Brücken - Potenziale und Perspektiven 9783955534431, 9783955534424

Construction - materials - history Bridges shape landscapes and cities and are structures of immense value to society.

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German Pages 144 [160] Year 2020

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Brücken - Potenziale und Perspektiven
 9783955534431, 9783955534424

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Inhalt

Brücken — Potenziale und Perspektiven — Vorwort 3 Brückenbau gestern — heute — morgen Entwerfen von Brücken — Eine Königsdisziplin 6   Brücken für den langsamen Verkehr — Per pedes, per Pedale 14  Straßenbrücken — Verbindungen für den motorisierten Verkehr 22   Brücken für den Schienenverkehr — Spurgebunden rollen und schweben 32 Brücken und Verkehr — Mobilität im Fluss 44 Erhalten und Bewerten von Brücken — Weiternutzen oder Neubauen? 50 Anforderungen Einwirkungen — Innere und äußere Belastungen Funktion — Linienführung und Brückenausrüstung Wirtschaftlichkeit — Finanzielle Mittel verantwortlich einsetzen Nachhaltigkeit — Heute schon an morgen denken

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Materialien Materialien — Eigenschaften, Konstruktion und Gestalt

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Konstruktionen Konstruktionen — Katalog der Möglichkeiten

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Brücken im Detail Zehnmal gut gelöst

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Anhang 156 Bildnachweis, Quellen, Autoren

Impressum

Autoren  Thorsten Helbig, Michael Kleiser, Ludolf Krontal Co-Autoren  Markus Friedrich, Martin Knight Redaktion  Steffi Lenzen (Projektleitung), Cosima Frohnmaier (Projektbeispiele), Jana Rackwitz (Lektorat und Layout), Charlotte Petereit (redaktionelle Mitarbeit), Carola Jacob-Ritz (Endkorrektorat) Coverentwurf  Wiegand von Hartmann GbR, München Zeichnungen  Ralph Donhauser Herstellung /DTP  Simone Soesters Reproduktion  ludwig:media, Zell am See Druck und Bindung  Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe Papier:  Surbalin glatt (Umschlag), Profibulk (Innenteil) Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifi­ zierten Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und sozialver­ träglicher Herkunft stammen.

© 2020, erste Auflage DETAIL Business Information GmbH, München detail.de ISBN 978-3-95553-442-4 (Print) ISBN 978-3-95553-443-1 (E-Book) Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Zeichnungen, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Inhalte dieses Fachbuchs wurden nach bestem Wissen und Gewissen sowie mit größter Sorgfalt recherchiert und erarbeitet. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Beiträge wird keine Gewähr übernommen. Rechtliche Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Buchs nicht abgeleitet werden.

Brücken — Potenziale und Perspektiven Martin Knight

Brücken gehören zum Alltag, Brücken sind gebaute Umgebung – und somit ist es nahe­ liegend, sich Gedanken über deren Materia­ lität und Konstruktion zu machen. Zunächst sollte man jedoch darüber nachdenken, warum Brücken notwendig sind und wem sie Nutzen bringen. Brücken stellen Verbin­ dungen her, ohne die unser heutiges Leben unvorstellbar wäre. Seit Jahrtausenden ver­ ändert der Brückenbau die Welt. Brücken schaffen Zugang zu Märkten und kreieren Zusammenhänge, auf die sich die Gesell­ schaft stützt. Das durch eine Brücke geschaffene Poten­ zial einer neuen Verbindung befriedigt den urmenschlichen Drang, sich zu bewegen, die Umgebung zu erkunden und Grenzen zu überschreiten... Eine Brücke bündelt Wege der Kommunika­ tion und der Fortbewegung und wird zum zen­tralen Angelpunkt, physisch wie emotio­ nal. Und mit dieser neuen Verbindung ver­ ändert sich gleichzeitig der Ort, an dem nun die Brücke steht, und wird zu einem neuen Ort, mit einem neuen Charakter. Eine Brü­ cke, die definitionsgemäß ein funktionales Ingenieurbauwerk darstellt, erhält so gleich­ zeitig eine tiefgreifende architektonische Bedeutung. Überall auf der Welt drücken Brücken ein Ortsgefühl aus, sind identitätsstiftend – das

erklärt die hohe Popularität des Brücken­ baus. Dies gilt gleichermaßen für elegante Alltagsbrücken, die unser Leben begleiten, als auch für die außergewöhnlichen, ikoni­ schen Kon­struk­tio­nen, die öffentlichkeits­ wirksam in den Print- und sozialen Medien präsentiert werden. Im besten Fall bildet der Brückenbau die ultimative Bühne für eine Ingenieurbaukunst, die Effizienz und Eleganz öffentlich sichtbar ver­eint – in Reinform, und nicht durch dekorative Bekleidung ver­ fälscht. Großartige Brückenbauten scheinen eine magische Mischung aus Kunst und Natur­ wissenschaften darzustellen – die berühm­ testen Bauwerke fügen sich wie maßge­ schneidert in ihren örtlichen und kulturellen Kontext ein. Dies ist insofern von besonderer Bedeutung, da die lange Lebensdauer einer Brücke, die oft jahrzehnte- oder gar jahrhun­ dertelang vielen Generationen dient, ein star­ kes Identitätsgefühl erzeugt und die Bewe­ gungsmuster um sie herum prägt. Die Popularität des Brückenbaus liegt viel­ leicht auch in der vermeintlichen Einfachheit ihrer Funktion, die Schwerkraft zu überwin­ den und den Verkehr sicher über ein Hinder­ nis hinwegzuführen. Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung des Brückenbaus und die besten zeitgenössischen Entwürfe, lässt sich vielleicht erahnen, was auf diesem

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spannenden Feld noch zu erwarten ist. Ein Rückblick auf die Entwicklung des Brü­ ckenbaus ist in der Tat sinnvoll, da der wahre Wert von Infrastruktur erst bei Betrachtung einer längeren Zeitspanne deutlich wird. Inso­fern müssen Planer ihre Aufgabe sehr ernst nehmen und Brücken mit größter Sorg­ falt und Weitsicht entwerfen und realisieren. Die am meisten geschätzten Beispiele zei­ gen häufig den technischen Höhepunkt eines Zeitalters und sind Zeichen für das kulturelle und politische Bestreben einer Gesellschaft. Die Geschichte ist generell meist ein guter Indikator für mögliche Veränderungen im Planen und Bauen, die sich oft durch radi­ kale Sprünge vollziehen und nicht durch schrittweise Weiterentwicklung. Meist geschieht dies durch neue Materialien und / oder Produktionstechniken, die durch ein­ zelne kreative Persönlichkeiten und ihre innovativen Ideen entwickelt und vorange­ trieben wurden. Die Geschichte lehrt uns zudem, dass die größten Erkenntnisse häu­ fig aus dem Scheitern gewonnen werden – und dass wir dem Brückenbau stets mit Respekt zu begegnen haben, da die Sicher­ heit vieler Menschen dabei von höchster Bedeutung ist. Standen im Brückenbau aus diesem Grund in der Vergangenheit oft Robustheit und

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Dauerhaftigkeit im Vordergrund, was häufig zu überdimensionierten Tragwerken und Abmessungen sowie achtlosem Materialver­ brauch führte, rückt heute zunehmend die CO2-Bilanz und der Energieverbrauch von Brücken ins Blickfeld, da ein guter Entwurf auch sozialen und ökologischen Anforderun­ gen gerecht werden muss. Es ist Zeit, dass die Menschheit ihr Verhalten ändert, um ein nützliches und wirklich nachhaltiges Erbe für zukünftige Generationen zu hinterlassen. Das heißt, zu versuchen, den Klimawandel aufzuhalten bzw. rückgängig zu machen. Für Planer bedeutet dies, bereits beim Ent­ wurf die unmittelbaren Auswirkungen auf das Klima unseres Planeten zu berücksich­ tigen. Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung festgelegt. Auf den ersten Blick scheint es, als könnten Brückenbauer bloß eines davon direkt beeinflussen – maximal drei, wenn man neben der Verkehrsinfrastruktur auch die Energieinfrastruktur sowie Wasserverund Abwasserentsorgung berücksichtigt. Aber geht es nicht letztlich um das große Ganze? Seit Jahrtausenden stellt eine gute Infrastruk­ tur das Fundament für nachhaltige Gemein­ schaften und Städte dar, auf dem die ent­ scheidenden Faktoren der sozialen und

damit auch der wirtschaftlichen Nachhaltig­ keit beruhen. Dies wiederum ermöglicht es, nun auch eine ökologische Nachhaltigkeit zu fordern. Natürlich kann und sollte jedes dieser Ziele als Katalysator für eine positive Veränderung angesehen werden, aber die Botschaft muss klar sein: Als Verantwortliche für die Planung von Infrastruktur haben Inge­ nieure die Fähigkeit – und die Verantwor­ tung –, die Zukunft positiv zu gestalten. Um dieses Ziel zu erreichen, lohnt jegliche Mühe, Kreativität und optimierte Zusammenarbeit. Grundsätzlich sollte die Notwendigkeit neuer Infrastruktur stets hinterfragt werden, damit – nach dem Motto „reuse, reduce, recycle“ – nur noch das wirklich Notwendige gebaut wird, mit dem Ziel einer langen Nutzungs­ dauer und einer geringen CO2-Bilanz. Denn auch der Erhalt und die Sanierung von Brücken spielen in dieser Hinsicht eine große Rolle: Standen bisher häufig rein wirtschaft­ liche Faktoren im Vordergrund oder der Wunsch, etwas von historischem Wert zu schützen, entsteht heute mehr und mehr ein neues Bewusstsein für innovative Techniken, die die Lebensdauer bestehender Struk­tu­ ren sicher verlängern und die Umwelt­kosten der Vernetzung senken. Neue Brücken müssen künftig noch effizien­ ter mit Material umgehen, noch effektiver funktionieren und noch mehr im Einklang

mit ihrem Umfeld stehen. Der soziale Wert des Brückenbaus war zwar immer gegeben, wurde jedoch häufig überdeckt durch die kurzfristige Fokussierung auf Kosten und Bauzeit und erst im Nachhinein gewürdigt. Dieser muss nun an die erste Stelle rücken. Brückenbauer müssen ihr Denken von der Leistung zum Ergebnis und vom Objekt zum Menschen verlagern. Das heißt, an ers­ ter Stelle sollten die Fragen Wozu? (Wozu wird dieses Projekt benötigt?) und Für wen? (Wen betrifft es?) ehrlich und zuverlässig beantwortet werden, bevor Wie-Fragen (Wie sieht der Entwurf aus? Welche Konstruktion eignet sich?) zu Entwurfs- und Konstruk­ tions­details eine Rolle spielen – was eine radikale Verschiebung des Schwerpunkts bedeutet. Infrastruktur ist für Menschen gedacht – und diese profitieren von sorgfältigem und sen­ siblem Bauen. Die Zukunft des Brückenbaus wird geprägt sein von der verantwortungs­ bewussten Zusammenarbeit von Gemein­ den, Bauherrn, Ingenieuren und Architekten, mit dem Ziel, Brücken von hohem sozia­len, wirtschaftlichen und öko­logischen Wert zu errichten, ohne zukünftigen Generationen eine untragbare Bürde zu hinterlassen. Übersetzung aus dem Englischen: Stefan Widdess, Berlin

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Entwerfen von Brücken Eine Königsdisziplin

Die Brücke — Kulturdenkmal und Zeitzeuge Brücken überwinden Hindernisse, um Men­ schen und Gütern eine schnelle und sichere Passage zu ermöglichen. Brücken sind Zweckbauten der Zivilisation, aber auch Teil der Geschichte und Kultur­ denkmale einer Gesellschaft. Sie bilden neben den technologischen Fähigkeiten einer Gesellschaft deren Wertvorstellungen und den Zeitgeist ab. Von Heiligen­skulp­ turen gesäumte, opulent anmutende Stein­ bogenbrücken wie die Karlsbrücke in Prag aus dem 14. Jahrhundert (Abb. 1) oder die 1883 fertiggestellte Brooklyn Bridge in New York mit den beiden großen Granittürmen und der erstmaligen Nutzung von Stahl für das Haupttragseil (Abb. 3) bis hin zu athle­ tisch wirkenden, flach gespannten Hänge­ brücken aus Stahlblechen und -seilen wie die Millennium Bridge von 2000 in London

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(Abb. 2) sind bedeutende historische Zei­ chen ihrer Zeit. Manchmal wirken sie sogar identitätsstiftend für den jeweiligen Ort. Brücken zeigen deutlich auf, welchen Wert eine Gesellschaft der von ihr geschaffenen, zivilisierten Umgebung und damit auch sich selbst beimisst. Brücken im öffentlichen Raum werden meist für eine lange Nutzungs­ dauer gebaut. Bei einer aktuell technisch angestrebten Lebensdauer von wenigstens 100 Jahren sind die heute errichteten Brü­ cken noch mindestens von den Urenkeln der Erbauergeneration nutzbar. Brücken können aber durchaus auch eine wesentlich längere Nutzung erfahren, wenn es sich bei ihnen um ortsbildprägende Bauwerke han­ delt, die mit Weitsicht geplant wurden. Sind die Brücken ästhetisch ansprechend ent­ worfen sowie klar und robust konstruiert, so werden sie auch von der Gesellschaft gepflegt und erhalten und damit lange für die Allgemeinheit verwendbar sein. Brücken sind nur schwer umnutzbar. Einmal gebaut, können sie für höhere Lasten, brei­ tere Wege oder geänderte Randbedingun­ gen nur mit meist unverhältnismäßig hohem Aufwand umgerüstet werden. Die durch Form und Materialität geprägte Präsenz am Ort ist kaum mehr modifizierbar, schließlich bestimmt das Tragwerk die Gestalt. Die alten Steinbrücken Roms oder auch die

1  Karlsbrücke in Prag (CZ) 14. Jahrhundert

2  Millennium Bridge, ­Lon­don (UK) 2000/2002, Norman Foster, Arup 3  Brooklyn Bridge, New York (US) 1883, John August Roebling

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Brooklyn Bridge in New York funktionieren noch immer mit dem ursprünglich konstru­­ ierten Tragwerk. Diese Brücken werden noch heute genutzt, auch wenn die zu tra­ genden Lasten seit dem Bau um ein Vielfa­ ches angestiegen sind und sich das Umfeld in den letzten 2000 (oder auch nur 137) Jahren seit deren Erbauung grundlegend verändert hat. Das funktioniert, weil diese Bauwerke schon bei ihrer Errichtung auf Robustheit und Beständigkeit ausgelegt waren. Die historischen Brückenbauwerke sind Zeitzeugen des Umgangs mit der Technik und manifestieren den Entwicklungsstand einer Zivilisation. Das beginnt bei aus lokal vorhandenen Steinplatten und Holzstäm­ men gefügten Querungen und zeigt sich auch in der noch heute spürbaren (Tech­ nik-)Euphorie, die seit Beginn der Indus­ trialisierung mit immer größeren Spannwei­ ten und stetig weiter entwickelten Hochleis­ tungsmaterialien assoziiert wird. Im frühen 21. Jahrhundert zeichnet sich in der jetzt beginnenden vierten industriellen Revolu­ tion (Merkmal: intelligente Vernetzung) und den damit verbundenen gesellschaft­lichen Veränderungen auch für den Brückenbau ein Paradigmenwechsel ab: Der verantwor­

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tungsvolle Umgang mit natürlichen Res­ sourcen und die Betrachtung der bei Her­ stellung, Betrieb und Entsorgung hervor­ geru­fenen Emissionen rücken immer stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein. Dies wird zukünftig auch einige bislang „selbstver­ ständliche" Entwurfsansätze im Brückenbau infrage stellen. Weniger ist mehr ist eben nur noch dann richtig, wenn weniger Volu­ menanteil eines energieintensiven Hoch­ leistungsmaterials für eine definierte Spann­ weite am Ende nicht doch ein Mehr an Emissionen klimaschädlicher Treibhaus­ gase bedeutet. Und anders als noch bis vor einigen Jahren diskutiert, ist Leichtbau bei Brücken nicht a priori nachhaltig, sondern nur, wenn das sichtbare, filigrane Tragwerk nicht in einem unsichtbaren, weil im Erd­ reich verborgenen, massiven Betonfunda­ ment oder aufwendigen Tiefgründungen verankert werden muss. Und schließlich bestimmen die erzielte Lebensdauer und der notwendige Unterhalt ganz wesentlich darüber, ob ein Brückenbauwerk als nach­ haltig angesehen werden kann. Es ist wünschenswert, dass sich jeder, der eine Brücke entwirft, bewusst macht, dass es neben einer sicheren und effizienten Querung eines Hindernisses auch darum

4  Naninbrücke, bei Mesocco (CH) 1968, Christian Menn

geht, etwas zu schaffen, das gesellschaft­ liche Wertvorstellungen reflektiert und für spätere Generationen nachvollziehbar macht — und sei es „nur" eine scheinbar unbedeutende Fuß- und Radwegbrücke über einen Bach, eine vermeintlich kaum beachtete Straßenbrücke (Abb. 4) oder eine von den Reisenden selbst nicht wahrnehm­ bare Eisenbahnbrücke. Es geht heute um nicht weniger als um eine nachhaltige Brü­ cken-Baukultur. Brücken verbinden Orte Brücken waren und sind als Teil eines Wegs oder einer modernen Verkehrsinfrastruktur ein wesentlicher Katalysator wirtschaftlicher Entwicklungen und zivilisatorischer Pro­ zesse. Mit den Brücken der Frühzeit wurden leistungsfähige Verbindungen über vormals für Mensch und Lasttier nur schwer über­ windbare Hindernisse erst möglich. Die ­Brücke wurde oft dort angelegt, wo eine

Furt vorhanden war (Frankfurt) oder kurze Distanzen überwunden werden konnten. Der Weg, die Straße zur Brücke orientierte sich an der Topografie. Die Motorisierung des Verkehrs vor rund 135 Jahren erforderte das Einbinden der Brückenbauwerke in weiträumig angelegte Trassen, die oftmals die räumliche Lage sowie Breite und Länge des zu unterstüt­ zenden Wegs eng definieren. Die Brücke orientiert sich an der Verkehrstrasse (Abb. 5). Brücken für den muskelgestützten Verkehr – per pedes oder per Pedale – lassen häu­ fig größere Freiheiten in der Wegeführung zu. So können für spezifische Brücken­ konstruktionen günstige Wegeführungen interessante Alternativen für eine Querung er­geben. Eine sorgfältige Einbindung in das beste­ hende Wegenetz ist jedoch ein wesentlicher Entwurfsbestandteil für alle Brücken.

5  Yavuz-Sultan-SelimBrücke, dritte Brücke über den Bosporos, bei Istanbul (TR) 2016, Michel Virlogeux, JeanFrançois Klein

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Brücken schaffen Orte Brücken in der Stadt wie die Pont Neuf in Paris 1607 (Abb. 6), die Karlsbrücke in Prag aus dem 14. Jahrhundert (Abb. 1, S. 6) oder die Ponte Vecchio in Florenz 1345 (Abb. 7) prägen Stadträume und sind häufig Kataly­ satoren für urbane Entwicklungen. Inner­ städ­tische Brücken wurden oft von Handel und Gewerbe genutzt. So haben sich auf der Ponte Vecchio erst Schlachter, Gerber und einfache Handwerker angesiedelt, spä­ ter, nach dem Aufbau des Laubengangs als Teil des „Corridoio Vasariano" durch die Medici, durften nur noch Goldschmiede auf der Ponte Vecchio ihrem Hand­werk nachge­ hen. Auch die alte London Bridge, die mit ihrer engen, bis zu siebengeschos­sigen Bebauung zeitweise einen eigenen Londoner Stadtbezirk bildete, oder die Krämerbrücke in Erfurt waren bewohnt und von Handwer­ kern besiedelt. Erst mit Beginn der industriellen Revolution und eines erstarkenden Bürgertums zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Brü­ cken als reine Fußgängerbrücken zum Fla­ nieren erbaut. Ein Beispiel ist die 1804 aus­ schließlich für Fußgänger konzipierte Passe­ relle des Arts in Paris, eine der ersten Brü­ cken aus Gusseisen in Frankreich (Abb. 8). In Isfahan (Iran) sind die beiden im 17. Jahr­ hundert erbauten Brücken Pol-e Chādschu und Si-o-se Pol (Abb. 9) nicht nur wichtige Verbindungen über den die Stadt trennen­ den Fluß Zayandeh, sondern auch saisonal eingesetzte Staudämme zur Bewässerung flussaufwärts gelegener Gartenanlagen. Unter den Bögen der Ziegelsteinviadukte laden auch heute noch Teehäuser zum Ver­ weilen ein.

6  Pont Neuf, Paris (FR) 1607 7  Ponte Vecchio, Florenz (IT) 1345 8  Pont des Arts, auch Passerelle des Arts, Paris (FR) 1804/1984, Louis-Alexandre de Cessart/Louis Arretche 9  Si-o-se Pol Brücke, Isfahan (IR) 1602 (Baubeginn)

10  De Lichtenlijn, Fußgängerbrücke, Knokke (BE) 2008, Ney & Partners

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Einheit von Tragwerk und Gestalt Bei Brücken bestimmt die Tragstruktur die Gestalt. Brücken werden deshalb prinzipiell anders als Hochbauten entworfen, da bei Gebäuden das Tragprinzip und die Mate­ rialität der Primärstruktur meist verborgen bleiben. Die Einheit von Tragwerk und Gestalt im Brü­ ckenbau erfüllt oft schon den Anspruch nach Wirtschaftlichkeit. Und aus der Gestaltpsy­ chologie weiß man, dass Formen, die den Mechanismus des Tragens und des Lastens logisch und nachvollziehbar abbilden, in der Regel als angenehm empfunden werden. Nach dem Philosophen und Psychologen Theodor Lipps hat jeder Mensch ein „unbe­ wusstes mechanisches Wissen", das mehr oder weniger intuitiv als Beurteilungsmaß­ stab funktioniert. Der Betrachtende erkennt demnach unbewusst, ob ein Tragwerk richtig oder falsch konzipiert ist. Der ästhetische Eindruck basiert somit auf der Wahrnehmung der inneren gesetzmä­ßigen „mechanischen Thätigkeiten" [1]. Eine ablesbare Einheit von Tragwerk und Gestalt wird als angenehm empfunden und begünstigt somit einen posi­ tiven Eindruck des Bauwerks. Über die Formlogik als Grundvoraussetzung zur Wahrnehmung ästhetischer Qualität hin­

aus bieten sich für den Brückenentwurf eine Vielzahl von Ausdrucks- und Interpretations­ möglichkeiten in der Formwahl [2]. Nach der Pflicht – der Konzeption eines logisch nach­ vollziehbaren und robusten Trag­werks – beginnt die Kür – das Spielen mit der Form und die Verfeinerung des ästhetischen ­Ausdrucks. Der Gestaltpsychologe Rudolf Arnheim spricht von Kräften und Spannun­ gen, die die unmittelbare Wahrnehmung beeinflussen [3]. Schiefstellungen, Rundun­ gen, erhöhte Komplexitäten und das spezi­ elle Hervorheben des inneren Tragzustands (siehe „Holzbrücke Weinstadt", S. 104ff. und „Autobahn­brücke Wilfersdorf", S. 132ff.) erhöhen die Formdynamik und werden oft als spannend und aufregend empfunden (Abb. 10). Solche dynamischen Elemente werden oft bewusst oder unbewusst eingesetzt, um auf den unmittelbaren Ort einzugehen, auf ihn zu antworten oder ihn gezielt zu verändern. Der japanische Ingenieur Kunio Hoshino spricht von der Atmosphäre eines Orts, auf die das Brückentragwerk in Form einer bewussten Akzentuierung oder Zurückhal­ tung bis hin zur Unterordnung reagiert – oder aber die Brücke selbst prägt den Ort und schafft eine neue Atmosphäre im Raum [4].

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Technische und gestalterische Herausforderungen „Brückenbauen gehört zu den schwierigen baumeisterlichen Aufgaben, die den kraft­ vollen, selbstbewussten Ingenieur anziehen und herausfordern." [5] Fritz Leonhardts Zitat zeugt von einem selbstbewussten Selbstverständnis des Ingenieurs, der sich sowohl als Techniker als auch Gestalter der von ihm konstruierten Bauwerke sieht. Ob nun der Ingenieur diese „Königsdiszi­plin" allein angeht oder ob sich in einem interdis­ ziplinären Team aus Ingenieuren, Architek­ ten und weiteren Experten in einem konstruk­ tiven Dialog doch die besseren Lösungen entwickeln lassen – Brücken stellen eine besondere und spannende Ent­wurfs­auf­gabe dar. Schließlich stehen beim Brückenentwurf der im Vergleich mit anderen Bauaufgaben recht einfachen Funktion (dem Überwinden von Hindernissen) vielschichtige Randbedin­ gungen und sehr kom­plexe Anforderungen gegenüber. Um die technischen Herausfor­ derungen zu meistern, bedarf es einer gründ­ lichen Analyse der Einbindung in den Ort, der präzisen statisch-konstruktiven Entwick­

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lung und Durcharbeitung aller Brücken­ komponenten und schließlich einer sorg­ fältigen technischen Ausarbeitung bis zur Betrachtung der Herstellung und Montage des Brückenbauwerks. Bereits der römische Architekt und Ingenieur Vitruv stellte drei Hauptanforderungen an Bau­werke: Firmitas (Festigkeit), Utilitas (Nütz­ lichkeit) und Venustas (Schönheit). Heut­ zutage sind die ersten beiden dieser drei Hauptanforderungen, gestützt durch eine weitreichende Normierung und die Verfüg­ barkeit hoch entwickelter Bemessungswerk­ zeuge und Technologien, für Brückenbau­ ten sicher erfüllbar. Die dritte Forderung aber, Venustas, kann ein rein technischer Ansatz jedoch nicht ohne Weiteres erfüllen. Bis zur Renaissance folg­ ten die umfassend technisch und kunst­ schaffend ausgebildeten Baumeister streng den Gestaltungsprinzipien Vitruvs und spä­ ter denen des an seine Traktate anknüpfen­ den Leon Battista Albertis, die – sich auf die griechischen Gelehrten, darunter Platon und Aristoteles berufend – auf die einzuhaltenden Regeln von Ordnung, Maßstab und Harmo­

11  Viaduc de Millau (FR) 2004, Michel Virlogeux, Norman Foster

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b 12  Pont de Vessy /Arve Brücke, Genf (CH) 1936, Robert Maillart a Kräfteplan b Ansicht

Anmerkungen: [1] Lipps 1897, S. 39 und Vorwort [2] Kleiser 2017, S. 402— 411 [3] Arnheim 2000, S. 13ff. [4]  Hoshino 1972, S. 4ff. [5] Leonhardt 1982, S. 9 [6] Hauskeller 2013, S. 33 [7]  Tasche 2015, S. 121

nie setzten. Die Kunst folgte grundsätzlich „einem regelgeleiteten Tun“ [6]. Mit Beginn der Aufklärung setzte sich auch eine Individu­ alisierung des Begriffs von Schönheit durch. Der Schönheitsbegriff ist nun nicht mehr an objektive, d. h. allgemeingültige Regeln und Kriterien gebunden, sondern ein individuel­ les Empfinden entscheidet über die Attrakti­ vität des Objekts. Die Folgen zeigen sich bis heute durch eine große Formenvielfalt im Brückenbau bis hin zum Spektakulären und expressiv Skulpturalen (Abb. 11). Planungswerkzeuge So wie die verfügbaren Materialien und Her­ stelltechnologien haben zu jeder Zeit auch die zur Verfügung stehenden Entwurfs- und Analysewerkzeuge die Brückenbauten ihrer Zeit beeinflusst (Abb. 12). In der vorindustriellen Zeit wurden Brücken­ tragwerke auf Basis überlieferter Erfahrungs­ werte konzipiert. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts werden dann die wissen­ schaftlichen Grundlagen für eine baustati­ sche Analyse der Tragwerke geschaffen. Die innovativste Periode im Eisenbrücken­ bau, die in etwa die Zeit von 1850 bis 1870 umfasst, und in der fast alle der heute noch genutzten Tragsysteme entwickelt wurden, endete in dem Moment, ab dem die Inge­

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nieure versuchten, die Tragwerke mit neu gewonnenen Methoden genauer zu berech­ nen. Noch bis 1870 bevorzugten die Brü­ ckenbauer jedoch rein intuitiv Tragwerke mit hoher statischer Unbestimmtheit, die zwar nur ungenau statisch berechnet werden konnten, sich aber aufgrund ihrer Redun­ danzen im Lastabtrag als sehr dauerhaft erwiesen. Danach aber kehrte sich der Ent­ wurfsprozess um. Kon­struierte man bisher auf Basis von Erfahrungswerten, wurde nun die Konstruktion der Statik angepasst und möglichst mit statisch bestimmten Syste­ men gearbeitet [7]. Heute erscheint fast alles machbar, compu­ tergestützte statische Modellbildungen und ausführungstechnische Raffinessen bieten nahezu grenzenlose Möglichkeiten. Der Ein­ satz statischer Analysewerkzeuge für Extrem­ wertbetrachtungen hochkomplexer Systeme mit nicht linearen Berechnungen ist heute kein Pro­blem mehr. Der Entwerfende muss jedoch abwägen, ob die Baubarkeit mit einem angemessenen Aufwand gegeben ist und das technische Risiko in jedem Fall sicher beherrschbar bleibt. Erst durch das Zusammenspiel der Komponenten Tragwerk, Gestalt und Bauausführung gelingt es, inno­ vative, nachhaltige, langlebige und ortsprä­ gende Bauwerke zu errichten.

Entwerfen von Brücken

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Brücken für den langsamen Verkehr Per pedes, per Pedale

Seit Urzeiten bauen Menschen Brücken. Von den Anfängen des Brückenbaus in Form von Bohlenwegen über Moorland­ schaften, bis zu den Anfängen der Eisen­ bahn vor ca. 200 Jahren und des sich ent­ wickelnden Automobilverkehrs vor etwas mehr als 100 Jahren war der Brückenbau allein auf den langsamen Verkehr ausge­ richtet. Dabei wurden mit diesen Brückenbauten die technologischen Grundlagen für alle späteren Verkehrsformen gelegt. Erst mit der stetigen Entwicklung der „neuen“ Trans­ portmittel wie Eisenbahn und Automobil ent­ standen und entstehen sich weiter differen­ zierende Anforderungen an entsprechend ausgelegte Brückenbautypen. Heutzutage bieten die Fuß- und Radweg­ brücken aus konstruktiver und gestalteri­ scher Sicht den größten Freiraum für das Experimentieren und Entwickeln. Innovative Entwürfe mit zum Teil neuen Materialien las­ sen sich hier einfacher umsetzen als unter der Maßgabe der eng gefassten Vorgaben, die an Brückenbauten für moderne Schie­ nen- oder Straßenverkehrsanlagen bestehen. Brücken für den nicht motorisierten Verkehr weisen, verglichen mit anderen Verkehrs­ formen, die längste Historie auf, und heute, in Zeiten der globalen Klimakrise, ist der Brückenbau für die Nutzung per pedes oder

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per Pedale wieder sehr aktuell. Die Fort­ bewegung per Fahrrad oder Pedelec steht insbesondere im Fokus moderner Stadtent­ wicklung, Fuß- und Radwegbrücken werden heute wortwörtlich zum Wegbereiter einer neuen (nicht nur) urbanen Mobilität. Brückenbauen — die Kunst des Machbaren Vom über den Graben gelegten Baumstamm (Abb. 1) bis hin zum modernen Brückentrag­ werk aus Hochleistungsmaterialien – der Stand der Bautechnik lässt sich an Brücken besonders gut ablesen. Brücken sind damit in der Öffentlichkeit präsente Zeitzeugen der technologischen Möglichkeit ihrer Zeit. Holzbrücken Holz ist das älteste Baumaterial im Brücken­ bau. Bäche und Gräben wurden seit der frü­

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1  Rekonstruktion des um 65—45 v. Chr. angeleg­ ten Moorwegs im Diepholzer Moor

2  doppelstöckige Wurzel­ brücke in Meghalaya, Nordost-Indien (IN)

3  Seilbrücke aus Bambus in Malawi

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hen Menschheitsgeschichte von beidseitig am Ufer aufgelegten Baumstämmen über­ spannt. Der lokal verfügbare und mit ein­fa­ chen Eisenwerkzeugen bearbeitbare Bau­ stoff wurde schon in der Bronze- und Eisen­ zeit für den mit handwerklichen Mitteln erstell­ten Brückenbau eingesetzt. So fanden Forscher bronzezeitliche Brückenreste in der Themse bei Vauxhall sowie die einer eisenzeitlichen Brücke im schweizerischen La Tène. Altassyrische Keilschrifttexte bele­ gen die Existenz von Brücken in Anatolien. Die wohl älteste dokumentierte Holzbrücke Europas wurde 1525 v. Chr. am heutigen Zürichsee zwischen Rapperswil und Hurden auf Eichenpfeilern erbaut. Eine Querung an dieser Stelle bestand bis zum Jahr 1878 mit verschiedenen Holzbrückenkonstruktionen. Von einer Brücke in Babylon über den Euphrat um ca. 700 v. Chr. berichtet der griechische Geschichtsschreiber Herodot (I, 186). In derselben Zeit entstand laut Über­ lieferung mit der Pons Sublicius in Rom auch die erste Holzbrücke über den Tiber. Die ersten Querungen bestanden wohl meist aus unbehauenen, nebeneinander verlegten Baumstämmen. Später wurden diese auf ins Erdreich eingetriebenen Pfählen (aus Grün­ den der Dauerhaftigkeit meist aus Eiche) oder angehäuften Steinwällen aufgelegt. Die Entwicklung der Bearbeitungswerkzeuge und das sich im Laufe der Zeit zunehmend spezialisierende (Zimmerer-)Handwerk erlaubten die Ausführung immer komplexe­ rer Konstruktionen. Die aus dem Hausbau bekannten handwerklich erstellten Fügun­ gen ermöglichten aufgelöste Stabwerk­kon­ struk­tionen mit größeren Spannweiten. Seilbrücken Einfache Seilbrücken aus Naturfasern zum Überwinden von Schluchten und Flüssen gab es in Indien und China sowie im Süden Afrikas wahrscheinlich schon um 2000 v. Chr.

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(Abb. 3). Durch die Verfügbarkeit lang­ faseriger Pflanzen in den tropischen Gebie­ ten, wie beispielsweise Lianen, konnten durchhängende Seile zum Hangeln oder zum direkten Auflegen einzelner Hölzer als Gehbelag genutzt werden. So entstanden die ersten Hängebrücken in Asien (Indien, China) und Südamerika, lange bevor in Europa die ersten Kettenbrücken im frühen 19. Jahrhundert errichtet wurden. Einfache Brücken aus Lianen und Weidengerten ­werden bis heute gebaut und verwendet. In Japan und Nordindien entstand die Tra­ dition der lebenden Brücken: Wurzeln, Ran­ ken oder Lianen werden im Wachstum so beeinflusst, dass sie meist zugbeanspruchte Brückentragwerke ausformen. Da es sich um lebendes Material handelt, besteht nicht die Gefahr, dass Feuchtigkeit die Bauteile zersetzt. So werden vom indigenen Volk der Khasi in der Region um Cherrapunji im nord­ostindischen Bundesstaat Meghalaya „living root bridges“ gebaut bzw. gezüchtet (Abb. 2). Dabei wachsen die Luftwurzeln des lokal vor­kom­menden Ficus elastica ­entlang ausgehöhlter Baumstämme, Bam­ busstangen oder Palmenstämme in vorab definierter Richtung und wurzeln dann am Zielort. Weiteres Wur­zel­wachs­tum und Ver­ flechten führt schließlich zu einem stabilen Tragwerk. Einige der dort anzutreffenden Brücken sind mehr als 100 Jahre alt.

Brücken für den langsamen Verkehr

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Steinbrücken Trittsteinbrücken (stepping stones) sind eine recht einfache und wohl auch schon seit Urzeiten praktizierte Form der fußläufigen Überquerung von Bächen oder Flüssen (Abb. 4). In das Wasser gelegte flache Steine mit Lücken für den Wasserdurchlass ermög­lichen an seichten Stellen eine Que­ rung trockenen Fußes. Diese frühen Que­ rungen sind aus Asien, Europa und Nordund Südamerika überliefert. Es bedurfte dazu aber entsprechend großer und flach geformter Steine in der nahen Umgebung. Für Steinplattenbrücken wurden etwa 2– 4 m

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große Platten auf meist in Trockenbauweise errichtete Steinpfeiler aufgelegt (Abb. 5). Oft entstanden diese an Stellen, an denen bereits vorhandene Trittstufenquerungen als Unterbau genutzt werden konnten. Nur selten sind Spuren steinmetzmäßiger Bear­ beitung zu finden. Aufgrund der schweren Bear­beitbarkeit hatten die meisten Steinplat­ tenbrücken kein Geländer. Für den Güter­ transport mit Karren und Vieh war die unge­ sicherte Passage eine Herausforderung. Da die notwendigen großen Steinplatten nur in wenigen Gegenden verfügbar waren, finden sich Steinplattenbrücken daher vor allem in den französischen, spanischen und irischen Bergregionen. Den Bau von Steinbogenbrücken haben die Römer schon im 2. Jahrhundert v. Chr. soweit entwickelt, dass sehr stabile und langlebige Brückenbauwerke entstanden sind (Abb. 2, S. 23), die als Vorbilder für die Brücken­ technik bis in das 19. Jahrhundert dienten (Abb. 6). So haben sich vier Steinbrücken, die zwischen 174 v. Chr. und 260 n. Chr. über den Tiber in Rom gebaut wurden (Abb. 1, S. 78), bis heute erhalten.

4  Ochsenklavier in der Pfrimm (DE) 5  Brücke aus Steinplat­ ten, Clapper Bridge, Dartmoor (UK), ca. 13. Jahrhundert 6  Ponte dei Salti, Lavertezzo (CH) 17. Jahrhundert

Brücken aus Eisen und Stahl Mit der industriellen Revolution wurde Eisen und später Stahl in großen Mengen sowie in hoher Qualität herstellbar und für den Brückenbau nutzbar. In Coalbrookdale, der Wiege der indus­triellen Revolution, wurde

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7  Die Iron Bridge bei Coalbrookdale (GB) 1779, ist die erste gusseiserne Bogen­ brücke der Welt.

8  Monier-Brücke nach der Sanierung. Haardter Schlosspark, Neustadt an der Wein­ straße (DE) ca. 1885, Sanierung 2003

1779 die erste gusseiserne Bogenbrücke über den Severn gebaut (Abb. 7). Deutlich sichtbar ist hier das Ringen um eine eigene Konstruktionssprache für den neuen Werk­ stoff Eisen. Die Verbindungen ähneln dabei noch eher dem Holzbau, so wurden z. B. die Verbindungen als Zapfen­lö­cher und Schwal­ benschwänze konstruiert und mit Schrau­ ben und Dübeln verbunden [1]. Brücken aus Stahl- und Spannbeton Mit eisenbewehrtem Beton wurde bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in Frank­ reich, England und Nordamerika experi­ mentiert. Nachdem der französische Gärtner und Landschaftsbauer Joseph Monier 1867 ein erstes Patent für Eisenbeton für „mobile Behälter aus Eisen und Zement für den ­Gartenbau“ erlangte, meldete er 1873 auch

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eine „Vorrichtung zum Bau von Brücken und Stegen aller Art“ zum Patent an. Mit der Schlossgrabenbrücke am Chateau-deChazelet errichtete Monier 1875 die erste Eisenbetonbrücke, die – wie damals im Land­schaftsgartenbau in Mode – als „faux bois“ (vorgetäuschtes Holz) ausgeführt wurde. Ähnliche Gartenbrücken entstanden später auch an anderen Orten (Abb. 8). Auf Grundlage des Patents von Monier verbrei­ tete sich der Eisenbeton rasch in Europa und Amerika. Die Vorzüge des seit den 1940er-Jahren als Stahlbeton bezeichneten Baumaterials wurden bald auch für Brücken des Last­ verkehrs erkannt (Abb. 9). Heutzutage wird die überwiegende Mehrzahl der Brücken in Stahlbeton bzw. Spannbetonbauweise ausgeführt.

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9  Pont Camille-deHogues, Châtellerault (FR) 1900, François Hennebique

Brücken für den langsamen Verkehr

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10

Per pedes und per Pedale Nachdem Brücken zunächst für Verbindungsund Handelswege und für militärische Zwe­ cke (pontes longi) errichtet wurden, kamen Fußgängerbrücken seit Anfang des 19. Jahr­ hunderts auch als bewusst gestaltete Ele­ mente im Landschaftsgartenbau zum Ein­ satz. Das mit der industriellen Revolution erstarkende Bürgertum ließ zu dieser Zeit Brücken „nur“ zum Flanieren erbauen. So ist die Passerelle des Arts von 1804, eine der ersten Brücken aus Gusseisen in Frank­ reich, ausschließlich für Fußgänger konzi­ piert (Abb. 8, S. 10). Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts gewann der Verkehr per Pedale an Bedeutung. Mit dem 1884 von John Kemp Starley konzi­ pierten Sicherheitsniederrad, einer Weiter­ entwicklung der Tretkurbel-Hochräder, und der Erfindung des luftgefüllten Schlauch­ reifen durch John Boyd Dunlop 1888 wurde das Fahrradfahren sicher und komfortabel. Erste Radrouten wurden angelegt. So, wie der 1900 eröffnete „Great California Cycleway“, der als Verbindung zwischen Los Angeles und Pasadena konzipiert war (Abb. 11). Der Radweg verlief in bis zu 15 m Höhe als Brückenkonstruktion über dem Gelände, wurde jedoch aus verschie­ denen Gründen bald wieder abgebaut. Heute, ein Jahrhundert später, sind An­­

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sätze wie der „Cycleway“ wieder aktuell. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird der größere Spielraum beim Entwurf von Fuß- und Radwegbrücken gegenüber den strikten Anforderungen bei Eisenbahnund Straßenbrücken verstärkt als Chance für das Experimentieren und (teilweise expres­ sive) Gestalten wahrgenommen (Abb. 10). Tragwerk, Konstruktionsdetails bis hin zum Handlaufmaterial – Fußgängerbrücken sind hinsichtlich Erfassbarkeit des Maßstabs und (auch im Wortsinn) „Begreifbarkeit“ der Kom­ ponenten ein Teil der alltäglich erfahrbaren Umgebung der Nutzer. So werden Fußgän­ gerbrücken als „Möbel der Stadt“ begriffen, täglich passiert, bewohnt und berührt. Seit den 2000er-Jahren gibt es vermehrt auf besondere Erlebniseffekte ausgerichtete Fuß­

10  Spannbandbrücke über den Main-DonauKanal bei Essing (DE) 1986, Richard Johann Dietrich, Heinz Brüninghoff

11  California Cycleway in Los Angeles (US) 1900, teilweise fertiggestellt, zu Beginn des 20. Jahr­ hunderts abgebaut

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12 12  Charles Kuonen Hänge­ brücke, Randa (CH) 2017, Swissrope 13  Fußgängerbrücke aus Glas über den Grand Canyon von Zhangjia­ jie, Zhangjiajie National Forest Park, Provinz Hunan (CN) 2016, Haim Dotan Ltd. Architects and Urban Designers

gängerbrücken, um bestimmte Orte und Regionen für Touristen attraktiver zu machen. Hängebrücken mit Spannweiten bis zu 500 m und einem Gehbelag aus trans­ parentem Glas ziehen täglich tausende Besucher an. Allein in China wurden bis 2020 annähernd 2300 Glasbodenbrücken und -stege gebaut (Abb. 13). Die Charles Kuonen Brücke im schweizerischen Randa ist Teil des Europawanderwegs und mit 494 m die weitspannendste Fußgängerbrü­

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cke der Welt (Abb. 12). Durch eine betont skulpturale Ausformung expressiv betonter Tragwerke werden Fußgängerbrücken als Attraktionen im Stadtraum und häufig auch als Katalysatoren städtischer Entwicklungen eingesetzt. Um den Preis hoher Kosten für Bau und Unterhalt entstehen spektakuläre eigenständige Objekte, die – zumindest erstaunlich für eine Infrastrukturkomponente – einen Bilbao-Effekt auslösen können (Abb. 14).

14  Gateshead Millennium Bridge, Gateshead (GB) 2001, WilkinsonEyre, Gifford and Partners

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Brücken für den langsamen Verkehr

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15

Ausblick Seit Ende des 20. Jahrhunderts wird der Fahrradverkehr vom Straßen- und teilweise auch Fußgängerverkehr entkoppelt. In mehreren urbanen Regionen Europas und Asiens sind innerstädtische, aber auch interregionale Radwegenetze entstanden und werden weiter ausgebaut. Zur Förde­ rung des Radverkehrs werden Radschnell­ wege eingerichtet, die im Vergleich mit anderen Verkehrsformen kürzere Fahrzeiten ermöglichen. In Kopenhagen, einer Stadt, in der es heute (Stand 2020) fünf- bis sechsmal mehr Fahr­ räder als Autos gibt, sind auf dem Stadtge­ biet von ca. 88 km2 etwa 12 000 km Strecke ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten (Abb. 15). 2019 nutzten bereits 50 % der Pendler das Fahrrad für ihren Weg zur Arbeit oder Schule. Im chinesischen Xiamen wurde schon 2017 ein 7,6 km langer inner­ städtischer Fahrradhochweg eröffnet, eine unterhalb der Schnellbusbahn verlaufende 4,80 m breite Bahn ausschließlich für Fahr­ räder. In London wurden aufgeständerte „cycle highways“ oberhalb des weitverzweigten innerstädtischen Bahnnetzes und ein „floa­ ting cycle path“ über der Themse (Thames Deckway Project) vorgeschlagen, um die Verkehrsprobleme der Stadt zu lindern

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(Abb. 17). Ähnliche Ansätze gibt es auch für andere vom Verkehr überlastete Metro­ polen wie New York City. So werden die Brücken für den langsamen Verkehr, lange Zeit als Fuß- und Radweg­ brücken kombiniert, zukünftig wohl verstärkt in separat nutzbare Spuren getrennt bis hin zu speziellen „cycle super highways“, die ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten bleiben (Abb. 18). Zu unterschiedlich sind die Anforderungen an die Brückenausstat­ tung und Geschwindigkeiten der Nutzer. Dieser Trend wird noch verstärkt durch Pedelecs und E-Roller, die Fahrgeschwin­ digkeiten bis zu 25 – 30 km/h erreichen. Die Anforderungen an die Brücken für die neuen Fahrrad-Autobahnen sind dann kon­ sequent auf die spezifische Nutzung abzu­ stimmen. So werden die Mindestbreiten für die separat zu führenden Radfahrwegberei­ che in den jetzt erarbeiteten Empfehlungen für Radschnellwege mit mindestens 3 m (bei Einrichtungsverkehr) bis 4 m (bei Zwei­ richtungsverkehr) angegeben. Damit sind wohl die meisten der bis heute errichteten Fuß- und Radwegbrücken, die oft nur lichte Wegbreiten von 2 bis 3 m aufweisen, für die Einbindung in Radschnellwege ungeeignet, da sich sonst unfallträchtige Nadelöhre ­bilden. Gehwegbereiche für Fußgänger erfordern zusätzlich 2,50 m Breite, was zu

16 15  Fuß- und Radweg­ brücke Lille Langebro, Kopenhagen (DK) 2019, WilkinsonEyre 16  Hovenring, Delft (NL) 2011, ipv Delft Design Agency

Anmerkung: [1] Dupré 1998

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18  Fuß- und Radweg­ brücke, Geumgang, Südkorea (KR) 2017 Wettbewerb, Dissing Weitling

lichten Brückenbreiten von bis zu 6,50 m bei kombinierter Nutzung führen würde. Bei der Anlage und Einbindung der Brücken­ fahrbahn in das Radwegeschnellnetz ist auf eine radfahrergerechte Ausbildung zu ach­ ten, die auf eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h auszulegen ist. Daher sind großzü­ gige Mindestkurvenradien bei der Grund­ rissgestaltung und entsprechend ausgebil­ dete Querneigungen für die Brückenbahn zu beachten. Anders als bei barrierefrei auszuführenden Fußgängerbrücken und deren Zuwegun­ gen, bei denen das Längsgefälle von maxi­ mal 3 % gefordert wird, können reine Rad­ wegbrücken und deren Anrampungen im Regelfall bis zu 6 % und in Ausnahmefällen bis zu ca. 12 % geneigt ausgeführt werden. Das Fahrbahndeck sollte griffig, eben und fugenlos ausgebildet sein und ein gutes Abrollverhalten aufweisen. Längsrillen im Belag sind generell zu vermeiden und durchlaufende Belagsebenen gegenüber Platten oder Bohlenbelägen vorzuziehen. Radschnellwegbrücken benötigen inner­ orts häufig eine Beleuchtung und außerorts zumindest kontrastreiche Markierungen der Fahrbahn. Bei reinen Radwegen kann man von gerin­ geren Lastannahmen als bei Fußgänger­ verkehr ausgehen. Gedrängte Menschen­

17  SkyCycle, London (GB) Entwurf 2013, Foster + Partners

massen, wie in den Lastszenarien bei ­Fußgängerbrücken anzunehmen, sind für Radwegbrücken wenig wahrscheinlich und führen bei den letztendlich größeren not­ wendigen Brückenbreiten zu überdimen­ sionierten Tragwerken. Hierfür sind entspre­ chende Normwerte jedoch erst noch zu ent­ wickeln (siehe „Lasten aus Verkehr“, S. 59). Auch Komfortkriterien wie die Vermeidung von Eigenfrequenzen im Bereich fußgänger­ induzierter Schwingungen sind bei reiner Radwegnutzung nicht notwendig anzu­ wenden. Die geringeren statischen und dynamischen Anforderungen werden, verglichen mit den kombinierten Fuß- und Radwegbrücken, letztendlich zu wirtschaftlicheren Tragwer­ ken führen.

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Brücken für den langsamen Verkehr

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Straßenbrücken Verbindungen für den motorisierten Verkehr

Charakter Straßenbrücken sind im Gegensatz zu Fuß­ gängerbrücken durch die höheren Lasten aus dem motorisierten Verkehr und den erhöhten Sicherheitsüberlegungen gegen Anprall und Absturz von Fahrzeugen cha­ rakterisiert und daher durch massivere Trag­ werke geprägt. Ein entscheidender Faktor in nordischen und alpinen Ländern ist der erforderliche Winterdienst, der durch die Salzstreuung eine Chloridbelastung der Straßen und deren Brücken erzeugt. Im Unterschied zu Eisenbahnbrücken können Straßenbrücken komplexen Trassierungs­ vorgaben folgen und in Form von mehr­ spurigen Autobahnen auch große Breiten erreichen. Durch die fehlende Spurgebun­ denheit der Fahrzeuge sind eine Vielzahl von Laststellungen und -konfigurationen zu berücksichtigen. Auch unterschiedlichste Verkehrsführungen beim Bauen im Bestand stellen große Herausforderungen dar. Trotz dieser Rahmenbedingungen lässt im Vergleich zu den eng gesteckten Verfor­ mungskriterien und extremen Lasterforder­ nissen bei Eisenbahnbrücken der Entwurf von Straßenbrücken noch viele Freiheiten zu. Unter Abwägung der örtlichen Begeben­ heiten, der projektierten Trassierung, des zweckmäßigen und sparsamen Materialund Systemeinsatzes sowie der behördli­

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chen Anforderungen und Auflagen ist auch ein Feingefühl für die optimale Konzeption vonnöten, um eine Brücke gelungen in die Umgebung einzubetten (Abb. 1). Archetypen Die Entwicklung der Brücken von einfachen fußgängertauglichen Steinplatten-, Holzbzw. Filigrankonstruktionen für den leichten, nicht motorisierten Verkehr (siehe „Brücken für den langsamen Verkehr“, S. 14ff.) hin zu massiveren Tragwerken ist der Revolu­ tionierung des Straßenverkehrs durch die Erfindung des Wagens geschuldet. Durch den rasanten Ausbau funktionierender ­Handelsrouten konnten immer größere ­Lasten über weitere Strecken transportiert werden. Da sich die Lasten der Fuhrwerke und Karren stetig und willkürlich erhöhten, legten die Römer schon um 50 v. Chr. erst­ mals eine Lastregulierung mit einer Höchst­ last von zunächst 250 kg fest [1], um die Standfestigkeit der Straßenbeläge und damit auch der Brückenbauten zu gewähr­ leisten. Die ersten Brücken für höhere Lasten wur­ den anfangs mit dem bewährten Baustoff Holz gefertigt (siehe „Holzbrücken“, S. 14f.). Nicht zuletzt aus Gründen der Dauerhaftig­ keit setzten sich bald jedoch andere Bau­ stoffe wie Stein und Ziegel als vorrangiges

1 1  Brücken als Bindeglieder in der Landschaft und im Straßenzug. Storseisundet-Brücke, Atlantikstraße (NO) 1989 2  zwei römische Brücken in Mérida (ES) a über den Albaregas b über den Guadiana

a

Material der Massivbrücke durch. Nach den ersten Massivkonstruktionen über Kanäle und kleinere Bäche aus Kragsteinbögen mit einer Spannweite von 3 bis 4 m ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland, ver­ feinerten die Römer die Ingenieurtechnik zu einem für die damalige Zeit einzigartigen Standard mit einer enormen Vielzahl und Vielfalt an Brückenbauwerken. Durch die unter den Etruskern schon entwickelte und durch die Römer perfektionierte Gewölbe­ technik konnten Spannweiten von 35 – 38 m

b

2

erreicht werden [2]. Die römische Stein­ gewölbebrücke als erster echter Arche­ typus einer Massivbrücke überzeugt durch ihre Nachvollziehbarkeit der einzelnen Funk­tions­elemente. Deutlich ersichtlich ist nach außen die Trennung der Tragfunktion des Steinbogens anhand der radialen Stein­ anordnung und der Funktion der waage­ rechten Steinschichtung als Ballast in den Zwickelbereichen, die durch die statisch nicht optimale Form des Kreisbogens erfor­ derlich war. Das abgesetzte Gesims oder eine Brüs­tung auf der Brücke verdeutlichen auch visuell deren Funktion als tragwerks­ unab­hängige, seitliche Wegabgrenzung (Abb. 2). In den Zwickelbereichen geringer Lastkonzentration wurden meistens Öffnun­ gen für den Hoch­wasserabfluss vorgesehen oder es gab Raum für ornamentale Stein­ metzkunst. Hingegen ist bei Bauteilen mit großen inneren Kräften — ähnlich dem anti­ ken Tempelbau — ersichtlich, dass diese sich selbst genügen und keinen zusätzli­ chen Schmuck vertragen [3].

Straßenbrücken

23

3

Berechnen Eine technische Weiterentwicklung der Straßenbrücke und weitere Meilensteine des Brückenbaus ergaben sich erst infolge der neuen mathematischen Erkenntnisse aus den Ingenieurakademien Frankreichs Ende des 18. Jahrhunderts. Jean-Rodolphe Perronet, der erste Direktor der 1747 gegrün­ deten École royale des ponts et chaussées östlich von Paris, wagte sich mit gezielten Berechnungen an die Bildung von Korb­ bögen, um größere Spannweiten bei kleine­ ren Bogenstichen zu realisieren. Dadurch konnten Durchfluss­öffnungen optimiert und Rampenneigungen reduzieren werden. Mit­ hilfe der nach innen gezogenen Laibungen, den sogenannten Kuhhörnern, die auch strömungstechnische Vorteile brachten, erhielt die Brücke am Beispiel der nicht mehr erhaltenen Pont de Neuilly ein bis damals nicht gekanntes schlankes und bal­ kenähnliches Erscheinungsbild (Abb. 3). Erstmals überhöhte Perronet bei der Pont de Neuilly das Lehrgerüst, um Eigengewichts­ verformungen vorzubauen [4]. Diese neue Bauart kann als Vorläufer der Rahmenbau­ weise gesehen werden, die erst mithilfe von Eisenzulagen Anfang des 20. Jahrhunderts ent­wickelt wurde [5]. Die Einführung der Baustoffe Eisen und Eisen­beton und letztlich des Stahl- und Spann­betons (siehe „Brücken aus Stahl-

4

24

und Spannbeton“, S. 17) durchbrach die jahrhundertelange Monotonie der Stein­ gewölbebrücken, und es wurden durch den aufsteigenden, autark agierenden Berufs­ stand der Inge­nieure neuartige Brücken­ typen entwickelt. Filigrane Eisenbrücken als Fachwerk-, Ketten- und Kabelkonstruk­ tionen erregten großen Widerstand in der arrivierten Architektenszene, denen diese technisch-indus­trielle Formensprache nicht als „kultur­schaf­fend“ erschien. Architekten wie Paul Zucker zweifelten auch die Form­ kraft des Eisenbetonbalkens durch die feh­ lende Mate­rial­echt­heit an, da die entschei­ dende Zugbewehrung versteckt sei [6]. Es mussten noch Jahrzehnte vergehen, bis die Allge­mein­heit die elementare Ausdrucks­ stärke der neuen Inge­nieurkonstruk­tionen akzeptierte. Das eher aus Versehen ent­ standene Erscheinungsbild [7] der George Washing­ton Bridge (Abb. 4) ließ 1937 Le Corbusier jubeln, sie sei „die schönste Brü­ cke der Welt“ und „lächele wie ein junger Athlet“ [8].

3  Pont de Neuilly über die Seine von JeanRodolphe Perronet als ingenieurtechnische Meisterleistung aus dem Jahr 1772 (1942 durch neue Stahl­ brücke ersetzt)

Auflösen Nicht nur bei Eisenkonstruktionen ging es darum, den Materialeinsatz auf ein Minimum zu begrenzen. Auch die Verwendung von Eisenbeton bewirkte Anfang des 20. Jahr­ hunderts ein Auflösen der Brückenstruktu­ ren in Platten und Scheiben bis hin zur Ske­

4  George Washington Bridge, New York (US) 1931, Othmar Ammann 5  Merjubrigga, Stalden (CH) 1930, Alexandre Sarrasin a Ansicht b Bauzustand

a

b

5

6 6  Mike O’Callaghan — Pat Tillman Memorial Bridge über den Colorado River (US) 2010, T. Y. Lin Inter­ national 7  neue Brückenentwicklungen aus Eisenbeton a Ponte del Risorgimento, Rom (IT) 1911, François Hennebiques b Vorderrheinbrücke bei Tavanasa (CH) 1905, 1928 ersetzt, Robert Maillart c Innbrücke bei Zuoz (CH) 1901, Robert Maillart

lettierung, um speziell im Straßenbrücken­ bau die Massen zu reduzieren. François Hennebiques Ponte del Risorgimento in Rom von 1911 gilt als eine der ersten Aus­ führungen eines Hohlkastenträgers, der – noch äußerlich als Bogen wahrnehmbar – statisch als beidseitig eingespannter Balken wirkt (Abb. 7 a). Der Schweizer Bauingenieur Robert Maillart entwickelte mit seinem einzig­ artigen ingeniösen Spürsinn den Dreigelenk­ bogen bei der Tavanasa-Brücke (Abb. 7 b) aus der Idee heraus, die Zwickelbereiche in den Schei­ben­enden aufgrund früherer Riss­ problematiken bei der Innbrücke bei Zuoz 30,00 einfach wegzulassen (Abb. 7 c). Die Gliederung der Konstruktion wurde auch am klassischen Bogentragwerk vollzogen und führte bei Straßenbrücken zu einer hohen Filigranität und Eleganz. Ist die Bogenbrücke

als Lösung über tiefe Schluchten als land­ schaftsprägendes Element unübertrefflich, erforderte ihr Bau jedoch einige Anstren­gun­ gen. So mussten die Konstruktionsmassen reduziert werden, um die Baubarkeit über ausgeklügelte, in die Felsflanken gespreizte Lehrgerüstkonstruktionen aus Holz bewerk­ stelligen zu können. Die 1929 –1930 erbaute Brücke in Stalden überzeugt durch die Fein­ gliedrigkeit und Verschmelzung der einzel­ nen Funktionseinheiten des Bogens, des Decks und der Stützen zu einer Gesamtein­ heit (Abb. 5). Heute werden weitgespannte Betonbögen in der Regel wie am Beispiel der Mike O’Callaghan – Pat Tillman Memorial 51,00 Bridge über den Colorado River (Abb. 6) oder der Taminabrücke (siehe Projektbei­ spiel, S. 126ff.) meistens im Freivor­bau­ver­ fahren hergestellt.

Einspannung durch Gegengewicht G

M Kuhhorn

R a

30,00

A

100,00

30,00

51,00 b

c

spannung durch Gegengewicht

G

7

Einspannung durch Gegengewicht

Straßenbrücken

G

M

25

M

Kuhhorn R

A

100,00

R

A

100,00

Vorspannen Die in der Mitte des 20. Jahrhunderts feder­ führend von Eugène Freyssinet entwickelte Spannbetonbauweise revolutionierte speziell den Straßenbrückenbau. Zugglieder aus hochfesten Stahllitzen werden in den Quer­ schnitt eingelegt und vorgespannt. Durch die Überdrückung des Querschnitts lassen sich wichtige Gebrauchstauglichkeitsanfor­ derungen an die Verformungsbegrenzung und die Dauerhaftigkeit erfüllen und überdies werden große Spannweiten von Balkentrag­ werken mit extremen Schlankheiten bis l /50 in Brückenmitte möglich. Am Talübergang über das österreichische Lavanttal ist diese Konstruktionsweise als moderne, aus dem Baustoff resultierende form- und material­reduzierte Übersetzung von Perronets Brücke über die Seine in Neuilly (Abb. 3, S. 24) gut ersichtlich (Abb. 8). Die gekrümmte Untersicht mit ansatzlos angeschlossenen Zwillingsstützen unterstreicht äußerlich das statische Rahmensystem. Generell bilden heute Spannbeton- und Stahl­betonbrücken einen festen Bestand­ teil der meisten höherrangingen Straßen­ netze weltweit (Abb. 9). Die Umkehrung des gevouteten Spann­betonbalkens und die Auflösung in Zug- und Druckkomponen­ ten im Stützbereich führen zum Typus der Zügelgurt- bzw. Extradosed-Brücken, die sich durch ihre flachen Kabel- bzw. Seilfüh­ rungen als Unterstützung des Streckträgers auszeichnen. Die von Christian Menn ent­ worfene Sunniberg­brücke in der Schweiz stellt durch den schlanken Überbau den

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26

8 Stahlbeton

Spannbeton

Stahl

Mauerwerk

Holz

Andere

Verkehrsministerium Queensland (AU) Entwicklungsministerium Tasmanien (AU) mainroads Western Australia (AU) Asfinag (AT) öffentlicher Dienst, Wallonien (BE) Verkehrsministerium Québec (CA) Straßenministerium (CL) Cerema (FR) Verkehrsministerium (FR) konzessionierte Autobahnen (FR) Közút (HU) RMTO (IR) Anas S.p.A. (IT) Verkehrsministerium (JP) Autobahngesellschaft (KR) Verkehrsbehörde (NZ) Straßenverwaltung (NO) Straßendirektion (PL) Straßenverwaltung Slowakei (SK) ZAG (SI) Entwicklungsministerium (ES) Verkehrsministerium Wisconsin (US) 0

20

40

60

80

100 [%]

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Übergang zur Schräg­kabelbrücke dar und beeindruckt durch die nach außen gebo­ genen Stützenformen, die funktional auf den gekrümmten Straßenverlauf reagieren (Abb. 10). Diese Brücke gilt nicht zuletzt auch durch die integrale Bauweise ohne Verwendung von Fahrbahnüber­gangskon­ struk­tio­nen (siehe „Funktion“, S. 66ff.) als Ikone im Straßenbrückenbau. Weitspannen Weitgespannte, seilunterstützte Brücken ­faszinieren durch ihre selbsterklärenden Wirkungsweise von Tragen und Lasten. Im Spann­weitenbereich ab ca. 250 m hat sich die Schrägkabelbrücke im Straßenbrücken­ bau als wirtschaftliche Lösung etabliert. Durch die heute sehr enge Kabelführung in Form von Multikabelsystemen in Fächeroder Harfenform und den daraus resultieren­ den, schlank ausgeführten Versteifungs­ trägern besitzen Schrägkabelbrücken eine

8  Talübergang über das Lavanttal (AT) 1985, Alfred Pauser; Erweiterung 2007: Pauser ZT, Ertl Horn und Partner, FCP ZT 9  Brückenanzahl abhängig vom Baustoff in übergeordneten Straßennetzen weltweit 10  Sunnibergbrücke, Klosters-Serneus (CH) 1998, Christian Menn, Andrea Deplazes

11  Skarnsund-Brücke, Inderøy (NO) 1991, Johs Holt 12  Erasmus-Brücke, ­Rotterdam (NL) 1996, Ben van Berkel 13  Ting-Kau-Brücke in Hongkong (HK) 1998, schlaich bergermann partner

14  unterschied­liche Ausdrucksmöglichkeiten einer Schrägkabel­ brücke a mit geradem Pylon b mit nach außen geneigtem Pylon c mit nach innen geneigtem Pylon

a

b

c

14

hohe Ausdruckskraft. Dabei kann eine Schiefstellung des Pylons die Wahrneh­ mung entscheidend verändern. Am Beispiel einer einhüftigen Schrägkabelbrücke lässt sich die Veränderung von einem erhabenen, neutralen (Abb. 14 a) in einen expressiven, spannungsgeladenen (Abb. 14 b) und einen demütig, sich unterordnenden Ausdruck (Abb. 14 c) gut nachvollziehen. Die nüchterne Form der Skarnsund-Brücke schmiegt sich in die sanfte Fjordlandschaft Norwegens und zeugt von äußerstem ­Minimalismus der eingesetzten Materialien (Abb. 11). Sie hält bis zum heutigen Tag mit einer Spannweite von 530 m den Rekord der längsten mit einem Stahlbetondeck konstru­ ierten Schräg­kabelbrücke. Das Deck misst dabei in der Höhe nur etwa 2 m. Im Gegen­ satz dazu erzeugt der markante Pylonknick unterhalb der Kabelfächereinleitung der Erasmus-Brücke eine der pulsierenden Hafenmetropole Rotterdam entsprechende spannungsgeladene Dynamik (Abb. 12). Seit der Jahrtausendwende setzen sich immer öfter mehrfeldrige Schrägkabellösun­ gen durch, um größere Distanzen zu über­ brücken. Die Verformungen aus ungleichmä­ ßiger Feldbelastung müssen dabei begrenzt werden. Im Gegensatz zur steifen Pylonaus­ bildung bei der Rio-Andirrio-Brücke über den Golf von Korinth überlappen sich die Kabel­ fächer bei der Queensferry Crossing bei Edinburgh, sodass die Pylone schlank aus­ geführt werden konnten (siehe Projektbei­ spiel, S. 120ff.). Die 1998 fertiggestellte ­Ting-Kau-Brücke in Hongkong als eine der ersten mehrfeldrigen Schrägkabelbrücken moderner Art löst die Problematik durch lange Stabilisierungsseile als Aussteifung des Mittelmasts, die auch im Fall eines Tai­ funs Sicherheit bieten (Abb. 13). Als Krönung und spezieller Archetypus des Brückenbaus vermittelt die Hängebrücke durch die Auflösung des Tragwerks in ein Zugelement und die Hängeglieder absolute Effizienz sowie Eleganz. Eine Hängebrücke ist jedoch erst bei sehr großen Spannweiten

11

12

13

wirtschaftlich und kommt durch die Weich­ heit des Systems speziell beim Straßenbrü­ ckenbau zur Anwendung. Mit den Hänge­ brücken begann auch die prestigeträchtige Spannweitenjagd, deren Rekord seit 1998 die Akashi-Kaikyō-Brücke im japanischen Kobe mit einer freien Spannweite von 1991 m hält. Ursprüng­lich wurde diese Brücke für eine kürzere Spannweite projektiert. Ein ­Erdbeben vergrößerte jedoch den Pylonen­ abstand noch vor der Montage des Ver­ steifungsträgers um fast 1 m. Ein schlank geformter Streckträger, eine Ausführung, die erst nach Kenntnis und

Straßenbrücken

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Beherrschung der aerodynamischen Effekte aus Windanregung möglich wurde, erzeugt eine außerordentliche Gestaltqualität. Wie die Brücke über den Großen Belt in Däne­ mark zeigt (Abb. 15), schafft der Schwung des Tragkabels und der leicht nach oben gebogene, extrem schlanke Streckträger auch wahrnehmungspsychologisch eine spezielle Dynamik durch das Spiel der gegensätzlich gerichteten Krümmungen [9]. Autobahnbrücken Die Entwicklung des Automobils Anfang des 20. Jahrhunderts und die Notwendig­ keit von immer schnelleren Verkehrsverbin­ dungen führte zur Trennung von Fahrbah­ nen und der Entwicklung niveaufreier Ver­ kehrsknoten. Die erste autobahnähnliche Straße wurde 1908 nahe New York in Form des Long Island Motor Parkway realisiert. In Europa hatte die Berliner Automobil-­ Verkehrs- und Übungsstraße, kurz AVUS, und das italienische Projekt Autostrada Milano-Laghi die Vorreiterrolle inne [10]. Der rasante Ausbau der Autobahnnetze ins­ besondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahr­ hunderts förderte jedoch die Anonymisie­ rung und Ausdruckslosigkeit von Brücken. Ziel war es, mit geringen Mitteln Straßen und Brücken am Fließband aus dem Boden zu stampfen, um dem Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit, der neuen Massentaug­ lichkeit des Kraftfahrzeugs und den erweiter­ ten Mobilitätsansprüchen gerecht zu werden. Im Gegensatz zu Brücken mit großen Spann­ weiten oder hoher Ortsprägnanz, die schon allein durch ihre Größe oder Öffentlichkeits­ wirksamkeit die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, haben heute beim Autobahnbau für viele Brücken jedoch Funktionalität, Zweckmäßigkeit und eine schnelle Umset­ zung Priorität. Stellvertretend für viele „ver­ gessene“ Brücken mit kleinen und mittleren Spannweiten steht die Überführungsbrücke, auf die im Folgenden eingegangen wird, um Ausdruckspotenziale auszuloten und „seelenlose“ Brücken zu vermeiden.

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Überführen Kennzeichnend für die Autobahn ist die Überführungsbrücke, die nicht zuletzt des­ wegen sogar im entsprechenden Verkehrs­ zeichen abgebildet ist. In regelmäßigen Abständen werden Überführungen vom Autofahrer schon von Weitem visuell erfasst und befinden sich lange in dessen direktem Blickfeld. Sie sind somit als wiederkehrende Signaturen die Visitenkarte einer Autobahn und sollten daher im Entwurf eine große – sogar den trassengebundenen Tragwer­ ken übergeordnete – Sorgfalt erfahren. Die Gestaltung von Überführungen wird vor­ rangig von der Streckencharakteristik, der Landschaftseingliederung und vom Wahr­ nehmungserlebnis aus Fahrerperspektive und weniger vom unmittelbaren Ort des Bauwerks und dessen Anwohnern bestimmt. Experten wie die frühen Autobahnarchitek­ ten Paul Bonatz und Wilhelm Tiedje bevor­ zugen blickoffene Typenbrücken anstelle von barriereerzeugenden [11]. Stützenlose Überführungen unterstützen auch wahrneh­ mungspsychologisch die Vorwärtsbewe­ gung [12]. Daraus lässt sich ein Varianten­ reichtum von der licht­raum­umschließenden klassischen Zweifeldbrücke bis zur stützen­ freien Leichtkonstruktion ableiten (Abb. 17), der abhängig von der Entwurfsintention unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten

15  Storebæltsbroen, Brücke über den Großen Belt, Nyborg / Korsør (DK) 1998, COWI, Dissing+Weitling

15

16  Verkehrsknoten in Los Angeles (US) 17  Überführungsvarianten

von stringenten bis hin zu expressiven Form­en beinhaltet [13]. Vernetzen — Verweben Brücken als namenlose Massenbauwerke treten vor allem bei den immer verwobe­ neren Autobahnknoten in Erscheinung. Um den Verkehrsfluss zu beschleunigen, werden Verflechtungsbereiche der Fahrspu­ ren vermieden und somit für jede Relation eigene Rampenbauwerke errichtet. Die Brü­ cken türmen sich zu vielstöckigen Gebilden und gehen in komplexen Stützen- und Trag­ werkssystemen unter (Abb. 16). Sanierun­ gen dieser Knoten sowie Umbauten für

16

Kapazitätserhöhungen werden sicherlich zu einer der Herausforderungen der Zukunft.

Öffnung und Dynamik

Ausblick Analog zu der gesellschaftlichen Entwick­ lungen in Richtung eines beschleunigten, flexiblen und weitgehend unabhängigen – und daher unvorhersehbaren – Mobilitäts­ verhaltens zeichnen sich heute entspre­ chende Trends für Straßenbrücken ab.

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Resistieren Die derzeit hohen Aufwendungen für Instand­ haltung befördern einen Trend zur Verwen­ dung von Hochleistungsmaterialien, die eine geringe Materialdegradation und dadurch geringere Lebenszykluskosten aufweisen. Insbesondere Straßenbrücken, die entweder in alpinen Regionen häufigem Frost-TauWechsel und hohen Chlorideinwirkungen durch den Einsatz von Tausalz ausgesetzt sind oder in Küsten- oder Industrienähe hohen aggres­siven Umgebungsbedingun­ gen unterliegen, sind davon betroffen. Es gibt aktuell eine Reihe von Forschungsvor­ haben und Pilotanwendungen von Zugele­ menten aus nicht korrosiven und chemisch resistenten Materialien, die auf eine regel­ hafte Umsetzung warten. Aktuell werden beispielsweise Vorspannglieder und Bau­ weisen mit Kohlenstofffasern unter dem Schlagwort „Carbonbeton“ in Kombination mit höherfesten Feinkornbetonen entwickelt. Die aus ul­trahoch­festem Beton mit Stahl­ faserbewehrung hergestellte Wildbrücke in

Straßenbrücken

29

18

19

Kärnten zeigt, dass ein feingliedriges, res­ sourcensparendes Bauen möglich ist, wenn die Oberflächen durch Porendichtheit hohe Robustheit und Widerstandsfähigkeit ver­ sprechen (Abb. 18). In der Schweiz wird heute oft ultrahochfester Beton (UHFB; engl. ultra high performance concrete – UHPC) als Tragwerksertüchtigung durch Aufbringen einiger zentimeterdicker Schichten erfolgreich eingesetzt. Nach­dem 2016 das Merkblatt SIA 2052 in Kraft getre­ ten ist, treiben insbesondere Bau­firmen die UHFB-Technologie mit Eigenentwicklungen durch Spezialfertiger voran, sodass diese Bauweise ohne bituminöse Abdichtung preislich mit einer konventionellen Ertüch­ tigung bereits konkurrieren kann (Abb. 19).

Flexibilisieren Ein weiterer Trend im Straßenbrückenbau liegt darin, auf sich verändernde Nutzungen flexibel zu reagieren. Der Straßenverkehr verändert sich immer schneller hinsichtlich Verkehrsstärke, Verkehrsströmen und Art der Mobilität. Obwohl Straßenbrücken in der Regel für eine theoretische Nutzungsdauer von 100 Jahren geplant werden, müssen viele durch eine geänderte Nutzung wie zusätzliche Fahrstreifen und höhere Real­ lasten vorzeitig erneuert werden. Letztere ergeben sich durch das stetig steigende Verkehrsaufkommen, neue Konzepte von gegenseitig kommunizierenden, abstands­ reduzierten Lastzügen (Platooning), dem Gigaliner, aber auch durch überhandneh­ mende Schwerlasttransporte. Die steigende Verkehrsnachfrage mit immer öfter wechselnden und sich verändernden, tageszeitabhängigen Verkehrsaufkommen braucht hohe Flexibilität auf den zur Ver­ fügung stehenden Fahrbahnflächen (siehe „Anforderungen an zukünftige Brückenbau­ werke“, S. 48f.). Konstruktiv bedeutet dies die Vermeidung von Mittelstützen bei Über­ führungen zugunsten großer Spannweiten, die für den darunter fließenden Verkehr höchste Manipulationsmöglichkeiten gewäh­ ren. Oder es werden Brückensysteme erfor­ derlich, die seitlich unter geringer Beein­ trächtigung des fließenden Verkehrs einfach erweiterbar sind bzw. auch brückenunter­ seitig durch längere Endfelder zusätzliche Fahrstreifen zulassen (Abb. 17, 3. Variante von oben, S. 29).

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20  Die Stege des künftigen Brückenquerschnitts werden ausgeklappt. Lahnbachbrücke, Fürstenfeld (AT) 2020, Kollegger, Schimetta ZT

18  Brücke aus ultrahoch­ festem Beton (UHFB) mit Stahlfaserbewehrung, Wildbrücke, Völkermarkt (AT) 2010, TU Graz, Wörle Sparowitz Ingenieure 19  Brückenertüchtigung mit ul­trahochfestem Beton (UHFB)

Anmerkungen:  [1] Lee 1947  [2] Merckel 1899, S. 295   [3] Pauser 2005, S. 3  [4]  Bühler 2019, S. 143  [5]  Pauser 1987, S. 76ff.  [6] Hartmann 1928, S. 31  [7] Billington 2014, S. 122  [8] Le Corbusier 1964, S. 75ff.  [9] Grütter 2015, S. 201f. [10] Kreuzer 2005, S. 12ff. [11] Tiedje 1966, S. 10 [12] Arnheim 1980, S. 166 [13] Kleiser 2017, S. 402— 411 [14] Seidl u. a. 2016, S. 126 —136 [15] Kollegger u.  a. 2020, S. 484 —494

21 Straßenverkehrssystem der Zukunft in zwei Stockwerken mit Brückensystemen aus Fertigteilen

Transitstrecken

2

Abbiegespur

1

2

Spur für Ebenenwechsel 1

1

2 1 0

2

0

ng

htu

Ric

1

X

0 3

4 Ein- und Ausfahrten und Bushaltestellen 1

1

2 Level 2 1

Bushaltestelle

2

Level 1

Level 0 82 0m

1

0 1

2

Verflechtungszone Verflechtungszone vor und nach Bushaltestelle

0

1

4

2 1

0

1

0m

66

Ric

ht

un

g

Y 21

22 optimierter Querschnitt für Hochfahrwege aus faserverstärktem ultrahochfestem Beton

Beschleunigen Das schnelle und flexible Bauen mit vorge­ fertigten Elementen ist nach wie vor präsent, auch wenn die Erfahrungen aus dem Fertig­ teilbauboom der 1970er­ und 1980er­Jahre hinsichtlich der Langlebigkeit durchaus zwiespältig ausfallen. Folge dieser Erfah­ rungen ist eine notwendige Verschränkung von Dauerhaftigkeitsanforderungen mit der Forderung nach flexiblem, schnellem und ressourcenarmem Bauen. In Deutschland werden Pilotanwendungen mit vorgespann­ ten, exakt verlegten und direkt befahrbaren Segmentbrücken durchgeführt [14]. In Österreich laufen Forschungen, die eine unterhaltsarme und montagefreundliche Bauweise von Halbfertigteilen mit Ortbeton kombinieren. Brücken dieser Art wurden bei­ spielsweise bereits in Österreich realisiert (Abb. 20). Sie werden in einem von der TU Wien entwickelten Klappverfahren herge­ stellt, das analog des Mechanismus eines Regenschirms funktioniert [15]. Die aktuelle Tendenz zu Megacities und zusammenwachsenden Ballungszentren von 100 Millionen und mehr Einwohnern fordert

geeignete Transportwege. Durch Hochlegen der Fahrbahnen und die Schaffung von niveaufreien Kreuzungen spielt die Brücke bei Straßenverkehrssystemen der Zukunft eine entscheidende Rolle. Dies zeigt auch ein aktuelles Forschungsbeispiel: Autonom fahrende, zentral gesteuerte E­Fahrzeuge bewegen sich in einem geschlossenen Fahr­ bahnsystem mit vorgefertigten Trogträgern aus faserverstärktem ultrahochfestem Beton (ultra high performance fiber reinforced concrete; Abb. 22) und bilden auf Hochfahr­ wegen in Level 1 den individuellen Fließ­ verkehr, der mit der Effizienz einer U­Bahn mithalten kann (Abb. 21).

22

Straßenbrücken

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Brücken für den Schienen­verkehr Spurgebunden rollen und schweben

Verantwortung und Herausforderungen Eisenbahnbrücken sind ein wichtiger Teil der Schieneninfrastruktur. Sie sind als Hochleistungstragwerke im Vergleich zu Straßenbrücken für deutlich höhere Lasten auszulegen und müssen gleichzeitig verformungsund schwingungsarm ausgebildet werden. Aufgrund der Altersstruktur der teilweise schon 150 Jahre alten Bauwerke kommt dem Erhalt, der Instandsetzung und dem Ersatzneubau zukünftig eine immer höhere Bedeu­ tung zu. Ersatzinvestitionen im Eisenbahnbrückenbau für den Neubau oder den Streckenausbau sind aufgrund des Bauens unter dem rollenden Rad, den sehr hohen Lasten und den Komfortanforderungen an moderne Eisenbahnbrücken deutlich teurer und technisch anspruchsvoller als im Straßenbrückenbau. Eisenbahnbrücken müssen robust, aber nicht plump und hässlich sein. Durch intelligente Tragsysteme können steife Bauwerke mit geringen Bauhöhen errichtet werden, die ästhetisch ansprechend und nebenbei mit geringen Unterhalts- und Instandsetzungsaufwendungen sowie durch effektiven Materialeinsatz nachhaltig sind. Neben den konventionellen Eisenbahnnetzen bieten die Hochgeschwindigkeitsstre­ cken mit internationaler Vernetzung eine

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Erhö­hung der Reisegeschwindigkeit und kön­nen – unter Voraussetzung, dass entsprechende gut getaktete Trassen existieren – auch ein Ersatz für den KurzstreckenFlugverkehr sein. Neben den sehr hohen Anforderungen an den Hochgeschwindigkeitsverkehr wird damit eine internationale Vereinheitlichung der Infrastruktur (Inter­ operabilität) auch für die Eisenbahnbrücken erforderlich. Für den schienengebundenen Verkehr sind zudem starre Punkt-zu-Punkt-Verbindungen im Verkehrsnetz durch z. B. Magnetschwe­ be­bahnen, Monorails oder Hyperloops denkbare Modelle. Unabhängig davon werden aber auch zukünftig Eisenbahnbrücken ein wichtiger Teil der schienengebundenen Infrastruktur bleiben.

1  Die Erhöhung der Kapazitäten des Schienenverkehrs als emissionsarmes Verkehrsmittel ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Nur durch eine aktive Verkehrswende, hin zu deutlich mehr Personen- und Güterverkehr von der Straße auf die Schiene ist der Klimaschutz durch Reduzierung von CO2 im Verkehrssektor möglich.

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a

b

c

2  Portageville Viaduct (US) 1852/1875/2017, Silas Seymour, George S. Morison, Modjeski and Masters a Holzbrücke, 1852 b Stahlkonstruktion (Trestle-Brücke), 1875 c Stahlbogenbrücke, 2017

Entwicklung des Eisenbahnbrückenbaus Nachdem 1825 auf dem „Stockton and Darlington Railway“ in England mit der Lokomotive „N.  1“ von George Stephenson die erste öffentliche, von einer Dampflokomotive gezo­ gene Eisenbahn den Betrieb aufgenommen hatte, entwickelte sich der Eisenbahnverkehr in Europa, den USA und Asien rasant. Vorreiter in den Anfangsjahren waren vor allem die USA, Deutschland, Frankreich, England und Belgien. Als erste Langstreckenverbindung in Deutschland wurde die LeipzigDresdner-Eisenbahn mit einer Länge von 120 km im Jahr 1839 in Betrieb genommen. Aus dieser ersten Errichtungszeit von Eisenbahnstrecken sind einige Ingenieurbauwerke, meist Gewölbebrücken, bis heute erhalten und nach wie vor in Nutzung. Neben den technischen und finanziellen Heraus­ forderungen bei der Errichtung der Bahnstrecken waren Ingenieurbauwerke erforderlich, die gegenüber den bisherigen Straßen- und Wegebrücken (siehe „Straßenbrücken“, S. 22ff.) völlig neue Anforderungen erfüllen mussten. Eine der ersten großen Eisenbahnbrücken in Deutschland wurde für die Strecke Leipzig – Dresden in Riesa über die Elbe errichtet. Diese war noch als mehrfeldrige Holzbogenbrücke mit Stützweiten von 28 m auf mas­siven Pfeilern konstruiert und fast 40 Jahre von 1839 bis 1878 unter

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Verkehr, bis sie durch eine Stahlbogenbrücke ersetzt wurde. Die gestiegenen Anforderungen hinsichtlich der Eisenbahnlasten und Geschwindigkeiten an die Brücken und die negativen Erfahrungen mit dem brennbaren Material Holz führten ab ca. 1850 zum radikalen Bruch mit dem Baustoff Holz im Eisenbahnbrückenbau – Holz wurde seitdem für Eisenbahnbrücken in Deutschland verboten [1]. Ähnliche Entwicklungen gab es in Europa. Die neuen Möglichkeiten und der Einsatz von industriellen Materialien wie Ziegel und moderne Stähle haben den Eisenbahnbrückenbau gegenüber den Anfangsjahren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark verändert und die Holzbrücken sehr schnell verdrängt. In den USA wurden auch später noch zahlreiche Holzbrücken gebaut und sind stellenweise heute noch in Betrieb. Das Portageville Viaduct ist ein gutes Beispiel für die Entwicklungen im Brückenbau in den USA (Abb. 2). Seit 1852 führt das Portageville Viaduct eine Eisenbahnstrecke über die Schlucht des Genesee River in der Nähe der Stadt Portageville im Bundesstaat New York. Zuerst war sie aus Holz gefertigt und wurde dann 1875 nach einem Brand durch eine filigrane Stahlkonstruktion als Trestle-Brücke ersetzt. Nach über 140-jähriger Nutzung erfüllte das Bauwerk nicht mehr

Brücken für den Schienenverkehr

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den Anforderungen und musste erneuert werden. Die beauftragten Ingenieure, die Gemeinde und die Norfolk Southern Railway Co. entwickelten gemeinsam eine neue Bogen­brücke aus Stahl, die 2017 in Betrieb ging. Die Geschichte der Eisenbahnbrücken ist wie hier in Portageville an den Ort und die Zeit geknüpft – viele ähnliche Beispiele belegen, wie sich an den Stand­orten unterschied­ liche Bauwerke über die Jahrzehnte unter Nutzung der sich stetig weiterentwickelnden Technologien verändert haben. Die Eisenbahn war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das aufstrebende Verkehrssystem, das die Vernetzung der Metro­polen und Regionen und eine wirtschaftliche Entwicklung ermöglichte. In dieser Zeit wuch­ sen die Eisenbahnnetze schnell. Die Kon­ struktionen der Brücken waren kontinuier­ lichen Weiterentwicklungen unterworfen, die sich aus den neuen Anforderungen, Mate­ rialien und Technologien sowie komplexeren Berechnungs­methoden ergaben.

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4

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Mit der Industrialisierung und der Entwicklung der Eisen- und späteren Stahltechno­ logie in England wurden die ersten Stahlbrücken aus Gusseisen errichtet. Erst mit der Etablierung von leistungsfähigen Eisenund Walzwerken konnten schmiedeeiserne Bleche und Walzprofile unterschiedlicher Abmessungen hergestellt werden. Das Zusammenfügen einer Brücke aus einzelnen Stäben und Blechen durch Nieten war deutlich einfacher und schneller als das Gießen aufwendiger unterschiedlicher Gussteile in Sandformen. Grundsätzlich waren mit dem Schmiedeeisen und der um 1850 entwickelten Fachwerktheorie völlig andere Brückenformen realisierbar, als das mit dem wenig zugfesten Gusseisen möglich gewesen wäre [2]. Für die Planung der Eisenbahnbrücke wurden neue Berechnungsverfahren für weitgespannte Brückenbauwerke erforderlich. Mithilfe der von Karl Culmann 1864 – 1866 publizierten „Grafischen Statik“ war es möglich, bisher auf Erfahrungen beruhende Brückenkonstruk­tionen nun auch statisch zu analysieren und somit weitgespannte, effiziente Tragwerke zu errichten (Abb. 3 und 4). In Deutschland wurden einheitliche Regelun­ gen zur Bemessung, der technischen Bearbeitung und der Erstellung von Konstrukti­ ons­zeichnungen getroffen und erste Typen­ entwürfe für Eisenbahnbrücken bis 20 m Stützweite eingeführt. Damit waren erste Grundlagen für eine Standardisierung der Eisenbahnbrücken gelegt. Die Verbreitung von Eisenbahnbrücken aus Stahl war sehr eng an die technologische Entwicklung der Stahlherstellung und Verarbeitung gekop­ pelt. In den 1930er-Jahren revolutionierten höherfeste Baustähle und die Einführung des Schweißens die technologischen Möglichkei­ ten im Stahlbrückenbau. Die wirtschaftlichen und qualitativen Vorteile liegen auf der Hand: Die Fertigung der Stahlbrücken konnte weitestgehend in die Werke ver­legt und die Endmontage auf der Baustelle in hoher Geschwindigkeit umgesetzt werden [3].

3  Firth of Forth Bridge, Queensferry (GB) 1890, John Fowler, Benjamin Baker 4  Pont de Mousserolles, Bayonne (FR) 1864, F. Daney, 2013 abgerissen und ersetzt durch Eisenbahnbrücke Bayonne

5 5  Mit dem 100 m weit spannenden Bogen war das von Karl Arnstein entworfene und von der Fa. Züblin bis 1914 gebaute Langwieser Viadukt in Graubünden (CH) zu seiner Zeit die Eisenbetonbrücke mit der größten Stützweite weltweit. Für die Aufnahme der Längen­ änderungen des Überbaus aus Temperatur ist die Fahrbahnplatte über den Kämpferpfeilern unterbrochen und in eine biegeweiche Stahlbetonwand eingespannt.

Der ab 1880 im Brückenbau eingesetzte neue Baustoff Beton ersetzte am Anfang lediglich den Naturstein bei Bogenbrücken und wurde ohne Eiseneinlagen in die Schalung gestampft (Stampfbeton). Schnell erkannten die Ingenieure das Potenzial des frei formbaren Materials in Verbindung mit Bewehrungsstahl. Die technischen Anforderungen des Eisenbetons prägten die Brückenentwürfe und gaben den Ingenieuren völlig neue Möglichkeiten in die Hand. In der Zeit des Suchens und Experimentierens ab 1900 wurde viele integrale, d. h. fugenlose, Betonbrücken im Eisenbahnbrückenbau errichtet (siehe „Übergangszone zur freien Strecke“, S. 67ff.). Diese Brücken zeichnen sich durch hohe Steifigkeiten, ein ganzheitliches Tragverhalten und eine wirtschaftliche Herstellung verbunden mit effizientem Materialeinsatz aus (Abb. 5). Der Stahlbetonbrückenbau entwickelte sich in den darauffolgenden Jahren rasant und löste im unteren Stützweitenbereich ab ca. 1920 die Stahlbrücken ab. Im Vergleich zum Stahl waren die hohen Steifigkeiten für Eisenbahnbrücken wirtschaftlicher in Stahlbeton zu erreichen. Eine Sonderstellung nimmt der

in Europa seit Beginn des 20. Jahrhunderts bekannte Brückenquerschnitt aus einbetonierten Stahlträgern ein. Der sogenannte Walzträger im Beton (WIB) wird heute noch regelmäßig im Neubau eingesetzt. Der Spannbetonbrückenbau ist für die Entwicklung des Eisenbahnbrückenbaus von herausragender Bedeutung. Erst mit dem Vorspannen der Querschnitte wurden ab den 1930er-Jahren größere Stützweiten mit hoher Steifigkeit und Robustheit möglich. Die Periode von 1934 bis etwa 1965 kennzeichnet die innovativste Zeit des Spann­ betonbrückenbaus, in der noch heute angewandte Verankerungen und Bauverfahren entwickelt wurden [4]. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen je nach wirtschaftlicher Entwicklung der Länder und Regionen die Eisenbahnnetze weltweit. Vor allem in Japan wurden seit den 1950er-Jahren Hochgeschwindigkeitsstrecken entwickelt und 1964 zu den Olympischen Sommerspielen in Tokio in Betrieb genommen. Von Japan gingen damit zahlreiche Entwicklungen und Innovationen aus wie z. B. die Feste Fahrbahn, die sich weltweit durchgesetzt haben. Nachfolgend wur-

Brücken für den Schienenverkehr

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den in zahlreichen Ländern und vor allem in Europa Hochgeschwindigkeitsstrecken realisiert, um die Ballungszentren auf langen Distanzen schnell miteinander zu vernetzen. China ist derzeit das Land mit der größten Ausbaugeschwindigkeit im Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV). Es sollen aktuell 80 % der Großstädte mit dem HGV-Netz verbunden sein, das sind über 30 000 km Streckennetz (Stand 2020). [5] Bei den Brücken für Hochgeschwindigkeitsstrecken haben sich weltweit steife Spannbetonquerschnitte mit Stützweiten ab 35 m bis 70 m etabliert, um die erhöhten Anforderungen aus dynamischen Lasten zu erfüllen (Abb. 6 und 7) Magnetschwebebahnbrücken Magnetschwebebahnen werden seit ca. 1970 in ihrer Entwicklung vorangetrieben und waren als große Vision für den Hochgeschwindigkeitsverkehr und alternativ zu den Schnellzügen geplant. Die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auf dem Verkehrsmarkt in den letzten 30 Jahren haben dazu geführt, dass der schienengebundene Verkehr mit 300 km/h auch langstreckentauglich geworden ist und aufgrund sinkender Preise durch Billigflieger das Reisen auf ­größere Entfernungen preiswerter wurde. In Deutschland hat man über viele Jahre in das System Transrapid investiert und Teststrecken als aufgeständerte Trassen aus Fer­tigteilsegmentträgern errichtet. Derzeit wird die Technik der Magnetschwebebahn

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6

weiterentwickelt und auf einer Strecke in Sengenthal in der Oberpfalz getestet. Das System wurde als eigenständige Magnet­ schwebebahn für kurze Distanzen kon­ struiert (Abb. 10). Diese aufgeständerten Fahrbahnen stellen Brücken mit hohen Anforderungen an die Kon­struktion dar. Mit einer klaren Gestaltung und dauerhaften integralen Konstruk­tionen können effektive Fahrwege errichtet werden, die einen freien Durchlass des que­renden Verkehrs gewährleisten und z. B. in dicht bebauten Ballungszentren zum Einsatz kommen könnten. Hyperloop Heute entstehen weltweit Konzepte für innovative Antriebsformen, die völlig neue Tragstrukturen für den fahrspurgebundenen ­Personenverkehr benötigen. HyperloopSysteme bestehen aus großen Röhren, die bodengestützt mit Pylonen als aufgeständerter Fahrweg ähnlich dem Transrapid aus­ge­ bildet sind (Abb. 9). Die Röhren und Stützen bilden integrale Tragstrukturen, die je nach Topografie bodennah oder weitgespannt über Täler oder Hindernisse geführt werden können. Breite Dämme und damit verbunde­ ner Landverbrauch wie bei Eisenbahntrassen sind hier nicht erforderlich. Passagiere und Waren reisen in Druckkapseln, die auf einem reibungslosen Magnetkissen bei

6  Hochgeschwindigkeitsbrücke in Deutschland Unstruttalbrücke, bei Karsdorf (DE) 2012, Marx Krontal Partner, schlaich bergermann partner, SMP Ingenieure 7  Eisenbahnbrücke, Changsha (CN) 2013

Anzahl Gewölbebrücken

1600 1400 1200 1000 800 600 400

8  Baujahr der Gewölbebrücken in Deutschland

2017

2010

2000

1990

1980

1970

1960

1950

1940

1930

1920

1910

1900

1890

1880

1870

1860

0

bis1850

200

Baujahr 8

Geschwindigkeiten über 1000 km/h extrem leise und emissionsfrei durch die Röhre schweben. Beim Hyperloop werden zahlreiche Themen zu klären sein, die vom Antrieb und den Sicherheitskonzepten für die Fahrgäste bis zur Errichtung, Wartung und Unterhalt der Infrastruktur reichen. Für den Brückenbau entstehen hier viele neue Aufgabenstellungen und es bedarf innovativer Lösungsansätze einschließlich der Entwicklung neuer Materialien und Technologien.

und historisch wertvoll (Abb. 8). Durch unzureichende Abdichtungen und defekte Entwässerungsanlagen dringt häufig Oberflächenwasser in die Konstruktionen ein, was zu Schäden an Fugen, Strukturen und Oberflächen führt. Diese Schadensbilder sind bei Bogenbrücken sehr typisch und stellen nicht von vornherein ein Defizit der Funktionsfähigkeit der Tragwerksstruktur dar, sind aber vor allem ein Dauerhaftigkeitsproblem. Der Erhalt von Bogenbrücken ist für die Eisenbahnnetze Europas von großer volkswirtschaft­licher Bedeutung. Daher muss der Fokus bei diesen Bauwerken auf dem Erhalt der Sub­stanz und der Sicherung der Dauerhaftigkeit liegen. Ein sehr wirksamer Schutz und gleichzeitig lastverteilend ist der Einbau einer Fahrbahnwanne aus Stahlbeton. Für den Einsatz von Fahrbahnwannen — in der Schweiz auch Schottertröge genannt — gibt es zahlreiche Beispiele in Deutschland, der Schweiz [7] und Österreich [8].

Brückensysteme für Eisenbahnbrücken Die meisten Eisenbahnbrücken stammen aus der Zeit des Ausbaus des Schienennetzes um 1880 oder den Jahren 1900 bis 1930.

9  Hyperloop 10  Magnetschwebebahn Transport System Bögl (TSB)

Gewölbebrücken Gewölbebrücken aus Naturstein oder Ziegel, die hauptsächlich in den Jahren 1850 bis 1930 errichtet wurden, sind mit 28 % die Standardbrücken in Deutschland [6] und bilden trotz ihres Alters einen wichtigen Teil der Bahn­infrastruktur Europas. Die Mehrzahl der Gewölbe­brücken sind damit über 100 Jahre und länger in Betrieb, denn sie zeichnen sich durch eine große Steifigkeit und Robustheit aus, sind dynamisch unkritisch und besitzen hohe Tragreserven für Geschwindigkeits- und Last­erhöhungen. Oft sind sie auch landschaftsbildprägend

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Brücken für den Schienenverkehr

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Stahlbogenbrücken – Langerscher Balken Der Wiener Bauingenieur Josef Langer hat 1859 Ideen für versteifte, in sich verankerte Kettenbrücken skizziert, die später die Grundlage für zahlreiche Bogen- und Stabbogenbrücken aus Stahl bildeten. Dabei ging es ihm um die wirtschaftlichste Kon­ struktion bei hoher Robustheit. So hat ­Langer beispielsweise das in Europa gut bekannte System des Gitterträgers weiterentwickelt, indem er den Gitterträger als unten und oben liegendes Sprengwerk oder als Bogen mit Seilunterspannung oder Zugbändern kombinierte. Heute kennen wir das System als Stabbogenbrücke. Diese sind im Eisenbahnbrückenbau für Stützweiten von ca. 50 m bis ca. 150 m im Einsatz und werden in unterschiedlichen Bauformen als reine Stahl- oder als Stahlverbundbrücke errichtet (Abb. 12). Netzwerkbogenbrücken Die Netzwerkbogenbrücken verfügen gegen­­ über den Stabbogenbrücken über ein optimiertes Tragwerkskonzept. Die Hängeranzahl wird bei den Netzwerkbogenbrücken im Vergleich zur Stabbogenbrücke erhöht und pro Bogen in zwei Ebenen gegenläufig auf- und absteigend angeordnet. Diese sich kreuzende Hängeranordnung schafft eine schubsteife Verbindung zwischen dem Bogen und dem Versteifungsträger, die nun wie Gurte von Fachwerkträgern wirken. Die

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Biegemomente im Bogen reduzieren sich damit auf ca. 80 % und im Versteifungsträger auf ca. 15 % [9]. Wirtschaftlich werden Netzwerkbogenbrücken ab Stützweiten von 90 m eingesetzt. Die eingeschweißten Flach­ stahlhänger stellen eine statische und bautechnische Herausforderung dar. Infolge Eigengewichts können Durchbiegungen entstehen und bei zu gerin­gen Zugbeanspruchungen aus der Fahrbahn auch Druckkräfte in den Hängern. Solche ausfallenden Hänger müssen im Netz­layout ausgeschlossen werden. Neue Tragwerkskonzepte mit Zugstangen aus carbonverstärktem Kunststoff (CFK) als Hänger bei Netzwerkbogenbrücken sind zurzeit in der Planung (Abb. 11). Aufgrund des hohen Ermüdungswiderstands von ­Carbonbauteilen können die Hänger ohne Rücksicht auf begrenzte Schwingbreiten rein unter dem Aspekt der Ausnutzung auf

11  Einsatz von Carbon­ hängern. Neue Oderbrücke Küs­trin-Kietz (PL / DE) geplante ­Fertigstellung 2022, Knight Architects, Schüssler-Plan 12  Rheinbrücke LustenauSankt Margrethen (AT / CH) 2013, Bernard Ingenieure

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13  Eisenbahnviadukt und Bahnhof Loyola, Donostia-San Sebastián (ES) 2017, Anta Ingeniería Civil, Estudio Lamela a mehrfeldrige Stahltrogbrücke (Länge 277 m) b Schrägstützen­ anschluss

14  DB-Standard-Brücke mit sehr geringer Fahrbahnhöhe, Dickblechbrücke, Eisenbahnüberführung Daven­ stedter Straße, Hannover (DE) 2017, Marx Krontal Partner a Konstruktions­ zeichnung b Ansicht

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b

Zug angeordnet werden. Der hierfür erforderliche Querschnitt von Carbonhängern beträgt weniger als ein Viertel des Querschnitts von Stahlhängern. In Kombination mit einem geringen E-Modul bei CFK führt das zu deutlich größeren Dehnwegen in den Hängern, die damit dauerhaft unter Zug stehen. Durch die Verwendung von Carbonzuggliedern als Hänger kann der wirtschaftlich sinnvolle Anwendungsbereich für Netzwerkbogenbrücken deutlich über 300 m Spannweite ausgedehnt werden [10].

gen zur Verfügung stehenden Bauhöhen angewendet (Abb. 13 und 14). Eine Weiterentwicklung sind die sogenannten Dickblechbrücken, bei denen die Fahrbahn aus einem durchgehenden Grobblech mit bis zu 100 mm Dicke ausgeführt wird. Der Materialeinsatz führt dazu, dass die hohen Hebegewichte den Einsatz allein aufgrund der Montage auf Stützweiten bis zu 20 m begrenzen (Abb. 14). Trogquerschnitte können auch als Verbundtragwerk mit externer Bewehrung aus Verbunddübelleisten errichtet werden. Als Einfeldtragwerk kann diese Brückenart bei sehr beschränkter Bauhöhe auch unter monolithi­ scher Einbindung in die Widerlager eingesetzt werden. Die externe Bewehrung wird in Längs- und in Querrichtung als Tragelement genutzt. Es entsteht ein Trogquerschnitt mit einer rasterförmigen Anordnung der Stahlquerträger in der Fahrbahnplatte sowie im Ober- und Untergurt der Trogwangen. Die T-förmigen Stahlprofile sind an den unteren Fasern der Querschnitte platziert und beeinflusst hier sehr effektiv die Trag-

Brücken mit geringer Fahrbahnhöhe Brücken kürzerer Stützweiten bis ca. 30 m kommen oft innerstädtisch zum Einsatz und müssen mit geringer Bauhöhe der Fahrbahn konstruiert werden. Damit ist gewährleistet, dass bei Ersatzneubauten die lichten Höhen ohne Gradientenanpassungen eingehalten werden können. Bei solchen Aufgabenstellungen kommen Trogbrücken mit Vollwandträgern und orthotroper Fahrbahn aus Stahl zum Einsatz. Diese Bauart wird heute bei engen räumlichen Verhältnissen und gerin-

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b

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Brücken für den Schienenverkehr

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wirkung. Meist werden zwei Trägerhälften aus einem Walzträger in industriellem Verfahren her­gestellt und mittig in der Brennschneideanlage die Form der Dübelleisten geschnitten (Abb. 15). Träger in Durchlaufund in Rahmensystemen müssen mit Stirnplatten im Stahlwerk versehen werden [11]. Diese Bauwerke zeichnen sich durch eine hohe Qualität, hohen Vorfertigungsgrad, kleine Korrosionsschutzflächen und sehr wirtschaftliche Anschaffung und Unterhaltung aus. Verbund- und WIB-Brücken Verbundbrücken aus einbetonierten Stahlprofilen wurden um 1910 mit dem Aufkommen des breitflanschigen Differdinger-Walzprofils errichtet. Die Breitflanschprofile bei den Walzträger-in-Beton (WIB)-Brücken gewährleisten aufgrund der hohen Biegesteifigkeit sehr geringe Durchbiegungen bei gleichzeitig erreichbaren effektiven Schlankheiten. Wesentlicher Vorteil dieser Bauweise liegt in der nahezu vollflächigen Umhüllung der Stahlträger mit Beton. So lässt sich der Unterhalt auf ein Minimum reduzieren. Aufgrund der hohen Verformungsbeschränkungen bei Eisenbahnbrücken kommen WIBBrücken bis heute hauptsächlich im Eisenbahnbrückenbau zum Einsatz. Ab ca. 1950 wurden für Stützweiten über 25 m Stahlverbundbrücken weiterentwickelt, die gerade bezüglich ihrer robusten Kon­ struktion und durch die Verbindung zwischen Beton und Stahl erhebliche Vorteile für Eisenbahnbrücken besitzen. Verbundfahrbahnen als Betonbauteil sind deutlich

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15  Trogquerschnitt mit externer Bewehrung mit Verbunddübelleiste a Ansicht b Konstruktionszeichnung 16  Verbundfertigteilträger (VFT)-Querschnitt für Eisenbahnbrücken. Eisenbahnbrücke Flutgraben im Bahnhof Erfurt (DE) 2010, Marx Krontal Partner a Ansicht b Konstruktionszeichnung

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17 17  Verbundbrücke mit Rohrfachwerk für größere Spannweiten. Neues Eisenbahn­ viadukt Pulvermühle, Luxemburg (LU) 2019, Leonhardt, Andrä und Partner, TR-Engineering, Aurelio Galfetti

robuster und dauerhafter als vergleichbare orthotrope Stahlfahrbahnen. Die Erneuerung des Korrosionsschutzes auf der Fahrbahn entfällt, damit sind Verbundfahrbahnen im Unterhalt wirtschaftlicher. Die Hauptträger der Stahlüberbauten werden im Werk vorgefertigt und erfüllen somit hohe Qualitätsstandards. Parallel zur Vorfertigung können die Gründungsarbeiten auf der Baustelle z. B. unter Hilfsbrücken bei vollem Bahn­ betrieb durchgeführt werden. Das sichert ein schnelles Bauen unter dem rollenden Rad (Abb. 16). Eisenbahnbrücken als Spannbetonüberbauten werden als monolithische Konstruk­ tionen aus Platten, Plattenbalken oder ­Hohlkästen oder als Mischkonstruktion mit Spannbeton-Fertigteilträgern bei Stützweiten über 20 m ausgeführt. Die Stahlbeton- und Spannbetonbrücken sind aufgrund ihres höheren Eigengewichts sehr gut in der Lage, Schwingungen und dynamische Lasten aus dem Eisenbahn­

betrieb aufzunehmen und haben sich als Standardbrücken im Eisenbahnbrückenbau durchgesetzt. Bei sauberer konstruktiver Durchbildung der Betonbauteile und Vermeidung von Fugen und Lagern können die Eisenbahnbrücken sehr robust und dauerhaft ausgebildet werden. Für Stahlbeton- und Spannbetonbrücken haben sich je nach Stützweitenverhältnis verschiedene Querschnittstypen etabliert (Abb. 18, S. 42). Moderne Eisenbahnbrücken aus Stahlbeton sind in der allgemeinen Wahrnehmung häufig eintönige und schwer wirkende Bauten, die unsere Landschaften eher „verbarrikadieren“ als einen Beitrag zur Baukultur in ihrem natürlichen oder urbanen Umfeld zu leisten. Im Zuge der Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecke Ebensfeld – Erfurt – Leipzig/Halle wurden mehrere semiintegrale Bauwerke entworfen und realisiert (Grubentalbrücke, Scherkondetalbrücke, Gänsebachtalbrücke, Unstruttalbrücke, Stöbnitz-

Brücken für den Schienenverkehr

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Plattenquerschnitt schlaff bewehrt Stützweite: 2 bis 25 m Schlankheit: L/10 bis L/15

18  verschiedene Querschnittstypen für Stahlbeton- und Spann­ betonbrücken

breiter Balken Spannbeton­ querschnitt Stützweite: 30 bis 45 m Schlankheit: L/20 bis L/25

zweistegiger Plattenbalken, Spannbetonquerschnitt Stützweite: 20 bis 35 m Schlankheit: L/12 bis L/20

Spannbetonkastenquerschnitt Stützweite: 40 bis 60 m Schlankheit: L/12 bis L/20

42

18

Anmerkungen:  [1] Eisenbahnzeitung 1850, S. 63  [2]  Tasche 2016, S. 118   [3] Kurrer / Weißbach 2009, S. 113   [4] Tasche 2016, S. 315  [5] Krüger 2020   [6] Krontal 2014, S. 1  [7] SBB 2008  [8] Arbeitshilfe 2020   [9] Gautier / Krontal [10] Haspel 2019, S. 159 [11] Seidl/Lorenc, S. 550 [12] Marx 2015 [13] Schlaich u.  a., 2008

α

β

f1

19  Vergleich von Endtangentenverdrehungen a bei gelagertem ­Einfeldträger b bei Rahmen

a

talbrücke), die eine deutlich andere Ausstrahlung haben (Abb. 20 und Projektbeispiel „Scherkondetalbrücke“, S. 142ff.). Vor allem bei flachen längeren Tälern fügen sich diese schlanken, fast fragil wirkenden Bauwerke harmonisch in die Landschaft ein [12]. Durch eine sinnvolle Wahl des Tragsystems, der Ausbildung und der Lage der für die Abtragung großer Bremskräfte erforderlichen Festpunkte sowie der Bauwerks- bzw. Abschnitts­ länge kann bei einigen Bauwerken das Gleis sogar ohne Schie­nen­auszüge über das Bauwerk geführt werden (Abb. 20). [13]

f2

b

19

Gerade im Eisenbahnbrückenbau ist der Ein­ satz von integralen bzw. semiintegralen Bau­ werken sehr vorteilhaft, da sich durch die biegesteifen Verbindungen zwischen Pfeiler und Überbau hohe Steifigkeiten und größere Schlankheiten bei gleichzeitig hoher Steifigkeit und dynamischer Robustheit erzie­ len lassen (Abb. 19). Darüber hinaus ergeben sich keine wartungsintensiven Lager und Fugen und es sind zusätzliche Tragwerksredundanzen vorhanden, die langlebige Bauwerke erwarten lassen (siehe „Über­ gangszone zur freien Strecke“, S. 67ff.).

20  Gänsebachtalbrücke, ICE-Neubaustrecke Erfurt– Leipzig /  Halle (DE) 2012, SSF Ingenieure, schlaich bergermann partner

20

Brücken für den Schienenverkehr

43

Brücken und Verkehr Mobilität im Fluss (Markus Friedrich)

Brücken und Mobilität „Über sieben Brücken musst du gehen“, heißt es im Lied der Rockgruppe Karat. „Über sieben Brücken musst du fahren, um deinen Zielort zu erreichen.“ – Dieses Ergebnis ergibt sich für eine durchschnitt­ liche Ortsveränderung eines Menschen in Deutschland, wenn man Daten zum Mobili­ tätsverhalten mit Daten zum Verkehrswege­ netz und seinen Brückenbauwerken ver­ schneidet. Das Mobilitätsverhalten im Per­ sonenverkehr wird in Deutschland regel­ mäßig im Rahmen der Studie „Mobilität in Deutschland“ erhoben [1]. Für das Jahr 2017 liefert die Studie folgende Eckdaten: • Jede Person legt pro Tag im Schnitt 3,1 Wege zurück, um an gewünschte Orte (z. B. zum Wohnen, Arbeiten, Einkaufen oder für Freizeit und Bildung) zu kommen.

1

44

• Um die Orte zu erreichen, entsteht pro Person ohne Flüge ein Verkehrsaufwand von etwa 40 Personenkilometern. Abb. 2 zeigt die Aufteilung dieses Verkehrsauf­ wands auf die Modi und auf die Verkehrs­ wegekategorie. Der größte Anteil der ­Personenkilometer entfällt mit 75 % auf den Pkw (Selbstfahrer/Mitfahrer). Der öffentliche Verkehr (ÖV) wird für 19 %, Fuß und Rad für 6 % der Personenkilo­ meter gewählt. Die Aufteilung nach der Verkehrswegekategorie verdeutlicht die Bedeutung der Bundesfernstraßen. • Der zeitliche Aufwand für die 40 km beträgt etwa 80 Minuten. • Ein mittlerer Weg ist damit rund 13 km lang und erfordert einen Zeitaufwand von etwa 25 Minuten. Für Brückenbauwerke gibt es in Deutsch­ land keine einheitliche Datengrundlage. Für die Bundesfernstraßen [2] und das Schienennetz der DB Netz AG sind belast­ bare Datenquellen [3] verfügbar. Für die anderen Verkehrswegekategorien existiert eine Abschätzung [4], die OpenStreetMapDaten auswertet. In Abb. 3 sind die Daten für Brücken aus diesen Quellen zusammen­ getragen. Die Abschätzung liefert eine Grö­ ßenordnung von etwa 230 000 Brückenbau­ werken in Deutschland. Die Mehrzahl dieser

1  Road-Zipper-Techno­ logie auf der Golden Gate Bridge, San Francisco (US)

Personenkilometer nach Modus

Fuß Rad (6 %)

Personenkilometer Fuß nach VerkehrswegeRad kategorie

Brückendichte [Brücken pro km]

2  täglicher Verkehrsaufwand einer Person in Deutschland nach Modus und Verkehrswegekategorie

0,1

0

Pkw Mitfahrer (20 %)

ÖV (19 %)

ÖV Fern

0,8

ÖV Pkw Stadt Bundesautobahn & Bundesstraße

0,1

1,0

5

10

15

Brücken hat eine Länge von weniger als 30 m. Bei Bundesfernstraßen sind rund 6 % Großbrücken mit einer Länge von mehr als 100 m [5]. Aus der Kombination von Netzlänge und Brückenanzahl kann eine Brückendichte berechnet werden. Sie beschreibt die mittlere Anzahl der Brücken pro km. Die Brückendichte ist abhängig von der Verkehrswegekategorie. Schienen­ wege und Fernstraßen weisen eine höhere Brückendichte auf als andere Verkehrs­ wege. Bei einer Gewichtung entsprechend der Verkehrsnachfrage ergibt sich im Mittel Verkehrswegekategorie

Fuß und Rad ÖV

Fern

3  Anzahl der Brücken, Brückendichte, Personenkilometer und Anzahl der Brückenüberquerungen in Deutschland

Pkw Pkw Pkw Landes- Kreis- sonstige straße straße Straße

0,3

20

25

0,1

0,1

30 35 40 Personenkilometer pro Tag 2

eine Brückendichte von etwa 0,5 Brücken pro km. Verkehrsteilnehmende nutzen also im Schnitt etwa alle 2 km eine Brücke. Bei einer täg­lich zurückgelegten Strecke von 40 km entspricht das etwa 22 Brücken­ überquerungen pro Tag und sieben Brü­ ckenüberquerungen pro Weg. Unabhängig davon, wie korrekt dieser Wert ist, er ver­ anschaulicht die Bedeutung der Brücken­ bauwerke für die Mobilität jedes einzelnen Menschen und für den Verkehr in seiner Gesamtheit (Abb. 2 und 3).

Verkehrswegenetz Deutschland

eine Person in Deutschland

Netzlänge

Anzahl Brücken

Brückendichte

Personen­ kilometer

Anzahl Brückenüberquerungen

[km]

[Anzahl]

[Brücken/km]

[km/d]

[Anzahl/d]

570 000

83 000

0,1

2,5

0,4

33 500

25 700

0,8

3,8

2,9

0,1

3,3

0,3

Stadt Pkw

Pkw Selbstfahrer (55 %)

1)

Bundesfernstraße

41 000

39 700

1,0

16,2

15,7

Landesstraße

87 000

22 000

0,3

5,6

1,4

Kreisstraße

91 000

10 000

0,1

2,9

0,3

53 200

0,1

5,6

0,5

Summe pro Tag

40,0

21,6

Summe pro Weg

12,9

7,0

sonstige Straße

1)

570 000



Annahme, dass die Brückendichte der Dichte sonstiger Straßen entspricht

Brücken und Verkehr

3

45

Luftliniengeschwindigkeit Luftliniengeschwindigkeit [km/h] [km/h]

50 100 40 90 30 80

B C

10 60 0 50

D

20 70

40

E 0

50

100

150

200

250

300

350 400 450 F500 Luftlinienentfernung [km]

0

50

100

150

200

250

300

350 400 450 500 Luftlinienentfernung [km]

100

150

200

250

300

350 400 450 500 Luftlinienentfernung [km] 4

100

150

200

250

300

350 400 450 500 Luftlinienentfernung [km]

30 20 10 0

a 2,50 F

2,25 2,00

E

1,75 2,50

D

1,50 2,25

F C B

1,25 2,00 1,00 1,75

E A 0

b 1,50

1,00

D50 C B

1,25

46

4  Bewertung der Angebotsqualität einer Relation mithilfe der Kenngrößen Luftlinien­ geschwindigkeit (a) und Umwegfaktor (b) in Bezug auf die Luft­ linienentfernung. Die Angebotsqualität wird A durch sechs Qualitätsstufen A (sehr guteB Qualität) bis F (unzuC reichende Qualität) D beschrieben. E F A

Umwegefaktor

Diese Anforderungen führen zu einem Ziel­ konflikt. Hier geht es beispielsweise um den Nutzen eines zusätzlichen diagonalen Ver­ kehrswegs (Abb. 5). Um die Bau- und Unter­ haltungskosten, aber auch den Flächenver­ brauch zu minimieren, ist eine Bündelung der Verkehrsströme auf wenige leistungsfä­ hige Straßen wünschenswert. Das führt aber dazu, dass Fahrten zwischen zwei Orten nicht direkt abgewickelt werden können. Die Fahrleistung und damit der Energieverbrauch steigen. Eine höhere Fahrleistung wird in vielen Fällen auch zu mehr Unfällen führen. Gleichzeitig erhöht sich mit der sogenann­ ten Umwegigkeit der Zeitaufwand für die Kfz-Fahrer. Diese Abwägung zwischen einer Bündelung der Verkehrsnachfrage auf wenige Verkehrswege und einer angemes­ senen Umleitung ist eine grundlegende Auf­ gabe der Verkehrsnetzplanung. Der Konflikt

wird in den Richtlinien für die Netzgestal­ tung [6] dadurch gelöst, dass Vorgaben für zwei zentrale Kenngrößen gemacht werden, mit denen die Qualität eines Verkehrsange­ bots zwischen zwei Orten quantifiziert wer­ den kann, die Luftliniengeschwindigkeit und die Umwegigkeit: Die Luftliniengeschwindig­ keit ist definiert als der Quotient von Reise­ zeit und Luftlinienentfernung. Die Luftlinien­ entfernung beschreibt so den zeitlichen Aufwand einer Ortsveränderung. Die Luft­ liniengeschwindigkeit soll mit zunehmender Luft­linien­entfernung zunehmen. Die Umwe­ gigkeit wird als der Quotient von Reise­ 100 weite und Luftlinien­entfernung angegeben 90 (Umwegfaktor). Die Umwegigkeit beschreibt den80räumlichen Aufwand einer Ortsverän­ 70 derung. Sie soll mit zunehmender Luftlinien­ entfernung abnehmen. 60

Umwegefaktor

Brücken als Element der Verkehrsnetz­ gestaltung Verkehrsnetze verbinden und erschließen Orte. Sie ermöglichen, dass sich Personen bewegen und Güter transportiert werden können. Aufgabe der Verkehrsnetzplanung ist es, die Verkehrswege so zu gestalten, dass die Anforderungen der Netzbetreiber, der Netzbenutzer und der Umwelt möglichst gut erfüllt werden: • Anforderungen des Netzbetreibers - minimale Baukosten - minimale Unterhaltungskosten • Anforderungen des Netzbenutzers ­(Kfz-Fahrer, ÖV-Fahrgast) - minimaler Zeitaufwand - minimale Betriebskosten bzw. Fahrpreise - hohe Unfallsicherheit - hohe Zuverlässigkeit • Anforderungen der Umwelt - minimaler Flächenverbrauch - minimaler Kraftstoffverbrauch - minimale Zerschneidung des Raums in Teilflächen - U  mfahrung sensibler Bereiche (z. B. Landschaftsschutzgebiete)

A 0

50

5  Verkehrsnetzgestaltung: Bauen oder nicht bauen?

Abb. 4 zeigt je ein Diagramm für die Luft­ liniengeschwindigkeit und die Umwegigkeit, mit denen die Angebotsqualität einer Rela­ tion bewertet werden kann. In Abhängigkeit der Luftlinienentfernung ergeben sich jeweils andere Anforderungen, die mit den Quali­ tätsstufen A (sehr gute Qualität) bis F (unzu­ reichende Qualität) bewertet werden. Aus dem in Abb. 5 dargestellten Netz ist erkennbar, dass die Entscheidung einen zusätzlichen diagonalen Verkehrsweg zu bauen von der Länge l der Netzmasche abhängen sollte. Bei einer kleinen Länge, wie sie in städtischen Netzen üblich ist, ist ein Umweg zumutbar, weil der zusätzliche Zeitaufwand bezogen auf die Gesamtfahr­ zeit kaum ins Gewicht fällt. In Netzen für den Fernverkehr werden die Verkehrswege so gestaltet, dass höhere Geschwindigkei­ ten möglich sind. Deshalb sind auch hier Umwege vertretbar. Sofern es keine beson­ deren Anforderungen aus der Verkehrs­ nachfrage gibt, wird bei der Netzgestaltung im Fernverkehr eine Netzverdichtung – z. B. durch eine Diagonale – ab einer Länge von etwa 100 km in Erwägung gezogen. Z Z

zentraler Ort vorhandener Verkehrsweg (mit Brücke)

l

Z

möglicher neuer Verkehrsweg (mit Brücke) l

Ziel

Verkehrsweg bauen?

geringer Zeitaufwand

ja

niedrige Umwegigkeit

ja

geringer Kraftstoffverbrauch

ja

hohe Robustheit des Netzes

ja

geringer Flächenverbrauch

nein

geringe Zerschneidung

nein

geringe Bau- und Unterhaltungskosten

nein 5

Brücken haben als Element der Verkehrs­ netzgestaltung aus mehreren Gründen eine besondere Bedeutung: • Verkehrswege müssen natürliche Hinder­ nisse wie Flüsse und Täler, aber auch andere Verkehrswege überwinden. Hier­ für sind Brücken erforderlich. • Verkehrswege sollen möglichst direkt geführt werden, dabei Steigungen mini­ mieren und mit einer vorgegebenen Ent­ wurfsgeschwindigkeit befahrbar sein. Eine Trassierung, die diese Vorgaben erfüllt, benötigt Brücken und Tunnel. • Brücken sind besonders teure Verkehrs­ wege. Deshalb ist hier eine Bündelung der Verkehrsnachfrage mehrerer Relatio­ nen besonders wichtig. Das Bauwerk ist wirtschaftlicher, wenn es von möglichst vielen Verkehrsteilnehmenden genutzt wird. • Die Bündelung vieler Relationen in einem Brückenbauwerk führt dazu, dass Brücken besonders vulnerable Bauwerke sind. Der Ausfall eines Objekts kann die Verbin­ dungsfunktion des Verkehrswegenetzes erheblich beeinträchtigen. Die Bedeutung eines Brückenbauwerks in einem Verkehrswegenetz lässt sich mit Ver­ kehrsnachfragemodellen bestimmen. Dazu wird eine Nachfragematrix, die die Verkehrs­ nachfrage zwischen den Quellen und Zielen eines Untersuchungsraums enthält, auf das Verkehrswegenetz umgelegt. Diese Ver­ kehrsumlegung bildet das Routenwahlver­ halten der Verkehrsteilnehmenden ab und ermittelt so Verkehrsstärken für jedes Netz­ element. Die Ergebnisse einer Umlegung bilden die Grundlage für Nutzen-KostenUntersuchungen eines neuen Verkehrs­ wegs, wie sie beispielweise in Deutschland bei der Bundesverkehrswegeplanung durch­ geführt werden. Umlegungen können aber auch genutzt werden, um die verkehrlichen Wirkungen einer Vollsperrung abzuschät­ zen, die beim Versagen eines Brückenbau­ werks notwendig wird. Abb. 6 (S. 48) zeigt

Brücken und Verkehr

47

die Wirkungen einer Vollsperrung beim Aus­ fall einer konkreten Brücke – in diesem Fall der Kochertalbrücke auf der Autobahn A 6. Die Vollsperrung führt dazu, dass täglich etwa 50 000 Fahrzeuge einen Umweg in Kauf neh­men müssen, der im Mittel einen Zeitverlust von einer Stunde bedeutet. Eine entsprechende Prüfung der Netzbedeut­ samkeit eines Verkehrsbauwerks ist bisher in den Regelwerken jedoch nicht vorgese­ hen. Anforderungen an zukünftige Brücken­ bauwerke Ein großer Teil der Brücken, zumindest in Westeuropa, wurde vor 1990 gebaut. In Deutschland sind etwa 10 % der Brücken im Bundesfernstraßennetz in einem nicht ausreichenden Zustand, bei 2 % wird der Zustand als ungenügend beurteilt [7]. Ursa­ che dafür sind neben verspäteten Erhal­ tungsmaßnahmen, starke Zuwächse im Schwerverkehr und eine Anhebung des zulässigen Lkw-Gesamtgewichts. Seit 1960 hat sich die mittlere Verkehrsstärke auf Auto­ bahnen über alle Kraftfahrzeuge verfünffacht, der Schwerverkehr stieg fast um das Vier­ fache [8]. Das zulässige Gesamtgewicht hat sich in diesem Zeitraum von 32 t auf 44 t (Sattelschlepper) erhöht [9]. In Österreich zeigt die Tendenz der tatsäch­lichen Ver­ kehrs­zunahme und der gesetz­lichen Last­ steigerung auf Straßen­brücken seit 1945 ebenfalls nach oben (Abb. 7). Diese Entwicklung war vor 50 Jahren so kaum vorhersehbar. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine bessere Prognose der Verkehrsstärken und der Fahrzeuggewichte zu anderen Bauwerken geführt hätte. Wäre es sinnvoll gewesen, bereits 1960 alle Auto­ bahnbrücken für einen sechsstreifigen Querschnitt und für die heutigen Fahrzeug­ gewichte zu dimensionieren? Für diese Brü­ cken wären höhere Investitions- und Unter­ haltungskosten angefallen, obwohl die Bau­ werke nur einen Teil ihrer Nutzungsdauer voll ausgelastet gewesen wären. Die Frage

48

ist auch für die Dimensionierung zukünftiger Brückenbauwerke von Bedeutung. Jede Prognose über künftige Entwicklungen im Verkehr ist mit Unsicherheiten verbunden, und sie werden durch die intensiv geführte Klimadebatte nicht einfacher. Das betrifft nicht nur die Verkehrs­stärke, sondern auch die Verkehrsart und den Verkehrsfluss. Kommt es durch gezielte staatliche Initiati­ ven zu einer deutlichen Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene oder bei kurzen Distanzen gar auf das Fahrrad? Wie beeinflussen die Digitalisierung und die Autonomisierung des Verkehrs die künftige Brückendimensionierung? Lassen sich durch verkürzte Zugintervalle höhere Stre­

Zeitaufwand in 1000 h Zustand 1:  5760 Zustand 0:  5710 Differenz:   50

6  Wirkung einer Strecken­ vollsperrung auf den Reisezeitaufwand eines Tages, hier am Beispiel der Kochertalbrücke Annahmen: • Den Verkehrsteilnehmern stehen nur Alter­ nativen im Autobahnnetz zur Verfügung. Das nachgeordnete Straßennetz kann nicht für eine Umleitung genutzt werden. • Es wird nur die Verkehrsnachfrage im Pkw-Verkehr mit Quelle und Ziel in Deutschland berücksichtigt.

Vollsperrung zusätzlicher Verkehr Zustand 1 Zustand 1: mit Sperrung Zustand 0: ohne Sperrung

Vollsperrung zusätzlicher Verkehr Zustand 1 6

Anmerkungen: [1] BMVI 2019 [2] BASt 2019 [3] DB Netze 2018 [4] Arndt 2013 und Difu 2015 [5] ADAC 2013 [6] FGSV 2008 [7]  BASt 2019 [8] BMVI 2019 StVZO 2020 [9]  und 1960

45

7000000

40

6000 000

35 30

5000 000

25

4000000

20 zulässiges Gesamtgewicht Kraftwagen zulässiges Gesamtgewicht Kraftwagen mit Anhänger Anzahl Kraftfahrzeuge

15 10 5 0

1945 1955

1965

1975

1985

1995

ckenkapazitäten schaffen? Auf der Straße können automatisierte Fahrzeuge in Zukunft wahrscheinlich mit engeren Abständen ver­ kehren. Eher unwahrscheinlich, aber trotz­ dem denkbar ist eine Entwicklung, bei der automatisierte Fahrzeuge mit perfekter Spur­ haltung geringere Fahrstreifenbreiten erfor­ dern. Dann könnten auf einem Querschnitt mit heute drei Fahrstreifen in Zukunft vier Fahrstreifen angeordnet werden. Effizientere Fahrbahnnutzungen wie Lane Sharing, rich­ tungswechselnde Fahrstreifenzuweisungen etwa mittels der Road-Zipper-Technologie (Abb. 1, S. 44) oder eine temporäre Pannen­ streifenfreigabe sind schon jetzt weltweit im Einsatz oder in der Erprobung, um tages­ zeitabhängige Verkehrsspitzen besser bewältigen zu können. Vermutlich erweist es sich jedoch nicht als wirtschaftlich sinnvoll, Brückenbauwerke in Zukunft so zu dimen­ sionieren, dass alle mög­lichen Entwicklun­ gen Berücksichtigung finden, die während der Nutzungsdauer eintreten könnten. Not­ wendig bei der künftigen Brückenplanung ist vielmehr ein hohes Maß an Nutzungs­ flexibilität (siehe „Flexibilisieren“, S. 30). Aus verkehrlicher Sicht lassen sich folgende Anforderungen an zukünftige Brückenbau­ werke formulieren: • Lastmodelle sollten von einem dichteren Verkehr mit geringen Fahrzeugabständen ausgehen.

2005

2015 2025 Jahr

3000000

Anzahl der Kraftfahrzeuge

Gesamtgewicht [t]

7  reale (= Anzahl der Kraftfahrzeuge) und gesetzliche (= zulässiges Gesamtgewicht) Laststeigerung auf Brücken in Österreich Der Anstieg im Jahr 2019 ist auf die Anhebung des zulässigen Gesamtgewichts für Kfz mit elektrischem Antrieb zurückzuführen.

8000000

50

2000 000 1000 000 0 7

• Bei der Planung eines Brückenbau­ werks ist es ratsam, bereits Anforderun­ gen zu beachten, die für die Erstellung eines Ersatzneubaus unter voller Auf­ rechterhaltung des Verkehrs notwendig sind. • Bei der Gestaltung von Verkehrswege­ netzen sollte die Verfügbarkeit von Alter­ nativrouten als ein zusätzliches Bewer­ tungskriterium in Wirtschaftlichkeitsunter­ suchungen eingehen. So kann die Bedeu­ tung kritischer Netzelemente erkannt und berücksichtigt werden. Das gilt insbeson­ dere für Brücken. • Die planmäßige Instandhaltung von Brü­ ckenbauwerken und die damit verbunde­ nen Baustellen wirken sich negativ auf den Verkehrsablauf aus. Kapazitätsreduk­ tionen aufgrund von Baustellen erfordern ein langfristiges, netzweites Baustellen­ management. Ziel dieses Baustellen­ managements muss es sein, die Bau­ tätigkeiten so zu koordinieren, dass auf Ausweichrouten zeitgleich keine Bau­ stellen eingerichtet werden. • Der Raum unter einer Brücke bedarf beim Brückenentwurf einer höheren Aufmerk­ samkeit. Dieser Raum weist in Städten häufig eine mangelhafte Aufenthaltsqua­ lität auf, ist verdreckt und unwirtlich. Für jede Brücke sollte ein Nutzungskonzept für diesen Raum entwickelt werden.

Brücken und Verkehr

49

Erhalten und Bewerten von Brücken Weiternutzen oder Neubauen?

Brücken sind Bauwerke mit einer langen Nutzungsdauer. Straßen- und Eisenbahnbrücken werden für eine Nutzung von ca. 100 Jahren ausgelegt. Robust konstruiert und ordnungsgemäß instandgehalten, lassen sich Brücken aber auch mehr als 100 Jahre zuverlässig nutzen. Der Erhalt und die Weiternutzung älterer Brücken hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie z. B. dem Bauwerkszustand, der einwirkenden Belastung sowie den aktuellen und zukünftigen Verkehrsentwicklungen. In den letzten Jahrzehnten sind die Anforde­ rungen an Brücken durch ein höheres Verkehrsaufkommen und den zunehmenden Schwerlastverkehr bei gleichzeitig abnehmendem Bauwerkszustand deutlich gestiegen. Allerdings wurden die in Deutschland zum großen Teil aus den 1960- bis 1980erJahren stammenden Brückenbauwerke auch nicht nach heutigen Grundsätzen entworfen und sind nicht für die jetzigen Verkehrsbelastungen ausgelegt, hier spricht man von konzeptioneller Alterung („conceptual aging“). Seit den 1980er-Jahren hat insbesondere der Lkw-Schwerlastverkehr stark zugenommen (Abb. 1). Neben der altersbedingten Zustandsverschlechterung der Brücken haben die erhöhten Belastungen dabei einen sehr großen Einfluss auf die Stand­

50

sicherheit und die Dauerhaftigkeit der Brückenbauwerke [1]. Dies ist nicht nur ein europäisches Problem. In vielen Industrienationen ist die Brücken­ infrastruktur stark instandsetzungsbedürftig. In den USA beispielsweise müssen über ein Drittel der Brücken saniert bzw. erneuert werden [2]. Neben den Investitionen in Ausbau und Neubau ist aber auch der Erhalt der vorhandenen Brücken für eine sichere, robuste, funktionsfähige und resiliente Verkehrsinfrastruktur von entscheidender Bedeutung. Die Errichtung einer Brücke verbraucht neben dem Investitionsvolumen auch Material, Energie, Ressourcen und CO2, die im Bauwerk gespeichert sind. Aus volkswirtschaftlichen, ressourcenschonenden, aber auch kulturellen Gründen sollten Brücken erst dann erneuert werden, wenn sie sich nicht mehr für eine zusätzliche Nutzungsperiode instandhalten lassen, d. h., wenn sie mit vertretbarem finan­ziellen Aufwand nicht mehr saniert bzw. instandgesetzt oder auf den aktuellen Stand der Technik verstärkt bzw. ertüchtigt werden können. Der Erhalt einer Brücke hängt vor allem davon ab, ob sie noch geometrisch passend und ausreichend tragfähig ist und ob der vorhandene Bauwerkszustand eine Instandsetzung zulässt.

2005

8

1984 Fahrzeugtyp

Fahrzeugtyp

1984

9

33

8 9

35

33

41

35

97

41

98

97

andere

98 0

10

1  Veränderung des Fahrzeugkollektivs (Verringerung des zweiachsigen und Erhöhung des mehrachsigen Lkw-­ Verkehrs mit Sattelzügen) im Schwerlastverkehr auf Autobahnen in Deutsch­land 1984 und 2005 Im Vergleich. Fahrzeugtypen (Auswahl) nach TLS2012 (BASt 2012) für den Schwerlastverkehr

2  Eisenbahnbrücke Hermann-Lönspark, Hannover (DE) 1906 a Zustand 2014 b nach der Überbauerneuerung und Widerlagerinstandsetzung 2019

20

2005

andere 60 30 40 50 Häufigkeiten der Fahrzeugtypen [%] 0 10 1

Der Erhalt des derzeitigen Brückenbestands ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe der Infrastrukturbetreiber weltweit und stellt Brückenbauingenieure vor große technische Herausforderungen. Neben der Beurteilung der Tragfähigkeit und Bewertung der Bauwerkssubstanz, die ein Höchstmaß an Erfahrung und Fingerspitzengefühl erfordern, sind verlässliche Zukunftsszenarien zur Verkehrsentwicklung, Belastung und Zustandsprognose auszuarbeiten. Damit lassen sich Restnutzungszeiträume, Instandsetzungsintervalle und Risikoeinschätzungen treffen. Für die Verlängerung der Nutzungsdauer kommen neben Ertüchtigungsmaßnahmen auch Monitoringsysteme und perspektivisch die digitale, prädiktive Zu­­ standsüberwachung zum Einsatz. Denkmalschutz und Baukultur Viele Brücken haben eine städtebauliche und baukulturelle Bedeutung, da sie Teil der genutzten Umwelt sind. Menschen bedienen sich der Bauwerke, um Hindernisse zu überqueren, und haben sich an diese gewöhnt. Deshalb sind gerade viele historische Brückenbauwerke wichtige und identitätsprägende Zeugnisse und stehen unter Denkmalschutz. Die Denkmaleigenschaft einer Brücke ergibt sich generell aus den zwei Faktoren Denkmalfähigkeit und

Denkmalwürdigkeit. Bei den Schutzgründen, mit denen sich die Denkmaleigenschaft belegen lässt und die sich teils inhaltlich überlagern, handelt es sich im Allgemeinen um geschichtliche, künstlerische, wissenschaftliche und städtebauliche Bedeutungskriterien [3]. Bei Veränderungen der Infrastruktur oder einem so schlechten Zustand der Bauwerke, dass eine Instandsetzung oder Ertüchtigung sehr aufwendig und technisch schwierig wäre, entsteht häufig die Forderung nach Abriss und Neubau. Ein Konflikt aus diesen beiden gesellschaftlichen Bedürfnissen ist vorprogrammiert. Während die Bauverwal60 20 30 40 50 tungen für die wirtschaftliche, einschränHäufigkeiten der Fahrzeugtypen [%] kungsfreie und sichere Funktionsfähigkeit der Brückenbauwerke verantwortlich sind und aus diesen Gründen oft Neubauten präferieren, setzen sich auf der anderen Seite die Landesvertreter für Denkmalpflege für den Erhalt jedes einzelnen Objekts ein (Abb. 2) [4]. Nicht alle denkmalgeschützten Bauwerke können erhalten werden, da sie oft nicht mehr den heutigen technischen Anforderungen genügen. Dennoch sollte es Ziel sein,

a

b

Erhalten und Bewerten von Brücken

2

51

technischer Erhaltungskreis

Bauwerksprüfung, Monitoring konsumptive Reparaturen strategische Regelung Strategie zum Bauwerkserhalt (Ersatz-) Neubau

• strategische Zielsetzungen der Verkehrslastträger • Termin- und Kostenmanagement • lebensdauerorientiertes Entwerfen und Erhalten

Nachrechnung, Schadensanalyse

technische und ­wirtschaftliche Bewertung

Instandsetzung, Verstärkung

3

der Erneuerung der Brückeninfrastruktur. Die Nutzungsdauer einer Brücke ist vom technischen Erhaltungskreislauf und den strategischen Regelungen im Brückenmanagement geprägt (Abb. 3). Im Auftrag der Brückenbetreiber inspizieren Brückenprüfer regelmäßig die Bestands­ brücken im Rahmen von Bauwerksprüfungen und nehmen ihren Istzustand auf. Dabei werden Schäden und Auffälligkeiten dokumentiert, kategorisiert und in Schadensklassen eingeteilt (Abb. 4). Im Ergebnis der Brückeninspektion wird beispielsweise in Deutschland die Stand­ sicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrs­

bei Umbauten möglichst den ursprünglichen Charakter der historischen Bausub­stanz zu belassen und nicht weiterverwendbare Bauteile durch neue zu ersetzen und in den Bestand zu integrieren. Denn nur so können wichtige Zeugnisse der Brückenbaukultur wie etwa besondere technische Konstruk­ tionen, spe­zi­elle Bauarten oder seltene Baustoffe für nach­folgende Generationen erhalten bleiben. Erhalten Die Verlängerung der Nutzungsdauer durch Erhaltungsmaßnahmen gewinnt zunehmend an Bedeutung gegenüber dem Ausbau und Stahlbeton

Spannbeton

Stahl

Gewölbe

WIB

mittlere Zustandsnote

1

3  Kreislauf der Erhaltung und strategischen Regelungen nach DIN EN 1992:2-2010

2

Zustandsnoten: 1 keine Maßnahme erforderlich 2 Instandsetzungsmaßnahme sind zu planen 3 Erneuerungsmaßnahmen sind zu prüfen 4 Erneuerungsmaßnahmen sind zu planen

3

4

52

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100 110

120 130 140 150 160 170 Alter der Brücke [Jahre] 4

4  progressive Veränderung des Zustands der Eisenbahnbrücken nach Bauarten bei der Deutschen Bahn

5  Beispiele für verschie­ dene Ertüchtigungs­ maßnahmen a nachträgliche innen liegende, externe Vorspannung, Sieg­ talbrücke, Siegen (DE) 1969, Sanierung 2018, König und Heunisch Planungs­ gesellschaft b nachträglich ergänzte externe Vorspannung auf der Rachenbach­ brücke L 39 (AT) 2007, Zimmermann, Kuss & Partner c Verstärkung mit vor­ gespannten CFKLamellen

•  Wartung und Unterhalt • Instandsetzung • Ertüchtigung • Erneuerung

5

Der Brückenbetreiber hat den Nutzungszu­ stand mit Erfüllung von Trag- und Nutzungs­ sicherheit bauwerksspezifisch zu definieren und ist für Wartung und Unterhalt der Brü­ cke zuständig. Als Instandsetzung werden alle Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustands bezeichnet. Sie sind dann erforderlich, wenn der Istzustand vom Soll­ zustand abweicht. Typische Instandhal­ tungsmaßnahmen sind beispielsweise die Erneuerung des Korrosionsschutzes, der Fahrbahnbeläge und der Abdichtung sowie die Instandsetzung bzw. Erneuerung von Übergangskonstruktionen, Brückengelän­ dern, Ent­wässerungseinrichtungen, Lagern oder Kappen. Für Ertüchtigungsmaßnahmen gelten die zum Zeitpunkt der Planung der Ertüchti­ gung gültigen Regelwerke. Es können durch den Infrastrukturbetreiber projektbezogen Lastansätze festgelegt werden. Beispiele für Ertüchtigungsmaßnahmen sind der nachträgliche Einbau einer externen Vor­ spannung, die Verstärkung mittels Kohlen­ stofffaser-Lamellen (CFK-Lamellen) oder Stahllamellen (z. B. Querkraftverstärkung) sowie statisch wirksame Querschnitts- und Bewehrungsergänzungen (Abb. 5) [5].

sicherheit mit den Noten 1– 4 eingestuft. Daraus lassen sich Schadensanalysen erstel­len und mögliche zukünftige Ver­ schlechterungen prognostizieren. Anhand der Ergebnisse müssen die Infrastruktur­ betreiber mit Unterstützung von Fachexper­ ten Instandhaltungs­strategien erarbeiten und bei Bedarf Instandsetzungs- oder Ver­ stärkungsmaßnahmen planen und umset­ zen. Die Erhaltungsstrategien sind in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Allgemein definiert man die erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung im Lebenszyklus einer Brücke wie folgt:

Bewerten Die Bewertung des Erhaltungszustands bestehender Brückenbauwerke unterschei­ det sich grundsätzlich vom üblichen Pla­ nungsprozess im Neubau. Hier sind die Inge­nieure gefordert, sich mit den Bestands­ konstruktionen auseinanderzusetzen und diese nach dem heutigen Stand der Tech­ nik zu beurteilen. Die Methodik, die Informa­ tionsbeschaffung und die Grund­lagenermitt­ lung gestalten sich vollkommen anders als im Neubau und sind viel wesentlicher, da nur mit abgesicherten Grundlagen Bau­

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b

c

Erhalten und Bewerten von Brücken

53

werke ana­lysiert werden können. Die vorhandene Geometrie, Konstruktion und sta­ tische Querschnitte sind nicht mehr ohne Weiteres veränderbar. Oft liegen nur unzureichende Bestandsunterlagen oder Statiken vor, die mit völlig anderen Bemessungs­ vorschriften als heute geplant wurden. Deshalb sollten nur Ingenieure mit vertieften Kenntnissen und Erfahrungen im Umgang mit Bestandsbrücken die Bewertung vornehmen. Gibt es keine Bauschäden und konstruktiven Mängel, die die Tragfähigkeit der Struktur beeinflussen, ist davon auszugehen, dass sich die entsprechenden Tragsysteme bewährt haben. Umgekehrt können Bau­ schäden und konstruktive Mängel ebenfalls Rückschlüsse auf das Tragverhalten eines Tragsystems geben [6]. Bei Schäden, Zustandsveränderungen, Lasterhöhungen oder Umbauten und Verbreiterungen sind bestehende Bauwerke hinsichtlich ihrer weiteren Nutzbarkeit zu bewerten. Dabei hat sich in Deutschland eine stufenweise Herangehensweise als praktikabel erwiesen [7]. Die wesent­lichen Schritte der Bewertung einer Brückenkon­struktion sind die Bestandsaufnahme, die statische Nachrechnung, Kurzzeitmessungen und bei Eisenbahnbrücken oft statische oder dynamische Belastungsversuche. Bestandsaufnahme (Diagnostik) Grundlage der Bewertung von Brücken ist die Bestandsaufnahme. Dazu wird nach einer Sichtung der Bestandspläne und ­-statiken – sofern vorhanden – ein Unter­ suchungskonzept zur Aufnahme des aktuellen Bauwerkszustands erarbeitet. Je nach Bauwerk, Zustand und Aufgabenstellung sind unterschiedliche Untersuchungsstrategien durchzuführen. Zu den wesentlichen Untersuchungsschritten und -arten zählen: • Erfassung des Bauwerkszustands durch optische Begutachtung • Erfassung der Geometrie durch Verformungsmessungen, Laserscan o. Ä.

54

6  verschiedene Prüfverfahren an Spannbetonbrücken a Probeentnahme aus Spanngliedern (zerstörungsarm) b Ergebnisplot (links) einer Radarmessung zur Bewehrungsund Rissortung (zerstörungsfrei), mit zugehörigem Bohrkern (zerstörend) c Rückdehnungsmessung (zerstörend) an Spanngliedern

a

b

c

6

• Aufnahme der Erkenntnisse zu Schäden, Rissen, inneren Abmessungen, Bewehrungen, Korrosionsgraden • Erfassung der Baustoffeigenschaften durch Entnahme von Proben für Materialkennwerte und chemische Untersuchungen Dabei kommen zerstörungsfreie oder -arme oder zerstörende Prüfverfahren zum Einsatz (Abb. 6). Ziel der Untersuchungen ist es, die geome­trischen und baustofflichen Eigenschaften zu ermitteln und Defizite hinsichtlich der Tragfähigkeit, Gebrauchstauglich-

a 7  Bauwerksdiagnostik als Basis für digitale Bestandsmodelle a Probekörper zur Aufnahme innerer Tragstrukturen an einem Spannbetonsteg, Werntalbrücke, Arnstein (DE) 1965 b digitalisierter 3-DQuerschnitt der Spannglieder und Bewehrungslagen des Probekörpers c Ultraschall-Mehr­ kanal-Messtechnik für die zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) von Beton

b

keit oder Dauerhaftigkeit zu lokalisieren. Darauf aufbauend lassen sich Nachrechnungen und Nutzungsdauerprognosen sowie Rückschlüsse zur Instandsetzungsmöglichkeit und -würdigkeit erstellen. Die Bauwerksdiagnostik ist eng gekoppelt an die Bestandsdokumentation und wird damit in Zukunft neben der 3-D-Erfassung der Bauteilkubatur Teil eines digitalen BIM(Building Information Modeling)-Bestandsmodells werden (Abb. 7). Zahlreiche Forschungseinrichtungen arbeiten derzeit an der Entwicklung entsprechender Techniken und Schnitt­stellen von der digitalen Bestands­ erfassung von Strukturen und Schädigungen hin zum digitalen Zwilling. Nachrechnung Das Erfordernis und das Procedere einer Nachrechnung von Brücken ist länderspezifisch unterschiedlich geregelt. In Österreich gilt der Vertrauensgrundsatz, der davon ausgeht, dass Bestandsbrücken ohne kon­struk­ tive Mängel oder Schäden, die die Tragfähigkeit beeinflussen, als erprobt gelten und eine Nachrechnung auf Basis des aktuellen Normenwerks in der Regel nicht notwendig ist [8]. Bei Anzeichen von statisch relevanten Schäden, baulichen Eingriffen in die Trag­ struktur, markanter Erhöhung der Verkehrslasten durch z. B. Schwerlasttransporte oder

c

7

einer Nutzungsänderung ist eine Nachrechnung erforderlich [9]. In Deutschland wird die Nachrechnung von Brücken über die Nachrechnungsrichtlinie (NRR) [10] für Straßenbrücken und die Richtline 805 [11] für Eisen­bahn­brü­cken geregelt. Die Nachrechnungsrichtlinie eröffnet dem erfahrenen Planer und Ingenieur durch spezielle Regelungen oder Vorgaben einen erweiterten Handlungsrahmen und bietet die Möglichkeit, die Reserven des Tragwerks und der Baustoffe stärker auszunutzen, ohne das nach DIN EN 1990 geforderte Zuverlässigkeitsniveau einzuschränken. Sie entbindet ihn nicht von einer selbstständigen Bewertung der Ergeb­ nisse, die nach wie vor eine verantwortungsvolle Ingenieursaufgabe darstellt. Während Neubauten auf Grundlage angenommener Materialeigenschaften bemessen werden, spricht man bei Bestandsbrücken von der Nachrechnung mit festgelegten bzw. am Bauwerk bestimmten Material­ eigenschaften. Die Nachrechnung findet schrittweise in bis zu vier Stufen statt. In der Nach­rechnungsrichtlinie werden Werkstoffkennwerte als Rechenwerte bereitgestellt. Die Nachrechnung erfolgt auf Basis einer Bestands­erfassung und nach vorab defi­nier­ten Zielen und Szenarien. Die Ergebnisse sind hinsichtlich der Tragfähigkeit, Gebrauchs­tauglichkeit, Ermüdung und

Erhalten und Bewerten von Brücken

55

a

b

c

8

Dauerhaftigkeit ingenieurmäßig zu bewerten. Erforderlichenfalls müssen spezielle Prüfanweisungen einschließlich der Angabe von Detektionsbereichen für erwartete Schädigungen (z. B. Risse) für das Bauwerk erstellt werden. Gegebenenfalls sind auch Sofortmaßnahmen zur Sicherstellung der Stand­sicherheit anzuordnen (z. B. verkehrsbeschränkende Maßnahmen). Belastungsversuche Bei der Bewertung bestehender Bauwerke kann Unkenntnis über das Innenleben der Tragwerke allerdings auch zu konservativen Modellen und Annahmen führen, eine Nach-

56

rechnung ist dann oft wenig aussagekräftig. Daher hat sich in einigen europäischen Ländern für die Bewertung von Bestandstragwerken die experimentell gestützte Nachweisführung etabliert (Stufe 3 der NRR), die durch gezielt aufgebrachte Einwirkungen direkt am Bauwerk sowie durch die messtechnische Erfas­sung und Auswertung der Bauwerksreaktionen erfolgt. Mit diesen experimentell ermittelten Werten können die theoretischen Modelle oder Rechenannahmen verbessert und die Tragsicherheit zuverlässiger beurteilt werden. Durch die verbesserten Erkenntnisse kann man häufig Tragreserven erschließen, mit denen sich aufwendige Verstärkungen oder gar ein Ersatzneubau vermeiden lassen [12]. Bei Bestandsbrücken gibt es unterschiedliche Aufgabenstellungen für Belastungsversuche (Abb. 8): • Stufe 3 der Nachrechnungsrichtlinie als Systemmessung und für die Modellkali­ brierung • Ermittlung von statischen oder dynamischen Eigenschaften des Bauwerks • Bremslastversuche an langen Eisenbahnbrücken • dynamische Belastungsversuche mit verschiedenen Erregern (ambiente Einwirkung, Fallgewicht, Schwingungserreger, Zugüberfahrt) • Nachweis einer ausreichenden Tragsicherheit gegenüber definierten Einwirkungen Monitoring — prädiktive Instandhaltung — digitaler Zwilling Monitoring ist die systematische und kontinuierliche Überwachung von einwirkenden Größen oder von Bauwerksreaktionen mittels elektronischer Messsysteme. Analog zum medizinischen Monitoring können auch Bau­werke für 24 Stunden an 7 Tagen in der Woche überwacht werden, bei Störungen erfolgen nach festgelegten Prozess­ ketten entsprechende Benachrichtigungen (Abb. 10). Dazu werden vorab kritische Zustände (Warn- und Schwellwerte) festgelegt. Je nach Aufgabenstellung ergeben

8  verschiedene Belastungsversuche a Belastungsversuch mit hydraulischen Pressen zur Ermittlung der Unterbau­ steifigkeiten an der Itztalbrücke, ICE Neubaustrecke Ebensfeld– Erfurt (DE) von 2004 b Belastungsversuch mit schweren Autobetonpumpen zur Messung der Hängerkräfte und Spannungen im Tragwerk, Köhlbrandbrücke, Hamburg (DE) von 1974 c Bremsversuch auf der Eisenbahnbrücke Stöbnitztal, ICENeubaustrecke Erfurt—Leipzig/Halle (DE) von 2013

Anmerkungen:   [1] BASt Heft B 68  [2] 2020 ARTBA Bridge Report (USA)  [3] Arbeitshilfe 2020, S. 14  [4] Marx 2020   [5] ÖNORM B 40082:2019-11-15  [6] ebd.   [7] Fingerloos / Marx / Schnell 2015   [8] wie Anm. 5  [9] ebd. [10] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Abteilung Straßenbau 05/2011 [11] DB Netz AG, Richtline Ril 805, 2012 [12] DAfStb-Richtlinie für Belastungs­ versuche 2020 [13] DBV-Merkblatt 08/2018

reales Bauwerk

digitaler Zwilling

Geometrie + Daten

BIM

Zustand

Monitoring + Bauwerksprüfung

9 9  Vom Bestand zum digitalen Zwilling zur Visualisierung realer Bauwerkszustandsdaten der Köhlbrand­brücke in Hamburg (DE) von 1974

10  Mit einem Schallemis­ sionsmonitoring an der spannungs­riss­kor­ ro­sionsgefährdeten Stennertbrücke in Hagen (DE) von 1959 wird nachgewie­sen, dass unter Dauerbelastung keine Spann­stahl­ brüche auftreten und eine weitere Nutzung auch ohne Ankündigungsverhalten möglich ist.

sich sehr unterschiedliche Anforderungen an die Technik, an den Zeitraum und an die Auswertung [13]. Das Bauwerksmonitoring hat sich in den ver­ gangenen Jahren zu einem zuverlässigen und anerkannten Verfahren zur Messung des Bauwerksverhaltens und dessen Veränderungen entwickelt. Durch neue Sensorund Auswertungstechnik sowie durch die Digitalisierung ist die Bedeutung des Brückenmonitorings und das Potenzial für die Brückenbewertung in den letzten Jahren stark gestiegen. Typische Anwendungsfälle für Brückenmonitoring sind: • Sicherheitserhöhung bei Bauarbeiten neben Brücken in Nutzung • Bestätigung des Bauwerksverhaltens bei der Einführung neuer Bauarten oder Komponenten • Verlängerung der planmäßigen Nutzungsdauer einer Brücke • Erhöhung der Nutzungsanforderungen (Verkehrslasterhöhungen, Geschwindigkeitsanhebungen auf Eisenbahnstrecken) • messwertgestützte Nachweisführung bei Überschreitung von rechnerischen Grenzwerten

lung eines digitalen, prädiktiven Instandhaltungskonzepts für Brücken geforscht, das auf Basis von Struc­tural Health Monitoring (SHM) und der gesamten Datenintegration in einem digitalen Bauwerks­modell nach der BIM-Methode einen direkten Überblick über den Bauwerkszustand in unterschiedlicher Datendetailtiefe gibt. Die zentrale Datenerfassung und -auswertung über die Sensorik im Bauwerk wird erweitert um die Verarbeitung von Daten der Fahrzeugsensorik, der Verkehrs­erfassung, den Klimadaten usw. Die Zusam­menführung aller Daten erfolgt in einem digitalen Zwilling des Brücken­ bauwerks und die Auswertung über künstliche Intelligenz (KI) und Zustandsanzeigen („condition indicators“; Abb. 9). Damit sollen am Tragwerk über Mustererken­nung ­Veränderungen festgestellt werden, bevor Schäden sichtbar sind. Die Entwicklung, Test­phase und Einführung der prädiktiven Instandhaltung („predictive main­ten­ance“) in Verbindung mit maschinellem Lernen („machine learning“) wird ein neues Zukunfts­ feld der Brückeninstandhaltung werden.

Eine prädiktive, also vorausschauende, lang­ zeit­­liche Überwachung, wie sie in vielen anderen industriellen Bereichen bereits etabliert ist, ermöglicht eine Senkung der Wartungs- und Instandhaltungskosten und führt zu einer Steigerung der Betriebs- und Ausfallsicherheit. Derzeit wird an der Entwick-

10

Erhalten und Bewerten von Brücken

57

Einwirkungen Innere und äußere Belastungen

Objekteigene Einwirkungen Einwirkungen auf das Objekt treten durch das Eigengewicht der Konstruktion auf, im Lastverhältnis [gK /(gA+p)]

100 80

Eisenbahnbrücken Straßenbrücken Fußgängerbrücken

60

Wesentlichen durch die Rohwichte der verwendeten Baustoffe (z.B. Stahl, Beton, Holz) und die auftretenden materialspezifischen Eigenschaften bei Verformungs­behinde­ rungen sowie durch die Vorspannung in Spannbetonquerschnitten. Eigengewicht und Ausbaulasten Brücken werden im Wesentlichen durch ihr Eigengewicht beansprucht. Je länger die Stützweite der Tragkonstruktion, desto größer ist das Verhältnis von Eigengewicht zu allen anderen einwirkenden Lasten und desto kleiner ist die Schlankheit (Abb. 1). Das Eigengewicht bestimmt sich aus den Rohwichten der Materialien und deren Volumina Schlankheit [λ = L/d]

Zur Festlegung der Bauteildimensionen einer Brücke müssen alle absehbaren Einwirkungen auf das Bauwerk sicher abgeschätzt werden. Diese von der spezifischen Nutzung, geografischen Lage und den Umweltbedingungen abhängigen Faktoren werden auf Basis der in den Ländern gültigen Regelwerke individuell bestimmt. Die anzusetzenden Lasten sind zur statischkonstruktiven Dimensionierung des Brückentragwerks noch mit entsprechenden Sicherheitsbeiwerten zu beaufschlagen.

35 30

Eisenbahnbrücken Straßenbrücken Fußgängerbrücken

25 20 15

40

10 20 0

a

58

5 0 10 20 30 40

50 60 70 80 90 100 Spannweite [m]

0

b

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Spannweite [m] 1

1  Vergleich eines einfeldrigen Rechteckbalkens aus Beton unter Fußgänger-, Straßen- und Eisenbahnverkehr a Verhältnis von Kon­ struktionslasten (gK) und der Summe aus Aus­baulasten (gA) und Verkehrslasten (p) in Ab­hängigkeit von der Spannweite L von Brücken. Dabei wird die erforderliche Trägerhöhe d unter Annahme eines Bewehrungsgehalts von 0,8 % im Grenz­ zustand der Tragfähigkeit (Zustand II) näherungsweise berechnet. b Schlankheiten λ = L/d in Abhängigkeit von der Spannweite. Bei kurzen Spannweiten (ca. bis 15 m) ist der Einfluss der anzusetzenden Einzellasten bei Straßenbrücken auf die Trägerbemes­ sung gut ersichtlich.

im Bauwerk. Auch die Lasten der für die spezifische Funktion der Brücke notwendigen Ausbauten müssen berücksichtigt werden. Zwang Materialabhängig treten Kräfte aus innerem Zwang auf, die aus Kriech-, Schwind-, Quelloder Hydratationsvorgängen des Baustoffs über die Lebensdauer des Tragwerks entstehen. Diese Zwangsspannungen können jedoch durch Rissbildung – insbesondere bei Verwendung von Stahlbeton – abgebaut werden und spielen deshalb für den Grenzzustand der Tragfähigkeit meistens eine untergeordnete Rolle. Vorspannung Eine Vorspannung kann den Spannungs­ zustand in einem Tragsystem positiv durch Einleitung von Zug- oder Druckkräften beeinflussen. Eine mögliche Rissbildung wie im Stahlbeton wird damit verhindert und so die Dauerhaftigkeit gesteigert. Es tritt auch eine Versteifung des Systems auf, was wiederum z. B. bei Seiltragwerken genutzt werden kann, um schlaffe Zugglieder zu vermeiden. Die Vorspannung bleibt systemimmanent und stellt daher auch eine objekteigene Einwirkung dar. Lasten aus Verkehr Die Verkehrslasten als die zu überführenden Lasten des Brückenbenutzers sind ebenfalls für die Berechnung und Bemessung der Brücke von großer Bedeutung. Durch die dem Verkehr innewohnende Lastbewegung über die Brücke treten auch dynamische Effekte, Brems- und Anfahrkräfte sowie Fliehkräfte auf.

2  Belastungsdichten für unterschiedliche Verkehrslasten durch Radfahrer und Fuß­gänger auf einer Brücke (Darstellung maßstabslos und nicht auf 1 m2 bezogen)

Radfahrer 1kN/m2

Fußgänger 1 kN/m2

Vertikale und horizontale Verkehrslasten Neben der Eigenlast sind die vertikalen Last­anteile aus Verkehr für die Dimensionierung des Tragwerks entwurfsbestimmend. Die angesetzten Lasten sollen dabei aus­ reichend sicher zukünftige Entwicklungen berücksichtigen, jedoch auch eine wirtschaftliche Bemessung ermöglichen. Während bei Fuß- und Radwegbrücken die verstärkte Tendenzen zur Entkopplung von Fußgänger- und Radverkehr eine jeweils spezifisch abgestufte Lastannahme und somit auch teilweise Reduzierung der Verkehrslasten in Zukunft ermöglichen könnte, ist bei den anderen Verkehrsformen eher ein weiteres Anwachsen der zu berücksichtigenden Belastung zu erwarten. Neben dem erwarteten Anstieg des realen Straßenverkehrs (siehe „Anforderungen an zukünftige Brückenbauwerke“, S. 48f.), wird auch beim schienengebundenen Verkehr über Zuglängen nachgedacht, die über die derzeit in Europa gültige Zuglängengrenze von 740 m hinausgehen. So werden in europaweit agie­ renden Organisationen z. B. schon Zuglängen von bis zu 1500 m mit Ladelasten von bis zu 5000 t und 25 t Achslast diskutiert, während in der Golfregion Schienennetze für bis zu 2000 m lange Güterzüge als Containertragwagen mit Doppelstockbeladung mit bis zu 32,4 t Achslast angedacht sind. Fuß- und Radwegverkehr Bei Fuß- und Radwegbrücken (Abb. 2) sind entsprechend jeweiliger nationaler Normung Flächenlasten von ca. 3,5 bis 5 kN/m2 anzusetzen, die in einigen Ländern bei zunehmender Brückenlänge reduziert werden

Fußgänger 1,5 kN/m2

Fußgänger 2 kN/m2

Einwirkungen

2

59

LM 1

2≈ 240 kN

Lastmodell LM1

2≈ 160 kN

9,0 kN/m2

2,5 kN/m2

3,00

3,00 FS 1

FS 2

Restfläche

a LM M Lastmodell LMM

2≈ 240 kN

2,5 kN/m2

2≈ 200 kN

12,0 kN/m2

2≈ 100 kN

6,0 kN/m2

3,00

Restfläche

FS 1

3,00 FS 2

3,0 kN/m2

3,00 FS 3

zulässige Achslast [t]

b

Restfläche 3

25

Eisenbahn

Straßenverkehr

20 15 10 5 0

1830

1870

1910

1950

1990 Jahr 4

können. Eine Flächenlast von 5 kN/m2 bedeutet, dass sich sechs Personen durchschnittlichen Gewichts auf etwas weniger als 1 m2 drängen würden. Für reine Radwegbrücken sollten angesichts der höchstmöglichen Belastungsdichte (Abb. 2, S. 59) zukünftig sinnvollere Annahmen gefunden werden. In der Regel ist jedoch auch bei Fuß- und Radwegbrücken ein Dienstfahrzeug für Räum- bzw. Rettungszwecke zu berücksichtigen, das ins­besondere durch die Achslasten für lokale Bemessungssitua­tionen relevant ist.

60

LM M 3  Straßenverkehr 2≈ 240 kN fiktive Lastmodelle für Für den Straßenverkehr wird die Brücke in 2≈ 200 kN Straßenbrücken mit 12,0 kN/m2 Fahrstreifen eingeteilt und eine idealisierte Verteilung auf den 2≈ 100 kN 3,0 kN/m2 Fahrstreifen (FS) nach 2 vertikale Lastannahme Fahrstreifen getrof6,0je kN/m Eurocode 1 DIN EN fen. Die Lasten werden als fiktive Lastmo1991-2:2010-12 delle mit Einzellasten (Achslasten) und Fläa Lastmodell LM1 b Lastmodell LMM, chenlasten angesetzt, die den derzeitigen das zukunftsweisend 3,00 3,00 3,00 und über die Nutzungsdauer prognostizierin Deutschland FS 1 FS 2 repräsentieren. FS 3 Restfläche ten Pkw- und Lkw-Verkehr angewendet wird 4  Im Eurocode können diese Last­ansätze Entwicklung der Lastdurch Multiplikation mit dem national wählbilder Eisenbahn und baren Anpas­sungsfaktor α auf den entspreStraßenverkehr chenden regionalen Verkehr adaptiert werden. Für Schwerlastrouten gibt es spezielle Lastmodelle, die Fahrzeuge bis 360 t ermöglichen. Horizontallasten aus Bremsen und Anfahren spielen bei Straßenbrücken eine untergeordnete Rolle (Abb. 3 und Abb. 4).

Schienengebundener Verkehr Die Bemessung einer Eisenbahnbrücke erfolgt mit einem allgemeinen Lastmodell LM 71 [1], das die Belastung aus dem Eisenbahnverkehr abbildet (Abb. 5). Über einen Klassifizierungsfaktor 0,75 ≤ α ≤ 1,33 kann das Lastmodell an leichteren bzw. schwereren Verkehr angepasst werden. Neben den vertikalen Fahrzeuglasten nach Norm und den lateralen Kräften aus Seitenstoß und Fliehkraft sind im Eisenbahnbrückenbau insbesondere die enorm hohen Längskräfte aus Bremsen und Anfahren von Bedeutung für die Dimensionierung und damit für den Entwurf. Bei langen zweigleisigen Eisenbahnbrücken müssen Bremskräfte von über 10 000 kN vom Tragwerk aufgenommen werden. Im Vergleich dazu werden nach Eurocode im Straßenbrückenbau die Horizontalkräfte auf maximal 900 kN begrenzt und spielen in der Tragwerksbemessung eine untergeordnete Rolle (Abb. 6). qvk = 80 kN/m

Qvk = 250 kN 250 kN 250 kN 250 kN

0,8 m 1,6 m

1,6 m

5  Lastmodell LM 71 für Eisenbahnlasten nach Eurocode 1 DIN EN 1991-2:2010-12

qvk = 80 kN/m

1,6 m 0,8 m 5

6  Brems- und Anfahrkräfte bei Eisenbahnund Straßenbrücken

12000

Horizontallasten [kN]

— Eisenbahnbrücken Lastfall Anfahren LM 71 — Eisenbahnbrücken Lastfall Bremsen LM 71 — zweigleisige Eisenbahnbrücken Lastfall Bremsen auf zwei Gleisen — Straßenbrücke Lastfall Bremsen in Fahrstreifen 1

10000 8000 6000 4000 2000 0

10

60

110

120

210 310 Einflusslänge [m] 6

Dynamische Lasten Verkehrslasten wirken immer dynamisch auf das Brückentragwerk ein und werden daher bei normalen Anforderungen mit einem dynamischen Beiwert berücksichtigt. Bei leichten Fußgängerbrücken können darüber hinaus Resonanzeffekte aufgrund von fußgänger- oder windinduzierten Schwingungen auftreten, wenn bei geringen Bauwerks­ steifigkeiten die Eigenfrequenz des Tragwerks und die einwirkende Erregerfrequenz nahe beieinanderliegen. Insbesondere bei fußgängerinduzierten Horizontalschwingungen kann es dadurch zum Aufschaukeln kommen: Wie auf einem auf See schaukelnden Schiff versucht der Fußgänger durch seitlich ausgestellte Schritte seinen Gang zu stabilisieren und erzeugt damit noch zusätzliche horizontale Impulse, die so synchronisiert die Auslenkung des schwingenden Systems weiter verstärken. Dieser Lockin-Effekt war beispielsweise Ursache von Schwingungsprob­lemen der Millennium Bridge in London, die deshalb bereits zwei Tage nach der Eröffnung im Jahr 2000 ge­­ schlossen und erst nach dem Einbau von entsprechend ausgelegten Schwingungsdämpfern und -tilgern wiedereröffnet werden konnte. Generell dämpft jede Konstruktion je nach Material und den eingesetzten Verbindungen die Amplitude (max. Auslenkung) des schwingenden Systems durch Reibung

(Energiedissipa­tion). Bei der Auslegung eines als schwingungsempfindlich einzustufenden Brückentragwerks empfiehlt es sich, eventuell notwendige Dämpfer oder Tilger bereits im Entwurf zu berücksichtigen und als Rückfallposition bei der konstruktiven Aus­gestaltung mitzukonzipieren. Im Zuge der Inbetriebnahme kann das tatsächliche Schwingungsverhalten dann am gebauten Objekt gezielt untersucht werden. Meist zeigt sich dabei, dass schon die Systemdämpfung ein Aufschaukeln effektiv unterdrückt. Eisenbahnbrücken sind bei Zugüberfahrten durch die regelmäßig angeordneten Fahrgestelle hohen zyklischen Belastungen ausgesetzt, die vor allem in Hochgeschwindigkeitsnetzen zu Resonanzerscheinungen auf Brücken führen können. Aus diesem Grund sind für Eisenbahnbrücken generell die dyna­mischen Einflüsse aus Zugüberfahrten zu untersuchen und dynamische Berechnungen durchzuführen. Steifere Überbauten rea­ gie­ren im Gegensatz zu weicheren Kon­struk­ tionen dynamisch unkritischer. Bei Einfeldträgern kann eine höhere Steifigkeit über die Vergrößerung der Konstruktionshöhe erzielt werden, was jedoch meist zu massiven und schwerfälligen Tragwerken führt. Eine effizientere Steifigkeitserhöhung ist z. B. durch Systemveränderungen, Einspannungen, Vouten und bei Mehrfeldbauwerken über die Veränderung der Stützweitenverhältnisse im frühen Entwurfsstadium erreichbar. Atmosphärische Einwirkungen Eine Brücke ist Wind und Wetter ausgesetzt. Die Einwirkungen aus der unmittelbaren Atmosphäre können vielfältig sein und müssen entsprechend den regionalen Anforderungen berücksichtigt werden. Lasten aus Wind Einflüsse aus Wind können insbesondere für lange und exponiert gelegene Brücken entwurfsbestimmend sein. Je nach geografi­ scher Lage, Höhe über Gelände bzw. Wasserspiegel, und der aerodynamischen Form

Einwirkungen

61

7

variieren die anzusetzenden Windlasten mitunter um ein Vielfaches. Die in den Normen erfassten Lastansätze bewegen sich notwendigerweise auf der sicheren Seite und können spezifische Situationen dennoch nur schwer erfassen. So ist es bei besonders exponierten und gegenüber windinduzierten Schwingungseffekten sensi­tiven Brückenbauwerken sinnvoll, die Windlasteinwirkung genauer zu ermitteln. Bei Windkanalversuchen können in den physischen Modellen die Bauwerkslage im Gelände und die Turbulenzen erzeugende Umgebung real dargestellt und Windanströmungen aus verschiedenen Richtungen simuliert werden (Abb. 7). Auch lässt sich eine Sensitivität gegenüber windinduzierten Schwingungen leicht identifizieren, was insbesondere bei leichten, weitspannenden Brücken zu einem entwurfsbestimmenden Parameter werden kann. Seit der Jahrtausendwende wird computergestützte, numerische Strömungsmechanik (Computational Fluid Dynamics – CFD) zunehmend als Alternative zu Windkanalversuchen mit physischen Modellen und entsprechender Messtechnik erprobt. Experten diskutieren jedoch, ob kommerziell verfügbare CFD-Programme alle wesentlichen Effekte ausreichend realistisch simulieren. Außerdem benötigen instationäre, also zeitabhängig gesteuerte Simulationen noch immer sehr große Rechenkapazitäten. So wird derzeit für die Mehrzahl der Untersuchungen von Windeinwirkungen auf Brücken der Windkanalversuch noch als die günstigste und zuverlässigste Methode angesehen.

62

Temperatur Brückenbauwerke sind jahreszeitlich abhängiger Witterung und damit auch wechselnden Temperaturen ausgesetzt. Je nach geltender Norm müssen Temperaturspannen von bis zu 80 K eingerechnet werden. Temperaturbedingte Verformungen hängen im Wesentlichen von den zu betrachtenden Bauwerkslängen, den anzusetzenden Temperaturdifferenzen und dem materialspezifischen Temperaturausdehnungskoeffizienten (αT) des Überbaumaterials ab (Abb. 8). Der Temperaturausdehnungskoeffizient ist für Stahl aufgrund seiner homogenen, isotropen Materialeigenschaften als Konstante anzunehmen, beim Holz sind die Werte parallel zur Faser deutlich kleiner als senkrecht zur Faser. Durch sein kapillares Gefüge ist der Wärmeausdehnungskoeffizient des Betons sowohl von der Art, der Zusammensetzung und den Volumen­anteilen der Ausgangsstoffe (wahre Wärmedehnung) als auch vom Feuchtegehalt, von der Temperatur und vom Alter abhängig (scheinbare Wärmedehnung) [2]. Neben einer Dehnung und Verkürzung des gesamten Bauwerks infolge Temperatur können unterschiedliche Temperaturen im Querschnittsverlauf oder zwischen einzelnen Tragwerkskomponenten Einfluss auf die Auslegung der Struktur haben. Somit stellen Temperaturdifferenzen einen wesentlichen Faktor bei der Bemessung der Tragwerke und der Ausrüstungsteile wie etwa Fugen und Lager dar (siehe „Lager“, Δ T = 80 K Stablänge / Material

ΔL = αw · L · ΔL Wärmeausdehnung 100 [mm]

100 [m] Stahl

96 mm

αw = 12 ·10-6

Beton

80 mm

αw = 10 ·10-6

Holz (Fichte faserparallel) 28 mm

αw = 3,5 ·10-6 8

7  Brückenmodell im Windkanal

8  ungehinderte Wärmeausdehnung eines 100 m langen Einfeldträgers aus Stahl, Beton und Holz bei einer Temperatur­ differenz ∆ T von 80 K ∆  T = Temperatur­ differenz αw = Wärmeausdehnungskoeffizient L = Länge ∆ L = Längenänderung

bezogene Amplitude y/D [-]

1 Regen-Wind-induzierte Schwingungen Galloping 0,5

Wirbelablösung Wirbelanregung (von Karman) n=1

0

Spiralseilflattern Böen

n=5

n=2 n=3

0

9  schematischer Überblick von Anregungsmechanismen bei Seilen

10

20 30 Windgeschwindigkeit [m/s] 9

S. 70). Die Bewegungskapazität der Ausrüstungsteile der Brücken ist abhängig von der Bauwerkslänge, dem Baustoff und der Wahl der Festpunkte des Tragwerks.

10  Erddruckermittlung bei integralen Bauwerken nach RE-ING des BMVI a Verteilung des normierten Erddrucks b Widerlagerbewe­ gun­gen infolge Längenänderungen des Überbaus

norminierte Tiefe [z/h von OK WL]

Wind- bzw. Regen-Wind-induzierte Schwingungen Durch Wind treten zahlreiche verschiedene Effekte beispielsweise Galloping (Seilschwingungen quer zur Anströmrichtung, ausgelöst durch Wind) oder Regen-Windinduzierte Schwingungen auf Tragstrukturen auf, die vor allem für seilabgespannte Brücken bemessungsrelevant sind (Abb. 9). Regen-Wind-induzierte Schwingungen resultieren aus der komplexen Interaktion von Seilstruktur, Wind und Regenwasserrinnsa-

a

passiver Erddruck 0 0,25 0,5 0,75 1

mobilisierter Erddruck Erdruhedruck

sh/h = 0,001 sh/h = 0,004

len, die sich auf der Seiloberfläche bilden, und können auf die Gebrauchstauglichkeit, Standfestigkeit und Lebensdauer von Brücken starke Auswirkungen haben [3]. Durch die Regenwasserrinnsale wird der Strömungsquerschnitt des Seils derart verändert, dass es zu starken Schwingungen der betroffenen Schrägseile kommt. Charakteristisch an diesen Schwingungen ist, dass sie nur dann auftreten, wenn gleichzeitig Wind und Regen auf das Seil einwirken [4]. Terrestrische Einwirkungen Der Baugrund als Standfläche einer Brückengründung wirkt auf das Bauwerk durch seitlichen Erddruck, seine Setzungseigenschaften und regional sehr heftige stoßartige Bewegungen (Erdbeben) und hat einen wesentlichen Einfluss auf die Brückenkon­ struktion. Erddruck Sowohl für den Nachweis der inneren Standsicherheit von Widerlagern und Gründungen (Bauteilbemessung in Abhängigkeit von den einwirkenden Lasten) als auch der äußeren Standsicherheit, bei der die Einflüsse aus der Interaktion zwischen Bauwerk und Baugrund berücksichtigt werden, sind die Erddruckansätze nach entsprechender Normung relevant (Abb. 10 a). Die

sh(c), sh(s) sh(∆TN, con)

sh(∆TN, exp)

Winterstellung

Sommerstellung

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 normierter Erddruck [Eh/γh] eph, mob (z)/(y ∙z) = Kph, mob (z) ∙ z/h über die Wandhöhe h für eine relative Kopfverschiebung von sh = 0,001 ∙ h und sh = 0,004 ∙ h OK WL = Oberkante Widerlager

horizontale Kopfpunktverschiebung: sh Verschiebungen aus: Kriechen, Schwinden: sh(c), sh(s) Temperatur: sh(∆TN, con), sh(∆TN, exp) b

Einwirkungen

10

63

Anzahl Brücken [%]

100

leichte Schäden mittlere Schäden

schwere Schäden Einsturz

80 60 40 20 0

bis 1971

1972 bis 1980 ab 1981 Normengeneration 11

Erddrucklastansätze hängen stark von den Randbedingungen wie den Bodeneigenschaften, dem Wandrei­bungswinkel und der Verformungsfähigkeit der Widerlager ab. In der Regel werden Widerlager mit dem erhöht aktiven Erddruck (kleinster Druck des Bodens), bei sehr steifen Gründungsverhältnissen und geringen Verformungskapazitäten mit dem Erd­ruhedruck bemessen. Der passive Erddruck (Erdwider­stand, größter Erddruck) kommt bei Wider­lagern nur im Einzelfall zum Tragen, da für dessen Aktivierung sehr große Verformungen voraus­ gesetzt werden, die bei Widerlagern und Brückenpfeilern oft über die Grenzen der Gebrauchstauglichkeitsnach­weise gehen. Bei integralen Brücken wird in der Regel der passive Erddruck nur anteilsmäßig als mobilisierter Erddruck angesetzt, der bei Ausdehnung des Tragwerks speziell in den oberen Bodenschichten wirkt (Abb.10, S. 63). Setzungen Generell sind Baugrundsetzungen in Gründungen in den Auflagerachsen von Brückenbauwerken zu berücksichtigen. Diese können als Verschiebungen und/oder Verdrehungen auftreten. Bei statisch bestimmten Systemen führen Setzungen nicht zu zusätzlichen Beanspruchungen im Tragwerk. Hin-

64

12

11  Einfluss der ErdbebenNormengeneration auf das Schadensausmaß von 233 Brücken im Hauptschadensgebiet des Erdbebens von Northridge bei Los Angeles (US) 1994 12  katastrophales Versagen eines großen Betonbrückenpfeilers

gegen rufen sie in statisch unbestimmten Systemen Zwangsbean­spruc­hun­gen hervor, die bei der Bemessung des Tragwerks zu berücksichtigen sind. Bei setzungsempfindlichen Brückenbauwerken arbeiten Brückenbauingenieure eng mit Geotechnikern zusammen und führen die Setzungsberechnungen schrittweise durch. Zunächst werden die wahrscheinlichen und möglichen Setzungen durch Variation der Steifemodule (Es,m und Es,u) ermittelt. In einem ersten Schritt sind dann die Setzungsanteile für das Eigengewicht der Widerlager und der Pfeiler (ständige Einwirkungen) zu berechnen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Berechnung der Setzungsanteile aus dem Überbau (ebenfalls ständige Einwirkungen). Im nächsten Schritt werden die Setzungen aus den tatsächlichen Verkehrslasten ermittelt. Die Setzungen aus Eigengewicht und Verkehr sind in nichtbindigen und gemischtkörnigen Böden vor Inbetriebnahme des Bauwerks weitgehend abgeschlossen. Einwirkungen aus Erdbeben Speziell in erdbebengefährdeten Regionen kommt Brücken als einem wesentlichen Teil der Infrastruktur eine übergeordnete Bedeutung zu, da diese zur Rettung von Men­ schen­leben nach seismischen Ereignissen unbedingt notwendig sind. Heutige Stan-

Anmerkungen: [1] DIN EN 19912:2010-12 Eurocode 1 [2] Taferner 2009 [3] Poston 1998, S. 58 — 61 [4] Nahrath 2004 [5] ASTRA 2005 [6] Varela / Saiidi 2017, S. 1751—1774

nd bottom rough the e top steel d bars proSMA bars d couplers also conl pipe that hrough the nsfer shear ot welding hrough the ity of the of pockets

Hand-tight nuts are then fastened to the top of the SMA bars and their corresponding pocket cans in the upper column are filled with thin steel shims. These are made of disk-sized plates. They are used to fill the gap between the top ends of the SMA bars and the small cans that are embedded into the columns and to allow the bars to engage in compression. The upper part of the column is subsequently lowered onto the EPH and the protruding steel bars are inserted through the holes in the top steel plate. Hand-tight nuts are subsequently fastened to the threaded bars completing the assembly. The disassembly procedure consists of following the same steps in reverse order. It should be noted that all the nuts that were used in this study were Disc-Lock,

Gelenk 13

13  dardbemessungen gehen davon aus, dass Gelenk zum Einsatz an Brücken normale Beben weitgehend schaBrückenpfeilern aus densfrei widerstehen sollten. Für extremere ded view from above, (b) exploded einer view from below, and (c) assembled column. superelastischen FormgedächtnislegieErbebenstärken muss die Brücke entsprerung chend konstruiert werden, um im Notfall

nicht einzustürzen. Seit den 1980er-Jahren wurden durch Normungsveränderungen deutliche Fortschritte und sichtbare Erfolge in der konstruktiven Ausbildung und Bemessung von Brücken in Hinsicht auf deren Erdbebensicherheit erzielt (Abb. 11). Der auf Erdbebensicherheit konzipierte ­Brückenentwurf hat in den vergangenen Jahrzehnten wesentliche Veränderungen erfahren. Ein dem heutigen Entwicklungsstand entsprechendes erdbebengerechtes Bemes­sungskonzept schließt die Anwendung des duktilen Tragwerksverhaltens ein. Die Betrachtung des duktilen Verhaltens berücksichtigt lokale Verformungen im Tragwerk mit dem Ziel, dort auftretende Energie gezielt zu zerstreuen (Energiedissipation). Diese Bereiche werden entsprechend statisch und konstruktiv zur Aufnahme großer Formänderungen ausgebildet, die übrigen Bereiche elastisch für diejenigen Schnittkräfte bemessen, die sich im Tragwerk einstellen, wenn die plastischen Bereiche ihre Überfestigkeit (Kapazität) erreichen. Damit ist sichergestellt, dass Stützen nicht vorzeitig z. B. durch einen spröden Schubbruch

versagen (Abb. 12), bevor die plastischen Biegebereiche ihr volles Energiedissipations­ vermögen bei zyklisch-plastischen Verformungen entwickeln konnten. Starke Unterschiede in den horizontalen Steifigkeiten der Stützen und unregelmäßige Spannweiten wirken sich ungünstig auf einen erdbebengerechten Brückenentwurf aus. Im Grundriss betrachtet, sollten die im Massezentrum angreifenden horizontalen Trägheitskräfte möglichst symmetrisch abgetragen werden. Generell günstig sind lange, fugenlose Durchlaufträger, denn jede Zwischenfuge bildet eine Schwachstelle (potenzieller Träger­absturz) [5]. Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben und Entwicklungen sind Konstruktionen und Materialien, mit denen die Duktilität der Stützen durch den konstruktiven Entwurf oder durch spezifische Werkstoffkombinationen erhöht werden kann, beispielsweise bei der Nutzung des Schaukelverhaltens von Segmentpfeilern als Mechanismus zur Energiedissipation und seismischen Isolierung bei Mehrfeldbrücken. Alternativ kann die Elastizität durch superelastische Formgedächt­ nislegierungen gewährleistet werden, die durch einen zementartigen Verbundwerkstoff die Beschädigung minimieren und gleichzeitig den Rest der Säule elastisch halten (Abb. 13) [6].

Einwirkungen

65

Funktion Linienführung und Brückenausrüstung

Die primäre Funktion einer Brückenkonstruk­ tion besteht in der tragfähigen Überführung eines Hindernisses zur Verbindung zweier Orte (siehe „Konstruktionen“, S. 94ff.). Für das gesamtheitliche Funktionieren einer Brücke als bequemes und gefahrenloses Nutzbauwerk sind eine entsprechende ­Linienführung und ergänzende Bauteile mit gewünschten Wirkungsweisen notwendig. Linienführung Der Verkehr sollte ungehindert über eine Brücke fließen können. Dafür ist die Wahl der richtigen Linienführung wichtig. Der langsame Fußgänger- und Radverkehr ver­ trägt enge Radien im Grundriss und im Auf­ riss und verlangt oft nach Plätzen mit Aus­ sicht zum Verweilen (Abb. 1). So lassen sich Rad- und Fußgängerbrücken geomet­

risch freier entwerfen und in das beste­ hende Rad- und Gehwegenetz mit direkten Anbindungen und Einhaltung von lichten Durchfahrtshöhen einpassen. Hingegen sind Straßenbrücken und insbesondere Eisenbahnbrücken speziellen lage- und höhenmäßigen Trassierungszwangspunkten aus Gründen der Fahrsicherheit und des Fahrkomforts unterworfen, die dem Entwurf entscheidende Grenzen setzen. Oberfläche Die Römer sahen auf manchen Brücken einen Belag von lose verlegten Holzbohlen vor, um bei Kriegs- oder Seuchengefahr Brücken unpassierbar zu machen und somit Hauptverkehrsverbindungen unterbrechen zu können [1]. Heute gehört ein Oberflä­ chenbelag als griffige Verschleißschicht auf

1

66

1  Passerelle Simone-deBeauvoir, Paris (FR) 2006, Dietmar Feich­ tinger Architectes

dem Tragwerk, der ein unbeschwertes und sicheres Bewegen auf der Brücke ermög­ licht, zur Standardausstattung. Beläge ein­ schließlich einer darunterliegenden Abdich­ tung dienen vorrangig dem oberen Schutz des Tragwerks vor Witterungseinflüssen sowie vor Folgen der winterlichen Salz­ streuung. Fußweg, Radweg, Straße Fußgängerbrücken mit Stahlbetontragwerken erhalten meist eine bituminöse Abdichtung mit ein oder zwei Asphaltschichten. Bei Stahlüberbauten wird oft ein epoxidharzge­ bundener Dünnbelag verwendet, der auch als Abdichtung dient und durch eingestreu­ ten Quarzsand Rutschsicherheit gewähr­ leistet. Aber auch Holz, Glas, Ziegel und Naturstein als Oberflächenmaterialien bie­ ten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Bei Straßenbrücken hat sich ein zwei- oder dreischichtiger Asphaltdeckenaufbau auf einer bituminösen Abdichtungsebene durch­ gesetzt (Abb. 8, S. 71). Bestrebungen, aus Kostengründen auf den Belag und die Abdichtung zu verzichten und das Rohtrag­ werk direkt zu befahren, gab es schon früh. Die Annahme, dass eine Vorspannung ein Betontragwerk ausreichend und zuverlässig schützt, bestätigte sich durch frühe Schäden bei einigen Brücken aus den Anfangszeiten des Spannbetons allerdings nicht. In Illinois z. B. vertraut man hingegen auf epoxidharz­ beschichtete Bewehrungen in der Fahr­ bahnplatte als Korrosionsschutz. Ein Belag

2  Feste Fahrbahn mit Ausgleichsplatte (vorne) und Schienenauszug (hinten) auf der Saale-Elster-Talbrücke, ICE-Neubaustrecke Erfurt— Leipzig / Halle (DE) 2015

2

und die schützende Abdichtung werden bei dieser Bauweise entsprechend eingespart (Abb. 9 d, S. 71). In Europa wird derzeit mit Schichten aus Hightech-Materialien experi­ mentiert, die Belag und Abdichtung eben­ falls überflüssig machen würden. Ultrahoch­ fester Beton mit Stahl- oder Kohlenstofffa­ sern verhindert durch hohe Materialdichte das Eindringen von Feuchtigkeit und spart dadurch Gewicht, Ressourcen sowie Arbeits­ schritte bei der Herstellung (siehe Projekt­ beispiel „Stuttgarter Holzbrücke“, S. 104ff.). Schiene Der Fahrweg aus Schienen mit Schwellen ist durch seine Trag- und Führungsfunktion das wichtigste Element der Eisenbahninfra­ struktur. Ursprünglich auf der Brücke aus Gewichtsgründen als offene Fahrbahn ledig­ lich auf Längsträgern montiert, setzte sich im modernen Brückenbau das Schotterbett und später bei Hochgeschwindigkeitsstre­ cken die sogenannte Feste Fahrbahn als Oberbaukonstruktion durch (Abb. 2; siehe auch Projektbeispiel „Scherkondetalbrücke“, S. 142ff.). Übergangszone zur freien Strecke Brücken dehnen und verkürzen sich primär durch Temperatureinwirkungen sowie durch baustoffspezifische Eigenschaften wie Kriech-, Schwind- und Quellvorgänge. Ur­­ sprünglich wurden Brücken durch gezielte Dehnungs- und Lagerfugen in berechnungs­ technisch einfach zu beherrschende Einfeldund Durchlaufträger weitgehend zwängungs­ frei getrennt und mit Lager- und Übergangs­ konstruktionen versehen. Heute sind Bewe­ gungsspalten mit speziellen Übergangs­ konstruktionen bei langen Brücken Stand der Technik (Abb. 3, S. 68). Diese sind in der Regel nicht wartungsfrei und können bei starken Beanspruchungen entsprechend hohe Instandhaltungskosten verursachen. Häufig kommen hier Profilkonstruktionen zum Einsatz, die mittels dichter Gummipro­ file die Querspalten elastisch überbrücken

Funktion

67

o

o

o

Asphalt v

Asphalt konstruktionv konstruktion konstruktion v v Asphalt

LagerLager

Übergangskonstruktion

Lager

v v

v

v Lo

v Asphalt

v

v

v

v

Asphalt

v

Lo

b Asphalt Lo Lo

Übergangskonstruktion

v

a

v

o

Übergangskonstruktion Übergangskonstruktion Übergangskonstruktion

Schleppplatte

Schleppplatte

v

Asphalt Asphalt v

o

o

Asphalt

v

Schleppplatte Schleppplatte Schleppplatte

Schleppplatte Schleppplatte Schleppplatte

Lager

v

Asphalt v Asphalt

v

Lo

Asphalt Asphalt v v

AsphaltL o v

Lo

3 Asphalt Asphalt v v

Lo

Asphalt L o v Fertigteile Fertigteile

v

v

v

Asphalt εv ε

ε a

v Lo

v

Asphalt εv ε b

Ankerblock Ankerblock v ε

Ankerblock

v

v

Asphalt εv ε

Lo c

perforierte Schleppplatte jedoch zur fugenlosen bzw. integralen abgesenkte(Abb. 5 a). SandbettBei größeren Dehnwegen sorgen ­Bauweise. Dabei wird auf definierte Bewe­ zusätzliche Stahlträger für eine Verteilung Schleppplatte Ankerblock der Bewegung, die durch produktspezifi­ gungsfugen verzichtet, da das Bauwerk die v v v ε

sche Steuerungselemente gleichmäßig ­öffnen und schließen. Beispielhaft ermögli­ ε chen 22 Stahlträger bei der Queensferry Crossing bei Edinburgh einen Dehnweg von 2270 mm (Abb. 5 b, siehe auch Projektbei­ spiel S. 120ff.). Aus lärmschutztechnischen Gründen werden elastische Belagsdehn­ fugen und Fingerkonstruktionen verwen­ det. Bei Letzteren greifen zwei horizontale Kämme ineinander und benötigen durch die fehlende Dichtigkeit eine Entwässe­ rungsrinne. Im Eisenbahnbrückenbau wer­ den geschlossene Elastomerfugenbänder, offene Rinnen, Schleifblechkonstruktionen und Mattenübergänge eingesetzt. Durch die hohen Wartungskosten und feh­ lende Robustheit einzelner Produkte – auch durch den zunehmenden Schwerlastverkehr – neigen heute viele Infrastrukturbetreiber

68

Fertigteile

GlasfaserstäbeGlasfaserstäbe Glasfaserstäbe Ankerblock Ankerblock Ankerblock

perforierte Schleppplatte perforierte Schleppplatte perforierte Schleppplatte

abgesenkte Sandbett abgesenkteSandbett Sandbett abgesenkte Schleppplatte Schleppplatte Schleppplatte

Lo

Lo

Zwängungen infolge Temperatur und bau­ stoffspezifischen Einwirkungen aufnehmen ε kann. Durch ein „rumpelfreies“ Befahren der Brückenenden erhöht sich zudem der Fahrkomfort. In der Schweiz und in Öster­ reich hat sich die abgesenkte Schleppplatte bis Brückenlängen von ca. 60 m bewährt (Abb. 4 a). Dabei wird die Bewegung v vom Schleppplattenende zum Asphalt entspre­ chend auf eine Länge L0 verteilt, sodass der Asphalt mit seiner materialtechnischen Dehnfähigkeit ε die Bewegungen aufneh­ men kann (Abb. 4). Für längere Brücken bis 200 m und mehr gibt es derzeit mehrere Entwicklungen, die ebenfalls auf dem Prin­ zip beruhen, die Asphaltdehnfähigkeit zu aktivieren, allerdings mit größeren Dehn­ längen L0. Kon­struk­tionen mit perforierter Schleppplatte in Fortführung der abgesenk­

v ε

Fertigteile

Lo 4

Glasfaserstäbe 3  Ankerblock klassische (a) und hinter die Schleppplatte verlegte Fahr­bahn­über­ gangskon­struktion (b) 4  unterschiedliche Varianten von verformbaren Fahrbahnübergängen

5  Profilkonstruktion a Prinzip b Anwendung mit 22 Stahlträgern und auf­ geschraubten Lärm­ schutz­elementen, Queensferry Crossing, Edinburgh (GB) 2017, Jacobs Arup Joint ­Venture, Leonhardt, Andrä und P ­ artner, Rambøll Group, Rambøll UK, Sweco UK

6  verformbarer Fahrbahnübergang bei der Satzengrabenbrücke auf der österreichischen A 5 (AT) 2017, FCP ZT und TU Wien

a

b

5

ten Schleppplatte (Abb. 4 b) oder von ober­ flächennahen, hintereinander verlegten Beton­fertigteilen, die mit Glasfaserstäben verbunden sind (Abb. 4 c und Abb. 6), ­ziehen sich ziehharmonikamäßig ausei­ nander und zusammen und sorgen für eine gleichmäßige Dehnungsverteilung im Asphalt. Im Schienennetz stellen Brücken gewisse Unstetigkeitsstellen insbesondere hinsicht­ lich der fahrdynamischen Eigenschaften dar. Mit der Einführung des lückenlosen Gleises in der ersten Hälfte des 20. Jahr­ hunderts entfielen die Schienenstöße, sodass sich ein kontinuierliches und durch­ gängiges Schienenband herstellen ließ. ­Insbesondere auf den Brücken verbesserte sich dadurch die Fahrdynamik deutlich, gleichzeitig verringerte sich die Beanspru­ chung des Bauwerks. Mit der konstruktiven Ausbildung des Oberbaus entsteht dabei allerdings eine Verbindung der Schiene mit dem Bauwerk, die bei Längsbewegungen des Tragwerks zu zusätzlichen Kräften in

der Schiene, vor allem an den Brücken­ fugen, führt. Um die Gebrauchstauglichkeit und der Betriebs­sicherheit des Gleises zu sichern, müssen die Effekte aus den zusätz­ lichen Beanspruchungen beschränkt wer­ den. Dehnlängen von bis zu 90 m für Mas­ siv- und Verbundbrücken und 60 m für Stahlbrücken erfordern in der Regel keine besonderen Maßnahmen. Bei größeren Stützweiten sind ohne detailliertere Unter­ suchungen sogenannte Schienenauszüge über den Bauwerksfugen anzuordnen. Bei dieser Konstruktion werden die Schie­ nen durch einen schrägen Schnitt in eine Ba­cken­schiene und eine innen anliegende Zungenschiene getrennt (Abb. 2, S. 67). Die Schienen sind im Überlappungsbereich durch Stützbacken formschlüssig miteinan­ der verbunden. Da diese Bauteile sich als sehr aufwendig im Einbau und Unterhalt erwiesen haben, werden lange Eisenbahn­ brücken deshalb meist ohne Schienenaus­ züge konstruiert oder diese an wenigen Punkten konzentriert.

6

Funktion

69

den, Geländer etc. bietet enorme Gestal­ tungsmöglichkeiten. Eine angemessene Planung und Detaillierung dieser Bauteile ohne dekorative Überfrachtung erfordern jedoch viel Erfahrung und ein umfassendes Verständnis ihrer einzelnen Funktionen (Abb. 8).

Ausgleichsplatte Ausgleichsplatte Widerlager Widerlager a

  Überbau Überbau

Ausgleichsplatte δv

Ausgleichsplatte

δv Widerlager Widerlager

Überbau Überbau

b

7

Bei der Festen Fahrbahn sind die Verfor­ mungen an den Bauwerksfugen für die Schienenstützpunkte zu beschränken. Das macht den Einbau von zusätzlichen kleinen Brücken, sogenannten Ausgleichsplatten, erforderlich (Abb. 7 und Abb. 2, S. 67). Lager Lagerkonstruktionen verbinden den Obermit dem Unterbau für eine konzentrierte Kraftweiterleitung bei gleichzeitigen Ver­ schiebungs- und Verdrehungsmöglichkei­ ten. So lassen sich Zwängungsspannungen im Tragwerk reduzieren. Früher sorgten ­einfache Stahlrollen für die entsprechenden Bewegungsmöglichkeiten, an denen man auch visuell ihre Funktionsweise eindeutig ablesen konnte. Heute sind Lager in Form von Elastomerkissen für kleine und mittlere Spannweiten sowie Topf- und Kalottenlager für große Spannweiten im Einsatz. Durch die hohen auftretenden Pressungen gelten Lagerkonstruktionen als verschleißanfällig und wartungsintensiv. Aus diesem Grund werden heute bevorzugt sogenannte semi­ inte­grale und integrale Tragsysteme reali­ siert (siehe „Balken / Rahmen“, S. 94). Randzone Die Randzone mit den seitlichen Begren­ zungen und begleitenden Lärmschutzwän­

70

Brückenrand Der Brückenrand als fahrbahnbegrenzen­ des Bauteil gehört zu den am meisten kon­ tro­vers diskutierten Bauelementen einer Brücke und unterliegt sowohl in der Ausge­ staltung als auch der länderspezifischen Namens­gebung als Kappe, Randbalken oder Konsolkopf einer großen Variations­ vielfalt (Abb. 9). Die ursprüngliche Funktion der Randkon­ struktion ist eine als Schrammbord bezeich­ nete seitliche Erhöhung, die als Sicherheits­ bar­riere des Fußgängerverkehrs zum rollen­ den Verkehr dient und schon im römischen Straßenbau wie z. B. bei der Engelsbrücke in Rom üblich war [2]. Durch das Schramm­ bord wird das Oberflächenwasser seitlich gesammelt und konzentriert über Brücken­ abläufe abgeleitet. Die Kappe als Einfas­ sung der seitlich heruntergezogenen Abdich­ tung bietet nicht nur Raum für die Befesti­ gung der Absturzsicherung, einer Lärm­ schutzwand und bei Straßenbrücken des Fahrzeugrückhaltesystems, sondern ermög­ licht durch das Gesims auch eine optische Korrektur von ungeplanten Verformungen, die speziell bei Betonbrücken nach dem Ausschalen auftreten können. Die Kappen werden am Tragwerk seitlich oder von oben verankert. Dabei durchdringen die Befes­ tigungselemente meist die Abdichtung und stellen potenzielle Risikobereiche für Undichtigkeiten dar. Es gibt Entwicklungen in Schweden, auf eine Kappe zu verzichten und den Fahr­ bahnabschluss mit einem Randblech zu versehen (Abb. 9 b). Dabei ist es, wie auch bei der Regelkonstruktion des Konsolkopfs in der Schweiz (Abb. 9 e), erforderlich, die

7  Ausgleichsplatte als Brücke auf einer Brücke (nach Ril 804.5202) a Ausgleich eines Endtangentenwinkels ϕ b Ausgleich eines Endtangentenwinkels δv

Lärmschutzwand Lärmschutzwand Lärmschutzwand Lärmschutzwand Geländer Spritzschutz Lärmschutzwand Geländer Geländer Spritzschutz Spritzschutz Betonsockel Geländer Spritzschutz Schotterbett Geländer Spritzschutz Betonsockel Kappe Rückhaltesystem Betonsockel Schwelle Schotterbett SchotterbettBetonsockel Schotterbett Betonsockel Schotterbett Kappe Rückhaltesystem Geländer Kappe Rückhaltesystem Schwelle Schwelle Kappe Rückhaltesystem Schwelle Schutzbeton Kappe Rückhaltesystem Schwelle Kabeltrog Schrammbord Geländer Geländer KappeSchutzbeton Schutzbeton Geländer Schutzbeton Kabeltrog Kabeltrog Schrammbord Schrammbord Kabeltrog Abdichtung Füllun Abdichtung KappeSchrammbord Kappe Kappe Schutzbeton Kabeltrog Schrammbord Abdichtung Abdichtung Lärmschutzwand Lärmschutzwand Kappe Abdichtung Füllung Füllung Abdichtung Abdichtung Lärmschutzwand Abdichtung Ab Abdichtung Fahrbahn Füllung Abdichtung Gesims Abdichtung Abdichtung Spritzschutz Geländer Geländer Spritzschutz Geländer Spritzschutz Fahrbahn Fahrbahn Fahrbahn Abdichtung Gesims Gesims Fahrbahn Gesims Betonsockel BetonsockelBetonsockel Schotterbett SchotterbettSchotterbett Gesims KappeKappe Kappe Rückhaltesystem Rückhaltesystem Rückhaltesystem Schwelle Schwelle Schwelle Gesims Geländer Geländer Geländer Gesims Gesims Gesims Entwässerung Schutzbeton Schutzbeton Kabeltrog Kabeltrog Schutzbeton Kabeltrog Schrammbord Schrammbord Schrammbord Gesims KappeKappe Entwässerung Entwässerung Entwässerung Kappe Abdichtung AbdichtungAbdichtung Füllung FüllungFüllung Entwässerung AbdichtungAbdichtung Abdichtung AbdichtungAbdichtung Abdichtung Fahrbahn Fahrbahn Fahrbahn GesimsGesims Gesims Gesims

Entwässerung Entwässerung Entwässerung a

b

Fertigteilrandbalken mit inte­grier­ tem Kabel­trog in Österreich a 8  verschiedene Ausführungen von Randzonen bei einer a Straßenbrücke b Eisenbahnbrücke c Fußgängerbrücke 9  international unter­ schied­liche Ausbildun­ gen der Brückenrandzone

GesimsGesims

c

Abschluss mit Randblech in Schweden

8

Regelkappe in Deutschland

b

c

Konsolkopf mit Leitmauer in der Schweiz

belagslose Ausführung in Illinois / USA d

e

9

Abdichtung sorgfältig hochzuziehen, um zu vermeiden, dass Wasser eindringt. Kappen aus Beton werden in der Regel fugenlos oder mit definierten Bewegungsfugen in Ortbeton oder in Fertigteilbauweise reali­ siert. Länderspezifisch ist es auch üblich, bei Eisenbahnbrücken Betonfertigteile oder Ortbetonkappen mit integrierten Ausspa­ rungen für einen Kabelkanal und seitliche Schotterwangen als Schotterbettbegren­ zung auszuführen. Bei besonders hohen Überbauten kann ein nach unten verlän­ gertes Gesims die Pro­portionen zwischen Randkappe und zurückspringendem Über­ bau optimieren (Abb. 8 b).

Schutzmaßnahmen Zum Schutz der Brückenbenutzer gehört vor allem das Geländer als Absturzsiche­ rung, das abhängig von den nationalen Regelungen für Fußgänger in der Regel zwi­ schen 1,00 und 1,30 m hoch ist und über normgerechte Füllung mit Spalten ≤ 12,0 cm bei öffentlicher Zugangsmöglichkeit verfü­ gen muss. Zusätzlich ist über Verkehrswe­ gen oft ein dichter Spritzschutz notwendig, der ein Herunterfallen des Schnees bei der Schneeräumung verhindert. Brücken über Eisenbahnstrecken erfordern einen entspre­ chenden Berührungsschutz zu den strom­ führenden Oberleitungsanlagen.

Funktion

71

a

b

10

Im Straßenverkehr verfolgen Fahrzeugrück­ haltesysteme aus Betonleitwänden oder Stahl­leitschienen zwei Schutzziele: Einerseits soll ein Fahrzeugabsturz von der Brücke verhindert werden, indem sich das Rück­ haltesystem beim Anprall verformt und als Zugband – ähnlich einem Fangnetz – wirkt. Diese Systemnachgiebigkeit schützt ande­ rerseits die Fahrzeuginsassen bei zu hartem Anprall vor Verletzungen. Diese Anfor­de­ rungen sind in Europa in der Normenreihe EN 1317 geregelt. Die Konstruk­tionen selbst sind produktspezifisch unterschiedlich aus­ gestaltet, eine Prüfung erfolgt in speziellen Anfahrgroßversuchen mit realen Fahrzeu­ gen. Dabei werden der Wirkungsbereich, also die maximale geometrische Auslen­ kung des Systems, sowie die in die Brücke einzuleitenden Kräfte ermittelt. Der Lärmschutz wird heute ein immer wich­ tigerer Bestandteil einer Brücke und prägt ihr Gesamterscheinungsbild. Eine Lärm­ schutzwand beeinflusst in Abhängigkeit von ihrer Höhe und der Füllungsart maßgeblich die Gesamtproportion und somit die Außen­ wirkung einer Brücke. Abb. 10 zeigt die unter­schiedlichen Wirkungen und Propor­ tionsabhängigkeiten durch eine Lärmschutz­ wand. Opake Lärmschutzpaneele lassen die Brücke im Gegensatz zu transparenten Elementen insbesondere bei Tragwerken

72

11

gerin­ger Schlankheit schwerer erscheinen. Hingegen kann eine Lärmschutzwand auch sehr effektiv in das Tragwerk integriert wer­ den, ohne das Gesamtbild entscheidend zu verändern (Abb. 11). Entwässerung Ein gelungener Brückenentwurf muss von Anfang an die Überlegungen der planmäßi­ gen Entwässerung einbeziehen. Ein zielge­ richtetes Ableiten des Oberflächenwassers ist eines der wichtigsten Kriterien für das dauerhafte Funktionieren einer Brücke. Die Brückenentwässerung verhindert ein unkon­ trolliertes Eindringen von Wasser in die ­Kon­­struk­tion, was zu Frost- und Korrosions­ schäden führt und speziell bei Straßen­ brücken das Auftreten von Aquaplaning

12

10  unterschiedliche Wir­ kun­gen der Lärm­ schutz­wand nach FSV, RVS 15.04.81 a schlanker Überbau ohne/mit transparenter/mit transparenter und Beton­ sockelbrett/mit opaker Lärmschutzwand b wie a mit gedrungenem Überbau 11  Integration der Lärmschutzwand in das Tragwerk, Stephanitorbrücke, Bremen (DE) 2006, schlaich bergermann partner

12  mittig verlegte Längsentwässerung bei spezieller Querschnittsaus­ bildung als gelungene Sonder­lösung, Scherkondetalbrücke, ICENeubau­strecke Erfurt  — Leipzig/Halle (DE) 2015

13  integrierte Beleuchtung im Rückhalte­ sys­tem einer Auto­bahnbrücke

13

begünstigt. Grundvoraussetzung dafür ist eine ausreichende Quer- und Längsnei­ gung der Gehweg- und Fahrbahnoberflä­ che, genügend Brückenabläufe und eine entsprechende Entwässerung der Abdich­ tungsebene durch Tropf­tüllen. Außerdem sind Zugänge vorzusehen, die eine Reini­ gung und Wartung sowie einen partiellen oder kompletten Austausch von Entwäs­ serungsleitungen ermöglichen. Direkt im Schattenbereich unter dem Tragwerk haben sich frei abgehängte Sammelleitungen, die über kurze Bauteildurchdringungen an die Entwässerungstöpfe angeschlossen sind, als sichere, dauerhafte und visuell zurück­ haltende Lösung bewährt. Gelungene Son­ derlösungen wie bei der Scherkondetal­ brücke zeichnen einen guten Entwurf aus (Abb. 12).

Anmerkungen: [1] Merckel 1899 [2] ebd. [3] FSV: RVS 15.04.81, 2017 [4] Eichwalder 2017

Maste und Schilderbrücken Ausrüstungsteile wie Beleuchtungs- und Fahrleitungsmaste sowie Trägersysteme für Schilder und Signale ergeben sich aus der streckenbezogenen Planung und erfordern eine frühe Abstimmung im Entwurfs- und Planungsprozess. Oft stehen vertikale Ele­ mente in visuellem Konflikt mit dem Trag­ werk und verlangen Sonderlösungen, die der Gesamtgestaltung, aber auch den elek­ tro-maschinellen Erfordernissen entspre­

chen. Bei Fußgängerbrücken werden Beleuchtungen gerne im Handlauf unterge­ bracht, verschlechtern so durch fehlende Gesichtswahrnehmung jedoch auch das Sicherheitsgefühl. Neue Möglichkeiten ergeben sich durch Beleuchtungssysteme, die im Rückhaltesystem integriert sind (Abb. 13). Inspektionseinrichtungen Einrichtungen zur Wartung bzw. Inspektion sind trotz immer ausgefeilterer digitaler Sen­ sor- und Drohnentechnik weiterhin unerläss­ lich, um eine Brücke jederzeit aus unmittel­ barer Nähe visuell und per Hand – im Fach­ jargon „handnah“ – kontrollieren zu können. Dies erfordert Leitern, Wartungsstege und stationäre bzw. fahrbare Wartungsbühnen, die einen leichten und schnellen Zugang zu den wichtigsten konstruktiven Elementen einer Brücke erlauben. Es ist üblich, diese Elemente in das gesamte Erscheinungsbild einer Brücke zu integrieren, z. B. durch Park- und Abstellmöglichkeiten in Wider­ lager- und Tragwerksnischen oder das ­Ausnutzen von Inspektionsräumen in Hohl­ kästen. Alternative Inspektionsvarianten wie die Wartung durch Industriekletterer oder mobile Inspektionsgeräte sind ebenfalls denkbar.

Funktion

73

Wirtschaftlichkeit Finanzielle Mittel verantwortlich einsetzen

Die Frage der Kosten ist seit jeher von Bedeu­tung für die Typenauswahl einer Brü­ cke, da diese in der Neuzeit als Bauwerk des öffentlichen Interesses in der Regel vom Gemeinwesen finanziert wird. Es zieht sich wie ein ungeschriebenes Gesetz durch die Geschichte, dass die finanziellen Mittel für Infrastrukturmaßnahmen unabhängig von der Staatsform seit jeher limitiert waren und daher sparsam sowie zweckmäßig einge­ setzt werden mussten. Schon der römische Architekt und Ingenieur Vitruv verlangte neben seinen Hauptanforderungen an die Architektur: Firmitas, Utilitas und Venustas (siehe „Technische und gestalterische Her­ ausforderungen“, S. 12), dass der Architekt

die Kosten genau einteilen und über­schla­ gen solle [1]. Im 19. Jahrhundert bezeich­ nete der deutsche Bauingenieur, Stadtplaner und Hochschullehrer Reinhard Baumeister die „Geldmänner“ als wich­tige Entschei­ dungsträger, die neben den „Utilitariern“ als Vertreter des ausschließlich Nützlichen und den „Kunstaristokraten“ als Hüter des Schönen den Brückenbau beeinflussten [2]. Nicht zuletzt aus Verantwortung der Öffent­ lichkeit gegenüber verbanden viele Ingeni­ eure wie unter anderem Fritz Leonhardt, Pier Luigi Nervi oder Eduardo Torroja wie Vitruv und Reinhard Baumeister ansehnli­ ches und zweckmäßiges Bauen auch mit ökonomischen Erfordernissen [3]. Insbeson­

1

74

1  schlichte Eleganz als Ausdruck von Effizienz und Ökonomie. Eine der Autobahnbrücken des Infrastrukturpro­ jekts A11–Via  Brugge, Brügge (BE) 2017, schlaich bergermann partner

Herstellungskosten [pro m2]

abgespannte Konstruktion

gevouteter Freivorbau Balkenbrücke

0

100

2  Herstellungskosten in Abhängigkeit der Spann­weite nach Alfred Pauser

200

300

400

500 Spannweite [m] 2

dere beim Brücken- und Ingenieurbau führt heute kein Weg mehr an einer nachvollzieh­ baren Wirtschaftlichkeitsberechnung vorbei, die einen maßvollen Einsatz von finan­ziellen Mitteln nicht nur in der Errichtungsphase, sondern auch darüber hinaus bescheinigt. Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit dürfen nicht mit billigem Bauen als Kurzzeiteffekt verwechselt werden, das den sogenannten Bauwirtschaftsfunktionalismus [4] der Nach­ kriegsära mit dem Ziel einer schnellen und günstigen Errichtung nach der Formel „Länge mal Breite mal Höhe mal Geld“ [5] prägte und einen gesichtslosen Brückenbau voran­ trieb (siehe „Autobahnbrücken“, S. 28). Brücken brauchen Qualität entsprechend den Anforderungen Vitruvs, und Qualität for­ dert ihren reellen Preis, speziell wenn eine positive Außenwirkung und eine nachhaltige Verwendung berücksichtigt werden sollen. Es stellt sich nun die Frage, wieviel die gute Gestaltung einer Brücke der Gesellschaft wert sein soll? Bei dem vorrangigen Ziel, Orte zu verbinden (siehe „Entwerfen von Brücken“, S.6ff.), genügt ein Grundmaß an ästhetischer Qualität, das bei Einhaltung einer Formlogik als Einheit von Tragwerk und Gestalt keine oder nur geringe Mehrkos­ ten gegenüber den üblichen Richtwerten mit sich bringt. Dies trifft insbesondere auf

Straßen- und Eisenbahnbrücken zu, deren zweckbestimmter Verbindungscharakter im Vordergrund steht (Abb. 1). Christian Menn empfiehlt einen Mehrkostenansatz für die gestalterische Feinabstimmung von ca. 5 % bei großen Brücken [6], bei kleineren Brü­ cken auch mehr; also Prozentsätze, die sich ohnehin innerhalb der Angebotsschwan­ kungsbreite bei der Vergabe der Bauleis­ tungen bewegen. Insbesondere bei Eisenbahnbrücken sind Mehrkosten für Bauzustände und Hilfseinrich­ tungen zur Aufrechterhaltung des Bahnver­ kehrs möglich, die oft die Baukosten um das Drei- bis Zehnfache erhöhen. Zusätzliche Kosten für einen Mindestanspruch an Gestal­ tung fallen hier praktisch nicht ins Gewicht. Im Gegensatz zu den betrieblichen Mehrkos­ ten, die für die Kurzfristigkeit der Baumaß­ nahme unter Bahnbetrieb (von der Gesell­ schaft) fraglos hingenommen werden, bleibt der Gestaltungsmehrwert jedoch über die gesamte Lebensdauer der Brücke als erleb­ bares Bauwerk oder baukulturelles Gut sichtbar bestehen. Richtwerte Für die Errichtungsphase zählen vordergrün­ dig die Kosten pro Brückenflächeneinheit (Brückenbenchmark) als wirtschaftliche Richt­marke. Bei Straßen- und Eisenbahn­ brücken besteht immer eine Abhängigkeit von der Spannweite, wenn von Regelkon­ struktionen und -bauweisen ausgegangen wird. Der Brückenbauer Alfred Pauser ver­ suchte, mit einer Grafik die qualitativen Abhängigkeiten der Herstellungskosten zur Spannweite je nach Ausführungsart ­darzustellen (Abb. 2). Je größer die Spann­ weite, desto höher die Kosten pro m2 Brü­ ckenfläche bzw. desto wirtschaftlicher sind gevoutete bzw. aufgelöste Kon­struktionen. Daraus wird ersichtlich, dass die Wahl eines falschen Tragsystems schon in der Entwurf­ sphase zu einer Verfehlung des ökonomi­ schen Ziels führen kann. Abb. 2 zeigt jedoch genauso wie auch Kostenanalysen von

Wirtschaftlichkeit

75

Lebenszyklusbetrachtungen Um Nachhaltigkeitseffekte zu berücksichti­ gen, geht die Tendenz der Wirtschaftlich­ keitsberechnung bei öffentlichen Bauträgern hin zur Betrachtung des gesamten Lebens­ zyklus von der Errichtung über die Betriebs­ phase bis zum Abbruch der Brücke (siehe „Nachhaltigkeit“, S. 78ff.), nicht zuletzt, weil die Sanierungs- und Erneuerungswelle des rasanten Nachkriegsbrückenbaus bis in die 1980er-Jahre nun die Infrastrukturbetreiber erreicht hat und die öffentlichen Budgets ­extrem belastet. Fairerweise muss allerdings

76

Baukosten [1000 €/m2] Baukosten [1000 €/m2]

15

10 20 5 15 0 10

2—30

Kostenbasis: ca. 2000 Brü­ cken­­bauwerke seit 2005 aus der Datenbank des BMVI, Kosten normalisiert inkl. MwSt., i. d. R. reine Baukos­ ten des Bau­werks ohne Zu­­ 30—100sammenhangsmaßnahmen > 100 Stützweitenbereich [m]

5

0

2—30

30—100

a Baukosten [1000 €/m2] Baukosten [1000 €/m2]

2000 Straßenbrücken und 150 Eisenbahn­ brücken in Deutschland (Abb. 3), eine ten­ denzielle Zunahme der quadratmeterbezo­ genen Kosten in den unteren Spannweiten­ bereichen, da dort die Baustelleneinrich­ tungskosten überwiegen und viele Brücken, die unter laufendem Betrieb gebaut wurden, enthalten sind. Hingegen ist bei Fußgängerbrücken eine Korrelation zwischen Quadratmeterpreis und Spannweite nicht eindeutig festzumachen, da dieser von vielen Faktoren wie den funk­ tionalen Eigenschaften, dem gewählten Bau­ stoff sowie der Ortseinbindung und dem Attraktionscharakter abhängt. Der Qua­drat­ meterpreis reicht dabei von 1000 €/m2 bei einer vordergründig zweckbestimmten Fuß­ gängerbrücke aus Stahlbeton mit Regelge­ länder bis zur Gateshead Millennium Bridge (Abb. 14, S. 19) mit 45 600 €/m2 [7], die als Kippbrücke mit einer Hubmechanik und hochwertigen Baustoffen wie Edelstahl und Aluminiumbelag ausgestattet ist. Das Bei­ spiel der Brücke über den Hoofdvaart-Kanal (Abb. 4) zeigt, dass ausgewiesene Prestige­ pro­jekte, die Orte prägen und einen Mehr­ wert über eine sogenannte Umwegrentabili­ tät in der Öffentlichkeitswirkung versprechen, unter Umständen hohe Herstellungskosten rechtfertigen. Dies trifft im Wesentlichen auch auf das Projektbeispiel „Fußgänger­ brücke bei Tintagel Castle“ zu (siehe S. 114ff.).

20

50

> 100 Stützweitenbereich [m]

Kostenbasis: ca. 150 Brücken­ bauwerke seit 2000, Kosten normalisiert inkl. MwSt., i. d. R. Angabe des Gesamtbudgets (Bau- und Planungskosten) inkl. aller Zusammenhangs­ maßnahmen, meist Erneu­ erungsmaßnahmen im Be­­ standsnetz unter Betrieb

40 30 20 50 40 10 0 30

b 20

2—30

30—100

> 100 Stützweitenbereich [m] 3

3  angemerkt werden, dass Dauerhaftigkeits­ Kostenauswertungen themen und das technische Wissen über 10 von Brücken in Deutsch­ Chloridauswirkungen aus Tausalzen oder land, dargestellt anhand von Extrem-, Meer­ 0 wasser/-luft, Kriechen und Schwinden Quartil- und Median­ des Betons sowie die Degradation von Bau­ 2—30 30—100 > 100 werten. [m] stoffen zur damaligen Zeit noch nicht aus­Stützweitenbereich a Straßenbrücken b Eisenbahnbrücken reichend bekannt und erforscht waren. Ein wesentlicher Fortschritt aktueller Wirt­ schaftlichkeitsberechnungen ist das Tren­ nen der Errichtungskosten und der Kosten in der Betriebs- bzw. Nutzungsphase. Nach­ dem früher oft die Instandhaltung einer Brü­ cke einfachheitshalber mit einem prozentu­ alen Anteil der Errichtungskosten beziffert wurde, was einem innovativen Brückenbau entgegenstand, kann nun mit hochwertige­ rem Bauen eine wirtschaftliche Lösung über

4  Brücke über den Hoofd­vaart-Kanal, Hoofddorp (NL) 2004, Santiago Cala­trava

4

und schließlich den Kosten für den Abbruch aufaddiert und verzinst werden. [8] Ähnli­ che Lebenszykluskosten-Ermittlungsverfah­ ren, die unter anderem auch Kosten aus Stau­bildungen berücksich­tigen, gibt es auch in anderen Ländern. [9] Eine Ver­ schränkung dieser Berechnungsmethode mit relevanten Umwelt- und Entsorgungs­ kosten ist zu befür­worten und wird sicher in Zukunft eine Grundlage für Variantenent­ scheidungen bilden.

5  Schema des Lebens­ zykluskosten-Grund­ modells für Straßen­ brücken gem. RVS 13.05.11 (LZK = Lebenszyklus­ kosten)

Anmerkungen: [1] Vitruv / Fenster­ busch 1991, S. 43 [2] Baumeister 1866, S. 5 [3]  Kleiser 2017, S. 19 [4]  Klotz 1977, S. 4 [5]  Pahl 1999, S. 105 [6] Menn 2015, S. 20 [7] Keil 2012, S. 81 [8] FSV: RVS 13.05.11 2017 [9] Highway England u. a.: CD 355, 2019

akkumulierte, flächenbezogene Lebenszykluskosten [€/m2]

den Lebenszyklusansatz gefunden werden. Dadurch ist der Einsatz widerstandsfähiger Baustoffe und Bauweisen wie z. B. ultrahoch­ fester Beton möglich (siehe „Resistieren“, S. 29f.). Abb. 5 zeigt beispielhaft das in Österreich gültige Grundmodell für Straßen­ brücken der RVS 13.05.11, in dem die Errich­tungskosten mit den jährlichen Unter­ haltungskosten (durch den Anstieg darge­ stellt), den zyklisch erforderlichen Instand­ setzungs- und Ertüchtigungsmaßnahmen 4000 3500 3000 2500

jährliche, betriebliche Erhaltungs- und Prüfkosten

2000 1500 1000 500 0 0

10

Jahr 0 Errichtung LZK =

LZKE

+

20

Jahr 20 1. Eingriff

30

40

50

Jahr 40 2. Eingriff

60

Jahr 60 3. Eingriff

70

100 80 90 Nutzungsdauer [Jahre] Jahr 80 4. Eingriff

Jahr 100 Abbruch + LZKA

LZKB (t)

LZKE = Lebenszykluskosten Errichtung, LZKB = Lebenszykluskosten Betrieb, LZKA = Lebenszykluskosten Abbruch 5

Wirtschaftlichkeit

77

Nachhaltigkeit Heute schon an morgen denken

„Im Wesentlichen ist nachhaltige Entwick­ lung ein Wandlungsprozess, in dem die Nut­ zung von Ressourcen, das Ziel von Investi­ tionen, die Richtung technologischer Ent­ wicklung und institutioneller Wandel mitein­ ander harmonieren und das derzeitige und künftige Potential vergrößern, menschliche Bedürfnisse und Wünsche zu erfüllen.“ [1] Dieses 1987 von der Brundtland-Kommis­ sion in ihrem Bericht „Our Common Future“ erstmals definierte Konzept der nachhalti­ gen Entwicklung begründet unser heutiges Verständnis von Nachhaltigkeit. Der 2019 von der Europäischen Kommission vorge­ schlagene „Green Deal“ hat zum Ziel, die Netto-Emissionen von Treib­hausgasen in der Europäischen Union bis 2050 auf Null zu redu­zieren. Damit wäre Europa der erste klimaneutrale Kontinent. So umfasst die gesell­schaftliche Auseinandersetzung heute alle Bereiche, in denen vom Menschen ver­

1

78

ursachte Veränderungen das Ökosystem beein­flussen — und somit auch das Bau­ wesen. Das Bauen ist in Europa für mehr als 30 % der Kohlendioxidemissionen, für mehr als 40 % des Primärenergieverbrauchs und für mehr als 50 % des Verbrauchs von natürli­ chen Ressourcen verantwortlich [2]. Dabei ist leicht nachvollziehbar, dass ein fast 2000 Jahre altes, aus mineralischem Material und unter alleiniger Verwendung von erneu­ erbarer Energie gebautes und noch immer genutztes Bauwerk wie die Engelsbrücke in Rom als nachhaltig bezeich­net werden kann (Abb. 1). Neben den ökonomischen und öko­ logischen Kriterien sind hier offenbar auch die soziofunktionalen Aspekte erfüllt. Das Planen und Bauen von Brücken in heu­ tiger Zeit erfordert eine differenzierte Aus­ einandersetzung mit allen Einflussgrößen, um bewertbare Nachhaltigkeitskriterien abzuleiten. Bewertungsmethoden Methoden zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Gebäuden wurden von verschiedenen Organisationen auf nationaler Ebene bereits seit Beginn der 2000er-Jahre entwickelt. So werden Gebäude nach klar definierten Krite­ rien von verschiedenen Zertifizierungssys­te­ men klassifiziert. Die Ansätze dieser Sys­

1  Engelsbrücke (Pons Aelius), Rom (IT) ca. 134 n. Chr.

Treibhauspotenzial (GWP = Global ­Warming Potential) Das Treibhauspotenzial umfasst sämtliche klima­ wirksame Emissionen, die innerhalb des gesam­ten Lebenszyklus eines Produkts entste­ hen. Diese Emissionen (Kohlendioxid, Methan, Fluorkohlenwasser­ stoffe) werden als Treib­ hausgase bezeich­net, da deren Anreicherung in der Atmosphäre zur Erwärmung der boden­ nahen Luftschichten führt (Treibhauseffekt). Das Treibhauspotenzial eines Stoffs wird auf das Gewicht der Leitsub­ stanz CO2 umgerechnet und in kg CO2-eq. / Bezugsgröße der Bausub­ stanz angegeben.

Primärenergiebedarf (PE = Primary Energy) Der Primärenergie­ bedarf bezeichnet die Menge an energeti­ schen Ressourcen, die zur Herstellung eines Produkts inklusive aller Prozesse der Rohstoff­ gewinnung und Verar­ beitung notwendig ist. Es wird zwischen erneu­ erbarer (PER) und nicht erneuerbarer Primär­ energie (PENR) unter­ schieden. Die Angabe erfolgt in MJ/ Bezugs­ größe der Bausubstanz und wird aus dem unteren Heizwert der eingesetzten energie­ haltigen Ressourcen berechnet. Versauerungspotenzial (AP = Acidification Potential) Das Versauerungspo­ tenzial von Boden und Wasser gibt die Aus­ wirkung versauernder Emissionen wie z. B. Schwefel- und Stick­ stoff­­­verbindungen an. Diese entstehen bei der Produktion und Verarbeitung von Werk­ stoffen, vor allem bei Verbrennungsvorgän­ gen. Die Schadstoffe reagieren in der Luft mit Wasser zu Schwe­ fel- bzw. Salpetersäure, die dann als „Saurer Regen“ in Boden und Gewässer gelangt. Für jede säurebildende Substanz wird das Potenzial relativ zum Säurebildungspoten­ zial von Schwefeldioxid in kg SO2-eq. / Bezugs­ größe der Bausubstanz angegeben.

teme lassen sich auf Brückenbauwerke jedoch nicht so einfach übertragen, da sich insbesondere durch das Einbeziehen von gebäudespezifischen Einflussgrößen über die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes die Bilanzierung signifikant anders darstellt. So ist beispielsweise die Energieeffizienz bei Gebäuden maßgebend, während bei Brücken der Konstruktionstyp und auch die Materialwahl entscheidende Auswirkungen auf die Dauerhaftigkeit, mögliche Ertüchti­ gungspotenziale und den Unterhaltungs­ aufwand haben. Auch spielt die Einbettung des Objekts in Infrastrukturnetze eine viel größere Rolle. So können ökologische, öko­ nomische und soziale Aspekte aufgrund von bau- oder instandsetzungsbedingter Verkehrsbeeinträchtigung von signifikanter Bedeutung in einer Nachhaltigkeitsbetrach­ tung sein (siehe „Brücken und Verkehr“, S. 44ff.). Auf nationaler Ebene werden, aufbauend auf den Bewertungssystemen für Gebäude, nunmehr verstärkt Anstrengungen unter­ nommen, spezifische Bewertungssysteme mit geeigneten Kriterien für die Nachhaltig­ keitsqualität von Infrastrukturbauwerken zu entwickeln und schon in den frühen Pla­ nungsphasen anzuwenden. Bewertungskriterien Generell steht die technische Qualität bei Brü­cken im Vordergrund: Ziel ist ein mög­ lichst robustes, wartungsarmes Brücken­ bauwerk mit recyclingfreundlicher Rück­ baubarkeit. Soziokulturelle und funktionale Aspekte wie Nutzerkomfort und Umnutz­ barkeit haben dabei eine gleich starke Gewichtung wie ökonomische und ökologi­ sche Qualitäten. Ökonomische Aspekte sind über Investitionsund Lebenszykluskostenansätze präzise analysierbar (siehe „Lebenszyklusbetrach­ tungen“, S. 76f.). Dabei können die direkten

Lebenszykluskosten bis zum Doppelten der Investitionskosten betragen [3]. Für Lebenszykluskosten lassen sich aus der Auswertung von in Betrieb befindlichen Brücken belastbare Datengrundlagen gewinnen. Dabei sind die angenommene theo­re­tische Lebensdauer und der Ansatz der Unterhaltungskosten von entscheiden­ der Bedeutung. Ein Mangel an Datengrund­ lagen (Anzahl und Standzeit der Objekte) erschwert dabei naturgemäß die Bewertung neuer Konstruktionsweisen oder Werkstoffe. Dies kann dann zu einer verzögerten Adap­ tion von eigens auf Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit entwickelten Bauweisen ­führen, wie dies beispielsweise im moder­ nen Holzbrückenbau in Deutschland noch immer der Fall ist. Bei der ökologischen Bewertung werden alle Auswirkungen einer Brücke auf das Ökosystem betrachtet. Bauwerke verbrau­ chen in allen Lebenszyklusphasen Ressour­ cen, von der Herstellung über die Nutzung bis zum Lebensende. Die benötigten Res­ sourcen können unter anderem energeti­ sche, nicht erneuerbare abiotische oder Wasserressourcen sein. Darüber hinaus betrachtet man emissionsbedingte Umwelt­ wirkungen wie beispielsweise durch das ­klimaschädliche Treibhausgas CO2. Außer­ dem fließen die Flächeninanspruchnahme sowie die Wiederverwertbarkeit der Bau­ stoffe am Ende der Nutzungszeit in die Bewertung ein. Weiterhin geht es um die Biokompatibilität des Gesamtbauwerks, hier ist z. B. das Emissionsverhalten der ver­ wendeten Baustoffe zu nennen. Die quantitative Auswertung der Umwelt­ wirkungen wird über die Ökobilanz oder Lebenszyklusanalyse (LCA = Life Cycle Assessment) erbracht. Grundsätze und Regeln zur Durchführung von Ökobilanzen sind in nationalen und internationalen Stan­ dards festgelegt. Die Ökobilanz bewertet

Nachhaltigkeit

79

Bauprodukt

Bezeichnung

Bezugs­ größe

Global Warming Potential (GWP)

Primary Energy Non-Renewable Total (PENRT)

Acidification Potential (AP)

Wichte

Herstellungs­ phase A1—3

Herstellungs­ phase A1—3

Herstellungs­ phase A1—3

[kg/m³]

[kg CO2 eq./ Bezugsgröße]

[MJ/Bezugs­ größe]

[kg SO2 eq./ Bezugsgröße]

Beton C35/45



2400

244,0

1200,0

0,348

Bewehrungsstahl

kg

7850

0,7

8,9

0,001

Stahlseile

kg

7850

1,8

20,0

0,002

Baustahl (S355 + S235)

kg

7850

1,1

11,5

0,004

Textilbetonfertigteil 1)





103,0

1230,0

0,164

Gussasphalt

kg

2400

0,1

4,6

0,000

Brettschichtholz



508

-643,3

2263,5

0,644

Herstellerangabe Quelle: ÖKOBAUDAT

2  Übersicht Bezugsgrößen Global Warming Poten­ tial (GWP), Primary Energy Non-Renewable Total (PENRT) und Aci­ dification Potential (AP) 3  Daten zu drei Fuß- und Radwegbrücken aus unterschiedlichen Kon­ struktionsmaterialien (betrachtete Überbau­ länge grau markiert) a Stahlbeton b Stahl c Holz

 1)

2

Brücke 1 Brücke über die B 295, Weil der Stadt (DE) 2006, Leonhardt, Andrä und Partner Spannweite: 38 m betrachtete Überbaulänge: 38 m lichte Breite: 2,50 m betrachtete Verkehrsfläche: 95 m2 Werkstoffe Überbau und Mast: schlaff bewehrter (nicht vorgespannter) Stahlbeton C35/45, ­Baustahl S355, Seile: VVS, OSS a

b

c

80

Brücke 2 Campusbrücke Opladen (Einfeldträger), Leverkusen (DE) 2014, Knippers Helbig, Knight Architects Spannweite: 23,58 m betrachtete Überbaulänge: 23,58 m lichte Breite: 3,00 m betrachtete Verkehrsfläche: 70,4 m2 Werkstoffe Überbau: wetterfester Stahl (S355), Gehbelag: Gussasphalt

Brücke 3 Integrale Massivholzbrücke, Weinstadt an der ­Birkelspitze (DE) 2019, Knippers Helbig, Cheret Bozic Architekten Spannweite: 38,20 m betrachtete Überbaulänge: 30 m (Holz­ trägersegment) lichte Breite: 3,25 m betrachtete Verkehrsfläche: 97,50 m2 Werkstoffe Überbau: Brettschichtholz, Stahl (S355, S235), Gehbelag: Textilbetonplatten (Carbonfaser)

3

GWP pro Verkehrsfläche [kg CO2-eq./m2]

Beton C35/45 Textilbetonfertigteil Gussasphalt Brettschichtholz

Stahl S235+S355 Bewehrungsstahl VVS/Spiralseile Gesamt

400 200 0

-200 Brücke 1

Brücke 2

Brücke 3

Brücke 1

Brücke 2

Brücke 3

Brücke 1

Brücke 2

Brücke 3

5000

4

4000 3000 2000 1000

AP pro Verkehrsfläche [kg SO2-eq./m2]

PENRT pro Verkehrsfläche [MJ/m2]

-400

0 1,60

5

1,20 0,80 0,40 0

4  Treibhauspotenzial (GWP − Global ­Warming Potential) 5  Primärenergie, nichterneuerbar (PENRT − Primary Energy NonRenewable Total) 6  Versauerungspotenzial (AP − Acidification Potential) Berechnung Umwelt­ wirkungen: Jana Nowak, M.Sc.

6

neben dem Energieeinsatz für die Nutzung eines Gebäudes die für den Bau verwen­ deten Materialien sowie deren spätere Ent­ sorgung. Beispiel Ökobilanzierung „cradle to gate“ Abb. 4 – 6 zeigen beispielhaft eine ökologi­ sche Bewertung anhand von drei ausge­ wählten Umweltindikatoren für drei reprä­ sentativ ausgewählte Brückenüberbauten, ausgeführt in Stahlbeton, Stahl und Holz (Abb. 3). Dabei wird hier nur die Herstellung der Bauprodukte („cradle to gate“) bilan­ ziert, die aus Rohstoffbereitstellung, Trans­ port und Herstellung der Produkte besteht. Die Betrachtung weiterer Lebenszykluspha­

sen könnte die hier aufgeführte Bewertungs­ reihenfolge bei den Umweltparametern durchaus noch verändern. Die ausgewählte Cradle-to-gate-Betrachtung ist jedoch hin­ sichtlich der zur Verfügung stehenden Daten­ sätze verlässlich auswertbar, während die Datenerhebung für weitere Lebenszyklus­ phasen noch stärker abgesichert werden muss. Als Umweltindikatoren zur Bewertung gelten der nicht erneuerbare Primärenergiebedarf, das Treibhaus- und das Versauerungspoten­ zial. In der Betrachtung sind Fundamente, Lager und Ausbauelemente (Entwässerung, Beleuchtung etc.) nicht erfasst, wohl aber die Deckbeläge und Geländer. Diese Ver­ einfachung soll exemplarisch den Einfluss der Materialwahl für den Überbau auf die Umweltindikatoren illustrieren. Durch trag­ werksbedingt verschiedenartige Anforde­ rungen an die Gründung unterscheiden sich die Volumina der Unterbauten, als Material kommt in allen drei Projekten Stahl­ beton (Widerlagerkörper, Pfähle etc.) zum Einsatz. Bei einer Gesamtbilanz würden diese Einflüsse den hier gewählten Ansatz pro m2 entsprechend erhöhen. Für die Umweltindikatoren Treibhauspotenzial (GWP), Versauerungspotenzial (AP) und nicht erneuerbarer Primärenergiebedarf (PENRT) basieren die Ökobilanzdaten für die Herstellungsphase auf der Stoffdaten­ bank ÖKOBAUDAT (Abb. 2).

Treibhauspotenzial Abb. 4 zeigt, dass Brücke 3 (Holzüberbau) mit -125,7 kg CO2-eq. ein negatives Treib­ hauspotenzial aufweist. Das negative Poten­ zial der Holzbrücke wird durch den hohen Anteil an Holz (Brettschichtholz: -297 kg CO2-eq.) generiert, die Textilbeton­ platten allein erzeugen dagegen ein positi­ ves Potenzial von 103 kg CO2-eq. Für Textil­ betonplatten liegt aktuell jedoch noch keine Umweltproduktdeklaration vor, daher stam­ men die Werte aus einer Veröffentlichung des Herstellers.

Nachhaltigkeit

81

Primärenergie, nicht erneuerbar Die dem Stahl inhärenten großen stofflichen und herstellungsbedingten Energiemengen sind bei der Stahlbrücke (Brücke 2) klar ablesbar. Jedoch liefern die carbonfaser­ bewehrten Feinkornbetonplatten des Deck­ belags bei Brücke 3 ebenfalls hohe Bei­ träge (Abb. 5, S. 81).

Beispiel Ökobilanzierung „cradle to grave“ Ergänzend zur Betrachtung der Herstel­ lungs­phase A1– A3 („cradle to gate“) soll im Folgenden eine auf die eingesetzten Mate­ rialien konzentrierte Ökobilanzierung über den gesamten Lebenszyklus von der Her­ stellung bis zum Abbruch („cradle to grave“) vorgestellt werden, die auch materialinhä­ rente Dauerhaftigkeits- und Entsorgungsas­ pekte berücksichtigt. Die Bilanzierung des Treibhauspotenzials (GWP) erfolgt anhand des Vergleichs einer Straßenbrücke in Ver­ bund- und einer in Spannbetonbauweise mit Hintergrunddaten aus der ecoinvent-Daten­ bank [5]. Dieser Vergleich kann insbeson­ dere in der Entwurfsphase sinnvoll sein, um frühzeitig umweltrelevante Präferenzen unterschiedlicher Bauweisen festzustellen. Die zu betrachtende Brücke erstreckt sich über fünf Felder mit einer Gesamtlänge von 156,50 m sowie einer Breite von 12 m und besitzt einseitig eine Lärmschutzwand (Abb. 7). Der Überbau ist alternativ mit 1,60 m Kleinhohlkästen aus Stahl mit Ver­ bundplatte und einem 1,30 m hohen vorge­ spannten Plattenquerschnitt mit seitlichen Auskragungen konzipiert. Der Unterbau wurde entsprechend den unterschiedlichen Eigengewichten vor­dimen­sio­niert. Um auch die potenzielle Nutzung von recycelten Mate­

82

7  Vergleich einer Straßen­ brücke a Längsschnitt b Querschnitt ­Verbundbauweise c Querschnitt Spann­ betonbauweise

156,60m

156,60 m a 12,00 m

2,00 bis 3,50

Brücke 2 (Stahlüberbau) weist ein doppelt so hohes Versauerungspotenzial wie die Ver­ gleichsbrücken auf. Auffällig ist das gerin­ gere Versauerungspotenzial des Betons von Brücke 1 im Vergleich zu Brücke 2 (Abb. 6, S. 81).

0,55

Versauerungspotenzial

b

c

12,00 m

7

Treibhausemissionen [kg CO2-eq.]

8  Wirkungsabschät­ zung des GWP einer Verbundbrücke und einer Spannbeton­ brücke ohne Ausrüs­ tung nach Material und Lebensphase (RC-Stahl = Recyc­ ling­stahl; ER-Beton = emissionsreduzierter Beton)

Anmerkungen: [1] Brundtlandt-Bericht, S. 57, Abs. 15 [2] Life Cycle in Practice [3] Geißler 2014 [4] European Commis­ sion 2010 [5] Van Eygen 2019 [6] FSV, RVS 13.05.11, 2017

Gesamtbilanz der einzelnen Bauweisen

1 500 000

Beton Errichtung Betonstahl Errichtung Stahl Errichtung

Beton Betrieb Betonstahl Betrieb Stahl Betrieb

Beton Abbruch Betonstahl Abbruch Stahl Abbruch

1 000 000 500 000

707,171

865,453 587,427

608,562

488,818

821,529

683,382

683,382

0 -500 000

-1 000 000 Verbund

Verbundbrücke Verbund Verbund Verbund (RC-Stahl) (ER-Beton) (RC-Stahl + ER-Beton)

rialien in der Errichtungs- und Betriebsphase sowie die Bereitstellung von recycelbaren Materialien nach Ende der Nutzungsdauer eindeutig aufzuzeigen, kommt das Formel­ werk „Circular Footprint Formula“ (CFF) der Europäischen Kommission zur Anwendung [4]. Der Gesamtbilanzvergleich in Abb. 8, gekennzeichnet durch das Rautezeichen, zeigt einen leichten Vorteil für die Verbund­ brücke, da größere negative Anteile, d. h. Gut­schriften, speziell aus Stahlrecycling nach dem Abbruch der Brücke entstehen [5]. Die für diesen Vergleich erforderlichen Bau­ teilmengen beider Brücken aus der Errich­ tungsphase, die benötigten Mengen im Zuge von Instandsetzungen und Ertüchtigungen in der Betriebsphase und die Abbruchmen­ gen sind aus RVS 13.05.11 entnommen. [6] Dabei wurde neben dem Recyclinganteil des Stahls auch die Art der Betonherstel­ lung hinsichtlich möglicher CO2-Reduk­ tionen variiert, um einen qualitativen Ein­ fluss auf die Gesamtbilanz zu erhalten. Der Begriff emissionsreduzierter Beton in Abb. 8 bezieht sich im genannten Vergleich auf den möglichen Einsatz biogener Brennstoffe in der Zementproduktion und auch auf mög­ liche Anpassungen der Ausgangs­stoffe. Abb. 8 zeigt, dass sich durch die Verwen­ dung von recyceltem Stahl und CO2-emis­ sionsreduzierten Beton das Treibhaus­po­

Spannbeton

Spannbetonbrücke SpannSpann- Spannbeton beton beton (RC-Stahl + (RC-Stahl) (ER-Beton) ER-Beton) 8

ten­zial (GWP) erheblich reduzieren lässt. Wie schon im Kapitel „Wirtschaftlichkeit“ (S. 74ff.) erwähnt, ist im Weiteren auch die Erstellung von Ökobilanzen über den gesamten Lebens­zyklus in Kombination mit einer Lebenszykluskostenanalyse erstre­ benswert. So lassen sich alle Kosten aus technisch-konstruktiver, umwelttechnischer und gesamt­gesellschaftlicher Sicht für eine Variantenentscheidung bereits in der Ent­ wurfsphase abschätzen. Ausblick Die Ökobilanzierung der für Brückenbauten verwendeten Baustoffe kann, basierend auf den aktuell verfügbaren Datengrundlagen, ausreichend sicher erfolgen. Die durch Errichtung, Betrieb und Rückbau von Brücken verursachten sekundären Effekte wie Störungen des Verkehrsflusses, die durchaus signifikante Einflüsse auf die Gesamtbilanz haben können, lassen sich mit Ausnahme von groben Einschätzungen über Staukosten (siehe „Lebenszyklusbe­ trachtungen“, S. 76f.) derzeit jedoch nur schwer darstellen. Jedoch bietet die Aus­ wertung z. B. der Umweltparameter Treib­ hauspotenzial, Primärenergie und Versaue­ rungspotenzial bereits in frühen Entwurfs­ phasen eine belastbare Grundlage für eine Nachhaltigkeitsbewertung.

Nachhaltigkeit

83

Materialien Eigenschaften, Konstruktion und Gestalt

Der Baustoff bestimmt durch seine Materialeigenschaften wesentlich die Ausbildung der Konstruktion und prägt somit Form und Charakter einer Brücke. Ein grundlegendes Verständnis über die stoffliche Zusammensetzung, den Herstellprozess, die Bearbeitund Formbarkeit, die natürliche Farbgebung und die haptischen Merkmale ist bei der Annäherung an den Brückenentwurf ebenso unabdingbar wie das Wissen um die Festigkeits- und Verformungseigenschaften sowie die Widerstandsfähigkeit des Baustoffs. Holz Holz und Stein waren bis ins 19. Jahrhundert die einzigen Brückenbauwerkstoffe. Die im 14. Jahrhundert gebaute Kapell­ brücke in Luzern, die älteste noch erhaltene gedeckte Holzbrücke Europas, wie auch die rund 100 noch intakten, teilweise vor über 1000 Jahren aus Stämmen „gewobenen“ Sprengwerkbrücken in China (Abb. 2) bezeugen die Leistungsfähigkeit des Naturwerkstoffs und die handwerklichen Fähigkeiten, die über Generationen weiterentwickelt wurden. Als wichtigster nachwachsender Werkstoff gewinnt Holz heute durch neue tech­nolo­gi­sche Entwicklungen und durch berücksichtigte Nachhaltigkeitsaspekte im Brückenbau wieder zunehmend an Bedeutung.

84

Eigenschaften und Verwendung Holz ist ein Faserwerkstoff, der durch oxygene Photosynthese entsteht. Dabei wird das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid unter Aufnahme von Wasser und Licht gebunden und Sauerstoff freigesetzt. Die in den Fasern eingelagerte Lignincellulose (lat. lignum = Holz) versteift die Zellwände. Holz ist stark anisotrop und inhomogen. In Faserrichtung sind die verwendeten Holz­ arten auf Zug ungefähr bis zu einem Viertel der für Baustahl anzusetzenden Werte belastbar, auf Druck werden faserparallel Werte erreicht, die ungefähr denen von Normalbeton entsprechen. Senkrecht zur Faser reduziert sich die Beanspruchbarkeit von Holz sehr stark, und es ist so für konstruktive Anwendungen kaum nutzbar. Faser­ parallel verhält sich Holz ähnlich wie Stahl linear-elastisch, jedoch treten nur sehr geringe plastische Verformungen vor dem Bruch auf (Abb. 1). Holz ist ein kapillarporöses System, in Mikround Makroporen kann sich Wasser einlagern. Bei Feuchteänderungen treten im Bereich zwischen darrtrockenem Zustand (Holzfeuchte 0 %) und der Fasersättigung (Holzfeuchte durchschnittlich ca. 28 %) Dimen­ sionsänderungen auf: Bei Feuchtigkeits­ zunahme quillt, bei Feuchtigkeitsabnahme schwindet das Holz. Dabei ist das Quellen

1  mittlere Zugfestigkeit von Nadel- und Laubhölzern bei einer Holzfeuchte von 12 % Material Zugfestig­ keit (parallel zur Faser) [N/mm²] Fichte

95

Tanne

95

Kiefer

100

Lärche

107

Eiche

110

Buche

135

Teak

115 1

2  längste „gewobene“ Holzbrücke Chinas, Wan'am Brücke, Changquiao, Provinz Fujian (CN) erstmals gebaut 1648 3  gedeckte Holzbrücken a mit unten liegendem Tragwerk b mit seitlich angeordnetem Tragwerk 4  eingeleimte Gewindestangen für eine inte­ grale Massivholzbrücke

a

30°

30° b

3

4

2

und Schwinden in Faserrichtung sehr gering, während quer zur Faser 10 – 20 mal (radial) bis 15 – 30 mal (tangential) größere Quell­ effekte auftreten. Umgekehrt ist die Wasserbzw. Feuchteaufnahme pro Zeiteinheit quer zur Faser deutlich kleiner als in Faser­rich­ tung. So wird bei großen, massiven Querschnitten (z. B. aus blockverleimtem Brett­ schicht- oder Brettsperrholz) nur nach sehr langer Lagerung die Gleichgewichtsfeuchte über den gesamten Querschnitt erreicht. Daher schwankt dort die Feuchte meist nur in den Randzonen etwas stärker. Bei Vorhandensein von freiem Wasser im Zellverbund (bei einer Ausgleichsfeuchte oberhalb des Fasersättigungsgrads) können sich Pilze ansiedeln, die Lignin, Cellulose und andere Holzbestandteile abbauen. Baupraktisch lässt sich ein Pilzbefall bei Holzausgleichsfeuchten unterhalb von 20 % ausschließen, für ein Pilzwachstum sind Holzfeuchten von 30 bis 60 % erforderlich. Zur Vermeidung von holzfeuchtebedingten Schäden kann man die Wasseraufnahme­ fähigkeit durch den Einsatz geeigneter resistenter Holzarten, durch chemischen Holzschutz, schützende Beschichtungen oder Modifikation der chemischen/physikalischen Eigenschaften (z. B. reduziertes Sorptionsvermögen durch Acetylierung) einschränken. Möglich ist auch ein wirksamer kon­struktiver Holzschutz (Abb. 3). Dazu darf das Bauteil dem Regen nicht direkt ausgesetzt sein, es

darf keine stehende Nässe auftreten, alle Bereiche sollten luftumspült sein und nach erfolgter Befeuchtung bald wieder abtrocknen können. Chemischer Holzschutz basiert auf der Nutzung von Bioziden, also von Substanzen, die Schädlinge wie holzzerstörende Pilze und Insekten bekämpfen. Wegen der potenziellen Gefährdung anderer Lebewesen sollte chemischer Holzschutz vermieden werden. Holz ist brennbar. In brandbeanspruchten Bereichen bilden sich nach kurzer Zeit Holzkohleschichten mit geringer Wärmeleitfähigkeit aus, die das Weiterbrennen verlang­ samen und so den verbleibenden Kern schützen. Der Restquerschnitt lässt sich in Abhängigkeit von der Branddauer mit einer Abbrand­rate von ca. 0,5 bis 0,7 mm/Min. ausreichend sicher bestimmen. Massive, gedrungene Querschnitte mit geringem Verhältniswert von Oberfläche zu Volumen sind daher brandschutztechnisch vorteilhaft. Heute haben industrielle Prozesse die tradi­ tionell handwerklich geprägte Holzbearbeitung weitgehend abgelöst. Durch gezieltes Verleimen, Verdübeln oder Vernageln einzelner Brettlamellen zu stab- oder plattenartigen Elementen entstehen hinsichtlich Beanspruchbarkeit präzise klassifizierbare Bauteile. Die leichte mechanische Bearbeitbarkeit der dimensionsstabil gefügten Segmente begünstigt moderne CNC-basierte Fabrika­ tionsprozesse und einen hohen Vorfertigungs­ grad. Anstelle handwerklich hergestellter kraft- und formschlüssiger Fügungselemente kommen metallische Verbinder zum Einsatz. Seit 20 Jahren werden vermehrt auch lange Vollgewindeschrauben und zuletzt auch eingeklebte Gewindestangen im Holzbrückenbau verwendet (Abb. 4). Dadurch sind neue Fügearten und Konstruktionsformen möglich, und damit auch erstmals integrale Holz­ brücken, bei denen Holzüberbau und Stahl­ beton­unterbau monolithisch gekoppelt sind. Neuartige mate­rial­hybride Bauweisen (z. B. Stahlbeton-Holz-Verbund) bieten sich für den Einsatz etwa bei Straßenbrücken an.

Materialien

85

Konstruktion und Gestalt Holzbrücken müssen werkstoff- und wartungsgerecht konstruiert sein. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Trend hin zu robusten, masseintensiven Holzbrückentragwerken führt nicht nur zu höherer Dauerhaftigkeit, sondern verweist auch auf eine veränderte neue Sicht auf den Urbaustoff. Anders als bei allen anderen Materialien ist bei Holz eine massivere Ausführung auch nachhaltiger, da die höhere CO2-Einspeicherung im großen Holzvolumen und die geringere technologische Verarbeitungstiefe zu einem vergleichsweise niedrigen, bei alleiniger Betrachtung des Überbaus häufig negativen Wert des Treibhauspotenzials führen. Kompakte, einfach herstellbare Blockträgerquerschnitte lassen sich mit wenigen oder sogar ohne exponierte Verbindungselemente ausführen. Eine kraftflussgerechte Gestaltung kann durch differenzierte Ausformung der horizontal oder vertikal angeordneten, blockverklebten Brettschichtholzlagen erfolgen. Stein Der aus der Erdkruste gewonnene Stein war aufgrund des weltweiten Vorkommens, der mechanischen Eigenschaften und der großen Dauerhaftigkeit für viele Kulturen schon immer ein wichtiger Brückenbaustoff (siehe „Steinbrücken“, S. 16 und „Gewölbebrücken“, S. 37). Weltweit wurden bis ins 20. Jahrhundert Natursteinbrücken errichtet, und viele historische Bauwerke bezeugen, wie dauerhaft diese sein können. Die mächtigen Pfeiler der Brooklyn Bridge wurden aus Granitblöcken zusammengesetzt, da das hochfeste, sehr homogene und feinporige Tiefengestein die hohen Auflagerkräfte der Haupttragkabel sicher und dauerhaft abzuleiten vermag. Eigenschaften und Verwendung Im Gegensatz zum emporstrebenden Holz ist Stein bodenständig, wie Lehm und Ziegel erdverwandt und erdverbunden. Historisch

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wurde Stein für kurze Platten- oder für Bogen­ brücken verwendet. Der aus Natursteinen oder aus Ziegeln zusammengesetzte Bogen visualisiert den Kraftfluss im Tragwerk und offenbart zugleich die sehr hohe Druckfestigkeit (Abb. 9). Die Steine sind in der Regel im Mörtelbett versetzt, die Fugen geben den Bauwerken dabei ein strukturelles Raster. Der auf die Steinfestigkeit abgestimmte Mörtel gleicht die Steinunebenheiten aus und sorgt für eine flächige Kraftübertragung über den gesamten Querschnitt. Wegen der sehr geringen Zugfestigkeit des Materials wurden steinerne Bögen so kon­struiert, dass keine Zugkräfte im Tragwerk auftreten. Ergänzungen durch stählerne Einbauten zur Zugübertragung waren in der Regel nicht üblich. Das ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Bogen- und Gewölbebrücken unverwüstlich sind: Nur der Stein kann korrodieren – und diese Prozesse sind zeitlich nicht vergleichbar mit der Stahlkorrosion. Natursteinbrücken leben stark von ihrer geometrischen Form und vom Detail der Steinverarbeitung. Da Naturstein kein homogener Baustoff ist, variieren die Festigkeits- und Dauerhaftigkeitseigenschaften in Abhängigkeit von

5

6

5  Eine von vier Fußgängerbrücken mit vorgespanntem Granitüberbau und einer Spann­­ weite von 10,30 m, Kurpark Bad Herren­alb (DE) 2016, Ausführung: Kusser Granitwerke, Entwurf: bbzl — böhm benfer zahiri landschaften städtebau 6  Spannbandbrücke mit 40 m Öffnung. Die Geh­wegplatten aus Granit sind über unten liegende Stahlbänder vorgespannt. Pùnt da Suransuns, Viamala (CH) 1999, Conzett Bronzini Partner

a

b

7

8

7  Die innerstädtische Fuß­ gängerbrücke hängt an 16 Zugstäben, die ihre Lasten an einen baum­ artigen Mast aus ein­ zelnen Natursteinblöcken weiterleiten. Bad Homburg (DE) 2002, schlaich bergermann partner 8  Bahrmühlenviadukt, Chemnitz (DE) 1872, 2010 instandgesetzt, Marx Krontal Partner 9  Druckfestigkeiten verschiedener, für den Mas­sivbrückenbau relevanter Baustoffe

Gesteinsart und Vorkommen stark. Zahlreiche Gesteine wie z. B. Granit, Porphyr, Diorit, Sandstein, Basalt, Muschelkalk, Marmor und Travertin sind im Brückenbau als tragende Bauteile oder als Verblendungen verbaut. Naturstein ist in der Regel ein sehr witterungsbeständiger Baustoff und besitzt eine hohe Abriebfestigkeit gegen Wasser- sowie Sanderosion und wurde aufgrund der Dauerhaftigkeit gern für Vormauerungen von Flusspfeilern ver­wendet.

be­brücken aus den letzten Jahrhunderten, die durch Witterung, Verkehr und Umbauten stark sanierungsbedürftig sind (Abb. 8). Weil bei diesen Instandsetzungen das Wissen um alte Konstruktionsprinzipien, Material und Schädigungsprozesse erforderlich ist, stellt die Planung und Umsetzung eine besondere Ingenieur- und Bauaufgabe dar.

Material

Druckfes­ tigkeit [N/mm²]

Marmor, Granit

bis 300

Sandstein

bis 150

Kalkstein

bis 90

Vollklinker

bis 80

Vollziegel

bis 48

Beton

> 20

hochfester Beton

bis 150

ultrahoch- über 150 fester Beton 9

Naturstein im heutigen Brückenbau Heute konzentriert sich das Wissen der Ingenieure im Massivbau ausschließlich auf indus­ triell herstellbare Baustoffe, und die Erfahrungen im Natursteinbrückenbau sind fast völlig verloren. Im Neubau werden Natursteine derzeit nahezu ausschließlich für Verblendungen zur optischen Aufwertung und Erhöhung der Dauerhaftigkeit verwendet. Das wird dem Baustoff als Konstruktions­ma­terial nicht gerecht. Die heute bei vielen Fach­betrieben verfügbare 3-D-gestützte Natursteinbearbeitung ist auch für moderne Brückentragwerke mit hoher Nachhaltigkeit und geringer CO2Emission wirtschaftlich denkbar. In den letzten Jahren wurden einige Fußgängerbrücken als Hybridtragwerke mit Natursteinen und interner Vorspannung oder externen Traggliedern mit extrem hohen Schlankheiten errichtet (Abb. 5 und Abb. 6). Der Fokus liegt heute jedoch vielmehr auf dem Erhalten und Sanieren der vielen Gewöl­­

Eisen und Stahl Schon seit mehr als 3000 Jahren werden ­verarbeitete Eisenerze als Rohstoff für Werkzeuge, Schmuck und in der Waffenschmiede verwendet. Später nutzten z. B. die Römer Eisen für Beschläge und Klammern als Verbindungselemente von Steinquadern auch im Brückenbau [1]. Der Durchbruch des Eisens für den kon­struk­tiven Brücken- und Ingenieurbau erfolgte erst im 18. Jahrhundert durch die verbesserten Möglichkeiten der großmaßstäblichen Produktion von Roheisen mit dem Einsatz von Koks statt Holzkohle und der Weiterentwicklung des Hochofens. Durch die dem Steinbau über­legene Eigenschaft von Eisenkonstruktionen, große Kräfte im Vergleich zum verbauten Kon­ struktionsgewicht aufzunehmen, ließen sich Kosten senken und die Bauzeit erheblich verkürzen. Von Coalbrookdale in Mittelengland aus­gehend, prägte der Werkstoff Eisen das indus­trielle Zeitalter wie kein anderer mit den damit verbundenen gesellschaftlichen Umwälzungen und Errungenschaften (Abb. 7, S. 16).

Materialien

87

Mechanische Eigenschaften Eisen bzw. Stahl zeichnen sich durch ihre hervorragenden Zug- und Druckfestigkeiten aus (Abb. 10). Um die plastische Formbarkeit zu verbessern, wird Eisen als chemisches Element (Fe) durch Legierungen mit max. 2 % Massenanteil Kohlenstoff und ande­ren metallischen und nichtmetallischen Elementen zum Werkstoff Stahl. Das Spannungs-Dehnungs-Verhalten von Stahl verläuft in einem großen Bereich linear-elastisch mit einem genau bestimmbaren Anstieg, der dem Elastizitätsmodul entspricht (Abb. 11). Der naturharte, unbehandelte Bau- und Bewehrungsstahl beginnt sich ab einer bestimmten konstanten Laststufe plastisch zu verformen, wobei er sich nach der Fließzone wieder leicht verfestigt, wodurch Stahl ein ausgeprägtes Duktilitätsverhalten aufweist. Durch die großen Verformungen kann man ein Materialversagen vorab registrieren (Versagensvorankündigung) und entsprechende Maßnahmen treffen. Durch dieses Fließvermögen, die Zähigkeit, verfügt Stahl über eine unübertreffliche Eigenschaft, die sicherheitstechnisch nicht nur im konstruktiven Stahlbau, sondern auch im Stahlbetonbau von großem Vorteil ist. Zudem ermöglicht die plastische Formbarkeit die Fertigung von Blechen, Walz- und Hohlprofilen mit unterschiedlichen, je nach statischen

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und kon­struktiven Erfordernissen ausgebildeten Querschnittsformen. Anfangs noch als formbares, jedoch verunreinigtes Schmiedeeisen oder sprödes Gusseisen geläufig, entwickelte sich die entsprechende Produk­tionstechnologie speziell im 20. Jahrhun­dert durch verschiedene Legierungsarten, Nachverfestigungs- und Nach­ be­handlungsmetho­den rasant weiter. Spann­ stäbe, -drähte und -litzen mit Festigkeiten bis zu 1860 N/mm2 ermöglichen hochzugfeste Elemente, die für Vorspannungen im Betonbau und Seiltragwerke eingesetzt werden. Ein entscheidendes Kriterium stellt die beschränkte Ermüdungsfestigkeit von Stahl dar, die um ein Vielfaches niedriger als die Zugfestigkeit sein kann. Ausgehend von ungünstigen Kerben im Material, z. B. infolge von Schweißungen, führt unter zyklischen Spannungen eine Materialermüdung unter Umständen zu einem schlagartigen spröden Versagen. Ein ermüdungsarmes Kon­ struieren ist deshalb speziell bei dynamisch belasteten Bauwerken, insbesondere bei Eisenbahn- oder hochbelasteten Straßenbrücken, notwendig. Stahlguss mit modernen Verarbeitungsmethoden ermöglicht flüssige, den Kraftwegen angepasste, spannungs- und ermüdungsarme Formen und eignet sich für geome­trisch komplexe Knotensituationen (Abb. 12). Spannung σ [N/mm2]

Charakter Eisen und Stahl sind auch heute noch Inbegriffe für einen industriell geprägten Fortschritt, nicht zuletzt durch technologisch hochentwickelte und hinsichtlich Einsatzzweck spezifisch ausdifferenzierte Werkstoffe. Die vorteilhaft nutzbaren Eigenschaften wie die hohe Zugfestigkeit und mechanische Beanspruchbarkeit begeistern speziell Brückenbauer bis heute genauso wie die materielle Formbarkeit und die Möglichkeit der präzisen, vorgefertigten Herstellung. Eisen und Stahl drücken technisch basierte Logik und Nüchternheit, Leichtigkeit und die Grenzenlosigkeit des Mach­baren aus.

-40

Material

Zugfes­ tigkeit [N/mm²]

Spannlitzen Y1860S7

1860

VVS-Seil

1440

Spannstab Y1050H

1050

Bewehrungs- 540 stahl B500(B) naturhart Baustahl S355

490

Gussstahl G20

480 10

10  Zugfestigkeiten von verschiedenen Stahlsorten 11  Spannungs-Dehnungslinien von Bau-, Bewehrungs- und Spannstahl σ

Spannlitze

1

1200

A=1

Spannstab

800

kaltverformter Bewehrungsstahl

400

Baustahl

Baustahl

ε

Spanndraht

1600

40

σ

natürlicher Bewehrungsstahl

80

Dehnung ε [‰]

-400 Bewehrungsstahl 11

12  Gussknoten bei der Seitenhafenbrücke, Wien (AT) 2011, PCD, AGU, zeininger Architekten 13  Überführungsbrücke aus wetterfestem Stahl in Verbundbauweise, Schörfling (AT) 2009, KMP ZT, Obholzer Baumann ZT

12

13

Korrosion Die spezielle Eigenschaft von Eisen, sich bei Vorhandensein von Sauerstoff und Wasser durch Oxidation zu zersetzen, entwickelt sich zur Bürde des Werkstoffs und erfordert umfangreiche Schutzmaßnahmen in Form von Beschichtungen oder metallischen Überzügen wie Verzinkungen, um eine ­fortschreitende Schädigung zu verhindern. Alternativ dazu werden im Brückenbau ­mitunter wetterfeste Stähle eingesetzt, bei denen sich durch spezielle Legierungen eine natürliche schützende rostbraune Patina bildet (Abb. 13). Nicht rostende Stähle mit Legierungselementen wie Chrom oder Nickel werden im kon­struktiven Brückenbau aus Kostengründen nur in Einzelfällen eingesetzt.

und es entstanden unter anderem Fachwerk­ konstruktionen, bei denen die Kraftabtragung des Tragwerks eindeutig ablesbar ist (Abb. 12, S. 96). Schnell zeigte sich das neue Material im Brückenbau in der Umkehrung der Tragsysteme von druck­dominierten Bogentragwerken in zugbestimmte Hängeund Schräg­kabelkon­struk­tionen. Diese gewan­nen erst durch hochfeste Zugelemente in Form von Stab-, Draht- und Litzenbündel sowie vollverschlossene bzw. spiralisierte Seile an Bedeutung, denn dadurch wurden große Spannweiten erst möglich. Ausgefeilte lösbare Fügetechniken sorgen dafür, die vorgefertigten Stahlerzeugnisse und -seile miteinander zu verbinden. Früher geschah dies mit lösbaren Nietverbindungen, heute sind es meist Schraub- und Augenstabverbindungen. Das Konstruieren von Knotenverbindungen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Stahlbrückenbau und lässt mitunter exzellente Ingenieurkunstwerke entstehen (Abb. 14). Im Stahlbrücken­bau hat das Schweißen als unlösbare Verbindungstechnik die lösbaren Verbindungen aus Wartungsgründen jedoch fast gänzlich verdrängt. Die Auflösung der Tragwerke in kleinteilige Zug- und Druckelemente ist im Brückenbau seit vielen Jahren Vollwand­trägern oder geschlossenen, oft dichtgeschweißten Hohlkästen gewichen, da der Korrosionsschutz eine immer größere Bedeutung einnimmt. Es vollzieht sich damit eine Trendwende in den materiellen Ausdrucksfähigkeiten von Stahl weg von der stabförmigen Feingliedrigkeit und Materialeffizienz hin zu einer körperhaf-

Konstruktion und Gestalt Durch effizienten Materialeinsatz wurden Tragwerke aus Eisen und Stahl in feinglie­ drige Zug- und Druckelemente aufgelöst, Klemmdeckel Seilhaken Tragseilpaket 2≈ 6 Tragseile

14  Seilknoten bei der Hängebrücke A 26, 4. Donau­brücke, Linz (AT) geplante Fertigstellung 2024, schlaich bergermann und ­partner, von Gerkan, Marg und Partner

Bolzensicherung Gabelseilkopf Hängeseil 14

Materialien

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ten, voluminösen Formen­sprache. Ob dieser Entwicklung durch neue robotergesteuerte Fertigungstechniken wie am Beispiel der MX3D-Bridge im 3-D-Druck (Abb. 15) erfolgreich gegengesteuert werden kann und der Stahl wieder seine ursprüngliche Faszination als Baustoff absoluter Effizienz zurückgewinnt, bleibt offen. Stahl- und Spannbeton Beton kann durch seine sehr gute Verarbeitbarkeit als Frischbeton in nahezu jede erdenk­­liche Form gegossen werden. Nur im Verbund mit geripptem Bewehrungs- oder Spann­stahl sind Stahlbetonquerschnitte in der Lage Zug- und Druckkräfte aufzunehmen. Im Brückenbau hat sich Beton für zahlreiche Bauteile, z. B. für Überbauten, Gründungen, Pfeiler, Widerlager und Ausbauteile, etabliert und ist deshalb der am häufigsten verwendete Baustoff im modernen Brückenbau. Eigenschaften Beton ist ein inhomogener Verbundbaustoff aus Zement, Wasser und Gesteinskörnungen, der nach dem Erhärten vordefinierte Eigenschaften erfüllen soll. Diese leiten sich aus den äußeren Randbedingungen (der Exposition), den erforderlichen Festigkeitseigenschaften (Druck- und Zugfestigkeiten) und den geplanten Oberflächeneigenschaften ab. Bei dem im Brückenbau verwendeten Stahloder Spannbeton gehen Beton und Stahl einen Verbund ein, in dem jeder der beiden Bestandteile ein Teil des Tragverhaltens eines Brückenquerschnitts übernimmt: der Beton die Druckkräfte, der Stahl die Zugkräfte. Der wirksame Verbund wird über gerippte Bewehrung sichergestellt. Die Konstruktion des Verbundwerkstoffs ist so zu bemessen und auszulegen, dass die Druckbeanspruchungen auf der Betonseite und die Zugbeanspruchungen von den Stahlquerschnitten aufgenommen werden können. Bei Stahlbeton ist eine Rissbildung grundsätzlich im Grenzzustand der Tragfä-

90

15

higkeit notwendig, um die Bewehrung bis zur Streckgrenze ausnutzen zu können. Hingegen wird der Spannbetonquerschnitt durch vorgespannte Zugglieder überdrückt und so eine Rissbildung speziell im Gebrauchs­ zustand verhindert. Besondere Betoneigenschaften lassen sich aus den zu erwartenden Umwelteinwirkungen wie der freien Bewitterung und dem Angriff von z. B. Tausalzen anhand der Expositionsklassen ableiten. Aus den erwarteten Expositionen entstehen Anforderungen an den Beton hinsichtlich der Mindestdruckfestigkeitsklasse, der Betonzusammen­ setzung, der Rechenwerte der Rissbreite, der Mindestbetonüberdeckung der Beweh­ rung und der Nachbehandlungsdauer. Damit soll die geplante Nutzungszeit von 100 Jahren für Stahlbetonbrücken unter den gegebenen Umwelteinflüssen erreicht werden. Der anfangs hohe pH-Wert des Porenwassers im Zementstein des Betons schützt den Bewehrungsstahl vor Korrosion. CO2Ein­wirkungen von außen führen zur Karbonatisierung des Betons in der Tiefe und dem Absenken des pH-Werts, womit eine Verringerung des passiven Schutzes des Bewehrungsstahls verbunden ist. Betonverarbeitung im Brückenbau Für den heutigen Normbeton im Betonbrückenbau sind die Frisch- und Festbeton­ eigenschaften maßgebend. Die Frischbeton­ eigenschaften beeinflussen stark den Transport und die Verarbeitbarkeit des Betons bis zum Einbringen in die Schalung und dem

15  Neue 3-D-Fertigungstechniken und Ausdrucksmöglichkeiten als Zukunftstrend? MX3D-Bridge-Projekt, 2015 (Projektbeginn)

16  Schanerlochbrücke, Dornbirn (AT) 2005, M+G INGENIEURE, Marte.Marte Archi­ tekten 17  Schwandbachbrücke, Hinterfultigen (CH) 1933, Robert Maillart

Beginn des Abbindens. Im Brückenbau gelten sehr strenge Regeln für den Einsatz, den Transport, den Einbau und die Nachbehandlung des Betons. Zur Qualitätssicherung des Betons werden sowohl im Betonwerk als auch auf der Baustelle umfassende Prüfungen vorgenommen. Die Qualität und Dauerhaftigkeit von Betonbrücken wird maßgeblich durch das statischkonstruktive Design, die Bewehrungsführung, die Betondeckung und die Ausführung beein­flusst. Bei hohen Beanspruchungen und mehrlagigen dichten Bewehrungskonzentrationen sind in den Bewehrungskon­ struktionen ausreichende Einfüll- und Rüttellücken für die Verdichtung des Betons vorzu­ halten. Nur mit einer optimalen Verdichtung des Betons lassen sich die planmäßigen Eigenschaften eines sehr guten Haftverbunds zwischen Stahl und Beton sowie homogene dichte Betonoberflächen erreichen. Nach dem Einbau müssen die Betonbauteile nachbehandelt werden, um sicherzustellen, dass die Zementhydratation soweit erfolgt ist, dass der Beton eine ausreichende Festigkeit besitzt. Vor allem die Zwangsbeanspruchungen durch abfließende Hydratationswärme können bei geringer Festigkeitsentwicklung Risse hervorrufen, die durch Nachbehandlung, Abdeckung mit Folien und durch zusätzliche Wässerung der Fahrbahnoberflächen vermieden werden. Bei geringen Außentemperaturen sind Dämmungen erforderlich, die die Spannungen aus der Temperaturdifferenz zwischen Beton­ oberfläche und -kern gering halten.

Konstruktion und Gestaltung Durch die Formbarkeit als Gusswerkstoff bietet Beton den Brückenbauingenieuren große Gestaltungsspielräume. Für Betonbrücken haben sich logisch begründete Formen etabliert, die sich aus statischen Aspekten und der wirtschaftlichen Herstellung ableiten (Abb. 16 und Abb. 17). Stahlbeton- und Spann­betonbrücken sind geprägt durch einen großen Anteil an sichtbaren Betonflächen. Das reine Tragwerk sowie die Struktur und Farbigkeit der Beton­oberflächen geben den Brücken ihren eigenen Charakter. Schalkanten, Arbeits- und Taktfugen zeigen den Prozess der Herstellung von Pfeilern und Überbauten und bilden mit dem Tragwerk eine logische Einheit – die Technologie darf sichtbar sein. Um homogene Oberflächen zu erreichen, ist bei der Betonverarbeitung die Verwendung gleicher Betone mit gleichen Zuschlagstoffen auch bei mehreren Betonierabschnitten sowie die gleiche Verarbeitung und Nach­behandlung äußerst wichtig. Hochleistungs- und Textilbeton Ultrahochfester Beton (UHFB) oder ultra high performance concrete (UHPC) ist die Bezeichnung für Betone mit besonderer Mischung und Kornzusammensetzung. Diese zeichnen sich durch sehr hohe Druckfestigkeiten (> 150 MPa), ein dichtes Gefüge mit hoher Abriebfestigkeit und hoher Dauerhaftigkeit aus. Als Bewehrung können dem Beton neben Stahleinlagen auch Mikrostahlfasern zugegeben werden, wodurch sich die Zugfestigkeiten erhöhen und das Duktilitäts-

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Materialien

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verhalten eines faserbewehrten UHFB im Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) deutlich verbessert. Weltweit sind in den letzten Jahren Fußgänger-, Straßen- und Eisenbahnbrücken – teilweise als Pilotprojekte – aus UHFB entstanden. Aufgrund der Material­ eigenschaften können extrem schlanke Kon­ struktionen errichtet werden, die mit Normalbeton nicht möglich wären (Abb. 18). UHFB hat aber auch ein wesentliches Anwendungs­ spek­trum in der Instandsetzung und Verstärkung von Brücken, z. B. in der Schweiz und in Österreich (siehe „Resistieren“, S. 29f.). Hierbei werden Bauteile aus Stahlbeton mit einer schlanken UHFB-Schicht gezielt ertüch­ tigt und exponierte Oberflächen geschützt. Durch die Nutzung von nichtmetallischen Glas- oder Basaltfasern und GFK-Gelegen im Verbund mit Feinkornbetonen stellen Textilbetone eine Alternative für Anwendungen im Brückenbau dar. Mit der sehr tragfähigen Bewehrung z. B. aus Carbon lassen sich in Verbindung mit speziellen Feinkornbetonen Bauwerke oder Bauwerksteile mit reduzierter Betondeckung, schlanken Dimensionen und hoher Dauerhaftigkeit errichten. 3-D-Druck in Beton Digitale Werkzeuge in der Planung und die Fertigung im 3-D-Druck werden den Brückenbau in den nächsten Jahren stark verändern. Komplexe Formen lassen sich so künftig komplett ohne oder in Teilschalungen herstellen und damit völlig neue Tragwerke realisieren. Biometrische Strukturen ermöglichen komplexe statische Systeme, die mit konventionellen Schalungen im Betonbau undenkbar sind. Gedruckte Betonelemente können im Werk vorgefertigt und montiert oder direkt auf der Baustelle hergestellt werden. Bei Shanghai wurde z. B. eine 26 m lange und 3,60 m breite Brücke als Prototyp im 3-D-Druck realisiert. Die von Industrierobotern gefertigten Bauelemente wurden dabei in einem additiven Verfahren aus Faserbeton hergestellt und mithilfe eines Traggerüsts montiert. Neben der Erforschung der Leis-

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a

b

tungsfähigkeit des Druckkopfs wurden die Rezeptur des Faserbetons sowie das Tragwerk in einem Belastungsversuch an einem Modell im Maßstab 1:4 geprüft (Abb. 19).

18  UHFB-Brücke. Pont de la République (auch Pont André-Lévy), Montpellier (FR) 2014, Lamoureux & Ricciotti Ingénierie, Rudy Ricciotti Architecte a Ansicht b Aufgrund des hohen mechanischen Wider­stands und der Wasserdichtheit wurden die organisch geformten schlanken Schräg­ stützen aus UHFB errichtet (Druckfestigkeit 150 MPa).

Faserverbundwerkstoffe Schon seit den 1940er-Jahren werden faserverstärkte Kunststoffe (FVK) als stabiles Leicht­baumaterial für Helikopter und Flugzeuge entwickelt, um deren Transportkapa­ zität zu erhöhen. Moderne Flugzeugtypen bestehen heute bereits zu mehr als der Hälfte aus hochleistungsfähigen Faserverbundwerkstoffen (FVW). Für den Einsatz im Brückenbau ist neben der enormen mechanischen Festigkeit bei geringem Eigengewicht vor allem die hohe Beständigkeit gegen einwirkende Medien, insbesondere die hohe Frost-Tausalz-Beständigkeit, interessant. In den Niederlanden werden bereits seit 1995 Brücken mit FVK-Komponenten gebaut. Das United States Department of Agriculture stellte 2008 eine Richtlinie bereit, die den Einsatz von Faserverbundwerkstoffen für Trail-Brücken an schwer zugänglichen Orten erleichtern soll. Und so gibt es in den USA bereits ca. 50 Brücken mit Decks aus glas-

a

18

19  Bogenbrücke bei Shanghai (CN) 2019, Tsinghua University (School of Architecture, Zoina Land Joint Research Center for Digital Architecture — JCDA) a 3-D-Druck eines Überbausegments aus Faserbeton b Brückenquerschnitt

b

19

Material

faserverstärktem Kunststoff (GFK), während in Deutschland bislang erst wenige Brü­cken dieser Art errichtet wurden (Abb. 22).

Zugfes­ tigkeit [N/mm²]

Glasfaser 1500 — 3500 Kohlen- 2700 — 6400 stofffaser

Elastizitäts­ modul [N/mm2] Glasfaser 73 000 — 80 000 Kohlen- 225 000 — stofffaser 950 000 20

21 20  Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul von Glasund Kohlenstofffaser 21  Textilbewehrung: räumliche Carbon­ fasergelege

Anmerkung: [1] Merckel 1899 22  Straßenbrücke mit GFK-Deck Friedberg / Hessen (DE) 2008, Knippers Helbig 23  Die weltweit erste ausschließlich mit textiler Bewehrung (CFK) ausgeführte Betonbrücke. Fuß- und Radwegbrücke, Albstadt-Ebingen (DE) 2015, Knippers Helbig

Eigenschaften, Herstellung und Einsatz Faserverbundwerkstoffe bestehen aus der formgebenden Kunststoffmatrix, den verstärkenden Fasern und beigefügten Füll- und Zusatzstoffen zur Einstellung zusätzlicher, spezifischer Eigenschaften (z. B. UV-, Temperatur- und Witterungsbeständigkeit). Als Verstärkung werden im Brückenbau anorganische Fasern, vor allem Glas- und Kohlenstofffasern (Carbonfasern), in noch geringem Umfang auch Basaltfasern, eingesetzt. Glasfasern, die aus geschmolzenem Glas zu 9 – 24 µm dünnen Fäden gesponnen werden, weisen isotrope Materialeigenschaften auf und sind nicht brennbar. Die aus Gesteinsschmelze hergestellten Basaltfasern haben vergleichbare mechanische Kennwerte. Carbonfasern, die aus kohlenstoffhaltigen Ausgangsmaterialien durch ein Streck- oder Spinnverfahren in 7 – 9 µm dünnen Fäden hergestellt werden, besitzen stark anisotrope Eigenschaften und sind brennbar. Die notwendige mehrstufige Temperaturbehandlung bei bis zu 3000 °C ist sehr energie- und damit kostenintensiv. Während sich die Zugfestigkeiten nicht so stark unterscheiden, weist die Kohlenstoff­ faser im Vergleich zur Glasfaser ein um ein Vielfaches höheres Elas­tizitätsmodul auf (Abb. 20). Beide Fasern sind sehr korrosions­ beständig, und Carbonfasern nahezu dauerschwingfest und ermüdungsfrei. Die Matrix

besteht aus chemischen Verbindungen, die auf Kohlenstoff­ket­ten basieren, und ist daher brennbar. Im Bau­wesen kommen meist duroplastische Werkstoffe (Epoxid-, Polyesterharz) zum Einsatz. Faserverbundwerkstoffe sind hinsichtlich mechanischer Eigenschaften und erforder­ licher Resistenz gezielt herstellbar. Dabei wer­den industrielle Verfahren (z. B. Pultru­ sionsverfahren für GFK-Standardprofile und Bewehrungsstäbe) bis hin zu manuellen Herstellungstechniken, wie z. B. das Handlaminieren für geometrisch komplexe Formen in kleiner Stückzahl eingesetzt. Im Brückenbau eignen sich unter anderem Formteile, Sandwichelemente und Standardprofile als Balken, Stab- oder Bogenelemente, stabund bandartige Laminate als Hänger, Beweh­ rungsstäbe oder Spannbänder sowie flächige Laminate als Bekleidungselemente und räumlich verwobene Matten als textile Bewehrung für Beton (Textilbeton; Abb. 21). Konstruktion und Gestalt Das im Brückenbau noch relativ junge Mate­ rial Faserverbundwerkstoff besitzt bislang keine eigenständige, dem Werkstoffverhalten zuordenbare Formen­sprache, zudem wurden noch keine mate­rialspezifisch ablesbaren Fügeprinzipien ent­wickelt. Es kommen unterschiedliche Faserverbundelemente zum Einsatz. Die in den letzten drei Jahrzehnten realisierten Projekte zeigen jedoch bereits, welche Vielfalt an Lösungen die ex­trem dauerhafte und hoch beanspruchbare Werkstofffamilie ermöglicht (Abb. 23).

22

23

Materialien

93

h h h h h h

Konstruktionen

h h h

Katalog der Möglichkeiten hh h

h h

hh

h h h h

2  Einfeldträgerkette h h h h h h hh h h 3  Durchlaufträger h h h h

4  D  urchlaufträger mit Vouten und Stützenverjüngungen

h h h h h Brücken tragen Lasten. Für den Lastabtrag lässt sich eine Vielzahl möglicher Tragwerkstypo­logien ver­ wenden, die h sich jedoch hinsichtlich funktionaler Anforderungen, geeigneter Spannweiten und sinn­ voller Materialwahl unterscheiden. Effiziente Trag­ h h systeme bauen auf einer klaren Ordnung und Ein­ heitlichkeit auf. Sie erweisen sich als schlüssig, wenn nichts hinzugefügt oder entnommen werden kann. Schlankheit allein ist jedoch kein Gradmesser für die Effizienz. Viel wichtiger sind logisch angeordnete Tragstrukturen, die sich aus der Aufgabe, ein Hin­ dernis zu überbrücken, und den Randbedingungen am Ort begründen.

Balken/Rahmen 1  Einfeldträger

5  integrale Bauweise

6  Rahmenbauweise

Rückführung der Horizontalkräfte in das Tragwerk

direkte Einleitung der Horizontalkräfte

einhüftige Schrägstielbrücke 7  Schrägstielbrücken

94

nach der Momentenlinie geformt, z. B. Über­ führung bei Kirchheim Teck (DE) 1992

Baumstämme oder flache Steinquader zum Über­ brücken kleinerer Hindernisse wie Bäche oder Moore sind erste Beispiele einfeldriger Balken­kon­ struk­tionen (Abb. 1). Diese Balken tragen durch Bie­ gung, also durch Stauchen der Oberseite und Deh­ nen der Unterseite des Querschnitts. Der innere Kraftzustand ist vereinfacht als Druckbogen mit Zug­ band oder bei schlanken Trägern als idealisiertes Fachwerk abbildbar. Die Dicke eines rechteckförmigen Balkens unter dem Lastfall des Eigengewichts wächst im Quadrat zur Spannweite. Das bedeutet, dass Balken­brü­cken im Verhältnis somit deutlich überproportional schwe­ rer und kräftiger werden, je größer die Spann­weite ist. Balkenbrücken mit kurzen Spannweiten wirken aus diesen Gründen immer wesentlich schlanker als solche mit großen Stützweiten [1]. Größere Brückenlängen werden durch Einfeldträ­ gerketten (Abb. 2) oder mittels Durchlaufträger ­erzielt (Abb. 3). Beim Durchlaufträger wechselt über der Stütze die Beanspruchung: Auf der Oberseite entsteht Dehnung (Zug) und auf der Unterseite wird der Balkenquerschnitt gestaucht (Druck). Meistens ist dieses negative Biegemoment über der Stütze maßgebend für die Bemessung. Parallelgurtige Balkentragwerke, die das Gros der existierenden Brücken bilden, wirken unspektakulär und sind meist aus Stahlbeton-, Spannbeton- oder als Verbundtragwerke ausgeführt. Ein Anformen der Stützen oder Vorsehen von Trag­

h

h

h 8  Trogbrücke

h h

Flussbrücke

Einzelstützen

Talübergang

Zwillingsstütze 9  gevoutete Spannbetonbrücken

sprengwerkartige V-Stützen in Einheit mit dem Überbau, z. B. Filstalbrücke, Neubaustrecke Wendlingen-Ulm (DE) 2021

V-Stützen als separate Einheiten 10  Baumstütze mit Zentrumsbezug 11  Schrägstützenvarianten

werksvouten entsprechend der Querschnittsbean­ spruchung erzeugt eine höhere Ausdruckskraft, es macht das innere Tragverhalten erlebbar (Abb. 4). Gevoutete Balkenbrücken aus Spannbetonhohlkäs­ ten verlagern Eigengewicht von Brückenmitte zu den Stützen und haben sich deshalb im Spannwei­ tenbereich von ca. 80 − 200 m als Flussbrücken oder Talübergänge durchgesetzt (Abb. 9). Das gleiche Prinzip der günstigen Verteilung von Steifigkeit und Masse kann bei geringeren Brückenbreiten auch durch Trogquerschnitte realisiert werden (Abb. 8). Bei Rahmentragwerken ist grundsätzlich der Über­ bau mit dem Unterbau biegesteif zu verbinden. ­Dabei treten horizontale Abstützkräfte auf, die sich durch eine Schiefstellung der Stiele jedoch beein­ flussen lassen (Abb. 6). Bei größeren Längen be­ zeichnet man Rahmenbrücken auch als integrale Kon­struktionen, deren vorrangiges Ziel ein Verzicht auf Lager- und Übergangskon­struk­tio­nen ist und die eine hohe Dauerhaftigkeit versprechen (siehe „Übergangs­zone zur freien Strecke“, S. 67ff.). Die speziell temperaturbedingten Zwängungskräfte werden durch eine schlanke und flexible Konstruk­ tion sowie Stützen mit entsprechender Verfor­ mungsfähigkeit aufgenommen (Abb. 5). Eine Weiterentwicklung der Rahmenbauweise ist die Schrägstielbrücke, deren Horizontalkräfte bei weicheren Böden durch Erdstreben wieder in das Tragwerk zurückgeführt oder direkt vom Boden auf­ genommen werden (Abb. 7). Weitere Anwendun­ gen von Schrägstützen sind Durchlaufträger in sym­ metrischer Anordnung oder asymmetrischer Stel­ lung bei Brücken mit ausgeprägtem Zentrumsbe­ zug (Abb. 11). Dabei können Stützen als bewusst for­ mal und materiell getrennte Einheiten oder mit dem Überbau zusammenhängend ausgeführt werden. Die sprengwerkartige Ausführung einer Talbrücke mit V-Stützen als separate Einheiten in Abb. 11 ent­ spricht der material­reduzierten Auflösung des Auf­ lagerbereichs eines gevouteten Durchlaufträgers in Zuggurt und Druckstrebe (Abb. 9). Brücken mit stählernen Baumstützen ermöglichen durch die verzweigten multiplen Stützpunkte ein schlankes Brückendeck und kommen oft bei leich­ ten Fußgängerbrücken zur Anwendung (Abb. 10).

Konstruktionen

95

1 2

2

3

1 Obergurt 2 Füllstäbe aus Diagonalund Vertikalstäben 3 Untergurt

12  Wirkungsweise eines Fachwerks

zugdominiert

druckdominiert

13  oben liegendes Stahlfachwerk, z. B. Ijsselbrücke bei Zwolle (NL) 2011

Hängewerk

Unterspannung

kombiniert

Sprengwerk

Howe-Träger 14  Variationen von oben liegenden Fachwerken

96

15  Viereendelträger (biegeorientiert)

16  Stahlbrücke über den Firth of Forth, Queensferry (GB) 1890

17  gevoutetes, unten liegendes Fachwerk mit Verbundplatte

Fachwerke

18  Raumfachwerk mit Verbundplatte

Fischbauchträger

Finkträger

unterspannte Träger

19  V  ariationen von unten liegenden Fachwerks­ systemen bzw. unterspannten Trägern

Die Auflösung der inne­ren Kraftlinien des Balkens in stabile Dreiecke führt zum Fachwerk, das für enorme Materialersparnisse sorgt, da die Kräfte in einzelnen, zug- und druckdominierten Stäben konzen­triert werden und Füllmasse ohne statische Funktion wegfällt (Abb. 12). Dadurch können grö­ ßere Spannweiten bei geringerem Eigengewicht erreicht werden, wie schon die Brückenikone über den Firth of Forth (Abb. 16) oder eine moderne Ausführung in Abb. 13 zeigen. Der massive Durch­ laufträger (Abb. 9, S. 95) wird mit schrägen Füllstä­ ben als unten liegendes gevoutetes Stahlfachwerk mit Verbundfahrbahnplatte aufgelöst (Abb. 17). Genauso kann der Träger als parallelgurtiges Raumfachwerk über mehrere Felder aus­ge­führt werden (Abb. 18). Das klassische Fachwerk als Einfeldträger gliedert sich in horizontale Gurtstäbe und in Diagonal- und Vertikalstäbe, die zwischen den Gurten verlaufen (Abb. 12). Die Druck- und Zugkräfte sammeln sich in den Gurtstäben in Spannweitenmitte, während die Querkräfte von den Füllstäben aufgenommen werden, die zu den Auflagern hin ihr Maximum er­ reichen. Holz und Stahl lassen sich einfach als vor­ gefertigte Stabbauteile zu einem Fachwerk fügen. Im Gegensatz zu Stahl sollten bei Holzfachwerken die Diagonalen werkstoffgerecht und vorteilhaft in die Druckrichtung gelegt werden, wie in Abb. 14 die unterschiedlichen Entwicklungspfade von druck-, zugdominierten und weitere Fachwerkvari­ ationen zeigen. Variationen von oben und unten liegenden Fachwerken bzw. von unterspannten Systemen vermitteln eine Formen- und Konstruk­ tions­vielfalt, bei der sich der Kraftverlauf in beein­ druckender Weise vom Betrachter nachvollziehen lässt (Abb. 14 und Abb. 19). Eine Sonderstellung nimmt der Vierendeelträger, der Fachwerkträger ohne Diagonalen, ein. Die Quer­ kraft wird hier nicht direkt über die Diagonalen, son­ dern über Rahmenbiegemomente der Gurt- und Vertikalstäbe zu den Auflagern geleitet (Abb. 15).

Konstruktionen

97

5

1

4

2

3

1 Bogen 2 Aufständerungen 3 Kämpfer 4 Stirnwand 5 Brüstung

20  Steinbogenbrücke Anji Qiao, Zhao Xian (CN) 605 n. Chr., Li Chun

21  klassisches Viadukt

Bögen

22  Stabbogen als Durchlaufträger

23  Stabbogen als Unterstützung der Fahrbahn

24  Bogen mit Rückhängung der Zugkraft in der Fahrbahn

25  Langerscher Balken

26  Netzwerkbogen

98

Der Bogen ist nach dem Balken das älteste Trag­ system. Schon früh wurde ein Nutzen darin erkannt, Steinblöcke radial aufzuschichten und den Bogen­ schub als Kraftabtrag ausschließlich über Druck­ kräfte zu aktivieren (Abb. 20). Steinviadukte als ­Eisenbahnbrücken, die die Bauform der Viadukte und Aquädukte des Römischen Reichs wieder auf­ nehmen, sind imposante Zeitzeugen eines robus­ ten, jedoch nicht mehr modernen Brückentyps (Abb. 21). Bei gleichmäßiger vertikaler Belastung entfaltet der Bogen seine volle Wirksamkeit. Halb­ seitige Lasten aus Verkehr müssen durch Biegemo­ mente abgetragen oder durch hohes Eigengewicht überdrückt werden. Aus diesem Grund ist der Ein­ satz von Bogentragwerken bei größeren Spannwei­ ten nur sinnvoll, wenn die Verkehrslasten im Ver­ hältnis zur Eigenlast klein sind und der Baugrund sehr steif ist (z. B. Fels). Ausgehend vom gevouteten Balken (Abb. 9, S. 95) über das aufgelöste Fachwerk (Abb. 17, S. 97) wird bei Stabbogenkonstruktionen die Voute nach un­ ten weiter aufgeweitet und gegliedert, sodass die Druckkraft nicht über Füllstäbe hoch gehängt, son­ dern über Bogenwirkung direkt zum Auflager als Stabbogen geführt werden kann (Abb. 22). Die einwirkenden Kämpferkräfte an den Auflagern müssen entweder direkt in den Untergrund ein­ geleitet (Abb. 23) oder wieder in das Brückendeck zurück­gehängt bzw. dort kurzgeschlossen werden, wie das Beispiel des Stabbogens in Abb. 22 zeigt. Der Stabbogen in Abb. 23 wirkt als unterstüt­ zende Konstruktion des Brückendecks, das vom Bogen abgesetzt ist und die Biegemomente aus halbsei­tigen Lasten übernimmt. Das Tragverhalten ist anhand der Bauteildimensionen klar nachvoll­ ziehbar. Für Fahrbahnen mit geringer Höhe über dem Ge­ lände eignen sich Bogentragwerke, die über der Fahrbahn angeordnet sind und die Horizontalkraft in die Fahrbahn zurückführen (Abb. 24). Beim soge­ nannten Langerschen Balken verläuft der Bogen

gänzlich über der Fahrbahn, und dessen Kämp­ ferkräfte werden durch den in die Fahrbahn ­integrierten Streckträger als Zugband verbunden (Abb. 25). Durch die vertikalen Hänger muss vor­ wiegend ­dieser Streckträger die halbseitigen Las­ ten über Biegung aufnehmen und in der Regel größer als der Bogenquer­schnitt dimensioniert. Im Gegensatz dazu funktioniert der Netzwerk­ bogen durch die diagonal und überkreuzt ange­ ordneten Zugelemente ähnlich wie ein Biege­ träger (Abb. 26). Das Tragwerk stellt hier eine Symbiose zwischen Bogen und Fachwerk dar und ist äußerst steif im Verhältnis zum reinen ­Stabbogen. Asymmetrische Verkehrslasten wer­ den durch die Hängeranordnung effektiv auf den Bogen und den Versteifungsträger verteilt, wodurch sich die Biegebeanspruchungen dort ­reduzieren und das Tragwerk sehr schlank aus­ geführt werden kann. In Analogie zum Sprengwerk (Abb. 11 ganz oben, S. 95) und zum Stabbogen (Abb. 22) zeigen Abb. 27 und Abb. 28 zwei Varianten, bei denen der Bogenscheitel mit dem Deck verschmilzt. Im Gegensatz zur Durchlaufwirkung (Abb. 27) leitet hier der Bogen die Kräfte in die Felsflanken ein. Es ist dabei ein eindeutigerer Zen­trumsbezug zur Scheitelachse feststellbar, der den Bogen als geeignetes, dynamisch wirkendes Tragwerk über Hindernisse wie tiefe Schluchten kennzeichnet. Abb. 29 zeigt den klassischen, echten Bogen mit aufgeständerter Fahrbahn, der im Gegensatz zum Stabbogen in Abb. 23 als dominierendes Bauteil auftritt. Er stemmt sich kraftvoll gegen den Felsen, übernimmt die Biegemomente aus halbseitiger Last und hebt sich aus diesem Grund in den Dimen­ sionen entsprechend hervor. Als Fußgängerbrücken können Bogenbrücken auch in unterschiedlichen Variationen wie z. B. mit aufliegendem Spannband, das die Bogenhorizon­ talkraft wieder kurzschließt, ausgeführt werden (Abb. 30).

27  Bogen als Durchlaufwirkung

28  Bogen mit ausgeprägtem Zentrumsbezug

29  klassische (echte) Bogenbrücke

Bogen mit Gegengewicht (z. B. Dyckerhoft-Brücke, Wiesbaden, 1967)

Bögen mit aufliegenden Spannbändern (z. B. Überführung bei Olmütz, 2007) 30  Bogenvariationen für Fuß- und Radwegbrücken

Konstruktionen

99

1 Spannband 2 Widerlager 3 Stützen

31  Spannbandbrücken als Einfeld- und Mehrfeldkonstruktion

32  Zugsegel als Unterstützung der Durchlaufwirkung (z. B. Neckarbrücke (DE) Baubeginn 2014 und Ganter­ brücke, Ried-Brig (CH) 1980

33  Extradosed-Brücke

34  Zügelgurtbrücke

Harfenanordnung

(Halb-)Fächeranordnung 35  Schrägkabelbrücke

unterstützendes Hängekabel 36  kombinierte Hänge- und Schrägkabelbrücke

100

Anmerkung: [1] Schlaich 2004

Seiltragwerke nach dem Prinzip einer Leonardo-Brücke

gekrümmte Seilbrücke, z. B. Fuß- und Radwegbrücke, Gelsenkirchen (DE) 2009 37  weitere Variationen für Fuß- und Radwegbrücken

z. B. Alamillobrücke, Sevilla (ES) 1992

z. B. Erasmus-Brücke, Rotterdam (NL) 1996

38  einhüftige Schrägkabelbrücke mit Variationen

39  Hängebrücke A 26, Linz (AT) ca. 2024

Das Spannband ist die einfachste Form einer Über­ brückung und somit Urform der Hängebrücke. Beid­ seitig verankerte Zugglieder können über ein oder mehrere Felder geführt werden (Abb. 31). Wegen der Verfor­mungs­fähigkeit kommt dieser Brückentyp meist nur für Fußgängerbrücken zur Anwendung. Als Umkehrung der druckdominierten Tragwerke (Abb. 11 ganz oben, S. 95; Abb. 27, S. 99) zeigt Abb. 32 zwei Durchlaufträgervarianten mit exter­ ner Zugverstärkung. Diese Zugsegel können aus Stahlblechen oder einbetonierten Kabelelementen ausgeführt werden. Ähnlich funktioniert eine Extra­ dosed-Brücke (Abb. 33), bei der externe Spannglie­ der die Durchlaufwirkung unterstützen, wobei die Spannglieder wie eine aufgelöste, über der Stütze liegende Voute eines Durchlaufbalkens wirken. ­Vorgänger waren die Zügelgurtkonstruktionen mit einzelnen Zug­elementen, die nur mehr in Ausnah­ mefällen gebaut werden, da ein redundanter Last­ abtrag nicht möglich ist (Abb. 34). Im Gegensatz zur Extra­dosed-Brücke übernimmt der Kabelfächer einer Schrägkabelbrücke die domi­ nierende Tragfunktion. Die Versteifungsträger kön­ nen durch die enge Kabelführung sehr schlank sein (siehe „Weitspannen“, S. 26ff.). Abb. 35 zeigt zwei Kabelanordnungen in Harfen- und (Halb-)Fächer­ form, hier sind die Kabelkräfte im Brückendeck ver­ ankert und erzeugen dort Druckkräfte. Abb. 38 zeigt Ausführungen von asymmetrischen Schrägkabelbrücken mit lotrechten, schrägen und abgeknickten Pylonen von ho­her Ausdrucks­kraft. Generell sind seilgestützte Brü­cken auch für Fuß­ gänger und Radfahrer in unterschiedlichsten Varia­ tionen vom Prinzip der Leonardo-Brücke bis hin zu gekrümm­ten und räumlich verspannten Lö­sun­gen möglich (Abb. 37). Spektakulär präsentieren sich einseitig abgehängte Kon­struktionen, die durch Kreisringwirkung im Grund­riss die Torsionsbean­ spruchung über Zug und Druck im Versteifungsträ­ ger abfangen (Abb. 37 unten). Wie Abb. 31 zeigt, sind gekrümmte Zugelemente als Seile oder Kabel auch Grundlage der meist endver­ ankerten Hängebrücke (Abb. 39), die auch extreme Spannweiten ermöglicht (Abb. 40). Selbstverankerte Hängebrücken, bei denen die Kabelzugkraft in den Überbau als Druckkraft eingeleitet wird, werden heute aufgrund der aufwendigen Herstellung − das Zugband muss vor dem Seiltragwerk funktionsfähig sein − seltener realisiert. Mit dem Vorteil der steiferen Schrägkabellösung, jedoch mit dem Nachteil höherer Pylonen im Vergleich zu Hängebrücken, werden auch kombinierte Konstruk­tionen ausgeführt (Abb. 36).

40  echte Hängebrücke

Konstruktionen

101

Brücken im Detail

Fuß- und Radwegbrücken »Stuttgarter Holzbrücke« in Weinstadt (DE) Knippers Helbig Advanced Engineering /Cheret Bozic Architekten  Kettenbrücke in Weimar (DE) Marx Krontal Partner (Sanierung) Tintagel Castle Bridge (GB) Ney & Partners / William Matthews Associates

104 110 114

Straßenbrücken Queensferry Crossing bei Edinburgh (GB) Jacobs Arup Joint Venture / L eonhardt Andrä und Partner / Rambøll Group / Rambøll UK / Sweco UK Taminabrücke im Kanton St. Gallen (CH) Leonhardt Andrä und Partner / dsp Ingenieure + Planer / Smolczyk & Partner A5.Ü20 bei Wilfersdorf (AT) Asfinag Bau Management / Öhlinger und Partner / Mayer Ingenieurleistungen Lower Hātea River Crossing in Whangarei, Neuseeland (NZ) Knight Architects / Peters & Cheung (heute Novare Design)

120 125 132 136

Eisenbahnbrücken Scherkondetalbrücke bei Krautheim (DE) DB ProjektBau / Steffen Marx, Ludolf Krontal  Zweite Hinterrheinbrücke bei Reichenau (CH) Dissing+Weitling, WaltGalmarini, Cowi UK Getwingbrücke in Zermatt (CH) schlaich bergermann partner / SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult / mls architekten

142 146 152

103

Ein neuer Brückentyp aus Holz Fußgänger- und Radwegbrücke an der Birkelspitze in Weinstadt, Deutschland

„Massiv, integral und dauerhaft – dieser Holzbrückentypus könnte dem nachwachsenden Baustoff wieder zu neuer Blüte im Brückenbau ver­ helfen. Neben innovativen statisch-konstruktiven Aspekten wird eine eigenständige Gestaltsprache im Holzbrückenbau eingeführt, die sich an den Fertigungsprinzipien und dem Tragverhalten ausrichtet. Eine ­wohlproportioniert wirkende, skulpturale Brücke, die auch aus der Frosch­ perspektive eine gute Figur macht.“ Ludolf Krontal

Anlässlich der Remstal Gartenschau 2019 verwandelte sich das Remstal östlich von Stuttgart für 164 Tage in einen riesigen Garten. Insgesamt 16 Städte und Gemeinden entlang der Rems organisierten diese einzigartige Schau und gestalteten auf 80 km Länge einen Landschaftsraum mit Parks und Grünanlagen sowie einem neuen Radund Wanderwegenetz. Um die Wege dies- und jenseits der Rems miteinander zu verbinden, erhielten die Gemeinden Weinstadt und Urbach drei neue Fußgänger- und Radwegbrücken nach dem Konzept der Stuttgarter Holzbrücke. Stuttgarter Holzbrücke Die sogenannte Stuttgarter Holzbrücke ist ein neuartiger, langlebiger Brückentyp, der mit möglichst geringem Unterhaltsaufwand

Ansicht Maßstab 1:250

104

auskommen soll. Enwickelt wurde dieser Brückentyp von Ingenieuren, Architekten und Holzbauexperten in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart. Im Rahmen eines 2013 gestarteten Forschungsprojekts wurden zunächst häufige Schadensursachen an elf bestehenden, noch genutzten Holzbrücken aus den 1980er- und 1990erJahren im Stuttgarter Raum analysiert. Die Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich die Gründe für die teils erheblichen Schäden. Dazu gehören unter anderem stauende Nässe im Auflagerbereich und unterhalb undicht gewordener Abdichtungen. Aber auch Anschlusskonstruktionen, die der Bewitterung ausgesetzt sind und nach Durchfeuchtung nicht ausreichend trocknen, ver­kürzen die Lebensdauer der Brücken teils ­erheblich.

Biegemomentenver­ lauf eines beidseitig eingespannten Einfeld­ trägers unter Gleichlast (oben) am Biegemomenten­ verlauf ausgerichtete Trägerform (unten)

Entwurf und Kon­ struktion: ­Knippers ­Helbig Advanced Engineering, DE-Stuttgart, Thorsten Helbig (Pro­ jektleitung) Cheret Bozic Archi­ tekten, DE-Stuttgart, Peter Cheret (Projekt­ leitung)

Der auf diesen Erkenntnissen basierende, neu entwickelte Brückentyp ist eine gedeckte Brücke, bei der der über­stehende Gehbelag den Träger aus blockverleimtem Brettschichtholz vor direkter Bewitterung schützt. Auf der Oberseite ist der Massivholzquerschnitt zudem mit einer diffusionsoffenen Folie abgedichtet. Der Abstand zum Gehbelag von 15 cm ermöglicht eine ausreichende Hinterlüftung. Erste integrale Brücke mit Holzüberbau Im Unterschied zu historischen Holzbrücken handelt es sich bei der Neuentwicklung um eine integrale, also lager- und fugenlose Brücke: Träger und Widerlager sind monolithisch miteinander verbunden. Eingeklebte

Gewindestangen, die mit entsprechender Übergreifungslänge in die Bewehrung des Widerlagers eingebunden sind, übertragen die Biegezug- und Normalkräfte zwischen Holzüber- und Stahlbetonunterbau. Die direkte Kopplung zwischen dem massiven, blockverleimten Brettschichtholzkorpus und dem Stahl­betonunterbau birgt allerdings das Risiko von Rissbildungen, weil das Quellen und Schwinden aufgrund von Feuchteänderungen im Holz behindert werden. Zur Validierung des Verbindungskonzepts entwickelten die Planer einen Prototyp, an dem Messungen vorgenommen und ­ausgewertet wurden. Belastungstests an Brettschichtholz-Stahlbeton-Prüfkörpern, die durch mit Zweikomponenten-Epoxidharz-

„Stuttgarter Holzbrücke“ in Weinstadt (DE)

105

Baustellenablauf

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350

4

6 5

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7 350

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1

7

Ansichten Brücken­ träger und Widerlager Maßstab 1:50 1 Betonstahl Ø B500B, 78 ≈ 20 mm 2 Überbau Brett­ schichtholz 13 ≈ 20 cm, block­ verleimt 3 Vollgewindeschrau­ ben Ø 8 mm, l = 260/280 mm, 45° geneigt zur Faser­richtung ange­ ordnet 4 Auflagerwinkel Flachstahl 15 mm 5 Vollgewindeschrau­ ben als Querzugver­ stärkung Ø 8 mm, l = 640 6 Dübelanschluss zur Lagesicherung 7 Widerlager Stahl­ beton

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200

4

4

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5 1000

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klebstoff ein­geklebte Betonstahlstäbe mit 16 mm Durchmesser verbunden waren, bestätigten die rechnerisch ermittelte Traglast und eine sehr hohe Resttragfähigkeit. Auch statisch-konstruktive Aspekte, die bei der erstmaligen Adaption des Prinzips „integrale Brücke“ für den Werkstoff Holz zu betrachten sind, wurden analysiert. Überbau, Unterbau und Baugrund interagieren miteinander; Boden und Bauwerk müssen genau erfasst und sensitive Bauwerkskomponenten identifiziert werden.

1

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Fußgänger- und Radwegbrücke in Weinstadt-Birkelspitze Die im Mai 2019 eröffnete Brücke an der Birkelspitze in Weinstadt verbindet das nördlich der Rems gelegene Wohngebiet Trappeler mit dem Birkel-Areal in WeinstadtEndersbach. Die Form des Überbaus folgt dem Momentendiagramm des Brücken­ trägers unter Gleichlast: Der Querschnitt reduziert sich von den Aufweitungen am Anschlusspunkt zum Widerlager mit hohem Einspannmoment auf ein Minimum am Momentennullpunkt und weitet sich in der Feldmitte wieder auf. Die Abtreppung verweist auf die Fertigungsmethode: Insgesamt 13 jeweils 0,20 m breite Brettschichtholzsegmente wurden in liegender Position zum 2,60 m weiten und 0,93 m hohen Brü-

„Stuttgarter Holzbrücke“ in Weinstadt (DE)

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6 7 8 3

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ckenträger mit einem Gesamtvolumen von 45 m3 blockverleimt. So ergibt sich nur auf der Oberseite ein feuchtigkeitsempfindlicher Faseranschnitt. Diese ist mit einem Quer- und Längs­gefälle und einer diffu­ sionsoffenen Abdichtung vor stauender Nässe geschützt. Außer einem sperrenden Anstrich für das Hirnholz im Kontaktbereich zum Stahlbetonwiderlager ist es nicht notwendig, weitere Teile des Massivholzkorpus zu konservieren. Zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit der Brückenkonstruktion sind an acht ausgewählten Stellen permanente Feuchtemess- und Temperatursensoren installiert. Die Daten werden in definierten Zeitintervallen ausgelesen und ausgewertet. Insbesondere an den neuralgischen Stellen nahe der Kontaktfuge zwischen Holzüberbau und Beton­widerlager sowie unterhalb der Folienabdichtung wäre so ein länger anhaltender Anstieg des Feuchte­ gehalts feststellbar. Carbonbeton und Bleiwolle Noch in der Montagehalle wurden in jede Hirnholzfläche 78 Betonrippenstähle mit 20 mm Durchmesser und Längen von 2,30 bis 3,00 m eingeklebt. Die Betonrippen-

108

stähle liegen bis zu 1,20 m tief in den 30 m langen, blockverleimten Trägern und enden in der Bewehrung der Widerlager. Dort sind sie fest einbetoniert. Um einen reibungslosen Einbau zu garantieren, musste der Brückenkörper auf den Zentimeter genau und im passenden Winkel abgebunden werden. Nach Aufbringen der diffusionsoffenen Folienabdichtung und der Montage der Geländerträger wurde der vorgefertigte Überbau zum Einbauort transportiert und mit einem Mobilkran eingehoben. Die am Holzkorpus verschraubten Stahlwinkel dienten dazu, das Segment auf den beiden Widerlagern abzusetzen und ­auszurichten. Mit dem Ausbetonieren der ­Einbindebereiche wurde die kraftschlüssige Verbindung zu den Stahl­ betonwiderlagern hergestellt. Der mechanisch stark belastete Gehbelag besteht aus vorgefertigten carbonfaserbewehrten Feinkornbetonplatten. Um die Tritt­ sicherheit auch bei Nässe zu gewährleisten, ist die Oberseite der etwa 3 ≈ 3 m großen und 7 cm starken Platten sandgestrahlt, eine wei­tere rutschsichernde und rissüberbrückende Beschichtung ist nicht ­nötig. Die Fugen zwischen den Platten sind mit Bleiwolle verstemmt.

Querschnitt Längsschnitt Maßstab 1:50 1 Unterkonstruktion Stahlträger RHP 140 ≈ 80 ≈ 5 mm 2 Fertigteilplatten aus Textilbeton mit beidseitig 2 % Quer­ gefälle 3 Neoprenauflage 5 –10 mm 4 Abdichtung diffusions­offene Folie 5 Überbau Brett­ schichtholz, 13 ≈ 20 cm, block­ verleimt 6 Handlauf Brett­ schichtholz Lärche 2≈ Ø 90 mm, auf U-Stahlprofil ­verschraubt 7 Geländer, Doppel­ pfosten aus Flach­ stahl 10 mm 8 Seilnetz Edelstahl, Maschenweite 40 mm

„Stuttgarter Holzbrücke“ in Weinstadt (DE)

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Auf Geschichte gegründet Restaurierung der Kettenbrücke im Park an der Ilm in Weimar, Deutschland

„Wie oft verschwinden historische Brückenbauwerke aus unserer Umwelt — teils aus Ignoranz, teils aus Unwissenheit? Umso erfreulicher ist die grundlegende Sanierung der Schaukelbrücke als identitätsstiftender Teil des Ilmparks in Weimar. Auch bei diesem Bauwerk drohte der Totalverlust, denn die Stahlzugglieder sollten zunächst originalgetreu nachgebaut werden. Durch innovative Konzepte in der Materialprüfung und ingenieurmäßige Herangehensweise war es jedoch möglich, die Tragfähigkeit der alten Kettenglieder nachzuweisen. Und jetzt schaukelt die alte Brücke wieder — wie seit fast 200 Jahren.“ Thorsten Helbig

Das historische Brückenbauwerk Am Rande der Weimarer Altstadt befindet sich der 48 ha große Park an der Ilm. Her­ zog Carl August und Johann Wolfgang von Goethe verwirklichten hier ihre garten­ künstlerischen Ideen und schufen einen ein­ zigartigen Landschaftsgarten. Im südlichen Teil des Parks liegt die von Karl Friedrich Christian Steiner im Jahr 1833 – ein Jahr

Grundriss • Ansicht Maßstab 1:200

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nach Goethes Tod – errichtete Kettenbrücke. Zwischen zwei Pylonen spannt sich das Hängewerk aus jeweils drei geschmiedeten Zugbändern aus Puddelstahl auf. Seitlich zur hölzernen Lauffläche ist eine obere und untere Zugbandebene angeordnet. Die Zugbänder, die mit geschmiedeten Knoten­ punkten über Bolzen gelenkig miteinander verbunden sind, werden über die Pylone in

Entwurf und Kon­ struktion: Karl Friedrich Christian Steiner, DE-Weimar Sanierungsentwurf, Konzeption, Bauteil­ versuche: Marx Krontal Partner, DE-Weimar Oliver Hahn Prüfingenieur: Wolfgang Krüger, DE-Weimar Bauherr: Klassik Stiftung ­Weimar, DE-Weimar

Kettenbrücke in Weimar (DE)

111

den Untergrund geführt und dort an Schwerlastblöcken und Kleinbohrpfählen rückverankert. An den Gelenken der Zugbänder sind Hän­ ger befestigt, welche die 15 Querträger aus Holz aufnehmen. Die Lauffläche des Über­ baus ist als Trägerrost mit Bohlenbelag aus­ gebildet. Diese schwingungsanfällige Kon­ struktion verlieh dem Bauwerk den Namen Schaukelbrücke. Die damals neue Konstruktionsweise von Hängebrücken mit eisernen Kettengliedern kam in England ab ca. 1740 (Winch Bridge) und mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Nordamerika zum Einsatz. Mit ihren originalen Hängegliedern ist die Kettenbrücke in Weimar eine der ältesten funktionsfähigen Hängebrücken in Europa. Ausgangssituation für die Planung Aufgrund der ausgeschlagenen Bolzen­ verbindungen der Hängeketten war eine Instandsetzung der Schaukelbrücke erfor­ derlich. Zudem beschädigte ein Hoch­ wasser im Jahr 2013 die Brücke so sehr, dass ein Ersatz oder eine Ertüchtigung unumgänglich wurden. Die Planung der Instandsetzung sah zu­­ nächst einen Rückbau des Hängewerks, die Erneuerung des Belags und eine anschlie­ ßende Wiederherstellung mit restaurierten Kettengliedern vor. Daraufhin ermittelten Tragwerksplaner die maximalen Zugkräfte für die Kettenglieder bei Fußgängerbrücken und stellten fest, dass mit der für den Voll­ querschnitt angesetzten zulässigen Span­ nung für Puddelstahl von 75 N/mm2 der rechnerische Nachweis der Tragfähigkeit nicht geführt werden kann. Daraufhin plante man, die historischen, handwerklich hergestellten Kettenglieder durch neue, äußerlich ähnliche stählerne Augenstäbe zu ersetzen. Mit einer Rekon­ struktion hätte die Hängebrücke zwar so ­ausgesehen, wie das historische Vorbild, aber im Sinne der Denkmalpflege war diese Lösung nicht zufriedenstellend.

112

Versuchsaufbau Maßstab 1:15 1 Presse und Kraftmessdose 2 Gewindestab M20 3 Verbindungsmutter M20 4 Transportöse drehbar 5 Kettenschäkel 6 Kettenglied L = 198 cm 7 Messpunkte

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MS A1 MS G1

7

Vorgehen zum alternativen Nachweis der Tragfähigkeit Der Bauherr, die Klassik Stiftung Weimar, versprach sich durch alternative Betrach­ tungen und Nachweise, den Austausch der originalen Kettenglieder gegen rekonstru­ ierte vermeiden zu können. Dafür setzten die Ingenieure als Ersatz für den erfolglosen rechnerischen Nachweis ein experimentel­ les stufenweises Nachweiskonzept um. Eine durchgängige Codierung aller Bau­ teile stellte sicher, dass nach deren Ausbau die jeweils vorgegebenen Ziellasten über­ prüft werden konnten und sie sich nach Abschluss des Prüfverfahrens passgenau wieder einbauen ließen. Hochauflösende Messungen sicherten das Verfahren gegen sprödes Versagen

der vorgeschädigten Kettenaugen erfolg­ reich ab. Die Eignung des Versuchs- und Messkonzepts wurde anhand ausgewähl­ ter Kettenglieder in der ersten Stufe bestä­ tigt. Nach der Reinigung und Inspektion durch den Metallrestaurator führten die Ingenieure als nächsten Schritt Einzelprü­ fungen aller 88 Kettenglieder und 176 Lauf­ buchsen durch und dokumentierten dies in einem Kraft-Dehnungs-Diagramm. So konnte die Einhaltung der vorgegebenen Grenzdehnung von 0,2 % nachgewiesen werden. Mit dem stufenweisen Vorgehen und dem experimentellen Nachweis der Tragfähigkeit war es möglich, vor dem Hintergrund neuer Sicherheitsanforderungen die originale Bau­ substanz zu erhalten.

Kettenbrücke in Weimar (DE)

113

Über dem Abgrund Fußgängerbrücke bei Tintagel Castle, Großbritannien

„Großbritanniens Festland und die geschichtsträchtige Tintagel-Insel sind – fast – wieder verbunden. Der elegante Schwung des Untergurts dieser Fußgängerbrücke lässt ein Bogentragwerk vermuten, doch am Scheitelpunkt: ein Spalt von 4 cm. Die zwei Kragarme sind nur durch Schubdollen gekoppelt. Eine sowohl dramatisch als auch poetisch anmutende Geste; eine gelungene Inszenierung des Aufeinandertreffens von Festland und Insel, Gegenwart und Geschichte. Die Brücke überzeugt sowohl durch die sorgfältig entwickelten Details als auch mit dem gelungenen Materialkonzept.“ Thorsten Helbig

114

Tintagel Castle liegt nahezu auf einer Insel an der Nordwestküste Cornwalls unweit des Dorfs Tintagel. Nur eine schmale Land­ zunge verbindet die Burgruine, eine der imposantesten historischen Stätten Groß­ britanniens, mit dem Festland. Sie thront auf steilen Klippen und trotzt seit Jahrhunderten den Naturgewalten. Legende um König Artus Nach der bereits in den 1130er-Jahren ver­ fassten Artussage fand hier die Zeugung des Königs Artus statt, indem sich Uther Pendragon, König von Britannien, von dem Zauberer Merlin für eine Nacht in die Ge­­ stalt von Gorlois, Herzog von Cornwall, ver­ wandeln ließ, um mit dessen Frau Igraine eine Nacht verbringen zu können. Doch bereits im Mittelalter verlor die Anlage an Rang. Kaum einer der Earls of Cornwall hielt sich oft in der Burg auf, deren instabile Lage an den Klippen immer wieder Pro­ bleme machte. Fundstücke aus dem Mittel­ meerraum lassen darauf schließen, dass Tintagel dennoch von Handelsschiffen angefahren wurde. Ende des 14. Jahrhun­ derts wurde die Burg zur Unterbringung von hochrangigen Gefangenen genutzt. Noch vor 1600 war die Burg endgültig ver­ lassen und verfiel. Die spektakuläre Lage und die mystische Stimmung, die von Tinta­

gel ausgeht, locken heutzutage zahlreiche Besucher an. Eine neue alte Verbindung Im Mittelalter gelangten die Bewohner von Tintagel über eine Landbrücke von einer Seite auf die andere. Dieser schmale Zugang war so markant, dass er der Fes­ tung den Namen „Cornish Din Tagell“ oder „Festung des schmalen Eingangs“ verlieh. Seit dem 15. Jahrhundert besteht diese ­Verbindung jedoch nicht mehr, und die Besucher der Burg müssen die Klippen über mehrere steile Stufen erklimmen, um von einer Seite der Anlage auf die andere zu gelangen. Um wieder eine Verbindung herzustellen, schrieb der Bauherr English Heritage 2015 einen Wettbewerb aus, den Ney & Partners zusammen mit William Matthews Associates für sich entscheiden konnten.

Entwurf und Kon­ struktion: Ney & Partners – Laurent Ney, BE-Brüssel William Matthews Associates, GB-London Mitarbeiter: Mathieu Mallié und

William Matthews (Projektleitung), Bart Bols, Karl ­Burgmann, Aline Roger, Taysir Ahmad, Aude Joannès Bauherr: English Heritage, GB-Swindon

Tintagel Castle Bridge (GB)

115

116

Ansicht • Grundriss Maßstab 1:500

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Formfindung und Entwurfsidee Von Anfang an kam für die Planer ein oben liegendes Tragwerk als Lösung nicht infrage. Dadurch würde einerseits ein visueller Konflikt mit der Ruinenstätte entstehen, andererseits sollte die zukünf­ tige Konstruktion mit den steilen Fels­ wänden kor­respondieren und eine Einheit bilden. Eine Schrägseil- oder Hängebrücke schied ­aufgrund zu hoher Verankerungs­ kräfte in den obersten Bodenschichten ebenfalls aus. Außerdem musste bereits in der Entwurfsphase berücksichtig werden, dass sich die Anlieferung und Montage an diesem exponierten und entlegenen

Ort äußerst schwierig gestalten würde. So entschieden sich die Planer für ein abgewandeltes Bogentragwerk. Diese Art von Tragwerk hat sich über Jahrhunderte hinweg bewährt und schien für die Über­ brückung des 190 m hohen Ab­grunds opti­ mal. Im Gegensatz zu einer klassischen Bogenbrücke mit Lückenschluss in der Mitte handelt es sich hier aber um zwei Kragarme mit dazwischenliegendem Spalt von 40 mm. Der Vorteil dieser Variante ist, dass durch den fehlenden Lückenschluss keine Zwangskräfte zwischen Bogen und Überbau entstehen, sondern der Ober- und Untergurt der Fachwerkträger die Zwangs­

Tintagel Castle Bridge (GB)

117

Schnitte Maßstab 1:50

aa

bb

cc

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7

Detailschnitte Maßstab 1:20 1 Handlauf Eichenholz 20/45 mm 2 Geländerstütze Edelstahl 15 mm 3 Kastenträger Flachstahl ¡ 20 mm 4 Edelstahlprofil | 30/30 mm 5 Bodenbelag Schieferplatten senkrecht geschichtet in Edelstahlrahmen 75 mm 6 Träger Edelstahl­ profil } 60 ≈ 70 ≈ 10/15 mm 7 Stahlprofil ¡ 40 mm 8 Verbindung Schubdolle Edelstahl Ø 50 mm

7

beanspruchungen aufnehmen. In der Lücke übertragen lediglich zwei kleine Verbin­ dungsstücke die Querkraft, um die Kom­ patibilität der Verformung zwischen den beiden Kragträgern zu gewährleisten. Außerdem hat die Lücke auch eine sym­ bolische Bedeutung: Sie soll den Über­ gang vom Festland zur Insel sowie von der Gegenwart zur Vergangenheit verkörpern. Das Tragwerk entspringt an der Felswand mit einer Höhe von 4,50 m und verjüngt sich zur Mitte hin, wo es gerade einmal 17 cm misst. Alle 18 Teile der Brücke wurden im Werk vorgefertigt und mittels Kabelkran und Hub­ schauber vom Festland aus vor Ort zusam­ mengefügt.

3

3

8

8

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1200

1

6

6 4

4

260

kreuzende Füllstäbe aus Edelstahl zum Ein­ satz. Die nach innen gerichteten Stäbe neh­ men den Handlauf aus Holz auf, während die nach außen geneigten Stäbe mit einer Höhe von 120 cm dem Benutzer ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Der Gehwegbelag besteht aus vertikal verlegten Schieferplat­ ten aus der Region, die in Edelstahlkästen eingebettet sind. Diese Art der Ausführung ist in Tintagel oft zu finden. Sie bietet eine dauerhafte, rutschfeste Oberfläche und schafft gleichzeitig eine Verbindung zum Mittelalter, als dieses Material ebenfalls schon zum Einsatz kam.

Materialität Unter- und Obergurt bestehen jeweils aus Stahl, der mit einer Korrosionsschutzbe­ schichtung versehen wurde. Die kreuzförmi­ gen Ausfächerungen zwischen Ober- und Untergurt sind aus Edelstahl. Beim Gelän­ der kamen quadratische 15 mm dicke, sich

Tintagel Castle Bridge (GB)

119

260

Topografie führt zu Funktion Queensferry Crossing bei Edinburgh, Großbritannien

64

„Die neue Querung über den Firth of Forth vervollständigt ein einzigartiges Brückenensemble mit Tragwerken aus unterschiedlichen Epochen. Die Konstruktion besticht durch die zentrale Anordnung der schlanken Masten und Kabelebenen und den beidseitig auskragenden Richtungsfahrbahnen. Durch die statisch notwendigen Überlappungen der drei annähernd gleich großen, eigenständigen Kabelfächer verbinden sich diese zu einem Gesamtbauwerk. Ein überzeugendes Beispiel, bei dem eine neuartige und ausdrucksvolle Form durch ingenieurtechnisches Geschick erzeugt wird.“ Michael Kleiser

Die im September 2017 eröffnete Straßen­ brücke Queensferry Crossing spannt über den Firth of Forth und verbindet Edinburgh mit dem nördlichen Schottland. Sie ergänzt eine überlastete Hängebrücke aus dem Jahr 1964, die fortan nur noch dem Bus-, Fahrrad- und Fußgängerverkehr dient. In direkter Nachbarschaft befindet sich auch die weltbekannte Forth Bridge. Diese rote Auslegerbrücke ist dem Bahnverkehr vorbe­ halten und war bei ihrer Eröffnung im Jahr 1890 die Brücke mit der größten Spann­ weite weltweit. So ist nun ein einzigartiges Ensemble dreier verschiedener Brücken­ konstruktionen aus drei Jahrhunderten ent­ standen. Die Entscheidung für eine Schrägkabelbrü­ cke gründet sich neben ökonomischen Vor­ teilen auf funktionelle Anforderungen und topografische Gegebenheiten: Ein aus dem Wasser ragender Felsen bot die Möglichkeit der Lastabtragung in der Mitte des Firth. Da die Ingenieure – nicht nur aus ästhetischen Erwägungen – ein symmetrisches Gesamt­ system anstrebten, wurde mit Blick auf die zu beiden Seiten erforderlichen Schifffahrts­ öffnungen eine Spannweite von 2≈ 650 m festgelegt. Daraus ergab sich die Lage der beiden äußeren Pylonen und der aufge­ ständerte Vorlandbereich auf der Südseite. Mit einer Gesamt­länge von 2,64 km ist die

120

Schrägkabelbrücke die längste der Welt mit drei Pylonen. Tragwerk mit drei Pylonen Eine charakterische Besonderheit der Kon­ struktion sind die beiden dreieckigen Felder sich rautenförmig überlagernder Kabel. Die­ ses Detail beantwortet ein prinzipielles Pro­ blem mehrfeldriger Schrägkabelbrücken: Bei einem oder zwei Pylonen können diese durch Rückhaltekabel über die – meist land­ seitigen – steifen Seitenfelder rückverankert werden. Bei drei Pylonen ist diese Möglich­ keit der Stabilisierung für den mittleren Pylon nicht gegeben. Mögliche Lösungen sind ein sehr steifes Deck, sehr steife Pylo­ nen oder verschiedene Arten der Abspan­ nung. Hier gelingt die erhöhte Steifigkeit des Gesamtsystems durch die Überlage­

Entwurf und Kon­ struktion: Jacobs Arup Joint ­Venture, GB–Edinburgh Leonhardt, Andrä und ­Partner, DE–Stuttgart Rambøll Group, DK–Kopenhagen Rambøll UK, GB–Southampton Sweco UK, GB–Leeds Ausführung: Hochtief, DE–Essen

American Bridge ­International, US–Coraopolis Dragados, GB–London Morrison Construction, ­ GB–Edinburgh Prüfingenieur: URS, Aecom, GB–London Bauherr: Transport Scotland, GB–Glasgow

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104

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650 202,267 OD

650 210,717 OD

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202.267 OD

Ansicht Maßstab  1:10 000

Queensferry Crossing bei Edinburgh (GB)

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0,66%*

ST.2

S2.2

S1.2

N1.2

SA S8

S7

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S3

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S2.1

S1.1

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S1.2

ST

ST.2

0,66%*

0,66%*

rung der Schrägkabel in der Mitte der Hauptfelder. Lagerungskonzept Der mittlere Pylon ist mit dem Überbau monolithisch verbunden und nimmt an ­dieser Stelle die gesamten Lasten aus der Fahrbahn auf. Die äußeren Pylonen hinge­ gen sind durch eine 70 cm breite Fuge vom Überbau getrennt, um Zwangsbean­ spruchungen aus Temperaturänderungen zu vermeiden. Der Überbau wird hier aus­ schließlich von den Kabeln getragen, wäh­ rend Horizontalkräfte durch Wind von verti­ kal ausgerichteten Lagern in die Pylonen eingeleitet werden. Aufgrund dieser schwim­ menden Lagerung muss die Torsion des Überbaus aus exzentrischen Verkehrs­lasten 51MN oder Wind von den v-förmigen Brückenpfei­

122

lern S1 und N1 aufgenommen werden. Um abhebenden Kräften zu begegnen, ist der Brückenkörper hier mit einer Vorspannung in den v-förmigen Pfeiler nach unten abge­ spannt. Dehnfugen sind nur an den beiden Widerlagern vorgesehen, sodass es am südlichen Widerlager, das 1560 m vom Festpunkt entfernt liegt, zu ­einem Gesamt­ dehnweg von 2270 mm kommt. Bauelemente Der Überbau hat im kabelverspannten Bereich einen dreizelligen Verbundquer­ schnitt mit einem 30 m breiten, kastenförmi­ gen Stahlträger und einer beidseitig ca. 5 m auskragenden Betonplatte. Vier längs ver­ laufende Stege bilden das zentrale Rück­ grat. Die Kabelverankerungen des mittleren 51MN Pylons sind auf der Innenseite der beiden inneren Stege befestigt, die der äußeren Pylonen auf deren Außenseite. Diese ver­ setzte Anordnung ermöglicht die Überlap­ pung der Kabel. Die Betonplatte der Fahr­ bahn ist in Querrichtung vorgespannt, um 51MN 51MN eine Rissbildung infolge der mittigen Aufhän­ gung und eine daraus resultierende Minde­ rung der Torsionssteifigkeit zu vermeiden. Die 210 bzw. 202 m hohen Pylonen aus Stahlbeton haben einen sich nach oben ver­ jüngenden Querschnitt mit einer Wandstärke von maximal 2,40 m. Im oberen Bereich ist

monolithische Verbindung mittlerer Pylon (oben) schwimmende Lagerung bei den äußeren Pylonen (Mitte) System v-förmige ­Verankerungspfeiler (unten)

51MN

N2.2

CT

51MN

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Grundriss • Ansicht statisches System SA S8

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S6

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Queensferry Crossing bei Edinburgh (GB)

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3,92

Schnitt Überbau Maßstab 1:250

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2,54

5,65

4,90

39,80

ein über Kopfbolzendübel im Verbund lie­ gender Stahlhohlkasten zur Verankerung der Kabel angeordnet. Die insgesamt 288 Schrägkabel sind als siebendrahtige Parallellitzenbündel aus­ geführt. Die geringste Litzenanzahl von 45 weisen die kurzen Kabel am mittleren Pylon auf, der in seinem Einzugs­bereich die gesamten Vertikallasten des Überbaus ableitet. Im Gegensatz dazu wirken bei den kurzen Kabeln der beiden äußeren Pylonen die größten Lasten. Dies sind mit 109 Litzen auch die dicksten Kabel. Die für Pylonen, Kabel und Überbau bemessungsrelevanten Beanspruchungen traten aber vielfach nicht im fertigen Zustand, sondern während des Bauprozesses auf.

124

Bauausführung Während die Gründung des mittleren Pylons auf dem aus dem Wasser ragenden Felsen erfolgen konnte, waren für die äuße­ ren Pylonen und den ersten südlichen Ver­ ankerungspfeiler Absenkkästen mit einem Durchmesser von bis zu 30 m erforderlich. Die Pylonen selbst wurden unter Verwen­ dung einer inneren und einer äußeren Klet­ terschalung hergestellt. Im Bereich der Kabelverankerungen ersetzen Stahlhohl­ kästen die innere Kletterschalung. Die maximal 16,20 m langen Stahlelemente des Überbaus wurden in China vorgefer­ tigt und auf dem Seeweg nach Schottland gebracht. Das Betonieren der Fahrbahn auf die Obergurte erfolgte in einer eigens

1,62

5,17

Horizontalschnitt Pylon in 120 m und 180 m Höhe 9200 1300

8000

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5600

6600

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Queensferry Crossing bei Edinburgh (GB)

3300

5200

7000

3300

3300

5200

errichteten Fabrik im nahe gelegenen Hafen von Rosyth. Ein über 80 m hoher Schwimmkran instal­ lierte die ersten vier Segmente des Über­ baus an jedem der drei Pylonen zusam­ men mit einer temporären Arbeitsplattform und den für den Freivorbau notwendigen beiden Derrick­kränen. Nachdem die Fahr­ bahn der Start­segmente als Sonderfall vor Ort betoniert worden war, konnten diese an die ersten Kabel gehängt und von der Arbeitsplattform gehoben werden. An­­ schließend begann der zyklische Prozess des Freivor­baus: Die Überbausegmente wurden auf Pontons unter ihren Standort verschifft, mit den Derrickkränen auf Mon­ tageniveau gehoben, ausgerichtet, mit geschraubten Laschenverbindungen fixiert, verschweißt und nach dem Betonieren der Fuge zwischen den Segmenten schließ­ lich an die Kabel gehängt. Nun konnte der Derrickkran zum Heben des nächsten Seg­ ments an die neue Vorderkante verscho­ ben werden. Für das Schließen der Lücken in den Hauptfeldern mussten beide Kragarm­ enden in die richtige Höhenlage gebracht ­werden. Der letzte Lückenschluss erfolgte im Februar 2017, am 4. September 2017 wurde die Brücke durch Queen Elizabeth II. eröffnet.

125

Im hohen Bogen über die Schlucht 14,20

Taminabrücke zwischen Pfäfers und Valens, Schweiz

„Die Asymmetrie des Bogens geht aus Überlegungen einer herstellungstechnisch einfachen Positionierung der Kämpfer im vorhandenen Terrain hervor und erzeugt somit den unverwechselbaren Brückencharakter. Die radiale Anordnung der Aufständerungen trägt zusätzlich zum dynamischen Erscheinungsbild bei. Durch die absatzlose Verschmelzung des Bogens mit dem Brückendeck und die statisch bedingten Anvoutungen wirkt die Brücke als monolithische Gesamteinheit.“ Michael Kleiser

126

16,75

53,50

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57,15

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60,45

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2 43,

05

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,45

Schnitt Maßstab 1:2000

Entwurf und Kon­ struktion: Leonhardt, Andrä und Partner, DE-Stuttgart dsp Ingenieure + ­Planer, CH-Greifensee Smoltczyk & Partner, DE-Stuttgart Prüfingenieure: Thomas Vogel, CH-Zürich Pascal Klein, CH-Zürich Baugrundgutachter: Dr. von Moos, CH-Zürich Bauherr: Tiefbauamt Kanton St. Gallen, CH-St. Gallen

Rechts oder links – Das mussten Besucher und Einwohner des Taminatals im Schweizer Kanton St. Gallen bis vor Kurzem schon im Kurort Bad Ragaz am Ende des Tals entscheiden. Zwei Straßen führen hinauf ins Taminatal, eine links nach Pfäfers, eine rechts nach Valens. Erst weit hinten, beim Mapragg-Stausee, quert die Straße das Tal. Seit dem Sommer 2017 schwingt sich nun die Taminabrücke mit einer Gesamtlänge von 472,60 m über die Schlucht. Die Dörfer Pfäfers und Valens ­liegen plötzlich nur noch 1 km voneinander entfernt. Einbindung in die Landschaft Der Kanton St. Gallen schrieb im Mai 2007 einen internationalen Wettbewerb aus, den das Stuttgarter Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner gewinnen konnte. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der sen­ siblen Einbindung des Brückenneubaus in das Landschaftsschutzgebiet. So folgt die asymmetrische Konstuktion den unterschiedlichen Höhen der Tal­ flanken und nimmt durch die schräge ­Position der Kämpferständer den Nei­ gungswinkel der Felsformationen auf. Die großzügigen Öffnungen zwischen Bogen und Überbau erzeugen ein filigranes und transparentes Erscheinungsbild.

Statisches System Das statische System der Brücke setzt sich aus dem Bogentragwerk und einem über die Ständer mit diesem monolithisch verbundenen Durchlaufträger zusammen. Der Bogen aus Stahlbeton hat eine Stützweite von 259,36 m und ist an den Kämpfern in den Baugrund eingespannt, welche die Beanspruchungen aus dem Bogen in den unverwitterten Fels ableiten. Infolge der Einspannung erhält der Bogen am Anschnitt zu den Kämpfern mit 4 m seine größte Bauhöhe, während diese zum Scheitel hin bis auf 2 m abnimmt. Um Gewicht zu sparen, ist der Bogen von den Kämpfern bis zu den Ständern als Hohlquerschnitt konstruiert, dazwischen – im Scheitelbereich – wählten die Planer aufgrund der geringen Bauhöhe einen massiven Querschnitt. Die schrägen

Taminabrücke im Kanton St. Gallen (CH)

127

A

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G

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Baustellenablauf A Betonieren der Kämpfer und Kämpferpfeiler B Errichtung der ­Seitenfelder C Konstruktion des Bogens im Frei­ vorbauverfahren D Bogenschluss E Überbauherstellung und Abbau der Hilfspylonen F Überbauherstellung über dem Bogen mittels Traggerüst G Fertigstellung

Kämpferpfeiler sind mit dem Überbau zu einer biegesteifen Rahmenkonstruktion ­verbunden, um so die stützenfreie Über­ brückung der Seitenfelder zu ermöglichen. Der Überbau ist als Hohlkastenquerschnitt mit einer Bodenplattenbreite von 5 m und einer Regelbauhöhe von 2,75 m konzipiert. Er weist eine Länge von 417 m auf. An den Brückenenden liegt er auf längsbeweglichen Kalottenlagern, von denen jeweils eines der beiden querfest ausgebildet ist. Bauausführung Die Erschließung der Widerlager- und Kämpferbaustellen in den steilen Hängen sowie der gesamte Herstellungsprozess der Brücke stellte für Planer und Ausführende eine besondere logistische Herausforderung dar. Für die Herstellung der Kämpfer, der Kämp­ ferpfeiler, der Seitenfelder und auch für die Andienung der ersten Bogensegmente entschieden sich die Ausführenden für eine Kombination aus Turmkranmontage und Errichtung mittels Kabelkran. Dabei kamen die höchsten bisher in Europa freistehend errichteten Turmdrehkräne zum Einsatz mit einer Auslegerlänge von 75 m und einer Ha­­ kenhöhe von 115 m. Außerhalb der Schwenk-

bereiche der Turmdrehkräne musste mit einem Kabelkran weitergebaut werden. Die Errichtung des Bogens erfolgte im Freivorbau mit temporärer Abspannung. Die hierfür erforderlichen Hilfspylonen aus Stahl standen seitlich auf den Kämpferfundamenten. Die Höhe der Pylonen betrug ca. 107 m auf der Seite von Pfäfers und ca. 78 m auf der Seite von Valens. Die nach vorne gerich­ teten Haltekabel nehmen das Gewicht des Bogens auf und leiten es über den Pylon in die nach hinten gerichteten Rückspannkabel weiter. Nach dem Bogenschluss wurden die Halte- und Rückhaltekabel sowie die Hilfspylonen wieder abgebaut. Die Herstellung des Überbaus in den Sei­ tenfeldern erfolgte auf einem Lehrgerüst. Der Überbau im Bogenbereich wurde abschnittweise mit einem auf dem Bogen abgestützten Traggerüst erstellt. Die Betonage geschah in Abschnitten vom Bogenscheitel nach außen zu den Kämpfern hin. Parallel dazu konnten die massiven radialen Bogenständer mit einer Bodenschalung realisiert werden. Nach vier Jahren Bauzeit feierten die Bewohner von Pfäfers und Valens im ­Sommer 2017 die Eröffnung des neuen Wahr­zeichens des Taminatals.

Taminabrücke im Kanton St. Gallen (CH)

129

10,48 10,48

Schnitt Überbau Maßstab 1:100

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2,50

2,30

0,44

0,44

2,30

2,50

2,50

2,30

0,44

1 Absturzsicherung 2 Brüstung Beton­ fertigteil 3 Deckschicht Guss­asphalt 35 mm Tragschicht Guss­asphalt 30 mm Schutzschicht Guss­asphalt 35 mm Abdichtung 5 mm Beton 500 mm 4 Hohlkasten Beton 650 mm 5 Entwässerung Stahlrohr Ø 200 mm 6 Spannglied Stahl Ø 100 mm

a

d 4,1 0

9

c

c c c

d

d

c

aa

a 41,1 ,609

Taminabrücke im Kanton St. Gallen (CH) 0

4,1

0

04 ,1

2

3,3

0 43,1 ,302

4,1

0

1,7

0

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0

4,1

b 2,34,3 42

2

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1,7 01

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2,4

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b

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0

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4,1 04 ,10

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5,38

4,1 04 ,10

4,1 0

b

0,9 5

4,1 0

2,49

a

4,1 0

4,1 0

3,32

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5

4,10

2,49

b

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3,32

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b

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1,6

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d 2,502,50

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4,10

dd 4,10

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var. 4,10

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var. var.var. 1,50 1,50 var.

0,90

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cc 0,35

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Ansicht • Schnitte Ständer mit Beton­ gelenk Maßstab 1:200

a

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Kräfte formen eine Brücke Brücke über die Autobahn A5 bei Wilfersdorf, Österreich

„Als willkommene Auflockerung der oft monoton hintereinandergereihten Typenüberführungen wirkt die Brücke A5.Ü20 als Streckenmarke mit hohem Wiedererkennungswert. Die Visualisierung des inneren Tragzustands in der äußeren Form durch Ausdruck des Druckbogens und des Zugelements in Brückenmitte sowie schräge, sich kreuzende Linienführungen vermitteln Spannung und Prägnanz. Statik, Tragwerk und Formgebung bedingen einander und sind aus dem Bauwerksentwurf klar ablesbar.“ Ludolf Krontal

Im Zuge des Neubaus der Weinviertel ­Autobahn A5 nördlich von Wien ließ der österreichische Autobahnbetreiber Asfinag eine neue, 2017 für den Verkehr freigege­ bene, Brücke bei Wilfersdorf errichten, die durch ihre Gestaltung und Form zu einer weithin sichtbaren Landmarke geworden ist. Den Planern und Ausführenden ist es hier gelungen, das Betätigungsspektrum des Ingenieurs über das reine Berechnen und Bemessen hinaus zu nutzen und die Gestal­ tungspotenziale, die auch diese scheinbar all­täg­liche Bauaufgabe in sich trägt, auszu­ loten und umzusetzen. Entwurf und Formgebung Die neue Trasse bei der Gemeinde Wilfers­ dorf verläuft in einem ca. 11,5 m tiefen Geländeeinschnitt. Die Böschungsflanken mit einer Neigung von 45 Grad sind mit einem zementgebundenen Böschungs­ material stabilisiert. Aufgrund dieses tiefen Geländeeinschnitts entschieden sich die Planer für eine über beide Richtungsfahrbahnen spannende Brücken, deren Schrägstreben den Nei­ gungswinkel der steilen seitlichen Flanken aufnehmen. Entscheidend für die Form­ gebung war außerdem, dass aufgrund der weichen Bettungseigenschaften des Unter­ grunds nicht die gesamte Horizontalkraft in

132

den Erdboden abgetragen werden kann. Ein entsprechender Anteil muss über erd­ nahe Streben wieder in den Riegel zurück­ geführt und kurzgeschlossen werden. Die Ableitung von Zugkräften am Widerlager erzeugt zusätzlich zur Sprengwerkwirkung eine Rahmenwirkung. Anhand von Simulationen und Arbeitsmo­ dellen wurden unterschiedliche Streben­ neigungen und deren dreidimensionale ­Wirkung im Raum untersucht. Auch die ­Proportionen der Brücke konnten so ange­ passt werden. Die Teilung der Streben in Brückenquerrichtung lockert das Erschei­ nungsbild auf und bietet Raum für die ver­ deckte Führung der Entwässerungsleitung

Entwurf und Kon­ struktion: ASFINAG Bau Management, AT-Wien Öhlinger und Partner, AT-Wien Mayer Ingenieur­ leistungen, AT-Wien Prüfingenieur: ABES Wagner & ­Partner, AT-Graz Bauherr: ASFINAG Bau Management, AT-Wien

51,00 5,55

15,82

20,61

15,07

4,80

Schnitt Maßstab 1:500

A5.Ü20 bei Wilfersdorf (AT)

133

1,80

+1,01 +0,90 +0,77 +0,64 +0,51 +0,36 +0,19 + _ 0,00

26

23

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16 13 10 6 3

1,02 77

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+1,31 +1,22

33

16

+1,40

36

19

+1,80 +1,75 +1,69 +1,63 +1,56 +1,48

1,75

2,21

45

und die mittige Wartungstreppe. Auch die Ausformung des Überbaus mit seiner kon­ vexen Auswölbung in Brückenmitte reflek­ tiert die im statischen Modell abgebildete, kombinierte Lastabtragung aus Biegebal­ ken und Sprengwerk. Ausführung und Herstellung Um die erforderlichen Bauteile an allen Stel­ len möglichst optimal durchzukonstruieren, wurden das Gesamtsystem und die Beweh­ rungsführung während der Detailplanung im 3-D-Verfahren bearbeitet. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Ausführung der sich hierbei stetig verändernden Krüm­ mung der Schrägstreben am Übergang zum Tragwerk. Damit passt sich die Form

134

den lokalen Kräften optimal an und Span­ nungskonzentrationen werden vermieden. Die optimale Krümmung konnte letztlich ­mittels Polygonpunkten auf Basis einer ­Klothoide ermittelt werden. Das Betonieren der Brücke erfolgte in drei Abschnitten beginnend bei den Widerla­ gern über die Streben zum Tragwerk. Sämt­ liche Seitenschalungen und Klothoiden­ übergänge zur Erdstrebe und zum Widerla­ ger hin wurden vorgefertigt auf die Baustelle geliefert und auf dem Brückenlehrgerüst zusammengefügt. Dieser Brücke zeigt, dass trotz diverser Anforderungen, Normen und Richtlinien sowie Zeit- und Kostendruck innovative Ingenieurbaukunst realisierbar ist.

Geometrie der Klothoide bei den Druckstreben Maßstab 1:40

Vertikalschnitt Brückenmitte Maßstab 1:50 1 Sichtbeton Festigkeitsklasse C 30/37 2 Deck- und Binderschicht 30 bzw. 60 mm Schutzschicht 30 mm Abdichtung 2-lagig 10 mm 3 Filterbeton kunststoff­ gebunden 500/30 mm 4 Randbalken Fertigteil Beton 250 mm 5  Leitschiene Stahl 6 Geländer Stahl mit Spritzschutz

5 2

1

2

3

5 4

6 4

3

1

A5.Ü20 bei Wilfersdorf (AT)

6

135

Zeichenhafte Formgebung Te Matau ā Pohe Brücke in Whangarei, Neuseeland

„Auf heiligem Boden bauen: Der Auftrag für das 32-Millionen-Dollar-Projekt in Neuseeland hätte kaum ­klarer sein können: Es sollte eine Umgehungsstraße um die nordneuseeländische Stadt Whangarei ent­ stehen und gleichzeitig die Kunst und Kultur der lokalen Bevölkerung zum Ausdruck gebracht werden. Jedoch stellte die Finanzierung der Zentralregierung keine Mittel für gestalterische und architektonische Zwecke bereit.“ Martin Knight

Die Stadt Whangarei liegt 160 km nördlich von Auckland auf der Nordinsel von Neuseeland. Durch die Stadt fließt der Hātea River, der am Hafen von Whangarei in den Pazifischen Ozean mündet. Im Juli 2013 eröffnete die Straßenbrücke Te Matau ā Pohe, was in der Sprache der Maori „der Angelhaken von Pohe“ bedeutet. Sie ist benannt nach dem Maori-Häuptling Wiremu Pohe, der um das Jahr 1830 die ersten englischen Siedler in der Region von Whangarei willkommen hieß. Die Brücke spannt über den Hātea River und verbindet über eine ebenfalls neu Entwurf und Kon­ struktion: Knight Architects, GB–High Wycombe, Buckinghamshire Sam White (Projekt­ leitung) Peters & Cheung (heute Novare Design), NZ-Auckland Duncan Peters ­(Projektleitung) Bauherr: Whangarei District Council,NZ

136

Generalunternehmer: McConnell Dowell Constructors, NZ-Auckland Transfield Services, NZ-Auckland Maschinenbau und Elektro: Eadon Consulting, GB-Rotherham Lichtplanung: Speirs + Major, GB-London

Ansicht • Grundriss Maßstab 1:1250

Lower Hātea River Crossing in Whangarei (NZ)

137

138

25000 21800

4200

23835

Längsschnitt Maßstab 1:500

gebaute Umgehungsstraße den Flughafen von Whangarei mit den östlichen Vororten und dem Gewerbegebiet entlang der Port Road. Sie ergänzt und entlastet die weiter flußaufwärts in der Innenstadt gelegene Victoriabrücke, an der sich täglich lange Staus bildeten. Zeichenhafte Formgebung Die Entscheidung für eine rollende Klappbrücke beruht im Wesentlichen auf der ­Forderung der Bauherren, dass die neue Brücke den zahlreichen Segelschiffen, die auf dem Hātea River verkehren, weiterhin den Zu­­gang zum Hafenbecken ermöglicht. Im Gegensatz zu einfachen Klappbrücken, bei denen sich das Brückendeck punkt­ förmig um die Achse des Scharniers dreht, bewegt es sich bei der rollenden Klapp­ brücke beim Öffnen gleichzeitig nach ­hinten, indem es über eine Auflagerfläche rollt. Dies ermöglicht kürzere Öffnungs­ zeiten, sodass die Autofahrer möglichst geringe Wartezeiten haben. Darüber hinaus erinnert der Brückenbau mit seinen gekrümmten, nach hinten ge­­ neigten Armen mit den Gegengewichten an die Form der traditionellen Angelhaken der Maori und schafft somit ein neues ­identitätsstiftendes Wahrzeichen der Stadt Whangarei.

Rollende Klappbrücke Die Brücke besteht aus drei Segmenten: dem jeweils 120 m langen östlichen und westlichen Teil und der 25 m breiten Öffnung in der Mitte. Die beiden festen Brückensegmente sind als Durchlauftäger mit Pfeilern aus Beton und einem Überbau aus Stahl ausgebildet. Dieser ist monolithisch mit dem Widerlager verbunden. Der bewegliche Teil besteht aus zwei j-förmigen Hohlkastenträgern aus Stahl mit dazwischenliegender orthotroper Fahr­ bahnplatte. An der Außenseite der J-Träger ­nehmen zwei Kragarme aus Stahl den Fußgänger- und Fahrradweg auf. Zum Öffnen der Brücke rollen die J-Träger entlang der Haupttragrichtung auf das westliche Brückensegment und geben dadurch eine Fahrrinne mit einer Durchfahrtsbreite von ca. 20 m und unbegrenzter Höhe frei. Zinkenartige Gegengewichte an den Enden der schräg nach hinten aufragenden Träger entlasten das Klappfeld beim Öffnungs­ vorgang, was den Energieaufwand reduziert. Gehoben wird die Brücke über zwei hydraulische Zylinder an der Unterseite der Konstruktion. Zur effizienten Entwicklung der Geometrie des beweglichen Überbaus und zur Abstimmung der Position und Größe der Hydraulikzylinder kam eine parametrische 3-D-CAD-

Lower Hātea River Crossing in Whangarei (NZ)

139

1000

850

4100

4100

5450

850

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3

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5

500 500

2940

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630 420 420 630

Schnitt Maßstab 1:100 Detailschnitt J-Träger Maßstab 1:20   1 Geländer Flachstahl ¡ 75 mm   2 Belag Fußgänger­ weg Aluminium­ gitter auf Abstands­ haltern, Stahlprofil verjüngend IPE 360   3 Hohlkastenträger Stahl 20 mm   4 Fahrbahnbelag Asphalt 16 mm Träger geschweißt aus Flachstahl ¡ 16–20 mm   5 hydraulische Hebe­ anlage   6 Stahlhohlkasten­ träger 20 mm   7 Queraussteifung Stahl 12 mm   8 Längsaussteifung Stahl 12 mm   9 Flansch Stahl 40 mm 10 Verschraubung M24 Stahlband mit Flansch 11 Stahlband gebogen 95 mm 12 Verzahnung Stahl 13 Grundplatte Flach­ stahl ¡ 95 mm 14 Fugenmasse ­zementgebunden 30 mm 15 Stahlbeton 200 mm

140

Software zum Einsatz. Damit konnte eine Vielzahl an geometrischen Variationen binnen kurzer Zeit untersucht und die beste Lösung in Bezug auf Gesamterscheinung und Herstellungskosten gefunden werden.

6

7

Beleuchtung Besonderes Augenmerk legten die Planer auf eine sichere und blendfreie Beleuchtung der gesamten Brücke. Zur nächtlichen Inszenierung des Tragwerks kommen LEDLeuchten zum Einsatz, deren Schaltung an das Tageslicht und die Wetterbedingungen angepasst werden kann. Das Gesamterscheinungsbild der Brücke – ob statisch oder in Bewegung – ist schlicht und spektakulär zugleich.

250

8

9 10

12 13 14

11

15

550 415

630 415

Lower Hātea River Crossing in Whangarei (NZ)

141

Eisenbahnbrücke auf schlankem Fuß Scherkondetalbrücke bei Krautheim, Deutschland

„Eine geradlinige und stringente Brücke im gleichmäßigen Duktus, die dem Zweck einer Hochleistungs­ strecke entspricht und Ingenieurhöchstleistung in sich trägt. Die Fugen und Lager auf ein absolutes Mini­ mum reduziert, wartungsarm und detailtreu von der Gesamtkomposition bis zur Entwässerung, überzeugt das Bauwerk durch Kompaktheit und die feinen Formakzente der Vouten und Pfeileranzüge.“  Michael Kleiser

Die 2015 in Betrieb genommene Scherkondetalbrücke befindet sich im Landkreis ­Weimarer Land und ist Teil der ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke Erfurt – Leipzig / Halle. Sie führt nördlich von Krautheim über den kleinen Fluss Scherkonde, der hier zu einem See aufgestaut ist. Gestaltung und Tragkonzept Eisenbahnhochgeschwindigkeitsbrücken müssen im Vergleich zu herkömmlichen Straßen- oder Eisenbahnbrücken deutlich höhere Anforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit erfüllen. Die Gewährleistung der dynamischen Stabilität und die Begrenzung der Bauwerksverformungen erfordern extrem steife Konstruktionen, was sich durch sehr massive Bauteilgeometrien äußert. Im Gegensatz zu den bisher üblichen Einfeldträgerketten geht die Scherkondetalbrücke mit ihrem semiintegralen Tragwerk neue Wege: Wie bei semiintegralen Bauwerken üblich, ist der Überbau monolithisch mit den Entwurf und Kon­ struktion: DB ProjektBau, DE-Leipzig, Steffen Marx, Ludolf Krontal Ausführungsplanung: Büchting + Streit,

142

DE-München Prüfingenieur: Curbach Bösche ­Ingenieurpartner, DE-Dresden Bauherr: DB Netz, DE-Leipzig

00

01a

01

02

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Schnitt Maßstab 1:2000

Scherkondetalbrücke bei Krautheim (DE)

143

Pfeilern und teilweise mit den Widerlagern verbunden. Mit dem Tragkonzept erfüllt die Brücke alle statischen und dynamischen Anforderung und ist dabei extrem schlank und transparent. Längskraftabtrag Die Ableitung der großen Horizontalkräfte, die durch die Kombination von Brems-, Anfahr- und Zwangskräften entstehen, stellten im Entwurfsprozess eine besondere Herausforderung dar. Die Planer untersuchten zahlreiche Varianten hinsichtlich der Festpunktwahl und kamen zu dem Ergebnis, dass der Überbau an das Widerlager West und an elf Pfeiler (von 01a bis 10) monolithisch angeschlossen werden muss. Die hohen Kräfte werden verformungsarm am Widerlager West über zwei nahezu starre, in Bauwerkslängsrichtung angeordnete Bohrpfahlwände in den Baugrund abgeleitet. Da der Abstand zwischen dem Festpunkt und dem letzten angeschlossenen Pfeiler mit 452 m sehr groß ist, treten in den monolithisch angeschlossenen Pfeilern sehr hohe Zwangsbeanspruchungen aus Temperatur, Kriechen und Schwinden auf. Um diese zu minimieren, sind die Pfeiler und ihre Gründungen in Tragwerkslängsrichtung sehr

nachgiebig und schlank ausgeführt. Die Pfeiler ruhen auf einreihigen, vertikal sehr steifen Pfahlgründungen, die ebenfalls Zwangsbeanspruchungen aufnehmen. Durch die gezielte Auswahl der Zuschlagstoffe des Betons wurde das E-Modul so gesteuert, dass die Pfeiler weichere und der Überbau hohe, effektivere Steifigkeiten aufweist. Die Reduzierung von Lagern und Fugen ermöglicht eine verbesserte Dauerhaftigkeit und dadurch eine erhebliche Reduzierung der Wartungskosten. Bauprozess Die Erstellung des Überbaus erfolgte bauabschnittsweise mithilfe einer auf Konsolen gelagerten Vorschubrüstung vom Widerlager Ost aus, wo für die Überbauherstellung der temporäre Längsfestpunkt lag. Durch den Festpunktwechsel auf das Widerlager West während des Herstellungsprozesses konnten die Zwängungen im Bauzustand wesentlich minimiert werden. Jeder Überbauabschnitt wurde ohne Arbeitsfuge in einem Zug betoniert. Nach diesem innovativen, semiintegralen Konstruktionsprinzip sind bereits weitere Eisenbahnhochgeschwindigkeitsbrücken der Deutschen Bahn entstanden. 2

3

4

1

5

5

92,44 13,90

36,36 44,00

144

Längsschnitt • Quer­ schnitte Überbau Maßstab 1:250

Ansicht Vorschub­ rüstung Maßstab 1:600 1 Rüstträger U 3000 2 Schalungsträger HEB 550 3 Koppelfuge 4 Aufhängung 5 Einrüstung am Pfeiler

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a

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Scherkondetalbrücke bei Krautheim (DE)

145

Die jüngere Schwester Zweite Hinterrheinbrücke bei Reichenau, Schweiz

„Technik aus zwei Jahrhunderten trifft sich! Der Neubau zeigt, wie Bauaufgaben für Eisenbahnbrücken mit einer gradlinigen Gestaltung technisch anspruchsvoll gelöst werden können. Die statisch, konstruktive und technologische Brückenentwicklung wird an dem Brückenensemble perfekt ablesbar.“ Ludolf Krontal

In Reichenau im Schweizer Kanton Graubünden vereinigen sich der Vorder- und Hinterrhein zum Alpenrhein, der sich weiter über das Churer Rheintal seinen Weg Richtung Bodensee bahnt. Seit über 100 Jahren treffen sich hier auch die Albula- und Surselvalinie der Rhätischen Bahn auf der einspurigen Stahlfachwerkbrücke über den Hinterrhein. Um die historische Brücke zu sanieren und gleichzeitig mehr Fahrplanstabilität zu ge­­ währleisten sowie die Kapazität zu erhöhen, beabsichtigte die Rhätische Bahn, diesen einspurigen Engpass zu beseitigen und eine weitere eingleisige Rheinbrücke zu errichten. Zusätzlich zur neuen Brücke über den Hinterrhein musste die unmittelbar anschließende Überquerung der Nationalstraße A13 – eine bestehende vorgespannte Stahlbetonbrücke – ersetzt und zur Aufnahme bei-

146

der Gleisstränge als integrierter Teil des Gesamtensembles neu geplant werden. Im Februar 2015 lobte der Betreiber einen internationalen Wettbewerb aus, den die Arbeitsgemeinschaft Dissing+Weitling, Hager Partner, WaltGalmarini und Cowi UK für sich entscheiden konnte. Charakteristik des Ortes Zum topografisch und kulturhistorisch bedeutsamen Ort Reichenau gehören aufgrund seiner Lage an zwei Flussarmen seit jeher zahlreiche Brücken. Zu den eindrucksvollsten zählt die bestehende denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke über den Hinterrhein aus dem Jahr 1896. Die dreifeldrige eiserne Fachwerkbrücke gehört zu den letzten ihrer Art, die im Eisenbahnverkehr noch in Betrieb sind. Zwei filigrane Gitterträger erzeugen ein hohes Maß an Transparenz. Die neue Hinterrheinbrücke sollte dazu eine selbstverständliche Ergänzung bilden, da die beiden Überführungen stets zusammen wahrgenommen werden und ein Ensemble bilden. Außerdem war den Auslobern wichtig, dass sich der Brückenneubau in die umgebende Hügellandschaft – die sogenannten Tomahügel – einbindet und keine weiteren massiven Einschnitte in Form von Stützmauern und Felsabtragungen vorgenommen werden müssen.

Entwurf und Kon­ struktion: Dissing+Weitling, DK-Kopenhagen WaltGalmarini, CH-Zürich COWI UK, GB-London Landschaftsarchi­ tekten: Hager Partner, CH-Zürich Bauherr: Rhätische Bahn, CH-Chur

Zweite Hinterrheinbrücke bei Reichenau (CH)

147

Gestaltung der neuen Brücke Elegant und schlicht schwingt sich die neue Brücke unmittelbar südlich der historischen Eisenbahnbrücke über den Hinterrhein und die Nationalstraße. Diese Linienführung tangiert die Flussufer am wenigsten und lässt das Ensemble von Schloss Reichenau und den bestehenden Brückenbauwerken räumlich intakt. Die jüngere Schwester – rätoromanisch „Sora Giuvna“ – fügt sich so harmonisch in das Umfeld ein. Die zweite Hinterrheinbrücke besteht aus einem schlanken Stahltrog, der nicht über die Brüstung der historischen Brücke ragt. Jeweils zwei ineinanderlaufende v-förmige Stahlstreben, die sogenannten Quadropods, tragen diese Stahltrogkonstruktion. Sie wiederum nehmen die Höhe der unteren Kante des Stahlfachwerkträgers der alten Brücke auf. Die Quadropods ruhen auf Betonpfeilern, die in Lage und Ausrichtung ebenfalls mit den neben ihnen stehenden Natursteinpfeilern korrespondieren. Das Konzept sah vor, dass – aus welchem Blickwinkel auch immer die beiden Brücken betrachtet werden – sie sich nicht stören, sondern vielmehr zusammenspielen und ein Ensemble bilden, das durch die Aufnahme der Proportionen und Materialität miteinander in einen Dialog tritt.

Im weiteren Verlauf überquert die zweite Hinterrheinbrücke auch die Nationalstraße A13. Die bestehende Überführung musste wegen Anpassungen des Lichtraumprofils und der geänderten Gleislinienführung abgerissen werden. Die neue Brücke nimmt an dieser Stelle sowohl den alten als auch den neuen Gleisstrang auf. Dafür entwickelten die Planer einen zweiten Trägertyp mit der gleichen äußeren Geometrie wie bei der Flussbrücke. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse ist dieser als V-Stütze ausge­ bildet. Er ist parallel zur Nationalstraße hin ausgerichtet und steht somit schräg zum Überbau. Die V-Stütze begrenzt die Spannweite des Endfelds und ermöglicht so einen über die ganze Brückenlänge konstanten Querschnitt. Konstruktive Ausbildung Die Brücke ist als fugenloser, durchgehender Stahlträger mit einem u-förmigen Querschnitt konzipiert. Die Haupttragstruktur des Überbaus bilden die zwei seitlichen Hohlkastenträger, die durch eine Stahlplatte mit quer verlaufenden Rippen verbunden sind. Die Quadropods stützen den Hauptträger beidseitig des Flussufers. Sie wurden aus gevouteten Hohlkastenträgern aus Stahl hergestellt, die analog einer umgekehrten

196,30 196,30 33,10 33,10

148

25,50 25,50

37,50 37,50

25,50 25,50

28,20 28,20

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11,00 11,00

Brückenelemente Statisches System

Grundriss • Ansicht Maßstab 1:1250

Zweite Hinterrheinbrücke bei Reichenau (CH)

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e

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4059

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kh j hk

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Sonderlösung für die Straßenbrücke Die V-Stütze parallel zur Straße ist auf einer Pfahlkopfplatte mit vier geneigten Pfählen gelagert. Zwischen den V-Armen und dem Überbau befindet sich je ein Topflager. Infolgedessen wird die Stütze von tem­ peraturbedingten Zwängungen aus dem Überbau verschont und der Träger kann in Brückenquerrichtung gehalten werden. Das östliche Brückenwiderlager stellt eine Sonderlösung dar und verfügt neben zwei Brückenlagern am rechtwinkligen Fahrbahn­

e

OBERKANTE PFEILER / ende über ein vorderes BrüPIERzusätzliches TOP h k kh j ckenlager unter dem südlichen Hohlkastenträger. Dadurch wird unter anderem die Durchbiegung des Trägers über der Straße reduziert und ein für die Bahn kritischer Verwindungssprung beim Fahrbahnübergang vermieden. Dank der Vorfertigung transportfähiger Großteile im Werk, des Zusammenbaus zu größeren Komponenten auf dem eigens neben der bestehenden Brücke eingerichteten Installationsplatz und der Montage mittels Kran konnte die Brückenkonstruktion einfach und wirtschaftlich umgesetzt werden.

°

Pyramide geformt und mit den Hohlkastenträgern des Überbaus verschweißt sind. Die beiden nahezu identischen Flusspfeiler und bestehen aus einer konischen Stahlbetonwand, welche die Kräfte aus dem Überbau über eine Pfahlkopfplatte und zwei vertikale Großbohrpfähle in den Untergrund leitet. Aufgrund ihrer Form sind die Flusspfeiler weich genug, um Zwängungen aus der temperaturbedingten Längenänderung im Überbau klein zu halten, aber auch steif genug, um die Durchbiegungen der Fahrbahn zu begrenzen. Zwischen den Quadropods und den Betonpfeilern sind je zwei Stahlbolzenlager eingebaut.

1452

e

90

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a b

150

e OBERKANTE PFEILER / PIER TOP

Geometrie • Ansicht Quadropod Maßstab 1:200 Detailschnitt Verbindung Quadropod mit Überbau Maßstab 1:50

Querschnitt Maßstab 1:50 6300

2450

2450

2450

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1 2

2250

4

1700

  1 Stütze Stromabnehmer   2 Geländer   3 Hohlkastenträger Stahl 20 mm   4 Flansch oben Stahl 30 – 90 mm   5 Flansch unten Stahl 30 – 60 mm   6 Längsaussteifung Stahl 20 mm   7 Queraussteifung Stahl 10 mm   8 Querträger Stahl 20 mm   9 Entwässerung 10 Fahrbahnplatte Stahl 20 mm Abdichtung Unterschottermatte Schotter

7

3

10

6 9

8

Zweite Hinterrheinbrücke bei Reichenau (CH)

5

151

Eisenbahnbrücke mit Ausblick Getwingbrücke in Zermatt, Schweiz

„Klare Kante(n) vor dem Matterhorn! Der stählerne Einfeldträger – in der Konstruktion auf das Wesentliche reduziert – ist robust und wirkt dennoch zeitlos elegant. Trotz der Zwänge aus extrem enger räumlicher Vorgabe und sehr knapper Montagezeit gelingt mit der Getwingbrücke eine sehr gut in das Umfeld eingefügte Brücke mit klarer, markanter Form, die den Kraftfluss erlebbar macht.“ Thorsten Helbig

152

Ansicht • Grundriss Maßstab 1:200

4,47

In prominenter Nachbarschaft zum Matter­ horn ist die neue Getwingbrücke Teil der Schmalspurbahnstrecke zwischen der Tal­ station Zermatt und dem auf einer Höhe von 3089 m liegenden Bahnhof am Gornergrat. Die neue Brücke ersetzt eine fast 120 Jahre alte Fachwerkbrücke, die seit der Eröffnung der Gornergratbahn im Jahr 1898 das Orts­ bild von Zermatt geprägt hat. Die nach ­heutigen Anforderungen zu geringe Durch­ fahrtshöhe und die fortgeschrittene Korro­ sion der Stahlteile erforderte jedoch einen Neubau der Überbrückung. Deshalb ent­ schieden sich die Betreiber der Gorner­ gratbahn dafür, einen internationalen Wett­ bewerb auszuschreiben, den das Planungs­ team aus schlaich bergermann partner, SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult sowie mls architekten für sich entscheiden konnte.

Ausgangssituation und Vorgaben Für die Planer stellten die örtlichen und zeitlichen Randbedingungen eine große Heraus­forderung dar: Aufgrund der Lage in den engen Straßen von Zermatt und der Bedeutung der Brücke für den Tourismus als Teil der wichtigen Bahntrasse zum Gornergrat und zum Matterhorn konnte nur in einem begrenzten Zeitfenster gebaut werden. Deshalb musste in einer Sperr­ pause von ca. 60 Stunden der Aushub der alten Fachwerkbrücke und der Einhub der neuen Getwingbrücke erfolgen. Eine weitere Vorgabe der Betreiber war, die bestehenden Widerlager aus Naturstein weitgehend zu erhalten und zu sanieren. Außerdem sollte dieser Streckenabschnitt zu einem späteren Zeitpunkt von einer Ein­ gleis- auf eine Doppelspur erweitert werden können.

1,62 1,62

Entwurf und Kon­ struktion: schlaich bergermann partner, DE-Stuttgart SRP Schneider & ­Partner Ingenieur-­ Consult, DE-Kronach mls architekten, CH-Zermatt Bauherr: Gornergrat Bahn, CH-Brig

24,00

Getwingbrücke in Zermatt (CH)

153

Raffinierter Einfeldträger Statisch gesehen ist die 25 m lange Stahl­ brücke ein Einfeldträger, der auf vier Kalot­ tenlagern aufliegt. Der aus verwinkelten Ble­ chen hergestellte Brückenkörper zeichnet sich vor allem durch seine geringe Bauhöhe von maximal 1,80 m aus. Die Getwingbrücke besteht aus zwei ge­­ schlossenen Stahlhohlkästen, die in der Ansicht dreieckig und im Querschnitt tra­ pezförmig erscheinen. Sie werden im Mittelabschnitt durch ein 8,50 m langes, vor­ gespanntes Zugband verbunden. An den Umlenkpunkten teilt sich diese Unterspan­ nung und leitet die Zugkräfte direkt in die Lagerpunkte ein. Sogenannte Druckstre­ benbleche in der Brückenmitte nehmen die Druckkräfte, die aus der Umlenkung des Zugbands resultieren, auf und stützen gleichzeitig mittig den Fahrbahntrog. An den Umlenkpunkten befindet sich im Hohl­ kasten ein dreiseitiger Rahmen, der den Fahrbahntrog zusätzlich in den Drittelspunk­ ten stützt. Oberhalb des Haupttragwerks liegt zur Gewährleistung eines durchgehen­ den Schotterbetts ein Fahrbahntrog, der aus zwei kleinen Hohlkästen mit dazwi­ schenliegender orthotroper Platte besteht. Seitlich dran schließen die Dienststege und Kabelanlagen an. Berechnung, Fertigung und Montage Die Brücke wurde in 3-D mittels der FiniteElemente-Methode modelliert. Die Berech­ nung aller notwendigen Gebrauchs-, Trag­ fähigkeits-, Stabilitäts- und Erdbebennach­ weise konnte so am Modell geführt werden. Der Fertigungsprozess mit dem verkürzten Einbau des Zugbands erfolgte unter großer Sorgfalt in der Halle, sodass die Brücke als Ganzes nach Zermatt transportiert werden konnte. Eine besondere Herausforderung stellten dabei die engen Serpentinenstraßen dar. Nach dem Aushub der alten Fachwerk­ brücke und dem Betonieren der Widerlager hob ein Autokran die neue Getwingbrücke in ihre endgültige Position.

154

Detailschnitt Anschluss Zugband Maßstab 1:10 Vertikalschnitt Maßstab 1:20 1

5

60

3

150

2

127,5

4

345,5 473

  1 Stegblech außen 15 mm   2 Stegblech innen 10 –15mm   3 Stahlrahmen 3-seitig 15 mm   4 Zugband Flachstahl ¡ 60 mm   5 Druckstrebe geschweißt aus ­Flachstahl ¡ 20 mm   6 Hohlkastenträger Stahl 15 mm Flansch oben Stahl 30 mm   7 Flachstahl ¡ 15 mm   8 Längsaussteifung Stahl 15 mm   9 Querträger Stahlprofil } 30/20 mm 10 Konsole zur Aufnahme des ­Dienststegs 11 Geländer Flachstahl ¡ 10 mm

11

250 10

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Getwingbrücke in Zermatt (CH)

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Bildnachweis Allen, die durch Überlassung ihrer Bildvor­ lagen, durch Erteilung von Reproduktions­ erlaubnis und durch Auskünfte am Zustande­ kommen des Buches mitgeholfen haben, sagen Autoren und Verlag aufrichtigen Dank. Sämtliche Zeichnungen in diesem Werk sind eigens angefertigt. Trotz inten­siver Bemü­ hungen konnten wir einige Urheber der Abbildungen nicht ermitteln, die Urheber­ rechte sind aber gewahrt. Wir bitten um ­dementsprechende Nachricht. Zeichnung auf dem Cover: Taminabrücke im Kanton St. Gallen (CH) Leonhardt Andrä und Partner, dsp ­ Ingenieure + Planer, Smolczyk & Partner Entwerfen von Brücken 1  By Estec GmbH, Billig Hotel in Prag — Own work, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=7053219 2  form PxHere 3  Ludolf Krontal 4  Ralph Feiner 5  Von Ezzeldin.Elbaksawy — Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=92099689 6 https://pixabay.com/de/photos/ paris-br%C3%BCcke-pont-neuf-seine­368384/ 7  A. Liebhart/pixelio.de 8  Von Dinkum — Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=20742587 9  By Behrad09 — Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=52072141 10  Jean-Luc Deru/ Photo-daylight.com 11  By Mike Lehmann, Mike Switzerland — Own work, CC BY-SA 2.5, https://de.wikipe­ dia.org/w/index.php?curid=3891352 12 a  ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv 12 b  ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/­ Fotograf: Boissonnas, François-Frédéric / Hs_1085-1935-36-1-24/Public Domain Mark Brücken für den langsamen Verkehr 1  Von Axel Hindemith, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=80287773 2  Von Vinayak Hegde — Flickr: A double decker living bridge, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=18808200 3  Lothar Henke / pixelio.de 4  wikipedia Ochsenklavier_Pfrimmpark_CC BY-SA 4.0_Goldener Käfer.jpg 5  Von Davepark — Eigenes Werk, CC BY-SA

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3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=17874542 6  wikipedia CC BY-SA 3.0_Davepark 7 www.bernd-nebel.de 8  Petra Egloffstein 9  Von MOSSOT — Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=9403804 10  Von Pufacz — Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=21782053" 11  Junkyardsparkle Wikimedia Commons, Public Domain, https://upload.wikimedia. org/wikipedia/commons/ 8/8e/California_ Cycleway_1900.jpg 12  Von Theo lauber — Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia. org/w/index.php?curid=77913620 13  By Sunyiming — Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index. php?curid=80878228 14  A.Windmüller / pixelio.de 15  Rasmus Hjortshøj — COAST 16  ipv Delft – Beeldtaal 17  Foster + Partners / Exterior Architecture 18  visualization Dissing+Weitling / POSCO, Engineering Division Straßenbrücken 1  iStock photo, Foto: Lukas Bischoff 2 a  aus: Merckel, Curt: Die Ingenieurtechnik Im Alterthum. Berlin 1899, S. 301, Abb. 108 2 b  agefotostock /Alamy Stock Foto, Foto: Tono Balaguer 3 https://structurae.net/de/fotos/76196seinebruecke-neuilly 4  Tak /Adobe Stock Foto 5 a  Gesellschaft für Ingenieurbaukunst/ Clementine Hegner-van Rooden 5 b  Eugen Brühwiler 6  Michael Kleiser 7  aus Pauser, Alfred: Entwicklungsgeschichte des Massivbrückenbaues. Österreichischer Betonverein, 1987, S. 89, Abb. 96; Zeichnung: Michael Kleiser 8  ASFINAG / Zeichnung: Michael Kleiser 9  Daten nach PIARC 2017 10  Ralph Feiner 11  By Michael from Germany — originally posted to Flickr as Skarnsundbrua, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=11460269 12 Photo by Maarten de Vries from FreeImages 13  Von HK Arun — Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=14202705 14  Michael Kleiser 15  By Storebæltsbroen.jpg: Alan Francis­ derivative work: pro2 — Storebæltsbroen. jpg, CC BY-SA 3.0, https://commons.wiki­

media.org/w/index.php?curid=15320759 16  Bildagentur PantherMedia / iofoto 17  Michael Kleiser 18  Lutz Sparowitz 19 Walo 20  Michael Kleiser 21, 22  Sparowitz, Lutz; Freytag, Bernhard; Oppeneder, Johannes; Tue, Viet Nguyen: Quickway – smart mobility for the liveable city of the future. Proceedings, 25th Czech Concrete Days. 2018 Brücken für den Schienenverkehr 1  form PxHere, https://pxhere.com/de/ photo/663341 2 a, b www.letchworthparkhistory.com 2 c  Von Andre Carrotflower — Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia. org/w/index.php?curid= 82896860 3  Nicolas Janberg 4  Vincent Le Quéré 5 a  Von Andreas Passwirth, Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://de.wikipedia.org/wiki/ Langwieser_Viadukt#/media/Datei: ­Langwieser_Viadukt_Unterseite.jpg 5 b  By a, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=22012846 6  Marx Krontal Partner 7  Steffen Marx 8  nach Datenbasis der DB Netz AG 9 HyperloopTT 10  Firmengruppe Max Bögl 11  Knight Architects 12  Hanno Thurnher Fotografie 13  Nicolas Janberg 14  Ludolf Krontal 15  SSF Ingenieure 16  Marx Krontal Partner 17  Nicolas Janberg 18  Marx Krontal Partner 19  SSF Ingenieur AG: Brücken mit VerbundFertigteil-Trägern. VFT-Bauweise. Projekt­ broschüre 20  Marx Krontal Partner Brücken und Verkehr 1  Lindsay Corporation 2  Markus Friedrich 3  (S. 45) verschiedene Quellen: — Netzlänge: nach BMVI: Verkehr in Zahlen. Berlin 2018 und Abschätzungen des Autors — Anzahl der Brücken: ÖV-Fern: DB Netze 2018; Pkw Bundesfernstraßen: BASt 2019; Pkw Landes-, Kreis- und sonstige Straßen, Fuß und Rad: Arndt 2013 und Difu 2015 (siehe Anm. 4; Brücken und Verkehr, S. 159) — Personenkilometer: Berechnungen des Autors basierend auf BMVI: Mobilität in Deutschland — MiD. Ergebnisbericht. Bonn/ Berlin 2019 und Bäumer, Marcus u. a.: Fahr­

leistungserhebung 2014. Bundes­anstalt für Straßenwesen. Bergisch Gladbach 2017 4  FGSV-Nr. 121 Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hrsg.): Richt­ linien für integrierte Netzgestaltung (RIN). Köln 2008 5, 6  Markus Friedrich 7  ASFINAG, Statistik Austria Erhalten und Bewerten von Brücken 1  nach BASt Heft B 68: Auswirkungen des Schwerlastverkehrs auf die Brücken der Bundesfernstraßen. S. 36 2  Marx Krontal Partner 3  nach Mark, Peter: Erhalt unserer Bausubs­ tanz. In: Betonkalender 2015. Band 1. Berlin 2014, S. 8 4  Auswertung der Daten der Deutschen Bahn AG, Forschungsprojekt: Digitale Instandhaltung von Eisenbahnbrücken – DiMaRB, Leibniz Universität Hannover 2019 5 a  Ludolf Krontal 5 b ZKP 5 c  Laumer Bau 6 – 8, 10  Marx Krontal Partner 9  wtm-engineers, Marx Krontal Partner Einwirkungen 1  Michael Kleiser 2  Thorsten Helbig 3  nach Eurocode 1 DIN EN 1991-2:2010-12 4  nach historischen Quellen und aktuellen Normen, z. B. DIN EN 1991-2:2010 5  nach Eurocode 1 DIN EN 1991-2:2010-12 6  nach Krontal, Ludolf: Zum Entwurf von Eisenbahnbrücken. In: structurae Projektbei­ spiele Eisenbahnbrücken. Berlin 2014, S. 3 7 Wacker-Ingenieure.de 8  Thorsten Helbig 9  Nahrath, Niklas: Modellierung Regen-Windinduzierter Schwingungen. Dissertation. TU Braunschweig, 2004, S. 34 10  nach Richtlinien für den Entwurf, die ­konstruktive Ausbildung und Ausstattung von Ingenieurbauten (RE-ING) 2017 11  nach Wenk, Thomas: Erdbebensicherung bestehender Bauwerke. Vorlesungsunter­ lagen. Zürich 2000 12  Thomas L. Rewerts, of Thos. Rewerts & Co., LLC 13 a  aus: Varela, Sebastian; Saiidi, Mehdi: Resilient deconstructible columns for acce­ lerated bridge construction in seismically active areas. Journal of Intelligent Material Systems and Structures. 2017, Vol. 28 (13), Abb. 1 (C) Funktion 1  David Boureau 2  Marx Krontal Partner 3, 4  wesentlich nach Eichwalder, Bernhard: Fugenlose Fahrbahnübergangskonstruktion für lange integrale Brücken. Dissertation. Institut für Tragkonstruktionen, Forschungs­ bereich für Stahlbeton- und Massivbau.

Technische Universität Wien, 2017, S. 27, Zeichnung Michael Kleiser 5 mageba 6 a ASFINAG 6 b  Michael Kleiser 7  nach Ril 804.5202 8, 9  Michael Kleiser nach RVS (AT), BASt Richtzeichnungen, Astra (CH), Deutsche Bahn, SSF, ÖBB, Kantbalk Typ 8 KTH, The Illinois State Toll Highway Authority 10  Michael Kleiser 11 schlaich bergermann partner / Michael Zimmermann 12  Marx Krontal Partner 13 Schréder Wirtschaftlichkeit 1  Kris Provoost 2  nach Pauser, Alfred: Eisenbeton in der ersten Jahrhunderthälfte. In: 100 Jahre Beton- und Bautechnik. Vom Beton-Eisen zum Spann­ beton. Österreichische Vereinigung für Beton- und Bautechnik. Wien 2007, S. 127 3  nach Kessler, Anne; Marx, Steffen: Ingeni­ eurwettbewerbe im Brückenbau. Eine Pro­ jektanalyse über Aufwand und Qualität. In: Deutsches Ingenieurblatt 10/2018, S. 36ff. 4  Alan Karchmer 5  nach FSV: RVS 13.05.11 — Lebenszyklus­ kostenermittlung für Brücken. Richtlinie. Österreichische Forschungsgesellschaft Straße — Schiene — Verkehr 2017 Nachhaltigkeit 1  Von AngMoKio — Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=1253561 2  Daten nach ÖKOBAUDAT 3 a  Hansjörg Lipp, CC BY-SA 2.0, http://geo.hlipp.de/photo/87371 3 b wilfried-dechau.de 3 c  Burkhard Walther 4 — 6  Daten von Thorsten Helbig, Jana Nowak 7  aus RVS 13.05.11: Lebenszykluskosten­ ermittlung für Brücken 8  aus Van Eygen, Emile; Fellner, Johann: Ökobilanzierung im Brückenbau. Eine ­vergleichende Lebenszyklusanalyse einer Spannbeton- und einer Verbundbrücke. Studie. Technische Universität Wien, 2019 Materialien 1  nach Neuhaus, Helmuth: Ingenieur­ holzbau. Wiesbaden 2017 2  Ronald Knapp 3  Thorsten Helbig 4  Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG 5  Kusser Granitwerke GmbH 6  Conzett Bronzini Partner AG 7  schlaich bergermann partner 8  Marx Krontal Partner 9  nach Natursteindatenbanken, DIN EN 771-1, DIN EN 1992-1-1:2011 und DIN EN 206 10  Zusammenstellung Michael Kleiser 11  aus Marti, Peter; Monsch, Orlando;

Schil­ling, Birgit: Ingenieur-Betonbau. Gesellschaft für Ingenieurbaukunst. Zürich 2005, Abb. S. 47 12, 13  Michael Kleiser 14  schlaich bergermann partner 15  BridgeDesign2 by Joris Laarman Lab 16  Marc Lins, M+G INGENIEURE 17  ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / ­Fotograf: Unbekannt  /Hs_1085-1933-2-18/­ Public Domain Mark 18  Lisa Ricciotti 19  Tsinghua University (School of Architecture)-Zoina Land Joint Research Center for Digital Architecture (JCDA) 20  nach Bau-Überwachungsverein – BÜV e.V. (Hrsg.): Tragende Kunststoffbauteile. Heidelberg/Berlin 2014 21, 23 www.solidian.com 22 wilfried-dechau.de Konstruktionen 1— 40  Michael Kleiser Projektbeispiele S. 102 Hufton+Crow S. 105, 106 Burkhard Walther S. 107 oben MPA Stuttgart S. 107 Mitte, unten  Schaffitzel Holzindustrie S. 109 oben Wilfried Dechau S. 109 unten Burkhard Walther S. 111, 113 Alexander Burzik S. 112 Marx Krontal Partner S. 114 —115 Hufton+Crow S. 115 Ney & Partner, Laurent Ney S. 116, 118, 119 oben Hufton+Crow S. 119 unten Ney & Partner, Laurent Ney S. 120—122 oben  Transport Scotland S. 122 unten Bastian Kratzke / LAP Consult S. 123, 124 links  PA Images S. 124 rechts, 125  Lukas Kohler / LAP Consult S. 126 Bastian Kratzke / LAP Consult S. 127, 128 oben  Tiefbauamt Kanton St. Gallen S. 128 Mitte oben, Mitte unten, unten Leonhardt, Andrä und Partner S. 129, 130 Tiefbauamt Kanton St. Gallen S. 131 Leonhardt, Andrä und Partner S. 132 — 135 Michael Kleiser, Mayer ­Ingenieurleistungen S. 136 — 137 Patrick Reynolds S. 138 oben, Mitte  Knight Architects S. 138 unten, 140  Patrick Reynolds S. 141 oben Peters & Cheung Ltd. S. 141 unten Knight Architects S. 142—143 Alexander Burzik S. 144, 145 unten Ludolf Krontal S. 145 oben Alexander Burzik S. 146 Walt Galmarini S. 147 Stephane Braune S. 148 oben, Mitte  Roman Sidler S. 148 unten Andreas Ludin S. 149, 151 Roman Sidler S. 150 Andreas Galmarini S. 152 David Hannes Bumann S. 154 —155 schlaich bergermann partner

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Quellen Entwerfen von Brücken  [1]  Lipps 1897 Lipps, Theodor: Raumästhetik und geometrisch-optische Täuschungen. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1897. Amsterdam 1966, S. 39 und Vorwort  [2]  Kleiser 2017 Kleiser, Michael: Formdynamik an Über­ führungsbrücken. In: Beton- und Stahl­ betonbau 112, Heft 7/2017, S. 402— 411  [3]  Arnheim 2000 Arnheim, Rudolf: Kunst und Sehen — Eine Psychologie des schöpferischen Auges. Überarbeitete Version der Origi­ nalausgabe: Art and Visual Perception — A psychology of the creative eye von 1974. Berlin, New York 2000, S. 13ff.  [4]  Hoshino 1972 Hoshino, Kunio: Gestaltung von ­Brücken. Stuttgart 1972, S. 4ff.  [5]  Leonhardt1982 Leonhardt, Fritz: Brücken. Ästhetik und Gestaltung. Stuttgart 1982, S. 9  [6|  Hauskeller 2013 Hauskeller, Michael: Was ist Kunst? ­München 1998, S. 33  [7]  Tasche 2015 Tasche, Martin: Analyse von Entwick­ lungssträngen im Konstruktiven Inge­ nieurbau anhand bestehender Brücken und Stabtragwerke im Hochbau in Sach­ sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. ­Promotion, TU Dresden 2015, S. 121 Brücken für den langsamen Verkehr   [1] Dupré / Gehry1998 Dupré, Judith (Hrsg.): Brücken. Unter Mit­ arbeit von Jörg Meidenbauer. Mit einem Vorwort von Frank O. Gehry. Köln 1998 Straßenbrücken  [1]  Lee, 1947 Lee, G. E.: The Highways of Antiquity. In: Railway Gazette. Broschüre. Westminster 1947  [2]  Merckel 1899 Merckel, Curt: Die Ingenieurtechnik im Alterthum. Berlin 1899, S. 295  [3]  Pauser 2005 Pauser, Alfred: Der Brückenentwurf — ein Leitfaden. Interne Arbeitsunterlagen Pauser ZT GmbH / PCD GmbH 2005, S. 3  [4]  Bühler 2019 Bühler, Dirk: Tragende Verbindungen. Ausstellungskatalog, Deutsches Museum. München 2019, S. 143  [5]  Pauser 1987 Pauser, Alfred: Entwicklungsgeschichte des Massivbrückenbaues. Österreichi­ scher Betonverein. Wien 1987, S. 76ff.

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  [6] Hartmann 1928, S. 31 Hartmann, Friedrich: Ästhetik im Brücken­ bau. Leipzig, Wien 1928, S. 31  [7] Billington 2014 Billington, David. P.: Der Turm und die Brücke. Deutsche Übersetzung der Ori­ ginalausgabe The Tower and the Bridge von 1983. Berlin 2014, S. 122   [8] Le Corbusier 1964 Le Corbusier: When the Cathedrals Were White. (Originalausgabe: Quand les cathédrales étaient blanches. aus 1937. New York / Toronto / London 1964, S. 75ff.  [9] Grütter 2015 Grütter, Jörg Kurt: Grundlagen der Archi­ tekturwahrnehmung. Wiesbaden 2015, S. 201 [10] Kreuzer 2005. Kreuzer, Bernd: Tempo 130 — Kultur und Planungsgeschichte der Autobahnen in Oberösterreich. Linz 2005, S. 12ff [11] Tiedje 1966 Tiedje, Wilhelm: Formprobleme im Brückenbau. Stuttgart 1966, S. 10 [12] Arnheim 1980 Arnheim, Rudolf: Die Dynamik der archi­ tektonischen Form. Köln 1980, S. 166 [13] Kleiser 2017 Kleiser, Michael: Formdynamik an Über­ führungsbrücken. Beton- und Stahl­ betonbau 112, Heft 7/2017, S. 402 — 411 [14] Seidl u. a. 2016 Seidl, Günter; Hierl, Martin; Breu, Michael; Mensinger, Martin; Stambuk, Mislav: Segmentbrücke Greißelbach als Stahl­ verbundbrücke ohne Abdichtung und Asphalt. Stahlbau 85, Heft 2/2016, S. 126 —136 [15] Kollegger u. a. 2020 Kollegger, Johann; Suza, Dominik; Proksch-Weilguni, Clemens; Träger, Wolfgang: Entwicklung und erste Anwendung des Brückenklappverfah­ rens. Beton- und Stahlbetonbau 115, Heft 7/2020, S. 484 — 494 Brücken für den Schienenverkehr  [1] Eisenbahnzeitung 1850 Grundzüge für die Gestaltung der Eisen­ bahnen Deutschlands. In: Eisenbahn­ zeitung vom 14. April 1850, S. 61 – 63   [2] / [4]  Tasche 2015, S. 118 und S. 315 (siehe Anm. 7, Entwerfen von Brücken)  [3] Kurrer / Weißbach 2009 Kurrer, Karl-Eugen; Weißbach, Matthias: Ingenieurbaukunst wird zur Wissenschaft. In: Eisenbahnbrücken — Ingenieurbau­ kunst und Baukultur. Hrsg. Mehdorn, ­Hartmut/DB AG; Schwinn, Karl H. / Bundes­ ingenieurkammer. Berlin 2009, S. 103ff.

 [5] Krüger 2020 Krüger, Sönke: Wie schlägt sich der ICE eigentlich im internationalen Vergleich? In: Welt online vom 16.09.2020  [6] Krontal 2014 Krontal, Ludolf: Zum Entwurf von Eisen­ bahnbrücken. In: structurae Projektbei­ spiele Eisenbahnbrücken. Berlin 2014, S. 1  [7] SBB 2008 SBB Fachstelle für Denkmalschutzfragen: Arbeitshilfe für den denkmalpflegerischen Umgang mit Mauerwerksbrücken. 2008  [8] Arbeitshilfe 2020 Marx Krontal Partner u. a.: Arbeitshilfe zum Umgang mit historischen Eisenbahn­ brücken. Januar 2020   [9] Gautier / Krontal 2010 Gauthier, Peter; Krontal, Ludolf: Erfah­ rungen mit Netzwerkbogenbrücken im Eisenbahnbrückenbau, In: Stahlbau Vol. 79, 3/2010, S. 199—208 [10] Haspel 2019 Haspel, Lorenz: Netzwerkbogenbrücken mit Hängern aus Carbon, In: Stahlbau, Vol. 88, 2/2019, S. 159 [11] Seidl / Lorenc 2018 Seidl, Günter; Lorenc, Wojciech: Inno­ vative Konstruk­tio­nen im Verbund­ brückenbau mit Verbunddübelleisten. In: Stahlbau 87, 6/2018, S. 550 [12] Marx 2015 Marx, Handbuch Brücken, 2015 Marx, Steffen: Semiintegrale Brücken. In: Mehlhorn, Gerhard (Hrsg.): Hand­ buch Brücken. Entwerfen, Konstruieren, Berechnen, Bauen und Erhalten. Heidel­ berg / Berlin 2014, S. 437ff. [13] Schlaich u. a., 2008 Schlaich, Jörg u. a.: Leitfaden Gestalten von Eisenbahnbrücken. Hamburg 2008 Brücken und Verkehr  [1] BMVI 2019 BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Verkehr in Zahlen 2018/2019. Berlin 2018 BMVI Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.): Mobilität in Deutschland — MiD, Ergebnisbericht. 2019  [2] BASt 2019 BASt Bundesanstalt für Straßenwesen: Brückenstatistik. 2019. https://www.bast. de/BASt_2017/DE/Statistik/Bruecken/ Brueckenstatistik.html [aufgerufen am 01.01.2020].   [3] DB Netze 2018 DB Netze: Brückenkarte. 2008 https:// bruecken.deutschebahn.com/brücken­ karte [aufgerufen am 01.01.2020]

  [4] Arndt 2013 und Difu 2015 Arndt, Wulf-Holger: Kommunale Straßen­ brücken — Ansatz der Abschätzung des Investitionsaufwandes für Ersatzneubau, Präsentation auf der Konferenz Kommu­ nales Infrastruktur-Management 2013. Berlin 2013. https://www.kim.tu-berlin. de/menue/archiv_2013/vortraege/ [auf­ gerufen am 01.01.2020]. Difu — Deutsches Institut für Urbanistik gGmbH: Erstellung einer Geodatenbank aller Brücken und Straßen Deutschlands in kommunaler Baulast auf Basis von Open-Street-Map-Daten. Berlin 2015  [5]  ADAC 2013 ADAC: Brücken der Bundesfernstraßen. Fachbroschüre. München 2013  [6]  FGSV 2008 FGSV Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen (Hrsg.): Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN). 2008   [7] BASt 2019, wie Anm. 2   [8] BMVI 2019, wie Anm. 1   [9] StVZO 2020 und 1960 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung StVZO 2020 und 1960 Erhalten und Bewerten von Brücken   [1] BASt Heft B 68 Berichte der Bundesanstalt für Straßen­ wesen. BASt Heft B 68: Auswirkungen des Schwerlastverkehrs auf die Brücken der Bundesfernstraßen. Bergisch Glad­ bach 2009   [2] 2020 ARTBA Bridge Report, American Road & Transportation Builders Associa­ tion (USA)  [3]  Arbeitshilfe 2020 Marx Krontal Partner u. a.: Arbeitshilfe zum Umgang mit historischen Eisen­ bahnbrücken. Januar 2020, S. 14  [4]  Marx 2020 Marx, Steffen: Brückenbausymposium Dresden 2020   [5] ÖNORM B 4008-2:2019-11-15, Bewer­ tung der Tragfähigkeit bestehender Tragwerke — Teil 2: Brückenbau  [6]  ebd.   [7] Fingerloos, Marx, Schnell 2015 Fingerloos, Frank; Marx, Steffen; Schnell, Jürgen: Tragwerksplanung im Bestand. In: Betonkalender 2015. Berlin 2014   [8] ÖNORM B 4008-2, wie Anm. 5  [9]  ebd. [10] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Abteilung Straßenbau, Richtlinie zur Nachrechnung von Straßen­ brücken im Bestand (Nachrechnungs­ richtlinie) Ausgabe 05/2011 [11] DB Netz AG, Richtline RiL 805, 2012 Richtline RiL 805 Tragsicherheit beste­ hender Eisenbahnbrücken. 2012 [12] Richtlinie des DAfStb für Belastungs­ versuche 2020

[13] DBV-Merkblatt 08/2018 DBV-Merkblatt Brückenmonitoring, ­Planung, Ausschreibung und Umset­ zung, 08/2018 Einwirkungen   [1] DIN EN 1991-2:2010-12 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 2: Verkehrslasten auf Brücken  [2] Taferner 2009 Taferner, Josef; Keuser, Manfred; ­Bergmeister, Konrad: Integrale Kon­ struktionen aus Beton. In: Betonkalender 2009, Teil 2. Berlin 2008  [3] Poston 1998 Poston, R. W.: Cable-stay conundrum, Journal of Civil Engineering, 8/1998, Vol. 68, S. 58 — 61  [4] Nahrath 2004 Nahrath, Niklas: Modellierung RegenWind-induzierter Schwingungen. ­Dissertation. Technische Universität Braunschweig, 2004  [5] ASTRA 2005 Bundesamt für Strassen ASTRA: Beurtei­ lung der Erdbebensicherheit bestehen­ der Straßenbrücken. Dokumentation. Bern 2005  [6] Varela/Saiidi 2017 Varela, Sebastian; Saiidi, Mehdi: Resili­ ent deconstructible columns for accele­ rated bridge construction in seismically active areas. Journal of Intelligent Mate­ rial Systems and Structures. 13/2017, Vol. 28, S. 1751— 1774 Funktion  [1] Merckel 1899 Merckel, Curt: Die Ingenieurtechnik im Althertum. Berlin 1899, S. 280   [2] ebd., S. 286   [3] FSV: RVS 15.04.81, 2017 FSV: RVS 15.04.81: Lärmschutzwände auf Kunstbauten — Ausbildung und Dimen­sionierung. Forschungsgemein­ schaft Straße Schiene Verkehr, Richt­ linie 2017  [4] Eichwalder 2017 Eichwalder, Bernhard: Fugenlose Fahr­ bahnübergangskonstruktion für lange integrale Brücken. Dissertation. Institut für Tragkonstruktionen, Forschungs­ bereich für Stahlbeton- und Massivbau. Technische Universität Wien 2017 Wirtschaftlichkeit   [1] Vitruv / Fensterbusch 1991 Vitruv: Zehn Bücher über Architektur. Übersetzt und mit Anmerkungen verse­ hen von Curt Fensterbusch. Darmstadt 1991, S. 43  [2] Baumeister 1866 Baumeister, Reinhard: Architektonische Formenlehre für Ingenieure. Stuttgart 1866, S. 5

 [3] Kleiser 2017 Kleiser, Michael: Formlogik und Form­ dynamik am Beispiel von integralen Überführungsbrücken. Dissertation. Technische Universität Wien, 2017, S. 19  [4] Klotz 1977 Klotz, Heinrich: Das Pathos des Funk­ tionalismus (Hefttitel). Funktionalismus in Berlin. In: werk-archithese 64, Heft 3/1977, S. 4  [5] Pahl 1999 Pahl, Jürgen: Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts. München / London / New York 1999, S. 105  [6] Menn 2015 Menn, Christian: Brücken – Bridges. Zürich 2015, S. 20  [7] Keil 2012 Keil, Andreas: Fußgängerbrücken: Stege und Rampen, Entwurf, Konstruktion. München 2012, S. 81   [8] FSV: RVS 13.05.11 2017 FSV: RVS 13.05.11: Lebenszykluskosten­ ermittlung für Brücken. Österreichische Forschungsgesellschaft Straße — Schiene — Verkehr. Richtlinie. 2017   [9] Highway England u. a.: CD 355, 2019 Highway England u. a.: CD 355 Applica­ tion of whole-life costs for design and maintenance of highway structures: Design Manual for Roads and Bridges (DMRB), 2019 Nachhaltigkeit  [1]  Brundtlandt-Kommision, S. 57, Abs. 15   [2] Life Cycle in Practice www.lifelcip.eu (aufgerufen am 27.03.2020)  [3] Geißler 2014 Geißler, Karsten: Handbuch Brücken­ bau. Berlin 2014  [4] European Commission2010 European Commission; Joint Research Centre. ILCD Handbook: General Guide for Life Cycle Assessment: Detailed Guidance; Publications Office of the European Union: Luxembourg 2010   [5] Van Eygen 2019 Van Eygen, Emile; Fellner, Johann: Öko­ bilanzierung im Brückenbau. Eine ver­ gleichende Lebenszyklusanalyse einer Spannbeton- und einer Verbundbrücke. Studie. Technische Universität Wien 2019   [6] FSV, RVS 13.05.11, 2017 RVS 13.05.11: Lebenszykluskosten­ ermittlung für Brücken Materialien  [1] Merckel 1899 Merckel, Curt: Die Ingenieurtechnik im Alterthum. Berlin 1899 Konstruktionen  [1] Schlaich 2004 Schlaich, Jörg: Brücken: Entwurf und Konstruktion. In: BetonKalender 2004. Berlin 2003

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Autoren Thorsten Helbig 1967 in Nordhausen  geboren 1984 –1990  Maurerlehre und Montage­ tätigkeit in Erfurt 1990 –1994  Diplom Bauingenieurwesen an der FH Bielefeld / Campus Minden 1994 – 2001 Tragwerksplaner bei schlaich bergermann partner, Stuttgart seit 2001  Gründungspartner von Knippers Helbig mit Niederlassungen in Stuttgart, Berlin und New York seit 2018  Associate Professor an der Irwin S. Chanin School of Architecture, The Cooper Union, New York seit 2020  American Society of Civil Engi­ neers, Aesthetics in Design Committee

Michael Kleiser 1967 in Wien geboren 1994  Diplom Bauingenieurwesen an der TU Wien 1994 –1997  Forschungstätigkeiten an der TU Wien, TU Aalborg und der University of California, San Diego 1998 – 2011  Tragwerksplanung schlaich bergermann partner, Stuttgart und Inge­ nieurbüro Pauser / PCD-ZT, Wien seit 2011  Brückenexperte bei der ASFINAG Bau Management GmbH, Wien seit 2014  Lehrauftrag an der FH Campus Wien, Department Bauen und Gestalten 2017  Dissertation an der TU Wien: Formlogik und Formdynamik am Beispiel von integralen Überführungsbrücken seit 2017  Lehrauftrag an der TU Wien, Institut für Tragkonstruktionen u. a. Vorle­ sung: „Ingenieurformkunst“

Ludolf Krontal 1969 in Osterburg geboren 1985 –1988  Lehre als Zimmermann und Mitarbeit beim VEB Denkmal­

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pflege ­Magdeburg 1991–1998  Studium Bauingenieurwesen an der Bauhaus-Universität Weimar und der Universitat Politècnica de València 1999 – 2002  Büroleiter Ingenieurbüro für Brückenbau in Dessau 2002 – 2011  DB ProjektBau Leipzig, Leiter Arbeitsgebiet Konstruktiver Ingenieurbau seit 2011  Geschäftsführer und Gesell­ schafter von Marx Krontal Partner mit Sitz in Hannover und Weimar

Markus Friedrich 1967 in München geboren 1983 –1989  Studium Bauingenieurwesen an der TU München 1994  Promotion zum Dr.-Ingenieur Thema: Rechnergestütztes Entwurfsver­ fahren für den ÖPNV im länd­lichen Raum 1989 –1995  Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Verkehrs- und Stadtpla­ nung, TU München 1995 – 2003  Bereichsleiter Planungssys­ teme Verkehr bei der Planung Transport Verkehr AG (PTV), Karlsruhe seit 2003  Professor an der Universität Stuttgart, Lehrstuhl Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik

Martin Knight geboren 1967 seit 2006  Direktor von Knight Architects, international bekannt für den Entwurf von Brücken verschiedene Lehrtätigkeiten an Schulen und Universitäten im Vereinigten König­ reich und in Europa, unter anderem an der TU Delft seit 2017  Gastprofessor an der TU Graz hält regelmäßig Vorträge über Brücken­ design