf Ansuchen der Besteller die zweckmäßige Ingangsetzung derselben zu leiten.“320 Das preußische Ministerium des Innern für Handels- und Gewerbeangelegenheiten stellte die nötigen Maschinen bereit, während die Seehandlung ein geeignetes Grundstück erwarb, die ersten Fabrikgebäude (Haupthalle, Eisengießerei, Schmiede, Wohnhaus) errichtete und die Betriebsmittel zur Verfügung stellte. Das Unternehmen hatte anfäng­lich mit erheb­lichen Schwierigkeiten zu kämpfen. In Breslau und Umgebung fehlten entsprechende Fachkräfte, ausländische Arbeitskräfte konnten aufgrund des begrenzten Betriebskapitals nicht herangezogen werden und die Anlernung des verfügbaren Personals gestaltete sich mühsam und

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zeitraubend. Die Qualität der Fabrikate konnte denn auch zunächst kaum mit der Qualität eng­lischer Maschinen mithalten, sodass sich Abnehmer immer wieder beschwerten. Mit der Zeit konnte der technische Standard jedoch gehoben und das Werk, das im Oktober 1836 bereits über 200 Arbeiter beschäftigte, zufriedenstellende Produkte liefern. Allerdings trat der Bau von Textilmaschinen im Verlauf der 1840er Jahren weitgehend zurück, da man in d ­ iesem Bereich der eng­lischen Konkurrenz hoffnungslos unterlegen blieb. An ihrer Stelle produzierte das Werk fortan vornehm­lich verschiedenste Fabrikanlagen, Eisenbahnbedarf, s­ päter auch Lokomotiven. Die zunächst überwiegend von der Seehandlung finanzierte, kaufmännisch von Gustav Heinrich Ruffer, technisch von dem Breslauer Ingenieur Johann Gottfried Hofmann geleitete Fabrik wurde 1852 vollständig von Ruffer übernommen, der das Unternehmen in den folgenden Jahren zur führenden schle­sischen Maschinenbauanstalt ausbaute. Sie wurde 1895 in eine GmbH umgewandelt und zwei Jahre s­ päter von der Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau übernommen. Letztere war aus einem Betrieb hervorgegangen, den der Breslauer Kutschen- und Wagenbauer Gottfried Linke seit 1839 aufbaute. Der Stellmachermeister produzierte bereits 1841 die ersten offenen Güterwagen für die Oberschle­sische Eisenbahngesellschaft. Sein rasch expandierendes Unternehmen erhielt 1858 neue Werkstätten an der Striegauer Chaussee und wurde 1871 in die Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau umge­wandelt. Ein Jahr s­ päter wurde auch das Unternehmen Johann Gottfried Hofmanns in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der Sohn eines Breslauer Mühlenbauers hatte zunächst das väter­liche Handwerk erlernt, war dann in Berlin zum Maschinenbaumeister ausgebildet und anschließend in den preußischen Westprovinzen in Tuchfabriken und Baumwollspinnereien mit dem Einrichten von Maschinen betraut worden. Nach Studienreisen in die Niederlande und nach England sowie Versuchsarbeiten mit Flachs-, Streich- und Kammgarn, die er im Auftrag der preußischen Regierung durchführte, kam er 1833 als technischer Leiter der Maschinenbauanstalt nach Breslau. Nach seinem Ausscheiden aus dem von Ruffer übernommenen Werk, machte er sich 1856 selbständig und produzierte zunächst vor allem Feuerspritzen. Bald ging auch er zum Bau von Eisenbahnwaggons über. Als die aus seinem Werk hervorgegangene

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Aktiengesellschaft 1912 mit der Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau fusionierte, erhielt das vergrößerte Unternehmen den Namen Linke-­Hofmann-­Werke, unter dem es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als eines der größten europäischen Waggonbauwerke tätig blieb.321 Neben Werken, die den neuen Eisenbahnbedarf aufgriffen, entstanden in den 1840er–1850er Jahren in Breslau auch Werke, die andere Sparten bedienten. Der aus Dresden nach Breslau zugezogene Schlossermeister Heinrich Meinecke baute seit 1843 eine Fabrik auf, in der vor allem Geldschränke, Gasometer und seit 1873 Wassermesser hergestellt wurden. Die Wassermesser des 1897 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens wurden weltweit exportiert. Seit 1851 produzierte der hes­ sische Unternehmer Carl Justus Heckmann in Breslau Anlagen für die expandierende schle­sische Zuckerindustrie sowie für Brennereien und Brauereien. Ein 1853 von Friedrich Wilhelm Hofmann begründetes Werk stellte mit großem Erfolg Maschinen für die Holzverarbeitung (Sägewerke, Vollgatter) her; sein Bruder Johann Gottfried begründete 1858 überdies die Maschinenbauanstalt Koinonia, die in erster Linie Anlagen für Zucker­ fabriken, für die Bergbau- und Hüttenindustrie produzierte, aber auch Flussdampfer baute. Der Maschinen- und Gerätebau, dessen Produk­tionspalette in den 1860er Jahren um Landwirtschaftsmaschinen erweitert wurde, seit den 1840er Jahren aber keine Textilmaschinen mehr produzierte, blieb die bedeutendste Breslauer Industriebranche. Zu Beginn der 1860er Jahre umfasste sie elf Großbetriebe mit jeweils mehr als 50 Beschäftigten – ­neben fünf Maschinenbaufabriken handelte es sich um zwei Eisengießereien, zwei Waggonfabriken und jeweils eine Bleirohr- und Ofenfabrik. Die zweitgrößte Gruppe der Großbetriebe entfiel mit sieben Unternehmen auf die Lebens- und Genussmittelindustrie, während sich die fabrikmäßige Textilherstellung zu d ­ iesem Zeitpunkt ledig­lich in zwei Großbetrieben abspielte (der Milde’schen Baumwollspinnerei und Schoellerschen Kammgarnspinnerei). Hinzukamen zwei Strohhutfabriken, eine Posamentierwarenfabrik, zwei Möbelfabriken und eine Gasbereitungsanstalt, sodass 1861 in Breslau insgesamt 26 Fabrikwerke mit jeweils mehr als 50 Beschäftigten bestanden. In ihnen waren neben 79 Direk­tionsmitgliedern 3571 männ­liche und 965 weib­liche Arbeiter beschäftigt. Zur gleichen Zeit waren in den

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übrigen Breslauer Handwerks- und Gewerbebetrieben 18.750 Personen (5431 Meister und 13.319 Gesellen) tätig, davon rund 38 % im Leder- und Bekleidungsgewerbe und 17 % im Metallgewerbe und Gerätebau.322 Der Anteil der „Industriearbeiter“ an der Gesamtzahl der Breslauer Gewerbetreibenden erreichte um 1861 mithin nicht mehr als 17,5 %. Setzt man ihn ins Verhältnis zur damaligen Gesamteinwohnerschaft (1860: 142.240), so fällt der Anteil der Fabrikarbeiter an der gesamten Stadtbevölkerung auf verschwindende 2,8 %. An ­diesem Verhältnis hatte sich auch zehn Jahre ­später noch wenig geändert, gab es nach einem amt­lichen Bericht 1872 in der Stadt doch nur 22 größere Betriebe mit insgesamt 5317 Arbeitern.323 Die erste Phase der industriellen Modernisierung hat die Breslauer Wirtschaft und Sozialstruktur also keineswegs gänz­lich umgekrempelt. Das Kleingewerbe und der Handel blieben weiterhin die dominierenden Wirtschaftssektoren und Lebensbereiche. Dennoch war die Wirkung, die von der Etablierung einiger Großbetriebe ausging, langfristig erheb­ lich. Die meisten der bis ins 20. Jahrhundert hinein führenden Breslauer Unternehmen hatten ihren Ursprung in den 1840er–1860er Jahren. Die in dieser Zeit ausgebildeten Schwerpunkte in den Bereichen Maschinenbau, Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie haben die Struktur der Breslauer Industrie dauerhaft geprägt.

Ein Breslauer Wirtschaftspionier – Gustav Heinrich Ruffer Die Anstöße zur industriellen Modernisierung Schlesiens kamen einerseits von außen – teils von der staat­lich-­preußischen Gewerbepolitik, teils von auswärtigen Industriellen, die andernorts bereits erfolgreich waren und die sich in Schlesien bietenden Mög­lichkeiten nutzten. Entscheidende Initiativen gingen andererseits aber auch von Breslauer Bürgern aus. Einer der Breslauer Akteure, die in d ­ iesem Sinn mit Erfindungsreichtum, Energie, Durchsetzungsgeschick, Glück und entsprechendem Erfolg hervortraten, war Gustav Heinrich Ruffer.324 Der am 26. März 1798 geborene Sohn eines Liegnitzer Tuchmachers war in den 1830er–1870er Jahren einer der bedeutendsten Breslauer Industriepioniere und gehörte zu den einflussreichsten Förderern der schle­sischen Wirtschaft. Sein Vater hatte seinen Betrieb 1796 aus Goldberg nach Liegnitz verlegt, um den engen Beschränkungen

Ein Breslauer Wirtschaftspionier – Gustav Heinrich Ruffer

der heimischen Tuchmacherinnung zu entkommen. In Liegnitz eröffnete er die König­lich-­preußische privilegierte Ruffer’sche Tuchfabrik, die 1799 636 Stück feines Tuch, zehn Jahre s­ päter schon 5000 Stück produzierte. In der rasch expandierenden Fabrik erhielt Gustav Heinrich, der bis 1814 das Liegnitzer Gymnasium besuchte, seine erste Einführung in den Kaufmannsberuf. 1816 zog er nach Breslau, um im Handels- und Bankhaus Eichborn weitere sechs Lehr- und Ausbildungsjahre anzuschließen. Das 1728 begründete, seit 1784 am Salzmarkt gelegene Unternehmen war in nahezu allen Geschäftszweigen der damaligen schle­sischen Wirtschaft aktiv, zählte zu den führenden Häusern am Ort und unterhielt über Schlesien hinaus Geschäftsbeziehungen zu zahlreichen europäischen Handelshäusern. So lernte der junge Ruffer nicht nur einen regen Waren- und Kommissionshandel und ein expandierendes Bank- und Wechselgeschäft kennen, sondern erwarb auch Einblicke in interna­tional weitgespannte Geschäftskontakte. Hinzukam die Prägung durch seinen Prinzipal Johann Wolfgang Moriz-­Eichborn, der 1794 als Schwiegersohn des Geschäfts­ inhabers Johann Friedrich Eichborn in die Firma eingetreten war. Er war ein humanistisch gebildeter Mann und interna­tional versierter Kaufmann, der das Unternehmen seit 1813 allein mit großem Erfolg führte und sich zu einer der seinerzeit „bedeutendsten kaufmännischen Persön­lichkeiten Schlesiens“ entwickelte.325 Großen Einfluss auf den Lehrling übte auch sein Onkel Johann Wilhelm Oelsner aus. Dieser war nach einem Studium der Theologie und Philologie seit 1790 zunächst als Lehrer am Breslauer Elisabeth-­Gymnasium tätig gewesen, hatte sich daneben aber in verschiedenen Schriften auch mit Wirtschaftsfragen befasst. Als er 1809 von einem Verwandten dessen Tuchgeschäft erbte, verband er die Theorie mit der Praxis. Er betrieb ein erfolgreiches Unternehmen und engagierte sich wirtschaftspolitisch für die Förderung der Breslauer Handelsbeziehungen sowie den technischen und industriellen Fortschritt. Zu d ­ iesem Zweck reiste er unter anderem im Auftrag der preußischen Regierung wiederholt nach Russland und Asien und unterhielt enge Kontakte zu führenden preußischen Wirtschaftspolitikern, darunter dem Präsidenten der Preußischen Seehandlung Christian Rother, einem gebürtigen Schlesier. In solchem Umfeld wurde der junge Ruffer in vielfältiger Weise gefordert und gefördert. Da er sich mit kaufmännischem Scharfsinn, großer

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Arbeitsenergie und erstaun­licher Entscheidungssicherheit bewährte, schlug ihm Johann Wolfgang Moriz-­Eichborn 1822 vor, gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Sohn, Friedrich August Eichborn, eine eigene Firma zu gründen. So machte sich der Fünfundzwanzigjährige zum 1. Januar 1823 mit dem Tuch- und Kommissionsgeschäft „Eichborn & Ruffer“ selbständig. Als sein Sozius 1832 starb, führte er das florierende, spartenmäßig erweiterte Unternehmen („Ruffer & Co“) allein weiter. Neben den Tuch- und Leinenhandel, mit dem insbesondere der amerikanische und chine­sische Markt erschlossen werden sollten, waren verstärkt der Wollhandel und vor allem das Bankgeschäft getreten. Die hohe Qualität der schle­sischen Schafwolle verlockte die Einkäufer dazu, auf den Breslauer Wollmärkten oft mehr Ware einzukaufen, als ihre Barmittel erlaubten. Hier sprangen die Breslauer Bankhäuser mit Krediten ein, die hohe Zinsen abwarfen. Zudem erhoben sie für die Zwischenlagerung der lombardierten Wolle in eigenen Speichern weitere Gebühren. Das brachte auch dem Ruffer’schen Unternehmen wachsende Profite, die noch gesteigert werden konnten, sofern nur der Weitertransport der in den Breslauer Speichern lagernden Wolle – aber auch anderer Waren – über verbesserte Verkehrsverbindungen beschleunigt werden konnte. Lösungen für die schle­sischen Verkehrsprobleme wurden seit längerem diskutiert. Sie haben auch Gustav Heinrich Ruffer bald intensiv beschäftigt. Dabei hat er sich seit Beginn der 1830er Jahre zunächst für den von der preußischen Regierung nur schleppend vorangetriebenen Ausbau der Oder-­ Schifffahrt eingesetzt. In Verhandlungen insbesondere mit dem ihm über seinen Onkel bekannten Präsidenten der Seehandlung erreichte er, dass die Oder-­Strecke von Cosel bis Breslau 1833 durch den Bau einer zweiten Schleuse bei Brieg verbessert wurde. Anschließend verfolgte er die Idee, von Breslau aus einen regelmäßigen Oder-­Dampfschifffahrts-­Verkehr nach Stettin einzurichten. Dazu ließ er auf einer Stettiner Werft einen Flussdampfer bauen, den er mit Maschinen aus der Breslauer Maschinenbauanstalt ausrüstete und mit dem er 1838 bei Breslau erste Fahrtversuche im Nahverkehr unternahm. Eine Probefahrt bis nach Stettin dauerte mehrere Tage und stieß auf erheb­liche Hindernisse, die in den folgenden Jahren nicht beseitigt werden konnten. Denn Ruffers Bemühungen, die Regierung für den Ausbau und die regelmäßige Unterhaltung einer genügend

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Abb. 8  Der 1901 eröffnete Breslauer Oderhafen im Bereich des Bürgerwerders

breiten Fahrrinne zu gewinnen, blieben einstweilen erfolglos. Zwar fanden seine verkehrspolitischen Vorstellungen bei Regierungsvertretern durchaus Gehör, doch konnten die erforder­lichen Finanzmittel nicht aufgebracht werden. So wurde die Idee einer regelmäßigen Verbindung nach Stettin aufgegeben, auch wenn Ruffer weiterhin von der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Oder-­Schifffahrt überzeugt blieb. Schon um den aufkommenden Eisenbahnen und deren Tarifpolitik ein wettbewerb­liches Gegengewicht entgegenstellen zu können, musste ihm und der Breslauer Kaufmannschaft an einer Verbesserung der Oder-­Schifffahrt gelegen sein. Dass die bestehende Frachtschiffverbindung Breslau-­Hamburg ­zwischen 1840 und 1849 einen deut­lichen Einbruch erlebte (ihre Frequenz ging von jähr­lich 450 Normal- und 76 Eilfahrten auf 150 Normal- und 5 Eilfahrten zurück), war in dieser Hinsicht zwar wenig ermutigend, doch gaben Ruffer und die Breslauer Kaufmannschaft den Gedanken nicht auf. Schließ­lich erreichten sie, dass sich 1863 das preußische Landwirtschaftsministerium der Frage der Oder-­Regulierung annahm und sich 1874 eine neu eingerichtete staat­liche Oderstrombauverwaltung auch tatsäch­lich an die Arbeit machte; die reibungslose Schiffsverbindung bis Stettin und Hamburg wurde frei­lich erst 1888 hergestellt und ein neuer Breslauer Flusshafen erst 1901 eröffnet. Auch in Breslau hatte man auf die Eisenbahn gesetzt und es war niemand anderer als Gustav Heinrich Ruffer, der einen maßgeb­lichen Beitrag zu ihrem Durchbruch geleistet hat. Der kühl rechnende Kaufmann

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war von Anfang überzeugt, dass die industrielle Entwicklung des Landes gleichermaßen Eisenbahnen wie Wasserstraßen benötigte. Daher ent­ wickelte er parallel zu seinen Oder-­Schifffahrts-­Initiativen seit den frühen 1830er Jahren auch Pläne zum Eisenbahnbau. Solche Pläne waren damals nicht völlig neu. Schon im August 1816 hatte der Oberhüttenverwalter für Schlesien und spätere Leiter des preußischen Hüttenwesens Karl ­Johann Bernhard Karsten in einer Denkschrift „über die Versorgung der Hauptund Residenz-­Städte Berlin und Breslau mit Steinkohlen“ die Idee einer Bahnverbindung ­zwischen Breslau und Oberschlesien entwickelt.326 Die Idee – tatsäch­lich wohl das erste größere Eisenbahnprojekt Deutschlands – eilte den Mög­lichkeiten ihrer Zeit voraus und wurde von der preußischen Regierung noch zugunsten einer Verbesserung der Oder-­Verbindung (Ausbau des Klodnitz-­Kanals 1820 – 1822) verworfen. 1827 – 1830 wurde sie von dem Oppelner Regierungs- und Baurat Friedrich Krause in abgewandelter Variante erneut aufgegriffen und 1834 noch erweitert (Verlängerung bis an die Grenze zum Freistaat Krakau). Krauses Vorschlag wurde ebenso wenig umgesetzt wie der 1830 von dem Breslauer Kaufmann Friedrich Wilhelm Friesner vorgebrachte Plan einer Bahnlinie von Breslau ins niederschle­ sische Freiburg. Doch brachten ­solche Konzepte nach und nach eine rege Diskussion in Gang und veranlassten auch Ruffer, sich intensiver mit den Perspektiven des Bahnbaus zu befassen. Offenbar führte er dazu früh ­Gespräche mit seinen wirtschaftspolitischen Gewährsleuten in Berlin. Jeden­falls nannte der Präsident der preußischen Seehandlung, der seinerseits verschiedene Bahnbauprojekte anzustoßen versuchte, Ruffer 1829 als einen sehr unternehmungslustigen, für die Realisierung von Eisenbahnprojekten besonders geeigneten Mann. Tatsäch­lich gelang es dem gerade etwas über Dreißigjährigen mit Unterstützung seines ehemaligen Prinzipals Johann Wolfgang Moriz-­Eichborn und seines Onkels Oelsner, die beide ebenfalls früh für Eisenbahnprojekte eintraten, die anfäng­lichen Bedenken der Breslauer Kaufmannschaft und schle­sischen adeligen Unternehmer nach und nach zu zerstreuen. Schließ­lich ergriff er die Initiative zu gleich zwei parallelen Bauprojekten, die sowohl an die Krause’schen als auch die Friesner’schen Überlegungen anknüpften und Breslau zum einen mit Oberschlesien, zum anderen mit dem südwest­lichen Niederschlesien verbinden sollten.

Ein Breslauer Wirtschaftspionier – Gustav Heinrich Ruffer

Für beide Projekte brachte Ruffer im Juni 1836 bzw. März 1837 jeweils einen Kreis interessierter Männer aus Stadt und Provinz zusammen, die sich anschließend in einer Oberschle­sischen bzw. Breslau-­Freiburg-­ Schweidnitzer Eisenbahngesellschaft mit Ertragsprüfungen, Trassenführungen und konkreten Planungsarbeiten befassten, vor allem aber um eine hinreichende Finanzierung der kostspieligen Unternehmungen bemühten. Die Hauptlast der Werbe- und Lobbyarbeit übernahm Ruffer selbst, der als erfahrener Bankier wusste, dass die skeptisch-­vorsichtigen Breslauer Kaufleute und schle­sischen adeligen Fabrikunternehmer nur mit überzeugenden Rentabilitätsnachweisen und verläss­lichen Gewinnaussichten gewonnen werden konnten. Bis Dezember 1840 kamen für die Oberschlesien-­Bahn Anteilszeichnungen in Höhe von 1,94 Mio. Taler zusammen. Das war zwar weniger als erwartet und benötigt, doch konnte noch im darauffolgenden Frühjahr mit dem Bau begonnen werden. Am 2. Mai 1841 erfolgte die Grundsteinlegung für den ersten Breslauer Bahnhof, den „Oberschle­sischen Bahnhof  “, für den die Stadt der Gesellschaft ein knapp zehn Hektar großes Gelände unentgelt­lich überließ. Bereits ein Jahr ­später berichtete die Schle­sische Zeitung über die ersten Probefahrten, die Einweihung des Bahnhofs und die Aufnahme des Bahnbetriebs bis Ohlau.327 Schon 1843 war die Strecke bis Oppeln verlängert; 1847 reichte sie über Cosel, Gleiwitz und Kattowitz bis Myslowitz. Für sein zweites Projekt, die Freiburger Bahn hatte Ruffer unter anderem die Unterstützung der preußischen Seehandlung erwirkt, sodass Finanzierung und Konzessionierung in ­diesem Fall etwas rascher vorankamen. Mit dem Bau konnte im Oktober 1841 begonnen und bereits am 28. Oktober 1843 der Bahnverkehr ­zwischen Breslau und Freiburg aufgenommen werden. Neun Monate s­ päter wurde der Abzweig nach Schweidnitz in Betrieb genommen, während die Verlängerung von Freiburg nach Waldenburg erst 1853 und die Weiterführung von dort über Niedersalzbrunn und Fellhammer ins böhmische Halbstadt erst 1877 folgten. Am dritten Breslauer Bahnunternehmen, der von Berlin aus initiierten, in Breslau maßgeb­lich vom Bankhaus Heimann unterstützten Niederschle­ sisch-­Märkischen Eisenbahn, deren erste bis nach Liegnitz führende Teilstrecke am 18. Oktober 1844 in Betrieb genommen wurde und die Breslau bis 1846 mit Berlin verband, war Ruffer nicht beteiligt.328 Dafür engagierte

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er sich in den 1850er Jahren für eine zweite oberschle­sische Bahnlinie. Diese sollte rechts der Oder von Oppeln nach Tarnowitz verlaufen und die öst­ lichen Teile des oberschle­sischen Bergbau- und Hüttenreviers erschließen, mit dem der Breslauer Kaufmann inzwischen nicht nur über eigene Industriegründungen und Beteiligungen, sondern auch durch seine Ehe mit der aus dem Kreis Gleiwitz stammenden Emma von Obermann auf Rudzinitz eng verbunden war. Das Projekt lag ihm so sehr am Herzen, dass er es zunächst auf eigene Rechnung in Gang setzte. Bis Dezember 1856 hatte er dann Aktienzeichnungen in Höhe von 2,5 Mio. Taler zusammengebracht, sodass der Streckenabschnitt Oppeln-­Tarnowitz 1857/1858 zügig gebaut werden konnte; seine Verlängerung ins Zentrum des Industriegebiets erfolgte allerdings erst 1869 – 1870. Ruffers verkehrswirtschaft­liche Interessen und daraus erwachsende Pionierleistungen waren auf das Engste mit seinen übrigen Geschäften verknüpft. Der Eisenbahnbau erschloss dem Breslauer Handel die Rohstoffe der schle­sischen Industriegebiete um Gleiwitz und Waldenburg. Er erleichtere deren Weitertransport in entfernte Absatzgebiete, aber auch den Vertrieb von Halb- und Fertigwaren, die auf ihrer Grundlage in der Provinz und in Breslau hergestellt wurden. Wie wenige andere verstand es Ruffer, die sich daraus ergebenden Chancen nicht nur als Kaufmann und Bankier zu ­nutzen. Vielmehr baute er einen strukturell auf einander abgestimmten Geschäftskomplex auf, der nicht nur höchst profitable Synergien schuf, sondern auch der schle­sischen Industrialisierung entscheidende Impulse gab. So ergänzte der Kaufmann und Bankier seine tradi­tionellen Textilhandels- und Kreditgeschäfte seit Beginn der 1830er Jahre mit der Produk­tion von Textilmaschinen, für die er 1833 in die Breslauer Maschinenbauanstalt einstieg. In Reak­tion auf die fortschreitende Industrialisierung stellte er das Unternehmen, das er 1852 als Alleineigner übernahm, bald erheb­lich breiter auf. Er ließ Maschinen und Anlagen für beinahe alle Arten von Fabriken fertigen, unter anderem auch Pumpen, Wasserhebewerke und Schleusen, womit sein Engagement für die Oder-­Regulierung einen ganz praktischen Ertrag zu erbringen versprach. Als der Eisenbahnbau die Nachfrage nach rollendem Material explodieren ließ, erweiterte er die Produk­tionspalette um Lokomotiven, die er seit 1861 an die von ihm gegründeten beziehungsweise geleiteten drei schle­sischen Eisenbahngesellschaften lieferte. Auf

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diese Weise zog er aus seinen Investi­tionen als Eisenbahnpionier gleich noch einmal Gewinn. Andererseits instrumentalisierte er den Eisenbahnbau auch, um sich neue Industrieaktivitäten zu erschließen bzw. profitabel zu machen. So trieb er den Bau der beiden oberschle­sischen Bahnlinien nicht zuletzt mit Blick auf dortige Hütten- und Walzwerke voran, an denen er selbst beteiligt war (wie der Stahl- und Eisenwarenfabrik Königshuld und den Zinkwalzwerken in Tiergarten bei Ohlau und Jedlitze bei Malapane) oder die er als Alleineigner besaß beziehungsweise begründet hatte (wie das Eisenhüttenwerk und Zinkwalzwerk in Piela bei Rudzinitz). Während sich der Großteil der Breslauer Kaufleute mit der Umstellung auf die neuen Formen industrieller Produk­tion und Distribu­tion schwer tat, gehörte Gustav Heinrich Ruffer zu jenem kleinen Kreis schle­sischer Wirtschaftspioniere, die den grundlegenden Neuerungen gegenüber stets aufgeschlossen waren. Er war neugierig und mutig genug, immer wieder eigenes – und als Bankier auch fremdes – Kapital in neue Industrieanlagen zu investieren und dabei zugleich umsichtig und geschickt genug, um überaus erfolgreich zu sein. Dass ein Industrieller wie Gustav Heinrich Ruffer immer auch als ein um das Gemeinwohl besorgter Bürger auftrat, gehörte zum bürger­lichen Selbstverständnis der Zeit. Wie selbstverständ­lich engagierte er sich in der kommunalen Selbstverwaltung, war Stadtverordneter, Gemeinde­ rat und Abgeordneter im schle­sischen Provinziallandtag. Innerhalb der Kaufmannschaft wirkte er über zwei Jahrzehnte als Direktor der Zwinger-­ Ressourcengesellschaft, in der Industrie- und Handelskammer, in Organisa­ tionskomitees verschiedener Messen und Ausstellungen oder im Kuratorium der 1844 gegründeten Städtischen Bank. Besonders tatkräftig hat er sich für die Gründung des Breslauer Zoolo­gischen Gartens eingesetzt, der 1865 am öst­lichen Rand des Scheitniger Parks eröffnet wurde und in dessen Verwaltungsrat er bis zu seinem Tod am 13. Februar 1884 ehrenamt­ lich tätig blieb.

Urbanisierung und City-Bildung Nicht nur der Eisenbahnbau und die industrielle Modernisierung veränderten den Stadtraum. Schon die Entfestigung der Stadt und die Einbeziehung der Vorstädte setzten seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts

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einen Prozess der phy­sischen Urbanisierung in Gang und führten bald zu einem gänz­lich neuen Stadtbild.329 Bis 1808 war Breslau ein von einem Festungsgelände umschlossenes mittelalter­liches Stadtgebilde mit einer Fläche von 133 ha, auf der etwa 43.000 Menschen lebten; knapp 15.000 Menschen wohnten zusätz­lich in den offenen, weiträumigen Vorstädten. Mit deren Integra­tion und der zusätz­lichen Eingemeindung einiger Dörfer vergrößerte sich das der Jurisdik­tion des Magistrats unterstehende Stadtgebiet mit einem Schlag auf rund 1900 ha, während die Beseitigung des fast 170 ha umfassenden Festungsgeländes zusätz­lichen Stadtraum schuf, vor allem aber die Barriere ­zwischen Rechtsstadt und Vorstädten beseitigte und damit überhaupt erst deren Zusammenwachsen ermög­lichte. Der alte Mauerring wurde in eine 3,5 km lange, 20 – 150 m breite Promenade umgewandelt, die sich entlang des beibehaltenen, aber begradigten äußeren Stadtgrabens fast um die gesamte Altstadt zog.330 Von den Bas­ tionen wurden die Ziegel- und die Taschenbas­tion als Aussichtspunkte und Parkanlagen in den neuen Grüngürtel integriert, dessen Innenseite sich sogleich zu überaus attraktivem Bauland entwickelte. Hier entstanden bald bedeutende neue öffent­liche Gebäude und prächtige private Palais. Das 150 – 500 m breite einstige Befestigungsvorfeld jenseits des Promenadengürtels wurde städtebau­lich durch die Anlage zweier repräsentativer Plätze, den Tauentzienplatz und den Königsplatz, sowie die Ausweisung großzügiger Baublöcke und deren Parzellierung erschlossen. Über begradigte und verbreiterte Ausfallstraßen und neue Brücken band man die erschlossenen Areale an die Altstadt an und stellte damit zugleich eine topographische Verbindung ­zwischen Zentrum und der Nikolai-­Vorstadt im Westen, der Schweidnitzer Vorstadt im Süden und der Ohlauer Vorstadt im Osten her.331 Kaufleute und Beamte, Handwerker und Unternehmer investierten in die von der Stadt veräußerten Parzellen und errichteten – wenn auch noch ohne zusammenhängende Planung und in eher chaotischer Weise – neue Wohn- und Zweckbauten, wobei insbesondere der süd­liche Streifen (an der Stadtgrabenpromenade) den Charakter eines elitären Villenviertels annahm. Veränderungen in der topographisch-­funk­tionalen Struktur der Stadt ergaben sich seit Ende Oktober 1810 auch aus der Säkularisierung. Von der Enteignung der katho­lischen K ­ irche erhoffte sich der preußische Staat hohe materielle Gewinne, wurde der Wert des klöster­lichen und

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bischöf­lichen Besitzes (ohne Kirchengerät, Kunstwerke, Bücher u. ä.) allein in Breslau auf fast eine Million Taler geschätzt.332 Zwar blieb der durch den Verkauf eingezogener Güter dann tatsäch­lich erzielte Ertrag mit 540.000 Talern deut­lich hinter den Erwartungen zurück, doch profitierte der Staat auch dadurch ganz erheb­lich, dass er die Bauten der insgesamt elf aufgehobenen Breslauer Klöster einer neuen öffent­lichen Nutzung ­zuführte. Dabei instrumentalisierte er die oft imposanten Gebäude bewusst zu Repräsenta­tionszwecken und brachte in ihnen gezielt staat­liche Behörden unter. Damit konnte der administrativ-­staat­lichen Vereinnahmung der Stadt auch symbo­lisch Ausdruck verliehen werden. So wurden die der Stadt entzogenen staat­lichen Funk­tionen der Rechtsprechung und Polizeigewalt topographisch-­bau­lich in der Nähe des Ritterplatzes konzentriert, indem das Oberlandesgericht das prächtige dreiflügelige Barockgebäude des ehemaligen Prämonstratenserkloster erhielt, das Polizeipräsidium das von den Ursulinen geräumte einstige Palais der Fürsten von Liegnitz und Brieg in der Schuhbrücke 49 bezog und das Einwohnermeldeamt direkt daneben im ehemaligen Palais der Grafen von Matuschków untergebracht wurde. Andere Klostergebäude wurden für die preußischen Erziehungsreformen instrumentalisiert und staat­lichen und städtischen Bildungseinrichtungen überlassen. In besonderem Maße profitierte hiervon die Universität. Die alte jesuitische Leopoldina war 1776 nach Auflösung des Ordens in ein König­liches Schuleninstitut umgewandelt worden, das sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts allerdings in einem beklagenswerten Zustand befand.333 Dank der aus der Säkularisierung geschöpften Finanzmittel und Immobilien konnte es 1811 zu neuem Leben erweckt und mit der Universität Frankfurt/ Oder zu einer modernen Voll-­Universität vereinigt werden. Durch die Zusammenführung entstand dabei nicht nur eine der ersten deutschen Hochschulen, die eine katho­lische und eine evange­lische Theolo­gische Fakultät besaß, sondern auch die seinerzeit zweitgrößte deutsche Universitätsbibliothek. Ihre Bestände, die nach Überführung der Frankfurter Bibliothek (mit knapp 28.000 Bänden) und Eingliederung der Bibliotheken der aufgelösten schle­sischen Klöster (von insgesamt etwa 150.000 Bänden wurden 70.000 übernommen) rund 120.000 Bücher und 2000 Handschriften umfassten, wurden neben weiteren neuen Universitätseinrichtungen im Kloster der Regularkanoniker auf der Sandinsel untergebracht (wo sich

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bis heute Teile der Universitätsbibliothek befinden).334 Auch im Kloster der Dominikanerinnen erhielt die Universität zusätz­liche Räum­lichkeiten, während ein fünf Hektar großes Areal im Norden der Dominsel der Universität als Botanischer Garten überlassen wurde. Dank Überlassung ehemals klöster­licher Gebäude konnten auch das evange­lische und katho­lische Lehrerseminar, zwei Mittelschulen sowie das Matthias-­Gymnasium, das wie alle übrigen christ­lichen Schulen der Stadt staat­licher Aufsicht unterstellt wurde, in neuen, großzügigen Räum­lichkeiten untergebracht werden; das Matthias-­Gymnasium im ehemaligen Kloster der Kreuzherren mit dem roten Stern, in dem sich heute das Institut Ossolineum befindet. Auf der Dominsel ermög­lichte die Säkularisierung von Kanoniker-­Kurien 1818/1819 die Einrichtung einer Blinden-­Unterrichts-­Anstalt sowie eines Taubstummen Erziehungs- und Unterrichts-­Instituts. Mit den Veränderungen, die sich durch die funk­tionale Umwandlung prominenter Gebäude innerhalb der Stadt ergaben, ging eine Modernisierung der Handels- und Verkaufseinrichtungen einher. Durch die Aufhebung der alten Gewerbegerechtigkeiten war die Bindung der Verkaufseinrichtungen an fest vorgeschriebene Verkaufsstellen entfallen. Nicht mehr das von der Stadt erworbene, in der Regel innerhalb einer Familie über Genera­tionen vererbte Privileg zur Führung einer Brot-, Fleisch- oder Schuhbank, eines Reichkrams, Tuchladens oder eines anderen Verkaufsstands war maßgebend. Was fortan zählte, waren Kapital und Geschäftsideen, mit denen sich jeder Betrieb in neuen Ladenlokalen frei am Markt bewegen konnte. Der damit verbundene tiefgreifende Umbruch kam zuerst und in geradezu symbo­ lischer Weise in der Neugestaltung des inneren Ringblocks zum Ausdruck. Die hier seit Jahrhunderten neben dem Rathaus bestehenden, zunehmend baufälligen Handelseinrichtungen, das Schmetterhaus und die Tuchhallen, wurden abgerissen. An Stelle der Tuchhallen entstand 1822 – 1824 eine kleine Geschäftsstraße (Elisabethstraße./ul. Sukiennice) mit ra­tional geplanten dreistöckigen, in eleganten klassizistischen Formen gestalteten Häusern. Die in ihren Erdgeschossen eingerichteten Geschäftslokale waren direkt von der Straße zugäng­lich und lockten ihre Kunden bereits mit großen Fenstern an. Der Platz des abgerissenen Schmetterhauses wurde 1824 – 1826 durch eine Erweiterung und Modernisierung der an seiner Nordseite

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gelegenen Häuserzeile ausgefüllt, deren Erdgeschosse teilweise ebenfalls in neuartige Geschäfte umgestaltet wurden. Nach dem Vorbild der neuen inneren Ringbebauung wandelte man nach und nach auch in anderen Altstadt-­Straßen Erdgeschosse, s­ päter zusätz­lich auch Obergeschosse in Geschäftslokale um; 1875 gab es in der Innenstadt bereits 2190 Geschäfte und 749 weitere Verkaufsstellen; viele Straßen bildeten nun geschlossene Ladenfronten.335 Die zunehmende Umwandlung von Wohnraum in kommerziell genutzte Räum­lichkeiten – zu den Geschäfts­lokalen kamen 1875 noch 868 Handwerksstätten und 255 Fabrikräum­lichkeiten hinzu – führte bei gleichzeitigem Bevölkerungs­ anstieg zu einer weiteren Verdichtung des Altstadtbereichs, zumal weitere öffent­liche Gebäude immer mehr den Altstadtraum reduzierten. Dazu zählten die Börse am Salzmarkt (1822 – 1825), die Synagoge Zum weißen Storch (1827 – 1829) und das Stadttheater (1839 – 1841), die von Carl ­Ferdinand Langhans in klassizistischen Formen entworfen worden waren.336 In den Jahren 1841 – 1843 kam in der Antonienstraße ein neues großzügiges jüdisches Krankenhaus hinzu, während 1843 – 1847 das König­liche Forum viel Raum am südwest­lichen Rand der Altstadt verschlang. Der um einen rechteckigen Exerzierplatz (den heutigen pl. Wolności) herum gestaltete Komplex bestand aus einem neuen, parallel zur Promenade angelegten Südflügel des Königsschlosses sowie aus drei Neubauten, näm­lich dem Schle­sischen Landtag (Ständehaus), dem König­lichen Stadtgericht und Gefängnis sowie dem Sitz der obersten Heeresleitung der schle­sischen Garnison (Generalkommandantur). Das Gesamtensemble, mit dem erstmals Elemente des Frühhistorismus nach Breslau kamen, kann als eine symbo­lische Repräsenta­ tion der preußischen Staatsidee, als eine architektonische Manifesta­tion der Säulen des monarchischen Systems – König, Stände, Militär und Justiz – gedeutet werden. Kurz vor der 1848er-­Revolu­tion war es ein letzter Versuch der Monarchie, gegenüber dem politisch und wirtschaft­lich aufstrebenden Bürgertum die könig­liche Vorherrschaft zu behaupten.337 Die nicht minder symbolpolitisch aufgeladene Antwort des Bürgertums folgte eineinhalb Jahrzehnte ­später in Gestalt eines neuen Stadthauses für die mit der Gemeindeordnung und revidierten Städteordnung von 1850 – 1853 erneuerte städtische Selbstverwaltung. Der 1860 – 1864 an der Stelle des abgetragenen Leinwandhauses (der ehemaligen Stadtwaage) auf

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dem Ringplatz nach einem Entwurf Friedrich August Stülers im Stil der Neogotik bzw. Neorenaissance errichtete Bau nahm neben dem Sitzungssaal für die Stadtverordnetenversammlung und Büros der Stadtverwaltung auch die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv und einige Geschäfte auf.338 Auch in anderen, besonders attraktiven Teilen der Altstadt wurden immer mehr Altbauten abgerissen und an ihrer Stelle neue elegante Wohn- und Geschäftshäuser sowie erste Hotels errichtet. Gleichzeitig gaben adlige und besonders reiche Einwohner ihre innerstädtischen Palais zugunsten neuer komfortabler Vorstadtresidenzen auf, während die Zahl der ärmeren Bevölkerung in den weniger attraktiven Teilen der Altstadt weiter anstieg. Mit dem Bau neuer Häuser, darunter erster typischer Mietshäuser, und mit der Umwandlung von Altbauten in Mehrfamilienhäuser war dem wachsenden Wohnraumbedarf jedoch bald kaum noch nachzukommen. Tatsäch­lich kippte die Bevölkerungsentwicklung der Altstadt bereits Ende der 1850er Jahre um.339 Bis 1858 war ihre Bewohnerschaft kontinuier­lich angestiegen: von 44.218 im Jahr 1799 über 62.675 im Jahr 1849 bis auf 70.460. Damit war eine Wohndichte von zwei Personen pro 100 m² erreicht. In den 1860er Jahren fiel sie dann zunächst geringfügig aber stetig auf 68.073 (1871), um anschließend deut­lich rascher zu sinken: 1908 zählte die Altstadt mit 44.653 Einwohnern fast wieder so viele (oder wenige) Bewohner wie 1799; 1913 waren es nur noch 41.793. In der gleichen Zeit wuchs die Zahl der Bewohner der Vorstädte von etwa 15.000 um 1808 über 41.547 (1849), 59.353 (1858), 68.415 (1861) und 139.924 (1871) auf 444.365 Einwohner (1908). Dabei kehrte sich das Verhältnis Innenstadt-­Vorstadtbevölkerung schon zu Beginn der 1860er Jahre um; 1871 belief es sich auf 1:3, 1908 schon auf 1:10. Auch diese Entwicklung wird als ein wesent­liches Merkmal der Citybildung, das heißt der Ausbildung eines modernen, zunehmend von Einrichtungen des tertiären Sektors geprägten, immer weniger als Wohnbereich dienenden Stadtzentrums angesehen. Diese Ctiybildung hat in Breslau im Vergleich zu anderen ostmitteleuropäischen Großstädten relativ früh eingesetzt und bereits in den 1850er–1870er Jahren einen ersten Höhepunkt erlebt. In der Breslauer Bevölkerungsentwicklung des 19. Jahrhunderts tritt die typische Dynamik der industriezeit­lichen Urbanisierung entgegen, die sich hier nicht wesent­lich von der Entwicklung in anderen deutschen Großstädten unterschied. In einem ersten, noch relativ schwachen

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Urbanisierungsschub wuchs die Gesamteinwohnerschaft ­zwischen 1820 und 1849 um ledig­lich 39 % von rund 75.000 auf 104.222 Einwohner. Bis 1909 stieg sie dann in einer weitaus intensiveren Urbanisierungsphase um 470 % bis auf 489.018 Einwohner an, wobei der Zuwachs pro Jahrzehnt ziem­lich gleichmäßig ausfiel. Ledig­lich in den Jahren 1858 bis 1871 stieg die Gesamtbevölkerung etwas rascher an. Dazu dürfte neben dem Boom der von franzö­sischen Kriegskontribu­tionen mitfinanzierten Gründerjahre auch der Umstand beigetragen haben, dass 1868 das Stadtgebiet durch Eingemeindung um 986 ha auf 3032 ha erweitert wurde.340 Wie in anderen Großstädten speiste sich das Bevölkerungswachstum auch in Breslau so gut wie ausschließ­lich aus der länd­lichen Zuwanderung. Die Zahl der Geburten begann in Breslau erst seit den 1850er Jahren ganz allmäh­lich die der Todesfälle zu übersteigen. Die Expansion der Vorstädte hatte seit Mitte der 1850er Jahre eine erste planmäßige Regulierung von Teilen der Außenbezirke zur Folge. Auf der Grundlage eines 1856 aufgestellten Bebauungsplanes wurden in der Nikolai-, Schweidnitzer und Ohlauer Vorstadt weitere Straßen und Plätze angelegt, existierende Straßen begradigt, ausgebaut und über die bestehenden Stadtgrenzen hinaus verlängert. Die Regulierung fiel mit dem Bau eines neuen Zentralbahnhofs zusammen, der zur weiteren topographisch-­funk­tionalen Integra­tion der süd­lichen Außenbezirke und ihrer noch engeren Anbindung an die City führte. Nach Eröffnung der Niederschle­sisch-­Märkischen Eisenbahn im Jahr 1844 war Breslau die einzige deutsche Stadt mit gleich drei Kopfbahnhöfen. Diese verbanden die Stadt zwar bald in alle Himmelsrichtungen mit der Außenwelt, erschwerten aber innerhalb der Stadt den Durchgangsverkehr. Erst als die Oberschle­sische Eisenbahn-­Gesellschaft 1853 die Konzession zum Bau einer Bahnlinie nach Posen erhielt, wurde ihr Breslauer Bahnhof ausgebaut beziehungsweise neben d ­ iesem eine neue Bahnhofsanlage errichtet und zugleich die Schienenverbindung z­ wischen der Oberschle­sischen und Niederschle­sisch-­Märkischen sowie der Freiburger Bahnlinie hergestellt. Der 1857 eröffnete, 1904 – 1907 erweiterte und 2010 – 2012 umfassend restaurierte Zentralbahnhof war dann mit einem 200 m langen, im Stil der eng­lischen Neogotik errichteten Empfangsgebäude und einer drei Gleise überdachenden Halle eine Zeitlang einer der größten Bahnhöfe Europas (Farbtafel 16).341

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Eine zweite planmäßige Regulierung der Außenbezirke erfolgte seit den 1870er Jahren. Sie erfasste nun auch die nörd­lichen, rechts der Oder gelegenen Bezirke, die Sand- und Odervorstadt, für die 1880 abgestimmte Bebauungspläne vorgelegt wurden. Die Odervorstadt war bereits 1868 durch eine neue Brücke enger an das Zentrum angebunden worden. Der allgemeine wirtschaft­liche Aufschwung nach der Reichsgründung führte zu einem weiteren Ausbau der Gewerbe- und Industrieanlagen in den Vorstädten, beschleunigte dort aber auch den Bau von Mietshäusern. Auch die städtische Infrastruktur erfuhr eine weitere Verbesserung. In den 1840er–1860er Jahren hatte die Stadt bereits erste Gas-­Straßenlampen, zwei Gaswerke und eine moderne Feuerwehr erhalten; 1866 war der zur Kloake verkommene innere Stadtgraben zugeschüttet worden, wodurch sich die hygienische Situa­tion in seinem Umfeld erheb­lich verbesserte. In den 1870er Jahren folgten unter anderem die Erneuerung und Erweiterung des Wasserleitungssystems, der Bau einer modernen Kanalisa­tion und eines dritten Gaswerkes, die Pflasterung der Hauptstraßen mit Granitpflastersteinen, die Einrichtung einer ersten Pferdestraßenbahn, der Ausbau der Straßenbeleuchtung.342

Sozialer Wandel und politische Bewegungen Industrielle Modernisierung und Urbanisierung waren von markanten Verschiebungen innerhalb der städtischen Sozialstruktur begleitet. Die alteingesessene patrizische Elite hatte bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihre dominierende Stellung eingebüßt. An ihre Stelle waren zunächst Ange­ hörige des Adels und der preußischen Verwaltung getreten, die im Zuge der Prussifizierung führende städtische Posi­tionen eingenommen hatten. Seit den 1820er Jahren gewann dann ein neues Wirtschaftsbürgertum an Gewicht, das sich teils ebenfalls aus Zuwanderern, teils aus den aktiveren, den Neuerungen der Zeit gegenüber aufgeschlossenen Vertretern der lokalen Kaufmannschaft rekrutierte. Diese städtische Wirtschaftselite machte um die Mitte des 19. Jahrhunderts – setzt man die 4500 Breslauer, die 1850 mit einer jähr­lichen Steuerleistung von über 300 Talern belastet waren, ins Verhältnis zur damaligen Gesamtbevölkerung (1849: 104.222) – nicht mehr als 4,3 % der Einwohnerschaft aus. Nur 11,2 % dieser kleinen, nach

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dem Zensuswahlrecht allein wahlberechtigten Sozialgruppe zählte dabei mit einer jähr­lichen Steuerleistung von über 1500 Talern zur 1. Wahlklasse, 64,4 % hingegen zur 3. Klasse (300 – 700 Taler) und 24,4 % zur 2. Klasse (701 – 1500 Taler).343 Mit innovativen Ideen, wagemutigen Investi­tionen, oft auch skrupellosen Spekula­tionen gelangte eine kleine Gruppe von Kaufleuten, Bankiers und Fabrikanten zu besonderem Wohlstand und bildete fortan die gehobene Schicht des neuen Breslauer Bürgertums. Leitende Angestellte, Privatiers, Kommerzienräte und Vertreter höherer Dienstleistungen ergänzten bald ­dieses Wirtschaftsbürgertum um neue Kategorien. Hingegen blieben Bildungsbürger (Professoren, Gymnasiallehrer, Freiberufler, Schriftsteller, Künstler und Studenten) sowie höhere Beamte für die Ausbildung des neuen Bürgertums zunächst von geringer Bedeutung. Noch 1876 wurden die Reihen des Bürgertums, das bis ins 20. Jahrhundert hinein insgesamt die tonangebende Sozialgruppe der Stadt bleiben sollte, zu 75 % von Wirtschaftsbürgern dominiert. Neben dem Bürgertum, dessen Anteil an der Stadtbevölkerung 1876 bereits 11,5 % betrug, existierte ein Kleinbürgertum, das sich aus einem alten Mittelstand (Handwerksmeister, Händler und Krämer, Wirte und sonstige selbständige Gewerbe) und einem neuen Mittelstand (Lehrer, Mittlere Beamte und Angestellte, unselbständige Angestellte) zusammensetzte. Der Anteil dieser Mittelschicht an der Gesamtbevölkerung lag während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts relativ konstant bei etwa 20 %. Das Bürgertum machte mithin seit Mitte des 19. Jahrhunderts insgesamt nur etwa ein Drittel der städtischen Bevölkerung aus; 60 – 70 % der in dieser Zeit rapide wachsenden Einwohnerschaft gehörten der Unterschicht an, zu der untere Beamte und Angestellte, Arbeiter, unselbständige Handwerker, Dienstboten, Invaliden und Almosenempfänger gezählt wurden.344 Die unterschicht­liche Bevölkerung hatte in Breslau auch in der Vormoderne stets einen hohen Anteil erreicht, erhielt aber mit der demographischen Expansion des 19. Jahrhunderts quantitativ eine ganz neue Dimension, die wiederum zu erheb­lichen sozialen Spannungen und politischen Problemen führte. Schon 1848 beklagte Gustav Freytag das Anwachsen eines Proletariats, das nirgendwo „so drohend und unbändig auf den Straßen lungert und so begehr­lich in die Häuser [der Bürger] hineinschaut“ wie in Breslau.345

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Die Klasse der Besitzenden hatte unterdessen auch in ethnisch-­ konfessioneller Hinsicht einen Wandel erfahren. Neben Protestanten, die mit 60 % in der Stadt nach wie vor die größte Bevölkerungsgruppe darstellten und in der Breslauer Oberschicht tradi­tionell führend waren, und Katholiken, die etwa 30 % der Stadtbevölkerung stellten und in der Oberschicht propor­tional weniger vertreten, mitunter auch benachteiligt waren, hatten immer mehr Juden den Aufstieg ins Bürgertum geschafft. Die Breslauer jüdische Minderheit hatte sich seit 1744 im Status privilegierter preußischer Schutzjuden einigermaßen kontinuier­lich entwickeln können. In den Jahren 1790 (2476), 1800 (2844) und 1805 (3008) erreichte sie jeweils einen Anteil an der Gesamtstadtbevölkerung von 4,8 %.346 Ein großer Teil der in der Stadt lebenden jüdischen Familien war frei­lich kaum bemittelt. Erst mit der Städteordnung von 1808 und dem Edikt betreffend die bürger­lichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate vom 11. März 1812 erhielten sie das städtische Bürgerrecht bzw. die volle Niederlassungs- und Berufsfreiheit sowie das Staatsbürgerrecht. Erst diese Emanzipa­tion eröffnete ihnen den Weg zum sozialen Aufstieg. Sie führte innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer relativ hohen Verstädterung der jüdischen Bevölkerung und auch in Breslau zu einem raschen Anstieg des jüdischen Bevölkerungsanteils. Dieser stieg (vor allem infolge Zuwan­ derung aus den schle­sischen Landgemeinden und den angrenzenden polnischen Gebieten) ­zwischen 1805 und 1817 zunächst von 4,8 % auf 6,3 %, bis 1849 dann weiter auf 7,1 %. Die absoluten Zahlen erhöhten sich dabei um 145 % von 3008 auf 7355 Personen, während die Zahl der übrigen Breslauer Bevölkerung ledig­lich um 61 % von 59.915 auf 96.867 zunahm. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs die jüdische Bevölkerung kontinuier­lich weiter an. Dabei erreichte sie schon 1861 mit 10.446 Personen ihren höchsten prozentualen Anteil von 7,5 %, während ihre absolute Zahl bis 1905 bis auf 20.356 anstieg, die aber nur noch 4,3 % der gesamten Stadtbevölkerung ausmachten.347 Während dieser gesamten Zeit zählte sie zu den drei zahlenmäßig größten und kulturell bedeutendsten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Die Vorstellung, dass der weitaus überwiegende Teil der Breslauer Juden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum wohlhabenden Bürgertum gezählt habe, ist von der jüngeren Forschung relativiert worden.348 Genaue

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Analysen des statistischen Materials haben gezeigt, dass in den 1860er–1880er Jahren in Wirk­lichkeit ledig­lich 33 – 45 % der jüdischen Erwerbs­tätigen über ein bürger­liches Einkommen und einen entsprechenden Status verfügten, mindestens 30 % aber dem Kleinbürgertum, über 15 % der Unterschicht angehörten und ein nicht geringer Teil tatsäch­lich arm war. Dennoch fiel schon den Zeitgenossen zu Recht auf, dass mehr Juden als Nichtjuden den Sprung vom Kleinbürgertum ins gehobene Bürgertum schafften und ­zwischen der jüdischen, protestantischen und katho­lischen Berufsstruktur gewaltige Unterschiede bestanden. So stellten die Juden 1876 zwar nur 7 % aller Erwerbstätigen, doch 28 % der Erwerbstätigen in den bürger­lichen Berufsgruppen; aus anderer Perspektive betrachtet: gehörten 1876 über 40 % der Breslauer Juden beruf­lich zum gehobenen Bürgertum, waren es bei den Protestanten nur 10 % und den Katholiken nur 5 %. Überdies waren die jüdischen Erwerbstätigen nach wie vor in erster Linie im Waren- und Geldhandel tätig; 1861/62 lebten nicht weniger als 64,4 % der erwerbstätigen Breslauer Juden vom Handel, während es bei den Christen nur knapp 4 % waren. Dass in der Stadt ungefähr jeder Zweite im Handel Erwerbstätige jüdisch war und die Juden durchschnitt­lich wohlhabender waren als andere Breslauer, hat die in der christ­lichen Mehrheitsbevölkerung gegenüber der jüdischen Minderheit bestehenden Vorbehalte nicht gemindert und seit den 1880er Jahren mit den Hintergrund für antisemitische Anfeindungen geboten. Dessen ungeachtet waren die Juden seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend in die Breslauer Gesellschaft integriert worden. Sie begegneten in einflussreichen politischen Posi­tionen, stellten mehrmals den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung und unterhielten bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein trotz bestehenden Antisemitismus enge und durch wechselseitige Anerkennung gekennzeichnete Beziehungen zu anderen Breslauern.349 Konfessionelle Konflikte wurden im Übrigen auch z­ wischen Protestanten und Katholiken ausgetragen, von denen sich letztere gegenüber ersteren häufig benachteiligt fühlten. Zudem kam es in allen drei Religions­ gemeinschaften auch zu inner-­konfessionellen Spannungen und Abspaltungen – so standen sich Reformjudentum und Orthodoxie, Katholiken und Deutschkatholiken (in den 1840er–1850er Jahren) und Altkatholiken (seit 1870), Protestanten und die 1830 beziehungsweise 1860 von Breslauern

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mitbegründeten Alt-­Lutheraner bzw. Altreformierten gegenüber. Zusammen mit den sozialen Spannungen, die sich aus der größer werdenden Diskrepanz ­zwischen wohlhabendem Bürgertum und Unterschicht bezie­ hungsweise wachsendem Proletariat ergaben, bildeten diese Konflikte den Hintergrund, vor dem sich in der Stadt ein vielfältiges und engagiertes politisches Leben entfaltete. Die politische Debatte war zunächst allerdings vor allem durch den Konflikt z­ wischen aufstrebendem Bürgertum und preußischer Staatsgewalt gekennzeichnet. Letztere hatte seit 1815 Hoffnungen auf eine repräsentative Verfassung geweckt, die eine bürger­liche Partizipa­tion ermög­lichen sollte. Die entsprechenden Erwartungen blieben jedoch unerfüllt. Vor ­diesem Hintergrund erstarkten seit dem Thronwechsel von 1840 auch im Breslauer Bürgertum die opposi­tionellen Kräfte, die im Sommer 1841 erstmals den offenen Konflikt mit der Monarchie wagten. In einer Peti­tion erinnerte die Breslauer Stadtverordnetenversammlung den neuen König an die Verfassungsversprechen, handelte sich damit aber nur eine harsche Abfuhr ein; erst die Rücknahme der Forderungen konnte den Zorn ­Friedrich ­W ilhelms IV. besänftigen.350 Eine erste organisatorische Plattform fanden die sich formierenden politischen Posi­tionen des Bürger­tums in vordergründig unpolitischen Gesangs- und Turnvereinen sowie der 1845 konstituierten Städtischen Ressource.351 Ihre geselligen Zusammenkünfte und Feste ersetzten die fehlende Versammlungsfreiheit und entwickelten sich zu Foren der politischen Artikula­tion. So wurden die Rufe nach Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit, öffent­lichen Reprä­ sentativorganen, na­tionalstaat­licher Einigung, aber auch bereits nach einer Verbesserung der Lage des Proletariats zusehends lauter. Schließ­lich entlud sich der aufgestaute Unmut im März 1848 auch in Breslau in einer regelrechten Revolu­tion, an deren Demonstra­tionen und Tumulten sich auch unterbürger­liche Schichten und Studenten beteiligten. Das zunächst erfolgreiche Aufbegehren des Bürgertums eröffnete tatsäch­ lich neue politische Spielräume. Binnen kürzester Zeit konstituierten sich in der Stadt politische Klubs und Vereine, von denen der Demokratische Verein der aktivste war.352 Er verfolgte zunächst eine gemäßigt demokratische Posi­tion, spaltete sich durch Radikalisierung dann aber in einen bürger­lich-­republikanischen und einen kommunistisch-­sozialistischen

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Flügel auf. Ein liberal-­demokratisches Programm vertrat der Deutsche Volksverein, während der Konstitu­tionelle Zentralverein gemäßigt-­liberale bis konservativ-­patriotische Bürger zusammenschloss, ein Arbeiterverein sozialrevolu­tionär-­kommunistische Ansichten propagierte und der Katho­ lische Zentralverein konservativ-­monarchistisch ausgerichtet war. Außer in solchen Vorläufern politischer Parteien traten Breslauer Aktivisten auch in der preußischen verfassungsgebenden Versammlung ( Julius Stein, Christian Gottfried Nees von Esenbeck) und im Frankfurter Paulskirchen-­ Parlament (Arnold Ruge, Gustav Adolf Stenzel, Wilhelm Wolff ) hervor. Die Parlamente wurden bereits im Dezember 1848 und Ende Mai 1849 aufgelöst, die Breslauer politischen Vereine nach der endgültigen Niederschlagung der Revolu­tion verboten, ihre führenden Köpfe in Haft gesetzt oder zur Emigra­tion gezwungen. Nur die Städtische Ressource blieb als rein geselliger Verein bestehen und für ein Jahrzehnt erstarrte das politische Leben wieder in Restaura­tion und Stagna­tion. Allerdings eröffneten die Wahlen zum Preußischen Landtag und zur Stadtverordnetenversammlung, die auf der Basis der oktroyierten Verfassung von 1848/1850 und der neuen Gemeindeordnung vom 11. März 1850 beziehungsweise der Städte-­Ordnung für die sechs öst­lichen Provinzen der Preußischen Monarchie vom 30. Juni 1853 abgehalten wurden, der lokalen politischen Selbstorganisa­tion bald neue Perspektiven.353 Das Dreiklassenwahlrecht beschränkte das aktive und passive Wahlrecht zwar auf den kleinen Kreis der wohlhabenden Breslauer Elite. Dennoch förderte die regelmäßige Wahl von 102 Stadtverordneten und von 500 (1861) bis 800 (1879) Wahlmännern, die ihrerseits drei Breslauer Landtagsabgeordnete wählten, die Ausbildung neuer organisatorischer Strukturen, aus denen sich bis zum Ende der 1870er Jahre klar differenzierte Parteien herausbildeten.354 In Anknüpfung an die politischen Klubs bzw. Vereine von 1848 entstanden 1861 ein linksliberal-­demokratischer Wahlverein für die Fortschrittspartei, ein rechtsliberaler Verein der Verfassungstreuen, aus dem 1866/67 der ­Na­tionalliberale Wahlverein hervorging, und ein konservativer Königs- und verfassungstreuer Verein (zu deren führenden Mitglieder Gustav Heinrich Ruffer zählte). In einem 1867 gegründeten Katho­lischen Volksverein, der 1879 als Zentrums-­Wahlverein reorganisiert wurde, formierten sich die politischen Interessen der konservativen katho­lischen Breslauer, während

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sich in einem Arbeiterverein 1867 erstmals auch die Breslauer Arbeiter organisierten. Da dieser Verein noch den Liberalen nahestand, konstituierte sich ein Jahr s­ päter ein zweiter, sozialdemokratischer Arbeiterverein, der sich dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein anschloss, der 1863 maßgeb­lich von dem in Breslau geborenen, dort nach seinem Genfer Duell-­Tod 1864 auch beigesetzten Ferdinand Lassalle begründet worden war. Nach Zusammenführung der ‚Lasalleaner‘ und der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (1875) gewann ein Vertreter der Breslauer Arbeiterbewegung 1878 erstmals eines der beiden Breslauer Reichstagsmandate (bei den Reichstagswahlen hatten alle Männer ab dem 25. Lebensjahr gleiches Wahlrecht). Noch im gleichen Jahr drängte das „Gesetz gegen die gemeingefähr­lichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ deren Anhänger in die Illegalität, doch konnten die staat­lichen Verfolgungsmaßnahmen die Arbeiterbewegung kaum noch eindämmen. Der Wahlkreis Breslau-­Ost wurde auch 1879, 1881 und 1884, seit 1881 auch der Wahlkreis Breslau-­West von sozialdemokratischen Reichstagskandidaten gewonnen. Noch ehe die Aufhebung der Sozialistengesetze im Januar 1890 die Neubegründung eines Sozialdemokratischen Arbeitervereins für Breslau und Umgebung ermög­lichte, hatte sich Breslau zu einem bedeutenden Zentrum der Sozial­ demokratie entwickelt.355 Unter dem Einfluss Eduard Bernsteins, der von 1902 bis 1928 den Wahlkreis Breslau-­West (mit Unterbrechungen) im Reichstag vertrat, sollte es bald eine Hochburg des sogenannten Revisionismus, der eigent­lichen programmatischen Grundlage der heutigen Sozialdemokratie, werden. Bei den Breslauer Stadtverordneten- und Landtagswahlen blieben die Sozialdemokraten allerdings bis ins ausgehende 19. Jahrhundert vollständig ausgegrenzt. Auf der lokalen Ebene präsentierte sich die Stadt dank des Dreiklassenwahlrechts als eine Hochburg des altpreußischen, überwiegend linksliberal-­fortschritt­lich eingestellten Liberalismus, dem gegenüber die Konservativen und das Zentrum bis Ende der 1870er Jahre nur marginale Erfolge erzielten. Noch Jahre nach der auch in Breslau enthusiastisch begrüßten Reichsgründung entfielen 1876 über 88 % der Landtagswahlmänner (633) auf Links- und Na­tionalliberale, während die Konservativen und das Zentrum nur 54 bzw. 26 Wahlmänner erhielten.

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Im Fall der Stadtverordnetenversammlung entschieden sich noch 1882 von insgesamt 4993 Wählern 68 % für die Liberalen und nur 32 % für die Konservativen.356 Ergänzt wurden die parteipolitischen Vereinigungen seit den 1860er–1870er Jahren von zahlreichen liberal geprägten Bezirks- und konservativ eingestellten Bürgervereinen. Sie beteiligten sich insbesondere an der Durchführung der Stadtverordnetenwahlen und versuchten, die lokalen Interessen einzelner Stadtteile gegenüber den Parteien und der Stadt zu vertreten. Das war umso notwendiger, als die Stadtverordnetenversammlung nach wie vor von Angehörigen der lokalen Wirtschaftselite dominiert blieb. Wie weit diese Elite von den gewöhn­lichen Breslauern entfernt war, zeigt ihr jähr­liches Durchschnittseinkommen, das 1877 mit 16.400 Mark selbst die Einkommen normaler bürger­licher Haushalte, aber auch jenes der Wahlmänner deut­lich überstieg.

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VII. Regionales Zentrum der Moderne (1870er–1930er Jahre)

Die Jahrhunderthalle Auch nach der Reichsgründung blieb Breslau preußische Haupt- und Residenzstadt. Allerdings sah sich die nach Berlin größte Stadt Preußens nun in eine reichsweite Konkurrenz deutscher Großstädte gestellt. In dieser Konkurrenz fiel sie trotz eines anhaltenden demographischen Wachstums bald zurück. Nahm die Stadt 1885 mit 299.640 Einwohnern nach Berlin und Hamburg noch den dritten Rang ein, so waren bis 1910 Leipzig, München, Frankfurt am Main, Köln und Dresden an ihr vorbeigezogen. Aus der erwei­terten Perspektive des Reiches verlor die Stadt an Ausstrahlungskraft. Sie blieb ein regionales Zentrum, der Mittelpunkt einer Region, die mit der Reichsgründung ein ‚deutscher Osten‘ geworden war, der auf der mentalen Landkarte der Mehrheit der Reichsbürger entweder gar nicht existierte oder als weit abgelegen und rückständig galt. Die Breslauer Elite war sich dieser Wahrnehmung und ihrer Folgen für die städtische Entwicklung durchaus bewusst. Sie bemühte sich daher nach Kräften, dem Image der peripheren Provinzialität entgegenzuwirken und Breslau als ein Zentrum der Moderne zu profilieren. Das ist ihr in erheb­lichem Maße tatsäch­lich gelungen, auch wenn die Stadt gegenüber den mittel- und westdeutschen Metropolen der Moderne am Ende doch das Nachsehen behielt. Dem heutigen Besucher der Stadt bieten sich nach wie vor beein­druckende architektonische Einblicke in die Breslauer Moderne des frühen 20. Jahrhunderts – etwa in Gestalt des 1911 – 1913 von Hans Poelzig entworfenen Geschäftshauses in der Junkernstraße (ul. Ofiar Oświęcimskich), das zum Prototyp des modernen Geschäftshauses in Deutschland wurde. Ihr bekann­ testes und mächtigstes Monument ist die im Osten der Stadt z­ wischen Scheitniger Park und Zoolo­gischem Garten gelegene Jahrhunderthalle.357 Das in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre umfassend sanierte, seit 2006 als UNESCO-Weltkulturerbe geführte Bauwerk gilt als ein Schlüsselwerk der modernen Architektur überhaupt und wurde 1911 – 1913 nicht zuletzt als ein Symbol für den Anspruch der Stadt erbaut, neben Berlin und Hamburg,

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Leipzig und München zu den führenden deutschen Großstädten zu gehören. Als konkreter Anlass für den Bau diente die sogenannte Jahrhundertfeier, die der Halle auch ihren Namen gab. Die Idee zu dieser Feier war 1908 von dem Direktor des 1899 gegründeten Schle­sischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer Karl Masner in die Welt gesetzt und geschickt mit dem Erfordernis verknüpft worden, in Breslau ein modernes Messegelände zu errichten. Ein solches war von der lokalen Wirtschaft mit Blick auf die seit 1852 veranstalteten, zunehmend expandierenden Gewerbe- und Indus­ trieausstellungen schon lange gefordert worden. Um für den Plan staat­liche Unterstützung zu erlangen, schlug Masner vor, ihn mit der Ausrichtung eines patriotischen Jubiläums zu verbinden. In ­diesem Sinn sollte der im März 1913 anstehende hundertste Jahrestag des in Breslau verkündeten Aufrufs König Friedrich Wilhelms III. „An mein Volk“ in einer historischen Ausstellung und begleitenden Veranstaltungen gewürdigt werden.358 Auf diese Weise sollte die reichsweite Aufmerksamkeit auf die Stadt gelenkt werden. Der Vorschlag fand in den maßgeb­lichen Kreisen sogleich regen Zuspruch. Schließ­lich war in Leipzig, dem neben Breslau zweiten zentralen Erinnerungsort der Befreiungskriege, bereits der Bau des Völkerschlachtdenkmals in vollem Gange. Eine Feier anläss­lich des hundertsten Jahrestages der Erhebung gegen Napoleon erschien der um ihr Image besorgten Stadt als eine willkommene Gelegenheit, ihre na­tionale Gesinnung zu demonstrieren, ihre historische und aktuelle Bedeutung herauszustreichen und ihre wirtschaft­lichen Interessen zu befördern. Entschlossen ergriff das Breslauer Bürgertum diese Mög­lichkeit der politischen Selbstdarstellung und öffent­lichen Repräsenta­tion – auch wenn sich die Hoffnung auf staat­liche Finanzierung zerschlug und die Stadt am Ende die Gesamtkosten von über drei Millionen Mark selber tragen musste. Noch Anfang 1911 berief der Magistrat einen Hauptausschuss zur Organisa­ tion des Ausstellungsvorhabens und lobte einen Wettbewerb zur Gestaltung des Ausstellungsgeländes aus. An ihm beteiligten sich 43 Architekten aus ganz Deutschland. Doch kam am Ende keiner der eingesandten Vorschläge, sondern der Entwurf des Breslauer Stadtbaurates Max Berg zum Zuge. Der 1870 in Stettin geborene Architekt hatte an den Technischen Hochschulen Berlin-­Charlottenburg und München studiert und war von 1900 – 1909 in Frankfurt am Main als Stadtbauinspektor tätig gewesen. In Frankfurt hatte er Schul- und andere öffent­liche Gebäude entworfen, die noch historistischen

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und neogotischen Formen verpflichtet waren. Doch hatte er sich bald neuen städtebau­lichen Ideen geöffnet. So ließ er sich 1908 auf einer Studienreise durch England von der Idee der Gartenstadt inspirieren und schloss sich Reformbewegungen wie dem „Dürerbund“ und dem „Deutschen Werkbund“ an. Im Dezember 1908 war er zum Nachfolger des langjährigen Breslauer Stadtbaurates Richard Plüddemann bestellt worden. In d ­ iesem Amt, das er zum 1. April 1909 antrat und bis 1925 ausübte, entwarf er eine Reihe bemerkenswerter Bauten, die mit ihrer versach­lichten Baugestalt, einer extrem minimierten Ornamentik und konsequenten Verwendung des neuartigen Baustoffes Stahlbeton „in vieler Hinsicht die Moderne der Zwanziger Jahre – nicht nur in Deutschland – vorwegnahmen.“359 Die Jahrhunderthalle wurde sein bedeutendstes Werk. Angeregt von den öffent­lichen Diskussionen über die Notwendigkeit eines modernen Ausstellungsgebäudes hatte Berg schon 1910 erste Entwürfe erstellt. Anfang Januar 1911 stellte er seine Ideen erstmals öffent­lich vor und legte wenig s­ päter den städtischen Behörden einen Vorschlag zur Gestaltung des gesamten Ausstellungsgeländes vor, das er als Teilelement einer größeren städtebau­lichen Erweiterungsvision sah, mit der er Breslau in eine Metropole von gesamtdeutscher Bedeutung umgestalten wollte. Der Stadtrat griff immerhin Bergs Entwurf für die Ausstellungshalle auf und bat ihn um einen konkreten Kostenplan. Als dieser im Juni 1911 vorlag, debattierte der Rat einige Tage sehr heftig über die Realisierbarkeit des Projektes, einigte sich am Ende auf dessen Durchführung und stellte dafür am 28. Juni 1,8 Mio. Mark bereit. Zwei Monate s­ päter erfolgte der erste Spatenstich. Bis Dezember 1912 war der Rohbau, bis Mai 1913 der Gesamtbau fertiggestellt. Am 20. Mai konnte die Jahrhunderthalle im Beisein des Kronprinzen feier­lich eröffnet werden. Entstanden war ein für seine Zeit revolu­tionär modernes Gebäude – ein Rundbau mit einem Durchmesser von 95 m, über den sich 42 m hoch eine gewaltige Kuppel mit einer Spannweite von 67 m erhebt; 1913 war das die größte freitragende Kuppel der Welt (Farbtafel 17). Sie ruht auf vier Bögen, an die sich raumvergrößernd vier Apsiden anschließen. „Diese Apsiden wirken mit ihren jeweils sechs Strebebögen als Schubabfänger der Kuppel die auf den Bögen und ihren trapezförmigen, sphärisch gekrümmten Pfeilern lagert. 32 radial angeordnete Rippen bilden die Kuppelschale, die von vier stufenförmig ansteigenden Glasringen ummantelt und von einer Laterne bekrönt ist.“360 Diese gewagte Konstruk­tion war von antiken Vorbildern wie

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dem römischen Pantheon und der Hagia Sophia, aber auch von zeitgenös­ sischen Pionierbauten wie den beiden 1908 von Richard Plüddemann erbauten Breslauer Markthallen inspiriert. Diese Hallen (von denen eine bis heute an der Ecke ul. Piaskowa/ul. Ducha Świętego erhalten ist) gehörten mit ihren parabo­lischen Bogenträgern zu den ersten Stahlbetonkonstruk­tionen Europas und boten Berg wichtige technische Erfahrungswerte. Wie Plüddemann beließ Berg die Stahlbetonkonstruk­tion seiner „Kathedrale der Zukunft“ (nach der Novemberrevolu­tion von 1918 bezeichnete der engagierte Sozialdemokrat die Halle auch als einen „Dom der Demokratie“361) unverkleidet. Ihre sichtbar belassene Materialechtheit, die schmucklose Klarheit der Konstruk­tion und die neuartige Kombina­tion von monumentaler Form und Glasarchitektur beeindrucken bis heute und wirken noch immer überaus modern. Für Ausstellungen erwies sich der im Zweiten Weltkrieg nur geringfügig beschädigte Zweckbau am Ende frei­lich als weniger geeignet. Dafür prädestinierte ihn seine transparente Raumstruktur und hervorragende Akustik in besonderem Maße für Theater-, Musikaufführungen, poli­tische und sport­ liche Großveranstaltungen. Tatsäch­lich hatte Berg mit der 6000 bis 10.000 Menschen fassenden Jahrhunderthalle „einen gänz­lich neuartigen Veranstaltungsraum für die Bedürfnisse des modernen, großstädtischen Massen­ publikums“ geschaffen.362 Bereits die Jahrhundertfeier sah entsprechende Veranstaltungen vor. So gehörten zu ihrem Programm Aufführungen der Sinfonie der Tausend von Gustav Mahler, der Sinfonie Nr. 9 von Ludwig van Beethoven, eines vertonten Mysterienspiels von Engelbert Humperdinck sowie einer von Max Reger eigens für die in der öst­lichen Ausbuchtung der Halle installierte Orgel – die seinerzeit größte Orgel der Welt – geschriebenen Introduk­tion, Passacaglia und Fuge (op. 127). Am 31. Mai 1913 wurde zudem ein von Gerhart Hauptmann, dem 1912 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten schle­sischen Dramatiker, eigens für den Anlass geschriebenes „Festspiel in deutschen Reimen“ aufgeführt. Der jüdische Kaufhausbesitzer Arthur Barasch hatte es finanziert und Max Reinhardt mit enormem Aufwand inszeniert. Das Stück, bei dem nicht weniger als 2000 Statisten auftraten, stieß in konservativen Kreisen allerdings auf harsche Kritik und Ablehnung. Denn Hauptmann enthielt sich der üb­lichen borus­sischen Selbstbeweihräucherung, stellte nicht König und Adel, sondern die Volksmassen als den entscheidenden Akteur des Befreiungskampfes in den Mittelpunkt der Darbietung und mutete

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dem Publikum ein Stück zu, das mit einer pazifistischen Verdammung des Krieges endete.363 Als solches aber war das Stück nicht nur für das Militär untragbar; auf Interven­tion des Kaiserhauses musste es die Stadt nach 11 von 15 geplanten Vorstellungen vorzeitig absetzen lassen. Neben den Aufführungen in der Jahrhunderthalle umfasste das Programm der von Mai bis Oktober 1913 währenden Feier­lichkeiten eine Reihe von thematischen Ausstellungen.364 Dazu gehörte die von Karl Masner kuratierte, den Ereignissen und Zeitverhältnissen des Jahres 1813 gewidmete histo­ rische Ausstellung, für die Hans Poelzig einen gesonderten Ausstellungsbau, den sogenannten Vier-­Kuppel-­Pavillon, entwarf.365 Poelzig lehrte seit dem Frühjahr 1900 an der Breslauer Kunst- und Gewerbeschule, die 1911 in König­liche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe umbenannt und seit 1903 von ihm geleitet wurde. Er war neben Berg der zweite maßgeb­liche Architekt der frühen Breslauer Moderne. Im November 1911 hatte er die Generalplanung für das Ausstellungsgelände übernommen, für das er auch die um ein halbelliptisches, 10.500 m² großes Wasserbecken herumführende, 764 m lange Pergola, ein Terrassenrestaurant sowie ein Sommertheater entwarf. Auf dem insgesamt 75 ha großen Ausstellungsareal wurden 1913 zudem eine Gartenbauausstellung, eine Ausstellung des Künstlerbundes Schlesien sowie eine Ausstellung der Friedhofs- und Grabmalkunst gezeigt, für die der Breslauer Architekt Theodor Effenberger aus einem oberschle­ sischen Dorf eine alte Schrotholzkirche nach Breslau translozierte. Als die Feier­lichkeiten im Herbst 1913 schließ­lich ihr Ende nahmen, hatte nicht nur eine für damalige Verhältnisse große Zahl von über 100.000 Menschen die Ausstellung besucht, sondern im August 1913 auch Kaiser Wilhelm II. die Veranstaltung mit seinem Besuch gekrönt. So konnten die Breslauer die Jahrhundertausstellung am Ende als eine erfolgreiche Werbemaßnahme verbuchen. Sie war zugleich zu einem einzigartigen Laboratorium zeitgenös­sischer moderner Architektur und Kunst geraten, das der Stadt mit der Jahrhunderthalle eines ihrer herausragenden Wahrzeichen bescherte.

Weltkrieg und revolutionärer Umbruch Selbst die Hauptmann’sche Kritik am preußisch-­deutschen Militarismus hatte die na­tionale Stimmung der Breslauer Jahrhundertfeier nicht trüben

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können. Wie am Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und an vielen anderen Orten des Reiches feierte man in Breslau ein großes patriotisches Fest. Die Inhalte und Inszenierungen d ­ ieses Festes vermittelten den Besuchern eine na­tionale Vergangenheit, in der alle innerdeutschen Rivalitäten getilgt waren, eine einheit­liche deutsche Identität konstruiert und zugleich gegenüber allem Nichtdeutschen und Fremden scharf abgegrenzt wurde. Das Geden­ken an die napoleonischen Kriege, das sich mit dem Bewusstsein des preußisch-­deutschen Triumphs von 1871 verband, integrierte den Krieg in die na­tionale Identität des geeinten Volkes. Damit wurde der Bevölkerung nahegebracht, dass die militärische Auseinandersetzung auch in der Gegenwart ein legitimes Mittel zur Herstellung na­tionaler Einheit und imperialer Größe sei. Die Breslauer Ableger der einschlägigen Interessenverbände – des Deutschen Flottenvereins, der Deutschen Kolonialgesellschaft, des Alldeutschen Verbands und des Ostmarkenverbands – gossen zusätz­lich Öl in das patriotische Feuer. Mit ihrer expansionistischen Propaganda heizten sie die imperiale Politik weiter an. Tatsäch­lich verging nach den Jahrhundertfeiern des Jahres 1913 kaum ein Jahr, bis sich das Deutsche Reich und mit ihm auch die Breslauer in den Taumel des Großen Krieges stürzten. Der anfäng­liche Enthusiasmus war groß. Doch machte sich der Krieg, auch wenn er die Stadt zu keinem Zeitpunkt direkt berührte, schon recht bald unangenehm bemerkbar. Dass im Rahmen des sogenannten Burgfriedens das öffent­liche politische, gesellschaft­liche und kulturelle Leben eingeschränkt, eine Pressezensur eingeführt und eine nächt­liche Ausgangssperre verhängt wurde, waren noch die geringeren Übel. Schwerer wog, dass bis zu 20 % – in Großbetrieben wie den Linke-­Hofmann-­Werken bis zu 40 % – der männ­ lichen Werktätigen an die Front zogen und das gesamte wirtschaft­liche Leben auf eine zentralisierte Kriegswirtschaft umgestellt wurde.366 Noch im August 1914 wurde ein Breslauer Kriegsausschuss der Industrie eingerichtet, der zusammen mit dem Magistrat und der Kriegskommandantur die Zwangswirtschaft steuerte. Die Behörden requirierten Transportmittel, stornierten Kredite, stellten Investi­tionen ein, während ausländische Rohstofflieferungen ausblieben, die fremden Absatzmärkte wegbrachen und auch der Binnenhandel weitgehend zum Erliegen kam. Die Folge waren Rohstoffmangel und Absatzprobleme, ­Ra­tio­nierungen und Produk­tionsrückgang. Bis Ende 1917 mussten 40 % der Breslauer Handwerksbetriebe ihren Betrieb

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einstellen, andere wirtschafteten am Rande des Bankrotts. Die Klein- und Kleinstbetriebe machten 1907 noch immer 88 % aller Breslauer Unternehmen aus. In ihnen waren 34,6 % der damals insgesamt 156.868 Beschäftigten tätig. In Betrieben mit 6 – 50 Beschäf­tigten, die 10,8 % aller Betriebe ausmachten, arbeiteten 33,3 % und in Betrieben mit über 50 Beschäftigten, die ledig­lich 0,9 % aller Unternehmen ausmachten, 32,1 % der Beschäftigten.367 Besonders schwer traf die Kriegswirtschaft die konsumorientierte Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie, die das Branchenspektrum nach wie vor dominierte und auf die rund 60 % ­aller Betriebe und 85 % aller Beschäftigten entfielen. Ledig­ lich für die Tabak- und Lederindustrie gab es eine gewisse kriegsbedingte Nachfrage. Regel­rechten Profit schlugen aus der Kriegslage nur die wenigen großen Breslauer Maschi­nenbaufabriken, die wie die Linke-­Hofmann-­Werke und die 1875 gegrün­dete „Archimedes“ Actien-­Gesellschaft für Stahl- und Eisen-­Industrie auf die Produk­tion von Rüstungsgütern umstellen konnten (und dabei zum Teil Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter einsetzten). Dage­gen litt das Bau- und Druckgewerbe schwer, während der Großhandel mit regionalen Landwirtschaftsprodukten unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft bald völlig stagnierte und auch der Detailhandel durch die Einführung eines Bezugskartensystems in erheb­liche Schwierigkeiten geriet. Für die Bevölkerung wirkte sich die Krise in einer sukzessiven Ra­tio­nierung der Lebensmittel und einer rasch steigenden Arbeitslosigkeit aus. Schon im Januar 1915 wurden Lebensmittelkarten für Brot und Mehl, im Juni 1915 unter anderem für Fleisch und Milch eingeführt und im Dezember 1915 wurde der Zucker ra­tioniert. Die Zahl der Erwerbslosen schnellte von 35.243 im Jahr 1913 auf 93.578 im Jahr 1916 empor.368 Unterdessen standen Zehntausende Breslauer Männer im Feld, sodass die Hauptlast des Überlebenskampfes an der Heimatfront auf den Frauen lastete. Die Versorgungslage verschlechterte sich von Tag zu Tag; bis November 1916 war die Erwachsenen-­Tagesra­tion bereits um fast die Hälfte auf 1250 Kalorien gefallen, im Januar 1917 lag sie nur noch bei 1132 Kalorien. Den Hungernden, bald auch Verhungernden setzten 1916/17 ein überharter Winter, Kohlenmangel, ra­tionierte Gas- und Stromzuteilungen, Krankheiten und Epidemien zusätz­lich zu. Die hoch verschuldete Stadt konnte die kommunale Infrastruktur nur noch notdürftig aufrechterhalten, die Anlagen der Wasser-, Gas- und Stromversorgung sowie der öffent­liche Nahverkehr gerieten in zunehmende Vernachlässigung.

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Die für die Bevölkerung katastrophale Lage blieb nicht ohne Auswirkungen. Schon nach dem zweiten Kriegsjahr wuchs – auch angesichts Tausender gefallener Breslauer Soldaten – die Kriegsmüdigkeit, regten sich erste Proteste. Arbeiter begannen zu streiken. Im Rahmen des Burgfriedens hatten sie zunächst still gehalten; ihre Interessenvertretungen – Arbeiterpartei und Gewerkschaften – hatten sich hinter die Regierung gestellt, trugen die allgemeine patriotische Euphorie kritiklos mit und wollten auch 1916 noch nicht öffent­lich gegen den Krieg auftreten. Dessen ungeachtet mehrten sich die Unmutsbekundungen der Breslauer Arbeiter – 1916 streikten und demonstrierten sie 55 Mal, 1917 schon 129 Mal und 1918 traten sie 179 Mal in den Ausstand. Immer lauter forderten sie die Beendigung des Krieges, aber auch Presse- und Gedankenfreiheit, gleiches Wahlrecht für Landtag und Stadtverordnetenversammlung. Doch noch fanden sie nicht Gehör, blieb ihr institu­tioneller Einfluss gering. Während die Sozialdemokraten bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung im Herbst 1916 (wie bei den vorangegangenen Wahlen) nicht mehr als 16 der 102 Sitze erhielten 369, traten die Breslauer Konservativen, nicht zuletzt die im Herbst 1917 gegründete Vaterlandspartei, nach wie vor lautstark für territoriale Expansionen und einen bedingungslosen Siegfrieden ein. Sieg und territoriale Gewinne blieben am Ende aus. Stattdessen sah sich die geschlagene Na­tion mit Revolu­tion und Gebietsabtretungen konfrontiert. Erste Nachrichten von revolu­tionären Unruhen erreichten Breslau am 5. November. Die Breslauer SPD organisierte sogleich eine öffent­liche Versammlung – die erste seit 1914. Dabei gelang es ihrem führenden Vertreter, dem späteren Reichstagspräsidenten Paul Löbe, die Emo­tionen der Menge soweit im Zaum zu halten, dass ein offener revolu­tionärer Ausbruch unterblieb und der politische Umbruch ohne Tumulte, Blutvergießen und Zerstörungen erfolgte. Während sich in den Breslauer Garnisonsstandorten Soldatenräte bildeten, die sich am 9. November zu einem Breslauer Zentral-­Soldatenrat zusammenschlossen, bemühten sich die Stadtverordneten, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Zu d ­ iesem Zweck setzten sie auf Anregung des Magistrats einen Bürgerausschuss ein, dem neben fünf Magistratsmitgliedern und zehn Stadtverordneten 50 von allen in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien delegierte Bürgervertreter angehören sollten. Als kurz darauf die Nachricht von der Abdankung Kaiser Wilhelms II. und der sozialdemokratischen Machtübernahme Breslau

Weltkrieg und revolutionärer Umbruch

erreichte, nannte sich der Ausschuss noch am gleichen Tag gegen den Protest der Na­tionalliberalen und des Zentrums in Volksausschuss um. Auf einer am nächsten Tag in der Jahrhunderthalle abgehaltenen Kundgebung nahm er dann die Bezeichnung Volksrat zu Breslau an.370 Dem neuen Exekutiv- und Kontrollorgan, dem sich auch das in der Stadt sta­tionierte VI. ­Armeekorps mit dem (Ende Mai 1919 aufgelösten) Soldatenrat nicht verschloss, gehörten mehrheit­lich Mitglieder der SPD und der sich zur Deutschen Demokratischen Partei (DDP) umbildenden Fortschrittspartei an. Die besonders rechtsstehenden Kräfte verließen von sich aus den Rat, doch überließen die Konservativen den Linken das Feld nicht vollständig. Darin bestand durchaus eine Besonderheit des Breslauer Volksrates, bei dem es sich nicht, wie in anderen Städten, um einen ausschließ­lich von linken Kräften gebildeten Arbeiter- und Soldatenrat handelte. Primäres Anliegen des Breslauer Volksrates, der am 15. ­November die Zuständigkeit für ganz Schlesien reklamierte und sich daher auch Zentralvolksrat für die Provinz Schlesien nannte, war es, offene Tumulte und bürgerkriegsähn­liche Zustände zu vermeiden. So rief er die Bevölkerung weiterhin zu Besonnenheit und einer fried­lichen Ausgestaltung der neuen Ordnung auf. Indem er mit dem bisherigen Magistrat, den erfahrenen städtischen Beamten sowie dem Militär zusammenarbeitete, gab er dazu selbst ein konstruktives Beispiel. Ledig­lich der konservative Oberbürgermeister Paul Matting, der sich offen für den Erhalt der alten Ordnung einsetzte, wurde am 11. November zum Rücktritt veranlasst.371 Militär und Polizei hatten unterdessen alle wichtigen öffent­lichen Gebäude besetzt und für eine störungsfreie Fortsetzung der Arbeit der städtischen und staat­lichen Behörden gesorgt. Diese strichen die kaiser­lich-­könig­lichen Hoheitszeichen aus ihren Namen und Symbolen und passten sich mehr oder weniger geräuschlos den neuen Verhältnissen an. Frei­lich kehrten keineswegs sogleich ruhige Zeiten ein. Die Versorgungslage blieb angespannt, der Gesundheitszustand schlecht, wozu die heimgekehrten Soldaten nicht unwesent­lich beitrugen. Letztere verschärften die auf dem Arbeitsmarkt bestehenden Probleme und die fortdauernde Unzufriedenheit in der Bevölkerung schürte die politischen Spannungen. Bereits im Februar 1919 eskalierte eine Demonstra­tion von Arbeitslosen zu einer Schießerei, die 16 Tote und zahlreiche Verletzte forderte.372 Als Ende Juni 1919 ein aus Protest gegen die Politik des Volksrates gegründeter

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Provisorischer Vollzugsausschuss der Breslauer Arbeiterschaft einen Generalstreik ausrief, an dem 30.000 Arbeiter teilnahmen, schritt das Militär ein und verhängte den Ausnahme­zustand. Es kam zu Straßenschlachten mit Toten und Verletzten, ehe das Militär die Lage beruhigte und den revolu­ tionären Ausbruch erstickte. Der Volksrat verlor seine Autorität und wurde aufgelöst – als Volksrat zu Breslau bereits zum 1. Juli, als Zentralvolksrat für die Provinz Schlesien, für die bereits am 6. Juni von Berlin aus ein Staatskommissar eingesetzt worden war, im Dezember 1919.373 Die Niederlage der revolu­tionären Kräfte stärkte das rechte Spektrum, das sich umso engagierter zur Konterrevolu­tion rüstete, je düsterer die Nachrichten aus Versailles klangen, wo seit Januar 1919 über die Abtretung reichsdeutscher Ostgebiete an den wiedererstehenden polnischen Staat verhandelt wurde. In der rasch an Schärfe gewinnenden Territorialdebatte hatte schon der linke Volksrat die Stadt als ein Zentrum antipolnischer Propagandaak­tionen profiliert. Die entsprechende ‚Aufklärungsarbeit‘ wurde von Breslauer Professoren und dem im April 1918 gegründeten Breslauer Osteuropa-­Institut wissenschaft­lich untermauert. Sie sollte vor allem das west­liche Ausland für die deutschen Interessen gewinnen. Zugleich wurde Breslau ein zentraler Stütz- und Sammelpunkt jener Freiwilligen­verbände, die den polnischen Gebietsansprüchen 1919 – 1921 mit militä­rischen Mitteln entgegentraten und unter anderem in den drei schle­sischen Aufständen kämpften. Sie rekrutierten sich aus der Studentenschaft, aus der Schar der Arbeitslosen und orientierungslosen ehemaligen Soldaten. Aus d ­ iesem rechten Milieu kam im März 1920 auch die Breslauer Unterstützung für den von dem Königsberger Verwaltungsbeamten Wolfgang Kapp und dem Reichswehrgeneral Walther Freiherr von Lüttwitz initiierten konservativ-­monarchistischen Putsch gegen die Weimarer Republik. Angestachelt von Mitgliedern der Deutsch-­Na­tionalen Volkspartei, unterstützt von Professoren und Studenten, besetzten Freikorps unter Führung des oberschle­sischen Reichswehr-­Offiziers Hubertus von Aulock die Stadt und errichteten ein von öffent­lichen Ausschreitungen und Lynchmorden begleitetes Schreckensregime. Als der Putsch in Berlin nach fünf Tagen infolge des Widerstandes der Regierung und eines landesweiten Generalstreiks zusammenbrach, mussten die Putschisten auch in Breslau aufgeben und die Stadt verlassen – nicht ohne zuvor in der Schweidnitzer Straße noch ein Blutbad anzurichten, das fünf Tote und 16 Verletzte forderte.374

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Farbtafel 15  Breslau als preußische Festungsstadt, Grafik 1774–76 Farbtafel 16  Das 1855 – 57 errichtete, 1899 –1904 erweiterte und 2012 restaurierte Empfangsgebäude des Breslauer Zentralbahnhofs (2014)

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Farbtafel 17  Kuppel der 1911–13 erbauten Jahrhunderthalle (2015) Farbtafel 18  Das 1929 von Hans Scharoun für die WUWA-Ausstellung erbaute Ledigenwohnheim (2015)

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Farbtafel 19  Das 1939 – 45 erbaute Neue Regierungspräsidium (2014) Farbtafel 20  Teil des 1954–56 erbauten Kościuszko-Wohnviertels (2014)

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Farbtafel 21  Neue Wohnhochhäuser an der ul. Grabiszyńska (1963) Farbtafel 22  Bau der Ringstraße um die Altstadt im Bereich der späteren Kreuzung ul.Oławska/ul.Piotra Skargi), links im Bild die Christophorus-Kirche aus dem 15.–16. Jahrhundert (1975)

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Farbtafel 23  Mehrfamilienwohnhaus in dem 1968–78 errichteten „Breslauer ­Manhattan“ genannten Wohn- und Dienstleistungszentrum am plac Grunwaldzki 4–20 (2014)

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Farbtafel 24  Eine aus den 1980er Jahren nahe der Technischen Universität auf einer Hauswand erhalten gebliebene Zwergenzeichnung, ul. Smoluchowskiego 22 (2015) Farbtafel 25  Oderhochwasser im Juli 1997, Ecke ul. Piłsudskiego/ul. Świdnicka

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Farbtafel 26  Ein 1996 als „Füllung“ (plomba) errichtetes Mehrfamilienhaus, Wybrzeże Stanisława Wyspiańskiego 36 (2015) Farbtafel 27  Das 2011–13 errichtete neue Musiktheater Capitol, ul. Piłsudskiego 67 (2015)

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Farbtafel 28  Der 2008–2012 erbaute Sky Tower (2015)

Kommunalpolitik und Stadtentwicklung

Kommunalpolitik und Stadtentwicklung Aus der Krise des Kapp-­Putsches gingen vor allem die Sozialdemokraten gestärkt hervor. Sie hielten in Preußen das Heft bis 1932 in der Hand und gaben damit auch in der schle­sischen Provinzialverwaltung den Ton an. In Breslau hatte die SPD bereits in den Tagen der Novemberrevolu­tion an Popularität gewonnen. Dank des politischen Geschicks Paul Löbes trug sie maßgeb­lich dazu bei, dass der Umsturz in einer auch für das liberale Bürgertum annehmbaren Form erfolgte. Gemeinsam mit der DDP hatte sie den konservativen Oberbürgermeister Paul Matting abgesetzt und am 12. Dezember 1918 den überzeugten Republikaner Otto Wagner für eine zwölfjährige Amtszeit zu dessen Nachfolger gewählt.375 Auch bei den bereits nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht abgehaltenen Kommunalwahlen vom 2. März 1919 erhielt die SPD noch beinahe die absolute Mehrheit; mit gut 49 % der Stimmen gewann sie 52 der 102 Stadtverordnetensitze; die übrigen Sitze entfielen auf die DDP (14), die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (1), eine die Kaufmännischen Angestellten vertretende Partei (2), die Deutschna­tionale Volkspartei (15) und das Zentrum (18). Zwar konnte die SPD ihre große Popularität in den weiteren Kommunalwahlen im Mai 1924, Mai 1928 und ­November 1929 nicht halten. Doch erreichte sie stets ­zwischen 30 und 43 % der Stimmen und damit 25 – 38 der 1924 zunächst auf 83, ­später auf 88 Sitze reduzierten Stadtverordnetenmandate. Zentrum und DNVP lagen bei 11 – 13 beziehungsweise 16 – 19 Sitzen, während die na­tionale-­liberale Deutsche Volkspartei auf fünf bis sieben und die KPD als extreme Linkspartei auf vier bis fünf Sitze kamen. Zwar erweiterten seit 1924 radikale völkisch-­ rassistische Parteien wie die Deutschsoziale Partei, die Deutschvölkische Freiheitspartei und seit 1929 die NSDAP mit jeweils drei bis vier Sitzen das rechte Lager, doch erlangte ­dieses auch zusammen vor 1933 nie eine absolute Mehrheit.376 Die Breslauer Kommunalpolitik blieb daher in den 1920er Jahren im Wesent­lichen von sozialdemokratisch-­liberal bis gemäßigt konservativen Kräften bestimmt. Eines ihrer drängendsten Probleme – neben Versorgungsschwierigkeiten, Teuerung, Streiks und Arbeitslosigkeit – war die Wohnungsnot. Während der Boom-­Jahre der Vorkriegszeit war überwiegend für das Großbürgertum und die gehobene Mittelschicht gebaut worden. Für deren Angehörige

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entstanden in der Südvorstadt (der 1885/86 zweigeteilten Schweidnitzer Vorstadt) großzügige Mehrfamilienhäuser und im Grünen der süd­lichen und öst­lichen Vororte ansehn­liche Villen und Landhäuser. Dagegen wurde Wohnraum für die Mehrheit der weniger Begüterten zur Mangelware; weder der Ausbau der Altbauwohnungen in der Altstadt, noch der Bau von Mietskasernen in der Nikolai-, Oder- und Sandvorstadt konnte mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten. Zudem war der Standard des verfügbaren Wohnraums extrem niedrig, was mit zu den vergleichsweise hohen Breslauer Sterb­lichkeitsraten beitrug.377 Im Jahr 1900 waren fast die Hälfte aller Wohnungen Einzimmerwohnungen (von denen wiederum knapp ein Drittel Kellerwohnungen waren); nur gut ein Viertel aller Wohnungen verfügte über eigene sanitäre Anlagen.378 Nach 1918 verschärften Flüchtlinge aus den an Polen abgetretenen Gebie­ten die Wohnraumsitua­tion zusätz­lich. Der Wohnungsneubau war während des Krieges weitgehend zum Erliegen gekommen, sodass sich ein Fehlbestand von bis zu 20.000 Wohnungen aufgestaut hatte.379 Massen-­ Notquartiere und Behelfswohnungen in Kasernen, Speichern und Kellern schufen nur vorübergehend Abhilfe. Für den notwendigen Neubau fehlten nicht zuletzt die Bauflächen. Das Breslauer Stadtgebiet war für eine Großstadt vergleichsweise klein; 1924 drängten sich ihre 571.571 Einwohner auf nur 4920 ha. Frankfurt am Main verfügte zur gleichen Zeit für 470.500 Einwohner über 13.475 ha Stadtfläche und Köln für 710.000 Einwohner über 25.119 ha. Breslau war damals mit 115 Einwohnern auf einem Hektar bzw. 381 Einwohnern auf einem Hektar bebauter Fläche tatsäch­lich die dicht bewohnteste deutsche Großstadt; in Berlin kamen auf einen Hektar bebauter Fläche ledig­lich 300 Personen – in der Breslauer Nikolai-­Vorstadt waren es 1022. In Köln lebten auf einem Hektar städtischer Gesamtfläche nur 28, auf einem Hektar bebauter Fläche ledig­lich 252 Einwohner.380 Angesichts dieser Lage galt die Erweiterung des Stadtgebiets schon im ausgehenden 19. Jahrhundert als eine entscheidende Voraussetzung für jede künftige Lösung der Wohnraumfrage. Die seit Beginn der 1890er Jahre von der Stadt betriebenen Eingemeindungen stießen allerdings auf heftige Widerstände seitens der Kreisbehörden. So konnte die Eingemeindung von Pöpelwitz und Kleinburg, eines Gebietes von 486 ha, erst im März 1897 per Landtagsbeschluss durchgesetzt werden. Im Mai 1904 genehmigte der

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Landtag auch die Eingemeindung der öst­lichen Vororte Leerbeutel und Morgenau sowie der süd­lichen Vororte Herdain und Dürrgoy, womit das Stadtgebiet um weitere 621 ha auf nun schon 4.214 ha wuchs. Im April 1911 kam der Vorort Gräbschen hinzu, womit sich die Stadtfläche schließ­lich auf knapp 5000 ha erweiterte.381 Noch im gleichen Jahr nahm der Magistrat mit den Gemeinde- und Gutsvorständen von 27 weiteren Ortschaften im städtischen Umkreis Verhandlungen über Eingemeindungen auf. Doch konnten diese erst nach 1918 realisiert werden; sie erweiterten das Stadtgebiet bis 1928 schließ­lich auf rund 17.500 ha. Die städtische Bevölkerung zählte zu ­diesem Zeitpunkt 608.808 Personen. Die Siedlungsdichte war damit theoretisch auf 35 Einwohner pro Hektar Stadtfläche gefallen. Doch die eingemeindeten Flächen mussten erst einmal erschlossen und bebaut werden. Das aber bereitete angesichts der angespannten Wirtschaftslage erheb­liche Probleme. Private Investoren standen für den Wohnungsbau, insbesondere den unrentablen Kleinwohnungsbau nach 1918 kaum zur Verfügung. An ihrer Stelle übernahmen gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften die Finanzierung des Siedlungsausbaus. In Breslau gewann insbesondere die im Juni 1919 gegründete, zur Hälfte von der Stadt getragene Siedlungsgesellschaft Breslau AG besondere Bedeutung. Sie allein errichtete bis 1931 über 7300 neue Wohnungen. Die ersten Neubausiedlungen mit rund 4000 Kleinwohnungen entstanden 1919/20 in Pöpelwitz, Zimpel, Gräbschen und Dürrgoy.382 Zu d ­ iesem Zeitpunkt entwickelte Stadtbaurat Max Berg gemeinsam mit dem Magistratsbaurat Richard Konwiarz und dem Architekten Ludwig Hermann Moshamer ein urbanistisches Konzept, das 1924 in einen von Fritz Behrend, dem Leiter eines 1919 eigens eingerichteten Stadterweiterungsbüros, aufgestellten Generalbebauungsplan mündete. Der Magistrat hatte 1921 mit Blick auf die absehbare Stadterweiterung einen „Ideenwettbewerb zur Erlangung eines Bebauungsplans der Stadt Breslau und ihrer Vororte“ ausgeschrieben, zu dem 40 Vorschläge eingingen. Elf von ihnen wurden ausgezeichnet und unter Bergs Federführung den weiteren Planungen zugrunde gelegt. Berg griff dabei die Idee der eng­lischen Gartenstadt und die Vorstellung von einer radialen Stadtentwicklung auf, die 1910 für Groß-­Berlin entwickelt worden war. Sein Konzept sah durchgrünte, polyzentrisch geplante Wohnbzw. Gartenstädte außerhalb des historischen Stadtkerns vor‚ die mit dem

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Zentrum über Grünanlagen verbunden und an ­dieses durch öffent­liche Verkehrsmittel angebunden werden sollten.383 Für das Zentrum selbst propagierte Berg als einer der ersten deutschen Architekten den Bau von Geschäftshochhäusern. Diese sollten wie die Kathedralen im Mittelalter als „Tempel der menschlichen Arbeit in der Geschäftsstadt beherrschend hervorragen“ und innerhalb der Innenstadt die gewerb­lich genutzten Wohnungen wieder ihrer eigent­lichen Bestimmung zuführen.384 Besonders heftige Kontroversen löste Bergs Entwurf für ein Hochhaus am Breslauer Ring aus. Der auf eine Höhe von 93 m angelegte Bau, der amerikanische Vorbilder aufgriff, sollte direkt neben dem gotischen Rathaus errichtet werden. Dieser und weitere Pläne (etwa für ein Hochhaus-­Einkaufszentrum am Freiburger Bahnhof ) scheiterten schließ­lich weniger an ästhetischen Einwänden oder fehlenden Finanzmitteln. Ihr Bau, der letzt­lich wenig zur Linderung der Wohnungsnot beigetragen hätte, erübrigte sich schlicht aufgrund fehlenden Bedarfs. Immerhin entstanden 1927/28 mit dem neuen Postscheckamt von Lothar Neumann und 1929 – 1931 mit der von Heinrich Rump als Beispiel des gemäßigt modernistischen Bauens gestalteten Städtischen Sparkasse am Ring zwei weniger gewaltig dimensionierte Hochbauten.385 In seinen Hochhausentwürfen nahm Berg, „indem er die Wände durch horizontale Fensterbänder entmaterialisierte und dabei das Konstruk­ tionsskelett des Baus sichtbar beließ“386, die Grundsätze des Neuen Bauens vorweg. Während sich die ambi­tionierten Generalbebauungspläne des Jahres 1924 rasch verflüchtigten (wohl auch infolge Bergs Ausscheiden aus dem Amt des Stadtbaurates von der Stadt nicht ener­gisch weiterverfolgt wurden), setzten diese Grundsätze in der Breslauer Stadtentwicklung markante Akzente. Entscheidende Impulse dazu gingen von der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe aus, die sich unter Hans Poelzig zu einem Zentrum der Avantgarde entwickelt hatte. Mit dem von ihm 1926 entworfenen Deli-­Kino, dem Umbau der Mohrenapotheke durch Adolf Rading (1925/28) und dem Kaufhaus Petersdorff von Erich Mendelssohn entstanden im Zentrum erste radikale Beispiele ­dieses Neuen Bauens. Adolf Rading war gemeinsam mit seinem Akademiekollegen Hans S ­ charoun 1927 an der Stuttgarter Mustersiedlung Weißenhof beteiligt, die dem Neuen Bauen in Deutschland allgemein zum Durchbruch verhalf. Zusammen mit Heinrich Lauterbach, einem Schüler Poelzigs, initiierte er

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noch im gleichen Jahr für die Schle­sische Abteilung des Deutschen Werkbundes ein ähn­liches Ausstellungsprojekt. Unter dem Titel Wohnung und Werkraum (WUWA) sollte es in Breslau einmal mehr die vom Werkbund vertretenen Vorstellungen zur Herstellung preiswerten Wohnraums, zur Opti­mierung der Grundrisse und zur Entwicklung raumsparenden Mobi­ liars popularisieren. Der Breslauer Magistrat, der die Werbewirksamkeit des Ausstellungsvorhabens erkannte, nahm sich des in der Öffent­lichkeit durchaus kontrovers diskutierten Projektes an und gewann die Siedlungsgesellschaft Breslau AG sowie die Messegesellschaft für die Finanzierung.387 So konnte neben den temporären Ausstellungsteilen wenige Hundert Meter öst­lich der Jahrhunderthalle eine Siedlung mit 32 größtenteils bis heute erhaltenen Mustergebäuden errichtet werden.388 Die von elf Breslauer Archi­tekten entworfenen Ein-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser, zudem ein Ledigenwohnheim (Farbtafel 18) und ein Kindergarten zogen fast 500.000 Besucher an, erregten große Beachtung und rückten Breslau für einen ­Moment erneut in den Fokus überregionaler Aufmerksamkeit. Wirtschaft­lich und sozial blieb der Ertrag allerdings bescheiden. Die 132 Wohnungen der architekturhistorisch bahnbrechenden Mustersiedlung sprachen den Normalmieter weder finanziell noch ästhetisch besonders an und wurden am Ende zum Teil von den Architekten und Künstlern selber genutzt. Auch wenn die WUWA keinen praktischen Beitrag zur Lösung des allgemeinen Wohnraumproblems zu leisten vermochte, war es der Stadt im Laufe der 1920er Jahre allen wirtschaft­lichen Schwierigkeiten zum Trotz gelungen, das Wohnraumproblem zumindest ansatzweise zu lindern.389 Außer in Pöpelwitz, Gräbschen/Eichborngarten und Zimpel entstanden auch in Bischofswalde, Mochbern, Friedewalde, Westend, Groß und Klein Tschansch großzügige, moderne Stadtrandsiedlungen mit Einfamilienhäusern bzw. zwei- bis dreigeschossigen, von viel Grün umgebenen Mietshäusern.390 Der Bau einer weiteren Großsiedlung im Stadtteil Pilsnitz wurde von der Wirtschaftskrise unterbrochen und erst in den 1930er Jahren, dann schon im na­tionalsozialistischen Stil vollendet.391 Neue Straßenbahn- und Buslinien verbanden die Vorstadtsiedlungen mit dem altstädtischen Zentrum, in dem 1928 nur noch 6,4 % der über 600.000 Breslauer lebten und die Citybildung längst ihren Höhepunkt erreicht hatte.

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Abb. 9  Straßenzug in der 1919 – 1935 errichteten Siedlung Zimpel (im Zustand von 1958)

Die Wohnungsfrage war sicher­lich das größte, aber nicht das einzige Problem, mit dem sich die Kommunalpolitik nach 1918 konfrontiert sah. Die öffent­lichen Verkehrsmittel, die Kanalisa­tion und Trinkwasserleitungen, die Gas- und Stromversorgung mussten erneuert und ausgebaut werden; um den steigenden Strombedarf zu decken, ließ die Stadt 1922 und 1925 an der Oder zwei (von Max Berg entworfene), bis heute erhaltene Wasserkraftwerke errichten. Städtische Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen warteten ebenso wie die bis 1919 vom Militär genutzten und dadurch stark in Mitleidenschaft gezogenen 73 städtischen Schulgebäude auf ihre Wiederinstandsetzung bzw. Renovierung. Angesichts der veränderten Verhältnisse waren zudem inhalt­liche Unterrichtsreformen nötig geworden, die seit Frühjahr 1922 in Angriff genommen wurden. Die drückende Arbeits­losigkeit und wirtschaft­liche Not großer Teile der Stadtbevölkerung zwangen der Stadt überdies erheb­liche Sozialhilfeleistungen ab. Suppen­küchen, Freibrot, Winterhilfen, Obdachlosenheime, Kinder­betreuungsstellen und anderes verschlangen einen großen Teil der knappen Ressourcen. Daneben galt es, Straßen und Plätze zu unterhalten, aber auch die Promenade und die Parkanlagen wiederherzustellen, die im Krieg zu großen Teilen dem Brennstoffmangel zum Opfer gefallen bzw. in Kartoffel- und Gemüsefelder umgewandelt worden waren.

Kommunalpolitik und Stadtentwicklung

Insgesamt sah sich die Stadt in den 1920er Jahren, wie sie in Eingaben an die Reichs- und Preußische Landesregierung wiederholt formulierte, mit einer großen „Kommunalnot“ konfrontiert. Auch wenn diese sich bald etwas abschwächte, sodass die Stadt 1926 – 1929 beispielsweise im öst­lichen Stadtteil Grüneiche ein komfortables Sportzentrum mit Stadion, Tennisplätzen, Schwimmanlagen errichten konnte, wirkte sich der kommunale Notstand nicht zuletzt auf die politische Stimmung negativ aus. Er heizte insbesondere die seit dem Weltkrieg ohnehin gestiegene Xenophobie weiter an und entlud sich unter anderem in zunehmenden antipolnischen und antijüdischen Ausschreitungen. Die polnischsprachige Bevölkerung Breslaus umfasste zu Beginn des 20. Jahrhunderts über 8000 Personen, was etwa einem Anteil von 1,6 % entsprach.392 Dabei handelte es sich einerseits um eingesessene kleine Handwerker und Kaufleute, Hausbedienstete und Universtätsangehörige, andererseits um vorübergehend in der Stadt lebende Arbeitsuchende, Studenten und Angehörige der Priester- oder Rabbinerseminare, zumeist aus Oberschlesien, der Provinz Posen und Kleinpolen. Ihre Lage hatte sich mit der Wiedererrichtung des polnischen Staates nachhaltig verschlechtert, sah man sie doch nun alle unterschiedslos als verlängerten Arm der ungeliebten Zweiten Polnischen Republik und Befürworter der polnischen Gebietsforderungen an. Belästigungen, Diskriminierungen und offene Überfälle waren die Folge. So wurde im Januar 1919 eine Gruppe polnischer Studenten gewaltsam aus den Hörsälen, Laboratorien und Mensen der Medizinischen Fakultät vertrieben, im Juli 1920 das zwei Monate zuvor eröffnete Polnische Konsulat verwüstet und im März 1921 eine von zahlreichen antipolnischen Demonstra­tionen abgehalten, zu der nicht weniger als 40.000 Menschen zusammenströmten.393 Noch ehe Oberschlesien im Juni 1922 geteilt wurde, verließ daher ein großer Teil der Polen die Stadt, sodass 1925 nur noch etwa 2500 polnischsprachige Breslauer gezählt wurden.394 Auch diese kleine, kaum noch wahrnehmbare Gruppe blieb ein Ziel fortgesetzter Schmähungen und Übergriffe. Die Zahl der sich aktiv zum Polentum bekennenden Stadtbewohner erreichte kaum mehr als 100 Personen; die Breslauer Ortsgruppe des im Dezember 1922 gegründeten Bundes der Polen in Deutschland zählte 1924 ledig­lich 38, 1928 immerhin 68 und 1929 schließ­lich 118 Mitglieder.395

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Eine dramatische Verschlechterung erfuhr auch das Verhältnis der Breslauer zu ihren jüdischen Mitbürgern.396 Diese hatten sich im Kaiserreich wenn auch nicht einer völligen Gleichberechtigung, so doch eines hohen Maßes an Integra­tion erfreut. Dass sich die Beziehungen ­zwischen 1916 und 1925 grundlegend änderten, sich antisemitische Agita­tion, Diskriminierung und Gewalt massiv ausbreiteten, hatte gesamtdeutsche und spezifisch lokale Ursachen. Seit Mitte des E ­ rsten Weltkriegs gewann die antisemitische Ideologie deutschlandweit an Dynamik und Radikalität. Sie verband sich mit einem völkischen Na­tionalismus, der immer weitere Teil des Bürgertums erfasste und die Juden zu seinem Hauptfeind stilisierte. Die Gewalterfahrung und Entzivilisierung der Weltkriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit hatte eine allgemeine Brutalisierung von Politik und Gesellschaft bewirkt, die in Breslau durch die Anwesenheit von paramilitärischen Freikorpsverbänden und die gewaltsame Auseinandersetzung um die deutsch-­polnische Grenze zusätz­liche Nahrung erhielt. Von Bedeutung war überdies, dass das Breslauer jüdische Bürgertum nach 1918 seinen politischen und wirtschaft­lichen Einfluss verlor. Die Aufhebung des Dreiklassenwahlrechts reduzierte die jüdische Wählerschaft zur Stadtverordnetenversammlung mit einem Schlag von über 30 % auf 5 %, während Infla­tion und Wirtschaftskrise gerade jüdische Geschäftsleute in Bedrängnis brachten. Damit verloren die jüdischen Breslauer ihre zuvor effektiv genutzte Mög­lichkeit, antisemitischen Bestrebungen zumindest in der Kommunalpolitik das Wasser abzugraben. Eine wachsende ostjüdische Zuwanderung vergrößerte zudem nicht nur die jüdische Armut in der Stadt, sondern auch die xenophobe Panik vor den ‚Ostjuden‘, die immer mehr zu einem „Kristallisa­tionspunkt der Krisensymbolik“ wurde.397 So verschaffte sich die Krise in einem erstarkten politischen Antisemitismus Luft, der durch wachsende individuelle, vor allem aber kollektive Gewaltbereitschaft geprägt war. Im August 1920 und Juli 1923 kam es zu ersten pogromartigen Ausschreitungen, die im zweiten Fall mehrere Tote und zahlreiche Verletzte forderten. Nachhaltiger als s­ olche Einzelereignisse wirkte sich allerdings der ganz alltäg­liche Antisemitismus in den Breslauer Vereinen, Schulen, Berufsgruppen, in den Medien und in der Politik aus. Er veränderte mit seinen Zurückweisungen, Diskriminierungen und Ausschlüssen dauerhaft das Klima z­ wischen jüdischen und nichtjüdischen

Ein Breslauer Stadtverordneter – Adolf Heilberg

Breslauern. Letztere nahmen die wachsende antisemitische Gewalt, sofern sie sie nicht selbst offen billigten, größtenteils mit Gleichgültigkeit hin

Ein Breslauer Stadtverordneter – Adolf Heilberg Der wachsende Antisemitismus der Nachkriegszeit war nicht zuletzt eine Folge des Niedergangs des Breslauer Liberalismus. Diesen lokalen Libe­ralismus kennzeichnete eine im deutschen Liberalismus des späten 19. Jahrhundert ungewöhn­liche Haltung. Denn er zielte nicht auf die üb­licherweise angestrebte christ­lich-­konforme Gemeinschaft, sondern praktizierte eine konfessionell-­plurale Gesellschaft, in der den Juden ein Recht auf Anderssein zugestanden wurde.398 Die Ursache dafür lag in der Zusammensetzung des Breslauer Bürgertums, in dem die Juden eine maßgeb­liche Kerngruppe bildeten. Nach dem Dreiklassenwahlrecht stellten jüdische Wähler Mitte der 1870er Jahre rund 37 %, 1888 noch 26 % der Wahlberechtigten in der ersten Wählerklasse und 19 % in der zweiten Wählerklasse. Damit besaßen die wohlhabenden, überwiegend linksliberal eingestellten Breslauer Juden erheb­lichen Einfluss auf die Kommunal­ politik. Folg­lich kamen bis zu 30 % der liberalen Breslauer Stadtverordneten aus den Reihen der bürger­lichen Juden. Diese nutzten ihren kommunalpolitischen Einfluss, um antisemitische Tendenzen aus der städtischen Kommunalpolitik herauszuhalten, ja sorgten dafür, „dass die Sprache des Antisemitismus in der Breslauer Stadtverordnetenversammlung nicht nur keinen fruchtbaren Boden fand, sondern nachgerade ein Tabu bildete.“ Antisemitisch eingestellte Stadtverordnete, die es um die Jahrhundertwende sehr wohl auch gab, mussten innerhalb des Rathauses auf offene antisemitische Rhetorik verzichten. Andernfalls wurden sie, wie im April 1905, der Stadtverordnete Stein, gemaßregelt. Er hatte in einer Sitzung der Politik eines Stadtverordneten einen „echt jüdischen Zug“ unterstellt und wurde daraufhin vom Oberbürgermeister gezwungen, sich in der nächsten Sitzung öffent­lich zu entschuldigen.399 Der von Stein beleidigte jüdische Stadtverordnete war einer der im ausgehenden Kaiserreich und im Übergang zur Weimarer Republik poli­tisch einflussreichsten und aktivsten Breslauer Liberalen – Adolf ­Heilberg. Der am 14. Januar 1858 in Breslau geborene Jurist wuchs, wie er in seinen z­ wischen

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Januar 1934 und Januar 1936 verfassten Memoiren schrieb, als jüngstes von sechs Kindern in einem nicht reichen, wohl auch nur vorübergehend wohlhabenden, aber stets ausreichenden bürger­lichen Haushalt auf.400 Sein Vater war zunächst Hauslehrer in Münsterberg und Gemeindelehrer in Namslau. 1848 geriet er in den Bann der Revolu­tion, wurde wegen Majestätsbeleidigung und Aufhetzung vor Gericht gestellt, worauf­hin er sein Lehramt aufgeben musste. Anschließend betätigte er sich mit wechselndem Erfolg als Getreide-, Manufakturwaren-, Großhändler und Armeelieferant in Brieg, Breslau und Schweidnitz; 1868 übernahm er schließ­lich ein Hotel in Hirschberg, das er mit seiner Frau bis zu seinem Tod im Jahr 1881 führte. Die Familie wechselte mithin häufiger den Wohnort, sodass der jung eingeschulte Adolf oft die Schule wechselte und „sehr früh ein ernster einsamer Mensch“ wurde. Mit 17 Jahren nahm er im April 1875 an der Universität Breslau das Studium der Rechtswissenschaften auf, wo er unter anderem „geradezu beglückt und beseligt“ die damals noch jungen Wilhelm Dilthey und Lujo Brentano hörte. Nach drei Semestern wechselte er für zwei Semester nach Leipzig, wo ihn insbesondere die jungen Straf- und Prozessrechtler Karl Binding und Adolf Wach „fesselten und packten“, er „mit großem Eifer“ den National­ökonomen Georg Friedrich Wilhelm Roscher hörte, aber auch die Versammlungen der Sozialdemokraten besuchte und sozialistische Literatur las. Seine Sympathien für letztere hat dies nicht befördert, jedenfalls betonte Heilberg 1934, dass er „schon damals die Sache der bürger­lichen Linken“ vertreten habe, „schon damals wie stets ­später ein Gegner der Sozialdemokratie“ gewesen sei und in den Leipziger Debatten „gegen zwei Fronten, nach rechts und links zu streiten“ hatte. Nach einem sechsten Semester in Berlin legte er im Juli 1878 sein Referendar-­Examen ab und schloss in Lützen, Breslau und Glogau eine ihn wenig fordernde Referendarzeit bei Gericht an. Nach dem im Mai 1883 bestandenen Assessor-­Examen wollte Heilberg eigent­lich Richter werden, scheute dann aber doch die unbehag­lichen und engen Verhältnisse abgelegener Kleinstädte, in die ihn die Richterlaufbahn unweiger­lich geführt hätte. So beschloss er, in einer größeren Stadt Anwalt zu werden und ging zurück nach Breslau. Anfang November 1883 wurde er als Anwalt am Breslauer Oberlandesgericht vereidigt, richtete sich „in einem alten schlechten Hause“ in der Altstadt ein kleines Büro ein und nahm die Anwaltstätigkeit auf.

Ein Breslauer Stadtverordneter – Adolf Heilberg

Der Anwaltsberuf war neben dem Arztberuf die verbreitetste und wichtigste freiberuf­liche Tätigkeit. Auch in Breslau wurde sie in besonderem Maße von Juden genutzt. Sie stellte hohe Einkommen in Aussicht und ermög­lichte es, mitunter beeindruckende Vermögen zu erlangen. Adolf Heilberg hat diese Mög­lichkeiten wie wenige andere Breslauer Juristen genutzt. Als einer der ersten jungen Anwälte, der sich nach Einführung der freien Anwaltschaft in der Stadt etablierte, brachte er seine Praxis schnell in Schwung. Bald gewann er unter anderem die Fürsten von Donnersmarck, von Pless, die Grafen Henckel und Tiele-­W inckler sowie den Herzog von Ratibor mit ihren großen oberschle­sischen Bergwerks-, Industrie- und Güterverwaltungen als Klienten, konnte seine Kanzlei an den Ring verlegen und in einer Erbangelegenheit für einen böhmischen Grafen sein erstes Millionenmandat übernehmen. Später verlegte er sein Büro ins Zentrum der prosperierenden Südvorstadt an den Tauentzien­platz und war sehr bald einer der meist beschäftigten ­Anwälte des Breslauer Oberlandesgerichts. Er legte großen Wert darauf, das enorme Arbeits­ pensum von jähr­lich rund 600 Berufungsangelegenheiten allein zu bear­ beiten, alle Schriftsätze selber zu fertigen und persön­lich vor Gericht zu vertreten. Anders als viele seiner Kollegen schätzte er die münd­liche Verhandlung vor Gericht als „das Kernstück anwalt­licher Tätigkeit“ und kultivierte diese Fertigkeit entsprechend. Nur kurze Zeit hielt er es mit einem Sozius aus, stützte sich ansonsten lieber auf seine Sekretärin, sein gutes Gedächtnis und eine exzellente Arbeitstechnik, um die ihn Kollegen immer wieder beneideten. Er war ein begeisterter Stenograph, der sich auch aus theoretischem Interesse gleich mehrere Systeme angeeignet hatte. Seine politische und ehrenamt­liche Tätigkeit verschaffte ihm ­neben den Erbschafts- und Wirtschaftsangelegenheiten, den Haftpflicht-, Ehescheidungs- und anderen zivilrecht­lichen Mandaten auch Aufträge im Bereich des öffent­lichen Rechts und des Beamtenrechts; im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts vertrat er über zwei Jahrzehnte lang die Stadt Breslau beim Oberlandesgericht. Bereits Mitte der 1890er Jahre versteuerte Heilberg Geschäftseinnahmen von 12.000 Mark zuzüg­lich 3000 Mark Zinsen, die er aus einem Kapital von etwa 75.000 Mark bezog. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zu jener Zeit als ihn der Stadtverordnete Stein attackierte, führte er eine

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Rechtsanwaltskanzlei, die mit 56.000 Mark Jahreseinnahmen weit über dem Durchschnitt der übrigen Breslauer Kanzleien lag. Sein privates Vermögen war inzwischen auf 710.000 Mark gestiegen, die 1906 rund 30.000 Mark an Zinsen abwarfen. Damit gehörte Heilberg zu den reichsten Breslauer Wirtschaftsbürgern; nur 23 Breslauer versteuerten 1906 Jahreseinnahmen ­zwischen 80.000 und 90.000 Mark und nur 80 Breslauer Summen von mehr als 90.000 Mark.401 1898 trat Heilberg in den Vorstand der Breslauer Anwaltskammer ein, war zunächst Schrift- und Kassenführer, dann stellvertretender Vorsitzender und seit 1921 schließ­lich Vorsitzender. 1909 wurde er auch in den Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins gewählt und zum Beisitzer in der Breslauer Prüfungskommission für das erste juristische Staatsexamen bestellt. Das Amt, das er bis 1933 ausübte, verschaffte ihm einen gewissen Kontakt zur Wissenschaft und trug ihm 1911 die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Breslau ein. Tatsäch­lich publizierte Heilberg nebenher in verschiedenen juristischen Fachorganen kleinere Aufsätze, Besprechungen aktueller Rechtsprobleme und Rezensionen; 1915 legte er zusammen mit Hans Schäffer einen ausführ­lichen – durch die ‚Modernität‘ des E ­ rsten Weltkriegs bald überholten – Kommentar zum Kriegsleistungsgesetz von 1871, 1919 eine Darstellung der privatrecht­lichen Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages, 1929 schließ­lich eine kleine Monographie zur Beamtenhaftung und eine Schrift über das Schiedsgerichtswesen vor.402 Neben einer derart ausgefüllten beruf­lichen Tätigkeit engagierte sich der erfolgreiche Anwalt in hohem Maße ehrenamt­lich. Der Einsatz für das Gemeinwohl war ein wesent­liches Element seines bürger­lichen Selbstverständnisses, seiner liberalen Gesinnung. Im Zentrum seiner „freiheit­lichen Auffassung“, die er als Sohn eines überzeugten Demokraten und „religiös vollständig radikale[n] Freidenker[s]“ schon als Jugend­licher verinner­licht hatte, stand das „selbstbewusste, auf seine Freiheit, auf seine Kraft, seine Leistung, sein Können und seine Erfolge bedachte“ Individuum. Doch berechtigte die Freiheit des einzelnen Bürgers in Heilbergs Augen diesen nicht dazu, ledig­lich seine egoistischen Privatinteressen zu verfolgen. Vielmehr musste sich der Einzelne stets auch seiner Pflichten gegenüber den Mitmenschen und dem Gemeinwohl bewusst sein. In ­diesem Sinn hatte der liberale Bürger nicht nur seine Persön­lichkeit, sondern auch einen

Ein Breslauer Stadtverordneter – Adolf Heilberg

besonderen Bürgersinn auszubilden und mit d ­ iesem Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Diese Pflicht schien Heilberg am ehesten im Rahmen einer öffent­lichen ehrenamt­lichen Tätigkeit einlösbar, der er sich konsequenterweise nicht entzog.403 So engagierte er sich in bürger­ lich-­liberalen Vereinen und politischen Organisa­tionen und hoffte, auch größere Teile der Bevölkerung zu einer „selbstlosen verständigen Mitarbeit an der Politik“ bewegen zu können. Dazu setzte er auf eine verstärkte Volksbildung, an der er sich selbst im Rahmen des 1869 gegründeten Breslauer Humboldt-­Vereins, einer populären Kultur- und Bildungsgesellschaft, mit Vorträgen in Stadt und Provinz beteiligte. Besonders am Herzen lag ihm die Friedensbewegung. Als überzeugter Pazifist, dem die na­tionalistischen Zuspitzungen seiner Zeit zuwider waren, dem auch bei Tischreden das üb­liche Hoch auf den Kaiser nicht über die Lippen kommen wollte und der bis 1919 das Amt des Notars ausschlug, weil er es ablehnte, einen Eid auf den Kaiser zu leisten, träumte er von der interna­tionalen Völkerverständigung. So organisierte er 1893 für die im Vorjahr gegründete Deutsche Friedensgesellschaft eine Breslauer Ortsgruppe, verfasste zahlreiche einschlägige Schriften 404 und nahm als deutscher Delegierter regelmäßig an den Interna­tionalen Friedenskongressen teil. Schon Ende der 1870er Jahre war Heilberg dem Breslauer Wahlverein der Freisinnigen Partei beigetreten. Er wirkte zunächst im Vorstand des innerstädtischen Bezirksvereins mit und übernahm 1893 den lokalen Parteivorsitz, mit dem ihm zugleich die Führung der Freisinnigen in ganz Schlesien zufiel. Auch wenn er damit in reichsweite Parteigeschäfte einbezogen war, wiederholt auch für den Reichstag kandidierte, zog es ihn letzt­lich nicht nach Berlin. Seine parteipolitischen Aktivitäten blieben auf Stadt und Provinz sowie die unmittelbaren Wahlkampfzeiten beschränkt. Größere Genugtuung als die Parteipolitik bereitete ihm ohnehin die Kommunalpolitik, die er – ähn­lich wie der Soziologe Werner Sombart, der 1896 – 1906 als Parteigenosse Heilbergs in der Stadtverordnetenversammlung saß – nicht eigent­lich als Politik, sondern als selbstverständ­liche bürger­ liche Ehrenpflicht ansah.405 Von 1889 bis 1933 nahm er für die Freisinnigen ununterbrochen einen Sitz in der Stadtverordnetenversammlung wahr; noch im März 1933 wurde er als einziger Kandidat der DDP wiedergewählt – nahm das Mandat nun jedoch nicht mehr an.

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Von 1915 – 1923 führte er unter den erschwerten Bedingungen der Kriegsund unmittelbaren Nachkriegszeit den Vorsitz in der Stadtverordnetenversammlung. Damit erwarb er sich auch bei Parteigegnern hohe Achtung, auch wenn die Sozialdemokraten in ihm mehr und mehr einen „rechtsstehenden Liberalen“ bzw. „wenig fortschritt­lichen Demokraten“ sahen.406 Tatsäch­lich empfand Heilberg die Dominanz der SPD als eine Gefahr, der er im Januar 1919 mit einem Bündnis aller bürger­lichen Kräfte begegnen wollte. Sein Vorschlag, zu d ­ iesem Zweck bei den anstehenden Kommunal­ wahlen mit dem Zentrum und den Konservativen zusammenzugehen, fand in der DDP jedoch keine Mehrheit. Gleichzeitig drängten ihn sein Pazifismus und seine konsequente Ablehnung jeder Deutschtümelei in den Reihen der Demokraten in eine Außenseiterposi­tion. Denn das Trauma des verlorenen Krieges und der Gebietsabtretungen ließ auch bei den Breslauer Liberalen an die Stelle des freisinnigen Ideals einer konfessionell-­ pluralen Gesellschaft den na­tionalistischen Wunsch nach einer christ­ lich-­homogenen Volksgemeinschaft treten, in der für das Anderssein der jüdischen Breslauer bald kein Platz mehr war.407 Wie chancenlos Heilbergs pazifistisch-­linksliberale Haltung nach 1918 zusehends geworden war, wie sehr er sich am Ende „über die Entwicklungs- und Belehrungsfähigkeit der großen Masse [der] Bevölkerung“ getäuscht hatte, führte ihm schon 1924 der Ausschluss aller jüdischen Mitglieder aus der Breslauer Ortsgruppe des Deutschen Alpenvereins vor Augen, dem er selbst Jahrzehnte lang angehört hatte. Lange bevor SA-Trupps am 11. März 1933 das Breslauer Oberlandesgericht stürmten und „die jüdischen Anwälte und Richter oder diejenigen, ­welche sie für jüdisch hielten, mit Gewalt, Drohungen und Misshandlungen aus den Zimmern und Gebäuden heraus[trieben]“408, hatte die Breslauer Gesellschaft begonnen, ihre jüdischen Angehörigen erneut auszugrenzen. Die antisemitischen Ausschreitungen vom März 1933 ließen dann keinerlei Zweifel mehr, dass im na­tionalsozialistischen Breslau Juden fortan unerwünscht sein würden. Tief enttäuscht von der „politische[n] Charakterlosigkeit des deutschen Volkes“ kehrte Adolf Heilberg seiner Heimatstadt den Rücken und zog nach Berlin. Dort ist er drei Jahre ­später bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Kommerz und Krise

Kommerz und Krise Adolf Heilberg hat im Rückblick nicht nur eine gewisse Naivität seines linksliberalen Idealismus eingestanden, sondern auch eingeräumt, den Einfluss der reinen wirtschaft­lichen Interessen auf die Gestaltung der sozialen und politischen Verhältnisse unterschätzt zu haben. Tatsäch­lich waren der Antisemitismus und Antipolonismus, die Deutschtümelei und der völkische Chauvinismus der Weimarer Republik nicht zuletzt Symp­tome ihrer wirtschaft­lichen Krisen. Zwischen Gründerzeit und Erstem Weltkrieg hatte Breslau eine lange Phase wirtschaft­licher Prosperität erlebt. Seine kapitalistische Entwicklung hatte um die Jahrhundertwende einen Höhepunkt erreicht und sich unter anderem im Neubau von rund 60 Büro-, Kauf- und Handelshäuser niedergeschlagen. Die im Altstadtzentrum und der nörd­lichen Schweidnitzer Vorstadt überwiegend in Formen der Neorenaissance, des Neobarock und des Jugendstils errichteten „Tempel des Kommerzes“, unter denen das 1904 eröffnete Kaufhaus der Gebrüder Arthur und Georg Barasch am Ring wohl die imposanteste Erscheinung bot, verliehen der City zunehmend das Flair der modernen Großstadt.409 Auch wenn die Stadt vornehm­ lich Handels-, Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum blieb, in dem um 1900 zwölf Bankinstitute einen florie­renden Kredit- und Wertpapierhandel betrieben, war die anhaltende Prosperität auch den industriellen Großbetrieben zugute gekommen. Die Zahl der Betriebe mit über 200 Beschäftigten war ­zwischen 1882 und 1907 von 12 auf 33 angestiegen.410 Weiterhin bestimmten Maschinenbau-­Unternehmen und Betriebe der Bekleidungsindustrie das Bild. Allerdings gelang es der Breslauer Industrie schon vor dem Weltkrieg nur mit Mühe, landesweit konkurrenzfähig zu bleiben. Vor allem hohe Transportkosten und unzureichende Verkehrsverbindungen zu den wichtigsten Absatzmärkten machten ihr zu schaffen und zwangen zu Kostensenkungen an anderer Stelle. Eine Folge war ein deut­lich niedrigeres Lohnniveau; ein Breslauer Arbeiter verdiente 1911 durchschnitt­lich 488 Mark weniger als ein Dortmunder. Die gegenüber Berlin und Westdeutschland schlechteren Breslauer Bedingungen führten zu einer Abwanderung insbesondere von qualifizierten Arbeitskräften, deren Stelle zumeist nur unqualifizierte, zunächst entsprechend anzulernende Zuwanderer vom Land einnahmen.411 Die strukturelle Schwäche der Breslauer Industrie trug mit dazu bei, dass sich die wirtschaft­lichen Krisen der Weltkriegs- und Zwischenkriegszeit

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Abb. 10 

Stammwerk der Linke-­Hofmann-­Werke am Striegauer Platz

an der Oder besonders stark auswirkten. Fast bis in die Mitte der 1920er Jahre bestimmten Kriegsfolgen, Infla­tion und Arbeitslosigkeit das Leben der Stadt. Das System der Lebensmittelra­tionierung konnte nur allmäh­ lich aufgehoben werden, noch bis Ende 1923 gab es Lebensmittelmarken für Brot, bis August 1924 für Speisefett und Fleisch; bis Ende 1924 gab es Bezugskarten für Brennholz. Auf dem freien beziehungsweise Schwarzmarkt schossen die Preise in astronomische Höhen. Die Hyperinfla­tion des Jahres 1923 führte schließ­lich zu einer gigantischen Entwertung sowohl des staat­lich ausgegebenen Geldes wie des von der Stadt Breslau gedruckten Notgeldes. Ein halbes Kilogramm Fleisch kostete in den Markthallen bald Dutzende Millionen Mark, während für eine Zeitung, die vor dem Krieg fünf Pfennige gekostet hatte, Anfang Oktober eine Million und im November 20 Mio. Mark zu bezahlen waren. Die Löhne wurden in immer kürzeren Intervallen angepasst und bald täg­lich ausgezahlt. Um den Arbei­tern zu ermög­lichen, ihren Lohn sogleich in Ware umzusetzen, musste die Produk­tion nach der Auszahlung jedes Mal vorübergehend eingestellt werden. Die Breslauer Linke-­Hofmann-­Werke, die im Juli 1923 zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit der breit aufgestellten Aktiengesellschaft Lauchhammer fusionierten und damals in Breslau 4900

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Arbeiter und Angestellte beschäftigten, holten am Ende das frisch gedruckte Papiergeld mit werkseigenen Fahrzeugen täg­lich tonnenweise aus Berlin, um es sogleich an die Belegschaft auszugeben.412 Während die Löhne durch die Infla­tion dramatisch dezimiert wurden, trieben die Lebenshaltungskosten ungebremst in die Höhe; allein im September 1923 stiegen sie innerhalb einer Woche um 173,7 %.413 Erst Ende November 1923 konnte der völlige Verfall der Wirtschaft mit einer Währungsreform gestoppt werden. Bis dahin hatte die Infla­tion nicht nur die Vermögenswerte eines großen Teils des Bürgertums vernichtet und die lohnabhängig Beschäftigten in größte wirtschaft­liche Bedrängnis gebracht, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in die junge Republik dauerhaft erschüttert. Nicht einmal die wenigen Breslauer Großbetriebe besaßen angesichts ihrer begrenzten Konkurrenzfähigkeit das Potenzial, derartige Krisen ohne Massenentlassungen oder andere gravierende Einschnitte durchstehen zu können. Viele der mittleren und kleineren Betriebe, die sich gerade erst mit größter Mühe aus der Kriegszeit hatten retten können, überlebten die Infla­tionskrise nicht. Zusätz­liche Belastungen erwuchsen der Breslauer Wirtschaft aus den Folgen der territorialen Veränderungen von 1918 – 1922. Die neuen Grenzziehungen und die daraus folgenden Auseinandersetzungen mit dem polnischen und tschechischen Nachbarn beraubten sie eines Absatzgebietes, in das zuvor – wie die Stadt in rhetorischer Übertreibung betonte – mehr als die Hälfte der Breslauer Produkte exportiert worden waren. Tatsäch­lich wirkte sich vor allem der Abbruch der Wirtschafts­ beziehungen zum ostoberschle­sischen Industrierevier, zu Großpolen und Pommerellen schmerz­lich aus. Zwar siedelten sich in Breslau auch einige neue, aus den an Polen abgetretenen Gebieten ausgewichene Betriebe an, doch konnte die Breslauer Industrie angesichts ihrer Probleme auf den westdeutschen und westeuropäischen Märkten die Verluste im Osten nur schwer kompensieren.414 Die tradi­tionelle Breslauer Landmaschinenmesse musste 1927 erstmals seit 58 Jahren abgesagt werden. Insgesamt erwartete man eine Wiederbelebung der Breslauer Messen nicht vor einer verläss­ lichen Regulierung der deutsch-­polnischen Handelsbeziehungen. Der deutsche Boykott der polnischen Wirtschaft von 1920 – 1922 und der Mitte 1925 einsetzende deutsch-­polnische Handelskrieg kamen der Breslauer Wirtschaft vor d ­ iesem Hintergrund alles andere als gelegen. Und so setzten

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sich vor allem Breslauer Wirtschaftsvertreter gegen den allgemeinen Strom für den Abschluss eines deutsch-­polnischen Handelsabkommens ein. Da sie mit ­diesem Anliegen in Berlin wenig Gehör fanden, etablierten sie im Mai 1927 in Breslau einen Deutsch-­Polnischen Wirtschaftsbund, aus dem 1930 die deutsch-­polnische Handelskammer mit Sitz in Breslau hervorging. Mit Unterstützung des polnischen Konsulats in Breslau und der Breslauer Handelskammer gelang es dieser Einrichtung, unmittelbare Handelsbeziehungen mit polnischen Wirtschaftskreisen anzuknüpfen und bis 1931 über 200 deutsche Firmen aus dem gesamten Reich als Mitglieder zu gewinnen.415 Die seit Mitte November 1923 umgesetzte Währungsreform, die im August 1924 vereinbarte Regelung der an die Siegermächte zu zahlenden Repara­tionsleistungen und die dadurch ermög­lichten ausländischen, insbesondere amerikanischen Kredite führten ab Mitte der 1920er Jahre landesweit einen vorübergehenden Aufschwung herbei. Dieser schlug sich auch in Breslau in einer spürbaren Belebung des städtisch-­urbanen Lebens nieder. Sichtbarer Ausdruck dieser kurzen Blüte war unter anderem der Bau neuer großer Warenhäuser. Zu ihnen gehörte das 1927 – 1928 von E ­ rich Mendelssohn in dynamischem Modernismus gestaltete Kaufhaus der Konfek­tionsfirma Petersdorff und das 1930/1931 von Sepp Kaiser entworfene C&A Geschäftshaus – beide Objekte sind bis heute in weitgehend originaler Form erhalten geblieben. 1929/1930 ließ der Wertheim-­Konzern an prominenter Stelle z­ wischen Stadtgraben und Tauentzienplatz auf dem über 6000 m² großen Areal eines ganzen Häuserblocks von dem Berliner Architekten Hermann Dernburg innerhalb von nur acht Monaten das siebenstöckige Kaufhaus Wertheim erbauen. Mit seinen 33.000 m² Verkaufsfläche avancierte es zum größten Warenhaus Breslaus und war noch um die Mitte der 1990er Jahre das größte Kaufhaus Polens; heute ist es nach aufwendiger Grundsanierung und Hinzufügung eines ansprechenden Anbaus eine der attraktivsten Shoppingmalls der Stadt. Noch ehe die 1926 – 1928 in Auftrag gegebenen Großbauten, darunter städtisch-­kommunale Anlagen wie die Städtische Sparkasse, das Sport­ stadium, Schwimmbäder, Krankenhäuser und Schulen, zu Beginn der 1930er Jahre fertiggestellt waren, fand die kurze Blüte ein jähes Ende. Als die Ende 1928 einsetzende weltweite Landwirtschafts-, Industrie- und Bankenkrise am 24. Oktober 1929 im New Yorker Börsenkrach kulminierte,

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führte dies auch in Breslau zu einem katastrophalen Konjunktureinbruch. Allein die Breslauer Linke-­Hofmann-­Werke verloren über die Hälfte ihres Auftragsvolumens. Ihr Umsatz fiel von 83 Mio. Reichsmark im Jahr 1928 auf 12,4 Mio. im Jahr 1933, die Zahl der (an allen Werksstandorten) beschäftigten Arbeiter sank von 7436 (1929/30) auf etwa 1300 (1931).416 In Breslau stieg die Zahl der Arbeitslosen bis Januar 1933 auf über 98.000 (bei inzwischen rund 620.000 Einwohnern).417 Die politischen und sozia­ len Auswirkungen ­dieses ökonomischen Zusammenbruchs ließen nicht lange auf sich warten.

Kultur und Wissenschaft Die politischen Umbrüche und wirtschaft­lichen Krisen des frühen 20. Jahrhunderts haben auch das städtische Kunst- und Kulturleben nicht unberührt gelassen. Beides litt seit jeher an seiner provinziellen Randlage, an einem konservativen und behäbigen Publikum und genoss im großen Schatten Berlins nicht den besten Ruf. Dennoch erschien dem Journalisten Hermann Matzke 1923 „die Kunst […] trotz ihrer auch hier fast verzweifelten materiellen Grundlage vielleicht [als] der einzige Lichtblick im Breslauer öffent­lichen Leben.“418 Tatsäch­lich trat Breslau im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nicht nur im Städtebau, sondern auch in der bildenden Kunst als ein bedeutendes Zentrum der frühen Moderne hervor. Das war vor allem das Verdienst der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe.419 Die 1791 als preußische Provinzialkunstschule gegrün­dete, 1816 in König­liche Kunst-, Bau- und Handwerksschule, 1876 in König­liche Kunst- und Gewerbeschule umbenannte, 1911 zur Akademie erhobene Einrichtung war eine der wichtigsten Kunstschulen des späten Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Sie hatte sich unter der Leitung des in Wien ausgebildeten Architekten und Kunstgewerblers Hermann Kühn (1881 – 1902) stärker der angewandten Kunst zugewandt, seit 1896 früher als andere staat­lich finanzierte Kunstschulen Frauen als Lehrerinnen und Schülerinnen aufgenommen und eine produktive Koopera­tion mit dem 1890 gegründeten Kunstgewerbeverein für Breslau und die Provinz Schlesien sowie dem 1899 eröffneten Museum für Kunstgewerbe und Altertümer aufgenommen. Ihre durch private Stiftungen, aber auch vom

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Breslauer Magistrat unterstützte Arbeit sollte sich 1895 noch in erster Linie „der gesamten gewerb­lichen und industriellen Thätigkeit nutzbar […] ­machen, […] diese veredeln, Sinn und Verständnis für Form und Farbe wie für Zweckmäßigkeit heben.“420 Unter Kühns Nachfolgern – Hans Poelzig (1903 – 1916), dem Architekten August Endell (1916 – 1925) und dem Maler und Matisse-­Schüler Oskar Moll (1925 – 1932) – verschob sich ihr Profil zur Architektur und bildenden Kunst. Die Hebung der Handwerkerausbildung überließ sie der im Jahr 1900 gegründeten Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule. Stattdessen tat sie sich mit dem 1908 auf Initiative Max Bergs und Hans Poelzigs etablierten Künstlerbund Schlesien zusam­men. Gemeinsam gelang es Akademie und Künstlerbund über gut zwei Jahrzehnte hinweg, begabte und innovative Architekten, Bildhauer, Maler, Graphiker und Kunsthandwerker nach Breslau zu ziehen. Diese nahmen aktiv und prägend Einfluss auf die Entwicklung der klas­sischen modernen Kunst und ließen Breslau als Kunstort für einen Moment aus dem Bannkreis Berlins heraustreten. Bis in den ­Ersten Weltkrieg hinein trug hierzu auch der Salon des Ehepaares Albert und Toni Neisser bei. Der renommierte Dermatologe und seine Ehefrau hatten sich 1897/1898 von dem Berliner Architekten Hans Grisebach eine prächtige Villa erbauen und von Künstlern der Breslauer Akademie einrichten lassen.421 In ­diesem Haus sammelte das Ärzteehepaar nicht nur moderne Kunst und Ostasiatica, sondern versammelte auch die Breslauer intellektuelle und künstlerische Elite. Neben den Akademie-­Direktoren, -Lehrern und -Schülern waren unter anderem Carl und Gerhart Hauptmann, Richard Strauss, Gustav Mahler, der Jurist und Romancier Felix Dahn und der Soziologe Werner Sombart ständige Gäste der Neissers. Ihre Villa und Kunstsammlung gingen 1920 als Abtei­ lung des Schle­sischen Museums für Kunsthandwerk und Altertümer in öffent­lichen Besitz über. Bei den schle­sischen Handwerkern und den außerhalb der Akademie freischaffenden Künstlern, die sich mit eigenen Ausstellungen und Vereinsgründungen von den Akademiekünstlern abzusetzen bemühten, stieß deren avantgardistisches Schaffen auf weniger große Resonanz. Auch in der allgemeinen Breslauer Öffent­lichkeit herrschten eher Kritik und Unverständnis vor. So hielten sich die öffent­lichen Proteste auch in

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Grenzen, als die Akademie, nachdem sie schon seit Ende der 1920er Jahre unter drastischen Sparmaßnahmen zu leiden hatte, zum 1. April 1932 im Rahmen der Brüningschen Notverordnungen geschlossen wurde und sich die mit ihr verbundene Kunstszene rasch auflöste. Die eher tradi­ tionell-­konservativen Einrichtungen – das 1880 gegründete Museum für bildende Kunst, der 1882 gegründete Verein für Kunsthandwerk, die Handwerker- und Kunstgewerbeschule oder der 1921 etablierte Verein der Kunstfreunde konnten den Verlust nicht aufwiegen; Breslaus Kunstszene verfiel erneut in ihre Provinzialität. Wenig überregionale Ausstrahlung ging in der Regel auch vom Breslauer Theater- und Musikleben aus. Das seit 1841 bestehende Stadttheater war vor allem Opernbühne, die immerhin manchem ­später berühmt gewordenen Künstler als Sprungbrett diente (z. B. ­Leo Slezak, Bruno Walter) und von der mitunter auch einmal eine deutsche Erstaufführung ihren Zug durch die deutsche Opernwelt begann (1893 Verdis „Othello“, 1913 Mussorgskis „Boris Godunov“). Das 1869 von dem Schauspieler Theodor Lobe etablierte Lobe-­Theater brachte als Dramenbühne die Klassiker des Sprechtheaters, aber auch zeitgenös­sische, mitunter avantgardistische Stücke, während das 1870 gegründete Thalia-­Theater (seit 1932 Gerhart-­Hauptmann-­Theater) mit Komödien vor allem auf volkstüm­liche Unterhaltung setzte. Neben diesen drei, 1892/96 – 1913 unter der gemeinsamen Intendanz des Wiener Literaten Theodor Loewe geführten Häusern, gab es seit 1885 ein Varieté-­ Theater (Liebich-­Theater) und ein Operettentheater, das 1906 in einem hoch modernen Schauspielhaus mit 1800 Plätzen eröffnet wurde. So mochte Breslau durchaus als eine „engagierte Theaterstadt“ erscheinen. Doch ging von ihren Regiearbeiten letzt­lich „keine die Bühnen des Reiches beeinflussende Bedeutung“ aus.422 Um das Breslauer Musikleben bemühte sich der 1861 ins Leben gerufene Breslauer Orchesterverein, dem es immerhin gelang, den Komponisten Max Bruch für eine Weile (1883 – 1890) an die Oder zu ziehen. In der Weimarer Republik ergänzten dann die ersten Kinos das tradi­tionelle Theater- und Musikprogramm. Eine gewisse Vorreiterrolle spielte Breslau in den 1920er Jahren bei der Etablierung des Rundfunks. Anfang April 1924 gründeten der Direktor des Physika­lischen Instituts der Universität Breslau und der Geheime Regierungsrat Otto Lummer zusammen

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mit vier Breslauer Kaufleuten die Schle­sische Funkstunde AG. ­Schon einen Monat ­später strahlte sie ihre erste, in ganz Schlesien hörbare Radiosendung aus. Im Dezember 1925 erreichte sie mit einem siebenbis achtstündigen Programm bereits 50.000 Hörer und bezog das erste rundfunkeigene ­Gebäude Deutschlands. Unter der Leitung des Lyrikers und Dramaturgen Fritz Walter Bischoff und des Komponisten, Pianisten und Kapellmeisters Edmund Nick bemühte sich der Breslauer Rundfunk um die Profilierung einer eigenen Funkkunst und erprobte insbesondere das Hörspiel als ein Phänomen der Avantgarde.423 Stärker als die städtischen Bühnen standen die Breslauer Hochschulen im Ruf, in erster Linie als Sprungbrett für Karrieren außerhalb Schlesiens zu dienen. Dabei war Breslau mit seinen sechs Hochschulen – der Universität, der Technischen Hochschule, der Kunstakademie und drei höheren Bildungseinrichtungen für katho­lische, protestantische und jüdische Theologen – einer der größten Hochschulstandorte der Weimarer Republik. Die 1911 anläss­lich ihres hundertjährigen Bestehens in Schle­sische Friedrich-­W ilhelms-­Universität umbenannte Alma Mater Wratislaviensis war das geistig-­kulturelle Zentrum der Provinz. Als solches zog sie überwiegend Studierende aus der Region an, während sie für nichtschle­sische Studierende wenig attraktiv war. Im 19. Jahrhundert hatte sie lange unter einer „fatalen finanziellen Mittellosigkeit“ zu leiden, konnte aber seit den 1880er Jahren ihre materiellen Ressourcen sukzessive erweitern.424 Vor allem ihre Medizinische Fakultät wurde ausgebaut und mit modernen Universitätskliniken ausgestattet. Die Zahl ihrer Studierenden stieg nach dem E ­ rsten Weltkrieg vor allem während der zweiten Hälfte der 1920er Jahre merk­lich an; allein ­zwischen den Wintersemestern 1927/28 und 1929/30 von 3537 auf 4860; ein Jahr s­ päter waren es bereits 5175 studierende.425 Damit zählte sie nach Berlin, Bonn, Köln und Frankfurt am Main zu den fünf größten Universitäten der Republik. In dieser Entwicklung spiegelte sich ein gestiegenes akade­ misches Renommee, das der schle­sischen Landesuniversität gerade in den letzten Jahren der Weimarer Republik einen gewissen Auftrieb verlieh, wenngleich sie für viele ihrer Professoren weiterhin nicht mehr als eine vorübergehende Karrieresta­tion blieb. Die Liste der berühmten Gelehrten, die eine kürzere oder längere Phase ihrer akademischen Laufbahn

Kultur und Wissenschaft

in Breslau verbrachten, ist lang. Fünf der 54 deutschen Nobelpreisträger der Jahre 1901 – 1954 – Paul Ehr­lich (1908), Fritz Haber (1918), Friedrich Bergius (1931), Otto Stern (1943) und Max Born (1954) – haben in den 1870er Jahren (Ehr­lich) beziehungsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Breslau studiert oder promoviert. Drei von ihnen (Haber, Bergius, Born) waren zudem gebürtige Breslauer. Drei weitere Nobelpreisträger  – Theodor Mommsen, Philipp Lenard und Eduard Buchner – haben kurzfristig an der Universität gelehrt, wobei nur der Chemiker Buchner 1909 bereits als Nobelpreisträger nach Breslau berufen wurde. Er empfand die Breslauer Arbeits- und Lebensbedingungen jedoch wenig erfreu­lich und folgte bereits zwei Jahre s­ päter einem Ruf nach Würzburg. Er war nicht der erste und letzte, den es nicht auf Dauer an der Oder hielt. Auch den Chemiker Robert Bunsen, den Philosophen Wilhelm Dilthey, den Na­tionalökonomen Lujo von Brentano, den Soziologen Werner Sombart, den Neurologen Carl Wernicke, den Psychologen William Stern zog es früher oder ­später in attraktivere Universitätsstädte. Andere blieben der Oderstadt treu – so Albert Neisser und der Augenmediziner Hermann L. ­Cohn, die beide in Breslau schon zur Schule gingen, der 1890 nach Breslau berufene Chirurg Jan ( Johann von) Mikulicz-­Radecki, der 1912 auf eine Professur für Psychiatrie und Neurologie berufene Alois Alzheimer oder der Neurologe Otfrid Foerster. Mochte die Universität bzw. ihre Studentenschaft, wie der 1884 – 1888 in Breslau lehrende Historiker Dietrich Schäfer erinnerte, wie „keine zweite […] einen provinziellen Charakter“ besessen haben,426 so war ihr akademisches Milieu offenbar gleichwohl produktiv und inspirierend. Jedenfalls gelang es einer ganzen Reihe ihrer Professoren, an der Oder bedeutende, mitunter bahnbrechende Forschungsleistungen zu erbringen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatten Vertreter der oberschle­ sischen Industrie und Breslauer Wirtschaftskreise daraufhin gewirkt, n ­ eben der Universität auch eine Technische Hochschule zu etablieren. Sie sollte den wachsenden Bedarf an hochqualifizierten Ingenieuren decken und wurde auch von der Stadt gewünscht. Der Magistrat stellte nicht nur einen geeigneten Bauplatz bereit, sondern trug „durch dauerndes Drängen bei den staat­lichen Behörden“ maßgeb­lich dazu bei, dass letztere die erforder­liche Genehmigung erteilten.427 So entstand ab 1904 am nörd­lichen Oderufer ein prachtvoller

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Regionales Zentrum der Moderne (1870er–1930er Jahre)

Neo-­Renaissancebau, in dem die Hochschule im ­Oktober 1910 im Beisein des Kaisers eröffnet werden konnte. Das Lehrangebot ­beschränkte sich zunächst auf den Maschinenbau, das Hüttenwesen, Chemie und Elektrotechnik und konnte erst nach dem E ­ rsten Weltkrieg weiter ausgebaut werden. Breslau war im frühen 20. Jahrhundert – neben Berlin und München – nicht nur eine von drei deutschen Städten, die sowohl über eine Universität als auch eine Technische Hochschule verfügten, sondern neben Berlin auch die einzige deutsche Stadt, in der es eine jüdische Hochschule gab. Das Jüdisch-­Theolo­gisches Seminar war 1854 mit Hilfe einer Stiftung des Breslauer Kommerzienrates Jonas Fränckel eröffnet worden und bis zu Beginn der 1870er Jahre die einzige moderne jüdische höhere Bildungseinrichtung in Mitteleuropa, die Rabbiner auf wissenschaft­licher Grundlage ausbildete. Neben der 1872 von Abraham Geiger begründeten, liberal ausgerichteten Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums und dem 1873 ebenda von Israel Hildesheimer initiierten orthodoxen Rabbiner-­Seminar verfolgte das Breslauer Seminar in seiner theolo­gisch-­weltanschau­lichen Ausrichtung eine neutrale oder mittlere Posi­tion. Die Auseinandersetzungen ­zwischen der liberalen und der konservativen beziehungsweise ortho­ doxen Richtung waren in der vergleichsweise starken Breslauer jüdischen Gemeinschaft 1856 durch Errichtung gesonderter Kultuskommissionen im Rahmen der fortbestehenden Einheitsgemeinde gelöst worden. Beide Richtungen unterhielten danach eigene Synagogen, Schulen und Rabbiner. Vor d ­ iesem Hintergrund wurden im Breslauer Seminar nicht nur dem liberalen Judentum verpflichtete, sondern auch der konservativen und orthodoxen Richtung anhängende Rabbiner ausgebildet. Der Lehrbetrieb war 1854 von drei Dozenten – dem Rabbiner und Philologen Zacharias Frankel, dem Klas­sischen Philologen Jacob Bernays und dem Historiker Heinrich Graetz – mit 18 Seminaristen aufgenommen worden. Bis 1903 durchliefen über 440 Studierende das Seminar, das zu d ­ iesem Zeitpunkt längst auch eine anerkannte Forschungsstätte war und zu den bedeutendsten Zentren jüdischer Wissenschaft zählte. Besonderes Aufsehen erregte die von Heinrich Graetz in den Jahren ­zwischen 1850 und 1870 vorgelegte dreizehnbändige „Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.“ In den 1890er Jahren lösten der Rabbiner Israel Levy, der Historiker Marcus Brann, der sich in besonderem Maße um die Geschichte

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der Juden in Schlesien verdient machte, und der Religionsphilosoph Saul Horovitz die erste Professorengenera­tion ab. Nach dem ­Ersten Weltkrieg folgten weitere Genera­tionenwechsel, aber auch inhalt­liche Horizont­ erweiterungen. So kamen Veranstaltungen zur modernen Religionsphilosophie, Neuhebräisch-­Sprachkurse und weitere zionistische Einflüsse in den Lehrplan. Die Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre überstand das Seminar nur dank der Spenden einiger größerer deutscher Synagogengemeinden sowie amerikanischer Hilfsleistungen. Die Hörerzahlen blieben von den wirtschaft­lichen und bald hinzutretenden politischen Schwierigkeiten zunächst unberührt, ja erreichten 1930 mit 69 ordent­lichen Studierenden ihren höchsten Stand. Von 1904 bis 1938 absolvierten das Seminar noch einmal rund 270 Studierende, sodass die 1931 zur Hochschule für jüdische Theologie erhobene Einrichtung während ihres 84-jährigen Bestehens insgesamt über 720 Rabbiner ausgebildet hat. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Na­tionalsozialisten geriet die Hochschule schnell in ernste Schwierigkeiten. Ausländische Studierende verließen die Stadt und das Land, deutsche Studierende brachen das Studium ab, um sich mit Blick auf eine Emigra­tion anderen Berufen zuzuwenden, Dozenten wechselten an andere Einrichtungen in Osteuropa und Palästina. Ihre Stellen nahmen aushilfsweise jüdische Gelehrte wie der Hallenser Rechtshistoriker Guido Kisch, der Frankfurter Mediävist Ernst ­Kantorowicz und der Breslauer Studienrat Willy Cohn ein, die 1933/34 aus ihren Universitäts- und Schulämtern entlassen worden waren. Die zunehmenden Berufsbeschränkungen für Juden bewirkten zwar, dass die Zahl der Studierenden trotz kontinuier­licher Abwanderungen nicht sank. Doch hielt sich die Hochschule mehr schlecht als recht am Leben. Im Novem­berpogrom des Jahres 1938 wurde ihre Tätigkeit schließ­lich gewaltsam abgebrochen, ihre über 20.000 Bände umfassende Bibliothek zerstört und ihre Dozenten und Studierenden in alle Welt vertrieben.428

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Das neue Regierungspräsidium Der Aufstieg der Na­tionalsozialisten war nicht zuletzt eine Folge der Wirtschaftskrise, die in Breslau besonders hart verspürt wurde. Entsprechend groß war der Zulauf, den die im März 1925 gegründete schle­sische NSDAP hier fast über Nacht erhielt.429 Noch bei den Reichstagswahlen vom 20. Mai 1928 hatten ledig­lich 1 % der Breslauer ihre Stimmen den Na­tionalsozialisten gegeben; bei den gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen waren die Braunhemden noch gänz­lich leer ausgegangen; erst am 17. November 1929 erlangten sie drei der 88 Stadtverordnetenmandate. Kaum ein Jahr s­ päter, bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930, stimmten bereits 24,2 % der Breslauer für die NSDAP; am 31. Juli 1932 waren es 43,5 % und damit über 6 % mehr als im Reichsdurchschnitt. Noch vor der Machtübergabe Hitlers am 30. Januar und den Reichstagswahlen vom 5. März 1933, bei den 50,2 % der Breslauer für die NSDAP stimmten, war die Stadt eine Hochburg des Na­tionalsozialismus geworden.430 Wäre es nach den Na­tionalsozialisten gegangen, hätte sich die Gauhauptstadt bereits vor ihrem Untergang im Frühjahr 1945 bis zur Unkennt­ lichkeit verändert. Denn die urbanistischen Träume des Na­tionalsozialismus waren ebenso totalitär wie sein Machtanspruch.431 Die einschneidendste Umgestaltungsvision wurde von dem Berliner Architekten Werner March entwickelt – und von Hitler 1938 bei einem Besuch vor Ort gutgeheißen. Sie sah eine radikale Begradigung und Verbreiterung der Nordsüdund Westost-­Verkehrsverbindungen sowie die Anlage eines gigantischen ­Na­tionalsozialistischen Forums vor. Dieses sollte sich von der Schuhbrücke beziehungsweise vom Ritterplatz bis zur Lessingstraße über eine Länge von 800 m und ­zwischen Oderufer und Dominikanerstraße über eine Breite von bis zu 400 m erstrecken. Seinen Mittelpunkt sollte ein riesiger Paradeplatz bilden, um den sich gewaltige Regierungsgebäude, eine gigantische Volkshalle und ein 70 m hoher Glockenturm gruppieren

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sollten. Für die Realisierung ­dieses Komplexes hätte nicht nur eine große Zahl gut erhaltener Altbauten abgerissen werden müssen. Auch die 1909 erbauten Markthallen, das 1883 – 1886 erbaute alte Regierungspräsidium (das heutige Na­tionalmuseum), die aufgelöste Kunstakademie und die aus dem 15.–16. Jahrhundert stammenden Gebäude des Bernhardinerklosters wären dem Erdboden gleichgemacht worden. Dass die Umsetzung dieser Vision, für die das Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte vom 4. Oktober 1937 bereits die NS-recht­ lichen Voraus­setzungen geschaffen hatte, am Ende ausblieb, war allein dem Umstand zu verdanken, dass die Umgestaltung von Berlin, Nürnberg und München Vorrang haben sollte. So kam es in Breslau während des ‚Tausendjährigen Reiches‘ ledig­lich zur Errichtung einzelner öffent­licher Bauten, Wohnhäuser und Siedlungsteile. Auch sie wurden als Medium der Propa­ ganda genutzt, mit der NS-Ideologie aufgeladen und zu Emana­tionen eines „reinen Ariertums“ stilisiert – auch wenn sie formal zumeist im Gewand des allgemeinen Neoklassizismus oder Modernismus daherkamen. Der größte und bedeutendste Breslauer Versuch einer derartigen Konstruk­tion von NS-Architektur war das in den Jahren 1939 – 1945 unmittelbar öst­lich des geplanten NS-Forums erbaute neue Regierungspräsidium (Farbtafel 19).432 Gestalt und Dimension des 1935 – 1937 von dem Breslauer Regierungsbaurat Felix Bräuler unter Mitwirkung von Gustav Kühn, Herbert Böhm und Richard Konwiarz entworfenen Komplexes vermitteln eine Ahnung davon, wie das na­tionalsozialistische Breslau Werner Marchs ausgesehen hätte. Der fast 200 m lange, etwa 60 m breite vierflügelige Monumentalbau passt sich mit seiner leicht gebogenen Längsachse in die Biegung des Oderlaufs ein. Er ist über zwei zusätz­liche, seine Mitte akzentuierende Querflügel verbunden, wodurch sich innerhalb des geschwungenen Rechtecks drei Innenhöfe ergeben. Die Längsfassaden sind jeweils durch 45 Fensterachsen und einen mittigen, sich über die gesamte Gebäudehöhe erstreckenden, siebenachsigen Pfeilerportikus gegliedert, der als eine vergrößerte Version des dreiachsigen Eingangsportikus der Berliner Neuen Reichskanzlei erscheint. Darüber hinaus weist der dreigeschossige Bau mit seinem Sandsteinsockel, Konsolgesims, seinen zurückhaltenden Fensterrahmungen und Reliefs über den drei Portikus-­Toren, die Allegorien auf den Bergbau, die Landwirtschaft und die Textilindustrie darstellen, ledig­lich reduzierte

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Schmuckelemente auf. Das im Innern durch Mittelkorridore und sechs symmetrisch verteilte Treppenaufgänge als zweckmäßiger Behördenbau gestaltete Gebäude wurde Anfang April 1945 durch Luftangriffe erheb­ lich beschädigt, 1946 – 1949 wieder hergestellt und dient seither als Sitz der schle­sischen Wojewodschaftsverwaltung.

Nationalsozialistische Herrschaft Die na­tionalsozialistischen Pläne und Ansätze zu einer urbanistischen Umgestaltung der Stadt stellten im Alltag der na­tionalsozialistischen Herrschaft letzt­lich nur eine Marginalie dar. Nach dem 30. Januar 1933 bestimmten der Terror der Ausschaltung aller politischen Gegner, die ideolo­gische und organisatorische Gleichschaltung des gesamten öffent­ lichen Lebens und die einsetzende Verfolgung der „Nichtarier“ das Leben vieler Breslauer. Bereits wenige Tage nach der ‚Machtergreifung‘ setzten offene Überfälle und Verhaftungen ein. Bis zum 3. März waren 80 Arbeiter-­Funk­tionäre inhaftiert; am 9. März überfielen SA-Truppen das Breslauer Gewerkschaftshaus. Die drei Tage ­später in einer Atmosphäre der Einschüchterung abgehaltenen Neuwahlen zu der am 4. Februar aufgelösten Stadtverordnetenversammlung brachten den Na­tionalsozialisten mit 45 Sitzen die absolute Mehrheit. SPD und KPD erhielten 25 Sitze, doch konnten ihre Mandatsträger der Eröffnungssitzung schon nicht mehr beiwohnen. Sie wurden in Breslau-­D ürrgoy interniert – in einem der ersten Konzentra­tionslager des Reiches, in das auch der am 23. März abgesetzte Oberbürgermeister Otto Wagner gebracht werden sollte, der jedoch rechtzeitig fliehen konnte.433 Bis Mitte Juli waren sämt­liche nicht-­ na­tionalsozialistische politische Parteien und Organisa­tionen aufgelöst. Mitte Dezember bereitete das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz der städtischen Selbstverwaltung ein Ende, unterstellte die Gemeinde dem Führerprinzip und gab dem Oberbürgermeister umfassende Machtbefugnisse. Die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 schrieb die enge Verknüpfung von NSDAP und zentralisierter Stadtverwaltung endgültig fest. Sie bestimmte den Oberbürgermeister – von Oktober 1934 bis Dezember 1943 bekleidete ­dieses Amt der schle­sische Verwaltungsbeamte Hans Fridrich – zum Vorgesetzten aller in städtischen Ämtern,

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kommunalen Betrieben und Einrichtungen tätigen Mitarbeiter. Auf diese Weise zählte die Stadt 1936 über 28.000 Beschäftigte und war damit der größte Breslauer Arbeitgeber.434 Der sichtbare Erfolg der Na­tionalsozialisten im Kampf gegen die chronische Arbeitslosigkeit war gewiss ein Grund dafür, dass die NS-Herrschaft bei den meisten Breslauern nicht nur keinen Widerstand weckte, sondern offen begrüßt wurde. Ende Januar 1933 wies Breslau unter den acht größten Städten des Reiches die höchsten Arbeitslosenzahlen auf (16,5 %). Binnen eines Jahres ging die Zahl der Arbeitslosen von 98.587 auf 79.587 zurück und sank fortan kontinuier­lich weiter; im Januar 1937 waren nur noch 46.944 (7,5 %) und im März 1938 nur noch 14.197 (2,3 %) der Breslauer arbeitslos.435 Diese Erfolge waren nur zu einem Teil Ergebnis einer allgemeinen wirtschaft­lichen Erholung, wie sie etwa in der Wiederbelebung der Breslauer Landwirtschaftsmesse zum Ausdruck kam.436 In erheb­lichem Maße verdankten sie sich öffent­lichen Konjunkturprogrammen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Dazu gehörten umfangreiche Meliora­tionsarbeiten, die Anlage von Sportplätzen und der Autobahnbau, der Breslau in Gestalt der Reichsautobahn Nr. 9, die Breslau mit Berlin verbinden sollte, unmittelbar berührte; ihr erstes, bis Liegnitz führendes Teilstück wurde am 27. September 1936 von Adolf Hitler persön­lich eröffnet. Auch die Einführung der Wehrpflicht und des Freiwilligen Arbeitsdienstes trug nicht wenig zum Abbau der Arbeitslosigkeit bei. Allein 1937 wurden im Rahmen des Arbeitsdienstes rund 14.500 arbeitslose Breslauer Männer in westdeutsche Bergwerke und Metallbetriebe geschickt.437 Schließ­lich wirkte sich auch die militärische Aufrüstung entsprechend aus; in Breslau konnten sich seit 1938 insbesondere das Archimedes-­Werk und die Linke-­ Hofmann-­Werke mit der Produk­tion von Rüstungsgütern dynamisch entwickeln und neue Mitarbeiter einstellen. Es war frei­lich nicht allein die Hoffnung auf wirtschaft­lichen Aufschwung und eine Besserung der persön­lichen Lebensumstände, die viele Breslauer veranlasste, die Augen vor dem NS-Terror zu verschließen und bei sich bietender Gelegenheit dem „Führer“ und seinen Satrapen begeistert zuzu­ jubeln. Auch die ideolo­gischen Angebote des Na­tionalsozialismus – seine Entschlossenheit, Ansehen und Größe des Deutschen Reiches wieder herzustellen und sein Versprechen, eine von allem Fremden gereinigte Deutsche

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Volksgemeinschaft zu schaffen – griffen die Wünsche und Sehnsüchte vieler Breslauer auf. Das wurde der Welt schon am 10. Mai 1933 eindrück­lich vor Augen geführt, als – wie in fast allen deutschen Universitätsstädten – auch in Breslau eine öffent­liche Bücherverbrennung inszeniert wurde. Die von der Studentenschaft mit Unterstützung des Gauleiters Helmuth Brückner und des neuen Universitätsrektors Hans Helfritz durchgeführte Ak­tion setzte ein unübersehbares ­­Zeichen. In einer großen mitternächt­lichen Kundgebung wurden auf dem Schlossplatz rund 40 Zentner „zersetzenden Schrifttums“ verbrannt. Die Bücher und Zeitschriften hatten die Studierenden seit dem 26. April mithilfe Schwarzer Listen aus sämt­lichen Breslauer öffent­lichen und privaten Leihbüchereien zusammengetragen. Auch Privatpersonen waren aufgerufen worden, aus ihren Bibliotheken die Werke „jüdischer, marxistischer und liberalistischer Schriftsteller“ zu entfernen. Tatsäch­lich war die Nachfrage nach den entsprechenden Listen groß – sie mussten zu Tausenden vervielfältigt werden.438 Nicht nur anläss­lich des Fackelzuges, den die Bücherverbrenner im Mai 1933 auf ihrem Weg von der Aula Leopoldina zum Schlossplatz veranstalteten, strömten zahlreiche Breslauer Bürger herbei. Sie beteiligten sich zu Tausenden immer wieder auch an anderen Propagandaveranstaltungen. Diese vermittelten ihnen die Bestätigung und Geborgenheit der „Volksgemeinschaft“, forderten ihnen zugleich aber auch die jubelnde Zustimmung zum na­tionalsozialistischen Alltag ab. Eine der größten derartigen Veranstaltungen erlebten die Breslauer im Juli 1938, als in ihrer Stadt das nach den Olympischen Spielen von 1936 bedeutendste Turn- und Sportfest des ‚Dritten Reiches‘ stattfand. Es führte über 35.000 aktive Sportler zu 262 Wettkämpfen in rund 30 Sportarten an die Oder und wurde von rund 200.000 Zuschauern bestaunt. Der NS-Staat hatte sich bei dieser Gelegenheit in bis dahin beispielloser Weise für den Sport engagiert und die Veranstaltung zugleich – wie zuvor bereits die Berliner Olympiade – geschickt für seine Zwecke instrumentalisiert. Die Wettkämpfe sollten dem Zuschauer einmal mehr die völkischen Ideale Gemeinschaft und Mannschaft nahebringen und in einem verkleinerten Abbild die Stärke der „Volksgemeinschaft“ vor Augen führen. Um das völkische Zusammengehörigkeitsgefühl auch über die aktuellen Staatsgrenzen hinausgehen zu lassen, war nicht zuletzt auf eine starke Beteiligung von Auslandsdeutschen,

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Abb. 11  Feier­licher Aufmarsch auf dem Schlossplatz anläß­lich des Turn- und Sport­festes im Juli 1938 (mit dem nicht erhalten gebliebenen, weißen Südflügel des Schlosses)

insbesondere eines großen Kontingents von Sudetendeutschen Wert gelegt worden. Eine umfangreiche Präsenz der politischen Führung, das Bewegen von großen Menschenmassen, der Einsatz gewaltigen Fahnenschmucks und – während der Abend- und Nachtstunden besonders eindrucksvoll – neuartiger Lichteffekte verliehen dem Fest die charakteristischen Elemente na­tionalsozialistischer Großveranstaltungen.439 Während sich die ‚arische‘ Volksgemeinschaft an derartigen Veranstaltungen berauschte, war das Leben anderen Breslauern längst unerträg­lich geworden. Menschen wurden aus politischen oder sozialhygienischen Gründen verfolgt, aber – wie die polnischsprachigen und die jüdischen Breslauer – auch aus rassenideolo­gischer Überzeugung. Ihre sukzessive Ausgrenzung ging von Anfang an mit brutaler Gewalt einher und mündete letzt­lich in den Völkermord.440 Schon wenige Tage nach der ‚Macht­ ergreifung‘ ermordeten SA-Schläger einen jüdischen Studenten „am hel­ lichten Tag in belebtester Gegend der Stadt.“441 Mitte März 1933 trieben sie alle jüdischen Richter, Staats- und Rechtsanwälte aus dem Gebäude des Breslauer Oberlandesgerichts, warfen jüdische Bürger aus der Börse

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und schlugen jüdischen Geschäften und Warenhäusern die Fenster ein. Auf diese wilden Ausschreitungen folgte am 1. April 1933 ein erster zentral gesteuerter Boykott des jüdischen Einzelhandels und Dienstleistungssektors. Wenige Tage s­ päter leitete das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums und analoge Verordnungen die Entfernung jüdischer Professoren, Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte und Kulturschaffender aus ihren öffent­lichen Dienstverhältnissen ein. Schon 1937 verkündete das Statistische Amt der Stadt Breslau stolz, dass durch „vorbild­liche Gemeinschaftspflege innerhalb der städtischen Verwaltung […] alle unzuverlässigen Elemente“ entfernt worden ­seien.442 Auch die jüdischen Unternehmer und Geschäftsleute der Stadt wurden immer stärker bedrängt und in ihren Handlungsspielräumen eingegrenzt. Schon im Spätsommer 1933 kam es zu einer ersten „Arisierung“, als die Stadt der Firma Schle­sische Plakatsäulen- und Reklame-­Gesellschaft O. H. G. (Schlerek) die langjährige Zusammenarbeit aufkündigte, da ihr diese „immer unerträg­licher“ erschien, „weil sämt­liche Inhaber der Firma Nichtarier waren.“443 Die drei jüdischen Firmeninhaber sahen sich daraufhin gezwungen, ihre Anteile gegen eine geringe Abfindung einem ‚arischen‘ Konkurrenten zu überlassen. Auch durch den Ausschluss jüdischer Firmen von der Vergabe öffent­licher Aufträge sorgte die Stadt dafür, dass mancher langjähriger jüdischer Auftragnehmer sein Geschäft früher oder ­später aufgeben musste. In eine 1935 einsetzende weitere Boykott- und Diffamierungswelle wurden auch jene Nichtjuden einbezogen, die Kontakte zu Juden unterhielten. Unter der Rubrik „Am Pranger“ veröffent­lichte die Schle­sische Tageszeitung fortan die Namen und Adressen von Personen, die sich der „Rassenschande“ schuldig machten. Im Sommer des gleichen Jahres wurde den Breslauer Juden das Betreten der städtischen Badeanstalten untersagt, wiesen erste Restaurants und Geschäfte jüdische Breslauer mit dem Hinweis „Juden unerwünscht“ zurück. Die im September 1935 erlassenen Nürnberger Gesetze entzogen ihnen dann die deutsche Staatsbürgerschaft und stellten Eheschließungen mit Nichtjuden unter Strafe. Angesichts der fortschreitenden Ausgrenzung war eine stetig wachsende Zahl jüdischer Betriebe zur Aufgabe gezwungen, wurden die Erwerbsmög­ lichkeiten der jüdischen Angestellten immer stärker eingeschränkt. Bis 1936 sank die Zahl der Breslauer jüdischen Handels- und Handwerksbetriebe auf

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knapp 2000. Auch sie sollten, wie ein NS-Funk­tionär am 7. Oktober 1936 vor Breslauer Wirtschaftsvertretern forderte, mög­lichst bald verschwinden. Noch im gleichen Monat wurde das Kaufhaus der Gebrüder Barasch für nicht einmal die Hälfte seines Schätzwertes von rund 1,5 Mio. Reichsmark an zwei ehemalige Mitarbeiter des Karstadtkonzerns abgetreten. Nachdem im Dezember 1936 die Hauptstelle Handwerk und Handel der NSDAP Gauleitung Schlesien zur endgültigen „Lösung der Judenfrage“ in der Wirtschaft aufgerufen hatte 444, erfolgten 1937 weitere Arisierungen. Zu den Opfern zählten unter anderem die Koebnersche Verlagsbuchhandlung, die Garn- und Zwirnfabrik Schwerin & Söhne sowie die Breslauer Wertheim-­Filiale. Anfang 1938 bereiteten weitere antijüdische Gesetze auch die Ausschaltung der noch verbliebenen jüdischen Unternehmen – wie des Bankhauses Heimann, der Maschinen- und Pumpenfabrik der Gebrüder Stern, der Kohlengroßhandlung Jessel & Schweitzer, des Emaillierwerks Max Scholz und des Kolonialwarengroßhandel der Familie Perlhöfer – vor. Der jüdische Einzelhandel war zu d ­ iesem Zeitpunkt bereits weitgehend aufgelöst, ein großer Teil der jüdischen Angestellten und Arbeiter arbeitslos. Ab Sommer 1938 wurden die Schikanen mit dem Kennkartenzwang, der Einführung der zusätz­lichen Vornamen Sara und Israel und ersten Zwangsausweisungen fortgesetzt; am 28. und 29. Oktober fanden sich unter den 17.000 aus dem Reich nach Polen zwangsweise abgeschobenen Juden polnischer Staatsangehörigkeit auch 3000 Juden aus Breslau. Zu den völlig überraschten Betroffenen gehörten die Eltern des 1935 nach Frankreich emigrierten 17-jährigen Herszel Grynszpan, der aus Protest gegen die Deporta­tion am 7. November in Paris den deutschen Diplomaten Ernst von Rath erschoss. Die Na­tionalsozialisten nutzten diese Tat bekannt­lich, um zwei Tage ­später ein landesweites Pogrom zu veranstalten, das sie verharmlosend ‚Reichskristallnacht‘ nannten. Eine Breslauer Teilbilanz dieser seit längerem geplanten Ak­tion fasste ein SS-Oberführer am 10. November kühl wie folgt zusammen: „Breslau – 1 Synagoge niedergebrannt, 2 Synagogen demoliert, 1 Haus ‚Gemeinschaft der Freunde‘ demoliert, mindestens 500 Geschäfte völlig verwüstet, mindestens 10 jüdische Gasthäuser demoliert, etwa 600 Männer mit Hilfe der Polizei verhaftet, ca. 35 jüdische Betriebe verwüstet.“445 Tatsäch­lich waren am Ende 2471 Breslauer festgenommen und anschließend in das Konzentra­tionslager Buchenwald gebracht worden.

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Die 1872 eröffnete Neue Synagoge am Anger, der zweitgrößte jüdische Sakralbau des Reiches, wurde schließ­lich gesprengt, sodass von ihr nur noch ein Trümmerfeld übrigblieb. Das Novemberpogrom war der Auftakt zur endgültigen Ausraubung, Entrechtung und Vertreibung auch der Breslauer Juden. An der „Sühneleistung“ in Höhe von einer Milliarde Reichsmark, die die Na­tionalsozialisten den deutschen Juden für die Mordtat Herszel Grynszpans auferlegten, mussten sich die rund 4000 verbliebenen Breslauer jüdischen Steuerpflichtigen am Ende mit rund 33,9 Mio. Reichsmark beteiligen.446 Bis Ende des Jahres gaben weitere Gesetze und Verordnungen sämt­liche ­jüdischen Vermögenswerte dem Raub preis; neben Zwangsarisierungen und Geschäftsaufgaben wurden Immobilien, Wertpapiere, Schmuck und Kunstgegenstände unter Zwang veräußert. Zu den Breslauer Arisierungsprofiteuren gehörten nicht nur Privatleute und Unternehmer, sondern auch öffent­liche Einrichtungen wie die städtischen Museen und die Stadtverwaltung. Während sich das Schle­sische Museum der bildenden Künste aus den privaten jüdischen Kunstsammlungen bediente, bemühte sich die Stadt, einen mög­lichst großen Teil der jüdischen Stiftungsvermögen für die Stadtkasse zu requirieren und sich systematisch in den Besitz jüdischer Grundstücke und Wohnungen zu bringen. Dazu nahm sie ab Frühjahr 1941 in Zusammenarbeit mit der Gauleitung auch gezielte Ausquartierungen der zu ­diesem Zeitpunkt noch in der Stadt lebenden Juden vor. Das Pogrom vom 9. November 1938 hatte eine letzte größere Auswanderungswelle in Gang gesetzt. Schon z­ wischen Frühjahr 1933 und Frühjahr 1935 war die Zahl der Breslauer Juden von 20.202 auf 18.818 gesunken; ­zwischen September 1935 und Dezember 1937 verließen dann über 2000 weitere Juden die Stadt. Im Mai 1939 zählte man schließ­lich noch 11.172 jüdische Breslauer. Einem Teil von ihnen gelang noch die Flucht, ehe die legalen Auswanderungen gestoppt wurden. Im März 1941 lebten noch rund 9200 Juden in der Stadt.447 Sie wurden sukzessive in kleinere Wohnungen bzw. in ‚Judenhäuser‘ umquartiert. Ein Teil von ihnen wurde ab Sommer 1941 in drei schle­sische Sammellager – Riebnig bei Brieg, Grüssau bei Landeshut, Tormersdorf bei Görlitz – ausgesiedelt, von dort erfolgte ­später die Deporta­tion nach Theresienstadt und Auschwitz. In Breslau kam es am 25. November 1941 zu einer ersten

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großen Deporta­tion. Sie erfasste 1005 Menschen, die man per Bahn ins litauische Kaunas transportierte, wo sie gleich nach ihrer Ankunft von einem deutsch-­litauischen Einsatzkommando erschossen wurden; zu den Opfern zählten unter anderem Willy Cohn und Walter Tausk, die das Leben und Leiden der jüdischen Breslauer im Na­tionalsozialismus in eindrück­lichen Tagebuchaufzeichnungen beschrieben haben.448 Bis September 1944 folgten weitere Transporte in das Konzentra­tionslager Theresienstadt bzw. in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor und Bełżec. Noch im Januar 1945 wurde eine letzte Gruppe von rund 150 Menschen jüdischer Herkunft in das Konzentra­tionslager Groß-­Rosen deportiert.449 Am Ende hatten kaum drei Dutzend jüdische Partner in Mischehen die Auslöschung der Breslauer Judenschaft überlebt.

Ein Breslauer Universitätsprofessor – Hermann Aubin Nicht wenige Breslauer haben sich an der Ausgrenzung und Vertreibung ihrer jüdischen Mitbürger aus Überzeugung beteiligt und sich an ihr bereichert. Die Mehrheit hat beides stillschweigend hingenommen. Nur selten wurde protestiert und nur gelegent­lich den Betroffenen aktiv geholfen. Der durchschnitt­liche, von den Verfolgungen nicht selbst betroffene Breslauer war mit seinen eigenen Interessen und Ambi­tionen, Sorgen und Ängsten beschäftigt. Ein solcher durchschnitt­licher Breslauer war auch der Histo­ riker Hermann Aubin. Der 1885 im nordböhmischen Reichenberg geborene Sohn eines großbürger­lichen Industriellen lehrte seit 1929 an der Universität Breslau. Er war ein anerkannter Wissenschaftler, ein Angehöriger der intellektuellen Elite, ein denkender und kluger Mann – und doch ein typischer Vertreter jener Mehrheit, die den Na­tionalsozialismus begrüßte die sich ihm andiente und die Augen vor seinen Verbrechen verschloss, ja diese noch lange nach dem Untergang nicht wahrhaben wollte.450 Auch mit seiner groß- beziehungsweise volksdeutschen Interpreta­tion der schle­ sischen und der deutschen Geschichte war Aubin seit den 1920er Jahren ein typischer Breslauer. Wie viele Schlesier, denen er sich als gebürtiger ‚Sudentendeutscher‘ im Rahmen eines vermeint­lich ‚gesamtschle­sischen Stammesraumes‘ zugehörig fühlte, sah er in Breslau ein Bollwerk des Deutschen Ostens und ein „Ausfalltor deutscher Kultur nach dem Osten“.451

Ein Breslauer Universitätsprofessor – Hermann Aubin

Die Universität Breslau hatte den seit 1925 in Gießen lehrenden Mediävisten denn auch 1929 als einen Mann berufen, der den Breslauer Studenten „die […]geschicht­lichen Grundlagen des gegenwärtigen Kampfes um das Deutschtum auf schle­sischem Boden lebendig […] machen und ihnen dadurch den Blick für das Verständnis der Gegenwartsaufgaben […] schärfen“ sollte.452 Aubin war in der Tat ein mit dem „Grenz- und Volkstumskampf“ seiner Gegenwart bestens vertrauter Mann. Er war in einem großdeutschen Milieu aufgewachsen, das von den Na­tionalitätenproblemen des österreichischen Vielvölkerstaates ebenso geprägt war wie von einem sich mehr und mehr verschärfenden deutsch-­tschechischen Antagonismus. Den E ­ rsten Weltkrieg erlebte er als österreichischer Artillerie-­Offizier 1914/1915 an der galizischen Ostfront, anschließend bis Kriegsende an der Südtiroler Alpenfront, die Demütigung von Versailles im besetzten Rheinland. Dort war er 1916 habilitiert worden und dorthin kehrte er Anfang 1919, nunmehr als reichsdeutscher Staatsbürger, zurück. An der Universität Bonn nahm er maßgeb­lichen Anteil an der Etablierung einer neuartigen, volksgeschicht­lich ausgerichteten historischen Landeskunde beziehungsweise Kulturraumforschung. Diese war nicht zuletzt als ein geschichtspolitisches Instrument deutscher Revisionspolitik gedacht. Schon am Rhein entwickelte Aubin seine historische Forschung als ein Mittel, mit dessen Hilfe die vom Reich abgetrennten Gebiete historisch als integrale Bestandteile des Deutschen Reiches erwiesen werden sollten. In Breslau erwartete man von ihm ein ähn­liches Engagement für den Deutschen Osten. Nicht dass es bis dahin in Breslau an entsprechenden Initiativen oder Institu­tionen gefehlt hätte. Kaum einer der Breslauer Professoren war nach 1919/21 nicht volks- und na­tionalpolitisch interessiert und mehr oder weniger engagiert. Auch gab es ein vergleichsweise dichtes Netz einschlägiger Institu­tionen, auf die sich eine deutschna­tionale revisionistische Geschichtspolitik stützen konnte. Neben der Universität, dem Breslauer Staats- und Stadtarchiv, dem 1918 als außeruniversitärem Think Tank gegründeten Osteuropa-­Institut, der 1894 begründeten Schle­ sischen Gesellschaft für Volkskunde, dem bereits seit 1846 bestehenden Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens sowie der schon 1809 gegründeten Schle­sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur war unter dem Eindruck des Abstimmungskampfes in Oberschlesien 1921 eine

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Historische Kommission für Schlesien und eine Schle­sische Gesellschaft für Erdkunde gegründet worden. Dennoch hielt man allgemein eine stärkere Koordinierung, Ausschöpfung und einheit­liche Ausrichtung der in dieser Infrastruktur verfügbaren personellen und sach­lichen Ressourcen für wünschenswert, ja dring­lich. Dies umso mehr, als mit großer Sorge die vermehrte geschichtspolitische Aktivität der polnischen Wissenschaft beobachtet wurde. Angesichts der spürbaren Intensivierung der polnischen Schlesienforschung befürchtete man, in der politischen Auseinandersetzung um Oberschlesien, wie sie angesichts des für 1937 terminierten Auslaufens der Genfer Oberschlesien-­Konven­tion auf der Tagesordnung stand, ins Hintertreffen zu geraten. Hermann Aubin hat die in ihn gesetzten Erwartungen nicht enttäuscht. Als talentierter und erfahrener Wissenschaftsorganisator übernahm er rasch eine führende Rolle in der Breslauer Schlesien- und der deutschen Ostforschung. Dafür schien ihm der Boden nach der ‚Machtergreifung‘ Hitlers „unvergleich­lich günstiger bereitet als bei seiner Berufung vier Jahre zuvor.“453 Im Herbst 1933 übernahm er den Vorsitz in der Historischen Kommission für Schlesien, die er sogleich dem na­tionalsozialistischen Führerprinzip unterwarf; im Dezember 1933 wurde er Stellvertreter des Berliner Mediävisten Albert Brackmann in der neubegründeten Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft, der wichtigsten Organisa­tion der deutschen Ostforschung in den 1930er–1940er Jahren. Bereits seit 1931 war Aubin Vorstandsmitglied des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens. Daneben baute er sein Universitätsseminar zu einem Institut für Geschicht­liche Landeskunde Schlesiens aus, dessen Anliegen es war, den Deutschen Osten mit einer Interpreta­tion deutscher Geschichte zu verteidigen, die sich nicht in den territorialen Rahmen der Weimarer Republik zwängen lassen wollte, sondern weit darüber hinaus auf einen „deutschen Volks- und Kulturboden“ ausgriff. Die entsprechende „Volksund Kulturbodenforschung“ sollte nicht nur die Legitimität der deutschen Revisionsforderungen erweisen, sondern auch historisch unanfechtbare Argumente für den deutschen Anspruch auf eine politische und kulturelle Vormachtstellung im öst­lichen Europa liefern. Nicht nur in d ­ iesem Punkt trafen sich Aubins Vorstellungen mit ­Anliegen des Na­tionalsozialismus. Auch wenn er nicht in die NSDAP

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eintrat, teilte er wie viele damals um das wirtschaft­liche Wohl und die ‚na­tionale Gesundung‘ des Volkes besorgte Breslauer weitere na­tio­nal­ sozialistische Ziele. Er begrüßte die Herstellung innerer gesellschaft­licher Geschlossenheit als das ersehnte Ende der vermeint­lichen Kultur­krise, hielt den Kampf gegen den Bolschewismus für notwendig und wandte sich nicht gegen die Formierung einer Volksgemeinschaft, die streng dem despotisch-­einheit­lichen Führer-­W illen unterworfen wurde. Wie die meisten seiner Landsleute war er beeindruckt von Deutschlands wirtschaft­lichem Wiederaufstieg, bald auch von Hitlers außenpolitischen Erfolgen. Mit wachsender Genugtuung verfolgte er, wie es dem „Führer“ gelang, Schritt für Schritt „Macht“ und „Größe“ des deutschen Na­tio­ nalstaates wiederherzustellen. Schon im Oktober 1933 hatte er Hitler als den „Erneuerer unseres Volkes in der freudigen Gewissheit [begrüßt], dass ohne die Grenzen und Schranken deutsch sein wird, was deutsch ist.“454 Anläss­lich des Anschlusses Österreichs und der Eingliederung des ‚Sudetenlandes‘ nahm der Breslauer Ordinarius bewegt und dankbar zur Kenntnis, dass „das größere Deutschland, […] unter Adolf Hitlers Führung […] staat­liche Wirk­lichkeit“ geworden sei, ja „in einem noch weiteren, vollkommeneren Umfange einer fast unvorstellbaren Erfüllung entgegen“ gehe.455 In ­diesem Sinn bejubelte er im September 1939 auch den Überfall auf Polen und lehnte eine ihn in d ­ iesem Moment erreichende Berufung nach Leipzig mit dem Argument ab, dass er „in der heutigen Stunde“ Breslau den Vorzug geben müsse, „da eben die Erträge 10jähriger Arbeit ihre Verwendung für die Neugestaltung des Ostraums finden sollen.” 456 Tatsäch­lich boten Aubin und seine Breslauer Mitarbeiter amt­lichen Stellen nun verstärkt ihre Hilfe an und nahmen befriedigt zur Kenntnis, dass ihre Denkschriften, Gutachten und Kartenentwürfe im Sommer und Herbst 1939 „ununterbrochen in den Fragen der Neugestaltung Schlesiens und darüber hinaus in Polenfragen“ gefragt waren.457 Den na­tionalsozialistischen Eroberungskrieg sah Aubin dabei keineswegs als ein bloßes machtpolitisch-­imperialistisches Ausgreifen des gerade Stärkeren, der seine schwächeren Nachbarn zum eigenen Vorteil unterdrückt, ausbeutet und ermordet. Er deutete ihn vielmehr als eine historisch begründete, kulturelle Aufgabe. Diese bestand für den Breslauer Ostforscher darin, einer im Na­tionalitätenstreit und „Volkstumskampf“

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zerspalteten Region eine „Friedensordnung“ zu bringen, die den spezifischen Bedingungen Ostmitteleuropas gerecht werden und zu d ­ iesem Zweck die Individualität und Daseinsberechtigung eines jeden dort lebenden Volkstums anerkennen sollte. Dass diese angeb­liche Friedens­ ordnung eine ausschließ­lich deutsch bestimmte Ordnung war, die die osteuropäischen Nachbarvölker bestenfalls in eine abgestufte Abhängigkeit unter deutsche Herrschaft zwang, schlimmstenfalls aber auch – wie geschehen – in Teilen oder ganz vernichtete, bedeutete für Aubin keinen Widerspruch, keine Aufhebung des Prinzips der „Anerkennung eines jeden Volkstums“. Schließ­lich implizierten diese „Anerkennung“ und die auf ihr aufbauende Neuordnung, dass jedem Volk ledig­lich die ihm „angemessene“ Stellung zugewiesen würde. Und diese wurde im Fall der öst­lichen Nachbarn aufgrund der angeb­lich historisch erwiesenen Tatsache eines tausendjährigen westöst­lichen Kulturgefälles, dank dessen es stets die Deutschen gewesen ­seien, die dem Osten Zivilisa­tion und Ordnung gebracht hätten, eben als deut­lich nachrangig und unterlegen betrachtet. Die Situa­tion politischer Unterdrückung, ziviler Rechtlosigkeit und kultureller Erniedrigung, die das na­tionalsozialistische Regime den osteuropäischen Nachbarn brutal und rücksichtslos aufzwang, erschien damit gleichsam als die ihnen aufgrund der historischen Entwicklung „angemessene“, quasi natür­liche Stellung. In dieser vielleicht unbewussten, in jedem Fall unreflektierten Haltung des mit dem Deutschen Osten befassten Historikers traf sich das tradi­tionelle Überlegenheitsgefühl des gebildeten deutschen Bürgertums und seine tief eingewurzelte Abnei­ gung allem Slawischen und Osteuropäischen gegenüber mit der na­tio­ nalsozialistisch-­rassistischen Verachtung des „slawischen Untermenschen“. Beides war nicht identisch, doch hätte der na­tionalsozialistische Vernichtungskrieg wohl kaum ohne die Grundlage dieser unhinterfragten, in Breslau als einem ideolo­gisch besonders exponierten „Bollwerk des Deutschen Ostens“ stärker als andernorts ausgeprägten, zu erschreckender Selbstverständ­lichkeit verdichteten Vorstellung vom Osten in die Tat umgesetzt werden können.

Krieg und Untergang

Krieg und Untergang Breslau erlebte den Krieg lange Zeit nur aus der Ferne. Zwei versprengte eng­lische Fliegerangriffe im August 1940 und November 1941 hinterließen weder größere Schäden noch tiefere Eindrücke. Fühlbar war der Kriegs­ zustand dennoch. Auch in Breslauer Familien wuchs die Zahl der verwundeten und getöteten Wehrmachtssoldaten, erschwerten Versorgungsengpässe und eine immer fanatischere Ausrichtung des gesamten Wirtschaftslebens auf den Totalen Krieg das Leben. Tausende von Kriegsgefangenen und Zehntausende von zivilen Zwangsarbeitern erinnerten die Breslauer zudem Tag für Tag daran, dass sie sich in einem Krieg befanden, mit dem sie sich zu „Herrenmenschen“ über die europäischen Völker aufgeschwungen hatten. Die aus ganz Europa an die Oder Verschleppten lebten in rund 70 über die Stadt verteilten Lagern, zum Teil auch in privaten Haushalten und wurden überwiegend in der ganz auf den Rüstungsbedarf umgestellten Industrie eingesetzt.458 Seit der Wende von Stalingrad im Winter 1942/43 wuchsen die Zweifel an einem „guten Ausgang“ des Krieges. Die Anzeichen des heraufziehenden Untergangs verdichteten sich und die Angst vor einem immer unberechenbarer werdenden NS-Regime begann sich mit der Furcht vor einem Kriegsende zu mischen, dem angesichts der deutschen Verbrechen – die auch den Breslauern, und sei es nur in unbestimmten Gerüchten, nicht verborgen blieben – nur schlimmste Vergeltung folgen konnte. Zunächst aber war Schlesien für britische oder sowjetische Fliegerangriffe noch einige Zeit unerreichbar, sodass Stadt und Provinz als „Reichsluftschutzkeller“ genutzt wurden. Immer größere Kontingente westdeutscher Frauen, Kinder und älterer Menschen wurden vor den westalliierten Bomberangriffen nach Schlesien und Breslau evakuiert. Ab 1944 strömten überdies Tausende von deutschen Ostflüchtlingen in die Stadt, die sich vor der Roten Armee in Sicherheit zu bringen versuchten. Als die noch völlig unversehrte Stadt am 25. August 1944 angesichts der unaufhaltsam vorrückenden Frontlinie zur „Festung“ erklärt wurde, war Breslaus Einwohnerzahl schließ­lich bis auf fast eine Million empor geschnellt. Die Festung Breslau sollte, so die Anweisung Hitlers, um jeden Preis gehalten werden – oder untergehen. Regionale Wehrmachtsführung und Gauleitung trafen seit Sommer 1944 entsprechende Vorbereitungen. Die Lebensmittelvorräte, die Brennstoff- und Muni­tionsreserven wurden

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systematisch aufgefüllt und strate­gisch über das Stadtgebiet verteilt. Aus den Ämtern, Banken, ­Kirchen, Museen, Bibliotheken und Privathäusern wurden die wichtigsten Akten, wertvollsten Bestände, Wertsachen und Kunstgegenstände an vermeint­lich sicherere Orte ausgelagert. Um die völlig offene Stadt tatsäch­lich in eine Festung zu verwandeln, wurde mit dem Bau einer äußeren und einer inneren Verteidigungslinie in Gestalt von Gräben, Panzersperren und anderen Befestigungsanlagen begonnen. Dazu wurden neben Kriegsgefangenen Tausende Breslauer Bürger zwangsverpflichtet, darunter auch der 59-jährige Hermann Aubin. Der Historiker hat das aberwitzige Vorhaben, das Land „mit der Hand“ zu befestigen und dazu selbst „ungeschulte Wissenschaftsarbeiter“ heranzuziehen, als einen „unsinnigen Zustand“ kritisiert, die Notwendigkeit der Verteidigung an sich aber nicht in Zweifel gezogen.459 Wie viele andere Breslauer Männer fühlte er sich außer Stande, die Stadt im Stich zu lassen. In unerschütter­licher Loyalität gegenüber Volk und Staat – die ihm selbst als Ausweis einer hohen „Gesittung“ erschien, in Wirk­lichkeit aber nur ein weiterer Beleg für seine ideolo­gische Verblendung war – glaubte er, bis ans Ende seine Pflicht erfüllen zu müssen. So blieb er Ende Dezember 1944 auch nicht einfach im badischen Freiburg, wo er seine dort bereits seit Sommer 1944 in Sicherheit gebrachte Familie über Weihnachten besucht hatte, sondern kehrte – vielleicht auch aus Furcht vor den rigoros wütenden Standgerichten – sehenden Auges in den unabwendbaren Untergang zurück. Ab Mitte Januar 1945 drang die Rote Armee auf schle­sisches Gebiet vor, startete heftige Fliegerangriffe auf Breslau und rückte immer dichter an die Stadt heran. Erst jetzt fand sich Gauleiter Karl Hanke bereit, einer Evakuierung der Zivilbevölkerung zuzustimmen, für die es im Grunde längst zu spät war. Für die am 19./20. Januar angeordnete bedingungslose Räumung gab es weder genügend Transportmittel noch eine ausreichende logistische Planung. So wurde der größte Teil der rund 700.000 Menschen, die bis zur Einkesselung durch die Rote Armee am 15. Februar die Stadt verließen, bei Temperaturen von minus 13 – 15 Grad Celsius und heftigem Schneefall von Partei- und Polizeiorganen auf Fußmärschen aus der Stadt getrieben. Fast 90.000 von ihnen überlebten diesen Exodus nicht. In der belagerten Festung zurück blieben knapp 200.000 Menschen, darunter

Krieg und Untergang

etwa 45.000 Wehrmachtssoldaten, denen etwa 15.000 Jugend­liche und ältere Männer zur Seite gestellt wurden. In ­diesem „Volkssturm“ fand sich auch der Historiker Aubin wieder, der nun ernüchtert und verzweifelt sowohl dem eigenen Ende als auch dem „Untergang des Abendlandes“ entgegensah.460 Doch Aubin entging dem letzten Inferno, wurde am 17. Februar verwundet und mit einem Flugzeug in ein Berliner Spital ausgeflogen. Von dort gelangte er am 20. März 1945 nach Freiburg, wo für ihn ein neues Leben begann, dem ein natür­licher Alterstod erst 1969 ein Ende bereitete. Andere hatten weniger Glück und wurden in eine aussichtslose Verteidigungsschlacht getrieben, in der Standgerichte und eine hohe Zahl von Hinrichtungen ein Ausharren bis zum Ende sicherzustellen versuchten.461 Das Ende zog sich dann noch über 80 Tage lang hin, während derer viele Bewohner, wie die 17-jährige Karla Wolff „wie die Ratten von Keller zu Keller liefen und sich Verstecke suchten.“462 Die Rote Armee schonte ihre Kräfte, konzentrierte sich auf den Kampf um Berlin und setzte für die Eroberung Breslaus nur etwa 50.000, zeitweise auch nur 38.000 Sowjet­ soldaten ein. Während der Belagerung wurde die Stadt durch sowjetische Luftangriffe und Artilleriebeschuss in Trümmer gelegt, zugleich aber auch von innen her auf Befehl des Gauleiters und der Festungskommandanten (Hans von Ahlfen bis 7. März und Hermann von Niehoff bis 6. Mai) systematisch zerstört. Für ihre wahnwitzigen Verteidigungsmaßnahmen sprengten sie ganze Häuserblöcke, zahlreiche historische Bauten (wie das Palais Hatzfeld und das ehemalige Ständehaus am Schlossplatz), öffent­ liche Einrichtungen (wie das Staatsarchiv oder den Liebich-­Turm) sowie ­Kirchen in die Luft, trassierten halbe Stadtviertel und ganze Straßenzüge. Allein für die Anlage einer neuen, am Ende nie genutzten Rollbahn, über die die Stadt nach der sowjetischen Eroberung des Breslauer Flughafens Gandau versorgt werden sollte, wurde entlang der Kaiserstraße eine 1,3 km lange, 300 m breite Schneise vollständiger Verwüstung durch das vornehme Universitätsviertel gelegt. Als das „Bollwerk des Deutschen Ostens“ schließ­lich am 6. Mai – vier Tage nach dem Fall Berlins – kapitulierte, hatten weitere 80.000 Menschen in der Stadt den Tod gefunden, darunter allein 13.000 beim Bau der neuen Startbahn. Die vor allem von Süden und Westen her belagerte Stadt war

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Abb. 12  Der zerstörte Neumarkt 1945 (von der Kupferschmiedebrücke her gesehen)

zu beinahe 70 % zerstört, wobei die größten Verluste (bis zu 90 %) in den süd­lichen und west­lichen Stadtteilen lagen, während die nörd­lichen und öst­lichen ledig­lich zu 10 – 30 % zerstört waren; das altstädtische Zentrum lag zu rund 50 % in Schutt und Asche.463

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IX. Hauptstadt der Wiedergewonnenen ­Gebiete

Das Kościuszko-Wohnviertel (KDM) Der Wiederaufbau der Stadt war ein enormer Kraftakt und zog sich lange hin.464 Die Zerstörungen hatten mit dem 6. Mai nicht aufgehört. Die Stadt stand weiter in Flammen. Sowjetische Marodeure, deutsche Saboteure, polnische Plünderer und das Chaos der Ordnungslosigkeit verursachten noch eine ganze Weile verheerende Brände, denen weitere Häuserzeilen und Stadtteile zum Opfer fielen. Im Frühjahr 1946 waren, wie eine zu Beginn des Jahres eingerichtete, dem Warschauer Ministerium für Wiederaufbau unterstehende Breslauer Direk­tion für den Wiederaufbau bilanzierte, von 186.100 Wohnungen 28 % zu 100 % und 25 % zu 50 – 85 % zerstört. Mehr als die Hälfte der Wohnsubstanz war für den Wiederaufbau ungeeignet. Von den öffent­lichen Gebäuden waren 11,8 % zu 100 % und 21,6 % zu 50 – 85 % zerstört, 37,6 % der Gebäude aber nur zu 10 % beschädigt.465 Folg­lich wurde dem Wiederaufbau von Wohnhäusern offiziell Priorität eingeräumt. Aller­ dings wurden die Planvorgaben durch ausbleibende Mittelzuweisungen, fehlende Baumaterialien und unzureichende Transportkapazitäten sogleich über den Haufen geworfen. Tatsäch­lich konnte die Direk­tion für Wiederaufbau im ersten Jahr ihrer Tätigkeit neben zwei Krankenhäusern, fünf Schulen, einem Studentenheim und drei weiteren öffent­lichen Gebäuden ledig­lich 21 Wohngebäude instandsetzen. Von rund 120 für 1947 geplanten Instandsetzungen konnte nur etwa die Hälfte realisiert werden. Der Fachkräftemangel hatte zudem eine geringe Bauqualität und eine erheb­liche Vergeudung von Baustoffen zur Folge, die überwiegend durch den Abriss zerstörter Gebäude gewonnen werden mussten. Neben der Direk­tion für Wiederaufbau waren die Stadtverwaltung, verschiedene Warschauer Ministerien und Privatpersonen im Wiederaufbau engagiert. Ihre Sanierungsprojekte erhöhten die Instandsetzungen 1947 aber ledig­lich um 500 – 600 Objekte. Eine kurzfristige Intensivierung erfuhr der Wiederaufbau 1948, als die Warschauer Regierung im Zusammenhang mit

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der in Breslau abgehaltenen Ausstellung der Wiedergewonnenen Gebiete insgesamt 1,6 Mrd. Złoty für Enttrümmerungs- und Sanierungsarbeiten zur Verfügung stellte. Damit sollte das Bild der Verwüstung vor allem rund um das Ausstellungsgelände, entlang seiner Verkehrsverbindung zum Hauptbahnhof sowie im altstädtischen Zentrum beseitigt werden. Innerhalb eines halben Jahres konnten rund 60 öffent­liche Gebäude und 79 Wohnhäuser renoviert bzw. vor ihrem weiteren Verfall gesichert, zudem 27 historische Baudenkmäler restauriert, einige Grünanlagen wieder hergerichtet sowie der Belag und die Beleuchtung auf den zum Messegelände führenden Straßen erneuert werden. Die Hoffnung jedoch, dass damit end­lich der systematische Wiederaufbau insbesondere der Wohnsubstanz in Gang gekommen sei, trog. Denn auf die ebenso unzureichenden wie unkoordinierten Maßnahmen der Jahre 1945 – 1948 folgten nicht etwa erhöhte Wiederaufbauanstrengungen, sondern im Gegenteil umfangreiche Demontagen. Sie erfolgten im Rahmen einer landesweiten Ak­tion zur Gewinnung von Ziegelsteinen für den Wiederaufbau Warschaus, bei der Breslau zum landesweit größten Ziegelreservoir erklärt wurde. Noch 1949 begann ein ‚Städtisches Abrissunternehmen‘, das bezeichnenderweise an die Stelle der Breslauer Direk­tion für den Wiederaufbau trat, mit den entsprechenden Abbauarbeiten. Ihnen fielen nicht nur renovierbare, sondern auch völlig unversehrte Gebäude zum Opfer. Die chaotisch, zufällig und unter zentralen Planvorgaben in großer Hektik durchgeführten Abrissarbeiten produzierten neue Trümmerfelder, die lange niemand beseitigte. Sie machten zuvor freigelegte Straßen erneut unbefahrbar, Gehwege unpassierbar und stellten alles andere als eine Enttrümmerung dar. Bis 1955 wurden Jahr für Jahr 150 – 200 Mio. „gotische Ziegel“ aus der Stadt herausgeschafft; selbst im Wendejahr 1956 waren es noch 75 Mio. Mit der Demontage ging ein nahezu völliger Stopp von bau­lichen Sicherungsmaßnahmen einher; nur an einigen wenigen Prestigeobjekten (Rathaus, Dom) wurden die begonnenen Wiederaufbauarbeiten fortgesetzt bzw. abgeschlossen. Erst ab Ende 1953 setzten erneute Wiederaufbauanstrengungen ein, begann man weitere Restaurierungsprojekte (Ringplatz, Salzmarkt) in Gang zu setzten und zum ersten Mal auch den Bau gänz­lich neuer Gebäudekomplexe zu planen und vorzubereiten.

Das Kościuszko-Wohnviertel (KDM)

Abb. 13  Rohbauarbeiten am Kościuszko-­Wohnviertel (KDM) im Mai 1955; im Hintergrund rechts das ehemalige Kaufhaus Wertheim, links des Kranes das ebenfalls weitgehend unversehrt gebliebene Gebäude der Dresdner Bank.

Letztere sollten, anders als die Gebäude(reste) des deutschen Breslau, die man im Zuge ihrer Restaurierung allenfalls in habsbur­gisch-­österreichische oder piastisch-­polnische Baudenkmäler umcodieren konnte, von vornherein eine gänz­lich neue, näm­lich sozialistische Identität zum Ausdruck bringen. Dazu propagierte man einen Sozialistischen Realismus, der den Architekten auftrug, mit ihren Bauten einerseits „an die gesunden Tradi­ tionen [d]er ­na­tio­nalen Architektur an[zu]knüpfen“, diesen andererseits aber „einen neuen sozialistischen Inhalt [zu] geben“, um sie auf diese Weise der Architektur des „bourgeoisen Kosmopolitismus“ entgegenzustellen.466 Das größte und prominenteste Breslauer Beispiel dieser Art stalinistischer Symbolarchitektur entstand 1954/1955 mit dem sogenannten Kościuszko-­Wohnviertel (­Kościuszkowska Dzielnica Mieszkaniowa ‒ KDM) am ehemaligen Tauent­zienplatz. Es wurde von der Baudirek­tion für Arbeitersiedlungen in Auftrag gegeben und diente – ähn­lich wie das Marszałkowska-­Wohnviertel in Warschau (Marszałkowska Dzielnica Mieszkaniowa ‒ MDM), an dem es sich erkennbar orientierte, aber auch

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ein weiterer Breslauer, 1955/1956 am Nordende der Schweidnitzer Straße in unmittelbarer Nähe zum Ring im Stil des Sozialistischen Realismus errichteter Wohnkomplex – dem sozialpolitischen Anliegen, Arbeiter in den Innenstädten anzusiedeln. Das von einem Team um den Breslauer Architekten Roman Tunikowski entworfene KDM bot in prominenter Stadtlage Wohnraum für rund 4000 Menschen. Es besteht aus einheit­lich fünfgeschossigen Gebäuden mit hohen Spitzdächern, klassizisierenden Außenmauern, einem gesonderten zweigeschossigen bossierten Sockel, betonten Fenstern im zweiten Obergeschoss und einem glatten Bekrönungsfries. In seiner Anlage orientierte sich das Ensemble an der ursprüng­lichen Platz- und Straßengestaltung und inte­ grierte dabei mit dem Kaufhaus Wertheim, dem ehemaligen Hotel Savoy und der ehemaligen Dresdner Bank durchaus gelungen die drei am Platz aus der Vorkriegszeit erhalten gebliebenen Gebäude.467 Vom Kościuszko-­ Platz aus erstreckt sich der in zurückhaltender Monumentalität und mit subtilem Dekor gestaltete Komplex in süd­licher Richtung bis zur nächsten Querstraße (ul. Piłsudskiego/ehemals Gartenstraße). Dabei flankiert der in hoher materieller Qualität ausgeführte Gebäudezug die Schweidnitzer Straße zu beiden Seiten im Erdgeschoss mit Arkadengängen, hinter denen sich Geschäfte und Büros öffnen (Farbtafel 20). Das ganze Ensemble geriet zu einem durchaus eindrucksvollen neuen süd­lichen Entree in den Innenstadtbereich und wurde vom sozialistischen Regime bevorzugt als Kulisse für Aufmärsche und Paraden genutzt.468 Als der kanadische Journalist Charles Wassermann im Sommer 1957 die Fortschritte des seit Mitte der 1950er Jahre forcierten Wiederaufbaus notierte, verwies er an erster Stelle auf das KDM. „Eine Anzahl von Neubauten steht süd­lich des Stadtgrabens an der ehemaligen Neuen Schweidnitzer und der Tauentzienstraße. Der Tauentzienplatz ist beinahe ganz von neuen Wohn- und Bürohäusern umgeben.“ Auch andernorts, vor allem in der Altstadt sei inzwischen gebaut worden. „Neubauten stehen an der Schweidnitzer Straße süd­lich vom Ring, an der Schuhbrücke […] und an den Querstraßen […] Am Ring selbst wird viel restauriert […].“ In anderen Stadtteilen beobachtete Wassermann allerdings noch immer Stillstand. „Die Häuser um den Neumarkt wurden dem Erdboden gleichgemacht, und hier wurde noch nichts wiederaufgebaut. […] In der Nikolai- und

Städtischer Neubeginn und polnische Aneignung

der Ohlauer Vorstadt sieht es schlimm aus. Hier wurde bis jetzt kaum etwas gebaut und wenig aufgeräumt. So ziem­lich am schlimmsten ist die Zerstörung süd­lich der Schweidnitzer Vorstadt. Auf der Hauptstraße Richtung Frankenstein […] fährt man lange Zeit durch einen Bezirk, in dem kein einziges Haus mehr steht und die Trümmer mit Gebüsch überwachsen sind.“ Tatsäch­lich sollten noch et­liche Jahre vergehen, bis Breslau auf Besucher nicht mehr, wie noch 1957, den Eindruck „einer sehr stark zerstörten Stadt“ machte.469 Auch Günther Anders stieß noch auf zahlreiche Ruinen, Trümmerfelder und wüste Straßen, als er 1966 erstmals wieder in die Stadt seiner Jugend kam. Doch konnte er bereits die ersten Erzeugnisse einer neuen architektonischen Moderne beobachten, die nach 1956 den sozialis­tischen Realismus ablöste und mit kleinformatigen Massenwohnungen das drängende Wohnraumproblem zu lösen versuchte. Die neuen Architekturformen knüpften an west­liche Vorbilder an und erschienen dem amerikanischen Besucher durchaus ansprechend. So fand Anders die seit 1959 an der ul. Grabiszyńska (ehemals Gräbschener Straße) errichteten „zehnstöckigen, durchweg mit pent houses gekrönten, Hochhäuser“ der Siedlung Gajowice in „Bauplan und Stil durchaus erfreu­lich, zwar nicht tollkühn, aber auch nicht konservativ oder protzig, kaum verschieden vom Stil anderer großer moderiert moderner Großstadtprojekte“ (Farbtafel 21).470 Auch für viele Breslauer begann die Stadt, wie der Historiker Marek Czapliński erinnert, der 1947 als Siebenjähriger mit seiner Familie aus Krakau an die Oder kam, erst mit diesen Neubauten wieder ein gewisses urbanes Flair zu entfalten.471

Städtischer Neubeginn und polnische Aneignung Während sich die bau­liche Reurbanisierung über Jahrzehnte hinzog, vollzog sich der politische, ­soziale und wirtschaft­liche Neubeginn des städtischen Lebens innerhalb weniger Jahre. Er bedeutete eine weit radikalere Zäsur als die materielle Zerstörung der Stadt. Der Wieder­ aufbau ließ das historische Breslau äußer­lich vielfach fortbestehen. Doch hinter den restaurierten Fassaden wurde 1945 – 1948 ein völlig neues Leben etabliert.472 Die Stadt wechselte nicht nur – ein weiteres Mal – ihre staat­liche Zugehörigkeit. Sie erhielt auch eine völlig neue ­soziale

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und politische Ordnung und vor allem – zum ersten Mal in ihrer tausendjährigen Geschichte – eine komplett neue Einwohnerschaft. Aus dem seit dem späten Mittelalter deutschsprachigen Breslau wurde das polnische Wrocław. Schon im März 1945, knapp fünf Monate bevor Breslau auf der Konferenz von Potsdam „bis zur endgültigen Bestimmung der Westgrenze Polens […] der Verwaltung des polnischen Staates unterstellt“ wurde,473 hatte die polnische provisorische Regierung den Krakauer Sozialisten Bolesław Drobner zum künftigen Breslauer Stadtpräsidenten ernannt. Der in Freiburg promovierte Chemiker hatte sich während des Krieges in der Sowjetunion aufgehalten, sprach Rus­sisch und Deutsch, war zuvor aber nie in Breslau gewesen. Er erreichte die Stadt am 10. Mai und richtete sich mit einer in Krakau zusammengestellten Operativen Gruppe, dem Nukleus der künftigen polnischen Stadtverwaltung, zunächst nörd­lich der Oder in der Blücherstraße ein. Zu seinem Team gehörte eine von dem Krakauer Ingenieur Kazimierz Kuligowski geleitete wissenschaft­ lich-­kulturelle Gruppe, die bereits am Vortag in Breslau eingetroffen war. Sie sollte sich im Auftrag des Bildungsministeriums insbesondere um die Breslauer Bildungs- und Kultureinrichtungen kümmern und mög­lichst rasch eine polnische Hochschule aufbauen. Gleichzeitig mit Kuligowski war eine Operative Gruppe des Industrieministeriums in die Stadt gekommen, die die Industriebetriebe wieder in Gang setzen sollte. Bis Juli 1945 entsandten weitere polnische Institu­tionen – die Eisenbahn, die Post, die Na­tionalbank, die maßgeb­lichen Regierungsparteien (die kommunistische Polska Partia Robotnicza ‒ PPR und sozialistische Polska Partia Socjalistyczna ‒ PPS) und nicht zuletzt das Amt für öffent­liche Sicherheit – ihre Expertengruppen an die Oder. Sie alle begannen damit, ein polnisches Breslau zu organisieren. Dabei stand ihnen zunächst die sowjetische Mili­tärkommandantur nicht wenig im Wege. Diese blieb bis in den August 1945 hinein die oberste Entscheidungsinstanz in der Stadt und verfolgte ihre eigenen Interessen. So veranlasste der sowjetische Stadtkommandant die systematische Demontage Breslauer Fabrikanlagen und duldete auch die privaten Raub- und Plünderungsak­tionen seiner Soldaten. Zum Entsetzen der Polen kooperierte er überdies mit Teilen der verbliebenen deutschen Bevölkerung.

Städtischer Neubeginn und polnische Aneignung

Nach der Kapitula­tion waren Tausende der im Januar 1945 geflohenen und evakuierten Breslauer in die Stadt zurückgekehrt; zudem hatten in ihr deutsche Flüchtlinge aus anderen Orten und entlassene Kriegsgefangene Zuflucht gefunden. Im August 1945 erfasste eine provisorische Volkszählung 189.500 deutsche Stadtbewohner. Ihr Verhältnis zu den Sowjets hatte sich nach den Gewaltexzessen der ersten Nachkriegswochen überraschend schnell verbessert.474 Einige Hundert deutsche Kommunisten und Sozia­listen, die sich in einer ‚Antifaschistischen Freiheitsbewegung‘ und einem ‚Deutschen Verband der Antifaschisten‘ organisierten, gewannen das Vertrauen des sowjetischen Stadtkommandanten Oberst Ljapunov und erhielten die Mög­lichkeit, eine parallele deutsche Stadtverwaltung einzurichten. Diese sollte sich unter der Leitung eines Bürgermeisters in zwölf Stadtbezirken um das Melde- und Wohnungswesen, den deutschen Arbeitseinsatz, die Ausgabe von Arbeits- und Lebensmittelkarten kümmern, für Ordnung sorgen und Volksküchen, Kindergärten, ärzt­liche Versorgungsstellen sowie Kulturämter einrichten.475 Allerdings wurde diese deutsche Parallelverwaltung schon im August 1945 wieder aufgelöst, nachdem die Sowjets in Umsetzung der Beschlüsse von Potsdam die Verwaltungs­hoheit über die Stadt offiziell der polnischen Seite übergeben hatten. Fortan konnten der Stadtpräsident – der Sozialist Drobner war inzwischen von dem Kommunisten Aleksander Wachniewski abgelöst worden – und die übrigen polnischen Institu­tionen den städtischen Neubeginn ungehindert in ihrem Sinn gestalten. Bis Ende 1945 waren die städtischen Elektrizitäts-, Gas- und Wasser­ werke provisorisch in Stand gesetzt, die entsprechenden Leitungen notdürftig repariert, das Post- und Telefonnetz in bescheidenem Umfang wieder in Gang gebracht, einzelne Linien des innerstädtischen Nahverkehrs in Betrieb genommen und erste Eisenbahn- und Überlandbusverbindungen etabliert. Vier Kinosäle zeigten wieder Unterhaltungsfilme und die Universität und die Technische Hochschule hatten als polnische staat­liche Hochschuleinrichtungen mit über 2000 Studierenden, etwa 50 Professoren und 120 Assistenten ihren Lehrbetrieb aufgenommen.476 Im nahezu unversehrt gebliebenen Opernhaus hatte der polnische Tenor und neue Direktor des Hauses Stanisław Drabik im September 1945 den Spielbetrieb wieder aufgenommen – mit einer Inszenierung der polnischen Na­tionaloper

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Halka, bei der polnische Solisten und Chorsänger mit einem deutschem Orchester und Ballet auftraten. Nicht nur das kulturelle Leben kam mit Opern-, Konzert- und Theateraufführungen, mit Schul- und Hochschuleröffnungen, mit der Gründung neuer wissenschaft­licher Gesellschaften, der Einrichtung von Bibliotheken und Museen allmäh­lich wieder in Gang. Auch die städtische Wirtschaft wurde sukzessive wieder auf die Beine gestellt, wenn auch der alltäg­liche Bedarf zunächst weitgehend über die blühenden Schwarzmärkte gedeckt wurde. Neben kleineren Betrieben der Lebensmittelversorgung (Bäckereien, Metzgereien), Dienstleistungsunternehmen (Druckereien) und sonstigen privaten Handwerken konnten bis Ende 1945 – ungeachtet der sowjetischen Demontagen – zahlreiche Fabriken wieder zum Laufen gebracht werden; Ende 1946 waren bereits wieder 310 Industriebetriebe mit 21.342 Beschäftigten tätig.477 Ein zentrales Problem, Breslau als polnische Stadt zu organisieren, ergab sich aus dem Mangel an polnischen Arbeits- und Fachkräften. Bis Oktober 1945 waren zu den über 180.000 Deutschen gerade einmal 20.000 polnische Ansiedler hinzugekommen. Die dringend benötigten Arbeitskräfte mussten daher zwangsläufig weiterhin überwiegend aus der deutschen Bevölkerung rekrutiert, die polnischen Neusiedler vielfach erst von deutschen Fachkräften angelernt werden. Dabei wollte man die Deutschen eigent­lich mög­lichst schnell loswerden. Doch die in Potsdam sank­tionierte „Umsiedlung der deutschen Bevölkerung“ konnte auch in Breslau nur in dem Maße in die Tat umgesetzt werden, wie es gelang, einen genügend großen Zustrom polnischer Ansiedler sicher zu stellen. Die Aussiedlung der deutschen Breslauer ging folg­lich mit einer entsprechenden Ansiedlung polnischer Neu-­Breslauer einher. Dieser Bevölkerungsaustausch, der alles andere als „in geordneter und humaner Weise“ erfolgte,478 zog sich im Wesent­lichen von Herbst 1945 bis Ende 1947 hin. Er implizierte eine Übergangsphase, in der sich Deutsche und Polen für eine kurze Zeit miteinander arrangieren mussten, in der sie sich nicht nur in Geschäften und auf den Straßen über den Weg liefen, sondern an gemeinsamen Arbeitsplätzen unmittelbar aufeinandertrafen. Mitunter teilte man, wie ein polnischer Zeitzeuge erinnert, sogar eine Wohnung „in eine polnische und eine deutsche Hälfte – jeweils zwei Zimmer für jede Na­tion. Es gab keine Streitereien. Es zeigte sich, dass man auch unter solchen Bedingungen fried­lich zusammenleben kann.“479

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Seit Herbst 1945 stieg die Zahl der polnischen Zuwanderer merk­lich an. Dadurch verschärfte sich das Wohnraumproblem, zumal seit Mai nur ein verschwindend kleiner Teil der deutschen Bevölkerung freiwillig in die deutschen Besatzungszonen umgesiedelt war. Die polnische Stadtverwaltung begann daraufhin, die Deutschen zunächst innerhalb der Stadt umzusiedeln und mehrere deutsche Familien in einer Wohnung zusammenzulegen. Gleichzeitig bemühte sich ein Ende August 1945 beim Regierungsbevollmächtigten für Niederschlesien eingerichtetes Kommissariat für die Repatriierung der deutschen Bevölkerung, eine systematische Aussiedlung der Deutschen aus Niederschlesien in Gang zu setzen. Ihre umfassenden Pläne – man hoffte binnen zweier Monate 800.000 Deutsche umsiedeln zu können – scheiterten an völlig unzureichenden Transportkapazitäten und erheb­lichen Behinderungen durch sowjetische Instanzen. Letzt­lich konnte das Repatriierungskommissariat bis zum Jahresende ledig­lich 42.000 Deutsche aus Schlesien deportieren; 18 der 25 Transporte gingen aus Breslau ab und brachten etwa 27.500 deutsche Breslauer in die Sowjetische und Britische Besatzungszone.480 Insgesamt verließen ­zwischen Mai und Dezember 1945 etwa 30.000 Deutsche die Stadt, während sich gleichzeitig etwa ebenso viele Polen dort ansiedelten. Erst 1946 erfuhr der Bevölkerungsaustausch eine dramatische Beschleunigung. Von Februar bis Juli 1946 wurden rund 105.000, von September bis Dezember noch einmal fast 35.000 deutsche Breslauer ausgesiedelt. In der gleichen Zeit zogen monat­lich durchschnitt­lich 12.500 Polen nach Breslau, sodass zu Beginn des Jahres 1947 bereits 185.000 Polen, aber nur noch etwa 17.000 Deutsche in der Stadt lebten. Im Verlauf des Jahres 1947 reduzierte sich die Zahl der Deutschen auf etwas über 4000; Ende 1948 lag sie schließ­lich bei knapp 2400 und fiel anschließend weiter auf einige wenige Hundert. Sie bildeten fortan eine kleine, geduldete deutschsprachige Minderheit in der gänz­lich polnisch gewordenen Stadt. Der polnische Zuzug hielt auf hohem Niveau bis zu Beginn der 1950er Jahre an und sank erst ab 1953 auf das Maß einer normalen innerstaat­ lichen Migra­tion.481 In den Jahren 1946 – 1949 war er dabei von einer extrem hohen Unbeständigkeit geprägt. Von den 421.992 Polen, die in dieser Zeit mit einem ständigen oder vorübergehenden Wohnsitz in Breslau gemeldet waren, kehrten 175.591 bzw. fast 42 % der Stadt wieder

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den Rücken. Der Wilde Westen der Wiedergewonnenen Gebiete, der viele vom Krieg entwurzelte, ihrer Existenz beraubte Polen anlockte, war nur anfangs ein Eldorado. Mochten die ersten Ansiedler-­Pioniere im zerstörten Breslau noch genügend attraktiven Wohnraum und gute Mög­lichkeiten einer Existenzgründung gefunden haben, schwanden ­solche Aussichten in dem Maße, wie sich der Zuzug intensivierte und der Wiederaufbau gleichzeitig stagnierte. Doch nicht nur das Problem des fehlenden Wohnraums, der mangelhaften Versorgung und schlechten Wirtschaftslage trieb einen großen Teil der Ansiedler wieder aus der Stadt, in der die Löhne niedriger und die Lebenshaltungskosten doppelt so hoch waren wie in Zentralpolen.482 Auch eine extrem prekäre individuelle Sicherheitslage, die noch lange von Raub, Plünderung und schlichten Unglücksfällen durch explodierende Blindgänger und einstürzende ­Gebäude gekennzeichnet war, lud nicht unbedingt zum Bleiben ein. Nicht wenige waren von vornherein nur zu vorübergehenden Beutezügen und Schwarzmarktgeschäften an die Oder gekommen. Viele frei­lich hatten kaum eine andere Wahl, als zu bleiben, sich in der Trümmerlandschaft einzurichten und die Stadt nach und nach zu neuem Leben zu erwecken. Vier Jahre nach Kriegsende bauten in ­diesem Sinn knapp 250.000 Neu-­Breslauer an einem polnischen Wrocław. Sie bildeten alles andere als eine homogene Einheit, stellten vielmehr sowohl in regio­ naler als auch in sozialer Hinsicht eine überaus heterogene Gesellschaft dar. Anders als ein Nachkriegsmythos erzählt, kamen die Neu-­Breslauer nicht mehrheit­lich aus den von der Sowjetunion annektierten polnischen Ostgebieten. Die aus den öst­lichen Wojewodschaften der Vorkriegsrepublik zwangsumgesiedelten „Repatrianten“ machten insgesamt nur 20 – 23 % der Breslauer Neusiedler aus. Nur ein Teil von ihnen stammte dabei aus Lemberg. Dass Wrocław oft für eine demographisch-­kulturelle Fortsetzung dieser einstigen ostpolnischen Metropole gehalten wurde, ist auf die besonders prominente Rolle zurückzuführen, die ehemalige Lemberger Professoren, Wissenschaftler und Künstler im Neu-­Breslauer Bildungsund Kulturleben sowie Lemberger Straßenbahnfahrer im öffent­lichen Erscheinungsbild der Stadt darboten. Tatsäch­lich stammte die Mehrheit der Zuwanderer aus west- und zentralpolnischen Regionen – aus den Wojewodschaften Posen, Warschau, Kielce, Rzeszów, Łódź und Krakau.

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Einen verschwindend kleinen Teil – jeweils ein bis zwei Prozent – der Neu-­Breslauer stellten polnische Remigranten aus West- und Südeuropa, insbesondere aus Frankreich, Deutschland und Jugoslawien, sowie die als autochthone Polen verifizierte polnischsprachigen Alt-­Breslauer.483 Die zur Hälfte individuell und spontan erfolgenden, zur Hälfte von verschiedenen Institu­tionen kollektiv organisierten Zuwanderungen führten nicht nur Menschen aus verschiedenen Regionen mit unterschied­lichen Mentalitäten in die Stadt, sondern auch sehr verschiedene s­ oziale Milieus. Neben Menschen, die ein Großstadtleben gewohnt waren, kamen Bürger und Arbeiter aus mittleren Städten, Bewohner kleiner Landstädte und ehemalige Dorfbewohner, neben Professoren Analphabeten an die Oder. Die Zuwanderer vom Land stellten die weitaus stärkste Gruppe dar. Drei Jahre nach Kriegsende stammte kaum ein Fünftel der Neu-­Breslauer aus Städten mit über 100.000 Einwohnern, 40 % kamen aus mittleren und kleinen Städten und 40 % aus Dörfern.484 Da auch viele der polnischen Kleinstädte einen halbdörf­lichen Charakter besaßen, rekrutierte sich weit über die Hälfte der neuen Breslauer Einwohnerschaft aus einem rein agrarischen Umfeld. Das hatte Auswirkungen auf das städtische Erscheinungsbild. Die dörf­lichen Zuwanderer konnten nicht einfach die bisherigen Träger der Breslauer Urbanität, die deportierten Deutschen, ersetzen. Die Folge war eine erheb­liche Deurbanisierung bzw. Verländ­lichung des städtischen Raumes. Es sollte eine ganze Weile dauern, bis das Kleinvieh von den Gehwegen und aus den Hinterhöfen, die trocknende Wäsche von den über die Straßen gespannten Wäscheleinen verschwand, sich die länd­liche Mentalität und Lebensweise in einem allmäh­lich entstehenden großstädtischen Leben auflöste. Nicht nur für den einfachen Menschen vom Dorfe war das zerstörte deutsche Breslau ein unheim­licher Ort. Auch für alle übrigen polnischen Zuwanderer war die Stadt fremd. Sie war ein von staat­lichen Behörden zugewiesener oder aus der Not, auf der Suche nach einem besseren L ­ eben gewählter Wohnort, der auch als Wrocław lange Zeit nicht Heimat werden wollte. Dabei bemühte sich die politische Führung nach Kräften, die heterogene Migra­tionsgesellschaft zu einer städtischen Gemeinschaft zu verschmelzen, für die die Hauptstadt der Wiedergewonnenen ­Gebiete eine vertraute Heimstätte ihrer neuen volksdemokratischen und

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na­tionalpolnischen Identität sein sollte. Um die Neu-­Breslauer davon zu überzeugen, dass Wrocław tatsäch­lich eine polnische Stadt war, in der sie als Polen heimisch werden konnten, wurde eine intensive Geschichts- und Gedächtnispolitik entfaltet.485 Archäologen, Historiker, Sprachwissenschaftler und Kunsthistoriker begannen, wie Stadtpräsident Wachniewski 1946 erklärte, „unter der dicken Schicht des germanischen Putzes das alte, polnische und piastische Breslau auszugraben.“486 Dabei extrapolierten sie aus der polnischen Geschichte des mittelalter­lichen Breslau eine Kontinuität, die die polnische Gegenwart der Stadt als natür­liche Folge einer langen geschicht­lichen Entwicklung darstellen und auf diese Weise legitimieren sollte. Die entsprechend selektive, polonozentrische Deutung der Stadtgeschichte, bei der bezeichnenderweise die Zeit des 15.–19. Jahrhunderts weitgehend ausgeblendet blieb, sollte jeden Anschein zerstreuen, dass es sich bei der Angliederung Breslaus bzw. Niederschlesiens an die Volksrepublik vielleicht doch nur um einen subjektiven Willkürakt des sowjetischen Diktators gehandelt haben könnte. Mit der Wiederentdeckung /beziehungsweise Erfindung einer pol­ nischen Tradi­tion korrespondierte die Tilgung aller Spuren der deutschen Vergangenheit. Am naheliegendsten war die Ersetzung der deutschen Straßen- und Stadtteilnamen durch polnische Namen. Mit der bereits im Frühjahr 1946 weitgehend abgeschlossenen Umbenennung wurde der Kanon na­tionalpolnischer Erinnerungen auch im Breslauer Straßennetz fixiert.487 Selbstverständ­lich wurden auch die deutschen Denkmäler entfernt und nach und nach durch polnische ersetzt, verschwanden deutsche Geschäftsaufschriften, Reklameschriftzüge und andere Symbole. Auch mit Filmvorführungen, Konzerten, Theateraufführungen und vor allem mit Sportveranstaltungen bemühten sich Stadtverwaltung und Staatsführung, den Prozess der kulturellen Aneignung des fremden Ortes zu befördern. Die Überführung herausragender Institu­tionen der polnischen Na­tionalkultur sollte die Stiftung einer kollektiven Identität und die gegen­seitige Akkultura­tion der bunt gemischten Neu-­Breslauer zusätz­lich beschleunigen. Zu ­diesem Zweck wurde 1946 mit dem 1817 gegründeten Ossolineum eine der bedeutendsten polnischen Archiv- und Büchersammlungen aus Lemberg und mit dem 1894 in Lemberg eröffneten Racławice-­Panorama, einer monumentalen malerischen Darstellung des antirus­sischen Kościuszko-­Aufstandes von

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Abb. 14  Restaurierung und Anbringung des Panoramas der Schlacht von Racławice in der eigens errichteten Rotunde in Breslau 1984

1794, eine der zentralen Ikonen des polnischen na­tionalen Gedächtnisses (die frei­lich erst 1985 der Öffent­lichkeit zugäng­lich gemacht werden konnte) an die Oder gebracht.488 Besondere Mühe verwandten staat­liche Stellen auf eine öffent­liche Inszenierung des vermeint­lich raschen Erfolgs der polnischen Aneignung der Westgebiete. Die größte einschlägige Propagandaveranstaltung war die vom 21. Juli bis 31. Oktober 1948 gezeigte Ausstellung der Wiedergewonnenen Gebiete. Die im Beisein von Staatspräsident Bolesław Bierut, Premierminister Józef Cyrankiewicz und Industrieminister Hilary Minc eröffnete Schau sollte sowohl die inzwischen gefestigte kommunistische Herrschaft legitimieren als auch aller Welt vor Augen führen, wie berechtigt die Rückkehr Breslaus und der Wiedergewonnenen Gebiete in das polnische Mutterland war. Dazu präsentierte die von insgesamt 1,5 Mio. Menschen besuchte Schau, die zugleich ein großes Volksfest war, in zahlreichen Pavillons unter Einsatz moderner, suggestiver Mittel die Errungenschaften des Wiederaufbaus beziehungsweise der in den „entdeutschten“ polnischen Westgebieten etablierten Industrie- und Landwirtschaft. Sie

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zeigte Produkte des dortigen Handwerks und Kulturschaffens, visualisierte einen vermeint­lich tausendjährigen Kampf mit dem deutschen Aggressor und begründete in historischen Darlegungen die Rechtmäßigkeit der Oder-­Neiße-­Linie.489 Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch empfand die Ausstellung „architektonisch und graphisch“ als „eine helle Freude“, war aber von ihrer ideolo­gischen Botschaft weniger überzeugt: „Der Beweis, dass Schlesien ein polnisches Land sei: mit dem gleichen Beweis könnte Österreich verlangen, dass wir [die Schweizer] nach siebenhundert Jahren unter seine Herrschaft zurückkehren.“490 Frisch war – neben Alan J. ­P. Taylor, Pablo Picasso, Le Corbusier, Louis Aragon, Berthold Brecht, Hanns Eisler, Jarosław Iwaszkiewicz, Julian T ­ uwim, György Lukács, Ilja Ehrenburg – einer von über 400 Schriftstellern, Wissenschaftlern und Künstlern, die sich vom 26. bis 30. August 1948 in der Breslauer Jahrhunderthalle zu einem Weltkongress der Intellektuellen versammelten. Auch diese Versammlung war eine von der Staatsführung inszenierte Propagandaveranstaltung. Sie sollte Intellektuelle aus aller Welt unter dem Banner eines gemeinsamen Kampfes für den Weltfrieden für das sowjetische Lager einnehmen. Allerdings geriet die Veranstaltung nach einem aggressiven, antiwest­lichen Auftritt des sowjetischen Schriftstellers Aleksandr Fadeev eher zu einem Schauplatz des gerade begonnenen Kalten Krieges, als zu einem Forum interna­tionaler Verständigung. Dennoch ließen Tagung und Tagungsort die interna­tionalen Kongressteilnehmer, wie selbst noch Frischs skeptisch-­zurückhaltende Beobachtungen erkennen lassen, nicht unbeeindruckt. Und so konnte das polnische Wrocław auch den Intellektuellenkongress als Erfolg verbuchen.491 Ausstellung und Weltkongress präsentierten die Stadt als das zentrale Aushängeschild der Wiedergewonnenen Gebiete, deren polnische Zukunft keinem Zweifel mehr unterliegen konnte.

Sozialistischer Alltag Im Sommer 1948 schien auch die kommunistische Zukunft des Landes in Stein gemeißelt. Spätestens zu d ­ iesem Zeitpunkt saß die Minderheit der polnischen Kommunisten fest im Sattel.492 Mit massiver Rückendeckung Moskaus hatte sie 1945 zunächst die na­tional-­konservativen Parteien

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ausgeschaltet und die linken Kräfte, vor allem die Sozialisten der PPS, in einem Na­tionalen Block an sich gebunden. Anschließend zerschlug sie den militärischen Widerstand, zu dem sich auch in Breslau bis 1947/48 wiederholt Angehörige der aufgelösten na­tional-­bürger­lichen Heimatarmee zusammenschlossen. Die vor allem in der Vereinigung Freiheit und Unabhängigkeit agierenden Untergrundkämpfer wurden nach und nach aufgegriffen, im Kampf getötet oder nach Gerichtsprozessen hingerichtet.493 Andere gaben bei Gewährung von Amnestien auf. Eine dieser Begnadigungsak­tionen erfolgte anläss­lich der Parlamentswahlen, die die west­lichen Alliierten Stalin abgerungen hatten, die aber lange hinausgezögert worden waren. Als sie am 19. Januar 1947 schließ­lich stattfanden, konnte neben dem von den Kommunisten dominierten Einheitsblock nur noch eine legale Opposi­tionspartei, die Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) des aus London zurückgekehrten Exilpremiers Stanisław Mikołajczyk, antreten. Trotz massiver Einschüchterungen durch den Terror kommunistischer Sicherheitsorgane gewann sie in zahlreichen Wahlkreisen die Stimmenmehrheit. Die Kommunisten griffen daher zu Wahlfälschungen, reduzierten den Stimmenanteil der Bauernpartei landesweit auf ledig­lich 10 % (in Breslau auf etwa 15 %) und leiteten ­damit die endgültige Ausschaltung der Rest-­Opposi­tion ein. Nachdem im Verlauf des Jahres 1948 schließ­lich der kommunistische Block selbst von vermeint­lichen Abweichlern gesäubert und die PPS mit der PPR zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia ­Robotnicza ‒ PZPR) zwangsvereinigt worden war, war die kommunistische Machtübernahme abgeschlossen, die Volksdemokratie als stalinistische Einparteienherrschaft etabliert.494 Diese Herrschaft wurde in Breslau formal von einem ­Städtischen ­Na­tio­nalrat ausgeübt, dem neun Stadtbezirksämter, ab 1950 fünf Stadt­ teil-­Na­tionalräte unterstanden. Ausführendes Organ des Städtischen ­Na­tionalrats war ein von einem Präsidenten beziehungsweise Vorsitzenden geleitetes Präsidium. Dessen Kompetenzen waren frei­lich in mehrfacher Hinsicht begrenzt. Zum einen war sämt­liches staat­liches Handeln strikt hier­archisch strukturiert; bis zum Ende der Volksrepublik wurden alle maßgeb­lichen Entscheidungen auf der gesamtstaat­lichen Ebene, von der Warschauer Regierung getroffen. Den nachgeordneten

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Gebietskörperschaften (Wojewodschaften, Kreisen) überließ man ledig­ lich weniger wichtige Entschlüsse, vor allem aber die Kontrolle über die Umsetzung der zentralen Vorgaben. Da das kreisfreie Breslau bis Ende 1956 Teil der Wojewodschaft Niederschlesien war, fiel das, was nicht auf höchster Ebene in Warschau entschieden wurde, in die Zuständigkeit des Wojewodschafts-­Na­tionalrates und dessen Präsidium. Die meisten Entscheidungen, die das Leben der Stadt – ihre Wirtschaft, ihre kommunalen und kulturellen Einrichtungen, ihr Gesundheitswesen, ihre Bildungsstätten – betrafen, wurden mithin nicht in beziehungsweise von der Stadt selbst getroffen. Die Breslauer Lebenswirk­lichkeit wurde letzt­lich aber auch nicht von den formal zuständigen Verfassungsorganen gestaltet, sondern de facto im Rahmen einer machtpolitischen Parallelstruktur bestimmt. Denn zum anderen behielt sich die PZPR als die für den Aufbau des Sozialismus verantwort­liche Avantgarde der Arbeiter- und Bauernschaft nahezu alle Entscheidungen vor, und zwar bis in kleinste Details. Der politisch wichtigste Mann Breslaus war denn auch nicht der Vorsitzende des Städtischen Na­tionalrates beziehungsweise der ihm auf Wojewodschafts- und Gesamtstaatsebene vorgesetzte Amtsträger, sondern der Erste Sekretär des städ­ tischen Parteikomitees beziehungsweise der ihm hierarchisch übergeordnete Erste Sekretär des niederschle­sischen Wojewodschafts­komitees der PZPR, der seine Anwei­sungen wiederum aus dem Warschauer Zentralkomitee respektive von dessen Erstem Sekretär erhielt. Besondere Bedeutung kam daneben auch den Parteiorganisa­tionen in den großen Industriebetrieben der Stadt zu.495 Die komplizierten, sich überlagernden und widerstreitenden Kompetenzen lösten innerhalb des bürokratischen Apparats wiederholt Konflikte aus, boten den Beteiligten aber den praktischen Vorteil, ihre Verantwort­ lichkeit im Bedarfsfall auf andere abschieben zu können. So konnte sich das Präsidium des Städtischen Na­tionalrates mit Entscheidungen des Wojewodschafts-­Na­tionalrates herausreden, der wiederum den städtischen Instanzen gern mangelnde Initiative, Nachlässigkeit und Unfähigkeit vorwarf; beide administrativen Organe schoben die Verantwortung im Zweifelsfall den lokalen und regionalen Partei-­Instanzen zu, die wiederum den zentralen Regierungsstellen in Warschau die Schuld an den Missständen

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gaben, die ihrerseits auf die Vorgaben der zentralen Parteiführung verweisen konnten. Die alltäg­liche Wirk­lichkeit der zentral gelenkten Planwirtschaft gab in der Tat allen Anlass zu solchem Schwarzer-­Peter-­Spiel. Zu offensicht­lich waren die Defizite der verstaat­lichten Industrie, des vergesellschafteten Einzelhandels und Dienstleistungssektors, der kollektivierten Landwirtschaft, als dass man nicht nach Sündenböcken für die alltäg­lichen Unzuläng­lichkeiten gesucht hätte. Die zentral beschlossenen Investi­tionen wurden in erster Linie in die Schwerindustrie gelenkt, was bald nicht nur zu erheb­lichen Problemen bei der Versorgung mit Konsumgütern führte, sondern auch die wirtschaft­liche Entwicklung der Hauptstadt der Wiedergewonnenen Gebiete beeinträchtigte. Deren Industrie war auch nach dem Wiederaufbau überwiegend vom Maschinenbau, der Metallverarbeitung und Konfek­tionsherstellung dominiert – Bereichen, die nur bedingt auf der Prioritätenliste der staat­ lichen Planwirtschaft standen. Zwar stieg die Breslauer Industrieproduk­ tion – nicht zuletzt dank eines intensiven Eisenbahnwaggonbaus in der Staat­lichen Waggon-­Fabrik (Państwowa Fabryka Wagonów = Pafawag) – ­zwischen 1950 und 1955 um 204 %, doch stagnierte ihr Anteil an der landes­ weiten Industrieproduk­tion im gleichen Zeitraum bei 2,4 %, während Łódź 7,4 %, Warschau 3,9 % und Krakau 3,0 % erreichten. Dabei war die Breslauer Industrie noch in höherem Maße verstaat­licht beziehungsweise vergesellschaftet worden als die anderer polnischer Industriestädte; Mitte der 1950er Jahre standen 569 staat­lichen oder genossenschaft­lichen Unternehmen mit insgesamt 62.999 Beschäftigten ledig­lich 65 private Unternehmen mit zusammen 69 Beschäftigten gegenüber.496 Im Breslauer Einzelhandel konkurrierten zu ­diesem Zeitpunkt 76 private Firmen mit 753 staat­lichen und 390 genossenschaft­lichen Läden und Verkaufspunkten. Zwar wurde privater Initiative 1956 ein wenig mehr Freiraum gewährt, sodass Mitte 1957 schon 293 private Geschäfte tätig sein konnten.497 Doch für eine Bevölkerung von inzwischen rund 390.000 erwies sich das – zudem recht ungleich über die Stadt gespannte – Netz der Handelsbetriebe als völlig unzureichend. So konfrontierte nicht nur eine verfehlte Industriepolitik, sondern auch eine miserable Organisa­tion des Handels die Bevölkerung mit permanenten Versorgungsproblemen, einer geringen Qualität der begrenzt verfügbaren Waren sowie langen

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Abb. 15  Produk­tionshalle der Państwowa Fabryka Wagonów (Pafawag) 1959

Schlangen vor und in den Geschäften. Je nach Stadtteil nahmen die täg­ lichen Einkäufe ein bis zwei Stunden in Anspruch. Nicht besser sah es im Dienstleistungssektor aus. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre standen den Breslauern ledig­lich 59 Restaurants, Cafés und 15 Milchbars zur Verfügung. Ihr Standard zeichnete sich nicht selten durch fehlende Bedienung, kalte Speisen, schmutziges Tischzeug und Geschirr oder andere hygienische Unzuläng­lichkeiten aus. Da sich die vorhandenen Gaststätten zu 85 % im Stadtzentrum konzentrierten, blieben die Randbezirke überwiegend eine gastronomische Wüste. Dass der öffent­liche Nahverkehr die wachsenden Passagierzahlen kaum bewältigen konnte, hat die Situa­tion nicht verbessert; Mitte der 1950er Jahre standen für 77 km Buslinien gerade einmal 43 Autobusse und für 96 km Straßenbahnverbindungen 366 abgenutzte Straßenbahnwagen zur Verfügung. Straßen, Gehwege und Brücken waren überdies noch immer in misera­ blem Zustand; rund die Hälfte hatte um 1956 dringende Reparaturen nötig. Ein großes, gelegent­lich dramatisches kommunalwirtschaft­liches Problem – neben der sich Mitte der 1950er Jahre verschärfenden Wohnungsnot – war die Wasserversorgung. Es fehlten die finanziellen und technischen Mittel, das kommunale Leitungs- und Abwassersystem in

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Stand zu halten, sodass es immer wieder zu Rohrbrüchen und im Winter zum Gefrieren großer Teile des Leitungssystems kam; Ende 1955 waren von über 800 km Wasserleitungen überhaupt nur 610 km betriebsfähig; gleichzeitig blieben 4 % der Einwohner ganz ohne Anschluss an die Wasserversorgung.498 Erheb­liche Probleme bestanden auch im staat­lich organisierten Gesund­ heitswesen. Ende 1956 waren in der Stadt rund 800 Ärzte tätig; in 14 Krankenhäusern, von denen zwei den Status eines Städtischen Krankenhauses besaßen und sechs der Aufsicht des Wojewodschafts-­Na­tionalrates unterstanden, gab es insgesamt 4929 Krankenbetten, auf die Nicht-­Notfall-­ Patienten mitunter Monate oder Jahre warten mussten. Darüber hinaus standen 117 Praxen oder Ambulatorien und 314 ärzt­liche Beratungsstellen zur Verfügung. Ein Teil von ihnen waren betrieb­liche Einrichtungen, die nur von Beschäftigten des jeweiligen Betriebes genutzt werden konnten. Die frei zugäng­lichen Bezirks-­Ambulatorien, die wie die Krankenhäuser zudem auch von Patienten aus ganz Niederschlesien aufgesucht wurden, waren hoffnungslos überlaufen, sodass Patienten lange Wartezeiten für extrem kurze Untersuchungen in Kauf nehmen mussten. Alle Einrichtungen hatten große Probleme mit ihrer materiellen Ausstattung; das medizinische Gerät, aber auch Küchen- und Wascheinrichtungen ließen zu wünschen übrig und die Versorgung mit Medikamenten und (insbesondere diätetischen) Lebensmitteln blieb meist unzureichend.499 Der stalinistische Alltag der Breslauer war in jeder Hinsicht beschwer­ lich und frustrierend. Der Enthusiasmus der ersten Nachkriegsjahre, in denen die Pionier-­Atmosphäre des Wiederaufbaus und die Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft viele Neu-­Breslauer noch beflügelt hatten, war bald verflogen. Das meiste kam ganz anders, als man sich erhofft hatte. Zu den Defiziten des materiellen Daseins kamen die Zwänge des geistigen Lebens, die Einschränkungen der persön­lichen Freiheit, der intellektuellen Entfaltung, des religiösen Bekenntnisses (in einer im Übrigen wieder überwiegend katho­lisch gewordenen Stadt). Die acht Hochschulen – neben der Universität und Technischen Hochschule waren Spezialhochschulen für Medizin, Landwirtschaft, Wirtschaft, Sport, Musik und Kunst errichtet worden – und ihre rund 15.000 Studierenden und 2500 Mitarbeiter wurden an einer sehr kurzen ideolo­gischen Leine gehalten. Das kulturelle Leben

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stagnierte; schon 1949 wurde die gerade erst begründete Philharmonie vorü­ bergehend wieder aufgelöst, seit 1950 verließen bedeutende Schriftsteller wie Stanisław Dygat oder Wojciech Żukrowski die Stadt, die kulturell zusehends verprovinzialisierte. Mitte der 1950er Jahre war die Unzufriedenheit allgemein groß. Die zaghaften und inkonsequenten Versuche der Staatsführung, gegen Ende des ersten Sechsjahresplans (1950 – 1955) gewisse Kurskorrekturen vorzunehmen, vermochten die Probleme nicht spürbar zu lindern. Der Lebens­standard blieb unverändert niedrig, ja Preiserhöhungen, stagnierende Löhne, ungerechte Steuertarife und die Anhebung der Produk­tionsnormen ­erschwerten das Leben nur noch mehr. So fanden die seit Stalins Tod aus Moskau kommenden Signale einer vorsichtigen Entstalinisierung auch in der polnischen Bevölkerung wachsende Resonanz. Offen erörtert wurden die bestehenden Probleme in Breslau wie im ganzen Land allerdings erst nach Bekanntwerden der Geheimrede Nikita Chruščevs vom Februar 1956. Die erstaun­liche Abrechnung des Sowjetführers mit dem Stalinismus, die in Breslauer Parteigremien schon ab 23. März 1956 diskutiert wurde, wirkte wie eine Initialzündung. Sie setzte eine Debatte in Gang, die das System erstmals grundlegend erschütterte und vorübergehend einen Hauch von Freiheit durch die polnische Gesellschaft wehen ließ. In Breslau waren es vor allem Studierende, die in ihren Klubs heftig diskutierten, auf Versammlungen und in der Presse insbesondere eine radikale Erneuerung der Lehrinhalte forderten und das Monopol des regimetreuen Polnischen Jugendverbandes ins Wanken brachten. Ihre aktivsten Vertreter gehörten zumeist selbst der Partei und dem Jugendverband an und strebten keineswegs eine Beseitigung des Systems, sondern eine Verbesserung des Sozialismus an. Ende Juni 1956 wurden auch die Breslauer Arbeiter aktiviert. Sie solidarisierten sich mit Posener Arbeitern, die aus Protest gegen Normerhöhungen und eine ungerechte Besteuerung beziehungsweise für Lohnerhöhungen und Preissenkungen zunächst betriebsintern gestreikt hatten, anschließend aber, als ihre Forderungen kein Gehör fanden, in einem großen Demonstra­tionszug, dem sich die Belegschaften weiterer Betriebe anschlossen, vor das Gebäude des Wojewodschafts-­Parteikomitees gezogen waren. Als der Arbeiterprotest am 28. Juni zu einer gewalt­samen Auseinandersetzung eskalierte, bei der die Arbeiter auch politische Forderungen

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erhoben, rief die Staatsführung die Armee zur Hilfe, die den Aufstand mit 10.000 Soldaten und 400 Panzern blutig niederschlug.500 Im größten Breslauer Werk, der Pafawag, scheint man bereits am 26. Juni von den Posener Protesten gewusst zu haben. Dennoch traten die Breslauer Arbeiter ihrerseits nicht mit öffent­lichen Streiks oder Demonstra­tionen hervor, auch wenn sie von den gleichen Problemen umgetrieben wurden wie ihre Posener Kollegen und deren Forderungen teilten. Ihr Unmut blieb innerhalb der eigenen Fabrikmauern. Gleichwohl tauchten in der Stadt Flugblätter auf, auf denen es beispielsweise hieß: „Solidarisieren wir uns mit der Posener Arbeiterklasse – überlassen wir unsere Kinder und Rentner nicht dem Hungertod durch die sowjetische Besatzung.“501 Manche Parteimitglieder gaben ihr Parteibuch zurück, um gegen die Harthörigkeit der Parteiführung zu protestieren. Das Posener Blutbad hatte landesweit einen großen Schock ausgelöst, die Reformdebatte aber nicht mehr eindämmen können. Über den Sommer gärte es sowohl in den Parteigremien wie in der Bevölkerung weiter. Überall wurde heftig diskutiert, bis es im Oktober mit der Wiedereinsetzung Władysław Gomułkas als Parteichef, der Freilassung des seit September 1953 inhaftierten Primas Stefan Wyszyńskis, einem gewissen Rückzug der sowjetischen Präsenz im Land und diversen Reformversprechen zu einer Auflösung der Spannungen und einer vorübergehenden Verständigung ­zwischen Partei und Gesellschaft kam. In Breslau waren es wiederum Studierende, die besonders aktiv wurden und seit Anfang Oktober in Demonstra­tionen und Versammlungen nicht nur gegen den Militärdienst und die Ideologisierung ihres Studiums protestierten, sondern auch poli­ tische Forderungen erhoben. Vehement traten sie für demokratische Reformen, die Aufhebung der Zensur, die Entfernung von Hardlinern aus Partei und Regierung, für den Ausbau der betrieb­lichen Selbstverwaltung und die Wahrung der na­tionalen Souveränität gegenüber sowjetischer Einmischung ein. Nach wie vor ging es ihnen nicht um einen Systemsturz, vielmehr unterstützten sie „jenen Teil der Partei- und Regierungsführung, der die Ansicht vertritt, dass der Prozess der Demokratisierung vertieft werden, aber unser Land volle Souveränität genießen müsse und die Beziehungen ­zwischen den Ländern unseres Lagers auf die unantastbaren Prinzipien des proletarischen Interna­tionalismus und der Völkerfreundschaft gestützt

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werden müssen.“502 So fanden ihre Forderungen auch den Weg in Parteimedien und -gremien, wo sie lebhaft diskutiert wurden. Ihre fortgesetzten Manifesta­tionen – die größte führte am 22. Oktober in der Technischen Hochschule etwa 10.000 Teilnehmer zusammen – fanden in der breiteren Stadtbevölkerung Sympathie, aber wenig aktive Unterstützung. Die Arbeiter diskutierten hinter ihren Fabrikmauern weiterhin vor allem unter sich, bildeten eigene Revolu­tionskomitees und forderten in ihren Resolu­tionen die Einrichtung einer weitreichenden Arbeiterselbstverwaltung. Eine wichtige öffent­liche Rolle übernahm die Breslauer Presse, die nach der Lockerung der Zensur um zwei engagierte Blätter – die „Nowe Sygnały“ (Neuen ­Signale) und die „Poglądy“ (Ansichten) – ergänzt wurde. Ein Teil der bisher linientreuen Journalisten setzte sich nun sichtbar für Veränderungen ein und gab damit manchem Breslauer ein Beispiel. Nach der um den 21. Oktober herum erfolgten Neuausrichtung der Warschauer Parteiführung wagten auch die Breslauer lokalen und regionalen Parteiinstanzen, intensiver über die bisherigen politischen Defizite, damit verbundene Personalfragen und neue Lösungen zu diskutieren. Dabei machten sie sich einzelne Forderungen der Arbeiter und Studierenden zu Eigen, nahmen aber zunächst keine wesent­lichen personellen Veränderungen vor. Dass die Breslauer Gesellschaft wie die des ganzen Landes auch nach Gomułkas triumphalem Warschauer Auftritt vom 24. Oktober nicht zur Ruhe kam, war frei­lich weniger darauf zurückzuführen, dass die für die bisherige Misere verantwort­lichen Parteibürokraten an ihren Posten klebten. Was die Breslauer vielmehr weiter mobilisierte, war der am 23. Oktober – im Übrigen als studentische Solidaritätsdemonstra­tion für die polnischen Reformen – in Gang gesetzte Massenprotest der ungarischen Bevölkerung. Die sich in den letzten Oktobertagen in Ungarn vollziehenden, auf einen Systemumsturz zulaufenden Ereignisse elektrisierten ganz Polen und mobilisierten auch die Breslauer zu zahlreichen Solidaritätsadressen. Als die ungarische Revolu­tion in die blutige Konfronta­tion mit der sowje­ tischen Armee mündete, wurde in Breslau nicht nur vehement gegen die sowjetische Interven­tion protestiert, sondern auch zu Blut-, Sach- und Geldspenden aufgerufen. Bis zum 25. November sammelten die Breslauer, denen es wirtschaft­lich wahr­lich nicht gut ging, für das Ungarische Rote Kreuz nicht weniger als 2.169.336 Złoty; überdies spendeten sie 137 Liter

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Blut und 48 Liter Plasma für die im Verlauf des November niedergerungenen ungarischen Aufständler.503 In den polnischen PZPR-Gremien und staat­lichen Ämtern wurden unterdessen weitere Personalwechsel vorgenommen sowie ideolo­gische Zugeständnisse gemacht; unter anderem wurde den Arbeitern eine gewisse Selbstverwaltung in innerbetrieb­lichen Arbeiterräten, den Studierenden eine alternative Jugendorganisa­tion zugestanden. Geschickt kanalisierte die Parteiführung den gesellschaft­lichen Protest der vergangenen Monate in neue Institu­tionen, die sie ­später leicht wieder umgestalten konnte, sodass sie für ihren Machtanspruch beziehungsweise das sozialistische System keine grundsätz­liche Bedrohung darstellten. Einstweilen gab sich die Gesellschaft mit den vorgenommenen Veränderungen, die immerhin eine dauerhafte Ablösung der stalinistischen Variante des Sozialismus bedeuteten, zufrieden und kehrte im Laufe des Dezembers wieder in ihren Alltag zurück. Dieser Alltag war in den ausgehenden 1950er, frühen 1960er Jahren von einem verhaltenen Optimismus geprägt. Im Rahmen einer sogenannten Kleinen Stabilisierung gelang es der Staats- und Parteiführung, zahlreiche Probleme zu lindern. Die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft wurde aufgegeben beziehungsweise rückgängig gemacht, der Nachkriegswiederaufbau konnte im Wesent­lichen abgeschlossen, der Dienstleistungssektor trotz forcierter Industrialisierung belebt, die Versorgung trotz urbanis­tischer Expansion sichergestellt und die Gesellschaft insgesamt zu einem Arrangement mit dem System bewegt werden. Das politische Leben b ­ ewegte sich in vertrauter Routine, bei der Wahlen zum landesweiten Sejm ebenso wie zum Städtischen Na­tionalrat stets eine Wahlbeteiligung von 95 % und 98 % Ja-­Stimmen für die von der Partei aufgestellten Kandidaten aufwiesen. Nur in einigen kleinen Nischen, den Teilöffent­lichkeiten von Berufsverbänden, Intellektuellenzirkeln und Zeitschriften, war ein offeneres Politisieren mög­lich. Der Lebensstandard konnte gegenüber den frühen 1950er Jahren leicht angehoben werden, blieb aber vergleichsweise niedrig, zumal in einem Zentrum wie Breslau, dessen Bevölkerung 1965 auf eine halbe Million (474.200 dauerhaft registrierte und rund 30.000 befristet gemeldete) Einwohner angewachsen war. Die Stadt wies Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre den höchsten Bevölkerungszuwachs des Landes auf; seine natür­liche Geburtenrate übertraf jene Warschaus um

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das Vierfache, jene Posens um das Zweifache.504 Das Wohnraumproblem blieb damit eines der brennendsten Probleme der Stadt. Aber auch jenseits des jahrelangen Wartens auf die Zuteilung einer Wohnung und der Zumutungen des Wohnens in verfallenden Altbauten oder halb fertiggestellten, in dürftiger Qualität ausgeführten Neubauten blieb der Breslauer Alltag von den Unzuläng­lichkeiten der sozialistischen Planwirtschaft geprägt. Immerhin sorgte ein sich nach 1956 belebendes kulturelles Leben dafür, dass die Frustra­tionen und Absurditäten ­dieses Alltags in Literatur, bildender Kunst, Musik, Film und Theater ein produktives Ventil oder eine willkommene Ablenkung fanden. Mitte der 1960er Jahre gab es in der Stadt 33 Kinos, über 100.000 Radio­ empfänger und etwa 65.000 Fernsehapparate. Eher als das noch junge, stärker der Warschauer Zensur unterworfene Fernsehen vermochte das Breslauer Radio mit seinen Regionalmagazinen, Reportagen und Satiren gelegent­lich kritische Sendungen auszustrahlen. Auch in den Breslauer Filmstudios, deren Infrastruktur seit Mitte der 1950er Jahre die Produk­tion von jähr­lich sechs bis acht Spielfilmen ermög­lichte, wurden eine Reihe von Filmen gedreht, die die polnische Wirk­lichkeit kritisch reflektierten. Dabei entstanden interna­ tional beachtete Meisterwerke wie Andrzej Wajdas „Asche und Diamant“ (1958), Wojciech Has’ „Die Handschrift von Saragossa“ (1964) oder Sylwester Chęcińskis Kult-­Komödie „Sami Swoi“ über die Wiedergewonnenen G ­ ebiete und ihre ostpolnischen Neusiedler (1967). Weniger herausragende, den provinziellen Kontext hinter sich lassende Einzelwerke brachten Literatur und bildende Kunst hervor, während sich das intensivierende Breslauer Musikleben immerhin in der Etablierung einer Reihe von bis heute erfolgreichen Festivals (Festival der polnischen Gegenwartsmusik, Tage der Orgelmusik, Wratislavia Cantans, Jazz an der Oder) niederschlug.

Ein Breslauer Künstler – Henryk Tomaszewski Der Bereich, in dem Breslau in den 1960er Jahren in erster Linie für künstlerische Furore sorgte, war das Theater. Neben dem tradi­tionellen Repertoire­ theater, das im Polnischen Theater (Teatr Polski) und im Gegenwartstheater (Teatr Współczesny) dargeboten wurde, entfalteten sich experimentierfreudige Studententheater wie das 1958 gegründete Avantgardetheater

Ein Breslauer Künstler – Henryk Tomaszewski

Kalambur und das seit 1963 an der Technischen Hochschule aktive Gest. Ein Jahr ­später zog auf Einladung des Breslauer Städtischen Na­tionalrates das 1959 in Oppeln von Ludwik Falszen und Jerzy Grotowski gegründete Theater-­Laboratorium nach Breslau. Das auch als Forschungsinstitut für Theater- und Schauspielkunst angelegte Haus entwickelte revolu­tionär neue Theaterformen. Sie strebten ein „armes Theater“ an, das völlig ohne Requisiten (Schminke, Kostüme, Bühnenbild, Beleuchtung) auskommen und allein die Kunst des Schauspielers ins Zentrum stellen sollte.505 Künstlerisch nicht weniger umstürzend war auch die zweite, interna­tional wirkmächtige Breslauer Theater-­Innova­tion – das Pantomimentheater Henryk Tomaszewskis. Henryk Tomaszweski war neben Jerzy Grotowski wohl der bedeutendste polnische Theaterkünstler des 20. Jahrhunderts.506 Als Sohn einer deutsch-­ polnischen Familie kam er am 20. November 1919 in Posen als Heinrich König zur Welt, wuchs zweisprachig auf und war bis an sein Lebensende in der deutschen Sprache und Kultur ebenso zu Hause wie in der polnischen. Nach dem Abitur, das er 1938 an einem Posener Wirtschaftslyzeum ablegte, betätigte er sich zunächst als Handelskaufmann. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete er als Büroangestellter in der Gnesener Filiale einer Firma aus Inowrocław (Hohensalza) und ab 1942 in einer Papierfabrik im Brandenbur­gischen Nauen. Während sich seine ­Mutter (der Vater war 1942 verstorben) und sein älterer Bruder Johannes nach Kriegsende als Deutsche in München niederließen, kehrte Heinrich König 1945 nach Polen zurück, nahm den Familiennamen seiner polnischen Großmutter an und verbarg fortan seine deutsche Teilabstammung und -identität, auch wenn er bis ins hohe Alter seine privaten Notizen, Arbeits- und Regieentwürfe lieber auf Deutsch machte. In Krakau absolvierte er bei dem Theaterdirektor Iwo Gall eine Schauspielausbildung, nahm Tanzunterricht und befasste sich 1946/1947 als Mitarbeiter des Polnischen Akademischen Theaters, eines satirischen Amateurtheaters, mit pantomimischen Szenen und choreografischen Bearbeitungen; gleichzeitig studierte und tanzte er im Polnischen Ballet des Tänzers und Choreografen Feliks Parnell. Bald darauf erhielt er ein Engagement an der Breslauer Oper, wo er seit 1948 in zahlreichen Tanzrollen brillierte. Besonderen Jubel löste er mit seiner Interpreta­tion des Pfau in dem Ballet „Der Pfau und das Mädchen“ (Paw i dziewczyna) aus,

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das der aus Lemberg stammende polnische Komponist Tadeusz S ­ zeligowski eigens für Tomaszewski geschrieben hatte. Als er im Mai 1955 bei den 5. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Warschau für seine Rolle in der mimischen Studie „Der Virtuose“ beziehungsweise „Der Pianist“ von einer interna­tionalen Jury mit der Silbermedaille ausgezeichnet wurde, nahm er dies als Anstoß, sich mit einer eigenen Pantomimentruppe selbständig zu machen. Er sammelte einige junge Schauspieler und Tänzer, talentierte Studenten und Sportler um sich und begann in einem Garde­ robenraum des Polnischen Theaters mit der Arbeit. Am 4. November 1956 konnte er auf dessen Bühne ein erstes Programm präsentieren. Es bestand aus vier Pantomimischen Bildern, die Tomaszewski unter anderem auf der Grundlage von Victor Hugos „Glöckner von Notre Dame“ und Nikolai Gogols „Der Mantel“ adaptiert und inszeniert hatte. Die Gogol-­ Adapta­tion wurde ein Jahr s­ päter anläss­lich der 6. Weltjugendfestspiele mit großem Erfolg auch in Moskau gezeigt; sowohl die Inszenierung als ­ rsten Preis und auch Tomaszewski als Hauptdarsteller wurden mit dem E einer Goldmedaille ausgezeichnet. Nach ­diesem interna­tionalen Erfolg wurde ­Tomaszewskis Pantomimen-­Studio zu Beginn des Jahres 1958 in ein professionelles Thea­ter umgewandelt. Als Breslauer Pantomimentheater erhielt es fortan vom Städtischen Na­tionalrat eine dauerhafte Finanzierung und konnte in e­ igene Räum­lichkeiten einziehen. Noch im gleichen Jahr trat die Truppe in Budapest und London auf; 1959 wurde das Theater in eine staat­liche Kultureinrichtung umgewandelt, die im Oktober 1969 ihren heutigen Sitz in der Aleja Dębowa 16 bezog. Mit seinem Pantomimentheater wollte Tomaszewski bewusst etwas gänz­lich Neues schaffen, nicht – wie er ­später betonte –, „um sich gegenüber anderen abzuheben, sondern um sich selbst auszuprobieren“.507 Tatsäch­lich hat er „auf gänz­lich neuem, völlig unberührtem Terrain gearbeitet“ und genau darin seine Chance gesehen: „Man zog keinerlei Tradi­tion, keinerlei Ballast, keinen Kanon, keine Muster, keine Empfehlungen hinter sich her. […] es war ein Arbeiten im Dunklen, wo nichts getestet war, alles von Grund aus ausprobiert werden musste, wo man etwas von Null aufbauen musste.“508 Das Breslau der 1950er und 1960er Jahre, diese aus den Ruinen wiedererstehende, zugleich ganz neue Stadt war zweifellos der richtige Ort für einen solchen Aufbruch. Er führte zu einer innovativen Bühnenkunst,

Ein Breslauer Künstler – Henryk Tomaszewski

Abb. 16  Szene aus einer Inszenierung nach Georg Büchners „Woyzeck“ 1959, 2.v. r. als gebeugter Woyzeck: Henryk Tomaszewski

zu einer neuartigen Kommunika­tion mit dem Zuschauer, die sich neben ganz eigenen pantomimischen, tänzerischen und schauspielerischen Ausdrucksformen eines besonderen Körpereinsatzes bediente. Tomaszewski ließ die klas­sischen Muster, die franzö­sische puristische Pantomime eines Étienne Marcel Decroux und Marcel Marceau, die amerikanische Burleske, die tschechische Clownerie und die italienische Commedia dell’arte hinter sich. Er schuf ein Bewegungstheater, das ohne Worte oder filmische Projek­ tionen, allein durch Bewegung, Gesten, Gesichts- und Körperausdruck reale und fiktive Träume, Hoffnungen, Empfindungen und Erinnerungen auf die Bühne zu bringen vermochte. Die Besonderheit ­dieses Bewegungstheaters, das auch mit seinen eindrück­lichen Massenszenen faszinierte, lag nicht nur darin, dass es gänz­lich anders als andere Theaterdarbietungen war, sondern auch darin, das jede einzelne seiner Vorstellungen sich von der vorhergehenden unterschied, mithin ein im Wortsinn einmaliges Erlebnis war.

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Die frühen, zumeist Ausschnitte aus literarischen Vorlagen (u. a. aus Kafkas „Der Prozess“, Büchners „Woyzeck“) umsetzenden Inszenierungen waren in ihrer Charakterisierung, Kostümierung und Dekora­tion von einer geradezu grotesken Deforma­tion gekennzeichnet. Sie waren ganz augenschein­lich vom deutschen Expressionismus, etwa dem Ausdruckstanz Mary Wigmans und dem expressionistischen Ballet Kurt Jooss’ inspiriert. In seinen späteren, inhalt­lich voll ausgebauten, mit histo­rischen Bühnenbildern ausgestatteten Inszenierungen machten sich Einflüsse der Pantomimen Max Reinhardts, aber auch der multimedialen Spektakel des amerikanischen Tänzers und Choreographen Alwin Nikolais bemerkbar, der gerade in den 1950er–1960er Jahren in Europa Aufmerksamkeit erregte und den Tomaszewski mög­licherweise auf einem seiner zahlreichen Auslandsgastspielen getroffen hat. Tatsäch­lich waren die spektakulären Aufführungen der Tomaszewksi-­Truppe zum Leidwesen der Breslauer bald mehr im Ausland als in Breslau selbst zu sehen. Mit der Premiere von „Der Streit“, einer Adapta­tion der Komödie des franzö­ sischen Frühaufklärers Pierre Carlet de Marivaux, feierte Tomaszewskis Truppe am 24. Juni 1978 nach Auftritten in 28 Ländern und fünf Kontinenten ihre 2500. Aufführung. Selbst bis 1962 auftretend hat der Breslauer Tänzer und Mime, der bis 1959 noch elf große Rollen an der Breslauer Oper getanzt hat, bis 1999 in seinem Pantomimentheater insgesamt 24 Programme realisiert. Er hat mit seiner Vision und seinem Enthusiasmus Scharen junger talentierter Künstler angezogen und sie regelmäßig auch in einer förm­lichen Ausbildung zu professionellen Schauspieler-­Pantomimen weitergebildet. Seit 1964 arbeitete er auch als Regisseur für das Sprech- und Musiktheater, inszenierte mit großem Erfolg in Breslau und anderen polnischen Städten, aber auch an Theater- und Opernhäusern in Oslo, Amsterdam, Stockholm, Köln, Leipzig, Kopenhagen und Mailand. Dabei nahm er sich insbesondere solcher Stücke an, die die Welt ähn­lich sahen wie er, die er als Visionen an der Grenze zum Traum jenseits jeden Realismus interpretieren konnte. Der mit zahlreichen in- und ausländischen Ehrungen und Preisen ausgezeichnete Künstler, dem die Stadt Breslau 2016 ein eigenes Museum eingerichtet hat, starb am 23. September 2001 in seinem Sommerhaus im niederschle­sischen Krummhübel.

Opposition und Solidarität

Opposition und Solidarität Die avantgardistischen Freiräume des Breslauer Theaters haben die Menschen über das Grau des Alltags nicht hinweggetäuscht. Ihre Lebenswirk­ lichkeit blieb von Stagna­tion und materiellen Härten geprägt und schloss weiterhin jede authentische politische und ­soziale Aktivität aus. So stauten sich Unmut und Unzufriedenheit zu einem Protestpotenzial, das die Kleine Stabilisierung der 1960er Jahre früher oder ­später ins Wanken bringen musste. Die ersten, die nach zwölf Jahren gesellschaft­lichen Stillhaltens, erneut den offenen Protest wagten, waren die Studenten. Im Februar/ März 1968 solidarisierten sie sich mit Warschauer Studierenden und Intel­ lektuellen, die gegen die Absetzung einer Inszenierung der „Ahnenfeier“ (Dziady) des polnischen Na­tionaldichters Adam Mickiewicz auf die Straße gegangen und von der Miliz brutal niedergeknüppelt worden waren. Das im frühen 19. Jahrhundert angesiedelte Versepos hatte das Publikum mit seinen gegen die damalige rus­sische Teilungsmacht gerichteten Szenen zu Beifallsstürmen veranlasst, die von der Staatsmacht (durchaus richtig) als antisowjetische Manifesta­tion gedeutet worden waren. Durch die Warschauer Ereignisse aufgebracht diskutierten die Breslauer Studierenden heftig mit ihren Rektoren und lokalen Parteivertretern, verabschiedeten Resolu­tionen, verbreiteten Flugblätter und Losungen, die unter anderem auf die zeitgleiche tschechoslowakische Reformbewegung des Prager Frühlings Bezug nahmen.509 Zudem bemühten sie sich, die Breslauer Arbeiterschaft für ihre Forderungen nach ehr­licher Informa­tionsvermittlung, offener Diskussion über die gesellschaft­lichen Probleme sowie nach Freilassung der inhaftierten Demonstranten zu gewinnen. Doch scheiterten diese Bemühungen ebenso wie ihre Versuche, den Protest aus den Hochschulen auf die Straße zu tragen. Ansätze zu Straßendemonstra­tionen wurden von der Miliz umgehend zerschlagen. Unterdessen versammelte die Partei am 18. März fast 50.000 Aktivisten zu einer gewaltigen Gegendemonstra­tion, auf der Władysław Piłatowski, der Erste Sekretär des Breslauer Wojewodschaftskomitees, den ganzen Aufruhr einer kleinen Gruppe von „zionistischen Provokateuren“ in die Schuhe schob. Wie in Warschau schlug die Verfolgung der protestierenden Studenten in eine antisemitische Kampagne um. In ihr verbanden sich innerpartei­liche Frak­tionskämpfe, die außenpolitische Anti-­Israel-­Allianz

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des Sowjetblocks und die tradi­tionelle polnische Judenfeindschaft zu einem schwer entwirrbaren Motiva­tionsknäuel antijüdischer Ausschreitungen, die oft nicht einmal von oben initiiert, sondern von der Parteibasis entfacht wurden. Überall im Land „entlarvte“ man „revisionistisch-­ zionistische Elemente“ – was nichts anderes bedeutete, als dass polnische Staatsbürger jüdischer Herkunft aus der Partei ausgeschlossen, ihrer politischen und beruf­lichen Posi­tionen beraubt und in großer Zahl zur Emigra­tion gezwungen wurden.510 In Breslau blieben anschließend nur wenige Dutzend jüdische Polen zurück. Dabei war die Stadt zunächst eines der größten Zentren ­jüdischen Nachkriegslebens in Polen gewesen.511 Von den rund 30.000 aus den Konzentra­tionslagern geretteten und aus verschiedenen Teilen der Welt, insbesondere der Sowjetunion repatriierten jüdischen Menschen, die in Niederschlesien einen neuen Anfang wagten, lebten 1946 über 16.000 im polnisch gewordenen Breslau. Allerdings nahm ihre Zahl angesichts der anhaltenden Judenfeindschaft, die sich 1945/1946 unter anderem in blutigen Pogromen entlud, rasch ab; 1948 hatten bereits 3800 Juden die Stadt in Richtung Übersee wieder verlassen; 1960 lebten in ganz Niederschlesien nur noch etwa 7000 – 8000, in Breslau 1963 noch etwa 2000 Polen jüdischer Herkunft. Das Leben der Breslauer Gemeinde konzentrierte sich um die Synagoge zum Weißen Storch in der Wallstraße, die 1938 aufgrund ihrer bau­lichen Lage in einer dichten Hinterhofbebauung dem NS-Pogrom entgangen war. Mit dem Schrumpfen der jüdischen Gemeinde, die dadurch zusehends in finanzielle Bedrängnis geriet, begann die Synagoge in den frühen 1960er Jahren zu verfallen. Sie wurde ein Opfer von Vandalismus und Ende August 1966 von den Behörden wegen Baufälligkeit geschlossen. Alle Anträge der Gemeinde, sie wieder herzustellen, wurden von den Breslauer und Warschauer Behörden abgelehnt. Nach dem Exodus von 1968 verfiel das 1974 von der Stadt beschlagnahmte, nun immerhin als Baudenkmal registrierte Gebäude weiter. Erst ab Mitte der 1990er Jahre sollte es seine Wiedergeburt erleben, nachdem es 1992 zunächst von einem privaten Investor erworben und erst nach langen Verhandlungen der jüdischen Gemeinde zurückgegeben worden war. Als es im Mai 2010 schließ­lich wieder als Synagoge feier­lich eröffnet wurde, zählte die Breslauer jüdische Gemeinde fast wieder 1000 Mitglieder.

Opposition und Solidarität

Abb. 17  Die Synagoge zum Weißen Storch im August 1987

Nach der Niederschlagung der März-­Proteste war das akademisch-­ wissenschaft­liche Milieu zunächst für eine Weile pazifiziert. Die Arbeiterproteste und Streiks, die im Dezember 1970 in Reak­tion auf plötz­liche Preiserhöhungen die Werften an der Ostseeküste erschütterten, Władysław Gomułka zum Rücktritt zwangen und mit Edward Gierek einen neuen Hoffnungsträger an die Parteispitze beförderten, blieben an den Breslauer Hochschulen denn auch ohne Resonanz. Auch die Breslauer Arbeiterschaft reagierte nur zaghaft auf die Streiks und die Gerüchte von deren brutaler Niederschlagung; ledig­lich einige Hundert Arbeiter unternahmen den erfolglosen Versuch, auch an der Oder einen größeren Streik zu organisieren. Die Mehrheit blieb ruhig und ließ sich von den Versprechungen des neuen Parteichefs einnehmen. Tatsäch­lich gelang es Edward Gierek mithilfe west­licher Kredite, die der Volksrepublik im Zuge der seit 1970 intensivierten Entspannungs­ politik gewährt wurden, den Lebensstandard kurzfristig anzuheben. Doch der Aufschwung, der auch neue städtebau­liche Investi­tionen ermög­lichte (Farbtafel 22), erwies sich als Scheinblüte. Schon um die Mitte der 1970er Jahre verflogen die Hoffnungen, traten die kaschierten Symptome der

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strukturellen Wirtschaftskrise erneut und nun umso dramatischer zutage. Die Versorgungslage verschlechterte sich von Tag zu Tag; schließ­lich mussten wieder Lebensmittelkarten eingeführt werden. Zugleich verloren viele Breslauer die Hoffnung, jemals eine eigene Wohnung beziehen zu können. Die inzwischen fast 600.000 Einwohner zählende Stadt war jung; ihr Durchschnittsalter lag bei 28 Jahren und die Geburtenrate war hoch. Selbst der seit 1971 forcierte Plattenbau konnte trotz zehntausender neu geschaffener Wohnungen den hohen Wohnungsbedarf nie decken (Farbtafel 23); 1980 war das Wohnraumdefizit mit 44.000 Wohnungen doppelt so hoch wie 1965.512 Neben den Versorgungsproblemen erzürnten die Menschen aber vor allem der Zynismus und die Arroganz der Staatsmacht, die den drückenden Alltag beständig schönredete und allen Realitäten zum Trotz unabläss­lich nur ihre ‚Erfolge‘ pries. Doch erst als die Parteiführung im Juni 1976 eine weitere drastische Erhö­hung der Lebensmittelpreise beschloss, entlud sich die gesellschaft­liche Unzufriedenheit in Breslau – wie im ganzen Land – in offenem Aufruhr. Auf die Proteste und Streiks der Arbeiter reagierten die Machthaber diesmal nicht mit Panzern und Gewehren, sondern mit Massenentlassungen, Versetzungen in schlechtere Posi­tionen, der Streichung aus den Wartelisten für Wohnungen und mit Gerichtsverfahren. Neu war auch, dass den verfolgten Arbeitern nun die Hilfe engagierter Wissenschaftler, Publizisten und Rechtsanwälte zuteil wurde. Im September 1976 gründeten 14 Intellektuelle in Warschau das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników ‒ KOR), womit jenes Opposi­tionsbündnis z­ wischen Arbeitern und Intellektuellen angebahnt wurde, das zur entscheidenden Grundlage des späteren Erfolgs der Solidarność-­Bewegung wurde. In Breslau erhielt das KOR vor allem im Hochschulmilieu Unterstützung. Anfang Juni 1977 meldeten sich 33 Professoren und Dozenten in einem Offenen Brief zu Wort, indem sie die Freilassung inhaftierter KOR-Mitglieder und eine Amnestie für die nach dem Juni 1976 verurteilten Arbeiter forderten. Um den kleinen Kreis dieser Protestler begann sich ein opposi­ tionelles Milieu zu formieren, das Kontakt zu anderen Opposi­tionsgruppen im Land aufnahm und nicht zuletzt bei Studierenden Rückhalt fand. Die Studentenschaft wurde im Sommer 1977 landesweit durch das Schicksal des Studenten Stanisław Pyjas aufgebracht. Der Krakauer Student

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war tot in einem Hausflur aufgefunden worden, woraufhin sogleich der polnische Sicherheitsdienst in Verdacht geriet, den opposi­tionellen Studenten ermordet zu haben. Nach dem Vorbild des spontan gebildeten Krakauer Studentischen Solidaritätskomitees (Studencki Komitet Solidarności ‒ SKS) schlossen sich im Dezember 1977 auch in Breslau rund zweihundert Studierende zusammen. Das Breslauer SKS forderte neben der Freilassung der inhaftierten Opposi­tionellen auch bereits eine autonome Hochschulselbstverwaltung sowie eine Reform der Curricula, rief zu einem Wahlboykott auf und publizierte im sogenannten Zweiten Umlauf, das heißt in einer illegalen Untergrundpresse Flugblätter, Zeitschriften und ganze Bücher. In Verbindung mit der Anfang 1978 in Warschau gebil­deten Gesellschaft für wissenschaft­liche Kurse (Towarzystwo Kursów Naukowych ‒ TKN), für die sich auch in Breslau Professoren wie Mirosława Chamcówna, Roman Duda, Stanisław Hartman und andere engagierten, organisierte das SKS geheime Diskussions- und Lehrveranstaltungen. In den Veranstaltungen dieser Fliegenden Universität traten auch führende Opposi­tionelle aus der Hauptstadt wie Jacek Kuroń oder Jan Józef Lipski auf.513 Auf Kurońs Vorschlag hin gründeten die Breslauer am 3. Mai 1979 eine lokale Filiale des inzwischen zu einem Komitee der gesellschaft­lichen Selbstverteidigung (Komitet Samoobrony Społecznej ‒ KSS) weiterentwickelten KOR – das Breslauer KSS. ­Seine (bis 1989 in einer Auflage von 2000 – 10.000 Exemplaren fast ununterbrochen erschienene) Monatsschrift, das „Biuletyn Dolnośląski“, entwickelte sich rasch zu einem publizistischen Sammelbecken der gesamten Breslauer Opposi­tionsbewegung, deren d ­ iverse Gruppierungen sich überdies – eine landesweite Besonderheit – in einem Einheitsrat vernetzten. Erheb­lichen Rückhalt fanden sie dabei auch in kirch­lichen Kreisen, etwa in den Vorträgen, die seit Herbst 1978 unter bischöf­lichem Patronat vom Hauptzentrum für akademische Seelsorge und Mitgliedern des Klubs der Katho­lischen Intelligenz (KIK – Klub Inteligencji Katolickiej) organisiert wurden. Im Juli 1980 löste eine weitere Erhöhung der Lebensmittelpreise eine erneute Streikwelle aus. Sie begann in Niederschlesien zunächst in den Kupfergruben um Glogau, erfasste ab 24. Juli aber auch Breslauer Großbetriebe wie Fadroma, Pafawag, Archimedes, Hutmen, Dolmel und Elwro sowie die Städtischen Verkehrsbetriebe.514 Wie überall im Land handelte

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es sich um Einzelak­tionen der jeweiligen Belegschaften, die umgehend beendet wurden, sobald den Streikenden zugesagt wurde, ihre Löhne zu erhöhen und die Versorgung in den Betriebsläden zu verbessern. Da die zuständigen Stellen diesmal schnell reagierten, schienen die Streiks überall nur ein kurzes Strohfeuer zu sein. Doch mischten sich in die materiellen Streikziele bald weitergehende politische Forderungen, hinter denen die ganze Unzufriedenheit der Menschen mit den bestehenden Verhältnissen erkennbar wurde. Die Lohnstreiks schlugen in eine politische Streik­ bewegung um. Von entscheidender Bedeutung für diesen Umschwung war die Gründung eines Überbetrieb­lichen Streikkomitees (Międzyzakładowy Komitet Strajkowy ‒ MKS), zu der es am 17. August auf der Danziger Leninwerft kam. An die Spitze ­dieses Komitees trat ein schon 1970 als Streikführer hervorgetretener, 1976 aus politischen Gründen entlassener Elektriker und Aktivist der seit 1978 im Untergrund gebildeten Freien Gewerkschaften (Wolne Związki Zawodowe ‒ WZZ) – Lech Wałęsa. Unter seiner charismatischen Führung entwickelte sich das Danziger MKS, unterstützt und beraten von Warschauer Intellektuellen wie Tadeusz ­Mazowiecki und Bronisław Geremek, zum Zentrum einer fortan landesweit koordinierten Streik- und Protestbewegung. Es entwarf einen 21 Punkte umfassenden Forderungskatalog, über den es unmittelbare Verhandlungen mit Vertretern der Warschauer Regierung aufnahm. Gleichzeitig übertrugen lokale Streikinitiativen aus dem ganzen Land ungeachtet der von ihnen zuvor mit verschiedenen Regierungsstellen ausgehandelten Einzelabkommen dem Danziger Komitee das Mandat, auch in ihrem Namen so lange zu verhandeln, bis ein zufriedenstellendes Abkommen mit der Regierung erzielt sei. Um ­diesem Mandat Nachdruck zu verleihen, wurden landesweit Solidaritätsstreiks ausgerufen. Auch in Breslau, wo die intellektuelle Oppositon im „Biuletyn Dolnośląski“ und mit Flugblättern intensiv über die Ereignisse an der Ostseeküste informierte (außer in Danzig hatte sich auch in Stettin ein MKS gebildet), traten die Arbeiter in einen Solidaritäts-­ Ausstand. Er begann am Morgen des 26. August im 7. Depot der Städtischen Verkehrsbetriebe in der ul. Grabiszyńska und zog umgehend die übrigen Depots mit, sodass der öffent­liche Nahverkehr stillstand. Unterstützt von oppossi­tionellen Beratern aus den Breslauer Hochschulen und Forschungsinstituten, die sich insgesamt mit den Streikenden solidarisierten, wurde

Opposition und Solidarität

noch am gleichen Tag ein Überbetrieb­liches Streikkomitee gebildet, dem sich rasch weitere Betriebe mit Okkupa­tionsstreiks anschlossen. In einem Aufruf „An die Bewohner Breslaus“ erklärte man, den Solidaritätsstreik solange fortführen zu wollen, bis die 21 Forderungen des Danziger MKS erfüllt ­seien. Bis zum 30. August traten dem von einem 20-köpfigen Präsidium unter dem Vorsitz des Busfahrers Jerzy Piotrowski geleiteteten Breslauer MKS insgesamt 176 Betriebe bei. Gebannt verfolgten ihre im 7. Depot der Verkehrsbetriebe versammelten Vertreter am 31. August die Live-­Ü bertragung der Unterzeichnung des Danziger Abkommens. Doch erst als ihre Abgesandten am frühen Morgen des 1. September aus Danzig zurückkehrten, ihnen ein von Wałęsa signiertes Exemplar des Abkommens präsentierten und versicherten, dass es für das ganze Land, also auch für Breslau gelte, wurden die Breslauer Solidaritätsstreiks beendet. An ihnen hatte sich ein Drittel der rund 250.000 Breslauer Beschäftigten aktiv betei­ ligt, während die übrige Bevölkerung ihre Sympathie zu einem großen Teil durch Anlegen rotweißer Armbinden bekundete. In Umsetzung des Danziger Abkommens wurden die Überbetrieb­ lichen Streikkomitees in Überbetrieb­liche Gründungskomitees (Międzyzakładowy Komitet Założycielski ‒ MKZ) umgewandelt. Sie koordinierten auf der lokalen beziehungsweise regionalen Ebene die Gründung der neuen gewerkschaft­lichen Betriebsorganisa­tionen, von denen allein im Breslauer MKZ bis Mitte September 620, landesweit etwa 3500 registriert waren. Bis Ende des Monats zählte das Breslauer MKZ dann bereits 1058 betrieb­liche Gründungskomitees mit fast 250.000 Mitgliedern in ganz Niederschlesien. Damit wies die Breslauer Region nach Stettin und Nowa Huta den drittgrößten Organisa­tionsgrad auf, was ihren Vertretern landesweit erheb­liches Gewicht verlieh. Vor allem der Mediävist Karol Modzelewski, der als das ‚Gehirn‘ des Breslauer MKZ galt, konnte als Breslauer Delegierter auf Landesebene entscheidenden Einfluss auf die politische und organisato­ rische Ausgestaltung der Gewerkschaftsbewegung nehmen. Er hatte schon in den 1960er Jahren als Regimekritiker interna­tionales Aufsehen erregt, war wiederholt zu Gefängnisstrafen verurteilt worden und seit 1972 – nach vorzeitiger Haftentlassung praktisch aus der Hauptstadt verbannt – in der Breslauer Filiale des Instituts für die Geschichte der Materiellen Kultur der Polnischen Akademie der Wissenschaften tätig. Es war Modzelewski,

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Abb. 18  Lech Wałęsa spricht am 16. Juni 1981 in Breslau vor versammelten Solidarność-­Anhängern; ganz links: Karol Modzelewski; 3. v. r.: Władysław Frasyniuk

der am 17. September auf der landesweiten Gründungsversammlung den Namen Unabhängige Selbstverwaltete Gewerk­schaft Solidarität (Niezależny Samorządowy Związek Zawodowy ‒ NSZZ Solidarność) vorschlug und auf dessen intensives Betreiben hin die Delegierten gegen die Posi­ tion der Danziger Führung beschlossen, die noch ausstehende juristische Registrierung nicht in mehreren separaten Verfahren für jede einzelne regionale oder Branchen-­Gewerkschaft, sondern nur für eine landesweite Gesamtorganisa­tion durchführen zu lassen.515 Der richtige, aber nicht ungefähr­liche Gedanke dahinter war, der Staats- und Parteiführung keinerlei Mög­lichkeiten zu bieten, die einzelnen Teile der Gewerkschaftsorganisa­ tion gegeneinander auszuspielen und die Gesamtbewegung auf diese Weise nachhaltig zu schwächen. Tatsäch­lich entzündete sich um die Registrierung gleich der erste große Konflikt z­ wischen Regierung und Solidarność. Aus ihm ging am 10. ­November 1980 noch die Gewerkschaft, die zu ­diesem Zeitpunkt ­bereits acht Millionen Mitglieder zählte, siegreich hervor – sie wurde als Gesamtorganisa­tion offiziell anerkannt. Bereits deut­lich heftiger wurde um die Zulassung zweier weiterer Interessenvertretungen gerungen, einer

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unabhängigen Gewerkschaft der privaten Landwirte und eines unabhängigen Studentenverbandes. Letzterer war für den drittgrößten polnischen Hochschulstandort naturgemäß von größter Bedeutung. Noch im September 1980 errichteten 25 Breslauer Studierende folgerichtig ein Gründungskomitee für einen unabhängigen selbstverwalteten Studentenbund, der sich im Oktober unter das Dach des gerade gebildeten landesweiten Unabhängigen Studentenverbandes (Niezależne Zrzeszenie Studentów ‒ NZS) begab und im November rund 5000 Mitglieder zählte. Die offizielle Zulassung des Verbandes, der sich für größere Hochschulautonomie, Mitsprache in den Universitätsgremien, freie Wahl der Studierendenvertreter und bessere Studien- und Wohnbedingungen einsetzte, zog sich frei­lich hin und gelang erst nach zähem Kampf im Februar 1981.516 Wenig ­später brachte das Ringen um die Zulassung der Landwirte-­ Gewerkschaft das Land im März an den Rand eines offenen Zusammenstoßes. Mög­licherweise drohte gar die militärische Interven­tion der sozialistischen Bruderländer. Diese hatten bereits im Dezember 1980 im Land umfangreiche Manöver abgehalten, die den Charakter einer Interven­ tion anzunehmen drohten, aber auf Interven­tion der USA hin abgebrochen worden waren. Ob die im Frühjahr 1981 erneut durchgeführten Manöver im Fall einer tatsäch­lichen Durchführung des von der Solidarność ange­ drohten Generalstreiks der Gewerkschaftsbewegung bereits ein Ende bereitet oder der im Februar zum neuen Ministerpräsidenten ernannte General Wojciech Jaruzelski von sich aus bereits den Ausnahmezustand (das Kriegsrecht) verhängt hätte, ist schwer zu sagen. Die Gewerkschaftsführung blies den Generalstreik in letzter Minute ab und schob damit die offene Konfronta­tion ein weiteres Mal hinaus. Doch die Lage spitzte sich allmäh­lich zu. Die Regierung blieb ihre Reformversprechen weitgehend schuldig, die Partei erstarrte in innerer Zersplitterung ­zwischen Hardlinern und Reformanhängern, rüstete aber insgeheim zum Gegenschlag. Unterdessen nahmen die Versorgungsprobleme katastrophale Dimensionen an. Sie trieben die Menschen mehr und mehr in eine resignierende Verzweiflung oder verzweifelte Radikalisierung. Am Ende ließen die wiederholten Warnstreiks, Demonstra­tionszüge, landesweiten Arbeitsniederlegungen, die immer unrealistischeren Forderungen und Erwartungen der in sich zunehmend uneinigen Gewerkschaftsbewegung, die Einschüchterungen

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und Provoka­tionen der Sicherheitsdienste und die kleinen Scharmützel und größeren Zusammenstöße, die sich die Staatsmacht mit dem Volk lieferte, kaum noch Hoffnung auf eine fried­lich-­konstruktive Lösung der Probleme. Auch der Druck aus Moskau, Ost-­Berlin und Prag wurde stärker, wenngleich nach wie vor umstritten ist, ob im Dezember 1981 tatsäch­lich eine militärische Interven­tion bevorstand. So oder so sah die Parteiführung schließ­lich keinen anderen Ausweg, als am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht zu verhängen und die von der gewerkschaft­lichen Massenbewegung erkämpften Ansätze zu einer fried­lich-­evolu­tionären Weiterentwicklung des sozialistischen Systems abzubrechen – eine vollständige Ablösung des System hatte während der 16 Solidarność-­Monate niemand ernsthaft für mög­lich gehalten. Die Breslauer haben die Ausrufung des Kriegsrechts nicht völlig wider­ standslos hingenommen.517 Als eines der landesweit aktivsten Zentren der Gewerkschaftsbewegung hatten sie sich bereits seit März 1981 mit Instruk­tionen für die Untergrundarbeit und praktischen Vorkehrungen auf den Ernstfall vorbereitet. Noch wenige Tage vor dem 13. Dezember gelang es ihrem Schatzmeister Józef Pinior, das Barvermögen des Regio­ nalkomitees in Höhe von 80 Millionen Złoty in Sicherheit zu bringen. Die Eingreiftruppen des Innenministeriums (Zmotoryzowane Odwody Milicji Obywatelskiej ‒ ZOMO) schlugen in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember zu, doch konnten sich die ört­lichen Solidarność-­Führer der Verhaftung entziehen und noch am 13. Dezember zu einem Generalstreik aufrufen. Dem Aufruf folgten alle großen Breslauer Betriebe und die Hochschulen. Miliz und ZOMO begannen daraufhin, die Okkupa­ tionsstreiks mit großer Brutalität aufzulösen, brauchten aber doch eine ganze Woche, bis sie alle streikenden Belegschaften mit Panzern und Gasgranaten pazifiziert und die Betriebe geräumt hatten. Es folgten drei- bis fünfjährige Haftstrafen für die gefassten Streikführer, während sich die der Miliz entkommenen Aktivisten im Untergrund formierten. Angeführt von dem 27-jährigen Autoschlosser und Busfahrer Władysław Frasyniuk, der im Juni 1980 zum Chef der Breslauer Solidarność gewählt worden war, gelang es den Abgetauchten, wiederholt Kurz-­Warnstreiks und Straßendemonstra­tionen zu organisieren. Am 31. August 1982 gingen anläss­lich des zweiten Jahrestages der Unterzeichnung des Danziger

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Abkommens 30.000 – 50.000 Menschen auf die Straße.518 Sie wurden von der Staatsmacht gewaltsam auseinandergetrieben, wobei ein Demonstrant erschossen und sieben schwer verletzt wurden; 645 Demonstranten wurden verhaftet und auf den Polizeiwachen schwer misshandelt. Anschließend flauten die Werks- und Straßenproteste merk­lich ab. Der Widerstand verlagerte sich in die Untergrundpresse, auf Hilfsak­tionen für die Inhaftierten und Begegnungen im kirch­lichen Milieu.519 Noch im Herbst 1982 wurde Frasyniuk gefasst und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Die Untergrundaktivitäten verloren an Dynamik und die Menschen mehr und mehr den Glauben an den Sinn ihres Protestes. Ein Rückzug ins Privatleben und wachsende Apathie waren die Folge. Hoffnung bot allenfalls noch die ­Kirche, die in einem von polizei­licher Repression und katastrophalen Versorgungsmängeln geprägten Alltag allein noch ein gewisses Gefühl der Sicherheit und Stabilität zu vermitteln mochte. Die Messe, die Papst Johannes Paul II. am 21. Juni 1983 auf der Breslauer Pferderennbahn im süd­lichen Stadtteil Partynice zelebrierte, haben denn auch über 700.000 Menschen aus dem ganzen Land besucht. Die Staatsmacht fühlte sich unterdessen wieder so sicher, dass sie am 22. Juli 1983 das Kriegsrecht aufhob und ein Jahr s­ päter eine erste Amnestie erließ, die auch Frasyniuk vorzeitig auf freien Fuß brachte. Allerdings fand er nur noch wenige kampfbereite Opposi­tionelle vor, die ihn bei seinem Versuch eines Neuaufbaus der Breslauer Untergrund-­Solidarność unterstützen konnten. Schon im Februar 1985 wurde er frei­lich erneut verhaftet und zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Ende der Volksrepublik Die Repression wich dann aber doch früher als erwartet einer neuen, vorsichtigen Liberalisierung. Das im Westen hoch verschuldete, seit der Unter­drückung der Gewerkschaftsbewegung überdies mit Wirtschaftssank­tionen konfrontierte Land steuerte geradewegs in den wirtschaft­lichen Ruin. Nur rasche, tiefgreifende Reformen und eine Verständigung mit der Bevölkerung boten noch eine Chance, den Unter­ gang abzuwenden. So musste die Staatsmacht notgedrungen wieder auf das Volk zugehen, das sich längst immer öfter in Sarkasmus und

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Galgenhumor flüchtete. In Breslau zog seit Herbst 1987 insbesondere die sogenannte Orangene Alternative das Regime in spektakulären Happenings durch den ­Kakao.520 Kopf dieser Ak­tionen war der Künstler Waldemar Frydrych, der sich bereits 1980/81 als Student der Geschichte und Kunstgeschichte im Rahmen des NZS engagiert und ­später zum „Kommandanten der Festung Breslau“ ausgerufen hatte (weshalb er sich stets als „Major“ titulieren ließ). Ein Erkennungszeichen der Orangenen Alternative war die Gestalt des Zwerges. Sie war bereits in den Monaten des Kriegsrechts aufgetaucht, als die Solidarność-­Parolen auf Mauern und Häuserwänden regelmäßig von der Staatsmacht übermalt, die d ­ adurch entstehenden weißen Flecken aber sogleich von der Opposi­tion mit kleinen Zwergenzeichnungen kommentiert wurden (Farbtafel 24). Auf einem der ersten großen Breslauer Happenings karikierte Frydrych im November 1987 den Jahrestag der rus­sischen Oktoberrevolu­tion mit einem Aufmarsch von Zwergen mit orangenen Zipfelmützen. Zwerge und Zipfelmützen blieben fortan das Erkennungszeichen der Orangenen Alternative – und sind heute dank eines cleveren Marketings in Gestalt zahlloser kleiner, über die Stadt verteilter Bronzeskulpturen zur Touristenattrak­tion aufgestiegen.521 Die überwiegend von Studierenden und Schülern getragenen Ak­tionen der Orangenen Alternative bezogen selbst die Miliz in ihr surrealistisches Konzept mit ein, das alles, selbst den einzelnen Milizionär, als Kunstwerk ansah. Indem sie die Vertreter der Staatsmacht auf diese Weise lächer­lich machten, entzogen sie dem Unterdrückungsapparat eines seiner wirksamsten Instrumente – die Angst. Im gelockerten Klima der ausgehenden 1980er Jahre trat auch die Solidarność wieder offen in Erscheinung, forderte zunehmend lauter ihre Wiederzulassung und verschaffte ihrem Anspruch im April, Mai und August 1988 erstmals wieder mit Streik­ak­ tionen Nachdruck. Unterdessen gingen Regierungsvertreter weiter auf die Opposi­tion zu. Ende August 1988 traf sich Innenminister Czesław Kiszczak mit dem Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa und stellte eine erneute Legalisierung der Solidarność in Aussicht. Seinem Vorschlag, die bestehenden Probleme an einem Runden Tisch gemeinsam einer Lösung zuzuführen, standen aber zunächst noch die Hardliner in den eigenen Reihen entgegen. Sie mussten von Jaruzelski und dem inzwischen zum

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neuen Ministerpräsidenten ernannten Mieczysław Rakowski, der sogleich eine weitreichende Liberalisierung der Wirtschaft einleitete, erst mit einer Rücktrittsdrohung zum Nachgeben gezwungen werden. Schließ­lich nahmen Anfang Februar 1989 Vertreter der Solidarność und der Regierung ihre Gespräche am Runden Tisch auf, die sie nach zwei Monaten intensiver Beratungen mit einem Kompromiss erfolgreich abschließen konnten. Die wichtigsten Vereinbarungen des umfangreichen Abkommens waren die Wiederzulassung der Solidarność als freier Gewerkschaft und poli­tischer Bewegung, ihr freier Zugang zu den Massenmedien, die Durchführung von Neuwahlen zum Sejm, zudem die Durchführung von Wahlen zum Senat, der wieder eingerichteten zweiten Kammer, und die Wahl eines ebenfalls wieder eingerichteten Staatspräsidenten. Auf gänz­lich freie Wahlen wollten sich die Machthaber dabei aber noch nicht einlassen. Sowohl das Amt des Staatspräsidenten sollte Jaruzelski vorbehalten bleiben als auch 65 der Sejm-­Sitze. Ledig­lich die 100 Mandate des Senats glaubte das Politbüro einer völlig freien Wahl überlassen zu können. Das Ergebnis fiel dann mehr als eindeutig aus. Die im Bürgerkomitee Solidarność vereinte Opposi­tion gewann am 4. Juni 1989 160 der 161 frei wählbaren Sejm-­Sitze und 92 der Senatssitze; alle vier frei wählbaren Breslauer Sejm-­Mandate gingen an die Opposi­tion, während die beiden Breslauer Senatssitze von den Solidarność-­Eminenzen Roman Duda und Karol Modzelewski gewonnen wurden. In einem zweiten Wahlgang fielen am 18. Juni auch das 161. freie wählbare Sejm-­Mandat und sieben weitere Senatssitze an das Bürgerkomitee; ­damit hatte die Opposi­tion insgesamt 260 der 261 frei wählbaren Mandate errungen. Dass Jaruzelski am 19. Juli mit hauchdünner Mehrheit zum Staatspräsidenten gewählt wurde, mochte die Opposi­tion unter diesen Umständen nur mit Mühe akzeptieren. Der von ihm vorgeschlagenen Regie­rungsbildung durch den seit 1981 amtierenden Innenminister Kiszczak, der seinerzeit maßgeb­lich die Durchsetzung des Kriegsrechts verantwortet hatte, konnte sie dann aber doch nicht zustimmen. So wurde am 24. ­August einer der führenden Berater der Solidarność-­Bewegung, Tadeusz M ­ azowiecki, zum Ministerpräsidenten ernannt. Sein Kabinett war die erste nicht von Kommunisten dominierte Regierung eines Ostblockstaates seit 1948. Sie brachte umgehend zahlreiche wirtschafts- und sozialpolitische Sofortmaßnahmen auf den Weg, nahm mit dem Sejm und Senat am

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29. Dezember 1989 aber vor allem auch eine Novellierung der Verfassung vom 22. Juli 1952 vor. Die erst 1976 in die Konstitu­tion hineingeschriebene „führende Rolle der Partei“ wurde dabei ebenso gestrichen wie die besondere „Freundschaft mit der Sowjetunion“. Stattdessen verankerte man die Prinzipien des demokratischen Rechtsstaats, des politischen Pluralismus und der Freiheit des Wirtschaftslebens, benannte die „Volksrepublik Polen“ wieder in „Republik Polen“ um und gab dem Adler im Staatswappen seine Krone zurück.

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Politische und wirtschaftliche Transformation Die mit der Verfassungsänderung vom Dezember 1989 de facto ins ­L eben getretene „dritte polnische Republik“ löste die Volksrepublik in einem gleitenden Übergang ab. Die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei beschloss Ende Januar 1990 ihre Auflösung, doch wurde ihr vorletzter Vorsitzender, General Jaruzelski, erst im Dezember 1990 von Lech Wałęsa im Amt des Staatspräsidenten abgelöst. Und erst im Oktober 1991 fanden die ersten vollkommen freien Sejm-­Wahlen statt. Zu ihnen trat bereits ein ausgesprochen buntes Spektrum von nicht weniger als 32 politischen Gruppierungen an. Auch in Breslau war die Geschlossenheit des Solidarność-­Lagers zu ­diesem Zeitpunkt bereits zerfallen. Zu einer letzten gemeinschaft­lichen Ak­tion hatte es sich im Mai 1990 anläss­lich der ersten freien Kommunalwahl zusammengefunden. Zwei Monate zuvor waren mit einem Gesetz über die territoriale Selbstverwaltung landesweit die recht­lichen Voraussetzungen für eine Wiederbelebung der kommunalen Selbstverwaltung geschaffen worden. Die bisherigen Städtischen Na­tionalräte (Breslau hatte 1975 seinen Status als wojewodschaftsfreie Stadt verloren, sodass hier an die Stelle des Städtischen N ­ a­tionalrates ein gemeinsamer Na­tionalrat für Stadt und Wojewodschaft getreten war) wurden von neuen Stadträten abgelöst, denen wieder eine echte kommunalpolitische Beschluss- und Kontrollkompetenz sowie die lokale Finanzhoheit übertragen wurde. Für den Breslauer Stadtrat waren 70 Mandate vorgesehen, von denen das Wahlbündnis Solidarność (Solidarnościowe Porozumienie Wyborcze) 67 gewann. Damit konnte die einstige Opposi­tion nicht nur die aus einem Vorsitzenden (Stadtpräsidenten) und drei Stellvertretern (Vizepräsidenten) bestehende politische Spitze der Stadt (das Ratspräsidium) aus ihren Reihen wählen, sondern in den schwierigen ersten Transforma­tionsjahren auch eine vergleichsweise geschlossene und starke Politik verfolgen. Um die Bürger mög­lichst direkt an der städtischen Politik zu beteiligen, etablierte

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der neu gewählte Stadtrat zudem eine weitere Ebene kommunaler Selbstverwaltung, die sogenannten Wohngebietsräte, die eine Beratungs- und Initiativ-­Kompetenz erhielten.522 Zum Stadtpräsidenten wurde im Juni 1990 der damals 33-jährige Kulturwissenschaftler Bogdan Zdrojewski gewählt. Der einstige Aktivist des Breslauer Unabhängigen Studentenverbandes (NZS) blieb – zweimal wiedergewählt – bis Mai 2001 im Amt, wechselte dann in den Warschauer Sejm, wurde 2007 Kulturminister in der Regierung von Donald Tusk und zog Anfang Juli 2014 für die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska) in das Europaparlament ein. Die Probleme und Aufgaben, die Zdrojewski und seine Stellvertreter, der von 17 Ausschüssen unterstützte Stadtrat sowie die in einem „Stadtamt“ neu formierte Stadtverwaltung im Sommer 1990 vorfanden, waren gewaltig. Die städtische Infrastruktur war in desolatem Zustand, die Stadtkasse mit einem enormen Defizit belastet, die ehemals staatssozialistischen Betriebe mit ihrer Abwicklung bzw. Transforma­tion konfrontiert, während sich die neuen marktwirtschaft­lichen Strukturen zunächst vor allem durch eine hohe Infla­tion und Arbeitslosigkeit auszeichneten und eine drastische Veränderung der Besitzverhältnisse einleiteten. Für die Menschen waren die notwendigen Anpassungsprozesse schmerz­lich und mit einem hohen Maß an Frustra­tion verbunden. Die zwangsläufig eintretende Enttäuschung drückte sich bei der nächsten Kommunalwahl 1994 jedoch ledig­lich in einer (von 44,3 % auf 27,9 %) merk­lich gesunkenen Wahlbeteiligung und nicht etwa in einer Abwahl der Regierenden aus.523 Diese wurden mehrheit­lich, wenn auch im Rahmen neuer bzw. umorganisierter politischer Gruppierungen, wiedergewählt. Erst bei den Kommunalwahlen von 1998, an denen sich wieder 39,7 % der wahlberechtigten Breslauer beteiligten, ging die Union der Demokratischen Linken, eine Nachfolgepartei der PZPR, knapp als stärkste Kraft hervor. Doch konnte das alte Solidarność-­Lager, das inzwischen in einen, den amtierenden Stadtpräsidenten unterstützenden „Klub Breslau 2000” und eine „Wahlak­tion Solidarność“ gespalten war, in einer Koali­tion mit 39 von 70 Mandaten die bisherige Politik weitgehend fortsetzen.524 Insgesamt war der Stadtrat in den sechs Legislaturperioden z­ wischen 1990 und 2010 durch eine relativ hohe personelle Kontinuität geprägt. Denn ungeachtet des Umstandes, dass die Namen und Konstella­tionen

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der in ihm vertretenen Parteien und Wahlbündnisse von Wahlperiode zu Wahlperiode wechselten, lag der Anteil der wiedergewählten Mandatsträger 1994 bei 32,8 %, 1998 – 2006 ­zwischen 43,2 und 47,4 % und 2010 sogar bei 62,1 %.525 Eine gewisse Verschiebung in den Machtverhältnissen ­zwischen Stadtrat und Stadtpräsident trat 2002 mit der Novellierung des Gesetzes über die territoriale Selbstverwaltung ein. Das Gesetz reduzierte die Zahl der Stadtverordneten für Breslau von 70 auf 40 und nahm ­ihnen zugleich das Vorrecht, aus ihren Reihen den Stadtpräsidenten zu wählen. Dieser wird seither in direkter Wahl von der Stadtbevölkerung bestimmt. Die Posi­tion des Stadtpräsidenten, der seither auch seine – nun vier – Stellvertreter ernennt, wurde damit deut­lich gestärkt. Im November 2002 gelangte auf diese Weise der parteilose Mathematiker und ehemalige Solidarność-­Aktivist Rafał Dutkiewicz ins Amt. Er löste den von Mai 2001 bis November 2002 amtierenden einstigen Pressesprecher der schle­sischen Solidarność Stanisław Huskowski ab, der zuvor lange Jahre Stadtverordneter und Vizepräsident war (und 2004 als Abgeordneter der Bürgerplattform in den Senat bzw. Sejm wechselte). Sein Nachfolger im Amt des Stadtpräsidenten wurde 2006, 2010 und 2014 mit 84,5 %, 71,6 % bzw. 54,7 % wiedergewählt. Die Persön­lichkeiten der Stadtpräsidenten haben der Breslauer Kommunalpolitik im ersten postkommunistischen Vierteljahrhundert zweifellos ihren Stempel aufgedrückt. Doch hat die Stadt auf die Heraus­forderungen der politischen und wirtschaft­lichen Transforma­ tion insgesamt vergleichsweise erfolgreich reagiert. Ihre politischen und wirtschaft­lichen Eliten haben die Probleme mit klugen strate­gischen Planungen und mutigen Investi­tionsentscheidungen angepackt. Dabei haben sie mit wachsendem Geschick die Mög­lichkeiten genutzt, die sich durch die verändernden makropolitischen Rahmenbedingungen, nicht zuletzt durch Polens Assoziierung mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1991), seine Nato-­Mitgliedschaft (1999), seinen Beitritt zur Europäischen Union (2004) und seine Einbeziehung in die Finanzperspektive der EU (2007) eröffnet haben. Dass die Stadt seit den 1990er Jahren vor ­diesem Hintergrund eine ebenso systematische wie stabile und dynamische Entwicklung nehmen konnte, war überdies zwei weiteren Faktoren zu danken. Zum einen kam ihr nach Öffnung der

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Grenzen einmal mehr ihre geographische Lage im Schnittpunkt zentraler Verkehrsachsen zugute; zum anderen ihre tradi­tionelle Branchenstruktur, die sich seit dem 19. Jahrhundert durch Ausgewogenheit und Vielseitigkeit auszeichnet. Letztere trug erheb­lich dazu bei, dass Breslau den von der Transforma­tionskrise ausgelösten Nachfrageeinbruch deut­lich besser verkraften konnte als andere polnische Industriestandorte. Während die industrielle Produk­tion landesweit zunächst auf 40 % absank, konnte sie in Breslau – in elektrotechnische, Lebensmittel-, Treibstoff-, chemische, metallur­gische, Holz- und Leichtindustrie diversifiziert – relativ rasch weitgehend stabilisiert, in Teilbereichen sogar gesteigert werden. Schon 1994 standen die Breslauer Betriebe in Produktivität und Rentabilität an der Spitze der polnischen Industriezentren.526 Voraussetzung für die erfolgreiche Umstrukturierung war eine zügig eingeleitete Privatisierung, die schrittweise den größten Teil der einstigen Staatsbetriebe erfasste und vor allem dank ausländischer Investi­tionen realisiert werden konnte. Die ausländischen Kapitalbeteiligungen (etwa der schwedischen Firma Alfa Laval an dem einstigen Maschinenbauunternehmen Archimedes, der Schweizer Asea Brown Boveri an dem Elektromaschinenwerk Dolmel, der britischen Cussons Group an dem Haushaltschemiewerk Pollena und der Siemens AG an dem Elektronik­ werk Elwro) ermög­lichten eine umfassende technolo­gische Modernisierung, die eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellte. Die Stadtverwaltung hat diese Entwicklung ihrerseits mit der Einrichtung von Industrie- und Technologieparks, Sonderwirtschaftszonen und Business Incubatoren beziehungsweise den mit diesen Einrichtungen verbundenen Steuervergünstigungen und Investi­tionsanreizen intensiv gefördert. So konnte sich Breslau seit den 1990er Jahren – neben Warschau, Posen, Kattowitz und Krakau – zum führenden polnischen Standort für ausländische Direktinvesti­tionen entwickeln. Seine durch interna­tionale Ratings kontinuier­lich bestätigte hohe Investi­tionsattraktivität hielt nach der Jahrtausendwende an und wurde dabei auch durch eine, von einem expandierenden Hochschul- und Wissenschaftsmilieu bereitgestellte hohe Humankapitalausstattung befestigt. Im Ergebnis sahen sich weitere interna­tionale Konzerne (wie der kanadische Waggonbauer Bombadier, der amerikanische Haushaltsgroßgerätehersteller Whirlpool, der schwedische

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Autobauer Volvo, der spanische Haushaltsgerätehersteller Fagor, der bel­ gische Autozulieferer Wabco) veranlasst, in Breslauer Industriebetriebe einzusteigen oder Filialwerke in der Stadt zu etablieren.527 War die Neuausrichtung des Breslauer Industriesektors vergleichsweise erfolgreich, so ging sie doch mit einem deut­lichen Rückgang ihres relativen Gewichts innerhalb der städtischen Wirtschaftsstruktur einher. Der Anteil der in der Industrie beschäftigten Breslauer, der 1990 noch bei etwa 40 % lag, fiel bis 2004 auf 19,7 % und bis 2009 auf 15,3 %. Gleichzeitig stieg der Anteil der im Dienstleistungsbereich b ­ eschäftigten von 54 % im Jahr 1990 auf 61 % im Jahr 1993 und 78,2 % im Jahr 2009.528 Dieser Umschwung erwuchs zum einen aus der hohen Nachfrage nach Dienstleistungen, für die es in der sozialistischen Planwirtschaft keinen Bedarf gegeben hatte, wie Werbung, Marketing, Consulting, Immobilien- und Finanzgeschäfte. Zum anderen ergab er sich aus technolo­gisch-­gesellschaft­lichen Neuerungen, insbesondere im IT- und Telekommunika­tions-­Sektor, die allgemein gänz­lich neue Nachfragestrukturen generieren. Auch in diesen Bereichen kamen maßgeb­liche Entwicklungsimpulse von ausländischen Investoren (wie Hewlett Packard, IBM, 3M, Gapgemini, McKinsey), die in Breslau zum Teil umfangreiche Bürokomplexe errichtet haben. Der größte Schub für den Tertiären Sektor ging allerdings vom Einzelhandel aus, der aufgrund eines extrem hohen Nachfrageüberhangs nach Konsumgütern ein geradezu explosionsartiges Wachstum erlebte.529 Die enorme Nachfrage ließ kleine Einzelhandelsgeschäfte wie Pilze aus dem Boden schießen, konnte zunächst aber nur dank eines komplementären, illegalen Straßen- und Markthandels vollkommen befriedigt werden. Die auf etwa 20 Märkten spontan errichteten rund 3000 Verkaufsbuden wurden von der Stadtverwaltung bis in die Mitte der 1990er Jahre geduldet, da sie nicht nur unentbehr­liche Versorgungsfunk­tionen, sondern für eine Übergangszeit als eine Art Auffangbecken für Arbeitslose auch eine ­soziale Funk­tion erfüllten. Neben dem ambulanten Handel expandierte der sta­tionäre Einzelhandel. Bis 1996 erhöhte sich die Zahl der registrierten Einzelhandelsgeschäfte von ca. 1500 (1990) auf circa 4700, die Verkaufsfläche von 137.000 m² auf 322.000 m². Auch d ­ ieses Wachstum war zunächst beinahe ausschließ­lich von lokalen Händlern getragen, die sich als Privatunternehmer etablierten. Sie rekrutierten sich sowohl

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aus den Reihen ehemaliger Mitarbeiter privatisierter staat­licher oder genossenschaft­licher Handelsketten als auch aus dem zunächst recht großen Reservoire jener Breslauer, die im Zuge der Transforma­tion ihre bisherigen Beschäftigungen verloren hatten. So ging der Breslauer Einzelhandel bis 1992 zu 90 % in private Hände über, frei­lich oft im Rahmen sehr kleiner Geschäfte bzw. von Einmannbetrieben. Im Juni 1993 zählte das Breslauer Finanzamt 17.028 natür­liche Personen, die einer Handels­ tätigkeit nachgingen und zusammen 38 % aller zu ­diesem Zeitpunkt registrierten Breslauer Unternehmen repräsentierten. 530 Insgesamt belief sich die Zahl der registrierten Wirtschaftssubjekte 1994 auf 57.266, von denen bereits 98,3 % in privater Hand waren. Bis 2009 erhöhte sich ihre Zahl auf 97.595, wobei der Anteil der privaten Unternehmungen leicht auf 96,8 % zurückging.531 Die aus der lokal-­internen Restrukturierung erwachsene, kleinteilige Einzelhandels- und Dienstleistungslandschaft wurde seit etwa Mitte der 1990er Jahre zunehmend von neuen, großflächigen Betrieben überlagert, zum Teil auch verdrängt. Diese Neuansiedlungen waren zumeist das Ergebnis von Interna­tionalisierungsstrategien kapitalstarker westeuropäischer Einzelhandels-, Baumarkt- und Einrichtungshausketten, die ihre Filialen sowohl in begehrten Innenstadtlagen als auch an der Peripherie etablierten. Vor allem an einigen zentralen Ausfallstraßen entstanden auf diese Weise große Verbrauchermärkte und Einkaufsparks, die vielen Kleingeschäften in den unmittelbar benachbarten Großwohnsiedlungen beinahe umgehend das Wasser abgruben. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben neu errichtete Handelspassagen wie die Galeria Dominikańska, Arkady Wrocławskie und Pasaż Grunwaldzki oder das sanierte und erweiterte ehemalige Kaufhaus Wertheim (Renoma) ein ähn­liches Konkurrenzverhältnis auch in den Innenstadtbereich getragen. Nicht nur mit diesen neuen Malls hat Breslau wieder zu einem großstädtischen Charakter zurückgefunden. Die gelungene Transforma­tion von der zentral gelenkten Staatswirtschaft zur (neo)liberalen Marktwirtschaft hat die Stadt im Laufe eines Vierteljahrhunderts insgesamt in eine der dynamischsten und attraktivsten Metropolen Polens und des öst­lichen Mitteleuropa verwandelt.

Die Entdeckung der Vergangenheit

Die Entdeckung der Vergangenheit Mit der politischen und wirtschaft­lichen Transforma­tion ging ein mentaler Wandel einher, der nicht zuletzt eine veränderte Einstellung der Breslauer zu ihrer Stadt zur Folge hatte. Der nach Kriegsende in geographischer wie sozialer Hinsicht bunt zusammengewürfelten Einwohnerschaft war es in den Jahrzehnten der Volksrepublik schwer gefallen, eine Identität als städtische Gemeinschaft zu entwickeln. Sie konnten die Stadt lange nicht als die ihre empfinden, fühlten sich in ihren M ­ auern fremd und in einem eigenartigen Schwebezustand. Dafür war zum ­einen die existentielle Grenzsitua­tion verantwort­lich, in die sie durch die Entwurzelung aus ihrem ursprüng­lichen geographischen und soziokulturellen Umfeld und das Hineingeworfensein in eine fremde, materiell noch allerorten präsente deutsche Großstadtkultur geraten waren. Diese doppelte Entfremdung wurde dadurch verschärft, dass weder offen über die eigene Erfahrung der Zwangsmigra­tion und die verlorene ostpolnische Heimat geredet werden durfte, noch eine offene Auseinandersetzung mit der vorgefundenen deutschen Vergangenheit erlaubt war. So blieb das bau­lich mühsam wieder hergestellte Nachkriegs-­Breslau seinen in doppelter Hinsicht ihres Gedächtnisses beraubten Bewohnern eine fremde, ungewollte Stadt. Dazu trug zum anderen auch die formal bis 1990 ungeklärte Grenzfrage bei. Denn erst mit der im Zuge der deutschen Wiedervereinigung und Auflösung des Sowjetblocks 1990/91 erfolgten interna­tionalen, völkerrecht­lich verbind­lichen Anerkennung der deutsch-­ polnischen Grenze gewannen die Breslauer die endgültige Sicherheit, dass sie nicht unter Umständen die Stadt in einer weiteren politisch veranlassten Umsiedlung wieder verlassen müssten. Erst 1990 wanderten die noch in manchem Keller aufbewahrten Koffer und Handkarren, mit denen viele Neu-­Breslauer 1944 – 1950 ihre Heimat verlassen hatten, endgültig auf den Sperrmüll der Geschichte. Erste Ansätze zu einem Gefühl städtisch-­kollektiver Identität mochten bereits 1980 – 81 im Rahmen der Solidarność-­Bewegung vorübergehend aufgekeimt sein. Doch der dauerhafte Durchbruch zu einem neuen Selbstverständnis, die endgültige Metamorphose der entfremdeten Nachkriegsmigranten zu sich heimisch fühlenden Breslauern erfolgte erst in den 1990er Jahren.532 Dabei entfalteten einige herausragende symbo­lische Akte

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und Gemeinschaftserlebnisse eine besondere katalytische Wirkung. Dazu zählten die Wiedereinführung des von den Na­tionalsozialisten und Kommunisten verbannten spätmittelalter­lichen Stadtwappens (Farbtafel 10) im Juni 1990533, der Boom einer neuen, das regionale Kulturerbe entdeckenden Heimatbewegung während der ersten Hälfte der 1990er Jahre und die im Mai 1997 mit einem großen Stadtfest abgeschlossene Erneuerung des Ringplatzes. Nicht weniger wichtig war der im gleichen Monat in Breslau durchgeführte 46. Interna­tionale Eucharistische Kongress, der von einem weiteren Besuch des polnischen Papstes und einer Fronleichnamsprozession gekrönt wurde, an der sich rund 50.000 Gläubige aktiv beteiligten und weitere Massen als Zuschauer zusammenströmten. Das nachhaltigste kollektive Erlebnis, das die Breslauer wie kein anderes zusammenschweißte, war jedoch das Oderhochwasser des Sommers 1997. Am 11. Juli brachen unter dem Druck der heranrollenden Oderfluten die ersten Schutzdämme; rasch wurde ein Stadtteil nach dem anderen überschwemmt (Farbtafel 25). Zwei Tage s­ päter stand über ein Viertel (26,5 %) der gesamten Stadtfläche unter Wasser, war Breslau ohne Trinkwasser. Zwar ging das Hochwasser seit dem 14. Juli langsam zurück, fuhren am 16. Juli wieder die ersten Autobusse, doch blieben einzelne Stadtteile noch Tage lang abgeschnitten, kam erst am 21. Juli wieder Trinkwasser aus den Hähnen.534 Als die Fluten, in denen vier Menschen ertranken, abgeflossen waren, g­lich die Stadt einer gigantischen Müllhalde; es dauerte Jahre, bis die Flutschäden beseitigt waren. Der Kampf gegen das Hochwasser bewegte die gesamte Einwohnerschaft, führte sie in ihren verzweifelten Anstrengungen, die bereits zu erheb­lichen Teilen aufwändig restaurierte Altstadt, die Baudenkmäler, Museen, Bibliotheken und Archive vor den Fluten zu retten, in einem Schlüsselerlebnis zusammen, das ein starkes Gefühl der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens stiftete. „Während des Hochwassers – so ein beteiligter Breslauer – kämpften die Menschen Arm in Arm gegen die Naturgewalten. Zum ersten Mal fühlten sie, dass sie eine Einheit bildeten, dass ganz Breslau eine Gesellschaft darstellte.“ Doch ging die Wirkung des Gemeinschaftserlebnisses noch tiefer: „Nach dieser siegreichen ‚Schlacht‘ empfanden wir das Vorkriegserbe Breslaus bereits nicht mehr als etwas Fremdes. Das deutsche Erbe der Stadt wurde zu unserem eigenen Kulturerbe.“535

Die Entdeckung der Vergangenheit

Tatsäch­lich wuchs das Interesse an Breslaus deutscher Vergangenheit gegen Ende der 1990er Jahre geradezu dramatisch.536 Denn die im Kampf gegen die Oderfluten neu gefundene (von der Stadtpolitik nun auch als Ziel strate­gischer Planung entdeckte 537) Identität seiner Bewohner ­bedurfte der Erfindung einer gemeinsamen Tradi­tion, einer legitimierenden Narra­tion, für die die Erzählung vom polnischen Breslau allein nicht mehr genügte. So stieg man in die Vorkriegsgeschichte der Stadt hinab und fand im alten Breslau nicht mehr bloß antipolnisches Preußentum. Vielmehr entdeckte man nun Facetten städtischer Kultur, die sich – in Schlagworten wie Multikulturalität, Pluralismus, Offenheit und Toleranz verdichtet und idealistisch überhöht – ohne weiteres in das neue Identitätsgefühl integrieren (und zugleich für ein offensives Stadtmarketing ­nutzen) ließen. Historiker und Kunsthistoriker begleiteten die Entdeckung und Aneignung der böhmischen, österreichischen und deutschen Vergangenheit der Stadt mit zahlreichen stadthistorischen Publika­tionen und wurden ihrerseits durch das plötz­liche lokalhistorische Interesse zu vermehrter geschicht­licher Forschung und Publizistik angeregt.538 Auch Literaten wie Olga Tokarczuk, Marek Krajewski oder Andrzej Zawada öffneten in ihren Romanen, Krimis und Essays den Breslauern nun vermehrt die Augen für die nichtpolnische Vergangenheit ihrer Stadt. Wie bewusst selbst die politische Spitze der Stadt das neue Geschichtsbild weiterzuentwickeln und zugleich interna­tional zu vermarkten verstand, zeigt die um die Jahrtausendwende im Auftrag des Stadtpräsidenten verfasste stadtgeschicht­liche Synthese des britischen Historikers Norman Davies. Die von der Forschung mit erheb­licher Kritik aufgenommene, populär gehaltene, auf Eng­lisch, Deutsch und Polnisch erschienene Darstellung hebt in besonderer Weise auf den vermeint­lich durchgängig multikulturellen und kosmopolitischen Charakter der Stadt sowie ihre ethnische und konfessionelle Vielfalt ab.539 Damit löst sie die Stadtgeschichte zwar aus dem Korsett hergebrachter – deutscher und polnischer – einseitig-­ na­tionalpolitischer Deutungen, schreibt sie zugleich aber nicht weniger undifferenziert und geschichtspolitisch motiviert in aktuelle postmoderne Diskurse ein. Deren Rede von Breslaus Multikulturalität und Toleranz bedient aber vor allem das Bedürfnis der heutigen städtischen Eliten, ihre Stadt als eine weltoffene, attraktive Metropole in einem vereinten Europa

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und einer globalisierten Welt zu verorten, als dass sie der Komplexität ihrer Vergangenheit gerecht wird. Gleichwohl hat das heutige Breslau aus dem neu gewonnenen Geschichtsbild erheb­liches Selbstbewusstsein gewonnen. Davon legt ein im Jahr 2000 begangenes 1000-Jahr-­Jubiläum ebenso Zeugnis ab wie das neue, im aufwändig sanierten Königsschloss untergebrachte Städtische Museum.540 Auch die an die polnische Hauptstadt adressierten Forderungen, zahlreiche 1945 aus Breslau nach Warschau verlagerte Kulturgüter der Stadt zurückzugeben oder die kühnen, wenn auch erfolglosen Bewerbungen von 2002 um die Austragung der Weltausstellung EXPO 2010 bzw. von 2007 um die Austragung einer EXPO-Themenausstellung, schließ­lich die erfolgreichen Bewerbungen um die Mitaustragung der Fußball-­Europameisterschaft 2012 und um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2016 stehen für die selbstbewussten Ambi­tionen des neuen Breslau.

Stadterneuerung und Sky Tower Der gewandelte Umgang mit der Vergangenheit hat sich seit den 1990er Jahren (Innenklappe hinten) ebenso tief ins Stadtbild eingeschrieben wie die sukzessive Verinner­lichung der demokratisch-­wirtschaftsliberalen Gesellschaftsordnung. Auch dadurch hat sich das äußere Erscheinungsbild der Stadt in den letzten beiden Jahrzehnten grundlegend verändert. Wer Breslau aus sozialistischer Zeit kennt, dem ist die Stadt – wie der Theater­macherin und Publizistin Małgorzata Dzieduszycka – „recht düster in Erinnerung geblieben: graue, verschimmelte Altbauten, inhaltslose Häuser­fassaden, leere Plätze, dunkle Straßen.“541 Dieses Bild hat sich im Zuge einer umfassenden Stadtsanierung dramatisch gewandelt. Von besonderer Bedeutung für die Neugestaltung des Stadtraumes war, dass 1990 mit dem Gesetz über die territoriale Selbstverwaltung nicht nur die öffent­lich-­staat­lichen Immobilien (einschließ­lich der Entscheidung über ihre künftige Nutzung) größtenteils in städtischen Besitz überführt wurden, sondern auch die stadtplanerische Hoheit vollständig in die kommunale Zuständigkeit überging. Damit konnte Breslau, dessen Einwohnerzahl sich seit der Jahrtausendwende z­ wischen 630.000 und 640.000 einpendelt (womit die Stadt hinter Warschau, Łódź und Krakau die viertgrößte des

Stadterneuerung und Sky Tower

Landes ist), wieder seine eigene urbanistische Vision entwickeln, entsprechende Rechtssetzungen und Bebauungspläne verabschieden, unerläss­liche Investi­tionen bereitstellen und potente Investoren anlocken. In den ersten Jahren konzentrierten sich die städtebau­lichen Maßnahmen auf die Revitalisierung des Altstadt- beziehungsweise Innenstadtbereichs.542 Dabei lenkten das fortbestehende Wohnraumproblem und die städtische Immobilienbewirtschaftung die privatwirtschaft­lichen Investi­tionen ­zunächst vor allem in den Wohnungsbau. Man intensivierte die bereits in den 1980er Jahren begonnenen Bemühungen, die zahlreichen Lücken in den Straßenzügen der Innenstadt, die noch immer unbebauten ehemaligen Trümmergrundstücke, mit Neubauten zu füllen. Für diese ‚Füllungen‘  – die Breslauer sprachen sogleich von „Plomben“ (plomby) – wurden nun mitunter recht ausgefallene, postmoderne architektonische Lösungen gewählt. Sie brachten die ersten knalligen Farben ins graue Stadtbild (Farbtafel 26). Nach den „Füllungen“, die um die Mitte der 1990er Jahre bereits ihren Höhepunkt erreichten, folgten verstärkt Investi­tionen in die Altbausanierung. Sie bot sich insbesondere in den gründerzeit­lichen Mietshaus-­Vierteln der Sand-, Oder- und Ohlauer Vorstadt an, für die unter anderem im Jahr 2006 ein besonderes „Programm der 100 Mietshäuser“ aufgelegt wurde, in dessen Rahmen rund 400 Mietshäuser saniert werden. Daneben expandierte der Wohnungsbau in den Vororten, wurden an der Peripherie neue Siedlungsteile erschlossen und Einfamilienhaussiedlungen angelegt. Die Folge war und ist eine anhaltende Abwanderung aus den Altstadt- und Innenstadtbereichen in die Vororte sowie das weitere Umland jenseits der Stadtgrenzen. Die zweite städtebau­liche Priorität neben dem Wohnungsbau – z­ wischen 1989 und 2007 entstanden insgesamt 52.000 neue Wohnungen – war die Wiederbelebung der zentralen öffent­lichen Plätze. Unter den im Krieg devastierten, in der Nachkriegszeit entweder nur provisorisch oder gar nicht erneuerten Mittelpunkten städtisch-­öffent­lichen Lebens wurden vor allem für die Plätze Grunwaldzki, Wolności, Jana Pawła II., Powstańców Śląskich und Społeczny neue urbanistische Lösungen entwickelt und bis 2015 zum Teil auch bereits umgesetzt. Die symbolträchtigste und wirkmächtigste Platzerneuerung war jedoch die aufwändige Neugestaltung des Ringplatzes. Sie konnte bereits in den Jahren 1995 – 1997 realisiert werden und war von der

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Neueröffnung zahlreicher Restaurants, Bars, Cafés und Geschäfte in den renovierten Häusern der Ringplatzzeilen begleitet. Damit erhielt die Stadt sozusagen ihr Herz zurück – einen öffent­lichen Raum, der gleichermaßen als eine Erlebnis-­Plaza zur Befriedigung postmoderner Konsum- und Unterhaltungsbedürfnisse wie auch als eine Agora städtisch-­kultureller Repräsenta­tion z­ wischen Lokalkolorit und europäischem Horizont in Erscheinung tritt.543 Neben dem Ringplatz wurden der Salzmarkt, s­ päter auch der Neumarkt, die Plätze um die Magdalenen- und die Elisabethkirche, die K ­ irchen- und Klosterbauten selbst sowie der barocke Gebäudekomplex der Universität umfassend renoviert. In manchen größeren Baulücken entstanden postmoderne öffent­liche Bauten, wie der Neubau der Juristischen Fakultät vis-­á-­vis der barocken Universitätskirche oder das Musiktheater Capitol, das in seinem Foyerbereich geschickt Teile des 1928/29 errichteten, klas­ sisch-­modernen Vorgängerbaus integriert (Farbtafel 27). Spektakuläre Neubauten entstanden auch auf dem Campus der Technischen Universität im Nordosten der Stadt. Die zahlreichen Neubauten akademischer Einrichtungen verweisen insgesamt auf eine seit 1990 enorm gestiegene Bedeutung Breslaus als Hochschul- und Wissenschaftsstandort. Die Zahl der Breslauer Hochschulen erhöhte sich durch Neugründung privater Einrichtungen von acht (1989/90) auf 24 (2008/9), die Zahl der eingeschriebenen Studierenden im gleichen Zeitraum von 33.600 auf 144.531; 75 % von ihnen waren 2008/9 an den acht staat­lichen Hochschulen, 55 % im Vollzeitstudium eingeschrieben.544 Eine nachhaltige Folge der Stadterneuerung, die durch die Anlage von Uferpromenaden, einer kleinen Marina und die Belebung der Dom- und Sandinseln auch eine Öffnung der Stadt zu ihrem Fluss hin impliziert, war ein enormer Touristenzustrom. Dieser hatte nicht zuletzt den Neubau zahlreicher Hotels sowie ein erfolgreiches Bemühen um weitere Infrastrukturverbesserungen zur Folge. Weniger zügig konnte zunächst die städtische Verkehrsinfrastruktur entwickelt werden. Der dringend erforder­liche Ausbau der zentralen Verkehrsachsen sowie der Bau neuer Umgehungsstraßen, neuer Oderbrücken und eines Autobahnrings wurden erst seit Ende der 1990er Jahre, vor allem dann seit 2004 dank entsprechender EU-Subven­ tionen kräftig vorangebracht. Auch die Modernisierung und der Ausbau

Stadterneuerung und Sky Tower

des öffent­lichen Nahverkehrs haben in den letzten Jahren einen erkennbaren Schub erfahren, während sich der erst 1993 für den interna­tionalen Flugverkehr geöffnete Breslauer Flughafen schneller als erwartet als zu klein erwies. Er konnte die 1,27 Mio. Passagiere des Jahres 2007 nur noch mit Mühe bewältigen. Seit 2009 wurde daher 1,5 km weiter west­lich ein vollständig neues Terminal samt erweitertem Vorfeld errichtet. Der 2012 eröffnete neue Flughafen ist auf rund 3,3 Mio. Passagiere ausgelegt und konnte 2014 bereits 2.085.000 Passagiere befördern.545 Wer auf ihm in ostwest­lichem Anflug landet, sieht bei klarer Sicht rechter Hand hinter lockerer Vorstadtbebauung und dichteren Plattenbausiedlungen den bislang einzigen Wolkenkratzer Breslaus emporragen (Farbtafel 28). Der Sky Tower soll, so die Stadtplanung, künftig nicht das einzige Hochhaus der Stadt bleiben. Doch ist er einstweilen zum markantesten Symbol des modernen, dynamischen Breslau avanciert.546 Seit Ende 2012 steht er selbstbewusst für die Energie, Offenheit und Ambi­tion der Stadt und ihren Anspruch, im künftigen Europa einen unübersehbaren Platz einzunehmen. Mit dem Bau des ursprüng­lich noch etwas größer und höher geplanten Komplexes wurde im Dezember 2007 begonnen. Anfang November 2008 trat die Investorengruppe das Projekt vollständig an ihren Hauptanteilseigner, den Breslauer Ingenieur und Unternehmer Leszek Czarnecki ab. Der Milliardär veranlasste eine Überarbeitung der Konzep­tion und Investi­tionsplanung, sodass zunächst ein mehrmonatiger Baustopp eintrat. Im Juni 2009 wurden die Bauarbeiten unter der Leitung eines neuen Architektenteams wieder aufgenommen und bis Ende 2012 abgeschlossen. Der auf 150 Betonpfählen von 18 m Länge und 1,5 m Durchmesser und einer darüber gegossenen, bis zu 7 m dicken Bodenplatte errichtete, über 33 m in den Erdboden eingetiefte Gesamtkomplex besteht aus drei Gebäudeteilen. Die Basis bildet ein sogenanntes „Podium“, das praktisch den gesamten Baublock ­zwischen den Straßen Powstańców Śląskich, Gwiaździsta, Wielka und Szczęśliwa ausfüllt, eine gleichmäßige Höhe von 19 m erreicht und ein ausgedehntes Einkaufs-, Dienstleistungsund Unterhaltungszentrum beherbergt. Aus der mittleren Westseite ­dieses „Podiums“ erhebt sich ein elipsenförmiger Turm, an den sich nordöst­lich ein in einem Viertelbogen nach Nordosten ausschwingender Anbau ­anschließt, der vom Turmanschluss bis zu seinem Abschluss kaskadenförmig von

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92 m auf 54 m Höhe abfällt. Wegen seiner Form wird er auch als „Segel“ bezeichnet. Er beherbergt Büroräume und vom 11. bis 18. Stockwerk 52 Wohnappartements. Der Mast, an den das Segel anschließt, der Turm, erreicht mit 50 Stockwerken eine Höhe von 212 m (ursprüng­lich sollte er 258 m hoch werden) und zählt damit 2015 zu den 26 höchsten Gebäuden Europas. Seine unteren Geschosse werden von Büroräumen eingenommen. Von der 28. bis zur 48. Etage beherbergt er 184 Luxus-­Appartements mit einer Wohnfläche z­ wischen 50 und 227 m². Damit stellt er das höchste Wohngebäude Polens dar. Das exklusive Wohnambiente lassen sich in- und ausländische Kunden bis zu 10.000,- Euro pro Quadratmeter kosten. Dafür werden sie mit einem 24-Stunden-­Concierge-­Service verwöhnt, genießen exklusiven Zugang zu Spa- und Fitnessanlagen, darunter auch zu einer 480 m langen Freiluft-­Joggingstrecke im 4. Stock sowie VIP-Status bei der Abfertigung auf dem nur 11 km entfernten Breslauer Flughafen. Doch man muss nicht erst eines dieser Luxusappartements erstehen, um in den Genuss der beeindruckenden Aussicht zu kommen, die der Turm über die ihm zu Füßen liegende Stadt eröffnet. Denn im 49. Stock lädt eine öffent­lich zugäng­liche Aussichtsplattform den Besucher ein, den Blick über Breslaus Vorstädte, seine Innenstadt, seinen Ring, die Oderinseln bis hin zum St.  Johannes-­Dom schweifen zu lassen, mit dem der hier endende historische Durchgang durch über ein Jahrtausend städtischer Geschichte seinen Ausgang genommen hat.

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Abkürzungsverzeichnis

AfSKG Archiv für schle­sische Kirchengeschichte BGSB Beiträge zur Geschichte der Stadt Breslau JbSFWU Jahrbuch der Schle­sischen Friedrich-­W ilhelms-­Universität zu Breslau Jahrbuch für schle­sische Kirchengeschichte NF JbSKG SKHS Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka SUB I-VI Schle­sisches Urkundenbuch, Bd. 1 – 6, hrsg. von Heinrich Appelt/Winfried Irgang, Graz-­W ien/Köln-­Weimar-­W ien 1971 – 1998. ZVSG Zeitschrift des Vereins für Geschichte (und Althertum) Schlesiens

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Anmerkungen

Vorwort 1

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Joseph Roth, Reise durch Galizien, in: Frankfurter Zeitung vom 22. November 1924, zitiert nach ders., Reisen in die Ukraine und nach Russland, hrsg. von Jan Bürger, München 2015, S. 15. Breslau, in: Schle­sisches Städtebuch, hrsg. von Heinz Stoob/Peter Johanek, Stuttgart u. a. 1995, S. 17 – 48, bes. S. 17. So etwa Günter Elze, Breslau. Biographie einer deutschen Stadt, Leer 1993 (auch exemplarisch für die umfangreiche Literatur aus dem Umfeld der deutschen Heimatvertriebenen); für eine komplementäre polnische Pers­ pektive vgl. Krzysztof Ruchniewicz, Warum Wrocław nicht Breslau ist. Überlegungen zur Nachkriegsgeschichte der niederschle­sischen Hauptstadt, in: ders., Zögernde Annäherung. Studien zur Geschichte der deutsch-­ polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert, Dresden 2005, S. 225 – 240; Andrzej Zawada, Breslau heute – eine Krea­tion mit dem Namen Wrocław, in: Silesia Nova 7 (2010), 1, S. 9 – 18, bes. S. 10.

I. Frühmittelalterliche Burgstadt (950er–1230er Jahre) 4

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Die archäolo­gisch-­architektonischen Befunde beschrieben bei Edmund Małachowicz. Najnowszy zarys dziejów najstarszego Wrocławia, Wrocław 2000, S. 40 – 47, 55 – 68; ders., Katedra Wrocławska. Dzieje i architektura, Wrocław 2012, S. 61 – 67; Zygmunt Świechowski, Katalog architektury ­romańskiej w Polsce, Warszawa 2009, S. 628 – 633; ein Zugang ist allerdings nur über das Pfarramt der Kathedrale mög­lich. Die Chronik der Polen des Magisters Vincentius/Magistri Vincentii Chronica Polonorum, übersetzt, eingeleitet und hrsg. von Eduard Mühle, Darmstadt 2014, S. 236. Das Siegel publiziert bei Małachowicz, Najnowszy zarys (wie Anm. 4), S. 67. Beata Lejman, Katedra pw. św. Jana Chrzciciela, in: Leksykon architektury Wrocławia, hrsg. von Rafał Eysymontt u. a., Wrocław 2011, S. 418 – 421. SUB I, 2. Die Urkunden Ottos III. hrsg. von Theodor Sickel, Hannover 1893, Nr. 186. Edmund Małachowicz, Discoveries of Early Mediaeval Architecture in Wrocław, in: Quaes­tiones Medii Aevi Novae, 2 (1997), S. 169 – 184; ders.,

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Anmerkungen

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Die Domkirche von Breslau (Wrocław), in: Europas Mitte um 1000, Bd. 1, hrsg. von Alfried Wieczorek/Hans Martin Hinz, Stuttgart 2000, S. 507 – 510. Descriptio civitatum et regionum ad septentrionalem plagam Danubii sive Geographus Bavarus, hrsg. von Aleksandr V. ­Nazarenko, in: Nemeckie ­latinojazyčnye istočniki IX – XI vekov. Teksty, perevod, kommentarij, Moskva 1993, S. 13 – 14; Thietmar von Merseburg, Chronik, hrsg. von Werner Trillmich, Darmstadt 1957, S. 304, 420. Zu den Grabungsbefunden auf der Dominsel, Józef Kaźmierczyk, Ku początkom Wrocławia. Bd. 1: Warsztat budowlany i kultura mieszkalna Ostrowa Tumskiego od X do połowy XI wieku, Wrocław-­Warszawa 1991, Bd. 2: Warsztat budowlany i kultura mieszkalna Ostrowa Tumskiego od połowy XI do połowy XIII wieku, Wrocław 1993, Bd. 3: Gród na Ostrowie Tumskim w X-XIII wieku (uzupełnienie do cz. 1 i 2), Wrocław 1995; Sławomir Moździoch, Wrocław – Ostrów Tumski in the Early Middle Ages, in: Polish Lands at the Turn of the first and the second Millenia, hrsg. von Przemysław Urbańczyk, Warsaw 2004, S. 319 – 338. Thietmar von Merseburg (wie Anm. 11), S. 162, 424. Polens Anfänge – Gallus Anonymus: Chronik und Taten der Herzöge und Fürsten von Polen, hrsg. von Josef Bujnoch, Graz u. a. 1978, S. 57 – 58; Thietmar von Merseburg (wie Anm. 11), S. 162. Thietmar von Merseburg (wie Anm. 11), S. 424. Cronica et numerus episcoporum Wratislaviensium, hrgs. von Wojciech Kętrzyński, in: Monumenta Poloniae Historica, Bd. 6, Kraków 1893, S. 576 – 884, hier S. 576. SUB I, 28. Moździoch, Wrocław (wie Anm. 12), S. 330 – 334. Vita Ottonis Babenbergensis episcopi, in: Heiligenleben zur deutsch-­ slawischen Geschichte. Adalbert von Prag und Otto von Bamberg, hrsg. von Jerzy Strzelczyk/Lorenz Heinrich, Darmstadt 2005, S. 120 – 191, hier S. 158. Polens Anfänge (wie Anm. 14), S. 81 Christian Lübke, Regesten zur Geschichte der Slaven an Elbe und Oder (vom Jahr 900 an). Teil IV: Regesten 1013 – 1057, Berlin 1987, Nr. 657. Diese These vertritt Tomasz Jurek, Zu den Anfängen des Bistums Breslau, in: JbSFWU 36/37 (1995/96), S. 7 – 24. Zu diesen Funden Krzysztof Wachowski, Spory wokół wrocławskich targów, in: Mundus hominis – cywilizacja, kultura, natura. Wokół interdyscyplinarności badań historycznych, hrsg. von Stanisław Rosik u. a., Wrocław 2006, S. 495 – 500. Zu den Münzen Stanisław Suchodolski, Mennictwo polskie w XI i XII wieku, Wrocław u. a. 1973,S. 42 und Abb. Tafel X, 2. Polens Anfänge (wie Anm. 14), S. 106; Die Chronik der Polen (wie Anm. 5), S. 186.

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Polens Anfänge (wie Anm. 14), S. 106 – 107, 112. Zusammenfassend zuletzt Stanisław Rosik, Peter Wlast († um 1151), in: Schle­ sische Lebensbilder, Bd. 11, hrsg. von Joachim Bahlcke, Insingen 2012, S. 11 – 24. Leben und Werke des seligen Bamberger Bischofs Otto, in: Heiligenleben zur deutsch-­slawischen Geschichte. Adalbert von Prag und Otto von Bamberg, hrsg. von Jerzy Strzelczyk/Lorenz Heinrich, Darmstadt 2005, S. 347. Die Chronik der Polen (wie Anm. 5), S. 260. Leben und Werke des seligen Bamberger Bischofs Otto (wie Anm. 28), S. 347. Ortliebi de funda­tione monasterii zwivildensis libri II, hrsg. von Otto Abel, Hannover 1852, S. 64 – 92, hier S. 90 – 92. Annales Magdeburgenses, hrsg. von Georg Heinrich Pertz, Hannover 1859, S. 105 – 196, hier S. 187. Hypatiuschronik zum Jahr 6653 [1145], in: Polnoe sobranie russkich letopisej, Bd. 2, Sanktpeterburg 1923, S. 313 f. SUB I, 23. SUB I, 28. SUB I, 60. SUB I, 58. Chronica Poloniae Maioris, hrsg. von Brygida Kürbis, Warszawa 1970, S. 50. Ioannis Dlugossii Annales seu Cronicae incliti regni Poloniae, Liber 5, hrsg. von Zofia Budkowa u. a., Warszawa 1973, S. 25; Ionannis Dlugossii Liber ­beneficiorum Diocesis Cracoviensis, Bd. 3, hrsg. von Aleksander Przeździecki u. a., Kraków 1864, S. 163, 183. Ortliebi de funda­tione (wie Anm. 31), S. 91. Annales Magdeburgenses (wie Anm. 32), S. 187. SUB I, 11. Die Grabungsbefunde vom Elbing bei Jerzy Piekalski, Wrocław średniowieczny. Studium kompleksu osadniczego na Ołbinie w wiekach VII-XIII, Wrocław 1991; deutsche Zusammenfassungen: ders., Breslau-­Elbing (Wrocław-­Ołbin) vom 7.-13. Jahrhundert, in: Archäolo­gisches Korrespondenzblatt 24 (1994), S. 217 – 222. Carminis Mauri Fragmenta, hrsg. von Marian Plezia, in: Monumenta ­Poloniae Historica NS, Bd. 2, Kraków 1951, S. 35 – 45, hier S. 40. Zum Vinzenzkloster Walter Ewald: Beiträge zur Geschichte des Vinzenzstiftes auf dem Elbing bei Breslau, in: JbSFWU 36/37 (1995/65), S. 47 – 7 8, hier S.  47 – 53, 69 – 73. Beschreibung bei Świechowski, Katalog (wie Anm. 4), S, 650 – 663. Czesław Lasota/Jerzy Piekalski, Der Bauplatz der romanischen Benediktinerabtei in Wrocław-­Ołbin (Breslau-­Elbing), in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 18/19 (1990/91), S. 117 – 134. SUB I, 45 und 325.

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So Stanisław Trawkowski, Ołbin wrocławski w XII wieku, in: Roczniki Dziejów Społecznych i Gospodarczych 20 (1958), S. 69 – 81, hier S. 78 – 80. SUB II, 26. Zu den Anfängen des Klosters Anna Pobóg-­Lenartowicz, Uposażenie i działalność gospodarcza klasztoru kanoników regularnych NMP na Piasku we Wrocławiu do początku XIV w., Opole 1994, S. 9 – 19. SUB I, 142. Jerzy Piekalski, Praga, Wrocław i Kraków. Przestrzeń publiczna i prywatna w czasach średniowiecznego przełomu, Wrocław 2014, S. 41 – 53; Halina Manikowska, Princeps fundator im vorrechtsstädtischen Breslau. Von Piotr Włostowic bis zu Heinrich dem Bärtigen, in: Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalter­lichen Polen, hrsg. von Eduard Mühle, Berlin 2013, S. 291 – 316, bes. S. 306 – 309. Tadeusz Lalik, Uwagi o finansowaniu budownictwa murowanego w Polsce do początku XIII w., in: Kwartalnik Historii Kultury Materialnej 15 (1967), S. 55 – 74, bes. S. 57. Beschreibungen des Befunds bei Świechowski, Katalog (wie Anm. 4), S. 637 – 639; Edmund Małachowicz, Wrocławski zamek książęcy i kolegiata św. Krzyża na Ostrowie, Wrocław 1994, S. 31 – 85; Adam Żurek, Summum Wratislaviense. Die Breslauer Burg von der Mitte des 11. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts und die Ursprünge der kirch­lichen Eigentumsrechte, in: JbSFWU 46/47 (2006/2007), S. 139 – 160, hier S. 140 – 141. Die im Kellerbereich des Klosters der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau konservierten archäolo­gischen Befunde können nach Voranmeldung im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Zu den archäolo­gischen Befunden Józef Kaźmierczyk, Wrocław lewobrzeżny we wczesnym średniowieczu, Bd. 1, Wrocław 1966, Bd. 2, Wrocław 1970. SUB I, 115. SUB I, 16 und 58. SUB I, 77. Zum Baubefund Świechowski, Katalog (wie Anm. 4), S. 647 – 648. SUB I, 266. Der Text des im Breslauer Stadtmuseum ausgestellten Grabsteins publiziert, übersetzt und kommentiert bei Marcin Wodziński, Hebrajskie inskrypcje na Śląsku XIII-XVIII wieku, Wrocław 1996, S. 167 – 170. Liber funda­tionis claustri sancte Marie virginis in Heinrichow czyli księga Henrykowska, hrsg. von Roman Grodecki, Wrocław² 1991, S. 123. SUB I, 263; SUB II, 60.

Anmerkungen

II. Herzogliche Lokationsstadt (1230er–1330er Jahre) 65

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Überzeugend Marek Słoń, Początki osady walońskiej i kościoła Św. Maury­ cego we Wrocławiu, in: Dzieje parafii Św. Maurycego na Przedmieściu Oławskim we Wrocławiu, hrsg. von Rościsław Żerelik, Wrocław 2007, S. 11 – 20; Magdalena Konczewska/Jerzy Piekalski, Średniowieczna osada walonów we Wrocławiu w świetle badań archeologicznych przy plebanii parafii św. Maurycego we Wrocławiu, in: ebd., S. 21 – 30. SUB IV, 47. SUB II, 325 – 327. Zur neuesten Forschung vgl. Rafał Eysymontt, Rynek wrocławski – studium porównawcze, in: Wrocławski rynek. Materiały konferencji naukowej zorganizowanej przez Muzeum Historyczne we Wrocławiu w dniach 22 – 24 października 1998 r., hrsg. von Marzena Smolak, Wrocław 1999, S. 230 – 244; Rynek wrocławski w świetle badań archeologicznych, Bd. 1, hrsg. von Cezary Buśko, Wrocław 2001; Rynek wrocławski w świetle badań archeologicznych, Bd. 2, hrsg. von Jerzy Piekalski, Wrocław 2002; Cezary Buśko, Wandlungen in der räum­lichen Gestaltung des Großen Rings in Breslau im 13.-14. Jahrhundert, in: Neue Forschungen zur Archäologie des Mittelalters in Schlesien und Niedersachsen, hrsg. von Hans-­Georg Stephan/Krzysztof Wachowski, Wrocław 2001, S. 153 – 165; Piekalski, Praga, Wrocław (wie Anm. 53), S. 70 – 82. Eine ältere architekturgeschicht­liche Beschreibung bietet Rudolf Stein, Der große Ring zu Breslau, Breslau 1935. Zur Vermessung und Parzellierung vgl. auch Hans-­Jürgen Nitz, Vermessung und Maßpropor­tionen in der hochmittelalter­lichen Stadtplanung am Beispiel von Breslau und Kulm, in: Festschrift für Erdmann Gormsen zum 65. Geburtstag, hrsg. von Manfed Domrös/Wendelin Klaer, Mainz 1994, S. 35 – 44; Czesław Lasota/Małgorzata Chorowska, Działka lokacyjna we Wrocławiu, in: Architektura Wrocławia. Tom 2: Urbanistyka, hrsg. von Jerzy Rozpędowski, Wrocław 1995, S. 65 – 85. Mateusz Goliński, Zur Dynamik der Besitzverhältnisse am Breslauer Ringplatz in den Jahren 1345 bis 1420, in: Breslau und Krakau im Hoch- und Spätmittelalter. Stadtgestalt – Wohnraum – Lebensstil, hrsg. von Eduard Mühle, Köln u. a. 2014, S. 107 – 135, bes. S. 115. Zum Wohnbau Małgorzata Chorowska, Średniowieczna kamienica ­mieszczańska we Wrocławiu, Wrocław 1994; dies., The Burghers Houses of Medieval Wrocław, in: Bericht über die 44. Tagung für Ausgrabungswissenschaft und Bauforschung, Stuttgart 2008, S. 188 – 200; dies./Czesław Lasota, Die steinerne Bebauung der Ring- und Straßenzeilen im mittelalter­lichen Breslau, in: Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S. 77 – 105; Piekalski, Praga, Wrocław i Kraków (wie Anm. 53), S. 152 – 173.

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Małgorzata Chorowska, Palast und Wohnhaus. Der Einfluss des Herrensitzes auf die Breslauer Wohnhäuser im Mittelalter, in: Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S. 137 – 150. Breslauer Urkundenbuch, bearb. von Georg Korn, Breslau 1870, Nr. 238. Rafał Czerner/Czesław Lasota, Średniowieczne murowane obiekty h ­ andlowe na rynku wrocławskim in: Średniowieczny Śląsk i Czechy. Centrum średniowiecznego miasta. Wrocław a Europa Środkowa, hrsg. von Jerzy Piekalski/ Krzysztof Wachowski, Wrocław 2000, S. 331 – 347. Rafał Czerner/Czesław Lasota, Wrocławskie sukiennice, in: Architektura Wrocławia. Tom 4: Gmach, hrsg. von Jerzy Rozpędowski, Wrocław 1998, S.  9 – 33, bes. S.  14 – 15. Henricus Pauper, Rechnungen der Stadt Breslau von 1299 – 1358, nebst zwei Ra­tionarien von 1386 und 1387, dem Liber Imperatoris vom Jahre 1377 und den ältesten Breslauer Statuten, hrsg. von Colmar Grünhagen, Breslau 1860, S. 3: Item lapicidis datum est de eadem pecunia magistro Martino et magistro Alberico 51 marc. de valva Olaviensi et de consistorio. Wilhelm Havers, Zur Bedeutungsentwicklung des Wortes ‚Ring‘, in: 111. Jahresbericht der Schle­sischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, Breslau 1938, S. 17 – 36, bes. S. 30 – 31; auf die Tatsache der Einfassung des Platzes durch Häuser von allen vier Seiten führt den Begriff, dessen Erklärung letz­lich unsicher bleibt, Theodor Goerlitz, Der Breslauer Ring, in: ebd. S. 3 – 15 zurück. Henricus Pauper (wie Anm. 76), S. 2 (1299); Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 73), Nr. 198 (1349) und Nr. 238 (1363). Wichtigste neuere westsprach­liche Literatur: Peter Johanek, „Ostkolonisa­ tion“ und Städtegründung – Kolonialstädte in Ostmitteleuropa?, in: Kolo­ nialstädte – Europäische Enklaven oder Schmelztiegel der Kulturen?, hrsg. von Horst Gründer/Peter Johanek, Münster 2001, S. 27 – 50; Sławomir ­Gawlas, Die Loka­tionswende in der Geschichte mitteleuropäischer Städte, in: Rechtsstadtgründungen im mittelalter­lichen Polen, hrsg. von Eduard Mühle, Köln u. a. 2011, S. 77 – 105. Immer noch grundlegend: Richard Koebner, Locatio. Zur Begriffssprache und Geschichte der deutschen Kolonisa­tion, in: ZVGS 63 (1929), S. 1 – 32. Jerzy Rozpędowski, Breslau zur Zeit der ersten Loka­tion, in: Rechtsstadtgründungen (wie Anm. 79), S. 127 – 138; Mateusz Goliński, Zu den räum­ lichen Veränderungen Breslaus nach der Loka­tion, in: ebd., S. 157 – 168; Jerzy ­Piekalski, Die Loka­tion Breslaus als archäolo­gisches Forschungsproblem, in: ebd. S. 139 – 155.; ders., Die Formierung des öffent­lichen und privaten Raums im Breslau des 13. Jahrhunderts, in: Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S.  27 – 52. Wichtigste neuere westsprach­liche Literatur: Adrienne Körmendy, Melio­ ratio terrae. Vergleichende Untersuchungen über die Siedlungsbewegung

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im öst­lichen Mitteleuropa im 13.-14. Jahrhundert, Poznań 1995; Halina Manikowska, Melioratio terrae and System Transforma­tions on Lands the East of the Odra during the Thirteenth Century and the Late Middle Ages, in: Poteri economici e poteri politici secc. XIII-XVIII, hrsg. von Simonetta Cavaciocchi, Firenze 1999, S. 303 – 323; Benedykt Zientara, Heinrich der Bärtige und seine Zeit. Politik und Gesellschaft im mittelalter­lichen Schlesien, München 2002, S. 173 – 192, Sławomir Gawlas, Fürstenherrschaft, Geldwirtschaft und Landesausbau. Zum mittelalter­lichen Moder­ nisierungsprozeß im piastischen Polen, in: Rechtsstadtgründungen (wie Anm. 79), S. 13 – 76. Zientara, Heinrich der Bärtige (wie Anm 82), S. 137 – 147. SUB I, 142 und 305. SUB II, 237 (1223) und 266 (1226). SUB I, 321; vgl. auch Theodor Goerlitz, Eine Magdeburger Rechtsmitteilung für Breslau vor 1241?, in: BGSB 1 (1935), S. 92 – 105. Vita Annae ducissae Silesiae, hrsg. von Aleksander Semkowicz, in: Monumenta Poloniae Historica, Bd. 4, Lwów 1884, S. 657 – 661, hier S. 658. Vgl. allgemein Winfried Schich, Zur Größe der Area in den Gründungsstädten im öst­lichen Mitteleuropa nach den Aussagen der schrift­lichen Quellen, in: Vera Lex Historiae. Studien zu mittelalter­lichen Quellen, hrsg. von Stuart Jenks u. a., Köln 1993, S. 81 – 115. Ionnis Dlugossii Annales seu Cronicae incliti regni Poloniae. Liber Septimus, Warszawa 1975, S. 18: […] ne Thartari eius vel tectis potiri possent et de eius conflagra­tione gloriari, vel illic figere stativa […]. Rogerius, Carmen miserabile, hrsg. von Ladislaus Juhász, Budapest 1938, S.  543 – 588, hier S.  564:  […] et destructa Wratislavia civitate nobilissima et strage facta. SUB II, 229. SUB II, 229 und III, 373. Magdeburger Weistum von 1261, in: Magdeburger Recht. Band II: Die Rechtsmitteilungen und Rechtssprüche für Breslau. Teil 1: Die Quellen von 1261 bis 1452, hrsg. von Friedrich Ebel, Köln-­Wien 1989, S. 1 – 16: § 1: […] do gap man in recht nach irn wilkůre. Di wůrden sie zů rate, daz sie kůren râtman zů eime iare. So die Einschränkung, die Herzog Heinrich III. und sein Bruder Władysław 1261 bei der Gewährung Magdeburger Rechts vornahmen, SUB III, 373. Roland Mruczek/Michał Stefanowicz, Badania archeologiczno-­architek­ toniczne w rejonie zamku lewobrzeżnego we Wrocławiu 1999 roku, in: Śląskie Sprawozdania Archeologiczne 42 (2000), S. 237 – 253; dies./Dominik Nowakowski, Zamek lewobrzeżny we Wrocławiu w świetle nowszych badań, in: ebd. 47 (2005), S. 175 – 192.

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Christian-­Frederik Felskau, Das Franziskushospital in Prag und das Matthias­ stift in Breslau. Über den schwierigen Beginn einer Beziehungsbalance beim Aufbau eines ostmitteleuropäischen Hospitalordens der Kreuzbrüder mit dem roten Stern, in: Wanderungen und Kulturaustausch im öst­lichen Mitteleuropa. Forschungen zum ausgehenden Mittelalter und zur jüngeren Neuzeit, hrsg. von Hans-­Werner Rautenberg, München 2006, S. 59 – 92; Marek Słoń, Die Spitäler Breslaus im Mittelalter, Warszawa 2001, S. 36 – 37. SUB II, 350; III, 60, 61; das Matthiaspatrozinium erstmals in SUB III, 230. SUB III, 193; Ewald Walter, Zur Gründungsgeschichte des Breslauer ­Klarenstiftes, in: JbSWFU 32 (1991), S. 21 – 28. Marek Słoń, Fundatio civitatis. Städtische Loka­tion und kirch­liches Stiftungsprogramm in Breslau, Krakau und Posen, in: Rechtsstadtgründungen (wie Anm. 79), S. 107 – 126. SUB IV, 7. Czesław Lasota/Jerzy Piekalski, St. Elisabeth zu Breslau (Wrocław) – die Pfarrkirche der mittelalter­lichen Stadt im Lichte der archäolo­gischen Untersuchungen, in: Život v archeologii středoveku. Sbornik přispěvků věnovaných Miroslavu Richterovi a Zdenku Smetánkovi, hrsg. von Jana Kubková u. a., Praha 1997, S. 408 – 415. Paweł Konczewski, Die ursprüng­lichen Breslauer Grundstücksparzellen und ihre Veränderungen im späten Mittelalter, in: Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S. 53 – 75. Jerzy Kłoczowski, Dominikanie Polscy na Śląsku w XIII-XIV wieku, Lublin 1956, S. 54, 307. Noch im April 1274 zog Herzog Heinrich IV. alle Breslauer Immobilien­ besitzer zu einer speziellen Abgabe für die Errichtung der Mauer (ad muros intra fossata erigendos) heran; SUB IV, 236. Czesław Lasota/Zdzisław Wiśniewski, Badanie fortyfikacji miejskich Wrocławia z XIII w., in: Silesia Antiqua 39 (1998), S. 9 – 32; Paweł Konczewski/ Roland Mruczek/Jerzy Piekalski, The fortifica­tions of medieval and post-­ medieval Wrocław/Breslau, in: Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie im Hanseraum VII: Die Befestigungen, hrsg. von Manfred Gläser, Lübeck 2010, S.  597 – 614. Zum Charakter d ­ ieses und der nachfolgend aufgeführten Stadtteile ausführ­ lich Mateusz Golińki, Socjotopografia późnośredniowiecznego Wrocławia, Wrocław 1997; ders., Zu den räum­lichen Veränderungen (wie Anm. 81), S.  157 – 159. Zum Strukturwandel der Dominsel Żurek, Summum Wratislaviense (wie Anm. 55), S. 149 – 153. SUB III, 436.

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Zur frühen Geschichte der Neustadt Stanisław Rosik, Wrocławskie Nowe Miasto: Przegrany konkurent, zbuntowany satelita metropolii czy… intratna posada dla Gerharda z Głogowa?, in: Civitas et villa. Miasto i wieś w średniowiecznej Europie środkowej, hrsg. von Cezary Buśko u.a, Wrocław-­Praha 2002, S. 123 – 134; ders., Zur Genese und Funk­tion so genannter Neustädte in Schlesien im 13. und 14. Jahrhundert, in: Rechtsstadtgründungen (wie Anm. 79), S. 169 – 179; Marek Słoń, Mitteleuropäische Wollweberei und die Breslauer Neustadt, in: JbSFWU (2006/2007), S. 201 – 216. Zientara, Heinrich der Bärtige (wie Anm. 82), S. 247 – 261, 279 – 294. Benedykt Zientara, Henryk IV Probus, in: Poczet królów i książąt p ­ olskich, hrsg. von Andrzej Garlicki, Warszawa 1978, S. 203 – 211; Tomasz Jurek, ­Heinrich IV., Herzog von Breslau (1257/58 – 1290), in: Schle­sische Lebensbilder, Bd. 11, hrsg. von Joachim Bahlcke, Insingen 2012, S. 39 – 53. Konrad Wutke, Der Minnesänger Herzog Heinrich von Pressela in der bisherigen Beurteilung, in: ZVGS 56 (1922), S. 1 – 32. Stefan Sobaniec, Zabiegi Henryka IV wrocławskiego o Kraków i jego usiłowania odnowienia Królestwa, in: Księgia ku czci Oskara Haleckiego wydana w XXV-lecie jego pracy naukowej, Warszawa 1935, S. 229 – 248. Vgl. Winfried Irgang, Heinrich IV. und die ­Kirche, in: Śląsk w czasach ­Henryka IV Prawego, hrsg. von Krzysztof Wachowski, Wrocław 2005, S. 31 – 37. SUB V, 367; vgl. auch Andrzej Grzybkowski, Die Kreuzkriche in Breslau – Stiftung und Funk­tion, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 51 (1988), S. 461 – 478; Roman Michałowski, Princeps fundator. Monarchische Stiftungen und politische Kultur im piastischen Polen (10.-13. Jahrhundert), in: Monarchische und adlige Sakralstiftungen (wie Anm. 53), S. 37 – 108, bes. S.  86 – 106. SUB V, 452. Ludwig Petry, Breslau und Krakau vom 13. bis 16. Jahrhundert. Zwei Städteschicksale auf Kolonialboden, in: ZVGS 68 (1934), S. 48 – 68, hier S. 53. Mateusz Goliński, Miasta a polityka gospodarcza Henryka IV Probusa, in: Śląsk w czasach Henryka IV Prawego, hrsg. von Krzysztof Wachowski, Wrocław 2005, S. 49 – 62, bes. S. 49 – 55; hier auch die Einzelbelege für die nachfolgend aufgeführten Privilegien. Wolfgang Kehn, Der Handel im Oderraum im 13.-14. Jahrundert, Köln-­Graz 1968, S. 35 – 118; Grzegorz Myśliwski, Wrocław w przestrzeni gospodarczej Europy (XIII-XV wiek). Centrum czy peryferie?, Wrocław 2009; ders., Wirtschaftsleben an der Hohen Straße. Zu den wirtschaft­lichen Kontakten Breslaus mit Krakau und anderen kleinpolnischen Städten, in: Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S. 173 – 218.

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Giovanni di Pian di Carpine, Historia Mongalorum, hrsg. von Enrico ­ enestò, in: Giovanni di Pian di Carpine, Storia dei Mongoli, Spoleto M 1989, S. 225 – 333, hier S. 332. Han­sisches Urkundenbuch, Bd. 1, hrsg. von Constantin Höhlbaum, Halle 1876, Nr. 523. Breslauer Urkundenbuch (wie Anm. 73), Nr. 122. Roman Heck, Die gewerb­liche Produk­tion der mittelalter­lichen Stadt Wrocław (Breslau), in: Gewerb­ liche Produk­tion und Stadt-­L and-­ Beziehungen, hrsg. von Konrad Fritze, Weimar 1979, S. 43 – 53; Jerzy Piekalski, Das Handwerk in Breslau im Mittelalter und in früher Neuzeit, in: Lübecker Kolloquium zur Stadtarchäologie in Hanseraum V: Das Handwerk, hrsg. von Manfred Gläser, Lübeck 2006, S. 437 – 448. SUB IV, 209. Schle­sische Urkunden zur Geschichte des Gewerberechts insbesondere des Innungswesens aus der Zeit vor 1400, hrsg. von Georg Korn, Breslau 1867, S.  109 – 123. Magdeburger Weistum von 1261, in: Magdeburger Recht (wie Anm 93); § 1 betraf die Wahl der Ratmannen und den Ratmanneid. SUB III, 140. SUB III, 541; Theodor Goerlitz, Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau. Teil 1: Mittelalter, Würzburg 1962, S. 34 – 43; Rudolf Stein, Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau, Würzburg 1963, S. 12 – 18; ­Mateusz Golińki, Powstanie i funkcjonowanie wrocławskiej rady miejskiej w średniowieczu, in: Rada Miejska Wrocławia przez wieki, hrsg. von Barbara Zdrojewska u. a., Wrocław 2008, S. 7 – 12. Breslauer Stadtbuch enthaltend die Rathslinie von 1287 ab und Urkunden zur Verfassungsgeschichte der Stadt Breslau, hrsg. von Hermann Markgraf/ Otto Frenzel, Breslau 1882. Zur Erbvogtei Goerlitz, Verfassung (wie Anm. 128), S. 29 – 34. SUB IV, 267. Richard Koebner, Die Entstehung der Zaudengerichte und der Ausgang der Kastellaneiverfassung in Schlesien, in: Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien. Zwei Untersuchungen von Pauls Diels und Richard Koebner, Breslau 1935, S. 31 – 82, hier S. 80 – 82. Zur städtischen Gerichtsbarkeit Goerlitz, Verfassung (wie Anm. 128), S.  80 – 104. Magdeburger Weistum von 1261 (wie Anm. 93), § 1; die auch nach der Verselbständigung des Rates fortbestehende Verpflichtung der Ratsmänner gegenüber der Bürgergemeinde hebt Gerhard Pfeiffer, Die Entwicklung des Breslauer Patriziats, in: Deutsches Patriziat 1430 – 1740, hrsg. von Hellmuth Rössler, Limburg 1968, S. 99 – 123, bes. S. 103 – 104 hervor.

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Zur politischen Entwicklung in den 1290er-1330er Jahren und der Haltung der Stadt Breslau vgl. Stanisław Szczur, Średniowiecze, Kraków 2002, S. 350 – 360; Historia Wrocławia I: Cezary Buśko/Mateusz Goliński/Michał Kaczmarek/ Leszek Ziątkowski, Od pradziejów do końca czasów habsburskich, Wrocław 2001, S.  131 – 135. Erich Maetschke, Der Breslauer Stadthaushalt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: ZVSG 69 (1935), S70 – 88, hier S. 74; zum Übergang Breslaus an Böhmen: Otfried Pustejovsky, Schlesiens Übergang an die Böhmische Krone. Machtpolitik Böhmens im Zeichen ­­ von Herrschaft und Frieden, Köln-­Wien 1975, S. 129 – 133. Słoń, Die Spitäler (wie Anm. 96), S. 149 – 156; ders., Die Breslauer Spitäler als ­­Zeichen des Prestiges einer mittelalter­lichen Stadt, in: JbSFWU 45 – 46 (2004 – 2005), 9 – 24, bes.  15 – 17.

III. Patrizische Handelsmetropole (1330er–1520er Jahre) Rudolf Stein, Das Rathaus und der Große Ring zu Breslau. Geschichte, Beschreibung und Führer, Breslau 1937; Jan J. ­Trzynadolski, Stary Ratusz we Wrocławiu, Wrocław 2012. 139 Henricus Pauper (wie Anm. 76), S. 53 (1328), 57 (1332), 70 (zum Jahr 1345). 140 Bogusław Czechowicz, Böhmische Erbfolge und Breslau in den Jahren 1348 – 1361. Kunst und Geschichte auf Wegen und Holzwegen der Historiographie, Červený Kostelec 2013, S. 141 – 145; Romuald Kaczmarek, Znaki czeskiego panowania w średniowiecznym Wrocławiu, in: Wrocław w Czechach – Czesi we Wrocławiu. Literatura – język – kultura, hrsg. von Zofia Tarajło-­Lipowska/Jarosław Malicki, Wrocław 2003, S. 207 – 220, bes S. 217. 141 Henricus Pauper (wie Anm. 76), S. 10: Item de cellario civitatis 3 marc. et 1 ferto. 142 Mateusz Kapustka, Natura i geometria w późnogotyckiej dekoracji Ratusza Wrocławskiego – konflikt czy zależność?, in: Wrocławski Rynek. Materiały konferencji naukowej zorganizonwanej przez Muzeum Historyczne we Wrocławiu w dniach 22 – 24 października 1998 r., hrsg. von Marzena Smolak, Wrocław 1999, S. 19 – 28. 143 Vgl. Arnold Bartetzky, Die Beziehungen ­zwischen Stadt und Krone im Spiegel von Rathausdekora­tionen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit (Prag, Breslau, Krakau, Posen), in: Krakau, Prag und Wien. Funk­tionen von Metropolen im frühmodernen Staat, hrsg. von Marina Dmitrieva/Karen Lambrecht, Stuttgart 2000, S. 45 – 58, bes. S. 49 – 52. 144 Zur nachfolgenden Deutung vgl. Anna Jezierska, Wrocławska Rada M ­ iejska w portretach Georga Scholtza Młodszego, Wrocław 2008, S. 37 – 64 und 138

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Dietrich Poeck, Rituale der Ratswahl. Zeichen ­­ und Zeremoniell der Ratssetzung in Europa, Köln u. a. 2003, S. 269 – 283. Ewa Wółkiewicz,„Viri docti et secretorum conscii“. Kanzleipersonal im spätmittelalter­lichen Breslau, in: JbSFWU 46/47 (2006/2007), S. 85 – 113, bes. S. 113. Gerhard Pfeiffer, Das Breslauer Patriziat im Mittelalter, Aalen 1973; ders., Die Entwicklung (wie Anm. 134). Pfeiffer, Die Entwicklung (wie Anm. 134), S. 110, 115; ausführ­liche prosopographische Angaben bei Stein, Der Rat (wie Anm. 128) und Oskar Pusch, Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741, 5 Bde., Dortmund 1986 – 1991. Goliński, Zur Dynamik der Besitzverhältnisse (wie Anm. 70), S. 124 – 125. Alfred Kowalik, Aus der Frühzeit der Breslauer Tuchmacher, in: BGSB 5 (1938), S. 5 – 74, hier S. 27 – 63; Roman Heck, Walki społeczne w średniowiecznym Wrocławiu, in: Rocznik Wrocławski 1 (1957), S. 45 – 81, hier S.  55 – 60. Überliefert in dem 1546 verfassten Liber consulum und abgedruckt bei K ­ owalik, S.  32 – 33. Zum folgenden Mateusz Goliński, Wroclaw (Breslau) City Budget in the Fourteenth-­Fifteenth Centuries, in: Acta Poloniae Historica 104 (2011), S. 71 – 102; Otto Beyer, Schuldenwesen der Stadt Breslau im 14. und 15. Jahrhundert mit besonderer Berücksichtigung der Verschuldung durch Rentenverkauf, in: ZVGS 35 (1901), S. 68 – 143 Schle­sische Urkunden zur Geschichte des Gewerberechts (wie Anm. 125), S. 84. Chronicon Silesiae ab anno Christi 1052 usque in annum 1573 ultra quinque saecula, hrsg. von Lars-­Arne Dannenberg/Mario Müller, Görlitz-­Zittau 2011, S. 23; vgl. auch Colmar Grünhagen, Zur Geschichte des Breslauer Aufstands von 1418 nebst urkund­lichen Beilagen, in: ZVGS 11 (1872), 188 – 196; Heck, Walki społeczne (wie Anm. 149), S. 73 – 78. Zum spätmittelalter­liche Zunftwesen und Handwerk: Franz Eulenburg, Über Innungen der Stadt Breslau vom 13. bis 15. Jahrhundert, Berlin 1892; Roman Heck, Z życia cechów wrocławskich w XV w., in: Acta Universitatis Wratislaviensis. Historia 30 (1978), S. 77 – 101. Bedřich Mendl, Breslau zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Eine statistische Studie nach dem Steuerbuche von 1403, in: ZVGS 63 (1929), S. 154 – 185. Mateusz Goliński, Kryzys a przemiany środowiska miejskiego w późnym średniowieczu, in: SKHS 65 (2010), S. 263 – 278, hier S. 269 – 270. Leon Koczy, Związki handlowe Wrocławia z Polską do końca XVI wieku, Katowice 1936, bes. S. 13 – 30; Friedrich-­Wilhelm Henning, Die Handelsfunk­ tionen Breslaus in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: ders., Studien zur

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Wirtschafts- und Sozialgeschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Dortmund 1985, S. 185 – 205, bes. S. 187 – 189. Peter Ratkoš, Predpoklady vzniku Thurzovsko-­Fuggerovskej spoločnosti r. 1495, in: Československý Časopis Historický 14 (1966), S. 758 – 7 75. Ausführ­lich zu d ­ iesem Konflikt: Max Rauprich, Der Streit um die Breslauer Niederlage, 1490 – 1515, in: ZVGS 27 (1893), S. 54 – 116. Descriptio tocius Silesiae et civitatis regie Vratislaviensis per M. ­Bartholomeum Stenum/Barthel Steins Beschreibung von Schlesien und seiner Hauptstadt Breslau, hrsg. von Hermann Markgraf, Breslau 1902, S. 34 – 35. Ludwig Petry, Die Popplau. Eine schle­sische Kaufmannsfamilie im 15. und 16. Jahrhundert, Breslau 1935; Franz Klein-­Bruckschwaiger, Kaspar Popplau, in: Schle­sische Lebensbilder, Bd. 5, hrsg. von Helmut Neubach/Ludwig Petry, Würzburg 1968, S. 1 – 12. Zu seiner Person und seinen Reisen vgl. Reyße-­Beschreibung Niclas von Popplau, Ritters, bürtig von Breßlau, hrsg. von Piotr Radzikowski, Kraków 1998, bes. S. 7 – 16 sowie Detlev Kraack, Nicolaus von Popplau (um 1443 – nach 16. Juni 1490), in: Schle­sische Lebensbilder, Bd. 10, hrsg. von Karl Borchardt, Insingen 2010, S. 43 – 56. Werner Paravicini, Der Fremde am Hof. Nikolaus von Popplau auf Europareise 1483 – 1486, in: Fürstenhöfe und ihre Außenwelt. Aspekte gesellschaft­ licher und kultureller Identität im deutschen Spätmittelalter, hrsg. von Thomas Zotz, Würzburg 2004, S. 291 – 337, hier S. 294. Vgl. zum folgenden Inge Bily/Wieland Carls/Katalin Gönczi, Säch­sisch-­ magdebur­gisches Recht in Polen. Untersuchungen zur Geschichte des Rechts und seiner Sprache, Berlin-­Bosten 2011, bes. S. 30 – 31, 70 – 7 1, 88 – 89. Franz Klein-­Bruckschwaiger, Das Buch der Magdebur­gischen Urteile im Breslauer Stadtarchiv, in: Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 61 (1948), S. 261 – 293. Theodor Goerlitz, Die Oberhöfe in Schlesien, Breslau 1938, S. 2 – 20. Die Zitate aus dem Vorwort, zitiert nach Der Rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hrsg. von Friedrich Ebel, Köln u. a. 2000, S. 1; vgl. auch Franz Klein-­Bruckschwaiger, Die Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in Kaspar Popplaus ‚Rechten Weg‘, in: Zeitschrift für Rechts­ geschichte. Germanistische Abteilung 61 (1948), S. 440 – 477. Archiwum Państwowe we Wrocławiu, Akta Miasta Wrocławia J 7 und J 8. Die Autorschaft des Kaspar Popplau nachgewiesen bei Theodor Goerlitz, Der Verfasser der Breslauer Rechtsbücher Rechter Weg und Remissorium, in: ZVGS 70 (1936), S. 195 – 206. Otfried Schwarzer, Stadt und Fürstentum Breslau in ihrer politischen Umwelt im Mittelalter, in: ZVGS 65 (1931), S. 54 – 90, hier S. 70.

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Romana Petráková, Herrschaft­liche Repräsenta­tion und sakrale Architektur in Breslau während der Regierungen Johanns von Luxemburg und Karls IV., in: Soziale Bindungen und gesellschaft­liche Strukturen im späten Mittelalter (14.-16. Jahrhundert), hrsg. von Eva Schlotheuber/Hubertus Seibert, Göttingen 2013, S. 281 – 302; Czechowicz, Böhmische Erbfolge (wie Anm. 140), S. 127 – 152. František Šmahel, Die hussitische Revolu­tion, Hannover 2002, S. 110, 1072. Robert Holtzmann, Der Breslauer Reichstag von 1420, in: Schle­sische ­Geschichtsblätter 1920, S. 1 – 9. Johannes Kopietz, Die böhmische Landeshauptmannschaft in Breslau unter dem Könige Johann und dem Kaiser Karl IV., Breslau 1907; Wółkiewicz, Ewa: Capitaneus Slesie. Królewscy namiestnicy księstwa wrocławskiego i Śląska w 14. i 15. wieku, in: Monarchia w średniowieczu – władza nad ludźmi, władza nad terytorium, hrsg. von Jerzy Pysiak u. a. Warszawa-­Kraków 2002, S. 169 – 225; Mlada Holá, Vratislavská hejtmanská kancelař za vlády Jana Lucemburského a Karla IV., Praha 2011. Vgl. Richard C. ­Hoffmann, Towards a City-­State in East Central Europe. Control of Local Government in the Late Medieval Duchy of Wrocław, in: Societas. A Review of Social History 5 (1975), S. 173 – 199, bes. S. 176, 196; ders., Wrocław Citiziens as Rural Landholders, in: The Medieval City, hrsg. von Harry A. ­Miskimin u. a., New Haven-­London 1977, S. 293 – 311, bes. S. 302; ders., Land, liberties, and lordship in a late medieval countryside. Agrarian structures and change in the Duchy of Wrocław, Philadelphia 1989, S. 22 – 32. So Ludwig Petry, Breslau in der frühen Neuzeit – Metropole des Südostens, in. Zeitschrift für Ostforschung 33 (1984), S. 161 – 179, hier S. 165. Zitiert nach Richard Koebner, Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad, Breslau 1916, S. 164. Trotz mancher veralteter na­tionalpolitischer Wertungen noch immer grundlegend: Koebner, Der Widerstand (wie Anm. 177). Alfred A. ­Strnad, Die Breslauer Bürgerschaft und das Königtum Georg Poděbrads. Förderer und Freunde städtischer Politik an der päpst­lichen Kurie, in: Zeitschrift für Ostforschung 14 (1965), S. 401 – 435; Gunhild Roth/Volker Honemann, Die Memoriale der Breslauer Prokuratoren in Rom 1461 – 1467 in der Handschrift R 591a, in: JbSFWU 50 (2009), S. 63 – 109. Peter Eschenloer, Geschichte der Stadt Breslau, hrsg. und eingeleitet von Gunhild Roth, Münster u. a. 2003, S. 982. Hermann Markgraf, Heinz Dompnig, der Breslauer Hauptmann † 1491, in: ZVGS 20 (1886), S. 157 – 196. Bogusław Czechowicz, W jak Wrocław. Geneza ideowa motywu w herbie Wrocławia w aspekcie kryzysu władzy w królestwie czeskim w XV wieku, in: SKHS 61 (2006), S. 519 – 529; Rościsław Żerelik, Mały herb Wrocławia.

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Litera ‚W‘ w symbolice miejskiej, in: In memoriam honoremque Casimir Jasiński, hrsg. von Jarosław Wenta/Piotr Oliński, Toruń 2010, S. 291 – 299. Vgl. Wojciech Mrozowicz, Die Geschichtsschreibung Breslaus im Mittel­ alter, in: JbSFWU 47 – 48 (2006 – 2007), S.  65 – 84; Przemysław Wiszewski, Czy Wrocławianie chcieli zmian? Średniowieczne koncepcje dziejów miasta w wybranych dziełach historiografii wrocławskiej, in: SKHS 65 (2010), S. 249 – 262. Annales magistratus Wratislaviensis/Rocznik magistratu Wrocławskiego, hrsg. von August Bielowski, in Monumenta Poloniae Historica, Bd. 3, Lwów 1878, S. 680 – 688, hier S. 680; das lateinische Original hier deutsch zitiert nach Mrozowicz, Die Geschichtsschreibung Breslaus (wie Anm. 183), S. 79. Die Chronik in der deutschen Fassung: Peter Eschenloer, Geschichte der Stadt Breslau, hrsg. von Gunhild Roth, Münster u. a. 2003; zu Eschenloer und seinem Werk dort S. 1 – 29; Volker Honemann, Lateinische und volkssprachige Geschichtsschreibung im Spätmittelalter: Zur Arbeitsweise des Chronisten Peter Eschenloer aus Breslau, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 52 (1996), S. 617 – 627; Gunhild Roth, Zwischen Pflicht und Kür. Der Stadtschreiber Peter Eschenloer als Botschafter, Übersetzer und Chronist. Mit drei Anhängen zu Gesandten, Prokuratoren und Boten des Breslauer Rates, in: Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur Frühen Neuzeit, hrsg. von Rudolf Suntrup/Jan R. ­Veenstra, Frankfurt a. M. 2004, S. 15 – 46. Koebner, Der Widerstand (wie Anm. 183), S. 21. Vgl. Karen Lambrecht, Stadt und Geschichtskultur. Breslau und Krakau im 16. Jahrhundert, in: Die Konstruk­tion der Vergangenheit. Geschichtsdenken, Tradi­tionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeit­lichen Ostmittel­ europa, hrsg. Joachim Bahlcke, Berlin 2002, 245 – 264, bes. 246 – 255. Politische Correspondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad, hrsg. von Hermann Markgraf, Breslau 1874, S. 177 – 178: Si quidem in nostra civitate una dumtaxat esset scola, non valeret neque expediret filiis nostris;habemus octo jujusmodi particularia et vix sufficiunt pro juvenibs filiis et advenis. Wilhelm Schulte, Zur Geschichte des mittelalter­lichen Schulwesens in Breslau, in: ZVGS 36 (1901), S. 72 – 90; Kazimierz Bobowski, Die Geschichte des Schulwesens vom Elementaren und Höheren Grad in Breslau bis 1914 (Abriss), Wrocław 1992, S. 7 – 17. Kazimierz Dola, Wrocławska kapituła katedralna w XV wieku. Ustrój – skład osobowy – działalność, Lublin 1983, S. 130; der hohe bürger­liche Anteil unter den Domherren blieb auch im 16. Jahrhundert erhalten; erst im Verlauf des 17. Jahrhunderts gewann der Adel das Übergewicht, bis 1736 schließ­lich die adlige Geburt als Aufnahmevoraussetzung auch förm­lich festgeschrieben wurde; Gerhard Zimmermann, Das Breslauer Domkapitel im Zeitalter der Reforma­tion und Gegenreforma­tion (1500 –  1600). Verfassungsgeschicht­liche Entwickung und persön­liche Zusammensetzung, Weimar 1938, bes. S. 84 – 85.

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Anmerkungen

Dola, Wrocławska kapituła (wie Anm. 190), S. 141. Zu Bischof Roth Rainald Becker, Der Breslauer Bischof Johannes Roth (1426 – 1506) als instaurator veterum und benefactor ecclesiae suae. Eine Varia­ tion zum Thema des Humanistenbischofs, in: Römische Quartalschrift für christ­liche Altertumskunde und Kirchengeschichte 96 (2001), S. 100 – 123. 193 Peter Wörster, Breslau und Olmütz als humanistische Zentren vor der Reforma­tion, in: Humanismus und Renaissance in Ostmitteleuropa vor der Reforma­tion, hrsg. von Winfried Eberhard, Köln u. a. 1996, 215 – 227; Karen Lambrecht, Breslau als Zentrum der gelehrten Kommunika­tion unter Bischof Johann V. ­Thurzó (1466 – 1520), in: AfSKG 58 (2000), 117 – 141. 194 Gustav Bauch, Laurentius Corvinus, der Breslauer Stadtschreiber und Huma­ nist. Sein Leben und seine Schriften, in: ZVGS 17 (1883), S. 230 – 302; Susanne Rau, Laurentius Corvinus (~1465 – 1527), in: Schle­sische Lebensbilder, Bd. 8, hrsg. von Arno Herzig, Neustadt a. d. Aisch 2004, S. 39 – 46. 195 Emil Brzoska, Wissenschaft und Bildung in Schlesien bis zur Reforma­ tion, in: Beiträge zur schle­sischen Kirchengeschichte, hrsg. von Bernhard ­S tasiewski, Köln-­W ien 1969, S. 36 – 75, hier S. 67 – 75; Jan Harasimowicz, ‚Pro felici orthodoxe christiane religionis nostre incremento, pro gloria et exalta­tione regni ac corone nostre boemie‘. Der Gründungsversuch einer jagiellonischen Universität in Breslau im Jahr 1505, in: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hrsg. von Joachim Bahlcke u. a., Leipzig 2006, S.  85 – 94. 196 Die noch heute im Breslauer Staatsarchiv erhaltene Urkunde (Zbiór dokumentów miasta Wrocławia Nr. 8390) im Original und in einer deutschen Übersetzung publiziert in: Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hrsg. von Norbert Conrads, Köln u. a. 2003, S. 2 – 8. 197 Vgl. die Beschreibung der geist­lichen Institu­tionen und ihres Personals bei Barthel Stein, Descriptio (wie Anm. 160), S. 44 – 57, 70 – 73 sowie Ewa Wółkiewicz, Zwischen Kathedrale und Residenz. Zu den Beziehungen von Breslauer Bischöfen und Bürgern von Breslau und Neisse im Spätmittelalter, in: Bischof und Bürger. Herrschaftsbeziehungen in den Kathedralstädten des Hoch- und Spätmittelalters, hrsg. von Uwe Grieme, Göttingen 2004, S. 243 – 257, bes. S. 256. 198 Grażyna Lossowska, Studien zur gotischen Sakralarchitektur der Stadt Breslau unter besonderer Berücksichtigung der Domkirche St. Johannes des Täufers, Berlin 2001. 199 Vgl. Dietrich W. ­Poeck, Rat und Memoria, in: Memoria in der Gesellschaft des Mittelalters, hrsg. von Dietrich Geuenich/Otto Gerhard Oexle, Göttingen 1994, S. 286 – 335, bes. S. 321 und 327; Pfeiffer, Das Breslauer Patriziat (wie Anm. 146), S. 305 – 307; Karl Borchardt, Breslau als Zentrum Schlesiens im 191 192

Anmerkungen

15. Jahrhundert. Überlegungen zur Genese gesamtschle­sischer Einrichtungen, in: JbSFWU 42 – 44 (2001 – 2003), S. 9 – 47, hier S. 20. 200 Halina Manikowska, Der Breslauer Liber indulgentiarum und andere Quellen zur Erforschung spätmittelalter­licher Pilgerfahrten, in: JbSFWU 46/47 (2006/2007), S.  47 – 64. 201 Zur Geschichte der Breslauer Juden bis 1450 vgl. Marcus Brann, Geschichte der Juden in Schlesien, Breslau 1920, S. 28 – 38, 51 – 64, 87 – 93, 109. 202 So dezidiert Heidemarie Petersen, Die Predigtätigkeit des Giovanni di Capistrano in Breslau und Krakau 1453/54 und ihre Auswirkungen auf die dortigen Judengemeinden, in: In Breslau zu Hause? Juden in einer mittel­ europäischen Metropole der Neuzeit, hrsg. von Manfred Hettling u. a., Hamburg 2003, S. 22 – 29, 191 – 194; das Motiv des religiösen Judenhasses und die entsprechende Verantwortung Capistranos für den Judenmord beto­ nen dagegen Brann, Geschichte (wie Anm. 201), S. 119 – 133 und ­Hermina Joldersma, Specific or generic “Gentile Tale“? Sources on Breslau Host Desecra­tion (1453) Reconsidered, in: Archiv für Reforma­tionsgeschichte 95 (2004), S. 6 – 34, bes. S. 15 – 16. eine eingehende Beschreibung des Prozesses bei Miri Rubin, Gentile Tales. The Narrative Assault on Late Medieval Jews, New Haven-­London 1999, S. 119 – 128. 203 Zur sporadischen Anwesenheit jüdischer Händler und Gäste bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts und der anschließenden Entstehung einer neuen Breslauer Judengemeinde vgl. Bernhard Brilling, Geschichte der Juden in Breslau von 1454 – 1702, Stuttgart 1960.

IV. Hochburg des Luthertums (1520er–1630er Jahre) Historia Wrocławia I (wie Anm. 135), S. 239; Leszek Ziątkowski, Die räum­ liche und architektonische Entwicklung Breslaus vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, in: Atlas historyczny miast polskich Tom 4: Śląsk. Zeszyt 1: Wrocław/ Historischer Atlas polnischer Städte. Band 4: Schlesien. Heft 1: Breslau, hrsg. von Marta Młynarska-­Kaletynowa, Wrocław 2001, S. 21 – 24, hier S. 23. 205 Teresa Kulak, Twierdza Fryderyka II, in: Wrocław. Dziedzictwo wieków, Wrocław 1997, S. 109 – 126, hier S. 120. 206 Piotr Oszczanowski, Wrocławski ogród Laurentiusa Scholtza St. (1552 – 1599) – sceneria spotkań elity intelektualnej końca XVI wieku, in: Śląska republika uczonych/Schle­sische Gelehrtenrepublik/Slezská vědescká obec, hrsg. von Marek Hałub/Anna Mańko-­Matysiak, Wrocław 2004, S. 98 – 145. 207 Julius Krebs, Rat und Zünfte der Stadt Breslau in den schlimmsten Zeiten des 30jährigen Kriegs, Breslau 1912, S. 10 – 14. 208 Ebd., S. 116. 204

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Anmerkungen

Jerzy Piekalski, Neubau oder Weiterentwicklung? Frühneuzeit­liche Stadtbefestigung in Breslau und Krakau, in: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 18 (2007), S. 131 – 140, bes.  133 – 136. 210 Marcin Bukowski, Arsenał wrocławski przy bramie Mikołajskiej, Wrocław u. a. 1977, bes. 25 – 27. 211 Vgl. Teresa Sokół, Brama Oławska – rys historyczny, in: Przedmieście Oławs­ kie we Wrocławiu, hrsg. von Halina Okólska u. a., Wrocław 2013, S. 26 – 34. 212 Zum Vorstehenden Jerzy Rozpędowski, Fortyfikacje bas­tionowe z lat 1544 – 1693, in: Wrocław – jego dzieje i kultura, hrsg. von Zygmunt Ś ­ wiechowski, Warszawa 1978, S. 210 – 215; Adam Żurek, Fortyfikacje Wrocławia, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 31 – 36; Gustav Schoenaich, Die Entstehung der schle­sischen Stadtbefestigungen, in: ZVGS 41 (1907), S.  17 – 36, bes.  26 – 35. 213 Vgl. Gabriela Wąs, Religiöses und gesellschaft­liches Bewusstsein. Stadträte und Franziskanerklöster im Schlesien des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Wissen­schaft und Weisheit 61 (1998), S. 57 – 97, bes. S.74 – 7 7, 82, 90. 214 Karl Dziatzko, Casper Elyan, Breslau’s erster Drucker, in: ZVGS 15 (1880), S. 1 – 32; Alfred G. ­Świerk, Die Anfänge des Buchdrucks in Breslau, in: JbSFWU 23 (1982), S. 171 – 177. 215 Aleksander Birkenmajer, Baumgarten, Konrad, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 1, Kraków u. a. 1935, S. 367. 216 Hans Volz, Die Breslauer Luther- und Reforma­tionsdrucker Adam Dyon und Kaspar Libisch, in: Gutenberg-­Jahrbuch 42 (1967), S. 104 – 117; Helmut Claus, New Light on the Presses of Adam Dyon and Kaspar Libisch in Breslau (1518 – 1540), in: The German Book 1450 – 1750. Studies presented to David L. ­Paisey in his retirement, London 1995, S. 61 – 80. 217 Zitiert nach Gustav Bauch, Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reforma­tion, Breslau 1911, S. 2. 218 Zur Breslauer Reforma­tion allgemein Paul Konrad, Die Einführung der Reforma­tion in Breslau und Schlesien. Ein Rückblick nach 400 Jahren, Breslau 1917; Kurt Engelbert, Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien, in: AfSKG 18 (1960), S. 121 – 207; 19 (1961), S. 165 – 232; 20 (1962), S. 291 – 372; im schle­sischen Kontext und mit Blick auf das Bildungswesen Christine Abmeier, Das schle­sische Schulwesen im Jahrhundert der Reforma­ tion. Ständische Bildungsreformen im Geiste Philipp M ­ elanchthons, Stuttgart 2011, bes. S. 57 – 86, 162 – 176; eine neuere kulturgeschicht­liche Erör­terung des Humanismus und der Reforma­tion in Breslau bietet Klaus ­Garbers, Das alte Breslau. Kulturgeschichte einer geistigen Metropole, Köln u. a. 2014, bes. S.  47 – 120, 241 – 280. 219 Carl Blasel, Geschichte von ­Kirche und Kloster St. Adalbert zu Breslau, Breslau 1912, S. 37. 209

Anmerkungen

Die Zitate nach Johannes Soffner, Geschichte der Reforma­tion in Schlesien, Breslau 1887, S. 23 – 25. 221 Zu Hess Gustav Bauch, Johann Thurzo und Johann Heß, in: ZVGS 36 (1901), S. 193 – 224, bes. 208 – 217; Manfred P. ­F leischer, Johann Heß, der Breslauer Reformator. Zu seinem 500. Geburtstag, in: Schlesien 35 (1990), S. 193 – 203. 222 Acta capituli Wratislaviensis 1500 – 1562. Die Sitzungsprotokolle des Breslauer Domkapitels in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Bd. 2: 1517 – 1540, hrsg. von Alfred Sabisch, Köln-­Wien 1976, Nr. 1480, S. 341. 223 Zitiert nach Paul Konrad, Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur ­Geschichte der ­Kirche und Schule Schlesiens im Reforma­tionszeitalter, Halle 1891, S. 22. 224 Werner Laug, Johannes Heß und die Disputa­tion in Breslau von 1524, in: JbfSKG 37 (1958), S. 23 – 33; Otto Scheib, Die Breslauer Disputa­tion von 1524 als Beispiel eines frühreformatorischen Religionsgespräches eines Doktors der Theologie, in: Festschrift für Bernhard Stasiewski. Beiträge zur ostdeutschen und osteuropäischen Kirchengeschichte, hrsg. von Gabriel Adriányi/Joseph Gottschalk, Köln-­Wien 1975, S. 98 – 106. 225 Gotteskastenordnung und Instruc­tion und ordnung des gemeinen almosen, in: Schle­sische K ­ irchen- und Schulordnungen von der Reforma­tion bis ins 18. Jahrhundert, hrsg. von Hans Jessen/Walter Schwarz, Görlitz 1938, S.  1 – 5, 5 – 9. 226 Zu Moibanus ausführ­lich Konrad, Dr. Ambrosius Moibanus (wie Anm. 223); Heinz Scheible, Melanchthons Beziehungen zu Stadt und Bistum Breslau, in: AfSKG 58 (2000), S. 143 – 184, bes. S. 152 – 154. 227 Conrad Buchwald, Ein Abendmahlbild aus dem Breslauer Rathause, in: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift NF 5 (1909), S. 144 – 150; Piotr ­Oszczanowski, Reprezentacyjność władzy czyli sztuka na usługach rady miejskiej we Wrocławiu, in: Rada Miejska Wrocławia przez wieki, hrsg. von Barbara Zdrojewska u. a., Wrocław 2008, S. 23 – 40, bes. S. 27 – 31. 228 Schul- und Kirchenordnung des Rathes der Stadt Breslau, in: Schle­sische ­Kirchen- und Schulordnungen (wie Anm. 225), S. 18 – 25, sie regelte neben dem Schulwesen und den Gehältern der Schulbediensteten auch die Vergütungen für Pfarrer und Kirchendiener; Ordnung der kirchen zu Breslawe [1557], in: ebd., S. 40 – 42; Alfred Sabisch, Der Meßcanon des Breslauer Pfarrers Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte des protestantischen Gottesdienstes in Schlesien in den ersten Jahrzehnten der Glaubensspaltung, in: AfSKG 3 (1938), S. 98 – 126. 229 Alfred Sabisch, Die Bischöfe von Breslau und die Reforma­tion in Schlesien. Jakob von Salza († 1539) und Balthasar von Promnitz († 1562) in ihrer glaubensmäßigen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit den Anhängern der Reforma­tion, Münster 1975, S. 87. 220

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Anmerkungen

Ebd., S. 68. Colmar Grünhagen, Breslau und die Landesfürsten. II. ­Unter habsbur­gischer Herrschaft, in: ZVGS 36 (1902), S. 225 – 270, hier S. 245. 232 Gundolf Keil, Das ‚Breslauer Arzneibuch‘ und sein fachliterarisches Umfeld, in: JbSFWU 46/47 (2006/2007), S. 27 – 46. 233 Karl-­Heinz Bartels, Die Breslauer Medizinal-­Statuten aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, in: JbSFWU 46/47 (2006/2007), S. 11 – 26, bes. S. 11. 234 Stein, Der Rat (wie Anm. 128), S. 222 – 226. 235 Rehdigers Testament vom 15. Dezember 1575 und der Vergleich mit der Stadt von 1645 abgedruckt bei Albrecht W. ­J. Wachler, Thomas R ­ ehdiger und seine Büchersammlung in Breslau. Ein biographisch-­literärischer Versuch, Breslau 1828, S. 70 – 74; Susanne Rau, Geschichte und Konfession. Städtische Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur im Zeitalter der Reforma­ tion und Konfessionalisierung in Bremen, Breslau, Hamburg und Köln, Hamburg 2002, S. 447 – 448. 236 Scheible, Melanchthons Beziehungen (wie Anm. 226), S. 166 – 173. 237 Grünhagen, Breslau und die Landesfürsten (wie Anm. 231), S. 242. 238 Ludwig Petry, Breslau in der schle­sischen Städtelandschaft des 16. Jahrhunderts, in: ders., Dem Osten zugewandt. Gesammelte Aufsätze zur schle­ sischen und ostdeutschen Geschichte, Sigmaringen 1983, S. 305 – 320, hier S. 307; Sabisch, Die Bischöfe (wie Anm. 229), S. 83. 239 Ludwig Petry, Breslau und seine ersten Oberherren aus dem Hause Habsburg 1526 – 1635. Ein Beitrag zur politischen Geschichte der Stadt, St. Katha­ rinen 2000, S. 21; Petry, Breslau in der schle­sischen Städtelandschaft (wie Anm. 238), S. 305. 240 Ferdinand Friedensburg, Der Breslauer Pönfall und die Münzordnung König Ferdinands, in: ZVGS 24 (1890), S. 88 – 126; Petry, Breslau und seine ersten Oberherren (wie Anm. 239), S. 39 – 41. 241 Petry, Breslau und seine ersten Oberherren (wie Anm. 239), S. 82. 242 Norbert Conrads, Schlesiens frühe Neuzeit (1496 – 1740), in: Deutsche ­Geschichte im Osten Europas. Schlesien, hrsg. von dems., Berlin 1994, S. 178 – 344, hier S. 261. 243 Julius Krebs, Der politische und wirtschaft­liche Verfall der Stadt Breslau um die Mitte des 30jährigen Krieges, in: ZVGS 38 (1904), S. 155 – 175; ders., Rat und Zünfte (wie Anm. 207), S. 28, 57 – 66. 244 Herman, Palm, Die Conjunc­tion der Herzöge von Liegnitz, Brieg und Oels, so wie der Stadt und des Fürstenthums Breslau mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und der Krone Schweden in den Jahren 1633 – 35, in: ZVGS 3 (1861), S. 227 – 368. 245 Petry, Breslau und seine ersten Oberherren (wie Anm. 239), S. 107. 230 231

Anmerkungen

Józef Gierowski, Powstanie żołnierskie w 1636 r., in: Rocznik Wrocławski 1 (1957), S. 83 – 100. 247 Kaiser­liche resolu­tion wegen der stände in Ober- und Niederschlesien […], in: Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618 – 1651. Zweiter Teil, zehnter Band: Der Prager Frieden von 1635, Teilband 4 (Vertrags­ texte), bearbeitet von Kathrin Bierther, München-­W ien 1997, S. 1661 – 1665, hier S. 1663. 246

V. Zielpunkt der Gegenreformation (1630er–1740er Jahre) 248 Vgl.

Gregor Thum, Die fremde Stadt. Breslau nach 1945, München 2006, bes. S. 462 – 488; zum historischen barocken Breslauer Wohnbau ausführ­lich Wojciech Brzezowski, Dom mieszkalny we Wrocławiu w okresie baroku, Wrocław 2005. 249 Zu den Jesuiten in Breslau: Carl Adolf Schimmelpfennig, Die Jesuiten in Breslau während des ersten Jahrzehnts ihrer Niederlassung. Aus den Akten des Stadtarchivs zu Breslau, in: ZVGS 24 (1890), S. 177 – 216 und 25 (1891), S. 82 – 103; Hermann Hoffmann, Die Jesuitenmission in Breslau 1581 – 1595, in: ZVGS 69 (1935), S. 146 – 183; Karl Adolf Franz Fischer, Jesuiten in Breslau. Quellen zur Geschichte der Breslauer Jesuitenakademie und Jesuitenuniversität 1640 – 1755, in: AfSKG 38 (1980), S. 121 – 174; Zdzisław Lec, Jezuici we Wrocławiu (1581 – 1776), Wrocław 1995. 250 Der Rat an den Bischof und Oberlandeshauptmann, 5. Juni 1591, Staatsarchiv Breslau Rep 17, zitiert nach Krebs, Rat und Zünfte (wie Anm. 207), S. 17. 251 Norbert Conrads, Neue Quellen zur Vorgeschichte der Jesuitenuniversität Breslau (mit Quellenanhang), in: Zeitschrift für Ostforschung 37 (1988), S. 376 – 416 hier S. 376. 252 Zur Baugeschichte und Architektur des gesamten Universitätskomplexes: Bernhard Patzak, Studien zur schle­sischen Kunstgeschichte I.: Die Jesuitenbauten in Breslau und ihre Architekten. Ein Beitrag zur Geschichte des Barockstiles in Deutschland, Strassburg 1918, bes. S. 1 – 99; Henryk Dziurla, University of Wrocław, Wrocław 1976, bes. S. 24 – 39, 46 – 94; Zdzisław Lec, Jezuici we Wrocławiu (1581 – 1776), Wrocław 1995, S. 125 – 145; Carsten Rabe, Alma Mater Leopoldina. Kolleg und Universität der Jesuiten in Breslau 1638 – 1811, Köln u. a. 1999, bes. S. 184 – 200; Herbert Karner, Die schle­sischen Jesuitenkirchen in Breslau und Brieg. Architektur und Bild im Spannungsfeld jesuitischer Modelle, in: Bohemia jesuitica 1556 – 2006, Bd. 2, hrsg. von Petronilla Cemus, Praha 2010, S. 1347 – 1373, bes. S. 1347 – 1360. 253 Das Zitat aus einem Schreiben des Breslauer Rates, zitiert nach Rabe, Alma mater (wie Anm. 252), S. 195.

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Anmerkungen

Jens M. ­Baumgarten, Die Gegenreforma­tion in Schlesien und die Kunst der Jesuiten. Das Transitorische und das Performative als Grundbedingung für die Disziplinierung der Gläubigen, in: JbfSKG 76/77 (1997/98), S. 129 – 163, hier S. 135. 255 Ryszard Hołownia, Der Universalkünstler Christoph Tausch (1673 – 1731) im Dienste der Jesuiten und des Fürstbischofs von Breslau, in: Reiselust & Kunstgenuß. Barockes Böhmen, Mähren und Österreich, hrsg. von Friedrich Polleroß, Petersberg 2004, S. 89 – 102. 256 Jens Baumgarten, Jesuitische Bildpolitik z ­ wischen Überwältigung und Überprüfbarkeit am Beispiel der Jesuitenkirchen in Breslau und Glatz, in: Jesui­ tische Frömmigkeitskulturen. Konfessionelle Interak­tion in Ostmitteleuropa 1570 – 1700, hrsg. von Anna Ohlidal u. a., Stuttgart 2006, S. 63 – 92, hier S. 89. 257 Zur habsbur­gischen Rekatholisierungspolitik in Schlesien und Breslau Jörg Deventer, Konfronta­tion statt Frieden. Die Rekatholisierungspolitik der Habsburger in Schlesien im 17. Jahrhundert, in: Kulturgeschichte Schle­ siens in der Frühen Neuzeit. Band 1, hrsg. von Klaus Garber, Tübingen 2005, S.  265 – 283. 258 Jan Wrabec, Barokowa architektura sakralna, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 63 – 68. 259 Wojciech Brzezowski, Wrocławski dom pracy przemusowej i jego budowni­ czo­wie, in: Architektura Wrocławska. Tom 4 (wie Anm. 75), S. 47 – 64. 260 Ausführ­lich zur Breslauer und schle­sischen Barockdichtung jetzt Garbers, Das alte Breslau (wie Anm. 218), bes. S. 281 – 338. 261 Joseph Jungnitz, Geschichte der Fronleichnamsprozession in Breslau, Breslau 1898, S.  10 – 11. 262 Norbert Conrads, Die Durchführung der Altranstädter Konven­tion in Schlesien 1707 – 1709, Köln-­Wien 1971. 263 Edmond Halley, An Estimate of the Degree of the Mortality of Mankind, drawn from curious Tables of the Births and Funerals at the City of Breslaw, in: Philosophical Transac­tions for the Year 1693, Bd. 18, Nr. 196, London 1694, S. 596 – 610; vgl. auch Jonas Graetzer, Edmund Halley und Caspar Neumann. Ein Beitrag zur Geschichte der Bevölkerungs-­Statistik, Breslau 1883. 264 Krystyn Matwijowski, Uroczystości, obchody i widowiska w barokowym Wrocławiu, Wrocław 1969, S. 96 und 106. 265 Zur polnischen eingesessenen und zuwandernden, protestantischen und katho­lischen Minderheit in Breslau in der frühen Neuzeit Aleksander ­Rombowski, Polacy ewangelicy we Wrocławiu i w okolicy, in: Przegląd Zachodni 1953, 1 – 3, S. 31 – 63; ders., Nauka języka polskiego we Wrocławiu (koniec wieku XVI ‒ połowa wieku XVIII), Wrocław 1960, bes. S. 20 – 31. 266 Herbert Patzelt, Der schle­sische Pietismus in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts, in: JbfSKG 64 (1985), S. 97 – 107, bes. S. 103 – 104. 254

Anmerkungen

Zum Folgenden Bernhard Brilling, Zur Geschichte der Juden in Breslau, die ersten in Breslau wohnhaften Juden 1697 – 1707, in: JbSFWU 12 (1967), S. 126 – 143; ders., Die Geschichte der Juden in Breslau 1702 – 1725, in: ebd. 16 (1971), S. 88 – 126; Arno Herzig, Die Juden Breslaus im 18. Jahrhundert, in: In Breslau zu Hause (wie Anm. 202), S. 46 – 62, bes. S. 46 – 49; Peter Baumgart, Die jüdische Minorität in Breslau z­ wischen Habsburg und Preußen, in: JbSFWU 45 – 46 (2004 – 2005), S.  87 – 109, bes. S.  93 – 98. 268 Katalog der Ordnungen bei Matthias Weber, Die schle­sischen Polizei- und Landesordnungen der Frühen Neuzeit, Köln u. a. 1996, S. 460 – 527. 269 Weber, Die schle­sischen Polizei- und Landesordnungen (wie. Anm. 268), S. 148. 270 Ebd. 271 Die frühneuzeit­liche Wirtschaftsgeschichte Breslaus stellt ein Desiderat der Forschung dar; es fehlen neuere Untersuchungen, die alte Urteile überprüfen und solide quellengestützte Aussagen ermög­lichen. Einstweilen bleibt man angewiesen auf: Konrad Wutke, Die schle­sische Oderschiffahrt in vorpreu­ ßischer Zeit. Urkunden und Aktenstücke, Breslau 1896; Franz Eulenburg, Drei Jahrhunderte städtischen Gewerbewesens. Zur Gewerbestatistik Alt-­ Breslaus 1470 – 1790, in: Vierteljahrshefte für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 2 (1904), S. 254 – 285; Heinrich Wendt, Schlesien und der Orient. Ein geschicht­licher Überblick, Breslau 1916, bes. S. 163 – 182; Marian S. ­Wolański, Związki handlowe Śląska z Rzecząpospolitą w XVII wieku ze szczególnym uwzględnieniem Wrocławia, Wrocław 1961; Józef Gierowski, Stosunki społeczne i gospodarcze w okresie umacniania się zalążków kapitalizmu (1648 – 1741), in: Dzieje Wrocławia do roku 1807, Warszawa 1958, S. 371 – 469. 272 Vgl. Katalog ausgewählter Leichenpredigten der ehemaligen Stadtbibliothek Breslau, bearb. von Rudolf Lenz, Marburg 1986; Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften in der Dombibliothek zu Breslau, bearb. von Rudolf Lenz u. a., Sigmaringen 1997; Katalog der Leichenpredigten und sonstiger Trauerschriften in der Bibliothek des Ossolineums Wrocław (Breslau), bearb. von Rudolf Lenz u. a., Sigmaringen 1998. 273 Zum folgenden vgl. Kalina Mróz-­Jabłecka, Die weib­lichen Lebenswelten in den barocken Funeraldrucken. Gedächtnisformen der urbanen Kultur am Beispiel der Stadt Breslau von Mitte des 17. bis Mitte des 18. Jahrhunderts, Berlin 2011, bes. S.  11 – 14, 76 – 78, 83 – 85, 201 – 205. 274 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Fürst­lich Stolbergsche Sammlung, Signatur 4068: Leichenpredigt von Johann David Raschke, Die Trübsal und Herr­lichkeit einer nach dem Wunsch ihres Hertzens sterbenden ­Christin […] Anna Ursula Becker […], Brieg [1732], hier S. 33. 275 Raschke, Die Trübsal (wie Anm. 274), S. 34. 276 Julius Neugebauer, Breslaus Papiermühle (Papiermacher, Spielkartenfabrika­ tion, Pergamentuere, Buchbinder), in: Schle­sische Vorzeit in Bild und Schrift. 267

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Anmerkungen

Erster Bericht des […] Vereins für das Museum schle­sischer Alterthümer, Breslau 1869, S. 182 – 184. 277 Rasche, Die Trübsal (wie Anm. 274), S. 14. 278 Ebd., S. 35. 279 Weber, Die schle­sischen Polizei- und Landesordnungen (wie Anm. 268), S. 147. 280 Rasche, Die Trübsal (wie Anm. 274), S. 25. 281 Vgl. Rombowski, Nauka języka polskiego (wie Anm.); Kalina Mróz-­Jabłecka, „… Ein sehr nöthiges Werck ist/die Polnische Sprache zu erlernen …”. Die existentielle Notwendigkeit des Erwerbs der Polnischkenntnisse an Fallbeispielen der Breslauer Kaufmänner und ihrer Söhne, in: Wrocław – Berlin. Germanistischer Brückenschlag im deutsch-­polnischen Dialog, Bd. 2, hrsg. von Bernd Balzer/Marek Hałub, Dresden 2006, S. 117 – 126. 282 Paul Jacob Marpergers […] Schle­sischer Kauffmann oder: Ausfür­liche Beschreibung der schle­sischen Commercien und deren jetzigen Zustandes […], Breslau-­L eipzig 1714, S. 188; vgl. auch Józef Gierowski, Z dziejów handlu Wrocławia z Polską w dobie saskiej, in: SKHS 4 (1949), S. 192 – 199. 283 Ein unpaginiertes Exemplar in der Herzog August-­Bibliothek in Wolfenbüttel, Signatur Kq 23. 284 Friderici Lucae Schlesiens curieuser Denckwürdigkeiten oder vollkommener Chronica andrer Theil, Frankfurt am Mayn 1689, S. 2198. 285 Rasche, Die Trübsal (wie Anm. 274), S. 14. 286 Universitätsbibliothek Breslau, Signatur 561884: Leichenpredigt von Caspar Neumann, Eine gute Erklärung Frommer Eltern / Wenn sie Hertzeleid sehen an ihren Kindern […], Brieg [1711], S. 13. 287 Universitätsbibliothek Breslau, Signatur 561884: Mitleidige Trauer-­Zeilen / Womit Den Seligen Herren Johann Caspar Becker Zu Seinem Grabe beglei­ ten wollen, I. ­Sein bisheriger Tischwirt Gottlob Krantz […], II. ­Seine bißherige Treu gewesene Commilitones […], Brieg [1711], [S. 3, 7]. 288 Rasche, Die Trübsal (wie Anm. 274), S. 20. 289 Ebd., S. 31. 290 Ebd., S. 20, 34. 291 Ebd., S. 19.

VI. Preußische Residenzstadt (1740er–1870er Jahre) 292

Zur preußischen Eroberung Schlesiens und Breslaus vgl. Johannes Kunisch, Die militärische Bedeutung Schlesiens und das Scheitern der österreichischen Rückeroberungspläne im Siebenjährigen Krieg, in: Kontinuität und Wandel. Schlesien ­zwischen Österreich und Preußen, hrsg. von Peter Baumgart, Sigmaringen 1990 S. 19 – 39; Harm Klueting, Die politisch-­administrative

Anmerkungen

Integra­tion Preußisch-­Schlesiens unter Friedrich II., in: ebd. S. 41 – 62; ­ orbert Conrads, Politischer Mentalitätswandel von oben. Friedrichs II. ­Weg N vom Gewinn Schlesiens zur Gewinnung der Schlesier, in: ebd. S. 219 – 236; Eduard Cauer, Zur Geschichte von Breslau im Jahre 1741, in: ZVGS 3 (1860), S. 59 – 81; Colmar Grünhagen, Die Österreicher in Breslau 1757, in: ZVGS 24 (1890), S. 55 – 87; ders., Breslau und die Landesfürsten. III: Unter Friedrich dem Großen, in: ebd. 38 (1904), S. 1 – 70. 293 Zum folgenden Piotr Oszczanowski, Die evange­ lisch-­augsbur­gische ­Kirche der Gottes Vorsehung, die ehem. Hofkirche, Wrocław 1997; Ulrich ­Hutter-­Wolandt, Die Hofkirche zu Breslau. Ein Rokokokirchenbau im frühpreußischen Schlesien, Bonn 1999, bes. S. 20 – 24, 68 – 98. 294 Zum folgenden Martin Engel, Die städtebau­liche Einbindung des Breslauer Schlosses. Ein Beitrag zur brandenbur­gisch-­preus­sischen Residenzbaukunst im 18. Jahrhundert, in: Architektura Wrocławska. Tom 2 (wie Anm. 69), S. 181 – 199; Wojciech Brzezowski, Pałac Królewski, oddział Muzeum Miejs­ kiego Wrocławia, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 221 – 222. 295 Die einzelnen Aufenthalte finden sich aufgeführt bei Erich Fink, Geschichte der landesherr­lichen Besuche in Breslau, Breslau 1897, S. 101 – 130. 296 Małgorzata Morawiec, Die Geburtstagsfeier­lichkeiten für die preußischen Könige in Breslau am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert, in: Die frühneuzeit­liche Monarchie und ihr Erbe, hrsg. von Ronald G. ­Asch u. a., Münster 2003, S. 219 – 234. 297 Anne-­Margarete Brenker, Aufklärung als Sachzwang. Realpolitik in Breslau im ausgehenden 18. Jahrhundert, Hamburg 2000, bes. S. 43 – 7 8, 133 – 278; Lucyna Harc, Polen und Preußen in der Beurteilung Breslauer meinungsbildender Eliten in der Aufklärungszeit, in: Deutsche und Polen in der Aufklärung und in der Romantik. Verweigerung des Transfers? hrsg. von Ewa Szymani, Leipzig 2011, S. 29 – 38 298 Grzegorz Podruczny, Die Veränderungen Breslaus in der friderizia­ nischen Epoche (1741 – 1806), in: Das Bild von Wrocław/Breslau im Laufe der ­Geschichte, hrsg. von Jan Harasimowicz, Wien 2008, S. 45 – 54; ders., Twierdza Wrocław w okresie fryderycjańskim. Fortyfikacje, garnizon i dzia­ łania ­wojenne w latach 1741 – 1806, Wrocław 2009, S. 31 – 101. 299 Zu Langhans’ Wirken in Breslau und Schlesien ausführ­lich Walter Th. Hinrichs, Carl Gotthard Langhans. Ein schle­sischer Baumeister 1733 – 1808, Strassburg 1909, S. 8 – 54. 300 [ Johann Friedrich Karl Grimm,] Bemerkungen eines Reisenden durch die könig­lichen preußischen Staaten in Briefen, Dritter Theil, Altenburg 1781, S. 135.

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Anmerkungen

John Quincey Adams, Letters on Silesia, written during a Tour through that Country in the years 1800, 1801 […], London 1804, S. 219; weitere einschlägige Zitate bei Friedrich Andreae, Breslau um 1800, Breslau 1921, S. 15 – 24. 302 Hermann Markgraf, Die Entfestigung Breslaus und die geschenkweise Überlassung des Festungsterrains an die Stadt 1807 – 1813, in: ZVGS 21 (1887), S.  47 – 115. 303 Zitiert nach dem Regest in Breslauer Stadtbuch enthaltend (wie Anm. 129), S.  230 – 231. 304 Gnaden-­Brieff vor die Stadt […], in: Breslauer Stadtbuch enthaltend (wie Anm. 129), S. 231 – 232. 305 Rathäus­liches Reglement für die Stadt Breslau vom 27. Januar 1748, in: Die Stein’sche Städteordnung in Breslau. Denkschrift der Stadt Breslau zur Jahrhundertfeier der Selbstverwaltung. Zweiter Teil: Quellen, [zusammengestellt von Heinrich Wendt], Breslau 1909, S. 1 – 69. 306 Zu den Kompetenzen der Stadt vor allem in finanzpolitischer Hinsicht ausführ­lich Max Gebauer, Breslau’s kommunale Wirtschaft um die Wende des achtzehnten Jahrhunderts, Jena 1906. 307 Zum Folgenden vgl. Brenker, Aufklärung als Sachzwang (wie Anm. 297), S. 86 – 132; dies., Breslau und Brandenburg-­Preußen ­zwischen 1740 und 1800. Thesen zur Kommunika­tion mit einer neueroberten Provinzhauptstadt, in: Wissen ist Macht. Herrschaft und Kommunika­tion in Brandenburg-­ Preußen 1600 – 1850, hrsg. von Ralf Pröve/Norbert Winnige, Berlin 2001, 121 – 136, bes. S.  127 – 130. 308 Die Stein’sche Städteordnung in Breslau. Denkschrift der Stadt Breslau zur Jahrhundertfeier der Selbstverwaltung. Erster Teil: Darstellung [verfasst von Heinrich Wendt], Breslau 1909, bes. S. 54 – 70. 309 Zum folgenden Burkhard Nolte, Merkantilismus und Staatsräson in Preußen. Absicht, Praxis und Wirkung der Zollpolitik Friedrichs II. in Schlesien und in westfä­lischen Provinzen, Marburg 2004, bes. S. 53 – 57, 60 – 70; Rolf Straubel, Breslau als Handelsplatz und wirtschaft­licher Vorort Schlesiens (1740 – 1815), in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 49 (2003), S. 195 – 299, bes. S. 195 – 198, 212, 227, 240 – 242. 310 Wacław Długoborski, Targi wrocławskie. 1742 – 1749. Przyczynek do dziejów związków gospodarczych Śląska z Polską, in: Rocznik historyczny 18 (1949), S.  318 – 34. 311 GStA Berlin Dahlem I. ­HA, Rep. 96, Tit.428 C, f. 12, zitiert nach Straubel, Breslau als Handelsplatz (wie Anm. 309), S. 195. 312 Piotr Gerber, Architektura przemysłowa Wrocławia w początkach indu­ strializacji, Wrocław 2007, S. 33. 313 Heinrich Wendt, Die Breslauer Eingemeindungen, Breslau 1912, S. 49 – 62. 301

Anmerkungen 314 Vorstellung des Magistrats und der Stadtverordneten an den König gegen die

Gewerbefreiheit vom 14. Dezember 1810, in: Die Stein’sche Städteordnung. Zweiter Teil (wie Anm. 305), S. 290 – 294, die Zitate S. 291 und 293. 315 Verzeichnis einer wohllöb­lichen Kaufmannschaft nach alphabetischer Ordnung und Bemerkung der Recep­tion nebst einem Anhange der vorzüg­lichen Fabriken im Jahr 1818, Breslau 1818; Gustav Roland, Vollständige Topographie von Breslau nach den besten Quellen bearbeitet und seinen Mitbürgern zur Säcularfeier der preußischen Besitznahme gewidmet, Breslau 1840, zitiert nach Agnieszka Zabłocka-­Kos, Zrozumieć miasto. Centrum Wrocławia na drodze ku nowoczesnemu city 1807 – 1858, Wrocław 2006, S. 72. 316 Zum folgenden Hermann Freymark, Der Aufbau der neuzeit­lichen Handels- und Gewerbetätigkeit Breslaus nach den Befreiungskriegen, in: BGSB 11 (1940), S. 42 – 101. 317 Gerhart Schulze-­Gaevernitz, Karl August Milde, in: Schle­sische Lebensbilder Bd. 2, hrsg. von Friedrich Andreae u. a., Breslau 1926, S. 216 – 231. 318 Wolfgang Radtke, Die Preußische Seehandlung ­zwischen Staat und Wirtschaft in der Frühphase der Industrialisierung, Berlin 1981, S. 148 – 152. 319 Zum Folgenden Radtke, Die Preußische Seehandlung (wie Anm. 318), S.  104 – 111, 174 – 187, 352. 320 Entwurf des Sozietätsvertrags vom 8. März 1833 ­zwischen der König­lichen General Direk­tion der Seehandlungs Societät einerseits und dem Kaufmann G. ­H. Ruffer zu Breslau und dem Fabriken Commissarius und Maschinen Baumeister Hoffmann andererseits, die Errichtung einer Maschinen Bau Anstalt zu Breslau betreffend, Geheimes Staatsarchiv Berlin-­Dahlem, I. ­HA, Rep. 109, Nr. 69, zitiert nach Radtke, Die Preußische Seehandlung (wie Anm. 318), S. 107. 321 Linke-­Hofmann-­Werke. Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagen-, Lokomotiv- und Maschinenbau. Abteilung Maschinenbau, Breslau 1910, bes. S.  1 – 7. 322 Alle Zahlen nach Maximilian von Ysselstein, Lokal-­Statistik der Stadt Breslau, Breslau 1866, S. 72 – 77. 323 Zusammenstellung der über die seit 1872 in den verschiedenen Industriezweigen eingetretenen Veränderungen des Arbeiterbestandes so wie über die im III. ­Q uartale des Jahres 1875 erfolgten Arbeiterentlassungen, Betriebseinschränkungen und Lohnherabsetzungen eingegangenen Nachrichten [vom Januar-­März 1876], Geheimes Staatsarchiv Berlin-­Dahlem, I. ­HA, Rep. 120 BB, Fach I, Nr. 1, Bol. 1, fol. 28 – 104v, hier fol. 38v, zitiert nach Ute Caumanns/ Michael G. ­Esch, Technischer Fortschritt und sozialer Wandel in deutschen Ostprovinzen. Wirkungen der industriellen Entwicklung in ausgewählten Städten und Kreisen im Vergleich (1850 – 1914), Bonn 1996, S. 87.

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345

Anmerkungen

Gerhard Webersinn, Gustav Heinrich Ruffer. Breslauer Bankherr – Pionier des Eisenbahngedankens – Förderer schle­sischer Wirtschaft, in: JbSFWU 11 (1966), S. 154 – 196; Radke, Die Preußische Seehandlung (wie Anm. 318), S. 104 – 111, 174 – 187, 201 – 214, 370; Konrad Fuchs, Ruffer, Gustav Heinrich von, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 233 – 234. 325 Webersinn, Gustav Heinrich Ruffer (wie Anm. 324), S. 159. 326 Die Denkschrift abgedruckt bei Hermann Freymark, Der erste Plan einer schle­sischen Dampfeisenbahn – der erste in Europa, in: BGSB 11 (1940), S. 7 – 41, hier S. 11 – 23; vgl. auch Eduard Werner, Die ersten schle­sischen Eisenbahnprojekte, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 72 (1938), S. 294 – 329; Hermann Freymark, Aus den Anfängen des schle­sischen Eisenbahnwesens und der Oderschiffahrt, in: ebd. 73 (1939), S. 300 – 313. 327 Janusz Gołaszewski, Zarys dziejów węzła kolejowego we Wrocławiu na tle rozwoju sieci kolejowej na Śląsku, in: Wrocławskie dworce kolejowe, hrsg. von Maria Zwierz, Wrocław 2006, S. 61 – 101, hier S. 66; Daria Dorota P ­ ikulska, Dworzec Górnośląski we Wrocławiu, in: Przedmieście Świdnickie we Wrocławiu, hrsg. von Halina Okólska/Halina Górska, Wrocław 2012, S. 60 – 67. 328 Zum weiteren Ausbau der Breslauer Bahnverbindungen Gołaszewski, Zarys (wie Anm. 327), S. 70 – 79. 329 Zum folgenden insbesondere Zabłocka-­ Kos, Zrozumieć miasto (wie Anm. 315); dies., Breslau und Posen im 19. Jahrhundert. Zwei Regierungsstädte ‒ zwei Welten, in: Preußen, Deutschland und Europa 1701 – 2001, hrsg. von Jürgen Luh, Groningen 2003, S. 313 – 337; dies., Wohnen in der City. Die Breslauer Altstadt im 19. Jahrhundert, in: Wohnen in der Großstadt 1900 – 1939. Wohnsitua­tion und Modernisierung im europäischen Vergleich, hrsg. von Alena Janatková/Hanna Kozińska-­Witt, Stuttgart 2006, S. 151 – 178; dies., „Staliśmy się obywatelami wielkiego miasta“. Przemiany przestrzenne centrum Wrocławia po połowie XIX w., in: SKHS 65 (2010), S. 297 – 320. 330 Iwona Bińkowska, Natura i miasto. Publiczna zieleń miejska we Wrocławiu od schyłku XVIII do początku XX wieku, Wrocław ²2011, S. 105 – 113. 331 Zur Geschichte dieser Vorstädte im 19.-20. Jahrhundert ausführ­lich die Sammelbände Przedmieście Mikołajskie we Wrocławiu, hrsg. von Halina Okólska, Wrocław 2011; Przedmieście Świdnickie (wie Anm. 327); Przedmieście Oławskie (wie Anm. 211). 332 Zabłocka-­Kos, Zrozumieć miasto (wie Anm. 315), S. 55. 333 Norbert Conrads, Die Universität Breslau in ihrem ersten Jahrhundert, in: ders., Schlesien in der Frühmoderne. Zur politischen und geschicht­ lichen Kultur eines habsbur­gischen Landes, Köln u. a. 2009, S. 250 – 268, hier S.  267 – 268. 334 Thomas Jaeger, Die Bibliothek der alten Viadrina und ihre Verlegung nach Breslau, in: Kultur- und Musiktransfer im 18. Jahrhundert. Das Beispiel C. ­P. 324

Anmerkungen

E. ­Bach in musikkultureller Vernetzung Polen – Deutschland – Frankreich, hrsg. von Hans-­Günter Ottenberg, Frankfurt a. d. Oder 2011, S. 119 – 131. 335 Die Zahlen nach Emil Müller, Die Altstadt von Breslau. Citybildung und Physionomie. Ein Beitrag zur Stadtgeographie, Breslau 1931, S. 113. 336 Jerzy Krzysztof Kos, Synagoga „Pod Białym Bocianem“ we Wrocławiu, in: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 2 (1991), S. 191 – 203; Bożena Grzegorczyk, Idea a realizacja. Uwagi o koncepcji architektonicznej trzech wrocławskich budowli Carla Ferdinanda Langhansa, in: Wrocławski Rocznik NS 4 (1997), S. 297 – 316. 337 Cezary Wąs, Natura uzasadnieniem monarchii. Uwagi o ideowych źródłach koncepcji zabudowy placu Ćwiczeń we wrocławiu, in: SKHS 46 (1991), S. 449 – 467; Agnieszka Zabłocka-­Kos, Friedrich Wilhelm IV. und die ­Gestaltung des Schlossplatzes in Breslau, in: Friedrich Wilhelm IV. ­Künstler und König, Frankfurt/Main 1995, S. 150 – 158. 338 Jolanta Gromadzka/Ewa Szewczyk, Nowy ratusz we Wrocławiu – próba rekonstrukcji koncepcji ideowo-­artystycznych z lat 1848 – 1862, in: Architektura Wrocławia. Tom 4 (wie Anm. 75), S. 121 – 134. 339 Die Bevölkerungszahlen nach Müller, Die Altstadt (wie Anm. 335), S. 98; vgl. auch die Angaben bei Hans-­Jakob Tebarth, Technischer Fortschritt und sozialer Wandel in deutschen Ostprovinzen. Ostpreußen, Westpreußen und Schlesien im Zeitalter der Industrialisierung, Berlin 1991, S. 64 und Tabelle 3 (mit – wohl infolge Einbeziehung des sonst nicht berücksichtigten in Breslau sta­tionierten Militärs – höheren Zahlen für 1849 und 1861). 340 Wendt, Die Breslauer Eingemeindungen (wie Anm. 313), S. 67 – 69. 341 Jolanta Gromadzka, Dworzec Główny. Bahnhof der Oberschle­sischen und Breslau-­Posen-­Glogauer Eisenbahn, Central Bahnhof, Hauptbahnhof, in: Wrocławskie dworce (wie Anm. 327), S. 165 – 186. 342 Zur Entwicklung der städtischen Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke Miron Urbaniak, Die städtischen Industriebetriebe Breslaus im 19. Jahrhundert, in: Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im öst­lichen Europa 21 (2013), S. 95 – 118. 343 Die Zahlen nach Historia Wrocławia II: Teresa Kulak, Historia Wrocławia. Od twierdzy fryderycjańskiej do twierdzy hitlerowskiej, Wrocław 2001, S. 195. 344 Manfred Hettling, Politische Bürger­lichkeit. Der Bürger ­zwischen Individualität und Vergesellschaftung in Deutschland und der Schweiz von 1860 bis 1918, Göttingen 1999, S. 39 – 41. 345 Gustav Freytag, Zweiter Brief an den Freigärtner Michael Mroß [Grenzboten Nr. 47, 1848], in: Gesammelte Werke, Bd. 15: Politische Schriften, Leipzig ²1887, S. 59 – 73, hier S. 70. 346 Leszek Ziątkowski, Rozwój liczebny ludności żydowskiej we Wrocławiu w latach 1742 – 1914, in: SKHS 46 (1991), S. 169 – 189, hier S. 171.

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347

Anmerkungen

Die Zahlen nach Ziątkowski, Rozwój (wie Anm. 346), S. 182; vgl. auch Andreas Reinke, Judentum und Wohlfahrtspflege in Deutschland. Das jüdische Krankenhaus in Breslau 1726 – 1944, Hamburg 1999, S. 29. 348 Dies und das folgende nach Till van Rahden, Juden und andere Breslauer. Die Beziehungen z­ wischen Juden, Protestanten und Katholiken in einer deutschen Großstadt von 1860 bis 1925, Göttingen 2000, bes. S. 44 – 45, 51 – 52, 55, 62, 88. 349 van Rahden, Juden und andere Breslauer (wie Anm. 348), bes. S. 13; vgl. auch Manfred Hettling, Sozialstruktur und politische Orientierung der jüdischen Bevölkerung im Kaiserreich, in: In Breslau zu Hause (wie Anm. 202), S. 113 – 130; kritischer sieht das christ­lich-­jüdische Verhältnis im Breslau des späten 19. Jahrhunderts Olaf Blaschke, „Das Judentum isolieren!” Antisemitismus und Ausgrenzung in Breslau, in: ebd. S. 167 – 184, bes. S. 169. 350 Vgl. Heinrich Wendt, Breslau im Streit um die preußische Verfassungsfrage 1841, in: ZVGS 42 (1908), S. 240 – 267. 351 Vgl. Christian Gürtler, Vereine und na­tionale Bewegung in Breslau 1830 – 1871. Ein Beitrag Breslaus zur Bewegung für Freiheit und Demokratie in Deutschland, Frankfurt a. M. 2003, S. 43 – 105. 352 Ebd., S.  107 – 184. 353 Zur konkreten Praxis der Wahlen in Breslau ausführ­lich Hettling, Politische Bürger­lichkeit (wie Anm. 344), S. 171 – 184. 354 Gürtler, Vereine und na­tionale Bewegung (wie Anm. 351), S. 321 – 372. 355 Theodor Oliwa, Die Breslauer Sozialdemokratie in der Wilhelminischen Ära (1890 – 1918). Ein Überblick, in: JbSFWU 45 – 46 (2004 – 2005), S.  457 – 507, hier S. 458 – 460; vgl. Auch Theodor Müller. Die Geschichte der Breslauer Sozialdemokratie. Erster Teil: Bis zum Erlass des Sozialistengesetzes; Zweiter Teil: Das Sozialistengesetz, Breslau 1925. 356 Die Zahlen nach Manfred Hettling, Politische Bürger­lichkeit (wie Anm. 344), S. 378 – 379; vgl. auch ders., Von der Hochburg zur Wagenburg. Liberalismus in Breslau von den 1860er Jahren bis 1918, in: Liberalismus und Region, hrsg. von Lothar Gall u. a., München 1995, S. 253 – 276. 347

VII. Regionales Zentrum der Moderne (1870er–1930er Jahre) 357

Jerzy Ilkosz, Die Jahrhunderthalle und das Ausstellungsgelände in Breslau. Das Werk Max Bergs, München 2006; Tobias Weger/Maximilian Eiden, Von der “Jahrhunderthalle“ zur “Hala Ludowa“, in: Schle­sische Erinnerungsorte. Gedächtnis und Identität einer mitteleuropäischen Region, hrsg. von Marek Czapliński, Görlitz 2005, S. 221 – 248.

Anmerkungen

Roland Gehrke, ‚An mein Volk!‘ Die Breslauer Proklama­tion Friedrich ­W ilhelms III. vom 17. März 1813. Genese, Wirkung, Rezep­tion, in: Von Breslau nach Leipzig. Wahrnehmung, Erinnerung und Deutung der antinapoleonischen Befreiungskriege, hrsg. von Roland Gehrke, Köln u. a. 2014, S.  49 – 66. 359 Ilkosz, Die Jahrhunderthalle (wie Anm. 357), S. 29. 360 Beate Störtkuhl, Moderne Architektur in Schlesien 1900 bis 1939. Baukultur und Politik, Köln u. a. 2013, S. 98. 361 Überliefert bei Paul Löbe, Erinnerungen eines Reichstagspräsidenten, Berlin 1949, S. 49; vgl. auch Max Berg, Zukünftige Baukunst in Breslau als Ausdruck zukünftiger Kultur, in: Deutschlands Städtebau. Breslau, bearb. von Georg Hallama, Berlin-­Halensee 1921, S. 28 – 41, hier S. 32. 362 Störtkuhl, Moderne Architektur (wie Anm. 360), S. 100. 363 Zur Deutung des Hauptmannschen Festspiels als Ausdruck einer bürger­ lichen Utopie ausführ­lich Hettling, Politische Bürger­lichkeit (wie Anm. 344), S. 318 – 338; vgl. auch Stefan Dyroff, 1813 – 1913. Patriotische Jahrhundertfeiern in Leipzig und Breslau, in: Europas Mitte, Mitteleuropa, Europäische Identität? Geschichte, Literatur, Posi­tionen, hrsg. von Barbara Breysach, Berlin 2003, S. 32 – 46, hier S. 40 – 43; Marion George, Die Feier zum hundertjährigen Jubiläum der Befreiungskriege in Breslau und Gerhart Hauptmanns Festspiel in deutschen Reimen (1913) in ausgewählten Pressereak­tionen, in: Der Worte Echo im Spiegel der Sprache. Festschrift für Maria Katarzyna Lasatowicz, hrsg. Stanisław Prędota/Andrea Rudolph, Berlin 2011, S. 125 – 140. 364 Vgl. Jahrhundertfeier der Freiheitskriege. Breslau 1913, Mai-­Oktober. Amt­ licher Führer, Breslau-­Berlin [1913]. 365 Störtkuhl, Moderne Architektur (wie Anm. 360), S. 104 – 107. 366 Romuald Gelles, Wrocław w latach wielkiej wojny 1914 – 1918, Wrocław 1989. 367 Gelles, Wrocław (wie Anm. 366), S. 16 – 17. 368 Romuald Gelles, Położenie materialne ludności Wrocławia w latach I wojny światowej, in: Studia Śląskie 34 (1978), S. 243 – 279, hier S. 245. 369 Gelles, Wrocław (wie Anm. 366), S. 123 – 124. 370 Edmund Klein, Rada Ludowa we Wrocławiu. Centralna Rada dla Prowincji Śląskiej, Warszawa-­Wrocław 1976, S. 54 – 60; Roland B. ­Müller, Otto Wagner (1877 – 1962) im Spannungsfeld von Demokratie und Diktatur. Oberbürgermeister in Breslau und Jena, Leipzig 2012, 48 – 79; vgl. auch die Schilderung der Ereignisse bei Ernst Hesterberg, Alle Macht den A. und S. ­Räten, Breslau 1932, S. 9 – 15 und Löbe, Erinnerungen (wie Anm. 361), S. 46 – 49. 371 Teresa Kulak, Zgromadzenie deputowanych miejskich w latach 1918 – 1933, in: Rada Miejska Wrocławia (wie Anm. 128), S. 61 – 73, hier S. 62; Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 56 – 57, 69. 372 Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 85 – 86. 358

348

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Anmerkungen

Klein, Rada (wie Anm. 370), S. 322 – 326. Bernhard Sauer, „Auf nach Oberschlesien.” Die Kämpfe der Freikorps 1921 in Oberschlesien und den anderen ehemaligen deutschen Ostprovinzen, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 58 (2010), S. 297 – 320, bes. 303 – 307; Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 118 – 137; zur studentischen Beteiligung Krzysztof, Popiński, Studenten an der Universität Breslau 1871 bis 1921. Eine sozialgeschicht­liche Untersuchung, Würzburg 2009, S. 218 – 221. 375 Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 70 – 7 1. 376 Kleines statistisches Taschenbuch für die Stadt Breslau. Nach den amt­lichen Quellen zusammengestellt vom Statistischen Amt der Stadt Breslau, Breslau 1928, S. 51; dass., Breslau 1931, S. 65 – 66; vgl. auch Kulak, Zgromadzenie (wie Anm. 371), S. 73. 377 Elżbieta Kościk, Warunki mieszkaniowe we Wrocławiu a zdrowotność jego mieszkańców w XIX wieku, in: SKHS 54 (1999), S. 299 – 314, bes. S. 312 – 314. 378 Historia Wrocławia II (wie Anm. 343), S. 216. 379 So die Schätzung von Stadtbaurat Max Berg, Der Bau von Geschäftshochhäusern in Breslau zur Linderung der Wohnungsnot, in: Stadtbaukunst alter und neuer Zeit 1 (1920), S. 99 – 104, 116 – 118, hier S. 99; in Berg, Zukünftige Baukunst (wie Anm. 361), S. 33 spricht er gar von 30.000 fehlenden Wohnungen. 380 Die Zahlen nach Martin Fuchs/Fritz Behrendt, Die Stadt Breslau und die Eingemeindung ihres Erweiterungsgebietes. Denkschrift des Magistrats, Breslau 1925, S. 2 – 3, 6; Müller, Die Altstadt (wie Anm. 335), S. 98, 105. 381 Wendt, Die Breslauer Eingemeindungen (wie Anm. 313), S. 69 – 85; Müller, Die Altstadt (wie Anm. 335), S. 42. 382 Wanda Kononowicz, Wrocław. Kierunki rozwoju urbanistycznego w okresie międzywojennym, Wrocław 1997, S. 17 – 18; Christine Nielsen, Theo Effenberger 1882 – 1968. Architekt in Breslau und Berlin, Egelsbach u. a. 1999, S. 83 – 86. 383 Berg, Zukünftige Baukunst (wie Anm. 361), S. 33 – 38; vgl. auch Beate Störtkuhl, Wohnungsbau der Zwischenkriegszeit in Breslau im ostmitteleuropäischen Kontext. Eine Vergleichsstudie, in: Wohnen in der Großstadt 1900 – 1939. Wohnsitua­tion und Modernisierung im europäischen Vergleich, hrsg. von Alena Janatková/Hanna Kozińska-­W itt, Stuttgart 2006, S. 337 – 359, hier S. 338 – 339; zu der 1911 – 15 am nörd­lichen Rand Breslaus angelegten Gartenstadt Carlowitz vgl. Agata Gabiś, Die ‚Gartenstadt Carlowitz‘ in Breslau (Wrocław) – ehrgeizige Pläne und umstrittene Ergebnisse, in: Stadtfluchten/ Ucieczki z miasta, hrsg. von Małgorzata Omilanowska/Beate Störtkuhl, Warszawa 2011, S. 273 – 282. 384 Max Berg, Der Bau von Geschäftshochhäusern in den Großstädten zur Linderung der Wohnungsnot mit Beispielen für Breslau, in: Ostdeutsche Bauzeitung 18 (1920), S. 273 – 277, hier S. 277; vgl. auch Beate Störtkuhl, Hochhäuser für Breslau vor dem Hintergrund des ‚Hochhausfiebers‘ in 373 374

Anmerkungen

Deutschland um 1920, in: Hochhäuser für Breslau 1919 – 1932. Katalog zur Ausstellung des Bauarchives der Stadt Breslau, hrsg. von Jerzy Ilkosz/Beate Störtkuhl, Delmenhorst 1997, S. 17 – 30. 385 Janusz L. ­Dobesz, Das Breslauer Postscheckamt von Lothar Neumann, in Hochhäuser (wie Anm. 384), S. 61 – 68; Łukasz Krzywka, Das Hochhaus der Städtischen Sparkasse am Breslauer Ring, in: ebd., S. 69 – 81. 386 Störtkuhl, Moderne Architektur (wie Anm. 360), S. 147. 387 Zu den erfolglosen Bemühungen der Stadt, für die Ausstellung staat­liche Zuschüsse einzuwerben, ausführ­lich Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S.  253 – 261. 388 Beate Störtkuhl, Die Wohn- und Werkraumausstellung ‚WuWA‘ in Breslau 1929, in: Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 3 (1995), S. 107 – 176; Christine Nielsen, Breslau und die Werkbundsiedlung 1929. Planungsideen und Wohnkonzepte, in: Auf dem Weg zum Neuen Wohnen. Die Werkbundsiedlung Breslau 1929, hrsg. vom Institut für Auslandsbeziehungen, Basel u. a. 1996, S. 17 – 37; Wrocławska wystawa Werkbunda. WUWA 1929 – 2009, hrsg. von Jadwiga Urbanik, Wrocław 2009. 389 Kononowicz, Wrocław (wie Anm. 382), S. 65. 390 Lorenz Frank/Kai Kappel, Von der Wirkkraft siedlungspolitischer Visionen. Die Gartenstadt Breslau-­Zimpel/Wrocław-­Sępolno), in: Stadtfluchten/ Ucieczki z miasta, hrsg. von Małgorzata Omilanowska/Beate Störtkuhl, Warszawa 2011, S. 283 – 298. 391 Beate Störtkuhl, Verfemte Moderne – Vergessene Moderne: Die Breslauer Siedlung Pilsnitz 1930 – 1939, in: Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 7 (1999), S. 139 – 152. 392 Für das Jahr 1905 wurden 6 286 polnischsprechende und 2 866 zweisprachige Breslauer gezählt; Leszek Belzyt, Sprach­liche Minderheiten im preußischen Staat 1815 – 1914. Die preußische Sprachenstatistik in Bearbeitung und Kommentar, Marburg 1998, S. 215; polnische Minderheitenorganisa­tionen gingen von deut­lich höheren Zahlen (10.000 – 20.000) aus, vgl. Marian O ­ rzechowski, Ruch polski we Wrocławiu w latach 1919 – 1921 w oczach niemieckich konfidentów, in: SKHS 52 (1997), 15 – 37, bes. S. 24. 393 Romuald Gelles, Dom z białym orłem. Konsulat Rzeczpospolitej Polskiej we Wrocławiu (maj 1920-wrzesień 1939), Wrocław 1992, bes. S. 39 – 40. 394 Statistisches Jahrbuch der Stadt Breslau 1924, hrsg. vom Statistischen Amt, Breslau 1924, S. 4; dasselbe für 1927, Breslau 1927, S. 16; Teresa Kulak, Wrocław. Przewodnik historyczny, Wrocław 1997, S. 242 – 244 schätzt die Zahl der Polen in Breslau für die 1920er Jahre auf 3000. 395 Marian Orzechowski, Ruch polski na Dolnym Śląsku w latach 1922 – 1939 (w 40-lecie Związku Polaków w Niemczech), in: SKHS 18 (1963), S. 26 – 47, hier S. 36.

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351

Anmerkungen

Zum folgenden van Rahden, Juden und andere Breslauer (wie Anm. 348), S.  317 – 325. 397 Ute Gerhard, Flucht und Wanderung in den Mediendiskursen der Weimarer Republik, in: Die Sprache des Migra­tionsdiskurses. Das Reden über Ausländer in Medien, Politik und Alltag hrsg. von Matthias Jung u. a., Opladen 1997, S. 45 – 57, hier S. 50. 398 van Rahden, Juden und andere Breslauer (wie Anm. 348), S. 247 – 249. 399 Ebd., S. 265 – 266, das Zitat S. 265. 400 Adolf Heilberg, Erinnerungen 1858 – 1936, unveröffent­lichtes Manuskript, daraus auch die nachfolgenden Ausführungen; die angeführten Zitate finden sich auf S. 3, 58, 62, 66, 115, 192, 261, 264, 268; das im Leo Baeck-­Institut New York aufbewahrte Manuskript ist online zugäng­lich unter http://www.lbi. org/digibaeck/results/?qtype=pid&term=379043 [13. 2. 2015]; ein die politische Tätigkeit in der Freisinnigen Partei und der Stadtverordnetenversammlung betreffender Teilabdruck in Jüdisches Leben in Deutschland. Band 2: Selbstzeugnisse zur Sozialgeschichte im Kaiserreich, hrsg. von Monika Richarz, Stuttgart 1979, S. 289 – 296. 401 Monatsberichte des Statistischen Amts Breslau 1906, zitiert nach Hettling, Politische Bürger­lichkeit (wie Anm. 344), S. 103. 402 Adolf Heilberg[/ Hans Schäffer], Reichsgesetz über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1871. Mit Einleitung, Kommentar und Anlagen, Guttentag 1915, ders., Die privatrecht­lichen Bestimmungen des Friedenvertrages. Systematische Darstellung für das deutsche Zivilrecht, Berlin 1919; ders., Beamtenhaftung, Berlin 1929; ders., Schiedsgerichtsvertrag, Schiedsgericht und schiedsrichter­ liches Verfahren. Entwurf eines Gesetzes zur Abänderung der Bestimmungen des 10. Buches der Zivilprozessordnung nebst Begründung, Leipzig 1929. 403 Vgl. Adolf Heilberg, Die ehrenamt­liche Tätigkeit in Staat und Gesellschaft. Vortrag im Humboldt-­Verein zu Breslau am 7. Dezember 1902 [Sonderdruck aus dem 29. Jahresbericht des Schle­sischen Provinzial-­Verbandes der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung], Leo Baeck Institut New York, Papers of Adolf and Frieda Heilberg AR 1054 / MF 1103, Series I, Box 1, Folder 8: Speeches and articles. 404 Vgl. z. B. ­Adolf Heilberg, Die Idee des allgemeinen Völkerfriedens. Vortrag, gehalten im Humboldt-­Verein für Volksbildung, Breslau 1893; ders., Die Erziehung zum Frieden – eine Aufgabe für die deutsche Lehrerschaft, Breslau 1898; ders., Diplomatie und Völkerfriede [Sonderabdruck aus dem Bericht über den dritten deutschen Friedenskongress in Wiesbaden (Mai 1910)], Leo Baeck Institut New York, Leo Baeck Institut New York, Papers of Adolf and Frieda Heilberg AR 1054 / MF 1103, Series I, Box 1, Folder 8: Speeches and articles. 396

Anmerkungen

Friedrich Lenger, Werner Sombart 1863 – 1941. Eine Biographie, München 1994, S. 56 – 58. In d ­ iesem Sinn zog Heilberg 1919 auch eine Bilanz der kommunalpolitischen Leistungen der Stadt während der zurückliegenden beiden Jahrzehnte – nicht ohne zu beklagen, dass inzwischen die dem unmittelbaren Nutzen dienende egoistische Tätigkeit das ideelle bürgerschaft­liche Engagement immer stärker überlagere: Adolf Heilberg, Breslaus großstädtische Entwicklung unter Georg Bender (1891 – 1912), in: Festgabe des Vereins für Geschichte Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage […] Georg Bender[s], Breslau 1919, S. 9 – 37, das Zitat S. 9 – 10. 406 Volkswacht für Schlesien vom 4. Januar 1919, zitiert nach Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 79, 437. 407 Vgl. Manfred Hettling, Von der Hochburg zur Wagenburg. Liberalismus in Breslau von den 1860er Jahren bis 1918, in: Liberalismus und Region, hrsg. von Lothar Gall u. a., München 1995, S. 253 – 276, hier S. 272 – 274; zur Lebenswelt der Breslauer jüdischen Minderheit in der Weimarer Republik vgl. auch ­Katharina Friedla, Juden in Breslau/Wrocław 1933 – 1949. Überlebensstrategien, Selbstbehauptung und Verfolgungserfahrungen, Köln u. a. 2015, S. 41 – 115. 408 Das Zitat aus einem Pro memoria, das Adolf Heilberg Anfang Mai 1933 über die Ereignisse anfertigte (Leo Baeck Institut New York, ME 257b. MM 32, S. 1); vgl. auch den Augenzeugenbericht des Breslauer Anwalts Ludwig Foerder, in: Zeugen sagen aus. Berichte und Dokumente über die Judenverfolgung im Dritten Reich, hrsg. von Gerhard Schoenberner, Gütersloh u.a 1983, S. 18 – 22. 409 Paweł Kirschke/Krystyna Kirschke, Domy towarowe i handlowe przy wrocławskim rynku (XIX i XX wiek), in: Wrocławski Rynek. Materiały konferencji naukowej zorganizowanej przez Muzeum Historyczne we Wrocławiu w dniach 22 – 24 października 1998 r., hrsg. von Marzena Smolak, Wrocław 1999, S. 174 – 191; Agata Saraczyńska, Świątynia komercji – dom towarowy braci Barasch, in: ebd. S. 192 – 199. 410 Zbigniew Tempski, Wrocławski ośrodek przemysłowy, Wrocław u. a. 1970, S. 20. 411 Historia Wrocławia II (wie Anm. 343), S. 219 – 220, 290. 412 Oswald Putze, 120 Jahre Linke-­Hofmann-­Busch Salzgitter, Watenstedt 1839 – 1959. Band 1: Linke-­Hofmann-­Werke A. G., Breslau; Waggon- und Maschinenfabrik A. G. ­Busch, Bautzen; Säch­sische Waggonfabrik Werdau AG, Werdau, Braunschweig 1959, S. 45 – 46. 413 Konrad Fuchs, Vom deutschen Krieg zur deutschen Katastrophe (1866 – 1945), in: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien, hrsg. von Norbert Conrads, Berlin 1994, S. 554 – 692, hier S. 630. 405

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353

Anmerkungen

Hermann Freymark, Die Entwicklung von Handel und Industrie Breslaus und seines Bezirkes, in: Die Handelskammer Breslau 1849 – 1924, Breslau 1924, S. 71 – 90, bes. S. 89. 415 Romuald Gelles, O Niemiecko-­Polskiej Izbie Handlowej we Wrocławiu w okresie międzywojennym, in: Studia historyczne i politologiczne, hrsg. von Romuald Gelles/Marian Wolański, Wrocław 1997, S. 201 – 208. 416 Putze, Linke-­Hofmann-­Werke (wie Anm. 412), S. 58, 90. 417 Kleines statistisches Taschenbuch für die Stadt Breslau 1933 (wie Anm. 376), S. 11, 39. 418 Hermann Matzke, Breslau im Jahre 1923, Darmstadt 1974, S. 12. 419 Hans Poelzig in Breslau. Architektur und Kunst 1900 – 1916, hrsg. von Jerzy Ilkosz/Beate Störtkuhl, Delmenhorst 2000; Petra Hölscher, Die Akademie für Kunst und Kunstgewerbe zu Breslau. Wege einer Kunstschule 1791 – 1932, Kiel 2003; Johanna Brade, Zwischen Künstlerbohème und Wirtschaftskrise. Otto Mueller als Professor der Breslauer Akademie 1919 – 1930, Görlitz 2004; Werkstätten der Moderne. Lehrer und Schüler der Breslauer Akademie 1903 – 1932, hrsg. von Johanna Brade, Halle a. d. S. 2004; Joanna Nowosielska-­ Sobel, Spór o nowoczesność. Konfrontacja postaw środowisk twórczych i odbiorców sztuki we Wrocławiu w latach 1900 – 1932, Wrocław 2005. 420 Denkschrift des Kunstgewerbevereins über die dringend notwendige Umgestaltung der Breslauer Kunst und Kunstgewerbeschule, Breslau 1895, zitiert nach Hölscher, Die Akademie (wie Anm 419), S. 364. 421 Störtkuhl, Moderne Architektur (wie Anm. 360), S. 35. 422 Ludwika Gajek, Das Breslauer Schauspiel im Spiegel der Tagespresse. Das Lobetheater im ersten Jahrfünft der Weimarer Republik (1918 – 1923), Wiesbaden 2008, S. 15; Krzysztof Popiński, Życie muzyczne i teatralne Wrocławia przełomu XIX i XX wieku w świetle “Schle­sische Zeitung“, in: Rocznik Wrocławski 3 (1996), S. 239 – 251. 423 Daniela Ploch, Moderne Massenmedien im Wandel. Die Schle­sische Funkstunde (1924 – 1933), in: Der Worte Echo im Spiegel der Sprache. Festschrift für Maria Katarzyna Lasatowicz, hrsg. von Stanisław Prędota/Andrea Rudolph, Berlin 2011, S.141 – 156; Renate Nitsche, Der Breslauer Sender ‒ gestern und heute. Von der Schle­sischen Funkstunde AG bis zum Polskie Radio Wrocław in: JbSFWU 47/48 (2006/2007 [2008]), S. 385 – 409, bes. S. 385 – 390. 424 Zur Universitätsgeschichte Teresa Kulak, Dzieje Uniwersytetu Wrocławskiego w latach 1918 – 1945, in: Historia Uniwersytetu Wrocławskiego 1702 – 2002, Wrocław 2002, S. 101 – 197; Arno Herzig, Die Schle­sische Friedrich-­Wilhelms-­ Universität in Breslau. Von ihrer Gründung bis zur Gleichschaltung unter dem Na­tionalsozialismus (1933/34), in: Śląska republika uczonych/Schle­sische Gelehrtenrepublik/Slezská vědescká obec, hrsg. von Marek Hałub/Anna Mańko-­Matysiak, Wrocław 2004, S. 529 – 554, das Zitat S. 540. 414

Anmerkungen 425

426 427 428

Die Zahlen nach den statistischen Übersichten der jeweiligen Vorlesungsund Personal-­Verzeichnisse; Statistisches Jahrbuch der Stadt Breslau 1928, hrsg. vom Statistischen Amt, Breslau 1929, S. 132; Statistisches Jahrbuch der Stadt Breslau 1931, 6. Ausgabe, hrsg. vom Statistischen Amt, Breslau 1932, S. 118. Dietrich Schäfer, Mein Leben, Berlin-­Leipzig 1926, S. 104. Heilberg, Breslaus großstädtische Entwicklung (wie Anm. 405), S. 35. Marcus Brann, Geschichte des Jüdisch-­Theolo­gischen Seminars (Fraenkel’sche Stiftung) in Breslau. Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der ­Anstalt, Breslau 1904; Lothar Rothschild, Die Geschichte des Seminars von 1904 bis 1938, in: Das Breslauer Seminar. Jüdisch-­Theolo­gisches Seminar (Fraenckelscher Stiftung) in Breslau 1854 – 1938, hrsg. von Guido Kisch, Tübingen 1963, S. 121 – 166; Hugo Weczerka, Die Herkunft der Studierenden des Jüdisch-­ theolo­gischen Seminars zu Breslau 1854 – 1938, in: Zeitschrift für Ostforschung 35 (1986). S. 88 – 139.

VIII. Bollwerk des Deutschen Ostens (1933–1945) 429

430

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433 434 435 436

Franciszek Biały, Ruch Narodowosocjalistyczny w prowincjach Śląskich. Początki – postępy – przejęcie władzy, Wrocław 1987; Helmut Neubach, Parteien und Politiker in Schlesien, Dortmund 1988, S. 202 – 216; Tomasz Kruszewski, Partia Narodowosocjalistyczna na Śląsku w latach 1933 – 1945. Organizacja i działalność, Wrocław 1995, bes. S. 13 – 21; Joachim Kuropka, Na­tionalsozialismus in Schlesien. Neue Zugänge zur Problematik von poli­ tischer Struktur und Verhältnis von Katholizismus und NS-Regime, in: Via Silesia 1998, S. 68 – 82, bes. S. 73. Die Wahlergebnisse nach Jürgen Falter u. a., Wahlen und Abstimmungen in der Weimarer Republik. Materialien und Wahlverhalten 1919 – 1933, München 1986, S. 71 – 75. Janusz L. ­Dobesz, Wrocławska architektura spod znaku swastyki na tle budownictwa III Rzeszy, Wrocław 1999, S. 11 – 34; ders., Architektura III Rzeszy, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 121 – 128. Dobesz, Wrocławska architektura (wie Anm. 431), S. 40 – 44; Dobesz, Archi­ tektura (wie Anm. 431), S. 123 – 124; Ewa Sawińska, Urząd Wojewódzki, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 626 – 627. Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 362 – 364. Historia Wrocławia II (wie Anm. 343), S. 311. Die Zahlen nach Statistisches Taschenbuch 1938, hrsg. vom Statistischen Amt der Stadt Breslau, Breslau [1938], S. 71. Artur Kamiński, Wrocławskie targi i wystawy w systemie propagandy hitler­ owskiej w latach 1933 – 1944, Wrocław 2001, bes. S. 288.

354

355

Anmerkungen

Tempski, Wrocławski ośrodek (wie Anm. 410), S. 28. Norbert Kapferer, Der 10. Mai 1933 in Breslau. Die Bücherverbrennung auf dem Schlossplatz, in: Europas Mitte, Mitteleuropa, Europäische Identität? Geschichte – Literatur – Posi­tionen, hrsg. von Barbara Breysach, Berlin 2003, S. 47 – 57; das Zitat aus den Breslauer Neuesten Nachrichten vom 11. Mai 1933, ebd. S. 51. 439 Hartmut E. ­Lissinna, Na­tionale Sportfeste im na­tionalsozialistischen Deutschland, Mannheim 1997, bes. S. 414 – 424. 440 Zur Lage und Verfolgung der jüdischen Breslauer ausführ­lich Moshe A ­ yalon, Jewish Life in Breslau 1938 – 1941, in: Leo Baeck Institute. Year Book 41 (1996), S. 323 – 345; Adam Czabański, Samobójstwa ludności żydowskiej we Wrocławiu podczas II wojny światowej, in: Poznańskie Zeszyty Humanistyczne 5 (2005), S. 67 – 80; Abraham Asher, A Community under siege. The Jews of Breslau under Nazism, Stanford 2007; Ramona Bräu, »Arisierung« in Breslau. Die »Entjudung« einer deutschen Großstadt und deren Ent­ deckung im polnischen Erinnerungsdiskurs, Saarbücken 2008; Friedla, Juden in Breslau (wie Anm. 407), S. 116 – 331. 441 Das Zitat aus einer Gesprächsnotiz von Oberbürgermeister Otto Wagner vom 17. 2. 1933, zitiert nach Müller, Otto Wagner (wie Anm. 370), S. 354. 442 Breslau Schlesiens Hauptstadt. Vier Jahre na­tionalsozialistischer Verwaltung 1933 – 1936, hrsg. vom Statistischen Amt der Stadt Breslau, Breslau 1937, S. 13. 443 Vermerk des Regierungspräsidenten vom Oktober 1934, Archiwum Państwowe we Wrocławiu, RW Nr. 1/1140, zitiert nach Bräu, „Arisierung“ (wie Anm. 440), S. 35. 444 Jüdische Geschäfte in Breslau. Teilverzeichnis, hrsg. von der Gauleitung Schlesien, Breslau 1936, S. 3. 445 Meldung des SS-Oberführers Katzmann vom VI. ­SS-Abschnitt an den SS-Oberabschnitt Südost (Breslau) betr. Zwischenergebnis der Ak­tionen bis 10. November 1938, 15 Uhr, zitiert nach Karol Jonca, Jüdisches Breslau im 20. Jahrhundert. Blüte, Zerstörung und Neubeginn, in: Zweiseelenstadt. Ein Else-­Lasker-­Schüler Almanach, hrsg. von Hajo Jahn, Wuppertal 2004, S. 27 – 48, hier S. 38; vgl. auch ders., “Noc kryształowa“ i casus Herschela Grynszpana, Wrocław 1992, S. 179 – 187; Zygmunt Hoffman, Noc kryształowa na obszarze wrocławskiego nadodcinka SS (SS Oberabschnitt Südost), in: Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego w Polsce Nr. 2 (98), 1976, S. 75 – 96, bes. S. 83. 446 Franciszek Połomski, Kontrybucja Żydów Śląskich po pogromie z 9 – 10 listopada 1938 roku, in: Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami Hitlerowskimi 15 (1992), S. 259 – 279, hier S. 274 und 279. 447 Alfred Konieczny, Ludność żydowska na Śląsku w świetle spisu z 17 maja 1939 r., in: Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami Hitlerowskimi 15 (1992), 437 438

Anmerkungen

S. 375 – 382, bes. S. 376; Karol Jonca, Przemiany struktury społecznej Żydów Trzeczej Reszy (1933 – 1945), in: ebd. S. 105 – 119, bes. 108, 118. 448 Walter Tausk, Breslauer Tagebuch 1933 – 1940, hrsg. von Ryszard Kincel, Ost-­ Berlin 1975; Willy Cohn, Kein Recht nirgends. Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933 – 1941, 2 Bde., hrsg. von Norbert Conrads, Köln u. a. 2006. 449 Karol Jonca, Die Deporta­tion und Vernichtung der schle­sischen Juden, in: Die Normalität des Verbrechens. Bilanz und Perspektiven der Forschung zu den na­tionalsozialistischen Gewaltverbrechen, hrsg. von Helge Grabitz u. a., Berlin 1994, S. 150 – 170, bes. S. 152, 156 – 157; ders., Nazistowska polityka ‚ostatecznego rozwiązania kwestii żydowskiej‘, in: Studia nad Faszyzmem i Zbrodniami Hitlerowskimi 22 (1999), S. 252 – 284, bes. S. 242 – 243, 250 – 251; vgl. auch die Schilderung der Deporta­tionen bei Karla Wolf, Ich blieb zurück. Erinnerungen an Breslau und Israel, hrsg. von Ingo Loose, Berlin² 2012, S.  79 – 83. 450 Zum Folgenden ausführ­lich Eduard Mühle, Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung, Düsseldorf 2005, bes. S. 83 – 126, 622 – 636; ders., Hermann Aubin (1885 – 1969), in: Schle­sische Lebensbilder, Bd. 11, hrsg. von Joachim Bahlcke, Insingen 2012, S.  489 – 503. 451 Hermann Aubin, Schlesien als Ausfalltor deutscher Kultur nach dem ­Osten im Mittelalter, Breslau 1937 [²1942]; zur Stilisierung Breslaus als einem neben Königsberg zentralen symb­lischen Ort des Deutschen Ostens vgl. auch die populärwissenschaft­liche Stadtgeschichte Breslau – Bollwerk im Deutschen Osten. Bilder aus der Geschichte der Landeshauptstadt Schlesiens, Breslau 1938. 452 Siegfried A. ­Kaehler an Albert Brackmann, 17. 1. 1929, Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. S. ­A. Kaehler, 1, 205:1. 453 Hermann Aubin an Siegfred A. ­Kaehler, 12. 5. 1933, in: Briefe des Ostforschers Hermann Aubin aus den Jahren 1910 – 1968, hrsg. von Eduard Mühle, Marburg 2008, Nr. 52. 454 Der Vorstand der Saarforschungsgemeinschaft [Hermann Aubin, Friedrich Schmitt-­Ott, Gräfin von Sierstorpff ] an Reichskanzler Adolf Hitler, 2. 10. 1933, Landesarchiv Saarbrücken La Sb, SM 12, zitiert nach Ingo Haar, Historiker im Na­tionalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der ‚Volkstumskampf‘ im Osten, Göttingen 2000, S. 192. 455 Hermann Aubin, Von Raum und Grenzen des deutschen Volkes. Studien zur Volksgeschichte, Breslau 1938, S. ­IV. 456 Hermann Aubin an Dekan Erich Bräun­lich, 23. 9. 1939, in: Briefe des Ostforschers Hermann Aubin (wie Anm. 453), Nr. 92.

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357

Anmerkungen

Hermann Aubin an Paul Kirchgraber, 19. 1. 1940, in: Briefe des Ostforschers Hermann Aubin (wie Anm. 453), Nr. 99. 458 Ludwik Maluga, Obozy pracy przymusowej we Wrocławiu w latach 1940 – 1945, Wrocław 1987. 459 Hermann Aubin an Albert Brackmann, 1. 10. 1944, in: Briefe des Ostforschers Hermann Aubin (wie Anm. 453), Nr. 122. 460 Siegfried Kaehler an Peter Rassow, 10. 2. 1945, zitiert nach Siegfried A. ­Kaehler, Briefe 1900 – 1963, hrsg. von Walter Bussmann/Günther Grünthal, Boppard 1993, Nr. 80 sowie Siegfried Kaehler an Friedrich Meinecke, 25. 2. 1945, zitiert nach Friedrich Meinecke, Ausgewählter Briefwechsel, hrsg. von Ludwig Dehio/Peter Classen, Stuttgart 1962, S. 490. 461 Vgl. dazu die Schilderungen bei Paul Peikert: ‚Festung Breslau‘ in den Berich­ ten eines Pfarrers (22. Januar bis 6. Mai 1945), hrsg. von Karol Jonca/Alfred Konieczny, Wrocław u. a.² 1993, S. 26 – 37, 66. 462 Wolff, Ich blieb zurück (wie Anm. 449), S. 113. 463 Eine ausführ­liche, auf eingehendes Quellenstudium gestützte Darstellung des Untergangs der Stadt bei Karol Jonca/Alfred Konieczny, Upadek ‚Festung Breslau‘ 15 II – 6 V 1945, Wrocław u. a. 1963; Karol Jonca, The Destruc­tion of ‚Breslau‘ . The Final Struggle of Germans in Wrocław in 1945, in: Polish Western Affairs 2 (1961), S. 309 – 339; aus der Perpektive eines franzö­sischen Fremdarbeiters: André le Guillou, Breslau Januar 1945 – Mai 1945. Erinnerungen, hrsg. von Edmund Miller/Kurt Köhler, Dresden 2012; aus Breslauer Pers­ pektive vgl. neben Peikert (wie Anm. 461) auch Ernst Hornig, Breslau 1945. Erlebnisse in der eingeschlossenen Stadt, München 1975; Walter L ­ aßmann, Meine Erlebnisse in der Festung Breslau. Tagebuchaufzeichnungen eines Pfarrers, hrsg. und komm. von Marek Zybura, Dresden 2012. 457

IX. Hauptstadt der Wiedergewonnenen Gebiete Vgl. die fotographische Dokumenta­tion des Wiederaufbaus in den 1950er Jahren in Marzena Smolak, Wrocław lat pięćdziesiątych XX wieku na foto­ grafiach Stefana Arczyńskiego, Wrocław 2013, S. 17 – 101. 465 Jakub Tyszkiewicz, Wrocławska Dyrekcja Odbudowy. Próba ratowania tkanki miejskiej w latach 1946 – 1949, in: SKHS 54 (1999), S. 421 – 434; ders., Das ­Dilemma des Wiederaufbaus Breslaus in den Jahren 1945 – 1955, in: Breslau 1947. Luftaufnahmen, Wrocław 2009, S. 3 – 11; vgl. auch Marcin Bukowski, Wrocław z lat 1945 – 1952. Zniszczenia i dzieło odbudowy, Warszawa-­Wrocław 1985. 466 Die Zitate aus Bolesław Bierut, Der Sechjahrplan des Wiederaufbaus von Warschau, deutsche Ausgabe hrsg. von der Deutschen Bauakademie, Leipzig

464

Anmerkungen

[1951], S. 329; vgl auch Marcin Zaremba, Im na­tionalen Gewande. Strategien kommunistischer Herrschaftslegitima­tion in Polen 1944 – 1980, Osnabrück 2011, S.  201 – 202. 467 Edmund Małachowicz, Stare miasto we Wrocławiu. Rozwój urbanistyczno-­ architektoniczny, zniszczenia wojenne i odbudowa, Wrocław² 1985, S. 236; Thum, Die fremde Stadt (wie Anm. 248), S. 234 – 236; Szymon Brzezowski, Kościuszkowska Dzielnica Mieszkaniowa, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 534 – 535. 468 Zu Breslau als einem herausragenden Ort regelmäßiger, von Staats- und Parteiführern besuchten Festveranstaltungen und Jubiläumsfeier­lichkeiten vgl. Grzegorz Strauchold, Wrocław okazjonalna stolica Polski. Wokół powo­ jennych obchodów rocznic historycznych, Wrocław 2003. 469 Charles Wassermann, Unter polnischer Verwaltung. Tagebuch 1957, Hamburg 1958, S. 228 – 229. 470 Günther Anders, Besuch im Hades. Auschwitz und Breslau 1966, München 1979, S. 78; zur Breslauer Siedlungsarchitektur der Nachkriegszeit vgl. Agata Gabiś, Osiedle po II wojnie światowej, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 135 – 138. 471 Marek Czapliński, Der schwierige Wandel vom Krakauer zum Breslauer/ Trudna przemiana krakusa we wrocławianina, in: Mein Schlesien – meine Schlesier. Zugänge und Sichtweisen. Teil 2/Mój Śląsk – moi Ślązacy. Eksplo­ racje i obserwacje. Część 2, hrsg. von Marek Hałub/Matthias Weber, Leipzig 2014, S. 32 – 46, hier S. 36/ S. 31 – 44, hier S. 35. 472 Zum Alltagsleben in den ersten Nachkriegsjahren Marek Ordyłowski, Życie codzienne we Wrocławiu 1945 – 1948, Wrocław u. a. 1991. 473 Bericht über die Drei-­Mächte-­Konferenz von Potsdam, 2. August 1945, in: Dokumente zur Deutschlandpolitik. II. ­Reihe, Band 1: Die Konferenz von Potsdam. Dritter Teilband, bearb. von Gisela Biewer, Neuwied/Frankfurt a. M. 1992, S. 2102 – 2125, hier S. 2118. 474 Zu den Verfolgungserfahrungen der Deutschen im Nachkriegs-­Breslau in den Jahren 1945 – 1946 vgl. Jędrzej Chumiński/Elżbieta Kaszuba, The Breslau Germans under Polish Rule 1945 – 1946. Condi­tions of Life, Political Attitudes, Expulsion, in: Studia Historiae Oeconomicae 22 (1997), S. 87 – 101; Mike Schmeitzner, Breslau im Blick. Deutsche Nazi-­Gegner ­zwischen Vertreibung und Neuansiedlung, in: Partner oder Kontrahenten? Deutsch-­polnische Nachbarschaft im Jahrhundert der Diktaturen, hrsg. von ders. u. a., Münster 2008, S. 105 – 134, bes. S. 111 – 116. 475 Bronisław Pasierb, Niemieckie ugrupowania antyfaszystowskie we Wrocławiu (maj – grudzień 1945 r.), in: SKHS 20 (1965), S. 205 – 216; Joachim Rogall, Die Deutschen in Breslau von der Kapitula­tion bis Ende 1945, in: Beiträge zur deutsch-­polnischen Nachbarschaft. Festschrift für Richard Breyer zum

358

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Anmerkungen

75. Geburtstag, hrsg. von Csaba Janos Kenez u. a., Bonn 1992, S. 138 – 151; Claudia Kraft/Stanisław Jankowiak, Flucht, Vertreibung und Zwangsaussiedlung der Deustchen aus der Wojewodschaft Breslau (Województwo ­wrocławskie) in den Jahren 1945 – 1950, in: ‚Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden …‘ Die Deutschen öst­lich von Oder und Neiße 1945 – 1950. Dokumente aus polnischen Archiven, Bd. 4: Wojewodschaften Pommerellen und Danzig, Wojewodschaft Breslau (Niederschlesien), hrsg. von Hans Lemberg/­Włodzimierz Borodziej, Marburg 2004, S. 355 – 432, hier S. 385 – 387. 476 Wojciech Wrzesiński, Uniwersytet wrocławski w latach 1945 – 2002, in: Historia Uniwersytetu Wrocławskiego 1702 – 2002, Wrocław 2002, S.  199 – 377, hier S. 217. 477 Tempski, Wrocławski ośrodek (wie Anm. 410), S. 31 – 43. 478 Bericht über die Drei-­Mächte-­Konferenz von Potsdam (wie Anm. 473), S. 2121. 479 Erinnerungen von Zbigniew Żaba, zitiert nach Beata Halicka, Polens Wilder Westen. Erzwungene Migra­tion und die kulturelle Aneignung des Oderraums 1945 – 1948, Paderborn 2013, S. 161. 480 Kraft/Jankowiak, Flucht (wie Anm. 475), S. 394 – 395. 481 Elżbieta Kaszuba, Między propagandą a rzeczywistością. Polska ludność Wrocławia w latach 1945 – 1947, Warszawa-­Wrocław 1997, bes. S. 42 – 68; Thum, Die fremde Stadt (wie Anm. 248), S. 156 – 166. 482 Padraic Kenney, Rebuilding Poland. Workers and Communists 1945 – 1950, Ithaca-­London 1997, S. 144. 483 Zur regionalen Zusammensetzung der Neu-­Breslauer Bevölkerung Irena Turnau, Studia nad strukturą ludnościową polskiego Wrocławia, Poznań 1960, bes. S. 29 – 38. 484 Turnau, Studia (wie Anm. 483), S. 52 – 81, bes. S. 74. 485 Dazu ausführ­lich Thum, Die fremde Stadt (wie Anm. 248), bes. S. 304 – 494; Piotr Kuroczyński, Die Medialisierung der Stadt. Analoge und digitale Stadtführer zur Stadt Breslau nach 1945, Bielefeld 2011, bes. S. 82 – 197. 486 Aleksander Wachniewski, Pierwszy rok w odzyskanym Wrocławiu, Wrocław 1946, S. 5. 487 Thum, Die fremde Stadt (wie Anm. 248), S. 350; vgl. auch Jacek Grębowiec, Der Umbau der Breslauer Ikonosphäre nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Hintergrund der Ausbildung einer neuen regionalen Identität, in: Wiedergewonnene Geschichte. Zur Aneignung von Vergangenheit in den Zwischenräumen Mitteleuropas, hrsg. von Peter Loew, Wiesbaden 2006, S.  36 – 46. 488 Anna Baumgartner, Das Racławice-­Panorama in Breslau. Ein Erinnerungsort für die polnische Na­tion, in: Geschichte im Rundblick. Panoramabilder im

Anmerkungen

öst­lichen Europa, hrsg. von Arnold Bartetzky/Rudolf Jaworski, Köln 2014, S.45 – 64, bes. S.  60 – 62. 489 Ksawery Pruszyński, Wystawa Ziem Odzyskanych, Wrocław 1948; Katalog Wystawy Ziem Odzyskanych, Wrocław 1948; Jakub Tyszkiewicz, Sto wielkich dni Wrocławia. Wystawa Ziem Odzyskanych we Wrocławiu a propaganda polityczna Ziem Zachodnich i Północnych w latach 1945 – 1948, Wrocław 1997, bes. S. 97 – 141. 490 Max Frisch, Tagebuch 1946 – 1949, Frankfurt a. M. ²1977, S. 295. 491 Zygmunt Woźniczka, Wrocławski Kongres Intelektualistów w Obronie Pokoju, in: Kwartalnik Historyczny 94 (1987), S. 131 – 157; Anneli Hartmann/ Wolfram Eggeling, Der Wroclawer Kongreß (1948) und die Friedensbewegung: Stalinisierung mittels Friedenskampf, in: Germanistentreffen Bundesrepublik Deutschland – Polen: 26.9.-30. 9. 1993. Dokumenta­tion der Tagungsbeiträge, hrsg. von Werner Roggausch, Bonn 1944, S. 177 – 201, bes. S.  178 – 185. 492 Zur Etablierung der kommunistischen Herrschaft eingehend Krystyna ­Kersten, The Establishment of Communist Rule in Poland, 1943 – 1948, Berkeley-­Los Angeles 1991, bes. S. 232 – 341. 493 Tomasz Balbus, Ludzie podziemia AK-WiN w Polsce południowo-­zachodniej (1945 – 1948). Tom 1: Okręg Wrocław “Wschód“, odtworzony Okręg Wrocław, wrocławska komórka “Ż“, drugi Zarząd Obszaru Zachodniego, Wrocław 2003. 494 Elżbieta Kaszuba, PPR, PPS ‒ rywalizacja o wpływy w powojennym Wrocławiu, in: Władze komunistyczne wobec ziem odzyskanych po II wojnie światowej. Materiały z konferencji, hrsg. von Stanisław Łach, Słupsk 1997, S.  85 – 98. 495 Exemplarisch dargestellt am Beispiel der Breslauer Staat­lichen Wagonbau­ fabrik in den frühen 1950er Jahren von Marcin Kula u.a, PZPR w f­ abryce. Studium wrocławskiego ‚Pafawagu‘ w początku lat pięćdziesiątych, Warszawa 2001. 496 Stanisław Ciesielski, Wrocław 1956, Wrocław 1999, S. 30. 497 Ebd., S.  33 – 34. 498 Ebd., S.  22 – 23. 499 Ebd., S.  39 – 41. 500 Edmund Makowski, Poznański Czerwiec 1956. Pierwszy bunt społeczeństwa w PRL, Poznań 2006. 501 Notatka służbowa nr 60 z 29 VI 1956 r., zitiert nach Stanisław Ciesielski, Wydarzenia października 1956 r. we Wrocławiu, in: Październik 1956 na ­Ziemiach Zachodnich i Północnych, hrsg. von Wojciech Wrzesiński, Wrocław 1997, S. 37 – 58, hier S. 38.

360

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Anmerkungen

Resolu­tion der am 20. Oktober 1956 im Breslauer Rathaus abgehaltenen Studierendenversammlung in Słowo Polskie Nr. 252 vom 21. 10. 1956, zitiert nach Ciesielski, Wydarzenia października (wie Anm. 501), S. 45. 503 Ciesielski, Wydarzenia października (wie Anm. 501), S. 53. 504 Historia Wrocławia III: Włodzimierz Suleja, W Polsce Ludowej, PRL i III Rzeczpospolitej, Wrocław 2001, S. 80. 505 Jerzy Grotowski, Das arme Theater, Hannover² 1970, bes. S. 13 – 23, 237 – 244; die Beschreibung einer Inszenierung bei Małgorzata Dzieduszycka, Apocalypsis cum figuris. Opis spektaklu Jerzego Grotowskiego, Kraków 1974; Zbigniew Osiński, Jerzy Grotowski. Źródła, inspiracje, konteksty, Gdańsk 2009, bes. S. 49 – 76. 506 Janina Hera, Henryk Tomaszewski i jego teatr, Warszawa 1983, bes. S. 5 – 9; Rafał Węgrzyniak, Ukryty rodowód. Wątki niemieckie w życiu i twórczości Henryka Tomaszewskiego, in: Notatnik teatralny 30 – 31 (2003 – 2004), S.  38 – 47; Krzysztof Kucharski, A Journey through the Labyrinth of Gestures, in: Wrocławski teatr pantomimy. 50 lat, 1956 – 2006, hrsg. von Leszek Frydryszak, Wrocław 2006, S. 3 – 21; Małgorzata Skotnicka-­Palka. Bez słów. Wrocławski Teatr Pantomimy Henryka Tomaszewskiego, in: Pamięć i Przyszłość 22 (2013), 4, S. 48 – 51; Jadwiga Majewska, Henryk Tomaszewski – u teatralnego źródła tańca w Polsce, in: Teatr 2014, Nr. 7 – 8, S. 58 – 96; eingehend zur Dramaturgie und Rezep­tion auch Karol Smużniak, Wrocławski teatr pantomimy. Mit w teatrze Henryka Tomaszewskiego, Wrocław u. a. 1991. 507 Henryk Tomaszewski im Gespräch mit Halina Murza-­Stankiewicz am 21. Februar 1974, zitiert nach Hera, Henryk Tomaszewski (wie Anm. 506), S. 10. 508 Henryk Tomaszewski im Gespräch mit Andrzej Hausbrandt 1969, zitiert nach Hera, Henryk Tomaszewski (wie Anm. 506), S. 11. 509 Włodzimierz Suleja, Marzec 1968 roku we Wrocławiu, in: Studia i materiały z dziejów Uniwersytetu Wrocławskiego, Bd. 3, Wrocław 1994, S. 145 – 163; Wojciech Wrzesiński, Wydarzenia marcowe 1968 roku na uczelniach wrocławskich w świetle dokumentów. Wybór dokumentów, in: ebd., S. 165 – 213; Łukasz Kamiński, Wrocławska PZPR wobec wydarzeń Marca ‘68, in: Młodzież w oporze społecznym 1944 – 1989, hrsg. von Monika Kała, Wrocław 2002, S. 120 – 129; ders., Wrocławski Marzec ‘68 w meldunkach Służby Bezpie­ czeństwa, in: Rocznik Wrocławski 9 (2004), S. 243 – 291. 510 Izabela Kazejak, 1968 in der Volksrepublik Polen und die Juden in Wrocław, in: Exil, Entwurzelung, Hybridität, hrsg. Claus-­Dieter Krohn, München 2009, S. 133 – 149; Hans-­Christian Dahlmann, Antisemitismus in Polen 1968. Interak­tionen ­zwischen Partei und Gesellschaft, Osnabrück 2014, bes. S.  107 – 148. 502

Anmerkungen

Zur jüdischen Gemeinde in Breslau nach 1945 Barbara Szaynok, Żydzi we Wrocławiu po II wojnie światowej, in: Rocznik Wrocławski 4 (1997), S. 173 – 190; Ewa Waszkiewicz, The Jewish Congrega­tion in Wrocław, 1945 – 1949, in: Jews in Eastern Europe 1 (32), 1997, S. 34 – 44; Julia Gogol u. a., Eine große Tradi­tion ohne Kontinuität. Die jüdische Gemeinde in Breslau seit 1945, in: Das polnische Breslau als europäische Metropole. Erinnerung und Geschichtspolitik aus dem Blickwinkel der Oral History, hrsg. von Philipp Ther, Wrocław 2005, S. 111 – 128; Michael Meng, Shattered Spaces. Encountering Jewish Ruins in Postwar Germany and Poland, Cambridge 2011, S. 132 – 140, 182 – 183, 238 – 240; Friedla, Juden in Breslau (wie Anm. 407), S.  332 – 415. 512 Historia Wrocławia III (wie Anm. 504), S. 126. 513 Jolanta Popińska/Krzysztof Popiński, Od SKS do NZS. ­Niezależne Zrze­ szenie Studentów we Wrocławiu 1980 – 2010, Wrocław 2010, S.  29 – 40, 62 – 63. 514 Zur Breslauer Solidarność-­Bewegung ausführ­lich Beata Włoch-­Ortwein, Die Solidarność in Breslau. Die Entstehung einer opposi­tionellen gesellschaft­ lichen Bewegung in der Systemkrise 1980/81 und ihre Bedeutung für den Systemwechsel in Polen 1989, Berlin 2000; Leszek Ziątkowski, Na drodze do solidarności. Wrocław w walce o demokratcję i niepodległość 1976 – 1980; ders., Na drodze do wolności. Solidarny Wrocław siepień 1980-grudzień 1981, Wrocław 2011; Szczepan Rudka, Radio Solidarność in Breslau im Jahre 1981, in: Amator scientiae. Festschrift für Dr. Peter Ohr, hrsg. von Rainer Sachs, Breslau 2004, S. 461 – 474. 515 Vgl. dazu die Schilderung bei Karol Modzelewski, Zajeździmy kobyłę historii. Wyznania poobijanego jeźdźca, Warszawa 2013, S. 250 – 258. 516 Kamil Dworaczek: Burzliwa dekada. NZS we Wrocławiu 1980 – 1989, Warszawa 2012, bes. S. 13, 16. 517 Zum folgenden Piotr Gomułkiewicz, Mniejsze zło. Władze stanu wojennego wobec opozycji we Wrocławiu, Warszawa-­Wrocław 1997; Wojciech Sawicki, Wrocławski Grudzień 1981, in: Wrocławskie studia z historii najnowszej, Bd. 5, hrsg. von Wojciech Wrzesiński, Wrocław 1998, S. 189 – 231; Łukasz Kamiński/ Paweł Piotrowski, Podziemie wrocławskie w oczach Służby Bezpieczeństwa in: Pamięć i Sprawiedliwość 2 (2002), S. 275 – 293. 518 Die Staatsmacht schätzte die Zahl der Demonstranten auf 20.000, die Solidarność auf 60.000, vgl. Gomułkiewicz, Mniejsze zło (wie Anm. 517), S. 100. 519 Szczepan Rudka, Poza cenzurą. Wrocławska prasa bezdebitowa 1973 – 1989, Warszawa-­Wrocław 2001, S. 255 – 381; Włodzimierz Suleja, Kościół na Dolnym Śląśku wobec stanu wojennego, in: Kościół katolicki na Dolnym Śląsku w powojennym 50-leciu, hrsg. von Ignacy Dec/Krystyn Matwijowski, Wrocław 1996, S.  174 – 186. 511

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Anmerkungen

Major Waldemar Frydrych/Bronisław Misztal, Pomarańczowa alternatywa/ The Orange Alternative/Die Orangene Alternative. Rewolucja krasnolud­ków/ Revolu­tion of Dwarves/Revolu­tion der Zwerge, Warszawa 2008; Happening against communism by the Orange Alternative/Pomarańczowa alternatywa – happeningiem w komunizm, hrsg. von Jacek Purchla, Kraków 2011; Agnieszka Jaworska, Pomarańczowa Alternatywa w bezdebitowej prasie studenckiej, we wspomnieniach i w drukach ulotnych lat osiemdziesiątych XX wieku, Toruń 2012. 521 Andrea Genest, Wenn subversive Zwerge zum Stadtwahrzeichen werden. Wrocław und die regionale Opposi­tionsgeschichte, in: Erinnerungskultur und Regionalgeschichte, hrsg. von Harald Schmid, München 2009, S. 147 – 165, bes. S. 149 – 156; Małgorzata Skotnicka, Krasnoludki wrocławskie, in: Poznań – Szczecin – Wrocław. Trzy uniwersytety, trzy miasta, trzy regiony, hrsg. von Waldemar Łazuga/Sebastian Paczos, Poznań 2010, S. 449 – 455. 520

X. Postsozialistische Großstadt Zbigniew Kurcz, Die Wiedereinführung der kommunalen Selbstverwaltung in Wrocław, in: Die Situa­tion und die Rolle von Großstädten im Transforma­tionsprozess. Ökonomische Entwicklung der Städte Leipzig und Wrocław 1989 bis 1994 im Vergleich, hrsg. von Meinhard Miegel, Leipzig 1996, S.  129 – 148. 523 Gleichzeitig stieg die Beteiligung der Breslauer an den Sejm-­Wahlen von 1991 bis 2007 kontinuier­lich von 49,1 % auf 65,8 % an und lag (um 5,9 – 10,9 %) stets deut­lich über dem Landesdurchschnitt, vgl. Czyszkiewicz, Ryszard/Durka, Włodzimierz: Zachowania wyborcze mieszkańców Poznania, Wrocławia i Szczecina w latach 1991 – 2007, in: Poznań – Szczecin – Wrocław (wie Anm. 521), S. 185 – 201, bes. S. 190. 524 Wiesław Kilian, Der demokratische Prozess ­zwischen Stadtparlament, Stadtverwaltung und den Bürgern, in: Die Situa­tion und die Rolle von Großstädten im Transforma­tionsprozess. Ökonomische Entwicklung und ­soziale Prozesse der Städte Leipzig und Wrocław 1995 – 1999 im Vergleich. Ergebnisse eines deutsch-­polnischen Forschungsprojekts der Universitäten Leipzig und Wrocław, hrsg. von Rolf H. ­Hasse/Cornelie Kunze, Leipzig 2002, S.  135 – 138. 525 Zbigniew Kurcz, Selbstverwaltung in Wrocław, in: Leipzig und Wrocław im Prozess von Transforma­tion, Europäisierung und Globalisierung. Ökonomische Entwicklung und s­ oziale Prozesse 2005 – 2009 im Vergleich, hrsg. von Cornelie Kunze, Leipzig 2014, S. 131 – 143, bes. S. 135. 522

Anmerkungen

Leszek Patrzałek/Wanda Patrzałek, Neue Tendenzen in der ökonomischen Struktur der Stadt Wrocław in den neunziger Jahren, in: Die Situa­tion 1996 (wie Anm. 522), S. 154 – 165. 527 Magdalena Stawicka/Marek Wróblewski, Schwerpunkte und Triebkräfte der Wirtschaftsentwicklung in den Jahren 2005 – 2009, in: Leipzig und Wrocław (wie Anm. 525), S. 165 – 171. 528 Ludwik Skiba/Jan Wojtaś, Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur im Verlauf des Transforma­tionsprozesses in Wrocław, in: Die Situa­tion 1996 (wie Anm. 522), S. 184 – 189, bes. S.188; Wanda Patrzałek, Die Entwicklung der wirtschaft­lichen Leistungskraft und die Veränderungen der sektoralen und der Branchenstruktur in der Wirtschaft der Stadt Wrocław in den Jahren 2005 – 2009, in: Leipzig und Wrocław (wie Anm. 525), S. 175 – 183, bes. S. 179. 529 Robert Pütz, Der Strukturwandel des Wrocławer Einzelhandels im Transforma­tionsprozess, in: Die Situa­tion (wie Anm. 524), S. 176 – 183; ders., Transforma­tion des polnischen Einzelhandels ­zwischen interner Restrukturierung und Interna­tionalisierung. Das Beispiel Wrocław, in: Prozesse und Perspektiven der Stadtentwicklung in Ostmitteleuropa, hrsg. Zoltán Kovács, Passau 1997, S. 141 – 155. 530 Patrzałek/Patrzałek, Neue Tendenzen (wie Anm. 526), S. 163. 531 Stanisław Witold Kłopot/Wanda Patrzałek, Der Privatisierungsprozess in der Stadt Wrocław, in: Die Situa­tion 1996 (wie Anm. 522), S. 166 – 175, bes. S. 166. 532 Teresa Kulak, Wrocław in Geschichte und Gedächtnis der Polen, in: Erinnerungsorte in Ostmitteleuropa. Erfahrungen und Perspektiven, hrsg. von Matthias Weber, Oldenburg 2011, S. 159 – 176, bes. S. 173 – 175; Paweł Kubicki, Tożsamość Wrocławia, czyli jak mieszkańcy Wrocławia konstruują swoje miasto, in: Poznań – Szczecin – Wrocław (wie Anm. 521), S. 203 – 212; vgl. auch die verschiedenen Beiträge in dem Sammelband My Wrocławianie. Społeczna przestrzeń miasta, hrsg. von Piotr Żuk u. a., Wrocław 2006. 533 Rościsław Żerelik, Ein Schritt zur Wiedergewinnung der Identität. Die Änderung des Breslauer Stadtwappens im Jahre 1990, in: Amator scientiae (wie Anm. 514), S. 461 – 484. 534 Wrocławska kronika wielkiej wody, 10 lipca – 18 sierpnia 1997, hrsg. von Wojciech Wrzesiński, Wrocław 1997, bes. S. 72, 104, 137; Żywioł. Powódź we Wrocławiu i na Dolnym Śląsku lipiec 1997, hrsg. von Tomasz Kizny, Warszawa 1998. 535 Interview-­Aussage zitiert nach Paweł Kubicki, Tożsamość Wrocławia, czyli jak mieszkańcy Wrocławia konstruują swoje miasto, in: Poznań – Szczecin – Wrocław (wie Anm. 521), S. 203 – 212, hier S. 205. 536 Hilary Bown/Karolina Fuhrmann/Maciej Milewicz, Geschichtspolitik und lokale Identität in Breslau seit 1989, in: Das polnische Breslau (wie Anm. 511), S. 42 – 52; Gregor Thum, Wrocław’s Search for a New Historical Narrative. 526

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Anmerkungen

From Polonocentrism to Postmodernism, in: Cities after the Fall of Communism. Reshaping Cultural Landscapes and european Identity, hrsg. von John Czaplicka u. a., Washington-­Baltimore 2009, S. 75 – 101. 537 So erklärte die vom Stadtentwicklungsbüro formulierte „Strategie Breslau 2000 Plus“ 1998 „die Schaffung einer Identität Wrocławs und die Verstärkung der Identität der Einwohner mit ihrer Stadt“ zu einem Grundziel der Stadtentwicklungsstrategie, zitiert nach Mateusz Błaszczyk, Zur lokalen Identität der Einwohner Wrocławs, in: Die Situa­tion 2002 (wie Anm. 524), S. 245 – 251, hier S. 245. 538 Vgl. Atlas architektury Wrocławia, hrsg. von Jan Harasimowicz, 2 Bde., Wrocław 1997 – 1998; Michał Kaczmarek u. a., Wrocław. Dziedzictwo wieków, Wrocław 1997; Kulak, Wrocław (wie Anm. 394); Historia Wrocławia I-III (wie Anm. 135, 343, 504); Encyklopedia Wrocławia. Dzieje miasta, hrsg. von Jan Harasimowicz/Beata Maciejewska, Wrocław 2002; Beata Maciejewska, Wrocław. Dzieje miasta, Wrocław 2002. 539 Norman Davies/Roger Moorehouse, Microcosm. Portrait of a Central European City, London 2003; dies., Mirkokosmos. Portret miasta środkowoeuropejskiego Vratislavia – Breslau – Wrocław, Wrocław 2002; dies., Die Blume Europas. Breslau – Wrocław – Vratislavia. Geschichte einer mitteleuropäischen Stadt, München 2002. Zur Kritik der Forschung vgl. Peter Oliver Loew: Rezension zu: Davies, Norman/ Moorhouse, Roger: Die Blume Europas […], in: H-Soz-­Kult, 19. 09. 2002 http://www.hsozkult.de/ publica­tionreview/id/rezbuecher-1435 [13. 2. 2015]; Meng, Shattered Spaces (wie Anm. 511), S. 238 – 241, der den „erfundenen Kosmopolitismus“ vor dem Hintergrund des Umgangs mit der jüdischen Minderheit dekonstruiert. 540 1000 Jahre Breslau. Führer durch die Ausstellung, hrsg. von Maciej Łagiewski/ Halina Okólska/Piotr Oszczanowski, Wrocław² 2011. 541 Małgorzata Dzieduszycka-­Ziemilska, Menschen einer Stadt. Breslauer – Wrocławianie, in: Deutsche und Polen: Erinnerung im Dialog, hrsg. von Anna Hofmann, Osnabrück 2007, S. 121 – 133, hier S. 124. 542 Tomasz Ossowicz, Die Planung des Stadtraums von Breslau nach der Kommunalreform im Jahr 1990, in: Das Bild von Wrocław (wie Anm. 298), S. 83 – 102; Tadeusz Sawa-­Borysławski, Rewaloryzacja miasta historycznego i zabudowa plombowa, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 139 – 146; Urszula Gołota, Architektura po roku 1989, in: ebd. S. 147 – 152. 543 Vgl. Máté Tamáska, Bedeutungsebenen der rekonstruierten Altstadt von Wrocław, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-­Forschung 62 (2013), S. 1 – 39, bes. S. 28. 544 Stanisław Witold Kłopot, Veränderungen in der Lebensqualität der Einwohner Wrocławs, in: Die Situa­tion 2002 (wie Anm 524), S. 229 – 243, hier S. 235 – 236; Natalia Niedźwiecka, Entwicklung der sozialen Infrastruktur

Anmerkungen

Wrocławs 2005 – 2009, in: Leipzig und Wrocław (wie Anm. 525), S. 227 – 234, hier S.  228 – 229. 545 Siehe: http://airport.wroclaw.pl/2015/01/05/lotnisko-pelne-rekordow-podsumowanie-roku-2014/ [13. 2. 2015]. 546 Roman Czajka, Zespół mieszkalno-­usługowy Sky Tower, in: Leksykon architektury (wie Anm. 7), S. 616 – 617; www.SkyTower.pl [13. 2. 2015].

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Abbildungsnachweis Atlas historyczny (wie Anm. 204): Innenklappe vorne, Umschlagabbildung hinten, Farbtafel 13 und Farbtafel 15 Bildarchiv Herder-­Institut Marburg (Inv.-Nr./Nachweise gemäß Reihenfolge der aufgeführten Abbildungen: 241303, 249986, Dehio-­Schlesien S. 1078, 51366, 258000, 249984, 249985, 249988, 249987, Stefan Arczyński, 250000, P4701, 147473, 250024, 206221, 249989, 130898) : Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 13, 14, 15, 16; Farbtafel 2, 4, 11, 14, 21, 22, 25 Breslau und Krakau (wie Anm. 70), S. 29: Abb. 2; S. 85: Abb. 3 Eduard Mühle: Abb. 17; Farbtafel 3, 5 – 10, 16 – 20, 23, 24, 26 – 28 Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Linke-­Hofmann Werke Aktiengesellschaft. Breslau, Cöln-­Ehrenfried, Warmbrunn, Breslau 1921, S. 3: Abb. 10 Herzog-­August Bibliothek Wolfenbüttel, Fürst­lich Stolbergsche Sammlung Sig. 4068: Farbtafel 12 Karol Modzelewski, Warschau: Abb. 18 Monarchische und adlige Sakralstiftungen (wie Anm. 53), S. 302: Abb. 1 Open Street Map (© OpenStreetMap-­Mitwirkende/http://www.openstreetmap. org/copyright): Innenklappe hinten Universitätsbibliothek Wrocław, Oddział Zbiorów Graficznych Inw. fot. 2610: Abb. 11 Via Nova Verlag Wrocław: Farbtafel 1

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Register Personenregister A Adams, John Quincey (1767 – 1848)  164 Aenea Silvio Piccolomini / Pius II. (1405 – 1464)  99, 100 Agapia/Agatha (12. Jh.)  26 Agnes, Herzogin (um 1205/1211 – 1282)  48 Ahlfen, Hans von (1897 – 1966)  259 Alberich (13./14.Jh.)  41 Albrecht II. von Habsburg (1397 – 1439)  95 Alexander von Malonne (Ende des 11. Jh. – 1156)  15 Alzheimer, Alois (1864 – 1915)  239 Anders, Günther (1902 – 1992)  265 Angelus Silesius.  Siehe Scheffler, Johannes Anna, Herzogin (um 1201 – 1265)  48 Aragon, Louis (1897 – 1982)  274 Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.)  102 Aubin, Hermann (1885 – 1969)  252 – 256, 258, 259 Aulock, Hubertus von (1891 – 1979)  208 Aurifaber, Johannes (1517 – 1568)  123

B Banz (Bantsch), Heinrich von (? – 1365/66)  61 Barasch, Arthur (1872 – 1942)  202, 231, 250 Barasch, Georg (1867 – 1943)  231, 250 Baumgarten, Conrad (15./16. Jh.)  114

Bayer, Gottfried (17. – 18. Jh.)  156 Becker, Anna Rosina (1698 – 1699)  157 Becker, Anna Ursula (1674 – 1732)  153 – 157 Becker, Barbara Rosina (1700 – 18. Jh.)  157 Becker, Gottlieb Wilhelm (1694 – 18. Jh.)  156 Becker, Johann (17. Jh. – 1714)  153 – 155 Becker, Johann Caspar (1692 – 1711)  156 Becker, Johann Heinrich (1708 – 1718)  156 Beethoven, Ludwig van (1770 – 1827)  202 Behrend, Fritz (1877 – ?)  219 Benedikt (13. Jh.)  58 Bergius, Friedrich (1884 – 1949)  239 Berg, Max (1870 – 1947)  200 – 203, 219, 220, 222, 236 Bernays, Jacob (1824 – 1881)  240 Bernhard von Clairvaux (um 1090 – 1153)  28 Berthold, Hans (? – nach 1476)  75 Binding, Karl (1841 – 1920)  226 Bischof, Fritz Walter (1896 – 1976)  238 Blochmann, Johann Chrysostomus (18. Jh.)  165 Boethius (um 480/485 – 524/526)  102 Boguslaus / Bogusław, Bruder des Petrus Vlostides (12. Jh.)  34 Böhm, Herbert (1894 – 1954)  244 Bolesław, der Lange (1127 – 1201)  32, 33, 35

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Register

Bolesław I., der Tapfere (967 – 1025)  18, 19 Bolesław II., der Kühne (1041/42 – 1082)  23 Bolesław III., Schiefmund (1086 – 1138)  23 – 25 Bolesław IV., Kraushaar (1120/21 – 1173)  25, 32 Bolko I. von Jauer (um 1252/56 – 1301)  63 Bolko I. von Oppeln (um 1254/58 – 1313  54 Bonaparte, Jérôme (1784 – 1860)  164 Born, Max (1882 – 1970)  239 Boumann, Johann d.Ä. (1706 – 1776)  160, 161 Brackmann, Albert (1871 – 1952)  254 Brann, Marcus (1849 – 1920)  240 Bräuler, Felix (? – ?/20. Jh.)  244 Brecht, Berthold (1898 – 1956)  274 Brentano, Lujo von (1844 – 1931)  226, 239 Břetislav I. (um 1003 – 1055)  16, 19, 21 Bruch, Max (1838 – 1920)  237 Brückner, Helmuth (1896 – 1951)  247 Buchner, Eduard (1860 – 1917)  239 Büchner, Georg (1813 – 1837)  287, 288 Bunsen, Robert Wilhelm (1811 – 1899)  239

C Calvin, Johannes (1509 – 1564)  126 Camerarius, Joachim d. Ä. (1500 – 1574)  123 Camerarius, Joachim d. J. (1534 – 1598)  123, 125 Capistrano, Giovanni di (1386 – 1456)  106 – 108 Carlet de Marivaux, Pierre (1688 – 1763)  288

Celtis, Conrad (1459 – 1508)  102 Ceseborius, Verwandter des Petrus Vlostides (12. Jh.)  26 Chamcówna, Mirosława (1919 – 2000)  293 Chęciński, Sylwester (1930)  284 Chruščev, Nikita (1894 – 1971)  280 Cohn, Hermann L. (1838 – 1906)  239 Cohn, Willy (1888 – 1941)  241, 252 Corvinus, Laurentius.  Siehe Rabe, Lorenz Corvinus, Matthias (1443 – 1490)  97, 98 Corvinus, Stephan (16. Jh.)  137 Crato von Krafftheim, Johannes (1519 – 1585)  122 – 127, 137 Czapliński, Marek (*1940)  265 Czarnecki, Leszek (*1962)  315 Czipser, Leonhard (16. Jh.)  118

D Dahn, Felix (1834 – 1912)  236 Da Monte, Giovanni Battista (Montanus) (1498 – 1551)  124, 125 David, jüdischer Kantor (?) (? – 1203)  35 Davies, Norman (*1939)  311 Decroux, Étienne Marcel (1898 – 1991)  287 Dernburg, Hermann (1868 – 1935)  234 Dilthey, Wilhelm (1833 – 1911)  226, 239 Dittrich, Anna Ursula (? – 1722)  154 Dittrich, Caspar (? – 1683)  154 Długosz, Jan (1415 – 1480)  26, 46 Dompnig, Heinz d.J. (um 1435 – 1490)  97, 98 Drabik, Stanisław (1900 – 1971)  267 Drobner, Bolesław (1883 – 1968)  266, 267 Duda, Roman (*1935)  293, 301

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Personenregister

Dutkiewicz, Rafał (*1959)  305 Dygat, Stanisław (1914 – 1978)  280 Dyon, Adam (um 1490–um 1531/34)  113, 114 Dzieduszycka, Małgorzata (*1949)  312

E Effenberger, Theodor (1882 – 1968)  203 Ehrenburg, Ilja (1891 – 1967)  274 Ehrlich, Paul (1854 – 1915)  239 Eichborn, Friedrich August (? – 1832)  178 Eichborn, Johann Friedrich (18. – 19. Jh.)  177 Eisenreich, Lucas (1430 – 1506)  88, 97 Eisler, Hanns (1898 – 1962)  274 Ekkehard, Markgraf (960 – 1002)  17 Elisabeth von Thüringen (1207 – 1231)  49 Elyan, Kaspar (? – 1483)  114 Endell, August (1871 – 1925)  236 Erasmus von Rotterdam (1466/69 – 1536)  102 Eschenloer, Peter (um 1420 – 1481)  97, 99, 100

F Fadeev, Aleksander (1901 – 1956)  274 Fagilucus, Sigismundus (1483 – 1510)  114 Falszen, Ludwik (*1930)  285 Ferdinand I. (1503 – 1564)  98, 121, 126, 129, 130 Ferdinand II. (1578 – 1637)  131, 133, 134 Ferdinand III. (1608 – 1657)  138 Fernando von Luga (15. Jh.)  94 Ferrata, Ercole (1610 – 1686)  144 Fischer von Erlach, Johann Bernhard (1656 – 1723)  144

Foerster, Otfrid (1873 – 1941)  239 Fränckel, Jonas (Ende 18. Jh. – 1846)  240 Franczke, Peter (? – 1476)  75 Frankel, Zacharias (1801 – 1875)  240 Frasyniuk, Władysław (*1954)  296, 298, 299 Freytag, Gustav (1816 – 1895)  191 Fridrich, Hans (1884 – 1947)  245 Friedrich I. (1657 – 1713)  160 Friedrich I., Barbarossa (1122 – 1190)  32 Friedrich II., der Große (1712 – 1786)  159, 161 – 163, 165, 167, 169, 170 Friedrich III., Kaiser (1415 – 1493)  88, 97 Friedrich V. (1596 – 1632)  132 Friedrich Wilhelm II. (1744 – 1797)  161, 170 Friedrich Wilhelm III. (1770 – 1840)  160, 200 Friedrich Wilhelm IV. (1795 – 1861)  194 Friesner, Friedrich Wilhelm (19. Jh.)  180 Frisch, Joseph (? – 1745)  140 Frisch, Max (1911 – 1991)  274 Frydrych, Waldemar (*1953)  300

G Gall, Iwo (1890 – 1959)  285 Gallus Anonymus (11. – 12. Jh.)  20, 23, 24 Garve, Christian (1742 – 1798)  162 Gauske, Briccius (um 1450 – um 1503)  75 Geiger, Abraham (1810 – 1874)  240 Georg von Podiebrad (1420 – 1471)  85, 96, 98, 106

373

Register

Georg von Stein (? – 1497)  97, 98 Geremek, Bronisław (1932 – 2008)  294 Gerstmann, Martin (1527 – 1585)  127, 137 Gierek, Edward (1913 – 2001)  291 Giovanni di Piano Carpini (um 1185 – 1252)  58 Glogau, Gerhard von (13. Jh.)  52 Gogol, Nikolai (1809 – 1852)  286 Gomułka, Władysław (1905 – 1982)  281, 282, 291 Graetz, Heinrich (1817 – 1891)  240 Gregor VII. (1025/30 – 1085)  23, 55 Grisebach, Hans (1848 – 1904)  236 Grotowski, Jerzy (1933 – 1999)  285 Grünhagen, Colmar (1828 – 1911)  35 Grynszpan, Herszel (1921 – 1942/45)  250, 251 Gryphius, Andreas (1616 – 1664)  132 Guidi, Domenico (1625 – 1701)  144

H Haber, Fritz (1868 – 1934)  239 Hadrian VI. (1459 – 1523)  116 Haintzel, Johann Baptist (1524 – 1581)  123 Haintzel, Paul (1527 – 1582)  123 Halley, Edmond (1656 – 1741)  147 Hanke, Karl (1903 – 1945)  258 Hartmann, Heinrich (17. Jh.)  137 Hartman, Stanisław (1914 – 1992)  293 Has, Wojciech (1925 – 2000)  284 Hätzer, Ludwig (vor 1500 – 1529)  115 Haunold, Achatius (nach 1478 – 1532)  115 Haunold, Johannes (um 1445 – 1506)  103 Hauptmann, Carl (1858 – 1921)  236 Hauptmann, Gerhart (1862 – 1946)  202, 203, 236

Heckmann, Carl Justus (19. Jh.)  175 Heilberg, Adolf (1858 – 1936)  225 – 231 Heinrich am Ende (19. Jh.)  173 Heinrich I., der Bärtige (1165 – 1238)  31 – 33, 36, 43 – 46, 49, 53 Heinrich II., der Fromme (1196/1204 – 1241  48 Heinrich II., der Fromme (1196/1204 – 1241)  53 Heinrich III., der Weiße (1227/30 – 1266)  46, 51 – 53, 63 Heinrich III., Kaiser (1017 – 1056)  21 Heinrich IV., der Rechtschaffene (1257/58 – 1290)  51, 53 – 56, 59, 61, 63 Heinrich V., der Dicke (1245/50 – 1309)  51, 63 Heinrich von Glogau (1251/1260 – 1309)  54, 63 Heinrich von Würben (? – 1319)  63 Helfritz, Hans (1877 – 1958)  247 Herbord, Mönch (vor 1145 – 1168)  24, 25 Hesse, Hans (15. Jh.)  88 Hess, Johannes (1490 – 1547)  103, 116 – 123 Hieronymus (? – 1062)  16, 20 Hildesheimer, Israel (1820 – 1899)  240 Hitler, Adolf (1889 – 1945)  243, 246, 254, 255, 257 Hofmann, Friedrich Wilhelm (19. Jh.)  175 Hofmann, Johann Gottfried (19. Jh.)  174 Hornig, Hieronymus (16. Jh.)  115 Horovitz, Saul (1859 – 1921)  241 Hubert, Michael (18. Jh.)  157 Hugo, Victor (1802 – 1885)  286 Humperdinck, Engelbert (1854 – 1921)  202 Huskowski, Stanisław (*1953)  305

374

Personenregister

I Iwaszkiewicz, Jarosław (1894 – 1980)  274 Jaruzelski, Wojciech (1923 – 2014)  297, 300, 301, 303

J Jaxa von Köpenick (vor 1130 – 1176)  26 Johannes, Bischof (10. – 11. Jh.)  18 Johannes Paul II. (1920 – 2005)  299 Johann I. von Luxemburg (1296 – 1346)  64, 81, 92, 95 Jooss, Kurt (1901 – 1979)  288 Jopner, Anna (16. Jh.)  119 Jopner, Stephan (15. – 16. Jh.)  119 Josef I. (1678 – 1711)  146

K Kafka, Franz (1883 – 1924)  288 Kaiser, Sepp (1872 – 1936)  234 Kantorowicz, Ernst (1895 – 1963)  241 Kapp, Wolfgang (1858 – 1922)  208, 217 Karl IV. (1316 – 1378)  85, 92, 93, 95, 107, 136 Karl V. (1500 – 1558)  124, 129, 130 Karl XII. (1682 – 1718)  146 Karsten, Karl Johann Bernhard (19. Jh.)  180 Kasimir I. (1016 – 1058)  21 Kasimir III. (1310 – 1370)  84, 92 Kisch, Guido (1889 – 1985)  241 Kiszczak, Czesław (*1925)  300, 301 Koebner, Richard (1885 – 1958)  100 König, Heinrich.  Siehe Tomaszewski, Henryk König, Johannes (20. Jh.)  285 Konrad I. (1187/88 – 1247)  53 Konrad III. (1093/94 – 1152)  25, 28 Konwiarz, Richard (1883 – 1960)  219, 244

Korn, Wilhelm Gottlieb (1739 – 1806)  162 Krabler, Matthäus (16. Jh.)  137 Krafft, Johannes.  Siehe Crato von Krafftheim Krajewski, Marek (*1966)  311 Krantz, Gottlob (1660 – 1733)  156 Krása, Jan (? – 1420)  93 Krause, Friedrich (1790 – 1860)  180 Krautwald, Valentin (um 1490 – 1545)  115 Krebil, Peter (15. – 16. Jh.)  87 – 89 Kühn, Gustav (20. Jh.)  244 Kühn, Hermann (19. – 20. Jh.)  235, 236 Kuligowski, Kazimierz (20. Jh.)  266 Kuroń, Jacek (1934 – 2004)  293

L Ladislaus Postumus (1440 – 1457)  96, 99, 100, 108 Langhans, Carl Ferdinand (1781/82 – 1869)  187 Langhans, Carl Gotthard (1732 – 1808)  163, 164, 168 Lassalle, Ferdinand (1825 – 1864)  196 Laubner, Anton (17. – 18. Jh.)  154 Lauterbach, Heinrich (1893 – 1973)  220 Le Corbusier (1887 – 1965)  274 Lenard, Philipp (1862 – 1947)  239 Leopold I. (1640 – 1705)  137 – 139 Leszek, der Schwarze (1241 – 1288)  54 Levy, Israel (19. – 20. Jh.)  240 Libisch, Kaspar (? – 1539)  115, 117 Linke, Gottfried (1792 – 1867)  174 Lipski, Jan Józef (1926 – 1991)  293 Ljapunov, sowj. Oberst (? – ?)  267 Löbe, Paul (1875 – 1967)  206, 217 Lobe, Theodor (1833 – 1905)  237

375

Register

Loesch, Johann Friedrich (1784 – 1842)  173 Loewe, Theodor (1855 – 1935)  237 Loyola, Ignatius von (1491 – 1556)  137 Lubomirski, Jerzy Sebastian (1616 – 1667)  148 Lucae, Friedrich (1644 – 1708)  156 Lüdinghausen Wolff, Friedrich von (1643 – 1708  139 Ludwig II. (1506 – 1526)  98, 121 Lukács, György (1885 – 1971)  274 Lummer, Otto Richard (1860 – 1925)  237 Luther, Martin (1483 – 1546)  102, 113, 114, 116, 119, 122, 123 Lüttwitz, Walther Freiherr von (1859 – 1942)  208

M Magnus (11. Jh.)  23, 24 Mahler, Gustav (1860 – 1911)  202, 236 Mansfeld, Ernst von (1580 – 1626)  132 Marceau, Marcel (1923 – 2007)  287 March, Werner (1894 – 1976)  243, 244 Maria (12. Jh.)  28 Maria, Ehefrau des Petrus Vlostides (12. Jh.)  25, 27 Maria Theresia (1717 – 1780)  159 Marperger, Paul Jakob (1656 – 1730)  155 Martinelli, Domenico (1650 – 1719)  140 Masner, Karl (19. – 20. Jh.)  200, 203 Matisse, Henri (1869 – 1954)  236 Matthäus, Bischof (12. Jh.)  28 Matting, Paul (1859 – 1935)  207, 217 Matzke, Hermann (1890 – 1976)  235 Maximilian II. (1527 – 1576)  126, 127, 131

Mazowiecki, Tadeusz (1927 – 2013)  294, 301 Meinecke, Heinrich (1812 – 1890)  175 Melanchthon, Philipp (1497 – 1560)  102, 116, 119, 122, 123, 126 Mendelssohn, Erich (1887 – 1953)  220, 234 Metzler, Johannes d. J. (1494 – 1538)  121 Mickiewicz, Adam (1798 – 1855)  289 Mieszko I. (um 922/40 – 992)  16, 17 Mikołajczyk, Stanisław (1901 – 1966)  275 Mikora (12. Jh.)  31, 34 Mikulicz-Radecki, Jan ( Johann von) (1850 – 1905)  239 Milde, Carl August (1805 – 1861)  172 Mirandola, Picco della (1463 – 1494)  119 Modzelewski, Karol (*1937)  13, 295, 296, 301 Moibanus, Ambrosius (1494 – 1554)  103, 115, 119 – 123 Mollendorf, Johann von (14. Jh.)  61 Moll, Oskar (1875 – 1947)  236 Mommsen, Theodor (1817 – 1903)  239 Morenberg, Gregor (15. – 16. Jh.)  103 Morietti, Theodor (17. Jh.)  144 Moriz-Eichborn, Johann Wolfgang (1762 – 1837  177, 178, 180 Moriz-Eichborn, Louis Theodor (1812 – 1882)  173 Moshamer, Ludwig (1885 – 1946)  219 Mussorgski, Modest (1839 – 1881)  237

N Nanker, Bischof (1265/70 – 1341)  92 Napoleon Bonaparte (1769 – 1821)  164, 200 Nees von Esenbeck, Christian Gottfried (1776 – 1858)  195

376

Personenregister

Neisser, Albert (1855 – 1916)  236, 239 Neisser, Toni (1861 – 1913)  236 Neumann, Caspar (1648 – 1715)  147 Neumann, Lothar (19. – 20. Jh.)  220 Nick, Edmund (1891 – 1973)  238 Niehoff, Hermann von (1897 – 1980)  259 Niger, Antonius (um 1500 – 1555)  118 Nikolais, Alwin (1910 – 1993)  288

O Obermann auf Rudzinitz, Emma von (1819 – 1881)  182 Oelsner, Johann Wilhelm (1766 – 1848)  177, 180 Otto III. (980 – 1002)  17, 18 Otto von Bamberg (um 1060 – 1139)  20, 24

P Parnell, Feliks (1898 – 1980)  285 Pein, Johann von (1582 – 1649)  133 Peintner, Johannes Blasius (1673 – 1732)  140 Peter I. (1672 – 1725)  151 Petrus Vlostides / Peter Wlast / Piotr Włostowic (um 1100 – 1153)  24, 26, 27 Pfeilschmidt, Heinrich (17. Jh.)  137 Picasso, Pablo (1881 – 1973)  274 Piłatowski, Władysław (*1925)  289 Pinior, Józef (*1955)  298 Piotrowski, Jerzy (20. Jh.)  295 Pius II. (1405 – 1464)  99 Plautus (um 254 v. Chr. –  184 v. Chr.)  102 Pleydenwurf, Wilhelm (? – 1494)  74 Plüddemann, Richard (1846 – 1910)  201, 202

Poelzig, Hans (1869 – 1936)  199, 203, 220, 236 Popplau, Agnes (15. Jh.)  88 Popplau, Andreas (15. Jh.)  87 Popplau, Anna (15. Jh.)  88 Popplau, Hans (? – 1455)  87, 91 Popplau, Kaspar (um 1435 – 1499)  87 – 91, 97 Popplau, Magdalena (15. Jh.)  88 Popplau, Markus (? – 1505/06)  91 Popplau, Nikolaus (um 1440 –  nach 1490)  87, 88 Přemysl Ottokar II. (1257 – 1296)  53, 54 Preusse, Paul (um 1450–um 1530)  75 Przemko von Steinau (1265/71 – 1289)  54 Pyjas, Stanisław (1953 – 1977)  292

Q Quicker, Gregor (16. Jh.)  119

R Rabe, Lorenz / Laurentius Corvinus (1465 – 1527)  102, 103, 114, 115, 118 Rading, Adolf (1888 – 1957)  220 Rakowski, Mieczysław (1926 – 2008)  301 Rath, Ernst Eduard von (1909 – 1938)  250 Reger, Max (1873 – 1916)  202 Rehdiger, Thomas von (1540 – 1576)  124 Reinhardt, Max (1873 – 1943)  202, 288 Reuchlin, Johannes (1455 – 1522)  119 Roscher, Georg Friedrich Wilhelm (1817 – 1894)  226 Rose von Rosenigk, Reinhard (1581 – 1639)  133 Roter, Jeremias (16. – 17. Jh.)  156 Rother, Christian (1778 – 1849)  173, 177

377

Register

Roth, Johannes (1426 – 1506)  102, 103 Roth, Johannes IV. (1426 – 1506)  102, 103 Roth, Joseph (1894 – 1939)  11, 12 Rotichen, Hans (? – 1505/06)  91 Rottmayr, Johann Michael (1654 – 1730)  140 Rudolf I. (1218 – 1291)  54, 55 Rudolf II. (1552 – 1612)  127, 131 Ruffer, Gustav Heinrich (1798 – 1884)  172, 174, 176 – 183, 195 Ruge, Arnold (1802 – 1880)  195 Rump, Heinrich (19. – 20. Jh.)  220

S Salza, Jakob von (1481 – 1539)  115, 117, 119 Sarepta, Thomas von (1297 – 1378)  122 Schäfer, Dietrich (1845 – 1929)  239 Scharf von Werd, Johannes (1595 – 1660)  124 Scharoun, Hans (1893 – 1972)  220 Scheffler, Johannes / Angelus Silesius (1624 – 1677)  145 Schellendorf, Christoph von (? – 1647)  137 Schertelzahn, Dietrich (13. – 14. Jh.)  61 Schertelzahn, Jakob (13. – 14. Jh.)  61 Schertelzahn, Werner (13. – 14. Jh.)  61 Schlabrendorff, Ernst Wilhelm von (1719 – 1769)  169 Schleupner, Dominikus (um 1483 – 1547)  117, 119 Schnabel, Joachim (16. Jh.)  118 Schneider, Hans von Lindau (um 1544 – 1608)  112 Schoeller, Heinrich Leopold (1792 – 1884)  173 Schoeller, Leopold (19. – 20. Jh.)  173

Schoeller, Leopold (1830 – 1896)  173 Schoeller, Rudolf (1827 – 1902)  173 Scholtz, Georg d.J. (1622 – 1677)  76, 77 Scholtz, Laurentius (1552 – 1599)  109 Schreiter, Martin (16. Jh.)  118 Schummel, Johann Gottlieb (1748 – 1813)  162 Schwenckfeld, Caspar (um 1490 – 1561)  115, 120 Scianzi, Giacomo (17. – 18. Jh.)  144 Sieciech, Pfalzgraf (? – nach 1122)  23 Sigismund, König (1368 – 1437)  82, 93 – 95 Slezak, Leo (1873 – 1946)  237 Sombart, Werner (1863 – 1941)  229, 236, 239 Spätgen, Heinrich Gottfried von (17. – 18. Jh.)  161 Sporn, Martin (16. Jh.)  118 Spremberg, Stadtphysikus (16. Jh.)  126 Stalin, Josef (1878 – 1953)  275, 280 Stein, Barthel / Bartholomäus (1476 – 1522)  86, 87 Stenzel, Gustav Adolf (1792 – 1854)  195 Stern, Otto (1888 – 1969)  239 Stern, William (1871 – 1938)  239 Strauss, Richard (1864 – 1949)  236 Stüler, Friedrich August (1800 – 1865)  188 Świętosław, Sohn des Petrus Vlostides  27 Świętosław, Sohn des Petrus Vlostides (12. Jh.)  28 Szeligowski, Tadeusz (1896 – 1963)  286

T Tauchen, Jodocus (vor 1425 –  um 1495)  75

378

Personenregister

Tausch, Christoph (1673 – 1731)  140 Tausk, Walter (1890–um 1941)  252 Taylor, Alan J.P. (1906 – 1990)  274 Terenz (195/184 v. Chr. –  159/158 v. Chr.)  102 Thietmar von Merseburg (975 – 1018)  18, 19 Thomas II. (? – 1292)  55, 62 Thun, Christoph Simon Graf von (1582 – 1635)  138 Thurzó, Johannes (1464 – 1520)  102, 116, 117, 119 Tokarczuk, Olga (*1962)  311 Tomaszewski, Henryk / Heinrich König (1919 – 2001)  285 – 288 Torre Maggiore, Rogerius von (1205 – 1266)  46 Troger, Johannes (15. – 16. Jh.)  115 Trotzendorf, Valentin (1490 – 1556)  118 Tunikowski, Roman (1919 – 1982)  264 Tusk, Donald (*1957)  304 Tuwim, Julian (1894 – 1953)  274

U Ungeraten, Kaspar (? – 1454)  87 Ursinus, Zacharias (1534 – 1583)  126

V Verdi, Guiseppe (1813 – 1901)  237 Vergil (70 v. Chr. – 19 v. Chr.)  102 Vincentius Kadłubek (um 1150 – 1223)  23, 24, 26 Volodar Rostislavič (1065 – 1124)  25, 26 Vratislav I. (um 888 – 921)  18

W Wach, Adolf Eduard (1843 – 1926)  226 Wachniewski, Aleksander (20. Jh.)  267, 272 Wagner, Otto (1877 – 1962)  217, 245

Wajda, Andrzej (*1926)  284 Wałęsa, Lech (*1943)  294 – 296, 300, 303 Wallenstein, Albrecht von Waldstein (1583 – 1634)  133 Walter, Bruno (1876 – 1962)  237 Walter von Malonne (1148/49 – 1169)  15, 16, 32, 36 Wassermann, Charles (1924 – 1978)  264 Wazin, Johann (17. Jh.)  137 Wenzel II. (1271 – 1305)  54, 63 Wenzel IV. (1361 – 1419)  82, 93, 95 Wernicke, Carl (1848 – 1905)  239 Wigman, Mary (1886 – 1973)  288 Wilhelm II., Kaiser (1859 – 1941)  203, 206 Willmann, Michael Leopold (1630 – 1706)  144 Witosław, Abt (12. – 13. Jh.)  32 Władysław Herman (um 1043 – 1102)  23 Władysław I., Ellenlang (1260 – 1333)  54, 63 Władysław II., der Vertriebene (1105 – 1159)  25, 32 Władysław / Vladislav II. (1456 – 1516)  98, 103, 104 Władysław von Oppeln-Ratibor (1225 – 1281/82)  54 Wlast, Peter.  Siehe Petrus Vlostides Włostowic, Piotr.  Siehe Petrus Vlostides Wohlgemuth, Michael (1434 – 1519)  74 Wolff, Friedrich Wilhelm (1809 – 1864)  195 Wunschalt, Johannes (16. Jh.)  118 Wyszyńskis, Stefan (1901 – 1981)  281

379

Register

Z Zawada, Andrzej (*1948)  311 Zbigniew, Herzog (um 1070 – 1112)  23 Zdrojewski, Bogdan (*1957)  304

Żukrowski, Wojciech (1916 – 2000)  280 Zwingli, Huldrych (1484 – 1531)  115, 126 Żyrosław, Bischof (12. – 13. Jh.)  16

Ortsregister Das Ortsregister verzeichnet die im Text begegnenden Ortsnamen (keine Länder-, Landschafts-, Fluss- und Bergnamen). Nicht ausgewiesen werden die Seitenzahlen für Breslau, doch werden unter dem Eintrag Breslau die im Text begegnenden Stadtteile, Straßen, Plätze und Gebäude der Stadt aufgeführt. Alle Einträge erfolgen nach der in der Darstellung verwendeten Sprachvariante, doch wird jeweils (falls vorhanden) auf die anderssprachige – polnische bzw. deutsche – Variante verwiesen. Verwendet werden die vor 1933 gebräuch­lichen deutschen und die heutigen polnischen Namensvarianten, nicht die während der NS- Zeit und im Sozialismus verwendeten Formen.

A Amsterdam  160, 288 Augsburg  123, 124, 126 – 128 Auras  92

B Berlin  149, 160, 164, 165, 168, 169, 172, 174, 180, 181, 199, 200, 208, 218, 219, 226, 229 – 231, 233 – 236, 238, 240, 243, 244, 246, 247, 254, 259, 298 Bologna  116 Bonn  238, 253 Bourges  124 Braunschweig  84 Breslau (Wrocław) Stadtteile

Altstadt (Stare Miasto)  51, 52, 59, 81, 135, 144, 184, 187, 188, 218, 226, 231, 264, 310, 313 Birvechnik  34 Bischofswalde (Biskupin)  221

Bürgerwerder (Kępa Mieszczańska)  151, 153, 155, 163, 168 Dominsel (Ostrów Tumski)  15, 17, 18, 29, 31, 32, 36, 44, 50, 51, 105, 112, 128, 133, 147, 163, 186, 314 Dürrgoy (Tarnogaj)  219, 245 Eichborngarten (Grabiszyn)  221 Elbing (Ołbin)  26 – 32, 34, 36, 50, 51, 121 Friedewalde (Mirowiec)  221 Gajowice (Gabitz)  265 Gandau (Gądów)  259 Gräbschen (Grabiszyn)  219, 221 Groß Tschansch (Księże Wielkie/ Ciążyn Wielki)  221 Grüneiche (Dąbie)  223 Herdain (Gaj)  219 Kleinburg (Borek)  218 Klein Tschansch (Księże Małe/ Ciążyn Mały)  221 Leerbeutel (Zalesie)  219 Mochbern (Muchobór)  221

380

Ortsregister

Morgenau (Rakowiec)  219 Nabitin (Nabytyn)  34 Neustadt (Nowe Miasto)  51, 52, 59, 61, 81, 111, 132, 143, 147 Nikolai-Vorstadt (Przedmieście Mikołajskie)  50, 184, 189, 218, 264 Oder-Vorstadt (Przedmieście Odrzańskie)  50, 51, 218, 313 Ohlauer Vorstadt (Przedmieście Oławskie)  50, 143, 184, 189, 265, 313 Partynice  299 Pilsnitz (Piłczyce)  221 Pöpelwitz (Popowice)  218, 219, 221 Sandinsel (Wyspa Piaskowa)  26 – 29, 31, 33, 34, 36, 47, 51, 128, 133, 138, 144, 185, 314 Scheitniger Park (Park Szczytnicki)  183, 199 Schweidnitzer Vorstadt (Przedmieście Świdnickie)  184, 189, 218, 231, 265 Südvorstadt  218, 227 Westend (Szczepin)  221 Zimpel (Sępolno)  219, 221, 222 Straßen, Plätze und Parks

Albrechtsgasse (ul. Wita Stwosza)  89, 164 Al. Dębowa (Eichenallee)  286 Altstadtpromenade (Promenada Staromiejska)  111 Antonienstraße (ul. Św. Antoniego)  187 Blücherstraße (ul. Józefa Poniatowskiego)  266 Botanischer Garten  186 Dominikanerstraße (ul. Dominikańska)  243 Exerzierplatz.  Siehe Schlossplatz Gartenstraße (ul. Piłsudskiego)  264

Gräbschener Straße (ul. Grabiszyńska)  265, 294 Holteihöhe (Wzgórze Polskie)  112 Junkernstraße (ul. Ofiar Oświęcimskich)  199 Kaiserstraße (pl. Grunwaldzki)  259, 313 Karlstraße (ul. Kazimierza Wielkiego)  160 Königsplatz (pl. Jana Pawła II.)  184, 313 Kupferschmiedebrücke (ul. Kotlarska)  260 Lessingstraße (pl. Powstańców Warszawy)  243 Liebichshöhe (Wzgórze Partyzantów)  112 Neumarkt (Nowy Targ)  44, 49, 59, 260, 264, 314 Ohlauer Straße (ul. Oławska)  111 pl. Grunwaldzki (Kaiserstraße)  259, 313 pl. Jana Pawła II. (Königsplatz)  184, 313 pl. Powstanców Śląskich (Kaiser Wilhelm-Straße)  313, 315 pl. Społeczny (Lessingplatz)  313 pl. Tadeusza Kościuszki (Tauentzienplatz)  184, 227, 234, 263, 264 Promenada Staromiejska (Altstadtpromenade)  111 Ring (Rynek)  37 – 39, 41, 42, 44, 46, 49, 59, 73, 80, 87, 125, 131, 220, 227, 231, 264, 316 Ritterplatz (pl. biskupa Nankiera)  185, 243 Salzmarkt (pl. Solny)  38, 108, 110, 177, 187, 262, 314

381

Register

Schlossplatz (pl. Wolności)  187, 247, 248, 259, 313 Schuhbrücke (ul. Szewska)  185, 243, 264 Schweidnitzer Straße (ul. Świdnicka)  208, 264 Stadtgraben (Podwale)  111, 184, 190, 234, 264 Striegauer Chaussee (ul. Strzegomska)  174 Tauentzienplatz (pl. Tadeusza Kościuszki)  184, 227, 234, 263, 264 Tauentzienstraße (ul. Tadeusza Kościuszki)  264 ul. Ducha Świętego (HeiliggeistStraße)  202 ul. Grabiszyńska (Gräbschener Straße)  265, 294 ul. Gwiaździsta (Kronprinzenstraße)  315 ul. Kazimierza Wielkiego (Karlstraße)  160 ul. Kraińskiego (Münzstraße)  50 ul. Ofiar Oświęcimskich ( Junkernstraße)  199 ul. Oławska (Ohlauer Straße)  111 ul. Piaskowa (Sandstraße)  202 ul. Piłsudskiego (Gartenstraße)  264 ul. Świdnicka (Schweidnitzer Straße)  208, 264 ul. Szczęśliwa (Augustastraße)  315 ul. Wielka (Goethestraße)  315 Wallstraße (ul. P. Włodkowica)  290 Weidengasse (ul. Wierzbowa)  89 Wzgórze Partyzantów (Liebichshöhe)  112 Wzgórze Polskie (Holteihöhe)  112 Zoologischer Garten  183, 199

Gebäude

7. Depot der Städtischen Verkehrsbetriebe  294, 295 Akademie für Kunst und Kunstgewerbe  203, 220, 235 – 237 Archimedes AG  205, 246, 293, 306 Arkady Wrocławskie (Breslauer Arkaden)  308 Arsenal  111 Aula Leopoldina  136, 141, 247 Bernhardsbastei/-bastion  111, 112 Börse am Salzmarkt  187, 248 Burgbastion  112 Deli-Kino  220 Dolmel  293, 306 Dresdner Bank  263, 264 Elisabeth-Gymnasium  155, 156, 177 Elisabeth-Spital  48 Elwro  293, 306 Erzdiözesan-Museum  16 Fadroma  293 Flughafen  259, 315, 316 Freiburger Bahnhof  220 Galeria Dominikańska (Dominikaner-Galeria)  112, 308 Gegenwartstheater  284 Generalkommandantur  187 Graupenbastion  112 Heiliggeist-Spital  51 Heiligkreuz Kollegiatstift  51 Herzogliche Burg (Lokationsstadt)  29, 47 – 49, 51 Hiobsbastion  112 Hospital an der Kirche der Elftausend Jungfrauen  51 Hotel Savoy  264 Hutmen  293 Jahrhunderthalle  199, 201 – 203, 207, 221, 274 Jesuitenkolleg  135, 136

382

Ortsregister

Josephkonvikt  135, 141 Jüdisches Krankenhaus  187 Jüdisch-Theologisches Seminar  240, 241 Kaiserburg  111, 130, 131, 136 Kaisertor  111, 139, 140 Kaufhalle.  Siehe Tuchhalle Kaufhaus (domus mercatorum)  45, 59, 73 Kaufhaus Gebrüder Barasch  231, 250 Kaufhaus Petersdorff  220, 234 Kaufhaus Wertheim (Renoma)  234, 250, 263, 264, 308 Kirche Corpus-Christi  144 Kirche Elftausend Jungfrauen  51, 143 Kirche Heilige Dreifaltigkeit  144 Kirche Heiligkreuz  55 Kirche Hofkirche  160 Kirche St. Adalbert  34 – 36, 38, 44, 49, 115, 128 Kirche St. Ägidius  51, 103, 105 Kirche St. Antonius  144 Kirche St. Bernhard  115 Kirche St. Christophorus  147 Kirche St. Dorothea  115 Kirche St. Elisabeth  38, 48, 101, 102, 105, 107, 116, 119, 122, 125, 159, 314 Kirche St. Hedwig  144 Kirche St. Jakob  48, 115 Kirche St. Johannes-Kathedrale (Dom)  15, 34, 144, 316 Kirche St. Katharina  128 Kirche St. Maria Magdalena  30, 35, 37, 38, 48, 101, 105, 116 Kirche St. Maria von Ägypten  34, 36 Kirche St. Marien (Sandstift)  26, 27, 32 Kirche St. Martin  20, 29, 147 Kirche St. Matthias  135 Kirche St. Mauritius  34, 35 Kirche St. Michael  34

Kirche St. Nikolai  34, 36 Kirche St. Petri  34 Kirche St. Salvator  143 Kirche St. Vinzenz  34, 128, 144 Kloster der Augustiner-Eremiten  34, 111 Kloster der Bernhardiner  111, 112, 244 Kloster der Dominikaner/innen  49, 103 Kloster der Franziskaner  45 Kloster der Franziskaner Observanten  115 Kloster der Klarissen  48 Kloster der Kreuzherrn mit dem roten Stern (St. Matthias)  128, 144, 186 Kloster der Regularkanoniker (Augustinerchorherren) St. Marien (Sandstift)  26 – 28, 32, 51 Kloster St. Vinzenz (bzw. der Heiligen Jungfrau Maria)  26, 27, 29, 31, 33, 51, 121 Königsschloss  187, 312 Kościuszko-Wohnviertel (KDM)  263 Kronenwerk  112 Ledigenwohnheim  221 Liebich-Theater  237 Liebich-Turm  259 Linke-Hofmann-Werke  175, 204, 205, 232, 235, 246 Markthalle  50, 202, 232, 244 Matthias-Gymnasium  186 Militär- und Archäologisches Museum  111 Mohrenapotheke  220 Mühlentor  111 Nationalmuseum  30, 55, 244 Neue Hauptwache  163 Nikolaitor  110, 112

383

Register

Oberlandesgericht  185, 226, 227, 230, 248 Oberschlesischer Bahnhof  181 Odertor  111 Ohlauer Tor  110 – 112 Oratorium Marianum  136, 141 Ossolineum  186, 272 Pafawag (Staatliche WaggonbauFabrik)  277, 278, 281, 293 Palais der Fürsten von Liegnitz und Brieg  185 Palais des Grafen Matuschków  185 Palais Hatzfeld  145, 163, 164, 259 Pantomimentheater  285, 286, 288 Pasaż Grunwaldzki (GrunwaldPassage)  308 Piastenburg (Dominsel)  136 Polizeipräsidium  185 Polnisches Theater  284, 286 Postscheckamt  220 Rathaus  41, 64, 73 – 76, 80, 82, 100, 102, 107, 120, 163, 186, 220, 225, 262 Regierungspräsidium, altes  244 Regierungspräsidium, neues  244 Reichkrame  41, 186 Renoma  234, 250, 263, 264, 308 Sandbastion  112 Sandtor  110, 111 Scherenbastion  111 Schlesisches Museum für Kunstgewerbe und Altertümer  120, 200, 235 Schlossmuseum  161 Schmetterhaus  186 Schweidnitzer Tor  111, 112 Sky Tower  312, 315 Spätgen-Palais  161 Staatsarchiv  91, 259 Stadtbibliothek  125, 188 Städtisches Johanniter Spital  64

Städtisches Museum  161, 312 Städtische Sparkasse  220, 234 Stadttheater (Opernhaus)  187, 237, 267 Stadtwaage  41, 115, 150, 187 Ständehaus  187, 259 Staubsäule  41 Synagoge zum Weißen Storch  187, 290, 291 Taschenbastion  112, 184 Taschentor  110, 111 Technische Hochschule (Universität)  238, 239, 267, 279, 282, 285 Thalia-Theater  237 Tuchhalle  40, 41, 59, 186 Universität  103, 104, 135, 136, 139, 140, 142, 145, 185, 186, 226, 228, 237 – 239, 252, 253, 267, 279, 314 Universitätsbibliothek  125, 185, 186 Universitätskirche zum Allerheiligsten Namen Jesu  135, 314 Vier-Kuppel-Pavillon  203 Zentralbahnhof  189 Zeughaus  111 Ziegelbastion  112 Ziegeltor  110, 111 Brieg (Brzeg)  116, 133, 178, 185, 226, 251 Brügge  58 Bunzlau (Bolesławiec)  30 Burgund  88

C Cosel (Koźle)  178, 181 Czerwińsk  26

D Danzig (Gdańsk)  85, 89, 114, 294 – 296, 298

384

Ortsregister

Deventer  57 Dortmund  84, 231 Dresden  132, 175, 199 Düren  173 Dürnkrut  54 Dyhernfurth  149

E Erfurt  84, 99, 114

F Fellhammer  181 Ferrara  116 Frankenstein (Ząbkowice)  265 Frankfurt a.M.  195, 199, 200, 218, 238, 241 Frankfurt/Oder  86, 89, 114, 185 Freiburg i. Br.  258, 259, 266 Freiburg i. Sch. (Świebodzice)  180, 181, 189

G Gießen  253 Glatz (Kłodzko)  54, 120, 127 Gleiwitz (Gliwice)  181, 182 Glogau (Głogów)  19, 53, 63, 120, 166, 226, 293 Gnesen (Gniezno)  16, 18, 23, 93, 102, 128, 285 Goldberg (Złotoryja)  30, 44, 118, 176 Groß Raden  20 Grottkau (Grodków)  117, 119

H Halbstadt (Meziměstí)  181 Halle  84, 241 Hamburg  151, 179, 199 Heidelberg  126 Hirschberg ( Jelenia Góra)  226

J Jauer ( Jawór)  120, 154 Jedlitze  183 Jerusalem  106

K Kalisch (Kalisz)  26, 85 Kamenz (Kamieniec)  104 Karakorum  58 Kattowitz (Katowice)  181, 306 Kaunas  252 Kielce  270 Kiew  31, 57, 58 Kolberg  18 Köln  57, 58, 84, 114, 124, 199, 218, 238, 288 Königsberg  85, 165, 208 Königshuld (Osowiec)  183 Kopenhagen  288 Krakau (Kraków)  18, 23, 28, 30, 32, 35, 37, 46, 47, 54, 56, 57, 83, 84, 86, 87, 89, 102 – 104, 114, 119, 172, 180, 265, 266, 270, 277, 285, 292, 293, 306, 312 Krummhübel (Karpacz)  288

L Lebus (Lubusz)  104 Leipzig  86, 87, 99, 103, 114, 116, 123, 169, 199, 200, 204, 226, 255, 288 Lemberg  11, 57, 270, 272, 286 Leubus (Lubiąż)  31 – 33, 36, 104 Leyden  145 Libice  17 Liegnitz (Legnica)  53, 54, 63, 87, 120, 133, 176, 177, 181, 185, 246 Łódź  270, 277, 312 Löwen  124 Lübeck  85, 89 Lüttich  15, 36 Lützen  226 Luxemburg  64, 92, 95, 129

385

Register

M Magdeburg  25, 28, 44 – 47, 52, 56, 60, 78, 84, 90, 91, 130, 169 Mailand  288 Malapane  183 Meißen  17, 19 Moskau  88, 274, 280, 286, 298 Mstów  26 München  199, 200, 240, 244, 285 Münsterberg (Ziębice)  63, 116, 117, 226 Myslowitz  181

N Namslau (Namysłów)  92, 226 Neiße (Nysa)  108 Neumarkt (Środa Śląska)  63, 92 Niedersalzbrunn (WałbrzychSzczawienko)  181 Nowa Huta  295 Nürnberg  88, 114, 116, 117, 119, 123, 155, 244, 249

O Oels (Oleśnica)  116, 117, 133 Ofen  103 Ohlau (Oława)  181, 183 Olmütz  97, 101, 114, 137 Oppeln (Opole)  30, 53, 54, 104, 180 – 182, 285 Orleans  124 Oslo  288

Potsdam  160, 266 – 268 Prag  17, 48, 53, 58, 64, 88, 92 – 94, 96, 99, 103, 127, 130, 132, 133, 137, 146, 289, 298 Przemyśl  25 Przyłęk  57

R Ratibor (Raciborz)  53, 227 Regensburg  57, 127 Reichenberg (Dzierżonów)  252 Ritschen (Ryczyn)  20, 21 Rom  106, 116 Rudzinitz (Rudziniec)  182, 183 Rzeszów  270

S Salzburg  53 Sandomir (Sandomierz)  23 Santiago de Compostela  106 Schmograu  20 Schweidnitz (Świdnica)  63, 102, 154, 181, 226 Soest  84 Speyer  127 Stettin (Szczecin)  89, 178, 179, 200, 294, 295 Stockholm  288 Stralsund  85, 89 Straßburg  145 Strzelno  26 Stuttgart  119, 220 Sulejów  26

P

T

Padua  124, 145 Paris  88, 124, 172, 250 Pitschen (Byczyna)  156 Płock  15 Posen (Poznań)  18, 47, 85, 189, 223, 270, 280, 281, 284, 285, 306

Tarnowitz (Tarnowskie Góry)  182 Thorn (Toruń)  85, 89 Tiergarten  183 Trient  121 Triest  152 Tyniec  30

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Ortsregister

V Venedig  85 Verona  124

W Waldenburg (Wałbrzych)  181, 182 Warschau (Warszawa)  13, 261 – 263, 270, 275 – 277, 282 – 284, 286, 289, 290, 292 – 294, 304, 306, 312 Wieluń  85

Wien  88, 103, 119, 126, 127, 134, 137, 139, 144, 146, 235, 237 Wittenberg  113, 115, 116, 119, 121 – 124, 126 Wolin  20 Würzburg  239

Z Zülz (Biała)  149 Zürich  126

387

KLAUS GARBER

DAS ALTE BRESLAU KULTURGESCHICHTE EINER GEISTIGEN METROPOLE

Das alte Breslau war weit über seine Grenzen hinaus ein unerschöpfliches geistiges Zentrum, das Strömungen aus ganz Europa in sich vereinte. Klaus Garber nähert sich diesem Kosmos über die Institutionen und Menschen, die die intellektuelle und künstlerische Physiognomie Breslaus prägten. Sein Buch ist vor allem eine Einladung, den immensen kulturellen Reichtum der Stadt reisend und lesend in Augenschein zu nehmen. 2014. 597 S. 38 S/W-ABB. GB. MIT SU. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-22252-9

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EDUARD MÜHLE (HG.)

BRESLAU UND KRAKAU IM HOCH- UND SPÄTMITTELALTER STADTGESTALT – WOHNRAUM – LEBENSSTIL (STÄDTEFORSCHUNG. REIHE A: DARSTELLUNGEN, BAND 87)

Breslau und Krakau hatten eine lange Geschichte als politische und kirchliche Zentren hinter sich, als sie im 13. Jahrhundert zu »Rechtsstädten« umgestaltet wurden. Die damit verbundene Adaptierung sächsisch-magdeburgischer Rechtsgewohnheiten, Ansiedlung deutschsprachiger Zuwanderer, Intensivierung städtischen Handels und Handwerks und Einrichtung

einer

kommunalen

Selbstverwaltung

bedeuteten

einen

Entwicklungsschub, der sich auch in der Stadtgestalt, im Wohnraum und Lebensstil niederschlug. Der vorliegende Band greift diese Phänomene für das 13.-16. Jh. aus historischer, archäologischer und architekturhistorischer Perspektive auf und eröffnet in 14 Beiträgen polnischer Stadthistoriker einen neuen Blick auf die mittelalterlichen Verhältnisse in zwei herausragenden Städten Ostmitteleuropas. 2014. VI, 384 S. 65 S/W- UND 12 FARB. ABB. GB. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-412-22122-5

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KATHARINA FRIEDLA

JUDEN IN BRESLAU/WROCŁAW 1933–1949 ÜBERLEBENSSTRATEGIEN, SELBSTBEHAUPTUNG UND VERFOLGUNGSERFAHRUNGEN (LEBENSWELTEN OSTEUROPÄISCHER JUDEN, BD. 16)

Die Erinnerung an die Breslauer Juden, ihre Ausgrenzung, Unterdrückung, Verfolgung und Ausrottung durch das NS-Regime, aber auch die Geschichte des polnisch-jüdischen Wrocław wurden im Kalten Krieg ausgelöscht: In der kollektiven Erinnerung, aber auch in den wissenschaftlichen Diskursen in Polen und Deutschland, sind diese Ereignisse bisher sehr wenig rezipiert worden. Dieses Buch will diese Lücke schließen. So setzt die Studie an mit einer Analyse jüdischer Lebenswelten in Breslau in den Jahren des Nationalsozialismus, als die staatliche Diffamierung und die antijüdische Gewalt eskalierten und schließlich in die Ver treibung und Vernichtung der Breslauer Juden mündeten. Dargestellt wird aber auch der Umbruch nach 1945, die Situation der überlebenden deutschen Juden in Breslau/Wrocław, sowie der polnisch-jüdischen Holocaust-Überlebenden, die in der Stadt angesiedelt wurden. Welche Handlungsspielräume gab es, welche Reaktionen auf die Verfolgungssituation, welche Überlebensstrategien waren möglich? Wie konnte man sich behaupten, welche Identitätskonstruktionen standen einem offen, welche nicht? Wo waren die Schnittstellen zwischen dem jüdischen Leben in der Stadt vor und nach dem Zweiten Weltkrieg? 2015. 552 S. 16 S/W-ABB. BR. 148 X 210 MM | ISBN 978-3-412-22393-9

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KLEINE STADTGESCHICHTEN

ANDREAS FÜLBERTH RIGA KLEINE GESCHICHTE DER STADT 2014. 308 S. 23 FARB. UND 16 S/W-ABB. FRANZ. BR. ISBN 978-3-412-22165-2

KARSTEN BRÜGGEMANN, RALPH TUCHTENHAGEN TALLINN KLEINE GESCHICHTE DER STADT 2011. 361 S. 18 S/W-ABB. UND 14 S/WU. 8 FARB. ABB. AUF 16 TAF. FRANZ. BR. ISBN 978-3-412-20601-7

JOACHIM TAUBER, RALPH TUCHTENHAGEN VILNIUS KLEINE GESCHICHTE DER STADT 2008. 284 S. 2 FARB. KT. FRANZ. BR. ISBN 978-3-412-20204-0

TAMARA GRIESSER-PECAR MARIBOR/MARBURG AN DER DRAU EINE KLEINE STADTGESCHICHTE 2011. 384 S. 38 S/W- UND 15 FARB. ABB. FRANZ. BR. ISBN 978-3-205-78720-4

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